Kommentar zum GmbH-Gesetz: Band 1 §§ 1 - 34 [u.a.] [10. neubearb. und erw. Aufl.] 9783504384654

Der große Scholz istnoch größer geworden. Was man ihm schon von außen ansieht. In drei statt bisher zwei aufeinander fol

149 15 11MB

German Pages 1939 [1972] Year 2009

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Kommentar zum GmbH-Gesetz: Band 1 §§ 1 - 34 [u.a.] [10. neubearb. und erw. Aufl.]
 9783504384654

Citation preview

Scholz · GmbH-Gesetz · Kommentar

Scholz Kommentar zum GmbH-Gesetz mit Anhang Konzernrecht Bearbeitet von

Dr. Georg Crezelius o. Professor, Universität Harnberg

Dr. Volker Emmerich o. Professor em~ Universität Bayn:uth Richter am OLG Nümberg aD.

Dr. Hans-Joachim Priester Professor, Notar in Harnburg

Dr. Christoph H. Seibt, LLM(Yale) Rechtsanwalt in Harnburg

Dr. Dr. h. c. mult Klaus Tiedemann o. Professor, Universität Freiburg

Dr. Rüdiger Veil o. Professor, Bucerius Law School Harnburg

Dr. Dres. h. c. Karsten Schmidt o. Professor em., Universität Bonn Präsident der Bucerius Law School in Harnburg

Dr. Uwe H. Schneider o. Professor, Technische Universität Darmstadt

Dr. Harm Peter Westermann o. Professor em., Universität Tübingen

Dr. Heinz Wintert Rechtsanwalt in Merzig!Saar

LBand §§ 1-34 Anh. § 13 Konzernrecht Anh. § 34 Austritt und Ausschließung eines Gesellschafters

10. neubearbeitete und erweiterte Auflage 2006

oUs

Dr.~~midt Köln

Zitierweise: Scholz/Emmerich, GmbHG, 10. Aufl., § 1 Rdnr. 3

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel.: 02 21/9 37 38-01, Fax: 02 21/9 37 38-9 43 e-mail: [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 10: 3-504-32551-8 (I. Band) ISBN 13: 978-3-504-32551-0 (I. Band) ISBN 10: 3-504-32550-X (I.–III. Band) ISBN 13: 978-3-504-32550-3 (I.–III. Band) # 2006 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Umschlaggestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Gesamtherstellung: Bercker, Kevelaer Printed in Germany

Vorwort zur 10. Auflage Nach einem Jahrhundert der schleppenden, oft nur marginalen Veränderungen des GmbH-Rechts hält der mit dem KapAEG, KonTraG und HRefG begonnene Wandel an. Die EuGH-Rechtsprechung (Centros, Überseering und Inspire Art) bringt einen Sinnwandel des internationalen Kapitalgesellschaftsrechts mit sich. Die Rechtsprechung über die Mantelverwendung, über die Einlageleistung „zur freien Verfügung“, über die verdeckte Sacheinlage, über den Kapitalschutz einschließlich des Cash Pooling, über Ausschluss und Abfindung von Gesellschaftern, über den Rangrücktritt in der Krise und über kapitalersetzende Bankenkredite sowie über zahlreiche Insolvenzrechtsprobleme verlangt der GmbHPraxis Neuorientierungen ab. Der Generationenwechsel bei Familiengesellschaften lenkt ebenso wie die Change-of-Control-Problematik neue Aufmerksamkeit auf Vinkulierungsklauseln. Die Schuldrechtsreform hat das Recht des Anteilskaufs nachhaltig verändert. Einzelgesetze (wie etwa das Justizkommunikationsgesetz) haben die Gesetzeslage auch im GmbH-Recht in vielen Punkten verschoben. Hinzu kommt die begonnene Arbeit des Gesetzgebers an einer GmbH-Reform. Diese und andere elementare Veränderungen haben Verlag und Autoren bewogen, der erfolgreichen neunten Auflage des Kommentars nunmehr eine zehnte nachzureichen. In Anbetracht der laufenden Reformarbeit des Gesetzgebers wird diese in drei Bänden erscheinen und die bislang im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vorliegende Reformgesetzgebung vollständig berücksichtigen. Alle Texte wurden aktualisiert und in großen Teilen vollständig neu bearbeitet. Der Reformentwurf eines MoMiG konnte in der im Jahr 2006 vorliegenden Fassung bereits integriert werden. Mit den Bänden II und III der zehnten Auflage wird sodann eine den neuen Gesetzesstand ebenso wie die aktuelle Praxis vollständig widerspiegelnde Kommentierung von bleibendem Wert für Heute und Morgen vorliegen. Band I enthält mit den §§ 1–34 das Gründungsrecht, das Recht der Geschäftsanteile und der Gesellschaftsfinanzierung sowie den Anhang zum Konzernrecht. Die Rechtsfragen des Austritts und der Ausschließung von Gesellschaftern sind nunmehr außerhalb des § 15 in einem Anhang zu § 34 behandelt. Steuerrechtliche Aspekte bei allen einschlägigen Vorschriften sorgen für eine praxistaugliche Verzahnung der Materien. Hier wie auch sonst im Scholz wird eine auf die Zukunftsaufgaben der Praxis ausgerichtete wissenschaftliche Kommentierung angestrebt. Nach wie vor wendet sich der Kommentar in erster Linie an Praktiker, die sich auf wissenschaftlicher Grundlage mit konkreten Rechtsfragen rund um die GmbH auseinanderzusetzen haben. Dafür genügt es nicht, lediglich gegenwärtige „herrschende Meinungen“ wiederzugeben, oder eigene Ansichten zu rechtfertigen. Vielmehr muss neben der Darstellung gesicherter Positionen – auch in kritischer Prüfung der Vorauflage – Einwänden oder Neuentwicklungen nachgegangen werden. Anregungen für neue Lösungen der Gestaltungspraxis kommen hinzu. Mit diesen selbstgesteckten Zielen ist sich der Kommentar treu geblieben. V

Vorwort

Dies ist nicht zuletzt einem erfahrenen Bearbeiterkreis zu verdanken, der sich durch Hinzutritt von Herrn Rechtsanwalt Dr. Christoph H. Seibt und Herrn Professor Dr. Rüdiger Veil verjüngt hat. Schmerzlich vermisst wird unter den Autoren Herr Rechtsanwalt Dr. Heinz Winter, der im Jahr 2002 verstorben ist. Verfasser des Stichwortverzeichnisses ist Herr Joachim Sixt. Der erste Band befindet sich im Wesentlichen auf dem Stand von August 2006. Der zweite Band wird voraussichtlich im Jahre 2007 erscheinen und der dritte Band im Jahre 2008 nach Abschluss der GmbH-Reform. September 2006

Verfasser und Verlag

Es bearbeiten in Band I: Crezelius Steuerrecht, und zwar § 11 Rdnr. 172 ff., § 15 Rdnr. 260 ff., § 29 Rdnr. 112 ff., §§ 32a, 32b Rdnr. 262 ff., § 34 Rdnr. 71 ff. Emmerich Karsten Schmidt

§§ 1–4a, § 13, Anhang § 13 Konzernrecht, §§ 21–29 §§ 11, 32a, 32b

Uwe H. Schneider Seibt

§6 §§ 14–18, Anhang § 34 Austritt und Ausschließung eines Gesellschafters (in Nachfolge Winter) §§ 7–10 (in Nachfolge Winter), § 12

Veil

H. P. Westermann Einleitung, §§ 5 und 20 (in Nachfolge Winter), § 19 (in Nachfolge Uwe H. Schneider), §§ 30–32, 33, 34

VI

Vorwort zur 1. Auflage Der Verlag Dr. Otto Schmidt in Köln, der einen Kommentar zum Umsatzsteuergesetz (2 Bde., Köln 1921) von mir verlegt, der aber außer steuerrechtlichen Werken auch die „Rundschau für GmbH“ herausgibt und andere auf das GmbH-Recht bezügliche Werke hat erscheinen lassen, bat mich i. J. 1924, einen Kommentar zum GmbH-Gesetz zu schreiben. Nur schweren Herzens übernahm ich die Arbeit, da vorzügliche Schriftwerke auf diesem Gebiet vorhanden sind, und da eine langjährige internationalrechtliche Tätigkeit im Dienste des Reichs mich viel von der Heimat fernhielt und auf öffentlichrechtliche Gebiete verwies. Aber jede wissenschaftliche Durchdringung eines Rechtsgebiets schafft höchste Freude, welches auch die Materie sei. Das Zivilrecht war mir heimatlich und die handelsregisterrechtliche Seite des GmbH-Rechts aus langjähriger Mitgliedschaft in den Zivilsenaten 1 und 1a des Kammergerichts vertraut. Das mir in gleicher Weise naheliegende Steuerrecht habe ich, soweit es sich auf die GmbH bezieht, im Kommentar mitberücksichtigt. Ziel der Arbeit war eine in knappster Form, aber doch gemeinverständlich gehaltene und möglichst erschöpfende Darstellung des Rechtsstoffs. Die Bedürfnisse der Praxis standen dabei im Vordergrunde. Daher ist auf Beachtung der Rechtsprechung besonderer Wert gelegt und wird um Nachsicht seitens der Theorie gebeten. Berlin, im April 1928

Dr. Franz Scholz

Vorwort zur 2. Auflage Mein i. J. 1928 erschienener großer Kommentar zum GmbH-Gesetz ist seit langen Jahren vergriffen. Der noch in nationalsoz. Zeit in Angriff genommene Plan einer erweiterten Neuauflage unter Berücksichtigung auch der ausländischen GmbH-Rechte kam nicht mehr zur Durchführung. Nach dem 2. Weltkriege zwangen Papiernot und allgemeine Verarmung dazu, mit Herausgabe eines Kleinkommentars sich zu begnügen, der in vier Auflagen erschienen ist. Nunmehr soll der große Kommentar in neuer Auflage wiedererscheinen. Alle durch den zeitbedingten Zwang zu starker räumlicher Einschränkung entstandenen Schwierigkeiten konnten in bester Zusammenarbeit mit dem Verlage, mit dem mich jahrzehntelange Freundschaft verbindet, gelöst werden. Berlin, im Juni 1950

Dr. Franz Scholz

VII

Inhaltsverzeichnis I. Band Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Allgemeines Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV

Gesetzestext GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

I. Die dogmatische und praktische Bedeutung der GmbH . . . . . . . . . II. Die Quellen des GmbH-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schwerpunkte der Fortbildung des GmbH-Rechts durch Gesetzgebung und Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die GmbH im internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auslandsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Aktuelle Reformvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 75 90 99 181 203

Kommentierung des GmbH-Gesetzes Erster Abschnitt: Errichtung der Gesellschaft § § § § § § § § § § §

1 2 3 4 4a 5 6 7 8 9 9a

Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form des Gesellschaftsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt des Gesellschaftsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stammkapital und Stammeinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmeldung zum Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachzahlungspflicht bei Überbewertung von Sacheinlagen . . . . . Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer bei Errichtung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9b Verzicht auf Ersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9c Prüfung durch Registergericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Eintragung in das Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Rechtszustand vor der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Bekanntmachungen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 233 289 350 385 398 472 499 526 543 552 572 579 597 609 718

IX

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Abschnitt: Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter Seite

§ 13 Juristische Person; Handelsgesellschaft . . . . . . . . . . Anhang § 13: Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 14 Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Übertragung von Geschäftsanteilen . . . . . . . . . . . . § 16 Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber . . . . . . . § 17 Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils . . . . . § 18 Mitberechtigung am Geschäftsanteil . . . . . . . . . . . . § 19 Einzahlungen auf die Stammeinlage . . . . . . . . . . . . § 20 Verzugszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 21 Kaduzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 22 Haftung der Rechtsvorgänger . . . . . . . . . . . . . . . . § 23 Versteigerung des Geschäftsanteils . . . . . . . . . . . . . § 24 Aufbringung von Fehlbeträgen . . . . . . . . . . . . . . . § 25 Zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 26 Nachschusspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 27 Unbeschränkte Nachschusspflicht . . . . . . . . . . . . . § 28 Beschränkte Nachschusspflicht . . . . . . . . . . . . . . . § 29 Ergebnisverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 30 Erhaltung des Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . § 31 Erstattung von verbotenen Rückzahlungen . . . . . . . . § 32 Rückzahlung von Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 32a Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen . . . . . . § 32b Haftung für Befreiung von Gesellschafter-Sicherheit . . . § 33 Erwerb eigener Geschäftsanteile . . . . . . . . . . . . . . § 34 Einziehung von Geschäftsanteilen . . . . . . . . . . . . . Anhang § 34: Austritt und Ausschließung eines Gesellschafters

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

722 812 927 985 1158 1188 1211 1229 1282 1294 1318 1333 1346 1362 1363 1376 1388 1392 1475 1544 1576 1582 1583 1750 1784 1846

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1885

II. Band §§ 35–51b

III. Band §§ 52–87

X

Allgemeines Schrifttumsverzeichnis*1 Adler/Düring/Schmaltz

Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997 ff.

Bartl/Fichtelmann/Schlarb/ Schulze Baumbach/Hopt Baumbach/Hueck Beck'scher BilanzKommentar Beck'sches Handbuch der GmbH Brandmüller

Brodmann

Heidelberger Kommentar zum GmbH-Recht, 5. Aufl. 2002 Kurzkommentar zum HGB, 32. Aufl. 2006 Kurzkommentar zum GmbHG, 18. Aufl. 2006 Handels- und Steuerbilanz – §§ 238–339, 342– 342e HGB, 6. Aufl. 2006 Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, 3. Aufl. 2002, hrsg. von Welf Müller und Hense Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, 18. Aufl. 2006 Kommentar zum GmbHG, 2. Aufl. 1930

Centrale für GmbH (Hrsg.) Centrale für GmbH (Hrsg.)

GmbH-Handbuch (Loseblatt) Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, 1981

Erman

Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl. 2004

Fabricius (Hrsg.)

Gemeinschaftskommentar zum Mitbestimmungsgesetz (Loseblatt) Die GmbH, in: Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts, Bd. III, 3, 1929 Betriebsverfassungsgesetz, Handkommentar, 23. Aufl. 2006 Mitbestimmungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 1978 Handbuch des Vorstandsrechts, 2006 Die Juristische Person, 1983

Feine Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier Fitting/Wlotzke/Wißmann Fleischer (Hrsg.) Flume Gehrlein Gersch/Herget/Marsch/ Stützle Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff Godin/Wilhelmi Goette

GmbH-Recht in der Praxis, 2005 GmbH-Reform 1980, 1980 Aktiengesetz, Kommentar, 1974 ff. Aktiengesetz, Kommentar, 4. Aufl. 1971 Die GmbH, 2. Aufl. 2002

* Spezialschrifttum zu Einzelproblemen ist jeweils in der Kommentierung selbst nachgewiesen.

XI

Allgemeines Schrifttumverzeichnis

Goutier/Seidel Großkommentar Großkommentar

Großkommentar Hachenburg Happ Henssler/Willemsen/Kalb (Hrsg.) Henze Hesselmann/Tillmann/ Mueller-Thuns Heymann Hoffmann/Liebs Hucke

Handkommentar zum GmbH-Gesetz und zur GmbH-Novelle, 1990 Aktiengesetz, 3. Aufl. 1970/1975; 4. Aufl. 1992 ff., hrsg. von Hopt und Wiedemann Handelsgesetzbuch, begr. von Hermann Staub, 4. Aufl. 1983 ff., hrsg. von Canaris, Schilling und Ulmer GmbHG s. Ulmer GmbHG, Großkommentar, 8. Aufl. 1990 ff., hrsg. von Ulmer; s. auch Ulmer Die GmbH im Prozess, 1997 Arbeitsrecht Kommentar, 2. Aufl. 2006 Handbuch zum GmbH-Recht, 2. Aufl. 1997 Handbuch der GmbH & Co. KG, 19. Aufl. 2005

Hueck/Windbichler Hüffer

Handelsgesetzbuch, Kommentar, 2. Aufl. 1995 Der GmbH-Geschäftsführer, 2. Aufl. 2000 Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, 1996 Gesellschaftsrecht, 20. Aufl. 2003 Aktiengesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2006

Jaeger Jaeger/Henckel

Insolvenzordnung, Bd. I, 2004 Konkursordnung, Bd. 1, 9. Aufl. 1977 ff.

Kallmeyer Kilger/Schmidt, Karsten Kölner Kommentar

Umwandlungsgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2006 Insolvenzgesetze, 17. Aufl. 1997 Aktiengesetz, 2. Aufl. 1988 ff., 3. Aufl. 2004 ff., 2. Aufl. hrsg. von Zöllner, 3. Aufl. hrsg. von Zöllner und Noack Handelsgesetzbuch, Kommentar, 5. Aufl. 2005 GmbH-Gesetz, 2. Aufl. 1999 Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006 InsO-Kommentar zur Insolvenzordnung (Loseblatt)

Koller/Roth/Morck Koppensteiner Kübler/Assmann Kübler/Prütting

Liebmann/Saenger Lutter Lutter/Hommelhoff Lutter/Scheffler/ U. H. Schneider (Hrsg.) Meyer-Landrut/Miller/ Niehus Michalski XII

Kommentar zum GmbHG, 7. Aufl. 1927 Umwandlungsgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2004, hrsg. von Lutter und M. Winter GmbH-Gesetz, Kommentar, 16. Aufl. 2004 Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998

Kommentar zum GmbH-Gesetz, 1987 Kommentar zum GmbHG, 2002

Allgemeines Schrifttumsverzeichnis

Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts

Münchener Kommentar

Band 2: Kommanditgesellschaft, Stille Gesellschaft, 2. Aufl. 2004, hrsg. von Riegger und Weipert; Band 3: Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 2. Aufl. 2002, hrsg. von Priester und Mayer; Band 4: Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 1999, hrsg. von Hoffmann-Becking AktG, 2. Aufl. 2000 ff., hrsg. von Kropff und Semler BGB, 3. Aufl. 1992 ff., 4. Aufl. 2001 ff., 3. Aufl. hrsg. von Rebmann und Säcker, 4. Aufl. hrsg. von Rehmann, Säcker und Rixecker HGB, 1996 ff., 2. Aufl. 2005 ff., hrsg. von Karsten Schmidt ZPO, 2. Aufl. 200 ff., hrsg. von Lüke und Wax

Nerlich/Römermann

Insolvenzordnung (Loseblatt)

Palandt

Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 65. Aufl. 2006

Raiser, Thomas

Mitbestimmungsgesetz nebst Wahlordnungen, Kommentar, 4. Aufl. 2002 Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006 HGB-Kommentar, 2. Aufl. 2001 Das österreichische GmbH-Recht in systematischer Darstellung, 1983; 2. Aufl., Bd. I, 1997 GmbHG, Kommentar, 5. Aufl. 2005 Kommentar zum GmbH-Gesetz, 4. Aufl. 2002, hrsg. von Rowedder und Schmidt-Leithoff

Münchener Kommentar Münchener Kommentar

Münchener Kommentar

Raiser/Veil Röhricht/von Westphalen Reich-Rohrwig Roth/Altmeppen Rowedder/Schmidt-Leithoff

Schlegelberger Schlegelberger/Quassowski Schmidt, Karsten Schmidt, Karsten/ Uhlenbruck Soergel Staub Staudinger

Kommentar zum HGB, 5. Aufl. 1973 ff. Kommentar zum Aktiengesetz 1937, 3. Aufl. 1939 Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002 Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 3. Aufl. 2003 BGB, Kommentar, 12. Aufl. 1987 ff. Handelsgesetzbuch, Großkommentar, begr. von Hermann Staub, s. bei Großkommentar Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Bearbeitung 1993 ff.

Tillmann/Mohr

GmbH-Geschäftsführer, 8. Aufl. 2003

Ulmer

GmbHG, Großkommentar, Bd. 1, 2005, hrsg. von Ulmer, Habersack und M. Winter Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006

Ulmer/Habersack/Henssler

XIII

Allgemeines Schrifttumverzeichnis

Vogel

Kommentar zum GmbHG, 2. Aufl. 1956

Wiedemann

Gesellschaftsrecht, Bd. 1: Allgemeine Grundlagen, 1980, Bd. 2: Recht der Personengesellschaften, 2004 Umwandlungsrecht, Kommentar, (Loseblatt) Kommentar zum GmbHG (Österreich), 1988 Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981

Widmann/Mayer Wünsch Würdinger

XIV

Abkürzungsverzeichnis

a.A. abl. ABl. EG Abs. Abschn. abw. AbzG AC A. C. AcP ADHGB a.E. a.F. AFG AG AGB AGBG AktG allg. Alt. a.M. AnfG AngKSchG Anh. Anm. AnwBl. AO AöR AP ApSL ArbG ArbGG ArbN ArbNErfG arg. Art. art. AtomG AÜG Aufl.

anderer Ansicht ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Abschnitt abweichend Abzahlungsgesetz Adler-Clemens, Sammlung handelsrechtlicher Entscheidungen (Österreich) Law Reports, Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 am Ende alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift); Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Aktiengesetz allgemein Alternative anderer Meinung Anfechtungsgesetz Angestellten-Kündigungsschutzgesetz Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis (Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts) Lov Nr. 371a 13. 6. 1973 om anpartsselskaber Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitnehmer Gesetz über Arbeitnehmererfindungen argumentum Artikel article Atomgesetz Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Auflage XV

Abkürzungsverzeichnis

AuR AVG AWD AWG AZO

Arbeit und Recht Angestelltenversicherungsgesetz Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Außenwirtschaftsgesetz Arbeitszeitordnung

BABl. BadNotZ BAG BAGE BankArch BAnz. BauersZ BAV

Bundesarbeitsblatt Badische Notariatszeitschrift Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bank-Archiv Bundesanzeiger Der Handelsgesellschafter, hrsg. von Bauer Die Betriebliche Altersversorgung, Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Betriebs-Berater Bundesbankgesetz Bundesbeamtengesetz Band Bundesminister(ium) der Finanzen Bundesdatenschutzgesetz Begründung zum Regierungsentwurf Beilage Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht besonders bestritten betreffend Betriebliche Altersversorgung (Zeitschrift) Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (= Betriebsrentengesetz) Betriebsverfassungsgesetz Beurkundungsgesetz Bewertungsgesetz Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Bundesfinanzhofs Bundesfinanzminister(ium) Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BayObLG BayObLGSt. BayObLGZ BB BBankG BBG Bd. BdF BDSG Begr. RegE Beil. BerDGesVölkR bes. bestr. betr. BetrAV BetrAVG BetrVG BeurkG BewG BfA BFH BFHE BFM BFuP BGB BGBl. BGH BGHSt. XVI

Abkürzungsverzeichnis

BGHZ BilanzrichtlG, BilRLG, BiRiLiG BImSchG BKK BlfG BlStSozArbR BMJ BNotO BR BRAK-Mitt. BRAO BR-Drucks. BReg. BRRG BSG BSGE BStBl. BT-Drucks. BürgA BUrlG BUV BuW BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BW bzgl. BZRG bzw.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bilanzrichtliniengesetz Bundesimmissionsschutzgesetz Die Betriebskrankenkasse Blätter für Genossenschaftswesen Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundesminister der Justiz Bundesnotarordnung Bundesrat Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Bundesregierung Beamtenrechtsrahmengesetz Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Archiv für Bürgerliches Recht Bundesurlaubsgesetz Betriebs- und Unternehmensverfassung (Zeitschrift) Betrieb und Wirtschaft Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Burgerlijk wetboek bezüglich Bundeszentralregistergesetz beziehungsweise

ca. Cc c.i.c. Cod. civ. Cod. com.

circa Code civil culpa in contrahendo Codice civile Code de Commerce

DB DBW Décr. DepotG DGVZ DGWR d.h. DIHT Diss. DJ

Der Betrieb Die Betriebswirtschaft Décret Depot-Gesetz Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung Deutsches Gemein- und Wirtschaftsrecht das heißt Deutscher Industrie- und Handelstag Dissertation Deutsche Justiz XVII

Abkürzungsverzeichnis

DJT DJZ DMBilG, DMBG DNotV DNotZ DrittelbG DR DRiZ DRpfl. DRZ DStR DStZ DurchfVO DZWir, DZWIR

Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung D-Mark-Bilanzgesetz Zeitschrift des Deutschen Notarvereins Deutsche Notar-Zeitschrift Drittelbeteiligungsgesetz Deutsches Recht (1939–1945) Deutsche Richterzeitung Der deutsche Rechtspfleger Deutsche Rechtszeitschrift (1946–1950) Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuer-Zeitung Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht; ab 1999: Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

E eb. EFG EG EGAktG EGBGB EGHGB E-GmbHG EGR Einf. Einl. EinzelhG EKV entspr. Entw. EO ErbStG Erg. ErgBd. Erl. EStG EuGH EuGRZ EuInsVO EuR EuroEG EuZW EvBl.

Entwurf ebenso Entscheidungen der Finanzgerichte Europäische Gemeinschaften; Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Entwurf zum GmbHG Entscheidungssammlung Gewerblicher Rechtsschutz Einführung Einleitung Einzelhandelsgesetz Europäische Kooperationsvereinigung entsprechend Entwurf Exekutionsordnung (Österreich) Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Ergebnis Ergänzungsband Erläuterung(en) Einkommensteuergesetz Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäische Insolvenzverordnung Europarecht Euro-Einführungsgesetz Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (Beilage zur ÖJZ) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

EWG EWGV

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

EWiR EWS

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

f., ff. FamRZ FG FGG

folgende(r) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Finanzgericht; Freiwillige Gerichtsbarkeit Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Finanz-Rundschau Festschrift

Fn. FR FS G GA GBl. GBO GbR, GdbR GBVfg.

Gesetz Goltdammer's Archiv für Strafrecht Gesetzblatt (DDR) Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts Allgemeine Verfügung über die Einrichtung und Führung des Grundbuchs GebrMG Gebrauchsmustergesetz GenG Genossenschaftsgesetz Ges. Gesetz GeschäftsO Geschäftsordnung GeschmMG Geschmacksmustergesetz GesR Gesellschaftsrecht GesRZ Der Gesellschafter, Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Österreich) GewA Gewerbearchiv GewO Gewerbeordnung GewStG Gewerbesteuergesetz GewStR Gewerbesteuer-Richtlinien GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls ggü. gegenüber GK Gemeinschaftskommentar GKG Gerichtskostengesetz gl.M. gleicher Meinung GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHÄndG GmbH-Änderungsgesetz GmbHG Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHR GmbH-Rundschau GmbHRspr. Die GmbH in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte GoB Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung GoltdArch Goltdammer's Archiv für Strafrecht grdl. grundlegend grds. grundsätzlich GrErwStG, GrEStG Grunderwerbsteuergesetz Großkomm. Großkommentar XIX

Abkürzungsverzeichnis

Gruch. GrünhutsZ GRUR GS GüKG GuV GVG GWB h.A. HandReg. HandwO HansGRZ HansOLG Hdb. HdU HGB HinterlO h.L. h.M. Holdh., HoldheimsMS HR HRefG HRegV HRegVfg. HRR Hrsg. HRV Hs. HS HWB HwO i.d.F. i.d.R. IdW i.E. IHK InsO InvG InVO IPG IPR XX

Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, begründet von Grünhut Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Der Gerichtssaal (Zeitschrift) Güterkraftverkehrsgesetz Gewinn- und Verlustrechnung Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herrschende Ansicht Handelsregister Handwerksordnung Hanseatische Gerichtszeitung Hanseatisches Oberlandesgericht Handbuch Handbuch der Unternehmensbesteuerungen Handelsgesetzbuch Hinterlegungsordnung herrschende Lehre herrschende Meinung Monatszeitschrift für Handelsrecht und Bankwesen, begr. v. Holdheim Handelsregister Handelsrechtsreformgesetz Verordnung über das Handelsregister Handelsregisterverfügung Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber Handelsregisterverfügung Halbsatz Handelsrechtliche Entscheidungen, begr. v. Stanzl, hrsg. v. Steiner (Österreich) Handwörterbuch Handwerksordnung in der Fassung in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer im Ergebnis Industrie- und Handelskammer Insolvenzordnung Investmentgesetz Insolvenz und Vollstreckung (Zeitschrift) Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht Internationales Privatrecht

Abkürzungsverzeichnis

IPRax IPRspr. i.S. i.V.m. JA JB JbFfSt. Jb.Int.R. JBl. J. B. L. JFG JherJB JMBlNRW JR Jura JurA JurBl. JurP JuS JW JZ KapAEG KapCoRiLiG KapErhG KapGes. KapGesR KartG(er) KartRdsch. KG KGaA KGBl. KGJ KO KölnKomm. KonsG KonTraG KoordG KostO krit. KSchG KStDV

Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts im Sinne in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jahrbuch für internationales Recht Justizblatt; Juristische Blätter (Österreich) Journal of Business Law Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Jherings Jahrbücher der Dogmatik des Bürgerlichen Rechts Justizministerialblatt Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau Jura, Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Analysen Juristische Blätter Juristische Person Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz Kapitalerhöhungsgesetz Kapitalgesellschaft Kapitalgesellschaftsrecht Kartellgericht Kartell-Rundschau Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Blätter für Rechtspflege im Bezirk des Kammergerichts Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit Konkursordnung Kölner Kommentar zum AktG Konsulargesetz Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Koordinationsgesetz Kostenordnung kritisch Kündigungsschutzgesetz Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung XXI

Abkürzungsverzeichnis

KStG KStR KTS KuT KVStDV KVStG KWG LAG L.Coord. LG Lit. LK LM/LMK LöschG LS LSC LSC lux. LSG lt. LuftverkehrsG, LuftVG, lux. LZ m.a.W. MDR mind. Mio. MitbestErg. MitbestG MittBayNot MittRhNotK m.N. MoMiG MontanMitbestG MontanMitbestErgG MünchHdb. MünchKomm. MuW m.w.N. XXII

Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Zeitschrift für Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Konkurs- und Treuhandwesen (später: KTS) Kapitalverkehrsteuer-Durchführungsverordnung Kapitalverkehrsteuergesetz Gesetz über das Kreditwesen Landesarbeitsgericht Lois coordonnées par arrêté royal d. 30. 12. 1935 (Belgien) Landgericht Literatur Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. von Lindenmaier, Möhring u.a. Löschungsgesetz Leitsatz Loi no. 66–537 d. 24. 7. 1966 sur les sociétés commerciales (Frankreich) Loi d. 10. 8. 1915 concernant les sociétés commerciales (Luxemburg) Landessozialgericht laut Luftverkehrsgesetz luxemburgisch Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht mindestens Millionen Mitbestimmungsergänzungsgesetz Mitbestimmungsgesetz Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der Rheinischen Notar-Kammer mit Nachweisen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Montanmitbestimmungsgesetz Montanmitbestimmungsergänzungsgesetz Münchener Handbuch Münchener Kommentar Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen

Abkürzungsverzeichnis

Nachw. NB N. B. W. NdsRpfl. n.F. NJW NJW-RR NotVORPräs. Nr. NStZ NWB NZ NZA NZG NZI

Nachweis(e) Neue Betriebswirtschaft Nieuw Burgerlijk Wetboek Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Notverordnung des Reichspräsidenten Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Wirtschafts-Briefe Notariatszeitung (Österreich) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz und Sanierung

öAktG o.ä. öBankArch ÖBl.

OR o.V. OVG OWiG

österreichisches Aktiengesetz oder ähnliches österreichisches Bank-Archiv Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung v. 6. 3. 1906 (Österreich) Österreichische Juristen-Zeitung Österreichischer Oberster Gerichtshof Österreichische Steuer-Zeitung österreichischer Verwaltungsgerichtshof Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Oberster Finanzhof (Österreichischer) Oberster Gerichtshof; auch Oberster Gerichtshof f. die Britische Zone Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Zivilsachen Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Schweizerisches Obligationenrecht ohne Verfasser(angabe) Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

PatG PBefG PharmaZ Pos.

Patentgesetz Personenbeförderungsgesetz Pharma-Zeitschrift Posten

öGmbHG ÖJZ ÖstOGH ÖStZ öVwGH ÖZW OFH OGH OGHZ OHG OLG OLGE/OLGR OLGZ

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

probl. PrOVG PSV PublG

problematisch Preußisches Oberverwaltungsgericht Pensionssicherungsverein Publizitätsgesetz

RabelsZ

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begr. v. Rabel RAG Reichsarbeitsgericht; Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts RBerG Rechtsberatungsgesetz RdA Recht der Arbeit Rdnr. Randnummer RdW Recht der Wirtschaft Recht Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenbund RefE Referentenentwurf RegE Regierungsentwurf Regl. Reglement rev. revidiert Rev. Int. Dr. Comp. Revue Internationale de Droit Comparé RFH Reichsfinanzhof RFHE Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGSt. Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der internationalen Wirtschaft RJ Reichsjustizministerium RJA Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts RKG Reichsknappschaftsgesetz rkr. rechtskräftig RM Reichsmark ROHGE Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Rpfl. Rechtspfleger Rpfleger Der Rechtspfleger (Zeitschrift) RpflG Rechtspflegergesetz Rspr. Rechtsprechung RStBl. Reichssteuerblatt RVO Reichsversicherungsordnung RWP Kartei der Rechts- und Wirtschaftspraxis RZ (österreichische) Richterzeitung S. s. SAE SAG SARL ScheckG, SchG XXIV

Satz; Seite siehe; section Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Die Schweizerische Aktiengesellschaft Société à responsabilité limitée Scheckgesetz

Abkürzungsverzeichnis

sched. SchlHA SchwerbehG Schw. Jb. Int. R. SchwZStrafR SeuffArch., SeuffA SGb. SGB SJZ SK s.o. Sp. s. stat. StAnpG StbG StbJb. StBp. StEntlG StGB StPO str. StRK st. Rspr. StrVert StuR StuW StVG s.u. SZ TreuhG, TreuhandG TVG tw. Tz. u. u.a. UmwandlungsVO UmwG UmwStG unstr. u.ö. UrhG

schedule Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schwerbehindertengesetz Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Die Sozialgerichtsbarkeit Sozialgesetzbuch Süddeutsche Juristenzeitung; Schweizerische Juristen-Zeitung Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch siehe oben Spalte salve statuto = vorbehaltlich anderer Regelung im Gesellschaftsvertrag Steueranpassungsgesetz Steuerberatungsgesetz Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung Steuerentlastungsgesetz Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung strittig Steuerrechtsprechung in Karteiform ständige Rechtsprechung Strafverteidiger (Zeitschrift) Staat und Recht Steuer und Wirtschaft Straßenverkehrsgesetz siehe unten Entscheidungen des OGH in Zivilsachen Treuhandgesetz Tarifvertragsgesetz teilweise Textziffer unten und andere/unter anderem Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften Umwandlungssteuergesetz unstreitig und öfters Urheberrechtsgesetz XXV

Abkürzungsverzeichnis

UStG u.U. UWG

Umsatzsteuergesetz unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

VAG

Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Vereinsgesetz Vergleichsordnung Verschmelzungsgesetz Verschmelzungsrichtlinie-Gesetz Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsrecht Verwaltungsgerichtshof vom Hundert Verordnung Vermögensteuergesetz Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Vereinigte Zivilsenate

VerBAV VereinsG VerglO VerschmG VerschmRiLiG VersR VerwR VGH v.H. VO VStG VVaG VVG VwGO VwVfG VZS

WährG Währungsgesetz WarnR, WarnRspr. Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts, hrsg. v. Warneyer WBl. Wirtschaftsrechtliche Blätter (Österreich) WG Wechselgesetz WGG Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen WGGDV Verordnung zur Durchführung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes WHG Wasserhaushaltsgesetz WiB Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift) WiKG Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität wistra Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht WM Wertpapier-Mitteilungen WPg Die Wirtschaftsprüfung WPO Wirtschaftsprüferordnung WRP Wettbewerb in Recht und Praxis WuB Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht WuM Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuW/E Wirtschaft und Wettbewerb. Entscheidungssammlung zum Kartellrecht WvK Wetboek van Koophandel (Niederlande) WZG Warenzeichengesetz XXVI

Abkürzungsverzeichnis

Z. ZAkDR z.B. ZBB ZBH ZfA ZfB ZfgG, ZgesGenW ZfRV ZGB ZGR ZGS ZHR Ziff. ZInsO ZIP ZLR ZMR ZNotP ZPO ZRP ZRvgl ZSR ZStW zust. zutr. ZVglRW ZZP

Ziffer Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zentralblatt für Handelsrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Zeitschrift für Rechtsvergleichung, internationales Privatrecht und Europarecht Schweizerisches Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Lebensmittelrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für die Notar-Praxis Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend zutreffend Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess

XXVII

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Vom 20. April 1892 (RGBl. S. 477) in der Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. S. 846), zuletzt geändert durch das Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) vom 22. 3. 2005 (BGBl. I S. 837).

Erster Abschnitt. Errichtung der Gesellschaft § 1 Zweck der GmbH. Gesellschaften mit beschränkter Haftung können nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck durch eine oder mehrere Personen errichtet werden. § 2 Form des Gesellschaftsvertrags. (1) Der Gesellschaftsvertrag bedarf notarieller Form. Er ist von sämtlichen Gesellschaftern zu unterzeichnen. (2) Die Unterzeichnung durch Bevollmächtigte ist nur auf Grund einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig. § 3 Inhalt des Gesellschaftsvertrags. (1) Der Gesellschaftsvertrag muss enthalten: 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft, 2. den Gegenstand des Unternehmens, 3. den Betrag des Stammkapitals, 4. den Betrag der von jedem Gesellschafter auf das Stammkapital zu leistenden Einlage (Stammeinlage). (2) Soll das Unternehmen auf eine gewisse Zeit beschränkt sein oder sollen den Gesellschaftern außer der Leistung von Kapitaleinlagen noch andere Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden, so bedürfen auch diese Bestimmungen der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. § 4 Firma. Die Firma der Gesellschaft muss, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. § 4a Sitz. (1) Sitz der Gesellschaft ist der Ort, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. (2) Als Sitz der Gesellschaft hat der Gesellschaftsvertrag in der Regel den Ort, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort zu bestimmen, an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. § 5 Stammkapital und Stammeinlagen. (1) Das Stammkapital der Gesellschaft muss mindestens fünfundzwanzigtausend Euro, die Stammeinlage jedes Gesellschafters muss mindestens hundert Euro betragen. 1

GmbHG §§ 5–7

Gesetzestext

(2) Kein Gesellschafter kann bei Errichtung der Gesellschaft mehrere Stammeinlagen übernehmen. (3) Der Betrag der Stammeinlage kann für die einzelnen Gesellschafter verschieden bestimmt werden. Er muss in Euro durch fünfzig teilbar sein. Der Gesamtbetrag der Stammeinlagen muss mit dem Stammkapital übereinstimmen. (4) Sollen Sacheinlagen geleistet werden, so müssen der Gegenstand der Sacheinlage und der Betrag der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden. Die Gesellschafter haben in einem Sachgründungsbericht die für die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen wesentlichen Umstände darzulegen und beim Übergang eines Unternehmens auf die Gesellschaft die Jahresergebnisse der beiden letzten Geschäftsjahre anzugeben. § 6 Geschäftsführer. (1) Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. (2) Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Ein Betreuter, der bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt, kann nicht Geschäftsführer sein. Wer wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs verurteilt worden ist, kann auf die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils nicht Geschäftsführer sein; in die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Wem durch gerichtliches Urteil oder durch vollziehbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde die Ausübung eines Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges untersagt worden ist, kann für die Zeit, für welche das Verbot wirksam ist, bei einer Gesellschaft, deren Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt, nicht Geschäftsführer sein. (3) Zu Geschäftsführern können Gesellschafter oder andere Personen bestellt werden. Die Bestellung erfolgt entweder im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts. (4) Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass sämtliche Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt sein sollen, so gelten nur die der Gesellschaft bei Festsetzung dieser Bestimmung angehörenden Personen als die bestellten Geschäftsführer. § 7 Anmeldung zum Handelsregister. (1) Die Gesellschaft ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn auf jede Stammeinlage, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, ein Viertel eingezahlt ist. Insgesamt muss auf das Stammkapital mindestens soviel eingezahlt sein, dass der Gesamtbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich des Gesamtbetrags der Stammeinlagen, für die Sacheinlagen zu leisten sind, die Hälfte des Mindeststammkapitals 2

Gesetzestext

§§ 7–9 GmbHG

gemäß § 5 Abs. 1 erreicht. Wird die Gesellschaft nur durch eine Person errichtet, so darf die Anmeldung erst erfolgen, wenn mindestens die nach den Sätzen 1 und 2 vorgeschriebenen Einzahlungen geleistet sind und der Gesellschafter für den übrigen Teil der Geldeinlage eine Sicherung bestellt hat. (3) Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister so an die Gesellschaft zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen. § 8 Inhalt der Anmeldung. (1) Der Anmeldung müssen beigefügt sein: 1. der Gesellschaftsvertrag und im Fall des § 2 Abs. 2 die Vollmachten der Vertreter, welche den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet haben, oder eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunden, 2. die Legitimation der Geschäftsführer, sofern dieselben nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt sind, 3. eine von den Anmeldenden unterschriebene Liste der Gesellschafter, aus welcher Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der letzteren sowie der Betrag der von einem jeden derselben übernommenen Stammeinlage ersichtlich ist, 4. im Fall des § 5 Abs. 4 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, und der Sachgründungsbericht, 5. wenn Sacheinlagen vereinbart sind, Unterlagen darüber, dass der Wert der Sacheinlagen den Betrag der dafür übernommenen Stammeinlagen erreicht, 6. in dem Fall, dass der Gegenstand des Unternehmens der staatlichen Genehmigung bedarf, die Genehmigungsurkunde. (2) In der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet. Wird die Gesellschaft nur durch eine Person errichtet und die Geldeinlage nicht voll eingezahlt, so ist auch zu versichern, dass die nach § 7 Abs. 2 Satz 3 erforderliche Sicherung bestellt ist. (3) In der Anmeldung haben die Geschäftsführer zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. Die Belehrung nach § 51 Abs. 2 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 1976 (BGBl. I S. 2005) kann auch durch einen Notar vorgenommen werden. (4) In der Anmeldung ist ferner anzugeben, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben. (5) Die Geschäftsführer haben ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gericht zu zeichnen. § 9 Nachzahlungspflicht bei Überbewertung von Sacheinlagen. (1) Erreicht der Wert einer Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Ein3

GmbHG §§ 9–9c

Gesetzestext

tragung in das Handelsregister nicht den Betrag der dafür übernommenen Stammeinlage, hat der Gesellschafter in Höhe des Fehlbetrags eine Einlage in Geld zu leisten. (2) Der Anspruch der Gesellschaft verjährt in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. § 9a Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer bei Errichtung der Gesellschaft. (1) Werden zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht, so haben die Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft als Gesamtschuldner fehlende Einzahlungen zu leisten, eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen und für den sonst entstehenden Schaden Ersatz zu leisten. (2) Wird die Gesellschaft von Gesellschaftern durch Einlagen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gesellschafter als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. (3) Von diesen Verpflichtungen ist ein Gesellschafter oder ein Geschäftsführer befreit, wenn er die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannte noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen musste. (4) Neben den Gesellschaftern sind in gleicher Weise Personen verantwortlich, für deren Rechnung die Gesellschafter Stammeinlagen übernommen haben. Sie können sich auf ihre eigene Unkenntnis nicht wegen solcher Umstände berufen, die ein für ihre Rechnung handelnder Gesellschafter kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen musste. § 9b Verzicht auf Ersatzansprüche. (1) Ein Verzicht der Gesellschaft auf Ersatzansprüche nach § 9a oder ein Vergleich der Gesellschaft über diese Ansprüche ist unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. Dies gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. (2) Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a verjähren in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung. § 9c Prüfung durch Registergericht. (1) Ist die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß errichtet und angemeldet, so hat das Gericht die Eintragung abzulehnen. Dies gilt auch, wenn Sacheinlagen überbewertet worden sind. (2) Wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Bestimmung des Gesellschaftsvertrages darf das Gericht die Eintragung nach Absatz 1 nur ablehnen, soweit diese Bestimmung, ihr Fehlen oder ihre Nichtigkeit 1. Tatsachen oder Rechtsverhältnisse betrifft, die nach § 3 Abs. 1 oder aufgrund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften in dem Gesellschaftsvertrag bestimmt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen oder von dem Gericht bekanntzumachen sind, 4

Gesetzestext

§§ 9c–15 GmbHG

2. Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, oder 3. die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages zur Folge hat. § 10 Eintragung in das Handelsregister. (1) Bei der Eintragung in das Handelsregister sind die Firma und der Sitz der Gesellschaft, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und die Personen der Geschäftsführer anzugeben. Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben. (2) Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Bestimmung über die Zeitdauer der Gesellschaft, so ist auch diese Bestimmung einzutragen. (3) In die Veröffentlichung, durch welche die Eintragung bekanntgemacht wird, sind außer dem Inhalt der Eintragung die nach § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen Festsetzungen und, sofern der Gesellschaftsvertrag besondere Bestimmungen über die Form enthält, in welcher öffentliche Bekanntmachungen der Gesellschaft erlassen werden, auch diese Bestimmungen aufzunehmen. § 11 Rechtszustand vor der Eintragung. (1) Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht. (2) Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. § 12 Bekanntmachungen der Gesellschaft. Bestimmt das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag, dass von der Gesellschaft etwas bekannt zu machen ist, so erfolgt die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger (Gesellschaftsblatt). Daneben kann der Gesellschaftsvertrag andere öffentliche Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen.

Zweiter Abschnitt. Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter § 13 Juristische Person; Handelsgesellschaft. (1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. (2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen. (3) Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs. § 14 Geschäftsanteil. Der Geschäftsanteil jedes Gesellschafters bestimmt sich nach dem Betrage der von ihm übernommenen Stammeinlage. § 15 Übertragung von Geschäftsanteilen. (1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich. 5

GmbHG §§ 15–18

Gesetzestext

(2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit. (3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. (4) Der notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig. (5) Durch den Gesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. § 16 Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber. (1) Der Gesellschaft gegenüber gilt im Fall der Veräußerung des Geschäftsanteils nur derjenige als Erwerber, dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. (2) Die vor der Anmeldung von der Gesellschaft gegenüber dem Veräußerer oder von dem letzteren gegenüber der Gesellschaft in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommenen Rechtshandlungen muss der Erwerber gegen sich gelten lassen. (3) Für die zur Zeit der Anmeldung auf den Geschäftsanteil rückständigen Leistungen ist der Erwerber neben dem Veräußerer verhaftet. § 17 Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils. (1) Die Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils kann nur mit Genehmigung der Gesellschaft stattfinden. (2) Die Genehmigung bedarf der schriftlichen Form; sie muss die Person des Erwerbers und den Betrag bezeichnen, welcher von der Stammeinlage des ungeteilten Geschäftsanteils auf jeden der durch die Teilung entstehenden Geschäftsanteile entfällt. (3) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass für die Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils an andere Gesellschafter, sowie für die Teilung von Geschäftsanteilen verstorbener Gesellschafter unter deren Erben eine Genehmigung der Gesellschaft nicht erforderlich ist. (4) Die Bestimmungen in § 5 Abs. 1 und 3 über den Betrag der Stammeinlagen finden bei der Teilung von Geschäftsanteilen entsprechende Anwendung. (5) Eine gleichzeitige Übertragung mehrerer Teile von Geschäftsanteilen eines Gesellschafters an denselben Erwerber ist unzulässig. (6) Außer dem Fall der Veräußerung und Vererbung findet eine Teilung von Geschäftsanteilen nicht statt. Sie kann im Gesellschaftsvertrag auch für diese Fälle ausgeschlossen werden. § 18 Mitberechtigung am Geschäftsanteil. (1) Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so können sie die Rechte aus demselben nur gemeinschaftlich ausüben. 6

Gesetzestext

§§ 18–21 GmbHG

(2) Für die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen haften sie der Gesellschaft solidarisch. (3) Rechtshandlungen, welche die Gesellschaft gegenüber dem Inhaber des Anteils vorzunehmen hat, sind, sofern nicht ein gemeinsamer Vertreter der Mitberechtigten vorhanden ist, wirksam, wenn sie auch nur gegenüber einem Mitberechtigten vorgenommen werden. Gegenüber mehreren Erben eines Gesellschafters findet diese Bestimmung nur in Bezug auf Rechtshandlungen Anwendung, welche nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft vorgenommen werden. § 19 Einzahlungen auf die Stammeinlage. (1) Die Einzahlungen auf die Stammeinlagen sind nach dem Verhältnis der Geldeinlagen zu leisten. (2) Von der Verpflichtung zur Leistung der Einlagen können die Gesellschafter nicht befreit werden. Gegen den Anspruch der Gesellschaft ist die Aufrechnung nicht zulässig. An dem Gegenstand einer Sacheinlage kann wegen Forderungen, welche sich nicht auf den Gegenstand beziehen, kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden. (3) Durch eine Kapitalherabsetzung können die Gesellschafter von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen höchstens in Höhe des Betrags befreit werden, um den das Stammkapital herabgesetzt worden ist. (4) Vereinigen sich innerhalb von drei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister alle Geschäftsanteile in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft, so hat der Gesellschafter innerhalb von drei Monaten seit der Vereinigung der Geschäftsanteile alle Geldeinlagen voll einzuzahlen oder der Gesellschaft für die Zahlung der noch ausstehenden Beträge eine Sicherung zu bestellen oder einen Teil der Geschäftsanteile an einen Dritten zu übertragen. (5) Eine Leistung auf die Stammeinlage, welche nicht in Geld besteht oder welche durch Aufrechnung einer für die Überlassung von Vermögensgegenständen zu gewährenden Vergütung bewirkt wird, befreit den Gesellschafter von seiner Verpflichtung nur, soweit sie in Ausführung einer nach § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen Bestimmung erfolgt. (6) Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein. § 20 Verzugszinsen. Ein Gesellschafter, welcher den auf die Stammeinlage eingeforderten Betrag nicht zur rechten Zeit einzahlt, ist zur Entrichtung von Verzugszinsen von Rechts wegen verpflichtet. § 21 Kaduzierung. (1) Im Fall verzögerter Einzahlung kann an den säumigen Gesellschafter eine erneute Aufforderung zur Zahlung binnen einer zu bestimmenden Nachfrist unter Androhung seines Ausschlusses mit dem Geschäftsanteil, auf welchen die Zahlung zu erfolgen hat, erlassen werden. Die Aufforde7

GmbHG §§ 21–26

Gesetzestext

rung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes. Die Nachfrist muss mindestens einen Monat betragen. (2) Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist der säumige Gesellschafter seines Geschäftsanteils und der geleisteten Teilzahlungen zugunsten der Gesellschaft verlustig zu erklären. Die Erklärung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes. (3) Wegen des Ausfalls, welchen die Gesellschaft an dem rückständigen Betrag oder den später auf den Geschäftsanteil eingeforderten Beträgen der Stammeinlage erleidet, bleibt ihr der ausgeschlossene Gesellschafter verhaftet. § 22 Haftung der Rechtsvorgänger. (1) Wegen des von dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht bezahlten Betrages der Stammeinlage ist der Gesellschaft der letzte und jeder frühere, bei der Gesellschaft angemeldete Rechtsvorgänger des Ausgeschlossenen verhaftet. (2) Ein früherer Rechtsvorgänger haftet nur, soweit die Zahlung von dessen Rechtsnachfolger nicht zu erlangen ist; dies ist bis zum Beweis des Gegenteils anzunehmen, wenn der letztere die Zahlung nicht bis zum Ablauf eines Monats geleistet hat, nachdem an ihn die Zahlungsaufforderung und an den Rechtsvorgänger die Benachrichtigung von derselben erfolgt ist. (3) Die Haftpflicht des Rechtsvorgängers ist auf die innerhalb der Frist von fünf Jahren auf die Stammeinlage eingeforderten Einzahlungen beschränkt. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem der Übergang des Geschäftsanteils auf den Rechtsnachfolger ordnungsmäßig angemeldet ist. (4) Der Rechtsvorgänger erwirbt gegen Zahlung des rückständigen Betrages den Geschäftsanteil des ausgeschlossenen Gesellschafters. § 23 Versteigerung des Geschäftsanteils. Ist die Zahlung des rückständigen Betrages von Rechtsvorgängern nicht zu erlangen, so kann die Gesellschaft den Geschäftsanteil im Wege öffentlicher Versteigerung verkaufen lassen. Eine andere Art des Verkaufs ist nur mit Zustimmung des ausgeschlossenen Gesellschafters zulässig. § 24 Aufbringung von Fehlbeträgen. Soweit eine Stammeinlage weder von den Zahlungspflichtigen eingezogen, noch durch Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann, haben die übrigen Gesellschafter den Fehlbetrag nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile aufzubringen. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die Übrigen verteilt. § 25 Zwingendes Recht. Von den in den §§ 21 bis 24 bezeichneten Rechtsfolgen können die Gesellschafter nicht befreit werden. § 26 Nachschusspflicht. (1) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass die Gesellschafter über den Betrag der Stammeinlagen hinaus die Einforderung von weiteren Einzahlungen (Nachschüssen) beschließen können. (2) Die Einzahlung der Nachschüsse hat nach Verhältnis der Geschäftsanteile zu erfolgen. 8

Gesetzestext

§§ 26–29 GmbHG

(3) Die Nachschusspflicht kann im Gesellschaftsvertrag auf einen bestimmten, nach Verhältnis der Geschäftsanteile festzusetzenden Betrag beschränkt werden. § 27 Unbeschränkte Nachschusspflicht. (1) Ist die Nachschusspflicht nicht auf einen bestimmten Betrag beschränkt, so hat jeder Gesellschafter, falls er die Stammeinlage vollständig eingezahlt hat, das Recht, sich von der Zahlung des auf den Geschäftsanteil eingeforderten Nachschusses dadurch zu befreien, dass er innerhalb eines Monats nach der Aufforderung zur Einzahlung den Geschäftsanteil der Gesellschaft zur Befriedigung aus demselben zur Verfügung stellt. Ebenso kann die Gesellschaft, wenn der Gesellschafter binnen der angegebenen Frist weder von der bezeichneten Befugnis Gebrauch macht, noch die Einzahlung leistet, demselben mittels eingeschriebenen Briefes erklären, dass sie den Geschäftsanteil als zur Verfügung gestellt betrachte. (2) Die Gesellschaft hat den Geschäftsanteil innerhalb eines Monats nach der Erklärung des Gesellschafters oder der Gesellschaft im Wege öffentlicher Versteigerung verkaufen zu lassen. Eine andere Art des Verkaufs ist nur mit Zustimmung des Gesellschafters zulässig. Ein nach Deckung der Verkaufskosten und des rückständigen Nachschusses verbleibender Überschuss gebührt dem Gesellschafter. (3) Ist die Befriedigung der Gesellschaft durch den Verkauf nicht zu erlangen, so fällt der Geschäftsanteil der Gesellschaft zu. Dieselbe ist befugt, den Anteil für eigene Rechnung zu veräußern. (4) Im Gesellschaftsvertrag kann die Anwendung der vorstehenden Bestimmungen auf den Fall beschränkt werden, dass die auf den Geschäftsanteil eingeforderten Nachschüsse einen bestimmten Betrag überschreiten. § 28 Beschränkte Nachschusspflicht. (1) Ist die Nachschusspflicht auf einen bestimmten Betrag beschränkt, so finden, wenn im Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes festgesetzt ist, im Fall verzögerter Einzahlung von Nachschüssen die auf die Einzahlung der Stammeinlagen bezüglichen Vorschriften der §§ 21 bis 23 entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt im Fall des § 27 Abs. 4 auch bei unbeschränkter Nachschusspflicht, soweit die Nachschüsse den im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Betrag nicht überschreiten. (2) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass die Einforderung von Nachschüssen, auf deren Zahlung die Vorschriften der §§ 21 bis 23 Anwendung finden, schon vor vollständiger Einforderung der Stammeinlagen zulässig ist. § 29 Ergebnisverwendung. (1) Die Gesellschafter haben Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags, soweit der sich ergebende Betrag nicht nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, durch Beschluss nach Absatz 2 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Beschlusses über die Verwendung des Ergebnisses von der Verteilung unter die Gesellschafter ausgeschlossen ist. Wird die Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Ergebnisverwendung aufgestellt oder werden Rücklagen aufgelöst, so haben die Gesellschafter abweichend von Satz 1 Anspruch auf den Bilanzgewinn. 9

GmbHG §§ 29–31

Gesetzestext

(2) Im Beschluss über die Verwendung des Ergebnisses können die Gesellschafter, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, Beträge in Gewinnrücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen. (3) Die Verteilung erfolgt nach Verhältnis der Geschäftsanteile. Im Gesellschaftsvertrag kann ein anderer Maßstab der Verteilung festgesetzt werden. (4) Unbeschadet der Absätze 1 und 2 und abweichender Gewinnverteilungsabreden nach Absatz 3 Satz 2 können die Geschäftsführer mit Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafter den Eigenkapitalanteil von Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens und von bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung gebildeten Passivposten, die nicht im Sonderposten mit Rücklageanteil ausgewiesen werden dürfen, in andere Gewinnrücklagen einstellen. Der Betrag dieser Rücklagen ist entweder in der Bilanz gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben. § 30 Erhaltung des Stammkapitals. (1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. (2) Eingezahlte Nachschüsse können, soweit sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. Die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluss nach § 12 bekannt gemacht ist. Im Fall des § 28 Abs. 2 ist die Zurückzahlung von Nachschüssen vor der Volleinzahlung des Stammkapitals unzulässig. Zurückgezahlte Nachschüsse gelten als nicht eingezogen. § 31 Erstattung von verbotenen Rückzahlungen. (1) Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden. (2) War der Empfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. (3) Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt. (4) Zahlungen, welche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen zu leisten sind, können den Verpflichteten nicht erlassen werden. (5) Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in den Fällen des Absatzes 1 in zehn Jahren sowie in den Fällen des Absatzes 3 in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. In den Fällen des Absatzes 1 findet § 19 Abs. 6 Satz 2 entsprechende Anwendung. (6) Für die in den Fällen des Absatzes 3 geleistete Erstattung einer Zahlung sind den Gesellschaftern die Geschäftsführer, welchen in betreff der geleisteten Zah10

Gesetzestext

§§ 31–33 GmbHG

lung ein Verschulden zur Last fällt, solidarisch zum Ersatz verpflichtet. Die Bestimmungen in § 43 Abs. 1 und 4 finden entsprechende Anwendung. § 32 Rückzahlung von Gewinn. Liegt die in § 31 Abs. 1 bezeichnete Voraussetzung nicht vor, so sind die Gesellschafter in keinem Fall verpflichtet, Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben, zurückzuzahlen. § 32a Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen. (1) Hat ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt, so kann er den Anspruch auf Rückgewähr des Darlehens im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen. (2) Hat ein Dritter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten, stattdessen ein Darlehen gewährt und hat ihm ein Gesellschafter für die Rückgewähr des Darlehens eine Sicherung bestellt oder hat er sich dafür verbürgt, so kann der Dritte im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nur für den Betrag verhältnismäßige Befriedigung verlangen, mit dem er bei der Inanspruchnahme der Sicherung oder des Bürgen ausgefallen ist. (3) Diese Vorschriften gelten sinngemäß für andere Rechtshandlungen eines Gesellschafters oder eines Dritten, die der Darlehensgewährung nach Absatz 1 oder 2 wirtschaftlich entsprechen. Die Regeln über den Eigenkapitalersatz gelten nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter, der mit zehn vom Hundert oder weniger am Stammkapital beteiligt ist. Erwirbt ein Darlehensgeber in der Krise der Gesellschaft Geschäftsanteile zum Zweck der Überwindung der Krise, führt dies für seine bestehenden oder neu gewährten Kredite nicht zur Anwendung der Regeln über den Eigenkapitalersatz. § 32b Haftung für Befreiung von Gesellschafter-Sicherheit. Hat die Gesellschaft im Fall des § 32a Abs. 2, 3 das Darlehen im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag zurückgezahlt, so hat der Gesellschafter, der die Sicherung bestellt hatte oder als Bürge haftete, der Gesellschaft den zurückgezahlten Betrag zu erstatten; § 146 der Insolvenzordnung gilt entsprechend. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherung im Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherung gedient hatten, der Gesellschaft zu ihrer Befriedigung zur Verfügung stellt. Diese Vorschriften gelten sinngemäß für andere Rechtshandlungen, die der Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechen. § 33 Erwerb eigener Geschäftsanteile. (1) Die Gesellschaft kann eigene Geschäftsanteile, auf welche die Einlagen noch nicht vollständig geleistet sind, nicht erwerben oder als Pfand nehmen. 11

GmbHG §§ 33–35

Gesetzestext

(2) Eigene Geschäftsanteile, auf welche die Einlagen vollständig geleistet sind, darf sie nur erwerben, sofern der Erwerb aus dem über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandenen Vermögen geschehen und die Gesellschaft die nach § 272 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs vorgeschriebene Rücklage für eigene Anteile bilden kann, ohne das Stammkapital oder eine nach dem Gesellschaftsvertrag zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Gesellschafter verwandt werden darf. Als Pfand nehmen darf sie solche Geschäftsanteile nur, soweit der Gesamtbetrag der durch Inpfandnahme eigener Geschäftsanteile gesicherten Forderungen oder, wenn der Wert der als Pfand genommenen Geschäftsanteile niedriger ist, dieser Betrag nicht höher ist als das über das Stammkapital hinaus vorhandene Vermögen. Ein Verstoß gegen die Sätze 1 und 2 macht den Erwerb oder die Inpfandnahme der Geschäftsanteile nicht unwirksam; jedoch ist das schuldrechtliche Geschäft über einen verbotswidrigen Erwerb oder eine verbotswidrige Inpfandnahme nichtig. (3) Der Erwerb eigener Geschäftsanteile ist ferner zulässig zur Abfindung von Gesellschaftern nach § 29 Abs. 1, § 125 Satz 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1, § 207 Abs. 1 Satz 1 des Umwandlungsgesetzes, sofern der Erwerb binnen sechs Monaten nach dem Wirksamwerden der Umwandlung oder nach der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung erfolgt und die Gesellschaft die nach § 272 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs vorgeschriebene Rücklage für eigene Anteile bilden kann, ohne das Stammkapital oder eine nach dem Gesellschaftsvertrag zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zu Zahlungen an die Gesellschafter verwandt werden darf. § 34 Einziehung von Geschäftsanteilen. (1) Die Einziehung (Amortisation) von Geschäftsanteilen darf nur erfolgen, soweit sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. (2) Ohne die Zustimmung des Anteilsberechtigten findet die Einziehung nur statt, wenn die Voraussetzungen derselben vor dem Zeitpunkt, in welchem der Berechtigte den Geschäftsanteil erworben hat, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt waren. (3) Die Bestimmung in § 30 Abs. 1 bleibt unberührt.

Dritter Abschnitt. Vertretung und Geschäftsführung § 35 Vertretung durch Geschäftsführer. (1) Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. (2) Dieselben haben in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Form ihre Willenserklärungen kundzugeben und für die Gesellschaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so muss die Erklärung und Zeichnung durch sämtliche Geschäftsführer erfolgen. Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, so genügt es, wenn dieselbe an einen der Geschäftsführer erfolgt. (3) Die Zeichnung geschieht in der Weise, dass die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft ihre Namensunterschrift beifügen. 12

Gesetzestext

§§ 35–37 GmbHG

(4) Befinden sich alle Geschäftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft und ist er zugleich deren alleiniger Geschäftsführer, so ist auf seine Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden. Rechtsgeschäfte zwischen ihm und der von ihm vertretenen Gesellschaft sind, auch wenn er nicht alleiniger Geschäftsführer ist, unverzüglich nach ihrer Vornahme in eine Niederschrift aufzunehmen. § 35a Angaben auf Geschäftsbriefen. (1) Auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Geschäftsführer und, sofern die Gesellschaft einen Aufsichtsrat gebildet und dieser einen Vorsitzenden hat, der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. Werden Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht, so müssen in jedem Falle das Stammkapital sowie, wenn nicht alle in Geld zu leistenden Einlagen eingezahlt sind, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen angegeben werden. (2) Der Angaben nach Absatz 1 Satz 1 bedarf es nicht bei Mitteilungen oder Berichten, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben eingefügt zu werden brauchen. (3) Bestellscheine gelten als Geschäftsbriefe im Sinne des Absatzes 1. Absatz 2 ist auf sie nicht anzuwenden. (4) Auf allen Geschäftsbriefen und Bestellscheinen, die von einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland verwendet werden, müssen das Register, bei dem die Zweigniederlassung geführt wird, und die Nummer des Registereintrags angegeben werden; im Übrigen gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 3, soweit nicht das ausländische Recht Abweichungen nötig macht. Befindet sich die ausländische Gesellschaft in Liquidation, so sind auch diese Tatsache sowie alle Liquidatoren anzugeben. § 36 Wirkung der Vertretung. Die Gesellschaft wird durch die in ihrem Namen von den Geschäftsführern vorgenommenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen der Gesellschaft vorgenommen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, dass es nach dem Willen der Beteiligten für die Gesellschaft vorgenommen werden sollte. § 37 Inhalt und Umfang der Geschäftsführung. (1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. (2) Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbe13

GmbHG §§ 37–42

Gesetzestext

sondere für den Fall, dass die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder dass die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erforderlich ist. § 38 Widerruf der Bestellung. (1) Die Bestellung der Geschäftsführer ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. (2) Im Gesellschaftsvertrag kann die Zulässigkeit des Widerrufs auf den Fall beschränkt werden, dass wichtige Gründe denselben notwendig machen. Als solche Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung anzusehen. § 39 Anmeldung der Geschäftsführer. (1) Jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung der Geschäftsführer oder über die Beendigung der Vertretungsbefugnis in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft beizufügen. (3) Die neuen Geschäftsführer haben in der Anmeldung zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 entgegenstehen und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. § 8 Abs. 3 Satz 2 ist anzuwenden. (4) Die Geschäftsführer haben ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gericht zu zeichnen. § 40 Liste der Gesellschafter. (1) Die Geschäftsführer haben nach jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung unverzüglich eine von ihnen unterschriebene Liste der Gesellschafter, aus welcher Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der Letzteren sowie ihre Stammeinlagen zu entnehmen sind, zum Handelsregister einzureichen. Hat ein Notar einen Vertrag über die Abtretung eines Geschäftsanteils nach § 15 Abs. 3 beurkundet, so hat er diese Abtretung unverzüglich dem Registergericht anzuzeigen. (2) Geschäftsführer, welche die ihnen nach Absatz 1 obliegende Pflicht verletzen, haften den Gläubigern der Gesellschaft für den daraus entstandenen Schaden als Gesamtschuldner. § 41 Buchführungspflicht. (1) Die Geschäftsführer sind verpflichtet, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen. (2)–(4) (aufgehoben) § 42 Bilanzierungsgrundsätze. (1) In der Bilanz des nach den §§ 242, 264 des Handelsgesetzbuchs aufzustellenden Jahresabschlusses ist das Stammkapital als gezeichnetes Kapital auszuweisen. 14

Gesetzestext

§§ 42–43 GmbHG

(2) Das Recht der Gesellschaft zur Einziehung von Nachschüssen der Gesellschafter ist in der Bilanz insoweit zu aktivieren, als die Einziehung bereits beschlossen ist und den Gesellschaftern ein Recht, durch Verweisung auf den Geschäftsanteil sich von der Zahlung der Nachschüsse zu befreien, nicht zusteht. Der nachzuschießende Betrag ist auf der Aktivseite unter den Forderungen gesondert unter der Bezeichnung „Eingeforderte Nachschüsse“ auszuweisen, soweit mit der Zahlung gerechnet werden kann. Ein dem Aktivposten entsprechender Betrag ist auf der Passivseite in dem Posten „Kapitalrücklage“ gesondert auszuweisen. (3) Ausleihungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern sind in der Regel als solche jeweils gesondert auszuweisen oder im Anhang anzugeben; werden sie unter anderen Posten ausgewiesen, so muss diese Eigenschaft vermerkt werden. § 42a Feststellung des Jahresabschlusses. (1) Die Geschäftsführer haben den Jahresabschluss und den Lagebericht unverzüglich nach der Aufstellung den Gesellschaftern zum Zwecke der Feststellung des Jahresabschlusses vorzulegen. Ist der Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer zu prüfen, so haben die Geschäftsführer ihn zusammen mit dem Lagebericht und dem Prüfungsbericht des Abschlussprüfers unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichts vorzulegen. Hat die Gesellschaft einen Aufsichtsrat, so ist dessen Bericht über das Ergebnis seiner Prüfung ebenfalls unverzüglich vorzulegen. (2) Die Gesellschafter haben spätestens bis zum Ablauf der ersten acht Monate oder, wenn es sich um eine kleine Gesellschaft handelt (§ 267 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs), bis zum Ablauf der ersten elf Monate des Geschäftsjahrs über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung zu beschließen. Der Gesellschaftsvertrag kann die Frist nicht verlängern. Auf den Jahresabschluss sind bei der Feststellung die für seine Aufstellung geltenden Vorschriften anzuwenden. (3) Hat ein Abschlussprüfer den Jahresabschluss geprüft, so hat er auf Verlangen eines Gesellschafters an den Verhandlungen über die Feststellung des Jahresabschlusses teilzunehmen. (4) Ist die Gesellschaft zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts verpflichtet, so sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden. Das Gleiche gilt hinsichtlich eines Einzelabschlusses nach § 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs, wenn die Gesellschafter die Offenlegung eines solchen beschlossen haben. § 43 Haftung der Geschäftsführer. (1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. (2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden. (3) Insbesondere sind sie zum Ersatze verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 15

GmbHG §§ 43–46

Gesetzestext

zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 2 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, dass dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben. (4) Die Ansprüche aufgrund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren. § 43a Kreditgewährung an Geschäftsführer, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte. Den Geschäftsführern, anderen gesetzlichen Vertretern, Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten darf Kredit nicht aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gewährt werden. Ein entgegen Satz 1 gewährter Kredit ist ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzugewähren. § 44 Stellvertreter von Geschäftsführern. Die für die Geschäftsführer gegebenen Vorschriften gelten auch für Stellvertreter von Geschäftsführern. § 45 Rechte der Gesellschafter im Allgemeinen. (1) Die Rechte, welche den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere in Bezug auf die Führung der Geschäfte zustehen, sowie die Ausübung derselben bestimmen sich, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, nach dem Gesellschaftsvertrag. (2) In Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages finden die Vorschriften der §§ 46 bis 51 Anwendung. § 46 Aufgaben der Gesellschafter. Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen: 1. die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses; 1a. die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses; 1b. die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses; 2. die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen; 3. die Rückzahlung von Nachschüssen; 4. die Teilung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen; 5. die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben; 6. die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung; 7. die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb; 16

Gesetzestext

§§ 46–50 GmbHG

8. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat. § 47 Abstimmung. (1) Die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen erfolgen durch Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (2) Jede fünfzig Euro eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. (3) Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Textform. (4) Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben. Dasselbe gilt von einer Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft. § 48 Gesellschafterversammlung. (1) Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst. (2) Der Abhaltung einer Versammlung bedarf es nicht, wenn sämtliche Gesellschafter in Textform mit der zu treffenden Bestimmung oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen sich einverstanden erklären. (3) Befinden sich alle Geschäftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft, so hat er unverzüglich nach der Beschlussfassung eine Niederschrift aufzunehmen und zu unterschreiben. § 49 Einberufung der Gesellschafterversammlung. (1) Die Versammlung der Gesellschafter wird durch die Geschäftsführer berufen. (2) Sie ist außer den ausdrücklich bestimmten Fällen zu berufen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. (3) Insbesondere muss die Versammlung unverzüglich berufen werden, wenn aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz sich ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. § 50 Minderheitsrechte. (1) Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, sind berechtigt, unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Berufung der Versammlung zu verlangen. (2) In gleicher Weise haben die Gesellschafter das Recht zu verlangen, dass Gegenstände zur Beschlussfassung der Versammlung angekündigt werden. (3) Wird dem Verlangen nicht entsprochen oder sind Personen, an welche dasselbe zu richten wäre, nicht vorhanden, so können die in Absatz 1 bezeichneten Gesellschafter unter Mitteilung des Sachverhältnisses die Berufung oder Ankündigung selbst bewirken. Die Versammlung beschließt, ob die entstandenen Kosten von der Gesellschaft zu tragen sind. 17

GmbHG §§ 51–52

Gesetzestext

§ 51 Form der Einberufung. (1) Die Berufung der Versammlung erfolgt durch Einladung der Gesellschafter mittels eingeschriebener Briefe. Sie ist mit einer Frist von mindestens einer Woche zu bewirken. (2) Der Zweck der Versammlung soll jederzeit bei der Berufung angekündigt werden. (3) Ist die Versammlung nicht ordnungsmäßig berufen, so können Beschlüsse nur gefasst werden, wenn sämtliche Gesellschafter anwesend sind. (4) Das Gleiche gilt in Bezug auf Beschlüsse über Gegenstände, welche nicht wenigstens drei Tage vor der Versammlung in der für die Berufung vorgeschriebenen Weise angekündigt worden sind. § 51a Auskunfts- und Einsichtsrecht. (1) Die Geschäftsführer haben jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und die Einsicht der Bücher und Schriften zu gestatten. (2) Die Geschäftsführer dürfen die Auskunft und die Einsicht verweigern, wenn zu besorgen ist, dass der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. Die Verweigerung bedarf eines Beschlusses der Gesellschafter. (3) Von diesen Vorschriften kann im Gesellschaftsvertrag nicht abgewichen werden. § 51b Gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht. Für die gerichtliche Entscheidung über das Auskunfts- und Einsichtsrecht findet § 132 Abs. 1, 3 bis 5 des Aktiengesetzes entsprechende Anwendung. Antragsberechtigt ist jeder Gesellschafter, dem die verlangte Auskunft nicht gegeben oder die verlangte Einsicht nicht gestattet worden ist. § 52 Aufsichtsrat. (1) Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen, so sind § 90 Abs. 3, 4, 5 Satz 1 und 2, § 95 Satz 1, § 100 Abs. 1 und 2 Nr. 2, § 101 Abs. 1 Satz 1, § 103 Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 105, 110 bis 114, 116 des Aktiengesetzes in Verbindung mit § 93 Abs. 1 und 2 des Aktiengesetzes, §§ 170, 171 des Aktiengesetzes entsprechend anzuwenden, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist. (2) Werden die Mitglieder des Aufsichtsrats vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bestellt, gelten § 37 Abs. 4 Nr. 3, § 40 Abs. 1 Nr. 4 des Aktiengesetzes entsprechend. Jede spätere Bestellung sowie jeden Wechsel von Aufsichtsratsmitgliedern haben die Geschäftsführer unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen und die Bekanntmachung zum Handelsregister einzureichen. (3) Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats wegen Verletzung ihrer Obliegenheiten verjähren in fünf Jahren.

18

Gesetzestext

§§ 53–55 GmbHG

Vierter Abschnitt. Abänderungen des Gesellschaftsvertrages § 53 Form der Satzungsänderung. (1) Eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages kann nur durch Beschluss der Gesellschafter erfolgen. (2) Der Beschluss muss notariell beurkundet werden, derselbe bedarf einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen. Der Gesellschaftsvertrag kann noch andere Erfordernisse aufstellen. (3) Eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen kann nur mit Zustimmung sämtlicher beteiligter Gesellschafter beschlossen werden. § 54 Anmeldung und Eintragung. (1) Die Abänderung des Gesellschaftsvertrages ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Der Anmeldung ist der vollständige Wortlaut des Gesellschaftsvertrags beizufügen; er muss mit der Bescheinigung eines Notars versehen sein, dass die geänderten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags mit dem Beschluss über die Änderung des Gesellschaftsvertrags und die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt zum Handelsregister eingereichten vollständigen Wortlaut des Gesellschaftsvertrags übereinstimmen. (2) Bei der Eintragung genügt, sofern nicht die Abänderung die in § 10 Abs. 1 und 2 bezeichneten Angaben betrifft, die Bezugnahme auf die bei dem Gericht eingereichten Urkunden über die Abänderung. Die öffentliche Bekanntmachung findet in Betreff aller Bestimmungen statt, auf welche sich die in § 10 Abs. 3 und in § 13b Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs vorgeschriebenen Veröffentlichungen beziehen. (3) Die Abänderung hat keine rechtliche Wirkung, bevor sie in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft eingetragen ist. § 55 Erhöhung des Stammkapitals. (1) Wird eine Erhöhung des Stammkapitals beschlossen, so bedarf es zur Übernahme jeder auf das erhöhte Kapital zu leistenden Stammeinlage einer notariell aufgenommenen oder beglaubigten Erklärung des Übernehmers. (2) Zur Übernahme einer Stammeinlage können von der Gesellschaft die bisherigen Gesellschafter oder anderer Personen, welche durch die Übernahme ihren Beitritt zu der Gesellschaft erklären, zugelassen werden. Im letzteren Falle sind außer dem Betrage der Stammeinlage auch sonstige Leistungen, zu welchen der Beitretende nach dem Gesellschaftsvertrage verpflichtet sein soll, in der in Absatz 1 bezeichneten Urkunde ersichtlich zu machen. (3) Wird von einem der Gesellschaft bereits angehörenden Gesellschafter eine Stammeinlage auf das erhöhte Kapital übernommen, so erwirbt derselbe einen weiteren Geschäftsanteil. (4) Die Bestimmungen in § 5 Abs. 1 und 3 über den Betrag der Stammeinlagen, die Bestimmung in § 5 Abs. 2 über die Unzulässigkeit der Übernahme mehrerer Stammeinlagen sowie die Bestimmungen in § 19 Abs. 6 über die Verjährung finden auch hinsichtlich der auf das erhöhte Kapital zu leistenden Stammeinlagen Anwendung. 19

GmbHG §§ 56–57c

Gesetzestext

§ 56 Sacheinlagen. (1) Sollen Sacheinlagen geleistet werden, so müssen ihr Gegenstand und der Betrag der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht, im Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals festgesetzt werden. Die Festsetzung ist in die in § 55 Abs. 1 bezeichnete Erklärung des Übernehmers aufzunehmen. (2) Die §§ 9 und 19 Abs. 5 finden entsprechende Anwendung. § 56a Leistungen auf das neue Stammkapital. Für die Leistungen der Einlagen auf das neue Stammkapital und die Bestellung einer Sicherung findet § 7 Abs. 2 Satz 1 und 3, Abs. 3 entsprechende Anwendung. § 57 Anmeldung der Kapitalerhöhung. (1) Die beschlossene Erhöhung des Stammkapitals ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, nachdem das erhöhte Kapital durch Übernahme von Stammeinlagen gedeckt ist. (2) In der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, dass die Einlagen auf das neue Stammkapital nach § 7 Abs. 2 Satz 1 und 3, Abs. 3 bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet. Für die Anmeldung findet im Übrigen § 8 Abs. 2 Satz 2 entsprechende Anwendung. (3) Der Anmeldung sind beizufügen: 1. die in § 55 Abs. 1 bezeichneten Erklärungen oder eine beglaubigte Abschrift derselben; 2. eine von den Anmeldenden unterschriebene Liste der Personen, welche die neuen Stammeinlagen übernommen haben, aus der Liste muss der Betrag der von jedem übernommenen Einlage ersichtlich sein; 3. bei einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen die Verträge, die den Festsetzungen nach § 56 zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind. (4) Für die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer, welche die Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet haben, finden § 9a Abs. 1 und 3, § 9b entsprechende Anwendung. § 57a Ablehnung der Eintragung. Für die Ablehnung der Eintragung durch das Gericht findet § 9c Abs. 1 entsprechende Anwendung. § 57b Bekanntmachung der Eintragung. In die Bekanntmachung der Eintragung der Kapitalerhöhung sind außer deren Inhalt die bei einer Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen vorgesehenen Festsetzungen aufzunehmen. Bei der Bekanntmachung dieser Festsetzungen genügt die Bezugnahme auf die beim Gericht eingereichten Urkunden. § 57c Erhöhung des Stammkapitals durch Umwandlung von Rücklagen. (1) Das Stammkapital kann durch Umwandlung von Rücklagen in Stammkapital erhöht werden (Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln). (2) Die Erhöhung des Stammkapitals kann erst beschlossen werden, nachdem der Jahresabschluss für das letzte vor der Beschlussfassung über die Kapitaler20

Gesetzestext

§§ 57c–57f GmbHG

höhung abgelaufene Geschäftsjahr (letzter Jahresabschluss) festgestellt und über die Ergebnisverwendung Beschluss gefasst worden ist. (3) Dem Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals ist eine Bilanz zugrunde zu legen. (4) Neben den §§ 53 und 54 über die Abänderung des Gesellschaftsvertrags gelten die §§ 57d bis 57o. § 57d Umwandlungsfähige Rücklagen. (1) Die Kapital- und Gewinnrücklagen, die in Stammkapital umgewandelt werden sollen, müssen in der letzten Jahresbilanz und, wenn dem Beschluss eine andere Bilanz zugrunde gelegt wird, auch in dieser Bilanz unter „Kapitalrücklage“ oder „Gewinnrücklagen“ oder im letzten Beschluss über die Verwendung des Jahresergebnisses als Zuführung zu diesen Rücklagen ausgewiesen sein. (2) Die Rücklagen können nicht umgewandelt werden, soweit in der zugrunde gelegten Bilanz ein Verlust, einschließlich eines Verlustvortrags, ausgewiesen ist. (3) Andere Gewinnrücklagen, die einem bestimmten Zweck zu dienen bestimmt sind, dürfen nur umgewandelt werden, soweit dies mit ihrer Zweckbestimmung vereinbar ist. § 57e Letzte Jahresbilanz als Grundlage. (1) Dem Beschluss kann die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt werden, wenn die Jahresbilanz geprüft und die festgestellte Jahresbilanz mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Abschlussprüfer versehen ist und wenn ihr Stichtag höchstens acht Monate vor der Anmeldung des Beschlusses zur Eintragung in das Handelsregister liegt. (2) Bei Gesellschaften, die nicht große im Sinne des § 267 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs sind, kann die Prüfung auch durch vereidigte Buchprüfer erfolgen; die Abschlussprüfer müssen von der Versammlung der Gesellschafter gewählt sein. § 57f Zwischenbilanz als Grundlage. (1) Wird dem Beschluss nicht die letzte Jahresbilanz zugrunde gelegt, so muss die Bilanz den Vorschriften über die Gliederung der Jahresbilanz und über die Wertansätze in der Jahresbilanz entsprechen. Der Stichtag der Bilanz darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung des Beschlusses zur Eintragung in das Handelsregister liegen. (2) Die Bilanz ist, bevor über die Erhöhung des Stammkapitals Beschluss gefasst wird, durch einen oder mehrere Prüfer darauf zu prüfen, ob sie dem Absatz 1 entspricht. Sind nach dem abschließenden Ergebnis der Prüfung keine Einwendungen zu erheben, so haben die Prüfer dies durch einen Vermerk zu bestätigen. Die Erhöhung des Stammkapitals kann nicht ohne diese Bestätigung der Prüfer beschlossen werden. (3) Die Prüfer werden von den Gesellschaftern gewählt; falls nicht andere Prüfer gewählt werden, gelten die Prüfer als gewählt, die für die Prüfung des letzten Jahresabschlusses von den Gesellschaftern gewählt oder vom Gericht bestellt worden sind. Im Übrigen sind, soweit sich aus der Besonderheit des Prüfungsauftrags nichts anderes ergibt, § 318 Abs. 1 Satz 2, § 319 Abs. 1 bis 4, § 319a 21

GmbHG §§ 57f–57k

Gesetzestext

Abs. 1, § 320 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, §§ 321, 323 des Handelsgesetzbuchs anzuwenden. Bei Gesellschaften, die nicht große im Sinne des § 267 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs sind, können auch vereidigte Buchprüfer zu Prüfern bestellt werden. § 57g Vorherige Bekanntgabe der Zwischenbilanz. Die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags über die vorherige Bekanntgabe des Jahresabschlusses an die Gesellschafter sind in den Fällen des § 57f entsprechend anzuwenden. § 57h Bildung neuer Geschäftsanteile; Erhöhung des Nennbetrags. (1) Die Kapitalerhöhung kann vorbehaltlich des § 571 Abs. 2 durch Bildung neuer Geschäftsanteile oder durch Erhöhung des Nennbetrags der Geschäftsanteile ausgeführt werden. Die neuen Geschäftsanteile und die Geschäftsanteile, deren Nennbetrag erhöht wird, können auf jeden durch zehn teilbaren Betrag, müssen jedoch auf mindestens fünfzig Euro gestellt werden. (2) Der Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals muss die Art der Erhöhung angeben. Soweit die Kapitalerhöhung durch Erhöhung des Nennbetrags der Geschäftsanteile ausgeführt werden soll, ist sie so zu bemessen, dass durch sie auf keinen Geschäftsanteil, dessen Nennbetrag erhöht wird, Beträge entfallen, die durch die Erhöhung des Nennbetrags des Geschäftsanteils nicht gedeckt werden können. § 57i Anmeldung und Eintragung des Beschlusses. (1) Der Anmeldung des Beschlusses über die Erhöhung des Stammkapitals zur Eintragung in das Handelsregister ist die der Kapitalerhöhung zugrunde gelegte, mit dem Bestätigungsvermerk der Prüfer versehene Bilanz, in den Fällen des § 57 f außerdem die letzte Jahresbilanz, sofern sie noch nicht eingereicht ist, beizufügen. Die Anmeldenden haben dem Registergericht gegenüber zu erklären, dass nach ihrer Kenntnis seit dem Stichtag der zugrunde gelegten Bilanz bis zum Tag der Anmeldung keine Vermögensminderung eingetreten ist, die der Kapitalerhöhung entgegenstünde, wenn sie am Tag der Anmeldung beschlossen worden wäre. (2) Das Registergericht darf den Beschluss nur eintragen, wenn die der Kapitalerhöhung zugrunde gelegte Bilanz für einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Zeitpunkt aufgestellt und eine Erklärung nach Absatz 1 Satz 2 abgegeben worden ist. (3) Zu der Prüfung, ob die Bilanzen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, ist das Gericht nicht verpflichtet. (4) Bei der Eintragung des Beschlusses ist anzugeben, dass es sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt. § 57j Bezug der neuen Geschäftsanteile. Die neuen Geschäftsanteile stehen den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile zu. Ein entgegenstehender Beschluss der Gesellschafter ist nichtig. § 57k Teilrechte. (1) Führt die Kapitalerhöhung dazu, dass auf einen Geschäftsanteil nur ein Teil eines neuen Geschäftsanteils entfällt, so ist dieses Teilrecht selbständig veräußerlich und vererblich. 22

Gesetzestext

§§ 57k–57n GmbHG

(2) Die Rechte aus einem neuen Geschäftsanteil, einschließlich des Anspruchs auf Ausstellung einer Urkunde über den neuen Geschäftsanteil, können nur ausgeübt werden, wenn Teilrechte, die zusammen einen vollen Geschäftsanteil ergeben, in einer Hand vereinigt sind oder wenn sich mehrere Berechtigte, deren Teilrechte zusammen einen vollen Geschäftsanteil ergeben, zur Ausübung der Rechte (§ 18) zusammenschließen. § 57l Eigene und teileingezahlte Geschäftsanteile. (1) Eigene Geschäftsanteile nehmen an der Erhöhung des Stammkapitals teil. (2) Teileingezahlte Geschäftsanteile nehmen entsprechend ihrem Nennbetrag an der Erhöhung des Stammkapitals teil. Bei ihnen kann die Kapitalerhöhung nur durch Erhöhung des Nennbetrags der Geschäftsanteile ausgeführt werden. Sind neben teileingezahlten Geschäftsanteilen vollständig eingezahlte Geschäftsanteile vorhanden, so kann bei diesen die Kapitalerhöhung durch Erhöhung des Nennbetrags der Geschäftsanteile und durch Bildung neuer Geschäftsanteile ausgeführt werden. Die Geschäftsanteile, deren Nennbetrag erhöht wird, können auf jeden durch fünf teilbaren Betrag gestellt werden. § 57m Mit den Geschäftsanteilen verbundene Rechte. (1) Das Verhältnis der mit den Geschäftsanteilen verbundenen Rechte zueinander wird durch die Kapitalerhöhung nicht berührt. (2) Soweit sich einzelne Rechte teileingezahlter Geschäftsanteile, insbesondere die Beteiligung am Gewinn oder das Stimmrecht, nach der je Geschäftsanteil geleisteten Einlage bestimmen, stehen diese Rechte den Gesellschaftern bis zur Leistung der noch ausstehenden Einlagen nur nach der Höhe der geleisteten Einlage, erhöht um den auf den Nennbetrag des Stammkapitals berechneten Hundertsatz der Erhöhung des Stammkapitals, zu. Werden weitere Einzahlungen geleistet, so erweitern sich diese Rechte entsprechend. (3) Der wirtschaftliche Inhalt vertraglicher Beziehungen der Gesellschaft zu Dritten, die von der Gewinnausschüttung der Gesellschaft, dem Nennbetrag oder Wert ihrer Geschäftsanteile oder ihres Stammkapitals oder in sonstiger Weise von den bisherigen Kapital- oder Gewinnverhältnissen abhängen, wird durch die Kapitalerhöhung nicht berührt. § 57n Teilnahme am Gewinn. (1) Die neuen Geschäftsanteile nehmen, wenn nichts anderes bestimmt ist, am Gewinn des ganzen Geschäftsjahres teil, in dem die Erhöhung des Stammkapitals beschlossen worden ist. (2) Im Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals kann bestimmt werden, dass die neuen Geschäftsanteile bereits am Gewinn des letzten vor der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufenen Geschäftsjahrs teilnehmen. In diesem Fall ist die Erhöhung des Stammkapitals abweichend von § 57c Abs. 2 zu beschließen, bevor über die Ergebnisverwendung für das letzte vor der Beschlussfassung abgelaufene Geschäftsjahr Beschluss gefasst worden ist. Der Beschluss über die Ergebnisverwendung für das letzte vor der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufene Geschäftsjahr wird erst wirksam, wenn das Stammkapital erhöht worden ist. Der Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals und der Beschluss über die Ergebnisverwendung für das letzte 23

GmbHG §§ 57n–58a

Gesetzestext

vor der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung abgelaufene Geschäftsjahr sind nichtig, wenn der Beschluss über die Kapitalerhöhung nicht binnen drei Monaten nach der Beschlussfassung in das Handelsregister eingetragen worden ist; der Lauf der Frist ist gehemmt, solange eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage rechtshängig ist oder eine zur Kapitalerhöhung beantragte staatliche Genehmigung noch nicht erteilt worden ist. § 57o Anschaffungskosten. Als Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Stammkapitals erworbenen Geschäftsanteile und der auf sie entfallenden neuen Geschäftsanteile gelten die Beträge, die sich für die einzelnen Geschäftsanteile ergeben, wenn die Anschaffungskosten der vor der Erhöhung des Stammkapitals erworbenen Geschäftsanteile auf diese und auf die auf sie entfallenden neuen Geschäftsanteile nach dem Verhältnis der Nennbeträge verteilt werden. Der Zuwachs an Geschäftsanteilen ist nicht als Zugang auszuweisen. § 58 Herabsetzung des Stammkapitals. (1) Eine Herabsetzung des Stammkapitals kann nur unter Beobachtung der nachstehenden Bestimmungen erfolgen: 1. der Beschluss auf Herabsetzung des Stammkapitals muss von den Geschäftsführern zu drei verschiedenen Malen in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht werden; in die Bekanntmachungen sind zugleich die Gläubiger der Gesellschaft aufzufordern, sich bei derselben zu melden; die aus den Handelsbüchern der Gesellschaft ersichtlichen oder in anderer Weise bekannten Gläubiger sind durch besondere Mitteilung zur Anmeldung aufzufordern; 2. die Gläubiger, welche sich bei der Gesellschaft melden und der Herabsetzung nicht zustimmen, sind wegen der erhobenen Ansprüche zu befriedigen oder sicherzustellen; 3. die Anmeldung des Herabsetzungsbeschlusses zur Eintragung in das Handelsregister erfolgt nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tage, an welchem die Aufforderung der Gläubiger in den Gesellschaftsblättern zum dritten Mal stattgefunden hat; 4. mit der Anmeldung sind die Bekanntmachungen des Beschlusses einzureichen; zugleich haben die Geschäftsführer die Versicherung abzugeben, dass die Gläubiger, welche sich bei der Gesellschaft gemeldet und der Herabsetzung nicht zugestimmt haben, befriedigt oder sichergestellt sind. (2) Die Bestimmung in § 5 Abs. 1 über den Mindestbetrag des Stammkapitals bleibt unberührt. Erfolgt die Herabsetzung zum Zweck der Zurückzahlung von Stammeinlagen oder zum Zweck des Erlasses der auf diese geschuldeten Einzahlungen, so darf der verbleibende Betrag der Stammeinlagen nicht unter den in § 5 Abs. 1 und 3 bezeichneten Betrag herabgehen. § 58a Vereinfachte Kapitalherabsetzung. (1) Eine Herabsetzung des Stammkapitals, die dazu dienen soll, Wertminderungen auszugleichen oder sonstige Verluste zu decken, kann als vereinfachte Kapitalherabsetzung vorgenommen werden. (2) Die vereinfachte Kapitalherabsetzung ist nur zulässig, nachdem der Teil der Kapital- und Gewinnrücklagen, der zusammen über zehn vom Hundert des 24

Gesetzestext

§§ 58a–58b GmbHG

nach der Herabsetzung verbleibenden Stammkapitals hinausgeht, vorweg aufgelöst ist. Sie ist nicht zulässig, solange ein Gewinnvortrag vorhanden ist. (3) Im Beschluss über die vereinfachte Kapitalberabsetzung sind die Nennbeträge der Geschäftsanteile dem herabgesetzten Stammkapital anzupassen. Die Geschäftsanteile können auf jeden durch zehn teilbaren Betrag, müssen jedoch auf mindestens fünfzig Euro gestellt werden. Geschäftsanteile, deren Nennbetrag durch die Herabsetzung unter fünfzig Euro sinken würde, sind von den Geschäftsführern zu gemeinschaftlichen Geschäftsanteilen zu vereinigen, wenn die Einlagen auf die Geschäftsanteile voll geleistet, die Geschäftsanteile nicht mit einer Nachschusspflicht oder mit Rechten Dritter belastet und nach dem Gesellschaftsvertrag nicht mit verschiedenen Rechten und Pflichten ausgestattet sind. Die Erklärung über die Vereinigung der Geschäftsanteile bedarf der notariellen Beurkundung. Die Vereinigung wird mit der Eintragung des Beschlusses über die Kapitalherabsetzung in das Handelsregister wirksam. (4) Das Stammkapital kann unter den in § 5 Abs. 1 bestimmten Mindestnennbetrag herabgesetzt werden, wenn dieser durch eine Kapitalerhöhung wieder erreicht wird, die zugleich mit der Kapitalherabsetzung beschlossen ist und bei der Sacheinlagen nicht festgesetzt sind. Die Beschlüsse sind nichtig, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach der Beschlussfassung in das Handelsregister eingetragen worden sind. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage rechtshängig ist oder eine zur Kapitalherabsetzung oder Kapitalerhöhung beantragte staatliche Genehmigung noch nicht erteilt ist. Die Beschlüsse sollen nur zusammen in das Handelsregister eingetragen werden. (5) Neben den §§ 53 und 54 über die Abänderung des Gesellschaftsvertrags gelten die §§ 58b bis 58f. § 58b Verwendung der gewonnenen Beträge. (1) Die Beträge, die aus der Auflösung der Kapital- oder Gewinnrücklagen und aus der Kapitalherabsetzung gewonnen werden, dürfen nur verwandt werden, um Wertminderungen auszugleichen und sonstige Verluste zu decken. (2) Daneben dürfen die gewonnenen Beträge in die Kapitalrücklage eingestellt werden, soweit diese zehn vorn Hundert des Stammkapitals nicht übersteigt. Als Stammkapital gilt dabei der Nennbetrag, der sich durch die Herabsetzung ergibt, mindestens aber der nach § 5 Abs. 1 zulässige Mindestnennbetrag. (3) Ein Betrag, der auf Grund des Absatzes 2 in die Kapitalrücklage eingestellt worden ist, darf vor Ablauf des fünften nach der Beschlussfassung über die Kapitalherabsetzung beginnenden Geschäftsjahrs nur verwandt werden 1. zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags, soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist und nicht durch Auflösung von Gewinnrücklagen ausgeglichen werden kann; 2. zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr, soweit er nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist und nicht durch Auflösung von Gewinnrücklagen ausgeglichen werden kann; 3. zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. 25

GmbHG §§ 58c–58f

Gesetzestext

§ 58c Zu hoch angenommene Verluste. Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz für das Geschäftsjahr, in dem der Beschluss über die Kapitalherabsetzung gefasst wurde, oder für eines der beiden folgenden Geschäftsjahre, dass Wertminderungen und sonstige Verluste in der bei der Beschlussfassung angenommenen Höhe tatsächlich nicht eingetreten oder ausgeglichen waren, so ist der Unterschiedsbetrag in die Kapitalrücklage einzustellen. Für einen nach Satz 1 in die Kapitalrücklage eingestellten Betrag gilt § 58b Abs. 3 sinngemäß. § 58d Gewinnausschüttung. (1) Gewinn darf vor Ablauf des fünften nach der Beschlussfassung über die Kapitalherabsetzung beginnenden Geschäftsjahrs nur ausgeschüttet werden, wenn die Kapital- und Gewinnrücklagen zusammen zehn vom Hundert des Stammkapitals erreichen. Als Stammkapital gilt dabei der Nennbetrag, der sich durch die Herabsetzung ergibt, mindestens aber der nach § 5 Abs. 1 zulässige Mindestnennbetrag. (2) Die Zahlung eines Gewinnanteils von mehr als vier vom Hundert ist erst für ein Geschäftsjahr zulässig, das später als zwei Jahre nach der Beschlussfassung über die Kapitalherabsetzung beginnt. Dies gilt nicht, wenn die Gläubiger, deren Forderungen vor der Bekanntmachung der Eintragung des Beschlusses begründet worden waren, befriedigt oder sichergestellt sind, soweit sie sich binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung des Jahresabschlusses, auf Grund dessen die Gewinnverteilung beschlossen ist, zu diesem Zweck gemeldet haben. Einer Sicherstellung der Gläubiger bedarf es nicht, die im Fall des Insolvenzverfahrens ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer Deckungsmasse haben, die nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichtet und staatlich überwacht ist. Die Gläubiger sind in der Bekanntmachung nach § 325 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs auf die Befriedigung oder Sicherstellung hinzuweisen. § 58e Rückwirkung der Kapitalherabsetzung. (1) Im Jahresabschluss für das letzte vor der Beschlussfassung über die Kapitalherabsetzung abgelaufene Geschäftsjahr können das Stammkapital sowie die Kapital- und Gewinnrücklagen in der Höhe ausgewiesen werden, in der sie nach der Kapitalherabsetzung bestehen sollen. Dies gilt nicht, wenn der Jahresabschluss anders als durch Beschluss der Gesellschafter festgestellt wird. (2) Der Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses soll zugleich mit dem Beschluss über die Kapitalherabsetzung gefasst werden. (3) Die Beschlüsse sind nichtig, wenn der Beschluss über die Kapitalherabsetzung nicht binnen drei Monaten nach der Beschlussfassung in das Handelsregister eingetragen worden ist. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage rechtshängig ist oder eine zur Kapitalherabsetzung beantragte staatliche Genehmigung noch nicht erteilt ist. (4) Der Jahresabschluss darf nach § 325 des Handelsgesetzbuchs erst nach Eintragung des Beschlusses über die Kapitalherabsetzung offengelegt werden. § 58f Rückwirkung einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung. (1) Wird im Fall des § 58e zugleich mit der Kapitalherabsetzung eine Erhöhung des Stammkapitals beschlossen, so kann auch die Kapitalerhöhung in dem Jahresabschluss als voll26

Gesetzestext

§§ 58f–60 GmbHG

zogen berücksichtigt werden. Die Beschlussfassung ist nur zulässig, wenn die neuen Stammeinlagen übernommen, keine Sacheinlagen festgesetzt sind und wenn auf jede neue Stammeinlage die Einzahlung geleistet ist, die nach § 56a zur Zeit der Anmeldung der Kapitalerhöhung bewirkt sein muss. Die Übernahme und die Einzahlung sind dem Notar nachzuweisen, der den Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals beurkundet. (2) Sämtliche Beschlüsse sind nichtig, wenn die Beschlüsse über die Kapitalherabsetzung und die Kapitalerhöhung nicht binnen drei Monaten nach der Beschlussfassung in das Handelsregister eingetragen worden sind. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage rechtshängig ist oder eine zur Kapitalherabsetzung oder Kapitalerhöhung beantragte staatliche Genehmigung noch nicht erteilt worden, ist. Die Beschlüsse sollen nur zusammen in das Handelsregister eingetragen werden. (3) Der Jahresabschluss darf nach § 325 des Handelsgesetzbuchs erst offengelegt werden, nachdem die Beschlüsse über die Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung eingetragen worden sind. § 59 Zweigniederlassung. Die Versicherung nach § 57 Abs. 2 ist nur gegenüber dem Gericht des Sitzes der Gesellschaft abzugeben. Die Urkunden nach § 57 Abs. 3 Nr. 1 und § 58 Abs. 1 Nr. 4 sind nur bei dem Gericht des Sitzes der Gesellschaft einzureichen.

Fünfter Abschnitt. Auflösung und Nichtigkeit der Gesellschaft § 60 Auflösungsgründe. (1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird aufgelöst: 1. durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zeit; 2. durch Beschluss der Gesellschafter; derselbe bedarf, sofern im Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes bestimmt ist, einer Mehrheit von drei Vierteilen der abgegebenen Stimmen; 3. durch gerichtliches Urteil oder durch Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder der Verwaltungsbehörde in den Fällen der §§ 61 und 62; 4. durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens; wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen; 5. mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist; 6. mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach §§ 144a, 144b des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Mangel des Gesellschaftsvertrags oder die Nichteinhaltung der Verpflichtungen nach § 19 Abs. 4 dieses Gesetzes festgestellt worden ist; 7. durch die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a des Gesetzes übet die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 27

GmbHG §§ 60–65

Gesetzestext

(2) Im Gesellschaftsvertrag können weitere Auflösungsgründe festgesetzt werden. § 61 Auflösung durch Urteil. (1) Die Gesellschaft kann durch gerichtliches Urteil aufgelöst werden, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich wird, oder wenn andere, in den Verhältnissen der Gesellschaft liegende, wichtige Gründe für die Auflösung vorhanden sind. (2) Die Auflösungsklage ist gegen die Gesellschaft zu richten. Sie kann nur von Gesellschaftern erhoben werden, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen. (3) Für die Klage ist das Landgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat. § 62 Auflösung durch Verwaltungsbehörde. (1) Wenn eine Gesellschaft das Gemeinwohl dadurch gefährdet, dass die Gesellschafter gesetzwidrige Beschlüsse fassen oder gesetzwidrige Handlungen der Geschäftsführer wissentlich geschehen lassen, so kann sie aufgelöst werden, ohne dass deshalb ein Anspruch auf Entschädigung stattfindet. (2) Das Verfahren und die Zuständigkeit der Behörden richtet sich nach den für streitige Verwaltungssachen landesgesetzlich geltenden Vorschriften. § 63 Konkursverfahren (aufgehoben) § 64 Insolvenzantragspflicht. (1) Wird die Gesellschaft zahlungsunfähig, so haben die Geschäftsführer ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Dies gilt sinngemäß, wenn sich eine Überschuldung der Gesellschaft ergibt. (2) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 43 Abs. 3 und 4 entsprechende Anwendung. § 65 Anmeldung der Auflösung. (1) Die Auflösung der Gesellschaft ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Dies gilt nicht in den Fällen der Eröffnung oder der Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der gerichtlichen Feststellung eines Mangels des Gesellschaftsvertrags oder der Nichteinhaltung der Verpflichtungen nach § 19 Abs. 4. In diesen Fällen hat das Gericht die Auflösung und ihren Grund von Amts wegen einzutragen. Im Falle der Löschung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 Nr. 7) entfällt die Eintragung der Auflösung. (2) Die Auflösung ist von den Liquidatoren zu drei verschiedenen Malen in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen. Durch die Bekanntmachung sind zugleich die Gläubiger der Gesellschaft aufzufordern, sich bei derselben zu melden. 28

Gesetzestext

§§ 66–69 GmbHG

§ 66 Liquidatoren. (1) In den Fällen der Auflösung außer dem Fall des Insolvenzverfahrens erfolgt die Liquidation durch die Geschäftsführer, wenn nicht dieselbe durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafter anderen Personen übertragen wird. (2) Auf Antrag von Gesellschaftern, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, kann aus wichtigen Gründen die Bestellung von Liquidatoren durch das Gericht (§ 7 Abs. 1) erfolgen. (3) Die Abberufung von Liquidatoren kann durch das Gericht unter derselben Voraussetzung wie die Bestellung stattfinden. Liquidatoren, welche nicht vom Gericht ernannt sind, können auch durch Beschluss der Gesellschafter vor Ablauf des Zeitraums, für welchen sie bestellt sind, abberufen werden. (4) Für die Auswahl der Liquidatoren findet § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 entsprechende Anwendung. (5) Ist die Gesellschaft durch Löschung wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst, so findet eine Liquidation nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt. Die Liquidatoren sind auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht zu ernennen. § 67 Anmeldung der Liquidatoren. (1) Die ersten Liquidatoren sowie ihre Vertretungsbefugnis sind durch die Geschäftsführer, jeder Wechsel der Liquidatoren und jede Änderung ihrer Vertretungsbefugnis sind durch die Liquidatoren zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Der Anmeldung sind die Urkunden über die Bestellung der Liquidatoren oder über die Änderung in den Personen derselben in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Abschrift für das Gericht des Sitzes der Gesellschaft beizufügen. (3) In der Anmeldung haben die Liquidatoren zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 66 Abs. 4 entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. § 8 Abs. 3 Satz 2 ist anzuwenden. (4) Die Eintragung der gerichtlichen Ernennung oder Abberufung der Liquidatoren geschieht von Amts wegen. (5) Die Liquidatoren haben ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gericht zu zeichnen. § 68 Zeichnung der Liquidatoren. (1) Die Liquidatoren haben in der bei ihrer Bestellung bestimmten Form ihre Willenserklärungen kund zu geben und für die Gesellschaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so muss die Erklärung und Zeichnung durch sämtliche Liquidatoren erfolgen. (2) Die Zeichnungen geschehen in der Weise, dass die Liquidatoren der bisherigen, nunmehr als Liquidationsfirma zu bezeichnenden Firma ihre Namensunterschrift beifügen. § 69 Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter. (1) Bis zur Beendigung der Liquidation kommen ungeachtet der Auflösung der Gesellschaft 29

GmbHG §§ 69–71

Gesetzestext

in Bezug auf die Rechtsverhältnisse derselben und der Gesellschafter die Vorschriften des zweiten und dritten Abschnitts zur Anwendung, soweit sich aus den Bestimmungen des gegenwärtigen Abschnitts und aus dem Wesen der Liquidation nicht ein anderes ergibt. (2) Der Gerichtsstand, welchen die Gesellschaft zur Zeit ihrer Auflösung hatte, bleibt bis zur vollzogenen Verteilung des Vermögens bestehen. § 70 Aufgaben der Liquidatoren. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen; sie haben die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen. § 71 Bilanz; Rechte und Pflichten der Liquidatoren. (1) Die Liquidatoren haben für den Beginn der Liquidation eine Bilanz (Eröffnungsbilanz) und einen die Eröffnungsbilanz erläuternden Bericht sowie für den Schluss eines jeden Jahres einen Jahresabschluss und einen Lagebericht aufzustellen. (2) Die Gesellschafter beschließen über die Feststellung der Eröffnungsbilanz und des Jahresabschlusses sowie über die Entlastung der Liquidatoren. Auf die Eröffnungsbilanz und den erläuternden Bericht sind die Vorschriften über den Jahresabschluss entsprechend anzuwenden. Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sind jedoch wie Umlaufvermögen zu bewerten, soweit ihre Veräußerung innerhalb eines übersehbaren Zeitraums beabsichtigt ist oder diese Vermögensgegenstände nicht mehr dem Geschäftsbetrieb dienen; dies gilt auch für den Jahresabschluss. (3) Das Gericht kann von der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts durch einen Abschlussprüfer befreien, wenn die Verhältnisse der Gesellschaft so überschaubar sind, dass eine Prüfung im Interesse der Gläubiger und der Gesellschafter nicht geboten erscheint. Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. (4) Im Übrigen haben sie die aus §§ 36, 37, 41 Abs. 1, § 43 Abs. 1, 2 und 4, § 49 Abs. 1 und 2, § 64 sich ergebenden Rechte und Pflichten der Geschäftsführer. (5) Auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, die Tatsache, dass die Gesellschaft sich in Liquidation befindet, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Liquidatoren und, sofern die Gesellschaft einen Aufsichtsrat gebildet und dieser einen Vorsitzenden hat, der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angegeben werden. Werden Angaben über das Kapital der Gesellschaft gemacht, so müssen in jedem Fall das Stammkapital sowie, wenn nicht alle in Geld zu leistenden Einlagen eingezahlt sind, der Gesamtbetrag der ausstehenden Einlagen angegeben werden. Der Angaben nach Satz 1 bedarf es nicht bei Mitteilungen oder Berichten, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben 30

Gesetzestext

§§ 71–76 GmbHG

eingefügt zu werden brauchen. Bestellscheine gelten als Geschäftsbriefe im Sinne des Satzes 1; Satz 3 ist auf sie nicht anzuwenden. § 72 Vermögensverteilung. Das Vermögen der Gesellschaft wird unter die Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile verteilt. Durch den Gesellschaftsvertrag kann ein anderes Verhältnis für die Verteilung bestimmt werden. § 73 Sperrjahr. (1) Die Verteilung darf nicht vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft und nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tage vorgenommen werden, an welchem die Aufforderung an die Gläubiger (§ 65 Abs. 2) in den öffentlichen Blättern zum dritten Male erfolgt ist. (2) Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete Betrag, wenn die Berechtigung zur Hinterlegung vorhanden ist, für den Gläubiger zu hinterlegen. Ist die Berichtigung einer Verbindlichkeit zur Zeit nicht ausführbar oder ist eine Verbindlichkeit streitig, so darf die Verteilung des Vermögens nur erfolgen, wenn dem Gläubiger Sicherheit geleistet ist. (3) Liquidatoren, welche diesen Vorschriften zuwiderhandeln, sind zum Ersatz der verteilten Beträge solidarisch verpflichtet. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 43 Abs. 3 und 4 entsprechende Anwendung. § 74 Schluss der Liquidation. (1) Ist die Liquidation beendet und die Schlussrechnung gelegt, so haben die Liquidatoren den Schluss der Liquidation zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Gesellschaft ist zu löschen. (2) Nach Beendigung der Liquidation sind die Bücher und Schriften der Gesellschaft für die Dauer von zehn Jahren einem der Gesellschafter oder einem Dritten in Verwahrung zu geben. Der Gesellschafter oder der Dritte wird in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrags oder eines Beschlusses der Gesellschafter durch das Gericht (§ 7 Abs. 1) bestimmt. (3) Die Gesellschafter und deren Rechtsnachfolger sind zur Einsicht der Bücher und Schriften berechtigt. Gläubiger der Gesellschaft können von dem Gericht (§ 7 Abs. 1) zur Einsicht ermächtigt werden. § 75 Nichtigkeitsklage. (1) Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Bestimmungen über die Höhe des Stammkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens oder sind die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags über den Gegenstand des Unternehmens nichtig, so kann jeder Gesellschafter, jeder Geschäftsführer und, wenn ein Aufsichtsrat bestellt ist, jedes Mitglied des Aufsichtsrats im Wege der Klage beantragen, dass die Gesellschaft für nichtig erklärt werde. (2) Die Vorschriften der §§ 246 bis 268 des Aktiengesetzes finden entsprechende Anwendung. § 76 Mängelheilung durch Gesellschafterbeschluss. Ein Mangel, der die Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens betrifft, kann durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter geheilt werden. 31

GmbHG §§ 77–82

Gesetzestext

§ 77 Folgen der Nichtigkeit. (1) Ist die Nichtigkeit einer Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen, so finden zum Zwecke der Abwicklung ihrer Verhältnisse die für den Fall der Auflösung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. (2) Die Wirksamkeit der im Namen der Gesellschaft mit Dritten vorgenommenen Rechtsgeschäfte wird durch die Nichtigkeit nicht berührt. (3) Die Gesellschafter haben die versprochenen Einzahlungen zu leisten, soweit es zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten erforderlich ist.

Sechster Abschnitt. Schlussbestimmungen § 78 Anmeldungen zum Handelsregister. Die in diesem Gesetz vorgesehenen Anmeldungen zum Handelsregister sind durch die Geschäftsführer oder die Liquidatoren, die in § 7 Abs. 1, § 57 Abs. 1, § 57i Abs. 1, § 58 Abs. 1 Nr. 3 vorgesehenen Anmeldungen sind durch sämtliche Geschäftsführer zu bewirken. § 79 Zwangsgeld. (1) Geschäftsführer oder Liquidatoren, die §§ 35a, 71 Abs. 5 nicht befolgen, sind hierzu vom Registergericht durch Festsetzung von Zwangsgeld anzuhalten; § 14 des Handelsgesetzbuchs bleibt unberührt. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von fünftausend Euro nicht übersteigen. (2) In Ansehung der in §§ 7, 54, 57 Abs. 1, § 58 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Anmeldungen zum Handelsregister findet, soweit es sich um die Anmeldung zum Handelsregister des Sitzes der Gesellschafter handelt, eine Festsetzung von Zwangsgeld nach § 14 des Handelsgesetzbuchs nicht statt. §§ 80–81a (aufgehoben) § 82 Falsche Angaben. (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. als Gesellschafter oder als Geschäftsführer zum Zweck der Eintragung der Gesellschaft über die Übernahme der Stammeinlagen, die Leistung der Einlagen, die Verwendung eingezahlter Beträge, über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sicherungen für nicht voll eingezahlte Geldeinlagen, 2. als Gesellschafter im Sachgründungsbericht, 3. als Geschäftsführer zum Zweck der Eintragung einer Erhöhung des Stammkapitals über die Zeichnung oder Einbringung des neuen Kapitals oder über Sacheinlagen, 4. als Geschäftsführer in der in § 57i Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebenen Erklärung oder 5. als Geschäftsführer in der nach § 8 Abs. 3 Satz 1 oder § 39 Abs. 3 Satz 1 abzugebenden Versicherung oder als Liquidator in der nach § 67 Abs. 3 Satz 1 abzugebenden Versicherung falsche Angaben macht. 32

Gesetzestext

§§ 82–86 GmbHG

(2) Ebenso wird bestraft, wer 1. als Geschäftsführer zum Zweck der Herabsetzung des Stammkapitals über die Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger eine unwahre Versicherung abgibt oder 2. als Geschäftsführer, Liquidator, Mitglied eines Aufsichtsrats oder ähnlichen Organs in einer öffentlichen Mitteilung die Vermögenslage der Gesellschaft unwahr darstellt oder verschleiert, wenn die Tat nicht in § 331 Nr. 1 der Nr. 1a des Handelsgesetzbuchs mit Strafe bedroht ist. § 83 (aufgehoben) § 84 Pflichtverletzung bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit. (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer es 1. als Geschäftsführer unterlässt, den Gesellschaftern einen Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals anzuzeigen, oder 2. als Geschäftsführer entgegen § 64 Abs. 1 oder als Liquidator entgegen § 71 Abs. 4 unterlässt, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. (2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. § 85 Verletzung von Geheimhaltungspflichten. (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Geheimnis der Gesellschaft, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer, Mitglied des Aufsichtsrats oder Liquidator bekannt geworden ist, unbefugt offenbart. (2) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Ebenso wird bestraft, wer ein Geheimnis der in Absatz 1 bezeichneten Art, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 bekannt geworden ist, unbefugt verwertet. (3) Die Tat wird nur auf Antrag der Gesellschaft verfolgt. Hat ein Geschäftsführer oder ein Liquidator die Tat begangen, so sind der Aufsichtsrat und, wenn kein Aufsichtsrat vorhanden ist, von den Gesellschaftern bestellte besondere Vertreter antragsberechtigt. Hat ein Mitglied des Aufsichtsrats die Tat begangen, so sind die Geschäftsführer oder die Liquidatoren antragsberechtigt. § 86 Umstellung auf Euro. (1) Gesellschaften, die vor dem 1. Januar 1999 in das Handelsregister eingetragen worden sind, dürfen ihr auf Deutsche Mark lautendes Stammkapital beibehalten; Entsprechendes gilt für Gesellschaften, die vor dem 1. Januar 1999 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, aber erst danach bis zum 31. Dezember 2001 eingetragen werden. Für Mindestbetrag und Teilbarkeit von Kapital, Einlagen und Geschäftsanteilen sowie für den Umfang des Stimmrechts bleiben bis zu einer Kapitaländerung nach Satz 4 die bis dahin 33

GmbHG §§ 86–87

Gesetzestext

gültigen Beträge weiter maßgeblich. Dies gilt auch, wenn die Gesellschaft ihr Kapital auf Euro umgestellt hat; das Verhältnis der mit den Geschäftsanteilen verbundenen Rechte zueinander wird durch Umrechnung zwischen Deutscher Mark und Euro nicht berührt. Eine Änderung des Stammkapitals darf nach dem 31. Dezember 2001 nur eingetragen werden, wenn das Kapital auf Euro umgestellt und die in Euro berechneten Nennbeträge der Geschäftsanteile auf einen durch zehn teilbaren Betrag, mindestens jedoch auf fünfzig Euro gestellt werden. (2) Bei Gesellschaften, die zwischen dem 1. Januar 1999 und dem 31. Dezember 2001 zum Handelsregister angemeldet und in das Register eingetragen werden, dürfen Stammkapital und Stammeinlagen auch auf Deutsche Mark lauten. Für Mindestbetrag und Teilbarkeit von Kapital, Einlagen und Geschäftsanteilen sowie für den Umfang des Stimmrechts gelten die zu dem vom Rat der Europäischen Union gemäß Artikel 1091 Abs. 4 Satz 1 des EG-Vertrages unwiderruflich festgelegten Umrechnungskurs in Deutsche Mark umzurechnenden Beträge des Gesetzes in der ab dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung. (3) Die Umstellung des Stammkapitals und der Geschäftsanteile sowie weiterer satzungsmäßiger Betragsangaben auf Euro zu dem gemäß Artikel 1091 Abs. 4 Satz 1 des EG-Vertrages unwiderruflich festgelegten Umrechnungskurs erfolgt durch Beschluss der Gesellschafter mit einfacher Stimmenmehrheit nach § 47; § 53 Abs. 2 Satz 1 findet keine Anwendung. Auf die Anmeldung und Eintragung der Umstellung in das Handelsregister ist § 54 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 nicht anzuwenden. Werden mit der Umstellung weitere Maßnahmen verbunden, insbesondere das Kapital verändert, bleiben die hierfür geltenden Vorschriften unberührt; auf eine Herabsetzung des Stammkapitals, mit der die Nennbeträge der Geschäftsanteile auf einen Betrag nach Absatz 1 Satz 4 gestellt werden, findet jedoch § 58 Abs. 1 keine Anwendung, wenn zugleich eine Erhöhung des Stammkapitals gegen Bareinlagen beschlossen und diese in voller Höhe vor der Anmeldung zum Handelsregister geleistet werden. § 87 Anwendungsvorschrift; Feststellung des Konzernabschlusses. § 42a Abs. 4 in der Fassung des Artikels 3 Abs. 3 des Transparenz- und Publizitätsgesetzes vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2681) ist erstmals auf den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht für das nach dem 31. Dezember 2001 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden.

34

Einleitung

Inhaltsübersicht I. Die dogmatische und praktische Bedeutung der GmbH 1. Die Funktion des „Leitbildes“ der GmbH . . . . . . . . . . . a) Die körperschaftliche Struktur . . . . . . . . . . . . . . b) Die juristische Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Mitgliedschaft als Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern und als subjektives Recht . . bb) Die Treupflicht . . . . . cc) Die Einmann-Gesellschaft . . . . . . . . . . dd) „Durchgriff“ durch die juristische Person . . . . c) Die Drittorganschaft . . . . d) Das Mehrheitsprinzip . . . . e) Die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals . . f) Die Problematik der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter . . . . . . . . . . . g) Die GmbH als Kaufmann . . 2. Rechtstatsächliche Funktionen der GmbH . . . . . . . . . a) Das wirtschaftliche Gewicht der GmbH . . . . . . . . . . b) Die verschiedenen wirtschaftlichen Funktionen und ihre Probleme . . . . . aa) Die GmbH als Unternehmensträger . . . . . bb) Die GmbH als Großunternehmen . . . . . . cc) Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung . . . . . . . dd) Die GmbH in einer Unternehmensgruppe und in einer Grundtypenvermischung . . . II. Die Quellen des GmbH-Rechts 1. Das GmbHG und seine Nebengesetze . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes . . . . . . . . . . . .

3. Die Reform vom Jahre 1980 . . 61

1 5 7

9 11 12 13 19 21 23 28 32 34 35

4. Reformen des Jahres 1998 . . . . 5. Die GmbH im Prozess der europäischen Rechtsangleichung . . 6. Der Einfluss anderer Rechtsnormen auf das GmbH-Recht . . . a) Die Schließung von Gesetzeslücken . . . . . . . . . . . b) Die Schließung von Vertragslücken . . . . . . . . . . . . . aa) Auslegung und Lückenfüllung durch Heranziehung von Nebenabreden . bb) Lückenausfüllung durch das Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . cc) Lückenausfüllung durch das Aktienrecht . . . . . . III. Schwerpunkte der Fortbildung des GmbH-Rechts durch Gesetzgebung und Rechtspraxis

63a 64 69 70 71 73 74 75

76

1. Minderheitenschutz, Inhaltsund Ausübungskontrolle a) Probleme des Mehrheitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . b) Institute des Minderheitenschutzes . . . . . . . . . . . . c) Satzungsfestigkeit . . . . . . d) Klagesystem . . . . . . . . .

77 78 79 81

40

2. Verbesserung des Gläubigerschutzes . . . . . . . . . . . . . 82

41

3. Die GmbH im Kapitalmarktund Unternehmensrecht . . . . 84

43 47

50

56

IV. Die GmbH im internationalen Privatrecht A. Die Rahmenbedingungen der kollisionsrechtlichen Regelung 1. Der Ansatz des GesellschaftsKollisionsrechts . . . . . . . . . 87 2. Kollisions- und Fremdenrecht . 88 3. Die Behandlung von Gesellschaften betreffende völkerrechtliche Verträge . . . . . . . 90

59 H. P. Westermann

|

35

Einleitung

Bedeutung der GmbH

B. Die kollisionsrechtlichen Grundkonzeptionen und ihre heutige Bedeutung 1. Sitz- und Gründungstheorie . . 94 2. Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Frühere Judikatur des EuGH . 101 b) Der Fall „Centros“ . . . . . . 102 c) Die Fortführung durch „Überseering“ . . . . . . . . . . . . 104 d) Die Verfestigung der Grundkonzeption durch „Inspire Art“ . . . . . . . . . . . . . . 106 e) Zusammenfassung zu den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . 108 C. Inhalt des Personalstatuts im Einzelnen 1. Allgemeine Kriterien – der ordre-public-Vorbehalt . . . . . 110 2. Entstehung und Rechtsfähigkeit von Gesellschaften . . . . . . . 112 3. Eintragung ins Handelsregister . 117

b) Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 . . . . . . . . . . c) Existenzvernichtungshaftung d) Insolvenzverschleppungshaftung . . . . . . . . . . . . . . e) Allgemeine Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . .

145 147 150 151

13. Die Sitzverlegung . . . . . . . . 152 14. Grenzüberschreitende Verschmelzung . . . . . . . . . . .155a V. Auslandsrechte 1. Der Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen . . . . 156 2. Die Rechtsformen des englischen Rechts . . . . . . . . . 158 3. Zum US-amerikanischen Recht 162 4. Die „kleine“ Kapitalgesellschaft in Frankreich . . . . . . 165 5. Die neue Rechtslage in Italien . 167 6. Die neue Rechtslage in Spanien 168 7. Griechenland . . . . . . . . . . 169 8. Portugal und Brasilien . . . . . 170 9. Niederlande und Belgien . . . . 171

4. Die Firmierung der Gesellschaft 120 5. Die Regeln über die Gründung der Gesellschaft . . . . . . . . . 125 6. Kapitalaufbringung . . . . . . . 127

10. Österreichisches und schweizerisches Recht . . . . . . . . . . 174

7. Willensbildung innerhalb der Gesellschaft . . . . . . . . . . . 129

11. Weitere europäische und außereuropäische Rechte . . . . . . . 176

8. Das Recht der Kapitalerhaltung 9. Zur Form gesellschaftsrechtlicher Rechtsgeschäfte . . . . . 10. Zur Rechnungslegung von Gesellschaften . . . . . . . . . . 11. Grenzüberschreitende Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . 12. Haftungsfragen . . . . . . . . . a) Haftung bei Missbrauchstatbeständen . . . . . . . . . . .

131 134 138 140 143

VI. Aktuelle Reformvorhaben 1. Rechtspolitische Wünsche und Realisierungsmöglichkeiten . . 179 2. Die wichtigsten Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Missbrauchsbekämpfung . . . . 185 4. Nicht realisierte Reformwünsche . . . . . . . . . . . . . . . 186

144

Schrifttum: Altmeppen, Die Auswirkungen des KonTraG auf die GmbH, ZGR 1999, 291; Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Ballerstedt, 75 Jahre GmbH, GmbHR 1967, 66; BDI-Hengeler/Mueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, 2006; Claussen, Überlegungen zur Rechtsform der GmbH – Ist die KGaA eine Alternative?, GmbHR 1996, 73; Deutler, Änderungen des GmbH-Gesetzes und anderer handelsrechtlicher Vorschriften durch die GmbH-Novelle 1980, GmbHR 1980, 145; Feine, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in; Ehrensbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts, Band III, Abt. 3, 3. Aufl. 1929; R. Fischer, Das Recht der OHG als ergänzende Rechtsquelle zum GmbHG, GmbHR 1953, 131; R. Fischer, Die personalistische GmbH als rechtspoli-

36

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

tisches Problem, in: FS Walter Schmidt, 1959, S. 117; Fränkel, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1905; Geßler, Probleme der GmbH-Reform, GmbHR 1966, 102; Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionäre, 1968; Hadding, Die Initiativen des Reichsjustizamts und des Reichsjustizministeriums zur Gestaltung des Gesellschaftsrechts, in: FS zum 100jährigen Geburtstag des Reichsjustizamts, 1977, S. 263; Happ, Deregulierung der GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, ZHR 169 (2005), 6; Heidenhain, Katastrophale Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen, GmbHR 2006, 455; Hommelhoff, Unternehmensführung in der mitbestimmten GmbH, ZGR 1978, 119; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Koberg, Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992; Kremer, Die GmbH als Rechtsform freiberuflicher Partnerschaften, 1979; Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 1970; Limbach, Theorie und Wirklichkeit der GmbH, 1966; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964; Lutter, Das System der Kapitalgesellschaften, GmbHR 1990, 377; Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 86; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970; Müller-Freienfels, Zur Lehre vom so genannten Durchgriff bei juristischen Personen, AcP 156 (1957), 529; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; Planck, Kleine AG als Rechtsform – Alternative zur GmbH?, GmbHR 1994, 501; Priester, Die deutsche GmbH und Inspire Art – brauchen wir eine neue?, DB 2005, 1315; Priester, „GmbH-light“ – ein Holzweg, 2005, 921; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973; Römermann, Der Entwurf des „MoMiG“ – die deutsche Anwort auf die Limited, GmbHR 2006, 673; Roth (Hrsg.), Die Zukunft der GmbH vor dem Hintergrund deutscher und internationaler Novellen vom 1. 1. 1981, 1983; Saenger, Minderheitenschutz und innergesellschaftliche Klagen bei der GmbH, GmbHR 1997, 112; K. Schmidt, Brüderchen und Schwesterchen für die GmbH?, DB 2006, 1095; K. Schmidt, Grundzüge der GmbH-Novelle, NJW 1980, 1769; K. Schmidt, Insolvenzordnung und Gesellschaftsrecht, ZGR 1998, 633; K. Schmidt, Zur Stellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, 1972; Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich, 2005; Seibert, BBGesetzgebungsreport: Entwurf eines Mindestkapitalgesetzes – substantielle Absenkung des Mindeststammkapitals, BB 2005, 1061; Seibert, GmbH-Reform: Der RefE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, ZIP 2006, 1157; Stimpel, „Durchgriffshaftung“ bei der GmbH: Tatbestände, Verlustausgleich, Ausfallhaftung, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftverträgen, 1970; Triebel/Otte, 20 Vorschläge für eine GmbH-Reform: Welche Lektion kann der deutsche Gesetzgeber vom englischen lernen?, ZIP 2006, 311; Uhlenbruck, Die neue Insolvenzordnung (II) – Auswirkungen auf das Recht der GmbH und der GmbH & Co. KG, GmbHR 1995, 194; Ulmer, Richterrechtliche Entwicklungen im Gesellschaftrecht 1971 bis 1985, 1986, S. 9 ff.; Wachter, Der Entwurf des „MoMiG“ und die Auswirkungen auf inländische Zweigniederlassungen von Auslandsgeschäften, GmbHR 2006, 793; H. P. Westermann, Auf dem Weg zum Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen: Die Kapitalbindung im Recht der GmbH, ZIP 2005, 1849; H. P. Westermann, Die GmbH in der nationalen und internationalen Konkurrenz der Rechtsformen, GmbHR 2005, 4; H. P. Westermann, Gläubigerschutz bei der Neuordnung der GmbH, 1971; H. P. Westermann, Die GmbH & Co. KG im Lichte der Wirtschaftsverfassung, 1973; H. P. Westermann, Die GmbH – ein Allzweckinstrument? in: Pro GmbH 1980, 23; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970; H. P. Westermann/Menger, Gesellschafterstreitigkeiten im GmbH-Recht, DZWiR 1991, 143; Wiedemann, Verbandssouveränität und Außeneinfluss, in: FS Schilling, 1973, S. 105; Wiedemann, Unternehmensrecht und GmbH-Reform, JZ 1970, 593; Wiedemann, Haftungsbeschränkung H. P. Westermann

|

37

Einleitung

Bedeutung der GmbH

und Kapitaleinsatz in der GmbH, in: Wiedemann/Bär/Dabin, Die Haftung der Gesellschafter in der GmbH, 1978; Wiedemann, Die Zukunft des Gesellschaftsrechts, in: FS Fischer, 1979, S. 883; Wiedemann, Zu den Treupflichten im Gesellschaftsrecht, in: FS Heinsius, 1991, S. 949 ff.; Wiethölter, Die GmbH in einem modernen Gesellschaftrecht und der Referentenentwurf eines GmbH-Gesetzes, in: Probleme der GmbH-Reform, 1969, 11; Wilhelmi, Das Mindestkapital als Mindestschutz – eine Apologie im Hinblick auf die Diskussion um eine Reform der GmbH angesichts der englischen Limited, GmbHR 2006, 13; Wilhelmi, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung im System des GmbH-Rechts, 2001; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; Zöllner, Gläubigerschutz durch Gesellschafterhaftung bei der GmbH, in: FS Konzen, 2006, S. 999; Zöllner, 100 Jahre GmbH, JZ 1992, 381; Zöllner, Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963. Das neue GmbHRecht in der Diskussion, 1981 (Centrale-Arbeitstagung vom 8. 9. 1980, mit Beiträgen von Deutler, Raiser, Ulmer, K. Schmidt, Hesselmann, Tillmann); Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, mit Beiträgen von Schubert, Lutter, Zöllner, Hueck, Priester, Immenga, Reichert u. Winter, Roth u. Thöni, Joost, Crezelius, Stimpel, Ulmer, Fleck, Hommelhoff u. Kleindiek, H. P. Westermann, U. H. Schneider, Schulze-Osterloh, Hüffer, Behrens, K. Schmidt, Raiser, Martens, Reuter, Assmann, Knobbe-Keuk; Roth (Hrsg.), Das System der Kapitalgesellschaft im Umbruch – ein internationaler Vergleich, 1990, mit Beiträgen von Hommelhoff, Mosthaf, StedileForadori, Druey, Vidal, Borgioli, Karjala, Birds, Cheffins. Weiteres Schrifttum s. vor Rdnr. 87 und 156.

I. Die dogmatische und praktische Bedeutung der GmbH 1. Die Funktion des „Leitbildes“ der GmbH 1

Gesellschaftsrechliche Organisationsgesetze werden zumeist auf einen bestimmten Lebenstyp eines wirtschaftlichen Personenverbandes zugeschnitten. Bei der Regelung der Gründung, der Gesellschafterzahl, der Finanzierung, der Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten, der Mitverwaltungsrechte, der Fungibilität der Anteile, (sogar) des Generationenwechsels im Gesellschafterkreis sowie der Verwendung einer Rechtsform im Rahmen von Unternehmensgruppen, spielt die Anschauung eine Rolle, die der Gesetzgeber von der Größe des Gesellschafterkreises und der eingesetzten Geldmittel sowie von den Zwecken hat, zu denen eine bestimmte Rechtsform benutzt werden soll. Diese Vorstellungen lassen sich als Strukturtypus bezeichnen und sind von den häufig als „Begriff“ zusammengefassten zwingenden Elementen der Rechtsform zu unterscheiden1. Rechtsdogmatisch bedeutet die Bezeichnung eines Strukturtyps, dass einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zu einem Sinnganzen zusammengefasst werden, von dem aus sich die einzelnen Normen des gesetzlichen Status „typgerecht“ interpretieren und Lücken ausfüllen lassen2. Umge1 Zur Bedeutung des „Strukturtyps“ eines Personenverbandes s. Koller, Grundfragen einer Typuslehre im Gesellschaftsrecht, 1967, S. 44 ff.; Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971, S. 46 ff., 177 ff.; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 98 ff., 110 ff.; allgemeiner H. P. Westermann, Strukturprobleme, S. 176, 182; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 II 1; zum Unterschied von „Begriff“ und „Wesen“ der GmbH ganz ähnlich bereits Feine, S. 35 ff. 2 H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 11.

38

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

kehrt führt ein Wandel der Anschauung von dem, was die in der Rechtsform der GmbH auftretenden Personenverbände sind oder sein sollten, zu Schwierigkeiten in der Anwendung des gesetzlichen Status. Das Leitbild der GmbH ist nach früher oft vertretener und im Grundsatz auch zutreffender Ansicht die „kleine Kapitalgesellschaft“, die eine Abart der Aktiengesellschaft darstellt1. Heute werden demgegenüber mehr die Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH betont, die im Wesentlichen dahin zusammengefasst werden, dass die GmbH dem personalistischen Strukturtypus zugehöre2, wirtschaftlich vor allem im mittelständischen Bereich tätig. Daran hat auch die Einführung der „kleinen AG“ im Grundsatz nichts geändert3, da es hierbei hauptsächlich um Änderungen des AktG im Interesse etwas leichterer Handhabung der Rechtsform ging4. Andererseits folgt hieraus nicht eine Dominanz personengesellschaftsrechtlichen Denkens; zu groß ist die Auswirkung der kapitalgesellschaftsrechtlichen Notwendigkeit, das Mitgliedschaftsverhältnis, vor allem seinen Bestand und die aus ihm fließenden Mitverwaltungsrechte, an den Geschäftsanteil, d.h. die Beteiligung an einem festen Stammkapital, und nicht an die Gliedstellung des Gesellschafters in einem Personenverband anzuknüpfen.

2

Auch der personengesellschaftsrechtliche Zug des GmbH-Rechts war im Gesetz stets vorhanden. Im Entwurf Oechelhäusers (Näheres unten Rdnr. 59) wurde zwar das Außenverhältnis der Aktiengesellschaft angenähert, im Innenverhältnis sollte aber durch eine weitgehend flexible Regelung wie in der Personengesellschaft die autonome Entscheidung der Gesellschafter über die Art ihrer Zusammenarbeit die oberste Richtschnur darstellen. Das kam am stärksten darin zum Ausdruck, dass § 2 dieses Entwurfs grundsätzlich auf die Vorschriften über die OHG verwies. Diese Vorstellungen, die sich in der Tat um das Leitbild einer Personengesellschaft mit beschränkter Haftung gruppieren lassen, waren seinerzeit zwar nicht aus Erfahrung und Anschauung entstanden, sondern gingen auf ein vermutetes Bedürfnis der Wirtschaft ein5. Sie sind bei der konkreten Gestaltung der einzelnen GmbH auf Grund der weitgehenden Vertragsfreiheit bei der Regelung des Innenverhältnisses auch realisierbar, was freilich für die Fragen der Finanzierung nicht zutrifft, die die wesentliche Ursache für die bezüglich der praktischen Handhabbarkeit der GmbH aufgekommenen Bedenken darstellen6.

3

1 Zahlreiche Nachw. aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu dem angestrebten Ziel, eine kollektivistische Gesellschaftsform ohne die Fesseln des Aktienrechts zu schaffen, bei Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 4 ff. 2 Ulmer, Einl. Rdnr. A 8; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 1 Rdnr. 3; Grunewald, Gesellschaftsrecht, Abschnitt E Rdnr. 3. 3 Das Gesetz über die „kleine AG“ vom 2. 8. 1994 (BGBl. I, 1969) ist dargestellt bei Lutter, in: FS Vieregge, 1995, S. 603 ff.; Hommelhoff, AG 1995, 529 ff.; s. auch Seibert/ Kiem, Handbuch der kleinen AG, 4. Aufl. 2000. 4 Näher zum Verhältnis zur GmbH H. P. Westermann, GmbHR 2005, 4, 8 f.; Planck, GmbHR 1994, 501 ff. 5 Hallstein, RabelsZ 13 (1938/39), 335 f.; Hadding, in: FS zum 100jährigen Geburtstag des Reichsjustizamtes, S. 263 ff.; Schubert, S. 7 ff., 22 ff. Zur Originalität der Neuschöpfung Zöllner, JZ 1992, 381. 6 Dazu H. P. Westermann, GmbHR 2005, 4, 5 f.

H. P. Westermann

|

39

Einleitung 4

Bedeutung der GmbH

Nach allem gibt es keine Schwierigkeiten, ein Leitbild von einem in der Mitte zwischen kapital- und personengesellschaftsrechtlichem Strukturtyp angesiedelten Verband zu zeichnen, das bei der Auslegung des Gesetzes wie des Statuts einer der gesetzgeberischen Vorstellung entsprechenden oder nahekommenden konkreten Gesellschaft heranzuziehen ist; zur Auslegung von GmbH-Satzungen näher Rdnr. 69 ff. Allerdings ist die rechtspolitische Einschätzung der GmbH und – damit zusammenhängend – ihre Entwicklung im Zuge rechtsfortbildender Richtersprüche auch durch die Suche nach einem die Gläubigerund Minderheitenbelange zufriedenstellenden Standort der GmbH im Rahmen des Kapitalgesellschaftsrechts bestimmt1, wobei bisweilen auch offen beklagt wird, dass die Praxis namentlich bei der Gründung der GmbH immer wieder die gläubigerschützenden Vorkehrungen des Gesetzes zu umgehen suche. Andererseits ist das Bedürfnis marktwirtschaftlich geprägter Rechtsordnungen nach einer als juristische Person voll ausgebildeten Vertragsgesellschaft mit grundsätzlicher Haftungsfreistellung der Gesellschafter, die trotzdem die Geschäftsführung weitgehend in der Hand behalten können, bei rechtsvergleichender Umschau2 allgemein, ohne dass die Formen kapitalgesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes für alle Typen von Kapitalgesellschaften identisch sein müssen, was namentlich die Kontrollen bei Gründung und Finanzierung der juristischen Person betrifft. Wesentliche Differenzierungen danach, ob eine Gesellschaft börsengängig sein oder wenigstens in der Tendenz ein breites Anlegerpublikum ansprechen soll3, wären berechtigt, doch geht die praktische Entwicklung nicht in diese Richtung. Insgesamt gesehen bestimmt daher an Stelle eines einheitlichen Strukturtyps der GmbH das in ihr angelegte Spannungsverhältnis von beschränkter Haftung und Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter die Rechtsanwendung in Bezug auf die nicht konzernverbundene GmbH am stärksten4. a) Die körperschaftliche Struktur

5

Die GmbH gehört zu den Rechtsformen, die auf Verbände mit körperschaftlicher Struktur zugeschnitten sind. Man versteht darunter die Ablösung der rechtlichen Regelung des inneren Verbandslebens von der Person der Mitglieder und der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises5. Ereignisse in der Person oder im Vermögen der Mitglieder haben somit keinen Einfluss auf den Bestand der Gesellschaft. Was die Verwaltung anbelangt, so handeln nicht wie bei der Personengesellschaft die Gesellschafter kraft einer vertraglichen Befugnis für sich und ihre Partner, sondern institutionalisierte Organe der Gesellschaft werden kraft abstrakter Kompetenzzuweisung durch Gesetz oder Satzung tätig. Angesichts der Möglichkeit des Mitgliederwechsels hat die Satzung von vornherein mehr den Charakter einer die jeweiligen Anteilseigner bindenden Norm 1 Zum Folgenden s. etwa Lutter, GmbHR 1990, 377 ff., in Auseinandersetzung mit Roth (Hrsg.), Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch – ein internationaler Vergleich, 1990; s. auch Thöni, GmbHR 1989, 246. 2 Zur Rechtsvergleichung näher Rdnr. 156 ff. 3 So Lutter, GmbHR 1990, 378. 4 Ähnlich schon früher Fischer, GmbHR 1953, 131. 5 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 2 I 1.

40

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

als den eines Vertrages unter den Gründern, weshalb ihr bei Willens- oder Einigungsmängeln erhöhter Bestandsschutz zukommt1. Das schließt freilich die Heranziehung von nicht in der Satzung niedergelegten Umständen zu ihrer Auslegung nicht ganz aus (näher Rdnr. 73). Die Organwalter, die nicht Gesellschafter zu sein brauchen (Fremd- oder Drittorganschaft, s. Rdnr. 19), sind der Gesamtheit der Mitglieder verantwortlich, werden von ihr bestellt oder abberufen und müssen sich bei ihrer Tätigkeit an Gesetz, Satzung und Gesellschafterbeschlüsse halten, wobei ihnen im Hinblick auf Fragen der Kapitalerhaltung und des Verhaltens in Insolvenzsituationen Aufgaben zwingend zugewiesen sind. Die laufende Unternehmensleitung und der Unternehmensbesitz sind also getrennt2. Doch haben die Gesellschafter, da das Gesetz keine grundlegenden Kompetenzzuweisungen enthält, die oberste Organisationsgewalt und eine Zuständigkeit für Sachentscheidungen, die mindestens die Grundsätze der Unternehmenspolitik und außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen, nach verbreiteter, allerdings streitiger Ansicht auch die laufenden Geschäfte umfasst (zur Befugnis der Gesellschafterversammlung, auch Einzelentscheidungen des Alltagsgeschäfts an sich zu ziehen, s. § 37 Rdnr. 303). Mit der Vorstellung von der körperschaftlichen Struktur hängt die Annahme zusammen, dass bei der GmbH wie bei der AG ein Rechtsverhältnis unter den Mitgliedern vom Gesetz nicht voll entwickelt ist, wohl aber dasjenige zwischen dem Mitglied und dem Verband, ferner, dass Konflikte über die Willensbildung im Verband und die sonstigen Mitgliederinteressen zwischen Mitglied und Verband ausgetragen werden4; dieser Grundsatz ist allerdings inzwischen nicht mehr voll durchgehalten worden. Die vom Gesetz vorgesehene Veräußerlichkeit der Geschäftsanteile dient der Stabilisierung des Verbandes für den Fall, dass die Mitglieder den wirtschaftlichen Wert des im Unternehmen investierten Vermögens realisieren wollen. Sie tritt also praktisch an die Stelle der Kündigung. Kapitalgesellschaftsrechtlich gedacht sind ferner die Sicherung des Einlageanspruchs der Gesellschaft gegen den Gesellschafter (§§ 19–25) und die Vorkehrungen zum Kapitalschutz (§§ 30 ff., s. hierzu näher Rdnr. 23). Demgegenüber betont das Gesetz den Gedanken des Bestandsschutzes des Unternehmens gegenüber dem Zugriff der Gesellschafter auf gemachte Gewinne weniger stark. Durch § 29 und die Umstellung einer von den Gesellschaftern beabsichtigten zurückhaltenden Gewinnverwendung (Thesaurierungspolitik) von der Bildung stiller Reserven auf die Schaffung offener Rücklagen haben sich insoweit Probleme ergeben5. Die Strukturmerkmale der GmbH lassen sich nur typologisch beschreiben, d.h. sie müssen nicht alle bei jedem körperschaftlich strukturierten Verband in 1 Ulmer, Einl. A Rdnr. 23, 24. 2 Feine, S. 38, 41 ff.; Wiedemann, JZ 1970, 593 f. Zur Weisungsbindung des Geschäftsführers Ulmer, Einl. A Rdnr. 30, 31. 3 Einen Kernbereich unentziehbarer Entscheidungsmacht des Geschäftsführers betonen aber Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 127 f.; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 93; Winkler, Lückenausfüllung, S. 31; Gieseke, GmbHR 1996, 486 ff. 4 Dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 22 II 2. 5 Zum Problem Schöne, GmbHR 1990, 20 ff.; im Einzelnen § 29 Rdnr. 9 ff. Zum Einfluss der Steuerreform 1990 auf die Ausschüttungspolitik Bauer, GmbHR 1989, 209 ff.

H. P. Westermann

|

41

6

Einleitung

Bedeutung der GmbH

gleicher Weise vorliegen und können mehr oder weniger deutlich ausgeprägt sein. Sie können im Statut auch weitgehend abbedungen werden, was etwa in Bezug auf die Veräußerlichkeit der Geschäftsanteile rechtstatsächlich die Regel bildet. Seltener sind Anlehnungen an die im Vergleich zur GmbH kompliziertere Organisation der Aktiengesellschaft, die insbesondere die typisch körperschaftsrechtliche Einrichtung eines Kontrollorgans kennt und aus der Verfolgung des Gesellschaftszwecks durch Geschäftsführung die Anteilseigner fast vollkommen ausschließt. Die Praxis richtet besonders bei größerer Gesellschafterzahl gelegentlich Organe wie einen Gesellschafterausschuss oder einen auch aus Nicht-Gesellschaftern zusammengesetzten Beirat mit überwiegend beratenden und streitschlichtenden Funktionen ein1, ohne der Gesellschafterversammlung die Verantwortung für die Unternehmensführung ganz abzunehmen. Daneben kann die GmbH stärker als das gesetzliche Organisationsstatut es vorsieht, von der Person und der Tätigkeit der Mitglieder abhängig gemacht werden. Hierzu gehören etwa Sonderrechte eines Gesellschafters auf Zugehörigkeit zu Gesellschaftsorganen, Sicherungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers gegen Abberufung aus seinem Amt, Regelungen über Einziehung von Geschäftsanteilen oder über Auflösung der Gesellschaft bei nachhaltiger Störung des Vertrauensverhältnisses unter den Gesellschaftern. Häufig finden sich solche Regelungen auch in schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen (näher Rdnr. 73). Die körperschaftliche Struktur der GmbH bildet also keine einschneidende Grenze der Gestaltungsfreiheit. b) Die juristische Persönlichkeit 7

Die GmbH ist juristische Person, s. § 13 Rdnr. 3, 10. Im Entwurf Oechelhäusers war demgegenüber auch an eine gesamthänderische Bindung des Vermögens, eine gesamtschuldnerische, bis zur Höhe des eingetragenen Grundkapitals reichende Haftbarkeit der Gesellschafter, aber nicht an eine eigene Rechtspersönlichkeit des Verbandes gedacht. So könnte man versucht sein, die Rechtsfähigkeit gewissermaßen als Kulminationspunkt der kapitalistischen Struktur auszugeben2. Dies trifft jedoch nicht zu. Die juristische Persönlichkeit eines Verbandes ist Organisationselement zur Bewältigung der rechtstechnischen Probleme, die durch das Auftreten des Verbandes, inzwischen anerkanntermaßen auch einer Einzelperson (näher Rdnr. 12), im Rechtsverkehr im Hinblick auf die Zurechnung von Vermögensgegenständen, Willenserklärungen und sonstigen Haftungsfolgen entstehen3. Freilich hat der Umstand, dass die h.M. vor kurzem der im Gesetz eindeutig personalistisch angelegten Gesellschaft bürgerlichen Rechts Rechtsfähigkeit, wenn auch nicht juristische Persönlichkeit zuerkannt hat, die Bedeutung dieser Qualifikationen etwas ins Zwielicht ge-

1 Näher dazu Voormann, Die Stellung des Beirats im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1990. Zu den Möglichkeiten der Anpassung der GmbH-Organisation an das im US-amerikanischen Aktienrecht geltende board-System Loges, ZIP 1997, 437. 2 S. Feine, S. 47 ff. 3 Zum Folgenden hier nur Wieacker, in: FS E. R. Huber, 1973, S. 339, 358 ff.; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 72 ff., 115 ff.; Flume, Allg. Teil I 2, § 1 V; Reuter, in: MünchKomm. BGB, vor § 21 Rdnr. 1.

42

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

rückt1, so dass es auch nicht mehr allzu viel besagt2, wenn es heißt, dass die juristische Person ein von der positiven Rechtsordnung eingerichtetes rechtstechnisches Zweckgebilde ist, das bestimmte Ordnungszusammenhänge gedanklich zusammenfasst und in einer abstrakten Kurzformel sprachlich ausdrückt. Die juristische Persönlichkeit in dem Sinne, wie sie den Kapitalgesellschaften des Handelsrechts und dem eingetragenen Verein nach BGB zukommt, kann von den Gründern eines Verbandes für diesen nur in Anspruch genommen werden, wenn bestimmte zwingende Voraussetzungen vorliegen. Damit hängt das Maß der in der juristischen Person erreichbaren technischen Verselbständigung eines Vermögens und eines Wirkungskreises von der positiven Entscheidung des Gesetzgebers zu den einzelnen Rechtsformen ab. Diese stellen aber, wie gerade die GmbH am besten zeigt, nicht auf einen bestimmten soziologischen Typus des Verbandes ab und beeinflussen auch nicht entscheidend die Art der Rechtsbeziehungen unter den Mitgliedern der juristischen Person3. So kann etwa die Verleihung der Rechtsfähigkeit an die Sicherung der Aufbringung eines bestimmten Mindestkapitals und an seinen Schutz gegen Vermischung mit dem Vermögen der Mitglieder geknüpft sein, wobei die Trennung des allein das Haftungssubstrat bildenden Gesellschaftsvermögens von dem jeweiligen der Verbandsmitglieder durch Publizität offengelegt werden muss – dies ist eine Aufgabe der Rechtsordnung, die aber, wie der Fall der kommanditistischen Haftung in der nicht rechtsfähigen Personengesellschaft zeigt, weniger durch die juristische Persönlichkeit als durch die Haftungsbeschränkung verursacht ist. Zur juristischen Persönlichkeit eines Verbandes gehört dann nur noch die tendenziell stärkere Verselbständigung der Gesellschaft gegenüber ihren Mitgliedern, obwohl die Grenzen auch insoweit flüssig geworden sind4. Es gibt auch Vorstufen der gem. § 11 durch Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister bewirkten vollständigen Verselbständigung, indem einzelne Vermögensrechtsfolgen, und zwar durchaus auch wichtige, bereits im Stadium der Existenz der Gesellschaft als Vorgesellschaft eintreten, näher die Erläuterungen zu § 11. Die eigene Rechtsfähigkeit der GmbH dauert an, bis sie im Handelsregister gelöscht ist, wodurch ein Gegenstück gegen die ebenfalls konstitutive Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister gesetzt ist.

8

aa) Die Mitgliedschaft als Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern und als subjektives Recht Die vermögensrechtlichen und auf Mitwirkung an der gesellschaftlichen Willensbildung gerichteten Rechte jedes Gesellschafters sind gedanklich zusam1 S. etwa Beuthien, JZ 2002, 715 f.; Beuthien, NJW 2005, 855 ff.; H. P. Westermann, in: FS Konzen, 2006, S. 957 ff. 2 Grundlegend H. J. Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. I, 1943. 3 Aus dem früheren Schrifttum zur GmbH bereits A. Hueck, ZHR 83 (1920), 32 ff.; Feine, S. 51; s. weiter Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, S. 61 ff.; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 7 f. 4 Flume, Personengesellschaft, § 7 I (S. 89 f.); zum Verhältnis zur Rechtsfähigkeit grundlegend Mülbert, AcP 199 (1999), 38, 48 f.

H. P. Westermann

|

43

9

Einleitung

Bedeutung der GmbH

mengefasst in der Mitgliedschaft1, die durch den Erwerb eines Geschäftsanteils begründet und durch seine Veräußerung oder Einziehung (§ 34) verloren wird. Aus der Mitgliedschaft folgen auch Pflichten, etwa auf Leistung der Einlage, des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft. Trotz der dem Verband verliehenen eigenen Rechtspersönlichkeit besteht auch ein internes Rechtsverhältnis unter den Gesellschaftern, aus dem auch konkrete Pflichten im Hinblick auf die Erreichung des Verbandszweckes und Sanktionen bei Pflichtverletzung folgen können. Das Verständnis der GmbH als Körperschaft und juristische Person, wie es zurzeit der Schaffung des Gesetzes und noch in den ersten Jahrzehnten seiner Anwendung herrschend war2, war freilich anders, indem alle in der Gesellschaft entstehenden Rechtsbeziehungen als zwischen Gesellschaft und Gesellschafter bestehend gedacht wurden und der Umstand, dass mehrere Gesellschafter nebeneinander stehen, ihrem Rechtsverhältnis zum Verband einen „sozialrechtlichen“ Charakter verleihen sollte. Verabredungen zwischen den Gesellschaftern, die etwa die unternehmerische Zwecksetzung der GmbH oder auch nur die Stimmabgabe in ihren Organen betreffen, blieben dann notwendig außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Sphäre. 10

Betrachtet man die eigene Rechtsfähigkeit des Verbandes mehr als Zweckschöpfung, so kann die Verselbständigung schwerpunktmäßig auf die Inhaberschaft und die Aufbringung des Gesellschaftsvermögens sowie die Zuordnung der Rechte und Pflichten gegenüber Dritten beschränkt werden. Internes Gesellschaftsverhältnis und externe Rechtsfähigkeit schließen sich nicht aus, die Verbandsorganisation hat allenfalls Einfluss auf die Intensität, nicht auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses und einer Treupflicht unter den Mitgliedern sowie zwischen Mitglied und Gesellschaft3. Ferner kann die Gesamtheit der Teilhaberechte an der Verbandsorganisation zwar durch einen Individualvertrag (im Rahmen von Gründung und Beitritt) begründet4, aus ihm allein aber nicht mehr vollständig erklärt werden, da die Rechte und Pflichten des Verbandsmitglieds bis zu einem gewissen Grade von seinem Willen unabhängig durch Gesetz, Satzung oder auch tatsächlichen Wandel konkretisiert und modifiziert werden können. Die Annahme eines Rechtsverhältnisses unter den Gesellschaftern der GmbH entspricht auch der in der Praxis häufigen personalistischen Struktur, die es gekünstelt erscheinen ließe, die Verabredungen über die Geschäftsführung und die Abgrenzung der Interessensphären im Verband als Begründung einer von der Gesellschaft losgelösten individualrechtlichen Beziehung zu verstehen.

1 Grundlegend zur Mitgliedschaft als subjektives Recht Lutter, AcP 180 (1980), 86 ff.; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 62 ff.; zur Gegenansicht Hadding, in: FS Steindorff, 1990, S. 31 ff.; krit. besonders zum Deliktsschutz der Mitgliedschaft Hadding, in: FS Kellermann, 1991, S. 91 ff.; Diskussion bei Beuthien, AG 2002, 68; K. Schmidt, GesR, § 19 I 3. 2 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 8 ff.; v. Gierke, Deutsches Privatrecht I, S. 479 ff.; Feine, S. 52 f. 3 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 2 I 1; Ulmer, Einl. A Rdnr. 36; K. Schmidt, GesR, § 35 I. 4 Etwas weiter gehend Habersack, Die Mitgliedschaft, 1996, S. 78.

44

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

bb) Die Treupflicht Die verhältnismäßig enge Interessenverknüpfung zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, aber auch der Gesellschafter untereinander, führt dazu, dass dem Grunde – nicht der Ausdehnung im Einzelfall – nach die Anerkennung einer Treupflicht des Gesellschafters in beiden Richtungen unproblematisch ist. Man kann sogar sagen, dass die mitgliedschaftliche Treupflicht zu den wichtigsten Quellen der Beschränkung willkürlicher Ausübung von Mitgliedschaftsrechten, aber auch des Entstehens konkreter Einzelpflichten, und zu den flexibelsten Instrumenten der Reaktion der Rechtsprechung auf drohende oder bereits geschehene Interessenverletzungen der Gesellschafter im GmbH-Recht gehört1. Im Vordergrund steht dabei der Schutz der Gesellschaft und der Gesellschafter vor Schädigung ihrer Vermögensbelange durch Handeln von Gesellschaftern, besonders durch die Ausbildung von Verhaltenspflichten und Loyalitätsanforderungen an Gesellschafter, ferner die Begrenzung der Mehrheitsmacht und die Entwicklung von Mitwirkungspflichten (auch der Minderheit) im Zusammenhang mit der Anpassung der Satzung und anderer Ordnungen an veränderte tatsächliche und rechtliche Umstände2. Hinsichtlich der Begründung der Treupflicht steht die Vorstellung im Vordergrund, dass die dauerhafte und auf einen gemeinsamen Zweck ausgerichtete Verbindung der Verbandsmitglieder; eine gegenüber der allgemeinen schuldrechtlichen Loyalitätspflicht (§ 242 BGB) gesteigerte, wenn auch nur fallweise konkretisierbare Pflicht zur Rücksichtnahme auf die im Verband verkörperten Gesamtinteressen, aber auch gleichgewichtige Belange der Mitgesellschafter erzeugt, somit auch Minderheitenschutz nötig macht. Treupflichten bestehen somit nicht nur bei unternehmensbezogenen und alltäglichen Entscheidungen, sondern auch in Bezug auf Strukturänderungen3. Eine große Rolle spielt die Treupflicht auch bei der Begründung eines Wettbewerbsverbots für Gesellschafter und Geschäftsführer, das ja – im Gegensatz zur Personengesellschaft – nicht kodifiziert ist4. Einen besonderen Tatbestand stellt schon wegen der Schwierigkeiten der Rechtsfolgenbestimmung die treupflichtwidrige Stimmrechtsausübung dar5. Im Einzelnen ist dies immer auch im Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen Instrumenten des Minderheitenschutzes zu sehen (Rdnr. 77), die grundsätzliche Treupflichtbindung von Mehrheit wie Minderheit ist aber nicht zu leugnen, da auch ein generell von der gesetzgeberischen Entscheidung gedeckter Beschluss im Einzelfall, etwa wegen des Erstrebens gesellschaftsfremder Sonder1 Grundlegend hierzu Lutter, AcP 180 (1980), 86, 102 ff.; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 43 ff.; Immenga, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 189 ff.; Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 68 ff.; K. Schmidt, GesR, § 35 I 2; Wiedemann, in: FS Heinsius, 1991, S. 949 ff., will den Gedanken der Treupflicht aufteilen und zwischen mitgliedschaftlichen, organschaftlichen und mehrheitsbezogenen Treupflichten unterscheiden. 2 Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 175 ff.; s. auch § 53 Rdnr. 37. 3 Übersicht über den Meinungsstand in Rspr. und Wissenschaft bei Vorwerk/Wimmers, GmbHR 1998, 717 ff. 4 OLG Frankfurt, BB 1992, 2489 f.; Claussen/Korth, in: FS Beusch, 1993, S. 111 ff. 5 Dazu Henze und Windbichler, in: Henze/Timm/H. P. Westermann, Tagungsband Gesellschaftsrecht 1995, 1996, S. 1 ff., 23 ff.

H. P. Westermann

|

45

11

Einleitung

Bedeutung der GmbH

vorteile1, angreifbar sein kann. Die Treupflicht kann auch bei Entscheidungen über Ausschluss eines Gesellschafters oder über Einziehung eines Geschäftsanteils inhaltsbestimmend und -beschränkend wirken2, eine Treupflichtverletzung kann auch Ansprüche begründen oder den Anlass für eine Gestaltungsklage bilden3 (an Grenzen stößt diese Überlegung bei einer aus der Treupflicht abgeleiteten Bindung der Gesellschafter an eine befristete Unternehmensbeteiligung eines Geschäftsführers4). Die Treupflicht hat schließlich eine erhebliche Rolle gespielt, als es darum ging, Verhaltensanforderungen an eine konzernverbundene Gesellschaftermehrheit und Klagerechte für die dadurch geschädigte oder bedrohte Minderheit zu entwickeln; hierfür steht besonders das ITT-Urteil des BGH5. Dieses Lösungsmodell stößt an gewisse Grenzen, wenn man sich nicht entschließen kann, eine Treupflicht auch des einzigen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft anzunehmen, der dann ein gewisses Eigenleben zugestanden ist6, im Einzelnen s. Anh. Konzernrecht (nach § 13) Rdnr. 117 ff. cc) Die Einmann-Gesellschaft 12

Eine formal-rechtstechnische Betrachtung der juristischen Persönlichkeit erlaubt die Anerkennung einer Einmann-Gesellschaft, obgleich eine organisierte Verbandsperson hier fehlt. Die Einmann-Gesellschaft bedeutet eine Inkorporation der Haftungsbeschränkung und einen Verzicht auf eine überindividuelle Zwecksetzung7. Ihr Eigenleben stieß freilich früher auf Bedenken, teils aus dem Gesichtspunkt fehlender Verbandsorganisation8, teils aus der extremen Abwei-

1 Dazu näher Flume, ZIP 1996, 161 f. Hierbei ist auch der Fall der Befreiung eines Gesellschafters von einem statutarischen Wettbewerbsverbot durch Mehrheitsbeschluss einzuordnen, BGHZ 80, 69, 73 f.; dazu eingehend Pietzcker, Wettbewerbsverhalten in Unternehmensgruppen, 1996, S. 38 ff., 179 ff. im Zusammenhang mit der Heumann/Ogilvy-Entscheidung BGHZ 81, 311. 2 Zu diesen Fragen näher Lutter, GmbHR 1997, 1134 zum Urteil des HansOLG, ZIP 1996, 962; van Venrooy, GmbHR 1995, 339. Zur Treupflichtbindung von Minderheitsgesellschaftern, die in der Literatur oft vernachlässigt werden, s. Bungert, DB 1995, 1749 ff.; Göbel, Mehrheitsentscheidungen in Personengesellschaften, 1992, S. 201 ff. 3 So kann fehlendes oder gestörtes Vertrauen unter den Gesellschaftern eine Auflösung der Gesellschaft nach § 61 rechtfertigen, RGZ 164, 157, 260; BGHZ 16, 317. 4 Angenommen von OLG Frankfurt, ZIP 2004, 1801 mit krit. Besprechung Schockenhoff, ZIP 2005, 1009 ff.; zu diesem Fragenkreis jetzt aber BGH, ZIP 2005, 1917, 1920; Benecke, ZIP 2005, 1437 ff. 5 BGHZ 65, 18 ff.; s. dazu Schilling, BB 1975, 1491; Ulmer, NJW 1976, 192 f.; Wiedemann, JZ 1976, 384; E. Rehbinder, ZGR 1976, 386, 391; H. P. Westermann, GmbHR 1976, 77. Zu den Treupflichten als Grenzen einer Verbundintegration und Verbundleitung in der Unternehmensgruppe Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 1999, S. 65 ff. 6 Ablehnend Lutter, ZIP 1985, 1425, 1428; Semler, in: FS Goerdeler, 1987, S. 551, 558 f.; Röhricht, WPg. 1992, 766, 784; Flume, Jur. Person, § 2 VII 3; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, Anh. Konzernrecht, Rdnr. 35; a.M. Wilhelm, Rechtsform und Haftung, S. 330 ff.; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 418; zum Problem auch Priester, ZGR 1993, 512 ff.; Winter, ZGR 1994, 570. 7 Sie hatte allerdings schon vor ihrer gesetzlichen Zulassung der Praxis keine unüberwindlichen Probleme verursacht, Zöllner, JZ 1992, 382. 8 Schilling, JZ 1953, 161, 164 f.; Wieland, Handelsrecht I, S. 512 ff.; s. auch noch MeyerCording, JZ 1978, 10.

46

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

chung ihres tatsächlichen Erscheinungsbildes vom Strukturtyp der GmbH1. Das begründet heute allenfalls noch eine Relativierung der der juristischen Persönlichkeit an sich gemäßen Trennung von GmbH und Gesellschafter mit Rücksicht auf den Zweck der jeweils zur Anwendung stehenden Gesetzesnorm. Positiv-rechtlich ist das Problem auch unter dem Einfluss der 12. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie über die Zulässigkeit der Ein-Personen-GmbH, die in Deutschland nur ganz geringfügige Modifikationen nötig machte2, weitgehend bewältigt. Der Gedanke, die Einmann-Gesellschaft als gebundenes Sondervermögen des Gesellschafters anzusehen3, spielt daher nur noch eine Rolle, wenn es darum geht, ein Rechtssubjekt zu finden, von dem die in § 7 Abs. 2 Satz 3 vorgeschriebene Sicherheit gestellt werden kann4; zum Einmann-Gründer im Rahmen der Anwendung des § 11 Abs. 2 s. dort Rdnr. 156, s. auch § 1 Rdnr. 45 f.5. Zur rechtlichen Behandlung der Einmann-Gesellschaft im Einzelnen s. § 1 Rdnr. 26 ff. Eine besonders zugespitzte Anforderung an die rechtskonstruktive Leistungsfähigkeit der Rechtsfigur der juristischen Persönlichkeit bedeutet die Sonderform der „Keinmann-GmbH“, s. dazu § 33 Rdnr. 44. dd) „Durchgriff“ durch die juristische Person Die vermögensrechtliche Selbständigkeit der juristischen Person und die Trennung ihrer Rechtssphäre von derjenigen ihrer Gesellschafter ist als normative Erscheinung von bestimmten Voraussetzungen abhängig und wird als Prinzip nicht aufgegeben, wenn die Vorstellung von der Selbständigkeit der juristischen Person nicht in jeder Rechtsfrage gleichermaßen strikt durchgehalten wird. Vielmehr gibt es Konstellationen, in denen Rechtssprechung und Wissenschaft Rechte und Pflichten, die sich zunächst allein auf die Gesellschaftssphäre beziehen, auch mit einem Bezug zum Privatvermögen der Gesellschafter versehen. Beispiele können etwa sein die Prüfung eines möglichen gutgläubigen Erwerbs eines Grundstücks von der nur buchberechtigten Gesellschaft durch einen Gesellschafter, der Geschäftsführer der Gesellschaft ist, oder die Frage der Vernehmung eines Gesellschafters als Zeuge im Prozess der Gesellschaft, ferner – so genannter Haftungsdurchgriff – die persönliche Haftung eines Gesellschafters für Verbindlichkeiten der GmbH, diese wiederum zu unterscheiden von der vielleicht als „Ausgleichshaftung“ zu bezeichnenden Haftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft wegen Verantwortlichkeit für die mangelnde Solvenz6. Die Konstruktionen unterscheiden sich in Voraussetzungen und Rechtsfolgen untereinander so grundlegend, dass ihre Beziehung zu dem Vorstellungsbild des „Durchgriffs“ über ihren genauen rechtlichen Inhalt 1 Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 141 f.; H. P. Westermann, Strukturprobleme, S. 176, 207 ff. 2 Richtlinie 89/667/EWG vom 21. 12. 1989, dazu Gesetz vom 18. 12. 1991 (BGBl. I, 2206); dazu Schimmelpfennig/Hauschka, NJW 1992, 942 ff.; rechtsvergleichend Lutter, in: FS Brandner, 1996, S. 81 ff. 3 S. schon v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 883 ff.; Pisko, GrünhutsZ 37, 699 f. 4 Hierzu eingehend Schröder, Die Einmann-Vorgesellschaft, 1990; Flume, Jur. Person, § 5 IV. 5 Flume, Jur. Person, § 5 IV; Flume, NJW 1981, 1756; Brinkmann, GmbHR 1982, 269. 6 Zu dieser Unterscheidung Zöllner, in: FS Konzen, 2006, S. 999, 1004.

H. P. Westermann

|

47

13

Einleitung

Bedeutung der GmbH

nichts aussagt1. Die Rechtsprechung hat es von jeher abgelehnt, sich auf ein bestimmtes theoretisches Konzept festzulegen, auch nicht für den gerade im GmbH-Recht wichtigen Haftungsdurchgriff auf Gesellschafter2. „Durchgriff“ als Anspruchsgrundlage gibt es somit nicht, sondern nur Voraussetzungen, unter denen die Trennung der Vermögenssphären von juristischer Person und Gesellschaftern eine Falllösung nicht mehr entscheidend zu bestimmen vermag. In der wissenschaftlichen Diskussion ist die Auseinandersetzung um die Vorzugswürdigkeit einer auf objektive Normwidrigkeit oder Ausnutzung der Trennung von juristischer Person und Gesellschafter oder andererseits einer auf subjektiven Missbrauch von Gestaltungsformen abstellenden Sichtweise3 wohl überholt. Es überwiegt heute eine Trennung der – wiederum nur eine Fallgruppe darstellenden – Möglichkeiten, eine ausnahmsweise Haftung des Gesellschafters für Gesellschaftsverbindlichkeiten zu begründen, von der Herausarbeitung normativer Wertungen, denen eine strikte Beachtung der Trennung von juristischer Person und Gesellschaftern zuwiderliefe4. Als begründendes Element spielt hier auch der Gesichtspunkt des Missbrauchs der Haftungsbeschränkung des GmbH-Gesellschafters eine Rolle, dessen Kriterien allein objektiver (Zweck der Normen) oder auch subjektiver Art sein können; manches davon kehrt in der neuerdings von der Rechtsprechung entwickelten sog. Existenzvernichtungshaftung (§ 13 Rdnr. 76 ff., 98 ff.) wieder. In allen diesen Ansätzen steckt die Beobachtung, dass die Rechtsfigur der juristischen Person nur im Rahmen ihrer Funktionsbindungen richtig angewendet werden kann, so dass je nach dem normativen Zusammenhang die Ablösung der juristischen Person von der Sphäre der Gesellschafter stärker oder schwächer betont wird5. Mit dieser als Normanwendungslehre bezeichneten Erkenntnis soll über die Bestimmung des jeweiligen Normzwecks und über das Ausmaß der mit der Normanwendung verträglichen Trennung von juristischer Person und Gesellschaftern eine gewisse Konkretisierung der Betrachtungen erreicht werden. 1 Umfassende Übersicht bei Raiser, in: Ulmer, § 13 Rdnr. 51 ff. Gegen ein einheitliches Rechtsinstitut des Durchgriffs auch Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 285 ff.; Flume, Jur. Person, Bd. I 2, S. 63 ff. Zwischen „echten“ Durchgriffslehren und Zurechnungs-, Auslegungs- und Normzweckmethoden unterscheidet K. Schmidt, GesR, § 9 II 1, 2, der (§ 9 IV 5) Lösungen über eine auch den Gläubigern zugute kommende Binnenhaftung der Gesellschafter bevorzugt. Ähnliche Unterscheidungen schon zum Haftungsdurchgriff bei Th. Raiser, in: FS Lutter, 2002, S. 637, 639 f. 2 RGZ 99, 232, 234; 104, 128; BGHZ 20, 4, 14; 54, 222, 224; 61, 383; 68, 314; 78, 318, 333; BGH, ZIP 1985, 29 f.; BGH, NJW 1988, 255, 257. Zusammenstellung mit praktischen Fällen bei E. Rehbinder, in: Freundesgabe Kübler, 1997, S. 439 ff.; zu den Methodenfragen beim Haftungsdurchgriff Ehricke, AcP 199 (1999), 257 ff.; Boujong, in: FS Odersky, 1996, S. 739 ff.; Zöllner, in: FS Konzen, 2006, S. 999, 1006 ff. 3 Kuhn, Strohmann-Gründung bei Kapitalgesellschaften, 1964; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 405 ff.; Erlinghagen, GmbHR 1962, 561 sprachen sich für eine objektiv-institutionelle Sichtweise aus, während bei Serick, Rechtsform und Realität, S. 2 ff.; Stauder, GmbHR 1968, 70, eher ein subjektiver Ansatz verfolgt wurde. 4 Hierzu näher Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 4 III; Reuter, in: MünchKomm. BGB, vor § 21 Rdnr. 22 ff.; Stimpel, in: FS Goerdeler, 1987, S. 604 ff. 5 Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 525; Coing, NJW 1977, 1793; E. Rehbinder, in: FS R. Fischer, 1979, S. 579 ff.; Schanze, Einmanngesellschaft und Durchgriffshaftung, 1975, S. 27, 102 ff.

48

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

Somit wird die Durchgriffslehre stark von den positiven Wertungen der durch die Haftungsbeschränkung in ihrer Effektivität bedrohten außergesellschaftsrechtlichen Normen geprägt. Z.B. lässt es sich auf die im Zwangsvollstreckungsrecht geltende wirtschaftliche Betrachtungsweise zurückführen, wenn der Einmann-GmbH bei Pfändung gegen ihren Alleingesellschafter die Drittwiderspruchsklage wegen eines formal zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstandes versagt wird1, oder wenn gutgläubig lastenfreier Erwerb durch eine Gesellschaft verneint wird, deren einziger Gesellschafter ihr das Grundstück veräußert hat, dessen Belastung zu Unrecht gelöscht worden war2. Hier wird die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs durch „Verkehrsgeschäft“ durch eine Relativierung der Selbständigkeit der juristischen Person beschränkt. Ein Widerspruch hierzu tritt auch nicht auf, wenn man im Übrigen daran festhält, dass zur Vollstreckung in das Vermögen der Einmann-Gesellschaft ein gegen den Gesellschafter gerichteter Titel nicht genügt (§ 1 Rdnr. 47); hierbei handelt es sich um unverzichtbare Ordnungsanforderungen des Vollstreckungsrechts. Allerdings werden gegenüber der Qualifikation derartige Fälle mit einem allgemeinen Institut des „Zurechnungsdurchgriffs“ heute überwiegend Bedenken laut3, während für den eigentlichen Haftungsdurchgriff in Gestalt der Haftung der Gesellschafter für Schulden der rechtlich selbstständigen Gesellschaft verschiedene Fallgruppen anerkannt sind4.

14

Freilich hat die noch immer verhältnismäßig grobe Gruppierung der Durchgriffsfälle für eine hierauf aufbauende Systematik nur geringen Erkenntniswert. Entscheidend bleibt die Interessenabwägung im Einzelfall. Dabei treten jeweils systematisch verschiedene Gesichtspunkte in den Vordergrund: Haftung für zurechenbar verursachten Rechtsschein, Verantwortlichkeit für den Zustand einer durch umfassende Leitungsmaßnahmen nicht mehr ihr Eigeninteresse verfolgenden Gesellschaft; Zurechnung von Eigenschaften und Kenntnissen einer Person zu der von ihr beherrschten Gesellschaft5.

15

Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt das viel diskutierte Problem des Durchgriffs auf den Gesellschafter einer unterkapitalisierten GmbH, so lautet die Ausgangsfrage, ob und unter welchen näheren Voraussetzungen der Einsatz einer Gesellschaft im Wirtschaftsverkehr mit einem von Anfang an oder nach dem Verlauf der Geschäfte zu geringen Kapital dem Zweck einer vertraglichen oder deliktischen Schuld so zuwiderläuft, dass die Beziehung der Verbindlichkeit allein auf die juristische Person zweckwidrig wäre. Dies ist letztlich nicht ohne Stellungnahme zur grundsätzlichen Wertigkeit der Haftungsbeschränkung zu entscheiden, schlägt sich dann aber in konkreten Haftungstatbeständen wie

16

1 2 3 4

OLG Hamm, GmbHR 1978, 13. RGZ 119, 126 und zum Problem E. Rehbinder, in: Freundesgabe Kübler, S. 508. Ehricke, AcP 199 (1999), 257; Raiser, in: Ulmer, § 13 Rdnr. 69, 83 ff. Eingehend Stimpel, in: FS Goerdeler, 1987, S. 604 ff. Eine Reduzierung des Durchgriffsproblems auf eine Haftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft erwägt Wilhelm, DB 1986, 2113. Stark vertreten ist eine wirtschaftspolitische Begründung für die Durchbrechung der Haftungsbeschränkung, s. etwa Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH I, 2000, S. 82; Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 641 ff. 5 S. etwa BGH, NJW 1990, 1915.

H. P. Westermann

|

49

Einleitung

Bedeutung der GmbH

dem der Konkursverschleppung und Ansprüchen an das Risikomanagement bei Ausschüttungen, Sanierung und Liquidation, also die Befriedigungsinteressen der Gläubiger berührenden Situationen, nieder1. 17

Dabei diskutiert die subjektive Sichtweise einen Haftungsdurchgriff auf die Anteilseigner oder „Hintermänner“ überschuldeter oder zahlungsunfähiger Gesellschaften in typischen Fällen gezielter oder vermeidbar in Kauf genommener Gläubigergefährdung: Betrieb einer von vornherein unterkapitalisierten Gesellschaft, Entzug von Gesellschaftsvermögen zu Gunsten des Gesellschafters und Vermögensvermischung2, Benutzung maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung zu eigenen unternehmerischen Zwecken3. Dahinter steht z.T. die Vorstellung von Pflichten der Gesellschafter im Zusammenhang mit der finanziellen Ausstattung einer am Wirtschaftsverkehr teilnehmenden Gesellschaft und der Organisation ihrer vermögensmäßigen Kontakte zu anderen. Die Annahme, eine schuldhafte Verletzung derartiger Pflichten könne außerhalb der Voraussetzungen des § 826 BGB zu einer direkten Haftung des Gesellschafters gegenüber Gesellschaftsgläubigern führen, ist angesichts der grundsätzlichen Haftungsbeschränkung, der strengen Regelung über Kapitalaufbringung und -erhaltung sowie der Forderung eines begrenzten und betragsmäßig zu verlautbarenden Mindestkapitals abzulehnen. Wohl aber kann es Tatbestände geben, durch deren Verwirklichung die im Fehlen eines festen Verhältnisses von haftendem und wirtschaftendem Kapital latent enthaltenen Risiken verschärft werden, und die deshalb erhöhte Anforderungen an die für die Finanzierung der Gesellschaft Verantwortlichen stellen mit der möglichen Folge der Haftung für Pflichtverletzung: Fortführung eines unterkapitalisierten Unternehmens mit Krediten oder Fremdmitteln, die nicht zu den marktüblichen Bedingungen (also etwa unter Verschleierung der wahren Tatsachenlage) erlangt worden sind; Säumnis oder Versagen bei der Aufstellung eines realistischen Sanierungskonzepts anstelle des Versuchs einer geordneten Liquidation; Maßnahmen, in der Krise durch Ausschüttungen an die Gesellschafter oder bevorzugte Gläubiger das eigene „Schäfchen ins Trockene zu bringen“4. Wiederum ist dabei allerdings die Anwendung etablierter bürgerlich-rechtlicher Anspruchsgrundlagen einer allgemeinen (Verschuldens-)haftung aus dem Gesichtspunkt des Weiterführens eines unterkapitalisierten Unternehmens vorzuziehen.

18

Die Trennung zwischen der GmbH und ihrem Gesellschafter kann sich auch zum Nachteil des letzteren auswirken, wenn nach einer Schädigung des Gesellschaftsvermögens die Interessen des Gesellschafters durch den Schadensersatzanspruch der GmbH nicht befriedigend ausgeglichen werden können. Da der

1 Hierzu die Überlegungen von Roth, ZGR 1993, 170 ff.; zum Begriff der Unterkapitalisierung Ulmer, in: FS Duden, 1977, S. 669; K. Schmidt, ZIP 1990, 78; im Einzelnen Raiser, in: Ulmer, § 13 Rdnr. 153 ff. 2 BGH, NJW-RR 1986, 456; dazu Lutter, ZGR 1982, 251 f.; K. Schmidt, GesR, § 9 IV 2; Raiser, in: Ulmer, § 13 Rdnr. 126 ff.; s. auch die Fallstudie bei H. P. Westermann, AG 1985, 201. 3 K. Müller, ZGR 1977, 26; Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 646; aus der Rechtsprechung BSG, NJW-RR 1997, 94 f.; abl. aber K. Schmidt, GesR, § 9 IV 3. 4 In dieser Richtung Roth, ZGR 1993, 170 ff.

50

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

Gesellschafter den Einsatz einer selbstständigen Rechtsperson zum Betrieb seiner Geschäfte selbst gewollt hat, wird er i.d.R. nicht persönlich als Anspruchsteller oder Bezugsperson für die Schadensberechnung auftreten können1. Dennoch kann es Konstellationen eines „gesellschafterfreundlichen Durchgriffs“ geben, indem dem Alleingesellschafter gestattet wird, wegen der Schädigung des Gesellschaftervermögens einen eigenen Schadensersatzanspruch zu erheben. Dies ist geschehen mit speziell schadensrechtlichen Erwägungen wie der, dass ein durch Unfall arbeitsunfähig gewordener Alleingesellschafter einen Schadensersatzanspruch in Höhe des weitergezahlten Geschäftsführergehalts geltend machen und dadurch verhindern könne, dass den Schädiger das Auseinanderklaffen von natürlicher und juristischer Person entlastet2. Die Rechtsprechung ist aber weitergegangen und nimmt dem Kläger das Risiko eines Scheiterns der fälschlich im eigenen Namen erhobenen Schadensersatzklage auch dann ab, wenn der Schaden im Gesellschaftsvermögen als einem in besonderer Form verwalteten Teil des Gesellschaftervermögens aufgetreten ist3. Dies stimmt allerdings kaum mit den recht vorsichtigen Erwägungen zum Haftungsdurchgriff gegen den Gesellschafter überein. Vertreten wird aber auch, dass eine Schädigung der Gesellschaft zugleich das im Gesellschaftsanteil verkörperte Vermögen des Gesellschafters beeinträchtige, so dass ihm ein eigener Ersatzanspruch zustehe4. Auch hier wie in den Lösungen über den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte und die Drittschadensliquidation5 wird ein allgemein-zivilrechtliches Institut für die Bewältigung der aus rechtstechnischen Gründen für notwendig gehaltenen Verselbständigung der juristischen Person von den Personen und dem Vermögen ihrer Träger nutzbar gemacht. Jedenfalls wird ein undifferenzierter gesellschaftsfreundlicher Durchgriff daher überwiegend und mit Recht abgelehnt6. c) Die Drittorganschaft Das Element der Drittorganschaft wurde im früheren wissenschaftlichen Schrifttum bisweilen als das entscheidende Charakteristikum der körperschaftlichen Verfassung und damit des gesetzlichen Normalstatuts der GmbH angesehen7. In der Tat zeigt die mögliche Besetzung der Geschäftsführerstellung mit einem Nicht-Gesellschafter die Verselbständigung der Verbandsorganisation 1 K. Schmidt, GmbHR 1974, 179; Kowalski, Der Ersatz von Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, 1990, S. 32 ff. 2 BGH, GmbHR 1962, 134; BGH, GmbHR 1971, 137 = JR 1971, 329 m. Anm. Schwerdtner. 3 BGHZ 61, 380 und Bauschke, BB 1974, 429; noch weiter gehend BGH, NJW 1977, 1283, wo wegen Verletzung des Gesellschafters der Gesellschaft ein Anspruch zugebilligt wurde. 4 Lieb, in: FS R. Fischer, 1979, S. 385 ff.; Flume, Jur. Person, § 2 III; Analyse der Rechtsprechung hierzu bei Müller, in: FS Kellermann, 1991, S. 317 ff.; näher auch Raiser, in: Ulmer, § 13 Rdnr. 60 f. 5 S. etwa K. Schmidt, GmbHR 1974, 179; zur Drittschadensliquidation Mann, NJW 1974, 492; Hüffer, NJW 1977, 1285; Raiser, in: Ulmer, § 13 Rdnr. 62. 6 Zu den vorigen noch Reinelt, BB 1974, 1145; Frank, NJW 1974, 2313. 7 Feine, S. 39 ff.; so auch jetzt Ulmer, Einl. A Rdnr. 20; zum Organbegriff im Gesellschaftsrecht H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, S. 159 ff.

H. P. Westermann

|

51

19

Einleitung

Bedeutung der GmbH

von der Person und der Leistungsfähigkeit der Gesellschafter. Gleichzeitig sind die Mitglieder von der grundsätzlichen Mitarbeitspflicht entbunden. Sie bleiben allerdings über ihre Mitwirkung in der Gesellschafterversammlung, die wegen ihrer übergreifenden Zuständigkeit oberstes Organ ihrer Gesellschaft ist, tragende Kräfte der Gesellschaft (s. auch oben Rdnr. 4), die somit wie die Personengesellschaften letztlich doch in Selbstverantwortung geleitet wird, mag es auch eine Pflicht zur Mitwirkung an der Willensbildung nicht geben. Die Zulässigkeit der Fremdorganschaft hat das allgemeine gesellschaftsrechtliche Problem der Wahrung der „Verbandssouveränität“1 gegenüber dem Einfluss von Aufsichts-, Kontroll- und Schlichtungsgremien aus „nicht-gesellschaftsangehörigen Personen“ zwar abgeschwächt, lässt es aber nicht ganz entfallen, so dass in der Praxis der Auslegung und Ausgestaltung der Gesellschaftsverträge oft zweifelhaft ist, inwieweit die Gesellschafterversammlung zu Gunsten eines Aufsichtsrats oder Beirats auf Kompetenzen verzichten kann und will2; Vorbehalte aus diesem Gesichtspunkt treffen auch Stimmbindungen gegenüber Dritten, Stimmrechtsvollmachten und -beschränkungen. Allerdings können die zur Personengesellschaft geltenden Vorbehalte gegen eine Drittorganschaft nicht hierher übertragen werden. Unabhängig hiervon wird rechtstatsächlich ein großer Teil der mittelständischen Unternehmen, die sich der Rechtsform der GmbH bedienen, von einem oder mehreren Gesellschafter/Geschäftsführern geleitet (Rdnr. 34, 39). Schließlich bedarf es in der GmbH kraft des Prinzips der Drittorganschaft stets eines besonderen Bestellungsakts für das Organ, und zwar auch dann, wenn ein einzelner Gesellschafter ein Sonderrecht auf Tätigkeit in der Geschäftsführung oder – wie häufig – ein Gesellschafterstamm ein Präsentationsrecht3 hat. 20

Im Bereich der Geschäftsführung hat sich im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer, und zwar sowohl dem zum Gesellschafterkreis gehörigen als auch dem Fremdgeschäftsführer, in den letzten Jahren eine Entwicklung ergeben, die auf bestimmte Interessenkonflikte in Bezug auf die Art der Geschäftsführung4, aber auch auf das „außerdienstliche“ geschäftliche Verhalten des Geschäftsführers reagiert. Im letzteren Punkt hat die Rechtsprechung verschiedentlich eine Treubindung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft herausgearbeitet, die ihm verbietet, im Geschäftsbereich der Gesellschaft eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Im Ansatz lässt sich 1 Ausdruck von Wiedemann, in: FS Schilling, 1973, S. 105 ff.; s. auch Priester, in: FS Werner, 1984, S. 105, 111 ff.; differenzierend Reuter, in: FS Steindorff, 1990, S. 229, 236 f. 2 Näher Beuthien/Gätsch, ZHR 155 (1993), 483 ff.; Fleck, ZHR 149 (1985), 387 ff.; Reuter, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 631 ff.; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1990; Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss im Gesellschaftsrecht, 2000, S. 48 ff., 302 ff. 3 Zur satzungsmäßigen Begründung eines Bestellungsrechts BGH, WM 1973, 1295; OLG Hamm, ZIP 1986, 1188 m. Anm. Lutter; BGH, WM 1989, 250 m. Anm. H. P. Westermann, WuB II C, § 46 GmbHG 1/89; zur Bedeutung von Familienstämmen im Gesellschaftsrecht Sigle, in: Liber amicorum Happ, 2006, S. 295 ff. 4 Hierzu besonders Gieseke, GmbHR 1996, 486 ff. mit der Forderung nach einer Begrenzung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter in besonders wichtigen oder gefahrenträchtigen Geschäftsführungsangelegenheiten.

52

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

darauf auch der Vorwurf eines Wettbewerbsverstoßes stützen1. Die Rechtsprechung ist freilich nicht unproblematisch, da neben der Verletzung der Vertragspflichten durch den Geschäftsführer auch der Gesichtspunkt der angemaßten Eigengeschäftsführung zu bedenken ist2. Auf dieser Linie liegt es auch, dass der Geschäftsführer, der letztlich im Range hinter der Gesellschafterversammlung steht, eine langjährig gehandhabte Geschäftspolitik nicht ohne die Zustimmung der Gesellschafterversammlung ändern und sich dabei insbesondere nicht mit der Zustimmung des Mehrheitsgesellschafters begnügen darf3, so wenig wie er andererseits den Gesellschaftern oder auch nur dem Alleingesellschafter Informationen vorenthalten darf4. d) Das Mehrheitsprinzip Wichtig, insbesondere als Leitlinie für die Auslegung von Gesellschaftsverträgen, ist das für die Willensbildung innerhalb der Gesellschaft grundsätzlich geltende Mehrheitsprinzip, wobei nach § 47 Abs. 2 die Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf Kapitalgrundlage ermittelt wird. Angesichts der rechtstatsächlichen Entwicklung des Rechts der Personengesellschaften kann dieses Prinzip heute freilich nicht mehr als ausgesprochen kapitalgesellschaftsrechtliches bezeichnet werden, sondern erweist sich als passend und notwendig für alle Gruppen, die langfristig und möglicherweise über die Lebensdauer bestimmter Personen hinaus zusammenbleiben sollen. In der Praxis begegnet auch die Aufteilung der Geschäftsanteile im prozentualen Verhältnis 51 : 49 so häufig, dass daraus Rückschlüsse auf das Bewusstsein vom Wert der Entscheidungsbefugnis gezogen werden können, die mit einer auch noch so knappen Mehrheit verbunden ist. Das hängt auch damit zusammen, dass das Gesetz qualifizierte Mehrheiten nur in §§ 53, 60 Abs. 1 Nr. 2 vorschreibt; zur Frage, inwieweit mit Rücksicht auf die Bedeutung eines Beschlussgegenstandes auch ohne Satzungsvorschrift eine Dreiviertelmehrheit erforderlich ist, s. § 47. Die Möglichkeit mehrheitlicher Entscheidung betrifft grundsätzlich auch Beschlüsse mit weit tragenden Folgen wie die Auflösung der Gesellschaft, ohne Rücksicht darauf, dass in der Abwicklung ein die Auflösung betreibender Gesellschafter eher als andere in der Lage sein mag, das Gesellschaftsvermögen eigenen Zwecken zuzuführen. Doch bildet die gesellschaftliche Treupflicht eine allgemeine Grenze der Freiheit der Stimmrechtsausübung, die auch im Kapitalgesellschaftsrecht wirksam ist (s. näher schon Rdnr. 11).

1 BGHZ 49, 30 f.; 80, 69, 76; BGH, GmbHR 1986, 42; BGH, WM 1989, 1335, 1338; BGH, ZIP 1997, 1063; zur Kündigung aus diesem Grund BGH, DB 1995, 970; zur auch hier geltenden so genannten „Geschäftschancenlehre“ Timm, GmbHR 1981, 177 ff.; Schießl, GmbHR 1988, 53 ff.; Kübler, in: FS Werner, 1984, S. 437. Zum Wettbewerbsverbot des GmbHGeschäftsführers Tillmann, GmbHR 1981, 26 ff.; Weisser, GmbHR 1997, 429. Zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten Hoffmann-Becking, in: FS Quack, 1991, S. 273. 2 Dazu in Auseinandersetzung mit dem Urteil BGH, WM 1989, 1335 näher Fleck, ZIP 1991, 1269 ff. 3 BGH, GmbHR 1991, 197; das Urteil hält allerdings ein solches Verhalten des Geschäftsführers nicht ohne weiteres für einen Kündigungsgrund, hierzu krit. Kort, ZIP 1991, 1274 ff. 4 OLG Frankfurt, DB 1993, 2324; OLG München, DB 1994, 828.

H. P. Westermann

|

53

21

Einleitung 22

Bedeutung der GmbH

Aus § 53 Abs. 2 ergibt sich auch die Möglichkeit satzungsändernder Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Dieses Element hebt die normal-typische GmbH vom Vorstellungsbild der engen Arbeitsgemeinschaft einer kleinen Gesellschaftergruppe ab. Abgesehen von den allgemeinen Grenzen der Mehrheitsherrschaft (Rdnr. 77 ff.) wird erwogen, an eine mehrheitliche Satzungsänderung in grundlegenden Fragen ein Austrittsrecht der überstimmten Gesellschafter zu knüpfen, wenn die Geschäftsanteile nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter veräußerlich sind. Dies wird aber allenfalls bei beständiger Majorisierung eines Gesellschafters in Betracht kommen, wenn diese den Rang eines „wichtigen Grundes“ annimmt, wofür die bloße Vinkulierung aber nicht ausreicht1; im Übrigen darf auch kein anderes Mittel zur Verfügung stehen, um die Lage des Minderheitsgesellschafters zu verbessern2. Z.T. wird sogar an ein ordentliches, nicht von einem wichtigen Grund abhängiges Austrittsrecht gedacht3. Das Gesetz sieht eine solche Möglichkeit jedenfalls nicht vor, sie passt auch nicht zu der Bindung der eingelegten Mittel im Gesellschaftsvermögen. e) Die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals

23

Die Mitgliedschaft in der GmbH ist vom Gesetz zunächst auf der Kapitalbeteiligung, die Gründung der Gesellschaft demnach auf der Aufbringung des Stammkapitals aufgebaut worden. Das entspricht kapitalgesellschaftsrechtlichem Denken4. Andererseits verbietet § 5 Abs. 2 die Übernahme mehrerer Geschäftsanteile durch eine Person, und § 17 wirkt zumindest der Aufteilung eines Anteils unter neu hinzutretende Personen entgegen. Daher begründet im Gegensatz zur AG die GmbH keine versachlichten Mitgliedschaftsverhältnisse, sondern schließt in erster Linie Personen zu einem Verband zusammen. Derselbe Gedanke kommt in der gesamtschuldnerischen Haftung für die Aufbringung des Stammkapitals (§ 24) zum Ausdruck.

24

Insgesamt zeigt sich hier die Stellung der GmbH zwischen Kapital- und Personengesellschaft5. Zugleich steht die individualistische Aufbringung des Stamm-

1 OLG Hamm, GmbHR 1993, 656 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 60 Rdnr. 103. 2 BGHZ 109, 157, 162 f.; OLG Karlsruhe, BB 1984, 2015, 2016; zum Ganzen Goette, DStR 2001, 533, 540 f. 3 Reuter, Perpetuierung, S. 125 ff.; Immenga, S. 77 ff.; s. auch Wiedemann, NJW 1964, 282 in Bezug auf die nachträgliche Vinkulierung von Anteilen; noch weiter gehend Reuter, GmbHR 1977, 77 ff.; bei Nebenleistungsgesellschaften ebenso Wiedemann, Übertragung und Vererbung, S. 91; Vollmer, DB 1983, 95 f.; allgem. krit. aus rechtstatsächlicher Sicht Limbach, Theorie und Wirklichkeit, S. 75 ff.; ferner Schwerdtner, GmbHR 1976, 101; Ulmer, in: Hachenburg, Anh. § 34 Rdnr. 46. Gegen eine Subsidiarität des Austrittsrechts gegenüber der Anteilsveräußerung Röhricht, in: FS Kellermann, 1991, S. 361, 374 ff. 4 Grundlegend dazu Ballerstedt, GmbHR 1967, 66 f.; zum Verhältnis zwischen GmbH und AG in diesem Bereich Hommelhoff, in: Roth (Hrsg.), Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 34 f. 5 Gegen die u.a. von Happ (ZHR 169 [2005] 6, 11 f.) vorgeschlagene Streichung des in § 5 Abs. 2 niedergelegten Prinzips der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft Ulmer, in: Liber amicorum Happ, 2006, S. 325, 331 ff., da es sich hierbei um einen „Eckpfeiler“ der Unterscheidung zwischen GmbH und AG handle.

54

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

kapitals und insbesondere die Solidarhaftung jedes Gesellschafters für die Einlagepflichten der anderen (§ 24) einem anonymen Handel in Gesellschaftsanteilen entgegen; zum Problem der Börseneinführung Rdnr. 84. Das Gesetz bemüht sich um effektive Aufbringung des Kapitals bei Gründung und Kapitalerhöhung. Dem dienen das Aufrechnungsverbot für den Gesellschafter (§ 19 Abs. 2 Satz 2) und die der Gesellschaft auferlegte Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit auf liquide und vollwertige Forderungen des Gesellschafters1, zu denen Forderungen aus kapitalersetzenden Darlehen regelmäßig nicht zählen werden2. Dennoch ist – bei Vollwertigkeit – eine Überführung von Darlehen in Haftkapital im Zuge einer Kapitalerhöhung nicht ausgeschlossen3. Am Grundsatz der realen Kapitalaufbringung scheitert die Einlagefähigkeit der Verpflichtung zu eigenen Dienstleistungen4 – charakteristisch anders als in der OHG –, und zumindest das Aufrechnungsverbot verhindert auch eine bei der Gründung von Personengesellschaften zulässige und keineswegs seltene Vereinbarung wie die „Einbringung“ von Arbeitsleistungen an Stelle eines Kapitalbeitrages5. In diesem Bereich hat die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren den Gläubigerschutz gegen bedenkliche Finanzierungspraktiken bedeutend verstärkt. Dies wird überwiegend begrüßt6, bisweilen taucht aber doch die Frage auf, ob nicht die Perfektion des Gläubigerschutzes mit zahlreichen als durchaus drakonisch empfundenen Ergebnissen zu weit geht7. So bei Doppelzahlung von Einlagen8, bei mehrfacher Erstattung eines ausgekehrten Betrages bei verbundenen Gesellschaften9, bei Kumulation von Gründungsprüfung und Differenzhaftung – obwohl diese richterrechtliche Lösung in die Gesetzesnovelle von 1980 eingegangen ist10, bei der „Mantelverwendung“, der Einzahlung einer Einlage auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft11, schließlich bei dem wahren Kosmos sich selbst fortzeugender und kaum noch gesetzgebundener Regelwerke der kapitalersetzenden Finanzierungsmittel12. 1 BGHZ 15, 53. 2 Näher H. P. Westermann, in: FS Oppenhoff, 1985, S. 535 ff. 3 Ulmer, § 5 Rdnr. 56 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 28; s. auch hier § 5 Rdnr. 47, 48. 4 Im Einzelnen § 5 Rdnr. 49. 5 BGH, GmbHR 1978, 268; zur steuerrechtlichen Behandlung BFH, ZIP 1998, 471. 6 S. hier nur Ulmer, Richterrechtliche Entwicklungen im Gesellschaftsrecht 1973–1985, 1986, S. 9 ff. 7 S. etwa Meilicke, GmbHR 2003, 1271, 1273; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 f.; H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849 ff. 8 Von „ganz und gar katastrophalen“ Rechtsfolgen für den Gesellschafter, der eine „verdeckte Sacheinlage“ erbracht hat, spricht Lutter, in: FS Stiefel, 1987, S. 505, 517; s. zuletzt Heidenhain, GmbHR 2006, 455. Es könnte sich dabei, wie auch Röhricht, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, S. 191, 194 gemeint hat, um eine Überregulierung handeln. 9 BGH, GmbHR 1990, 552 m. Anm. H. P. Westermann, WuB II C § 30 GmbHG 1/91; s. auch KurzKomm. Müller, EWiR § 31 GmbHG 2/90. 10 Zu den Bedenken gegen die Kumulation von Gründungsprüfung und Haftung H. P. Westermann, Gläubigerschutz, 1971, S. 23 ff. 11 Dazu BGH, JZ 2004, 684 mit Anm. Ulmer. 12 Übersicht über das Erreichte bei v. Gerkan/Hommelhoff (Hrsg.), Handbuch des Kapitalersatzrechts, 2. Aufl. 2002; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 38; neuerdings ist

H. P. Westermann

|

55

25

Einleitung 26

Bedeutung der GmbH

Im Fragenkreis um die „verdeckte Sacheinlage“, speziell bei den Überlegungen und Entscheidungen zur Heilung dabei aufgetretener Mängel sowie bei der Anwendung der hier rechtsfortbildend gefundenen Regeln auf das vorwiegend aus steuerrechtlichen Gründen praktizierte, wenn auch heute überholte, „Schüttaus-Hol-Zurück-Verfahren“, wird neuerdings ebenfalls erwogen, ob die wirtschaftlich notwendige Flexibilität in der Finanzierung besonders mittelständischer Unternehmen nicht die eine oder andere Relativierung allzu starr wirkender Gläubigerschutzregeln zulässt oder gar erfordert (näher dazu Rdnr. 27). Dabei wird durchaus nicht übersehen, dass die gesetzlichen Bestimmungen über effektive Kapitalaufbringung und -erhaltung in Konkretisierung des kapitalistischen Grundcharakters der GmbH ein Gegengewicht gegen die im Haftungsprivileg der Gesellschafter liegende Gefährdung der Verkehrsinteressen bilden. Der größte Teil der erwähnten Rechtsfortbildungen war vor diesem Hintergrund dazu bestimmt, die Unzulänglichkeit der gesetzlichen Instrumente im Interesse einer Verbesserung des Gläubigerschutzes gegen Kapitalschwäche und Vortäuschung nicht bestehender Finanzkraft zu bekämpfen und effektive Instrumente zur Erreichung dieser Ziele zu entwickeln. Einige Probleme wie das bis zur Novellierung vom Jahre 1980 viel zu niedrige Stammkapital (§ 5 a.F.), das demnächst möglicherweise wieder gesenkt wird (s. dazu Rdnr. 179 ff.), und die geringe Mindesteinzahlung bei Registereintragung (§ 7 Abs. 2 a.F.) konnten offensichtlich nicht durch Richterspruch gelöst werden; eine vorsorgende Kontrolle zur Legitimität des Haftungsprivilegs der Gesellschafter würden auch höhere Beträge unter heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht gestatten. Die regelmäßig sofortige Investition der Mittel und die bekannt niedrigen Liquidationserlöse, ganz zu schweigen vom Verhältnis zwischen Höhe des Stammkapitals und regelmäßigem Ausfall in Insolvenzen, erwecken Zweifel, ob die noch weitgehend anerkannte Funktion des Kapitals als Garantieziffer1 praktisch noch aufrechterhalten werden kann2. Das bedeutet freilich nicht, dass es sich erübrigte, das gesetzliche Regelwerk der Kapitalaufbringung gegen Umgehung zu sichern. Auch besteht nach wie vor das Problem des Schutzes gegen materielle Unterkapitalisierung, das im Wesentlichen mit den Mitteln der allgemeinen Rechtsordnung angegangen werden muss (s. dazu Rdnr. 16). Die weitere Frage, ob nicht doch eine Pflicht des Gesellschafters zur Ausstattung mit angemessenem haftenden Kapital besteht, stellt sich hier nicht, sondern – wenn auch bisher selten offen angesprochen3 – bei den richterrechtlichen Instrumenten, die zur Verstärkung der Kapitalerhaltung geschaffen worden sind. aber auch Kritik aufgekommen (Grunewald, GmbHR 1997, 7 ff.; Claussen, in: FS Forster, 1992, S. 141 ff.; Koppensteiner, AG 1998, 308; T. Bezzenberger, in: FS G. Bezzenberger, 2000, S. 23 ff.; Fastrich, in: FS Zöllner, 1998, S. 143 ff.), die sich teilweise in einer gesetzlichen „Rechtsrückbildung“ niedergeschlagen hat, dazu H. P. Westermann, in: FS Zöllner, 1998, S. 607 ff. 1 Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung, S. 91; Lutter, Sicherung der Kapitalaufbringung, S. 50. 2 Krit. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2004, 433 ff.; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189 f.; schon früher H. P. Westermann, Gläubigerschutz, S. 18 f. 3 Dazu Häuselmann/Rümker/H. P. Westermann, Die Finanzierung der GmbH durch ihre Gesellschafter, 1992, S. 9 ff.

56

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

Das in den §§ 30–32, 33 Abs. 1, 34 Abs. 3 niedergelegte System der Erhaltung des Stammkapitals wurde rühmend als „einfach aber wirksam“ bezeichnet1. Dabei ist „Erhaltung“ des Kapitals nicht als Reservierung für die Gläubiger zu verstehen, sondern als Zwang zur ausschließlichen Verwendung für Gesellschaftszwecke, so dass sich nur ein mittelbarer Gläubigerschutzeffekt durch Stärkung des ihnen haftenden Gesellschaftsvermögens ergibt. Zur Regelung der §§ 30, 31 passt die Sperrwirkung des Einsatzes des Stammkapitals als PassivPosten in der Bilanz, die zeigt, dass die GmbH-rechtliche Vermögensbindung nicht bei den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens ansetzt, sondern zu laufenden Prüfungen zwingt, ob durch Auskehrung von Vermögensgegenständen an Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen unter einen zur Unterbilanz führenden Wert sinkt (näher § 30, dort Rdnr. 15 ff. auch zu der Abkehr der Interpretation des § 30 von einem „bilanziellen Denken“ und der damit erstrebten Verstärkung der Kapitalbindung). Strengem kapitalgesellschaftsrechtlichen Denken entspräche die darüber hinausgehende Bindung des gesamten Eigenkapitals der Gesellschaft für ihre Zwecke mit der Beschränkung des Zugriffs der Gesellschafter auf den festgestellten Bilanzgewinn, wie es trotz der ebenfalls auf „Einlagen“ bezugnehmenden Vorschrift des § 57 AktG das Aktienrecht vorsieht, dazu näher § 30 Rdnr. 7. Wenn das GmbH-Recht nur das zur Deckung der festen Stammkapitalziffer notwendige Vermögen bindet, so kommt hierin wiederum zum Ausdruck, dass abgesehen von einer möglichst effektiven Einlageverpflichtung, die bei verbotenen Auszahlungen praktisch wieder auflebt2, die Gesellschafter in der Bestimmung, im Einsatz und im Abziehen wirtschaftenden Kapitals grundsätzlich frei sein sollen. Eine andere Frage ist, ob der Gesellschafter in jeder Situation, auch in der Krise der Gesellschaft, frei bleiben kann, zu bestimmen, ob er der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Mittel außer als Eigenkapital auch als formelle Fremdmittel gewähren darf. Dies ist einer der Leitgedanken des Rechts der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, in dessen Rahmen bisher daran festgehalten wird, dass der Gesellschafter niemals gehindert sei, sich für eine Liquidation (oder die Insolvenz) der in eine Krise geratenen Gesellschaft statt für ihre Fortsetzung mit neuen Finanzmitteln zu entscheiden. Das läuft am Ende darauf hinaus, dass die Gesellschaft in der Krise nicht mit Fremdmitteln statt mit dem von ordentlichen Kaufleuten für nötig gehaltenen Eigenkapital fortgesetzt werden darf. Die kapitalmäßige Flexibilität der GmbH ist unter diesen Umständen als eingeschränkt anzusehen. Das wird bedeutend verstärkt, wenn die Auskehrung von GmbH-Vermögen an Gesellschafter mit der „neuen“ Figur der Existenzvernichtungshaftung (§ 13 Rdnr. 98 ff.) zur Schadensersatzpflicht führt und zunehmend mit Strafsanktionen belegt werden sollte3, wobei die Rechtsprechung vorläufig den Gesellschaf1 Ballerstedt, GmbHR 1967, 66, 67; s. auch die auf die Einrichtung des Stammkapitals bezogenen Bemerkungen von Wiedemann, GesR I, § 10 IV 1b; skeptisch neuerdings Mülbert, Der Konzern 2004, 151; Schön, Der Konzern 2004, 62, 164. 2 Lutter, Kapital, S. 381. 3 Zu den strafrechtlichen Folgen (BGHSt 34, 379, 385; BGH, NJW 1989, 112) zuletzt im Fall „Bremer Vulkan“ (BGH, NZG 2004, 717). Zur Untreue zu Lasten einer Vor-GmbH Schäfer, GmbHR 1999, 717, dort auch zur Verantwortlichkeit für Gründungsschwindel und Verdeckung von Sacheinlagen. Kritisch, besonders zur Ausdehnung des Tatbestandes der Untreue bei einverständlichem Handeln der Gesellschafter (so BGHSt 34, 379,

H. P. Westermann

|

57

27

Einleitung

Bedeutung der GmbH

tern zu gestatten scheint, ihre Haftung auf die der Gesellschaft durch den Eingriff entstandenen Schäden zu beschränken1. f) Die Problematik der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter 28

Die Aufbringung des Kapitals durch einen Kreis untereinander bekannter Gesellschafter, die ihre Anteile auch nicht am Kapitalmarkt handeln sollen, gibt faktisch die Möglichkeit, im Innenverhältnis die Organisation der Geschäftsführung, bis zu einem gewissen Grade auch die Finanzierung des Unternehmens, weitgehend der privatautonomen Entscheidung der Gesellschafter zu überlassen. Dies ist zwar nicht zwingendes Prinzip für die Regelung personalistischer Verbände2 und gilt auch nicht für das Außenverhältnis und die Gestaltung der Kapitalverhältnisse, ist aber doch regelmäßig sachgerecht. Bekanntlich hat die Vertragspraxis in Ausnutzung dieser Freiheit die GmbH, anders als es die Gesetzesverfasser vorsahen, in einer großen Zahl der Fälle als personalistischen Verband ausgestaltet, und die Freiheit hierzu wird als einer der großen Vorzüge der GmbH gewertet3.

29

Das bedeutet in der Praxis nun Folgendes: Die Unternehmensleiter werden regelmäßig aus dem Gesellschafterkreis gewonnen und finden dann ihren hauptsächlichen Lebensunterhalt in dieser Tätigkeit, sie unterliegen aber der Bestimmung durch die Gesellschafter im Rahmen der weit gespannten Kompetenzen der Gesellschafterversammlung. Häufig muss zur Finanzierung der Gesellschaft mit Fremdkapital der persönliche Kredit Einzelner oder aller Gesellschafter in Gestalt von Bürgschaften herhalten, was zum Problem des Kapitalersatzes geführt hat. Die Gewinne werden nicht sämtlich ausgeschüttet, sondern teilweise zur Rücklagenbildung benutzt, was um so leichter fällt, als die hauptberuflich in der Geschäftsführung tätigen Gesellschafter einen manchmal beträchtlichen Teil ihres Lebensbedarfs in Gestalt von Geschäftsführergehältern beziehen, die die Gesellschaft im Rahmen des steuerlich Zulässigen gewinnmindernd absetzt. Ähnlich wie im Personengesellschaftsrecht wird gewöhnlich die Anteilsvererbung so geregelt, dass der Kreis der in Betracht kommenden Gesellschafter/Nachfolger überschaubar oder von vornherein festgelegt ist, wobei – anders als in der Personengesellschaft – § 18 die Nachfolge durch eine Erbengemeinschaft ermöglicht. Da die Gesellschaft, wenn entsprechende Vertragsbestimmungen fehlen, nicht ordentlich kündbar ist, entsteht so eine langfristige Bindung der Gesellschafter, die nur bei Bestehen eines Vertrauensverhältnisses tragbar ist, weil bezüglich der Willensbildung in Geschäftsführungs- und sogar in Satzungsfragen das Mehrheitsprinzip herrscht. Bei streng 384, BGHSt 35, 333, 335); Ulmer, in: FS Pfeiffer, 1988, S. 853 ff.; Zöllner, JZ 1992, 381, 384. 1 BGH, ZIP 2005, 117 f.; zust. Altmeppen, ZIP 2005, 119 f.; anders Ulmer, JZ 2002, 1049 ff.; Wilhelm, NJW 2003, 175 ff.; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 412. 2 Wiedemann, JZ 1970, 593, 594. 3 Roth, in: Roth (Hrsg.), Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 1, 11 f.; Schippel, GmbHR 1992, 414, 415 ff.; zum Folgenden Limbach, Theorie und Wirklichkeit, S. 41 ff.; Limbach, GmbH-Reform, S. 16 ff.; Ulmer, Einl. A Rdnr. 21; differenzierend aber Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 85 ff.

58

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

personalistisch strukturierten Gesellschaften hängen daher grundlegende Entschlüsse von qualifizierten Mehrheiten, wenn nicht vom einstimmigen Beschluss aller Partner ab. Aufsichts- oder Kontrollgremien, die das Gesellschaftsrecht nicht vorschreibt, sind nicht sehr verbreitet und dienen, wenn sie eingesetzt werden, eher der Beratung sowie der Streitschlichtung in Gesellschaften mit etwa gleich starken Gesellschafterstämmen als der Unterstützung der Geschäftsführung1. Die Gestaltungsfreiheit der GmbH-Gesellschafter verhindert nicht, dass auch eine gewisse Inhaltskontrolle stattfinden kann. Abgesehen davon, dass trotz des § 310 Abs. 4 BGB die Gesellschaftsverträge so genannter Publikumspersonengesellschaften für eine Vielzahl von Anlegern „vorformuliert“ und nicht durchweg von der Vorstellung getragen waren, Chancen und Risiken der Kapitalgeber angemessen zu verteilen2, sind diese Gedanken auf die normaltypische GmbH nicht übertragbar und können als Legitimation einer Angemessenheitskontrolle nicht dienen. Dennoch haben sich – z.T. einfach in Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln wie § 138 BGB – Schranken der Vertragsfreiheit herausgebildet, z.B. im Zusammenhang mit der Einziehung von Geschäftsanteilen und der Abfindung des hierdurch ausscheidenden Gesellschafters, näher § 34 Rdnr. 26 ff. Auch kann aus dem Umstand, dass die rechtliche Regelung die Interessensphären jetzt noch nicht bekannter Partner in einer weiten und ungewissen Zukunft betrifft, ein besonderes Bedürfnis nach einer ergänzenden und reduzierenden Auslegung entstehen, das auch eine Kontrolle der Ausübung der aus Vertragsklauseln u.U. folgenden Gestaltungsmacht einzelner Gesellschafter oder der Mehrheit erfordern kann, so etwa im Hinblick auf vertraglich festgelegte Thesaurierungspflichten. Dabei muss es nicht nur um Rechte des einzelnen gehen; vertraglicher Gestaltung zugänglich ist auch die Organisation des Gesellschaftslebens als solchen. Wenn z.B. im Gegensatz zur Personengesellschaft der Einfluss des einzelnen GmbH-Gesellschafters auf die Geschäftsführung nur über die Gesellschafterversammlung geltend zu machen ist, wenn er nicht selber Geschäftsführer ist, so kann es geboten sein, den Einfluss der Gesellschafter auf die Unternehmensleitung auf Kosten des Geschäftsführers zu erweitern3. Andererseits wird der Gesellschafter/Geschäftsführer mit einer vom Mehrheitswillen in der Gesellschafterversammlung abhängigen Position häufig nicht vorlieb nehmen und eine nur aus wichtigem Grund kündbare 1 Näher Sigle, NZG 1989, 619 ff.; Vollmer, WiB 1995, 578 ff.; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1990. 2 Zur Angemessenheitskontrolle im Gesellschaftsrecht grundlegend Wiedemann, in: FS H. Westermann, 1974, S. 585 ff.; Wiedemann, in: Festgabe Kummer, 1980, S. 172 ff.; Martens, DB 1973, 413, 419; krit. Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 85, 102 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 137 ff. An der grundsätzlichen Unanwendbarkeit der AGB-Inhaltskontrolle auf Gesellschaftsverträge hat auch die EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen nichts geändert – die GmbH-Satzung ist eben kein Verbrauchervertrag (zum Ganzen eingehend Drygala, ZIP 1997, 968 ff.). 3 Zum Problemkreis Immenga, S. 89 ff. Zur streitigen Frage einer Mindestkompetenz des Geschäftsführers Zöllner, ZGR 1977, 325; Gieseke, GmbHR 1996, 486; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 37 Rdnr. 22; zur Rechtslage in der mitbestimmten GmbH zu den Vorigen noch Hommelhoff, ZGR 1978, 127; Wank, GmbHR 1980, 122.

H. P. Westermann

|

59

30

Einleitung

Bedeutung der GmbH

Befugnis anstreben, was gesellschaftsrechtlich nach § 38 Abs. 2 abgesichert werden kann. 31

Insgesamt besteht nach dem aktuellen Stand von Rechtsprechung und Lehre kein Anlass für die Befürchtung, die Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen könne für Willkür missbraucht werden. Die Parallelen zum Personengesellschaftsrecht, die sich etwa auch zeigen, wenn der an sich allgemein für zulässig gehaltene Stimmrechtsausschluss1 für die Inhaber einzelner Geschäftsanteile durch den Vorbehalt von Zustimmungsrechten zu Beschlüssen über grundlegende Beschlussgegenstände eingeschränkt werden soll2, sind für die Binnenordnung der Gesellschaften systemgerecht. Auch der Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes, der für die unverbundene wie für die konzernangehörige Gesellschaft immer noch zunehmend betont wird, kann zur Inhaltskontrolle von Satzungsbestimmungen führen, indem die Mehrheit dazu angehalten werden kann, bei der Ausübung ihrer Rechte die Treupflichtbindung gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern zu beachten. Daraus folgen Einschränkungen der privaten Entscheidungsmacht3, die sich in erster Linie bei einer Beschlusskontrolle auswirken (näher Rdnr. 75). g) Die GmbH als Kaufmann

32

Neben der Flexibilität des Innenverhältnisses, die zur praktischen Verbreitung der GmbH maßgeblich beigetragen hat, steht die Zweckneutralität der Gesellschaftsform, die lediglich durch die selbstverständlichen Anforderungen an die gesetzliche Erlaubtheit eines Gesellschaftszwecks eingeschränkt ist (§ 1 Rdnr. 17). Obwohl hiermit das Betreiben eines Handelsgewerbes nicht der einzige zulässige Zweck ist, sondern unbedenklich auch nichtwirtschaftliche (etwa politische, soziale oder kulturelle) Zwecke verfolgt werden können, fingiert § 13 Abs. 3 die Kaufmannseigenschaft der GmbH als Handelsgesellschaft (§ 13 Rdnr. 33). Daher kann die Gesellschaft außer dem oder den Geschäftsführern kaufmännische Hilfspersonen im Sinne des Handelsrechts einsetzen. Hiervon abgesehen, sind durch die immer noch verhältnismäßig einfache Gründung und wegen des auch sonst zu beobachtenden Fehlens besonderer Formvorschriften (etwa bei der Gesellschafterversammlung) die Rechtsformkosten bei der GmbH im Vergleich zu den anderen Kapitalgesellschaften verhältnismäßig niedrig. Zu den sonstigen Verhältnissen bei unternehmerisch tätigen Gesellschaften passt allerdings die relativ unentwickelte Publizität der Gesellschaftsverhältnisse und vor allem der Beteiligungen bei der GmbH, deren Schwächen von der Praxis oft beklagt werden, nicht4. Das gilt, obwohl die GmbH-Gesellschafter als 1 BGHZ 14, 264, 270; Feine, S. 523; Hüffer, in: Hachenburg, § 47 Rdnr. 56; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rdnr. 24; eingehend Schäfer, GmbHR 1998, 113 ff.; gegen Tendenzen, ein zwingendes Stimmrecht anzunehmen, Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHGesetz, 1992, S. 121 f. 2 Im Einzelnen Fock, in: FS Heinsius, 1991, S. 129 ff.; zum stimmrechtslosen Geschäftsanteil s. im Übrigen Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 36. Zur „Kernbereichslehre“ ausführlich Röttger, Die Kernbereichslehre im Recht der Personenhandelsgesellschaften, 1989. 3 S. auch Ulmer, Einl. A Rdnr. 37. 4 Näher Gustavus, in: FS Quack, 1991, S. 229 ff.

60

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

solche nicht Kaufleute sind, da die Gesellschaft, nicht die Gesellschafter ein Handelsgewerbe betreiben. Die Vor-GmbH ist nicht Kaufmann, es sei denn, ihre Tätigkeit fällt bereits unter § 1 HGB, was nur in Betracht kommt, wenn sie einen kaufmännisch eingerichteten Betrieb benötigt; es entstünde dann eine OHG. Die Kaufmannseigenschaft der GmbH führt zur Anwendung der Vorschriften des HGB über die Rechnungslegung (s. §§ 264 ff. HGB), was auch die Prüfung und Offenlegung betrifft, allerdings mit Erleichterungen für „kleine“ Gesellschaften. Für die GmbH gibt es auch spezielle Vorschriften im Umwandlungsrecht (§§ 46 ff.; 138 ff., 226 ff. UmwG). Schließlich sind die Registrierungspflichten der §§ 13 ff. HGB für Zweigniederlassungen ausländischer GmbH anwendbar. Zur Eintragung von Auslandsgesellschaften ohne Verwaltungssitz im Gründungsstaat s. Rdnr. 117 ff.

33

2. Rechtstatsächliche Funktionen der GmbH Die Statistiken des Stat. Bundesamtes beziehen sich nur z.T. speziell auf die GmbH, soweit sie nämlich schlechthin Unternehmen und Arbeitsstätten zusammenstellen; immerhin gibt es Daten und Zahlen zum Nominalkapital von AG und GmbH. Im Übrigen liegen private und durchweg gut recherchierte Schätzungen vor, denen zu entnehmen ist, dass Anfang 2005 etwa 975 000 GmbH eingetragen waren1. Dabei folgt eine Schwierigkeit auch daraus, dass die absoluten Zahlen der bestehenden GmbH weder das Verhältnis von Neuzugängen (durch Gründung oder Umwandlung) zu Abgängen (durch Liquidation, Insolvenz oder ebenfalls Umwandlung) erkennen lassen2, noch anzeigen, in wie vielen Fällen die GmbH lediglich die Rolle als Komplementärin einer KG einnimmt, ohne eigenständig unternehmerisch tätig zu sein – das beeinflusst namentlich die Höhe des Nominalkapitals. Immerhin ergeben einige eingehende, trotz Beschränkung auf wenige Amtsgerichtsbezirke repräsentative Erhebungen von Kornblum und anderen3 ein deutliches Bild, das um so wertvoller ist, als es Vergleiche zur rechtstatsächlichen Verwendung und Ausgestaltung von OHG und KG sowie andererseits der AG ermöglicht, freilich mit dem Vorbehalt, dass sich bei den Personengesellschaften wegen des Fehlens einer dem § 8 Abs. 1 Nr. 1 entsprechenden Vorschrift der Gesellschaftsvertrag regelmäßig nicht bei 1 Zu den Zahlen bis 1990 Stat. Bundesamt Fachserie 2 Reihe 2.2. sowie Tz. 1.1.2. und 1.1.3.; zum Entfallen genauerer Angaben über die Kapitalgesellschaften Hansen, GmbHR 1997, 204. Über private Erhebungen berichten Kornblum, GmbHR 2003, 1157, 1172; Kornblum, GmbHR 2005, 39, 48; Meyer, GmbHR 2004, 1418 f. 2 Hierzu immerhin Ulmer, Einl. A Rdnr. 69. Die Steigerung gegenüber 1997 ist beachtlich; Hansen (GmbHR 1997, 203) berichtete damals von etwa 770 000 Gesellschaften. Zu den Neueintragungen aufgrund von Erhebungen bei mehreren Handelsregistern besonders Kornblum, GmbHR 2003, 1157, 1168 f. 3 GmbHR 1981, 227; 1985, 7 ff., 42 ff.; Hansen, GmbHR 1996, 327; 1997, 204, 832. Zur wirtschaftlichen Verwendung der GmbH auch bereits Eder, in: Pro GmbH, 1980, S. 57 ff.; Hommelhoff, in: Roth (Hrsg.), Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 31 ff.; Claussen, GmbHR 1993, 73. Für das österreichische Recht s. auch Reich/Rohrwig, Verbreitung und Gesellschaftsstruktur der GmbH in Österreich, in: FS Kastner, S. 317 ff.; zur GmbH & Co. KG in Österreich auch Arnold, GmbHR 1993, 344.

H. P. Westermann

|

61

34

Einleitung

Bedeutung der GmbH

den auswertbaren Registerakten befindet. Dieser Nachteil wird bis zu einem gewissen Grade durch die längerfristigen Beobachtungen von späteren Rechtsformwechseln neu eingetragener Gesellschaften und die Feststellungen zur Existenzdauer der Gesellschaften1 ausgeglichen. Dabei überrascht an sich nicht, dass bei den Personengesellschaften ein relativ bedeutender Teil, jedenfalls erheblich mehr als bei den GmbH, länger als 20 Jahre existiert, doch steht dem eine gewisse Wanderbewegung von Einzelunternehmen und der OHG zur KG und hier besonders zur GmbH & Co. KG gegenüber. Zu beobachten ist weiter ein Trend zur Einmann-Gesellschaft, der von der Einzelunternehmung zur GmbH und zur GmbH & Co. KG führt2; die Zahl der Einmann-Gesellschaften wird inzwischen bereits auf 40% geschätzt3. Dies und der Umstand, dass nach wie vor die meisten GmbH mit dem gesetzlichen Mindeststammkapital ausgestattet sind und hinsichtlich der Gesellschafterzahl die Gesellschaften mit zwei bis fünf Gesellschaftern überwiegen4, lässt trotz aller notwendigen Differenzierungen den Schluss zu, dass nicht nur die absolute Zahl, sondern auch die Vielfalt der wirtschaftlichen Verwendungsformen weiter steigen wird. Nimmt man freilich die nicht seltenen „großen“ GmbH5 und die zahlreichen konzernverbundenen Gesellschaften hinzu, die in Statistiken nicht leicht zu erfassen sind, so verstärkt sich der Eindruck, dass die praktische Bedeutung der Rechtsform und ihrer Kapitalprobleme insgesamt nach wie vor außerordentlich ist, diese Probleme aber bei den konkreten Gesellschaften in sehr unterschiedlicher Intensität und Art auftreten. a) Das wirtschaftliche Gewicht der GmbH 35

Um die wirtschaftliche Bedeutung der GmbH im Vergleich zu den anderen Rechtsformen wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe näher zu ermitteln, geben die Umsatzsteuerstatistiken gewisse Anhaltspunkte6, wobei zu beachten ist, dass der Anteil der GmbH ständig steigt7. Daneben gibt es Angaben über die Auftei-

1 Kornblum/Kleinle/Baumann/Steffan, GmbHR 1985, 7, 15; das ist in den neueren Erhebungen so geblieben, s. Kornblum, GmbHR 1997, 632 ff.; Kornblum, GmbHR 2005, 39 ff. 2 Auch dazu Kornblum, GmbHR 1997, 632 ff. 3 Ulmer, Einl. A Rdnr. 72. 4 Ulmer, Einl. A Rdnr. 72, in Auswertung der Untersuchungen von Kornblum. 5 Darunter werden die Gesellschaften mit einer Bilanzsumme von über 8 Mio. Euro, einem Umsatz von 16 Mio. Euro und mehr als 250 Beschäftigten verstanden (bei zweien dieser Merkmale besteht Publizitätspflicht). Die Zahl dieser Gesellschaften wurde 1997 auf immerhin 7000 geschätzt (Hansen, GmbHR 1997, 183; GmbHR 1997, 204, 205); zu den Gesellschaften mit einem Stammkapital von über 100 Mio. DM die Angaben von Hansen, GmbHR 1998, 15 ff. 6 Auf Grund von Berechnungen der aus der Umsatzbesteuerung gewonnenen Beträge wird deutlich, dass die GmbH auch in den letzten Jahren ihren Anteil am Umsatz aller zu dieser Steuer herangezogenen Unternehmen auf 27,5% ausbauen konnten, obwohl die Einzelunternehmen und die Personenhandelsgesellschaften nach wie vor den größten Anteil erwirtschaften, s. Hansen, GmbHR 2003, 22 f.; GmbHR 2004, 39 ff. 7 Das wird aus der gegenüber Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften ständig wachsenden Zahl der Neueintragungen von GmbH geschlossen, Kornblum, GmbHR 2003, 1157, 1168 f.; Ulmer, Einl. A Rdnr. 79, 80.

62

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

lung der registrierten GmbH auf Wirtschaftsbereiche, die bezüglich der wettbewerblichen Notwendigkeiten des Unternehmens und der Anforderungen an die Qualifikation der Führungskräfte einige Aufschlüsse versprechen. Zu den Umsatzangaben müssten allerdings noch Erhebungen bezüglich der Beschäftigtenzahl treten, deren Kenntnis Verzerrungen zwischen eher arbeits- und mehr kapitalintensiven Branchen entgegenwirken könnte. Was die Aufteilung nach Wirtschaftsbereichen anbelangt, so spielt die GmbH im produzierenden Gewerbe eine zwar erhebliche Rolle, die aber, nach dem versteuerten Industrieumsatz gerechnet, hinter den Personengesellschaften erkennbar und hinter den Aktiengesellschaften deutlich zurücksteht, wobei insgesamt die Bedeutung der Produktion zurückgeht. Die Abstände verschieben sich zu Gunsten der Kapitalgesellschaften, wenn man auf den Durchschnittsumsatz je Unternehmen abstellt1. Ohnehin liegt aber das hauptsächliche Gewicht der GmbH nach wie vor in den Bereichen Dienstleistung und Handel, im ersteren Bereich mit einem gewissen Schwerpunkt im Baugewerbe2, dessen seit langem und zuletzt zunehmend krisenhafte Situation also auch auf die GmbH zurückschlägt. Einen zusätzlichen Trend zum Bereich „Dienstleistungen“ begründen die zahlreichen Beteiligungsund Verwaltungsgesellschaften3; neu ist die inzwischen nicht unerhebliche Verbreitung der GmbH als Rechtsform von Freiberufler-Gemeinschaften. Demgegenüber wird der Anteil an Unternehmen des Handels geringer4. Die Angaben aus dem Bundesanzeiger belegen, dass in den neuen Bundesländern bei den Neugründungen ebenfalls ein überragender Teil auf die GmbH entfällt5.

36

Bekannt ist weiterhin die große Bedeutung der GmbH als Komplementärin einer KG, obwohl genaue Zahlen nicht ermittelt werden können, vielleicht auch wegen regionaler Unterschiede und wegen der wechselnden Einwirkungen steuerrechtlicher Gegebenheiten6. Seitdem die Publizitätspflichten bei der GmbH & Co. KG an diejenigen der GmbH angepasst sind, gehen hiervon keine Impulse mehr aus. Auch bei diesem Typ ist der Gesellschafterkreis in der Regel nur klein, und die Führung der Unternehmen liegt wie bei der personalistischen

37

1 So schon Hansen, GmbHR 1991, 1992 ff.; s. auch Hansen, GmbHR 1997, 832. 2 Zu den Tendenzen die Angaben bei Hansen, GmbHR 1988, 17; Hansen, GmbHR 1987, 832; Hansen, GmbHR 1997, 204 f.; s. auch bereits Kornblum/Kleinle/Baumann/Steffan, GmbHR 1985, 42, 47. 3 Hansen, GmbHR 1981, 103; Kornblum/Kleinle/Baumann/Steffan, GmbHR 1985, 42, 47. 4 Hansen, GmbHR 1981, 102. 5 Zahlen bei Hansen, GmbHR 1991, 192. Das hat auch Folgen für Art und Zahl der Wirtschaftsstraftaten, s. Reck/Hey, GmbHR 1996, 658 ff., wobei freilich ein Teil der Deliktstypen inzwischen weggefallen ist. 6 Die Schwankungsbreite ist außerordentlich hoch: Die Rede ist z.T. von 26,7% aller GmbH (Umfrage des BMJ vom Jahre 1980; s. GmbHR 1981, 81), von 16,2% (Umfrage des DIHK für das Jahr 2000, s. dazu Meyer, GmbHR 2004, 1417, 1419); aber auch – in einigen Registerbezirken – von nur 8,7% (Untersuchungen von Kornblum, GmbHR 1985, 42, 44; GmbHR 1997, 630, 636; GmbHR 2000, 1240, 1248), zuletzt aber doch wiederum durchschnittlich 18,5%, Kornblum, GmbHR 2002, 1157, 1272; s. auch Ulmer, Einl. A Rdnr. 74.

H. P. Westermann

|

63

Einleitung

Bedeutung der GmbH

GmbH meist in Händen von Gesellschaftern1. Immerhin spielt auch die ergänzende und sogar die ausschließliche Drittorganschaft eine beachtliche Rolle. 38

Aus diesen Angaben lassen sich einige Folgerungen für die nicht konzernverbundene GmbH ziehen. In den Wirtschaftsbereichen Handel und Dienstleistungen ist in der Regel ohne persönliches Engagement der Gesellschafter in der Geschäftsführung auf die Dauer nicht auszukommen. Die Kapitalverhältnisse der hier vertretenen Gesellschaften machen zudem den persönlichen Kredit der Unternehmensleiter notwendig. Wegen der großen Bedeutung der Einmann-Gesellschaften und der immer noch auffallenden Häufung von Gesellschaften mit niedrigem Stammkapital sind die Erwägungen zur Gefahr der Unterkapitalisierung weiterhin durchaus realistisch. Hingegen besteht der Eindruck, dass die Bedeutung der Sachgründungen überbetont wird. Große Aufmerksamkeit gebührt wiederum dem Minderheitenschutz, dessen Notwendigkeit sich aus der starken Bindung der Gesellschafter an die Gesellschaft bei gleichzeitiger Geltung des Mehrheitsprinzips bei der Willensbildung ergibt (s. Rdnr. 21 ff.).

39

Das verbreitete Urteil, die GmbH sei eine der geeigneten Rechtsformen für mittelständische Unternehmen, hat also weiterhin seine Richtigkeit. Daher verdienen die Probleme der Bindung der Mitglieder an die Gesellschaft, des Gesellschafterwechsels und der Berufstätigkeit der Gesellschafter im Unternehmen nach wie vor große Aufmerksamkeit, besonders bei den Gesellschaften der Freiberufler (dazu im Einzelnen § 1 Rdnr. 14 ff.). b) Die verschiedenen wirtschaftlichen Funktionen und ihre Probleme

40

Wichtig für die rechtliche Beurteilung der einzelnen Gesellschaft, u.U. auch für die Auslegung von Satzungen und Nebenverträgen, könnte die einer Gesellschaft im konkreten Fall zugedachte wirtschaftliche Funktion sein. In dieser Hinsicht wird die GmbH vielfach als ein „Allzweck-Instrument“ angesehen, was insofern problematisch ist, als ihre Eignung für personalistische Zusammenschlüsse und für kapitalistische Großunternehmen die rechtliche Ordnung starken Spannungen unterwirft2. Dennoch hat die Praxis in Ausnutzung des vorhandenen Gestaltungsspielraums eine Reihe von empirischen Typen entwickelt, die sich in zwei größere Gruppen einteilen lassen. Einmal geht es um die unmittelbare Verfolgung bestimmter erwerbswirtschaftlicher (wozu jetzt auch uneingeschränkt die freiberufliche Tätigkeit zählt) oder auch nichtwirtschaftlicher Ziele als Gesellschaftszweck der GmbH. Zum anderen wird die GmbH im Rahmen weiter gespannter unternehmerischer Ziele als Instrument

1 Nach den Feststellungen von Limbach, Theorie und Wirklichkeit, S. 58, üben 44% aller Gesellschafter das Amt des Geschäftsführers aus; der Prozentsatz sinkt bei Gesellschaften mit mehr als 5 Gesellschaftern; nach Kornblum/Kleinle/Baumann/Steffan, GmbHR 1985, 46 ist der Prozentsatz von Gesellschafter-Geschäftsführern höher; zu der Frage, ob die Entscheidungsmacht hauptsächlich bei den Kommanditisten oder den GmbH-Gesellschaftern liegt, s. K. Schmidt, in: FS Röhricht, 2005, S. 511 ff. zu OLG München, DB 2004, 866. 2 Näher hierzu H. P. Westermann, in: Pro GmbH, 1980, S. 23, 33 ff., 45 ff.; Hommelhoff, in: Roth (Hrsg.), Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch, S. 26, 32.

64

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

zur Erreichung begrenzter wirtschaftlicher oder auch rechtlicher Absichten eingesetzt; sie ist dann nur Einzelteil einer rechtlich mehrschichtigen und häufig aus mehreren Gesellschaften bestehenden unternehmerischen Konzeption. Das GmbHG hat nur die erste Fallgruppe gesehen und sie – wie geschildert – durch Einrichtung einer nicht allzu schwer zu handhabenden kapitalistischen Organisation zu regeln versucht. Besondere Vorkehrungen für die Gesellschaft ohne wirtschaftliche Zielsetzung schienen entbehrlich. Auch ist die Rolle der GmbH im Rahmen eines Unternehmensverbundes einschließlich der GmbH & Co. KG nicht Gegenstand geschlossener Regelungen geworden, sondern findet sich – was bezeichnend ist – nur neuerdings an einzelnen Stellen in verschiedenen Gesetzen. Dies dürfte sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Hier werden also nach wie vor Schwerpunkte der Entwicklung der Rechtsform durch Wissenschaft und Praxis liegen, die sich in der Ausbildung einer Zahl von Sonderformen niedergeschlagen haben. aa) Die GmbH als Unternehmensträger Wenn die GmbH ein Handelsgewerbe betreiben, also direkt als Unternehmensträger fungieren soll, was gelegentlich als zwingende Voraussetzung einer Gesellschaft angesehen wird und deshalb als Bedenken gegen so genannte Mantel- oder Vorratsgesellschaften angeführt wird, so kann inzwischen als geklärt betrachtet werden, dass die Mantelgründung als solche erlaubt ist, und Bedenken nur im Hinblick auf eine mögliche Umgehung der Gründungsvorschriften im Wesentlichen für die spätere Verwendung eines „Mantels“ für unternehmerische Zwecke bestehen; im Einzelnen dazu § 3 Rdnr. 21 ff. Im Übrigen stehen vielfältige Varianten der Verbindung von unternehmerischer Leitungstätigkeit und Kapitalinvestition zur Verfügung. Die beschränkte Haftung, kombiniert mit der Drittorganschaft, erlaubt es den Gesellschaftern, die Rolle als Kapitalgeber einzunehmen und lediglich über die Gesellschafterversammlung an der Unternehmensleitung mitzuwirken. Ebensogut können aber alle oder einzelne Gesellschafter in der GmbH das rechtliche Gewand für ihre eigene unternehmerische Tätigkeit finden1, was dann auch für die GmbH die rechtlichen und menschlichen Probleme des Generationenwechsels und der Kooperation von Gesellschafterstämmen relevant werden lässt, wobei die Gruppen untereinander nicht selten durch Schutzgemeinschafts- oder Poolverträge in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft zusammengehalten werden sollen2. Die Vererblichkeit des Geschäftsanteils in § 18 ändert nichts daran, dass in der GmbH wie in den Personengesellschaften eine Antinomie besteht zwischen dem durch die Satzung erstrebten Überfremdungs- und Bestandsschutz der Gesellschaft und dem natürlichen Bedürfnis des Gesellschafters, über den

1 Zu diesem Unterschied von Privat- und Kollektivunternehmung siehe schon Wieland, Handelsrecht II, S. 283 f.; gegen eine Überbetonung dieses Gegensatzes aber Ballerstedt, GmbHR 1967, 66, 70 und die Bemerkungen in Rdnr. 1, 2. 2 Es handelt sich im Wesentlichen um die Frage, ob die Vorschriften über Gründung und Kapitalaufbringung umgangen werden, dazu Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, 1997; Banerjea, GmbHR 1998, 814 ff.; sehr liberal Lübbert, BB 1998, 2222.

H. P. Westermann

|

65

41

Einleitung

Bedeutung der GmbH

Anteil nach seinen Wünschen und den Versorgungsnotwendigkeiten seiner Familie zu verfügen1. 42

Die bekannten Gefahren der Entwicklung zur „Zweiklassengesellschaft“ aus geschäftsführenden und durch Tätigkeitsvergütung abgesicherten Gesellschaftern auf der einen und lediglich kapitalistisch beteiligten, auf Gewinne angewiesenen Teilhabern auf der anderen Seite2 treten bei der GmbH ebenso auf wie in der KG; sie folgen im Grunde bereits aus der beschränkten Haftung. Die Spannungen können atmosphärisch und psychologisch die Unternehmensführung belasten, indem die geschäftsführenden Gesellschafter die bloßen Kapitalgeber als „Dauerlutscher“ betrachten3. Die Probleme entzünden sich im Einzelnen an Fragen wie Gewinnverwendungspolitik, Entnahmerechten, Geschäftsführergehälter, Kreditaufnahme u.a., weil gelegentlich die Gesellschafter-Geschäftsführer dazu neigen, ihre persönlichen Interessen mit denen des Gesellschaftsganzen zu identifizieren. Die nicht seltene Befreiung des Gesellschafter-Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB4 tut ein Übriges. Verbreitet sind Auseinandersetzungen über die Bestellung eines Gesellschafters oder des Repräsentanten einer Gesellschaftergruppe zum Geschäftsführer, ebenso – nicht selten kurz danach mit umgekehrten Vorzeichen – um die Abberufung, wobei dann auch die Grenzen der Stimmrechtsausübung und die Möglichkeiten einstweiligen Rechtsschutzes zur Sprache kommen5. Ein wichtiger Streitpunkt ist die von einem Gesellschafter begehrte Zustimmung zur Anteilsveräußerung. Ein schneidiges Führungsinstrument für eigenwillige Unternehmerpersönlichkeiten ist die GmbH ingesamt, jedenfalls bei Vorhandensein mehrerer Gesellschafter, also nicht6. In der Unternehmenskrise, wenn eine ordnungsmäßige Geschäftsführerbestellung nicht mehr möglich ist, kann ein vom Gericht in entsprechender Anwendung des § 29 BGB bestellter Notgeschäftsführer, der eine materiell- wie verfahrensrechtlich schwierige Stellung innehat, auch noch zwischen das Feuer der sich bekämpfenden Gesellschafter geraten7. bb) Die GmbH als Großunternehmen

43

Die Eignung der GmbH für einen großen, möglicherweise flukturierenden Mitgliederkreis mit einer Kapitalausstattung, die einzelne an selbständiger kaufmännischer Tätigkeit Interessierte in der Regel nicht aufbringen können, kann nach dem gesetzgeberischen Ansatz nicht zweifelhaft sein8. Die Rechtsanwen-

1 2 3 4 5

Dazu näher Käppler, ZGR 1978, 542 ff. Dazu Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 2 I 3b. Ausdruck von Holzhey, GmbH-Reform, S. 230. Dazu rechtstatsächlich Kornblum/Kleinle/Baumann/Steffan, GmbHR 1985, 42, 47 f. S. die bei H. P. Westermann/Menger, DZWiR 1991, 143, 146 ausgewerteten Urteile; schon früher R. Fischer, in: Pro GmbH, 1980, S. 137, 156 f. 6 S. schon H. P. Westermann, in: Pro GmbH, 1980, S. 42. 7 Über die weitgehend ungelösten Rechtsfragen zur Notgeschäftsführung der GmbH H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 681 ff.; eingehend Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006. 8 Ballerstedt, GmbHR 1967, 66, 70.

66

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

dungsprobleme, die hieraus erwachsen, betreffen zum einen die genaue Fixierung der Rechte des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft (Auskunfts- und Informationsrechte, Nichtigkeit und Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen), sodann die Rechnungslegung, schließlich die Rechte und Pflichten der Gründer, insbesondere bei Sacheinlagen und Sachübernahmen. Auch das Problem des Minderheitenschutzes (Rdnr. 77) stellt sich hier etwas akzentuiert insofern, als die Information der Gesellschafter in Geschäftsangelegenheiten bei großer Mitgliederzahl meist von vornherein geringer ist. Hier hat freilich § 51a veränderte Verhältnisse geschaffen. Kapitalgesellschaftsrechtliche Organisationsformen, etwa in Gestalt der Führung über Beratungs- oder Aufsichtsgremien, verbunden mit einigen bei personalistischen Gesellschaften auftretenden Gestaltungselementen wie Anteilsvinkulierung, Vorkaufsrechten1 oder Sonderrechten von Gesellschaftern bei der Bestellung der Geschäftsführer, begegnen vor allem, wenn auch nicht nur, bei Gemeinschaftsunternehmen. Ihre Problematik liegt z.T. im Konzern- und Kartellrecht, daneben in der Erreichung des Gleichgewichts zwischen den unternehmerischen Zielen der Gesellschafter. Da der Zweck der Gesellschaft häufig darin besteht, die unternehmerischen Aktivitäten der Gesellschafter – häufig ihrerseits Kapitalgesellschaften – zu koordinieren, möglicherweise auch durch Auslagerung aus den Unternehmen der Gesellschafter, sind Regelungen über die Finanzierung des Gemeinschaftsunternehmens, hauptsächlich aber über die Nutzung der Gesellschaftseinrichtungen durch die Gesellschafter und dadurch bedingt die Verrechnung von Leistungen zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft und dergl. erforderlich. Sie finden sich selten in der Satzung, sondern regelmäßig in schuldrechtlichen Abreden der Gesellschafter, die dann auch Bindungen bezüglich der Abstimmung der Gesellschafterversammlung oder anderen Organen der Gesellschaft (etwa den so genannten policy-committes) begründen. Zur Bedeutung derartiger schuldrechtlicher Nebenabreden s. noch Rdnr. 73.

44

Sonderprobleme der „Zwei-Mann-Gesellschaft“2 können sich nach dem vorigen in Familiengesellschaften stellen, aber auch in einem kapitalistisch organisierten Gemeinschaftsunternehmen. Die Realstruktur der Gesellschaft, die für die Anwendung des Gesetzesrechts und vor allem für die Auslegung der Satzung wichtig ist, ist vom Vorhandensein nur zweier Gesellschafter nicht entscheidend geprägt. Danach ist denkbar, dass die gesetzlichen oder statutarischen Formalitäten bei der gesellschaftlichen Willensbildung bei Beteiligung von nur zwei Gesellschaftern etwas großzügiger gehandhabt werden dürfen. Klar ist auch, dass ein Zerwürfnis dieser beiden Partner aus der Sicht der Gesellschaft eine unüberwindbare Stagnation in der Unternehmensführung und damit letztlich die Auflösung der Gesellschaft über § 61 oder ein einverständliches Ausscheiden des einen Gesellschafters erzwingt. Die praktischen Probleme liegen

45

1 Zur Verwendung von Vorkaufsrechten im Gesellschaftsrecht näher H. P. Westermann/ Klingberg, in: FS Quack, 1991, S. 445, 547, 552 f.; schon früher G. Hueck, in: FS Larenz, 1973, S. 749 ff.; neuerdings noch einmal H. P. Westermann, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1349 ff.; Topf, Das Vorkaufsrecht an GmbH-Anteilen, 2005. 2 Zum Folgenden näher U. H. Schneider, in: FS Kellermann, 1991, S. 403 ff.

H. P. Westermann

|

67

Einleitung

Bedeutung der GmbH

eher darin, dass bei der Zwei-Mann-GmbH sowohl für eine Ausschließung als auch für die Abberufung eines Gesellschafters aus der Geschäftsführung oder für die Einziehung eines Geschäftsanteils das regelmäßige Verhältnis von Beschluss der Gesellschafterversammlung und anschließendem Rechtsstreit zwischen dem mit dem Beschluss nicht einverstandenen Gesellschafter und der Gesellschaft nicht funktionieren kann. Das hängt auch damit zusammen, dass im GmbH-Recht eine gesetzliche Regelung der Beschlussmängel fehlt, die bei zwei sich streitenden, aber paritätisch beteiligten Gesellschaftern oder Gesellschaftergruppen ohnehin kaum denkbar ist; ob hier die bisher ziemlich unangefochtene Übernahme der §§ 241 ff. AktG brauchbare Lösungen ergibt, ist zweifelhaft (s. auch Rdnr. 77). Ein Problempunkt bleibt auch die in diesem Zusammenhang praktisch wichtige Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes, der für das Innenverhältnis der Gesellschaften wichtig ist1. 46

Einen weiteren Sonderfall bilden die gelegentlich vorkommenden GmbH, die materiell genossenschaftliche Zwecke wie den Betrieb von Förderungsgemeinschaften und Einkaufsvereinigungen verfolgen2. Durch Satzungsgestaltung können Gesellschaftszweck und Geschäftsführung auf die Förderung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs der Mitglieder zugeschnitten werden. Wiederum berühren sich an dieser Stelle GmbH-Recht und Kartellrecht, wie es auch sonst beim Einsatz der GmbH als Instrument der Organisation von Unternehmensgruppen der Fall ist (Rdnr. 50 ff.). Mit der GmbH, die genossenschaftliche Zwecke verfolgt, weist schließlich auch die Nebenleistungs-GmbH eine gewisse Verwandtschaft auf, wobei die Pflicht eines Gesellschafters, bestimmte Lieferungen und Leistungen ausschließlich der GmbH zu erbringen, wiederum vom Kartellrecht erfasst werden kann (§ 3 Rdnr. 68 ff.). cc) Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung

47

Einen Sondertyp der GmbH, der rechtstatsächlich eine nicht unerhebliche Rolle spielt, sich aber in der Vielfalt seiner Erscheinungsformen einer geschlossenen Betrachtung nahezu entzieht, bildet die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche, d.h. mit wissenschaftlicher, kultureller, sozialer oder politischer (einschließlich berufs- und standespolitischer) Zielsetzung3. Das muss nicht unbedingt alleiniger Zweck einer Gesellschaft sein, es kann durchaus vorkommen, dass eine GmbH bestimmte ideelle, soziale oder politische Zwecke aus dem Tätigkeitskreis größerer Unternehmen ausgliedert4.

1 Zu diesem Problem allgemein Damm, ZHR 154 (1990), 413 ff.; v. Gerkan, ZGR 1985, 167 ff.; Michalski, GmbHR 1991, 12 ff.; Zöller/Vollkommer, § 940 ZPO Rdnr. 8 (Stichwort „Gesellschaftsrecht“); Nachw. aus der Rspr. bei H. P. Westermann/Menger, DZWiR 1991, 144 ff. 2 Schon früher Feine, S. 61; Limbach, Theorie und Wirklichkeit, S. 84 f.; ohne Eingehen auf die Genossenschaftsähnlichkeit auch bei Loidl, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, S. 49 ff.; auch Beuthien/Götz, ZfgG 1978, 375 ff.; eingehend Turner, GmbHR 1993, 390 ff. 3 Feine, S. 61; Loidl, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, S. 20 ff.; Schlüter, GmbHR 2002, 535 ff., 578 ff.; Ulmer, Einl. A Rdnr. 89. 4 Limbach, Theorie und Wirklichkeit, S. 84 f.

68

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

Entscheidend für die Abhebung dieses Typs der GmbH vom allgemeinen Kapitalgesellschaftsrecht fällt ins Gewicht, dass die Interessen der Mitglieder hier in besonderem Maße hinter den von der Gesellschaft zu verfolgenden Zwecken zurücktreten. Die Finanzierung von Gesellschafterseite oder durch Nichtmitglieder nimmt dann die Gestalt von Zuschüssen an, die Geschäftsführung unterliegt meist der Kontrolle durch Aufsichtsgremien, soweit nicht eine staatliche Aufsicht eingreift1. Dies ist besonders der Fall, wenn in der Rechtsform einer GmbH Stiftungszwecke verfolgt werden, was dann auch zur Anwendung der steuerrechtlichen Regeln über Gemeinnützigkeit führt. Bei diesen Gesellschaften kann die Möglichkeit der Verpflichtung der Gesellschafter zu Sonderleistungen, die neben den in Geld oder Sachmitteln zu erbringenden Einlagen stehen, zur Finanzierung oder Kostendeckung benutzt werden2. Die Bindung des Stimmrechts und überhaupt des Einflusses des Gesellschafters an seine Kapitalbeteiligung ist gelockert, zum Teil um der öffentlichen Kontrolle willen sogar weitgehend aufgehoben3. Auch in diesem Typ bleibt die GmbH übrigens meist auf verhältnismäßig wenige Gesellschafter beschränkt, größere Gruppen bedienen sich vorzugsweise der Rechtsform des Idealvereins, in der der Mitgliederwechsel leichter ist.

48

In der GmbH werden bisweilen auch öffentliche Zwecke verfolgt, wobei ein Anreiz in der – freilich nur begrenzt möglichen – Lockerung der für die öffentliche Verwaltung bestehenden Bindungen liegt, s. auch § 1 Rdnr. 11. Auf der anderen Seite kann hierdurch eine flexible unternehmerische Geschäftsführung, die zugleich Kontinuität auch bei kommunalpolitischen Veränderungen ermöglicht, angestrebt werden, ohne dass die auf dem Wege über die Gesellschafterversammlung oder sonstige Beschlussgremien beteiligte öffentliche Hand ihren entscheidenden Einfluss preisgeben müsste. Gesellschaften dieser Art, wie sie namentlich in der öffentlichen Wohnungswirtschaft verbreitet sind, verfolgen erwerbswirtschaftliche Zwecke meist nur insofern, als nach den Satzungen nur kostendeckende Erträge und für die Gesellschafter eine angemessene Verzinsung des eingelegten Kapitals, nicht aber Gewinnausschüttungen angestrebt werden (dies hing in der Wohnungswirtschaft auch mit früheren Vorschriften über die Gemeinnützigkeit zusammen). Bei der Gestaltung der von der Gesellschaft zu erzielenden Erlöse (in der Wohnungswirtschaft etwa der Mieten) sind daneben die sozialen Zwecke maßgeblich. Von Seiten des öffentlichen Rechts wird hier nicht selten die Maßgeblichkeit öffentlich-rechtlicher Bindungen und Einflussnahmen seitens der hoheitlich handelnden Träger-Gesellschafter behauptet, die auch über die Einbeziehung der Gesellschaften in die Haushaltskontrolle und die Rechnungsprüfung hinausgehe4. Aus

49

1 S. Loidl, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, S. 85 ff. 2 Loidl, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, S. 119. 3 Loidl, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, S. 121; zur Vertragsgestaltung bei der non-profit-GmbH eingehend Priester, GmbHR 1999, 149 ff. 4 S. dazu eingehend Spannofsky, ZGR 1996, 400; Habersack, ZGR 1996, 544; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 4 Rdnr. 20 ff.; Wiedemann, GesR I, § 2 II 2d. Zum Einfluss des Haushaltsrechts auf die Rechnungslegung Lutter/Grunewald, WM 1984, 385 ff.; bei der gemeinnützigen GmbH Hüttche, GmbHR 1997, 1095; zum Verhältnis beamtenrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Bindung der Organmitglieder Schwintowski, NJW 1995, 1316 ff.

H. P. Westermann

|

69

Einleitung

Bedeutung der GmbH

privatrechtlicher Sicht ist aber jedenfalls daran festzuhalten, dass die Benutzung der Rechtsform der Kapitalgesellschaft für öffentliche Zwecke nicht von der Beachtung der grundlegenden Normen des Gläubiger- und Minderheitenschutzes, in der GmbH also namentlich der Grundsätze der Kapitalaufbringung und -erhaltung, entbindet1. Schließlich können konzernrechtliche Probleme entstehen, da nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, namentlich auch der Bund oder auch ein Bundesland, als herrschendes Unternehmen i.S. der §§ 15 ff. AktG in Betracht kommt2, so dass nachteilige Weisungen die hierfür vorgesehenen Rechtsfolgen auslösen können (näher Anh. Konzernrecht Rdnr. 16a). dd) Die GmbH in einer Unternehmensgruppe und in einer Grundtypenvermischung 50

Die GmbH kann nach ihrem gesetzlichen Statut über die Gesellschafterversammlung geleitet werden, es gibt eine legale Leitungsmacht der Gesellschafter. Daher kann die GmbH dazu dienen, bestimmte Zwecke im Rahmen einer Unternehmensgruppe derart zu verselbständigen, dass dafür nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stehen müssen und die Zweckverfolgung im Interesse der Gruppe einheitlich gelenkt werden kann. Dies kann geschehen durch Gründung oder Erwerb einer abhängigen Gesellschaft, wobei die Ausgliederung bestimmter Tätigkeitsbereiche durch mehrere Unternehmen und ihre Zusammenfassung in einer GmbH (Gemeinschaftsunternehmen, Rdnr. 44) einen Sonderfall darstellt. Das Gesetz hat den hierdurch entstehenden Konzerntatbestand nicht geregelt, so wenig wie die Besonderheiten des Einsatzes der GmbH als Konzernspitze oder als Teil einer anderweitig geleiteten Gruppe. Das letztere kann zu Stande gekommen sein durch Ausgliederung unternehmerischer Teilfunktionen aus einem anderen Unternehmen, durch Hinzuerwerb von Unternehmen durch eine schon vorher oder hinfort als solche tätige Konzernspitze, im Bereich grenzüberschreitender Unternehmensverbindungen auch zum Zwecke der Zusammenfassung der Aktivitäten und/oder Beteiligungen in einem bestimmten, nicht selten aus mehreren Staaten bestehenden Bereich. Hier lässt sich also die GmbH-Gruppe weder dem personalistischen noch dem kapitalistischen Leitbild der GmbH eindeutig zuordnen.

51

Dem entspricht die rechtliche Fragestellung. Der vor Jahren diskutierte (Rdnr. 61) RegE eines GmbHG, der eine weitgehende Übernahme des AktienKonzernrechts vorsah, war in dieser Sichtweise durch die damals bekannten empirischen Daten nicht gedeckt3, und die Rechtsprechung hat sich seither unabhängig vom Modell des Aktienrechts entwickelt. Dies geschah zunächst auf der Grundlage des Treupflichtgedankens im Innenverhältnis einer Gesell-

1 Zum Problem Schön, ZGR 1996, 429 ff., 452 ff. 2 Hier nur: BGHZ 69, 334 (VEBA-Gelsenberg); BGH, ZIP 1997, 887 (VW–Land Niedersachsen). 3 Pleyer/H. P. Westermann/Lieser, Beil. GmbHR 1970; Verhoeven, GmbH-Konzern-Innenrecht, 1978, S. 16 ff., 24 ff. Übersicht bei Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 657, 660 ff.

70

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

schaftergruppe1 und nahm dann eine fast dramatische Wendung durch die Sonderbehandlung des so genannten qualifizierten faktischen Konzerns, die Elemente des aktienrechtlichen Vertragskonzerns ohne Bindung an die im AktG jeweils gemeinte Normsituation zusammen mit allgemeinen Vorstellungen zum Umfang des notwendigen Gläubigerschutzes in einem GmbH-spezifischen Konzept mischte. Die Kontroverse um die aus den drei einschlägigen Urteilen („Autokran“, „Tiefbau“, „Video“) hervorgehende dogmatische und rechtspolitische Gesamtlage war tiefgreifend und scharf2, die Gefahr, dass einzelne auf die Konzernsituation gemünzte Rechtssätze ein Eigenleben entfalten, das im weiteren Verlauf auch die Haftungsbeschränkung in der unverbundenen GmbH hätte gefährden können, war nicht mehr zu übersehen. Der Stoßseufzer eines der „Miterfinder“ des qualifizierten faktischen Konzerns, der sich bei seinem Ruf nach dem Gesetzgeber mit dem nach dem „alten Meister“ rufenden Zauberlehrling verglich3, sowie die weitere Kritik sind nicht ungehört geblieben, indem die Rechtsprechung durch das TBB-Urteil eine auf einem vorwerfbaren Fehlverhalten des herrschenden Unternehmens aufbauende Haftungskonzeption an die Stelle derjenigen über die „Qualifikation“ des faktischen Konzerns gesetzt hat4. Inzwischen kann die in der Judikatur entwickelte Figur der „Existenzvernichtungshaftung“ als – systematisch besser eingepasster – Ersatz für die Haftung der in einem „qualifizierten faktischen Konzern“ herrschenden Gesellschafter (möglicherweise auch nur eines Gesellschafter/Geschäftsführers) betrachtet werden, die allerdings auch dazu bestimmt ist, Schwächen und Lücken des Rechts der Kapitalerhaltung aufzufangen5, näher § 13 Rdnr. 99 ff. Auch beim sogen. Gleichordnungskonzern kann eine GmbH die Zusammenarbeit mehrerer verbundener, aber nicht voneinander abhängiger Unternehmen organisieren, ohne dadurch herrschendes Unternehmen zu werden6. Allerdings kann der Vertrag über die Gründung eines Gleichordnungskonzerns kartellrechtlichen Vorschriften unterfallen7. 1 BGHZ 65, 15 (ITT); dazu Ulmer, NJW 1976, 1991; E. Rehbinder, ZGR 1976, 386; Wiedemann, JZ 1976, 392; H. P. Westermann, GmbHR 1976, 77. Eingehend zur heutigen Tragfähigkeit dieses Gedankens Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 669 ff.; Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 1999. 2 S. hier nur K. Schmidt, ZIP 1991, 1325 ff.; K. Schmidt, ZHR 155 (1991), 417 ff.; Kleindiek, ZIP 1991, 1330 ff.; Stimpel, ZGR 1991, 144 ff.; Lutter, AG 1990, 179 ff.; Hommelhoff, DB 1992, 309; grundlegend krit. Kübler, in: FS Heinsius, 1991, S. 397 ff.; Altmeppen, DB 1991, 2225; Flume, ZIP 1992, 817; Mertens, AG 1991, 434. 3 Mertens, AG 1991, 434; krit. dazu etwa Zöllner, JZ 1992, 381, 384. 4 BGHZ 123, 123 = NJW 1993, 1200; danach noch BGH, ZIP 1997, 416; dazu K. Schmidt, ZIP 1994, 1741; H. P. Westermann, ZIP 1994, 554. 5 Näher dazu H. P. Westermann, NZG 2002, 1129 ff.; Altmeppen, in: FS Röhricht, 2005, S. 3; Röhricht, ZIP 2005, 505; Wiedemann, ZGR 2003, 283; Wilhelmi, DZWiR 2003, 45; kritisch zu den Zusammenhängen besonders Zöllner, in: FS Konzen, 2006, S. 999, 1063 ff. 6 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 56 Rdnr. 4 ff.; Übersicht über die Verwendungsformen bei Eder, GmbHR 1979, 51 ff.; zur rechtlichen Problematik speziell im Hinblick auf die GmbH schon H. P. Westermann, in: Pro GmbH, S. 23, 52; s. Henssler, ZGR 2000, 479 (zur Durchgriffshaftung im Gleichordnungskonzern); Wellkamp, DB 1993, 2517. 7 Näher dazu I. Schmidt/Fritz, in: FS Kantzenbach, 1996, S. 119 ff.; K. Schmidt, in: FS Rittner, 1991, S. 561 ff.; Windbichler, in: Großkomm. AktG, § 18 Rdnr. 47.

H. P. Westermann

|

71

52

Einleitung

Bedeutung der GmbH

53

Eine wichtige Rolle spielt die GmbH auch im Rahmen der sogen. Betriebsaufspaltung. Diese teilt in ihrer wirtschaftlichen Grundform ein wirtschaftlich einheitliches Unternehmen in eine das Anlagevermögen verwaltende Personenund eine das Umlaufvermögen im Geschäft einsetzende Betriebs-Kapitalgesellschaft auf; dies geschieht aus haftungs- wie aus steuerrechtlichen Erwägungen1. Die Anlagegüter werden durch Pacht oder Leasing der Kapitalgesellschaft zur Verfügung gestellt. Zu einer Betriebsaufspaltung kommt es auch bei Ausgliederung des Vertriebs aus einer meist als Personengesellschaft betriebenen Unternehmung, was – vorbehaltlich der Anwendung des § 105 Abs. 2 HGB – die Kaufmannseigenschaft der Besitzgesellschaft in Frage stellen kann. Auch hier statten die Gesellschafter der Personengesellschaft, die meist in derselben Zusammensetzung auch die Geschäftsanteile der GmbH halten, die GmbH oftmals nur mit knappem Kapital aus, so dass sowohl Durchgriffs- als auch Konzerntatbestände erfüllt sein können. Die steuerrechtlichen Vorteile der Betriebsaufspaltung scheinen nicht durchweg ganz gesichert, weil jedenfalls Identität der Gesellschaftereinflüsse auf Besitz- und Betriebsgesellschaft gefordert wird. Jedenfalls lassen sich – angesichts der großen Zahl von Varianten im Einzelnen – insoweit keine allgemeinen Regeln aufstellen. Hingegen hat die seit langem anhaltende Diskussion um die Qualifikation der Gebrauchsüberlassung als Eigenkapitalersatz, die inzwischen im Grundsatz gesichert ist, wenn auch nicht in allen Einzelheiten und Rechtsfolgen2, zu einer Einstellung der Praxis Anlass gegeben, die nur wenig voreilig als „Abschied von der Betriebsaufspaltung“ bezeichnet wird3. Man hat jedenfalls davon auszugehen, dass die für die Überlassung der Anlagegegenstände von der Gesellschaft gewährten Vergütungen in einer Krisensituation der Gesellschaft unter § 32a fallen (näher §§ 32a, 32b Rdnr. 138 ff.), so dass jedenfalls die von der GmbH entrichteten Miet- oder Pachtzahlungen vom Insolvenzverwalter der Betriebs-GmbH zurückverlangt werden können4.

54

Die Tätigkeit der GmbH als Komplementärin einer KG und damit die Grundtypenvermischung unterscheidet sich von der Betriebsaufspaltung dadurch, dass es sich hier wirtschaftlich gewöhnlich um ein- und dasselbe Unternehmen

1 Die letzteren Erwägungen sind durch Veränderungen des Steuerrechts fragwürdig geworden, im Einzelnen dazu Brandmüller, Die Betriebsaufspaltung nach Handels- und Steuerrecht, 7. Aufl. 1997; Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, 5. Aufl. 2005; K. Schmidt, GesR, § 12 II 3d; Ulmer, Einl. A Rdnr. 16. 2 Die Rechtsprechung (BGHZ 109, 55, 57; 121, 31, 33; 127, 1 mit Anm. Altmeppen, NJW 1994, 2348; BGHZ 127, 17) geht davon aus, dass durch die Überlassung von Grundstücken, auch wenn dies unter Umständen geschieht, die auf eine kapitalersetzende Maßnahme hinauslaufen, nicht die Sachsubstanz in die Insolvenzmasse der Betriebs-GmbH falle, dass aber die entgeltliche Gewährung der Nutzungsmöglichkeit als kapitalersetzende zu behandeln sei, näher dazu §§ 32a, 32b Rdnr. 134 ff. 3 Titel eines von Priester und Timm herausgegebenen Sammelbandes, RWS-Forum 5, 1990; scharf krit. zur Rechtsprechung Weilbach, GmbHR 1991, 56 ff.; Bedenken auch bei K. Schmidt, ZIP 1990, 69 ff.; a.M. aber Büscher/Klusmann, ZIP 1991, 10, 15 f.; Vonnemann, DB 1990, 261; Schiffers, GmbHR 2000, 1013; Haritz/Wisniewski, GmbHR 2000, 795. 4 Zu einigen praktischen Folgen Heublein, ZIP 1998, 1899; Brandi, ZIP 1995, 1391.

72

|

H. P. Westermann

Bedeutung der GmbH

Einleitung

handelt, dessen Träger die KG ist. Doch ist bei entsprechender Formulierung des satzungsmäßigen Zwecks der GmbH eine von der KG losgelöste Geschäftstätigkeit der Komplementär-GmbH nicht ausgeschlossen, wenn auch die Kommanditisten einverstanden sind. Die Grundtypenvermischung hat seit ihrer als „funktionsblind“1 kritisierten höchstrichterlichen Anerkennung durch RGZ 105, 101 und der Regelung einzelner Folgen durch Vorschriften des Steuerrechts und später auch des Gesellschaftsrechts (§§ 130a, 172a, 177a HGB) im Mittelpunkt einer nicht abreißenden Diskussion um ihre grundsätzliche Legitimität und die durch sie aufgeworfenen rechtstechnischen Einzelfragen gestanden. Das charakterisiert eine Unternehmensform, die ihre Entstehung wenig gut beleumundeten Zielen wie der Haftungsbeschränkung oder der Vermeidung der Nachteile des früheren Körperschaftsteuersystems verdankt, die aber auch dort, wo mit ihr die Einsetzung eines Drittorgans in einer Personengesellschaft bezweckt wird, als ordnungspolitischer Störfaktor diskutiert wurde2. Die Kritik hat der GmbH & Co. KG wenig anhaben können, so wenig wie ihre Anpreisung als Überwindung der Mängel von GmbH- und KG-Statut zur modernen Unternehmensform3 darüber hinwegtäuschen konnte, dass die Kombination von GmbH und KG auch die Verbindung gläubigergefährdender Elemente sein kann. Vielmehr erscheint es auch und gerade auf Grund zahlreicher Entwicklungsschritte in der neuen Rechtsprechung und Lehre möglich, eine befriedigende, Chancen und Risiken angemessen verteilende rechtliche Verfassung der GmbH & Co. KG zu finden. Dies hat etwa zur gesetzlichen Regelung der gläubigergefährdenden Einbringung der GmbH-Geschäftsanteile ins Vermögen der KG im Rahmen der sog. „Einheitsgesellschaft“ geführt (§ 172 Abs. 6 HGB), und der BGH4 hat bei Vorgängen, die als Rückzahlung von GmbH- oder KGVermögen an Gesellschafter anzusehen sind, eine ausdehnende Anwendung der §§ 172 Abs. 4 HGB, 30, 31 GmbHG gefunden, die praktisch die Kapitalerhaltungsgebote beider Organisationsstatute kumuliert. Auch Überlegungen zum Haftungsdurchgriff (Rdnr. 13 ff.) gelten voll bei der GmbH & Co. KG, so dass pauschal gesagt werden kann, dass die zur Kapitalerhaltung bei der GmbH aufgestellten Regeln durch das Ausweichen auf die Grundtypenvermischung nicht umgangen werden können. Die Beobachtung der Unternehmenspraxis hat auch zur Unterscheidung von zwei Unternehmenstypen geführt, die entweder die Komplementär-GmbH als Instrument der das Unternehmen betreibenden und beherrschenden Kommanditisten ausgestalten oder die Komplementärin als ein möglicherweise von Dritten oder einer Konzernspitze gesteuertes Leitungsorgan den zur Unternehmensführung nicht tauglichen oder bereiten5 Kommanditisten als den beschränkt haftenden Geldgebern gegenüberstellen (Integrations- oder Zentralverwaltungsmodell). Das Letztere ist typischerweise

1 Wiedemann, JZ 1970, 593, 597. 2 Übersicht bei H. P. Westermann, Die GmbH & Co KG im Lichte der Wirtschaftsverfassung, 1974; entschiedenster Gegner ist Reuter, Perpetuierung, S. 230, 279 ff. Zur GmbH & Co. KG als „verfremdeter GmbH“ Hesselmann, in: Pro GmbH, 1980, S. 81 ff. 3 Übersicht – auch zur Kritik an der Verwendung der GmbH – bei Wiethölter, Aktuelle Probleme, S. 11 ff. 4 BGHZ 47, 149; 60, 324. 5 Im Einzelnen dazu K. Schmidt, in: FS Röhricht, 2005, S. 511 ff.

H. P. Westermann

|

73

Einleitung

Bedeutung der GmbH

bei so genannten Publikumspersonengesellschaften 1 anzutreffen. Eine weitere, ebenfalls hierher gehörige Verwendungsform ist die „GmbH & Still“, die zwar nicht so verbreitet ist wie die GmbH & Co. KG, aber trotzdem in ihrer typischen Form bereits – offenbar voreiligen – Anlass zu Diskussionen über ihr Absterben gegeben hat2. 55

Eine bis zu einem gewissen Grade noch zukunftsträchtige Neuerung ist demgegenüber die durch einen Beschluss des BGH3 zugelassene, jetzt auch in § 279 Abs. 2 AktG kodifizierte KGaA mit einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG als Komplementärin, die als „GmbH & Co. KGaA“ firmiert. Die typologische Einordnung eines solchen Gebildes als „kapitalistische KGaA“4 ist missverständlich, da das kapitalistische Element in Gestalt der Kommanditaktionäre schon vorhanden ist, während es umgekehrt durch die gegenüber der AG stärkere Stellung der Komplementäre einer KGaA (und damit auch der Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH), die insbesondere nicht der Personalhoheit des Aufsichtsrats unterliegen, zu einem Einfließen mittelständischer Elemente in die KGaA kommen kann5. Freilich wird auch das Leitbild der Gesellschaft mit großem Anlegerkreis und einem zwar nicht von der Kontrolle, aber doch vom weiter gehenden unternehmerischen Einfluss der Anleger tendenziell freien Unternehmensführer, das der KGaA nach den §§ 278 ff. AktG zugrundegelegen haben mag, durch die neue Gestaltung verwischt. Auf der anderen Seite ist das Bedürfnis nach einer nicht börsengängigen, auch für einen geschlossenen Anlegerkreis interessanten Kapitalgesellschaft ohne die engen Bindungen der GmbH-Gesellschafter schon durch die Einführung der „kleinen AG“ als berechtigt anerkannt6. Auch ist die etwas größere Gestaltungsfreiheit, wie sie § 278 Abs. 2 AktG durch die Anlehnung an das Modell der Personenhandelsgesellschaft einrichtet, für die „große“ mittelständische Unternehmung vorteilhaft. Wichtig ist schließlich, dass ohne allzu bedeutende Abstriche im Hinblick auf die unternehmerische Leitungsmacht, die bei der KomplementärGmbH verbleiben kann, eine Finanzierung über die Börse erreicht werden kann7, die dann allerdings zu einer weitgehenden – und manchmal uner-

1 Überblick über das einschlägige Sonderrecht bei Krieger, in: FS Stimpel, 1985, S. 307 ff.; inzwischen ist die praktische Bedeutung des Problems zurückgegangen. Zur doppelstöckigen GmbH & Co. KG aber BFH, BStBl. II 1991, 691. 2 Schulze zur Wiesche, GmbHR 1991, 533. Zu neueren Entwicklungen aber Bitz, GmbHR 1997, 769 und (aus steuerrechtlicher Sicht) Horn/Martins, GmbHR 1995, 816. 3 BGHZ 134, 392; dazu Haase, GmbHR 1997, 917 ff.; Hommelhoff, in: Die GmbH & Co. KGaA nach dem Beschluss BGHZ 134, 392, ZHR-Beiheft Nr. 67, 1998, S. 9 ff.; Ihrig, ZHR-Beiheft Nr. 67, 1998, S. 33 ff.; Sethe, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1996, S. 155 ff.; Hüffer, § 278 AktG Rdnr. 9; im wissenschaftlichen Schrifttum war dies schon früher von Priester, ZHR 160 (1996), 250 ff.; Claussen, GmbHR 1996, 73, 77; Hartel, DB 1992, 2332; Hennerkes/May, BB 1988, 2393 vertreten worden. In der Rspr. dazu OLG Hamburg, GmbHR 1969, 135; abl. aber K. Schmidt, ZHR 160 (1996), 265, 269 ff. 4 Hesselmann, BB 1989, 2344. 5 Haase, GmbHR 1997, 919 f.; Semler, in: MünchKomm. AktG, § 278 Rdnr. 280 ff. 6 In diesem Sinne Claussen, GmbHR 1996, 73, 77; ihm folgend Hüffer, § 278 AktG Rdnr. 9. Ohnehin wird die „kleine AG“ als denkbare Alternative zur GmbH angesehen, näher Planck, GmbHR 1994, 501 ff. 7 Näher Haase, GmbHR 1997, 919.

74

|

H. P. Westermann

Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

wünschten – Beseitigung der Geschlossenheit des Gesellschafterkreises zwingt. Die Mitbestimmung ist durch das Fehlen der Personalhoheit des Aufsichtsrats abgeschwächt.

II. Die Quellen des GmbH-Rechts 1. Das GmbHG und seine Nebengesetze Schon in der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist ein Bruch angelegt zwischen den kapitalgesellschaftlichen Zügen des gesetzlichen Typus und dem praktischen Bedürfnis an einer personalistischen Innenstruktur bei beschränkter Haftung aller Mitunternehmer (Rdnr. 1, 2). Der zunächst für die neue Gesellschaftsform vorgeschlagenen weit gehenden Verweisung auf das Recht der OHG stand von Anfang an auch der Gedanke gegenüber, dass das früher sehr liberale, durch die Reform des Jahres 1884 stärker formalisierte Aktienrecht durch die Einführung einer kollektivistischen Gesellschaftsform mit eigener juristischer Persönlichkeit, Mehrheitsherrschaft, beschränkter Haftbarkeit der Mitglieder und Verzicht auf Bilanzpublizität ergänzt werden solle1. Die zuständigen Ministerien haben sich über die Bedürfnisse der Wirtschaft durch zahlreiche Gutachten der Handelskammern und kaufmännischen Korporationen informiert, von den beteiligten Abgeordneten standen einige ebenfalls mit diesen Organisationen in Verbindung. Gemeinsamer Tenor aller Überlegungen zur Schaffung der GmbH war das Offenhalten praktischer Entwicklungsmöglichkeiten in einem möglichst knapp gehaltenen, auch zum Gebrauch nicht juristisch gebildeter Geschäftsführer taugenden Gesetz. Zu dem Entwurf wurde sogar mit einem gewissen Erstaunen vermerkt, dass er ohne Verweisungen auf die Normierung vorhandener Gesellschaftsformen auskomme, was durch die Verbindung weithin eingeräumter Gestaltungsfreiheit für den Gesellschaftsvertrag und auf der anderen Seite Zulässigkeit der Verfolgung ganz verschiedener wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Zwecke erreicht worden sei2. Dabei war aber auch klar, dass die Haftungsbeschränkung gesetzgeberische Vorkehrungen zur finanziellen Ausstattung der Gesellschaft notwendig machte. Eine Vorbildfunktion des Aktienrechts hat es im Wesentlichen nur in diesem Bereich gegeben, die Anlehnung an das Personengesellschaftsrecht ist im Lauf der Diskussion um die durch die GmbH zu erfüllenden praktischen Bedürfnisse in den Hintergrund getreten.

56

Neben dem GmbHG selbst sind Quellen des GmbH-Rechts einige Gesetze, deren die GmbH betreffende Anordnungen nicht in den Text des GmbHG eingearbeitet worden sind: Die Umwandlung und die sonstigen unternehmensstrukturellen Maßnahmen unter Beteiligung von GmbH sind jetzt umfassend im UmwG vom 28. 10. 1994 geregelt, siehe dort §§ 46–59 (Verschmelzung), 138–140 (Spaltung), 226–257 (Formwechsel). Das für die Aktiengesellschaften durch § 33 EGAktG aufgehobene Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesell-

57

1 Zu den diesbezüglichen Wünschen der Handelspraxis vor Erarbeitung des Gesetzesentwurfs und zur Diskussion über den Entwurf eingehend Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 10 ff. 2 Auch dazu eingehend Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 23 ff.

H. P. Westermann

|

75

Einleitung

Quellen des GmbH-Rechts

schaftsmitteln vom 23. 12. 1959, das zunächst auch für die GmbH gegolten hatte, ist durch das UmwBerG in die §§ 57c bis o eingefügt worden. Die Vorschriften des BilanzrichtlinienG sind in die auch die GmbH erfassenden Regelungen der §§ 264 ff. HGB eingegangen. Die InsO enthält Bestimmungen über Antragspflichten und Eröffnungsvoraussetzungen. Schließlich enthält das FGG Vorschriften über die Löschung oder Auflösung nichtiger Gesellschaften (§§ 144, 144a) sowie in § 144b über die Auflösung wegen Nichterfüllung der Verpflichtungen aus § 19 Abs. 4 GmbHG. 58

Zu erwähnen sind ferner Vorschriften, die sich vorsichtig als unternehmensrechtlich kennzeichnen lassen: Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der eisen- und stahlerzeugenden Industrie vom 21. 5. 1951 (BGBl. I, 347) und Ergänzungsgesetz hierzu vom 7. 8. 1956 (BGBl. I, 707). Die hier geregelte und damit auch für die GmbH gültige so genannte Montan-Mitbestimmung gilt weiter neben der ebenfalls für die GmbH anwendbaren unternehmerischen Mitbestimmung nach dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4. 5. 1976 (BGBl. I, 1153). Die Größenklassen der unternehmensrechtlichen Mitbestimmung sind für die GmbH dieselben wie für die AG, § 4 MitbestG enthält eine Sonderregelung für die GmbH & Co. KG (s. zum Ganzen die Übersicht in Rdnr. 86 sowie die Erläuterungen zu § 52).

2. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes 59

Die Entwicklung ist vielfach dargestellt worden1. Am Anfang stand der Gedanke, die zwischen AG und OHG bzw. KG klaffende Lücke durch eine neue Gesellschaftsform zu schließen; dies sollte zwar im Zuge der Arbeiten an der Neukodifikation des Handelsrechts zunächst zurückgestellt werden, wurde aber von einer verbreiteten Meinung besonders der Wirtschaftsorganisationen stark gefördert. Dies hing auch mit der Aufgabe des Konzessionsprinzips in den wichtigen Industrieländern zusammen. Die seinerzeit wichtige Frage der Kolonialgesellschaften, aber auch die Bedürfnisse des heimischen Handels und der Industrie überzeugten neben den Wissenschaftlern2 insbes. die Reichtagsabgeordneten Oechelhäuser und Hammacher von der Notwendigkeit einer neuen Gesellschaftsform, insbesondere mit dem Ziel, die Organisation und Finanzierung eines größeren, nicht selbst für das Unternehmen tätigen Gesellschafterkreises von den starren Regeln des Aktienrechts frei zu machen. Ursprünglich sollte auch die Finanzierung des typischerweise auftretenden großen Kapitalbedarfs in einer für die Gesellschaft zumutbaren Weise durch ein System von Zubußen und Preisgabe des Anteils gelöst werden. Eine Befragung der Handelskammern ergab freilich gerade für diese Form weniger Interesse, da man das 1 Zu den Vorüberlegungen bis zum Jahre 1889 Rießer, Beilage ZHR 35 (1888), 290 ff.; im Übrigen s. Fränkel, S. 5 ff.; Hadding, in: FS Reichsjustizamt, S. 307 ff.; Feine, S. 1 ff.; Wieland, Handelsrecht II, S. 264 ff.; Schubert, Quaderni Fiorentini, 1982/83, S. 598 ff.; Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 1 ff.; Koberg, Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992, S. 35 ff. 2 Nachweise bei Feine, S. 2; über kritische Stimmen bald nach Vorliegen des Entwurfs bzw. Inkrafttreten des Gesetzes Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 27 f., 40 f.

76

|

H. P. Westermann

Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

Zubußensystem für mittlere und kleinere Unternehmen nicht als geeignet ansah, zumal ihm eine gewisse Gefahr für den Minderheitenschutz anhaften sollte1. Auch die Kolonialgesellschaften konnten in dieser Hinsicht keine Anhaltspunkte geben. Stattdessen trat nun der von Oechelhäuser geförderte Gedanke einer Gewährung des Haftungsprivilegs auch an einen kleineren Kreis zusammenarbeitender Gesellschafter in den Vordergrund, der als passend für das Ganze „moderne Erwerbsleben“ empfunden wurde2. Er führte zu einem ausgearbeiteten Gesetzentwurf von prägnanter Kürze3, der Oechelhäusers Zustimmung besonders deshalb fand, weil es gelungen sei, den Raum zwischen der OHG und der AG „mit einmal“ zu überbrücken4. Die befragten Handelskammern neigten am ehesten einer Form zwischen „individualistischen und kollektivistischen Gesellschaften“ zu, ohne so weit gehen zu wollen wie Hammacher, der im Wesentlichen nur eine Lockerung der starren Gründungs- und Organisationsvorschriften der AG anstrebte5. In dieser Situation wollte der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung6 eine Mittelstellung zwischen der personalistischen und der kapitalistischen Konzeption schaffen (S. 35), die sich in großen Teilen an den vermuteten Vorstellungen der Wirtschaft ausrichtete. Dieser Vorschlag wurde nach nur kurzer Beratung, in der der Entwurf besonders von Oechelhäuser trotz seiner ursprünglich andersartigen Vorstellungen lebhaft unterstützt und vom Reichstag nur geringfügig geändert wurde7, am 21. 3. 1892 verabschiedet, um am 10. 5. desselben Jahres in Kraft zu treten. Die Absicht, zwischen personalistischer und kapitalistischer Grundordnung zu vermitteln, bestimmte zeitweise auch noch die Rechtsprechung zum GmbHG8. Das Schwanken zwischen den beiden Grundtypen wurde sogar als mitursächlich dafür erklärt, dass die GmbH zu einem der bestimmenden Faktoren der deutschen Wirtschaftsgeschichte der Wilhelminischen Periode geworden sei und „deren innere Zwiespältigkeiten“ geteilt habe9. Dabei bestand lange Zeit kein prinzipieller Zweifel an der Richtigkeit der vom Gesetzgeber gewährten Gestaltungsfreiheit bezüglich des Innenverhältnisses. Bedenken stellten sich erst ein, als klar wurde, dass im Gegensatz zur Vorstellung des Entwurfs (S. 34) die Zahl der Gesellschafter meistens doch eine „ganz geringe“ war, die sich die 1 S. hierzu die Korrespondenz der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin, 1888, S. 66 ff. und die weiteren bei Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 1 ff., ausgewerteten Kammergutachten. Erschöpfend insoweit Koberg, Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992, S. 78 ff. 2 Stenographische Berichte des Reichstags, IV. Session 1884, Bd. I, S. 220 f. 3 Abgedr. bei Wieland, Handelsrecht II, S. 399; Schilling, in: FS Kunze, 1970, S. 205. 4 Nachw. dazu bei Lutter, GmbHR 1992, 419. 5 Stenographische Berichte des Reichstages, II. Session 1887/88 Bd. II, S. 77 f. Über die Diskussion im Reichtstag eingehend Koberg, Die Entstehung der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992, S. 164 ff. 6 Herausgegeben vom Deutschen Handelstag 1892; Nachw. zu den näheren Umständen der Überlegungen im Reichsjustizamt Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 1, 22 ff. 7 Nachw. dazu bei Lutter, GmbHR 1992, 419. 8 RGZ 80, 387; 82, 329. 9 Feine, S. 12.

H. P. Westermann

|

77

60

Einleitung

Quellen des GmbH-Rechts

beschränkte Haftung zunutze machten. Schon im Jahre 1929 urteilte daher Feine (S. 12), das Gesetz und mehr noch die daran anschließende Entwicklung bezüglich der Ein-Mann-Gesellschaft habe „dem Grundsatz der beschränkten Unternehmerhaftung ein Feld von einer Weite eröffnet“, „an das man noch vor einem Jahrzehnt gar nicht zu denken wagte“. Ein weiterer Grund für die Fehleinschätzung der künftigen Entwicklung lag darin, dass man sich von dem Zubußesystem eine Garantie finanzieller Solidarität der Unternehmen versprochen hatte (Entwurf, S. 31 ff., 38, 40 ff.), die in der zum Gesetz gewordenen Regelung der Nachschusspflicht jedoch nicht erreicht wurde1 und auch heute bekanntlich nicht erreicht werden kann. Die Zahl der GmbH stieg in allen Branchen schnell an, wobei die Verteilung auf die verschiedenen Wirtschaftszweige von Anfang an Ähnlichkeit mit der heutigen Lage (Rdnr. 40 ff.) aufweist2. Die Konkursstatistik war zunächst nicht besonders auffällig, zumal man sich offenbar schon zu dieser Zeit über die begrenzte Bedeutung der persönlichen Haftung für das Verhalten der Vertragspartner der Gesellschaften klar war3. In der Rechtsprechung tauchten aber schon früh Probleme der Umgehung der Vorschriften über die Kapitalaufbringung im Zusammenhang mit Sacheinlagen auf4. Dennoch ist die Kritik an der GmbH im Zeichen der Vorbehalte gegen die Haftungsbeschränkung zum großen Teil aus theoretischen und ideologischen Erwägungen begründet, die z.T. auch der später aufkommenden GmbH & Co. KG galten, dann allerdings durch ein zunehmend schlechtes Bild der GmbH bei den Insolvenzen bestätigt wurden.

3. Die Reform vom Jahre 1980 61

Obwohl das Gesetz lange Zeit eine gute Presse gehabt hatte, so z.B. im Jahre 1953 noch als „genialer Wurf des Gesetzgebers von 1892“ bezeichnet worden war5, der „weit mehr Lob als Tadel verdiene“6, führten hauptsächlich die sogen. Säuglingssterblichkeit der GmbH, ihre verhältnismäßig schlechte Stellung in der Konkursstatistik sowie die in Rdnr. 35 ff. skizzierten Entwicklungen zu weit gehenden Reformvorschlägen7. Ein am 5. 11. 1971 dem Bundesrat zugeleiteter, ausführlich begründeter RegE eines neuen GmbHG (BT-Drucks. 595/ 71), der auf einem RefE vom Jahre 1969 beruhte, legte ein in allen Teilen neu formuliertes Gesetz vor. Die Diskussion um diese Reform begann auf der Grundlage des RefE im Jahre 1969 mit einem Aufschrei, indem Wiethölter8 behauptete, der Entwurf werde die GmbH nicht reformieren, sondern ermorden. Das Gespenst einer verfehlten GmbH-Reform9 sowie die Befürchtungen

1 2 3 4 5 6 7

Übersicht über kritische Stimmen bei Feine, S. 5 f. Zusammenstellung bei Schubert, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 30 ff. S. Bauer, Holdheims Wochenschrift, 1895, S. 3 ff. RGZ 36, 108; 41, 120. Vogel, GmbHR 1953, 137. Ballerstedt, GmbHR 1967, 66, 71. S. den Überblick von Geßler, GmbHR 1966, 102 ff.; ausführliche Darstellung bei Mosthaf, Die Reformen des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 1994. 8 Probleme der GmbH, S. 11; dazu Mosthaf, S. 31 ff. 9 Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft, S. 171.

78

|

H. P. Westermann

Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

um den Bestand der Unternehmensform als ganzer1, verbunden mit der Befürchtung, ein so stark an das AktG angelehntes Gesetz könne für Laien nicht mehr zu handhaben sein, mögen den Rechtsausschuss des Bundestages und insbesondere die von ihm eingesetzte interfraktionelle Arbeitsgruppe mit dazu veranlasst haben, das Programm des zweiten RegE vom Jahre 1977 (BT-Drucks. 8/1347) so radikal zusammenzustreichen, dass dem Ausschuss die ehrenvolle Bezeichnung als „Streichtrio“ zuerkannt wurde2. In dieser Form ist das Gesetz am 11. 7. 1980 verkündet worden (BGBl. I 1980, 836) und am 1. 1. 1981 in Kraft getreten. Die Novelle hat es bei der Einfügung einiger in der absoluten Zahl nicht allzu bedeutender Bestimmungen in das im Übrigen unveränderte Gesetz vom Jahre 1892 belassen. Dennoch ist die Bedeutung der Reform, nicht nur für die GmbH, sondern auch für die GmbH & Co. KG und sogar die AG nicht zu übersehen. Freilich sollte die vielseitige Verwendungsmöglichkeit für die GmbH, damit also die Gestaltungsfreiheit für das Innenverhältnis, namentlich aber auch die Verwendbarkeit der Rechtsform für mittelständische und Kleinunternehmen bis hin zum handwerklichen Betrieb aufrecht erhalten bleiben3, ohne ihre Eignung für große „kapitalistische Unternehmungen“ einzubüßen. Das ist nach wie vor als im Wesentlichen geglückt anzuerkennen, ohne dass freilich die Novelle einige zum Teil für dringlich gehaltene Probleme im unternehmensund gesellschaftsrechtlichen Bereich gelöst hätte, etwa durch ein umfassendes Konzept für die GmbH & Co. KG unter Einschluss der Publikumsgesellschaften oder durch die Einfügung der Aufsichtsratsmitbestimmung in eine Rechtsform, in der es für ein Kontrollorgan keine genuine Aufgabe gibt. Es fehlen auch weiterhin Anhaltspunkte für die Lösung praktisch so wichtiger Probleme wie das der Ausschließung von GmbH-Gesellschaftern4 sowie nicht weniger verfahrensrechtlicher Aspekte der Anfechtungsklagen bei Binnenstreitigkeiten unter Gesellschaftern und Organen der GmbH5.

62

In nicht wenigen Punkten hat die Reform die rechtsfortbildende Judikatur nachgezeichnet, etwa bei der Differenzhaftung der Sacheinleger. Sie hat aber schon hierbei nicht durchweg eine glückliche Hand bewiesen, etwa bei dem Versuch der Kodifizierung der Rechtsprechungsgrundsätze zum kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, da nach einer Zeit der Unsicherheit vor Inkrafttreten der Novelle6 nach dem BGH neben dem in §§ 32a, b niedergelegten neuen

63

1 „Gefahr für die GmbH“, hrsg. vom DIHT 1969; auch Kreplin, BB 1970, 93; aus heutiger Sicht auch Zöllner, JZ 1992, 381, 382. 2 Ulmer, in: Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, S. 55, 67; Bericht des Rechtsausschusses – BT-Drucks. 8/3908 – auch abgedruckt in ZIP 1980, 392 ff.; zur Geschichte der Reform im Übrigen Deutler, in: Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, S. 3, 4 ff.; Mosthaf, S. 56 ff. 3 Näher Claussen, GmbHR 1996, 73 ff.; s. im Einzelnen den Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucks. 8/3908. 4 S. etwa Eser, DB 1985, 29 ff.; H. P. Westermann, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 447, 468. 5 S. dazu den rechtsvergleichenden Überblick bei Lutter, ZGR 1998, 191 ff.; ferner Schröder, GmbHR 1994, 532. 6 Dazu K. Schmidt, ZGR 1980, 567; zur Entstehungsgeschichte Mosthaf, S. 54 ff.

H. P. Westermann

|

79

Einleitung

Quellen des GmbH-Rechts

Recht nach wie vor die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung gelten1, die ständig weiter ausgebaut wurden, bis der Gesetzgeber gewisse, praktisch allerdings wohl weniger wichtige Beschränkungen vorgesehen hat2; über die diesbezüglichen Ansätze des RefE eines MoMiG s. Rdnr. 179 ff. Der Rechtsprechung überlassen blieb im Wesentlichen auch die bilanzielle Behandlung derartiger Finanzierungsinstrumente. Die Differenzhaftung nach § 9 wird nach überwiegender Ansicht trotz der fast drakonischen Härte des Konzepts für die Partner eines Sacheinlegers als sachgemäß betrachtet, wohl weil vielfach bei der GmbH-Gründung Versuche der Gründer und ihrer Berater gesehen werden, die Regeln einer effektiven Kapitalaufbringung zu umgehen. Dagegen begegneten die Vorschriften über die Einmann-Gründung zunächst herber Kritik und lassen sich, was insbesondere die in § 7 Abs. 2 Satz 3 vorgeschriebene Sicherheitsleistung des Gründers anbelangt, nur bei Anwendung eines konstruktiven Scharfsinns lösen, wie er kaum noch gerechtfertigt erscheint, wenn man bedenkt, dass die früher geläufige Praxis der Strohmann-Gründung nicht ausgeschlossen wurde3. Weniger Beachtung fand trotz der Meinungsverschiedenheiten, die über diesen Punkt geherrscht hatten, die Erhöhung des Mindest-Stammkapitals von 20 000 auf 50 000 DM. Die Kritik der Praxis an der als sehr weitgehend empfundenen zwingenden Neuregelung der Informationsrechte der Gesellschafter4 ist in der Rechtsprechung, die das neue Recht im Allgemeinen extensiv handhabt5, ohne große Wirkung geblieben. Der Entschluss des Gesetzgebers, auf eine Kodifizierung des Konzernrechts zu verzichten, wird erst in neuester Zeit etwas zaghaft problematisiert (s. oben Rdnr. 51), nachdem die Rechtsprechung den ihr hierdurch erwachsenden Freiraum für richterrechtliche Lösungen zu Konzeptionen genutzt hat, die nicht mehr durchweg ohne eine Legitimation durch gesetzgeberische Akte zum Gesellschaftsrecht auskommen konnten und inzwischen teilweise revidiert worden sind (s. Rdnr. 51).

4. Reformen des Jahres 1998 63a

Das UmwG, dessen Regelungen zwar nicht die Ordnung existierender GmbH betreffen, aber den möglichen Wechsel aus der Rechtsform der GmbH und aus anderen Formen in die GmbH (Nachw. in Rdnr. 57), ist gerade für die GmbH, deren Anwendungsfeld zwischen den Typen der mittelständischen Unterneh1 Grundlegend BGHZ 90, 370, 376 = NJW 1984, 1891 = ZIP 1984, 698, 699. 2 Übersicht bei Dauner-Lieb, DStR 1998, 609; Seibert, GmbHR 1998, 309; H. P. Westermann, in: FS Zöllner, 1999, S. 607, 611 ff.; scharf kritisch v. Gerkan, GmbHR 1997, 677 ff.; anders Dörrie, ZIP 1999, 12 ff. 3 Lutter, DB 1980, 1320; die Lösung der damaligen Reform wurde daher als Danaergeschenk bezeichnet von Ulmer, BB 1980, 1001; nicht ganz so kritisch Fezer, JZ 1981, 608; s. aber auch Flume, DB 1980, 1781; Brinkmann, GmbHR 1982, 269 ff.; Hüffer, ZHR 142 (1978), 486; K. Schmidt, ZHR 145 (1981), 540. 4 Dazu näher Lutter, ZGR 1981, 1 ff.; Grunewald, ZHR 146 (1982), 211 ff.; Mertens, in: FS Werner, 1984, S. 557. 5 S. etwa OLG Köln, WM 1986, 36; BayObLG, WM 1988, 1791; zur Vollstreckung BayObLG, WM 1989, 372; zur missbräuchlichen Ausübung Marsch-Barner, WM 1984, 41; v. Bitter, ZIP 1981, 825; Übersicht über die Praxis bei Gustavus, GmbHR 1989, 181; kritische Aufforderung zur abweichenden Satzungsregelung bei Lutter/Hommelhoff, § 51a Rdnr. 33; s. aber auch Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 93.

80

|

H. P. Westermann

Einleitung

Quellen des GmbH-Rechts

mung, des Instruments im Rahmen von Unternehmensgruppen, und dem Großunternehmen liegt, von besonderer Bedeutung, die möglicherweise im Gesetz nicht hinlänglich berücksichtigt ist1. Die großen Reformen des Kapitalgesellschaftsrechts, die gewisse Impulse auch aus der Standortdebatte erhalten haben, aber in der rechtspolitischen Zielsetzung viel weiter griffen, indem sie vor allem die Kontrolle der Unternehmensführung durch Gesellschafter verbessern und die Unabhängigkeit der Rechnungsprüfung stärken, daneben aber auch Elemente der „corporate governance“ verbessern wollten, haben auch für die GmbH Auswirkungen gehabt. Das gilt besonders auch für das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 1. 5. 19982, daneben auch für das KapitalaufnahmeerleichterungsG vom 20. 4. 19983, das besonders im Kapitalersatzrecht stark umstrittene Änderungen gebracht hat. Im Vordergrund stehen indessen die Neuregelungen der Rechnungslegung4. Sie erweitern den Umfang der Anforderungen an den Lagebericht (§§ 289 Abs. 1, 315 Abs. 1 HGB), indem nicht nur auf die voraussichtliche Entwicklung, sondern in diesem Rahmen auch auf künftige Risiken einzugehen ist, wobei über das Verständnis des „Risikos“ Meinungsverschiedenheiten möglich sind. Gem. § 317 Abs. 2 HGB erstreckt sich auf diesen Punkt nunmehr auch die Abschlussprüfung. Nach wie vor können allerdings „kleine“ GmbH i.S. des § 267 Abs. 1 HGB auf einen Lagebericht verzichten. Die Regeln zur Information über mehr als 5% ausmachende Beteiligungen großer Kapitalgesellschaften sind nur für solche GmbH relevant, die Bankgeschäfte i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG betreiben. Betroffen ist die GmbH u.U. auch von den Bestimmungen über das Verhältnis des Konzernabschlusses nach dem HGB zu einem nach internationalen Regeln aufgestellten Konzernabschluss; für vertraglich konzernierte GmbH ändert sich aber nichts daran, dass sie ihr Rechenwerk an den für die Muttergesellschaft geltenden Vorschriften ausrichten müssen und durch den Konzernrechnungsprüfer geprüft werden. Die besonders durch das KonTraG verstärkten Pflichten zur Einrichtung eines internen Überwachungs- und Frühwarnsystems haben zu einer ausdrücklichen Erweiterung oder Konkretisierung der Pflichten des GmbH-Geschäftsführers offenbar keinen Anlass gegeben, doch sind entsprechende Anforderungen an die Geschäftsführer großer Unternehmen nicht von der Hand zu weisen (zur entsprechenden Anwendung von Aktien- auf das GmbH-Recht Rdnr. 75 f.).

5. Die GmbH im Prozess der europäischen Rechtsangleichung Naturgemäß nimmt die GmbH an der Gesamtentwicklung des europäischen Unternehmensrechts in vollem Umfang teil, wozu auch der Einfluss der EG auf das Steuerrecht gehört. Gesellschaftsrechtlich stehen die deutsche GmbH und ihre (weitgehenden) Entsprechungen in den anderen Mitgliedstaaten der EU sowie auch in anderen Rechtsordnungen im Mittelpunkt der neueren, haupt-

1 Hierzu im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion um das Gesetz näher Kallmeyer, GmbHR 1993, 461 ff. 2 BGBl. I 1998, 786 ff.; zur Auswirkung des Gesetzes auf die GmbH im Einzelnen Altmeppen, ZGR 1999, 291. 3 BGBl. I 1998, 707 ff. 4 Zum Folgenden Küting/Hütten, AG 1997, 250 ff.; Remme/Theile, GmbHR 1998, 909 ff.

H. P. Westermann

|

81

64

Einleitung

Quellen des GmbH-Rechts

sächlich durch die Judikatur des EuGH angestoßenen Entwicklung des internationalen Gesellschaftsrechts, über die hier (Rdnr. 87 ff., 156 ff.) im Einzelnen zu berichten ist. Dabei spielen aber auch die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien der EG eine große Rolle, weil die Normen des nationalen Handels- und Gesellschaftsrechts einschließlich des auf die Gesellschaften anwendbaren Kollisionsrechts im Licht der EU-Richtlinien auszulegen sind. Die Bedeutung der Richtlinien erschöpft sich also nicht darin, dass sie durch ihre Umsetzung zu Rechtsquellen des Gesellschaftsrechts geworden sind, sondern sie erfordern weiterhin eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts. Die Zahl der gesellschaftsrechtlich relevanten Richtlinien ist inzwischen beträchtlich, einige auch die GmbH und das internationale Gesellschaftsrecht betreffenden sind noch in Vorbereitung. 65

Das auch für die GmbH bedeutsame BiLiRiG geht auf die 4., 7. und 8. Richtlinie der EG zurück und ist ins deutsche Recht umgesetzt worden, wenn auch vielleicht nicht ohne einzelne – eher geringfügige – Beanstandungen1, die damit zusammenhängen, dass das europäische Bilanzrecht als Ganzes sich im Umbruch befindet2. Die Regelungen betrafen zunächst nur die Kapitalgesellschaften, sind aber durch eine eigens auf die GmbH & Co. KG gemünzte ergänzende Richtlinie3 auch auf diese (typisch deutsche) Unternehmensform ausgedehnt worden. Die ursprünglichen Richtlinien-Bestimmungen betrafen die Zusammensetzung des Jahresabschlusses, Gliederung und Inhalt von Bilanz und G & V-Rechnung sowie die Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses. Von Anfang an waren in Bezug auf Art und Intensität der Publizität der Rechnungslegung im Rahmen der Bildung von Größenklassen kleineren Gesellschaften, damit einem nicht unerheblichen Teil der GmbH, Erleichterungen eingeräumt worden, wonach die hierfür maßgeblichen Schwellenwerte Änderungen unterworfen wurden, die der deutsche Gesetzgeber ebenfalls nachvollzogen hat4. Die für größere Unternehmensgruppen im internationalen Bereich vielfach geforderte und inzwischen weitgehend durchgesetzte Möglichkeit (und teilweise Notwendigkeit), internationale Rechnungslegungsstandards anzuwenden, ist für die in einen Konzern eingefügte GmbH voll, für die unverbundene Gesellschaft dagegen vorläufig noch nicht zu beachten. In dieser Hinsicht ist aber die Entwicklung im Fluss.

66

Auch im internationalen Gesellschaftsrecht zu beachten ist die die GmbH, aber nicht die GmbH & Co. KG als solche erfassende Publizitätsrichtlinie, die bezweckt, die das Außenverhältnis der Gesellschaften, hauptsächlich die Vertretung durch Organe und Organpersonen sowie die Offenlegung des haftenden Kapitals betreffenden Regeln zu vereinheitlichen5. Von der Offenlegungspflicht

1 Biener, GmbHR 1978, 197 ff.; Hennrichs, ZGR 1997, 66 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 192 ff., zum Ganzen auch schon Centrale für GmbH, GmbHR 1979, 49 ff. 2 Van Hulle, ZGR 2000, 537; Grünwald, in: FS Koppensteiner, 2001, S. 15 ff. 3 RL 90/605/ABl. EG Nr. L 317 v. 16. 11. 1990, S. 60; zur Umsetzung durch das Richtlinien-G im Einzelnen Zimmer/Eckhold, NJW 2000, 1361 ff. 4 Durch das „Bilanzrechtsreformgesetz“ vom 4. 12. 2004, BGBl. I, 3166. 5 Richtlinie vom 9. 3. 1968, ABl. EG Nr. L 65 v. 14. 3. 1968, S. 8, geändert durch Richtlinie 2003/58/EG vom 15. 7. 2003, ABl. EG Nr. L 221 v. 4. 9. 2003, S. 13.

82

|

H. P. Westermann

Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

erfasst sind insbesondere Angaben über Einzel- oder Gesamtvertretung der Gesellschaft durch Organpersonen, während die Vorstellung, dass generell jeder Jahresabschluss publiziert werden müsse, sich zumindest für kleinere Gesellschaften bisher nicht durchzusetzen scheint. Das Richtlinienrecht schreibt aber Eintragungen bei einem zentralen Handels- oder Gesellschaftsregister, öffentliche Bekanntmachungen der dort erfolgten Eintragungen sowie auch bestimmte Angaben auf den Geschäftsbriefen der Gesellschaft vor, was besonders beim Auftreten im europäischen Ausland gegründeter Gesellschaften in einem der EU-Mitgliedstaaten praktische Bedeutung gewonnen hat (Rdnr. 124). Umfangmäßige Beschränkungen der Vertretungsmacht sowie die Geltendmachung von Gründen, aus denen eine – auch im Außenverhältnis wirkende – Nichtigkeit der Gesellschaft folgen könnte, werden ebenfalls durch Richtlinienrecht in ihrer Wirkung eingegrenzt. Da die Kapitalrichtlinie, die die Finanzierung von Aktiengesellschaften bei ihrer Gründung sowie bei Änderung und Erhaltung des Kapitals betrifft1, nur für Aktiengesellschaften gilt, sind Auswirkungen für das GmbH-Recht nicht unmittelbar zu erwarten. Allerdings sind die Änderungsvorschläge, die z.T. eine Flexibilisierung namentlich der Regeln über Kapitalaufbringung und -erhaltung betreffen, auch für das GmbH-Recht nicht uninteressant, weil derartige Entwicklungen in einem nationalen Recht auch auf die „kleine“ Kapitalgesellschaft durchschlagen können und dann im Zuge der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit (Rdnr. 100 ff.) von den im Ausland gegründeten Gesellschaften ins Inland „mitgenommen“ werden könnten. In diesem Zusammenhang ist freilich auch bemerkenswert, dass das in der Kapitalrichtlinie für die AG festgeschriebene Prinzip eines festen Mindestkapitals2 gerade für die GmbH – nach den legislatorischen Maßnahmen mancher EU-Mitgliedstaaten zu urteilen – ein wenig auf dem Rückzug ist. Im Gegensatz hierzu hat die Zweigniederlassungsrichtlinie vom 21. 12. 19893, durch die die in der Publizitätsrichtlinie (Rdnr. 66) geschaffenen Offenlegungspflichten auf Zweigniederlassungen in der Weise ausgedehnt wurden, dass die Niederlassungen ausländischer Gesellschaften durch eine Tochtergesellschaft derselben Publizität unterliegen, große Bedeutung für das internationale Gesellschaftsrecht dadurch erlangt, dass die Regelung auch für solche Gesellschaften gilt, die – ohne Tochtergesellschaften einer ausländischen Gesellschaft zu sein – im europäischen Ausland gegründet sind, einen Verwaltungssitz aber nur in einem anderen Mitgliedstaat haben4 (im Einzelnen Rdnr. 112 ff.). Die Richtlinie ist ins deutsche Recht in die §§ 13 ff. HGB eingegangen. Bei der Anwendung ist – im Sinne von Richtlinienkonformität – vor allem von dem Gedanken auszugehen, dass die Publizität von Zweigniederlassungen und dann 1 Richtlinie 77/91/EWG vom 13. 12. 1976, ABl. EG Nr. L 26 v. 31. 1. 1977, S. 1. 2 S. die Darstellung durch Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 189; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 314 ff.; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 135 ff.; abgedr. bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 114–127. 3 ABl. EG Nr. L 395 v. 30. 12. 1989, S. 33, 36; dazu Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 117 ff.; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 793 ff.; abgedr. bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 269–273. 4 Zu der dadurch begründeten Wahlmöglichkeit zwischen Zweigniederlassung und Tochtergesellschaft Schön, EWS 2000, 281.

H. P. Westermann

|

83

67

Einleitung

Quellen des GmbH-Rechts

auch von EU-Auslandsgesellschaften in den Mitgliedstaaten gleich oder gleichwertig zu sein hat, was es (auch) verbietet, die Offenlegungspflichten über den Standard der Richtlinie hinaus zu verschärfen. Auf der Zweigniederlassungsrichtlinie beruhen auch die Vorschriften über Offenlegung der Rechnungslegung in § 325a HGB und über die Angaben auf Geschäftsbriefen (§ 35a Abs. 4). 68

Ebenfalls aus dem Jahre 1989 stammt die Einpersonengesellschaftsrichtlinie1, die Einpersonen-Gesellschaftsgründungen in allen Mitgliedstaaten ermöglichen soll, grundsätzlich, ohne dass daran die persönliche Haftung des „Einmanns“ geknüpft werden darf, ebensowenig grundsätzlich bei Veränderungen des Gesellschafterbestandes auf eine Person, was aus der Sicht der Länder, die als Grundlage auch einer Kapitalgesellschaft einen Vertrag forderten, eigentlich nicht sein kann2. Hiervon sind aber Ausnahmen möglich für den Fall, dass der „Einmann“-Gesellschafter eine juristische Person ist, desgleichen dann, wenn der (natürliche) „Einmann“ auch alleiniger Gesellschafter anderer Gesellschaften ist. Von dieser Ausnahme haben einige Rechtsordnungen der Gemeinschaft Gebrauch gemacht, etwas darüber hinausgehend etwa Italien für den Fall der Insolvenz einer Einmann-Gesellschaft (Rdnr. 167)3. Solche Beschränkungen führen fast zwangsläufig dazu, dass getreu der früheren Praxis die Reduzierung des Gesellschafterkreises auf eine Person durch die Hinzunahme von Treuhändern oder Splitter-Beteiligten vermieden wird, ähnlich, wenn mit der EinmannGründung Nachteile verbunden sind4. Da außerdem die Ungleichbehandlung der Einmann-Aktiengesellschaft in mehreren europäischen Rechtsordnungen Brüche im System des Kapitalgesellschaftsrechts schafft, ist insgesamt die Verschiedenheit der Rechtslagen der Einmann-Gesellschaften durch die Richtlinie nicht beseitigt, sondern nur auf andere Felder verschoben worden, was sich in der Praxis so lange nicht auswirkt, als derartige Entwicklungen des Gesellschafterkreises vermieden oder umgangen werden. Das zeitweilige Sonderproblem des deutschen Rechts, das mit der Gefahr der Qualifikation eines anderweit unternehmerisch tätigen Einmann-Gesellschafters als Spitze eines qualifizierten faktischen Konzerns zusammenhing, ist durch die Änderung der Rechtsprechung zu diesem Gebilde wohl erledigt5. Die Übernahmerichtlinie und die Sitzverlegungsrichtlinie6 bewirken bzw. erstreben bedeutende Wandlungen im nationalen Sachrecht sowie im Gesellschafts-Kollisionsrecht (zum Letzteren Rdnr. 140 ff.), was auch für die GmbH Bedeutung haben wird, wenn auch die dadurch gelösten bzw. auch neu aufgeworfenen Probleme allgemein – kapital1 Elfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 21. 12. 1989, ABl. EG Nr. L 395 v. 30. 12. 1989, S. 33, 40; abgedr. bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 269–273; dazu näher Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 286 ff.; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 318 ff.; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 278–280. 2 Dazu die Erörterungen bei Lutter, in: FS Brandner, 1996, S. 81, 83. 3 Italien beschränkte schon vor der Richtlinie die Zulässigkeit der Einmann-Gesellschaft durch die Anordnung persönlicher Haftung des „Einmanns“, Lutter, in: FS Brandner, 1996, S. 84. 4 So Lutter, in: FS Brandner, 1996, S. 90 mit Blick auf das belgische Recht. 5 Näher Wendt, in: Spahlinger/Wegen, Abschn. D Rdnr. 832. 6 Zu den Entwürfen Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 224 f., 228 ff.; zur Übernahmerichtlinie Wendt, in: Spahlinger/Wegen, Abschn. D Rdnr. 833 ff.

84

|

H. P. Westermann

Einleitung

Quellen des GmbH-Rechts

gesellschaftsrechtlich sind und im ersteren Fall zusätzliche kapitalmarktrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ob darüber hinaus die rechtsangleichenden Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaft in absehbarer Zeit zu einer wesentlichen Vereinheitlichung der materiellen nationalen Regeln der „kleinen“ Kapitalgesellschaften führen werden, ist als Frage dagegen noch spekulativ; eine sehr intensive Vereinheitlichung ist aus der Sicht des praktischen Bedürfnisses nach einem ins nationale Recht stimmig eingefügten Gleichgewicht von Gläubigerschutz und Gestaltungsfreiheit sowie Minderheitenschutz und Anreizen für Investitionen nicht einmal wünschenswert. Zu den Änderungen des GmbH-Rechts durch die Einführung des Euro und die diesbezügliche Übergangsregelung s. 9. Aufl. Rdnr. 54.

6. Der Einfluss anderer Rechtsnormen auf das GmbH-Recht Das bereits in der Entwicklungsgeschichte des GmbHG angelegte Spannungsverhältnis von personalistischen und körperschaftsrechtlichen Elementen beeinflusst die Auslegung einzelner Gesellschaftsverträge, aber auch die Ergänzung des GmbHG. Sowohl das Gesetz als auch einzelne Verträge können Lücken aufweisen, die durch Regeln des Aktien- und Personengesellschaftsrechts geschlossen werden könnten, möglicherweise auch durch Übernahme von Wertungen aus noch nicht umgesetztem oder gar erst im Entwurf vorliegendem EG-Recht. Daneben stellt sich aber immer wieder die Frage, ob bei der GmbH, jedenfalls soweit sie Rechtsform für ein mittelständisches Unternehmen ist, die Handhabung der Satzung die individuellen, im schriftlich niedergelegten und gem. § 2 beurkundeten Statut möglicherweise nicht ausgedrückten subjektiven Vorstellungen der Gründer – einschließlich etwaiger zwischen ihnen getroffener Nebenabreden – ganz außer Acht lassen kann.

69

a) Die Schließung von Gesetzeslücken Wegen der Ambivalenz des gesetzgeberischen Leitbildes bei seiner insgesamt doch erkennbaren Neigung zum kapitalgesellschaftsrechtlichen Modell sind Gesetzeslücken in erster Linie durch Überlegungen auf der Grundlage des Kapitalgesellschaftsrechts zu schließen. Dies gilt etwa in Bezug auf die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen, bei der schon in der Gesetzesbegründung die Parallele zum Aktienrecht angesprochen wurde1, schon weniger im Hinblick auf das Konzernrecht, das sich für die GmbH eigenständig entwickelt hat (näher Anh. Konzernrecht). Im Übrigen ist aber nicht ersichtlich, dass ganze Rechtsinstitute des Aktien- und auch des Personengesellschaftsrechts zur Ergänzung des GmbH-Rechts herhalten könnten; wohl kommt in Betracht, dass Ergänzungen (gesetzliche oder richterrechtliche) des Normenbestandes des einen Organisationsgesetzes auf die Anwendung des anderen durchschlagen, wie

1 Zur Übernahme aktienrechtlicher Regeln über die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen RGZ 85, 311, 313; 89, 367, 369; BGHZ 11, 231, 235; näher zum Problemkreis Raiser, in: FS Heinsius, 1991, S. 645 ff. (dort auch Hinweise auf die Gesetzesmaterialien); Raiser, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 587; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, 1989, S. 117 ff.; zust. insoweit Ulmer, Einl. A Rdnr. 27.

H. P. Westermann

|

85

70

Einleitung

Quellen des GmbH-Rechts

es z.B. bei der Problematik der „verdeckten Sacheinlage“ und umgekehrt bei den kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen gegangen ist. Dabei sollte aber die eigenständige Sachgesetzlichkeit einer Rechtsform eine schematische Übertragung verhindern; hiermit könnte begründet werden, dass das Recht der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen auf Aktionärsdarlehen nur Anwendung findet, wenn der Aktionär an der Gesellschaft mit wenigstens 25% beteiligt ist1. Andererseits hat der Umstand, dass der Aktionär anders als ein GmbHGesellschafter auf die Geschäftsführung gewöhnlich keinen Einfluss hat, seine Einbeziehung in die „Finanzierungsverantwortung“, die zur Übertragung der Regeln über den Kapitalersatz auf die AG geführt hat, nicht verhindern können. Abgesehen hiervon übertrifft die Gestaltungsfreiheit bezüglich der GmbH-Satzung, auch in Fragen des Außenverhältnisses, die bei der Aktiengesellschaft gegebene erheblich, zumal rechtstatsächlich die Geschäftsführer der GmbH in stärkerem Maße Repräsentanten des Gesellschafterwillens sind als der Vorstand einer AG. Übertragbar und für die GmbH unvermindert wichtig sind Grundprinzipien des Rechts der privaten Personenverbände wie die Treupflicht, das Verbot der Verfolgung gesellschaftsfremder Sonderinteressen, Schranken der Mehrheitsherrschaft und dergl. Sie greifen auch bei der Gründung ein, auch wenn hier – wie auch in der AG – die Auseinandersetzung zwischen Gesellschaftergruppen weitgehend im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft (und damit nicht der Partner untereinander) stattfindet. Das gesetzliche Statut ist also vorrangig durch ein Zuendedenken des kapitalgesellschaftsrechtlichen Leitbildes zu ergänzen, vor allem durch Berücksichtigung des Umstandes, dass die Gesellschaftsrechte in erster Linie am „Anteil“ und nicht an der Person des Gesellschafters hängen, freilich stets unter Berücksichtigung der größeren Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter einer GmbH und der verstärkten Treubindung in kleinen Gruppen. Vom Gesetz sind Regelungen, die sich auf den personalistischen Verbandstyp beziehen, nicht zu erwarten2, sie sind aber darum in den verbreiteten Fällen der mittelständischen Gesellschaft zusammenarbeitender Individuen nicht von der Hand zu weisen. b) Die Schließung von Vertragslücken 71

Demgegenüber setzt die Vertragsauslegung bei der einzelnen Gesellschaft und den Zielen des konkreten Zusammenschlusses an. Nun ist die ergänzende Auslegung von Gesellschaftsverträgen bei der GmbH insofern problematisch, als zumindest für die körperschaftlichen Satzungsbestandteile, die auch die Gläubiger und späteren Anteilserwerber interessieren, das Kriterium des Gründerwillens (subjektive Auslegung) nur begrenzt in Betracht kommt (Übersicht über den Fragenkreis § 2 Rdnr. 33 ff.). Wenn aber Lücken im Vertragswillen bestehen, die grundsätzlich in Anwendung der §§ 133, 157 BGB zu schließen sind, so passen die dispositiven Vorschriften des GmbHG nur, soweit der konkrete Interessenkonflikt mit der vom Gesetz als typisch unterstellten und daher der 1 BGHZ 90, 281; dazu näher Hüffer, § 57 AktG Rdnr. 18; Semler, ZHR 156 (1992), 384 ff. 2 Winkler, Die Lückenausfüllung, S. 4 f.; zurückhaltend gegenüber generellen Lösungen des Analogieproblems auch Hueck/Fastrich, in Baumbach/Hueck, Einl. Rdnr. 35; Ulmer, Einl. A Rdnr. 27.

86

|

H. P. Westermann

Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

Regelung zugrunde gelegten Interessenlage übereinstimmt1. Daher kann es sein, dass eine Norm des GmbHG nach dem Gesamtzusammenhang des Gesellschaftsvertrags für die Lückenfüllung ausscheidet2. Die Auslegung muss dann im Einzelfall darauf eingehen, dass die Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft als Arbeitsgemeinschaft wollten oder für eine „große“ oder eine reine Anlegergesellschaft die organisatorischen Erleichterungen des GmbH-Rechts im Auge hatten, ohne sich im Übrigen diesem Statut voll anzupassen. Dann kann Anlehnung beim Aktienrecht bzw. beim Recht der Personengesellschaft gesucht werden. Dieser Ansatz wird bei der GmbH besonders fruchtbar, wenn die Gesellschaft aus wenigen Mitgliedern besteht, die wenigstens zum Teil im Unternehmen mitarbeiten und hieraus (allein) ihren Lebensunterhalt bestreiten wollen, insbesondere dann, wenn die freie Übertragbarkeit der Anteile zu Gunsten einer Übertragung (und Vererbung) im Familienkreis eingeschränkt ist. Eine sinnund zweckentsprechende Entfaltung des Gesellschaftsvertrages muss dann die als normaltypisch gerecht empfundene Interessenbewertung des Personengesellschaftsrechts berücksichtigen. Umgekehrt ist das Verhältnis der rein kapitalmäßig interessierten Anteilseigner zu „ihrer“ Gesellschaft, das Bedürfnis nach Kontrolle der Verwaltung und zur sauberen Trennung der privaten und der gesellschaftlichen Sphäre, im Aktienrecht so eingehend durchgeformt, dass die Geltung dieser Regeln als gewollt angesehen werden kann, wenn die Gesellschafter selber eine aktive Unternehmerrolle nicht spielen wollten. Das gilt freilich unter dem Vorbehalt, dass im GmbH-Recht der Geschäftsführer in stärkerem Umfang von der Unternehmenspolitik der Gesellschafter abhängig ist und im Gegensatz zum AG-Vorstand auch Einzelweisungen in Geschäftsführungsangelegenheiten zu befolgen hat, so dass insbesondere sein bewusstes Abweichen von den unternehmerischen Zielen der Gesellschafter einen Abberufungsgrund i.S. des § 38 Abs. 2 darstellen kann3.

72

aa) Auslegung und Lückenfüllung durch Heranziehung von Nebenabreden In der GmbH ist die Satzung, obwohl sie auf einem autonomen Akt der Gründer beruht, gleichsam das objektive Lebensgesetz des Verbandes, das unabhängig vom Wechsel der Mitglieder gilt und deswegen grundsätzlich objektiv auszulegen ist, wenn hieran auch erhebliche Einschränkungen vorzunehmen sind, weil i.d.R. ohne Eingehen auf den Verständnishorizont der Gesellschafter die von ihnen geschaffene Regelung nicht erschließbar sein wird4. Die hier vielfach angebrachte Unterscheidung zwischen echten, in der Satzung notwendig enthaltenen, und bloß formellen Satzungsbestandteilen5 kann dazu führen, dass u.U. Vorschriften ein- und derselben Satzung nach verschiedenen Maßstäben 1 2 3 4

Lehmann, Die ergänzende Anwendung, S. 20. Fischer, GmbHR 1953, 132. So BGH, GmbHR 1991, 197. Zu den Einschränkungen gegenüber der objektiven Satzungsauslegung bereits Wiedemann, DNotZ 1977, Sonderheft S. 99, 107; zum Grundsatz aber BGHZ 14, 25, 36 f.; 49, 172, 180; BGH, WM 1981, 438; BGH, NJW 1983, 1910. 5 Ulmer, § 2 Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 2 Rdnr. 78 ff.

H. P. Westermann

|

87

73

Einleitung

Quellen des GmbH-Rechts

ausgelegt werden müssen1. Umstände, die allen Adressaten einer Satzungsregelung bekannt sind, können von ihrer Auslegung nicht ausgenommen bleiben, und später eintretende Gesellschafter können durchaus in der Lage und gehalten sein, sich über nicht in der Satzung niedergelegte Vereinbarungen der Gesellschafter zu informieren. So können jedenfalls solche Nebenabreden, an denen alle Gesellschafter teilhaben oder von deren Existenz ein seine Beteiligung veräußernder Gesellschafter seinen Rechtsnachfolger zu informieren hat, auch die Satzungsauslegung mitbestimmen, wie umgekehrt die Satzung ein wichtiges Hilfsmittel zur Auslegung von Gesellschaftervereinbarungen darstellt. In dieser Beziehung ist eine strenge Trennung der Satzungsebene von anderen das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Regelungen nicht mehr durchzuhalten2; das Problem zieht allerdings weitere Kreise, wenn es um die Anforderungen an die Gültigkeit von satzungsdurchbrechenden Regelungen auf Gesellschafterebene und um die Möglichkeit geht, wegen Verletzung der in einer Gesellschaftervereinbarung getroffenen Absprache einen Gesellschafterbeschluss anzufechten3. bb) Lückenausfüllung durch das Personengesellschaftsrecht 74

Gesellschaftervereinbarungen, die nicht selten die Organisation der Willensbildung in der GmbH betreffen, aber auch die Satzung können etwa in der GmbH ein Gesellschafterrecht zur Geschäftsführung mit einer entsprechenden Pflicht begründen. Der Geschäftsführer ist dann entgegen dem regelmäßigen Leitbild der GmbH im Alltagsgeschäft von Weisungen der Gesellschafterversammlung freigestellt und hat eine in etwa dem § 116 HGB entsprechende Geschäftsführungsmacht inne4. Die Gesellschafterversammlung bleibt dann im Wesentlichen Schlichtungsstelle für Meinungsverschiedenheiten unter den Geschäftsführern, ferner Kontrollorgan und Entscheidungsgremium für außergewöhnliche Beschlussgegenstände. Manchmal wird es im Sinne solcher Gesellschaftsverträge liegen, dem Geschäftsführer ähnlich dem einer Personengesellschaft eine nur aus wichtigem Grund widerrufliche Rechtsmacht einzuräumen; an sich setzt dies nach § 38 Abs. 2 eine Satzungsbestimmung voraus, die aber bei 1 Hierzu und zum Folgenden H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994, S. 27, 43 ff.; Zöllner, Wechselwirkungen zwischen Satzung und Gesellschaftervereinbarungen, in: Henze/Timm/H. P. Westermann, Gesellschaftsrecht, 1995, S. 89, 106 ff. 2 Hierzu eingehend Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994, S. 107 ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442 ff.; Zöllner, Wechselwirkungen zwischen Satzung und Gesellschaftervereinbarungen, in: Henze/Timm/H. P. Westermann, Gesellschaftsrecht, 1995, S. 89, 106 ff.; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994, S. 27, 43 ff.; s. aber auch Winter, Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen, in: Gesellschaftsrecht, 1995, 131 ff.; krit. gegenüber der Vermischung der Ebenen Ulmer, in: FS Röhricht, 2005, S. 633 ff. 3 Zum Ganzen H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994, S. 27, 43 ff.; zur Beschlussanfechtung Goette, Satzungsdurchbrechung und Beschlussanfechtung, in: Gesellschaftsrecht, 1995, S. 113 ff.; Ulmer, NJW 1987, 1852 ff. 4 Fischer, GmbHR 1953, 133.

88

|

H. P. Westermann

Quellen des GmbH-Rechts

Einleitung

entsprechender Gestaltung des Verbandes auch durch Auslegung gefunden werden kann1. Zugleich wird hier aber die Begrenztheit derartiger Analogien sichtbar, da es besonderer Anhaltspunkte bedarf, um im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern die zum Personengesellschaftsrecht entwickelten Grundsätze gelten zu lassen2. Bei einer zweigliedrigen GmbH, deren Mitglieder je zur Hälfte beteiligt sind, spricht gegen die Anwendung des Verfahrens gem. §§ 117, 127 HGB, dass angesichts der unbeschränkbaren Vertretungsmacht des Geschäftsführers ein Warten auf ein Gestaltungsurteil oft unzumutbar ist, weshalb auch in der Personengesellschaft oftmals die sofortige Abberufbarkeit durch Beschluss vereinbart wird3. Die Einführung einer Abberufung nur durch gerichtliches Gestaltungsurteil durch den Gesellschaftsvertrag sollte aber möglich sein4. Auf der anderen Seite ist hier auch nicht § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG entsprechend anwendbar, weil der Gesellschafter-Geschäftsführer, der bis zur rechtskräftigen Vernichtung eines Abberufungsbeschlusses durch Urteil von der Geschäftsführung ausgeschlossen bleibt, immer noch die Möglichkeit hat, durch Verweigerung der Zustimmung zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers die Gesellschaft lahm zu legen5. cc) Lückenausfüllung durch das Aktienrecht Eine Anlehnung an das Aktienrecht vollzieht sich, wie in Rdnr. 71 gesagt, eher auf der Ebene der Schließung von Gesetzeslücken. Wenn die aktienrechtlichen Regeln der Rechnungslegung schon vor der Reform (Rdnr. 63a) zum Vorbild auch für die GmbH werden konnten6, so war dies nur ein Behelf bis zur Ausbildung eines weitgehend rechtsformübergreifenden Rechts der Bilanzierung und Gewinnfeststellung, das – wenn auch mit Privilegien für „kleinere“ Gesellschaften – inzwischen weitgehend realisiert ist. Ferner enthält das GmbHRecht für die Willensbildung in zahlenmäßig großen Gesellschaftergruppen und für die Rechtsfolgen fehlerhafter Beschlüsse nur lückenhafte Regeln, so dass bei entsprechender Organisation einer konkreten Gesellschaft eine Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften helfen kann7; hierin geht die Praxis heute z.T. sogar weiter. Daneben ist die Auslegung der Satzung durch Lückenfüllung aus aktienrechtlichen Vorschriften bei der „großen“ und kapitalistisch strukturierten GmbH nur begrenzt möglich, jedenfalls wenn man von einer „objektiven“ 1 BGH, GmbHR 1982, 130, im konkreten Fall unter Zuhilfenahme der im Vertrag angelegten Parität zwischen zwei Gesellschaftergruppen; OLG Naumburg, NZG 2000, 609; s. auch Fischer, GmbHR 1953, 133; Fleck, GmbHR, 1970, 221; Lutter/Hommelhoff, § 38 Rdnr. 8, 9. 2 Allerdings können hier auch außervertragliche Umstände zur Auslegung herangezogen werden, Goette, DStR 1994, 1747; s. auch bereits Wiedemann, DNotZ 1977, 90, 101, 105. 3 BGH, GmbHR 1983, 149; schon früher ähnlich Fischer, GmbHR 1983, 131, 135; ihm folgend Winkler, Die Lückenausfüllung, S. 42; zur zweigliedrigen GmbH s. schon oben Rdnr. 45. 4 A.M. das genannte Schrifttum; zum Problemkreis hier im Übrigen Fleck, GmbHR 1970, 221, 226 f. 5 So jedenfalls BGH, GmbHR 1983, 149. 6 S. Lehmann, Die ergänzende Anwendung, S. 82 ff. 7 Lehmann, Die ergänzende Anwendung, S. 90 ff.

H. P. Westermann

|

89

75

Einleitung

Fortbildung des GmbH-Rechts

Satzungsauslegung ausgeht (Rdnr. 71). Das Aktienrecht bemüht sich in einer eingehenden und überwiegend zwingenden Normierung um ein Gleichgewicht der Kräfte zwischen den an Gewinn, aber auch an Information interessierten, der Geschäftsführung aber fern stehenden Anteilseignern und der Unternehmensleitung durch möglichst unabhängige Fachleute. Die im Aktienrecht etablierten Informationsrechte der Aktionäre haben die §§ 51a, 51b weit hinter sich gelassen. Es verwundert daher nicht, dass bei den Überlegungen, aktienrechtliche Quellen für die GmbH zu erschließen, die Normen über den Aufsichtsrat lange im Vordergrund gestanden haben1. Zwar verweist § 52 für die Rechtsverhältnisse eines fakultativen Aufsichtsrats auf eine Reihe aktienrechtlicher Bestimmungen, so dass sich jetzt noch fragt, ob diese Normierung durch Übernahme weiterer im Verweisungskatalog nicht enthaltener Vorschriften noch ergänzt werden kann2. Dagegen spricht aber, dass bei einem fakultativen Aufsichtsrat trotz § 52 letztlich der Gesellschafterwille die Rolle des Organs bestimmt, s. unter § 52 Rdnr. 52 ff.

III. Schwerpunkte der Fortbildung des GmbH-Rechts durch Gesetzgebung und Rechtspraxis 76

Die Reform des GmbHG ist ein Dauerthema, insbesondere hat die Änderung des Gesetzes vom Jahre 1980 die drängenden Probleme nur teilweise erledigt und konnte naturgemäß nicht verhindern, dass – zuletzt unter dem Einfluss des Europarechts – ständig neue Fragen auftreten, die teilweise auch Gegenstand des vorliegenden RefE für ein MoMiG sind (dazu näher Rdnr. 179 ff.). Das betrifft nicht nur, aber auch solche Problemkomplexe wie das Recht der Kapitalaufbringung oder die Regeln über Kapitalersatz, gegen die es schon immer Widerstand aus der juristischen Praxis gegeben hat, der sich neuerdings mit Folgerungen des EuGH aus den Forderungen nach Niederlassungsfreiheit und vielleicht auch des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechtsordnungen im europäischen Raum zu treffen scheint3. Allerdings sind grundsätzlich – und auch im europäischen Raum – Minderheiten- und Gläubigerschutz sehr wichtig, allerdings sind im Gewicht Unterschiede zu beobachten. So werden in ersterer Hinsicht die Klagerechte von Minderheitsgruppen, aber auch einzelner Gesellschafter lebhaft diskutiert, während unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes recht verschiedenartige Fragen wie die Effektivität der Kapitalaufbringung, der Ausbau der Kapitalerhaltung und die Erstreckung der Haftung für Gesellschaftsschulden auf andere Personen, hauptsächlich den Geschäftsführer, eine Rolle spielen, mit der Besonderheit freilich, dass das innerhalb Europas bedeutsame englische Recht dem Gläubigerschutz keine so starke Bedeutung beimisst (näher Rdnr. 158 ff.). Im GmbH-Konzernrecht kommen Gesichtspunkte des Schutzes der Gläubiger von Tochtergesellschaften und der außenstehenden Gesellschaft, jeweils in Gestalt von Ansprüchen gegen den Mehrheitsgesellschaf1 Vogel, GmbHR 1953, 137 ff. 2 Zurückhaltend Lehmann, Die ergänzende Anwendung, S. 62 ff. 3 Teilweise Aufarbeitung bei Priester, in: Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich, S. 161, 166 ff.; H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849 ff.; Goette, ZGR 2006, 261 ff.; Kleindiek, ZGR 2006, 335 ff.; Veil, ZGR 2006, 374 ff.; Fischer, ZGR 2006, 403 ff.

90

|

H. P. Westermann

Einleitung

Fortbildung des GmbH-Rechts

ter zusammen, darin geht das deutsche Recht ziemlich weit (näher Anh. Konzernrecht Rdnr. 88, 180, 203). Das weitere Problem der Mitbestimmung, das im Zusammenhang mit der Einführung grenzüberschreitender – supranationaler – Gesellschaftsformen eine für ihren Erfolg nahezu ausschlaggebender Rolle spielen könnte, ist bisher mehr für die auf diesen Tätigkeitsbereich zugehenden Groß-Unternehmen erörtert worden, obwohl es für die Societas Europaea (SE) möglicherweise nicht nur hier zum Tragen kommt. Daher spielen die rechtstechnischen Fragen, die für die GmbH die Lokalisierung der Mitbestimmung bei einem gesellschaftsrechtlich nicht vorgesehenen Organ aufwirft1, zur Zeit keine besondere Rolle, wenn man davon absieht, dass generell das Bestreben, im Bereich der Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten den Gläubigerschutz zu stärken, ihn zumindest gegen Umgehung zu verteidigen2, eine rechtsethische Komponente aufweist.

1. Minderheitenschutz, Inhalts- und Ausübungskontrolle a) Die Geltung des Mehrheitsprinzips in der GmbH (Rdnr. 21 f.) wird verschiedentlich zum Anlass genommen, einen Schutz der Minderheit gegen Majorisierung der Willensbildung und gegen Entwertung ihres Geschäftsanteils durch Maßnahmen der – von der Gesellschaftermehrheit geleiteten – Geschäftsführung zu fordern. Dabei handelt es sich freilich immer nur um Ausnahmen von einem in der Kapitalgesellschaft im Prinzip unangefochtenen Strukturmerkmal3, das insofern auch einen eigenen Gerechtigkeitsgehalt hat, als „mehrheitsfähig“ jede Zweckmäßigkeitsentscheidung ist4, wobei im Zuge der womöglich durchaus unterschiedlichen Beurteilung unternehmerischer Fragen jeder Gesellschafter die Chance hat, sich mit seiner Meinung durchzusetzen, aber auch, überstimmt zu werden. Deshalb richtet sich der Gedanke des Minderheitenschutzes einerseits darauf, die Chancengleichheit bei der Mitwirkung an der Willensbildung zu sichern, also sich etwa zu informieren, die Erörterung von Fragen in der Gesellschafterversammlung durchzusetzen, ungeeignete oder die Gesellschaftsinteressen verletzende Organpersonen abzuberufen oder in Haftung zu nehmen. Ein anderer hiermit zusammenhängender Aspekt ist die Möglichkeit, Organe wie den Geschäftsführer oder die Gesellschafterversammlung zur Beachtung von Gesetz und Satzung anzuhalten, was allerdings nach positivem Recht kein Minderheiten-, sondern ein Individualrecht jedes Gesellschafters ist5. Neben den Minderheitsrechten im Sinne von Teilhabe und Kontrolle steht die Verteidigung wichtiger, z.T. mehrheitsfester, z.T. auch nur unter besonderen Umständen antastbarer mitgliedschaftlicher Rechtspositionen gegen Eingriffe der Gesellschaftermehrheit. Von der Möglichkeit, das kapitalgesellschaftsrechtliche Mehrheitsprinzip zu verlassen, machen die Gesellschaftsver-

1 Teilweise Aufarbeitung bei H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849 ff. 2 Von der Gefahr ständiger Umgehung der Schutzvorkehrungen des GmbH-Rechts, besonders auch durch die Rechtsberater – spricht offen Priester, in: Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich, S. 163. 3 K. Schmidt, GesR, § 16 III 1a. 4 S. etwa BGH, JZ 1977, 268. 5 K. Schmidt, GesR, § 16 III 2c.

H. P. Westermann

|

91

77

Einleitung

Fortbildung des GmbH-Rechts

träge erfahrungsgemäß äußerst selten Gebrauch1, sondern verlangen eher qualifizierte Mehrheiten oder gar Einstimmigkeit für bestimmte Beschlussgegenstände. Zum Problem wird diese Lage, wenn fest etablierte Gesellschaftergruppen ihr Abstimmungsverhalten in Gesellschaftsangelegenheiten mehr nach Gruppenzugehörigkeit als nach sachlichen Kriterien ausrichten, so dass ein der Minderheit angehöriger Gesellschafter außerhalb der vorbehaltenen Geschäfte nicht mehr die reale Chance hat, mit seiner Ansicht durchzudringen oder seine mitgliedschaftlichen Rechte zu verteidigen. Noch deutlicher wird dies, wenn Entscheidungen in einer Gesellschaft Teil des übergeordneten Plans werden, einer Gesellschaftergruppe die Beteiligung zu verleiden (sie „auszuhungern“). Dies alles kann auch dann gelten, wenn ein einzelner Gesellschafter allein die Mehrheit besitzt. 78

b) Nach allem steht der Gedanke des Minderheitenschutzes im GmbH-Recht hinter rechtstechnisch verschiedenen Instituten. Zentale Bedeutung haben dabei Überlegungen, ob Mehrheitsentscheidungen, die in die Rechtsstellung von Gesellschaftern eingreifen, einer – vom Gericht notfalls nachzuprüfenden – sachlichen Rechtfertigung bedürfen2. Darüber geht man hinaus, wenn man bei Mehrheitsentscheidungen allgemein die Beachtung der gesellschaftlichen Treupflicht fordert, die sowohl gegenüber den Belangen der Gesellschaft als auch gegenüber denen der Mitgesellschafter besteht3 (dazu § 14 Rdnr. 50 ff.). Effektiv wird freilich ein mit diesen Maßstäben betriebener Minderheitenschutz nur, wenn ein – im GmbH-Recht an sich nicht vorgesehenes – System der dem Minderheitenschutz dienenden innergesellschaftlichen Klagen entwickelt wird, das die Anfechtung oder Nichtigerklärung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung, die so genannte positive Beschlussfeststellungsklage und zumindest ein Grundkonzept des einstweiligen Rechtsschutzes voraussetzt (dazu hier Rdnr. 81). Zu prüfen ist dabei die Einhaltung gesetzes- und satzungsrechtlicher Regeln, wobei allgemein formulierte Schranken der zulässigen Minderheitsentscheidung nicht existieren. Teilweise kann dies von dem im GmbH-Recht (im Gegensatz zu § 53a AktG) nicht kodifizierten Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Gesellschafter (§ 14 Rdnr. 40 ff.) geleistet werden. Seine Funktion als Schranke der Mehrheitsherrschaft ergibt sich daraus, dass keine Gesellschaftergruppe durch die Art der Handhabung ihrer Gesellschafterrechte, zu denen auch jegliche Beschlussfassung gehört, Vorzüge gegenüber anderen Gesellschaftern erreichen darf. Wirtschaftliche Vorteile, die einem oder mehreren Gesellschaftern unter Verstoß gegen die kapitalmäßige Gleichbehandlung zuwachsen, sind dann gesellschaftsrechtlich unzulässig. Da aber die Gefahr, über Beschlüsse der Gesellschafterversammlung eine Mehrheitsherrschaft zu organisieren, in der GmbH deshalb besonders groß ist, weil die Lenkungs- und Entscheidungsbefugnisse dieses Organs nahezu unbeschränkt sind4, musste der Schutz von Minderheitsrechten aus der Bindung an die gruppenhafte Ausübung und

1 Limbach, Theorie und Wirklichkeit, S. 79 ff. 2 Dazu etwa BGHZ 83, 319, 321; Timm, ZGR 1987, 403 ff.; Wiedemann, ZGR 1980, 147, 155 ff. 3 Zur Abfolge der Prüfungsmaßstäbe Ulmer, Einl. A Rdnr. 95. 4 Hierzu Immenga, GmbHR 1973, 5, 7.

92

|

H. P. Westermann

Fortbildung des GmbH-Rechts

Einleitung

Durchsetzung der Stimmrechtsmacht und an die inhaltlichen Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gelöst werden, um zu einer allgemeinen Lehre von den Ausübungsschranken zu wachsen, die auch bei Abstimmungen auf der Grundlage von Zufallsmehrheiten anwendbar sind. Der Minderheitsgesellschafter hat Anspruch darauf, dass jeder seiner Partner bei der Ausübung des Stimmrechts nur auf das Wohl der Gesellschaft sieht und gesellschaftsfremde Sonderinteressen nicht verfolgt. Aus den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Rechts (Bindung an die guten Sitten und Treu und Glauben), dem Grundsatz der Gleichbehandlung, der Bindung an den Gesellschaftszweck und der Treupflicht gegenüber der Gesellschaft sowie den Mitgesellschaftern lässt sich somit ein System beweglicher Ausübungsschranken aufbauen1. Ihm steht dann die Pflicht der Minderheit gegenüber, Mehrheitsentscheidungen, die im Gesellschaftsinteresse getroffen sind, auch dann hinzunehmen, wenn ihre Beteiligung dadurch an Wert verliert; in engen Grenzen gibt es auch Mitwirkungspflichten der Minderheit bei den Entscheidungen, in denen es auf ihre Zustimmung ankommt (s. schon Rdnr. 21). Dieses Gleichgewicht der Kräfte auch prozessual abzusichern, dient das erwähnte System innergesellschaftlicher Klagemöglichkeiten. c) Zur Satzungsfestigkeit des Minderheitenschutzes lässt sich kein allgemeines Urteil abgeben. So muss etwa das Recht, bei Vorliegen des Quorums gem. § 50 Abs. 1 die Einberufung einer Gesellschafterversammlung zu verlangen, nach der tendenziellen Verstärkung und Unentziehbarkeit der Gesellschafterrechte in §§ 51a, 51b wohl als satzungsfest angesehen werden (näher bei § 50). Bezüglich des Rechts, nach § 61 Auflösungsklage zu erheben, sind vertragliche Erleichterungen, aber keine Erschwernisse zulässig2. Auch im GmbH-Recht ist die Vorstellung anerkannt, dass es Gesellschafterrechte gibt, die zwar im Statut einschränkend geregelt werden können, in deren Kernbereich aber nicht durch Mehrheitsentscheidungen eingegriffen werden darf3. Klar ist auch, dass eine Leistungsvermehrung dem Gesellschafter nicht durch Mehrheitsbeschluss auferlegt werden kann4. Allerdings kann durch die ursprüngliche Satzung oder nachträglich mit Einverständnis der betreffenden Gesellschafter eine ungleiche Rechts- und Machtstellung der Gesellschafter begründet werden5. Der Gesellschafter kann sich in der Gesellschaft niemals ganz entrechten, so dass ihm auch stets die Befugnis bleibt, rechtswidrige oder in seine Rechte eingreifende Gesellschafterbeschlüsse im Rahmen des für die GmbH Entwickelten anzufechten6.

79

Etwas auch qualitativ anderes steht in Rede, wenn unter Berufung auf Richtigkeitsüberzeugungen unterhalb der Schwelle des § 138 BGB Erfordernisse der

80

1 Grundlegend dazu Zöllner, Schranken, S. 287 ff. 2 A. Hueck, DB 1957, 38. 3 K. Schmidt, GesR, § 16 III 3b, allerdings unter Hinweis auf die zur Personengesellschaft ergangenen Urteile BGH, NJW 1985, 975; NJW 1995, 194 = JZ 1995, 311 m. Anm. K. Schmidt. 4 So schon RGZ 86, 261, 265; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 53 Rdnr. 31. 5 So bezüglich des Stimmrechts BGHZ 14, 264, 269; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, S. 208 f.; s. auch schon Feine, S. 523. 6 S. schon BGHZ 14, 264, 273.

H. P. Westermann

|

93

Einleitung

Fortbildung des GmbH-Rechts

inhaltlichen Angemessenheit einer Regelung aufgestellt und ihnen widersprechende Vertrags- oder Satzungsregelungen verworfen werden1. Dies passt nicht zu der Vorstellung der individualvertraglichen Einverständniserklärung mit einer bestimmten Satzung, die auch und stets unter Mitwirkung eines Notars zustande gekommen ist. Demgegenüber hat bei der Entwicklung einer allgemeinen Inhaltskontrolle im Personengesellschaftsrecht die Anschauung nicht ausgehandelter, einseitig vorformulierter „Massen“-Verträge vielfach eine motivierende Rolle gespielt2, und im Einzelfall mag es Ähnlichkeiten der GmbHSatzung mit einer den Gesellschaftern praktisch vorgegebenen Regelung geben, die aber eine allgemeine Inhaltskontrolle nicht rechtfertigen, sondern auf eine (im Einzelfall greifende) Ausübungskontrolle verweisen. 81

d) Minderheitenschutz ist effektiv nicht möglich ohne ein ausgebautes, sowohl die Gesellschaft als auch die Gesellschafter erfassendes Klagesystem3, das es den Gesellschaftern ermöglicht, mitgliedschaftliche Pflichten ihrer Mitgesellschafter oder ein pflichtgemäßes Verhalten der Gesellschaftsorgane im eigenen Namen geltend zu machen. Das GmbHG hat diesen Fragenkreis nicht geregelt, und die Übernahme des aktienrechtlichen Modells der Anfechtungsklage gegen einen Gesellschafterbeschluss (§§ 246 ff. AktG) reicht nicht aus, um Leistungen an die Gesellschaft einschließlich der Erstattung verbotener Leistungen sowie Abwehr- und Unterlassungsklagen gegen Gesellschafter und Geschäftsführer zu begründen. Die sehr lebhafte wissenschaftliche Diskussion, die sich, was Ansprüche gegen Gesellschafter betrifft, auf eine weitgehend anerkannte Funktion der Treupflichten gegenüber der Gesellschaft stützen kann4, deren Verletzung auch ein Gesellschafter geltend machen kann, ist von der Rechtsprechung nicht ohne Zögern aufgenommen worden, weil Organzuständigkeiten nicht ohne schwer wiegende Gründe überwunden werden sollen und ein Vorgehen auf Grund von Gesellschafterbeschlüssen nicht mit einer Gesellschafterklage angegriffen werden kann, wenn eine Anfechtung versäumt wurde5. Die Entwicklung ist teilweise an diejenige der actio pro socio im Personengesellschaftsrecht angelehnt. Im Rahmen der Verteidigung der Gesellschafterrechte gegen Mehrheitsverhalten in der Gesellschafterversammlung hat sich neben den Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen ein Bedürfnis gezeigt, der Minderheit auch bei – nach ihrer Ansicht – unrichtiger Feststellung eines Beschlussergebnisses eine Wahrnehmung ihrer Rechte zu ermöglichen, weshalb ihr eine Kombina1 Dazu eingehend Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85, 99 f.; gegen eine solche Inhaltskontrolle aber K. Schmidt, GesR, § 5 III 4. 2 BGHZ 70, 204, 209; 101, 350, 354; 104, 50; U. H. Schneider, ZGR 1978, 1, 9; Kramer, ZHR 146 (1982), 105, 110; H. P. Westermann, in: FS Stimpel, 1985, S. 69, 74; krit. Zöllner, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 97 f. 3 Hierzu und zum Folgenden eingehend Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 47 ff.; Lutter, ZHR 162 (1998), 176 ff. 4 Zur Entwicklung Raiser, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 587 ff.; s. auch Zöllner, ZGR 1988, 392, 407 ff.; Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 66 ff. 5 S. etwa BGH, GmbHR 1990, 343; BGH, NJW 1991, 363; BGH, ZIP 1989, 780; BGH, NZG 2005, 216; Übersicht bei Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 31; zum Bedenken aus der Aufrechterhaltung unternehmerischer Entscheidungsbefugnisse Saenger, GmbHR 1997, 112, 119 ff.

94

|

H. P. Westermann

Fortbildung des GmbH-Rechts

Einleitung

tion von Anfechtungs- und (positiver) Beschlussfeststellungsklage, in ihrer Fortentwicklung dann auch eine isolierte Beschlussfeststellungsklage zugestanden wird, wenn ein Beschluss gar nicht festgestellt worden ist1. Eine weitere Sonderentwicklung könnte es im Zusammenhang mit dem Rechtsschutz gegen Satzungsnormen geben.

2. Verbesserung des Gläubigerschutzes Ein Schwerpunkt der Entwicklung des GmbH-Rechts liegt schon seit längerem auf der Verstärkung des Gläubigerschutzes durch Maßnahmen gegen Unterkapitalisierung, aber auch gegen die Umgehung von Regeln, die der effektiven Aufbringung des Stammkapitals dienen. In anderen Bereichen ist es die durch die Selbständigkeit der juristischen Person erreichte Haftungsbeschränkung der Gesellschafter, einschließlich der Gesellschafter/Geschäftsführer, die überprüfenswert erscheint. Das gilt sowohl rechtspolitisch als auch auf der Grundlage des geltenden Rechts, wobei auf der anderen Seite die Einwirkungen des europäischen Gemeinschaftsrechts auf das nationale Kollisions- und Gesellschaftsrecht in dem einen oder anderen Punkt ein Umdenken in Richtung auf eine Abkehr von strikten Gläubigerschutzbestrebungen nach sich ziehen könnten2. Die Diskussion erfährt wesentliche Impulse vom Insolvenzrecht, da nun einmal das Missverhältnis zwischen Kapital und Verbindlichkeiten bei insolventen GmbH häufig besonders augenfällig ist und eine schärfere Reaktion auf Manipulationen auf Gesellschafterseite zu erfordern scheint. Soweit es in diesem Zusammenhang fraglich ist, ob das aus der eigenen Rechtspersönlichkeit der GmbH folgende Haftungsprivileg des Gesellschafters oder auch des Einmann-Gesellschafters ein Hindernis für eine Erweiterung der den Gläubigern haftenden Vermögensmasse darstellt, so treten die hier (Rdnr. 13 f.) schon vorgestellten Lösungsversuche über die Lehren vom „Haftungsdurchgriff“ hinter eine Reihe von in letzter Zeit zunehmend verstärkten Haftungs- und Einstandspflichten der Gesellschafter zurück, die es kaum hinter eine Reihe von in letzter Zeit zunehmend verstärkten Haftungs- und Einstandspflichten der Gesellschafter zurück, die es kaum noch als ketzerisch erscheinen lassen, die GmbH als Gesellschaft mit beschränkter Haftungsfreizeichnung zu apostrophieren3. Die Behandlung von Sacheinlagen bei Gründung und Kapitalerhöhung mit der verschuldensunabhängigen Differenzhaftung nicht nur des Einlegers, sondern auch seiner Mitgesellschafter für Überbewertungen, die Unterwerfung der „Mantelverwendung“ unter eine Gründungsprüfung, die Behandlung von „upstream“-Darlehen der GmbH, die Zurückstufung kapitalersetzender Gesell1 BGHZ 88, 229; 97, 28; Lindacher, ZGR 1987, 127 ff.; 9. Aufl. Anh. § 45 Rdnr. 180 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Anh. § 47 Rdnr. 91 ff.; krit. für den Fall fehlerhafter Beurkundung Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Anh. § 47 Rdnr. 91; generelle Bedenken bei Maier-Reimer, in: FS Oppenhoff, 1985, S. 205; Joost, ZGR 1984, 94 f. 2 S. etwa BGH, GmbHR 1990, 343; BGH, NJW 1991, 363; BGH, ZIP 1989, 780; BGH, NZG 2005, 216; Übersicht bei Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 31; zum Bedenken aus der Aufrechterhaltung unternehmerischer Entscheidungsbefugnisse Saenger, GmbHR 1997, 112, 119 ff. 3 S. dazu auch die – wenngleich ironisch gemeinten – Bemerkungen von Zöllner, GmbHR 1992, 410, 412 f.

H. P. Westermann

|

95

82

Einleitung

Fortbildung des GmbH-Rechts

schafterdarlehen mit der langsamen Herausbildung eines Rechtsinstituts des „nachrangigen Haftkapitals“ der GmbH1, das nicht nur dem Gläubigerschutz, sondern auch dem Unternehmensschutz dienen soll, der Kampf gegen „verdeckte Sacheinlagen“, schließlich die Haftung im Gründungsstadium der GmbH: dies alles sind Problemkreise, in denen der Gläubigerschutz fast perfektioniert worden ist, ohne dass hierfür gesetzgeberische Schritte entscheidend gewesen wären. Im Konzernrecht hat die Rechtsprechung, wie schon in Rdnr. 51 ausgeführt, jedenfalls beim „qualifizierten“ faktischen Konzern die Haftungsbeschränkung eines „unternehmerisch“ tätigen Gesellschafters wenigstens zeitweise deutlich relativiert. Erweiterungen des Gläubigerschutzes über den erreichten Stand hinaus sind aber auch bei der Anwendung der Regeln über Einlagenrückgewähr gefordert worden und zu erwarten2; im Einzelnen näher die Erläuterungen der §§ 30 und 31. 83

Einzelne rechtsfortbildend entwickelte Institute des Gläubigerschutzes drohen nach verbreitetem Urteil schwer überschaubar und beherrschbar zu werden, so etwa die Lehre von der verdeckten Sacheinlage3; dasselbe wurde auch von der Erschwerung des bis dahin allenthalben für unbedenklich gehaltenen „Schüttaus-Hol-zurück-Verfahrens“ befürchtet4. Ein weiterer, in seinen Auswirkungen auf die Haftungsverfassung der GmbH und die Steuerung des unternehmerischen Verhaltens ihrer Organe nicht endgültig übersehbarer Punkt ist die zivilund strafrechtliche Haftung der Geschäftsführer für öffentlich-rechtliche (steuer- und sozialversicherungsrechtliche) Verbindlichkeiten5, bei deren näherer Ausgestaltung es allerdings Divergenzen zwischen den Zivil- und den Strafsenaten des BGH gibt6. In nicht demselben Maße gilt dies für die die Wertungen des GmbH-Rechts teilweise aufgreifenden zivilrechtlichen Forderungen aus Gesichtspunkten der unerlaubten Handlung durch Schutzgesetzverletzung und der der culpa in contrahendo zuzuordnenden Sachwalterhaftung7. Im Bereich der Durchsetzung von Steuer- und Sozialversicherungsforderungen entsteht bisweilen sogar der Eindruck, dass aus Gläubigerschutz ein Gläubigerprivileg (mit entsprechender Gefährdung anderer Gläubiger) werden könnte8; im Übrigen

1 So schon sehr früh Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 1 ff. 2 Fleck, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 391 ff. 3 Zur Haftung bei der verdeckten Sacheinlage in diesem Sinne etwa Bayer, GmbHR 2004, 445; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189, 190; zur Entwicklung dieser Lehre Priester, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 159, 176 ff.; zur „Heilungsproblematik“ Volhard, ZGR 1995, 286 ff.; Rawert, GmbHR 1995, 87; Habetha, ZGR 1998, 305, 326 ff.; Krieger, ZGR 1996, 674; zur Umwandlung von Rücklagen in Stammkapital ähnlich Priester, GmbHR 1998, 861. 4 S. etwa Lutter/Zöllner, ZGR 1996, 164 ff.; zum Problem Priester, ZGR 1998, 856; Tigel, GmbHR 1995, 487. 5 Dazu näher Neusel, GmbHR 1997, 1129; Ransiek, ZGR 1992, 203; Keßler, GmbHR 1994, 429; Cahn, ZGR 1998, 367; Martens, wistra 1986, 154 ff.; Mitsch, JZ 1994, 877 ff.; Schäfer, GmbHR 1993, 717, 780. 6 Zuletzt s. etwa BGH BGHSt, ZIP 2005, 1678 ff.; BGHSt 47, 318; 48, 307 einerseits, BGH II. Zivilsenat ZIP 2005, 1026 andererseits. 7 Dazu hier nur: Medicus, ZGR 1998, 580 ff.; Groß, ZGR 1998, 551; Medicus, GmbHR 1998, 9. 8 H. P. Westermann, in: FS Fikentscher, 1998, S. 456 ff.

96

|

H. P. Westermann

Einleitung

Fortbildung des GmbH-Rechts

muss der gewiss zentrale Gesichtspunkt des Kampfs gegen Insolvenzverschleppung1 gegen die Gefahr abgewogen werden, die Anforderungen an von persönlicher Haftung nicht bedrohte Sanierungsbemühungen nicht zu überspannen2. Zu den Neuerungen, die die Insolvenzrechtsreform für den Gläubigerschutz im GmbH-Recht angestrebt und gebracht hat, s. 9. Aufl. Rdnr. 70–72, wobei festzuhalten ist, dass nach wie vor die Insolvenzantragspflicht wegen ihrer Absicherung durch den Deliktsanspruch der Gläubiger die größte praktische Bedeutung hat, die es auch als erwägenswert hat erscheinen lassen, diese Ansprüche entgegen der generellen, von der EuGH-Rechtsprechung ausgehenden Tendenz der Behandlung von EU-Auslandsgesellschaften auch bei grundsätzlicher Anwendbarkeit des Gründungsstatuts dieser Gesellschaften gegen ihre Geschäftsführer, vielleicht auch Gesellschafter durchzusetzen (näher Rdnr. 150 ff.).

3. Die GmbH im Kapitalmarkt- und Unternehmensrecht a) Die GmbH ist in ihrer rechtstatsächlich am stärksten verbreiteten Form Veranstaltung eines engen Gesellschafterkreises, was sich weder bei Verwendung im Konzern noch bei der Komplementär-GmbH „großer“ Publikumsgesellschaften in der Rechtsform der KG wesentlich ändert. Deutlich abgeklungen ist das Interesse an der Entwicklung börsengängiger GmbH-Anteile, deren gesetzgeberische Regelung zeitweise – möglicherweise verursacht durch das Fehlen „einer kleinen AG“ – propagiert wurde. Eine diesbezügliche Anregung ging vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Jahresgutachten 1979/1980) aus. Entsprechende Vorschläge hat eine von der Landesregierung Baden-Württemberg eingesetzte Kommission „zweiter Börsenmarkt“ im Jahre 1987 gemacht3. Die hierfür erforderlichen Änderungen des GmbH-Rechts sind inzwischen, besonders nach den Geschehnissen am „Neuen Markt“, nicht mehr weiterverfolgt worden; das wirtschaftliche Ziel, die Eigenkapitallücke bei Unternehmen verschiedener Größenordnung durch das Einfließen durchaus vorhandener privater Risikomittel schließen zu helfen4, erscheint selbst nach der „Deregulierung“ des Aktienrechts durch die Einführung der „kleinen AG“ nicht mehr sonderlich realitätsnah; eine entsprechende Regelung wäre auch rechtsvergleichend eine Ausnahme und eine Umkehr des internationalen Trends (näher Rdnr. 156). Insbesondere würde eine Standardisierung des Gesellschafter-Einflusses, der angesichts der Rekrutierung der Anteilseigner über die Börse nur gering sein kann, die Attraktivität einer Anlage in GmbH-Geschäftsanteilen angesichts des unbezweifelbaren Risikos nicht sicherstellen können. Das gilt dann am Ende wohl auch für den Vorschlag zur Schaffung einer GmbH auf Aktien5. 1 Dazu in diesem Zusammenhang Kübler, ZGR 1995, 481 ff.; Bork, ZGR 1995, 505; Grunewald, GmbHR 1994, 665; Altmeppen, ZIP 1997, 1173. 2 Dazu auch bereits H. P. Westermann, Anm. zu BGH v. 5. 12. 1989, DNotZ 1991, 813 ff. 3 Kommission „zweiter Börsenmarkt“, hrsg. vom Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie in Baden-Württemberg, 1987; zum Problemkreis Claussen, ZHR 153 (1989), 223 ff.; Heindl, Die Börseneinführung von GmbH-Anteilen, 1987. Krit. Zöllner, JZ 1992, 381, 383. 4 Dazu eingehend Vollmer, GmbHR 1984, 329 ff. 5 Semler, in: FS Stimpel, 1985, S. 507 ff.

H. P. Westermann

|

97

84

Einleitung

Fortbildung des GmbH-Rechts

85

b) Angesichts der spärlichen Verwendung des Unternehmensbegriffs in der Gesetzgebung und der weit auseinanderklaffenden wissenschaftlichen Verwendungsformen des Ausdrucks kann dem Einfluss „unternehmensrechtlicher“ Regeln auf das GmbH-Recht nicht auf der Grundlage eines eingehend begründeten und dokumentierten Unternehmensbegriffs nachgegangen werden. Grundsätzlich sind mit dem Ausdruck „Unternehmensrecht“ Interessenwertungen zusammengefasst, die sich auf die Tätigkeit eines Wirtschaftssubjekts am Markt für Güter und Dienstleistungen sowie am Arbeitsmarkt beziehen, oder die den durch diese Tätigkeit betroffenen Sozialverband aus Kapitaleignern, Organträgern, Arbeitnehmern, möglicherweise auch sonstigen langfristigen Vertragspartnern unter bestimmten Aspekten regeln wollen. Das „Unternehmen“ ist unter diesen beiden Gesichtswinkeln nicht Träger, sondern Gegenstand von Interessen1. Dies betrifft allerdings allgemein das Kapitalgesellschaftsrecht; für das GmbH-Recht als solches bedeutet es – eher vordergründig –, dass die Tätigkeit der Gesellschaft im Montanbereich oder die regelmäßige Beschäftigung von mehr als 2000 Arbeitnehmern das allein aus der Sicht von Gesellschaftern konzipierte Organisationsrecht um den Aspekt der Arbeitnehmermitbestimmung erweitert. Die Erfüllung anderer Größenvoraussetzungen fügt die Pflicht verstärkter Außenpublizität hinzu. Eine systematisch geordnete oder sogar innerlich geschlossene Materie ist also mit dem „unternehmensrechtlichen Problemkreis“ nicht gemeint, sondern lediglich eine Reihe von normativen Ansprüchen, die von der konkreten gesellschaftsrechtlichen Gestaltung eines einzelnen Verbandes unabhängig sind.

86

Allerdings ist davor zu warnen, Unternehmensrecht schlicht auf die Kumulation von Gesellschaftsrecht und Mitbestimmung zu reduzieren. Die Schaffung eines modernen Unternehmensrechts in diesem Sinne schob der Gesetzgeber des MitbestG erklärtermaßen (BT-Drucks. VII/2172, S. 17) vor sich her. Dennoch dient die Forderung nach einem Unternehmensrecht häufig dazu, das angeblich „interessenmonistische“, d.h. allein den Eigentümerbelangen dienende Gesellschaftsrecht durch Berücksichtigung auch der in einem weiteren „Sozialverband“ wirkenden Kräfte und Interessen zu überwinden2. Das MitbestG ist dem insoweit nicht gefolgt, als es sich auf den rechtstechnisch zumindest bei der AG verhältnismäßig einfachen Einbau von Trägern des Mitbestimmungsgedankens in den Aufsichtsrat beschränkt und den weiteren Sozialverband von Anteilseignern, Arbeitnehmern, Gläubigern, Einlegern von Fremdkapital, Versicherten u.ä. ungeregelt gelassen hat3. Daraus haben sich für die mitbestimmte GmbH im Wesentlichen die folgenden, im Einzelnen in den Erläuterungen zu § 52 darzustellenden Probleme ergeben: Im Vordergrund steht die 1 H. P. Westermann, ZGR 1977, 219, 223. 2 So schon die Untersuchungen der Studienkommission des DJT, Teil I, 1955, S. 19; Kunze, in: FS Geßler, 1970, S. 47 ff.; Duden, in: FS Schilling, 1973, S. 309; noch weiter gehend – Gesellschaftsrecht als „dienendes Mitbestimmungsvehikel“ – Naendrup, AuR 1977, 225, 231. 3 H. P. Westermann, in: FS H. Westermann, S. 565; Flume, ZGR 1978, 678, 681 ff.; Ulmer, Einl. A Rdnr. 96. Kritik zur Begründung der Mitbestimmungsforderungen durch Hinweis auf die Regelungsbedürftigkeit des „Sozialverbandes“ bei Wiedemann, ZGR 1975, 402.

98

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

Kompetenzabgrenzung zwischen Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung, wobei ein gewisses Schwergewicht bei der Frage liegt, wer Zahl und Person der Geschäftsführer bestimmt. Die im Aktienrecht viel erörterten Fragen der inneren Organisation des Aufsichtsrats, insbesondere auch zur Vertraulichkeit der dem Gremium und jedem einzelnen verfügbaren Informationen, betreffen auch den GmbH-Aufsichtsrat. Eigenständige Probleme ergeben sich aus dem Versuch des § 4 Abs. 1 Satz 2 MitbestG, durch „Zurechnung“ von Arbeitnehmern einer KG zu ihrer Komplementär-GmbH die Mitbestimmung auf eine Personengesellschaft zu übertragen, bei der die kapitalgesellschaftsrechtlichen Elemente derart überwiegen, dass eine Gleichbehandlung mit der GmbH angemessen erscheint. An dieser Stelle stößt die Konzeption des Gesetzes, über das Gesellschaftsorgan „Aufsichtsrat“ eine weitgehend rechtsformunabhängige Mitbestimmung zu verwirklichen, an ihre Grenzen. Darüber ist man sich trotz unterschiedlicher Meinungen zur Lösung des Grundproblems einig1. Ein Versuch des Gesetzgebers, die Größe des mitbestimmten Aufsichtsrats stärker als bisher an die Bedürfnisse des konkreten Unternehmens anzupassen, ist gescheitert2; die z.T. unter allgemein-wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten seit Jahren geäußerte Kritik an der unternehmerischen Mitbestimmung dürfte für den nationalen Bereich angesichts des zu erwartenden Widerstandes der Gewerkschaften keine wesentlichen Folgen haben. Ob sich insoweit Verschiebungen durch die für die SE vorgesehene Unternehmensmitbestimmung kraft Vereinbarung3 ergeben werden, erscheint zweifelhaft.

IV. Die GmbH im internationalen Privatrecht Schrifttum: Altmeppen, Schutz vor „europäischen“ Kapitalgesellschaften, NJW 2004, 97; Altmeppen/Wilhelm, Gegen die Hysterie um die Niederlassungsfreiheit der Scheinauslandsgesellschaften, DB 2004, 1083; v. Bar, IPR, Bd. II: Besonderer Teil, 1991; v. Bar/Mankowski, IPR, Bd. I: Allgemeine Lehren, 2. Aufl. 2003; Baudenbacher/Buschle, Niederlassungsfreiheit für EWR-Gesellschaften nach Überseering, IPRax 2004, 26; Bayer, Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Gesellschaftsrecht, BB 2004, 1; Bayer, Die EuGH-Entscheidung „Inspire Art“ und die deutsche GmbH im Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen, BB 2003, 2357; Behrens, Das Internationale Gesellschaftsrecht nach dem Centros-Urteil des EuGH, IPRax 1999, 323; Behrens, Das Internationale Gesellschaftsrecht nach dem ÜberseeringUrteil des EuGH und den Schlussanträgen zu Inspire Art, IPRax 2003, 193; Behrens, Gemeinschaftsrechtliche Grenzen der Anwendung inländischen Gesellschaftsrechts auf Auslandsgesellschaften nach Inspire Art, IPRax 2004, 20; Beitzke, Juristische Personen im IPR und Fremdenrecht, 1938; Beitzke, Einige Bemerkungen zur Rechtsstellung ausländischer Gesellschaften in deutschen Staatsverträgen, in: FS Luther, 1976, S. 1; Bitter, Flurschäden im Gläubigerschutzrecht durch Centros & Co.?, WM 2004, 2190; Borges, Gläubigerschutz bei ausländischen Gesellschaften mit inländischem Sitz, ZIP 2004, 733; Borges, Die Sitztheorie in der Centros-Ära: Vermeintli1 Kunze, ZHR 142 (1978), 321 f.; Großmann, DB 1976, 1391. Zu den Kompetenzen der Organe grundlegend Theisen, Die Aufgabenverteilung in der mitbestimmten GmbH, 1981. 2 Dazu Seibert, Das Gesetz über Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, in: Dörner/Menold/Pfitzer (Hrsg.), Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und Prüfung, 1998, S. 1, 13. 3 Dazu Oetker, ZIP 2006, 1113 ff.

H. P. Westermann

|

99

Einleitung

Internationales Privatrecht

che Probleme und unvermeidliche Änderungen, RIW 2000, 167; Borges, Konsequenzen der Centros-Entscheidung des EuGH für die Sitzanknüpfung des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts, DB 1999, 1841; Bungert, Deutsch-amerikanisches internationales Gesellschaftsrecht: Staatsvertragliche Festschreibung der Überlagerungstheorie?, ZVglRWiss 93 (1994), 117; Bungert, Konsequenzen der Centros-Entscheidung des EuGH für die Sitzanküpfung des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts, DB 1999, 1841; Drygala, Stand und Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts, ZeUP 2004, 337; Ebenroth/Eyles, Die Beteiligung ausländischer Gesellschaften an einer inländischen Kommanditgesellschaft, DB Beil. 2, 1988, 7; Ebenroth/Wilken, Entwicklungstendenzen im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht, JZ 1991, 1014; Ebke, Die „ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG“ und das europäische Gesellschaftsrecht, ZGR 1987, 245; Ebke, Das Schicksal der Sitztheorie nach dem Centros-Urteil des EuGH, JZ 1999, 656; Ebke, Überseering: „Die wahre Liberalität ist Anerkennung“, JZ 2003, 927; Eidenmüller, Geschäftsleiter- und Gesellschafterhaftung bei europäischen Auslandsgesellschaften mit tatsächlichem Inlandssitz, NJW 2005, 1618; Eidenmüller, Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer ausländischen Gesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaats, JZ 2003, 526; Eidenmüller, Mobilität und Restrukturierung von Unternehmen im Binnenmarkt, JZ 2004, 24; Eidenmüller, Wettbewerb der Gesellschaftsrechte in Europa, ZIP 2002, 2233; Eidenmüller/Rehm, Gesellschafts- und zivilrechtliche Folgeprobleme der Sitztheorie, ZGR 1997, 89; Eidenmüller/Rehm, Niederlassungsfreiheit versus Schutz des inländischen Rechtsverkehrs: Konturen des europäischen Internationalen Gesellschaftsrechts, ZGR 2004, 159; Fischer, Die Verlagerung des Gläubigerschutzes vom Gesellschafts- in das Insolvenzrecht nach „Inspire Art“, ZIP 2004, 1477; Fleischer, Gläubigerschutz in der kleinen Kapitalgesellschaft – Deutsche GmbH versus englische Private Limited Company, DStR 2000, 1015; Freitag, Der Wettbewerb der Rechtsordnungen im Internationalen Gesellschaftsrecht, EuZW 1999, 267; Goette, Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, DStR 1996, 709; Goette, Wo steht der BGH nach „Centros“ und „Inspire Art“?, DStR 2005, 197; Goette, Zu den Folgen der Anerkennung ausländischer Gesellschaften mit tatsächlichem Sitz im Inland für die Haftung, ZIP 2006, 541; Grasmann, System des Internationalen Gesellschaftsrechts, 1970; Großerichter, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Rechtsraum: Das deutsche Internationale Gesellschaftsrecht und seine Perspektive nach der Entscheidung „Überseering“, DStR 2003, 159; Großfeld, Zur Entwicklung der Anerkennungstheorien im Internationalen Gesellschaftsrecht, in: FS H. Westermann, 1974, S. 199; Grothe, Die ausländische Kapitalgesellschaft & Co., 1989; Habersack/Verse, Wrongful Trading – Grundlage einer europäischen Insolvenzverschleppungshaftung?, ZHR 168 (2004), 174; Hirsch/Britain, Artfully Inspired – werden deutsche Gesellschaften englisch?, NZG 2003, 1100; Hoffmann, Neue Möglichkeiten zur identitätswahrenden Sitzverlegung in Europa?, ZHR 164 (2000), 43; Höfling, Die Sitztheorie nach Centros und der österreichische OGH, EuZW 2000, 145; Horn, Deutsches und Europäisches Gesellschaftsrecht und die EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit, Inspire Art, NJW 2004, 893; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004; Kieninger, ECLR Niederlassungsfreiheit als Rechtswahlfreiheit, ZGR 1999, 724; Kieninger, Internationales Gesellschaftsrecht nach „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ – Antworten, Zweifel und offene Fragen, ZeUP 2004, 685; Kieninger, Zur Verlegung des Sitzes einer GmbH in die Niederlande, NZG 2001, 610; Kindler, Auf dem Weg zur Europäischen Briefkastengesellschaft?, Die „Überseering“-Entscheidung des EuGH und das Internationale Privatrecht, NJW 2003, 1073; Kindler, „Anerkennung“ der Scheinauslandsgesellschaft und Niederlassungsfreiheit, IPRax 2003, 41; Kindler, Das Centros-Urteil des „Europäischen Gerichtshofs“ – eine Analyse aus dem Blickwinkel des europäischen Gemeinschaftsrechts, des Gesellschaftsrechts und des Internationalen Privatrechts, Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 1999, 2000, S. 87; Kindler, „Inspire Art“ – aus Luxemburg nichts Neues zum internationalen Gesellschaftsrecht, NZG 2003, 1806;

100

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

Kleinert/Mildner, Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft, GmbHR 2004, 119; Knobbe-Keuk, Umzug von Gesellschaften in Europa, ZHR 154 (1990), 325; Kögel, EuGH-Rechtsprechung Centros, Überseering, Inspire Art – Auswirkungen auf die registergerichtliche Praxis, Rpfleger 2004, 325; Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1971; Kropholler, Auslandsbeurkundungen im Gesellschaftsrecht, ZHR 140 (1976), 394; Lange, Zur Niederlassungsfreiheit im Zusammenhang mit der Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft, DNotZ 1999, 599; Leible, Grenzüberschreitende Verschmelzungen im Binnenmarkt nach „Sevic“, RIW 2006, 161; Leible, Niederlassungsfreiheit und Sitzverlegungsrichtlinie, ZGR 2004, 530; Leible, Überseering und das (vermeintliche) Ende der Sitztheorie, RIW 2002, 925; Leible/Hoffmann, „Überseering“ und das deutsche Gesellschaftskollisionsrecht, ZIP 2003, 925; Leible, Hauptniederlassung, Niederlassungsfreiheit und Sitztheorie, NZG 2001, 460; Leible/Hoffmann, Wie inspiriert ist Inspire Art?, EuZW 2003, 677; Lurger, Centros Revisted – Die österreichische Sitztheorie und die Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages, IPRax 2001, 346; Meilicke, Auswirkungen der „Centros-Entscheidung“ auf die 14. EU-Sitzverlegungs-Richtlinie, GmbHR 1999, 896; Meilicke, Kommentar zum Urteil des EuGH – Inspire Art, GmbHR 2003, 1271; Paefgen, Auslandsgesellschaften und Durchsetzung deutscher Schutzinteressen nach „Überseering“, DB 2003, 487; Paefgen, Gezeitenwechsel im Gesellschaftskollisionsrecht, WM 2003, 561; Paefgen, Umwandlungen über die Grenze – ein leichtes Spiel?, IPRax 2004, 132; Paefgen, Umwandlung, Europäische Grundfreiheiten und Kollisionsrecht, GmbHR 2004, 463; Riegger, Centros – Überseering – Inspire Art: Folgen für die Praxis, ZGR 2004, 510; G. H. Roth, Gründungstheorie: Ist der Damm gebrochen?, ZIP 1999, 861; W. H. Roth, „Centros“: Viel Lärm um Nichts?, ZGR 2000, 311; W. H. Roth, Die Sitzverlegung vor dem EuGH, ZIP 2000, 1597; Sandrock, Die Schrumpfung der Überlagerungstheorie, ZVerglRWiss. 102 (2003), 447; Sandrock, Centros: ein Etappensieg für die Überlagerungstheorie, BB 1999, 1337; Sandrock, Sitzrecht contra Savigny?, BB 2004, 897; Sandrock, BB-Forum – nach Inspire Art – was bleibt vom deutschen Sitzrecht übrig?, BB 2003, 2588; Schanze/Jüttner, Anerkennung und Kontrolle ausländischer Gesellschaften – Rechtslage und Perspektiven nach der Überseering-Entscheidung des EuGH, AG 2003, 30; K. Schmidt, Verlust der Mitte durch „Inspire Art“? – Verwerfungen im Unternehmensrecht durch Schreckreaktionen der Literatur, ZHR 168 (2004), 493; Schumann, Die englische Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland: Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung und Haftung bei Insolvenz, DB 2004, 743; Sonnenberger/Baur, Vorschlag des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht für eine Regelung des Internationalen Gesellschaftsrechts auf europäischer/nationaler Ebene, RIW Beil. 1 zu Heft 4, 2006; Sonnenberger/Großerichter, Konfliktlinien zwischen Internationalem Gesellschaftsrecht und Niederlassungsfreiheit, RIW 1999, 721; Spindler/Berner, Der Gläubigerschutz im Gesellschaftsrecht nach Inspire Art, RIW 2004, 7; Spindler/Berner, Inspire Art – Der europäische Wettbewerb um das Gesellschaftsrecht ist endgültig eröffnet, RIW 2003, 949; Ulmer, Schutzinstrumente gegen die Gefahren aus der Geschäftstätigkeit inländischer Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit fiktivem Auslandssitz, JZ 1999, 662; Ulmer, Gläubigerschutz bei Scheinauslandsgesellschaften, NJW 2004, 1201; Vallender, Die Insolvenz von Scheinauslandsgesellschaften, ZGR 2006, 425; v. Halen, Das internationale Gesellschaftsrecht nach dem Überseering-Urteil des EuGH, WM 2002, 571; Wachter, Anforderungen an den Unternehmensgegenstand bei der Anmeldung der Zweigniederlassung einer ausländischen GmbH im Inland, GmbHR 2005, 99; Wachter, Auswirkungen des EuGHUrteils in Sachen Inspire Art Ltd. auf Beratungspraxis und Gesetzgebung, GmbHR 2004, 88; Wachter, Existenz und Vertretungsnachweis bei der englischen Private Limited Company, DB 2004, 2795; Wachter, Handelsregisteranmeldung der inländischen Zweigniederlassung einer englischen Private Limited Company, NotBZ 2004, 41; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, 2004; Weller, Das Internationale Gesellschaftsrecht in der neuesten BGH-Rechtsprechung, H. P. Westermann

|

101

Einleitung

Internationales Privatrecht

IPRax 2003, 324; Weller, Scheinauslandsgesellschaften nach Centros, Überseering und Inspire Art: Ein neues Anwendungsfeld für die Existenzvernichtungshaftung, IPRax 2003, 207; Wertenbruch, Der Abschluss des „Überseering“-Verfahrens durch den BGH – Folgerungen, NZG 2003, 618; H. P. Westermann, Das Gesellschaftsrecht in der Methodendiskussion um das IPR, ZGR 1975, 68; Wiedemann, Internationales Gesellschaftsrecht, in: FS Kegel, 1977, S. 187; Winkler, GmbH-Gesellschafterversammlungen im Ausland und Beurkundungen durch deutsche Notare, NJW 1974, 1032; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht – Das Kollisionsrecht der Gesellschaften und sein Verhältnis zum Internationalen Kapitalmarktrecht und zum Internationalen Kapitalmarktrecht und zum Internationalen Unternehmensrecht, 1996; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht und Niederlassungsfreiheit – Das Rätsel vor der Lösung?, BB 2000, 1361; Zimmer, Mysterium „Centros“, ZHR 164 (2000), 23; Zimmer, Nach „Inspire Art“ – Grenzenlose Gestaltungsfreiheit für deutsche Unternehmen?, NJW 2003, 3585; Zimmer, Wie es Euch gefällt? Offene Fragen nach dem Überseering-Urteil des EuGH, BB 2003, 1; Zöllner, Konkurrenz für inländische Kapitalgesellschaften durch ausländische Rechtsträger, insbesondere durch die englische Private Limited Company, GmbHR 2006, 1. Sammelbände: Behrens, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, Bd. I, Einleitung B, 2005; Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, mit Beiträgen von Eidenmüller, Engert, Rehberg, Rehm, 2004; Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, mit Beiträgen von Fleischer, Huber, Lutter, W. H. Roth, Schaumburg, K. Schmidt, Zimmer, 2005; Sandrock/Wetzler, Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2004; Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht in der Praxis mit Beiträgen von Carl, Wendt, Witt, 2005.

A. Die Rahmenbedingungen der kollisionsrechtlichen Regelung 1. Der Ansatz des Gesellschafts-Kollisionsrechts 87

Das IPR der Gesellschaften regelt die kollisionsrechtliche Frage, welcher nationalen Rechtsordnung die privatrechtlichen – bei einer Gesellschaft also: die gesellschaftsrechtlichen – Normen zu entnehmen sind, die bei einem grenzüberschreitenden Tätigwerden einer Gesellschaft für das Verhältnis ihrer Gesellschafter zueinander und der Gesellschaft zu Dritten maßgebend sind. Das umfasst in erster Linie das für die Rechtsfähigkeit eines Personenverbandes bestimmende Personalstatut, womit aber weitergehend die das Leben einer einmal entstandenen juristischen Person sowie ihren Untergang beherrschenden Rechtsregeln gemeint sind1, weitergehend nach der überwiegend vertretenen Einheitslehre alle gesellschaftsrechtlichen Fragen, die tunlichst an ein und dasselbe Gesellschaftsstatut angeknüpft werden sollen2. Im Vordergrund der praktischen Bedeutung dieses Normenkomplexes steht die Frage nach den Bedin-

1 Dazu Eidenmüller, in: Eidenmüller (Hrsg), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, § 1 Rdnr. 1; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 1; Hohloch, in: Erman, Anh. II zu Art. 37 EGBGB Rdnr. 23. 2 RGZ 83, 369; BGHZ 25, 134 144 und ständig; BGH, BB 2000, 1106; OLG Düsseldorf, WM 1995, 808, 810; Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht in der Praxis, Abschnitt B Rdnr. 21; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 59; Zöllner, GmbHR 2006, 1, 2; abw. z.T. Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1086. Dies befürwortet auch der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht, s. Sonnenberger/Bauer, RIW-Beil. Heft 4 S. 1, 2.

102

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

gungen, unter denen eine nach den Regeln eines Staats wirksam zustande gekommene juristische Person im Geltungsbereich einer anderen Rechtsordnung tätig werden kann, wie also etwa ihre Organisationsverfassung und damit ihr Außenverhältnis und ihr Haftungsstatut aussehen. In Deutschland betrifft dies derzeit vor allem das Tätigwerden ausländischer Kapitalgesellschaften im Inland, das seit einigen Jahren durch die vom EuGH für den Bereich der Mitgliedstaaten der EU durchgesetzte Ausdehnung der Niederlassungsfreiheit auf juristische Personen beträchtlich an Zahl und Bedeutung zugenommen hat1. Aber auch der umgekehrte Fall einschließlich der Verlegung des Sitzes einer in Deutschland gegründeten GmbH ins europäische und außereuropäische Ausland ist von Bedeutung. Soweit die Entscheidung kollisionsrechtlicher Fragen durch die Anforderungen der europäischen Niederlassungsfreiheit beeinflusst ist (dazu Rdnr. 100 ff.), was unabhängig von der Frage geschieht, ob das Europarecht Vorgaben für das Kollisionsrecht enthält2, muss sich dies auf die Art der Behandlung von Gesellschaften aus außer-europäischen Rechtsordnungen nicht auswirken (Rdnr. 90 ff.); insoweit sind allerdings eine große Zahl von bilateralen völkerrechtlichen Abkommen (Rdnr. 91) zu beachten. Demgegenüber sind sowohl das deutsche EGBGB, das trotz seiner Reform im Jahre 1986 gesetzliche Regeln zum internationalen Gesellschaftsrecht bewusst3 nicht eingeführt hat und in Art. 37 Nr. 2 die Gesamtheit der gesellschaftsrechtlichen Fragen aus dem Anwendungsbereich der Art. 27 ff. ausnimmt, als auch das nicht in Staatsverträgen niedergelegte Völkergewohnheitsrecht für das Gesellschaftsrecht unergiebig; namentlich gibt es dort keine allgemein anerkannte Regelung über die Anerkennung im Ausland entstandener Gesellschaften4. So ist es gekommen, dass in Deutschland wie auch in zahlreichen anderen Rechtsordnungen auf Grund einiger gewohnheitsrechtlich praktizierter Lehrsätze (die allerdings von Staat zu Staat wechseln) in Gestalt der Sitz- und der Gründungstheorie (dazu Rdnr. 94 ff.) Konzeptionen des Gesellschafts-Kollisionsrechts entstanden sind, die in Europa wesentliche Änderungen durch die Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit mit einer Tendenz zu einem „Binnenmarktkollisionsrecht“ erfahren haben. Dennoch dürften sie bis zum Entstehen multilateraler Staatsverträge, für Europa auch durch gesellschaftsrechtliche Richtlinien (Rdnr. 64 ff.) und sonstige Vorgänge der Vereinheitlichung des materiellen Gesellschaftsrechts ihre Bedeutung behalten. Möglich erscheinen unter diesen Umständen auch Vereinheitlichungen des Gesellschafts-Kollisionsrechts, wie es sie auch für das Schuldvertragsrecht gegeben hat.

1 Dazu hier nur: Hirte, GmbHR 2003, R 421; Happ, ZHR 169 (2005), 6 ff.; H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849. Verlässliches Zahlenmaterial zu der Häufigkeit von EU-Auslandsgesellschaften in Deutschland liegt noch nicht vor, zu den Verhältnissen etwa im Registerbezirk Berlin-Charlottenburg s. die Angaben bei Ries, in: Schröder (Hrsg.), Die GmbH im europäischen Vergleich, 2005, S. 84. 2 Dazu Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 3. 3 S. Begr. RegE EGBGB, BT-Drucks. 10/504, S. 29. 4 Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325, 341 f.; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 4.

H. P. Westermann

|

103

Einleitung

Internationales Privatrecht

2. Kollisions- und Fremdenrecht 88

Früher wurde vom Kollisionsrecht ein – nicht auf die Tätigkeit von Personenverbänden beschränktes – Fremdenrecht unterschieden. Man versteht darunter materielle Sonderregeln (Sachnormen), z.T. öffentlich-rechtlicher Natur, über die rechtliche Behandlung ausländischer Rechtssubjekte, deren Anwendung aber eine Entscheidung über die grundsätzliche Anwendbarkeit des inländischen oder eines bestimmten ausländischen Rechts auf diese Subjekte, also die kollisionsrechtliche Behandlung, bereits voraussetzt1. Das betrifft etwa Vorschriften über die Niederlassung ausländischer juristischer Personen, ihre Registrierung (auch: von Zweigniederlassungen) im Handelsregister (s. etwa § 13d HGB), möglicherweise (so häufig in manchen „Entwicklungsländern“, früher auch in Staaten des sogenannten Ostblocks) auch über die Notwendigkeit der Tätigkeit inländischer natürlicher Personen in den Gesellschaftsorganen, oder auch die Gleichstellung mit inländischen Gesellschaften. Auch auf diesem Gebiet, z.T. auch mit Auswirkungen für das Kollisionsrecht, sind in Europa Richtlinien, etwa zur Zweigniederlassung, zur Sitzverlegung oder zur Verschmelzung, denkbar, in Vorbereitung oder bereits erlassen (teilweise dazu Rdnr. 64 ff.; s. aber auch Rdnr. 140 ff., 152 ff.), die also vom nationalen Gesetzgeber umzusetzen bzw. bei der Auslegung nationalen Rechts zu beachten sind. Aber auch außerhalb dieser Materien ist davon auszugehen, dass zumindest die Mitgliedstaaten der EU nicht völlig frei darin sind, durch fremdenrechtliche Bestimmungen, etwa durch einen Zwang zur Bestellung inländischer Rechtssubjekte als Geschäftsführer, mittelbar die Niederlassungsfreiheit ausländischer Gesellschaften zu beschränken; insoweit ist die weitere Entwicklung des Gesellschafts-Kollisionsrechts, das ja fremdenrechtlichen Maßnahmen vorgeht, abzuwarten. Die ebenfalls zum Fremdenrecht gehörenden Regeln über diplomatischen Schutz von Gesellschaften, ihrer Gesellschafter und ihres Vermögens sowie umgekehrt über den Schutz von Vermögensgütern inländischer juristischer Personen im Ausland gehören dem Völkerrecht an. Schließlich wäre es denkbar gewesen, ausländischen juristischen Personen, etwa bei der Verteidigung von subjektiven Rechten, in Deutschland Grundrechtsschutz angedeihen zu lassen, was jedoch die Rechtsprechung abgelehnt hat2.

89

Vor diesem Hintergrund nehmen sich fremdenrechtliche Bestimmungen im deutschen Unternehmensrecht nicht allzu bedeutend aus. § 23 BGB erlaubt, einem Verein mit ausländischem Sitz durch Beschluss des Bundesrates (an dessen Stelle jetzt das Bundesinnenministerium getreten ist) Rechtsfähigkeit (wohl: nach Maßgabe deutschen Rechts) zu verleihen3; das gilt nach § 86 BGB für Stiftungen entsprechend. Beide Vorschriften werden als versteckte Kollisionsnormen bezeichnet4. Sie sind nahezu bedeutungslos, da sie nicht für sol1 Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 156; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 559 ff.; Assmann, in: Großkomm. AktG, Einl. Rdnr. 526, 663 ff. 2 So das BVerfG, BVerfGE 21, 207, 209; 23, 229, 236; s. aber auch BGH, WM 1980, 714, 716. 3 Zur Zuständigkeit des Bundesinnenministers s. den Beschluss der Bundesregierung vom 17. 12. 1953 auf der Grundlage des Art. 10 EGBGB, BGBl. I, 43; ferner H. P. Westermann, in: Erman, Anm. zu § 23 BGB. 4 Hohloch, in: Erman, Anh. II zu Art. 37 EGBGB Rdnr. 27.

104

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

che Rechtspersonen gelten, die nach dem Recht ihres Sitz- oder Gründungsstaats rechtsfähig sind1. Für Vereine von Ausländern mit Sitz im Inland sowie für ausländische Vereine ohne überwiegende Beteiligung Deutscher sehen §§ 14, 15 VereinsG Verbotsmöglichkeiten vor, die über das sonst nach Art. 9 Abs. 2 GG Erlaubte hinausgehen; diese Vereine unterliegen auch einer besonderen Aufsicht2. In den Zusammenhang fremdenrechtlicher Bestimmungen gehören etwa auch die §§ 12, 12a GewO über den inländischen Gewerbebetrieb einer ausländischen juristischen Person sowie § 33 WZG mit den Bestimmungen über ausländische Schutzrechtsinhaber ohne inländische Niederlassung. Bis zu einem gewissen Grade können auch die börsenrechtlichen Vorschriften über die Zulassung ausländischer Papiere zum Börsenhandel, also kapitalmarktrechtliche Regeln, die Tätigkeiten ausländischer Gesellschaften im Inland berühren. Daraus folgt dann aber auch, dass europarechtliche Grundsätze wie die Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EG-Vertrag) oder Regeln über die Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 56 EG-Vertrag) hier eingreifen können, wobei die letzteren hauptsächlich das Recht einer im Inland ansässigen Person schützen, Geschäftsanteile an einer im Ausland gegründeten oder dort ansässigen Gesellschaft zu erwerben3.

3. Die Behandlung von Gesellschaften betreffende völkerrechtliche Verträge Kollisions- wie fremdenrechtliche Regeln des nationalen Rechts werden durch völkerrechtliche Verträge, aus denen sich Pflichten der Vertragsstaaten zur Anerkennung ausländischer Gesellschaften, möglicherweise auch weitere Kriterien für die Anknüpfung kollisionsrechtlicher Entscheidungen zu ergeben pflegen, in ihrer Wirkung verdrängt4. Das gilt für die zahlreichen bilateralen sowie für multilaterale Verträge, von denen es aber nur sehr wenige gibt, und die sich in einerseits Freundschafts- und Niederlassungsabkommen und andererseits Kapitalanlage- und Kapitalschutzabkommen einteilen lassen; unter den ersteren ragen Abkommen mit den USA, Spanien, Frankreich, Griechenland, Iran, Italien, Japan, den Niederlanden und der Türkei hervor5. Innerhalb der EG werden hierdurch die Grundfreiheiten innerhalb der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum verwirklicht6. Die Bedeutung der bilateralen Abkommen liegt zum großen Teil darin, dass dort Regelungen über die Anknüpfung des Personalstatus an den Sitz oder die Gründung der betreffenden Gesellschaft getroffen sind, die namentlich für die Rechtsbeziehungen deut1 Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 109; Reuter, in: MünchKomm. BGB, 4. Aufl., § 23 Rdnr. 1. 2 §§ 19–21 der DfVO zum VereinsG v. 28. 7. 1966, BGBl. I, 457. 3 Dazu Tz. 77 in der in Rdnr. 104 ff. zu besprechenden Überseering-Entscheidung des EuGH. 4 Zum Vorrang der Abkommen vor der allgemein kollisionsrechtlichen Anknüpfung (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB) in diesem Bereich s. Bungert, ZVglRWiss 93 (1994), 117, 133 f.; Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 10; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 230. 5 Nachw. im Einzelnen bei Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 253 ff. 6 Zum Charakter als Völkervertragsrecht hier nur Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 3.

H. P. Westermann

|

105

90

Einleitung

Internationales Privatrecht

scher Rechtssubjekte zu Gesellschaften aus außereuropäischen Staaten die Abwägung und die Kollision zwischen Gründungs- und Sitztheorie (Rdnr. 94 ff.) abschwächen. Von naheliegender praktischer Bedeutung ist vor allem Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des schon vom Jahre 1954 datierenden Freundschafts-, Handelsund Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA (FCN-Vertrag)1, der festlegt, dass im Verhältnis zwischen diesen beiden Ländern für das Personalstatut von Gesellschaften nicht die – seinerzeit in Deutschland ganz herrschende – Sitztheorie, sondern die Gründungstheorie anzuwenden ist. Das bedeutet praktisch, dass für US-amerikanische Gesellschaften auf das Recht des Bundesstaats abzustellen ist, nach dem die Gesellschaft gegründet worden ist, was die auch in den USA überragende Bedeutung der besonders liberalen Rechtsordnung von Delaware2 auf Deutschland überträgt. Dabei stellen sich dann ähnliche Fragen wie im Verhältnis zu solchen „Auslandsgesellschaften“, die nach einem gegenüber dem deutschen Recht – vielleicht auch nur: vermeintlich – attraktiveren europäischen Recht entstanden sind. Der FCN-Vertrag, der an sich nur die Maßgeblichkeit des Gründungsrechts für die Bestimmung des Personalstatuts verfügt, regelt nach der Judikatur des BGH nicht nur die Anerkennung der Rechtsfähigkeit, sondern auch die Handlungs- und Verpflichtungsbefugnisse der für die Gesellschaft agierenden Personen3, ferner die Haftungsverfassung4; darüber hinaus geht die h.M. davon aus, dass mit der Anerkennung die Anwendbarkeit des gesamten Gesellschaftsstatuts verbunden ist5. Zum EWR-Abkommen s. Rdnr. 99. Das bedeutet aber nicht, dass allgemein im Verhältnis zu Drittstaaten die Gründungstheorie (Rdnr. 97) anzuwenden ist6. 91

Die bilateralen Staatsverträge (meist Kapitalschutzabkommen genannt) unterscheiden sich hauptsächlich danach, ob sie beiderseitig oder halbseitig geltende Kollisionsnormen aufstellen, was die Geltung nationaler Rechte für die Bestimmung des Personalstatuts anbelangt. Beide Typen kommen in der Vertragspraxis der Bundesrepublik vor7. Der erstere Typ, etwa in den Abkommen mit Irland, Spanien, der Türkei, mit gewissen Abwandlungen bezüglich der näheren

1 BGBl. II 1956, 487; hierzu näher Dammann, RabelsZ 6 (2004), 607 ff.; Bungert, DB 2003, 1043 ff.; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B 232 ff. 2 Hinzuweisen ist daher auf die eingehende Darstellung dieses Gesellschaftsrechts in den Arbeiten von Rehm, in: Eidenmüller, § 11; Fleischer in: Lutter, S. 68 ff.; Spahlinger/ Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt E Rdnr. 1296 ff.; s. im Einzelnen unten Rdnr. 75 ff. 3 BGH, NJW 2003, 1607 = DB 2003, 818 f. mit Anm. Bungert; dazu auch Paefgen, DZWiR 2003, 441; Bungert, ZVglRWiss 93 (1994), 117, 132 ff. 4 BGH, NJW-RR 2004, 1618; dazu Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 247. 5 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 246; Rehm, JZ 2005, 304, 305; Ebenroth/Bippus, DB 1988, 842, 844; s. ferner Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 260. 6 Dagegen Binz/Mayer, BB 2005, 2361; anders Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 40; s. auch Ebke, in: Sandrock/Wetzler, S. 122 ff.; ebenso der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht, Sonnenberger/Bauer, RIW Beil. 4/2006, S. 7 ff. 7 Eingehende und weltweite Nachweise bei Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 14 ff. auf dem Stand vom 31. 12. 2003.

106

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

Ausgestaltung der Gesellschaften mit ausländischem Vertragsstatut auch Israel und China) sieht die Anerkennung von Gesellschaften, die im jeweils anderen Vertragsstaat gegründet, registriert und möglicherweise zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit ausländischen Geschäftspartner autorisiert sind, im anderen Vertragsstaat vor, wobei bisweilen zusätzliche Erfordernisse der behördlichen Kontrolle oder der Mitwirkung von Inländern in den Gesellschaftsorganen aufgestellt sind. Maßgeblich ist danach für die „Anerkennung“ jeweils das Gründungsrecht. Bei den halbseitig auf das Gründungsrecht abstellenden Vereinbarungen akzeptiert das deutsche Recht, dass im anderen Vertragsstaat wirksam gegründete Gesellschaften unabhängig von ihrem tatsächlichen Verwaltungssitz ihrem Gründungsrecht unterliegen, während in Deutschland gegründete Gesellschaften im Vertragsstaat nur anerkannt werden, wenn sie ihren Sitz in Deutschland haben. Diese – praktisch wenig befriedigende – Lösung gilt etwa im Verhältnis zu Gesellschaften in Bolivien, Hongkong, Indonesien, Pakistan, Serbien und Montenegro oder Singapur. In zahlreichen anderen Abkommen ist dagegen die Sitztheorie für maßgeblich erklärt, so mit Griechenland, Italien, Japan, Kroatien, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Tschechien, Ukraine, Ungarn. Liegen die in den Abkommen bezeichneten Voraussetzungen vor, so besteht eine Pflicht der Vertragsstaaten zur Anerkennung der betreffenden Gesellschaft, was bedeutet, dass sie als rechts- und parteifähig zu betrachten ist. Kollisionsrechtlich ist aber die „Anerkennung“ nur ein Teilaspekt der Prüfung des Personalstatuts der Gesellschaft1, was aus dem Bestreben folgt, die Fragen des Außenverhältnisses, namentlich Vertretung und Haftung, tunlichst nicht getrennt von der inneren Handlungsverfassung beurteilen zu müssen, besonders auch Gründungsanforderungen und Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung nach einem einheitlichen Statut entscheiden zu können. Praktisch ist damit die Anerkennung zugleich eine kollisionsrechtliche Entscheidung2, die in einem Abkommen auch mit anderen Kollisionsregeln verbunden werden kann, etwa mit Meistbegünstigungsklauseln (dazu sogleich Rdnr. 93). Die Abkommen der verschiedenen Typen können Anwendungsprobleme aufwerfen, wenn die darin vereinbarte Methode der Anknüpfung des Personalstatuts an die Gründung oder den Sitz der Gesellschaft von anderen Normen abweicht. Ist beiderseitige Maßgeblichkeit des Gründungsrechts vereinbart, so haben die im jeweiligen Inland wirksam gegründeten Gesellschaften die Sicherheit, im anderen Vertragsstaat anerkannt zu werden, wobei freilich über Begrenzungen dieses Rechts nachgedacht wird, wenn eine im Gründungsstaat an sich gültig entstandene Gesellschaft dort keinen Sitz hat und keine geschäftlichen Aktivitäten entfaltet. Dies Problem hat in der Rechtsprechung des EuGH zur Tragweite der Niederlassungsfreiheit in Europa eine herausragende Rolle gespielt (Rdnr. 100 ff.), es kann aber auch im Rahmen von Abkommen mit Verweisung auf das Gründungsstatut auftreten. Eine so begründete Ausnahme von der Anerkennungspflicht ist im Fall einer im Florida gegründeten

1 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 227 ff.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 2045 ff. 2 Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 7 ff.

H. P. Westermann

|

107

92

Einleitung

Internationales Privatrecht

Gesellschaft, die sich also an sich auf das im FCN-Vertrag als maßgeblich festgelegte Gründungsstatut berufen konnte, angenommen worden1, diese Einschränkung durch das Erfordernis eines über die Gründung nach seinem Recht hinausgehenden „genuine link“ zum Gründungsstaat dürfte sich aber nicht durchsetzen. Zum einen hat der BFH im Fall einer nach dem Recht von Delaware gegründeten Gesellschaft ihr die Fähigkeit zuerkannt, Organträgerin einer inländischen GmbH zu sein2, während in einer ebenfalls jüngeren Entscheidung des BGH die Frage des „genuine link“ nicht angesprochen wurde3. Die vom BGH hier zu beurteilende Gesellschaft hatte allerdings ihren Satzungssitz in den USA und hatte den tatsächlichen Verwaltungssitz ins Inland verlegt (doppelansässige Kapitalgesellschaft)4. Diese Enthaltsamkeit der Rechtsprechung entspricht der jetzt wohl durchgesetzten Rechtslage im Verhältnis zu Gesellschaften aus dem Bereich der EU, hinter die, was die angestrebte Planungssicherheit der Auslandsgesellschaften angeht, bei der Anwendung des FCNVertrages kaum zurückgegangen werden kann. In einer weiteren neuen Entscheidung des BGH zu einer Delaware-Gesellschaft wird diese grundsätzliche Linie beibehalten, indem als „genuine link“ das Weiterbestehen eines brokerVertrages mit einem US-amerikanischen Partner angesehen wurde5. Es ging dabei um den Versuch eines inländischen Gläubigers, einen Partner der Delaware-Gesellschaft, die in Deutschland aktiv war, in entsprechender Anwendung des § 128 HGB in Anspruch zu nehmen; dies scheiterte an der Anerkennung der Gesellschaft als „incorporated“ mit Haftungsbeschränkung. In dieselbe Richtung weist ein ebenfalls neues Urteil des BGH, das einer in Kalifornien gegründeten und tatsächlich in Deutschland aktiven Gesellschaft volle Rechtsund Parteifähigkeit zuspricht6, wobei auch diesmal die Frage nach der Notwendigkeit eines „genuine link“ offen gelassen werden konnte, da dieses Erfordernis nur als Korrektur in „extrem gelagerten Ausnahmefällen“ in Frage komme und schon bei Ausübung einer auch nur geringen wirtschaftlichen Tätigkeit im Gründungsstaat (in concreto: Telefonanschluß mit Anrufbeantworter) erfüllt sei7. Bei alledem brauchte zum Umfang des Gläubigerschutzes insbesondere

1 OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1124; zust. Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 250 ff.; im Grundsatz zust. aber mit abweichender Beurteilung des Einzelfalls Ebenroth/Kemmner/Willburger, ZIP 1995, 972, 974; krit. Paefgen, DZWiR 2003, 441; im Ergebnis auch Merkt, RIW 2004, 458 f.; Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 34; Mäsch, in: Bamberger/Roth, Anh. 12 EGBGB Rdnr. 3. 2 BFH v. 29. 1. 2003, GmbHR 2003, 722 und zu dieser Frage Meilicke, GmbHR 2005, 68; Sedemund, BB 2003, 1362. 3 BGH, RIW 2003, 627; zu dieser Deutung Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 29; abweichend Kindler, BB 2003, 812. Die Urteile des BFH und des BGH vom 29. 1. 2003 werden als Reaktion auf „Überseering“ gedeutet bei Pacher, DStR 2003, 949 ff. 4 Dazu näher Kleinert/Xylander, RIW 2003, 630 ff., die wie Paefgen, DZWiR 2003, 411 f. und Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 29 auf die Verbindung mit dem ÜberseeringUrteil des EuGH (Rdnr. 104) hingewiesen haben. 5 BGH, BB 2002, 1868 mit zust. Anm. Melbert, S. 1869. 6 BGH, ZIP 2004, 2230, 2232 = GmbHR 2005, 51 und dazu Kleinert, GmbHR 2005, 56 im Anschluss an Ebenroth/Bippus, NJW 1998, 2137, 2142; s. auch BGH, NJW-RR 2004, 1618. 7 S. weiter Mankowski, EWiR 2003, 661, 662; Paefgen, DZWiR 2003, 441, 443; Spahlinger. in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 241.

108

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

bezüglich der Insolvenzverschleppung oder Rechtscheinshaftung nicht Stellung genommen zu werden, da hierzu nichts vorgetragen war1. Eine andere Frage betrifft die Anwendbarkeit der Gründungstheorie im Falle von Gesellschaften, mit deren Heimatstaat im Abkommen die Anknüpfung an den Sitz vereinbart ist. Da Gesellschaften, auf deren Sitz abgestellt wird, in diesen Fällen stets auch nach dem Sitzrecht gegründet sein werden, besteht zwar nicht die Pflicht, wohl aber das Recht zu ihrer Anerkennung auch dann, wenn die vertraglichen Voraussetzungen einer Anknüpfung an den Sitz – etwa wegen der Anforderungen an das Vorliegen eines „Sitzes“ im Vertragsstaat – nicht erfüllt sind. Das läuft auf die Überlegung hinaus, ob der Vertragsstaat mit der Anknüpfung an den Sitz „seiner“ Gesellschaften ein Interesse verbindet, dass im anderen Vertragsstaat Gesellschaften, die nicht die vertraglichen Voraussetzungen erfüllen, doch „unter Anknüpfung an das Gründungsrecht“ anerkannt werden. Dies wird man i.d.R. nicht anzunehmen haben2, es kommt aber wohl auf die Auslegung des ganzen Vertrages an. Soweit eine Anknüpfung an den Sitz in Staatsverträgen mit einem Land vereinbart ist, für dessen Kollisionsrecht die Anforderungen aus dem Europarecht gelten, stellt die vertragliche Regelung kein Hindernis dar, auf das Gründungsrecht abzustellen3. In den Fällen der Abkommen mit halbseitiger „Anwendung“ der Gründungstheorie (Rdnr. 91) ist für die Anerkennungsfähigkeit deutscher Gesellschaften im anderen Vertragsstaat am Erfordernis eines dortigen Sitzes nicht vorbeizukommen. Auch hier liegt es aber nahe, für die Anerkennung der ausländischen Gesellschaften, die dort keinen Sitz haben, nach Maßgabe ihres Gründungsrechts Sicherheiten bezüglich ihrer Handlungsverfassung zu fordern, was bis zu einem gewissen Grade durch Registrierung im Handelsregister und durch Anforderungen an die Firmierung geschehen kann (dazu näher Rdnr. 117 ff., 120 ff.).

92a

Der FCN-Vertrag (in Art. VII Nr. 4), aber auch einige andere „Kapitalschutzabkommen“ enthalten kollisionsrechtliche Meistbegünstigungsklauseln, nach denen Gesellschaften aus dem Vertragsstaat zu behandeln sind wie der bestbehandelte Dritte. Das wird in manchen Fällen der vertraglichen Zugrundelegung einer Sitzanknüpfung darauf hinauslaufen, dass doch von einem für die Gesellschaft günstigeren Gründungsrecht ausgegangen werden kann. Allerdings kommt es hierfür im einzelnen auf die Regelung in dem die Meistbegünstigungsklausel enthaltenen Abkommen an, die auch so gemeint sein kann, dass für die reine Anerkennung einer in einem Vertragsstaat begünstigten Gesellschaft im anderen Vertragsstaat ein Sitz im Gründungsstaat erforderlich sein soll. Das ist dann eine vorrangige Regelung des Problems der „Anerkennung“, die Meistbegünstigungsklausel bezieht sich somit auf andere Aspekte des Gesellschafts-Kollisionsrechts4. Auslegungsfrage – aber i.d.R. wohl zu bejahen – ist

93

1 Übersicht dazu bei Fleischer, RIW 2005, 92 ff.; zur Durchgriffshaftung nach dem Recht von Delaware auch Fleischer, in: Lutter (Hrsg.), Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 2005, S. 49, 75 ff. 2 Ein diesbezügliches schutzwürdiges Interesse leugnet Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 19 ff. 3 Auch dazu Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 19. 4 Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 25.

H. P. Westermann

|

109

Einleitung

Internationales Privatrecht

sodann die Erstreckung der gewollten Meistbegünstigung auf die Frage der Anerkennung und der Rechtsfähigkeit der Auslandsgesellschaft im Vertragsstatut.

B. Die kollisionsrechtlichen Grundkonzeptionen und ihre heutige Bedeutung 1. Sitz- und Gründungstheorie 94

Da die Kodifikation des Internationalen Privatrechts in Deutschland hinsichtlich der Anknüpfung des Personalstatuts von Gesellschaften nach wie vor eine Lücke lässt1, wurde insoweit lange Zeit ein – in Deutschland von der Rechtsprechung für die Praxis entschiedener – Theorienstreit ausgetragen, in dessen Mittelpunkt die Sitz- und die Gründungstheorie standen, jeweils mit verschiedenen Varianten. Es gibt aber auch Versuche zu vermittelnden Lösungen, die im Zuge der von der europäischen Niederlassungsfreiheit ausgehenden Neuorientierung eine Chance der Verwirklichung haben (Rdnr. 98). Die früher eindeutig herrschende Sitztheorie knüpft das Personalstatut an den tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung der gesellschaftsrechtlichen Tätigkeit an, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in Akte mit Außenwirkung umgesetzt werden. Dieser „Verwaltungssitz“ ist mit dem in der Satzung genannten Satzungssitz nicht unbedingt identisch. Das scheint dem „klassischen“ Gedanken des internationalen Privatrechts am ehesten zu entsprechen2. Die Sitztheorie ist in Deutschland hauptsächlich von der Rechtsprechung durchgesetzt worden3 und war auch im Schrifttum herrschend4. Sie wird freilich auch mit der Modifikation vertreten, dass es nicht auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankomme, sondern auf den Schwerpunkt derjenigen Tätigkeiten, durch die die Bürger eines Staats am stärksten betroffen werden5. Damit ist der Gedanke des Schutzes der an der Gründung unbeteiligten Dritten, die ein ausländisches Gründungsrecht und die Satzung der Gesellschaft nicht kennen können (spätere Kapitalanleger, vor allem aber Gläubiger einschließlich Arbeitnehmer) angesprochen, der es erfordere, den Gründern einer Gesellschaft die Wahl eines beliebigen, mit dem Sitzstaat nicht verbundenen Auslandsrechts nicht ohne weiteres freizustellen6, das sich auch nicht ohne

1 S. aber jetzt die Vorschläge des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht, Sonnenberger/Bauer, RIW Beil. 4/2006, S. 4 ff. 2 Zur Frage „Savigny contra Gründungstheorie“ oder gar „Sitzrecht contra Savigny“ s. näher Sandrock, BB 2004, 897 ff. 3 RGZ 117, 215, 217; 153, 200, 205 f.; BGHZ 53, 181, 183; 78, 218, 343; 97, 269; 151, 204; BGH, BB 2000, 1106; OLG Celle, ZIP 1984, 594, 600; OLG Oldenburg, NJW 1990, 1422; OLG Frankfurt, NJW 1990, 2204. 4 v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rdnr. 620; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 II 1; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 312 ff.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 61; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, Einl. Rdnr. 190; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Einl. Rdnr. 299. 5 Wiedemann, GesR I, § 14 III 2. 6 In diesem Sinne etwa Großfeld, RabelsZ 81 (1967), 1 28 ff.; vor einer Überschätzung der Schutzmöglichkeiten warnend Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 25; krit. zur „Schutztheorie“ bes. Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2236; Halbhuber, ZEuP 2003, 418, 424 f.

110

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

weiteres in die Rechtsordnung des Sitzstaats integrieren lasse1. Die Sitztheorie wird als allseitige Kollisionsnorm gehandhabt, sie gilt für Gesellschaften mit Verwaltungssitz im In- und Ausland2. Damit muss eine Gesellschaft, um unter einer der Sitztheorie folgenden Rechtsordnung Rechtsfähigkeit zu erlangen, nach den Vorschriften eines Staats gegründet sein und dort ihren Verwaltungssitz haben. Umgekehrt kann eine Gesellschaft, die nach ausländischem Recht gegründet wurde und danach auch leben soll, in einem die Sitztheorie anwendenden Land nicht wirksam entstehen. Im Ausland kann somit nicht eine Gesellschaft mit deutschem Verwaltungssitz gegründet werden, ebensowenig in Deutschland eine Gesellschaft mit ausländischem Verwaltungssitz3. Damit kann u.U. auch eine im Gründungsrecht verankerte Haftungsbeschränkung ihre Wirkung verlieren, indem die gewerbliche Tätigkeit unter die Regeln des OHG-Rechts oder auch der Vor-GmbH gebracht wird4. Besonders die Folgen für eine Sitzverlegung können sehr schwerwiegend sein (s. Rdnr. 152 ff.). Die Kontrollfunktion, die auf diese Weise dem Recht des Sitzstaats zugebilligt wird, und die im Interesse des inländischen Rechtverkehrs verbreitet für notwendig gehalten wird5, muss allerdings nicht unbedingt dazu führen, dass im inländischen Handelsregister andere als die deutschen Gesellschaftstypen von der Eintragungsfähigkeit ausgeschlossen werden6. Es kann nämlich sein, dass ein nicht der Sitz-, sondern der Gründungstheorie (Rdnr. 97), folgendes ausländisches Recht der Verlegung des Verwaltungssitzes in einen die Sitztheorie anwendenden Staat nicht entgegensteht, so dass sich fragt, ob wirklich entgegen dem Gründungsrecht lediglich wegen des inländischen Sitzes nur noch die Regeln des Sitzstaats diese Gesellschaft beherrschen sollen. Wie namentlich in der Diskussion um die kollisionsrechtlichen Folgen der Niederlassungsfreiheit in Europa immer wieder betont wird, lassen sich aufgrund der Sitztheorie die Anforderungen des inländischen Rechts im Hinblick auf die Kapitalausstattung und -bindung bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung der Gesellschafter auch auf im Ausland gegründete Gesellschaften ausdehnen, die ihren effektiven Verwaltungssitz im Inland haben – das könnte unabhängig von einer Registrierung der Auslandsgründung im deutschen Handelsregister durchgehalten werden. Insgesamt stehen hinter der Sitztheorie so viele nachvollziehbare Belange und Bedürfnisse auch einer entwickelten Rechtsordnung, dass sie trotz des europarechtlich motivierten Vordringens der Gründungstheorie nicht als erledigt zu betrachten ist, auch und gerade nicht im Verhältnis zu außereuropäischen Rechtsordnungen, in das sie auch durch die zahlreichen bilateralen Kapitalschutzabkommen (Rdnr. 90 ff.) eingeführt ist.

1 Assmann, in: Großkomm. AktG, Einl. Rdnr. 538. 2 OLG Oldenburg, IPRspr Nr. 77, Nr. 5; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 70, 85; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 400; anders aber Wiedemann, GesR I, S. 70 ff. 3 RGZ 88, 53, 55; BGHZ 25, 134, 144; 53, 181; 97, 269, 271. 4 Zum ersteren etwa AG Hamburg, NJW 2003, 2835; zum zweiten OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 1009; LG Marburg, RIW 1994, 63 f.; zu den sonstigen Folgen Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 22. 5 Großfeld, in: FS Harry Westermann, 1974, S. 199, 225. 6 OLG Zweibrücken, BB 2003, 864 gegen LG Frankenthal, NJW 2003, 762.

H. P. Westermann

|

111

95

Einleitung

Internationales Privatrecht

96

Die Sitztheorie muss allerdings im Hinblick auf einige Problempunkte flexibel angewendet werden, deren Lösung man dann auch als Schwäche betrachten kann, die zur Anwendung der Gründungstheorie führen kann1. Zum einen ist es naturgemäß manchmal schwierig, bei einer im Inland agierenden Gesellschaft zu beweisen, dass hiermit der Verwaltungssitz nicht mehr im Gründungsstaat liegt, so dass das Gebilde im Inland nicht als rechtsfähig anerkannt werden kann und für gemeinsames kaufmännisches Handeln der Gesellschafter tatsächlich die OHG-Regeln eingreifen müssten2. Die deutsche Rechtsprechung hat hier eine Beweislastregel des Inhalts angewendet, dass gegen die Existenz des effektiven Verwaltungssitzes der Gesellschaft in einem anderen Land als dem, nach dessen Recht das Gebilde erkennbar organisiert ist, eine Vermutung spreche, die also widerlegen müsste, wer sich auf das Auseinanderklaffen von Verwaltungssitz und Gründungsrecht beruft3. Ob diese Lösung allerdings mit den Interessen des inländischen Rechtsverkehrs verträglich ist, muss man bezweifeln, denn die „tatsächliche Organisationsstruktur“ einer Gesellschaft ist aus hiesiger Sicht wahrscheinlich schwerer zu erkennen als das Gründungsrecht einer als solcher firmierenden und registrierten Auslandsgesellschaft. Hinzu kommen die Folgen einer möglichen Rück- und Weiterverweisung4. So findet, wenn der Verwaltungssitz der juristischen Person sich in einem ausländischen Staat befindet, im Zuge einer Gesamtverweisung dessen IPR Anwendung, das auch auf das Recht eines dritten Gründungsstaats verweisen kann, was das deutsche Recht zu beachten hat5. Auch kann es sein, dass eine Gesellschaft, die nach dem der Sitztheorie folgenden Recht eines Staats gegründet worden ist, ihren Sitz in das Gebiet eines die Gründungstheorie anwendenden Staats verlegt, woraus sich dann eine Rückverweisung auf das Recht des Gründungsstaats ergibt6, die ebenfalls angenommen werden müsste.

97

Die Gründungs- (auch:) Inkorporationstheorie unterstellt die juristische Person grundsätzlich dem Recht des Staats, nach dessen Recht sie gegründet worden ist, was unabhängig von ihrem tatsächlichen Sitz auf den Ort der Registereintragung verweist, der gewöhnlich durch den satzungsmäßigen Sitz bestimmt ist7. Es gibt eine Reihe von Modifikationen, indem statt des eigentlichen Gründungsrechts auch auf das Recht abgestellt wird, nach dem die Gesellschaft 1 Zum Folgenden sehr eingehend Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 23 ff. 2 Zu dieser Konsequenz das Urteil BGHZ 151, 204 = GmbHR 2002, 1021, von dem das Gericht aber später aufgrund der Inspire-Art-Entscheidung des EuGH im Urteil GmbHR 2003, 527 mit Anm. Eidenmüller, JZ 2003, 538 ff. abgerückt ist; s. dazu auch Schulz, NJW 2003, 2705 f. 3 OLG München, NJW 1986, 2197 f.; OLG Oldenburg, NJW 1990, 1422; zurückhaltend aber OLG Hamm, NJW-RR 1995, 469 f. 4 Dazu auch Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 1 Rdnr. 4; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 20. 5 S. dazu den Fall OLG Frankfurt, RIW 1990, 583; ferner OLG Hamm, RIW 1995, 875; OLG Hamm, NZG 2001, 563; Ebenroth/Eyles, IPRax 1989, 1, 9; Hohloch, in: Erman, Anh. II zu Art. 37 EGBGB Rdnr. 27. 6 Näher Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 118 ff. 7 Darstellung der Gründungstheorie, die in Deutschland fast nirgends uneingeschränkt vertreten wird, bei Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 37; Spahlinger, in: Spahlinger/ Wegen, Abschnitt B Rdnr. 59.

112

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

aktuell tatsächlich organisiert ist, möglicherweise auch auf ein davon noch abweichendes Recht am Ort der Registereintragung1. Auch sehen die Vertreter der Gründungstheorie durchaus, dass schützenwerten Interessen des Staats, mit dem die Gesellschaft aufgrund ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes eng verbunden ist, Rechnung getragen werden muss2. Die Gründungstheorie, der gegenüber der Sitztheorie die höhere Rechtssicherheit zukommt, wird auch als die liberalere Lösung empfunden, die den nach dem Recht eines Staats einmal wirksam gegründeten Gesellschaften tendenziell eine Abwanderung in andere Rechtsordnung erlaubt, sie also nicht im Gründungsstaat „einmauert“3. Dadurch wird die Verfolgung ihrer unternehmerischen Interessen nicht behindert, und die tatsächlichen Probleme um die Anknüpfung an den effektiven Verwaltungssitz, die es in der Praxis gibt, entfallen oder werden wesentlich abgeschwächt. Der Hinweis freilich, dass sich Deutschland gegenüber wichtigen Handelspartnern wie den USA auf die Anwendung der Gründungstheorie eingelassen habe4, ließe sich durch die zahlreichen Kapitalschutzabkommen, in denen die Sitztheorie für anwendbar erklärt wird, etwas abschwächen, aber der von Europa ausgehende Trend zur Gründungstheorie entfaltet sicherlich Druck in diese Richtung5. Andererseits geht auch der EuGH, der selber keine ausdrücklichen Einschränkungen oder gar die Beseitigung der Sitztheorie ausgesprochen hat, davon aus, dass die Anwendung des Gründungsrechts auf Auslandsgesellschaften Schranken unterliegt, indem die Mitgliedstaaten aus vorrangig wichtigen Allgemeininteressen besonders solche nach einem ausländischen Recht gegründeten Gesellschaften, die ihre geschäftliche Aktivität allein im Inland ausüben, gewissen gesetzlichen Kontrollen unterwerfen können (näher zu den Kriterien Rdnr. 85). Dabei werden einzelne Schutzgedanken, die auch der Sitztheorie zugrunde liegen, zumindest in Extremfällen in Gestalt von Sonderanknüpfungen6 oder über den Gedanken des ordre public zur Geltung kommen, so dass insgesamt die Einflüsse des EuGH auf das internationale Gesellschaftsrecht nicht auf die Unterschiede zwischen Gründungs- und Sitztheorie reduziert werden können.

1 Nachweise bei Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 1 Rdnr. 3; Hoffmann, ZVglRWiss 101 (2002), 283 ff. mit Beispielen aus dem schweizerischen und dem dänischen Recht. In diesem Sinne der Vorschlag des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht, Sonnenberger/Bauer, RIW Beil. 4/2006, S. 1, 8. 2 Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325, 345 ff.; Leible, in: Michalski, Einl. Rdnr. 9; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 41: zum tschechischen Recht insoweit Pauknerowa, in: Vitzthum/Pena, Die Identität Europas, 2002, S. 81 ff. 3 Für Anwendung der Gründungstheorie daher auch Koppensteiner, Internationale Unternehmen, S. 105, 121 ff.; Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325, 353 ff. (im Hinblick auf die Europäische Niederlassungsfreiheit); ausführlich Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 37 ff. 4 Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 1 Rdnr. 8. 5 Für eine Bestimmung des Gesellschaftsstatuts nach der Gründungstheorie jetzt auch BGHZ 154, 185 = NJW 2003, 1461; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 39; zu den Einzelheiten, die künftig nicht mehr nach der Sitztheorie entschieden werden, s. die Überlegungen von Hohloch, in: Erman, Anh. II zu Art. 37 EGBGB Rdnr. 36; für die umfassende Anwendung der Gründungstheorie nunmehr Eidenmüller, ZIP 2002, 2244; Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 930. 6 Eingehend Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 44 ff.

H. P. Westermann

|

113

Einleitung

Internationales Privatrecht

98

Die zumindest für die nähere Zukunft zu prognostizierende Gemengelage zwischen Sitz- und Gründungstheorie könnte ein Interesse an schon früher vertretenen vermittelnden Theorien begründen. Von ihnen hat sich freilich die sogenannte Differenzierungslehre1, nach der für das Innenverhältnis das Gründungsrecht und für das Außenverhältnis das Vornahme-, Wirkungs- oder u.U. das Organisationsstatut maßgebend sein sollen, nicht durchsetzen können, weil eine saubere Trennung der das Außen- und das Innenverhältnis betreffenden Rechtsfragen schwierig ist und in komplexen Problemlagen den international-privatrechtlichen Entscheidungseinklang gefährden würde2. Eher aussichtsreich schien insoweit vor der Rechtsprechung des EuGH die sogenannte Überlagerungstheorie, die zwar die Geltung zwingenden Rechts des Sitzstaats durchsetzen, aber abdingbares Recht des Gründungsrechts akzeptieren wollte3. Auch hier dürfte es Schwierigkeiten machen, das Personalstatut aus verschiedenen Sachrechtsteilen zusammenzusetzen und für den europäischen Bereich sind an Korrekturen des prinzipiell anwendbaren Gründungsstatuts durch die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten andere Maßstäbe anzulegen4. Da dabei also vom Gründungsrecht auszugehen ist, das allenfalls in Einzelpunkten ergänzt oder überlagert werden kann, gibt auch die sogenannte Kombinationstheorie, die von der grundsätzlichen Geltung des Gründungsstatus auf das Sitzrecht übergehen will, wenn substantielle Verbindungen nur zum Sitzstaat bestehen5. keine Gewähr, ohne tatsächliche Unsicherheit über den Sitz und den Anforderungen an „substantielle“ Verbindungen zum Sitzstaat oder -recht zu klaren Entscheidungen kommen zu können; auch ist kaum anzunehmen, dass sich eine solche Vorgehensweise mit den Prinzipien der Niederlassungsfreiheit vereinbaren lässt.

99

Insgesamt wird somit für längere Zeit noch zwischen der Bestimmung des Personalstatuts nach dem Sitz- oder dem Gründungsrecht zu unterscheiden sein, wobei eine uneingeschränkte Durchsetzung der einen oder anderen Konzeption nicht zu erwarten ist. Deshalb ist festzuhalten, welche wichtigen Nachbarstaaten und Handelspartner die eine oder andere Theorie anwenden. Der Sitztheorie folgten in Europa bisher Frankreich, Belgien, Luxemburg, Portugal und Griechenland, Italien nur für Gesellschaften mit Sitz im Inland, vor einiger Zeit gehörte auch Österreich in diese Reihe, doch habe die österreichi-

1 Vertreten von Grasmann, System des internationalen Gesellschaftsrechts, 1970, S. 343 ff. 2 Abl. etwa Koppensteiner, S. 102 ff.; Wiedemann, GesR I, § 14 II 1b; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 68; Assmann, in: Großkomm. AktG, Einl. Rdnr. 548; ausführlich auch H. P. Westermann, ZGR 1975, 68, 74 ff. 3 Zunächst Sandrock, RabelsZ 42 (1978), 226, 250 ff.; mit Blick auf die Vereinheitlichung in Europa auch Sandrock/Austmann, RIW 1989, 249, 152; auch das später (Rdnr. 102) zu besprechende „Centros“-Urteil wurde als Weg zu einer „Überlagerungstheorie für Europa“ untersucht, Höfling, DB 1999, 1206. 4 Von einer Schrumpfung der Überlagerungstheorie spricht daher jetzt Sandrock, ZVerglWiss 102 (2003), 80; Wiedemann, GesR I, § 14 II 1b; H. P. Westermann, ZGR 1975, 74 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 43. 5 In diesem Sinne Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 232 ff.; krit. Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 1 Rdnr. 9; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 42.

114

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

schen Gerichte inzwischen unter dem Eindruck der EuGH-Rechtsprechung eine Schwenkung zur Sitztheorie vollzogen, ohne dabei allerdings über Einzelpunkte wie die Eintragung von Zweigniederlassungen und die Umwandlung über die Grenze hinaus eine neue Gesamtkonzeption zu entwickeln1. Die Gründungstheorie, entwickelt im England im 18. Jahrhundert, gilt in den anglo-amerikanischen Rechtsordnungen, aber auch in den Niederlanden, der Schweiz, in Dänemark und Spanien2, wobei bemerkenswert ist, dass gerade das der Gründungstheorie folgende niederländische Recht mit gesetzlichen Einschränkungen der Tätigkeit „formal ausländischer Gesellschaften“ das EuGHUrteil „Inspire-Art“ hervorgerufen hat. In den EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein (die Schweiz hat nicht ratifiziert) gelten aufgrund des Art. 31 des EWR-Abkommens vom Jahre 1992, in Kraft getreten am 1. 1. 19943, ähnliche Verhältnisse, indem den nach dem Recht eines EFTA-Staats begründeten Gesellschaften Niederlassungsfreiheit im gesamten EWR-Raum gewährt wird, aber ähnliche Einschränkungen wie die vom EuGH zugelassenen erlaubt sind4. Zu den Vereinbarungen in den zahlreichen Kapitalschutzabkommen s. Rdnr. 90 und zur Anwendung der Gründungstheorie trotz vertraglicher Einigung auf die Sitztheorie Rdnr. 92a. Aufgrund der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH wird damit gerechnet, dass das größte Interesse künftig den Gesellschaftsrechtsordnungen im Vereinigten Königreich und in der Republik Irland gelten wird. Es ist zunehmend davon die Rede und ist nicht mehr nur Spekulation, dass deutsche Unternehmensgründer oder Eigner einer im Inland gegründeten GmbH versuchen werden, eine Gesellschaft, die ihre Geschäfte im Inland betreiben (oder wie bisher fortsetzen) soll, durch Gründung im europäischen Ausland oder durch Sitzverlegung dorthin dem Zugriff des deutschen Gesellschaftsrechts zu entziehen. Das kommt allerdings – unabhängig von der wirklichen Attraktivität der jeweiligen ausländischen Rechtsform – nur in Betracht, wenn gesichert ist, dass die als hinderlich empfundenen Normen des inländischen Rechts nicht doch unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs oder der Umgehung eingreifen, was neben den Grundfragen nach der anzuwendenden oder fortbestehenden Rechtsfähigkeit zu weiteren Fragen des Geltungsbereichs des Personalstatuts führt. Demgemäss ist die Fülle von Darstellungen auch

1 Zunächst OGH Wien, EuZW 2000, 156 und NZG 2000, 418; sodann OGH, ZfRV 2000, 113; Landesgericht Salzburg, ZIP 2001, 460; zur Umwandlung OGH Wien, ZIP 2003, 1068 und dazu Paefgen, IPRax 2004, 132 ff.; Doralt, NZG 2004, 396 ff.; s. ferner Höfling, EuZW 2000, 145; Mäsch, JZ 2000, 201 f.; Lurger, IPRax 2001, 346 ff.; ausführlich Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 183 ff. 2 Übersichten bei Ebenroth(Neiß, BB 1990, 145, 151 in Fn. 90; weltweite Übersicht über die Anwendung von Gründungs- und Sitztheorie bei Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/ Wegen, Abschnitt E Rdnr. 1462 ff.; zur Schweiz Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 2066; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 158. 3 BGBl. 1993 II, 267; 1993 II, 1294. 4 S. OLG Frankfurt, IPRax 2004, 26; BGH, GmbHR 2005, 1483 m. Anm. Wachter; Baudenbacher/Wunschle, IPRax 2004, 26 ff.; Leible, in: Hirte/Bücker (Hrsg.), Grenzüberschreitende Gesellschaften – Praxishandbuch für ausländische Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland, 2004, § 10 Rdnr. 6; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 227 ff.

H. P. Westermann

|

115

Einleitung

Internationales Privatrecht

spezieller Fragen zur englischen Ltd. kaum noch übersehbar1, auch mit der französischen Ein-Euro-SARL ist wahrscheinlich zu rechnen2. Der Benutzung der Ltd. für derartige Zwecke stehen indessen auch ernsthafte Mahnungen3 entgegen. Die Frage nach der Vorzugswürdigkeit der deutschen GmbH im Vergleich mit den meistdiskutierten ausländischen Formen der „kleinen“ Kapitalgesellschaft ist nach allem nicht kollisionsrechtlicher Natur, doch wirft das – z.T. auch als Notwendigkeit – empfundene Bedürfnis, auf Gesellschaften mit einem ausländischen Gründungsstatut, die ausschließlich oder auch in Deutschland von einem Verwaltungszentrum aus Geschäfte betreiben, zumindest einzelne zentrale Regeln des deutschen GmbH-Rechts anzuwenden, zahlreiche kollisionsrechtliche Fragen auf, die im Zusammenhang mit der Darstellung der nach dem Personalstatut zu entscheidenden Fragen zu behandeln sind (Rdnr. 110 ff.).

2. Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht 100

Die Beurteilung Niederlassungsfreiheit i.S. der Art. 42, 48 EG-Vertrag in Europa in der Sichtweise des EuGH hat nicht unmittelbar zu Eingriffen in das Gesellschafts-Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten geführt, ist aber insbesondere dort, wo grundsätzlich die Sitztheorie angewendet wird, im Sinne einer weitgehenden Umorientierung des Kollisionsrechts zu beachten4. Aber auch von einer uneingeschränkten Anwendung des Gründungsrechts auf Gesellschaften, die nach ihrer Entstehung auch oder ausschließlich im europäischen Ausland agieren sollen, ist nicht auszugehen. a) Frühere Judikatur des EuGH

101

Der im folgenden zusammenzustellenden EuGH-Rechtsprechung ist im Grundsatz zuzugeben, dass eine streng inlandsbezogene Anknüpfung des Personalstatuts gemeinschaftswidrig sein kann, wenn sie als solche tatsächlich die Freizügigkeit oder die Niederlassungsfreiheit behindert oder sich als Verstoß gegen Beschränkungsverbote für den Wirtschaftsverkehr auswirkt5. Dass diese Annah1 Graf v. Bernstorff, RIW 2004, 498 ff.; Schall, ZIP 2005, 965 ff.; Dannemann, in: Schröder, S. 11 ff.; Kallmeyer, DB 2004, 636; Schumann, DB 2004, 743; Rehm, in: Eidenmüller, § 10; zum „Ende der deutschen GmbH“ Ries, AnwBl 2005, 53 ff.; Höreth/Schigel, LWS Gruppe 8, 99–112; zurückhaltend Römermann, NJW 2006, 2065 ff.; bezüglich der Aufgabe des Gläubigerschutzes ablehnend Zöllner, GmbHR 2006, 1, 5 ff.; zur englischen LLP als Rechtsform für anwaltliche Berufsausübung Dahms, NJW-Spezial 2005, 333. 2 Lutter, GmbHR 2005, 1, 4. 3 Britain/Hirsch, NZG 2003, 1100 ff.; Happ/Holler, DStR 2004, 897 ff.; s. auch Heinz, AnwBl 2004, 612 ff.; Priester, DB 2005, 1315 ff.; Just, Anm. zu LG Kiel, ZIP 2006, 1248; Goette, ZGR 2006, 261, 275 ff. 4 Eine EG-Verordnung neben einer autonomen deutschen Regelung schlägt der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht vor, s. Sonnenberger/Bauer, RIW Beil. 4/2006, S. 2 ff., 4 ff. 5 Hohloch, in: Erman, Einl. Art. 37 EGBGB Rdnr. 62, zu den europarechtlichen Vorgaben ausführlich Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rdnr. 38 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 39.

116

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

men praktisch werden würden, war aufgrund des Daily-Mail-Urteils aus dem Jahre 19891, das als bewusste Respektierung nationaler Kollisionsrechte verstanden wurde2, längere Zeit nicht anzunehmen. Es ging dabei um die gewünschte Sitzverlegung einer Gesellschaft von England in die Niederlande, die gesellschaftsrechtlich, da beide Staaten der Gründungstheorie folgen, die Existenz der Gesellschaft nicht hätte antasten können, aber nach englischem Recht einer Zustimmung der dortigen Steuerbehörden bedurfte. Die Gesellschaft hatte vor dem High Court of Justice gemeint, dies verstoße gegen die jetzigen Art. 43, 48 EG-Vertrag, welche Frage das Gericht dem EuGH vorgelegt hatte. Ausgangsthese des EuGH war (Tz. 15), dass das Recht zur Niederlassung in einem Gemeinschaftsstaat nicht nur Bürgern, sondern auch juristischen Personen zusteht, dass aber der Herkunftsstaat die Niederlassung einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat nicht behindern dürfe (Tz. 16). Von ihrer Niederlassungsfreiheit mache eine Gesellschaft im allgemeinen durch die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften Gebrauch, und dies verhindere das englische Recht nicht, da es lediglich für den Fall der Sitzverlegung ins Ausland unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit und weiterer Anerkennung ihrer Eigenschaft als Gesellschaft englischen Rechts die Zustimmung der Finanzverwaltung fordere. Kernsatz der Begründung, mit der die Klage abgewiesen wurde, ist sodann die Feststellung (Tz. 20, 21), der EG-Vertrag nehme Rücksicht auf den Umstand, dass in einigen Mitgliedstaaten nicht nur der Satzungssitz, sondern der effektive Verwaltungssitz im Hoheitsgebiet liegen müsse, während andere Staaten ihren Gesellschaften das Recht zugestünden, ihre Geschäftsleitung ins Ausland zu verlegen, was aber einige weitere Staaten, u.a. England, nur unter Beschränkungen anerkennten. Bei der Definition (im EG-Vertrag) der Gesellschaften, denen die Niederlassungsfreiheit zugutekommt, würden der satzungsmäßige Sitz, die Hauptverwaltung und die Hauptniederlassung „als Anknüpfung“ gleichgeachtet. Damit scheint ausgesprochen zu sein, dass die Vorschrift über die Niederlassungsfreiheit die Probleme, die sich aus der unterschiedlichen Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts ergeben, nicht eigentlich betrifft, so dass eine Lösung der Modalitäten der Sitzverlegung einen Akt der Rechtsetzung erfordere, an dem es bis dahin fehlte (Tz. 23). Das kann nur bedeuten, dass sich Gesellschaften im Hinblick auf eine geplante Sitzverlegung auf die Niederlassungsfreiheit nicht berufen können, was dann nicht nur den Wegzug einer Gesellschaft, sondern auch den Zuzug betreffen würde3. Es verwundert nicht, dass angesichts dieser Argumentation sowohl die Deutung als bewusste Respektierung mitgliedstaatlicher Kollisionsrechte als auch diejenige als eigenständige Regelung der Kollisionsfrage i.S. eines Ausschlusses der Sitztheorie vertreten wurde4; auf der anderen Seite stellt das Urteil ausdrücklich fest, juristische Personen hätten jenseits der nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und 1 NJW 1989, 2186 = RIW 1989, 304; dazu Ebenroth/Eyles, DB 1989, 363; Sandrock/Austmann, RIW 1989, 249 ff.; Behrens, IPRax 1989, 354 ff. 2 Großfeld/Luttermann, JZ 1989, 386. 3 So die Schlussanträge des Generalanwalts Colomer in Inspire-Art-Verfahren, Slg. 2002, 1, 9928 Tz. 25 f.; s. auch W. H. Roth, in: Lutter, S. 386. 4 Wessel/Ziegenhain, GmbHR 1988, 423, 427; Niessen, AG 1986, 116; s. auch Behrens, RabelsZ 52 (1988), 498, 517 f.

H. P. Westermann

|

117

Einleitung

Internationales Privatrecht

ihre Existenz regelt, keine Realität (Tz. 19) – nach einem Bekenntnis zur Gründungstheorie sieht dies nicht aus. Jedenfalls wurde hierdurch die Anwendung der Sitztheorie durch die Wirkungen der Niederlassungsfreiheit nicht wesentlich eingeschränkt1. Bezüglich der Frage der Verlegung des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft in ein anderes EU-Mitgliedsland gibt es in dem Urteil einen gewissen Widerspruch, indem einerseits (Tz. 15, 16) festgestellt wird, für Gesellschaften sei durch die Niederlassungsfreiheit nicht nur die Zuzugs-, sondern auch die Wegzugsfreiheit gewährleistet, während andererseits die Mitgliedsstaaten die Voraussetzungen des Entstehens einer Gesellschaft des nationalen Rechts frei bestimmen können, solange nicht Staatsverträge oder Regelungen des Gemeinschaftsrechts ein anderes bewirken (Tz. 15, 16, 19). Darin liegt ein Widerspruch, dessen Folgen sich bei der Behandlung der Sitzverlegung zu zeigen scheinen2. b) Der Fall „Centros“ 102

Beim Centros-Urteil vom 9. 3. 19993 ließ sich dies nicht mehr sagen, obwohl auch hier Vertreter sowohl der Gründungs- als auch der Sitztheorie ihre Ansicht bestätigende Feststellungen fanden. Das Urteil wurde ferner als Etappensieg für die Überlagerungstheorie (Rdnr. 98) angesehen4, aber auch schon (vor allem durch einige Gerichte) als Ende der Sitztheorie5 oder als Durchbruch der Gründungstheorie, wenn auch insoweit noch Zweifel geäußert wurden6 und beklagt wurde, dass viele Fragen offen blieben7. Das ist zunächst Folge eines – keineswegs zu beanstandenden – Bestrebens des Gerichts, keine über die reine Fallentscheidung hinausgehenden theoretischen Feststellungen zu treffen8, doch ist vom praktischen Ergebnis her auch verständlich, dass der Weg für ausländische „Briefkastengesellschaften“ in die europäischen Mitgliedstaaten nunmehr als freigemacht angesehen wurde und die diesbezügliche Zurückhaltung des EuGH im Daily-Mail-Urteil als überholt galt9. Dass das letztere zutrifft, zeigen zumindest Teile der Begründung zu dem Sachverhalt, bei dem es in der Hauptsache indessen wiederum nicht um eine Entscheidung zwischen Sitzund Gründungstheorie ging, weil beide beteiligten Mitgliedstaaten die letztere 1 Aus der Rspr. BayObLG, DB 1998, 2318; OLG Hamm, RIW 1997, 874; dazu auch Koch, NJW 1992, 412; Ebenroth/Auer, JZ 1993, 374; Hohloch, in: Erman, Anh. II zu Art. 37 EGBGB Rdnr. 33. 2 W. H. Roth, in: Lutter, S. 388; zum Problemkreis s. im Übrigen Rdnr. 152 f. 3 NJW 1999, 2027 = EuZW 1999, 216 mit Bspr. durch Freitag; dazu auch Leible, NZG 1999, 298; Ebke, JZ 1999, 656; Roth, ZIP 1999, 861; Kindler, NJW 1999, 1193; Sonnenberger/Großerichter, RIW 1999, 721; Zusammenstellung des überreichlichen Schrifttums im Schriftenverzeichnis bei Hohloch, in: Erman, Anh. II zu Art. 37 EGBGB Rdnr. 34. 4 Sandrock, BB 1999, 1337 ff.; s. auch Höfling, DB 1999, 1206. 5 Aus der Rspr. OLG München, ZIP 1999, 1558; LG München, ZIP 1999, 1680; OLG Zweibrücken, RIW 2201, 373; OGH Wien, RIW 2000, 378; im Schrifttum Hülk/Timme, JuS 1999, 1055 ff.; Forsthoff, BB 2002, 318. 6 Görk, GmbHR 1999, 793 ff.; Puszkajler, IPRax 2000, 79; Borges, RIW 2000, 167 ff. 7 Zimmer, ZHR 164 (2000), 23 ff.; Kindler, NJW 1999, 1993, 1996. 8 Ähnlich Ebke, JZ 1999, 660. 9 S. etwa Geyrhalter, EWS 1999, 201 ff.

118

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

befolgen, sondern um Voraussetzungen der „sekundären Niederlassungsfreiheit“, d.h. der Möglichkeit einer nach dem Recht der Gründung und Registrierung wirksam errichteten Gesellschaft, in einem anderen Staat eine Zweigniederlassung zu errichten, deren Tätigkeit durch das Land ihres – erwünschten – Sitzes behindert wurde. Zwei dänische Staatsangehörige hatten in England – wirksam – eine Gesellschaft (eine Ltd.) gegründet, wobei sie den Umstand ausnutzten, dass das englische Recht hierfür nicht die Aufbringung eines Mindeststammkapitals fordert. Die geschäftliche Tätigkeit dieser mit Sitz in England bestehenden Gesellschaft sollte erklärtermaßen allein über eine in Dänemark zu errichtende Zweigniederlassung erfolgen, wobei auch klar war, dass hierdurch die vom dänischen Recht geforderte Aufbringung eines Stammkapitals vermieden werden sollte. Nur die Weigerung der dänischen Behörden, diese Zweigniederlassung zu registrieren, war Gegenstand der Vorlage zum EuGH; dass die in England gegründete Gesellschaft durch die Übertragung der wesentlichen Geschäftstätigkeit auf die dänische Zweigniederlassung in ihrer Rechtsfähigkeit nicht berührt war, stand angesichts der Anwendung der Gründungstheorie in beiden Staaten nicht zur Diskussion. Das erklärt, weshalb das Centros-Urteil in Deutschland wiederum auch von Teilen der Rechtsprechung und h.M. noch nicht als endgültige Ablehnung der Sitztheorie erklärt wurde1, wobei allerdings meist die Sitzverlegung einer im Inland gegründeten Gesellschaft ins EG-Ausland in Rede stand. Der EuGH stellte allerdings fest, dass nach europäischem Recht kein Mitgliedstaat eine in einem anderen Mitgliedstaat gegründete Gesellschaft daran hindern darf, auf seinem Territorium eine Zweigniederlassung zu gründen, und zwar auch dann nicht, wenn über diese die gesamte Geschäftstätigkeit der Gesellschaft abgewickelt werden soll. Dabei ging das Gericht davon aus, dass die in den Mitgliedstaaten nach Maßgabe der 11. Richtlinie der EU2 vorgesehene Offenlegung der wichtigsten Verhältnisse einer Zweigniederlassung einen gewissen Gläubigerschutz gewähre, der auch nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass die Gesellschaft auch im Gründungsstaat noch eine geschäftliche Tätigkeit entfalten sollte (Tz. 53)3 – was hier allerdings auch nicht vorgesehen war. Entscheidend war, dass nach dem Gemeinschaftsrecht ein Recht der in einem Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaft anzuerkennen ist, in einem anderen Mitgliedstaat eine die Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf sich allein konzentrierende Zweigniederlassung zu errichten (Tz. 18). Die Gesellschaft als solche werde in ihrer Zugehörigkeit zu einem Mitgliedstaat nach wie vor (so

1 Zur Fragestellung des Urteils Risse, MDR 1999, 752; Lange, DNotZ 1999, 599 ff.; Mäsch, JZ 2000, 201; Borges, RIW 2000, 167 ff.; Leible, NZG 2001, 460. In der Rechtsprechung gegen eine endgültige Abkehr von der Sitztheorie OLG Brandenburg, ZIP 2000, 1616; LG Potsdam, RIW 2000, 145; OLG Düsseldorf, NZG 2001, 506; OLG Hamm, NZG 2001, 562. 2 Richtlinie 89/666 vom 21. 12. 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsform errichtet werden, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegen, ABl. EG Nr. L 395 v. 21. 12. 1989, S. 36 ff.; dazu näher auch Rdnr. 67; Wendt, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt D Rdnr. 829. 3 Zustimmend Kieninger, ZGR 1999, 724, 740.

H. P. Westermann

|

119

103

Einleitung

Internationales Privatrecht

auch im Centros-Urteil) nach ihrem Satzungssitz, ihrer Hauptverwaltung oder ihrer Hauptniederlassung bestimmt, aber die Ausdehnung ihrer (auch: gesamten) Geschäftstätigkeit auf den Sitz der Zweigniederlassung sei vom Gemeinschaftsrecht gedeckt, dürfe also durch die nach dem Sitzrecht nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen mögliche Registrierung nicht behindert werden, wenn es sich bei ihrem Vorgehen nicht um Missbrauch handle. Entscheidend für die Auswertung des Urteils ist dann aber die Aussage (Tz. 19), dass es noch keinen Missbrauch darstellt, wenn die alleinige Geschäftstätigkeit der Gesellschaft am Sitz der Zweigniederlassung ausgeübt wird. Hierin wird die Öffnung der Handlungsmöglichkeiten für „Pseudo-Foreign-Corporations“ gesehen, deren einzige Verbindung zum Ausland in der Gründung nach dortigem Recht liegt, die aber durch die Erfüllung der damit gegebenen Voraussetzungen die Anforderungen umgehen, die bei einer Gründung nach dem Recht des Sitzes der Zweigniederlassung oder (darüber hinaus) des Verwaltungssitzes im Inland durch das inländische Sachrecht gestellt würden1: Das ist dann die Niederlassungsfreiheit für „Schein-Auslandsgesellschaften“2, über deren Schranken, die er durchaus ansprach, der EuGH hier noch keine näheren Angaben machte. Ob der Urteilsspruch insoweit einen Freibrief ausstellt, kann daher nicht abschließend gesagt werden. c) Die Fortführung durch „Überseering“ 104

Während im Centros-Urteil noch die sekundäre Niederlassungsfreiheit im Vordergrund stand und Schlüsse auf das grundsätzliche Schicksal der Sitztheorie noch mit Unsicherheiten behaftet waren, betraf die Entscheidung im Fall „Überseering“3 den Kern des kollisionsrechtlichen Fragenkreises. Der von einem deutschen Gericht vorgelegte Rechtsstreit beruhte auf der Klage einer im Jahre 1990 in Holland gegründeten (der deutschen GmbH vergleichbaren) B.V., die die Rechte aus einem mit einem deutschen Unternehmen geschlossenen Vertrag geltend machen wollte, nachdem – jedenfalls war dies tatsächlich so angenommen worden – im Zuge der Veräußerung ihrer sämtlichen Geschäftsanteile an Deutsche der Verwaltungssitz der Gesellschaft nach Deutschland verlegt worden war. Nach der Sitztheorie hätte dies die Anwendung deutschen Gesellschaftsrechts und damit einen dem deutschen GmbHG genügenden Gründungsvorgang erforderlich gemacht, an dem es fehlte, so dass die Gesellschaft als nunmehr als solche nicht mehr existent den Rechtsstreit hätte nicht fortsetzen können4. Hiermit stand also nicht die sekundäre Niederlassungsfreiheit, sondern die Aufrechterhaltung der vom Gründungsrecht gewährten Rechts- und Parteifähigkeit nach Verlegung des Verwaltungssitzes in ein dem 1 S. dazu die Besprechungen des Urteils durch Werlauff, ZIP 1999, 867 ff.; Ebke, JZ 1999, 656 ff.; Ulmer, JZ 1999, 662; Sonnenberger/Großerichter, RIW 1999, 721 ff. 2 Krit. Kindler, NJW 1999, 1993 ff. 3 EuGH v. 5. 11. 2002, GmbHR 2002, 1117 = NJW 2002, 3614; s. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Colomer, NZG 2002, 16. 4 Zu diesen Konsequenzen Meilicke, GmbHR 2003, 793 ff.; Ehlers, in: Sandrock/Wetzler, Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2004, S. 2 ff.; zum Sachverhalt OLG Düsseldorf, JZ 2000, 203; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 154.

120

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

Sitzrecht folgendes Land in Rede1, damit sicher eines der zentralen Anliegen der Sitztheorie2. Der EuGH stellte demgegenüber gleich einleitend (Tz. 1), sodann (Tz. 52) unmissverständlich fest, es sei mit der Niederlassungsfreiheit und der Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft nicht zu vereinbaren, wenn eine Gesellschaft bei Sitzverletzung in einen anderen Mitgliedstaat ihre Rechts- und Parteifähigkeit verlieren würde. Es müsse also kein Gründungsakt mehr stattfinden, was praktisch bedeutet, dass die auf die Gründung bezogenen Schutzmaßnahmen des deutschen Sachrechts nicht eingreifen3. Allerdings scheint sich aus Tz. 70 des Urteils auch zu ergeben, dass das Gericht nicht auf Zuzugs- und nicht auf Wegzugsfälle blickte, für die dann die Niederlassungsfreiheit nicht unmittelbar Anwendung findet, was man als Gegensatz zum Daily Mail-Urteil verstehen kann4. Demgegenüber wurde (in Tz. 62) noch darauf hingewiesen, es sei ein Unterschied, ob der Gründungsstaat „seiner“ Gesellschaft bei der Sitzverlegung unter Wahrung der ihr hier zuerkannten Rechtspersönlichkeit Schwierigkeiten macht oder ob ein anderer Mitgliedstaat einer im Ausland wirksam gegründeten Gesellschaft die Anerkennung versagt. Entscheidend war jedenfalls (Tz. 82), dass der Zwang, im Sitzstaat die Gesellschaft neu zu gründen (und bis dahin allenfalls den Status eines nicht rechts- und parteifähigen Personenverbandes genießen zu können), eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstelle. Als diskriminierend wurde schließlich (Tz. 85) auch die Behandlung deutscher Gesellschaften betrachtet, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz aus Deutschland heraus verlegten. Gerade dieser Fragenkreis war im „Centros“-Urteil noch nicht direkt behandelt worden, und es hatte auch noch keine Klarheit darüber gegeben, inwieweit ein Sitzstaat das ausländische Gründungsstatut durch eigene, die Gründung oder die unternehmerische Tätigkeit betreffende Regulierungen behindern darf. Dies wurde im Überseering-Fall klargestellt. Großes Gewicht kommt aber auch der weiteren Darstellung zu, dass die Niederlassungsfreiheit von den Auslandsgesellschaften nicht missbraucht werden darf, was geschehe, wenn durch ihre Tätigkeit zwingende Gründe des von einem nationalen Recht verfolgten Allgemeinwohls Beschränkungen fordern, die also zur Erreichung dieser Ziele unerlässlich sind und dafür geeignet sind, ohne diskriminierend zu wirken. Diesen Maßstäben muss sich also eine Auslandsgesellschaft stellen können, was u.a. auf eine Prüfung der Rechtsinstitute des Gründungsrechts hinausläuft, die auf denselben oder vergleichbaren Schutzbedürfnissen beruhen. Die hier geforderte vierstufige Verhältnismäßigkeitsprüfung5 schließt an die Cassis de Dijon-Doktrin an, die auch schon im 1 S. die Vorlageentscheidung des BGH in EuZW 2000, 412 und dazu Kindler, RIW 2000, 649; Luttermann, EWS 2000, 375; Kieninger, NZG 2001, 610. 2 S. etwa v. Halen, EWS 2002, 107 ff.; Schulz, EWS 2002, 545 ff.; Knapp, DNotZ 2003, 85 ff.; zur grundlegenden Bedeutung des Urteils Behrens, IPRax 2003, 191 ff.; Lutter, BB 2003, 7 ff.; Eidenmüller, ZIP 2002, 2233; Zimmer, BB 2003,1 ff.; Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925 ff.; Paefgen, DB 2003, 487 ff.; Wertenbruch, NZG 2003, 618; Schanze/Jüttner, AG 2003, 30 ff.; Roth, IPRax 2003, 117 ff., Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 30. 3 Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2244. 4 So die Deutung durch W. H. Roth, in: Lutter, S. 286, 289 f. 5 Von einer „differenzierten Verhältnismäßigkeitsprüfung“ spricht auch K. Schmidt, in: Lutter, S. 15, 23; zu den Maßstäben der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 178 ff.; Kieninger, ZEuP 2004, 685, 698.

H. P. Westermann

|

121

105

Einleitung

Internationales Privatrecht

Centros-Urteil als Legitimation für Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit genannt worden war1. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung wird im ÜberseeringUrteil (Tz. 92) weiter dahin konkretisiert, dass es um den Schutz der Gläubiger, der Minderheitsgesellschafter, der Arbeitnehmer oder auch des Fiskus zu gehen habe. Es ist aber davor zu warnen, aus dem Kriterium der zwingenden Allgemeininteressen generell die Geltung des Gesellschaftsrechts des Sitzstaats abzuleiten, was gegenüber dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit kaum verhältnismäßig wäre und jedenfalls nicht durchweg als erforderlich angesehen werden kann, da auch das Gesellschaftsrecht des Gründungsstaats in aller Regel die Interessen von Gründern und Gesellschaftern gegen die Allgemeininteressen abgewogen hat. Gerade aus deutscher Sicht richtig ist allerdings, dass die Rechtsordnungen einiger europäischer Mitgliedstaaten, namentlich Englands, dem Gesichtspunkt des Schutzes der privaten Gläubiger nicht denselben Rang zuerkennen wie das deutsche Recht; dies rechtfertigt aber die Anwendung nationalen Rechts auf Auslandsgesellschaften nur, wenn besondere Schutzlücken auftreten, die aus der Sicht des Sitzstaats untragbar sind2. Das steht dann auch der verschiedentlich geforderten Durchsetzung zahlreicher normativer Wertungen des inländischen Rechts durch kollisionsrechtliche Sonderanknüpfungen entgegen3, die folglich auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben müssen. d) Die Verfestigung der Grundkonzeption durch „Inspire Art“ 106

Trotz der im deutschen Schrifttum noch immer anzutreffenden diesbezüglichen Zweifel ist somit nicht daran vorbeizukommen, dass das „Überseering“Urteil die Anwendung einer reinen Sitztheorie als gemeinschaftswidrig erklärt hat. Das ist eine folgerichtige Fortsetzung des im „Centros“-Urteil eingeschlagenen Weges, wobei aber noch offen blieb, in welchen vom Gesellschaftsstatut – also durch das Kollisionsrecht – geregelten, aber nicht die Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft betreffenden Fragen ebenfalls das Gründungsrecht maßgebend sein sollte. Immerhin war nicht auszuschließen, dass für eine allein im Inland tätige, als voll rechtsfähig zu akzeptierende Gesellschaft einige Anforderungen des den Sitz beherrschenden nationalen Rechts zu beachten und durchzusetzen sind, etwa die Kapitalerhaltungsbestimmungen einschließlich der Regeln über Kapitalersatz, oder auch die Durchbrechungen des Haftungsprivilegs4, weitergehend noch, ob einige bisher zum Gesellschaftsstatut gerechnete Normen künftig nicht mehr gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren sind, was ihr Verhältnis zum Gründungsrecht beeinflussen könnte. Diese, nach 1 Zur Cassis de Dijon-Doktrin s. EuGHE 1979, 649; zur Bezugnahme darauf s. Tz. 34–38 des „Centros“-Urteils. Zu dem „Vier-Punkte-Test“ besonders deutlich die etwas spätere Entscheidung „Inspire-Art“ EuGH, NJW 2003, 3331, 3334 in Tz. 133. 2 Eingehend Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 34; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 197. 3 Kieninger, ZEuP 2004, 685, 697; Heckschen, GmbHR 2004, R 25; Kleinert/Probst, DB 2003, 2217 f.; Horn, NJW 2004, 893, 898 f.; Mankowski, RIW 2004, 481, 483; Eidenmüller, NJW 2005, 1618, 1620 f.; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 219 ff.; anders noch Forsthoff, DB 2002, 2471, 2476; Großerichter, DStR 2003, 159, 168. 4 Hierzu und zum folgenden etwa Ulmer, JZ 1999, 662, 664; Goette, ZIP 2006, 541.

122

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

„Centros“ und „Überseering“ deutlich gewordenen Fragen sind durch die Verfestigung der EuGH-Rechtsprechung im Urteil „Inspire Art“1 teilweise geklärt, z.T. einer Lösung näher gebracht worden. Das Urteil, auf den Vorlagebeschluss eines niederländischen Gerichts ergangen, betraf eine in England gegründete private limited company, die ihr Geschäft – Handel mit Kunstgegenständen – ausschließlich über eine in Holland errichtete Zweigniederlassung betreiben wollte – also im Ausgangspunkt ein „Centros“-Fall, auch insoweit, als beide beteiligte Mitgliedstaaten der Gründungstheorie folgen. Die Niederlande hatten aber – offenbar durch „Centros“ angeregt – ein Gesetz über „formal ausländische Gesellschaften“ (WFBV) erlassen, in dem solchen ausländischen Gesellschaften, die in ihrem Gründungsstaat keine nennenswerte Tätigkeit entfalten, eine Handelsregistereintragung mit dem ausdrücklichen Zusatz zur Pflicht gemacht wurde, dass es sich um eine formal ausländische Gesellschaft handle. Ferner sollten Angaben über einen Alleingesellschafter im Handelsregister des Aufnahmestaats gemacht werden müssen. Auch waren entsprechende Pflichtangaben auf Schriftstücken der Gesellschaft vorgeschrieben, u.a. über das Kapital, das mit mindestens 18 000 Euro dem einer niederländischen B.V. entsprechen sollte. Sodann waren Buchführungspflichten und die Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses vorgesehen. Die Kontrolle der Einhaltung dieses Regelwerks sollte auf der Grundlage von durch Wirtschaftsprüfer abzugebenden Erklärungen erfolgen, die Gesellschaften sollten gehalten sein, beim Handelsregister ihre Eintragung im Register ihres Gründungsstaats nachzuweisen und alljährlich eine Bescheinigung der dort fortbestehenden Eintragung zu hinterlegen. Bei Verletzung dieser Pflichten sollte eine persönliche Haftung der Geschäftsführer eingreifen, wie sie das niederländische Recht schon bisher bei unseriösen Praktiken der Gesellschaft zum Nachteil des Steuerfiskus und der Sozialversicherungen (einschließlich des faktischen Wegzugs ins Ausland) eintreten ließ2. Es konnte nicht überraschen, dass diese gesamte Regelung vor den Augen des EuGH keine Gnade fand. Die Begründung ist allerdings zweigleisig3: Zum einen wird wieder die Niederlassungsfreiheit als Maßstab herangezogen, dies aber in Verbindung mit der Zweigniederlassungsrichtlinie der EU (oben Rdnr. 67)4. Die Besonderheit dieser Argumentation liegt darin, dass nach der Entscheidung des EuGH (Tz. 67) hinsichtlich der Offenlegungspflichten, die der Zweigniederlassung einer Auslandsgesellschaft auferlegt werden dürfen, die Mitgliedstaaten nicht über das in der Richtlinie vorgeschriebene hinausgehen dürfen – dies dient also dem Ziel, Gesellschafter- und Gläubigerschutz unter Wahrung der Niederlassungsfreiheit (Tz. 68) in den Mitgliedstaaten gleichwertig auszugestalten, während bisher durch eine besondere Auslegung sollte festgestellt werden müssen, ob das Ziel der Schaffung gleicher Rahmenbedingungen die Qualifika1 Entscheidung v. 30. 9. 2003, NJW 2003, 3331 mit Anm. Paefgen, WuB II N Art. 43 EG 2.04 = EuZW 2003, 687; aus dem reichhaltigen Schrifttum hier nur: Sandrock, BB 2003, 2588; Spindler/Berner, RIW 2003, 949 ff.; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677; Behrens, IPRax 2004, 29; Eidenmüller, JZ 2004, 24 ff.; Wachter, GmbHR 2004, 88 ff.; Riegger, ZGR 2004, 510 ff. 2 Dazu näher Akveld/Ebben/H.P. Westermann, RIW 1995, 720 ff. 3 Paefgen, Anm. WuB II N Art. 43 EG 2.04; Ehlers, in: Sandrock/Wetzler, S. 10 f. 4 So wörtlich im ersten Leitsatz des Urteils.

H. P. Westermann

|

123

107

Einleitung

Internationales Privatrecht

tion gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben als Höchststandard erfordert1 oder ob die Mitgliedstaaten über diese Forderungen hinausgehen dürfen. Die Richtlinie ist jedenfalls hinsichtlich der Offenlegungsvorschriften als abschließende Regelung mit Mindest- und Maximalgrenzen der notwendigen Publizität zu verstehen. Für die Beurteilung des niederländischen WFBV bedeutete dies, dass der Gerichtshof diejenigen Bestimmungen, die nicht von der Richtlinie gedeckt waren, auch nicht mehr mit dem Maßstab der Niederlassungsfreiheit prüfen wollte. Das trifft zu für die ausdrückliche Bezeichnung als „formal ausländische Gesellschaft“ und die Hinterlegung von Wirtschaftsprüfer-Bescheinigungen über das gezeichnete und eingezahlte Mindestkapital, und der Gerichtshof (Tz. 100) wendet sich gegen die Behauptung, durch die Anwendung dieser Regelungen auf ausländische Gesellschaften werde deren Niederlassungsfreiheit nicht tangiert. Dies gelte auch für die Vorschriften über die Haftung der Geschäftsführer (Tz. 101). Was sodann die Rechtfertigung derartiger Maßnahmen durch zwingende Allgemeininteressen betrifft, so bekräftigt der Gerichtshof noch einmal seine im „Überseering“-Urteil und schon im „Centros“-Urteil (dort Tz. 139) eingeschlagene Linie hinsichtlich der eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit ausnahmsweise rechtfertigenden Allgemeininteressen (Rdnr. 105) und konkretisiert dies durch die Feststellung, die inländischen Gläubiger seien dadurch genügend geschützt, dass Inspire Art als Gesellschaft des englischen und nicht des niederländischen Rechts auftrat2, und eine betrügerische oder auch nur missbräuchliche Verwendung der ausländischen Rechtsform sei nicht festzustellen (Tz. 136). Als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit werden schließlich auch die Bestimmungen der WFBV über die Haftung der Geschäftsführer und Gesellschafter bei Verletzung der Offenlegungspflichten qualifiziert (Tz. 105). e) Zusammenfassung zu den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts 108

Das Urteil, von dem es heißt, es bringe nichts wesentlich Neues3, ist in der Tat eine Bekräftigung der bisherigen Linie der Rechtsprechung. Dass es trotzdem eine unübersehbare Fülle von Stellungnahmen ausgelöst hat, dürfte seinen Grund zunächst darin haben, dass nunmehr für den europäischen Bereich (wie für das Verhältnis zu US-amerikanischen Gesellschaften) wesentliche Konsequenzen der Sitztheorie ausgeschaltet sind4 und auch Staaten, die die Gründungstheorie anwenden, nur in sehr begrenztem Umfang Auslandsgesellschaften solchen den Schutz des inländischen Rechtsverkehrs dienenden Vorschriften unterwerfen dürfen, die dem Gründungsstatut in einer die Niederlassungsfreiheit tangierenden Weise hinzugefügt, man kann auch sagen: aufgedrückt 1 Lutter, JZ 1992, 514, 606; zu den Äußerungen zu „Inspire-Art“ insoweit besonders Meilicke, GmbHR 2004, 1271 ff.; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661 f.; Wachter, GmbHR 2004, 88, 90. 2 Zur Firmierung wird freilich nicht ausdrücklich Stellung genommen, dazu K. Schmidt, in: Lutter, S. 24. 3 Hohloch, in: Erman, Anh. II zu Art. 37 EGBGB Rdnr. 35; die Kontinuität betonen auch Goette, DStR 2005, 197 ff.; Behrens, IPRax 2004, 20 ff.; Bitter, WM 2004, 2190 ff.; Weller, DStR 2003, 1800. 4 Behrens, IPRax 20043, 20 ff.; Sandrock, BB 2004, 897; Maul/Schmidt, BB 2003, 2297 ff.

124

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

werden. Das betrifft Normen des Sachrechts, würde aber auch Versuchen entgegengehalten werden müssen, das an sich das Personalstatut einer Auslandsgesellschaft bestimmende Gründungsrecht durch international-privatrechtliche Sonderanknüpfungen an das Sitzrecht anzupassen (s. Rdnr. 97). Wichtig ist auch, dass „Inspire Art“ diese Sichtweise nicht nur auf Fragen der Gründung – wie etwa der Aufbringung eines bestimmten Mindestkapitals – beschränkt, sondern sie auch auf andere gesellschaftsrechtliche Vorschriften wie die fortdauernden Mitteilungspflichten nach der Gründung oder die Haftung von Gesellschaften und Geschäftsführern erstreckt1. Das muss nicht heißen, dass schlechthin alle gesellschaftsrechtlichen Fragen nunmehr nach dem Gründungsrecht zu entscheiden sind; gerade im Hinblick auf Haftungsfragen wird dies differenziert zu behandeln sein. Aber es wird nicht ausbleiben, etwa für die Organisationsverfassung der Gesellschaft ganz das Gründungsrecht anzuwenden2, da dem überragende inländische Allgemeininteressen kaum entgegenstehen dürften. Nimmt man ferner die Anforderungen des EuGH im Hinblick auf eine ausnahmsweise Rechtfertigung von nationalstaatlichen Beschränkungen der Maßgeblichkeit des Gründungsrechts (Rdnr. 105) ernst, so sind die legislatorischen Zwecke zwar dem Sachrecht des Sitzstaats zu entnehmen, die Maßstäbe für die Notwendigkeit und die Eignung zur Verfolgung solcher Ziel aber dem Europarecht3. Wenn dies zutrifft, so wird weiter – jeweils problemspezifisch – zu untersuchen sein, ob die in Deutschland in Reaktion auf die EuGH-Judikatur verschiedentlich betonten Ansätze zur Gewährleistung dringender Allgemeininteressen, besonders des Gläubigerschutzes, durch nicht als gesellschaftsrechtlich zu qualifizierende Normen Erfolg versprechen. Als solche sind bereits genannt worden: Deliktsrecht, hauptsächlich im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB4, aber auch § 826 BGB5, Vertragsrecht, insbesondere vertragliche Pflichtverletzung6, vor allem aber Insolvenzrecht7, vielleicht auch – obwohl bereits stark vereinheitlicht – Kapitalmarktrecht8, sodann für bestimmte Branchen auch Aufsichtsrecht9. Die Entstehung einer weitgehend geschlossenen Linie der EuGH-Rechtsprechung stellt das internationale Gesellschaftsrecht, insbesondere im Hinblick auf die Ableitung des Gesellschaftsstatuts aus verschiedenen kollisions- und europarechtlichen Quellen, somit vor neuartige Aufgaben. Dabei muss hingenommen werden, dass die deutschen Gerichte sich möglicherweise mit bis zu 25 nationalen Gesellschaftsrechten allein im (erweiterten) europäischen Raum 1 Dies betont Behrens, IPRax 2004, 20 ff.; s. dazu auch die Vorschläge des Deutschen Rats für Internationales Privatrecht, Sonnenberger/Bauer, RIW Beil. 4/2006, S. 6 f. 2 Dazu Riegger, ZGR 2004, 510 ff. 3 In diese Richtung auch Bitter, WM 2004, 2190 ff. 4 Dazu (ausschließlich zum Strafrecht) Goette, DStR 2005, 197 ff.; zum Strafrecht Spindler/Berner, RIW 2004, 7 ff.; Beckemper, GmbHR 2002, 465 ff.; Leutner/Langner, ZInsO 2005, 575. 5 Lieder, DZWiR 2005, 309 ff.; mehr demnächst Krolop, ZGR 2006. 6 Zur Haftung einer ausländischen Anlagegesellschaft wegen culpa in contrahendo s. BGH, NJW 2004, 3706; BGH, WM 2004, 2150. 7 Goette, DStR 2005, 197; Borges, ZIP 2004, 733 ff.; Vallender, ZGR 2006, 425 ff. 8 Erwähnt bei Horn, NJW 2004, 893, 895. 9 So für die Sitzverlegung von Finanzdienstleistern Schuster/Binder, WM 2004, 1665 ff.

H. P. Westermann

|

125

109

Einleitung

Internationales Privatrecht

zu befassen haben könnten1; bisweilen, so in mehreren bilateralen sowie in den die Gründungstheorie akzeptierenden Kapitalschutzabkommen, besonders den „halbseitigen“ (Rdnr. 91), besteht schon aufgrund völkerrechtlicher Verträge die Pflicht, in einem Vertragsstaat gegründete Gesellschaften auch ohne Verwaltungssitz im Gründungsstaat im Inland anzuerkennen, und auch sonst besteht im internationalen Privatrecht regelmäßig die Notwendigkeit zur Anwendung der Rechtsordnungen auch entlegener Staaten. Es geht unter diesen Umständen auch nicht an, die Anwendung des Gründungsrechts auf Auslandsgesellschaften, zumindest auf solche ohne Verwaltungssitz im Gründungsstaat, generell dadurch zu „entschärfen“, dass Gläubigerschutz stets nach Maßgabe des am tatsächlichen Sitz geltenden Rechts gewährleistet wird, wobei der Begründungsschritt, den effektiven inländischen Sitz als Zweigniederlassung mit Bezug auf die deutsche Rechtsordnung zu behandeln2, ohne Rechtfertigung in zwingenden und die Maßstäbe des EuGH erfüllenden Allgemeininteressen den Willen der Gesellschafter, es bei dem rechtlichen Sitz im Gründungsstaat zu belassen, zu Unrecht beiseiteschieben würde. Somit bleibt nur, von Fall zu Fall zu prüfen – beim englischen Recht ist das bereits intensiv vorbereitet –, ob das Gründungsrecht der konkreten Gesellschaft in etwa gleichwertige und zum sonstigen Personalstatut passende Schutzinstrumente enthält. Das ist weder „Hysterie um die Scheinauslandsgesellschaft“3 noch Äußerung von „Ausländerphobie“4, sondern Folgerung aus dem Umstand, dass die europäische Niederlassungsfreiheit einen „Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen“ begründet, in dem sich Rechtsinstitute des Gesellschaftsrechts – weniger eine einzelne Rechtsform – zu bewähren haben. Das gilt auch in Bezug auf die Überlegungen zur Verlagerung einzelner bisher gesellschaftsrechtlich qualifizierter Rechtsinstitute ins Insolvenz-, Delikts- oder Strafrecht; es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass eine solche „Umqualifizierung“ von Rechtsinstituten sich nicht auch am Europarecht wird messen lassen müssen5. Die Zahl der Gründungen von Schein-Auslandsgesellschaften ist zwar nicht genau bekannt, es handelt sich aber um einen hohen Prozentsatz6.

C. Inhalt des Personalstatuts im Einzelnen 1. Allgemeine Kriterien – der ordre-public-Vorbehalt 110

Nach der neueren Entwicklung des internationalen Gesellschaftsrechts kann das Personalstatut ausländischer Gesellschaften in Deutschland nicht uneingeschränkt nach dem ausländischen Gründungsrecht und erst recht nicht mehr nach (inländischem) Sitzrecht bestimmt werden. Vielmehr ist – soweit nicht

1 S. dazu Altmeppen, NJW 2004, 97; dagegen aber Paefgen, ZIP 2004, 2253 ff.; Anwendungsprobleme beim Gründungsrecht sieht auch Ulmer, NJW 2004, 1201, 1209 f. 2 So eingehend Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 ff. 3 Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 ff. 4 Paefgen, ZIP 2004, 2253 ff. Fn. 118. 5 Näher Hirte/Mock, ZIP 2003, 474 ff.; s. auch Karsten Schmidt, in: Lutter, S. 25; Bitter, WM 2004, 2190, 2191 f.; H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849, 1854. 6 Schätzungen bei Lawlor, NZI 2005, 432; Happ, ZHR 169 (2005), 6; Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 468; näher Westhoff, GmbHR 2006, 525 ff.

126

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

eines der zahlreichen „Kapitalschutzabkommen“ (Rdnr. 90 ff.) eingreift, wie es allerdings beim FCN-Vertrag zu inzwischen etablierten Regeln geführt hat (Rdnr. 90) – im europäischen Raum nach dem System vorzugehen, das auf der Grundlage der EuGH-Rechtsprechung entwickelt worden ist1. Das heißt, dass vom Gründungsstatut der Gesellschaft ausgehend die möglicherweise zusätzlich in Betracht kommende Institute des deutschen Sachrechts geprüft werden müssen. Während insoweit naturgemäß noch nicht alle Fragen neu durchdacht worden sind, kann in dem Bereich, der noch heute von der Sitztheorie beherrscht wird2, auf die Ergebnisse der früheren Praxis und Literatur zurückgegriffen werden. Die Kautelarpraxis, die bei der Beratung inländischer Unternehmensgründer oder bestehender Unternehmen (einschließlich Unternehmensgruppen) die Freiheit hat, ein ausländisches Gesellschaftsstatut zu wählen3, darf einen solchen Entschluss nicht nur nach sorgfältiger Analyse des ausländischen Gesellschaftsrechts, sondern auch unter Abwägung der vom deutschen Recht legitimerweise zu stellenden Ansprüche treffen. Sonderprobleme betreffen die Einflüsse des veränderten Kollisionsrechts zur Frage der Sitzverlegung aufgrund der in der Diskussion befindlichen Sitzverlegungsrichtlinie, möglicherweise auch in der kürzlich verabschiedeten Verschmelzungs-Richtlinie4. Im Übrigen ist nach wie vor davon auszugehen, dass das Personalstatut, sei es nach Gründungs- oder nach Sitztheorie zu bestimmen, die juristische Person „in voller Breite“ beherrscht5. Die allgemeinen Regeln des internationalen Privatrechts gebieten es, unter den in Art. 6 EGBGB genannten Voraussetzungen vom „ordre-public-Vorbehalt“6 Gebrauch zu machen, was praktisch freilich kaum in Betracht kommen wird, wenn und soweit die Sitztheorie angewendet wird. Aber auch auf der Grundlage der Gründungstheorie können kraft dieser Ausnahmeregelung keineswegs alle zwingenden Normen des Inlandsrechts auf eine nach einem ausländischen 1 In der Rechtsprechung (LG München I, ZIP 1999, 1680 mit zust. Kurzkomm. Kowalski, EWiR 2000, 127; BayObLG, RIW 2003, 387 f.; LG Potsdam, RIW 2000, 145; OLG Brandenburg, ZIP 2000, 1616; OLG Zweibrücken, ZIP 2000, 2172) herrschte nach „Centros“ noch die Sitztheorie vor; anders nach „Überseering“ aber BGHZ 154, 185 mit KurzKomm. Paefgen, EWiR 2003, 571; BGH, NJW 2003, 2069; BayObLG, NZG 2003, 290 und dazu Kurzkomm. Mankowski, EWiR 2003, 273 f. und Leible/Hoffmann, NZG 2003, 259 f.; OLG Naumburg, GmbHR 2003, 533; OLG Celle, IPRax 2003, 245; KG, GmbHR 2004, 116; zahlreiche weitere Nachw. bei Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 173 ff. Im Verhältnis zu Liechtenstein (auf Grund des EWR-Abkommens – Rdnr. 99) ebenso BGH, GmbHR 2005, 1483 mit Bspr. Wachter, S. 1484. 2 Für eine allgemein über Europa hinausgehende Aufgabe der Sitztheorie Eidenmüller, ZIP 2002, 2284; Behrens, IPRax 2003, 205; für Beibehaltung „im Verhältnis zur übrigen Welt“ aber Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 II 1; Hohloch, in: Erman, Anh. II zu Art. 37 EGBGB Rdnr. 37; Palandt/Heldrich, Anh. Art. 12 Rdnr. 9. 3 Dazu Wachter, GmbHR 2004, 88 ff. 4 Zur ersteren Leible, ZGR 2004, 530 ff.; zur letzteren Neye, ZIP 2005, 1893 ff. 5 Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 1; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 II 2. Einen gesetzlichen Katalog der zum Gesellschaftsstatut gehörenden Materien befürwortet der Deutsche Rat, s. Sonnenberger/Bauer, RIW Beil. 4/2006, S. 9. 6 Zum folgenden Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 130 ff.; v. Bar, Internationales Privatrecht Band II, Rdnr. 626; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 154; Assmann, in: Großkomm. AktG, Einl. Rdnr. 561.

H. P. Westermann

|

127

111

Einleitung

Internationales Privatrecht

Recht zu beurteilende Gesellschaft angewendet werden, insbesondere nicht gegenüber dem Gründungsrecht einer nach dem Recht eines EU-Mitgliedsstaats lebenden Gesellschaft, der gegenüber es für die Anwendung von inländischem Sitzrecht auf die Voraussetzungen der vom EuGH eingeräumten Ausnahmen ankommt1. Das heißt aber nicht, dass dieses Kontrollinstrument des nationalen IPR ausfiele, wenn es auch immer recht zurückhaltend eingesetzt worden ist. So scheiterte die Rechtsfähigkeit ausländischer Staatsunternehmen, auch der sozialistischen Länder, auch dann nicht am ordre public, wenn es das Vermögen eines enteigneten Privatbetriebs fortführte2. Auch kann es dabei bleiben, dass Art. 5 EGBGB eingreifen kann, wenn Hauptzweck der Gesellschaftsgründung Steuerhinterziehung ist, wobei im Übrigen die steuerrechtliche Behandlung der pseudo-foreign-corporation in Europa nicht allein von der Judikatur zur Niederlassungsfreiheit geprägt ist3. Nicht über den ordre-public-Vorbehalt durchsetzbar waren schon nach früherer Rechtsprechung4 Mindestkapitalvorschriften des deutschen Gesellschaftsrechts, wohl auch nicht die §§ 30, 315. Der Streit um die Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer allein aus Haftungsgründen errichteten liechtensteinischen juristischen Person6 ist jetzt wie bei EUAuslandsgesellschaften zu entscheiden, da Art. 31 und 34 des EWR-Abkommens den Regeln des EG-Vertrages über die Niederlassungsfreiheit entsprechen (Rdnr. 99). Keine eigentlich gesellschaftsrechtliche Frage, aber für inländische GmbH praktisch wichtig ist die Anerkennung eines im Ausland eröffneten Insolvenzverfahrens über eine deutsche GmbH, die zu einem europäischen Konzern gehörte; dies wurde wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs im Eröffnungsverfahren als gegen den (deutschen) ordre public verstoßend abgelehnt7, was aber der Eröffnung eines Sekundär-Insolvenverfahrens im Inland nicht entgegensteht8. Zur Insolvenzfähigkeit der Schein-Auslandsgesellschaft Rdnr. 116.

1 So auch Paefgen, ZIP 2004, 2053; Hohloch, in: Erman, Art. 6 Rdnr. 59; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 155. 2 BGH, NJW 1965, 1064; OLG Frankfurt, IPRspr 1962/63 Nr. 38. 3 Sehr zurückhaltend in Bezug auf die steuerlich motivierte Gründung einer liechtensteinischen Anstalt BGH, WM 1979, 692, 693; grundsätzlich kritisch zum Einfluss der EuGH-Rspr. auf direkte Steuern Fischer, FR 2005, 457 ff.; s. auch Holzhauer, GmbHStRspr 2004, 127 ff. (zur Durchgriffshaftung); eingehend Prinz, Der Konzern 2004, 318 ff. Zu einer fraudulösen Verwendung eines Anknüpfungspunkts in Liechtenstein BGHZ 78, 318; ähnlich AG Hamburg, MDR 1964, 1009. 4 OLG Hamburg, RIW 1998, 816; zust. Hohloch, in: Erman, Art. 6 Rdnr. 59; anders noch LG Hamburg, IPRspr. 1996 Nr. 17. 5 Schumann, DB 2004, 741, 743. 6 Dagegen noch (bei deutschem Sitz) BGHZ 53, 181, 183; OLG Frankfurt, NJW 1964, 2355; anders dann aber BGH, WM 1977, 1637; 1980, 714 und jetzt BGH, GmbHR 2005, 1483; ebenso LG Klagenfurt, Beschl. v. 2. 7. 2004 m. Kurzkomm. Beutler/Debus, EWiR Art. 3 EuInsVO 3/05; schon vorher OLG Stuttgart, NJW 1965, 1139. 7 AG Düsseldorf, IPRax 2004, 431 ff. = DZWiR 2004, 432 ff. 8 Anschluss an AG Köln, NZI 2004 151. Näher dazu Vallender, ZGR 2006, 425, 437; Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 468; zur Antragsberechtigung für eine Sekundär-Insolvenz AG Köln, NZI 2006, 57 mit Kurzkomm. Mankowski, EWiR 2006, 109.

128

|

H. P. Westermann

Einleitung

Internationales Privatrecht

2. Entstehung und Rechtsfähigkeit von Gesellschaften Nach dem Personalstatut richtet sich die Entstehung einer Gesellschaft mit ihrer Rechts- und Parteifähigkeit. Soweit von der Gründungstheorie auszugehen ist, bestimmt also das Recht des Staats, nach dessen Regeln der Gründungsakt durchgeführt wurde, das Gesellschaftsstatut, während bei Maßgeblichkeit der Sitztheorie nicht auf den Ort abzustellen ist, den der Gründungsakt der Sitz der Gesellschaft benennt, sondern auf den tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung (s. bereits Rdnr. 94, 96), an dem also die Entscheidungen getroffen werden, die die Gesellschaft mit dem Rechtsverkehr in Berührung bringen1. Dafür reicht allerdings eine bloße Betriebsstätte, in der von der Weisung der Hauptversammlung abhängige Arbeit geleistet wird, nicht aus2. Das kann im Anwendungsbereich der Sitztheorie dazu führen, dass eine im Ausland nach dortigem Recht gegründete Gesellschaft, wenn sie ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat oder ihn hierhin verlegt, hier nicht als rechtsfähige juristische Person anerkannt werden kann, solange sie nicht nach hiesigem Recht wirksam (neu) gegründet ist3. Soweit die Gründungstheorie gilt, also auch im EUBereich, sollte gerade dieser Effekt verhindert werden, die Gesellschaft behält also trotz des Auseinanderfallens von Satzungs- und Verwaltungssitz ihre Rechtsfähigkeit nach Maßgabe ihres Gründungsstatuts. Das heißt freilich nicht, dass sie im Land ihres Verwaltungssitzes rechtlich als nullum behandelt werden könnte, wie es früher angenommen wurde4. Die Nichtanerkennung als rechtsfähiges Gebilde müsste nämlich nach einer Entscheidung des II. BGH-Senats aus dem Jahre 20025 zu der Annahme führen, dass der tatsächlich im Verkehr auftretende Personenverband hier je nach der Art des gemeinsamen Zwecks als Personengesellschaft, also als OHG oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu behandeln wäre, was jedenfalls die (akzessorische) persönliche Haftung aller Gesellschafter auslösen würde. Dem widersprach aber kurz danach der XII. Zivilsenat des BGH6, der entschied, dass die im Ausland wirksam gegründete und rechtsfähige Gesellschaft nicht im Land des tatsächlichen Verwaltungssitzes anders behandelt werden kann, was nach deutschem Gesellschaftsrecht zwar nicht die Rechtsfähigkeit betrifft, aber Haftungsfolgen nach sich zöge, die mit der Rechtsfähigkeit nach dem Gründungsstatut nicht verbunden sind. Auch dies gilt dann unabhängig davon, ob die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz nachträg1 BGHZ 53, 181, 183; 97, 269; BGH, EuZW 2000, 412; BGHZ 151, 204; v. Bar, Internationales Privatrecht II, Rdnr. 620; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 61; Hohloch, in: Erman, Anh. II zu Art. 37 EGBGB Rdnr. 25; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, Einl. Rdnr. 190. 2 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 II 1. 3 BGH, EuZW 2000, 412 mit Anm. Bous, NZG 2000, 1025; Zimmer, BB 2000, 1261; Behrens, EuZW 2000, 385, Leible, in: Hirte/Bücker, § 10 Rdnr. 3. 4 LG Aurich, IPR-Rechtsprechung 1968/68 Nr. 4; auch noch OLG München, NJW-RR 1995, 703 f. 5 BGHZ 151, 204 = NJW 2002, 3539; dazu Leible/Hoffmann, DB 2002, 2003 ff.; Kindler, IPRax 2002, 41 ff.; Heidenhain, NZG 2002, 111 f.; Wagner, GmbHR 2003, 684 ff. 6 BGHZ 154, 185 = NJW 2003, 1461 = JZ 2003, 526 mit Anm. Eidenmüller = IPRax 2003 324 mit Anm. Weller = RIW 2003, 458 mit Anm. Merkt; ebenso LG Hannover, NZG 2003, 1072; zum Ganzen auch Wertenbruch, NZG 2003, 618; Dubovitskaja, GmbHR 2003, 694; Spahlinger, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt B Rdnr. 173 ff.

H. P. Westermann

|

129

112

Einleitung

Internationales Privatrecht

lich verlegt oder ihn niemals im Gründungsstaat gehabt hat1. Fehlt der juristischen Person überhaupt ein Sitz, so kann Gründungsrecht angewendet werden2. 113

Nach dem Gründungsrecht bestimmt sich auch der Umfang der Rechtsfähigkeit, damit auch eine etwaige Teilrechtsfähigkeit3. Das führt zu Problemen im inländischen Rechtsverkehr, wenn und soweit das maßgebliche Gründungsrecht einer Gesellschaft Beschränkungen ihrer Rechtsfähigkeit kennt, die nicht lediglich ihre durch Organhandeln zu gewährleistende Geschäftsfähigkeit betreffen. Praktisch kommt dies für die Anwendung der in den USA früher verbreiteten ultra-vires-Lehre in Betracht, die besagt, dass eine juristische Person nur solche Geschäfte vornehmen darf, die ihr nach ihrer Satzung erlaubt sind, so dass darüber hinausgehende Rechtsgeschäfte nichtig sind4. Die hiervon ausgehende Bedrohung der Sicherheit des Rechtsverkehrs ist aber inzwischen auch in den USA gesehen worden, so dass einerseits eine Heilung der Nichtigkeit durch die Gesellschafter erlaubt worden ist, andererseits eine in einem Bundesstaat inkorporierte Gesellschaft sich außerhalb auf eine satzungsmäßige Beschränkung ihrer Rechtsfähigkeit nicht mehr berufen kann; in England ist diese Lehre gänzlich aufgegeben worden5. Soweit sich aus ihr Beschränkungen der Vertretungsmacht der Organe ergeben können, müssen sie in Europa mit Art. 9 Abs. 1 der Publizitätsrichtlinie (oben Rdnr. 66) vereinbar sein, was kaum in Betracht kommen wird6. Wenn das berufene Auslandsrecht die Rechtsfähigkeit in einer dem inländischen Vornahmestatut unter Gesichtspunkten des Verkehrsschutzes abträglichen Weise einschränkt, ist ferner an eine Sonderanknüpfung analog Art. 12 EGBGB zu denken, der zwar unmittelbar nur die Rechtsfähigkeit natürlicher Personen betrifft, aber bei den i.d.R. schwieriger zu erkennenden Beschränkungen der Rechtsfähigkeit einer juristischen Person erst recht gelten muss. Vorausgesetzt ist freilich, dass die Teilnehmer des Rechtsgeschäfts sich bei seiner Vornahme im selben Staat befunden haben und der Vertragspartner gutgläubig war7. Wenn eine im Inland gänzlich unbekannte und keiner hiesigen Rechtsform vergleichbaren Gesellschaft auftritt, wird dem

1 Leible, in: Hirte/Bücker, § 10 Rdnr. 5. 2 OLG Frankfurt, NJW-RR 2000, 1226; mit KurzKomm. Kindler, EWIR 1999, 1081. 3 BGH, IPRax 1985, 221, 223; BGH, NJW 1989, 2452; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/ Wegen, Abschnitt C Rdnr. 270; OLG Hamburg, RIW 1988, 816. 4 Näher dazu Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 241 ff.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 254 ff.; Hess, RIW 1992, 638; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 271. 5 Leible in: Hirte/Bücker, § 10 Rdnr. 18; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 II 2. 6 Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 271. 7 Zum Ganzen BGH, IPRax 1999, 104; OLG Nürnberg, WM 1985, 259; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 192; Assmann, in: Großkomm. AktG, Einl. Rdnr. 576; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 271; Michalski/Leible, System. Darstellung 2 Rdnr. 82 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 69; abl. Soergel/Lüderitz, Art. 10 EGBGB Anh. Rdnr. 20; OLG Stuttgart, NJW 1974, 1672. Zur entsprechenden Anwendung des Art. 12 auf die „ultra-vires“Lehre BGH, NJW 1998, 2452 (allerdings offenlassend); Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 II 2; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 276.

130

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

Rechtsverkehr eine gewisse Erkundigungsobliegenheit auferlegt werden können, er kann nicht ohne weiteres auf die Rechtsfähigkeit nach dem maßgeblichen Recht oder auch die Handlungsmacht der für die Gebilde auftretenden Personen vertrauen, auch genügt nicht die bloße – heute durch den Gebrauch ersichtlich ausländischer Firmierungen naheliegende – Kenntnis des ausländischen Ursprungs der Gesellschaft1. Art. 12 EGBGB ist eine allseitige Kollisionsnorm2. Besondere Rechtsfähigkeiten, d.h. die Fähigkeit zur Teilnahme an bestimmten Arten von Rechtsgeschäften oder zur Innehabung bestimmter Rechte und Pflichten, können sich aus dem jeweiligen Wirkungsstatut ergeben, sind aber auch zu beachten, wenn sie aus dem Gesellschaftsstatut folgen3. Praktisch wird dies u.U. für die Möglichkeit zum Grundstückserwerb (Art. 86 EGBGB), die durch die lex rei sitae beschränkt werden kann, während andere Beschränkungen sich aus dem Gründungsrecht ergeben können, besonders demjenigen früherer zentralplanwirtschaftlicher Ordnungen. Dasselbe gilt für öffentlich-rechtliche Regulierungen4. Die nach deutschem Recht für juristische Personen kaum zweifelhafte Fähigkeit zur Beteiligung an anderen Personenverbänden ist dem jeweiligen Personalstatut zu entnehmen5, dazu im Einzelnen Rdnr. 141. Die für die deutsche Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch immer nicht abschließend geklärten Fähigkeiten zum Umgang mit Wechseln und Schecks zur Inhaberschaft an Marken und sonstigen gewerblichen Schutzrechten oder zur Eintragung ins Grundbuch spielen für als rechtsfähig anzuerkennende ausländische Personenverbände keine Rolle6. Die Deliktsfähigkeit einer juristischen Person beurteilt sich nicht nach dem Personalstatut, sondern nach dem Recht des Begehungsorts7. Es bedarf dann noch einer Norm, nach der das Handeln natürlicher Personen der Gesellschaft zugerechnet wird, wofür nach deutschen Vorstellungen (§ 31 BGB) notwendig ist, dass die schadensstiftende Handlung in einem Zusammenhang mit den der natürlichen Person zugewiesenen Aufgaben steht8. Dies schließt allerdings nicht aus, dem Gesellschaftsstatut (und möglicherweise sogar dem trotz des Gründungsrechts ausnahmsweise anwendbaren Sitzrecht) gewisse Möglichkeiten eines gläubigerschützenden Durchgriffs zu

1 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 II 2; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 195; a.M. noch OLG Hamburg, IPRspr Nr. 32 Nr. 14 betreffend die Vertretungsmacht. 2 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 Rdnr. II 2. 3 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 Rdnr. II 2; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 71. 4 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 Rdnr. II 2. 5 BayObLGZ 86, 61, 66; OLG Saarbrücken, JZ 1989, 904 f., KG, RIW 1997, 599 und dazu Bungert, IPRax 1989, 339. 6 Die Grundbuchfähigkeit einer englischen Ltd. wurde von BayObLG, ZfIR 2003, 200 mit Anm. Mankowski, EWiR Art. 43 EGV 1/2003 anerkannt; s. auch BayObLG, ZIP 2003, 389 mit Anm. Dümig, ZfIR 2003, 191; Leible, NZG 2003, 359 f.; Schaub, DStR 2003, 654. 7 Ahrens, IPRax 1986, 355, 358; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 229; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 73; aus der Rechtsprechung OLG Köln, NZG 1989, 350. 8 OLG Köln, NZG 1989, 350; Leible, in: Hirte/Bücker, § 10 Rdnr. 34.

H. P. Westermann

|

131

114

Einleitung

Internationales Privatrecht

entnehmen, was aber ein Problem der Haftungsverfassung ist oder zumindest mit dieser abzustimmen ist, näher Rdnr. 143 ff. Dem Personalstatut sind schließlich auch die Normen über Verantwortlichkeit der Organe gegenüber der Gesellschaft zu entnehmen. Zu gewerberechtlichen Anforderungen an den Geschäftsführer Rdnr. 118. 115

Seit dem Urteil „Überseering“ (Rdnr. 104 ff.) ist klar, dass auch die Prozess- und Parteifähigkeit sich nach dem Personalstatut, u.U. also dem ausländischen Gründungsrecht richtet; die genaue Art der Anknüpfung ist allerdings in der Lehre umstritten. Überwiegend wird gefragt, ob das Recht des Forums auf der Grundlage des § 50 ZPO dem nach seinem Gründungsrecht rechtsfähigen Personenverband auch die Parteifähigkeit zubilligt1; von anderen wird aufgrund entsprechender Anwendung des § 50 ZPO oder in direkter Anwendung einer (nicht kodifizierten) prozessrechtlichen Kollisionsnorm das Gesellschaftsstatut für die Parteifähigkeit zugrundegelegt2. Diese Lösung greift auch ein, wenn das maßgebliche Auslandsrecht die Parteifähigkeit der juristischen Person abweichend von ihrer Rechtsfähigkeit regelt3. Ein nach seinem Personalstatut weder rechts- noch parteifähiger Verband kann hier unter den Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 ZPO verklagt werden. Soweit deutsches Sitzrecht maßgeblich ist (etwa weil das in einem Abkommen vereinbart ist), kann also eine nach einem ausländischen Recht gegründete Gesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland hier als Personen- oder Personenhandelsgesellschaft klagen und verklagt werden4; das ließe sich auch mit einer entsprechenden Anwendung des § 55 ZPO begründen. Entscheidend ist dabei, inländischen Dritten die prozessuale Durchsetzung eines Anspruchs zu ermöglichen, und zwar unter Einschluss der Vollstreckung des Urteils im Forumsstaat5. Die Prozessfähigkeit ist eine Frage der Willensbildung und -äußerung der juristischen Person, deshalb richtet sie sich ebenfalls nach dem Personalstatut6, wobei wiederum keine Anknüpfung über § 52 ZPO zu erfolgen braucht, sondern direkt das die Organisation der Gesellschaft bestimmende Personalstatut anwendbar ist7. Fehlt der Gesellschaft nach ihrem Personalstatut die Prozessfähigkeit, ist im Forumsstaat wiederum § 55 ZPO entsprechend anzuwenden.

1 BGH, NJW 1965, 1666 f.; BGH, EuZW 2000, 412 f.; OLG Frankfurt, NJW 1990, 2204; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 999; OLG Zweibrücken, RIW 2000, 373. 2 RGZ 117, 215, 217; BGHZ 51, 27 f.; 53, 383, 385; BGH, IPRax 2000, 21; OLG Hamm, RIW 1997, 236 f.; Pagenstecher, ZZP 64 (1951), 249 ff.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 209; Leible, in: Hirte/Bücker, § 10 Rdnr. 27. 3 BGHZ 51, 27 f. betreffend eine im Handelsregister gelöschte und deshalb nicht parteifähige, aber wegen eines verbliebenen Aktivvermögens noch rechtsfähige schweizerische AG; ähnlich schon OLG Stuttgart, NJW 1974, 1627 f.; von einer „alternativen Anknüpfung“ sprechen Leible, in: Michalski, Einl. Abt. 2/89. 4 BGH, NZG 2002, 1001; Leible, in: Hirte/Bücker, § 10 Rdnr. 29; für eine luxemburgische Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in Luxemburg, aber Verwaltungssitz in Deutschland ebenso BGH, NJW 2003, 2609 mit Anm. Thode, WuB VII B Artikel 5 EuGVÜ 1.03 = ZIP 2003, 1417; dazu auch Lehmann, IPRax 2005, 109 ff. 5 So Leible, in: Hirte/Bücker, § 10 Rdnr. 28. 6 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 II 2. 7 OLG Düsseldorf, IPRax 1996, 423 f.

132

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

Nach dem Personalstatut richtet sich auch das Ende der Rechtsfähigkeit einschließlich aller Regeln über Auflösung und Liquidation, was besonders auch dann praktisch wird, wenn eine Auslandsgesellschaft im Inland in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Allerdings ist für eine Schein-Auslandsgesellschaft insolvenzrechtlich die internationale Zuständigkeit der Gerichte des effektiven Verwaltungssitzes und damit des allgemeinen Gerichtsstandes der Gesellschaft gegeben, was auch gilt, wenn in Deutschland formell keine Niederlassung begründet wurde1. Das folgt aus § 3 InsO wie aus der EuInVO, die jeweils an den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen (COMI) anknüpfen2. Dabei schadet es auch nicht, wenn die Gesellschaft auf Grund eines Insolvenzverfahrens im Ausland gelöscht ist3. So lag es im Fall des AG Duisburg4, das über einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei einer in England als Ltd. gegründeten und dort ins Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft zu entscheiden hatte, die aber als Treuhänderin von einem Montageunternehmer in Oberhausen errichtet worden war, um in Deutschland ohne die gesetzlichen Voraussetzungen eine Handwerkstätigkeit ausüben zu können (zum letzteren s. noch Rdnr. 118). Alleiniger organschaftlicher Vertreter der in Deutschland ansässigen Gesellschaft war die englische Ltd., in London unterhielt die Schuldnerin keine Geschäftsräume, auf ihren Geschäftsbriefen waren Anschriften und Bankverbindungen in Deutschland angegeben, daneben die englische Ltd. als Muttergesellschaft und der Gründer als ihr Geschäftsführer (zu den Publizitätsanforderungen im Übrigen Rdnr. 118 ff.). Der Insolvenzantrag war von Gläubigerseite gestellt worden, aber auch der Gründer hatte die Eröffnung des Insolvenzverfahren über sein Vermögen beantragt. Beide Gesellschaften waren in England im „registrar of companies“ gelöscht worden. Das Gericht folgerte daraus, dass die Schuldnerin rechtlich und wirtschaftlich nicht mehr existiere, in Deutschland belegenes Vermögen hatte der vorläufige Insolvenzverwalter nicht finden können. Dies war aus der – einem Internet-Hinweis zu verdankenden – Information über die Löschung wegen Verstößen gegen die Pflicht zur jährlichen Rückmeldung (dazu näher Rdnr. 159) zu entnehmen gewesen, die auch einen Auflösungsvermerk des britischen Company-House nachwies. Die anschließende Frage, ob nicht gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO ein Insolvenzverfahren über eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit möglich war, verneinte das Gericht, weil die in Deutschland ansässige Gesellschaft durch den Wegfall der englischen Ltd. zum Vermögen des faktischen Alleingesellschafters gehören könne und eine Einmann-Personengesellschaft dem deutschen Recht unbekannt sei5. Die bloße Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein englisches Gericht über das Vermögen der in Deutschland ansäs-

1 Näher Vallender, ZGR 2006, 425, 427 ff.; Holzer, ZVI 2005, 462; Fischer, ZIP 2004, 1477; Riekemann, GmbHR 2004, 345 ff. 2 Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 468 ff., der aber stattdessen eine Anknüpfung an den Satzungssitz befürwortet. 3 Vallender, ZGR 2006, 425, 436 ff. 4 NZG 2003, 1167 = IPRax 2005, 151 f. und dazu Borges, IPRax 2005, 134 ff.; ebenso AG Hamburg, ZIP 2005, 2275. 5 In diesem Punkt anders Borges, IPRax 2005, 134 ff. Die internationale und örtliche Zuständigkeit war gegeben, Art. 3 der Europäischen Insolvenzverordnung.

H. P. Westermann

|

133

116

Einleitung

Internationales Privatrecht

sigen Gesellschaft würde solche Folgen allerdings nicht nach sich ziehen1. Zu den aus der insolvenzrechtlichen Behandlung möglicherweise folgenden Haftungsrisiken s. Rdnr. 150 ff.

3. Eintragung ins Handelsregister 117

Bei den Fragen zur Registrierung und Publizität kommen neben einem – u.U.: ausländischen – Personalstatut Anforderungen des Sitzrechts in höherem Maße zum Tragen. Ist die Sitztheorie anzuwenden, so ist, soweit der Verwaltungssitz einer Gesellschaft sich im Ausland befindet, die Eintragung zu verweigern, soweit nicht eine Rückverweisung in Betracht kommt2. Soll eine Gesellschaft mit ausländischem Personalstatut eingetragen werden, so ist zunächst der Grundsatz des numerus clausus der in ein inländisches Register vorzunehmenden Eintragungen zu beachten, obwohl dieser schon im allgemeinen Registerrecht nicht gänzlich ohne Durchbrechungen bleiben muss3. Damit könnte man den Ausgangspunkt des die Registrierung ausländischer Gesellschaften betreffenden Fragenkreises anzweifeln, dass nämlich das deutsche Handelsregister keinen Platz für die Eintragung von Personenverbänden einer nicht deutschen Rechtsform habe4. Wenn dennoch eine Verpflichtung einer im Inland unternehmerisch aktiven Gesellschaft angenommen wird, sich im Register eintragen zu lassen, insbesondere wenn die in ihr zusammengeschlossenen natürlichen Personen nicht oder nur beschränkt haften, so deshalb, weil, wovon auch die Zweigniederlassungsrichtlinie (Rdnr. 67) ausgeht5, diesbezüglich ein Informationsbedürfnis des inländischen Rechtsverkehrs besteht, das gegenüber Gesellschaften mit ausländischem Personalstatut, aber (ausschließlich) inländischem Verwaltungssitz eher stärker ist. Von diesem Gesichtspunkt lässt sich aber auch die hier inzwischen durchgesetzte Ansicht leiten, dass eine ausländische, nach dortigem Recht gegründete und somit nach jenen Regeln im Ausland registrierte Gesellschaft hier als Zweigniederlassung i.S. der §§ 13d ff. HGB behandelt werden muss6. Das genügt jedenfalls, um die Zugehörigkeit des Unterneh-

1 AG Düsseldorf, DZWiR 2003, 307 mit Anm. Smid, s. auch den Kurzkomm. Mankowski, EWiR 2003, 1239. 2 BGHZ 19, 102, 105; 29, 320, 328; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 264; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 117; zur Rückverweisung Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 378 ff. 3 Näher dazu H. P. Westermann, in: FS Mestmäcker, 1990, S. 969 ff. 4 So aber einhellig Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 17; Lutter, in: Lutter, S. 2; Süß, DNotZ 2005, 180. 5 So ihre Erwägungsgründe und dazu Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 134. 6 Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 18; Lutter, in: Lutter, S. 4 ff.; zum Anspruch solcher Gesellschaften auf Eintragung OLG Zweibrücken, RIW 2003, 542 = WM 2003, 1329; OLG Naumburg, GmbHR 2003, 533; AG Duisburg, NZG 2003, 1072 f.; KG, ZIP 2002, 2297 mit KurzKomm. Mankowski, EWiR 2004, 185 = GmbHR 2004, 119 mit Anm. Mildner, s. auch OLG Sachsen-Anhalt, IPRspr. 2002 Nr. 22 (zur Entkräftung der Sitztheorie); KG, BB 2003, 2644; OLG Celle, GmbHR 2003, 532; OLG Düsseldorf, ZIP 2006, 806 m. Kurzkomm. Wachter, EWiR 2006, 345 (Eintragung auch ohne Vorlage eines Beschlusses über Gründung einer Zweigniederlassung); Riedemann, GmbHR 2004, 345, 348; Riegger, ZGR 2004, 510, 512; Heckschen, in: Schröder, S. 85, 99 f.; Wachter,

134

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

mensträgers zur Rechtsordnung eines anderen Staats zu belegen. Dies soll gelten, obwohl diejenigen Gesellschaften, die allein im Inland eine effektive unternehmerische Tätigkeit entfalten und im Gründungsstaat nur den Satzungssitz haben, nicht im Sinne des deutschen Handelsrechts als Zweigniederlassung angesehen werden könnten; dennoch ist jedenfalls eine inländische Tätigkeit von gewisser Dauer und eine – wenn auch nur begrenzte – organisatorische Selbständigkeit erforderlich. Aus der Rechtsprechung des EuGH, namentlich dem „Centros“-Urteil (Rdnr. 102), lässt sich in der Tat folgern, dass die Errichtung einer Verwaltungszentrale, von der aus die gesamte unternehmerische Tätigkeit geleitet und ausgeführt werden soll, von der „sekundären Niederlassungsfreiheit“ umfasst ist, und auch in den folgenden EuGH-Urteilen war klar, dass sich die vom Gerichtshof reklamierte Rechtsposition voll auf die jeweilige inländische Niederlassung bezog, die hier tätig war und ihr ausländisches Gründungsstatut, also auch die Registereintragung nach diesem Recht, „mitbringen“ konnte. Dann noch eine zweite inländische Eintragung als „Hauptniederlassung“ zu verlangen, obwohl die §§ 13d ff. HGB diese Fälle erfassen können, erschiene unnötig1. Eine andere, im Ansatz umgekehrte, im Ergebnis aber jedenfalls gleichlaufende Argumentation2 interpretiert die Zweigniederlassungsrichtlinie dahin, dass die Hauptniederlassung europarechtlich nur am Ort des Satzungssitzes liegen kann, so dass jede andere Niederlassung nur Zweigniederlassung ist, in welchem Sinne dann auch das deutsche Handelsregisterrecht auszulegen sei3. Somit besteht eine Eintragungspflicht und ein gleichlaufender Anspruch für Gesellschaften mit ausländischem Gründungsstatut, wobei freilich die Anforderungen im Einzelnen den Rahmen einer bloßen Betrachtung als Zweigniederlassung wohl schon übersteigen. Z.T. wird allerdings gefordert4, dass die Niederlassung einen bestimmten, für selbständige wirtschaftliche Tätigkeit benötigten Organisationsgrad aufweisen müsse, um zur Eintragung verpflichtet zu sein. Das leuchtet nicht ein, wenn man bedenkt, dass nach deutschem Recht nicht einmal die Eintragung als Kapitalgesellschaft und z.T. (§ 105 Abs. 2 HGB) auch nicht eine solche als Personenhandelsgesellschaft unbedingt einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb voraussetzen; man wird also eine solche Forderung nicht aufstellen können5. Obwohl Zweigniederlassungen im eigentlichen Sinne fast niemals eigene Rechtsfähigkeit haben, wird für die Eintragung einer Auslandsgesellschaft ein Nachweis der nach ihrem Gründungsrecht erlangten Rechtsfähigkeit gefor-

1 2 3 4 5

GmbHR 2003, 1254; Leible/Hoffmann, EZW 2003, 677, 679; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 550 ff.; im Einzelnen auch Herchen, RIW 2005, 529 ff.; Klose/Mokroß, DStR 2005, 1013 ff.; Süß, DNotZ 2005, 180 ff.; a.M. Liese, NZG 2006, 201; Wernicke, BB 2006, 843. Dazu namentlich Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 18. OLG Zweibrücken, NZG 2003, 537 f.; Wachter, GmbHR 2004, 88, 93; Riegger, ZGR 2004, 510, 513; Lutter, in: Lutter, Fn. 170. So auch KG, GmbHR 2004, 116, 118; OLG Naumburg, GmbHR 2003, 533; OLG Celle, GmbHR 2003, 532; OLG Zweibrücken, NZG 2003, 537. Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 21, 22. In diesem Sinne auch Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 689; Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100, 1101; Binger/Thölke, DNotZ 2004, 21, 24.

H. P. Westermann

|

135

118

Einleitung

Internationales Privatrecht

dert1; ein bloßer Auszug aus dem Companies Register (für eine englische Ltd.) wird nicht für ausreichend gehalten, da sich daraus die Vertretungsverhältnisse nicht ergeben2. Einzureichen ist auch eine beglaubigte Fassung des Gesellschaftsvertrags3. Wenn nach dem Gründungsrecht öffentlich-rechtliche Genehmigungen erforderlich sind, ist auch darüber ein Nachweis zu verlangen4, nicht dagegen sind die Unterlagen über die Rechnungslegung (trotz des § 325 a HGB) mit offenzulegen5. Das Verhältnis der Unternehmensgegenstände der Eintragungen der „Hauptniederlassung“ am Satzungssitz und der „Zweigniederlassung“ wird etwas unterschiedlich gesehen: Wenn es etwa heißt, dass eine Zweigniederlassung nicht vorliege, wenn der in der Anmeldung genannte Gegenstand ihrer Tätigkeit in der Beschreibung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung der Hauptniederlassung nicht enthalten ist6, so gilt dies nur für „echte“ Zweigniederlassungen einer in einem anderen EU-Staat errichteten Gesellschaft; aber jedenfalls können die Regeln über die Registrierung von Zweigniederlassungen insoweit angewendet werden, als es nicht zu beanstanden ist, wenn für die deutsche Niederlassung einer englischen Ltd. eine gegenüber deren weitgefasstem Unternehmensgegenstand eingeschränkte konkretisierende Beschreibung gewählt worden ist7. Wenn, was in der Praxis ebenfalls vorkommt, der Unternehmensgegenstand einer Ltd. im memorandum of association sehr breit und detailliert beschrieben ist, muss dies in der hiesigen Registereintragung nicht in voller Breite wiederholt werden; dennoch liegt der Fall einfacher, wenn für die Eintragung im Gründungsstaat eine „catch all clause“ gewählt ist, die dann übernommen werden kann. Mit der Anmeldung der Zweigniederlassung ist auch der Geschäftsführer anzumelden, und zwar grundsätzlich durch Vorlage seine Bestellung betreffenden Gesellschafterbeschlusses und etwaiger weiterer zur Überprüfung der Wirksamkeit erforderlichen Unterlagen8; das ist, wenn es nach dem Gründungsstatut eines Beschlusses nicht bedarf (etwa bei Bestellung in der Satzung), weit zu verstehen. Die Vertretungsbefugnis kann sich aus dem Gründungsrecht ergeben; bestehen da-

1 KG, ZIP 2005, 989 mit Besprechung Grohmann, GmbHR 2005, 774 f. (Vorlage des Certificate of Incorporation sowie einer aktuellen Bescheinigung des Gesellschaftsregisters bei einer Private Company Limited by Shares); das LG Berlin (ZIP 2004, 2380 mit Bspr. Wachter, ZIP 2004, 2795 ff.; Heckschen, BNotZ 2005, 24 ff.) lässt eine Bescheinigung der zuständigen Registerbehörde über die Gründung (anstatt der Gründungsurkunde selber) genügen, dies auch für den Nachweis der Vertretungsberechtigung. 2 Heckschen, in: Schröder, S. 108; gegen LG Berlin, NotBZ 2005, 41. 3 Dazu LG Leipzig v. 14. 9. 2004 (06 HKT 3146/64) mit Kurzkomm. Wachter, EWiR 2005, 655. 4 OLG Celle, GmbHR 2003, 532 f.; Riegger, ZGR 2004, 510, 513. 5 LG Göttingen v. 12. 7. 2005 (3 T 1/05) mit Kurzkomm. Wachter, EWiR § 13d HGB 1/05. 6 LG Bielefeld, GmbHR 2005, 98 mit Anm. Wachter; s. auch OLG Jena, GmbHR 1999, 822 f. 7 LG Ravensburg, GmbHR 2005, 489 und dazu den Kurzkomm. Wachter, EWiR 2005, 423, s. auch Heckschen, in: Schröder, S. 4 unter Hinweis auf die Kosten; OLG Düsseldorf, ZIP 2006, 806. 8 KG, ZIP 2003, 2297 mit Kurzkomm. Mankowski, EWiR 2004, 185 = GmbHR 2004, 119 mit Bspr. Mildner. Zur Eintragung des englischen „directors“ als ständigen Vertreter i.S. des § 13e Abs. 1 Nr. 3 HGB Schall, NZG 2006, 54; Wachter, Kurzkomm. EWiR § 13d HGB 2/06 (OLG Düsseldorf, ZIP 2006, 806 ff.).

136

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

nach Wahlmöglichkeiten, so ist die Vertretungsregelung zu bezeichnen1. Öffentlich-rechtliche Vorschriften sind aber, soweit sie nicht diskriminierend wirken, zu beachten, so bei einer Gesellschaft, die selbständige Handwerkstätigkeit ausüben soll, der Nachweis einer besonderen Befähigung des Betriebsleiters gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 HandwO2. Ob ein Gewerbeverbot gegen den (ausländischen) Geschäftsführer die Eintragung einer Zweigniederlassung verhindert, ist nicht endgültig geklärt3; die vom EuGH (Rdnr. 105) geforderten Kriterien für eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit könnten hier vorliegen. Klar ist auch, dass ausländische Gesellschaften Genehmigungserfordernisse, die sich aus ihrem Unternehmensgegenstand ergeben (§ 13e Abs. 2 Satz 2 HGB), beachten müssen. Nicht ganz frei sind die Gesellschaften hinsichtlich der Nationalität des Geschäftsführers, die als solche aber keinen Hinderungsgrund darstellt, wenn die betreffende Person den gewöhnlichen Anforderungen genügt (dazu § 6 s. dort Rdnr. 16 ff.). D.h., der Bestellte muss jederzeit in der Lage sein, seine gesetzlichen Mindestpflichten zu erfüllen, obwohl dies im Einzelfall schwierige Differenzierungen erfordern kann. Wenn hierbei Personen zugelassen werden, die in Deutschland nach § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 nicht Geschäftsführer sein könnten, dies nun aber über die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft versuchen4, so wird es sich manchmal um einen Missbrauch im Sinne der vom EuGH zugelassenen Ausnahmen im Allgemeininteresse handeln. Streitig ist die Möglichkeit, für einen Geschäftsführer die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens einzutragen5; auch wenn das Gründungsrecht ein solches Verbot nicht kennt, spricht für die Eintragungsfähigkeit der Umstand, dass hierdurch die Informationsmöglichkeit des inländischen Rechtsverkehrs verbessert wird, was die Betreiber der „Zweigniederlassung“ durchaus anstreben könnten. Nach § 13g Abs. 2 Satz 1 HGB ist der Anmeldung auch eine öffentlich beglaubigte Abschrift des Gesellschaftsvertrages beizufügen, was bei einem fremdsprachigen Text weiter voraussetzt, dass eine befugte Urkundsperson die Richtigkeit der Übersetzung bestätigt6.

1 So mit Blick auf die englische Ltd. Schaub, NZG 2000, 953, 959; Wachter, NotBZ 2004, 41, 45; Heckschen, in: Schröder, S. 102. 2 OLG Celle, GmbHR 2003, 532 mit Kurzkomm. Mankowski, EWiR 2003, 703. 3 Das OLG Jena (BB 2006, 1181 = GmbHR 2006, 541 m. Anm. Wachter, S. 544; ebenso im Ergebnis OLG München, GmbHR 2006, 603), das die Ablehnung der Eintragung nicht als Verstoß gegen Europarecht ansieht, hat dem BGH vorgelegt; der Erlass einer Gewerbe-Untersagungsverfügung gegen den Geschäftsführer wird zugelassen von OVG Münster (BB 2005, 2259 m. Kurzkomm. Just, EWiR 2000, 17; a.M. OLG Oldenburg, Gew.Arch. 2002, 430); dagegen OLG Dresden, ZIP 2006, 1097), was eine Lösung auch dann darstellen könnte, wenn die Gesellschaft eingetragen wird (Mankowski, BB 2006, 1173 ff.). 4 S. die Nachw. in der vorigen Fn. 5 Dafür LG Freiburg, GmbHR 2005, 168; LG Ravensburg, GmbHR 2005, 489; a.M. LG Augsburg, NZG 2005, 356 sowie Wachter, NZG 2005, 338 ff. und Wachter, GmbHR 2005, 169; Wachter, NotBZ 2005, 409 (zu OLG München); krit. aber Schall, NZG 2006, 54; LG Leipzig v. 14. 9. 2004 mit zust. Kurzkomm. Wachter, EWiR § 181 BGB 1/05; OLG Düsseldorf, ZIP 2006, 806; Klose/Mokroß, DStR 2005, 2013, 1015. 6 Zu den Anforderungen eingehend Heckschen, in: Schröder, S. 111 f.

H. P. Westermann

|

137

Einleitung 119

Internationales Privatrecht

Wenn die Pflichten einer ausländischen Gesellschaft zur Registrierung ihrer Verhältnisse nicht erfüllt werden, kommt als Sanktion ein Zwangsgeld nach § 14 HGB in Betracht, wobei aber zu bedenken ist, dass für ausländische Personen ein Vollzug im Ausland nicht für möglich gehalten wird1. § 14 HGB sieht als Adressaten der Anmeldepflichten bezüglich juristischer Personen nicht diese, sondern die verantwortlichen Organpersonen an2. Im Übrigen ist das Verfahrensrecht im Hinblick auf die Zweigniederlassung einer ausländischen juristischen Person gem. § 13d Abs. 3 HGB das deutsche, wobei also die inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens wie eine inländische Hauptniederlassung behandelt wird. Das ließe sich, da grundsätzlich die unternehmerischen Aktivitäten, die am inländischen Sitz einer im Ausland gegründeten Gesellschaft stattfinden, als diejenigen einer Zweigniederlassung behandelt werden (Rdnr. 117), auf die ausländische Gesellschaft mit Verwaltungssitz nur in Deutschland anwenden. Allerdings kann bezüglich der Rechtsform dieser Art von Zweigniederlassungen nur diejenige des Gründungsrechts in Frage kommen, deren Bezeichnung dann aber im Wege einer Substitution zum inländischen Registerrecht an die vergleichbare Rechtsform des deutschen Gesellschaftsrechts angepasst werden muss. Das ergibt sich wiederum aus der Publizitätsrichtlinie3. Andererseits ist zu beachten, dass nach der Entscheidung „Inspire Art“ des EuGH (Rdnr. 106) die Obergrenze dessen, was an Angaben von Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften gefordert werden kann, aus Art. 2 und 3 der Zweigniederlassungsrichtlinie zu entnehmen ist. Das bedeutet, dass das am Ort des Registergerichts geltende Recht insoweit richtlinienkonform (u.U. einschränkend) auszulegen ist und auch weitergehende Offenlegungspflichten, die das Gründungsrecht vorsieht, vom inländischen Register nicht mehr anzuwenden sind4. Allerdings befreit eine Eintragung der Zweigniederlassung in Deutschland die Gesellschaft nicht etwa von Registrierungspflichten nach dem Gründungsrecht, auch ist nach Art. 12 der Zweigniederlassungsrichtlinie auch davon auszugehen, dass alle Mitgliedstaaten die bestehenden Offenlegungspflichten mit geeigneten Maßnahmen des jeweils am Ort der Registrierung geltenden Rechts durchzusetzen suchen, so dass § 13d HGB und auch die Bestimmungen über die Verhängung von Zwangsgeld im Grundsatz uneingeschränkt anwendbar sind. Dennoch hat die wegen der begrenzten Vollstreckungsmöglichkeiten vielfach als unbefriedigend empfundene Rechtslage5 die Frage auftreten lassen, ob nicht den Geschäftsführer einer Auslandsgeschäft bei Verletzung von Offenlegungspflichten auch die Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 trifft, wenn die Auslandsgesellschaft vor der Registereintragung im Inland geschäftlich tätig geworden ist; das sollte allerdings im Zusammenhang mit den sonstigen Haftungsrisiken gesehen werden 1 Hierzu und zum folgenden Lutter in: Lutter, S. 9 ff.; Wachter, GmbHR 2004, 88, 89; Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 82. 2 BayObLG, NJW-RR 1986, 1480; BGH, DB 1988, 2623; Baumbach/Hopt, HGB, § 14 Rdnr. 2; Koller/Roth/Morck, HGB, § 14 Rdnr. 3; allerdings nicht unstreitig. Dasselbe gilt in England, s. Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100, 1102. 3 Zur Substitution allgemein Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 992. 4 Dazu näher Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 74. 5 S. etwa Westhoff, GmbHR 2006, 525, 527; Wachter, GmbHR 2006, 793, 794.

138

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

(Rdnr. 145). Eine wieder andere Frage ist vom EuGH kürzlich entschieden worden, nämlich die nach der Zulässigkeit (angesichts der Niederlassungsfreiheit) der Forderung eines Kostenvorschusses für die Eintragung, der sich nach den zu erwartenden Kosten der Veröffentlichung des Geschäftsgegenstandes der Gesellschaft richtet. Da diese Regelung kaum diskriminierend angewendet werden kann und das Gerichtskostenrecht dem öffentlichen Recht zumindest nahesteht, konnte die Zulässigkeit bejaht werden1.

4. Die Firmierung der Gesellschaft Die Firmierung einer „Zweigniederlassung“ sowie die danebenstehende Publizität durch Angaben auf Geschäftsbriefen (dazu Rdnr. 124) muss auch bei grundsätzlichem Respekt vor dem Gründungsrecht den Zielen Rechnung tragen, die der inländische Gesetzgeber angesichts einer ausländischen Gesellschaft, die Träger eines inländischen Unternehmens ist2, zum Schutz des inländischen Rechtsverkehrs verfolgt und unter gemeinschaftsrechtlichen Aspekten verfolgen darf. Das ist außerhalb der EU eine Frage der international-privatrechtlichen Anknüpfung von Regeln über die Firmenbildung und den Inhalt der Registervermerke, in Europa geht die anzustellende Untersuchung von der nach dem Personalstatut gebildeten Firma3 aus und prüft, welche Bestimmungen des Sitzrechts über die Führung dieser Firma im Inland und ihre Registrierung im hiesigen Handelsregister die Niederlassungsfreiheit der ausländischen in einer nicht mit den Maßstäben der EuGH-Rechtsprechung zu vereinbarenden Weise beschränken4; ist dies nicht der Fall, so gelten diese Regeln. Da die Firma die Identität der Gesellschaft, häufig auch die Haftungsverhältnisse bezeichnet, ist sie Kernbestandteil der gesellschaftsrechtlichen Verfassung der Gesellschaft; wo also die Sitztheorie auf Eintragungswünsche oder -verpflichtungen anzuwenden ist5, wird eine mit den Regeln des deutschen Firmenrechts nicht zu vereinbarende Firmierung und ihre Registereintragung nicht in Betracht kommen. Das gilt insbesondere für solche Beschränkungen in der Firmenwahl, die wettbewerbsrechtliche Ziele verfolgen, aber auch für die Grundsätze der Firmenwahrheit und -klarheit6. Auch ist einer ausländischen Gesellschaft im Inland Namens- und Firmenschutz in demselben Maße zu gewähren wie nach deutschem Recht7, allerdings unter Beachtung des Grundsatzes der Firmenwahrheit, der zum ordre public gerechnet 1 EuGH, ZIP 2006, 1293. 2 So plastisch K. Schmidt, in: Lutter, S. 16; hier und zum folgenden Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 74. 3 BayObLGZ 1986, 61, 64; BGH, NJW 1971, 1522 ff.; schon früher BGH, NJW 1958, 17 ff.; a.M. aber Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 146; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 554. 4 Eingehend dazu K. Schmidt, in: Lutter, S. 25 ff.; Bitter, WM 2004, 2190 f.; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 293; Bokelmann, in: MünchKomm. HGB, § 13d Rdnr. 16 ff.; zum Ausgangspunkt beim Gesellschaftsstatut Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 28; Leible/ Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680; stärker auf das Sitzrecht verweisen aber Kindler, NJW 2003, 1073, 1079; Borges, ZIP 2004, 733, 736; Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1339. 5 RGZ 100, 182, 185; 117, 215, 218. 6 Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 74; Bokelmann, in: MünchKomm. HGB, § 13d Rdnr. 18; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 555. 7 BGHZ 8, 318, 319; BGH, NJW 1971, 1522, 1523.

H. P. Westermann

|

139

120

Einleitung

Internationales Privatrecht

werden kann; insofern ist auf § 18 Abs. 2 HGB zu verweisen. Firmenschutz für ein ausländisches Unternehmen sollte allerdings auch noch davon abhängen, dass es im Inland durch Warengeschäfte entsprechenden Umfangs unter seiner Firmenbezeichnung eine dauernde Geschäftstätigkeit aufgenommen hat; ein weitergehender, aber auch ein engerer Schutz durch das Heimatrecht werden nicht beachtet1. Dies ist aber kein Ausfluss des Gesellschaftsstatuts. 121

Im Anwendungsbereich der Gründungstheorie sowie im europäischen Bereich ist zunächst die nach dem Gründungsstatut zulässigerweise angenommene Firma maßgeblich. Ihre Zulässigkeit nach Maßgabe des zwar nicht allein maßgeblichen, aber doch mit zu beachtenden Sitzrechts muss sodann mit den Grundsätzen der Niederlassungsfreiheit in Einklang stehen, so dass die Bestimmungen des § 18 Abs. 2 HGB über die Kennzeichnungsfähigkeit und die Unterscheidungskraft der Firma unter Beachtung des Irreführungsverbots und des Gebots hinlänglicher Unterscheidbarkeit von bestehenden Firmen (§ 30 HGB) europarechtskonform anzuwenden sind2. Ob die betreffende ausländische Gesellschaft die Voraussetzungen des Kaufmannsbegriffs nach deutschem Recht erfüllt, ist dagegen nicht maßgeblich. Der größte Teil der Auslandsgesellschaften wird in der Art ihrer Tätigkeit einer ein Handelsgewerbe i.S. des § 1 Abs. 2 HGB betreibenden inländischen Gesellschaft vergleichbar sein, so dass eine Eintragung der Firma nötig und möglich ist. Aber auch wo insoweit Zweifel bestehen, kann eine im Ausland als solche gegründete und registrierte Kapitalgesellschaft den Fällen des § 6 HGB gleichgestellt werden, und es wäre eine Diskriminierung gegenüber der inländischen Behandlung von Gesellschaften als Formkaufleuten (§ 3 Abs. 1 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG), wenn ausländischen Gesellschaften die Eintragung nur bei Vorhandensein eines kaufmännischen Gewerbes gestattet würde3. Damit ist auch die Eintragungspflicht dieser Gesellschaften begründet. Was die Firmengestaltung im einzelnen betrifft, so haben sich im Anwendungsbereich der Sitztheorie Gesellschaften auch mit einer nach ihrem Gründungsrecht zulässigen Firma voll der Prüfung nach §§ 18, 19 HGB zu stellen4. Im gemeinschaftsrechtlich bestimmten Bereich oder sonst bei Anwendung der Gründungstheorie kann eine ausländische Firma grundsätzlich nicht verboten werden, wohl sind solche Normen des Sitzrechts wie die Anmeldepflicht bezüglich bestimmter Tatsachen zu beachten, die ordnungsrechtlichen Charakter haben5, die also von der An1 Zum Problemkreis BGH, WM 1980, 1120; J. F. Baur, AcP 167 (1967), 538 f.; gegen die Ansicht von Baur aber Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 151 f. (Trennung von Firmenschutzstatut und Statut für die Namenberechtigung). 2 Zum Grundsatz Bokelmann, DB 1990, 1021, 1025 ff.; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/ Wegen, Abschnitt C Rdnr. 558; K. Schmidt, in: Lutter, S. 29 geht freilich davon aus, dass die Firmenvorschriften des reformierten HGB generell den Anforderungen des EuGH an nationale Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit entsprechen. 3 „Die Auslandsgesellschaft ist gleichsam Formkaufmann“, K. Schmidt, in: Lutter, S. 20; auf § 6 HGB verweist auch Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 15. 4 RGZ 82, 167; 117, 215, 218; BGHZ 75, 171, 176; BayObLG, NJW 1986, 3029; OLG Hamm, DB 1987, 1245; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 148; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 555; das bedeutet aber nicht, dass nur eine nach deutschem Recht zulässige Firma gewählt werden dürfte (Römermann, GmbHR 2006, 262 gegen LG Limburg, GmbHR 2006, 261). 5 K. Schmidt, in: Lutter, S. 27.

140

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

knüpfung an das Gründungsrecht nicht umfasst sind. Darüber hinaus ist auch in diesem Zusammenhang wieder zu prüfen, ob das trotz seiner Liberalisierung im internationalen Vergleich noch immer etwas strengere deutsche Firmenrecht, wenn seine Beachtung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft zur Pflicht gemacht wird, die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt, was im Fall einer von vornherein nur im Inland tätigen Auslandsgesellschaft zwar weniger schwer wiegen mag als bei einer aus dem Ausland zuziehenden, aber darum als Kriterium nicht ausscheidet1. Zu den Auswirkungen des Erfordernisses der Kennzeichnungskraft der Firma fehlt es bisher im europäischen Raum an Anschauungsmaterial, die Anforderungen gehen z.T. auseinander. So wird gefordert, es müsse deutlich gemacht werden, dass es sich um eine Zweigniederlassung einer Gesellschaft ausländischen Rechts handelt2, wobei allerdings die Firma der Hauptniederlassung ihrem Gründungsstatut unterliegt3. Das bedeutet, dass auch fremdsprachige Bezeichnungen verwendet werden dürfen und müssen. Man wird aber jedenfalls bei Bezeichnungen in einer fremden, durchschnittlichen Teilnehmern am Rechtsverkehr nicht geläufigen Sprache (erst recht bei Verwendung eines anderen als des römischen Alphabets) die Unterscheidbarkeit kritisch zu beurteilen haben4. Personal- und Sachfirmen sind jetzt auch in diesem Bereich gleich zu behandeln, auch reine Phantasiebezeichnungen sowie Mischformen, Zahlenund Buchstabenkombinationen haben i.d.R. Kennzeichnungskraft. Wenn dies bei einer bloßen Buchstaben- oder Zahlenreihe verneint wurde5, so würde dies, wenn es durch einen Rechtsformzusatz mit Hinweiskraft auf ein ausländisches Gründungsrecht ergänzt wird, auf eine im Ausland mit dieser Firma registrierte Gesellschaft nicht mehr ohne weiteres übertragen werden können6. Allerdings können fremdsprachliche Bezeichnungen, namentlich wegen der Gefahr einer Verwechslung von Abkürzungen, für einen ausländischen Rechtsformzusatz mit Hinweisen von Art und Größe des Unternehmens gegen das Irreführungsverbot verstoßen7, ebenso wenn ein im Ausland in der dortigen Sprache mit einem feststehenden Inhalt verbreitetes Wort verwendet wird, dessen deutschsprachige Version andersartige Vorstellungen wecken muss. Angaben, die einen behörden-nahen oder einer ständigen Kontrolle unterliegenden Unternehmensgegenstand suggerieren, können gerade auch bei Auslandsgesellschaften irreführend sein. Dies scheint allerdings in den Fällen recht großzügig gehandhabt worden zu sein, in denen eine einen Unternehmensgegenstand andeutende Fir-

1 Für uneingeschränkte Anwendbarkeit des Sitzrechts auf Schein-Auslandsgesellschaften daher Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 41, großzügiger aber K. Schmidt, in: Lutter, S. 30. 2 Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 157; Bokelmann, in: MünchKomm. HGB, § 13d Rdnr. 20; Mankowski, in: Hirte/Bücker, § 12 Rdnr. 70; großzügiger insoweit (eigene Firma der Zweigniederlassung erlaubt) Kögel, Rpfl. 1993, 9, 10; Heckschen, in: Schröder, S. 108; Koller/Roth/Morck, HGB, § 13e Rdnr. 7. 3 Heckschen, in: Schröder, S. 106 f. 4 K. Schmidt, in: Lutter, S. 30 ff. 5 OLG Frankfurt, NJW 2002, 2400; Koller/Roth/Morck, HGB, § 18 Rdnr. 3. 6 K. Schmidt, in: Lutter, S. 30; enger Mankowski, in: Hirte/Bücker, § 12 Rdnr. 72. 7 K. Schmidt, in: Lutter, S. 31; zu Bespielen s. Kögel, DB 2004, 1763, 1765.

H. P. Westermann

|

141

122

Einleitung

Internationales Privatrecht

mierung auf besondere fachliche Qualifikation des Geschäftsführers oder Betriebsleiters hindeutete, die zwar offenbar nicht das Gründungsrecht, wohl aber das Sitzrecht erfordert1. Das Bestreben, Missverständnisse durch eine dem hiesigen Sprachgebrauch Rechnung tragende Firmierung zur vermeiden, kann auch eine Anwendung der vom EuGH akzeptierten Ausnahmen begründen, ebenso wie die Durchsetzung des in § 30 HGB niedergelegten Gebots der Unterscheidbarkeit der einzutragenden Firmen von bereits bestehenden2. 123

In besonderem Maße beziehen sich die Verkehrsinteressen auf den im Rahmen der § 19 Abs. 2 HGB, § 4 AktG, § 4 GmbHG obligatorischen Rechtsformzusatz, den auch Art. 2 Abs. 1d der Publizitätsrichtlinie vorschreibt. Die Richtlinie, die sich nicht zu den Einzelheiten der Firmierung und Registrierung äußert, trifft somit auch keine Bestimmung zu der konkreten Art der Offenlegung der Rechtsform einer Auslandsgesellschaft, so dass die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts anzuwenden sind. Das bedeutet, dass zunächst von der (u.U. auch: abgekürzten) Fassung des Rechtsformzusatzes nach Maßgabe des Gründungsrechts auszugehen und sodann zu untersuchen ist, ob hierdurch Irreführungs-, namentlich Verwechslungsgefahr verursacht wird3. In der Folge heißt es dann auch, dass ein – deutschsprachiger – Hinweis auf eine Haftungsbeschränkung und die Rechtsordnung, nach der die Gesellschaft gegründet ist und lebt, nicht allgemein verlangt werden kann4. Freilich ist zweifelhaft, ob der Rechtsverkehr, der sich in den letzten Jahren mit Rechtsformzusätzen nach Maßgabe des englischen und der romanischen Rechte zunehmend vertraut gemacht haben dürfte, nicht doch höhere Anforderungen an die Kennzeichnung besonders der Haftungsverhältnisse stellen darf, wenn die Zahl der Auslandsgesellschaften aus Staaten, mit denen bisher freier Handel nicht oder kaum möglich war, stark ansteigen sollte. Im wesentlichen dasselbe gilt für Angaben über das „Herkunftsland“ der Gesellschaft, die sicher nicht in der etwas warnenden Form als „formal ausländische Gesellschaft“ verlangt werden dürfen, die im „Inspire Art“-Urteil vom EuGH missbilligt wurde (Rdnr. 106), die aber, neutral formuliert, eine Diskriminierung nicht erkennen lassen, so dass eine Herkunftsangabe an sich keine spürbare Einschränkung der Niederlassungsfreiheit bedeutet5. Wenn dennoch überwiegend anders entschieden wird, so deshalb, weil die Zweigniederlassungsrichtlinie in Art. 8c eine Herkunftsangabe nur für Auslandsgesellschaften aus Drittländern verlangt und im Übrigen eine 1 S. dazu Rdnr. 118 Fn. 8 (S. 136), Fn. 1 (S. 137). 2 Ebenso K. Schmidt, in: Lutter, S. 32. 3 Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680 f.; Wachter, GmbHR 2003, 1254, 1256; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 183; K. Schmidt, in: Lutter, S. 35. Der EuGH (GmbHR 2003, 1260) lässt das bloße Rechtsformkürzel genügen (dazu auch Wachter, MDR 2004, 611, 614; zur Ltd. & Co. KG Werner, GmbHR 2005, 288, 289 f.). 4 LG Göttingen v. 12. 7. 2005 (3 T 1/05) mit Kurzkomm. Wachter, EWiR § 13d HGB 1/05, was für den Zusatz „Ltd.“ bedeutet, dass nicht offengelegt zu werden braucht, ob es sich um eine Gesellschaft englischen, schottischen oder irischen Rechts handelt, ebenso Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 681; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 561. A.M. insoweit aber Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschaftsrecht, 2004, S. 102 f.; zu weitergehenden Forderungen aus der Zeit vor „Inspire Art“ Bärwaldt/Scharbacher, AG 1996, 461 f. 5 Paefgen, DB 2003, 487, 490; Borges, ZIP 2004, 733, 736.

142

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

solche Forderung nicht aufstellt, was im Hinblick auf ihren abschließenden Charakter weitergehende Erfordernisse des nationalen Rechts ausschließe1. Hierzu kommt ein „Common sense-Argument“2, das auf den Umstand verweist, dass auch eine „echte“ Auslandsgesellschaft, wenn sie von dem bestehenden Sitz ihrer ausländischen Hauptniederlassung im Inland auftritt, nicht deutlich machen muss, woher sie kommt; auch wird der inländische Rechtsverkehr aus der Firma einschließlich dem Rechtsformzusatz die nötigen Rückschlüsse ziehen können, dies erst recht, wenn von dem Umstand Gebraucht gemacht wird, dass im Register einer Zweiniederlassung das Register der Hauptniederlassung und somit der Gründungsstaat angegeben werden muss. Insgesamt erscheinen die Informationsmöglichkeiten auch ohne Herkunftslandangabe ausreichend, so dass die Mitgliedstaaten insoweit nicht frei in ihren Anforderungen sind3, wenn nicht ohne solche klärende Zusätze Verwechslungs- oder Irreführungsgefahr besteht. Art. 6 der Publizitätsrichtlinie verlangt ferner bestimmte Angaben auf Geschäftsbriefen der Gesellschaften, auch wenn sie nicht im Register des Landes ihrer Niederlassung eingetragen sind. Diese Anforderungen sind für die GmbH in § 35 Abs. 4 umgesetzt worden. Die Verweisung auf die Absätze 1 bis 3 dieser Vorschrift wird dahin verstanden, dass die dort geforderten Angaben auch eine Auslandsgesellschaft betreffen4, was allerdings nicht bedeutet, dass auf den Geschäftsbriefen ein eingeführtes Kürzel wie „Ltd.“ nicht verwendet werden dürfte5. Zu den Einzelheiten s. § 35a, dort auch zu der Frage, was i.S. des § 35a Abs. 1 als „Sitz der Gesellschaft“ zu verstehen ist.

124

5. Die Regeln über die Gründung der Gesellschaft Der notwendige und mögliche Inhalt des „Gründungsrechts“ bestimmt sich nach dem Personalstatut6, desgleichen die Begründung von Mitgliedschaftsrechten7 und die daraus folgenden Pflichten zur Aufbringung von Einlagen oder zur Erbringung von Beiträgen. Das bedeutet im Rahmen der Sitztheorie, dass die verhältnismäßig strengen Bestimmungen des GmbHG über die Haftung bei 1 Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 680; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 663; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 183; gegen den Schluss aus der Richtlinie aber Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 64. 2 K. Schmidt, in: Lutter, S. 37. 3 Im Ergebnis ebenso K. Schmidt, in: Lutter, S. 40; a.M. aber Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 65. 4 Lutter/Hommelhoff, § 35a Rdnr.4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 35a Rdnr. 6. 5 So aber LG Göttingen v. 12. 7. 2005 (3 T 1/05) und dazu krit. Kurzkomm. Wachter, EWiR § 13d HGB 1/05 6 RGZ 73, 366 f.; 83, 367; BGHZ 53, 181, 183; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 6 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 63; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 5; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 258; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 416. 7 BGH, NJW 1994, 939 f.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 106; Spahlinger/ Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 265; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 79; anders noch BGH, WM 1975, 387; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 257.

H. P. Westermann

|

143

125

Einleitung

Internationales Privatrecht

mangelhafter Kapitalaufbringung zum Zuge kommen müssen1. Soweit das Personalstatut sich nach dem Gründungsrecht bestimmt, also im wesentlichen auch im europäischen Raum, sind aber die deutschen Regeln über Kapitalaufbringung, insbesondere auch durch Sacheinlagen, einschließlich der aus ihnen folgenden Haftungsrisiken für die Gesellschafter, im Grundsatz unanwendbar, was allerdings schwerwiegende Bedenken ausgelöst hat, ob nicht insoweit die Ausnahmekriterien der EuGH-Rechtsprechung zur Geltung gebracht werden müssen (näher Rdnr. 82 ff.)2. Formerfordernisse für den Gründungsakt bestimmt ebenfalls das Personalstatut; ob sich allerdings die Erfüllung solcher Erfordernisse nur nach dem Gründungsrecht richtet oder allein nach dem Recht des Vornahmeorts, oder ob sogar beide ausreichen, ist eine Frage zu Art. 11 EGBGB, die nicht nur bei der Gründung einer Gesellschaft, sondern auch bei der Anteilsübertragung, der Beurkundung von Gesellschafterbeschlüssen, speziell auch bei Umwandlungsakten auftreten kann3 und daher allgemeiner behandelt werden muss (Rdnr. 134 ff.). Soweit als Form die notarielle Beurkundung nötig ist, tritt in diesem Zusammenhang auch bisweilen die Frage auf, ob die Beurkundung außerhalb des Staates des Gesellschaftsstatuts stattfinden darf (Rdnr. 136). 126

Neben der Errichtung der Satzung können Nebenabreden der Gesellschafter getroffen werden. Auch wenn sie nicht in die Satzung aufgenommen werden, können sie aufgrund ihrer schuldrechtlichen Wirkung unter den Vertragschließenden Bindungen in Bezug auf ihr gesellschaftsrechtliches Verhalten schaffen, und es ist streitig, ob sie deshalb nicht auch in gewisser Hinsicht trotz ihrer grundsätzlichen Unterscheidung von den Satzungsregeln gesellschaftsrechtlich zu beachten sind4. An der Schuldrechtsnatur der Verträge ändert das nichts, sie sind nach den Regeln des internationalen Schuldvertragsrechts anzuknüpfen. Allerdings liegt es i.d.R. nahe, dass es dem konkludenten Parteiwillen entspricht, sie dem Recht zu unterstellen, dass das Personalstatut bestimmt. Umstritten ist die Behandlung eines Gründungsvorvertrages; häufig wird das Schuldvertragsstatut für maßgeblich gehalten5. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die Zulässigkeit, der notwendige Inhalt und die sonstigen Erfordernisse des Vorvertrages nur aus dem Recht ergeben können, das über die vorgesehene

1 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 416; insoweit findet auch keine Sonderanknüpfung statt, ausführlich dazu Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 83. 2 Für Aufrechterhaltung und Stärkung des Gläubigerschutzes gerade angesichts der Schein-Auslandsgesellschaft Zöllner, GmbHR 2006, 1, 11 ff. 3 Zur Fragestellung Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 419; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 5. 4 Dazu im Einzelnen Hoffmann-Becking (ohne Stellungnahme zum Kollisionsrecht), ZGR 1994, 446; Habersack, ZGR 1994, 354 ff.; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenabreden in der Kapitalgesellschaft, 1994; Zöllner, Wechselwirkungen zwischen Satzung und Gesellschaftervereinbarungen ohne Satzungscharakter, in: Henze (Hrsg.), RWS-Forum Gesellschaftsrecht, 1995, S. 88 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; für Beibehaltung des Trennungsgrundsatzes zuletzt Ulmer, in: FS Röhricht, 2005, S. 633 ff. 5 BGH, WM 1975, 387; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 257; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 415.

144

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

Gründung entscheidet1; auch hier müsste man schon von der rein schuldvertraglichen Betrachtung her zu dem Schluss kommen, dass der Parteiwille i.d.R. auf das Gesellschaftsstatut hinweist2. Bezüglich der Form eines Vorvertrages kann sich aus dem Gesellschaftsstatut ergeben, dass eine zum Abschluss eines Gesellschaftsvertrages verpflichtende Wirkung nicht entsteht, wenn nicht die Formerfordernisse der Satzung eingehalten sind; die Erfüllung einer Form richtet sich wiederum nach Art. 11 EGBGB. Die Behandlung der Vorstadien der GmbH-Gründung, also der Vorgründungsgesellschaft und der Vor-GmbH (§ 11 Rdnr. 6 ff.) könnte danach unterscheiden, ob bereits die Satzung errichtet oder nur vereinbart ist, eine GmbH zu gründen, wobei die letztere Verabredung dem Schuldvertragsstatut unterläge. Besser ist, auch hier nach dem Gesellschaftsstatut vorzugehen, weil jedenfalls im Stadium der Vor-GmbH eine Ordnung erforderlich ist, die die Regelungen für die Vertretung, die Aufbringung des bei Gründung nachzuweisenden Kapitals, die Folgen der Beendigung des Vorhabens und die Innen- und Außenhaftung der an der Gründung Beteiligten bei der Aufnahme von Geschäften vor der Eintragung der GmbH enthält. Das ist das Statut des in Aussicht genommenen Verwaltungssitzes3 bzw. das vorgesehene Gründungsrecht. Die Vertretungsregelung nach Maßgabe des von den Gesellschaftern beabsichtigten Sitzes oder Gründungsrechts den Normen über den nicht rechtsfähigen Verein oder die Personengesellschaft zu entnehmen4, würde dem Umstand nicht genügend Rechnung tragen, dass die Vorgesellschaft ein eigenständiges Gebilde ist, dessen rechtliche Behandlung tunlichst einem geschlossenen Konzept eines Sachrechts folgen sollte.

6. Kapitalaufbringung Die Anforderungen des deutschen Sachrechts bezüglich der Höhe des Stammkapitals der GmbH und seiner Aufbringung, die bei Anwendung der Sitztheorie auch gegenüber im Ausland gegründeten, hier als Zweigniederlassung einzutragenden Gesellschaften Bestandteil des Personalstatuts sind5, sind bei Anwendung der Gründungstheorie nicht mehr durchsetzbar und erschienen nach verbreiteter Ansicht auch nach der EuGH-Rechtsprechung in aus deutscher Sicht besorgniserregender Weise6 gefährdet. Daher ist auf verschiedenen Wegen versucht worden, auch in Europa bei grundsätzlicher Anerkennung der „Mitnah1 So auch Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 64; Assmann, in: Großkomm. AktG, Einl. Rdnr. 572. 2 Ähnlich Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 415, offengelassen bei BGH, WM 1969, 787. 3 So noch BGH, IPRspr 1966/67 Nr. 14; BayObLGZ 1965, 294, 299; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 418; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 257. 4 RGZ 159, 33, 42 (Sitztheorie). 5 RGZ 73, 366, 367 f.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr.475; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 80; zur Wirksamkeit von Sacheinlagen BGH, NJW 1991, 1414; v. Bar, IPRax 1992, 20, 23; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 61; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 10; zu den Folgen auch bereits H. P. Westermann, GmbHR 2005, 4, 12 f. 6 Etwa Kindler, NJW 2003, 1073, 1078; Altmeppen, NJW 2004, 1201 ff.; Barta, GmbHR 2005, 657 ff.

H. P. Westermann

|

145

127

Einleitung

Internationales Privatrecht

me“ ihres Gründungsstatuts durch (auch: ausschließlich) im Inland tätige Auslandsgesellschaften im Interesse des Schutzes der hiesigen Gläubiger für die hiermit zusammenhängenden Fragen doch das deutsche Recht zugrundezulegen1, was z.T. über eine insolvenz- oder auch eine deliktsrechtliche Anknüpfung begründet wird2. Es kommt aber auch in Betracht, zumindest Teile des Rechts der Kapitalaufbringung zu den Ausnahmeregelungen zu zählen, die als Einschränkung der Niederlassungsfreiheit mit den Forderungen des Gemeinschaftsrechts vereinbar sind. Dies scheidet nach der „Inspire Art“-Entscheidung (Rdnr. 106) für die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestkapital aus, weil sich hinsichtlich der Höhe des konkreten Stammkapitals die Gläubiger ausreichend informieren könnten; zur Offenlegung von Unternehmensdaten nach der Publizitätsrichtlinie Rdnr. 66, nach der Zweigniederlassungsrichtlinie Rdnr. 67. Daran ist angesichts der ökonomischen Zweifel an der Gläubigerschutzfunktion eines Mindestkapitals3, vor allem aber angesichts des Umstandes, dass die englische Ltd. und die französische SARL Derartiges nicht (bzw. nicht mehr) verlangen, nicht vorbeizukommen. Die Unanwendbarkeit des § 5 auf Gesellschaften mit ausländischem Personalstatut ist somit zu akzeptieren, zumal ein europarechtliches Verbot der Inländer-Diskriminierung nicht besteht4. Hinsichtlich anderer Bestimmungen zur Kapitalaufbringung ist zu überlegen, ob Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im Sinne der EuGH-Kriterien gegeben sind, wobei namentlich die Erforderlichkeit zu bejahen sein kann, wenn das ausländische Gründungsrecht im Hinblick auf die mit den deutschen Vorschriften verfolgten Zwecke erhebliche Schwächen aufweist5. Dafür genügt es freilich noch nicht, wenn das Gründungsrecht ein Rechtsinstitut (wie etwa die andernorts unbekannte6 Regelung der verdeckten Sacheinlage) nicht enthält, vielmehr muss die Behandlung des gesamten Problemkomplexes durch das betreffende Recht gewürdigt werden. Dabei kann es also vorkommen, dass spezielle Interessen wie etwa dasjenige an einer richterlichen Gründungs- oder nur Sacheinlagenprüfung gegenüber der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit zurückstehen müssen7.

1 So Altmeppen/Wilhelm, BB 2004, 1083 ff.; in diesem Punkt trotz grundsätzlicher Befolgung der Gründungstheorie auch Ulmer, NJW 2004, 1201 ff. 2 Gegen jede Sonderanknüpfung zum Recht der Kapitalaufbringung Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 83. 3 Übersicht und Würdigung bei Kuhner, ZGR 2005, 753 ff.; s. ferner Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 ff.; Triebel/Otte, ZIP 2006, 311 f.; Kleindiek, ZGR 2006, 335 ff. 4 Kieninger, ZEuP 2004, 685, 700; Fischer, ZIP 2004, 1477, 1479; Borges, ZIP 2004, 733, 735; Meilicke, GmbHR 2003, 793, 805; Fleischer, in: Lutter, S. 114; Weller, IPRax 2003, 520, 523; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 682; Sandrock/Wetzler, Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2004, S. 65; Bayer, BB 2003, 2357, 2364; Horn, NJW 2004, 893, 899; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 361; Zöllner, GmbHR 2006, 1, 5; a.M. v. Halen, WM 2003, 571, 577; Kindler, NJW 2003, 1073, 1078 f. 5 Ähnlich Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 317; gegen diese Art der Vergleichsprüfung Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 ff.; vorsichtig auch Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208; dagegen wiederum Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 3 Rdnr. 45 ff. 6 So zum französischen Recht Recq-Hoffmann, GmbHR 2004, 1070, 1072. 7 Ebenso Zöllner, GmbHR 2006, 1, 5.

146

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

Die Entwicklung scheint daher insgesamt dahin zu gehen, dass die Vorschriften des GmbHG über die Überbewertung von Sacheinlagen (§ 9c Abs. 2 Satz 2), über die Folgen einer nicht endgültig freien Verfügbarkeit der eingelegten Werte (§ 7 Abs. 3) sowie des § 19 Abs. 2 zur Befreiung von der Einlagepflicht auf Gesellschaften mit einem anderen als dem deutschen Gründungsrecht nicht anwendbar sind1. Dass etwa bei einer Sitzverlegung vom europäischen Ausland ins Inland die Beachtung der deutschen Vorschriften über Sacheinlagen, ihre Bewertung im Gründungs- und Gründungsprüfungsbericht und im Rahmen des Eintragungsverfahrens hier nachgeholt werden müssten, ohne dass darin eine Behinderung der Niederlassungsfreiheit läge, ist unwahrscheinlich; möglich erscheint allenfalls eine Differenzhaftung im Krisen- oder Insolvenzfall (dazu Rdnr. 144). Vorstellbar ist auch eine Anwendung in Einzelfällen krassen Missbrauchs zum Nachteil des gutgläubigen und insoweit nicht zur eigenen Information fähigen Rechtsverkehrs. Wenn der deutsche Gesetzgeber eines der in der rechtspolitischen Diskussion befindlichen Projekte der Herabsetzung des Mindeststammkapitals auf 10 000 oder 1 Euro (s. Rdnr. 179 ff.) verwirklicht, wird den Problemen der Kapitalaufbringung ohnehin einiges von ihrer Schärfe genommen. Missbrauchsfälle bleiben dennoch vorstellbar, wenn etwa ein ausländisches Gesellschaftsrecht Sacheinlagen durch Einbringung eines nach inländischen Vorstellungen nicht einlagefähigen Gegenstandes gestattet, deren Unverwertbarkeit die inländischen Gläubiger nicht erkennen können2, ohne dass das Gründungsrecht für solche Fälle Relativierungen der Haftungsbeschränkung kennt. Dagegen wäre die Vermeidung einer registerrechtlichen Kontrolle von Sachgründungen – auch bei der nach h.M. in Deutschland unter diese Regeln fallenden Verwendung von GmbH-Mänteln3 – nur die Ausnutzung der geringeren Regelungsintensität des Gründungsrechts, die nach der EuGH-Rechtsprechung erlaubt ist. Den Gläubigern muss nicht auf diesem Wege Schutz gegen den Verlust eines ihnen in seiner Höhe bekannten Stammkapitals durch Vorgänge geboten werden, die nicht Auskehrungen an Gesellschafter darstellen4. Die Verwendung eines bereits stark überschuldeten Mantels wird häufig als Gläubigertäuschung deliktsrechtlich und mit der Figur der culpa in contrahendo erfasst werden können; wenn die Gesellschaft schon im Ausland, dessen Recht das zulässt, als „Mantel“ gegründet wurde, muss sie trotzdem im Sitzland anerkannt werden5. Missbräuchlich sind auch nicht ohne weiteres im Zuge der Gründung (oder Kapitalerhöhung) erbrachte Leistungen eines einlagepflichtigen 1 Bayer, BB 2003, 2357, 2362; Fischer, ZIP 2004, 1477, 1479; Paefgen, DB 2003, 487, 489; Sandrock, ZVglRWiss 102 (2003), 447, 473 ff.; Schumann, DB 2004, 743; Bitter, ZHR 168 (2004), 320 ff.; Fleischer, in: Lutter, S. 114; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 13; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 292. 2 Grenzfall ist hier wohl die Einbringung von Forderungen des Inferenten gegen die Gesellschaft, H. P. Westermann, GmbHR 2005, 4, 12 unter Hinweis auf BGHZ 132, 141, 147; unbedenklich wäre dagegen das Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren. 3 BGHZ 153, 158; 162; Priester, ZHR 168 (2004), 258; Ulmer, § 3 Rdnr. 146, 148 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 3 Rdnr. 10 ff.; krit. Altmeppen, NZG 2003, 145 ff.; Wilhelm, DZWiR 2004, 185; Heidenhain, NZG 2003, 1051 ff.; anders auch BayObLG, GmbHR 1999, 607; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 450. 4 H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849, 1855 f.; s. auch Sandrock/Wetzler, S. 67. 5 Dies schließt K. Schmidt, in: Lutter, S. 16 aus der Rechtsprechung des EuGH in den Fällen Centros und Inspire Art.

H. P. Westermann

|

147

128

Einleitung

Internationales Privatrecht

Gesellschafters auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft, die der BGH nicht hat gelten lassen1. Dagegen ist bei manchen Fällen einer verdeckten Sacheinlage, insbesondere bei der Einbringung fragwürdiger Forderungen, der Vorwurf einer deliktisch relevanten Gläubigertäuschung nicht ausgeschlossen, abgesehen davon, dass nach den hierzu entwickelten besonderen Regeln (§ 5 Rdnr. 76 ff.) ein zur Umgehung der Sachgründungsregeln verabredetes Verkehrsgeschäft unwirksam ist. Wird dieses grenzüberschreitend vorgenommen, wirken also die gesellschaftsrechtlichen Regeln auf ein schuld- und sachenrechtliches Rechtsgeschäft ein, was bei einer nach deutschem Gründungsrecht lebenden Gesellschaft hinzunehmen, bei ausländischen Gesellschaften europarechtlich bedenklich ist2. Schließlich kommen die im deutschen Recht entwickelten Tatbestände der Gründerhaftung für eine im Ausland nach dortigem Recht gegründete Gesellschaft, auch soweit Verpflichtungen aus ihren vor Eintragung begonnenen Geschäften in Rede stehen, zum Schutz inländischer Gläubiger nicht in Betracht, wenn das Gründungsrecht Anspruchsgrundlagen bietet oder ein besonderer Missbrauchstatbestand vorliegt (s. schon Rdnr. 126). So ist nach englischem Recht eine Gesellschaft verpflichtet, jährlich dem Handelsregister ihre Kapitalverhältnisse offenzulegen; daran schließt sich eine Staatsaufsicht und das Recht der Gläubiger, die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft zu verlangen3. Ähnliches gilt auch in Bezug auf US-amerikanische Gründungen unter der Geltung des FCN-Abkommens (dazu Rdnr. 90)4.

7. Willensbildung innerhalb der Gesellschaft 129

Die Organisation der Gesellschaft einschließlich der Vertretung durch Organe und der Willensbildung richtet sich nach dem Personalstatut, im europäischen Raum also nach dem Gründungsrecht5, bei Anwendung der Sitztheorie gilt im Ausgangspunkt ebenfalls das Personalstatut6. Wenn allerdings das anwendbare Auslandsrecht den Umfang der Vertretungsmacht eines Organs gegenüber der Rechtslage bei vergleichbaren inländischen Gesellschaftsformen atypisch bestimmt, so ist zum Schutz des inländischen Rechtsverkehrs eine Sonderanknüpfung zu diskutieren, die zu einer dem deutschen Rechtszustand entsprechenden Vertretungsmacht führen würde7; im Hinblick auf die Anwendung der 1 BGH, JZ 2004, 684 mit krit. Anm. Ulmer; hierzu auch H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849, 1856. 2 Näher zur kollisionsrechtlichen Behandlung verdeckter Sacheinlagen Lappe/Schefold, GmbHR 2005, 585 mit besonderer Betonung der Regeln über eine Statutenkollision. 3 Näher dazu Ulmer, JZ 1999, 642, 644; Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100 ff.; Schumann, DB 2004, 743, 744 ff. 4 Fleischer, in: Lutter, S. 115. 5 Bayer, BB 2003, 2357, 2369; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1206; Rehm, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 41; allgemein Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 445; s. auch Riegger, ZGR 2004, 510 ff. 6 RGZ 83, 367; BGHZ 32, 256, 258, BGH, IPRax 1985, 221; BGH, NJW-RR 1992, 618 mit Kurzkomm. Schlechtriem, EWiR 1991, 1176; BGH, NJW 1995, 1032; 2001, 305 f.; v. Bar, JZ 1992, 881; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt E Rdnr. 288; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 443. 7 So unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des Art. 12 Satz 1 EGBGB Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 445.

148

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

ultra-vires-Lehre s. dazu schon Rdnr. 113. Im europäischen Raum müssen solche Normen des Personalstatuts an Art. 9 Abs. 2 der Publizitätsrichtlinie (Rdnr. 66) gemessen werden, während die Lösungsmöglichkeit über den ordre public-Vorbehalt (Art. 6 EGBGB) auch hier mit Zurückhaltung zu beurteilen ist1, so dass insgesamt erhebliche Gefährdungen des Rechtsverkehrs ausbleiben dürften. Soweit es um rechtsgeschäftliche Vollmachten geht, ebenso im Hinblick auf das Vorliegen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht, ist dagegen das Vollmachtsstatut maßgebend2, wobei allerdings einige nicht auf gesellschaftsrechtliche Tatbestände beschränkte Unklarheiten aufgetreten sind3. Die Geschäftsführungsbefugnis richtet sich allein nach dem Personalstatut. Das Sitzrecht kann im europäischen Raum auch nicht festlegen, was für Organe eine Kapitalgesellschaft haben muss4. Bezüglich der sonstigen Regelung des Innenverhältnisses, vor allem der Gewichtsverteilung unter den Organen und der Art ihrer Einschaltung, der Willensbildung in- und außerhalb der Gesellschafterversammlung, der Stimmkraft der Gesellschafter, der Gültigkeitsvoraussetzungen von Beschlüssen und ihrer Anfechtung, zeigt sich deutlich, dass unabhängig von der Anwendbarkeit von Sitz- oder Gründungstheorie zur Bestimmung des Personalstatuts das Gründungsrecht den Vorzug verdient, weil sich die Gesellschafter auf seine Normen bei der Gründung bewusst eingelassen haben. Dieser Umstand steht auch im europäischen Raum Versuchen zu Sonderanknüpfungen bezüglich des Schutzes von Minderheitsgesellschaftern entgegen, die bisweilen erwogen werden. Das Personalstatut bestimmt, wer Mitglied ist und wie seine Stellung in der Gesellschaft ausgestaltet ist5, somit auch, ob ein einzelner Gesellschafter oder eine Gesellschaftergruppe sich gegen Majorisierung bei Abstimmungen und Beschlüssen wehren kann. Eingriffe von Seiten des Sitzrechts in solche Regeln, etwa im Wege einer Sonderanknüpfung, verbieten sich schon deshalb, weil im Bereich der kleinen Kapitalgesellschaft die Beteiligung auf freiwilliger Basis zustandezukommen pflegt. Zwar würde der Gesichtspunkt eines Allgemeininteresses am Minderheitenschutz nach der Rechtsprechung (Rdnr. 78) für Ausnahmen von der Durchsetzung des Gründungsrechts herangezogen werden können, doch ist angesichts der Freiwilligkeit des Beitritts höchst zweifelhaft, ob nicht die Möglichkeiten zur Information über die Stellung als Minderheitsgesellschafter ausreichen, um die Erforderlichkeit eines Eingriffs in das Gründungsstatut zu erzwingen6. Der Fall, dass 1 Auch dazu Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 445; einschränkend Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 271. 2 BGHZ 43, 21 , 27; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 285; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 446. 3 Nachw. bei Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 290. 4 Rehm, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 42; s. weiter Bous, NZG 2000, 595, 596 ff.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 103. 5 So (noch unter Anwendung der Sitztheorie) RG, IPRspr 1934 Nr. 11; LG Hamburg, IPRspr 1976, Nr. 210; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, § 17 II 2; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 466; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 298. 6 Dies leugnen Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 45; Kleinert/Probst, DB 2003, 2217 f.; Behrens, IPRax 1993, 323, 328; Kieninger, ZGR 1999, 724 f.; Paefgen, DZWiR 2003, 441, 446.

H. P. Westermann

|

149

130

Einleitung

Internationales Privatrecht

jemand einer Gesellschaft, insbesondere einer ausländischen, beitritt, ohne Gelegenheit zu haben, sich über den Gesellschaftsvertrag und das „Heimatrecht“ der Gesellschaft zu informieren, ist nicht leicht vorstellbar, wohl auch nicht in der Weise, dass der Beitretende nicht damit rechnen konnte, durch Verschiebungen im Anteilsbesitz eines Tages in die Minderheit zu geraten. Manche Rechtsordnungen gewähren dem in die Minderheit geratenen Gesellschafter ein Austrittsrecht oder das Recht, seine Anteile dem Mehrheitsgesellschafter zu vertretbaren Konditionen anzudienen; ein solches Recht durch eine dem Gedanken des Minderheitenschutzes entsprechende Rechtsfortbildung dem Personalstatut gewissermaßen zu inkorporieren1, widerspräche der Forderung nach Verhältnismäßigkeit, zumal auch Mehrheitsgesellschafter in ihrem Vertrauen darauf geschützt werden müssen, einen ihren Kapitaleinsatz entsprechenden Einfluss auf die Führung der Gesellschaft erwerben und behalten zu können. Welche Voraussetzungen es für eine Anteilsübertragung gibt (Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder des Geschäftsführers), und die Stückelung der Anteile legt ebenfalls das Personalstatut fest2, während das für den Kaufvertrag als solchen maßgebliche Recht der Parteiautonomie unterliegt3. Hinsichtlich der Übertragung der Anteile kommen bei einigen ausländischen Gesellschaftsformen möglicherweise auch wertpapierrechtliche Bestimmungen in Betracht. Zu den Formfragen Rdnr. 134 ff.

8. Das Recht der Kapitalerhaltung 131

Die Bestimmungen zur Kapitalerhaltung hängen mit dem Regelwerk zur Verfassung der Körperschaft eng zusammen, was für ihre Zugehörigkeit zum Personalstatut spricht. Andererseits stehen hinter den §§ 30, 31 sowie hinter den Normen über Kapitalersatz neben den Interessen der Gesellschaft an Erhaltung ihrer Kapitaldecke starke Bedürfnisse des Gläubigerschutzes, die die deutsche Rechtsprechung seit Jahrzehnten motiviert und zu einem immer weiter perfektionierten Schutzsystem geführt haben. Es nimmt daher nicht wunder, dass überlegt wird, ob die wichtigsten Institute des deutschen Rechts der Kapitalerhaltung, soweit sie auf eine Pflicht zur Rückführung zu Unrecht ins Vermögen von Gesellschaftern geflossener Werte hinauslaufen, auch auf Gesellschaften mit einem ausländischen Personalstatut angewendet werden können4. Dies ist freilich streitig, wohl überwiegend wird die Unanwendbarkeit der deutschen Regeln über Kapitalerhaltung auf Auslandsgesellschaften angenommen5. Ob-

1 In diese Richtung gehen Überlegungen von Sandrock, ZVerglRWiss 102 (2003), 477, 479 ff.; dagegen Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 47. 2 OLG Celle, WM 1984, 494, 500; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 341; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 320, 321. 3 OLG Düsseldorf, RIW 1994, 420; BGH, WM 1996, 1467; Reichert/Weller, DStR 2005, 219, 225 ff.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 106. 4 So – mit unterschiedlichen Begründungen – Eisner, ZInsO 2005, 20 ff.; Altmeppen/ Wilhelm, DB 2004, 1083 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1209; s. auch Bitter, WM 2004, 2190, 2194 f.; ähnlich K. Schmidt, ZHR 166 (2004), 493, 498 ff. 5 BGHZ 148, 167 f. für §§ 30, 31; Bayer, BB 2003, 2357, 2364; Paefgen, DB 2003, 487, 489 f.; Sandrock, ZVerglRWiss 102 (2003), 447, 473 ff.; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 459, 181 f.; Drygala, ZEuP 2004, 337, 347 f.; Fischer, ZIP 2004, 1477, 1479; G. H. Roth,

150

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

wohl die praktische Bedeutung der Kapitalerhaltung sinkt, wenn die Gesellschaft kein Mindeststammkapital (oder so gut wie keines) zu haben braucht, liegt doch auf der Hand, dass eine den Gläubigern nicht erkennbare Ausschüttung der Werte, die die Gesellschaft ausweislich des Handelsregisters als Einlagen erhalten haben soll, an die Gesellschafter (auch) Gesellschafterbelange bedroht. Auch der das Regelwerk tragende Gedanke. dass es nicht angehe, zunächst die in einer Krise befindliche, anderweit kreditunwürdige Gesellschaft mit Gesellschafterdarlehen aufrechtzuerhalten, dann aber die Mittel beliebig zurückzuziehen, wenn der Gesellschafter/Darlehensgeber – in der Regel eher als die Gläubiger – erkennt, dass der Zusammenbruch der Gesellschaft nicht aufzuhalten ist, hängt nicht unbedingt mit der Höhe eines Mindeststammkapitals zusammen1. Andererseits sind Vorschriften wie §§ 30 und 31, namentlich nach der sich abzeichnenden, wenn auch vielleicht nicht endgültigen Verabschiedung der bilanziellen Betrachtungsweise des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Aktivvermögens (§ 30 Rdnr. 19 ff.), ebenso wie die Bestimmungen über Kapitalersatz, so eng mit der Finanzierung des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens verbunden, dass sie, auch wegen ihrer Ausdehnung auf Geschäfte mit nicht gesellschaftsangehörigen Personen (§ 30 Rdnr. 40 ff., §§ 32a, 32b Rdnr. 86), nicht gut mit einem u.U. andersartigen Gesellschaftsstatut in Einklang gebracht werden können. Es kommt hinzu, dass die Regeln über die Niederlassungsfreiheit nicht nur den Gründungsakt, sondern auch das Fortbestehen der Gesellschaft erfassen2. Richtet sich die Entscheidung der Streitfrage, wie es grundsätzlich richtig ist, nach den Kriterien der EuGH-Rechtsprechung für ein überragendes Allgemeininteresse des Sitzstaats, so kann schon bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer Anwendung seiner Regeln nicht außer Betracht bleiben, welche gläubigerschützenden Instrumente das Gründungsrecht bereit hält und wie sie im Sitzstaat kontrolliert und durchgesetzt werden können. Dies kann keinesfalls pauschal geschehen, sondern muss nach den jeweils heranzuziehenden Rechtsinstituten der Sitzrechts und denen des betreffenden Gründungsrechts differenziert werden3. Zumindest über die englische Ltd. und die US-amerikanischen Delaware-Gesellschaften, aber auch über die französische SARL, liegen inzwischen so viele verhältnismäßig leicht zugängliche Informationen vor (s. etwa Rdnr. 158 ff., 162 ff., 165 ff.), dass zur Erforderlichkeit und auch zur Eignung eines deutschen Rechtsinstituts, Schutzlücken des Gründungsrechts zu schließen, konkrete Folgerungen gezogen werden können4 zumindest das englische Recht enthält ein Verbot der Einlagenrückgewähr, dessen Verletzung zur Rückgewährpflicht führt, auch dürfen Ausschüttungen an Gesellschafter nur aus tatsächlich reali-

1 2 3 4

in: FS Doralt, 2004, S. 479, 490 f.; U. Huber, in: Lutter, S. 131, 146 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 84; im Ergebnis auch Fleischer, in Lutter, S. 115 ff. So auch Fleischer, in: Lutter, S. 116. Anders insoweit Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1089 f.; krit. unter Hinweis auf Tz. 104 des „Inspire-Art-Urteils“ Fleischer, in: Lutter, S. 117. Weiterführende Hinweise in dieser Richtung bei Kuhner, ZGR 2005, 753, 776 ff. S. dazu die Studien von Schumann, DB 2004, 743 ff. (wonach im englischen Recht durchaus unzulässige Ausschüttungen zurückgezahlt werden müssen) und Fleischer, in: Lutter, S. 47 ff.; ebenso Zöllner, GmbHR 2006, 1, 6 ff. Zum Fall, dass das berufene ausländische Recht kein Äquivalent enthält, s. Ulmer, NJW 2004, 1205, 1209.

H. P. Westermann

|

151

Einleitung

Internationales Privatrecht

sierten Gewinnen erfolgen. Wo derartige Feststellungen schwieriger sind, oder wo das ausländische Recht eine diesen Problembereich betreffende Richtlinie wie die Kapitalrichtlinie nicht korrekt umgesetzt hat1, ist auch noch zu berücksichtigen, dass Vertragspartner einer solchen Gesellschaft sich i.d.R. nicht ohne Vorsichtsmaßnahmen auf Verträge mit eigener Vorleistungspflicht einlassen werden. Missbräuchen, die darauf hinauslaufen, die Gesellschaft ausbluten zu lassen oder sie „auszunehmen“, muss mit einzelfallabhängigen Mitteln wie der Existenzvernichtungshaftung und verschiedenen Wegen der Durchgriffshaftung (Rdnr. 13 ff.) begegnet werden. Möglicherweise wird die deutsche Rechtsprechung auch nicht daran vorbeikommen, die praktische Tragweite der nationalen Gläubigerschutzbestimmungen zumindest in Einzelfällen ihrer Anwendung auf Auslandsgesellschaften gegenüber der Rechtslage deutscher Gesellschaften zurückzunehmen2. Über die Möglichkeiten einer Insolvenz- oder deliktsrechtlichen Qualifikation dieser Normenkomplexe s. Rdnr. 147 ff. 132

Das wird für die Kapitalersatzregeln in der groß angelegten Abhandlung von U. Huber anders gesehen. Danach ist zwischen den „Novellendarlehen“, die in §§ 32a, 32b geregelt sind und im wesentlichen zur Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, also einer speziellen Anfechtungsmöglichkeit von Tatbeständen der Rückgewähr kapitalersetzender Darlehen, führen, und denjenigen Darlehen zu unterscheiden, die nach der deutschen Rechtsprechung entsprechend §§ 30, 31 zu einer Rückgewährpflicht unabhängig vom Vorliegen eines Insolvenzverfahrens führen sollen3. Die letzteren Regeln sind danach so wenig auf Auslandsgesellschaften anwendbar wie die §§ 30, 31 in ihrem eigentlichen Geltungsbereich, während bei Eröffnung eines inländischen Insolvenzverfahrens über eine Auslandsgesellschaft die §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO voll anzuwenden seien, ohne dass es dabei noch darauf ankommen soll, welche Gläubigerschutzvorschriften das ausländische Recht enthält4. Diese Unterscheidung ist, beschränkt auf das deutsche Recht, insofern einleuchtend, als die „Novellendarlehen“ in der Tat einem insolvenzrechtlichen Konzept unterliegen, während die analoge Anwendung der §§ 30, 31 in engem Zusammenhang mit dem Recht der Gründung und der Kapitalaufbringung, also beides Bestandteilen des Personalstatuts, steht, was es verbietet, diesen sehr eigenständig ausgestalteten und durchkonstruierten Instituten Elemente eines fremden nationalen Sachrechts einzufügen5. Schon der nach deutschem Recht nicht eben einfache Begriff des Stammkapitals wird im ausländischen Gründungsrecht nicht immer ein Äquivalent finden6, und die Erweiterung der „Finanzierungsfolgenverantwortung“ etwa auf die kapitalersetzende Grundstücksüberlassung müsste die hier denkbaren schuldrechtlichen oder gar das Eigentum am Grundstück betreffenden „Rückgewährpflichten“ der Gesellschafter sogar in ein möglicherweise ganz anders angelegtes Zivilrechtssystem 1 2 3 4

Dazu Schumann, DB 2004, 745; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1209. Näher dazu H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849, 1855 f. U. Huber, in: Lutter, S. 131 ff. U. Huber, in: Lutter, S. 183, gegen Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2242; Forsthoff, DB 2002, 2471, 2477; W. H. Roth, IPRax 2003, 117, 125. 5 Anders Ulmer, NJW 2004, 1201, 1209; dagegen aber U. Huber, in: Lutter, S. 156. 6 Auch dazu U. Huber, in: Lutter, S. 153 f.

152

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

einfügen, auf dem das Grundstücksrecht aufbaut. Im Bereich von Unternehmensgruppen stellt sich zusätzlich die Frage, wie weit man mit der Überwindung der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Gruppen-Glieder gehen und beispielsweise Finanzierungsmaßnahmen sowie den Abfluss von Mitteln aus dem Vermögen einer Tochtergesellschafter der Konzernspitze zurechnen kann; dies allein vom Sitzrecht einer Tochtergesellschaft aus zu tun, kann bei einer multinationalen Unternehmensgruppe nicht ohne weiteres überzeugen. Dies alles kann auch nicht mit den Ausnahmekriterien des EuGH begründet werden, zumal es im Bereich der rechtlichen Behandlung von Unternehmensgruppen auch noch keinen genuin europäischen Konsens1 geben dürfte. Ein solcher könnte sich nicht aus einzelnen Rechtsinstituten und deren Fehlen (wie gerade bei den Sonderregeln für kapitalersetzende Mittelzuführung) ergeben, sondern müsste direkt den Umfang und die Umgehungs-Resistenz des von einer Rechtsordnung betriebenen Gläubigerschutzes ins Auge fassen. Man wird sich dann auch nicht mehr auf den etwas überraschenden Standpunkt2 stellen können, dass beim Zurückbleiben des Gründungsrechts hinter den Bestrebungen des Sitzrechts eine durch das letztere zu schließende Lücke bestehe, während bei Gleichwertigkeit der Konzepte durch die Anwendung des Sitzrechts die Niederlassungsfreiheit nicht beschränkt werde. Wenn dies so wäre, könnte aber auch „echten“ Auslandsgesellschaften, die im inländischen Rechtsverkehr auftreten, Satzungs- und Verwaltungssitz aber im Gründungsstaat haben, die Anwendung inländischer Gläubigerschutzvorschriften nicht erspart bleiben, weshalb sich die Entscheidung am Ende doch wieder darauf zuspitzt, ob man Gesellschaften mit ausschließlich inländischem Verwaltungssitz wegen des Verdachts, die inländischen Gläubigerschutznormen umgehen zu wollen, anders behandeln darf3. Ob sich der EuGH auf eine sehr eingehende Würdigung des inländischen Gläubigerschutzkonzepts, das ja keineswegs unumstritten ist, einlassen wird, oder ob er den Gedanken einer gewissen Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die privatrechtliche Interessenabwägung bevorzugen wird, ist danach insgesamt eher zweifelhaft. Anders könnte es sich mit den vom Eintreten einer Insolvenz abhängigen Normen der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO verhalten (zu den Zuständigkeitsfragen Rdnr. 116). Hierzu werden im wesentlichen zwei Ansichten vertreten. Ausgangspunkt ist jeweils die EuInsVO, nach deren Art. 12 i.V.m. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. m die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen, wenn sich der Anfechtungsgegner auf ein anderes Recht als dasjenige beruft, unter dem das Insolvenzverfahren eröffnet ist, sich nach der lex fori concursus richtet, so dass Art. 4 EuInsVO als Kollisionsnorm verstanden wird4. Die Vorschrift ist auch auf

1 Zu diesem Ausdruck Paefgen, ZIP 2004, 2253, 2259. 2 Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208 f.; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1087 ff.; dagegen Forsthoff, DB 2002, 2471, 2477; W. H. Roth, IPRax 2002, 117, 125; Eidenmüller, JZ 2004, 24, 28. 3 Einwand von U. Huber, in: Lutter, S. 157 ff. 4 Sehr eingehend dazu U. Huber, in: Lutter, S. 165 ff.; übereinstimmend insoweit Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 9 Rdnr. 41; für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation aber Wachter, GmbHR 2004, 88, 101.

H. P. Westermann

|

153

133

Einleitung

Internationales Privatrecht

die Schein-Auslandsgesellschaft anwendbar1 und beträfe danach auch die Rückzahlung eines kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens. Wenn es aber um die Gründe für die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung wie der Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens an den Darlehensgeber geht, stellt sich nach verbreiteter Ansicht eine gesellschaftsrechtliche Frage, so dass doch das Gründungsstatut anzuwenden ist2. Wenn dem entgegengehalten wird3, es sei ein insolvenzrechtlicher Grundgedanke, dass der Gesellschafter als Gläubiger in der Insolvenz der Gesellschaft nicht den gleichen Rang wie die übrigen Gläubiger einnehmen dürfe, so ist andererseits nicht zu bezweifeln, dass ein Darlehen eigentlich eine Forderung in der Insolvenz gibt und nur subordiniert wird, weil der Gesellschafter sich an seiner Finanzierungsverantwortung festhalten lassen muss, die er wahrnahm, als er entschied, ob die Gesellschaft liquidiert oder mit seinen „Fremdmitteln“ fortgeführt werden sollte. Das ist dann aber eine gesellschaftsrechtliche Wertung. Nun könnte man die Kollisionsnorm der EuInsVO dahin verstehen, dass für die Rangbestimmung unter verschiedenen Forderungen nur das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung maßgeblich sein solle; aber dann ergäbe sich aus insolvenzrechtlichen Regeln praktisch die Forderung, dass eine Auslandsgesellschaft, die deutschem Insolvenzrecht unterliegt, kraft dessen Bestimmung über die Subordination von Verbindlichkeiten nur mit „echtem“ Eigenkapital hätte betrieben werden dürfen, was dann auch für kreditgebende Banken von Bedeutung wäre. Der Schluss, dass hiermit doch eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit verbunden wäre4, ist daher nicht von der Hand zu weisen, ebensowenig die Befürchtung, Wertungen des Gründungsrechts, die durchaus auch Gläubigerschutz im Auge haben, dürften nicht ohne Not verdrängt werden. Im Ergebnis sprechen daher doch wohl die besseren Gründe für die bisher h.M.; der BGH hat sich nach dem Aufkommen der europarechtlichen Perspektive dieser Frage dazu noch nicht geäußert.

9. Zur Form gesellschaftsrechtlicher Rechtsgeschäfte 134

Fragen zur Form betreffen im GmbH-Recht einzelne gesetzliche Anforderungen im Zusammenhang mit der Gründung, der Anteilsübertragung, der Satzungsänderung, der Abhaltung von Gesellschafterversammlungen, in verhältnismäßig großem Umfang auch beim Abschluss von Unternehmensverträgen und bei Maßnahmen der Umwandlung. Dabei geht es hauptsächlich um eine Beurkundung, es gibt aber auch, so in § 5 Abs. 4, Schriftformerfordernisse. Kollisionsrechtliche Entscheidungen sind nötig, wenn ein formbedürftiger Vorgang, der auf gesellschaftsrechtliche Verhältnisse Bezug hat, außerhalb des Staates stattfindet, dessen Rechtsordnung das Gesellschaftsstatut bestimmt. Nun kommt 1 AG Saarbrücken mit Kurzkomm. Pannen/Riedemann, EWiR Art. 3 EuInsVO 5/05 S. 701; Herchen, ZInsO 2003, 742, 747. 2 Zimmer, NJW 2003, 3585, 3589; Borges, ZIP 2004, 733, 744; Müller, NZG 2003, 414, 417; Paefgen, DB 2003, 487, 490; Meilicke, GmbHR 2003, 1271 f.; Schumann, DB 2004, 743, 748; Kallmeyer, DB 2004, 636, 639; Altmeppen, NJW 2004, 97, 103; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 9 Rdnr. 43. 3 U. Huber, in: Lutter, S. 172 ff.; dem folgend Zöllner, GmbHR 2006, 1, 6. 4 Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 9 Rdnr. 44; dagegen aber wieder U. Huber, in: Lutter, S. 176 ff.

154

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

das Gesellschaftsstatut als Quelle für Formerfordernisse nicht allein in Betracht, da für die Anknüpfung von Vorgängen wie etwa eine Anteilsübertragung auch das Vertragsstatut herangezogen werden könnte. Es kann sogar sein, dass die lex rei cartae sitae maßgebend ist, so bei Notwendigkeit der Übergabe einer Urkunde über die Mitgliedschaft1, was aber bei der GmbH praktisch ausscheidet. Welche Anknüpfung für Formvorschriften mit gesellschaftsrechtlichem Bezug den Vorzug verdient, ist streitig2. Nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB kommt es auf das Recht des Vornahmeorts an, was dann auch für gesellschaftsrechtliche Vorgänge zu gelten hat3, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass die Formerfordernisse des Ortsstatuts nicht die Situation im internationalen Gesellschaftsrecht im Auge haben und manche gesellschaftsrechtliche Formvorschriften nur spezielle Zwecke (wie etwa die Erschwerung eines freien Handels in Geschäftsanteilen) verfolgen4. Die bloße Anwendung der Ortsform ginge daran vorbei, dass Geschäfte, die unmittelbar in die Verfassung der juristischen Person eingreifen, so Abschluss und Änderung des Gesellschaftsvertrages, nicht gut einer anderen Form als der des Gesellschaftsstatuts unterliegen können5. Freilich ist deswegen das Ortsstatut nicht ganz irrelevant, da es auch Formerfordernisse gibt, die nicht speziell gesellschaftsrechtlichen Zielen dienen, so die gewöhnlichen Funktionen der Schriftform, so dass man etwa in Bezug auf § 5 Abs. 4 das, was „schriftlich“ ist, nach dem Recht des Vornahmeorts bestimmen kann. Es ist davon auszugehen, dass der Terminus „Form des Rechtsgeschäfts“ in Art. 11 Abs. 1 EGBGB in demselben Sinne zu lesen ist wie in der der Begriffsbildung zugrundeliegenden Kodifikation des BGB6. Deshalb ist der wohl überwiegenden Meinung darin zuzustimmen, dass gewöhnlich die Erfordernisses des Ortsstatuts zu beachten sind und ausreichen, und dass das Personalstatut nur für solche Geschäfte den Vorzug verdient, die sich unmittelbar auf die Verfassung der Gesellschaft beziehen7. Dies 1 BGH, NJW 1994, 939 f.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 341. 2 Für eine Maßgeblichkeit des Gesellschaftsstatuts und seine Formerfordernisse für alle die Verfassung betreffenden Akte der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht, Sonnenberger/Bauer, RIW 4/2006, S. 19 f., allerdings mit Möglichkeiten zur Sonderanknüpfung; differenzierend Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 133, 134. 3 BayObLG, NJW 1978, 500; OLG Stuttgart, IPRax 1983, 79; OLG Köln, RIW 1989, 565; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2000, OLG München, RIW 1998 147; Wiedemann, GesR I, § 14 IV 2 b; Goette, DStR 1996, 709, 711; Gätsch/Schulte, ZIP 1999, 1954; Kröll, ZGR 2000, 111, 122 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 137; a.M. Großfeld/Berndt, RIW 1996, 625. 4 Zum letzteren Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 423; für die Maßgeblichkeit des Gesellschaftsstatuts Geimer, DNotZ 1981, 406, 408; Brambring, NJW 1975, 1255; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 467; in der Rechtsprechung OLG Karlsruhe, RIW 1979, 567 f.; OGH Wien, IPRax 1990, 242; zum Ganzen auch Schütze, DB 1992, 1970. 5 OLG Karlsruhe, RIW 1979, 567 f.; im Ergebnis auch OLG Hamm, NJW 1974, 1057; LG Augsburg, GmbHR 1996, 941; Goette, DStR 1996, 709, 711; Menke, BB 2004, 1807, 1809; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 363. 6 S. BGHZ 29, 129, 139. 7 Kropholler, ZHR 140 (1976), 394, 402; Ebenroth/Wilkens, JZ 1991, 1061, 1064; Schervier, NJW 1992, 593 f.; Goette, DStR 1996, 709, 711; aus der Rechtsprechung AG Köln, GmbHR 1990, 24 (Verschmelzung); OLG Hamburg, WM 1993, 1186 (Hauptversamm-

H. P. Westermann

|

155

Einleitung

Internationales Privatrecht

wird z.T. auch mit einer entsprechenden Anwendung des Art. 11 Abs. 5 EGBGB begründet1. 135

Danach ist für die Gültigkeit der Satzung und die Wirksamkeit von Änderungen oder Umstrukturierungen der Gesellschaft das Personalstatut maßgebend2, ebenso für die Beschlussfassung in einer Mitgliederversammlung3. Bei der Übertragung von Geschäftsanteilen muss, wie schon in Rdnr. 134 gesagt, zwischen dem obligatorischen Vertrag und der eigentlichen Verfügung unterschieden werden. Zumindest der Verpflichtungsvertrag berührt die Verfassung der Gesellschaft nicht, so dass man meinen könnte, es komme für die Form allein auf Art. 11 Abs. 1 EGBGB an4. Anders, wenn man in Anwendung des Art. 28 EGBGB deutsches Recht zugrundelegt und so zu § 15 Abs. 4 gelangt5. Das letztere geht aber an dem Umstand vorbei, dass hinter § 15 Abs. 4 u.a. die Vorstellung des deutschen Gesetzgebers steht, einem freien Handel in GmbH-Geschäftsanteilen entgegenzuwirken, was die GmbH von der normaltypischen AG unterscheidet und ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Ziel ist, das für Gesellschaften mit ausländischem Personalstatut nicht gilt. Daher ist zu differenzieren. Beim Verkauf von Anteilen an einer deutschen GmbH ist das schuldrechtliche Geschäft nach dem ausdrücklich oder schlüssig bestimmten Vertragsstatut zu beurteilen, wobei es dem Parteiwillen gewöhnlich entsprechen wird, dass dies das Gesellschaftsstatut sein soll. Findet der Vertragsschluss im Ausland statt, kommen neben den zum Gesellschaftsstatut gehörenden Formvorschriften die Regeln der Ortsform zum Zuge, was besonders von Interesse ist, wenn diese geringere Anforderungen stellen als das Gesellschaftsstatut6. Bei Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft wird oft ebenfalls die Form des Gesellschaftsstatuts gewollt sein; werden die Anforderungen der (deutschen) Ortsform nicht eingehalten, so schadet dies nicht, wenn das Gesellschaftsstatut geringere Anforderungen stellt7. Formbedürftig gem. § 15 Abs. 4 ist somit die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer in Deutschland gegründeten Gesellschaft mit Verwaltungssitz im europäischen Ausland8.

1 2 3 4

5 6 7 8

lung); dazu krit. v. Bar/Grothe, IPRax 1994, 291; LG Augsburg, GmbHR 1996, 941 mit Anm. Kallmeyer, S. 910 (zur Verschmelzung); wohl auch BGH, NZG 2005, 41 f. Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 422. Zu den vorigen noch Kronke, ZGR 1994, 31; Großfeld, AG 1996, 302; Kallmeyer, ZIP 1996, 535. Dazu Kaligin, DB 1985, 1449, 1453; Hohloch, in: Erman, Anh. II zu Art. 37 EGBGB Rdnr. 39. RGZ 88, 227, 231; BayObLG, NJW 1978, 500; OLG München, BB 1989, 125 f. mit Kurzkomm. Mankowski, EWiR 1989, 309; s. auch BGH, IPRax 1988, 27; BGH, WM 1996, 1467; Maier-Reimer, BB 1974, 1230, 1233; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 468. OLG Celle, NJW-RR 1991, 1126 f. OLG Stuttgart, DB 2000, 1218 f.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 138. Gärtner/Rosenbauer, DB 2002, 1871 ff. OLG München, NJW-RR 1993, 998 mit Anm. Bungert, DZWiR 1993, 494; Merkt, ZIP 1994, 1417, 1425; Rehm, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 50; Reichert/Weller, DStR 2005, 219 f.; Hohloch, in: Erman, Anh. II zu Art. 37 EGBGB Rdnr. 39; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 139; anders aber OLG Celle, NJW-RR 1992, 1126 (Ortsform maßgeblich); Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 423 f.

156

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

Gänzlich dem Personalstatut unterworfen sind Übertragungsvorgänge, die sich nicht aus einem Vertrag ergeben, sondern aus anderen rein gesellschaftsrechtlichen Vorgängen wie etwa der Einziehung einer Geschäftsanteils. Diese Überlegungen sind wohl auch anwendbar, wenn das Ortsrecht der Sitztheorie folgt, da dies nicht bedeuten kann, dass gesellschaftsrechtliche Zwecksetzungen des Gründungsrechts überlagert werden oder unbeachtet bleiben können. Soweit danach eine Beurkundung eines Rechtsgeschäfts erforderlich ist, ebenso bei gewillkürten Formerfordernissen, stellt sich die Frage nach der Gleichwertigkeit einer Auslandsbeurkundung. Die Frage hat keinen speziellen gesellschaftsrechtlichen Einschlag, da die Zwecke einer vorgeschriebenen Beurkundung, also die verlässliche Dokumentation des Erklärten und Gewollten, vor allem aber die Notwendigkeit einer neutralen und sachkundigen Aufklärung und Belehrung durch die Urkundsperson, im Grundsatz unabhängig vom Inhalt des beurkundungspflichtigen Geschäfts sind. Die Beurteilung unterscheidet sich auch nicht danach, ob in Deutschland ein Vorgang im Rahmen einer Auslandsgesellschaft oder im Ausland ein auf eine deutsche Gesellschaft bezügliches Geschäft beurkundet wird1. In jedem Fall stellt sich das Problem der Substitution, wobei geprüft werden muss, ob die Beurkundung durch eine ausländische Urkundsperson im Hinblick auf ihre Qualifikation und die Art der Durchführung einer Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig ist. Anerkannt ist zunächst, dass deutsches Recht einer Beurkundung im Ausland nicht generell entgegensteht2, dass es aber – besonders im Hinblick auf die Belehrung der Vertragschließenden – darauf ankommt, ob die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben, insbesondere auch Haftung und Standes-, namentlich Disziplinarrecht, eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion erfüllt und ob sie für die Errichtung der Urkunde ein Verfahren beachten muss, das in den Grundzügen dem deutschen Beurkundungsverfahren gleichkommt3. Das ist für das deutsche Aktienrecht wahrscheinlich weniger leicht zu bejahen als für das GmbH-Recht, obwohl im letzteren Bereich zahlreiche (neue) Haftungsrisiken, gerade bei Kapitalerhöhungen,. insoweit Zweifel erwecken können. Immerhin sind Auslandsbeurkundungen anerkannt worden, die durch österreichische und englische4, durch niederländische und israelische Notare5 sowie durch Vertreter der lateinischen Notariats (im romanischen Rechtskreis)6 vorgenommen wurden. Die praktisch besonders häufigen Beurkundungen in der Schweiz sind zwar nach

1 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 425. 2 BGHZ 80, 76; OLG Stuttgart, IPRspr 1981 Nr. 10a; OLG Karlsruhe, RIW 1979, 567 f.; OLG Hamm, NJW 1974, 1037; BGH, RIW 1989, 649; OLG Düsseldorf, RIW 1989, 225; OLG München, RIW 1998, 948; im Schrifttum Kropholler, ZHR 140 (1976), 394, 310; Wolfsteiner, DNotZ 1978, 532; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 141. 3 Stephan, NJW 1974, 1596; Rothoeft, in: FS Esser, 1975, S. 112; Schervier, NJW 1992, 595; Hohloch, in: Erman, Art. 11 Rdnr. 20; zurückhaltend aber Heckschen, Rpfl. 1990, 122; s. auch Goette, DStR 1996, 709 ff. 4 BayObLG, NJW 1978, 500; LG Augsburg, NJW-RR 1997, 420. 5 Lij tens, DNotZ 1965, 12 ff.; zu Israel Scheftelowitz, DNotZ 1978, 145 ff. 6 Hohloch, in: Erman, Art. 11 Rdnr. 20, gegen pauschale Gleichstellung Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 669.

H. P. Westermann

|

157

136

Einleitung

Internationales Privatrecht

Kanton zu unterscheiden, im allgemeinen werden sie aber ebenfalls anerkannt1. 137

Bei einer Entscheidung im Einzelfall ist davon auszugehen, dass Kleinlichkeit den Bedürfnissen und Tendenzen des internationalen Rechtsverkehrs widerspräche2. Die tatsächliche und rechtliche Bedeutung der notariellen Beurkundung, die nur Sollerfordernis der Beurkundung ist (§ 17 Abs. 1 BeurkG) und zur Disposition der Parteien steht3, darf für die Äquivalenzprüfung nicht überbewertet werden, wie auch die Einschränkung der Belehrungspflicht für deutsche Notare bei Anwendbarkeit ausländischen Rechts (§ 17 Abs. 3 BeurkG) bestätigt4. Ein dem deutschen Recht vergleichbares Beurkundungsverfahren ist nicht gegeben, wenn sich der Notar ohne Befassung mit dem Inhalt der Urkunde und ohne Verlesung ihres Textes auf die bloße Unterzeichnung und/oder das Beifügen eines Stempels beschränkt und nach dem Ortsstatut gewöhnlich beschränken darf. Auch wo die Mitwirkung des Notars weiter geht, ist einzuräumen, dass es Vorgänge gibt, deren rechtliche Implikationen nicht durch einen Blick ins deutsche Gesetz oder leicht zugängliches Erläuterungsschrifttum erkannt werden können5, etwa die Hauptversammlung einer AG6 sowie die im Ausland z.T. sogar ganz unbekannten Unternehmensverträge, ebenso Umwandlung und Verschmelzung7. Deswegen kann auch bei der Beurkundung eines nicht bloß schematischen Gesellschaftsvertrages oder seiner maßgeblichen Änderung auf eine eingehende Belehrung nicht verzichtet werden8. Zuzustimmen ist der Rechtsprechung, die für eine in der Schweiz vorgenommene Anteilsübertragung die Einhaltung der Ortsform hat ausreichen lassen9, was auch für Unternehmenskaufverträge oder Vergleichsverträge, die eine Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen beinhalten, praktisch werden kann, während bei Satzungsänderungen im dargestellten Sinn zu differenzieren ist10. Die Beurkundung nach § 53 Abs. 2 kann auch ein entsprechend qualifizierter ausländischer Notar vornehmen11. Beim Verpflichtungsgeschäft gem. § 15 Abs. 4 kann es 1 Nachw. bei Hohloch, in: Erman, Art. 11 Rdnr. 20. 2 OLG Hamburg, IPRsp 1979 Nr. 9, OLG Hamm, NJW 1974, 1057. 3 BGHZ 80, 76 unter Hinweis auf den Verzichtswillen, der in der Beauftragung eines ausländischen Notars liegt; a.M. H. Schmidt, DB 1974, 1216, 1218. 4 Kropholler, ZHR 140 (1976), 394, 409; Benecke, RIW 2002, 280, 285; Kröll, ZGR 2000, 111, 113 ff.; anspruchsvoller Goette, DStR 1996, 709, 713. 5 S. zu diesem Kriterium BGH, IPRsp 1970, Nr. 191, S. 557 f.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 484. 6 Skeptisch auch OLG Hamburg, DB 1993, 1232; anders Schießl, DB 1992, 823, 825. 7 Anders aber LG Kiel, BB 1998, 120 für die Verschmelzung von Genossenschaften; für die Verschmelzung ablehnend AG Fürth, GmbHR 1991, 24 mit zust. Anmerkung Heckschen; anders aber wieder LG Nürnberg/Fürth, GmbHR 1991, 582 (zur Beurkundung in Basel, die der deutschen vergleichbar ist); zu § 53 Abs. 2 s. BGHZ 80, 76; 82, 188, 193. 8 Zu den vorigen noch Kuntze, DB 1975, 193 f.; dagegen aber Stephan, NJW 1974, 1596, 1598; Mann, ZHR 138 (1974), 448, 453 ff.; Rothoeft, in: FS Esser, 1975, S. 112 ff.; Kropholler, ZHR 140 (1976), 394, 406 ff. 9 RGZ 160, 225; OLG Frankfurt, RIW 1981, 552; BayObLG, Rpfl. 1978, 58. 10 Für Gleichwertigkeit OLG Stuttgart, IPRax 1983, 79; OLG Düsseldorf, RIW 1989, 225 gegen OLG Hamm, NJW 1974, 1057; OLG Karlsruhe, RIW 1979, 567. 11 So BGH, ZIP 1998, 1052, 1054; OLG Düsseldorf, RIW 1989, 225.

158

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

dann bei der Ortsform bleiben1. Dies alles trifft immer nur die Erfüllung der Anforderungen des Gesellschaftsstatuts, daneben kann noch die Frage treten, ob eine im Ausland vorgenommene Beurkundung (durch einen dortigen oder gar einen deutschen Notar) den Formerfordernissen des nationalen materiellen Rechts entspricht und ob Art. 11 EGBGB durch eine Auslandsbeurkundung verletzt wird2.

10. Zur Rechnungslegung von Gesellschaften Die Frage, nach welchem Sachrecht sich die Inhalte der Pflicht der Gesellschaft zur Rechnungslegung richten, ist unter verschiedenen Aspekten umstritten. Zum einen wird den gesetzlichen Vorschriften über die Rechnungslegung der GmbH, obwohl sie im HGB stehen, also privatrechtlich qualifiziert werden könnten, im Hinblick auf den mit der Pflicht zur Selbstkontrolle eines Kaufmanns erstrebten mittelbaren Gläubigerschutz ein starker öffentlich-rechtlicher Einschlag beigelegt3, was die kollisionsrechtliche Einordnung dahin bestimmen würde, dass unabhängig vom Gründungsrecht eine im Inland ansässige Gesellschaft nach Maßgabe des am Ort ihres Verwaltungssitzes geltenden Rechts zu bilanzieren, zu dokumentieren und ihre Bücher zu führen hat4, allerdings wohl nur in Bezug auf die Ergebnisse der inländischen „Zweigniederlassung“. Das zeigt aber zugleich, dass die Rechnungslegung nach dem Sitzrecht nicht eine vom Gründungsrecht vorgeschriebene ersetzen wird, die wahrscheinlich auch die Geschäfte und Verhältnisse am Verwaltungssitz erfassen wird. Auch deshalb ist zu prüfen, ob nicht doch auch für diesen Problemkreis das Personalstatut und damit – zumindest innerhalb Europas – das Gründungsrecht maßgebend sein muss, wie eine verbreitete Ansicht annimmt5. Für Gesellschaften aus dem europäischen Ausland kommt § 325a HGB i.V.m. Art. 3 der Publizitätsrichtlinie in Betracht. Die Regelung ist zwar für „Zweigniederlassungen“ bestimmt, doch wird man sie ähnlich wie die Vorschriften über die Registereintragung auch anzuwenden haben, wenn es sich um die praktische Hauptnieder-

1 Zu den vorigen noch Reuter, BB 1998, 116, 119; dagegen aber van Randenborgh, GmbHR 1996, 908; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 498. 2 Zum Problem LG Kiel, BB 1998, 120 mit Kurzkomm. Born/Kroll, EWiR Art. 11 EGBGB 1/98; OLG München, BB 1989, 119 mit Kurzkomm. Mankowski, EWiR Art. 11 EGBGB 2/98; zur Notarhaftung in Fällen einer aus diesen Gründen unwirksamen Beurkundung BGH, NJW 1998, 2830 mit Kurzkomm. Haug, EWiR § 19 BNotO 1/98. 3 Crezelius, ZGR 1999, 252, 255 ff.; Röhricht/von Westphalen, HGB, Einl. Rdnr. 28; Hüffer, in: Großkomm. HGB, vor § 238 Rdnr. 1; speziell zur GmbH Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1339; für eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 179 ff.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 362. 4 v. Bar, IPR II, Rdnr. 608; Riegger, ZGR 2004, 510, 515; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 563; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 183 f. 5 Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 183; Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 108; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 362; s. auch Assmann, in: Großkomm. AktG, Einl. Rdnr. 605.

H. P. Westermann

|

159

138

Einleitung

Internationales Privatrecht

lassung einer EU-Auslandsgesellschaft handelt1. Daraus folgt weiter, dass der Inhalt der Rechnungslegung sich nach dem für die Hauptniederlassung maßgeblichen Recht richtet, das ist also das Gründungsrecht2. Das ist zweckmäßig, weil die Vorgänge, die in das Rechenwerk eingehen, und die Schlussfolgerungen, die aus den einzelnen Teilen der gesamten Rechnungslegung gezogen werden können und sollen, stets einen Bezug auf die rechtlichen Anforderungen des nationalen Sachrechts haben, nach denen die Gesellschaft lebt. Das gilt gerade im Hinblick auf Regelungen wie §§ 30, 31 zur Kapitalerhaltung. Deswegen sollte nicht über § 325a HGB hinaus eine Unterwerfung auch ausländischer Gesellschaften unter solche Anforderungen des inländischen Rechts erwogen werden, die nicht mindestens die vom EuGH entwickelten Ausnahmevoraussetzungen von den Geboten der Niederlassungsfreiheit erfüllen3. Denn da die Pflichten zur Publizierung von Unternehmensdaten bei „Zweigniederlassungen“ eines ausländischen Unternehmens feststehen, müssen diese, aber auch keine weiteren Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft offengelegt werden, so dass es bei der Rechnungslegung nach Gründungsrecht im Übrigen verbleiben kann. Im Geltungsbereich der Sitztheorie gilt für die Rechnungslegung ebenfalls das Personalstatut. 139

Aus denselben Gründen muss sich auch die Abschlussprüfung gem. §§ 316 bis 324, 340h HGB und die Art der Erstellung des Jahresabschlusses nach dem Personalstatut richten4. Wenn das Inlandsrecht in dieser Hinsicht eine Befreiung vorsieht, kann sich also eine vom Gründungsrecht weitergehend verpflichtete Gesellschaft darauf nicht berufen, umgekehrt darf sich eine Auslandsgesellschaft auf das einstellen, was ihr Gründungsrecht vorschreibt. Praktisch muss also eine Auslandsgesellschaft eine mit dem Gründungsrecht vertraute WP-Gesellschaft mit der Aufstellung des Abschlusses befassen, u.U. sogar noch einen besonderen Abschlussprüfer5. Anderes gilt für kapitalmarktrechtliche Publizitätsgebote, die an das Recht des Marktorts anzuknüpfen sind6. Die Anforderungen des Steuerrechts an die Rechnungslegung und die Abschlussprüfung können nur davon abhängen, welcher Staat nach Maßgabe seines materiellen Steuerrechts unter Einbeziehung von internationalen Abkommen die Gesellschaft (und gegebenenfalls ihre Teilhaber) als sein Steuersubjekt behandeln kann; danach regeln sich auch die Anforderungen an die Vorlage einer Steuerbilanz. In dieser Hinsicht kann es also – auch ohne Verstoß gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit – dazu kommen, dass eine Auslandsgesell-

1 Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 185 f.; Riegger, ZGR 2004, 510, 516; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 565. 2 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999, Rdnr. 131; Riegger, ZGR 2004, 510, 516. 3 Hierzu und zum folgenden Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 111. 4 Näher Binge/Thölke, DNotZ 2004, 21, 31 f.; Hirsch/Britain, NZG 2003, 1100, 1102; Kaligin, DB 1985, 1449, 1544; Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 114, 115; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 366 ff.; a.M. Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 183 ff. 5 Riegger, ZGR 2004, 510, 517. 6 Näher Grundmann, RabelsZ 54 (1990), 283 ff.; dem folgend Assmann, in: Großkomm. AktG, Einl. Rdnr. 606.

160

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

schaft über die handelsrechtlichen Vorschriften des Gründungsrechts hinaus Bestimmungen des am Verwaltungssitz geltenden Steuerrechts beachten muss, was dann auch den Umfang der Maßgeblichkeit handelsrechtlicher Ansätze und Bewertungsmethoden für die steuerrechtliche Behandlung betrifft1.

11. Grenzüberschreitende Beteiligungen Sowohl durch Maßnahmen einer im Inland tätigen Auslandsgesellschaft (mit und ohne Verwaltungssitz im Inland) als auch durch Beteiligungen deutscher Gesellschaften an ausländischen kann es zu grenzüberschreitenden Beteiligungen von GmbH kommen. Bei der kollisionsrechtlichen Beurteilung solcher Vorgänge sind mehrere Personalstatute betroffen, da es um die Fähigkeit der eine Beteiligung erwerbenden oder anstrebenden Gesellschaft zu diesen Geschäften (Beteiligungsfähigkeit) und zugleich um das Recht der Zielgesellschaft geht, eine Gesellschaft der konkreten Art als Gesellschafter aufzunehmen2. Das letztere kann eine Frage des Gesetzesrechts, also des Gesellschafts- oder Berufsrechts (etwa bei einer Anwalts-GmbH) sein, aber auch der Satzung, die Erwerbs- oder Beitrittsbeschränkungen vorsehen kann. Auf der Seite der Erwerbergesellschaft kann das Gründungsstatut die Rechts- oder Handlungsfähigkeit dahin einschränken, dass ein Anteilserwerb an ausländischen Gesellschaften verboten oder von bestimmten Voraussetzungen, u.U. auch steuerrechtlicher Art3, abhängig ist. Dies kann auch als Einschränkung der Rechtsfähigkeit konzipiert sein4; zur „ultra-vires-Lehre“ im anglo-amerikanischen Recht s. Rdnr. 113. Ein Einklang der diesbezüglichen Regeln für die Erwerber- und die Zielgesellschaft ist vor allem notwendig, um „hinkende“ Rechtsverhältnisse zu vermeiden. Wenn ein Sachrecht die Beteiligungsfähigkeit einschränkt, wird dies regelmäßig auch den Anteilserwerb an ausländischen Gesellschaften betreffen5. Die neue Rechtsprechung des BGH steht der daraus folgenden Maßgeblichkeit des Personalstatuts sowohl der Erwerber- als auch der Zielgesellschaft nicht entgegen, solange nicht das Sitzrecht der Zielgesellschaft durch die Art der Erwerbsbeschränkungen die Niederlassungsfreiheit in einer Weise beeinträchtigt, die nicht auf die Ausnahmevoraussetzungen des EuGH (Rdnr. 105) gestützt werden kann6. Unter gemeinschaftsrechtlichen Aspekten unwirksam wäre danach eine Regelung, die die Beteiligungsfähigkeit einer ausländischen Erwerber-Gesellschaft vom Vorhandensein eines Verwaltungssitzes außerhalb des Sitzstaats abhängig machte7.

1 Ebenso Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rdnr. 112. 2 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 433, 435; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 304, 306; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 93; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 274. 3 Darum ging es in der oben Rdnr. 101 erörterten Daily-Mail-Entscheidung des EuGH, bei der allerdings ein Wegzug einer Gesellschaft in Rede stand, wobei ebenfalls steuerrechtliche Hindernisse des Heimatstaats respektiert wurden. 4 OLG Saarbrücken, JZ 1989, 904; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 437. 5 Über Ausnahmen Heinrich, Die ausländische juristische Person & Co KG, 1996, S. 217 f.; dem folgend Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 275. 6 Etwas anders anscheinend Rehm, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 51: „Überseering“ habe an der Anerkennung der Beteiligungsfähigkeit einer Auslandsgesellschaft nichts geändert. 7 Dazu Binz/Mayer, GmbHR 2003, 249, 255.

H. P. Westermann

|

161

140

Einleitung 141

Internationales Privatrecht

Im deutschen Recht stellt sich aufgrund der andernorts weithin unbekannten Grundtypenvermischung die Frage, ob eine ausländische Kapitalgesellschaft – mit oder ohne Verwaltungssitz im Inland – die Rolle einer Komplementärin in einer KG übernehmen kann. Die Rechtsprechung hatte dies – noch unter der „Herrschaft“ der Sitztheorie – mit gewissen hieraus abgeleiteten Zweifeln für eine im Inland ansässige, im Ausland begründete Ltd. anerkannt1. Für eine Gesellschaft ohne Verwaltungssitz im europäischen Gründungsstaat müsste dies heute ebenso gesehen werden. Bedenken ergeben sich zwar im Anwendungsbereich der Sitztheorie, weil eine Anwendung verschiedener Rechtsordnungen für die Komplementärin und die Personengesellschaft jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn die Komplementärin, um nicht im Inland ihre Rechtsund Beteiligtenfähigkeit zu verlieren, ihren Sitz im Gründungsstaat beibehalten muss2. Eine solche Mischung der Personalstatuten von Personengesellschaft und Komplementärin findet auch statt, wenn das Gründungsrecht der letzteren ohne Rücksicht auf die Lage des Verwaltungssitzes für sie maßgeblich bleibt3. Dies ist aber im europäischen Raum wegen der weitgehenden Publizität der nach Auslandsrecht gegründeten Komplementär-Gesellschaft (Rdnr. 120 ff., 124), die ja auch als Zweigniederlassung im deutschen Register eingetragen wird, durchaus hinzunehmen, was in diesem Fall ja auch dem Registergericht bekannt wird, so dass mit Zwangsgeldern die Registrierung durchgesetzt werden kann (Rdnr. 119). Das wird verstärkt durch die in §§ 177a, 125a HGB festgelegten Angaben auf Geschäftsbriefen4. Ferner können im deutschen Register auch dann die Vertretungsverhältnisse offengelegt werden, wenn das Gründungsrecht dies nicht vorschreibt5. Somit ist eine Unzulässigkeit dieser Typenvermischung im europäischen Raum nur anzunehmen, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in diese Funktion missbräuchlich eingesetzt wird, wofür – wie auch im sonstigen Auftreten im Rechtsverkehr – die Erfordernisse bezüglich des Mindestkapitals und der Kapitalaufbringung allein nicht ausreichen6. Praktische Schwierigkeiten im Verhältnis unter den Beteiligten, wie sie sich

1 BayObLG, GmbHR 1986, 305 = NJW 1986, 3029 („Landshuter Druckhaus Ltd.“); für Zulässigkeit OLG Stuttgart, WM 1995, 928, 930; v. Bar, JZ 1989, 186; OLG Saarbrücken, JZ 1998, 904; zweifelnd dann BayObLG, RIW 1987, 92; Bedenken im Schrifttum bei Ebke, ZGR 1987, 245, 167 ff.; Großfeld, IPRax 1986, 251; anders aber Grothe, Die „ausländische Kapitalgesellschaft & Co“, 1989, S. 211 ff. 2 Ebenroth/Happ, JZ 1989, 883, 889; Großfeld/Piesbergen, in: FS Mestmäcker, 1996, S. 881, 885 f.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 439. 3 Dies war für das AG Bad Oeynhausen (GmbHR 2005, 692) ein Grund, die Ltd. & Co. KG als unzulässig abzulehnen; zu diesen Fragen Werner, GmbHR 2005, 288 und auch bereits Binz/Sorg, GmbHR 2003, 249. Die Entscheidung wurde aber vom LG Bielefeld (GmbHR 2006, 89 und dazu Wachter, GmbHR 2006, 705 ff.) zu Recht aufgehoben; im Ergebnis ebenso Süß, GmbHR 2005, 673. 4 Zu alledem den krit. Kurzkommentar von Wachter, EWiR § 161 HGB 2/05 zu dem Beschluss des AG Bad Oeynhausen, GmbHR 2005, 692; zur Gründung und Firmierung eingehend Werner, GmbHR 2005, 288, 291. 5 So schon das BayObLG in dem Fall Landshuter Druckhaus Ltd., GmbHR 1986, 305 = NJW 1986, 3029. 6 Im Ergebnis ebenso Binz/Mayer, GmbHR 2003, 249, 257; Müller-Bonanni, GmbHR 2003, 1235, 1238; Rehm, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 52.

162

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

insbesondere ergeben mögen, wenn die Beteiligungsverhältnisse und die Satzungen in der KG und der Komplementärin nicht aufeinander abgestimmt sind, beruhen letztlich auf dem autonomen Entschluss der Gesellschafter, den zu korrigieren das internationale Privatrecht nicht der Ort ist1. Deshalb kann es bei den Ergebnissen der Rechtsprechung bleiben, auch im Geltungsbereich der Sitztheorie. Es ist damit zu rechnen, dass die Unabhängigkeit der Anerkennung ausländischer Kapitalgesellschaften vom Vorhandensein eines Verwaltungssitzes im Ausland und die daraus folgende weitgehende Gleichstellung der Kapitalgesellschaften aus den europäischen Mitgliedstaaten, wie auch die Möglichkeit, eine im europäischen Ausland gegründete Gesellschaft in Deutschland als Tochtergesellschaft zu nutzen, die Bedeutung auch der „kleinen“ Kapitalgesellschaften als Konzerninstrument anwachsen lassen wird2. Die Möglichkeiten der Sitzverlegung innerhalb Europas (Rdnr. 152) können auch Einfluss auf Fragen der Mitbestimmung der Arbeitnehmer haben3, was allerdings vor dem Hintergrund der Frage diskutiert werden muss, ob sich insoweit rechtsformspezifische Konzeptionen, wie sie in Deutschland im Vordergrund stehen, werden beibehalten lassen4; auch hiervon ist die „kleine“ Kapitalgesellschaft, wenn sie nicht Konzerninstrument ist, weniger betroffen, und Schein-Auslandsgesellschaften, die die für die unternehmerische Mitbestimmung maßgebende Größe erreichen, sind unwahrscheinlich.

142

12. Haftungsfragen Die unternehmerischen Aktivitäten ausländischer Gesellschaften in Deutschland können Fragen der Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung unter verschiedenen Gesichtspunkten aufwerfen. Im Vordergrund steht eine etwaige Einstandspflicht für die Verbindlichkeiten, die im Rahmen des Geschäftsbetriebs einer Auslandsgesellschaft begründet worden sind (also einschließlich Ansprüchen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen), für die die betroffenen natürlichen Personen (nicht notwendig: ausländische Staatsangehörige) verantwortlich gemacht werden können. Zur Haftung kann es führen, wenn die selbständige Rechtsfähigkeit der Gesellschaft nicht uneingeschränkt anerkannt wird, oder wenn trotz Anerkennung der im Ausland erworbenen Rechtsfähigkeit eine Durchgriffshaftung einschließlich der sogenannten Existenzvernichtungshaftung angewendet wird. Weniger bedeutsam sind in diesem Zusammen-

1 Wie Wachter (EWiR § 161 HGB 2/05) darlegt, könnte sogar die Einheits-GmbH & Co. KG zugelassen werden, wobei die KG die Anteile an der Komplementär-Gesellschaft hält, als Ausweg aus rechtlichen Schwierigkeiten der „normalen“ GmbH & Co. KG scheint dies aber nicht nötig. 2 Näher dazu Goetz, Der Konzern 2004, 449 ff. 3 Hier nur: Müller-Bonanni, GmbHR 2003, 1235 ff.; Zimmer, NJW 2003, 3585; Zimmer, in: Lutter, S. 365 ff.; Binz/Mayer, GmbHR 2003, 249 ff.; v. Hase, BuW 2003, 944 ff.; Rehberg, in: Eidenmüller, § 6 Rdnr. 144. 4 Näher Zimmer, in: Lutter, S. 371 ff.; dagegen aber Zöllner, GmbHR 2006, 1, 10; zur grundsätzlichen kollisionsrechtlichen Behandlung und zu möglichen Sonderanknüpfungen Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 299 ff.

H. P. Westermann

|

163

143

Einleitung

Internationales Privatrecht

hang Ansprüche, die sich aus Verstößen gegen die deutschen Bestimmungen über Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung ergeben können, solange insoweit auf eine Auslandsgesellschaft nicht ausnahmsweise doch das Recht des inländischen Verwaltungssitzes angewendet wird; im Geltungsbereich der Sitztheorie sind diese Anspruchsgrundlagen als zum Personalstatut gehörig anwendbar. Umstritten ist eine Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 wegen Aufnahme der Geschäfte vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch die Schadensersatzfolgen von Verstößen gegen die Pflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags (Insolvenzverschleppungshaftung), die freilich voraussetzen, dass das Verhalten eines Geschäftsleiters dem deutschen Insolvenzrecht unterliegt. Es bedarf also einer ständigen Abgrenzung des Gesellschaftsstatuts vom Delikts- und Insolvenzstatut1. Einige Auslandsrechte, die infolge der fortdauernden Anwendung des Gründungsrechts auf die nach ihren Normen gegründeten Gesellschaften auch bei Tätigkeit im Inland zum Zuge kommen können, enthalten Haftungstatbestände, die somit auch für inländische Gläubiger von Interesse sein können, besonders wenn sie deliktsrechtlich zu qualifizieren sein sollten2. Dagegen kommen Anspruchsgrundlagen für eine Haftung einer Konzernmuttergesellschaft im Rahmen von Maßnahmen der Konzernleitung nur insoweit in Betracht, als die Schutzvorkehrungen des deutschen Konzernrechts zugunsten von Gläubigern und Minderheitsgesellschaftern abhängiger Unternehmen auf grenzüberschreitende Unternehmensverbindungen Anwendung finden. Anders zu beurteilen ist schließlich die Haftung von Organpersonen einer in- oder ausländischen Gesellschaft für Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft bei unternehmerischer Tätigkeit im Inland oder auch nach einer Sitzverlegung ins Ausland. Dies ist allerdings eine besondere Fragestellung insofern, als es dabei um den Schutz der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter geht, während im allgemeinen die Probleme der Haftung im Schwerpunkt unter Gesichtspunkten des Gläubigerschutzes vorwiegend im Hinblick auf den inländischen Rechtsverkehr gesehen werden. Die Haftung wegen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist nicht gesellschaftsrechtlich, sondern deliktsrechtlich ausgestaltet, somit gilt das inländische Deliktsstatut3. 144

a) Eine Haftung wegen Beteiligung oder Leitung einer nicht regelgerecht in Deutschland begründeten ausländischen Kapitalgesellschaft kommt nur noch in Missbrauchsfällen in Betracht; die Überlegung des BGH, eine nach ihrem Gründungsrecht rechtsfähige Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat, hier als Personengesellschaft mit den entsprechenden Haftungsfolgen anzusehen ist, ist verworfen und nicht mehr weiterverfolgt worden (Rdnr. 112). Wie ebenfalls schon gezeigt, scheidet eine Sonderanknüpfung für die verschuldensunabhängigen Haftungstatbestände, die sich aus Grundsätzen der Kapitalaufbrin-

1 Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 8; Horn, NJW 2004, 893 ff.; Bitter, WM 2004, 2190 ff. 2 Die Durchsetzung dieser Ansprüche, womöglich unter Fortbildung der Anspruchsgrundlagen des ausländischen Rechts, will die deutsche Rechtsprechung zulassen, dazu Goette, ZGR 2006, 261, 279, s. auch Rdnr. 151. 3 Dazu Hirte, ZInsO 2005, 403.

164

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

gung und -erhaltung ergeben, im europäischen Bereich aus1, ist andererseits im Geltungsbereich der Sitztheorie nicht notwendig. Das bedeutet für die Praxis in Europa, dass die Gesellschafter- und Geschäftsleiterhaftung sich nach den – durchaus vielfältigen – gesellschaftsrechtlich-akzessorischen Anspruchsgrundlagen des Gründungsstatuts richtet, was bedeutet, dass allenthalben zunächst von der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen auszugehen ist2. Das hauptsächliche Interesse in Deutschland betrifft daher die denkbaren Missbrauchstatbestände, die sich unter Einbeziehung strafrechtlicher Schutzgesetze3 zum großen Teil ins Deliktsrecht einordnen lassen, daneben Tatbestände der Insolvenzverschleppung4 (näher Rdnr. 147). Als Fall einer Deliktshaftung wird der Betrieb einer materiell unterkapitalisierten Gesellschaft diskutiert5, was allerdings angesichts der Undurchsetzbarkeit von Forderungen auf Bereitstellung eines bestimmten Mindestkapitals allenfalls dann in Betracht kommt, wenn durch die Art des Geschäftsbetriebs vorsätzlich das Vorhandensein von über die publizierte Kapitalausstattung deutlich hinausgehenden Eigenmitteln vorgetäuscht wird. Das wird sich, da auch der subjektive Tatbestand eines Vorsatzdelikts vorliegen muss, auf Extremfälle beschränken und tangiert dann auch nicht die Niederlassungsfreiheit6, was bei einem generellen und abstrakten Verständnis des Missbrauchsbegriffs wohl zu befürchten wäre7. Wenn statt der korrekten und heute zulässigen (Rdnr. 120) ausländischen Firma eine Firma mit dem Rechtsformzusatz „GmbH“ verwendet wird, wird es sich regelmäßig um einen Fall deliktischer Haftung handeln8. Dagegen stellen die von einigen hierher gerechneten Fälle der Vermögensvermischung nicht ohne weiteres einen Missbrauchs- oder Durchgriffstatbestand dar, jedenfalls dann nicht, wenn das Gründungsrecht Vertrauen bezüglich der klaren Trennung von Gesellschafterund Gesellschaftsvermögen begründet, was es durchaus gibt9, ohne dass dabei aus Gläubigersicht spürbare Lücken bleiben. Auch hier sind Ausnahmen für 1 Spindler/Berner, RIW 2004, 7 ff.; Kleinert/Probst, DB 2003, 2217 f.; Meilicke, GmbHR 2003, 1271 f.; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 108; zögernd noch Kersting/ Schindler, RIW 2003, 621 ff. 2 Spindler/Berner, RIW 2004, 7 ff.; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 16; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 108 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 88. 3 Hierzu mit Blick auf die Haftung der Direktoren einer in Deutschland ansässigen Ltd. Rönnau, ZGR 2005, 832 ff. 4 Goette, DStR 2005, 1997 ff.; Spindler/Berner, RIW 2004, 7 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207 f.; Borges, ZIP 2004, 733; U. Huber, in: Lutter, S. 307, 317 ff. 5 Borges, ZIP 2004, 733, 741 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588 f.; Bitter, WM 2004, 2190, 2197 f.; Lutter, BB 2003, 7, 10; W. H. Roth, IPRax 2003, 117, 125. 6 Paefgen, ZIP 2004, 2353, 2360; Fleischer, in: Lutter, S. 119, 121; ähnlich Leible/Hoffmann, RIW 2002, 925, 930; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669; abl. für den Fall der Unterkapitalisierung aber Weller, IPRax 2003, 520, 523; Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 28. 7 In diese Richtung die Schlussanträge des Generalanwalts Alber in der Sache „Inspire Art“, NZG 2003, 263; s. auch Bayer, BB 2003, 2357, 2364. 8 Beckemper, GmbHR 2002, 465 ff. 9 So etwa das niederländische Gesellschaftsrecht, das auf den Tatbestand der Vermögensvermischung einen Haftungsdurchgriff im Konzern stützte, s. H. P. Westermann, AG 1985, 201 ff.; zum englischen Recht in diesem Zusammenhang Fleischer, in: Lutter, S. 123; zum US-amerikanischen Recht Fleischer, in: Lutter, S. 122.

H. P. Westermann

|

165

Einleitung

Internationales Privatrecht

krasse Fälle der Gläubigertäuschung zuzulassen1, die sich auch mit einer Unterkapitalisierung berühren werden. Darüber hinauszugehen und generell eine scharfe Trennung des Vermögens der juristischen Person von dem ihrer Gesellschafter und verbundener Unternehmen zu verlangen, könnte die Gefahr begründen, die Finanzierung der Niederlassung und den Aufbau ihres Geschäfts mit nicht ins Vermögen der Gesellschaft eingelegten Mitteln aus der Hand von Gesellschaftern und verbundenen Unternehmen zu erschweren, was dann doch als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zu werten wäre; es sollte also bei einer Anwendung nur in Fällen krassen und auch subjektiv vorwerfbaren Missbrauchs bleiben. Anwendbar sind schließlich auch die Regeln über culpa in contrahendo, die bekanntlich vertragsrechtlich ansetzen, ohne einen perfekten Vertrag zu erfordern, und die praktisch insofern interessant sein können, als für einen Ersatzanspruch hier Fahrlässigkeit genügen kann. 145

b) Bekanntlich scheitern viele Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH im Gründungsstadium oder bald nach der Gründung. In derartigen Fällen kann eine Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 in Betracht kommen, bei Auslandsgesellschaften namentlich auch deshalb, weil Gründer und/oder Geschäftsführer sich der Notwendigkeit einer Eintragung im deutschen Handelsregister (Rdnr. 119 ff.) nicht bewusst sind, nachdem gewöhnlich eine Eintragung im Gründungsstaat stattgefunden haben wird. Auch kann es natürlich sein, dass sie auf eine Publizität im Inland keinen Wert legen. Wenn vor der Eintragung bereits die Geschäfte aufgenommen worden sind, ist nach einigen Urteilen von Instanzgerichten, die allerdings noch unter der Geltung der Sitztheorie ergingen, die aber im heute verbliebenen Anwendungsfeld dieser Lehre auch jetzt noch zu beachten sind2, § 11 Abs. 2 anwendbar, was – abgesehen von der Rechtslage bei der Vor-GmbH – auch dadurch begründbar erscheint, dass die Gesellschaft als Haftungssubjekt noch nicht besteht. Das ist bei einer im Ausland gegründeten Gesellschaft auch bei ausschließlichem Verwaltungssitz im Inland nicht der Fall, da die nach dem Gründungsrecht bestehende Rechtsfähigkeit auch im Sitzstaat anerkannt wird. Die Haftung gegenüber den Vertragsund Deliktsgläubigern richtet sich somit nach dem Gründungsstatut. Es ist daher klar, dass nach der Rechtsprechung des EuGH § 11 Abs. 2 auf eine Auslandsgesellschaft nicht direkt angewendet werden kann3. Vielleicht kommt aber eine Analogie in Betracht, weil die Gesellschaft und die verantwortlichen Personen der Anmeldepflicht nicht nachgekommen sind, die vom EuGH für wichtig gehaltene Information des interessierten Rechtsverkehrs über die Gesellschaft also nicht auf dem im Inland vorgesehenen (und zu erwartenden) Weg erfolgt ist. Der BGH4 hat dies unter dem Aspekt der vom EuGH für eine Be1 Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669; weitergehend Schön, ZHR 168 (2004), 268, 294; Zimmer, NJW 2003, 3585, 3588. 2 KG, NJW 1989, 3100; OLG Hamburg, NJW 1986, 2199; OLG Oldenburg, NJW 1990, 1422 f. 3 BGH, ZIP 2005, 805 = JZ 2005, 847 mit Anm. Rehberg; dazu auch Eidenmüller, NJW 2005, 1618 ff.; zu dem Urteil auch Ressos, DB 2005, 1048 f.; Paefgen, GmbHR 2005, 957 ff.; Wand, BB 2005, 1017 f. 4 BGH, ZIP 2005, 805 = JZ 2005, 847, zust. Rehberg, JZ 2005, 849; Eidenmüller, NJW 2005, 1618 ff.; krit. aber Leible/Hoffmann, RIW 2005, 544 ff.

166

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

schränkung der Niederlassungsfreiheit zugelassenen Gesichtspunkte (Rdnr. 18) geprüft und abgelehnt, da hier zwar ein Allgemeininteresse an einer Haftungssanktion bestehe, die aber unverhältnismäßig sei, so dass es bei der gemeinschaftsrechtlich unbedenklichen Festsetzung von Zwangsgeld nach § 14 HGB verbleiben müsse. Daran ist richtig, dass der Gläubiger oder künftige Vertragspartner, der sich über die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der (im konkreten Fall) englischen Ltd. zu unterrichten wünscht, dies (sogar über das Internet) schnell und umfassend erreichen kann1. Auch sind im Inland häufig bestimmte öffentlich-rechtliche begründete Informationsmöglichkeiten über ein Unternehmen vorhanden, und das gegen den Geschäftsführer festzusetzende Zwangsgeld ist angesichts seiner vermutlich regelmäßigen Anwesenheit im Sitzstaat nicht völlig wirkungslos. Dennoch bleiben Zweifel, ob das Europarecht nicht doch eine schärfere Sanktion für den Ausfall an Registerpublizität gestattet. Immerhin haben nach Art. 12 der Zweigniederlassungsrichtlinie (Rdnr. 67) die Mitgliedstaaten für den Fall, dass Auslandsgesellschaften ihre Offenlegungspflichten verletzen, dafür zu sorgen, dass Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie vergleichbare Verstöße gegen nationales Recht, und der EuGH legte Wert darauf, dass diese Sanktionen wirksam und abschreckend, aber auch verhältnismäßig zu sein hätten2, ohne sich dabei freilich festzulegen, ob eine dem § 11 Abs. 2 vergleichbare Norm des niederländischen WFBV mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar war. Entscheidend ist somit, ob trotz des Fehlens einer Haftungsregelung im Gründungsrecht auf die Auslandsgesellschaften hinlänglicher Druck zur Erfüllung der Offenlegungspflicht ausgeübt wird3, wobei z.T. auch noch zwischen der Neugründung einer Gesellschaft und der Eröffnung der Zweigniederlassung unterschieden wird4. Da die Zweigniederlassungsrichtlinie eine abschließende Regelung trifft, ist auch fraglich, ob aus der Niederlassungsfreiheit gefolgert werden kann, dass der für eine inländische Gesellschaft vor der Eintragung Handelnde schlechter stehen darf als bei Auslandsgesellschaften5. Dies will der BGH aber offenbar hinnehmen, weil für die Eintragung einer „Zweigniederlassung“ eine dem § 11 Abs. 2 entsprechende Regelung fehle. Die Entscheidung spitzt sich somit auf die auch vom BGH erkannte Frage zu, ob Art. 7 der Publizitätsrichtlinie eine Rechtsfortbildung in diese Richtung erfordert, da in Deutschland eine Handelndenhaftung etabliert ist, die als Sanktion für die Nichteinhaltung der Gründungspublizität konzipiert ist6. Der BGH sah hier nicht die Notwendigkeit, über die Ausnahmevoraussetzungen nach dem Vier-Punkte-Test hinauszugehen; im Schrifttum7 ist auch noch darauf hingewiesen worden, dass § 11 Abs. 2 1 Dazu näher Rehberg, JZ 2005, 849; Wachter, Kurzkommentar EWiR § 161 HGB 2/05; Wachter, in: Schröder, S. 27, 54. 2 S. das Urteil „Inspire Art“ (Rdnr. 106) in Tz. 25 und 59–64. 3 Dies verneinen Borges, ZIP 2004, 773, 776; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 679. 4 Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 679; dagegen Paefgen, GmbHR 2005, 957, 962. 5 Auch hierzu Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 678, Borges, ZIP 2004, 736. 6 So eingehend Paefgen, GmbHR 2005, 957, 962 ff.; s. auch Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 679. 7 Lutter, in: Lutter, S. 1, 13.

H. P. Westermann

|

167

146

Einleitung

Internationales Privatrecht

sich auf die Versäumung einer konstitutiven Registereintragung beziehe und für die Eintragung einer Zweigniederlassung einer bereits im Gründungsstaat registrierten Gesellschaft nicht passe. Das mag die Entscheidung des BGH rechtfertigen, allerdings ist nicht auszuschließen, dass in Fällen, die starken Missbrauchsverdacht auslösen, ein Bedürfnis nach einer über das Zwangsgeld nach § 14 HGB hinausgehenden Haftungssanktion, die dann die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit nicht verletzen würde, doch die Oberhand gewinnt. 147

c) Wenn die grundsätzlichen Züge der Haftungsverfassung dahin gekennzeichnet werden können, dass die gesellschaftsrechts-akzessorischen, allein auf objektiven Kriterien beruhenden Anspruchsgrundlagen des deutschen Rechts auf EUAuslandsgesellschaften und weitere Gesellschaften, die auch im Inland nach ihrem Gründungsrecht leben können, nicht anzuwenden sind, so muss sich besondere Aufmerksamkeit auf Anspruchsgrundlagen richten, die delikts- oder insolvenzrechtlich angeknüpft werden könnten, also die Haftung wegen Existenzvernichtung oder Insolvenzverschleppung. Dabei kommt es freilich nicht nur auf die kollisionsrechtliche Beurteilung dieser Ansprüche an, sondern – gerade im Hinblick auf die Existenzvernichtungshaftung – auf die Frage, ob selbst bei Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts das Betreiben und die Fortführung einer Auslandsgesellschaft mit dem nach ihrem Gründungsrecht vorgeschriebenen Kapital in der Gründungsphase und auch in einer Unternehmenskrise als Durchgriffsfall auf der Grundlage der beiden genannten Rechtsinstitute angesehen werden kann, ohne dass dies auf eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit schließen lässt1. Beide Aspekte sind umstritten, sie sind für die Existenzvernichtungs- und die Insolvenzerschleppungshaftung getrennt zu betrachten.

148

Die vom BGH in Abkehr vom Konzept des „qualifizierten faktischen Konzerns“ rechtsfortbildend entwickelte Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern wegen Eingriffen in das Vermögen und die Geschäftschancen der Gesellschaft, aufgrund deren sie außerstande ist, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, ohne dass eine nach §§ 30, 31 geschuldete Rückführung abgezogener Werte diese Fähigkeit wieder herstellen kann2, ist im Kern in dem Hinweis auf eine missbräuchliche Ausnutzung des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 begründet, hat aber auch subjektive Tatbestandselemente (Verschuldenshaftung einer herrschenden Gesellschafters), s. dazu § 13 Rdnr. 120. Sie berührt sich auch mit Deliktstatbeständen, nämlich § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 sowie § 826 BGB3, weshalb es nicht verwundert, dass für die kollisionsrechtliche Qua1 Zu dieser zweigeteilten Fragestellung AG Bad Segeberg, GmbHR 2005, 844 mit Anm. Dichtl, GmbHR 2005, 886, während das aufhebende Urteil des LG Kiel (ZIP 2006, 1248) allein von der nach deutschem Recht zu beurteilenden Verletzung der Insolvenzantragspflicht (Rdnr. 150) ausgeht. 2 BGHZ 149, 10, 16; 151, 181, 157; BGH, ZIP 2004, 2138; dazu Altmeppen, ZIP 2002, 1553 ff.; H. P. Westermann, NZG 2002, 1129 ff.; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 ff.; Emmerich, AG 2004, 423, 427; s. im Übrigen hier § 13 Rdnr. 98 ff. 3 Näher dazu H. P. Westermann, NZG 2002, 1134 ff., 1136; von einer Mehrfachqualifikation in Zusammenführung von Gesellschafts- und Deliktsrecht ist bei Kindler, in: FS Jayme, 2004, S. 409 (ähnlich Fleischer, in: Lutter, S. 81) die Rede. Im früheren Schrifttum zum Durchgriff zusammenfassend Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 354 ff.

168

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

lifikation verschiedene Ansichten vertreten werden. Überwiegend geht man von einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation aus, was auch nahe liegt, wenn man den Missbrauch des Haftungsprivilegs als Motiv nimmt1, wobei aber die Durchgriffs- oder speziell die Existenzvernichtungshaftung aufgrund des ordrepublic-Vorbehalts2 oder mittels einer Sonderanknüpfung3 zur Geltung gebracht werden könnte. Daneben – oder auch vermischt mit der gesellschaftsrechtlichen Qualifikation4 – steht die deliktsrechtliche Anknüpfung an den inländischen Tatort5, schließlich – zum Teil ebenfalls als Doppelqualifikation – die insolvenzrechtliche an den Mittelpunkt der Interessen der insolventen Gesellschaft6, was wie die deliktsrechtliche Anknüpfung zur Anwendung des Inlandsrechts führt. Keine dieser Auffassungen hat sich bisher durchgesetzt, gegen die deliktsrechtliche wie gegen die insolvenzrechtliche Qualifikation lassen sich nämlich erhebliche Einwände erheben. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und die Geltendmachung der Ansprüche durch den Insolvenzverwalter, auch die tatsächliche Anknüpfung der „Existenzvernichtung“ an einen insolvenzauslösenden Eingriff7, ändern nichts daran, dass der Inhalt der „Haftung“ eine umfassende Schadensersatzpflicht gegenüber den Gläubigern selber ist, die von der Gesellschaft im Insolvenzverfahren nicht befriedigt sind. Keineswegs geht es, wie bei insolvenzrechtlichen Anfechtungstatbeständen, nur um Rückführung missbräuchlich entnommener Werte. Somit gibt für die Qualifikation der Gedanke der Durchbrechung des Haftungsprivilegs und somit ein gesellschaftsrechtliches Instrument den Ausschlag8. Im Einzelfall mag es aber vorkommen, dass die Voraussetzungen des § 826 BGB festgestellt werden können, was durch den Umstand, dass die Gläubiger durch einen Ausfall ihrer gegen eine Gesellschaft gerichteten Forderung geschädigt sind (und mindestens bedingt vorsätzlich geschädigt werden sollten), nahegelegt werden kann9. Dass es nicht um die (möglicherweise deliktische) Verletzung von jedermann treffenden Pflichten, 1 Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2242; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 292; Spindler/Berner, RIW 2004, 1, 11; Schumann, DB 2004, 743; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 343; schon früher für eine rein gesellschaftsrechtliche Anknüpfung Koppensteiner, Internationale Unternehmen, 1971, S. 111 f. In diesem Sinne auch AG Bad Segeberg, ZIP 2005, 812, 814 mit Kurzkomm. Mock, EWiR Art. 43 EG 2/05. Anders Altmeppen, NJW 2004, 97, 101 f.; Borges, ZIP 2004, 733; Kindler, NZG 2003, 1086, 1088. 2 Paefgen, DB 2003, 487, 490; Ulmer, JZ 1999, 662, 665. 3 Ablehnend aber Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 93. 4 Warnend in Bezug auf Doppel- oder Mehrfachqualifikationen, die kollisionsrechtlich wenig erforscht seien, Fleischer, in: Lutter, S. 84 f.; s. auch v. Bar/Mankowsk, IPR I, 2. Aufl. 2003, § 7 Rdnr. 178. 5 Zimmer, NJW 2003, 3585, 3589; Schanze/Jüttner, AG 2003, 661, 669; Bayer, BB 2003, 2357, 2365; Just, ZIP 2006, 1251, 1253. 6 Kindler, in: FS Jayme, S. 409, 417; G. H. Roth, NZG 2003, 1081, 1085; Zimmer, NJW 2003, 3585 Fn. 339; für ausschließlich insolvenzrechtliche Qualifikation Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit, 2004, S. 267 ff.; zögernd Zöllner, GmbHR 2006, 1, 8. 7 Ulmer, JZ 2002, 1049, 1051; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 418. 8 Zu den oben in Fn. 1 Genannten noch K. Schmidt, ZHR 168 (2004), 493, 498; Fleischer, in: Lutter, S. 89 ff. 9 Goette, DStR 2004, 2115; zur Anwendung des § 826 BGB auf planmäßigen Vermögensentzug ohne Rücksicht auf die bestehenden Schulden BGH, ZIP 2004, 2138 sowie das Centros-Urteil Rdnr. 102 in Tz. 39. So auch Zöllner, GmbHR 2006, 1, 8.

H. P. Westermann

|

169

Einleitung

Internationales Privatrecht

sondern um die Inanspruchnahme von Gesellschaftern und Geschäftsleitern einer Kapitalgesellschaft geht, dürfte einem Deliktsanspruch nicht grundsätzlich im Wege stehen1. Eine rein insolvenzrechtliche Anknüpfung müsste mit einer – möglicherweise gemeinschaftsrechtlich geforderten – Vereinheitlichung der legislativen Ziele des Insolvenz- und des Gesellschaftsrechts jedenfalls in einer Krise der Gesellschaft begründet werden, was ein vorwiegend theoretisches, vielleicht auch nur rechtspolitisches Konzept ist und namentlich durch die Regelung in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der EuInsVO nicht vorgegeben ist2. Praktisch ist wenig wahrscheinlich, dass sich ein auf Schadenersatz an die Gläubiger gerichteter Anspruch in die – unter sich ja auch verschiedenen – Regelungen des jeweiligen Personalstatuts bruchlos einfügen lässt. 149

Unabhängig von der kollisionsrechtlichen Einordnung muss das Institut der Existenzvernichtungshaftung mit den Anforderungen der Niederlassungsfreiheit vereinbar sein3. Das lässt sich nicht einfach damit begründen, dass die Beendigung der Gesellschaft und die haftungsrechtlichen Folgen daraus nicht die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigten. Der EuGH sieht nämlich auch mitgliedstaatliche Regelungen der Auflösung von Gesellschaften als Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit an4. Das kann allerdings noch nicht das letzte Wort sein, da es nicht selbstverständlich erscheint, dass es eine Marktzugangsbeschränkung darstellt, wenn die Gesellschafter befürchten müssen, bei Begründung eines Sitzes in Deutschland einer Haftung der hier erörterten Art unterworfen zu werden5. Vielmehr stellt sich hier die Frage, ob eine Sachrechtsordnung gerade auch im Licht der EuGH-Rechtsprechung nicht (Rdnr. 105) versuchen darf, derartige Gesellschaften und ihre Teilhaber vom Inlandsmarkt fernzuhalten. Ein Vertrauen darauf, bei Scheitern des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens dieses wirtschaftlich auszuräumen und die Gläubiger auf anderweitige Befriedigung ihres Sicherungsbedürfnisses verweisen zu können, muss nicht unbedingt geschützt werden. Dass auf EU-Auslandsgesellschaften die Regeln über die Existenzvernichtungshaftung auch unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten nicht anwendbar sein sollen6, ist danach nicht allgemein zutreffend, sondern nur dann, wenn die inländische Praxis – wonach es zur Zeit nicht aussieht7 – die Anwendung dieser Anspruchsgrundlage auf andere als Extremfälle einer missbräuchlichen Ausnutzung eines Rege1 Anders insoweit Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 21. 2 Ulmer, KTS 2004, 291, 303 f. 3 So auch Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 94. In manchen neueren Überlegungen zur insolvenzrechtlichen Qualifikation einiger bisher gesellschaftsrechtlich anzuknüpfender Instrumente des Gläubigerschutzes scheint die Vorstellung mitzuwirken, auf diese Weise den Anforderungen der Niederlassungsfreiheit entgehen zu können, dazu H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849, 1853. 4 EuGH v. 13. 5. 2003 - Rs C 463/60, Slg. 2003 I-4581 Tz. 54, 58 ff.; dazu Fleischer, in: Lutter, S. 125. 5 Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 25. 6 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159, 182; Paefgen, DB 2003, 487, 490 f.; Spindler/Berner, RIW 2000, 11; Ziemons, ZIP 2003, 1913, 1917; a.M. aber Bayer, BB 2003, 2357, 2364; Borges, ZIP 2004, 733, 741 ff.; Schön, ZHR 168 (2004), 268, 273 ff.; Weller, IPRax 2002, 2009; Altmeppen, NJW 2004, 97, 101 f. 7 Zur neueren Entwicklung des Rechtsinstituts Wilhelmi, DZWiR 2003, 45 ff.

170

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

lungsgefälles in Europa bzw. ernsthafter Schutzlücken im Gründungsrecht ausdehnen sollte. Diese Lücken müssen dann von Fall zu Fall bestimmt und auf ihr Gewicht im Vergleich zu den vom Inlandsrecht verfolgten Schutzzwecken untersucht werden, gegebenenfalls ist somit auch bei gesellschaftsrechtlicher Anknüpfung eine Anwendung möglich. d) Eine Insolvenzverschleppungshaftung folgt aus der Verletzung von Insolvenzantragspflichten wie § 64 Abs. 1 GmbHG oder § 92 Abs. 2 AktG, die ein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger darstellen, oder von Zahlungsverboten gem. § 64 Abs. 21. Nach Art. 4 Abs. 1 der EuInsVO können Auslandsgesellschaften mit Sitz im Inland auch im Hinblick auf den Gläubigerschutz nach dem deutschen Insolvenzrecht beurteilt werden, dessen Normen allerdings wiederum dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit entsprechen müssen2. Der Wortlaut desArt. 4 enthält freilich keine abschließende Regelung der Frage, welche Teile des jeweiligen positiven Insolvenzrechts unter den Regelungsbereich der VO fallen, jedenfalls sind die Insolvenzantragspflichten nicht erwähnt3. Daher ist mit Überlegungen wie derjenigen, dass die Insolvenzantragspflichten, obwohl gesellschaftsrechtlich kodifiziert, in Wahrheit insolvenzrechtlicher Natur seien4, aus denselben Gründen Vorsicht geboten, die der insolvenzrechtlichen Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung entgegenstehen (Rdnr. 148). Dass die Haftung der Gesellschaft und ihren Gläubigern Ansprüche geben kann, die über die Rückabwicklung masseschmälernder Vorgänge hinausgehen, stärker noch die Konzentration der Verantwortlichkeit auf die Nichterfüllung gesellschaftsrechtlicher Pflichten, deuten auf eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation, kollisionsrechtlich dann auf die Behandlung als Vorfrage des Deliktsanspruchs5, hin, die aber dennoch heftig umstritten ist6. Qualifiziert man diesen Haftungsfall dagegen insolvenzrechtlich, wofür auch eine Entscheidung des EUGH zur französischen „action en comblement du passif“ spricht7, so folgt daraus die Anwendbarkeit des Regelungskomplexes auf die Auslandsgesellschaften8. Bei grundsätzlich gesell1 Dies ist der praktisch für die Gläubiger günstigere Anspruch, Vallender, ZGR 2006, 425, 455. 2 Bitter, 2004, 2190, 2191 f.; Fleischer, in: Lutter, S. 112. 3 Zur Auslegung und zum Anwendungsbereich der Norm näher U. Huber, in: Lutter, S. 320 ff. 4 Röhricht, ZIP 2005, 505 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1208; U. Huber, in: Lutter, S. 307 ff.; Vallender, ZGR 2006, 425, 455; im Ergebnis auch Zöllner, GmbHR 2006, 1, 7; krit. Dichtl, GmbHR 2005, 868, 888. 5 U. Huber, in: Lutter, S. 319 ff. 6 Spindler/Berner, RIW 2004, 7, 12; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1207; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083, 1088; Mock/Westhoff, DZWiR 2004, 23, 27; für insolvenzrechtliche Qualifikation aber Wachter, GmbHR 2003, 1254, 1257; Borges, ZIP 2004, 733, 740; Weller, IPRax 2003, 520, 524; G. H. Roth, NZG 2003, 1081,. 1085; Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396, 399; U. Huber, in: Lutter, S. 348, 351 ff. 7 EuGH v. 22. 2. 1979 - Rs. Gourdain/Nadler, 133/78, Slg. 1979/733 Tz. 3; dazu Fleischer, in: Lutter, S. 113. 8 Eidenmüller, § 9 Rdnr. 25 ff.; Elsner, ZInsO 2005, 20 ff.; Borges, ZIP 2004, 733, 740; Paulus, ZIP 2002, 729, 734; Ulmer, KTS 2004, 291, 300; Müller, NZG 2003, 414, 416; Bayer, BB 2003, 2357, 2359; Goette, in: FS Kraft, 2004, S. 53, 55; Bitter, WM 2004, 2190, 2198, Riedemann, GmbHR 2004, 345, 348.

H. P. Westermann

|

171

150

Einleitung

Internationales Privatrecht

schaftsrechtlicher Qualifikation kommt dagegen eine Sonderanknüpfung1, oder eine deliktsrechtliche Lösung2 in Betracht. Voraussetzung ist freilich, dass das Gründungsrecht der Gesellschaft keine dem Sitzrecht – auch in der Art der Rechtsfolgen der Pflichtverletzung – vergleichbaren Anspruchsgrundlagen kennt, was namentlich beim englischen Recht (Rdnr. 158 ff.) in Betracht kommt. Dann aber dürfte die Bedrohung der Verantwortlichen mit einer derartigen Haftung nicht in der Gefahr schweben, als gemeinschafsrechtlich unzulässige Marktzugangsschranke gewertet zu werden3; das gilt auch, soweit nach dem deutschen Sachrecht die Sanktion der Insolvenzantragspflicht deliktsrechtlich gestaltet ist. 151

e) Zur praktischen Anwendung der verschiedenen modernen Tatbestände der „Durchgriffshaftung“ auf Auslandsgesellschaften liegt an Rechtsprechung außer dem nicht genau passenden Urteil des BGH zu § 11 Abs. 2 (Rdnr. 145) bisher nur ein – inzwischen aufgehobenes – Urteil des AG Bad Segeberg vom 24. 3. 2005 vor4. Auch hier handelte es sich um eine in England mit einem Gründungskapital von 2 Pfund errichtete Ltd., die in Deutschland zwar als Betriebsstätte angemeldet, aber nicht im Handelsregister eingetragen war. Die Gesellschaft hatte in Deutschland Verbindlichkeiten begründet, die sie nicht begleichen konnte; ihr Gesellschafter wurde von einer Gläubigerin auf Zahlung in Anspruch genommen, weil die Gesellschaft schon mit Zahlung der Gründungskosten überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei, der Beklagte hafte aber auch aus den Gesichtspunkten der Existenzvernichtung und der Insolvenzverschleppung. Das Gericht wies die Klage ab: die Ausstattung mit geringem Gründungskapital bedeute keinen Missbrauch, auch dann nicht, wenn die Gesellschaft nur zu dem Zweck gegründet worden war, die günstigen Gründungsvorschriften des englischen Rechts auszunutzen5, und das bloße Betreiben eines solchen Unternehmens stelle – mangels Eingriffs in das Vermögen der Gesellschaft – kein existenzvernichtendes Verhalten dar6. In der Unterkapitalisierung liege auch keine Insolvenzverschleppung, wobei das Gericht – gut vertretbar – zu einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation der Insolvenzantragspflichten neigt und im Übrigen meint, die Gläubiger auf die keineswegs versagenden Ansprüche nach dem englischen Gründungsrecht verweisen zu können. Die 1 Eingehend zu der dafür notwendigen Gesamtanalogie zu allen die Insolvenzantragspflicht betreffenden Normen U. Huber, in: Lutter, S. 328 ff. 2 Dafür Bayer, BB 2003, 2365; Schanze/Jüttner, AG 2003, 665, 670; Kindler, NZG 2003, 1086, 1090; dagegen aber U. Huber, in: Lutter, S. 319 ff.; Ulmer, NJW 2004, 1201, 1204, 1207. 3 Dies nimmt – zu Recht – für die Anwendung des § 64 (durch das LG Kiel, ZIP 2006, 1248) Schilling an (Kurzkomm. EWiR Art. 43 EG 3/06). 4 AG Bad Segeberg, GmbHR 2005, 884 ff. mit Anm. Dichtl, S. 886 ff. und Kurzkomm. Mock, EWiR Art. 43 EG 2/05; zweifelnd auch Leutner/Langner, ZInsO 2005, 575 ff. Das Urteil wurde durch LG Kiel aufgehoben (ZIP 2006, 1248 m. zutr. Anm. Just, S. 1251; zweifelnd aber Schilling, Kurzkomm. EWiR Art. 43 EG 3/06 wegen der Missachtung der Niederlassungsfreiheit). 5 Das wird zutreffend aus der Judikatur des EuGH belegt; zust. Mock, EWiR Art. 43 EG 2/05. 6 Diesen Gesichtspunkt, der das abweichende Urteil des LG Kiel (ZIP 2006, 1248) hätte verstärken können, greift das LG nicht auf (Just in der Anmerkung S. 1253).

172

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

Nichteintragung im Handelsregister beurteilt das Gericht wie der BGH (Rdnr. 145). Die der Gesellschafterhaftung vorgelagerte Frage der insolvenzrechtlichen Behandlung der Auslandsgesellschaft (s. bereits Rdnr. 150) hängt zunächst von „formellen“ Insolvenzfähigkeit ab, die grundsätzlich zu bejahen ist1, auch wenn die Gründung nur zum Zweck der Niederlassung im derzeitigen Sitzstaat erfolgt ist. Ob dies freilich der Fall ist, und ob daraus womöglich eine Nichtanerkennung der Gesellschaft und sogar Haftungsansprüche folgen, soll das Insolvenzgericht nicht zu prüfen haben2. Insoweit bleibt es also wiederum bei dem Vorgehen aufgrund der Anspruchsgrundlagen des englischen Gesellschafts- und Insolvenzrechts. Auch hier zeigt sich eine Tendenz, Haftungstatbestände, die im Zusammenhang mit einer Unternehmenskrise vorgekommen sein könnten, nach dem Gründungsrecht zu behandeln3. Für die Binnenhaftung der Gesellschafter und Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft namentlich wegen Verletzung der Geschäftsführerpflichten, die über die Insolvenzantragspflichten hinausgehen, gilt ohnehin, soweit kollisionsrechtlich das Gründungsrecht berufen ist, nur dieses.

13. Die Sitzverlegung Die Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften ist, solange in Europa nicht eine Rechtsvereinheitlichung stattgefunden hat, wiederum differenziert auf der Grundlage der Sitz- oder der Gründungstheorie zu behandeln, wobei die Kollisions- oder Sachrechte beider betroffener Staaten zu beachten sind. Innerhalb der europäischen Gemeinschaft ist davon auszugehen, dass ein etwaiges Auseinanderklaffen von Satzungs- und Verwaltungssitz, wie es sich im Zuge des Wegzugs einer Gesellschaft ergeben kann, sich nach dem Gründungsstatut bemessen muss; die steuerrechtlichen Konsequenzen sind hier nicht zu behandeln4. Im Ergebnis soll es nach dem Willen der Beteiligten nicht zu einer Auflösung der Gesellschaft im Wegzugs- und einer Neugründung im Zuzugsstaat führen, sondern Identität und Rechtsfähigkeit sollen erhalten bleiben. Das spricht im Bereich der Gründungstheorie das Recht des Wegzugsstaats an, dessen Sachrecht die Übertragung einer im Inland erworbenen Rechtsfähigkeit in einen neuen Sitzstaat gestatten muss, während das Kollisionsrecht des Zuzugsstaats in diesem Fall die Sitzverlegung nicht als Wechsel des Personalstatuts behandeln darf, was verbreitet als unerwünscht empfunden wird. Das praktische Interesse an einer identitätswahrenden Sitzverlegung tut sich häufig im

1 AG Duisburg, NZG 2003, 1167; AG Saarbrücken, EWiR Art. 3 EuInsVO 5/05 mit Kurzkomm. Pannen/Riedemann, S. 701; a.M. AG Hamburg, ZIP 2003, 1008. S. im Einzelnen Rdnr. 116. 2 Ebenso AG Saarbrücken, Beschl. v. 25. 2. 2005 (106 N 3/05) m. zust. Kurzkomm. Pannen, EWiR Art. 3 EuInsVO 5/05, das annimmt, der Insolvenzverwalter könne das Entfallen der Haftungsbeschränkung wegen missbräuchlicher Gründung in anderen Verfahren geltend machen. 3 Bemerkenswert dazu die Warnungen von Schall (Kurzkomm. EWiR 2005, 709, 711), wonach das mit Haftungssanktion bedrohte Verbot für einen Direktor einer Ltd., mit deren Firma nach Insolvenz eine neue Ltd. zu gründen, auch für deutsche Ltd.-Gesellschafter eingreifen kann, s. auch Schall, ZIP 2005, 965, 972. 4 Dazu eingehend Schaumburg, in: Lutter, S. 403 ff.

H. P. Westermann

|

173

152

Einleitung

Internationales Privatrecht

Zusammenhang mit durch die Sitzverlegung vorbereiteten Konzernierungsmaßnahmen auf1, ähnlich nach Veräußerung der Geschäftsanteile an Ausländer. Dabei und auch sonst steht die Verlegung des Verwaltungssitzes im Vordergrund der praktischen Interessen, der Satzungssitz bleibt oftmals unverändert2. Das Kollisionsrecht knüpft zumindest im Rahmen der Sitztheorie an den Verwaltungssitz an (Rdnr. 152)3, die Verlegung von Satzungs- und Verwaltungssitz ist aber in erster Linie ein Problem des Sachrechts, da für eine nach deutschem Recht lebende GmbH § 4a zwingend einen inländischen Satzungssitz fordert. Bei der Behandlung nach Kollisions- wie nach Sachrecht ist also zu prüfen, ob die Gesellschaft einem international-privatrechtlichen Statutenwechsel unterliegt und ob sich daraus materiell-rechtliche Folgen für ihre Rechtsfähigkeit ergeben, die den Regeln zur Niederlassungsfreiheit widerstehen. 153

Nach dem bisherigen deutschen Kollisionsrecht war bei der Verlegung des Verwaltungssitzes einer nach deutschem Recht gegründeten Gesellschaft ins Ausland zu unterscheiden, ob der neue Sitzstaat der Sitz- oder der Gründungstheorie folgt. Die Verweisung auf ein ausländisches Recht ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB eine Gesamtverweisung auch auf das ausländische Kollisionsrecht. Wenn also die Rechtsordnung des Zuzugsstaats der Gründungstheorie folgt, geht er mithin davon aus, dass sich der Gründungssitz weiterhin im Wegzugsstaat befindet4. Somit findet eine Rückverweisung statt, die das deutsche Recht nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB auch annimmt5, während der Zuzugsstaat die durch die Gründung erworbene Rechtsfähigkeit anerkennt. Damit wäre ein Statutenwechsel vermieden, das Ergebnis – eine deutsche Gesellschaft mit Sitz im Ausland – stößt aber auf materiell-rechtliche Bedenken, siehe Rdnr. 154. Folgt der Zuzugsstaat der Sitztheorie, so richtet sich nach seinem Sachrecht auch das Personalstatut, nach seinem Kollisionsrecht die Frage, ob die Verweisung durch das Gründungsrecht angenommen wird. Ist das letztere der Fall, so wird gewöhnlich nach dem Recht des Sitzstaats, dessen Gründungsvorschriften nicht beachtet wurden, Nichtigkeit der Gesellschaft angenommen und eine Neugründung gefordert6. Das setzt allerdings weiter voraus, dass das Sachrecht des neuen Sitzstaats überhaupt die Verlegung eines Verwaltungssitzes in sein Gebiet als gegeben ansieht und im Übrigen eine Wandelbarkeit des Personalstatuts anerkennt. Ist dies nicht der Fall, so kommt eine Rückverweisung auf das deutsche Gründungsrecht in Betracht, so dass es bei der Anwendung des deutschen Rechts bleibt7. Wird zugleich mit dem Verwaltungs- auch der Satzungssitz verlegt, so beeinflusst dies angesichts der kollisionsrechtlichen Maßgeblichkeit des Verwaltungssitzes die international-privatrechtliche Beur1 Dazu Kallmeyer, AG 1989, 88. 2 Um eine Verlegung von Verwaltungs- und Satzungssitz ging es in den Urteilen RGZ 88, 53, BayObLG, ZIP 1992, 842; OLG Brandenburg, GmbHR 2005, 484; zur Verlegung nur des Verwaltungssitzes aber RG, IPRspr 1934 Nr. 14. 3 Näher Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 404; W. H. Roth, in: Lutter, S. 382 ff. 4 Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 391. 5 OLG Hamm, NJW 2001, 2183; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 132. 6 BayObLGZ 1992, 113, 116; OLG Hamm, WiB 1997, 1242; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 390. 7 Zu diesen Modalitäten W. H. Roth, in: Lutter, S. 382.

174

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

teilung nicht, möglicherweise aber die sachrechtliche im Gründungsrecht. Eine Verlegung des Satzungssitzes ändert an der Anwendung des Gründungsrechts nichts, es gibt also keinen Statutenwechsel1. Die kollisionsrechtliche Lage stünde somit vor allem im Bereich der europäischen Staaten auf der Basis der vom EuGH im Wesentlichen durchgesetzten Gründungstheorie einer Verlegung des Verwaltungssitzes von dem einen in einen anderen EU-Mitgliedstaat nicht grundsätzlich entgegen. Folgt der Gründungsstaat der Gründungstheorie, so bleibt es dabei bei einem Zuzug innerhalb der EU, während dann, wenn der Gründungsstaat der Sitztheorie folgt, ein Zuzug nach Deutschland, solange hier im allgemeinen noch die Sitztheorie angewendet wird, die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verlieren lässt2. Allerdings muss eine solche Lösung des Sachrechts sich mit dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit vereinbaren lassen. Das ist z.T. wieder eine gemeinschaftsrechtliche Frage nach der Anwendung der Ausnahmekriterien (Rdnr. 105). Indessen sieht die in Deutschland h.M. in dem Beschluss einer Gesellschafterversammlung, den Verwaltungssitz ins Ausland zu verlegen, einen Auflösungsbeschluss3. Die Gesellschaft ist dann abzuwickeln, und zwar nach Maßgabe des deutschen Rechts. Das soll gelten, obwohl kollisionsrechtlich nicht unbedingt ein Statutenwechsel eintritt. Nun wird bei der Umdeutung in einen Auflösungsbeschluss der Gesellschafterwille, der gerade auf Fortführung der Gesellschaft geht, gewiss missachtet4; deshalb wird z.T. auch die Nichtigkeit des Beschlusses angenommen5, was dann aber dazu führen muss, dass die dem nichtigen Beschluss entsprechende tatsächliche Handlungsweise de iure die Auflösung erzwingt. Deshalb wird angenommen, dass die Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes einer deutschen GmbH ins europäische Ausland hier nicht ins Register eingetragen werden kann6. Innerhalb der EU ist diese Sichtweise der grenzüberschreitenden Sitzverlegung schon früher als bedenklich empfunden worden7, nach einer neuen Entscheidung des EuGH, die sich von „Daily Mail“ (Rdnr. 101) nicht absetzt8, ist aber nicht davon auszugehen, dass Wegzugsbeschränkungen des nationalen Gesellschaftsrechts europarechts-

1 W. H. Roth, in: Lutter, S. 382 f.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 650; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 399. 2 Bayer, BB 2003, 2357, 2363; Leible, ZGR 2004, 531, 543; Zweifel an der rechtspolitischen Zweckmäßigkeit dieser Lösung bei Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 467. 3 BayObLG, ZIP 1992, 842, 843; OLG Hamm, ZIP 1997, 1696; OLG Hamm, NJW 2001, 2183; OLG München, AG 1957, 17; Ebenroth/Eyles, DB 1989, 363, 368; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 131; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 393; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 4a Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 4a Rdnr. 10; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 617, 655. 4 So auch W. H. Roth, in: Lutter, S. 393; s. auch 9. Aufl. Rdnr. 126. 5 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 133. 6 OLG Brandenburg, GmbHR 2005, 484 m. zust. Anm. Ringe, S. 487; Triebel/v. Hase, BB 2003, 2409, 2414. 7 Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325; Behrens, EuZW 1991, 97. 8 EuGH v. 11. 3. 2004 – Rs. C 9/02, NJW 2004, 2439 = GmbHR 2004, 504 m. Anm. Meilicke (de Lasteyrie du Saillant).

H. P. Westermann

|

175

154

Einleitung

Internationales Privatrecht

widrig sind1. Entscheidet man insoweit anders, so können die bisherigen inländischen Gläubiger der Gesellschaft nach § 17 Abs. 1 ZPO gegen die Gesellschaft weiterhin am Satzungssitz vorgehen2, was auch angesichts der Publizität der Verhältnisse eine Flucht der Gesellschaft vor ihren Gläubigern praktisch erschwert. Freilich können einer Verlegung des Verwaltungssitzes inländische Regeln des Steuer-, Arbeits- und Sozialrechts entgegenstehen, deren Tragweite dann aber gesondert am Prinzip der Niederlassungsfreiheit zu messen ist. Insgesamt ist die Verlegung des bloßen Verwaltungssitzes daher kein Anlass, materiell-rechtlich die Gesellschaft zur Auflösung zu bringen. Anderes gilt insoweit für die Verlegung des Satzungssitzes, die bisweilen als Aufgabe der Nationalität der Gesellschaft, d.h. der Einbindung in ihr Gründungsrecht aufgefasst wird, so dass auch darin ein Auflösungsbeschluss liege, wenn nicht, was ebenfalls vertreten wird, der Beschluss nach § 241 Nr. 3 AktG analog nichtig ist3. Das überzeugt zwar nicht uneingeschränkt, weil der Satzungssitz gewöhnlich in der Praxis nicht so hohe Bedeutung hat, dass man von seiner Verlegung den Fortbestand der Gesellschaft abhängig machen sollte; aber nach dem maßgeblichen Gründungsrecht (s. etwa § 7 Abs. 1), muss für eine Gesellschaft im Hinblick auf die registergerichtliche Tätigkeit, die auch in Europa angesichts der Publizität unverzichtbar ist, ein inländisches Registergericht zuständig bleiben, was durch einen Wechsel des Satzungssitzes unmöglich wird; deshalb ist hier der h.M. zuzustimmen4. 155

Die gemeinschaftsrechtliche Würdigung hat darauf abzustellen, ob ein Statutenwechsel oder eine durch das Sachrecht verfügte Auflösung der Gesellschaft mit der Niederlassungsfreiheit in Einklang stehen, was wiederum für die Verlegung des Verwaltungs- oder des Satzungssitzes differenziert zu sehen ist. Die soeben (Rdnr. 154) geschilderte Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung5 spricht dafür, dass in diesem Bereich die nationalen Sachrechte doch freie Hand haben sollen6. Wenn im Einzelfall ein Statutenwechsel eintritt, wird man kaum daran vorbeikommen, dass die dadurch verursachten kollisions- und sachrechtlichen Probleme sich nicht durch ein vordringliches Allgemeininteresse rechtfertigen lassen, zumindest nicht die Vernichtung der wegziehenden Gesellschaft bei (bloßer) Verlegung des Verwaltungssitzes. Das kann dann aber bei der Verlegung des Satzungssitzes angesichts des Entfallens der gerade gemeinschaftsrechtlich wichtigen Register-Publizität abweichend beurteilt werden7. Möglicherweise wird demnächst der von einem ungarischen Gericht angeru-

1 OLG Brandenburg, GmbHR 2005, 484; auch insoweit zust. Ringe, S. 488. 2 Hinweis von W. H. Roth, in: Lutter, S. 394. 3 Für Auflösungsbeschluss BayObLG, ZIP 1992, 842; OLG Hamm, ZIP 1997, 1696; Ebenroth/Auer, JZ 1993, 374 f.; für Nichtigkeit Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 399. 4 Ebenso W. H. Roth, in: Lutter, S. 395. 5 Zum vorigen noch EuGH v. 5. 10. 2004 – Rs. C 442/02, EuZW 2004, 701 (Caixa-Baule). 6 Tiefschürfende Analyse der früheren Judikatur bei W. H. Roth, in: Lutter, S. 384 ff., die aber auch vom Bestreben nach Harmonisierung im Sinne eines Wunschergebnisses zeugt. 7 W. H. Roth, in: Lutter, S. 399 f. sieht in diesem Punkt die Mitgliedstaaten für verpflichtet an, eine gesetzliche Regelung zu treffen.

176

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

fene EuGH zu entscheiden haben1. Gerade dieser Punkt wäre möglicher Gegenstand einer vielleicht demnächst kommenden Sitzverlegungsrichtlinie, wobei dann weiter die nach dem Daily-Mail-Urteil noch nicht abschließend geklärten Fragen geklärt werden könnten, welche Behinderungen eines Wegzugs durch den Gründungs- oder Sitzstaat der Niederlassungsfreiheit widersprechen2. Manche Probleme können möglicherweise durch Regelungen zur Umwandlung in eine dem Recht des neuen Satzungssitzes unterliegende Gesellschaft gelöst werden3, für welches Problem auf die Gesamtdarstellungen des Umwandlungsrechts zu verweisen ist, soweit sich nicht auch hier durch die neue Rechtsprechung des EuGH (Rdnr. 155a) ein Wandel ergibt.

14. Grenzüberschreitende Verschmelzung Zu den im UmwG geregelten Strukturmaßnahmen gehört in erster Linie die Verschmelzung, bei der der aufnehmende Rechtsträger ohne Einzelübertragung von Gegenständen als Gesamtrechtsnachfolger das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers, der hierdurch erlischt, übernehmen kann. § 1 Abs. 1 des UmwG regelt diesen Vorgang für – auf beiden Seiten stehende – inländische Rechtsträger. Daraus schloss die bis vor kurzem h.M., eine Verschmelzung nach dieser Vorschrift sei nur möglich, wenn beide beteiligten Rechtsträger ihren Sitz im Inland haben, wobei noch Differenzierungen danach möglich erscheinen, ob auf den Satzungs- oder den Verwaltungssitz abgestellt wird4. Es wird aber auch vertreten, dass eine gesetzliche Regelung der grenzüberschreitenden Verschmelzung (und dasselbe hätte dann auch für die Spaltung zu gelten) fehlt, so dass die Lücke durch Anwendung der allgemeinen Regeln des Kollisions- und des Sachrechts zu schließen sei5. Das Letztere würde bedeuten, dass die das Leben von übertragendem und aufnehmendem Rechtsträger beherrschenden Regeln des Sachrechts zu berücksichtigen sind, und zwar nebeneinander (sog. Vereinigungstheorie)6, wobei möglicherweise zwischen „Hinaus“- und „Hineinverschmelzung“ zu differenzieren ist. Die Rechtslage ist unübersichtlich, vielfach wurde auf die im September 2005 verabschiedete EG-Richtlinie über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften7 und ihre Umsetzung (bis 31. 12. 2007) gewartet. Inzwischen, also vor der Umsetzung der Richtlinie, hat 1 Dazu Kurzkomm. Neye, EWiR Art. 43 EG 1/06. 2 Dazu näher Leible, ZGR 2004, 430 ff.; Koppensteiner, in: FS Lutter, 2000, S. 141 ff.; die Entwürfe sind in ZIP 1997, 1721 veröffentlicht; Bedenken wegen der Subsidiarität einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung bei Bechtel, IPRax 1998, 348. 3 Auch dazu W. H. Roth, in: Lutter, S. 400 f. 4 Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1752; Kreuzer, EuZW 1994, 917, 919; Schaumburg, GmbHR 1996, 501, 502; Paefgen, GmbHR 2004, 463, 465; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 872 ff.; für Maßgeblichkeit des Verwaltungssitzes Engert, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 76 f. 5 Kronke, ZGR 1994, 26, 35; Bungert, AG 1995, 489, 502; Kallmeyer, ZIP 1996, 535; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 127; dagegen Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt C Rdnr. 509. 6 Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr.863; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntGesR Rdnr. 661; Leible, in: Michalski, Syst. Darstellung 2 Rdnr.150 ff. 7 Richtlinie 2005/56 EG v. 26. 10. 2005, ABl. Nr. L 294 v. 10. 11. 2005.

H. P. Westermann

|

177

155a

Einleitung

Internationales Privatrecht

der EuGH im sog. Fall Sevic entschieden, dass die Art. 43 und 48 EG einer mitgliedstaatlichen Regelung entgegenstehen, die die Eintragung einer Verschmelzung durch Auflösung ohne Abwicklung einer Gesellschaft und Übertragung ihres Vermögens als Ganzes auf eine andere Gesellschaft in das nationale Handelsregister verweigert, wenn eine der beiden Gesellschaften ihren Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat hat1. Der EuGH greift also in dem entschiedenen Fall, der eine „Hineinverschmelzung“ nach Deutschland betraf, einer Regelung durch die nationalen Gesetzgeber vor, ohne jedoch die sachrechtliche Regelung dieses Vorgangs im Einzelnen zu behandeln und ohne erkennen zu lassen, wie der Fall der „Hinausverschmelzung“ zu behandeln ist2. Das hat sich in der Praxis auch bereits gezeigt, als das OLG München über eine Verschmelzung einer deutschen GmbH auf die inländische „Zweigniederlassung“ (in Wahrheit eine „ScheinAuslandsgesellschaft“) einer englischen Ltd. zu entscheiden hatte, die auch in Kenntnis der Sevic-Entscheidung des EuGH abgelehnt wurde, weil die beantragte Registereintragung nicht im Register der Zweigniederlassung erfolgen könne3. Die grenzüberschreitende Verschmelzung bleibt danach vorerst ein schwieriges Instrument der Umstrukturierung, dessen Verwendung möglicherweise in mancher Hinsicht durch die Gründung einer SE, z.T. auch durch grenzüberschreitende Sitzverlegung (Rdnr. 154 f.) ersetzt werden kann. 155b

Die Einstellung des EuGH zur „Hineinverschmelzung“ ist zunächst damit begründet, dass die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Verschmelzung auch nach den Regeln über die Niederlassungsfreiheit zu beurteilen ist, die es nicht zulassen, einer ausländischen Gesellschaft eine Möglichkeit zu verwehren, die inländische Gesellschaften (nach der herrschenden Auslegung des § 1 UmwG) haben. Damit wird auf den Gesichtspunkt der Diskriminierung abgestellt, der in den sonst für die Rechtmäßigkeitsprüfung einer die Niederlassungsfreiheit beschränkenden Maßnahme genannten Maßstäben (Rdnr. 105) keine Rolle spielte4. Das wird noch weiterer Erörterungen bedürfen5, zumal aus der Sicht des – in diesem Fall ausländischen – übertragenden Rechtsträgers zu prüfen ist, ob die Niederlassungsfreiheit auch die Freiheit zur Selbstaufgabe (durch Erlöschen – corporate suicide) umfasst6. Über die Frage, ob sich der EuGH ohne Erörterung der Einzelheiten der von ihm zugelassenen Verschmelzung vor der Umsetzung der Richtlinie und ohne erkennbare Differenzierung zwischen Hinein-/Hinausverschmelzung hätte äußern sollen, findet sich in der Entscheidung nur der Hinweis, die Kompetenz zur Sachentscheidung folge aus 1 EuGH v. 12. 12. 2005 – Rs. C 411/03 (Sevic), NJW 2006, 425 = RIW 2006, 140 mit Komm. Pahl, S. 142; dazu Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161 ff.; Oechsler, NJW 1006, 812; Schmidt/Maul, BB 2006, 13; Bayer/J. Schmidt, ZIP 2006, 210; Meilicke/Rabback, GmbHR 2006, 122 ff.; Wachter, GmbHR 2006, 601. 2 Kritisch, besonders auch zur Enthaltsamkeit des EuGH in Bezug auf die vom nationalen Gesetzgeber zu beachtenden Allgemeinwohl-Kriterien, Oechsler, NJW 2006, 812 ff.; Leible/Hoffmann, RIW 2006, 163. 3 OLG München, GmbHR 2006, 600, mit zustimmender Anm. Wachter, S. 601 f. 4 Ähnl. Engert, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 80 ff.; anders insoweit Drygala, Kurzkomm. EWiR 2005, 25. 5 Ansätze dazu bei Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161, 163; zust. aber Teichmann, ZIP 2006, 355, 356. 6 Paal, RIW 2006, 142, 143.

178

|

H. P. Westermann

Internationales Privatrecht

Einleitung

dem Fehlen einschlägiger Abkommen; das ist insbesondere vor dem Hintergrund des Umstandes unbefriedigend, dass der Generalanwalt Tizzano in seinen Schlussanträgen, die ebenfalls von einem Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (und gegen die Kapitalverkehrsfreiheit) ausgingen, auf den Fall der Hinausverschmelzung hingewiesen und dabei eine Auseinandersetzung mit dem Daily-Mail-Urteil (Rdnr. 101) angeregt hatte1. Folgt man dem EuGH für den entschiedenen Fall der Hineinverschmelzung, so wird als Nächstes zu entscheiden sein, ob eine Hinausverschmelzung einer deutschen Gesellschaft generell zulässig ist und wie es sich insoweit verhält, wenn übernehmender Rechtsträger nur eine inländische Zweigniederlassung einer im Ausland gegründeten Gesellschaft ist. Die Entscheidung des EuGH in Bezug auf die Hinausverschmelzung hat dabei weithin Zustimmung erfahren2. Im Übrigen kann materiell-rechtlich als gesichert angesehen werden, dass bei der Bestimmung der rechtlichen Konstruktion der Verschmelzung in jedem Fall das Gesellschaftsstatut beider beteiligten Unternehmen zu berücksichtigen ist3 und dass das durch die Umsetzung der Zweigniederlassungsrichtlinie entstandene deutsche Recht (§§ 13d, e, g HGB) eine Eintragung der Verschmelzung nicht vorsieht, so dass insoweit an eine im Wege der Substitution als maßgeblich anzunehmende Eintragung im Register der übernehmenden (ausländischen) Gesellschaft zu denken ist4. Nach der Sevic-Entscheidung steht praktisch nur fest, dass das deutsche Sachrecht eine Hineinverschmelzung einer nach dem Recht eines EU-Mitgliedsstaats gegründeten Gesellschaft auf eine deutsche Gesellschaft nicht schlechthin verhindern darf; wohl aber könnte es Gesichtspunkte des Allgemeinwohls und der sonstigen der Niederlassungsfreiheit u.U. entgegenstehenden Umstände (Rdnr. 105) geben, die eine hierauf im Einzelfall doch hinauslaufende Lösung rechtfertigen könnten5. Dazu bedarf es dann aber stets auch eines Vergleichs mit dem Recht des jeweils beteiligten ausländischen Rechtsträgers, das, auch wenn es kein spezielles Umwandlungsrecht enthält, Vorkehrungen für die aktive und passive Verschmelzungsfähigkeit einer Gesellschaft bereithalten kann, die im Einzelfall den Anforderungen des deutschen Umwandlungsrechts im Hinblick auf Minderheiten-/ und Gläubigerschutz durchaus entsprechen können6. Die Einzelheiten sind allerdings ungeklärt, zumal z.T. Analogien zu den Regeln der SE-Verordnung empfohlen werden7. Bei der Hineinverschmelzung 1 ZIP 2005, 1327; dazu schon Drygala, ZIP 2005, 1995; Kuntz, EuZW 2005, 524; Heckschen, NotBZ 2005, 315; Geyrhalter/Weber, NZG 2005, 837. 2 Paal, RIW 2006, 142 ff.; Schmidt/Maul, BB 2006, 13 f.; Meilicke/Rabback, GmbHR 2006, 123 ff.; Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161 ff.; Teichmann, ZIP 2006, 355; krit. aber Oechsler, NJW 2006, 812 ff. 3 Engert, in: Eidenmüller, § 4 Rdnr. 100 ff.; Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 1 Rdnr. 270; Wenglorz, BB 2006, 83; Schmidt/Maul, BB 2006, 13. 4 Zur fehlenden Eintragungsfähigkeit OLG München, GmbHR 2006, 600, 601; zur Substitution Wachter in der Anm. dazu S. 603. 5 Dazu besonders Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161, 164, 166; Teichmann, ZIP 2006, 355, 358 ff. 6 So Wachter, GmbHR 2006, 601, 602 f. für das englische Recht; zur Anpassung der Vorschriften des ausländischen Rechts Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 1 Rdnr. 27 ff. 7 Oechsler, NJW 2006, 812, 813 ff.

H. P. Westermann

|

179

155c

Einleitung

Internationales Privatrecht

auf eine „deutsche“ Gesellschaft ist somit für den inländischen Rechtsträger von §§ 4 ff. UmwG auszugehen1, so dass insbesondere nach § 19 UmwG eine Eintragung im Register der (ausländischen) übertragenden Gesellschaft abzuwarten ist, die allerdings, wenn das ausländische Recht Derartiges nicht vorsieht, substituiert werden kann, ehe die Eintragung im Register der aufnehmenden deutschen Gesellschaft stattfinden darf2. Eine ähnliche Frage stellt sich im Hinblick auf Abfindungsansprüche widersprechender Gesellschafter, wobei bei Übernahme durch einen ausländischen Rechtsträger die prozessualen Verteidigungsmöglichkeiten des deutschen Rechts (Spruchstellenverfahren, Registersperre) gewöhnlich nicht in Betracht kommen werden3. In diesem Zusammenhang ist dann auch zu klären, ob die ausländische Gesellschaft nach ihrem Gesellschaftsstatut überhaupt verschmelzungsfähig ist. Im Schrifttum wird allerdings auch vertreten, dass das Hindernis aus § 1 UmwG durch Anpassung an die Anforderungen der Niederlassungsfreiheit weitergehend verdrängt werden solle4. Was die Hinausverschmelzung betrifft, so ist vorläufig noch streitig, ob diese europarechtlich überhaupt zugelassen werden muss, wofür spricht, dass das Bedürfnis für einen reibungslosen Ablauf hier nicht geringer ist als im umgekehrten Fall5, während das für die Gegenansicht angeführte Ausbleiben einer deutlichen Distanzierung von der „Daily-Mail“-Entscheidung6, das auch bei der Regelung der grenzüberschreitenden Sitzverlegung zu beachten ist (Rdnr. 154), angesichts der sonst weithin gegenläufigen Judikatur zur Niederlassungsfreiheit heute weniger Gewicht haben dürfte. Im Ganzen sind auch Vorwirkungen der in Deutschland bereits intensiv diskutierten7 Richtlinie vorstellbar, ohne deren Umsetzung8 allerdings eine der Praxis genügende Rechtssicherheit kaum erreichbar ist9. Das gilt dann auch für die Steuerfolgen10, während Mitbestimmungsprobleme bei der Größenordnung der bisher praktisch gewordenen Fälle keine besondere Rolle spielen dürften, bei grenzüberschreiten-

1 C. Schmidt/Maul, BB 2006, 13 f.; J. Schmidt/Bayer, BB 2006, 210, 212; Bungert, BB 2006, 53, 54 f.; zu zahlreichen Einzelfragen der Gestaltung – allerdings vor der SevicEntscheidung – von Busekist, GmbHR 2004, 653 ff. 2 Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161, 164 f.; für einen österreichischen Fall hat Paefgen eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ des österreichischen Registergerichts zur Vorlage beim deutschen Registergericht vorgeschlagen, IPRax 2004, 132, 136. 3 Eine entsprechende Anwendung des Art. 25 Abs. 3 der SE-VO empfiehlt daher Oechsler, NJW 2006, 812, 813. 4 Kallmeyer, ZIP 1996, 535, 537; s. auch Paefgen, GmbHR 2004, 463, 471. 5 Wachter, GmbHR 2006, 601, 602; Teichmann, ZIP 2006, 355, 362. 6 Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161, 166. 7 Neye, ZIP 2005, 1893; Leible, ZGR 2004, 531 ff.; Bayer/J. Schmidt, NJW 2006, 401 ff.; Kien, WM 2006, 1091 ff. 8 S. dazu den Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (BR-Drucks. 548/06). 9 Meilicke/Rabback, GmbHR 2006, 123, 126; weitere Bedenken bei Teichmann, ZIP 2006, 355, 361. 10 Näher Haritz, GmbHR 2006, 143 f.; Meilicke/Rabback, GmbHR 2006, 123, 126. Auch die Fusionssteuerrichtlinie vom Jahr 1990 wurde bisher nicht umgesetzt, Leible/Hoffmann, RIW 2006, 161, 165; von Busekist, GmbHR 2004, 650, 654 ff.; zu den Gesetzentwürfen für steuerliche Begleitmaßnahmen, die auch Umwandlungsvorgänge betreffen, Hahn, GmbHR 2006, 617 ff.

180

|

H. P. Westermann

Einleitung

Auslandsrechte

der Verschmelzung größerer Aktiengesellschaften wohl erst, wenn die Rechtsgrundlagen besser geklärt sind.

V. Auslandsrechte Schrifttum: Ebert/Levedag, Die zugezogene niederländische B.V. als Rechtsformalternative zur deutschen GmbH für in- und ausländische Investoren in Deutschland, GmbHR 2004, 880; Ebert/Levedag, Die zugezogene „private company limited by shares (Ltd.)“, GmbHR 2003, 1337; Lutter, Zur Entwicklung der GmbH in Europa und der Welt, GmbHR 2005, 1; Meyer/Ludwig, Französische GmbH-Reform 2003/ 2004: Gründungserleichterung und „Vereinfachung des Rechts“, GmbHR 2005, 459; Müller, W./Müller, S., Ausländische Gesellschaftsformen – eine wirkliche Alternative für Deutsche GmbH-Unternehmer?, 1. Teil: GmbH, SARL und SLNE, GmbHR 2006, 583; 2. Teil: Englische Ltd., niederländische BV, GmbHR 2006, 640; Römermann, Die Limited in Deutschland, Alternative zur GmbH?, NJW 2006, 2065; Timmermans, Die europäische Rechtsangleichung im Gesellschaftsrecht, RabelsZ 48 (1984), 1. Sammelbände: Behrens, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung im internationalen und europäischen Recht, 1997; Roth, Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch – ein internationaler Vergleich (mit Beiträgen von Stedile/ Foradori, Borgioli, Vidal, Druey, Karjala, Birds, Cheffins), 1990; Schröder, Die GmbH im europäischen Vergleich (mit Beiträgen von Dannemann, Wachter, Ries, Heckschen, Goette, Priester, Maul, Wenz), 2005.

1. Der Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen Die Entwicklung und Verbreitung der Formen einer kleinen Kapitalgesellschaft in Europa und in der Welt folgt keinem einheitlichen Trend, da in manchen Ländern die gesetzliche Schaffung dieses Gesellschaftstyps im Zuge einer Liberalisierung der Wirtschaft erfolgt, während in anderen Staaten bestehende Ordnungen durch zunehmende Regulierung, z.T. aber auch durch Deregulierung an die wirtschaftlichen Verhältnisse und die rechtspolitischen Strömungen angepasst werden sollen1. Ein erhebliches praktisches Interesse am Recht der kleinen, auch für mittelständische Unternehmen geeigneten, jedenfalls nicht börsengängigen Gesellschaftsformen folgt besonders in Europa aus der Judikatur des EuGH, die es ermöglicht, für unternehmerische Aktivitäten in einem Mitgliedstaat Gesellschaften nach dem Recht eines anderen Mitgliedslandes zu gründen oder das dadurch „erworbene“ Personalstatut u.a. auch bei einer Sitzverlegung ins Ausland „mitzunehmen“ (Rdnr. 152 ff.). Auf diese Weise ist ein Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen entstanden2. Dieser braucht sich in Zukunft auch nicht auf Europa zu beschränken, sondern erfasst aufgrund des FCN-Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA (dazu Rdnr. 90) auch US-amerikanische Gesellschaftsformen, besonders sogenannte Delaware-Gründungen. Aber bei einem weiteren Zusammenwachsen der Märkte könnte auch die Verwendung anderer nicht-europäischer Gesellschaftstypen in Betracht gezogen werden, jedenfalls dort, wo die von den betreffenden

1 So zusammenfassend Lutter, GmbHR 2005, 1, 3 f. 2 Dazu Bayer, BB 2003, 2357 ff.; Spindler/Berner, RIW 2003, 949 ff.; Happ, ZHR 169 (2005), 6 ff.; Wachter, GmbHR 2005, 717 ff.; H. P. Westermann, GmbHR 2005, 4, 9 ff.; schon früher Eidenmüller, ZIP 2002, 2233 ff.

H. P. Westermann

|

181

156

Einleitung

Auslandsrechte

Rechtsordnungen angewendete Anknüpfung des Personalstatuts sich nach der Gründungstheorie richtet und keine besonderen Absprachen in den – ziemlich zahlreichen – bilateralen Abkommen mit der Bundesrepublik (Rdnr. 90 ff.) getroffen sind. Insgesamt hat indessen die Praxis nach dem Bekanntwerden und der Durchsetzung der EuGH-Judikatur gezeigt, dass sich das Interesse der Unternehmen und vieler ihrer Berater1 hauptsächlich auf Vergleiche der deutschen GmbH und der englischen Ltd. konzentriert, was durch den Ruf der englischen Gesellschaftsform als besonders leicht und billig zu gründender und trotzdem die Haftungsbeschränkung gewährleistender Rechtsform begründet erscheint2. Hierbei kommt es aber nicht nur auf einen Vergleich zwischen dem jeweiligen ausländischen Recht und dem der deutschen GmbH an, sondern daneben auf die vom jeweiligen Auslandsrecht errichteten – und einstweilen vom EuGH noch nicht umfassend behandelten – Wegzugsschranken3. Auch muss man sich darüber klar sein, dass die Grundsätze der EuGH-Judikatur noch nicht in allen Mitgliedstaaten konsequent angewendet werden; so werden aus England tätigkeitsbezogene Regelungen für ausländische Gesellschaften berichtet, die etwa die Publizität, die Auflösung und die disqualification of directors betreffen und wahrscheinlich doch die Niederlassungsfreiheit berühren4, während für eine grenzüberschreitende Umwandlung die Gleichwertigkeit verschiedener Rechtsinstitute des englischen Gesellschaftsrechts mit den Schutzvorkehrungen des deutschen UmwG untersucht werden muss5. Griechische Registerbehörden verlangen bei der Errichtung einer Betriebsstätte einer deutschen GmbH den Nachweis, dass das satzungsgemäße Stammkapital voll eingezahlt ist. 157

Die folgende Darstellung muss auf die englische Ltd. und die US-amerikanische close corporation näher eingehen, wobei besonders auch Nachteile und Haftungsrisiken des ausländischen Rechts berücksichtigt werden müssen. Daneben werden die der GmbH vergleichbaren Rechtsformen einiger anderer EUMitgliedstaaten zumindest kurz vorgestellt, was angesichts der umfassenden Dokumentation in einigen Sammelbänden und in der GmbH-Rundschau6 als Wegweiser für die Praxis genügt. Das Interesse der Beratungspraxis finden dabei besonders die Regelungen über Gründung, Mindestkapital, Kapitalaufbringung, namentlich: Zulässigkeit und Bewertung von Sacheinlagen, Kapitalerhaltung, Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung (auch und gerade bei Verstoß gegen Publizitätspflichten im Sitzstaat), Zulässigkeit inländischer Insolvenzverfahren sowie Möglichkeiten eines Haftungsdurchgriffs bei Insolvenz oder sonstigen Unternehmenskrisen, bisher weniger (bedingt durch die zumeist noch geringe

1 Aus Beratersicht namentlich Wachter, GmbHR 2005, 88 ff.; Schumann, DB 2005, 743 ff.; Happ/Lorenz, DStR 2004, 730 ff.; s. vor allem die praktischen Informationen über die Gründung durch Dannemann, in: Schröder, S. 11 ff. 2 So Zöllner, GmbHR 2006, 1, 3 ff.; Römermann, NJW 2006, 2065 ff. 3 Näher Triebel/v. Hase, BB 2003, 2409 ff. 4 Diskussionsbeitrag von Teichmann, in: Schröder, S. 72. 5 Im Einzelnen dazu Wachter, GmbHR 2006, 601, 602 f. 6 S. Lutter, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 49, 55 ff.; ergänzend Lutter, GmbHR 2005, 1 ff. S. weiter W. Müller/S. Müller, GmbHR 2006, 583 (französisches und spanisches Recht); W. Müller/S. Müller, GmbHR 2006, 640 (englisches und niederländisches Recht); Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337 (Ltd.).

182

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

Unternehmensgröße) die Fragen der gesellschaftsrechtlich geordneten Mitbestimmung von Arbeitnehmern der Gesellschaft. Der gesamte Fragenkomplex hat auch Bedeutung für die Verhältnisse in grenzüberschreitend aufgestellten Unternehmensgruppen, der aber schon wegen der sehr unterschiedlichen Regelungsdichte auch in wichtigen europäischen und sonstigen Industrieländern einer Spezialdarstellung in den einschlägigen Werken zum Konzernrecht bedarf.

2. Die Rechtsformen des englischen Rechts Die mit der GmbH am ehesten vergleichbare Form des englischen Rechts ist die private company limited by shares (Ltd.), ein Verband mit geschlossenem Gesellschafterkreis, der sich von der bisweilen börsennotierten public company (plc) in vielen wichtigen Aspekten unterscheidet1. Beide Formen sind im Companies Act vom Jahre 1985 geregelt, der für Gründungen in England, Schottland und Wales gilt2. Die p.l.c. muss sich ausdrücklich als solche bezeichnen und ebenso registriert sein, sie hat ein Mindestkapital von 50 000 Pfund und erfordert wenigstens Vierteleinzahlung, weshalb die von jeher ohne Mindestkapitalerfordernis gründbare Ltd., wenn sie auch ihr tatsächlich vorgesehenes nominal (oder authorized) capital in der Gründungsurkunde (memorandum of association) angeben muss, für den Vergleich mit der GmbH in erster Linie herangezogen wird. In der Gründungsurkunde muss auch die Aufteilung des Stammkapitals und der Nennwert der Anteile angegeben werden; da entsprechend dem europäischen Recht (oben Rdnr. 68) eine Einmann-Gründung möglich ist und nennwertlose Anteile nicht zugelassen sind, muss der Gründer eine bestimmte Summe übernehmen, was dazu führen kann, dass das Stammkapital (und zwar das gezeichnete, das issued capital) nur 1 Penny beträgt3. Der Gegenstand der Geschäfte kann in einer allgemein formulierten Klausel (catch-allclause) so umfassend auf alle Arten von Handel und Gewerbe bezogen werden, dass etwaige Probleme mit der ultra-vires-Lehre (Rdnr. 113) entfallen4; das hat auch für die Registereintragung einer EU-Auslandsgesellschaft in Deutschland Bedeutung (s. schon Rdnr. 118). Die Gründungsurkunde muss auch Firma und registered office der Gesellschaft benennen. Die Angaben sind in zwei Formularen enthalten, die der Gründer auszufüllen hat und die durch einen Anwalt oder eine andere hierfür autorisierte Stelle beglaubigt sein müssen. Neben dem memorandum können die Gründer das Innenverhältnis durch articles of association regeln, deren Gestaltung ihnen freisteht und die grundsätzlich frei abänderbar sind. Das memorandum wird der zentralen Behörde (dem „Companies

1 Eine dritte Form, die private company limited by guarantee, bei der die Gesellschafter bei Liquidation der Gesellschaft bis zu einem bestimmten Höchstbetrag haften und Einlagen überhaupt nicht geleistet werden müssen, kommt vorwiegend bei Verfolgung gemeinnütziger und sonst nicht-wirtschaftlicher Zwecke vor, Dannemann, in: Schröder, S. 11 f. 2 Näher Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rdnr. 5. 3 Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1340; Pennington/Gansen, in: Lutter, Die Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland, 3. Aufl. 1995, S. 281, 286; Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rdnr. 35. 4 Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rdnr. 16.

H. P. Westermann

|

183

158

Einleitung

Auslandsrechte

House“ mit Sitz in Cardiff) vorgelegt1. Die Formulare müssen von sämtlichen Geschäftsführern und dem daneben zu bestellenden „secretary“ (Rdnr. 161) unterschrieben sein, wobei die „Direktoren“ auch anzugeben haben, welchen weiteren Gesellschaften sie als director angehören. Mit der behördlichen Ausstellung des certificate of incorporation, die neben den sonstigen Gründungsformalitäten die eidesstattliche Versicherung eines Anwalts oder eines ernannten Geschäftsführers voraussetzt, dass alle Gründungsvoraussetzungen eingehalten wurden, entsteht die Gesellschaft als rechtsfähiges Gebilde, für deren Verbindlichkeiten die Gesellschafter nur auf ihre Einlage beschränkt haften (zu Ausnahmen Rdnr. 160). Die Gründung ist nach den gegenwärtigen Sätzen nicht teuer und kann notfalls innerhalb eines Tages durchgeführt werden2. Das liegt auch daran, dass bezüglich der Einlagefähigkeit von Gegenständen, wenn diese nur überhaupt einen Vermögenswert haben, und vor allem der Bewertung von Sacheinlagen eine dem deutschen Recht vergleichbare Kontrolle nicht stattfindet, so dass – auch wegen des Fehlens einer Mindesteinzahlungspflicht – bei der Gründung einer sicher aufgebrachtes Unternehmensvermögen nicht vorhanden sein muss3. 159

Der verhältnismäßig großen Freiheit in der Kapitalaufbringung entspricht die Regelung der Kapitalerhaltung aufgrund einer Reform vom Jahre 1980 nicht ganz, ihre Instrumente unterscheiden sich aber von denen des deutschen Rechts erheblich. Der wichtigste Unterschied ist die – allerdings inhaltlich weitergreifende – Staatsaufsicht, die auch Vorgänge erfasst, die nach deutschen Kapitalerhaltungsregeln bedenklich wären. Nach der geltenden Gesetzeslage dürfen Ausschüttungen nur aus verteilungsfähigem Gewinn erfolgen, wofür vorab Verluste aus früheren Rechnungsperioden ausgeglichen sein müssen4. In diesem werden auch verdeckte Gewinnausschüttungen erfasst5, und Rücklagen können, auch wenn das nominal capital unangetastet bliebe, nicht aufgelöst werden6. Als Gewinnausschüttung in diesem Sinne werden auch übermäßige Vergütungen betrachtet. Bei Verstößen unterliegen die Gesellschafter einer Rückgewährpflicht, Geschäftsführer können auf Schadensersatz haften, wenn Ausschüttungen auf Grund unrichtiger Bilanzen erfolgt sind7. Dennoch ist Gläubigerschutz nicht unbedingt ein Anliegen des englischen Rechts in diesem Zusammenhang; wohl wird versucht, im Insolvenzfall durch besondere, wenn auch nicht auf gesell1 Kein Zwang besteht insoweit bezüglich der articles of association (Zöllner, GmbHR 2006, 1, 3), es sei denn, sie weichen von dem gesetzlichen Muster ab, Römermann, NJW 2006, 2065, 2066; zur Publizität im Einzelnen Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1338. 2 Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rdnr. 23; im Einzelnen unter genauer Aufschlüsselung der Kosten dazu Dannemann, in: Schröder, S. 15 ff.; Zöllner, GmbHR 2006, 1, 2. 3 Näher Micheler, ZGR 2004, 324, 326; Schumann, DB 2004, 743 ff.; Fleischer, in: Lutter, S. 58. 4 Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1343; Kallmeyer, DB 2004, 636 f.; Zöllner, GmbHR 2006, 1, 6. 5 Auch dazu Micheler, ZGR 2004, 324, 328 f.; Fleischer, in: Lutter, S. 59; Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rdnr. 40. 6 Kallmeyer, DB 2004, 637; Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rdnr. 39. 7 Näher Fleischer, in: Lutter, S. 59 f. m.N. aus der Rechtsprechung; Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1343.

184

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

schaftsrechtliche Vorgänge zugeschnittene Anfechtungstatbestände an gläubigerschädigende Auskehrungen heranzukommen. Da die Behörden anhand der regelmäßig einzureichenden Unterlagen die Möglichkeit haben, wegen eines offensichtlichen Missverhältnisses zwischen vorhandenen Mitteln und Gesellschaftsgegenstand, aber auch bei Gefährdung der Anteilseigner, die Gesellschaft aufzulösen1, kommt das englische Recht offenbar ohne eine explizite Regelung über Kapitalersatz aus2. Auch im übrigen ist die Staatsaufsicht, die aufgrund jährlich einzureichender Jahresabschlüsse und WP-Berichte sowie behördlicher Rechte auf Dokumenteneinreichung und weitgehende, auch von Amts wegen einzuleitende Ermittlungsbefugnisse durchzuführen ist und auch zur Ablösung von Geschäftsleitern führen kann3, ein besonderes Kennzeichen. Da diese Maßnahmen dem öffentlichen Recht angehören, ist ihre Durchsetzbarkeit in Bezug auf im Ausland tätige Gesellschaften nicht problemlos, aber, wie ein in Deutschland entschiedener Fall4 zeigt, auch keineswegs nur theoretisch5. Das englische Recht muss angesichts der rechtstatsächlich sehr verbreiteten Ltd.-Gesellschaften mit minimalem oder geringem Stammkapital. die nach den bisherigen Erfahrungen auch unter den Auslandsgesellschaften eine große Rolle spielen, für Krisensituationen und das Betreiben von Gesellschaften in Insolvenznähe besondere Vorkehrungen treffen6. Eine dem deutschen Gesellschaftsrecht vergleichbare Insolvenzantragspflicht besteht nicht, aber der Geschäftsleiter einer in eine Krise geratenen Gesellschaft, der es unterlässt, Schutzmaßnahmen für die Gesellschaftsgläubiger für den Insolvenzfall zu treffen, kann, wenn dieser Fall eintritt, wegen wrongful trading der Insolvenzmasse auf den hierdurch entstandenen Schaden haften7. Das ist eine Haftung für Krisenverschleppung, die subjektiv ein Verschulden in Bezug auf die Unvermeidbarkeit der Insolvenz bei Fortsetzung des Geschäftsbetriebs voraussetzt. Auch wenn die Geschäftsleiter die Beweislast für fehlendes Verschulden tragen, hat es den Anschein, als wendeten die Gericht hier keine reine Erfolgshaftung an, sondern räumten den Betroffenen einen gewissen Beurteilungsspielraum ein8. Den Inhalt der Haftung können die Gerichte ebenfalls innerhalb eines gewissen Er-

1 Paefgen, Kurzkomm. EWiR 2003, 571 f.; Großfeld, in: Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht Rdnr. 131. 2 Fleischer, in: Lutter, S. 60; zum Verständnis der englischen Juristen bezüglich der Entwicklung des deutschen Kapitalersatzrechts s. H. P. Westermann, ZIP 2005, 1849, 1858. 3 Zu den Sonderregeln über die Disqualifikation von Geschäftsleitern näher Zöllner, GmbHR 2006, 1, 8; Römermann, NJW 2006, 2065, 2067. 4 AG Duisburg, NZG 2003, 1167 und dazu oben Rdnr. 151. 5 Von nicht weniger als 71 Fällen der zwangsweisen Auflösung allein im Jahre 2001 und 2003 berichtet Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rdnr. 77 m.N. Zur Buchführungspflicht nach englischem neben der Rechnungslegung nach deutschem Recht Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1339. 6 Zum Insolvenzrecht der englischen Ltd. näher Köhe, ZInsO 2005, 354 ff. 7 Ausführlich Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 174, 182 ff.; Schall, ZIP 2005, 965; Fleischer, in: Lutter, S. 62 f.; Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rdnr. 67 ff.; zu den skeptischen Bemerkungen von Wood (s. den Bericht von v. Hein, ZGR 2006, 288, 289) bezüglich der Realisierung dieses Anspruchs s. Goette, ZGR 2006, 261, 278 f. Weitere Anspruchsgrundlagen bei Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337, 1340. 8 Fleischer, in: Lutter, S. 62; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), 184 ff.

H. P. Westermann

|

185

160

Einleitung

Auslandsrechte

messens näher festlegen1. Wie in Deutschland, wird auch in England im rechtspolitischen Raum eine Vorverlegung der Geschäftsleiterhaftung erwogen2. Hingegen ist eine ausgeprägte Praxis des Durchgriffs auf die Gesellschafter von Gesellschaften, die ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen können, bisher nicht entwickelt worden3. Immerhin werden Ansätze diskutiert, wobei der Fall des Vorschiebens einer vermögenslosen Gesellschaft vielleicht von der Praxis einmal aufgegriffen werden könnte. Andererseits genügt die bloße Unterkapitalisierung der Gesellschaft, auch wenn sie von der Staatsaufsicht aufgegriffen werden kann (Rdnr. 159), für eine Durchgriffshaftung nicht4. Ob allerdings Fälle wie der in Deutschland unter dem Aspekt der Existenzvernichtungshaftung entschiedene (Rdnr. 13, 147 ff.) nicht doch eine Durchgriffshaftung oder zumindest eine Geschäftsführerverantwortung wegen wrongful trading auslösen würden, ist nicht sicher zu übersehen; mindestens wird in solchen Fällen die Disqualifikation des schuldigen Geschäftsleiters eingreifen. 161

Die Vergleiche zwischen der Ltd. und der GmbH betrachten in erster Linie die Haftungskonzeptionen, namentlich die Unterschiede zwischen der Existenzvernichtungshaftung des deutschen und der Geschäftsleiterhaftung des englischen Rechts5, mit etwas geringerem Gewicht die Fragen der Registrierung und der Publizität der EU-Auslandsgesellschaften in Deutschland6; eine Rolle spielen auch die organisatorischen Strukturen, die sich nach dem englischen Gründungsrecht richten7. Der Wettbewerb der beiden Formen wird nicht selten mit kritischen Blicken auf die Ltd. zugunsten der GmbH entschieden, die Beraterhaftung wird dabei deutlich angesprochen8. Lässt man die – denkbare – Möglichkeit beiseite, dass sich der deutsche Gesetzgeber auf eine GmbH ohne Mindeststammkapital einlassen könnte9, zeichnen sich für den Vergleich der beiden Rechtsformen einige Schwerpunkte der Entscheidungsfindung ab. Die Gründung einer Ltd. ist in der Tat bedeutend einfacher und kostengünstiger als die einer GmbH, dies auch wegen der größeren Freiheit in der Aufbringung des Nominalkapitals. Die Registrierung einer Ltd. in Deutschland macht den Registergerichten Schwierigkeiten, die aber überwindbar sind, so dass es nicht anzuraten ist, darauf zu verzichten. Wenn auch der BGH die Handelndenhaftung in entsprechender Anwendung des § 11 Abs. 2 abgelehnt hat (Rdnr. 145 f.), muss in solchen Fällen mit Bußgeldern gerechnet werden; aber wenn andere Mit1 Fleischer, in: Lutter, S.63; eine Erschwernis bildet aber offenbar der Umstand, dass die Kosten der Durchsetzung von Ansprüchen wegen wrongful trading bisher nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zählten, Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rdnr. 69. 2 Näher Fleischer, in: Lutter, S. 64 f. 3 Auch dazu Fleischer, in: Lutter, S. 67 f.; Zöllner, GmbHR 2006, 1, 7. 4 Näher Dichtl, GmbHR 2005, 886 ff. 5 Köhe, ZInsO 2005, 354 ff.; Burg, GmbHR 2004, 1379 ff.; Lanzius, ZInsO 2004, 296 ff.; Schall, ZIP 2005, 965 ff.; Pannen/Riedemann, NZI 2005, 413 f.; Mock, Kurzkomm. EWiR 2005, 425; Heinz, AnwBl. 2005, 417 ff.; Zöllner, GmbHR 2006, 1, 4 ff.; Römermann, NJW 2006, 2065 ff. 6 Dazu Westhoff, ZInsO 2004, 289 ff.; Herchen, RIW 2005, 529 ff.; Heckschen, NotBZ 2005, 24 ff.; Klose/Mockross, DStR 2005, 1013 ff.; Süß, DNotZ 2005, 180 ff. 7 Dazu etwa Graf Bernstorff, RIW 2004, 498 ff.; Römermann, NJW 2006, 2065, 2067. 8 Dierksmeier, BB 2005, 1516 ff.; s. auch Stark, GewA 2005, 265 ff. 9 Zu diesen Überlegungen etwa Seibert, BB 2005, 1061 f.; Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 ff.

186

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

gliedstaaten zu Sanktionen übergehen sollten, die gemeinschaftsrechtlich akzeptiert werden, weil sie nicht das Niveau der Regelung im niederländischen WFBV erreichen, die der EuGH im Inspire-Art-Urteil verworfen hat (Rdnr. 106), so ist eine Anpassung der Rechtslage in Deutschland nicht auszuschließen; zu den rechtspolitischen Bestrebungen in Deutschland näher Rdnr. 179 ff. Schließlich ist davon auszugehen, dass die gegenüber der GmbH größere Kapitalflexibilität der Ltd. ihr auch bei der Übernahme der Komplementärrolle in einer Ltd. & Co. KG nützlich ist1, wenn man diese für zulässig hält (Rdnr. 141). Die Regelung des Innenverhältnisses einer Ltd. wirft keine allzu schwierigen Probleme auf: Es genügt ein Geschäftsführer, wenn mehrere vorhanden sind, ist eine scharfe Trennung von operativer Geschäftsführung und Kontrolle nicht vorgeschrieben, so dass insoweit die articles of association frei sind2. Die Gesellschafter sind als solche nicht entscheidungsbefugt, und die Vertretung obliegt allein dem oder den Geschäftsführern, die aber Gesellschafter sein können. Allerdings muss jede Ltd. einen Sekretär haben, der nicht mit dem einzigen Geschäftsführer personengleich sein darf. Seine Aufgaben umfassen die Dokumentation von Gesellschaftsakten einschließlich der – zwingend vorgeschriebenen – Protokollierung von Gesellschafterbeschlüssen. Angesichts der Maßgeblichkeit des Gründungsrechts für das Personalstatut und der daraus wohl folgenden ausschließlichen Zuständigkeit der englischen Gerichte für Streitigkeiten unter den Gesellschaftern3 ist bei der Gründung insgesamt fachliche Beratung aus der Sicht des Sitzund des Gründungsrechts erforderlich4. Besondere Beachtung verdienen die Fragen der Haftung, da noch nicht abschließend geklärt ist, ob die Existenzvernichtungshaftung und die Insolvenzverschleppungshaftung nach deutschem Recht auf die Gesellschafter und Geschäftsführer einer hier ansässigen Ltd. angewendet werden können5. Insoweit sind zumindest die Regeln des englischen Rechts, besonders auch des Insolvenzrechts, heranzuziehen, die bei leichtfertiger Misswirtschaft durchaus eingreifen und auch abschreckend wirken können6. Inwieweit dies auch in Bezug auf die „directors disqualification“ nach englischem Recht7 gelten wird, ist noch nicht abzusehen. Insgesamt ist vor schlagwortartigen Urteilen („Billig-GmbH“) zu warnen.

3. Zum US-amerikanischen Recht Die close corporation des US-amerikanischen Rechts kann aufgrund der Maßgeblichkeit des Rechts der Einzelstaaten nicht pauschal dargestellt werden; be-

1 Dazu näher Werner, GmbHR 2005, 288 ff.; Süß, GmbHR 2005, 288 ff., die allerdings auch einen beträchtlichen Kostenaufwand annehmen. 2 Näher Rehm, in: Eidenmüller, § 10 Rdnr. 57 ff. 3 Dazu näher Schillig, IPRax 2005, 208 ff. (allerdings str.). 4 Näher Wachter, GmbHR 2004, 88 ff.; Kallmeyer, DB 2004, 636 ff. 5 Zur Notwendigkeit der Ausdehnung der Existenzvernichtungshaftung auf die Ltd. ablehnend Burg, GmbHR 2004, 1379 ff. 6 Happ/Haller, DStR 2004, 730 ff.; Schumann, DB 2004, 743 ff.; Burg, GmbHR 2005, 565 ff.; Zöllner, GmbHR 2006, 1, 10; unentschieden Kallmeyer, DB 2004, 636 ff.; zu Reformbestrebungen in Bezug auf eine Verbesserung des Gläubigerschutzes Micheler, ZGR 2004, 324 ff.; Wachter, in: Schröder, S. 35 f. 7 Dazu Lanzius, ZInsO 2004, 296 ff.

H. P. Westermann

|

187

162

Einleitung

Auslandsrechte

sondere Verbreitung wegen seines sehr liberalen und unbürokratischen Zuschnitts hat aber das Delaware General Corporation Law (DGCL) gewonnen1. In diesem Gesetz ist in Gestalt von Sonderbestimmungen die Close Corporation geregelt, die ähnlich der GmbH als „kleine“ Kapitalgesellschaft konzipiert ist, während die corporation allgemein auch für große Unternehmen in Betracht kommt (die Abgrenzungen sind fließend). Nicht Gegenstand einzelstaatlicher Gesetzgebung, sondern Bundessache ist das Kapitalmarktrecht, ebenso das Insolvenzrecht2. Was die Finanzverfassung anbelangt, so ist für die Formen der Corporation ein gesetzliches Mindestkapital nicht (mehr) vorgeschrieben, das von der Gesellschaft tatsächlich vorgesehene Stammkapital (stated capital) ist vom authorised capital zu unterscheiden, das angibt, bis zu welcher Höhe die Gesellschaft Anteile ausgeben darf. Es können nennwertlose Anteile ausgegeben werden, was dann bedeutet, dass ein Stammkapital nicht angegeben werden kann. Angaben bezüglich der Kapitalverhältnisses sowie Name und Anschrift der Gründer, Ort der registered office und der Name des örtlichen Zustellungsbevollmächtigten, ferner auch Namen und Anschrift der Geschäftsführer gehören zum obligatorischen Inhalt eines von den Gründern unterschriebenen und von einem notray public beglaubigten Gründungsdokuments (certificate of incorporation), das beim secretary of state einzureichen ist, und das auch – einer Satzung vergleichbar – Regelungen zum Innenverhältnis der Gesellschaft enthalten kann3. Daneben gibt es verbreitet Nebenordnungen (Bylaws), die nicht zum Gründungsvorgang gehören und auch nicht beim state secretary einzureichen sind und daher auch später zustandekommen können, die aber dem certificate of incorporation nachgehen. Schließlich können die Gesellschafter ihre auf die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte bezüglichen Rechtsverhältnisse auch durch shareholder's agreements regeln, die auch das Leitungsermessen der Geschäftsführung einschränken können. Die Geschäftsführung kann, muss aber nicht, in den Händen von Gesellschaftern liegen. Mit der Einreichung des certificate of incorporation erlangt die Gesellschaft Rechtsfähigkeit, angesichts des Fehlens von Erfordernissen der Kapitalaufbringung also u.U. auch ohne eine Einlageleistung der Gesellschafter, der Gründungsvorgang ist also tatsächlich unbürokratisch. 163

Das Gesetz bemüht sich auf verschiedene Weise, wenn auch nicht so intensiv und lückenlos wie das deutsche GmbH-Recht4, um Schutz vor Gläubigergefährdung durch die Auskehrung von Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter. Für Gewinnausschüttungen ist auf den Überschuss der Vermögensgegenstände über das Stammkapital abzustellen, zu diesem Zweck können u.U. auch die

1 Zur Entwicklung des diesbezüglichen Wettbewerbs unter den Einzelstaaten und zu den Gründen der „Marktführerschaft“ Delawares Rehm, in: Eidenmüller, § 11 Rdnr. 2, 6; zum US-amerikanischen Gesellschaftsrecht im Übrigen Fleischer, NZG 2004, 1129 ff. 2 Die kapitalmarktrechtlichen Begriffsbestimmungen für kleinere Gesellschaften gehen davon aus, dass der Gesellschaft nicht mehr als 500 Eigner angehören und das Gesellschaftsvermögen unter 5 Mio. US-Dollar liegt, auch insoweit verfließen die Grenzen zwischen großer und kleiner Gesellschaft, näher Bungert, GmbHR 1993, 478, 481. 3 Zum Gründungsvorgang näher Rehm, in: Eidenmüller, § 11 Rdnr. 14–17. 4 Hierzu (zugleich in Gegenüberstellung zu einigen Regeln in Kalifornien und New York) Fleischer, in: Lutter, S. 70 ff.

188

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

Vermögensgegenstände bewertet werden, und auch bei Fehlen eines derartigen Überschusses sind Dividendenzahlungen aus Gewinnen des vergangenen oder laufenden Geschäftsjahres zulässig, was allerdings, da es auch bei bereits überschuldeten Unternehmen so gehandhabt werden kann, dem Gläubigerschutz abträglich ist1. Die wohl als Bremse vorgesehene Regelung, dass eine Auszahlung nicht die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft beeinträchtigen darf2, zieht keine Rückforderungsansprüche der Gesellschaft nach sich, wohl haften die Geschäftsführer gesamtschuldnerisch in Höhe des zu Unrecht ausgekehrten Betrages3. Eine erhebliche Verschiebung zum Nachteil der Gesellschafter und Geschäftsführer tritt allerdings im Insolvenzfall ein. So kann das Insolvenzgericht für Forderungen von Gesellschaftern eine Nachrangigkeit gegenüber anderen Forderungen verfügen, die Kriterien hierfür lassen sich aber nicht sicher angeben4. Ohne spezielle gesetzliche Regelung von Insolvenzantragspflichten der Gesellschaftsorgane haben die Gerichte aber Pflichten der Geschäftsführer entwickelt, in einer Unternehmenskrise die Interessen (auch) der Gläubiger zu beachten, wobei auch hier die Maßstäbe zu schwanken scheinen5. Rein kasuistisch erfassbar sind auch die Möglichkeiten einer Durchgriffshaftung der Gesellschafter (piercing the corporate veil), gerade in Delaware werden diese aber im Vergleich zu anderen US-amerikanischen Staaten offenbar sehr zurückhaltend gehandhabt6. Ein Durchgriff kommt hauptsächlich nur bei Tatbeständen von fraud, also etwa dem Vorschieben einer vermögenslosen juristischen Person oder Vermögensvermischung, nicht aber bei Unterkapitalisierung in Betracht. Auch hierzu müssen geschädigte Gläubiger die Gerichte anrufen, eine behördliche Kontrolle etwa aufgrund laufender Berichts- und Rechnungslegungspflichten, gibt es im Gesellschaftsrecht – anders insoweit bei Anwendung kapitalmarktrechtlicher Vorschriften – nicht7. Das gilt insbesondere für die Aufsicht durch die Securities and Exchanges Commission (SEC), die die close corporation nicht erfasst. Naturgemäß gibt es daher auch keine behördliche Auflösung von Gesellschaften, die Publizitätspflichten nicht nachkommen oder zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten nicht (mehr) imstande sind. Dass certificate of incorporation kann freilich Bilanzierungspflichten festlegen, was für die Geschäftsführer und Gesellschafter wichtig sein kann, weil sie gegenüber der Beweislastüberbürdung, die ihnen im Rahmen der Durchgriffshaftung oder der Haftung für Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft droht, auf ihren guten Glauben an die Richtigkeit einer geprüften Buchführung verweisen können. Insgesamt sind somit schwerwiegende Lücken im Gläubigerschutz des USamerikanischen Rechts nur zu sehen, wenn die Dinge aus der Perspektive des 1 2 3 4 5 6

Näher mit Nachweisen Fleischer, in: Lutter, S. 71; Augustin, RIW 1994, 659 ff. Zu den vorigen noch Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rdnr. 461. Rehm, in: Eidenmüller, § 11 Rdnr. 32. Fleischer, in: Lutter, S. 74; Rehm, in: Eidenmüller, § 11 Rdnr. 34, 51. Fleischer, in: Lutter, S. 75. Allgemein dazu Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rdnr. 313 ff.; Bungert, GmbHR 1993, 478, 487; Buxbaum/U. H. Schneider, ZGR 1982, 199 ff.; Ebke/ Stadler, RIW 1989, 413. 7 Rehm, in: Eidenmüller, § 11 Rdnr. 55–57.

H. P. Westermann

|

189

164

Einleitung

Auslandsrechte

in dieser Hinsicht besonders (und immer noch zunehmend) strengen deutschen Rechts betrachtet werden. Das ist bei der Prüfung von Sonderanknüpfungen zur Durchsetzung deutschen Gesellschaftsrechts gegenüber US-amerikanischen Auslandsgesellschaften (s. auch Rdnr. 92) zu beachten. Auf der anderen Seite genießen Minderheitsgesellschafter zwar keinen besonders ausgeprägten gesetzlichen Schutz, der aber auch für die close corporation durch eine vielfältige Judikatur zu den Treuepflichten (duties of loyality) gegenüber der Gesellschaft, aber gerade auch gegenüber Minderheiten in einer nicht zu vernachlässigenden Weise entwickelt ist1.

4. Die „kleine“ Kapitalgesellschaft in Frankreich 165

Frankreich hat aufgrund einer Gesetzesreform seit Anfang 2004, die hauptsächlich, wenn auch nicht nur die Gründung und Kapitalausstattung der SARL im Sinne einer Deregulierung modifizieren wollte, kein Mindeststammkapital mehr, das also theoretisch nicht einmal 1 Euro betragen müsste, sondern überlässt dem Statut die Festlegung des von den Gründern gewollten Nennkapitals und den Gründern die Erklärung, was für einen Geschäftsanteil sie übernehmen wollen. Das hat überrascht, da das bisherige Mindestkapital nur 7500 Euro betragen hatte, was verbreitet als viel zu niedrig angesehen wurde2. Es heißt zwar, der Verzicht auf jegliche Mindestausstattung habe mit den Folgen der EuGH-Rechtsprechung nichts zu tun, aber der Gesetzgeber hat offenbar auch bezweckt, unternehmerische Initiative zu fördern, ohne auf der anderen Seite zum Aufkommen von reinen Briefkastengesellschaften anzureizen und den Gläubigerschutz zu vernachlässigen. An sich ist der Typus der SARL als Mittelweg zwischen der Société en Participation und der Société Anonyme angelegt und ist auch tatsächlich in einer den deutschen Verhältnissen in etwa vergleichbaren Weise verbreitet3; die letzten Reformen haben sie aber vom Bild der SA offenbar weiter entfernt4. Die Einschaltung eines Notars oder Anwalts ist nicht notwendig, die Satzung bedarf einer Beurkundung nur, wenn Grundstücke eingebracht werden sollen; auch die Kosten für die Registereintragung sind mäßig5. Im Firmenrecht herrscht wie allenthalben in Europa weitgehende Freiheit, allgemein verbreitete ausländische Rechtsformzusätze werden akzeptiert. Die Folgen des Wegfalls eines Mindeststammkapitals für die gläubigerschützenden Regeln, auch für diejenigen zur persönlichen Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern, namentlich in der Insolvenz, sind noch nicht völlig überschaubar, doch verlässt man sich offenbar zunächst auf die Publizität durch Registereintragungen. Diese weisen die von der Publizitätsrichtlinie vorge1 Auch dazu Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991, Rdnr. 893 ff.; Bungert, GmbHR 1993, 478, 487; Rehm, in: Eidenmüller, § 11 Rdnr. 7. 2 Nachweise bei Recq-Hoffmann, GmbHR 2004, 1070 ff.; Frank/Wachter, RIW 2002, 11 ff.; Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346, 349; Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 459 ff. 3 Nähere Angaben zu Frankreich bei Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 347, über Europa allgemein Wachter, in: Schröder, S. 39. 4 Von einer möglichen „Blitz-Gründung“ sprach allerdings – noch während des Gesetzgebungsverfahrens – Becker, GmbHR 2003, 706 ff. 5 Wachter, in: Schröder, S. 45 nennt (einschließlich Veröffentlichung) einen Betrag bis etwa 200 Euro; etwas höhere Beträge bei Müller/Müller, GmbHR 2006, 583, 586.

190

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

schriebene elektronische Form auf, von der – zusammen mit einem wenigstens das statutarische Kapital betreffenden Einsichtsrecht – ein gewisser Gläubigerschutz erwartet wird. Das gezeichnete und eingezahlte Kapital muss auch auf den Geschäftsbriefen stehen1. Auch in Frankreich sind Sacheinlagen zulässig, die aber durch einen speziellen Prüfer (Commissaire aux Apports) bewertet werden müssen. Hingegen sind Regeln über verdeckte Sacheinlagen oder Eigenkapitalersatz unbekannt. Insgesamt ist das Gründungsrecht in seiner gewissen Liberalität für deutsche Unternehmensgründer nicht uninteressant2, auch wegen der weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Gesellschaftsvertrages3. Für den Wegzug französischer Gesellschaften nach Deutschland fehlt es allerdings ohne eine Entscheidung des EuGH an einer ganz klaren Rechtsgrundlage4. Das frühere Recht der französischen SARL enthielt gewisse Vorkehrungen zur Verantwortlichkeit von Gründern und Geschäftsführern bei einem Zusammenbruch der Gesellschaft. Die Rechtsinstitute sind im Wesentlichen insolvenzrechtlicher Natur; so können verantwortliche Geschäftsleiter mit einer begrenzten Nachschusspflicht belegt werden, was hinter einer Schadensersatzhaftung allerdings zurückbleibt5, während die „Action en Comblement du Passif“ eine verschuldensunabhängige Haftungserstreckung der Leiter und „Dirigeants de fait“ der Gesellschaft bewirkt6, die inhaltlich auf Zahlung einer Geldsumme bis zur Höhe der Unterdeckung geht und in der Praxis sehr verbreitet angewendet wird. Daneben gab es eine Haftung für Fehler im Gründungsverfahren sowie für Geschäfte im Gründungsstadium, die sowohl Organwalter als auch Gesellschafter treffen konnte7; man muss allerdings abwarten, ob nach der Beseitigung des Mindestkapitalerfordernisses diese Regeln noch uneingeschränkt durchgesetzt werden können. Das wird jedenfalls für die Vorschriften, die bei Auseinanderfallen von Eigen- und Stammkapital eine formelle Entscheidung über Fortführung oder Liquidation fordern, nicht angenommen8. Sanktion wäre ohnehin nur ein Auflösungsverlangen der Gläubiger. Die Organisation der SARL geht wie in den anderen europäischen Rechtsordnungen von der Stellung der Gesellschafterversammlung als oberstem Organ aus, die Geschäftsführung und Vertretung (als Einzelvertretung mit Widerspruchsrecht der anderen)9 obliegen dem Geschäftsführer (gérant), der aber, wenn es die Satzung vorsieht, für 1 Wachter, in: Schröder, S. 58; die Vereinheitlichung der Rechnungslegung nach den IAS/ IFRS-Standards aufgrund der europäischen IAS-Verordnung (EG-Verordnung Nr. 1006/ 2002 v. 19. 7. 2002, ABl. EG Nr. L 243 v. 11. 9. 2002) dürfte aufgrund der starken Kapitalmarktorientierung dieses Regelwerks (dazu Kleindiek, Rechnungslegung in der EU, 2005, S. 8 ff.) für die 1-Euro-SARL kaum in Betracht kommen. 2 Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 559, 462 f.; mit einigen Abstrichen auch Recq-Hoffmann, GmbHR 2005, 1070, 1076 f.; Lutter, GmbHR 2005, 1, 4. 3 Näher Guyon, Zur Gestaltungsfreiheit im französischen Gesellschaftsrecht, in: Lutter/ Wiedemann, 25 Jahre ZGR, 1997, S. 297, 299. 4 Auch dazu Recq-Hoffmann, GmbHR 2005, 1070, 1076 f.; Guyon, in: FS Lutter, 2002, S. 91. 5 Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346, 351. 6 Dazu Ullrich, DB 1990, 465. 7 Näher dazu Lacorne, GmbHR 1996, 794 ff. 8 Meyer/Ludwig, GmbHR 2005, 346, 349; Müller/Müller, GmbHR 2006, 583, 586. 9 Dazu Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt E Rdnr. 1437.

H. P. Westermann

|

191

166

Einleitung

Auslandsrechte

bestimmte Geschäfte die Zustimmung der Gesellschafterversammlung braucht. In der Gesellschafterversammlung haben die Gesellschafter ein Stimmrecht nach Maßgabe ihrer Kapitalbeteiligung, abgestimmt wird mit einfacher Mehrheit, satzungsändernde Beschlüsse bedürfen einer qualifizierten Mehrheit, wobei bemerkenswert ist, dass Satzungsänderungen zwar in einfacher Schriftform dokumentiert werden können, aber zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung ins Handelsregister bedürfen1. Wie im deutschen Recht ist die Vertretungsbefugnis zwingend geregelt, ein Weisungsrecht der Gesellschafter ist zwar nicht gesetzlich vorgesehen, der Geschäftsführer ist aber von den Gesellschaftern insofern abhängig, als er mit absoluter Mehrheit des Stammkapitals jederzeit abberufen werden kann, auf Antrag eines einzelnen Gesellschafters auch aus wichtigem Grund durch das Gericht; auch kommt eine Schadensersatzhaftung in Betracht2. Der Geschäftsführer ist für die Rechnungslegung und die gehörige Publikation verantwortlich und kann bei Versäumen dieser Pflichten mit Ordnungs- oder Bußgeldern belegt werden. Das entspricht zwar der Publizitätsrichtlinie, doch wird über verschärfte Sanktionen zur Verstärkung des hiervon erhofften Gläubigerschutzes nachgedacht. Insgesamt dürfte die Benutzung dieser Rechtsform aus deutscher Sicht keine unüberwindlichen Probleme aufwerfen.

5. Die neue Rechtslage in Italien 167

Die Stellung der societa à responsailità limitata in Italien ist durch eine grundlegende, am 1. 1. 2004 in Kraft getretene Reform3 vorwiegend dahin gekennzeichnet, dass für sie im Unterschied zur Aktiengesellschaft wesentlich größere Flexibilität gewollt ist. Das betrifft vor allem das Innenverhältnis, während für die Kapitalerhaltung und die Haftung deutlich schärfere Vorschriften gelten als für die Rechtsordnungen Frankreichs (Rdnr. 165) und Spaniens (Rdnr. 168). Zwar ist das Mindeststammkapital mit 10 000 Euro (ohne Mindesteinlage) nicht sehr bedeutend, und es ist möglich, als Einlage Dienstleistungsverpflichtungen zu übernehmen, deren Wert allerdings durch Sachverständigengutachten dargetan werden muss4; andererseits hat das neue italienische Gesetz in ausdrücklicher Anlehnung an das deutsche Recht eine Normierung der kapitalersetzenden Darlehen unternommen5. Überhaupt sind die Kapitalmaßnahmen einschließlich der Kapitalherabsetzung jetzt eingehend geregelt6, und das Gesetz geht auch auf Fragen der Konzernhaftung ein7. Neu geregelt sind ferner die Gewinnverwendung, die Kündigung einer Beteiligung8 und die Organverfas1 Wachter, in: Schröder, S. 61 ff. 2 Zur Schadensersatzhaftung des Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft neuerdings Becker, GmbHR 2003, 162 ff.; Recq-Hoffmann, GmbHR 2004, 1070, 1076. 3 Dazu im Einzelnen Lorenzetti/Strnad, GmbHR 2004, 731 ff.; Steinhauer, EuZW 2004, 364 ff.; Hartl, NZG 2003, 667 ff.; Buse, RIW 2002, 676 ff.; Haas, GmbHR 2004, 557; Kindler/Bader, RIW 2004, 29. 4 Lorenzetti/Strnad, GmbHR 2004, 731 ff. 5 Lorenzetti/Strnad, GmbHR 2004, 731 ff.; Haas, GmbHR 2004, 557 ff. 6 Magelli/Casotto, RIW 2003, 575 ff. 7 Dazu Strnad, RIW 2004, 255 f.; auch Steinhauer, EuZW 2004, 364 ff. 8 Zur Neuregelung Hartl, NZG 2002, 667 f.

192

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

sung. Die Gesellschafter haben ein Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern, die vorbehaltlich einer anderweitigen Satzungsregelung nur zur Gesamtvertretung befugt sind, allerdings mit einer inhaltlich unbeschränkten Vertretungsmacht. Die Satzung ist frei darin, das Innenverhältnis und die Ausgestaltung der Anteile stärker an das Aktienrecht anzugleichen1. Die Gesellschafter haften grundsätzlich nicht für Gesellschaftsschulden, doch gilt die Haftungsbeschränkung nicht für eine – an sich wie überall in Europa – zulässige EinMann-Gesellschaft in deren Insolvenz2. Die Gesetzesreform hat insgesamt die praktische Verwendbarkeit des Gesellschaftstyps erweitert, sie kommt für mittelständische Unternehmen, aber auch als Tochtergesellschaft in Unternehmensverbindungen in Betracht, wobei auch aus der Perspektive einer Auslandsgründung die verschärften Haftungsvorschriften für Konzernverhältnisse zu beachten sein werden.

6. Die neue Rechtslage in Spanien Ganz neu ist auch die als Unterart – nicht als Ersatz – der bisherigen Sociedad de Responsabilidad Limitada (SRL) eingeführte „neue unternehmerische GmbH“ (Sociedad limitada nueva empresa, SNLE) des spanischen Rechts. Nach Reformen der Jahre 1989 und 1996, die im wesentlichen Anpassungen an das europäische Recht darstellten mit dem Ziel, problematischen Gründungs- und Finanzierungsmethoden entgegenzuwirken – etwa durch das Erfordernis der Volleinzahlung des Kapitals –, hatte die SRL in vieler Hinsicht, etwa durch eine Handelndenhaftung im Rahmen der Gründung3, Ähnlichkeit mit der deutschen GmbH angenommen, abgesehen davon, dass sie wie sonst nur im deutschen Recht auch als Komplementärin einer KG benutzt wird4. Die neue Form zielt demgegenüber auf Erleichterungen und Beschleunigungen der Gründung kleinerer und mittlerer Unternehmen, auch bei Buchführung und Rechnungslegung5, auf der anderen Seite ist nur Bareinlage zugelassen. Beide Formen der „kleinen“ Kapitalgesellschaft halten an dem niedrigen Mindeststammkapital von 3012 Euro fest. Die SNLE weicht in so vielen Einzelheiten von der bisherigen Ausgestaltung der SRL ab, dass darüber diskutiert wird, ob es sich nicht um einen ganzen neuen Typus handelt6. Der personalistische Charakter, den die SNLE haben soll, kommt etwa darin zum Ausdruck, dass nur natürliche Personen (nicht mehr als 5) als Gründer zugelassen sind, so dass die Rechtsform als Instrument für Konzerne ausscheidet, wobei Ausländer vor der Gründung eine spanische Steuer-Nummer beantragen müssen7, ferner darin, dass der Ein-

1 Zu den beiden Modellen der Organisation, namentlich zu dem Kontrollorgan, Buenger, RIW 2004, 249 ff.; Lorenzetti/Strnad, GmbHR 2004, 731 ff. 2 Auch dazu Lorenzetti/Strnad, GmbHR 2004, 731 ff. 3 S. etwa Bascopé/Hering, GmbHR 2005, 609; Otto, RIW 2002, 27 ff. 4 Dazu unter Einbeziehung steuerrechtlicher Gegebenheiten Schmidt/Abegg, GmbHR 2005, 1602 ff. 5 Irujo, RIW 2004, 740 ff.; Lindner, ZfRV 2004, 204 ff.; Vits, GmbHR 2003, 26 f., 523 f.; Müller/Müller, GmbHR 2006, 583, 586. 6 Lindner, ZfRV 2004, 204 ff.; s. auch Lutter, GmbHR 2005, 1, 3. 7 Wachter, in: Schröder, S. 40.

H. P. Westermann

|

193

168

Einleitung

Auslandsrechte

Mann-Gründer nur bei einer einzigen solchen Gesellschaft beteiligt sein darf, schließlich in einem zugelassenen Höchstkapital von 120 000 Euro. Immerhin bedarf die Gründung einer notariellen Urkunde, und Gründungsformalitäten und Vorschriften bezüglich der Rechnungslegung fehlen keineswegs1. Auch in der Firmenwahl ist eine gewisse Kontrolle durch die Einschaltung des zentralen Handelsregisters in Madrid gesichert, das bescheinigen muss, dass die Firma für die neue Gründung verfügbar ist. Die Organisation beruht auf einer Kompetenzverteilung zwischen Gesellschafterversammlung und Geschäftsführer, die – so wenig wie die Mitglieder eines etwa bestehenden Verwaltungsrats – Gesellschafter zu sein brauchen. Das spanische Recht legt unübersehbaren Wert auf Minderheitenschutz in der Gesellschafterversammlung, namentlich im Hinblick auf Informations- und Kontrollmöglichkeiten2, erlaubt aber auf der anderen Seite in Bezug auf die aus den Beteiligungen fließenden Rechte auch Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz in Gestalt von Vorzugsanteilen, durch die Fremdkapital soll hereingeholt werden können3. Die Haftung von Geschäftsführern gegenüber der Gesellschaft für Pflichtverletzungen ist näher geregelt, wobei auch ein Haftungstatbestand des Betreibens einer unterkapitalisierten Gesellschaft existiert, daneben eine Haftung im Auflösungsstadium4. Schließlich bestehen – ähnlich wie in Frankreich und in den Niederlanden – für die Geschäftsleiter arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtliche Haftungstatbestände und sogar Strafdrohungen, die auch nicht durch Anordnungen und sonstige Maßnahmen der Gesellschafterversammlungen aufgehoben werden können. Insgesamt dürften beide Formen der spanischen „kleinen Kapitalgesellschaft“ für Gründungen von Tochtergesellschaften, weniger als Instrument für pseudo-foreign-corporations, in Frage kommen.

7. Griechenland 169

Die Entwicklung des GmbH-Rechts in anderen EU-Mitgliedstaaten verläuft unter dem Eindruck der EuGH-Rechtsprechung gegenwärtig vielfach recht schnell, so dass auch jüngere Darstellungen veraltet sein können. Es kommt auch vor, dass durch Erleichterungen der Gründung in einem Land schon seit einiger Zeit mögliche, aber noch nicht sehr verbreitete „kleinere“ Kapitalgesellschaften gegenüber der Aktiengesellschaft an Boden gewinnen. So wurde noch bis vor einiger Zeit in Griechenland die Rechtsform der EPE, die für kleinere und Familienunternehmen gedacht war, noch nicht als besonders wichtig angesehen, was sich aber zu ändern scheint, auch weil sie anders als die für größere Unternehmen vorgesehene Aktiengesellschaft (AE) Attraktivität dadurch aufweist, dass sie keiner so strengen Staatsaufsicht unterliegt. Immerhin gilt – bei einem nicht besonders hohen Mindeststammkapital – das Gebot der Volleinzahlung, Sacheinlagen sind möglich, unterliegen aber einer offiziellen und neu-

1 Dazu näher Fröhlingsdorf, RIW 2003, 584 ff. Dennoch werden kurze Gründungszeiten bei überschaubaren Kosten versprochen, Bascopé/Hering, GmbHR 2004, 609, 614; Müller/Müller, GmbHR 2006, 583, 587. 2 Im Einzelnen Sanchez/Weickgenannt, RIW 2002, 101 ff. 3 Auch dazu Sanchez/Weickgenannt, RIW 2003, 581 ff. 4 Otto, RIW 2002, 27, 33; Müller/Müller, GmbHR 2006, 583, 587.

194

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

tralen Prüfung1. Die notariell zu beurkundende Gründungssatzung hat eine Reihe von Angaben besonders zum Sitz und zum Unternehmensgegenstand, zum Stammkapital und seiner Aufbringung, sowie zu den Organen der Gesellschaft zu enthalten. Bemerkenswert ist aber, dass trotz grundsätzlicher Gestaltungsfreiheit der Satzung einige Vereinbarungen der Gesellschafter wirksam nur statutarisch getroffen werden können. Das Gesetz geht von der Schuldnerstellung allein der Gesellschaft aus, die eine Haftung der Gesellschafter ausschließt, allerdings kennt es eine Haftung eines Einmann-Gesellschafters in der Insolvenz sowie eine Haftung eines Gesellschafters, der die Nichtigkeit der Gesellschaft verursacht hat2. Schließlich kennt das griechische Recht Begrenzungen der Gewinnausschüttung sowie Beschränkungen bei der Rückgewähr der Gesellschafterdarlehen3. Bemerkenswert ist auch, dass Griechenland, das kollisionsrechtlich bisher die Sitztheorie anwendete, für Gesellschaften, die als Reeder tätig sind, auf die Gründungstheorie zurückgreift.

8. Portugal und Brasilien Auch das portugiesische Recht unterscheidet zwischen der großen (Sociedade Anonima) und der kleinen, auf kleinere und mittlere Unternehmen zugeschnittenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Sociedade par Quotas o Lda.)4, die erfolgreich mit Formen der Personengesellschaft konkurriert. Die Lda. ist weit verbreitet, auch wegen ihrer Verwendung in internationalen Unternehmensgruppen. Für die Aufbringung des in der Gründungsurkunde anzugebenden Stammkapitals sind alle Gesellschafter gesamtschuldnerisch verantwortlich, auch müssen hierin Angaben über Sacheinlagen und ihre Bewertung durch einen Prüfer gemacht werden, die Einbringung von Diensten als Sacheinlage ist nicht gestattet. Im Übrigen haften die Gesellschafter nicht für Gesellschaftsschulden. Die Gründungsformalitäten, obwohl geringer ausgebaut als bei der S.A., umfassen immerhin die Beantragung und Erteilung eines staatlichen Zertifikats und die Errichtung einer notariell beurkundeten Gründungsvereinbarung, zu der ein – inhaltlich teilweise vorgeschriebener – Gesellschaftsvertrag treten muss, der von der Registrierungsbehörde publiziert wird. Die Registereintragung muss innerhalb von 90 Tagen nach dem Gründungsakt erfolgen, man geht in der Praxis von etwa sieben Wochen aus. Besondere Gründungserfordernisse bestehen bei nicht wenigen Branchen wie Banken, Versicherungen, Leasing-Gesellschaften, aber auch bei Krankenhäusern und Unternehmen im pharmazeutischen Bereich. Das portugiesische Recht legt Wert auf eine reale und kurzfristige Kapitalaufbringung, es kennt auch eine Amortisation von Geschäftsanteilen wegen Verzuges mit der Einlagenleistung, ferner eine Handeln1 Im Einzelnen Kotsiris, Greek Company Law, 1989, S. 55 ff.; Iliadou, in: Oltmanns (Hrsg.), European Company Structures, 1998, S. 125. 2 Kotsiris, Greek Company Law, 1989, S. 55 ff. 3 Auch dazu Kotsiris, Greek Company Law, 1989, S. 55 ff.; s. auch Rokas, ZHR 128 (1966), 277 ff.; Xenidis, Eigenkapitalersatz und Gesellschafterdarlehen im griechischen Recht, in: Papagiannis (Hrsg.), Griechisches Wirtschafts- und Unternehmensrecht, 1997, S. 237 ff. 4 Zum Folgenden Fraga, in: Oltmanns (Hrsg.), European Company-Structures, 1998, S. 187 ff.

H. P. Westermann

|

195

170

Einleitung

Auslandsrechte

denhaftung für Geschäfte im Gründungsstadium vor der Eintragung der Gesellschaft. Die Führung des Unternehmens obliegt einem oder mehreren Geschäftsführern, deren Handlungsbefugnisse nach außen an sich unbeschränkt sind; anders, wenn Beschränkungen in der Art der „ultra-vires-Lehre“ dem Dritten bekannt sind. Die Jahresabschlüsse der Gesellschaft, die durch unabhängige Prüfer geprüft sein müssen (Ausnahme für kleine Gesellschaften), sind von der Geschäftsführung aufzustellen, allerdings sind auch die Erfordernisse der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie umgesetzt worden (dazu Rdnr. 66). Schließlich kennt das portugiesische Recht Pflichten der Geschäftsführer, bei Vorliegen der Voraussetzungen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Insgesamt ist die Ähnlichkeit mit der deutschen GmbH in einigen für den Gläubigerschutz wichtigen Regelungen unverkennbar, was auch bedeutet, dass möglicherweise Anpassungen an die Anforderungen der EuGH-Rechtsprechung erfolgen müssen. Eine umfassendere Reform, wie sie das brasilianische GmbH-Recht kürzlich erlebt hat1, muss aber hiermit nicht verbunden sein.

9. Niederlande und Belgien 171

Die Benelux-Länder befinden sich in ihrem Kapitalgesellschaftsrecht insofern nicht ganz auf einem vergleichbaren Stand, als die Niederlande das Gesellschaftsrecht kürzlich in eine umfassende Kodifizierung des Privatrechts im BW einbezogen haben (zur BV dort Art. 175–284), während Belgien die Rechtsformen des Gesellschaftsrechts und damit auch die besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (BVBA) in einem zuletzt unter dem Einfluss der europäischen Regelungen verschiedentlich reformierten Gesetz über Handelsgesellschaften (im folgenden: WVennt.) regelt. Die niederländische Sonderregelung in dem gerade auf die pseudo-foreign-Corporations bezogenen WFBV war gemeinschaftsrechtswidrig (Rdnr. 106) Obwohl die „kleine“ Kapitalgesellschaft auch hier noch keine lange Geschichte aufzuweisen hat, da sie erst im Jahre 1971 als Abart der bis dahin einzigen kapitalgesellschaftsrechtlichen Form der naamloze vennootschap (N.V.) eingeführt wurde, ist ihre Verbreitung beträchtlich2, und es hat auch bereits Fälle der Verlegung des Verwaltungssitzes von den Niederlanden nach Deutschland (Überseering-Fall Rdnr. 104) und umgekehrt gegeben3. Es wird betont, dass die B.V. in vieler Hinsicht, sowohl bezüglich der nicht ganz einfachen Gründung, als auch hinsichtlich der Organisationsverfassungen, der deutschen GmbH ähnlich sei4. Das zeigt sich etwa am Erfordernis einer notariell beurkundeten Gründungsurkunde, die auch bereits die Satzung enthalten muss, an der Notwendigkeit einer beim Justizministerium einzuho1 Dazu im Einzelnen Curschmann-Jorowitz, GmbHR 2003, 1185 ff. 2 Dazu Mehring, GmbHR 1991, 297, 299; Kuiper/Vossenstein, in: Oltmanns (Hrsg.), European Company-Structures, 1998, S. 159 ff.; Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1337 ff.; van Efferink/Ebert/Levedag, GmbHR 2004, 880 ff.; zum Folgenden (auch zum Kostenaufwand) auch Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt E Rdnr. 1386 ff.; Müller/Müller, GmbHR 2006, 641, 642. 3 Zur Verlegung des Sitzes einer GmbH in die Niederlande s. OLG Düsseldorf, NZG 2001, 506; dazu Kieninger, NZG 2001, 610 f. 4 van Efferink/Ebert/Levedag, GmbHR 2004, 880, 883; Müller/Müller, GmbHR 2006, 641, 643.

196

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

lenden Unbedenklichkeitsbescheinigung, deren Beantragung nicht in den Niederlanden ansässige Gründer einen letter of good standing einer angesehenen ausländischen Bank beizufügen haben, ferner an dem Umstand, dass das genehmigte, gezeichnete und (bei Bareinlagen zu mindest einem Viertel)1 effektiv eingezahlte Gesellschaftskapital, das mindestens 18 000 Euro betragen muss, zum Handelsregister angemeldet und eingetragen werden muss. Vorgeschrieben sind auch Belege über die Aufbringung des eingezahlten Kapitals und eine Prüfung der Werthaltigkeit von Sacheinlagen. Die Publizität der Handelsregistereintragungen ist in Europa im wesentlichen angeglichen; auch was die Anmeldung und Eintragung von Zweigniederlassung angeht, sind die Verhältnisse in Deutschland und in den Niederlanden vergleichbar. Es gibt auch einige Unterschiede. So kann in den Niederlanden eine juristische Person Vorstand einer B.V. sein, hinsichtlich der Vertretungsmacht der Vorstände galt auch hier eine Art „ultra-vires-Lehre“, bevor die europäische Kapitalrichtlinie einer weitgehende Vereinheitlichung bezüglich der Vertretungsbefugnis herbeiführte2, was auch bedeutet, dass mehreren Vorständen Einzelvertretungsmacht erteilt werden kann. Stärker ausgeprägt als in Deutschland sind die Pflichten der Geschäftsführer im Hinblick auf das Verhalten in Insolvenznähe, besonders bezüglich der Zahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Das hängt damit zusammen, dass bei diesbezüglichen Pflichtverletzungen eine persönliche und gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer eingreifen kann3. In Betracht kommen auch spezielle wirtschaftsrechtliche Regeln, deren Verletzung als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, dazu strafrechtliche Sanktionen, jeweils für Geschäftsführer von B.V. Die Gesellschaftsanteile sind nicht frei übertragbar, was auch durch die Satzung nicht gänzlich aufgehoben werden kann4, ihre inhaltliche Ausgestaltung kann gerade auch im Hinblick auf die von ihnen vermittelten Vermögensrechte sehr unterschiedlich sein. Die Übertragung bedarf eines notariellen Akts. Zu den Besonderheiten des niederländischen Rechts gehört eine Art „Squeeze out“ durch einen mit mindestens 95 % beteiligten Gesellschafter, worüber dann im Streitfall ein besonderes Gerichtsverfahren stattfindet5; daneben steht ein ähnliches Verfahren mit dem Zweck, die Anteile eines „lästigen“ Gesellschafters auf einen oder mehrere Gesellschafter zu übertragen, die zusammen wenigstens ein Drittel der Anteile halten6. Schließlich gibt es für größere Gesellschaften Sonderbestimmungen über Rechnungslegung und einen obligatorischen Aufsichtsrat7. Ein dem GmbHG vergleichbares System der Kapitalerhaltung kennt das niederländische

1 Mindestens muss aber ein Betrag in Höhe des Mindest-Stammkapitals eingezahlt sein, Müller/Müller, GmbHR 2006, 641, 642; Spahlinger/Wegen, in: Spahlinger/Wegen, Abschnitt E Rdnr. 1286. 2 van Efferink/Ebert/Levedag, GmbHR 2004, 884. 3 Auch hierzu van Efferink/Ebert/Levedag, GmbHR 2004, 885 f.; schon früher Akveld/ Ebben/H. P. Westermann, RIW 1995, 720 ff.; Mehring, GmbHR 1991, 297, 301. 4 Spahlinger/Wegen, in: Spahliner/Wegen, Abschnitt E Rdnr. 1388. 5 Hierzu und zu besonderen gerichtlichen Verfahren zur Streitbeilegung im Gesellschafterkreis Slagter, TVS 1994, 215; Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 734. 6 Spahlinger/Wegen, in: Spahliner/Wegen, Abschnitt E Rdnr. 1400. 7 van Efferink/Ebert/Levedag, GmbHR 2004, 886, 887 f.

H. P. Westermann

|

197

172

Einleitung

Auslandsrechte

Recht nicht; wohl gibt es ein an das Aktienrecht angelehntes Verbot der finanziellen Unterstützung einer Erwerbs von Anteilen der Gesellschaft durch Dritte, das sich auf Art. 31 der Europäischen Kapitalrichtlinie stützt. Insgesamt verwundert es nicht, dass die B.V. als Rechtsform für eine Niederlassung in Deutschland oder für einen Zuzug hierher kaum in Betracht gezogen wird, während umgekehrt über den Wettbewerb zum Recht der englischen (oder: irischen) Ltd. nachgedacht wird1, auch sind Reformbestrebungen im Gange2. 173

Auch in Belgien3 haben Reformen unter dem Einfluss europäischer Richtlinien stattgefunden, die aber einige eigenständige Kennzeichen nicht beseitigt haben. So gibt es zwar nach Art. 223 der W.Venn. ein Mindeststammkapital von 18 550 Euro für die BVBA, es besteht aber eine Pflicht der Gründer, im Rahmen eines im Gründungsverfahrens vorzulegenden, wenn auch nicht zu veröffentlichenden, „financieel plan“ darzutun, dass das konkret vorgesehene Kapital nicht außer Verhältnis zu den Unternehmenszwecken steht. Wenn sich innerhalb von drei Jahren nach Errichtung im Rahmen einer Insolvenz herausstellt, dass das Anfangskapital ganz unzureichend war, kommen Haftungssanktionen in Betracht4, ohne dass es darauf ankommt, ob die Kapitalschwäche die Insolvenz verursacht hat. Bisweilen wird hieraus gefolgert, dass es – insoweit also ganz anders als in den anderen europäischen Rechtsordnungen – eine Pflicht der Gesellschafter zur Ausstattung der Gesellschaft mit angemessenem Stammkapital gebe. Vom Stammkapital müssen nach Art. 223 W.Venn. mindestens 6200 Euro eingelegt sein, die tatsächliche Einzahlung wird überprüft; Sacheinlagen sind möglich, aber auch insoweit müssten Kontrollverfahren eingehalten werden, und künftige Dienst- oder Arbeitsleistungen sind zur Kapitalbildung nicht zugelassen, Art. 443 W.Venn. Sacheinlagen müssen bei Gründung in vollem Umfang erbracht werden. Die Geschäftsanteile verleihen alle dieselben Rechte und sind grundsätzlich nicht teilbar, allerdings sind stimmrechtslose Anteile zulässig, Art. 476 W.Venn. Die Veräußerung von Geschäftsanteilen unterliegt gesetzlichen Beschränkungen, die Satzungen können davon nur in bestimmter Weise (etwa für Übertragungen im Familienkreis) abweichen; es gibt allerdings auch Verfahren, eine abgelehnte Zustimmung zu einer bestimmten Veräußerung durch das Gericht zu ersetzen. Ein Anteilseigner kann ausgeschlossen werden, das Gesetz kennt daneben aber auch den sqeeze out von Anteilseignern, deren Beteiligung 5% nicht übersteigt. Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben, die durch einstimmige Entscheidung ohne wichtigen Grund jederzeit abberufen werden können. Ihre Kompetenzen sind in einigen wenigen Punkten zugunsten der Gesellschafterversammlung eingeschränkt (etwa Feststellung des Jahresabschlusses), können aber durch die Satzung weiter beschnitten werden. Mehrere Geschäftsführer können jeweils einzeln entscheiden, doch kann die Satzung vorschreiben, dass sie ein „College“ bilden und dann nur einstimmig oder mit Mehrheit entscheiden können. Das 1 S. auch das Fazit der Überlegungen von van Efferink/Ebert/Levedag, GmbHR 2004, 886, 887 f.; ähnlich Müller/Müller, GmbHR 2006, 641, 643. 2 Nachweise bei Wachter, in: Schröder, S. 35. 3 Die folgenden Angaben beruhen weitgehend auf einem Vorlesungs-Skript von Wymeersch/de Wulf. 4 Einzelheiten bei van Halewijn, Revue notariat belge 1982, 6 ff.

198

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

wiederholt sich auf der Ebene der Vertretung der Gesellschaft. Die Ausschüttung von Gewinnen steht nach Art. 617 W.Venn unter dem allgemeinen Vorbehalt, dass durch sie das Netto-Aktivvermögen nicht unter den Betrag des eingelegten oder – wenn dieser Betrag höher ist – des eingeforderten Kapitals sinken darf; kein vergleichbarer Schutz besteht allerdings für die durch Ausschüttungen bedrohte Liquidität der Gesellschaft. Diese Regelung wird durch eingehende Bestimmungen über die Auskehrung von Zwischengewinnen ergänzt, die die zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie umgesetzt haben. Schließlich gibt es gesetzliche Möglichkeiten, durch das Gericht eine Gesellschaft, deren Aktivvermögen nicht das Minimum erreicht, aufzulösen, was auch von Außenstehenden beantragt werden kann. Insgesamt stellt die belgische Spielart der „kleinen“ Kapitalgesellschaft im Hinblick auf die Regelung der Finanzierung, dabei auch wegen der Gefahr der Gründerhaftung in diesem Zusammenhang, kaum einen Anreiz für unseriöse Gründungen im In- und Ausland dar, sie kommt auf der anderen Seite, da sich an ihr auch juristische Personen beteiligen können1, auch für Konzernverbindungen in Betracht.

10. Österreichisches und schweizerisches Recht Die Verhältnisse in Österreich und in der Schweiz im Einzelnen darzustellen, erübrigt sich aus verschiedenen Gründen. In der Schweiz ist bis vor einiger Zeit das Aktienrecht so flexibel ausgestaltet gewesen, dass es auch zur Nutzung durch kleinere Gesellschaftergruppen geeignet war, so dass die GmbH, obwohl gesetzlich durchweg ausgeformt2, wenig gebraucht wurde. Das hat sich seit der Reform des Aktienrechts im Jahre 1991 etwas geändert3, ohne dass indessen das Problem beseitigt wurde, das darin liegt, dass ein erheblicher Teil der die GmbH betreffenden Rechtsfragen nur durch gesetzliche und zudem lückenhafte Verweisungen auf das Aktienrecht geregelt ist. Das betrifft so wichtige Teile wie die Vorschriften über Bilanz und Reservefonds, die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen, die Vertretung der Gesellschaft, Anzeigepflichten bei Kapitalverlust, die Verantwortung der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft, möglicherweise sogar die Anlässe und die Art der Durchführung einer Sonderprüfung durch eine Kontrollstelle4. Einen Eindruck von der Verwendbarkeit der Rechtsform vermitteln daher hauptsächlich die folgenden Einzelheiten. Das Mindest-Stammkapital beträgt 20 000 Sfr., von denen bei der Gründung die Hälfte eingezahlt sein muss. Sacheinlagen sind zugelassen, müssen dann aber im Gesellschaftsvertrag näher bezeichnet sein. Jeder Gesellschafter ist unabhängig von der Höhe seiner eigenen Einlage für die Aufbringung des Stammkapitals verantwortlich. Die Gründung setzt einen notariellen Akt und eine Eintragung im Handelsregister nebst Publikation voraus, wofür auch Angaben

1 S. dazu Lutter, GmbHR 2005, 1, 3; Hoffmann, GmbHR 1991, 515 ff. 2 Näher Viecenz-Bütler/Bucher, in: Oltmanns (Hrsg.), European Company-Structures, 1998, S. 241, 251 ff.; Meier/Hayoz-Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 9. Aufl. 2004, § 18. 3 Baudenbacher/Bahnke, SZW 1996, 58. 4 Näher dazu Tanner, in: Neues zum Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, Zum 50. Geburtstag von P. Forstmoser, 1993, S. 31, 38 ff.; Forstmoser, SZW 64 (1992), 58 ff.

H. P. Westermann

|

199

174

Einleitung

Auslandsrechte

über die von den Gesellschaftern bezeichneten Anteile nötig sind. Nach Aufbringung des gesamten Stammkapitals haften die Gesellschafter für Gesellschaftsschulden nicht mehr. Vorschriften über Gewinnverwendung, namentlich – in diesem Zusammenhang – Kapitalerhaltung gibt es nicht, wohl besteht eine Pflicht zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens bei Illiquidität oder Überschuldung; insoweit ist im Übrigen Aktienrecht anzuwenden. Die bisherige Verwendung schweizerischer Gesellschaftsformen für in Deutschland tätige Auslandsgesellschaften, auch als Komplementärin einer KG, scheint sich auf die AG zu konzentrieren. 175

Die Verhältnisse der GmbH nach dem österreichischen Recht sollten in diesem Kommentar in erster Linie durch vergleichende Betrachtungen zu den einzelnen Rechtsinstituten erörtert werden. Das wird neuestens vor allem bei der Darstellung des Rechts der kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen praktisch, das in Österreich durch das am 1. 1. 2004 in Kraft getretene Eigenkapitalersatzgesetz (EKG) zwar – wie in der vorhergehenden Rechtssprechung – grundsätzlich anerkannt, aber durch Einschränkungen des Anwendungsbereichs im Sinne eines Interessenausgleichs zwischen den kreditgebenden Gesellschaftern und den Gläubigern neu geordnet worden ist1. Wenn hier die Bedeutung des deutschen Rechts als Vorbild ein wenig abgeschwächt worden ist, so gibt es doch gerade im Hinblick auf Gründung und Finanzierung zahlreiche Ähnlichkeiten, so im Bemühen um vollständige Aufbringung des Stammkapitals2, Solidarhaftung, wenn das Stammkapital durch Uneinbringlichkeit einer Einlage oder durch unzulässige Leistungen an einen Gesellschafter vermindert worden ist (§§ 70 Abs. 1, 83 Abs. 2 öGmbHG), die Differenzhaftung der Gesellschafter bei Überbewertung von Sacheinlagen und eine – allerdings sehr differenzierte – Bestimmung über die Einzahlung von mindestens der Hälfte des Stammkapitals3. Im Übrigen ist die Kapitalerhaltung in §§ 82 und 83 ähnlich geregelt wie in Deutschland, was teilweise auch für den Erwerb eigener Anteile gilt (s. § 81 öGmbHG). Das Innenverhältnis ist weitgehend dispositiv geregelt. Die Geschäftsanteile lassen sich zwar nicht wertpapiermäßig verbriefen, sind aber im Grundsatz frei übertragbar. Die Umsetzung der die kleine Kapitalgesellschaft betreffenden EU-Richtlinien hat inzwischen vollständig (z.T. überobligationsmäßig) stattgefunden4, was vor allem auch die Rechnungslegung betrifft. Unter dem Einfluss europäischer Entwicklungen steht sodann auch die Neuordnung von Umgründung, Verschmelzung und Neuorganisation von GmbH, bei der freilich auch weitere Reformen eingefordert werden5, Eine starke Ähnlichkeit mit dem deutschen Recht be-

1 Dazu im Einzelnen Althuber/Brandstätter/Heberer, GmbHR 2004, 610 ff.; Blöse, GmbHR 2004, 412 ff. 2 Dazu Doralt, in: Roth (Hrsg.), Die Zukunft der GmbH, 1983, S. 7 ff. 3 Zu dieser Bestimmung (§ 6a öGmbHG) Kastner, NZ 1961, 82 ff.; Jud, in: FS der Universität Graz, 1979, S. 301, 307 f.; Koppensteiner, öGmbHG, 2. Aufl. 1998, § 6a Rdnr. 2; zur Bewertung von Sacheinlagen näher Hügel, GesRZ 1992, 258 ff.; Hügel, GesRZ 1993, 29. 4 Ausführlich Kalss, in: Koppensteiner (Hrsg.), Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsprivatrecht, Teil 1, GesR 1994, S. 119 ff.; Koppensteiner, öGmbHG, Einl. Rdnr. 12 ff.; Reich/Rohrwig, EU-GesellschaftsrechtsÄG, ecolex 1995, 719. 5 Dazu Harrer, in: Koppensteiner (Hrsg.), Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsprivatrecht, Teil 1, GesR 1994, S. 307 ff.; Koppensteienr, in: FS Semler, 1993, S. 495 ff.

200

|

H. P. Westermann

Einleitung

Auslandsrechte

steht schließlich im Hinblick auf die verbreitete Verwendung der GmbH als Komplementärin einer GmbH & Co. KG, auch für Publikums-Kommanditgesellschaften1. International-privatrechtlich besteht eine starke Tendenz, die bisher herrschende Sitztheorie durch Anpassungen an das Gründungsrecht abzulösen (s. schon Rdnr. 99).

11. Weitere europäische und außereuropäische Rechte Manche europäische Rechtsordnungen haben z.T. erst vor kurzer Zeit gesetzliche Regelungen der „kleinen“ Kapitalgesellschaft geschaffen, in denen das Modell der GmbH eine bisweilen bedeutende Rolle gespielt hat, auch im Hinblick auf den möglichen Beitritt zu EU. In der Türkei ist das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Handelsgesetzbuch geregelt, die Vorschriften stammen aus der Zeit um 1956, über Reformen wird nachgedacht2. Der gesetzliche Zuschnitt des Typus ist personengesellschaftlich, da eine EinMann-Gründung nicht vorgesehen und die Vereinigung aller Anteile in einer Hand zur Einmann-Gesellschaft, die in ihrer rechtlichen Behandlung umstritten ist, vom obersten Gericht verneint wurde. Daher kommt als Rechtsform für die Gründung von Tochterunternehmen doch hauptsächlich die AG in Betracht3. Die Gründung setzt eine ministerielle Präventivkontrolle voraus, in deren Rahmen auch durchgesetzt wird, dass vom Mindeststammkapital in Höhe von 5000 YTL4, soweit Bareinlagen in Rede stehen, mindestens ein Viertel einbezahlt ist5. Auch eine Prüfung von Sacheinlagen ist möglich. Im Rahmen dieser Kontrolle wird im rechtspolitischen Raum eine Verweigerung der Genehmigung wegen Unterkapitalisierung gefordert. Die Geschäftsführung liegt i.d.R. bei den Gesellschaftern selber, Gesellschaften mit einem 20 Personen übersteigenden Anteilseignerkreis müssen eine Verwaltungsrat als Kontrollorgan einrichten, die sonst bei der Gesellschafterversammlung liegenden Kontrollrechte sind dann eingeschränkt; es gelten dann Bestimmungen des Aktienrechts. Probleme kann es mit der Vertretungsmacht der durch die Gesellschafter einzusetzenden Geschäftsführer geben, deren Begrenzung durch den Geschäftsgegenstand (ultra-vires-Lehre) nicht von der Hand zu weisen ist6. Die Anteile sind übertragbar und vererblich, können allerdings durch die Satzung vinkuliert werden, was sogar für die Vererbung gilt. Die Kapitalerhaltung wird verhältnismäßig ernst genommen, indem nicht nur der Erwerb eigener Anteile, sondern auch die Verzinsung von Einlagen und die Ausschüttung anderer Werte als des festgestellten Bilanzgewinns verboten sind. Dies ist neben der Präventivkontrolle ein wichtiges Rechtsformelement, das die Kapitalflexibilität einschränkt. Die Geschäftsführer haften der Gesellschaft für Pflichtverletzungen, insbeson1 Dazu Straube/Koppensteiner, § 161 HGB Rdnr. 14 ff.; Straube, in: Kastner/Stoll (Hrsg.), Die GmbH & Co. KG, 1977, S. 1 ff. 2 Näher Behrens/Ansay, TR Rdnr. 3; für Angaben zum aktuellen Stand danke ich RA Papakci LL.M. (Tübingen). 3 Auch dazu Behrens/Ansay, TR Rdnr. 9. 4 Das entspricht etwa 3925 Euro; das Ministerium kann aber im Verordnungswege den Betrag an die Inflation anpassen. 5 Daneben müssen 0,2% des Stammkapitals bei der Zentralbank deponiert werden. 6 Behrens/Ansay, TR Rdnr. 20.

H. P. Westermann

|

201

176

Einleitung

Auslandsrechte

dere bei fehlender Einlageleistung durch die Gesellschafter und bei Ausschüttung nicht entstandener Gewinne; die Gesellschafter haften nur für diese Einlage. Bei Überschuldung besteht eine Insolvenzantragspflicht. 177

Stark auf das europäische Gesellschaftsrecht ausgerichtet sind die GmbH-Rechte in den baltischen Staaten1; das deutsche Modell kehrt in verschiedener Hinsicht im GmbH-Recht der Russischen Föderation, auch Rumäniens wieder, nicht so deutlich im polnischen Recht2, während das bulgarische Recht inzwischen sogar unter dem Aspekt betrachtet wird, welche Möglichkeiten es für deutsche Investoren bietet3. In Russland ist die Verbreitung der GmbH bereits sehr hoch, obwohl der Bestand der Gesellschaft durch das jederzeitige Austrittsrecht der Gesellschafter gegen Auszahlung des tatsächlichen Werts ihrer Beteiligung gefährdet erscheint. Die Haftungsbeschränkung gilt auch hier, es gibt aber eine Sonderform mit einer ziffernmäßig beschränkten Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden4. Auch kann aus dem Umstand, dass die rechtliche Regelung die Interessensphären jetzt noch nicht bekannter Partner in einer weiten und ungewissen Zukunft betrifft, ein besonderes Bedürfnis nach einer ergänzenden und einschränkenden Auslegung entstehen, das auch eine Kontrolle der Ausübung der aus Vertragsklauseln u.U. folgenden Gestaltungsmacht einzelner Gesellschafter oder der Mehrheit erfordern kann, so etwa im Hinblick auf vertraglich festgelegte Thesaurierungspflichten. In den Beitrittsstaaten hat die Ausrichtung auf die Anforderungen des Europäischen Gesellschaftsrecht zu umfassenden gesetzlichen Neuregelungen geführt, so in der tschechischen Republik, der Slowakei und Ungarn5. Die skandinavischen Staaten haben die Einführung einer Gesellschaftsform nach dem Muster der GmbH zwar mehrfach erörtert und erwogen, sie aber zugunsten einer einheitlichen Kapitalgesellschaft in Form der AG abgelehnt. Eine Ausnahme macht Dänemark, das nach seinem Beitritt zur EG im Hinblick auf die Pflichten aus Art. 44 Abs. 2 lit. g EG-Vertrag die sogenannte Anteilsgesellschaft (ApS) geschaffen hat, die von der Praxis mit der Ergebnis angenommen worden, dass ihre Zahl die der AG überwiegt, ohne die letztere aus dem Kreis der mittelständischen Unternehmensformen verdrängt zu haben6. Hinsichtlich der Haftung gilt allgemeines Zivilrecht, bei der Gründung galten noch Sonderregeln, die im Zusammenhang mit den Centros-Fall (oben Rdnr. 102) eine Rolle gespielt haben. Das Kapital muss bei der Gründung voll gezeichnet und vor der Eintragung voll eingezahlt sein, allerdings sind Sacheinlagen möglich7. Maßnahmen der Kapitalerhaltung, die dem deutschen Recht zu vergleichen wären, kennt das Gesetz nur insofern,

1 Dazu Driesen, GmbHR 2003, 342 ff. 2 Zur russischen Föderation Heidemann, GmbHR 2002, 732 ff.; Lutter, GmbHR 2005, 1 f.; Becker, Gesellschaftsrecht in Russland, 1998; zu Rumänien Menzer/Polnaru, GmbHR 2003, 285 ff.; zu Polen Pörnbacher, GmbHR 2002, 370 ff. 3 Pavlova/Mirtceva, GmbHR 2004, 786 ff. 4 Lutter, GmbHR 2005, 3. 5 Zu Tschechien Kuklis, GmbHR 2002, 687 ff.; zur Slowakei Stessl, GmbHR 2002, 638 ff.; zu Ungarn Günther/Miskolczi, GmbHR 2003, 895 ff. 6 Näher dazu Behrens/Karsten, DK Rdnr. 1, 21; zum früheren Recht noch Cornelius, GmbHR 1991, 188 ff. 7 Behrens/Karsten, DT Rdnr. 12.

202

|

H. P. Westermann

Einleitung

Auslandsrechte

als Ausschüttungen an die Gesellschafter nur in Gestalt von Dividende oder bei Herabsetzung des Stammkapitals zugelassen sind; zu Unrecht erfolgte Auszahlungen sind zurückzugewähren. Auch gibt es Beschränkungen beim Erwerb eigener Anteile. Die Organisation der Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass ein ein- oder zweigliedriges, aus Geschäftsführung und Verwaltung bestehendes Leitungsorgan vorgesehen werden kann, wobei das Verwaltungsorgan nicht als Kontrollgremium konzipiert ist, sondern für die wichtigen Entscheidungen zuständig ist, während die Geschäftsführung mit den alltäglichen Geschäften befasst ist1. Besteht ein zweigliedriges Leitungsorgan, so werden die Geschäftsführer vom Verwaltungsorgan bestellt, diese in einem publizitätspflichtigen Akt von der Gesellschafterversammlung. Die Kontrolle der Rechnungslegung obliegt den Rechnungsprüfern, die ein selbständiges Organ der Gesellschaft darstellen. Die „kleine“ Kapitalgesellschaft, die personalistische Züge trägt, aber eine (z.T. auch nur: weitgehende) Haftungsbeschränkung erlaubt, befindet sich jedenfalls dort, wo nicht das US-amerikanische Recht stärkeren Einfluss hat, in einer Entwicklung, die viele Züge des deutschen GmbH-Rechts zu übernehmen scheint. Das gilt auch für solche Länder, die erst in neuerer Zeit privatwirtschaftliche Tätigkeit erlauben und fördern, z.T. auch mit ausländischem Kapital, was anfänglichen Bestrebungen, diese Gesellschaftsformen größeren Personen- und Anlegerkreisen nicht zugänglich zu machen, zuwiderläuft (so in China, wo im Jahre 2006 ein neues Gesellschaftsgesetz in Kraft getreten ist, das insbesondere Ausländern Direktinvestitionen [nur] in eine GmbH ermöglichen soll2). Das in Europa zu beobachtende Schwanken zwischen Deregulierung und Liberalisierung dürfte auch in den außereuropäischen Ordnungen (zu Brasilien Rdnr. 170) vorläufig das Bild bestimmen.

178

VI. Aktuelle Reformvorhaben 1. Rechtspolitische Wünsche und Realisierungsmöglichkeiten Um die zeitgemäße Richtigkeit des geltenden GmbHG auch und gerade in der Fassung, die manche seiner Institute durch die höchstrichterliche Rechtsfortbildung gefunden haben, wird seit langem gestritten. Die Beratungspraxis, aber auch die der forensisch tätigen Juristen, soweit sie nicht vorwiegend aus der Sicht der in einer GmbH-Insolvenz möglicherweise leer ausgehenden Gläubiger und der Insolvenzverwalter argumentieren, beklagt hauptsächlich eine gewisse Schwerfälligkeit der Gründung von GmbH, besonders durch die Kontrolle seitens der Registergerichte, aber auch durch Formerfordernisse bei der Errichtung oder der Übertragung von Geschäftsanteilen, sodann aber die stark ausgeprägten Vorkehrungen zur Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Eben diese Punkte sind es aber auch, die angesichts der hohen Insolvenzanfälligkeit und der häufigen Masselosigkeit von insolventen GmbH eine Aufrechterhaltung und teilweise noch Verstärkung des Gläubigerschutzes und des

1 Auch dazu Behrens/Karsten, DT Rdnr. 16, 17. 2 Näher dazu Dickinson/Vietz, GmbHR 2006, 245 ff.

H. P. Westermann

|

203

179

Einleitung

Auslandsrechte

Schutzes vor Missbrauch der Haftungsbeschränkung und vor Umgehungen der gesetzlichen Schutzvorkehrungen erzwingen. Bekanntlich hat die durch die Rechtsprechung des EuGH akzeptierte Möglichkeit für im Ausland gegründete Gesellschaften, ihre unternehmerischen Aktivitäten ohne eine den Anforderungen des nationalen Rechts genügende Gründung allein im Inland auszuüben, zu einem zahlenmäßig sehr beachtlichen Auftreten sog. Schein-Auslandsgesellschaften geführt, für die nach den im Zuge der europäischen Niederlassungsfreiheit modifizierten international-privatrechtlichen Regeln nach wie vor ihr Gründungsrecht gilt und damit solche Bestimmungen des deutschen Gesellschaftsrechts unanwendbar macht, die aus ihrer Sicht eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen (im Einzelnen dazu Rdnr. 100 ff.). Dies hat – zusammen mit der Kritik aus Teilen der deutschen Praxis – zu der Annahme geführt, der nationale Gesetzgeber, dem nach der Judikatur des EuGH eine Regelung der Rechtslage der im Ausland gegründeten Gesellschaften nach Maßgabe der Grundsätze des GmbHG verwehrt ist, müsse in einen „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ mit Gesetzesänderungen eintreten, die die Rechtsform der GmbH international wettbewerbsfähig machen. Das kann offenbar nur eine Liberalisierung des GmbH-Rechts bedeuten. Nachdem die im Jahre 2005 bekannt gewordenen Vorschläge einer GmbH mit einem Mindest-Stammkapital von 10 000 Euro oder möglicherweise ohne festes Stammkapital1 mit dem Auslaufen der Legislaturperiode erledigt waren, liegt nunmehr der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 7. 6. 2006 vor2, der in einer gegenüber dem früheren Entwurf deutlich umfassenderen Weise auf einen Teil der rechtspolitischen Wünsche eingeht und „Deregulierung und Missbrauchsbekämpfung“3 betreiben will (Letzteres allerdings in einem deutlich anderen Sinne als dem einer Verstärkung der Regeln über Kapitalaufbringung und -erhaltung). Jedenfalls handelt es sich also nicht um eine „Abwehrgesetzgebung“4, sondern um einen Versuch, die deutsche Rechtsform für die Unternehmenspraxis attraktiver zu gestalten. Zu dem Entwurf sollten bis zum September 2006 die „beteiligten Kreise“ Stellung nehmen, worauf versucht werden soll, ihn zur „Kabinettsreife“ zu überarbeiten; man geht vorläufig davon aus, dass das neue Recht nicht vor Oktober 2007 in Kraft treten wird. 180

Der Entschluss, das geltende GmbH-Recht zu reformieren, enthält eine Absage an verschiedene Vorschläge, neben die – dann offenbar unveränderte – GmbH eine neue Rechtsform zu setzen, die den Bedürfnissen eines Teils der Praxis,

1 Zu dem RegE eines MindestkapitalG (BT-Drucks. 619/05 v. 12. 8. 2005) Seibert, BB 2005, 1061; Priester, ZIP 2005, 921; Kleindiek, GmbHR 2005, 1366; K. Schmidt, DB 2005, 1095; Vossius/Wachter, BB 2005, 2539. Eine gänzliche Freigabe des Mindestkapitals (Mindestbetrag 1 Euro) hatte ein inoffizieller Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Missbräuchen, zur Neuregelung der Kapitalaufbringung und zur Förderung der Transparenz im GmbH-Recht (MiKaTraG) von November 2005 vorgesehen. 2 Referentenentwurf v. 7. 6. 2006, im Internet abrufbar unter www.bmj.bund.de/media/ archive/1236.pdf. 3 Seibert, ZIP 2006, 1157, 1158; zu dem Entwurf weiter Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 ff.; Römermann, GmbHR 2006, 673 ff.; Wachter, GmbHR 2006, 793. 4 Auch dazu Seibert, ZIP 2006, 1157, 1158.

204

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

hauptsächlich der Gründer und unter ihnen auch ausländischer Interessenten, besser genügen soll. Zu nennen sind ein Entwurf für ein Gesetz zur Einführung eines „Kaufmanns mit beschränkter Haftung“1, ein Vorschlag zur Schaffung einer „Basisgesellschaft mit beschränkter Haftung“2, schließlich die Variante einer besonderen „Unternehmensgründergesellschaft“ (UGG)3. Während hierbei ganz neue Formen auf der Grundlage sehr knapp gehaltener gesetzlicher Regeln4 entstehen sollten, gibt es auch einen Entwurf eines vollständigen GmbH-Reformgesetzes5, ferner größere Zusammenstellungen von einzelnen Reformvorschlägen, die in ihrer Gesamtheit deutlich über das vom RefE Gewollte hinausreichen6. Die Aufnahme aller dieser Vorschläge (wie auch des MindestkapitalG, Rdnr. 179) ist zwiespältig, auch die Realisierung des naturgemäß im Vordergrund des Interesses stehenden RefE des BMJ ist ungesichert. Gegen die Herabsetzung des Mindeststammkapitals für alle GmbH („GmbH light“) wurde mit der Forderung protestiert, diese Grenze deutlich, z.T. drastisch, heraufzusetzen7, was sich allerdings nicht unbedingt auf die neu anzubietende Form einer Unternehmensgründergesellschaft erstrecken soll8, und auch der im RefE enthaltene Vorschlag einer Streichung der „Rechtsprechungsregeln“ zum Kapitalersatz wird voraussichtlich trotz der weitgehenden Aufnahme des bisherigen Rechts in das Insolvenzrecht (dazu näher §§ 32a, b Rdnr. 238 ff.) auf Widerspruch stoßen9, obwohl der RefE hiermit keineswegs allein steht10. Der „Einzelkaufmann mbH“ wirft schwierige Fragen des materiellen, vor allem aber des Prozess- und Vollstreckungsrechts auf, die durch die tatsächlichen Probleme einer sauberen Trennung von Unternehmens- und Privatvermögen verschärft werden würden11. Interessenten für eine Basis- oder eine Unternehmensgründergesellschaft würden zunächst zwischen einer dieser Formen, die durch niedriges Mindeststammkapital und unentwickelte Gründungsformalitäten attraktiv werden sollen, und – nach wie vor – der englischen Ltd. 1 Abrufbar unter der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz, www. justiz.bayern.de/gesetzgebung/index.htm. 2 Im Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der Gründung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GVGG), abrufbar über die Homepage des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen, www.justiz.nrw.de/im/justizpolitik/schwerpunkte/index.php. 3 Dargestellt und begründet bei Gehb/Drang/Heckelmann, NZG 2006, 88; dazu auch Kallmeyer, GmbHR 2004, 377. 4 Der nordrhein-westfälische Vorschlag sieht zusätzlich eine durch VO einzuführende Mustersatzung vor, bei deren Übernahme auf mehrere Gründungsmodalitäten soll verzichtet werden können. 5 Vossius, Entwurf eines GmbH-Reformgesetzes, im Internet unter www.gmbhr.de/volltext/htm. 6 BDI – Hengeler/Mueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen – Modernisierungsbedarf im Recht der GmbH, 2006; Triebel/Otte, ZIP 2006, 311 ff. 7 Etwa Altmeppen, NJW 2005, 1911 f.; Kleindiek, GmbHR 2005, 1366; s. auch Kleindiek, ZGR 2006, 335, 341 ff. 8 So – in Verbindung mit der Ablehnung einer „GmbH light“ – Priester, ZIP 2006, 161. 9 S. etwa Kleindiek, ZGR 2006, 335, 350 ff. 10 Ganz ähnl. der Vorschlag von Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff. 11 Hierzu und zu den folgenden Bedenken gegenüber der Basis- und der Unternehmensgründergesellschaft im Einzelnen K. Schmidt, DB 2006, 1096 ff.; gegen diese Vorschläge auch Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321, 1327; s. auch bereits Merkt, ZGR 2004, 305, 322.

H. P. Westermann

|

205

Einleitung

Auslandsrechte

zu wählen haben, die sie nach Durchlaufen (und Überstehen) der Gründungsphase durch Wechsel in die „seriöse“ deutsche GmbH verlassen könnten, so dass Reformen des GmbHG nicht überflüssig werden. Ob angesichts des Zwangs zur Firmierung mit der neuartigen Bezeichnung (und dem Ausweis des niedrigen Stammkapitals im Register und auf den Geschäftsbriefen) der Rechtsverkehr die neuen Formen annehmen wird, oder ob er die nach der Herabsetzung des Mindest-Stammkapitals auch für Gründer interessantere und auch sonst etwas entschlackte GmbH bisheriger Prägung bevorzugen wird, könnte der weiteren Entwicklung überlassen bleiben; auch insoweit ist aber die Prüfung der Reformmöglichkeiten in Bezug auf das gesetzliche Recht unvermeidbar. Dabei herrscht im BMJ offenbar die Vorstellung, eine deutlich über dem RefE hinausgehende, etwa die Anlehnung an die Ltd. verstärkende Lösung sei politisch nicht durchsetzbar, und die auch nach einer Reform des GmbHG weiterhin die Ltd. Befürwortenden würden „ein böses Erwachen erleben“1. Das Letztere könnte nach Bekanntwerden der ersten Erfahrungen mit der Insolvenz von Schein-Auslandsgesellschaften2 geschehen, entbindet aber nicht von den Überlegungen zur Deregulierung der deutschen GmbH.

2. Die wichtigsten Reformvorschläge 181

Im Mittelpunkt des Interesses dürften die Vorschläge zur Erleichterung der Gründung einer GmbH stehen, die auch auf den mit der Kapitalaufbringung zusammenhängenden Fragenkreis (wenn auch begrenzt) ausstrahlen. Wichtig sind die Versuche, das sowohl bei Kapitalaufbringung als auch bei der Kapitalerhaltung problematische Cash-Pooling zu ermöglichen, ohne dabei zu einer durch die Rechtsprechung vor einiger Zeit abgelehnten Privilegierung dieses Steuerungsinstruments zu kommen (dazu näher § 30 Rdnr. 55), desgleichen der verbreitet als besonders einschneidend empfundene Vorschlag zum Kapitalersatzrecht (dazu näher §§ 32a, b Rdnr. 238 ff.). Hier bemüht sich der RefE, die Mitte zwischen den Verteidigern des derzeitigen, hauptsächlich durch Rechtsprechung und Wissenschaft geschaffenen Zustandes der GmbH und den in letzter Zeit zunehmend zahlreichen und grundsätzlichen Kritikern zu halten. Breite Zustimmung werden demgegenüber vermutlich die Vorschläge des Entwurfs zur Bekämpfung von Missbräuchen bei der „Bestattung“ überschuldeter und vermögensloser Gesellschaften finden, jedenfalls soweit sie verfahrensrechtliche Hindernisse der Durchsetzung von Ansprüchen der Gläubiger betreffen, vielleicht nicht ganz im selben Maße, soweit es um die Verschärfung der Zahlungsverbote in der Unternehmenskrise geht. Das Gesamturteil über den Entwurf könnte lauten, dass es sich eher um moderate Eingriffe in das bestehende Recht als um epochale Umwälzungen handle3, wobei einige direkt auf Auslandsgründungen abzielende Neuerungen4 zu beachten sind. Denkbar ist aber auch, dass sich die Vorstellung verbreitet, der Gesetzgeber habe durch seine Zurückhaltung gegenüber zentralen Kritikpunkten die „vielleicht letzte 1 2 3 4

Neueste Darstellung des Für und Wider bei Seibert, GmbHR 2006, R 241, 242. Dazu erste Zahlenangaben bei Vallender, ZGR 2006, 425, 426 Fn. 2. So Römermann, GmbHR 2006, 673, 681. Dazu besonders Wachter, GmbHR 2006, 793.

206

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

Chance“ doch nicht genutzt, „die Rechtsform der GmbH durch die erforderliche Flexibilität für Investoren im Wettbewerb der Rechtsordnungen wieder attraktiv zu machen“1. Unter den Deregulierungen der Gründung hat die Herabsetzung des MindestStammkapitals auf 10 000 Euro das größte öffentliche Aufsehen verursacht, zunächst deshalb, weil viele schon seit Längerem eine Heraufsetzung dieses Betrages etwa in die Höhe gefordert haben, die bei der Schaffung der GmbH im Jahr 1892 gefordert wurden, nach heutigem Geld etwa 100 000 Euro, weil aber andererseits das Erfordernis eines Mindest-Stammkapitals zunehmend überhaupt in Frage gestellt wurde2. Ob indessen die Diskussion lohnend ist, ist zweifelhaft angesichts des Umstandes, dass selbst Dienstleistungsunternehmen, für deren Bedürfnisse die Stammkapitalsumme von 10 000 Euro im Wesentlichen bestimmt ist, zumindest auf die Dauer damit nicht auskommen werden, weil auf der anderen Seite die meisten Unternehmen gezwungen sein werden, diese „Seriositätsschwelle“ deutlich zu übersteigen. Dennoch würde die Realisierung des RefE in diesem Punkt bedeuten, dass zahlreiche Neugründungen und so gut wie sämtliche Komplementär-GmbH künftig nur das Mindestkapital haben werden. Es kommt hinzu, dass die Probleme der Kapitalaufbringung und -erhaltung unabhängig davon, ob die Ausstattung der Gesellschaft bei 10 000 Euro oder 20 000 Euro liegt, bestehen bleiben werden, nach wie vor wird sich also die Diskussion hauptsächlich auf die Frage konzentrieren, ob überhaupt ein Mindest-Stammkapital beibehalten werden soll, wobei rechtsvergleichende Betrachtungen nur auf den ersten Blick einen Verzicht nahe zu legen scheinen, andererseits aber dem kontinentalen Mindest-Stammkapitalsystem bescheinigt wird, den ausländischen Rechtsordnungen in fast jeder Beziehung überlegen zu sein3. Eine gewisse Beachtung verdienen auch die Änderungen, die der RefE zu § 5 vorgesehen hat, indem etwa das Gebot, wonach der Betrag der Stammeinlagen durch 50 teilbar sein muss, aufgehoben werden soll, solange der Betrag der Stammeinlage nur auf volle Euro lautet. Hiermit kann die bekanntlich schwierige Frage der Aufteilung eines Geschäftsanteils unter mehrere Personen, etwa paritätisch beteiligte Miterben, gelöst werden. Anders verhält es sich offenbar mit der ebenfalls für § 5 Abs. 2 vorgesehenen Preisgabe des Verbots, mehrere Geschäftsanteile einem Gesellschafter zuzuweisen; gegen diese Lösung sprechen gewisse systematische Gesichtspunkte der Unterscheidung zwischen AG und GmbH, dennoch sieht es so aus, als ob die Praxis ihr zustimmen wird4. Die von der Praxis beachtete Tatsache, dass von einem Gesellschafter übernommene Geschäftsanteile oftmals im späteren Zusammenhang einer Ver-

1 Formulierung von Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321, 1327. 2 Zum Letzten etwa Grunewald/Noack, GmbHR 2005, 189; Barta, GmbHR 2005, 657, 662; Triebel/Otte, ZIP 2006, 311, 312; zu den ökonomischen Gesichtspunkten grundlegend Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 434 ff.; kritische Würdigung der Argumente beider Seiten zuletzt bei Wilhelmi, GmbHR 2006, 13 ff. 3 Neuestens dazu die eingehende Untersuchung von Schärtel, Die Doppelfunktion des Stammkapitals im europäischen Wettbewerb, 2006. 4 Zustimmend Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321, 1322; Römermann, GmbHR 2006, 673, 676; schon früher Happ, ZHR 169 (2005), 6, 17; Priester, DB 2005, 1315, 1319; kritisch aber Ulmer, in: Liber amicorum Happ, 2006, S. 325 ff.

H. P. Westermann

|

207

182

Einleitung

Auslandsrechte

äußerung „künstlich“ geteilt werden müssen, hat weiter dazu geführt, dass die Neuregelung in § 17 Abs. 4 RefE auch auf die Teilung von Geschäftsanteilen ausgedehnt werden soll. Die Vorschrift in § 7 Abs. 2 Satz 3, die bei einer Einmann-Gründung vorschreibt, dass der Gründer, wenn er Sacheinlagen leisten will, eine Sicherheit für die effektive Erbringung seiner Einlage leisten soll, dogmatisch schon immer ein Stein des Anstoßes, soll gestrichen werden; ob sich hierdurch ein Missbrauchspotenzial ergibt, bleibt abzuwarten. 183

Die vielfach eingeforderte Beschleunigung der GmbH-Gründung nimmt der Entwurf (nur) zum Anlass einer Trennung des – ebenfalls zu reformierenden – Handelsregisterverfahrens von verwaltungsrechtlichen Genehmigungen, wobei die geplanten Vorschriften über die elektronische Registerführung demnächst allgemein durchgesetzt werden können. Die Vorstellung allerdings, bei dieser Gelegenheit auf das Vorliegen einer bei bestimmten Unternehmenszwecken etwa notwendigen staatlichen Genehmigung in diesem Zusammenhang verzichten zu können und sich auf die Möglichkeit zu verlassen, dass das mit dem Eintragungsantrag verbundene Versprechen, die Genehmigung kurzfristig nachzureichen, bei Nichteinhaltung zu einer Löschung von Amts wegen führen soll (Änderung des § 8 Abs. 1), könnte durch die vorhergesagten prozessualen Schwierigkeiten1 gestört werden, so dass Ergänzungen notwendig werden. Auf Zustimmung stoßen wird demgegenüber mit einiger Sicherheit der Vorschlag, in einem § 4a der Gesellschaft zu ermöglichen, einen Verwaltungssitz zu wählen, der nicht notwendig mit dem Satzungssitz übereinstimmt. Hiermit soll der Spielraum deutscher Gesellschaften erhöht werden, ihre Geschäftstätigkeit auch ausschließlich im Rahmen einer Zweigniederlassung außerhalb Deutschlands zu entfalten, auch soll eine deutsche Konzernmutter die Möglichkeit haben, ihre ausländischen Tochtergesellschaften in der Rechtsform der GmbH zu gründen. Das Recht der Veräußerung von Geschäftsanteilen soll durch eine rechtsdogmatisch interessante Stärkung der Rolle der Gesellschafterliste in § 16 Abs. 1 RefE modifiziert werden. Danach soll künftig im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter nur gelten, wer als solcher in der zum Handelsregister eingereichten Liste eingetragen ist, ohne dass – wie bisher – der Listeneintragung konstitutive Bedeutung beigelegt wird; dies läuft in etwa auf die Lösung gem. § 67 Abs. 2 AktG hinaus.

183a

Der RefE geht davon aus, dass beide Teile eines Veräußerungsgeschäfts, bei Einschaltung eines Notars gem. § 40 des Entwurfs auch dieser, Interesse daran haben, dass die Liste richtig ist und bleibt, so dass sie entsprechende Mitteilungen zum Register – die dem Notar zur Pflicht gemacht werden – auch von sich aus machen werden. Der Gesellschafterliste wird aber keine dem § 15 HGB entsprechende Wertigkeit beigelegt, vielmehr soll nach § 16 Abs. 3 RefE zugunsten desjenigen, der einen Geschäftsanteil rechtsgeschäftlich erwirbt, der Inhalt der Gesellschafterliste „insoweit als richtig“ angesehen werden, „als die den Geschäftsanteil betreffende Eintragung im Zeitpunkt des Erwerbs seit mindestens drei Jahren unrichtig in der Gesellschafterliste enthalten und kein Widerspruch zum Handelsregister eingereicht worden ist“. Der gute Glaube des

1 Dazu Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321, 1322; Römermann, GmbHR 2006, 673, 674.

208

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

Erwerbers geht also im Augenblick des Erwerbs auf den unwidersprochen gebliebenen Listenstand von vor drei Jahren1, in der Praxis wird sich also der Erwerber darauf verlassen können, dass die Liste vor drei Jahren richtig war. Ein Widerspruch gegen eine unrichtigen Listeneintragung muss zum Handelsregister eingereicht – und dort sicher auch eingetragen – werden, der Verkäufer eines Geschäftsanteils, der gezwungen ist, den Erwerber bzgl. des zu erwerbenden Rechts sicherzustellen, wird also belegen müssen, dass in den letzten drei Jahren der Geschäftsanteil nicht veräußert oder belastet worden ist. Im Bereich der Kapitalaufbringung werden die Probleme der verdeckten Sacheinlage (§ 5 Rdnr. 76 ff.) nicht behandelt, die schwerpunktmäßig auf die Probleme der Kapitalerhaltung gemünzte neue Lösung zum Phänomen des Cash-Pooling wird nach der Vorstellung des RefE mit der von ihm vorgeschlagenen Lösung zugleich auch eine Entspannung im Bereich der Kapitalaufbringung nach sich ziehen2. Die Neuerungen im Bereich der Kapitalerhaltung konzentrieren sich neben diesem Punkt auf die Verpflanzung der Regeln zum Kapitalersatz ins Insolvenzrecht (s. dazu die Verweisungen in Rdnr. 180). Sollten die „Rechtsprechungsregeln“ zum Kapitalersatz tatsächlich entfallen, so kann – und muss – sich der Geschäftsführer zukünftig nicht mehr weigern, Darlehensforderungen eines Gesellschafters zu bedienen, weil dadurch Unterbilanz ausgelöst oder vertieft werden könnte. Wenn diese Verteidigungsmöglichkeit entfällt, wird auch ihre Absicherung durch § 42 Abs. 3 geschwächt; deshalb ist wichtig, dass der RefE in § 64 Abs. 2 den Geschäftsführer für Zahlungen an die Gesellschafter haften lassen will, wenn sie die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeiführen. Dies bedeutet, dass dem Geschäftsführer eine Prognose abverlangt wird, ob eine Herbeiführung von Zahlungsunfähigkeit „erkennbar“ ist. Es handelt sich also um eine „situative Ausschüttungssperre“, die gewisse Ähnlichkeit mit den in US-amerikanischen Ordnungen vorgeschriebenen solvency-test habe3. Dies könnte im Zusammenhang gesehen werden mit der im englischen Recht vorgesehenen Haftung von Geschäftsleitern nach den Grundsätzen des wrongful trading, mit denen Fälle gelöst werden sollen, die mit der Insolvenzverschleppungshaftung, aber auch der Existenzvernichtungshaftung nach derzeit geltendem GmbH-Recht Ähnlichkeit aufweisen4. Ob ein formeller solvency-test einen Fortschritt gegenüber der nach geltendem Recht notwendigen Prüfung der Überschuldung oder der Unterbilanz darstellen wird, ist zweifelhaft, dem RefE geht es eigentlich nur darum, die Unsicherheiten in der Feststellung einer „Krise“ zu beseitigen5, wodurch vor allem die Handlungsfähigkeit einer in Schwierigkeiten befindlichen Geschäftsführung verbessert werden soll. Diese Regelung berührt sich eingestandenermaßen mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr in §§ 30, 31 und mit den Tatbeständen der „Existenzvernichtungshaftung“ (§ 13 Rdnr. 99 ff.); eine Abgrenzung

1 Dazu Seibert, ZIP 2006, 1157, 1160. 2 Seibert, ZIP 2006, 1157, 1163; zweifelnd Priester, ZIP 2006, 1557 ff. 3 Näher dazu Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321, 1324; eingehend dazu BDI – Hengeler/Mueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, 2005, S. 27 ff. 4 So auch Triebel/Otte, ZIP 2006, 311, 314. 5 Seibert, ZIP 2006, 1157, 1167.

H. P. Westermann

|

209

184

Einleitung

Auslandsrechte

wird auch nicht dadurch erreicht, dass nach Vorstellungen des Entwurfs1 die Existenzvernichtungshaftung als Regelung des Insolvenzrechts verstanden werden soll. Es bleibt also dabei, dass die Möglichkeit der Gesellschaft (und damit ihrer Gläubiger), Fehlverhalten in der Unternehmenskrise zur Grundlage von Ersatzansprüchen zu machen, auf verschiedenen Wegen begründet werden kann. Das grundsätzliche Bestreben des Gesetzgebers könnte auf einige politisch wirksame Strömungen gestützt werden, insbesondere die Befürchtung, es könnten sich die Fälle böswilliger Unternehmenskäufer häufen, die die Gesellschaft mit überzogenen Belastungen für die Absicherung der von ihnen gezahlten und durch die Gesellschaft abzusichernden Entgelte in eine Krise führen, um dann nach Ausplünderung der Aktiva der Gesellschaft diese ihrem Schicksal zu überlassen.

3. Missbrauchsbekämpfung 185

Das berührt sich mit den im Titel des Gesetzes betonten Bestrebungen des Gesetzgebers um eine verstärkte Missbrauchsbekämpfung. Die hier ins Auge gefassten inkriminierten „Bestattungs-Tatbestände“2 bestehen teilweise darin, dass sämtliche Geschäftsanteile einer nicht mehr lebensfähigen GmbH an einen Dritten veräußert werden, der die Gesellschaft „beerdigen“ soll, indem er ihren Sitz verlegt und einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt, ohne allerdings die nötigen Unterlagen beizufügen, die dann unauffindbar sind, was dazu führt, dass der Insolvenzantrag abgelehnt werden muss. Ein weiteres Instrument ist die Niederlegung des Geschäftsführeramts und die Schließung des Geschäftslokals mit der Folge, dass Klagen oder Bescheide nicht mehr zugestellt werden können. In dieselbe Richtung geht die Übertragung des Geschäftsführeramts auf Personen, die im Ausland, wo sie neuerdings leben, kaum angetroffen werden können; das Ableben der Gesellschaft „unter fremden Namen an einem fremden Ort“ kann mit den gegenwärtigen verfahrensrechtlichen Mitteln nur schwer verhindert werden. Dem soll u.a. dadurch entgegengewirkt werden, dass künftig nach allgemeinen HGB-Regeln Einzelkaufleute und Handelsgesellschaften verpflichtet sein sollen, eine im Register einsehbare Zustellungsadresse anzugeben (§ 8 Abs. 4 RefE), was somit auch für inländische Zweigniederlassungen ausländischer Hauptniederlassungen gilt. Diese Maßnahme, die natürlich nicht verfängt, wenn die aus dem Register ersichtliche Anschrift nicht mehr zutrifft oder dort überhaupt kein Geschäftslokal mehr existiert, soll durch eine gegenüber bisher deutlich vereinfachte öffentliche Zustellung ergänzt werden (§ 15h HGB-Entwurf)3, diese wiederum dem englischen Recht des registered office nachgebildete Lösung dürfte Zustimmung finden4. Als weitere Ergänzung, deren Anwendung in der Praxis allerdings erhebliche Gefahren für die Gesellschafter heraufbeschwören kann, ist die Regelung des § 64 Abs. 1 Satz 2 RefE zu verstehen, die bei Führungslosigkeit einer insolvenz-

1 Seibert, ZIP 2006, 1157, 1167. 2 Sehr plastisch dazu Seibert, in: FS Röhricht, 2005, S. 585 ff.; zum Folgenden auch Meyer, GmbHR 2004, 1417 ff.; Hirte, ZInsO 2003, 833 ff. 3 Näher Seibert, ZIP 2006, 1161, 1165 f. 4 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321, 1326; Römermann, GmbHR 2006, 673, 679 f.

210

|

H. P. Westermann

Auslandsrechte

Einleitung

reifen Gesellschaft eingreifen soll. Wenn eine Gesellschaft keinen Geschäftsführer (mehr) hat, so soll jeder Gesellschafter verpflichtet sein, Insolvenzantrag zu stellen, und zwar mit den daran geknüpften Sanktionen, mit der einzigen Ausnahme, dass die vom Insolvenzgrund und von der Führungslosigkeit keine Kenntnis hat, was er zu beweisen hat. Solange diese Regelung von der Gerichtspraxis nicht im Sinne einer probatio diabolica gehandhabt wird, ist die durch sie bewirkte Steigerung der Verantwortung der Gesellschafter zu begrüßen, welche Regelung flankiert wird durch die Erweiterung der Gründe für ein Tätigkeitsverbot für Geschäftsführer unter dem Gesichtspunkt der „Disqualifikation“1. Die Frage, ob derartige Maßnahmen sich mit den Kriterien des EuGH zur gesetzlichen Regelung von Auslandsgründungen (Rdnr. 105) vereinbaren lassen, wird mit Rücksicht auf die klare Zuordnung zum Allgemeinwohl mit einiger Sicherheit zu bejahen sein.

4. Nicht realisierte Reformwünsche Der Katalog vom RefE jetzt nicht berücksichtigter Reformwünsche2 ist lang. Hervorzuheben ist außer der auf der Tagesordnung verbleibenden Abschaffung des Mindest-Stammkapitals vor allem die weitgehende Beseitigung der registerrechtlichen Kontrollen bei der Gründung, die von der Vorstellung getragen ist, dass diese Kontrollen nicht allzu effektiv sind und vor allem – insbesondere bei Sacheinlagen – die Differenzhaftung gem. § 11 nicht beseitigen. Eine wichtige, vielleicht allerdings auch zu große, Reformaufgabe wäre eine gesetzliche Erfassung des Rechts der verdeckten Sacheinlage, die angesichts der höchst differenzierten Tatbestände und der bis heute nur teilweise geklärten Rechtsfolgen (§ 5 Rdnr. 80a, b) kaum in der Weise bewältigt werden könnte, dass nicht doch ständige Rückgriffe auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung notwendig wären. Verständlicherweise haben auch Überlegungen, ob für die Anteilsübertragung weiterhin eine notarielle Beurkundung gefordert werden soll, schon in der Diskussion vor dem RefE geteilte Aufnahme gefunden, der Entwurf geht dem jetzt so wenig nach wie den Überlegungen, ob nicht in Zukunft über die bisherige Publizität durch die Gesellschafterliste hinaus die Gesellschafter ins Handelsregister eingetragen werden sollen, was nach Einführung des elektronischen Handelsregisters nicht mehr mit allzu großem Aufwand verbunden wäre. Eine andere Lösung wäre die konstitutive Wirkung der Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste für die Übertragung von Geschäftsanteilen. In anderer Beziehung hält der Entwurf Änderungen der jetzigen Rechtslage nicht für notwendig, weil schon bisher die Registergerichte das Recht liberal handhaben; dies betrifft etwa den Verzicht auf einen Kostenvorschuss bei Neugründung und bei der Bareinzahlung das Einverständnis mit einer bloßen Versicherung der Geschäftsführer, dass das Geld eingezahlt ist. Es könnte durchaus sein, dass der Entwurf (auch) Reaktionen aus der registerrechtlichen Praxis hervorruft, die dazu anregen, derartige Gründungserleichterungen 1 Auch dies geht auf Vorbilder aus dem englischen Recht zurück, s. dazu Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321, 1325; zust. auch Römermann, GmbHR 2006, 673, 681. 2 S. etwa Triebel/Otte, ZIP 2006, 311 ff.; BDI – Hengeler/Mueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 12 ff., 21 ff., 42 ff.

H. P. Westermann

|

211

186

Einleitung

Auslandsrechte

zu kodifizieren und ihnen weitere folgen zu lassen. Die Diskussion um den Entwurf wird jedenfalls einen Eindruck davon geben, welches Maß an Flexibilität die GmbH künftig aufweisen wird und ob dies ausreichen wird, den durchaus ernst zu nehmenden Anreizen, die mit der Gründung von Schein-Auslandsgesellschaften verbunden sind, um der höheren Seriosität der deutschen Rechtsform willen zu widerstehen.

212

|

H. P. Westermann

Erster Abschnitt

Errichtung der Gesellschaft

§1

Zweck Gesellschaften mit beschränkter Haftung können nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck durch eine oder mehrere Personen errichtet werden. Text i.d.F. der GmbH-Novelle von 1980 (BGBl. I, 836).

Inhaltsübersicht I. Zweck und Gegenstand . . . .

2

4. Rechtsfolgen nach Eintragung . 22

II. Zulässige Zwecke . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Zwecke . . . .

4 5

5. Heilung . . . . . . . . . . . . . 25

2. Ideelle Zwecke . . . . . . . . .

13

1. Überblick . . . . . . . . . . . . 26 2. Anwendungsbereich . . . . . . . 29

1. Überblick . . . . . . . . . . . . 14 2. Ärzte . . . . . . . . . . . . . . 14b

3. Gründung, Gesellschaftsvertrag 31 4. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . 36

3. Rechtsanwälte . . . . . . . . .

15

IV. Unzulässige Zwecke . . . . . .

17

5. Mängel . . . . . . . . . . . . . . 41 6. Vor-GmbH . . . . . . . . . . . . 42

1. Gesetzesverstoß . . . . . . . . 2. Sittenverstoß . . . . . . . . . .

18 19

3. Rechtsfolgen vor Eintragung

20

III. Freie Berufe

.

V. Einpersonen-GmbH

7. Haftung . . . . . . . . . . . . . 45 8. Juristische Person . . . . . . . . 47 9. Organe . . . . . . . . . . . . . . 49 10. Umwandlung in eine Mehrpersonen-GmbH . . . . . . . . . 50

Schrifttum: Brandner, Geschäftsführungsbefugnis, Unternehmensgegenstand und Unternehmenszweck, in: FS Rowedder, 1994, S. 41; Rud. Fischer, Die Bedeutung des Zwecks für die Aktiengesellschaft, JherJb 63 (1913), 327; Fränkel, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Eine volkswirtschaftliche Studie, 1915; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 2 ff. (S. 1 ff.); Heinrich, in: MünchHdb. III, § 4 Rdnr. 1 ff. (S. 31 ff.); Ivens, Das Fördergebot des GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1988, 249; Koller, Grundfragen einer Typenlehre im Gesellschaftsrecht, 1967; Loidl, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, 1970; Mengiardi, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZSR 109 (1968), 1; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens, 1948; Oppenländer, Sonderregeln für die Zweipersonen-GmbH, DStR 1996, 922; Ott, Die Problematik einer Typologie im Gesellschaftsrecht, 1972; Priester, Nonprofit-GmbH – Satzungsgestaltung und Satzungsvollzug, GmbHR 1999, 149; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 25 Rdnr. 17 ff. (S. 375 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 4 II, 33 V (S. 61, 994 ff.); Scholz, Zu welchem Zweck kann eine GmbH gegründet werden?, GmbHR 1942, 281; Tieves, Emmerich

|

213

§1

Zweck

Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998; Wessel/Zwernemann/ Kögel, Die Firmengründung, 7. Aufl. 2001, Rdnr. 366 ff. (S. 267 ff.); H. Westermann, Die Anpassung der GmbH an den Zweck des Unternehmens, 1959; H. P. Westermann, Die GmbH ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, GmbHR 1970, 313; K. Winkler, Nichtgewerbliche, ideale, insbesondere politische Zielsetzungen als Inhalt von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, NJW 1970, 449; H. Wünsch, Die Bedeutung des FGG für die GmbH und deren Eintragung im Handelsregister, GesRZ 1982, 155; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963; Zöllner, Inhaltsfreiheit bei Gesellschaftsverträgen, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 85.

1

Nach § 1 kann eine GmbH nach Maßgabe des GmbHG durch eine oder mehrere Personen zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet oder besser: gegründet werden1. § 1 des Gesetzes enthält damit zwei wesentliche Aussagen. Er stellt zunächst klar, dass eine GmbH zu jedem beliebigen zulässigen Zweck, also nicht nur zu wirtschaftlichen Zwecken gegründet werden kann; und er gestattet außerdem seit dem 1. 1. 1981 ausdrücklich die Errichtung einer GmbH durch eine einzige Person, die so genannte Einpersonengründung. In beiden Punkten entspricht die Rechtslage in Österreich der in Deutschland2.

I. Zweck und Gegenstand 2

1. Das Gesetz spricht in den §§ 1 und 61 Abs. 1 vom Zweck der Gesellschaft und unterscheidet davon in den §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 4 Abs. 1, 8 Abs. 1 Nr. 6, 10 Abs. 1, 75 Abs. 1 und 76 den Gegenstand des Unternehmens. Das Verhältnis dieser beiden Begriffe zueinander ist umstritten3. Nach überwiegender Meinung bezeichnet der Gegenstand einfach die Tätigkeit der Gesellschaft, mittels derer diese ihre (wirtschaftlichen oder nichtwirtschaftlichen) Zwecke verfolgt4, wobei jedoch die Akzente unterschiedlich gesetzt werden: Während sich nach den einen der Gegenstand und der Zweck der Gesellschaft zueinander wie Mittel und Zweck verhalten, sehen andere die vorrangige Bedeutung der Einigung der Gesellschafter über den Zweck ihrer Gesellschaft darin, entsprechend § 705 BGB die unverrückbare Grundlage ihrer Zusammenarbeit zu fixieren, während der Gegenstand der Gesellschaft in erster Linie die Aufgabe hat, nach außen ihren Tätigkeitsbereich zu verlautbaren (und gerade deshalb nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 möglichst genau in der Satzung zu bezeichnen ist)5. Nach anderen sind die Begriffe hingegen identisch6, während wieder andere in dem Gesellschafts-

1 Zur Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Gründung und Errichtung s. § 29 AktG. 2 § 1 Abs. 1 öGmbHG i.d.F. von 1996 (BGBl. 1996 Nr. 304); s. dazu Koppensteiner, in: FS Claussen, 1997, S. 213. 3 S. Brandner, in: FS Rowedder, S. 41, 42 ff.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 11 ff. 4 Grdlg. BGHZ 127, 176, 179 f. = NJW 1995, 192. 5 S. Ulmer, Rdnr. 5 ff.; Koppensteiner, öGmbHG, § 1 Rdnr. 6 f.; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 4 Rdnr. 1 (S. 31); Michalski, Rdnr. 2 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 5 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; K. Schmidt, GesR, § 4 II 3 (S. 64 ff.); Wiedemann, GesR I, S. 155. 6 RG, DR 1939, 720; Flume, Jur. Person, S. 323 ff.

214

|

Emmerich

§1

Zweck

zweck den weiteren Begriff sehen, der gleichermaßen den Gegenstand der Gesellschaft wie ihre Ziele umfasst1. 2. Der ganze Fragenkreis ist, nicht zuletzt wohl wegen der unklaren gesetzlichen Regelung, noch nicht endgültig ausdiskutiert. Denn während bei den Personengesellschaften das Gesetz in § 705 BGB den Zweck der Gesellschaft ganz in den Mittelpunkt seiner Regelung stellt (§§ 105 Abs. 3 und 161 Abs. 2 HGB), verzichtet das AktG in scharfem Gegensatz hierzu sogar völlig auf die Erwähnung des Zwecks und verlangt statt dessen lediglich die Nennung des Gegenstandes des Unternehmens der Gesellschaft in der Satzung (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 AktG). Gleichwohl ist selbst bei der AG mit Rücksicht auf § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB (Erfordernis der Einstimmigkeit für eine Zweckänderung) an der Notwendigkeit festzuhalten, zwischen dem Gegenstand und dem Zweck der Gesellschaft zu unterscheiden. Für die GmbH folgt dasselbe bereits aus der skizzierten gesetzlichen Regelung (oben Rdnr. 2) sowie ebenso wie bei der Aktiengesellschaft außerdem noch aus dem Umstand, dass für die Änderung von Zweck und Gegenstand unterschiedliche Regeln gelten. Denn während nach dem auch für die GmbH geltenden § 33 BGB für eine Zweckänderung die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist2, genügt für eine Änderung des Gegenstandes der Gesellschaft gem. § 53 eine Satzungsänderung mit qualifizierter Mehrheit.

2a

Weitergehende Schlussfolgerungen lassen sich aber aus der Gesetzeslage nicht ziehen3. Denn da die Gesellschafter in der Formulierung des Gesellschaftszweckes frei sind (§§ 311 Abs. 1, 705 BGB), hindert sie nichts, den Gesellschaftszweck mit dem Gegenstand der Gesellschaft zu identifizieren oder als Gegenstand der Gesellschaft einen Ausschnitt aus dem weiter formulierten Gesellschaftszweck zu bestimmen. Die Folge ist dann freilich, dass für eine Änderung des Gesellschaftsgegenstandes die strengeren Anforderungen des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB (im Verhältnis zu § 53) zu beachten sind, jedenfalls, soweit die Gegenstandsänderung auch den mit dem Gegenstand ganz oder partiell identischen Zweck der Gesellschaft tangiert. Wegen des damit verbundenen Verlustes an Flexibilität dürfte jedoch für den Regelfall daran festzuhalten sein, dass sich in der Tat Gegenstand und Zweck der Gesellschaft wie Mittel und Zweck zueinander verhalten4. Gewöhnlich wird dabei der Unternehmensgegenstand in dem Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens, der Zweck der Gesellschaft dagegen in der Gewinnerzielung bestehen5. Notwendig ist dies jedoch nicht; vielmehr können mit dem Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens durchaus auch ideelle Zwecke, z.B. die Förderung eines wissenschaftlichen Instituts, verfolgt werden.

2b

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 11 ff. (im Ergebnis aber wie hier). 2 Grdl. BGHZ 96, 245, 248 ff. = NJW 1986, 1033. 3 Anders 9. Aufl., Rdnr. 2a. 4 Grdlg. BGHZ 127, 176, 179 f. = NJW 1995, 192; BayObLGZ 1975, 447; OLG Hamburg, GmbHR 1968, 118 = BB 1968, 267; w.N. s. oben Rdnr. 2. 5 Vgl. BGHZ 127, 176, 179 f. = NJW 1995, 192; Flume, Jur.Person, § 9 II (S. 324 f.).

Emmerich

|

215

§1

Zweck

3

3. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 braucht der Unternehmensgegenstand, nicht dagegen der Gesellschaftszweck in der Satzung genannt zu werden1. Etwas anderes gilt nach Steuerrecht nur für gemeinnützige Gesellschaften, da die steuerrechtliche Anerkennung solcher Gesellschaften voraussetzt, dass der gemeinnützige Zweck der Gesellschaft möglichst präzise in der Satzung genannt wird (§§ 59 und 60 Abs. 1 AO)2. Auch in anderen Fällen hindert die Gesellschafter natürlich nichts, den Zweck ihres Zusammenschlusses (mehr oder weniger) genau in der Satzung oder z.B. in der Präambel festzuschreiben.

3a

Fehlt es hieran, so stellt sich die weitere Frage, wie der Gesellschaftszweck gegebenenfalls zu ermitteln ist. Wichtigste Erkenntnisquelle ist natürlich der Unternehmensgegenstand. Daneben sind aber auch der Gesamtinhalt des Gesellschaftsvertrags sowie sonstige Umstände wie z.B. die Anlage des Unternehmens und das tatsächliche Geschäftsgebaren zu berücksichtigen3. Die Frage ist deshalb wichtig, weil eine GmbH nach § 1 nur zu einem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet werden darf (unten Rdnr. 4 ff.), weil eine etwaige Zweckänderung der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BGB) und weil der Zweck der Gesellschaft mit Rücksicht darauf den Handlungen aller Organe der Gesellschaft unübersteigbare Schranken zieht4.

II. Zulässige Zwecke 4

Die für eine GmbH in Betracht kommenden Zwecke werden üblicherweise in erwerbswirtschaftliche, sonstige wirtschaftliche und ideelle Zwecke eingeteilt5. Dagegen ist so lange nichts zu erinnern, wie man sich bewusst bleibt, dass eine scharfe Grenzziehung nicht möglich ist und dass auch jeder mögliche sonstige Zweck in Betracht kommt, sofern er nur, und zwar gerade für eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, gesetzlich erlaubt ist.

1. Wirtschaftliche Zwecke 5

a) Eine GmbH kann zunächst zu jedem erwerbswirtschaftlichen Zweck errichtet werden, wobei es – anders als nach den §§ 105 Abs. 1 und 161 Abs. 1 HGB – keine Rolle spielt, ob es sich um ein Handelsgewerbe handelt oder nicht. Ebenso bedeutungslos ist der Umfang des von der Gesellschaft angestrebten Gewerbes (s. § 13 Abs. 3). Jeder gewerbliche Zweck stellt vielmehr – im Rahmen der Gesetze – einen zulässigen Gesellschaftszweck der GmbH dar. Auch für ausländische juristische Personen gelten insoweit seit der Streichung der §§ 12 und 12a GewO im Jahre 1984 keine Besonderheiten mehr6. 1 2 3 4

S. unten § 3 Rdnr. 11; OLG Wien, NZG 1983, 94 = HS 12.314; anders Ulmer, Rdnr. 9. S. Priester, GmbHR 1999, 149, 151. RGZ 164, 129, 140. S. im Einzelnen Brandner, in: FS Rowedder, S. 41, bes. S. 44 ff.; K. Schmidt, GesR, § 4 II 3 (S. 64 ff.). 5 S. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6 ff.; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 4 Rdnr. 3 ff. (S. 32 f.); Michalski, Rdnr. 9 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7 ff. 6 S. Ulmer, Rdnr. 16.

216

|

Emmerich

§1

Zweck

b) Bankgeschäfte können auch von einer GmbH betrieben werden. Die Gesellschaft bedarf dazu jedoch einer Erlaubnis des Bundesaufsichtsamts (BaFin) (§ 32 KWG), von deren Nachweis die Eintragung ins Handelsregister abhängt (§ 43 Abs. 1 KWG). Das Investmentgeschäft steht ihr gleichfalls offen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2–4 InvG). Die gesetzliche Beschränkung auf die Rechtsform der AG oder KGaA für Hypothekenbanken und Schiffspfandbriefbanken wurde mit der Neuregelung durch das PfandbriefG v. 22. 5. 20051 aufgehoben. Auch für Unternehmensbeteiligungsgesellschaften ist die Rechtsform der GmbH zugelassen (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften). Hingegen müssen private Bausparkassen die Rechtsform einer AG haben (§ 2 Abs. 1 BausparkassenG).

6

c) Versicherungsgeschäfte sind heute der GmbH im Wesentlichen versperrt, da nach § 7 Abs. 1 VAG die Erlaubnis zum Betrieb des Versicherungsgeschäfts gegen Prämie nur Unternehmen in der Rechtsform der AG und des VVaG erteilt werden darf. In § 1 Abs. 2 öGmbHG ist dies sogar ausdrücklich bestimmt. Eine (praktisch freilich bedeutungslose) Ausnahme bildet nur noch das Rückversicherungsgeschäft. Auch Unterstützungskassen der betrieblichen Altersversorgung können anders als die Pensionskassen in der Rechtsform einer GmbH betrieben werden (s. §§ 1 Abs. 3 und 4 BetrAVG)2.

7

d) Andere Gewerbezweige, von denen die GmbH als juristische Person ausgeschlossen ist, sind der Betrieb einer Apotheke (§ 8 ApothekenG)3 und der des Versteigerungsgewerbes (§ 34b Abs. 3 Satz 1 GewO)4. Sachliche Gründe für diese Diskriminierungen von Kapitalgesellschaften sind freilich nicht mehr erkennbar, so dass erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der fraglichen Bestimmungen bestehen (Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG).

8

e) Genehmigungsbedürftigkeit eines Gewerbes berührt nicht die gesetzliche Zulässigkeit des Gesellschaftszwecks; lediglich die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister ist dann von der Erteilung der Genehmigung abhängig (§ 8 Abs. 1 Nr. 6). Das Fehlen der Genehmigung kann außerdem einen Auflösungsgrund nach den §§ 61 und 62 bilden (wegen der Einzelheiten s. unten § 8 Rdnr. 14 ff.).

9

f) Gemeinnützige Unternehmen (neudeutsch: Nonprofit-Unternehmen) können sich gleichfalls der Rechtsform der GmbH bedienen, zumal richtiger Meinung nach eine gemeinnützige Zielsetzung bereits das Vorliegen eines Gewerbes nicht ausschließt5. Die Voraussetzungen für die steuerrechtliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit ergeben sich im Einzelnen aus den §§ 51 ff. AO. Beispiele sind Unterstützungseinrichtungen zu Gunsten der Arbeiter und Ange-

10

1 2 3 4 5

BGBl. I, 1373. S. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11, 14. Schiedermair, PharmaZ 1983, 286. AG Wiesbaden, GmbHR 1988, 349 (auch zu Umgehungskonstruktionen). S. im Einzelnen Loidl, Die GmbHG ohne erwerbswirtschaftliche Zielsetzung, 1970; Priester, GmbHR 1999, 149; H. P. Westermann, GmbHR 1970, 313; K. Winkler, NJW 1970, 449.

Emmerich

|

217

§1

Zweck

stellten von Unternehmen1, die „Olympische Spiele München 1972-GmbH“2, eine gemeinnützige GmbH als Trägerin eines öffentlichen Krankenhauses3 sowie noch die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen4. Auch Stiftungszwecken können gemeinnützige GmbHs ohne weiteres dienstbar gemacht werden5. 11

g) Die GmbH ist weiter als Rechtsform für öffentliche und gemischtwirtschaftliche Unternehmen verbreitet. Gesellschaftsrechtlich spielt es keine Rolle, ob die öffentliche Hand mit der Beteiligung an der GmbH öffentliche oder fiskalische Zwecke verfolgt. Ohne Rücksicht darauf gilt in jedem Fall für die GmbH das private Gesellschaftsrecht einschließlich des Konzernrechts. Die bloße Verfolgung öffentlicher Zwecke rechtfertigt keine Durchbrechung des privaten Gesellschaftsrechts6.

12

h) Die GmbH eignet sich außerdem als Handelsvertreter (§ 84 HGB)7 sowie für das Gebiet der Urproduktion, selbst wenn man, wie es häufig geschieht, etwa die Landwirtschaft (entgegen § 3 HGB) nicht zum Gewerbe rechnet. Schließlich findet die GmbH noch für sonstige wirtschaftliche Zwecke verbreitet Verwendung. Beispiele sind die Vermögens- und Kapitalverwaltung einschließlich der Grundstücksverwaltung8, die Tätigkeit der Wirtschafts- und Berufsverbände, Kartelle (soweit heute noch zulässig), Holdinggesellschaften im Rahmen von Konzernen sowie Gemeinschaftsunternehmen, in denen in wachsendem Maße die Zusammenarbeit (neudeutsch: Kooperation) von Unternehmen institutionalisiert wird.

2. Ideelle Zwecke 13

Eine GmbH kann nach § 1 auch zur Verfolgung ideeller, d.h. nichtwirtschaftlicher Zwecke errichtet werden. Hervorzuheben sind gesellige, sportliche, politische oder wissenschaftliche Zwecke. Verfolgt die Gesellschaft politische Zwecke, so findet ergänzend das Vereinsgesetz vom 5. 8. 19649 Anwendung (s. § 2 Abs. 1 und § 17 des Gesetzes). Dagegen bestehen seit Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung (i.V.m. Art. 140 GG) keine Beschränkungen mehr für die Verfolgung religiöser Zwecke in der Rechtsform einer GmbH. Jede „Kirche“ kann sich als GmbH organisieren.

III. Freie Berufe Schrifttum: Deregulierungskommission, Marktöffnung und Wettbewerb, 1991; Ahlers, in: FS Rowedder, 1994, S. 1; Boin, NJW 1995, 371; Damm, in: FS Brandner, 1996, S. 31; Donath, ZHR 156 (1992), 134; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl. 2003, 1 2 3 4 5 6

OLG Stuttgart, NJW 1964, 1231. BGHZ 66, 48, 49 = NJW 1976, 514; BFHE 138, 458, 462 f. OGH, EvBl. 1993, 346 f. Nr. 82 = JBl. 1993, 528 = HS 22.152 (S. 101). S. 9. Aufl., Rdnr. 10. Priester, GmbHR 1999, 149, 155 f. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 98 ff.; Emmerich, AG 1976, 225. 7 R. Emde, GmbHR 1999, 1005. 8 W. Horn, GmbHR 2001, 386. 9 BGBl. I, 593.

218

|

Emmerich

§1

Zweck

S. 567 ff.; Gail/Overlack, Anwaltsgesellschaften, 2. Aufl. 1996; Gerlt, MDR 1998, 259; Harrer, GesRZ 2000, 2; Henssler, NJW 1999, 241; Henssler, ZIP 1994, 884; 1997, 1481; Jessnitzer/Blumenberg, BRAO, 9. Aufl. 2000, S. 249 ff.; Koch, AnwBl. 1993, 157; Michalski, Das Gesellschafts- und Kartellrecht der berufsrechtlich gebundenen freien Berufe, 1989; J. Meyer/V. Kreft, GmbHR 1997, 193; Prohaska, Berufspflichten und persönliche Haftung des Anwalts als Geschäftsführer der AnwaltsGmbH, 1997; Prohaska, MDR 1997, 701; Römermann, Entwicklungen und Tendenzen bei Anwaltsgesellschaften, 1995; Römermann, GmbHR 1997, 530; Römermann, GmbHR 1999, 526, 1175; Römermann, NZG 1998, 81; Römermann, in: Michalski, Syst. Darst. 7 (S. 589 ff.); Römermann/Spönemann, NZG 1998, 15; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13 ff.; Taupitz, JZ 1994, 1100; Taupitz, NJW 1995, 369; Taupitz, NJW 1996, 3033.

1. Überblick Bis auf den heutigen Tag ist umstritten, in welchem Umfang sich die GmbH als Organisationsform für die Angehörigen der freien Berufe eignet. Welche Berufe hierher gehören, ergibt sich in erster Linie aus § 1 Abs. 2 des Partnerschaftsgesellschaftengesetzes (PartGG) von 19941. Für einen Teil der dort genannten Berufe, insbesondere für die Wirtschaftsprüfer und die Steuerberater, war die Zulässigkeit der Berufsausübung in einer GmbH freilich schon lange (auf Druck der zuständigen Verbände) gesetzlich anerkannt (§§ 1 Abs. 3, 27 Abs. 1 WPO, §§ 3, 49 SteuerberatungsG). Für andere Berufe wie die Rechtsanwälte und die Patentanwälte ist die Zulässigkeit der Gründung von GmbHs dagegen erst in jüngster Zeit durch die Rechtsprechung und die Gesetzgebung geklärt worden (unten Rdnr. 14b). Für wieder andere Berufe wie namentlich die Ärzte wird der Fragenkreis schließlich nach wie vor kontrovers diskutiert (unten Rdnr. 15 f.). Schließlich gibt es noch eine Reihe von Berufen, deren Ausübung (aus nicht nachvollziehbaren Gründen) natürlichen Personen vorbehalten ist; hervorzuheben ist der Betrieb einer Apotheke oder des Versteigerungsgewerbes (oben Rdnr. 8).

14

Unklar ist die Rechtslage zunächst immer noch hinsichtlich der Architekten, da nach einer verbreiteten Meinung die Architektengesetze einzelner Länder der Eintragung einer Architekten-GmbH in die Architektenliste entgegenstehen, woraus dann der weitere Schluss gezogen wird, dass sich eine derartige GmbH auch nicht als „Architektengesellschaft“ oder ähnlich bezeichnen dürfe, ohne dadurch freilich an der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit gehindert zu sein2. Diese Meinung ist unhaltbar: Wenn eine Architekten-GmbH als solche tätig werden darf – das ist unstreitig –, dann darf sie sich nach Bundesrecht auch als solche bezeichnen (§ 4 GmbHG; § 18 HGB; § 5 UWG); die Architektengesetze der Länder können daran nichts ändern3. Dasselbe gilt – erst recht – für Ingenieure, sofern man sie überhaupt (mit § 1 Abs. 2 PartGG) zu den

14a

1 BGBl. I, 1744. 2 So der BadWürttVGH, DVBl. 1999, 50 f.; OLG Nürnberg, GRUR 1983, 453; OLG Frankfurt, OLGR 2000, 95 = GmbHR 2000, 623 (nur LS). 3 Zutreffend OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 1322 f. = BauRS 1996, 571 = GRUR 1996, 370; Römermann, in: Michalski, Syst. Darst. 7 Rdnr. 129 ff. (S. 624 ff.); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13.

Emmerich

|

219

§1

Zweck

freien Berufen rechnet1. Ebenso sollte heute für alle anderen freien Berufe einschließlich der Ärzte und der Rechtsanwälte entschieden werden (unten Rdnr. 14b ff.).

2. Ärzte 14b

Bei Ärzten und Zahnärzten ging die überwiegende Meinung früher dahin, als Rechtsform für eine Sozietät komme allein die BGB-Gesellschaft sowie seit 1995 die Partnerschaftsgesellschaft in Betracht, während ihnen die Kapitalgesellschaften einschließlich der GmbH versperrt seien2. Daran hat die Rechtsprechung indessen zu Recht nicht festgehalten, weil keine Gründe ersichtlich sind, die einen derart schwer wiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit von Kapitalgesellschaften rechtfertigen können (Art. 12 Abs. 1 GG)3. Deshalb müssen auch die Kammer- und Heilberufegesetze einzelner Länder auf Bedenken stoßen, in denen – entgegen dieser Rechtsprechung – wiederum ausdrücklich die Führung einer ärztlichen Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts verboten worden ist4. Nach dem Gesagten dürften diese gesetzlichen Verbote mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar sein, weil sie eine objektive Zulassungssperre enthalten, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht zu erkennen ist5. Die abweichende Praxis des Bayerischen VerfGH kann aus diesen Gründen keine Billigung finden6.

3. Rechtsanwälte 15

a) Bei den Rechtsanwälten ging die überwiegende Meinung bis vor wenigen Jahren gleichfalls von der generellen Unzulässigkeit der Anwalts-GmbH aus7, obwohl seit langem ein großer Teil der Anwaltschaft aus unterschiedlichen Gründen an der Zulassung der Anwalts-GmbH interessiert war8. Die Frage war aber schon immer zweifelhaft, weil unserer Rechtsordnung im Grunde nirgends ein den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügendes Verbot der AnwaltsGmbH entnommen werden konnte9. Bei der Änderung der BRAO im Jahre 1994 war im Gegenteil die Frage ausdrücklich offen gelassen worden10. 1 BayObLG, ZIP 2002, 1032, 1033 f. 2 AG Saarbrücken, GmbHR 1989, 297. 3 Grdlg. BGHZ 124, 224, 225 ff. = NJW 1994, 786; OLG Düsseldorf, GRUR 1992, 178; LG Köln, GmbHR 1988, 269; J. Meyer/V. Kreft, GmbHR 1997, 193; Taupitz, NJW 1996, 3033. 4 So Bayern (GVBl. 2002, 42) und Schleswig-Holstein (GVBl. 1996, 248). 5 J. Meyer/V. Kreft, GmbHR 1997, 193, 194; Römermann, in: Michalski, Syst. Darst. 7 Rdnr. 135 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13; Taupitz, NJW 1996, 3033, 3038 ff. 6 NJW 2000, 3418 ff. 7 S. zuletzt Donath, ZHR 156 (1992), 134; Michalski, Gesellschafts- und Kartellrecht, S. 1 ff.; Taupitz, JZ 1994, 1100; Taupitz, NJW 1995, 369). 8 S. die Kontroverse zwischen Deregulierungskommission (Marktöffnung, Rdnr. 453 [S. 110 f.]) und DAV (AnwBl. 1990, Beil. zu Heft 4) auf der einen Seite und andererseits Braun, MDR 1995, 447. 9 S. schon Emmerich, JuS 1995, 261, 262 m.N. 10 S. Begr. RegE, BT-Drucks. 12 (1993)/4993, S. 23.

220

|

Emmerich

§1

Zweck

Mit Recht hatte sich deshalb in den neunziger Jahren zuletzt weitgehend die Auffassung von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Anwalts-GmbH durchgesetzt1. Voraussetzung war lediglich, dass die Satzung der Anwalts-GmbH bestimmten Mindestanforderungen genügte, um sie mit der BRAO in Einklang zu bringen2.

15a

b) Angesichts der geschilderten Entwicklung sah sich schließlich auch der Gesetzgeber zum Handeln gezwungen. Deshalb legte das Bundesjustizministerium 1997 nach langem Zögern den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Anwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung (AnwaltsGmbH-Gesetz) vor3. Dieser Entwurf und namentlich die in ihm vorgesehene strenge Handelndenhaftung des jeweils tätig gewordenen Anwalts stießen indessen auf verbreitete Kritik4. Der RegE von Ende 19975 verzichtete aus diesem Grunde wieder auf die Handelndenhaftung und brachte auch in anderer Hinsicht verschiedene Erleichterungen.

16

Obwohl im Schrifttum auch der RegE als immer noch zu restriktiv kritisiert wurde6, hielt doch der Gesetzgeber im Wesentlichen an dem Konzept des RegE fest. Das Gesetz zur Änderung der BRAO wurde am 31. 8. 1998 verkündet7 und ist am 1. 3. 1999 in Kraft getreten. Aus der gesetzlichen Regelung, die sich jetzt in den §§ 59c bis 59m BRAO findet, sind folgende Punkte hervorzuheben8: Die Zulässigkeit der Anwalts-GmbH wird in § 59c BRAO ausdrücklich festgeschrieben. Gesellschafter können jedoch nur Anwälte und die Angehörigen der anderen sozietätsfähigen Berufe sein. Die Anwälte müssen außerdem die Mehrheit der Anteile und der Stimmrechte innehaben (§ 59e BRAO), wodurch der Zusammenschluss von Anwälten mit den Angehörigen anderer beratender Berufe in Anwaltsgesellschaften erheblich erschwert wird. Auch die Geschäftsführung muss in der Hand von Rechtsanwälten liegen (§ 59f BRAO). Die Gesellschaft muss ferner eine hohe Berufshaftpflichtversicherung abschließen (§ 59j BRAO) und in ihrer Firma den Namen eines Anwaltsgesellschafters sowie den Zusatz „Rechtsanwaltsgesellschaft“ führen (§ 59k BRAO)9. Andere Zusätze sind

16a

1 Grdlg. BayObLGZ 1994, 353, 356 ff. = NJW 1995, 199 = GmbHR 1995, 42 = ZIP 1994, 1868 „Seufert GmbH“; BayObLGZ 1996, 188, 191 f. = GmbHR 1996, 922 = ZIP 1996, 1706; BayObLG, ZIP 1998, 1959; OLG Bamberg, MDR 1996, 423; OLG Köln, GmbHR 1997, 945 = NZG 1998, 230; LG Baden-Baden, GmbHR 1996, 924. 2 BayObLGZ 1994, 353, 361 f. = NJW 1995, 199 = GmbHR 1995, 42 = ZIP 1994, 1868; OLG Köln, GmbHR 1997, 945. 3 Abgedruckt in: ZIP 1997, 1518. 4 S. Römermann, GmbHR 1997, 530; Römermann/Spönemann, NZG 1998, 15, 18; Prohaska, MDR 1997, 701. 5 BR-Drucks. 1002/97 = ZIP 1998, 221 = NZG 1998, 83. 6 S. Gerlt, MDR 1998, 259; Römermann, NZG 1998, 81; Römermann/Spönemann, NZG 1998, 15, 18. 7 BGBl. I, 2600; s. dazu Römermann, GmbHR 1998, 966; Römermann, GmbHR 1999, 526; Zuck, MDR 1998, 1317. 8 Wegen aller Einzelheiten s. im Übrigen Feuerich/Weyland, BRAO, §§ 59c ff. (S. 567 ff.); Jessnitzer/Blumberg, BRAO, §§ 59c ff. (S. 249 ff.); Römermann, in: Michalski, Syst. Darst. 7 Rdnr. 16 ff. (S. 594 ff.); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15 ff. 9 S. dazu BGH, NJW 2004, 1099 „KPMG“ (sehr kritisch).

Emmerich

|

221

§1

Zweck

ebenso unzulässig wie etwa Sachfirmen. Die Gesellschaft bedarf der Zulassung, auf deren Erteilung bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ein Anspruch besteht (§ 59g BRAO). Anschließend ist die Rechtsanwaltsgesellschaft zur Vertretung vor Gerichten befugt (§ 59l BRAO). Eine entsprechende Regelung wurde in die Patentanwaltsordnung eingefügt (§§ 52c bis 52m PatAnwO)1.

IV. Unzulässige Zwecke 17

Eine GmbH kann nach § 1 nur zu einem gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden. Den Gegensatz bilden verbotene oder sittenwidrige Zwecke (§§ 134 und 138 BGB). Ergänzende Vorschriften finden sich in den §§ 61, 62 und 75 sowie noch in den §§ 142 ff. FGG. Nach § 61 kann eine Gesellschaft durch Urteil aufgelöst werden, wenn die Erreichung des Gesellschaftszweckes unmöglich wird oder wenn andere wichtige Gründe für die Auflösung vorhanden sind. § 62 fügt hinzu, dass die Gesellschaft auch von der Verwaltung aufgelöst werden kann, wenn sie das Gemeinwohl dadurch gefährdet, dass die Gesellschafter gesetzwidrige Beschlüsse fassen oder gesetzwidrige Handlungen der Geschäftsführer wissentlich geschehen lassen. Schließlich kommt noch nach § 75 Abs. 1 eine Nichtigkeitsklage in Betracht, wenn Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über den Gegenstand des Unternehmens nichtig sind. Weitere Möglichkeiten zur Löschung nichtiger Gesellschaften eröffnen die §§ 144 und 144a FGG (s. im Einzelnen unten Rdnr. 20 ff.).

1. Gesetzesverstoß 18

Die Satzung ist zunächst (insgesamt) nichtig, wenn der Zweck der Gesellschaft gegen ein (beliebiges) gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB). Gesetz in diesem Sinne ist jede Rechtsnorm gleich welchen Ranges, von den Satzungen der Gemeinden bis zur Verfassung und den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts. Beispiele sind die unbefugte Ausbeutung fremder Schutzrechte2, der Eingriff in staatliche Monopolrechte3, die Organisation des verbotenen Glücksspiels oder des Schmuggels4 sowie die Steuerhinterziehung, vorausgesetzt, dass sie der eigentliche Zweck der Gesellschaft ist; anders dagegen, wenn die GmbH lediglich zu dem Zweck gegründet wird, Steuern zu sparen, selbst wenn die Gesellschaft später steuerrechtlich nicht anerkannt wird5. Ebenso wenig liegt ein unzulässiger Zweck vor, wenn die Gesellschaft der staatlichen Genehmigung bedarf; vor Erteilung der Genehmigung scheidet jedoch eine Eintragung der Gesellschaft aus (§ 8 Abs. 1 Nr. 6)6. 1 Dazu BGHZ 148, 270 = NJW 2002, 68. 2 Ulmer, Rdnr. 40. 3 Vgl. für das (inzwischen aufgehobene) Zündwarenmonopol BayObLGZ 1972, 126, 129 ff.; für das (frühere) Arbeitsvermittlungsmonopol des Bundes BayObLGSt. 1970, 261. 4 RGZ 96, 282 f. 5 RG v. 7. 10. 1941, StRK StAnpG § 6 R 2. 6 S. oben Rdnr. 11. Ein Beispiel in OGH SZ Bd. 46 (1973) Nr. 58, S. 261, 264: Betrieb von Bankgeschäften ohne Genehmigung nach dem KWG; zur Gründung einer GmbH durch Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis s. unten § 2 Rdnr. 41.

222

|

Emmerich

§1

Zweck

2. Sittenverstoß Die Satzung ist außerdem nichtig, wenn der von der Gesellschaft nach dem Willen der Gesellschafter verfolgte Zweck gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB). Ein Beispiel ist eine Gesellschaft, die zum Betrieb wucherischer Geschäfte oder zur Organisation eines systematischen Austauschs von Finanzwechseln gegründet worden ist1. Anders zu beurteilen ist dagegen heute eine Gesellschaft, deren Zweck in dem Betrieb eines Bordells besteht2. Dies folgt zwanglos aus § 1 Satz 2 des Prostitutionsgesetzes von 20013. Von der Sittenwidrigkeit des (ganzen) Zwecks ist ferner der Fall zu unterscheiden, dass lediglich einzelne Bestimmungen der Satzung sittenwidrig sind, weil sich dann die Nichtigkeit auf die fraglichen Bestimmungen beschränkt, während die Gültigkeit der Satzung im Übrigen nicht berührt wird (§§ 138, 139 BGB).

19

3. Rechtsfolgen vor Eintragung Bei Verfolgung eines unzulässigen Zwecks ist der Gesellschaftsvertrag nichtig (§§ 134, 138 BGB). Das kann bis zur Entstehung der GmbH von jedermann geltend gemacht werden4. Eine Ausnahme kommt nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft lediglich in Betracht, wenn die Vorgesellschaft bereits in Vollzug gesetzt ist, es sei denn, es handele sich gerade um einen derjenigen Fälle, in denen auch die fehlerhafte Gesellschaft keine Anerkennung findet wie zumindest in den Fällen schwerer Gesetzes- oder Sittenverstöße der Gesellschaft5.

20

Der Registerrichter muss die Zulässigkeit des Zwecks prüfen. Stellt er dessen Unzulässigkeit fest, so hat er die Eintragung der GmbH abzulehnen6. Bei Zweifeln kann er Ermittlungen nach dem wahren Zweck anstellen, dies jedoch nur, wenn sich Anhaltspunkte für dessen Verschleierung ergeben (§ 12 FGG).

21

4. Rechtsfolgen nach Eintragung a) Nach Eintragung der Gesellschaft muss anders als in der vorausgehenden Zeit (oben Rdnr. 20) unterschieden werden, ob der Nichtigkeitsgrund den Zweck oder den Gegenstand der Gesellschaft betrifft, weil nur in dem zuletzt genannten Fall die Vorschriften des § 75 GmbHG und des § 144 FGG eingreifen, während bei Nichtigkeit des Zwecks allein eine Anwendung des § 61 in Betracht kommt. Die ganzen Schwierigkeiten, mit denen die unklare Unterscheidung zwischen Zweck und Gegenstand der Gesellschaft belastet ist (oben Rdnr. 2 ff.), erlangen daher hier praktische Bedeutung, wobei zu beachten ist,

1 2 3 4 5

BGHZ 27, 172, 176 ff. = NJW 1958, 989. Jetzt auch Ulmer, Rdnr. 41. BGBl. I, 3983. BayObLGZ 1972, 126, 129. S. Heymann/Emmerich, HGB, § 105 Rdnr. 83 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 32; Koppensteiner, öGmbHG, § 1 Rdnr. 12. 6 KGJ 30 A 129; 31 A 183; 39 A 300; BayObLGZ 1972, 126, 128 f.; OGH SZ Bd. 46 (1973) Nr. 58, S. 261, 264 f.; Wünsch, GesRZ 1982, 155, 156.

Emmerich

|

223

22

§1

Zweck

dass die Gesellschafter in der engen oder weiten Bestimmung des Zweckes ihres Zusammenschlusses frei sind (§§ 311 Abs. 1, 705 BGB), ohne in der Regel genötigt zu sein, in dem Gesellschaftsvertrag den Zweck festzulegen1. Im Falle der Nichtigkeit des Zwecks ist außerdem von Fall zu Fall an ein außerordentliches Austrittsrecht der Gesellschafter sowie an einer Amtsauflösung nach § 62 zu denken. Dagegen betrifft § 144a Abs. 4 FGG diesen Fall nicht, weil er sich allein auf § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 bezieht, nicht aber auch auf § 3 Abs. 1 Nr. 2 (Gegenstand des Unternehmens). 23

b) Besonderheiten gelten, wenn die Nichtigkeit erst nachträglich im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages herbeigeführt wird. Ein derartiger satzungsändernder Beschluss ist ebenfalls nichtig (§§ 134, 138 BGB) und darf vom Registerrichter nicht eingetragen werden (§ 54)2. Geschieht dies gleichwohl, so ist wiederum danach zu unterscheiden, ob die Nichtigkeit allein den Zweck oder auch den Unternehmensgegenstand betrifft, weil nur im zweiten Fall Raum für die Anwendung des § 75 ist; zugleich kommt dann eine Amtslöschung nach § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG oder in Ausnahmefällen auch nach § 144 Abs. 2 FGG in Betracht. Bei Nichtigkeit allein des Zwecks ist dagegen wieder nur Raum für die Anwendung der §§ 61 und gegebenenfalls 62, zu der im Einzelfall ein Austrittsrecht der Gesellschafter aus wichtigem Grunde hinzutreten kann3.

24

Davon zu trennen ist der Fall, dass die Gesellschafter lediglich tatsächlich (im Wege der faktischen Satzungsänderung) einen unzulässigen Zweck annehmen. In diesem Falle kommen wiederum die Auflösungsklage aus § 61 oder das Austrittsrecht aus wichtigem Grunde und, bei Schädigung des Gemeinwohls, die Auflösung nach § 62 in Betracht4.

5. Heilung 25

Die Nichtigkeit der Satzung wird geheilt, wenn die Gesellschafter einstimmig an die Stelle des unzulässigen Zwecks einen zulässigen Zweck setzen (§ 33 BGB). Betrifft der Nichtigkeitsgrund dagegen den Gegenstand der Gesellschaft, so ist § 76 zu beachten, nach dem ein Mangel, der die Bestimmung über den Gegenstand des Unternehmens betrifft, (nur) durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter geheilt werden kann, während sich § 276 AktG in diesem Fall mit einer Satzungsänderung (mit qualifizierter Mehrheit) begnügt5. Haben die Gesellschafter dagegen im Wege einer faktischen Satzungsänderung einen unzulässigen Zweck angenommen, so genügt es für die Heilung des Mangels

1 Ebenso wie hier im Wesentlichen Michalski, Rdnr. 35; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, §1 Rdnr. 34; Wünsch, GesRZ 1982, 155, 156 f.; anders insbes. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 191, 221 ff. 2 BayObLGZ 1972, 126, 129. 3 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 52 f. 4 Ebenso Michalski, Rdnr. 35; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 53; anders Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10. 5 Zu den Konsequenzen s. unten § 76 Rdnr. 1 ff.

224

|

Emmerich

§1

Zweck

bereits, wenn sie einfach für die Zukunft das unzulässige Geschäftsgebaren aufgeben und wieder allein einen zulässigen Zweck verfolgen.

V. Einpersonen-GmbH Schrifttum: S. unten § 11 Rdnr. 145–149 sowie Bode, Die gescheiterte Gründung der Einmann-GmbH, 1994; Blomeyer, Die teleologische Korrektur des § 181 BGB, AcP 172 (1972), 1; Brinkmann, Begrenzte Haftung der Einmann-GmbH in Gründung?, GmbHR 1982, 269; Buchmann, Registerpublizität und Gläubigerschutz bei der Einmann-Gesellschaft, 1984; Driesen, Neues Recht für die Einpersonen-GmbH, MDR 1992, 324; Eckert, Die Harmonisierung des Rechts der Einpersonen-GmbH, EuZW 1990, 54; Ehrenberg/Feine, Hdb., § 32 (S. 425 ff.); Fezer, Die Einmanngründung der GmbH, JZ 1981, 608; Fleck, Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung zur VorGmbH, GmbHR 1983, 5; Flume, Die GmbH-Einmanngründung, ZHR 146 (1982), 205; Flume, Die Gründung der Einmann-GmbH nach der Novelle zum GmbH-Gesetz, DB 1980, 1781; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2003, § 9 (Rdnr. 318 ff. [331 ff.]). Heidemann, Rechtsformwahl für ein Einmann-Unternehmen, 1992; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 10 (S. 123 ff.); Hüffer, Vorgesellschaft, Kapitalaufbringung und Drittbeziehungen bei der Einmanngründung, ZHR 142 (1978), 486; Hüffer, Zuordnungsprobleme und Sicherung der Kapitalaufbringung bei der Einmanngründung der GmbH, ZHR 145 (1981), 521; Hüffer, Vorgesellschaft und Einmanngründung, in: G. Roth (Hrsg.), Die Zukunft der GmbH, 1983, S. 167; U. John, Zur Problematik der Vor-GmbH, insbes. bei der Einmanngründung, BB 1982, 505; U. John, Die doppelstöckige Einmann-GmbH-Gründung, BB 1985, 626; U. John, Die Gründung der Einmann-GmbH, 1986; Koppensteiner, Zur Neuregelung der Einmann-GmbH in Österreich, in: FS Claussen, 1997, S. 213; K. Kreuzer, Die Gläubigerschutzbestimmungen der GmbH-Novelle für die Einmann-GmbH und die GmbH & Co., ZIP 1980, 722; O. Kuhn, Strohmanngründung bei Kapitalgesellschaften, 1964; Kusserow, Die Einmann-GmbH in Gründung, Gründungs- und Haftungsprobleme, 1986; Lindemann, Die Beschlussfassung bei der Einmann-GmbH, 1997; Petersen, Die fehlgeschlagene Einmanngründung, NZG 2004, 400; Th. Raiser, Die neuen Gründungs- und Kapitalerhöhungsvorschriften für die GmbH, in: Centrale für GmbH (Hrsg.), Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, 1981, S. 21; G. Roth, Gründungsprobleme bei der Einmann-GmbH, JBl. 1995, 142; G. Roth/Thöni, Treuhand und Unterbeteiligung, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245; Schanze, Einmann-Gesellschaft und Durchgriffshaftung, 1975; R. Schiedermair, Unzulässigkeit der Einmann-GmbH im Apothekenwesen, PharmaZ 1981, 322; Schimmelpfennig/ Hauschka, Die Zulassung der Einpersonen-GmbH in Europa, NJW 1992, 942; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 40 (S. 1243 ff.); K. Schmidt, Grundzüge der GmbH-Novelle, NJW 1980, 1769; K. Schmidt, Einmanngründung und Einmannvorgesellschaft, ZHR 145 (1981), 540; K. Schmidt, Die Vor-GmbH als Unternehmerin und als Komplementärin, NJW 1981, 1345; K. Schmidt, Zur Rechtslage der gescheiterten Einmann-Vor-GmbH, GmbHR 1988, 89; Schönle, Die Einmann- und Strohmanngesellschaft, 1957; A. Schröder, Die Einmann-Vorgesellschaft, 1990; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998, S. 562 ff.; Ulmer, Die Einmanngründung der GmbH – ein Danaergeschenk?, BB 1980, 1001; Ulmer/Ihrig, Die Rechtsnatur der Einmann-GmbH-Gründungsorganisation, GmbHR 1988, 373; Wieacker, Zur Theorie der juristischen Person im Privatrecht, in: FS E. R. Huber, 1973, S. 339; J. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981; H. Winter, Gründungs- und Satzungsprobleme bei der Einmanngesellschaft nach der GmbH-Novelle, in: Pro GmbH, 1980, S. 191; M. Winter, Eigeninteresse und Treuepflicht bei der Einmann-GmbH, ZGR 1994, 570.

Emmerich

|

225

§1

Zweck

1. Überblick 26

a) Von einer Einmann- oder Einpersonen-GmbH spricht man, wenn sich sämtliche Geschäftsanteile in der Hand einer (natürlichen oder juristischen) Person befinden. Gleich steht der Fall, dass sich nur in der Hand der Gesellschaft noch weitere Geschäftsanteile befinden; es handelt sich dann nicht etwa um eine Zweipersonen-GmbH, sondern ebenfalls um eine Einpersonen-Gesellschaft (s. §§ 19 Abs. 4, 35 Abs. 4 Satz 1 und 48 Abs. 3). Die Zulässigkeit solcher „Gesellschaften ist seit langem – trotz der nicht abreißenden Kritik1 – praeter legem anerkannt. Wegen der früher gesetzlich vorgeschriebenen Mindestzahl von zwei Gründungsgesellschaftern konnte sie jedoch nicht originär entstehen; vielmehr war die Hinzuziehung eines – nach der Eintragung ausscheidenden – Treuhänders, eines so genannten Strohmannes notwendig. Auch an der Zulässigkeit derartiger Strohmanngründungen bestand zuletzt kein Zweifel mehr. Durch die Novelle von 1980 ist deshalb ausdrücklich mit Wirkung vom 1. 1. 1981 ab die Gründung einer Einmann-GmbH nach den §§ 1 ff. zugelassen worden. Seitdem ist die Gründung derartiger Gesellschaften auf drei verschiedenen Wegen möglich, zunächst durch die herkömmliche Strohmanngründung (s. unten § 2 Rdnr. 54 ff.), sodann durch die seit 1981 zugelassene Einmann- oder Einpersonengründung (dazu unten Rdnr. 27 ff.) sowie schließlich durch Abspaltung des Unternehmens eines im Handelsregister eingetragenen Einzelkaufmanns und Übertragung auf eine gleichzeitig gegründete GmbH, wobei nur in dem zuletzt genannten Fall eine Gesamtrechtsnachfolge stattfindet (§§ 152, 158 ff. i.V.m. den §§ 123 Abs. 3 Nr. 2, 131 Abs. 1 Nr. 1, 135 und 136 UmwG von 1994). Insoweit ist auf die Darstellungen des Umwandlungsrechts zu verweisen2.

27

b) Die Novelle von 1980 hat keine erschöpfende Regelung der Materie gebracht, sondern sich auf eine Reihe von Einzelvorschriften für Einpersonen-Gesellschaften beschränkt. Hervorzuheben sind die zusätzlichen Sicherungen für die Kapitalaufbringung im Falle der Einpersonengründung (§§ 7 Abs. 2 Satz 3, 8 Abs. 2 Satz 2, 9a Abs. 1 und 82 Abs. 1 Nr. 1), für den Fall der nachträglichen Vereinigung aller Geschäftsanteile in einer Hand innerhalb von drei Jahren nach Eintragung (§§ 19 Abs. 4 und 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG, § 144b FGG) sowie bei Übernahme der Stammeinlage aus der Kapitalerhöhung durch den Alleingesellschafter (§§ 56a, 57 Abs. 2 und 4, 82 Abs. 1 Nr. 3). Die Novelle erklärte außerdem in Abweichung von der Rechtsprechung des BGH3 den § 181 BGB auf Geschäfte des Alleingesellschafters mit seiner Gesellschaft für anwendbar (§ 35 Abs. 4) und verlangte schließlich für „Beschlüsse“ des Alleingesellschafters eine von diesem zu fertigende und zu unterzeichnende Niederschrift (§ 48 Abs. 3).

28

c) Durch die Zwölfte Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrecht vom 21. 12. 19894 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet worden, Einpersonen-Gesell1 S. K. Schmidt, GesR, § 40 I 1 (S. 1243 f. m.N.); s. auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 42 ff. 2 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 91 ff. (S. 402 f.); Karollus, in: Lutter, Umwandlungsgesetz, 3. Aufl. 2004, §§ 152, 158; K. Schmidt, GesR, § 40 II 3 (S. 1251 f.). 3 BGHZ 75, 358, 359 f. = NJW 1980, 932. 4 ABl. EG Nr. L 395, S. 40 = EuZW 1990, 57; auch abgedruckt bei Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 338 (S. 342 ff.).

226

|

Emmerich

§1

Zweck

schaften zuzulassen und zugleich verschiedene Schutzvorschriften zu Gunsten der Gläubiger in ihr Gesellschaftsrecht aufzunehmen. Dies Richtlinie ist in Deutschland durch ein am 1. 1. 1992 in Kraft getretenes Änderungsgesetz umgesetzt worden1, das jedoch nur geringfügige Änderungen, namentlich bei den §§ 19 Abs. 4, 35 Abs. 4 und 44 Abs. 2, gebracht hat. Wichtig ist außerdem die Verbesserung der Publizität von Einpersonen-Gesellschaften durch § 40 Abs. 2. d) Die bisherige, lediglich punktuelle Regelung der mit Einpersonen-Gesellschaften verbundenen Probleme hat eine Reihe neuer Fragen aufgeworfen, für die sich noch keine allseits akzeptierten Lösungen abzeichnen. Hervorzuheben sind die Rechtsnatur der „Vorgesellschaft“ in diesem Falle (unten Rdnr. 42 ff.), das Problem des Haftungsdurchgriffs auf den „Einmann“ (unten Rdnr. 45 f.) sowie die intrikate Problematik der Treuepflicht des Einmanns gegenüber „seiner“ Gesellschaft2. Im Folgenden ist nur auf diejenigen Fragen näher einzugehen, die mit der Zulassung von Einpersonengründungen durch die Novelle von 1980 zusammenhängen; im Übrigen ist auf die Erläuterungen an anderer Stelle zu verweisen (s. unten § 11 Rdnr. 145, 154 ff. und § 13 Rdnr. 76 ff.).

28a

2. Anwendungsbereich Eine Einpersonengründung ist nach dem Wortlaut des § 1 durch jede „Person“ möglich. Umstritten ist, ob damit nur natürliche und juristische Personen gemeint sind oder ob darunter auch die Gesamthandsgemeinschaften fallen, sofern sie überhaupt nach außen handlungsfähig sind und sich deshalb an einer GmbH beteiligen können3. Unzweifelhaft ist das zunächst mit Rücksicht auf die §§ 124 Abs. 1 und 161 Abs. 2 HGB für die OHG und die KG, wird aber mittlerweile auch für die BGB-Außengesellschaft nicht mehr bezweifelt (s. unten § 2 Rdnr. 53a). Unter diesen Umständen ist heute trotz des nicht ganz eindeutigen Wortlauts des § 1 kein sachlicher Grund mehr erkennbar, die genannten Gesellschaften von der nunmehr generell zulässigen Einpersonengründung auszuschließen. Es wäre wenig sinnvoll, nur noch sie auf den Umweg über die Strohmanngründung zu verweisen4. Es handelt sich daher in diesem Falle um eine Einpersonen-Gesellschaft im Sinne des Gesetzes, nicht etwa – wie man aus der fehlenden Rechtsfähigkeit der sich beteiligenden Personengesellschaft folgern könnte – um eine Mehrpersonengesellschaft5. Das folgt einmal aus der durch das Gesetz anerkannten Teilrechtsfähigkeit der Personengesellschaften (§ 124 Abs. 1 HGB), zum anderen aus dem Zweck der hier einschlägigen Vorschriften des GmbHG.

29

Nichts anderes gilt schließlich für eine Vor-GmbH, jedenfalls, sofern man sie als teilrechtsfähiges Gebilde anerkennt (s. unten § 11 Rdnr. 21 ff.), sowie für die

30

1 2 3 4

BGBl. I 1991, 2206; s. dazu den RegE, BT-Drucks. 12 (1991)/65. S. Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 562 ff. S. im Einzelnen unten § 2 Rdnr. 45, 49 ff. Ebenso Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48; Roth, FamRZ 1984, 328, 329; K. Schmidt, BB 1983, 1697, 1699 f. 5 Michalski, Rdnr. 45.

Emmerich

|

227

§1

Zweck

Einpersonen-GmbH selbst, da das ursprünglich von der Europäischen Kommission (aus guten Gründen) geplante so genannte „Enkelverbot“ am deutschen Widerstand gescheitert ist1. Zweifelhaft ist lediglich, welche Folgerungen hieraus für die Einpersonen-Vor-GmbH zu ziehen sind, d.h. ob auch ein derartiges Gebilde zur Gründung weiterer Einpersonen-Gesellschaften imstande ist2. Die Entscheidung der Frage hängt von der Stellungnahme zur Rechtsnatur der Einpersonen-Vor-GmbH ab (s. unten Rdnr. 42 ff.). Billigt man ihr mit einer verbreiteten Meinung gleichfalls Teilrechtsfähigkeit zu, so wird man sie kaum von der Gründung weiterer Einpersonengesellschaften ausschließen können.

3. Gründung, Gesellschaftsvertrag 31

a) Auch für die Einpersonen-GmbH gilt § 2 Abs. 1 Satz 1, so dass es zu ihrer Gründung eines „Gesellschaftsvertrages“ bedarf3. Von einem echten Gesellschafts„vertrag“ kann hier freilich keine Rede sein; vielmehr wird die Einpersonen-GmbH durch einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung des Gründers errichtet, die fortan als „Gesellschaftsvertrag“ (Satzung) die Grundlage der neuen Gesellschaft bildet4.

32

b) Für die Erklärung des Einpersonengründers gelten keine Besonderheiten, so dass auf sie die §§ 2 ff. anzuwenden sind. Allein kostenrechtlich besteht insofern ein Unterschied, als der Notar für ihre Beurkundung lediglich eine volle Gebühr nach § 36 Abs. 1 Kostenordnung (und nicht wie sonst 2 volle Gebühren) erhält5.

33

c) Mit der Abgabe der (rechtswirksamen) Erklärung ist das Gründungsgeschäft vollendet. Auf seine Wirksamkeit ist es ohne Einfluss, wenn der Einpersonengründer danach geschäftsunfähig wird oder stirbt. In dem zuletzt genannten Fall wird sein Erbe oder, wenn mehrere Erben vorhanden sind, die Erbengemeinschaft zum Gründungsgesellschafter (Rdnr. 29). Soll statt dessen jeder Erbe für sich Gesellschafter werden, so bedarf es einer Änderung der Erklärung in der Form des § 2 Abs. 1 Satz 1. Die speziellen Vorschriften über die Einpersonengründung sind dann nicht mehr anwendbar.

34

d) Die Erklärung kann (als einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, oben Rdnr. 31) gem. § 180 Satz 1 BGB nicht von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegeben werden6. Sie kann außerdem bis zur Eintragung 1 S. Driesen, MDR 1992, 324, 325. 2 Bejahend U. John, BB 1985, 626; dagegen LG Moosbach, BB 1984, 1963. 3 Vgl. die Streichung der Worte „des Abschlusses in“ in § 2 Abs. 1 Satz 1 durch die Novelle von 1980 und dazu den Ausschussbericht (BT-Drucks. 8/1347, S. 68). 4 BGHZ 91, 148, 149 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316; BayObLGZ 1982, 467, 470; KG, JurBüro 1984, 910 f.; LG Berlin, GmbHR 1996, 123; Michalski, Rdnr. 48; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 10; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 2 Rdnr. 4; K. Schmidt, GesR, § 40 II 2a (S. 1247 f.). 5 BayObLGZ 1982, 467 ff. = DNotZ 1983, 252; KG, JurBüro 1984, 910 f.; OLG Frankfurt, WM 1983, 405 = JurBüro 1982, 1710; OLG Hamm, JurBüro 1984, 427 = DB 1983, 2679; OLG Stuttgart, DNotZ 1983, 577; a.A. Willemer, DNotZ 1981, 469. 6 LG Berlin, GmbHR 1996, 123.

228

|

Emmerich

§1

Zweck

der GmbH in das Handelsregister durch den Gründer oder seinen Rechtsnachfolger widerrufen werden1. Der Widerruf ist formlos möglich. War die VorGmbH (Rdnr. 42 ff.) im Rechtsverkehr bereits tätig geworden und bestehen daraus noch Verpflichtungen, so ist anzunehmen, dass der Gründer fortan für diese Verbindlichkeiten unbeschränkt persönlich haftet (s. unten Rdnr. 47 f.). Die Erklärung des Einmannes über die Gründung einer GmbH zielt letztlich auf die Schaffung der einer Einzelperson dienenden und auf sie bezogenen rechtlichen Organisation. Außerdem tritt bei der Einpersonen-GmbH an die Stelle des gemeinsamen Zwecks, der die Rechtsverhältnisse einer Mehrpersonengesellschaft inhaltlich wesentlich prägt (s. § 705 BGB), ein bloßer Organisationszweck, dessen Bedeutung sich im Wesentlichen in der internen Bindung eines etwaigen Fremdgeschäftsführers erschöpft2. Für die Zulässigkeitsschranken gilt im Übrigen hier dasselbe wie bei den Mehrpersonen-Gesellschaften (oben Rdnr. 17 ff.). Hervorzuheben ist lediglich, dass diejenigen freien Berufe, denen (noch) die GmbH versperrt ist, folglich auch keine Einpersonen-GmbH gründen können3.

35

4. Inhalt a) Die Erklärung des Einpersonengründers muss die zwingenden Mindestangaben des § 3 Abs. 1 enthalten. Keine Besonderheiten ergeben sich insoweit für die Bestimmung des Sitzes, des Unternehmensgegenstandes und des Stammkapitalbetrages4.

36

Für die Bildung der Firma gilt § 4. Die Personenfirma darf nur aus dem Namen des Gründers gebildet werden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 und 2). Der Zusatz „Gesellschaft“ darf nicht fehlen5. Möglich sind außerdem eine abgeleitete Firma oder eine Sachfirma (s. § 4 Abs. 1).

37

Der Einpersonengründer kann nur eine Stammeinlage übernehmen, deren Höhe mit dem festgesetzten Stammkapital übereinstimmen muss (§ 5 Abs. 2 und 3 Satz 3). Einer gesonderten Angabe des Stammeinlagenbetrages und des Gesellschafternamens (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) bedarf es nicht, wenn die vollständige Übernahme sonst ausreichend aus der Errichtungsurkunde ersichtlich ist.

38

b) Fakultative Regelungen der Rechtsverhältnisse der Einpersonen-GmbH sind nur dann rechtswirksam, wenn sie in der Errichtungserklärung enthalten sind (s. unten § 3 Rdnr. 68 ff.). Zu beachten ist, dass auch hier der Alleingesellschafter von dem 1980 eingeführten Verbot des Selbstkontrahierens (§ 35 Abs. 4) nur durch eine entsprechende Satzungsbestimmung befreit werden kann6. Das ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich aber aus dem

39

1 2 3 4 5 6

Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 10. Ebenso Michalski, Rdnr. 51. Vgl. für Apotheken Schiedermair, PharmaZ 1981, 322. S. Heinrich, in: MünchHdb. III, § 10 Rdnr. 7 f. (S. 125). OLG Frankfurt, BB 1982, 694; s. unten § 4 Rdnr. 51. S. unten § 35 Rdnr. 115 ff. sowie Deutler, GmbHR 1980, 145, 146; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 10 Rdnr. 10 (S. 125 f.); Lutter, DB 1980, 1317, 1322; Michalski, Rdnr. 50; K. Schmidt, NJW 1980, 1769, 1775; Priester, DNotZ 1980, 515, 533

Emmerich

|

229

§1

Zweck

Zweck des § 35 Abs. 4. Denn nach dem Ausschussbericht1 sollen die Gläubiger durch den publizierten Gesellschaftsvertrag gerade auf die Möglichkeit solcher Geschäfte hingewiesen werden. 40

c) Die Schranken der Satzungsautonomie stimmen bei der Einpersonen-GmbH nicht in allen Beziehungen mit denen bei einer Mehrpersonengesellschaft überein; vielmehr entfallen diejenigen Einschränkungen, die sich nach ihrem Sinn und Zweck ausschließlich auf die Ordnung einer „echten“ Personenvereinigung beziehen (s. oben Rdnr. 34). Die Erklärung kann dagegen nicht von solchen zwingenden Vorschriften abweichen, die den Schutz außenstehender Dritter bezwecken oder die die notwendigen Gesellschaftsorgane und deren Mindestzuständigkeit festlegen (unten Rdnr. 49).

5. Mängel 41

Für Mängel des einseitigen Errichtungsgeschäfts gilt im Wesentlichen dasselbe wie beim Gesellschaftsvertrag2. Nach der Eintragung der Einpersonen-GmbH in das Handelsregister kann die Gesellschaft folglich grundsätzlich nur noch bei Vorliegen der in § 75 Abs. 1 genannten Voraussetzungen durch ein gerichtliches Urteil für nichtig erklärt oder durch das Registergericht von Amts wegen als nichtig gelöscht werden (§ 144 Abs. 1 Satz 2 FGG). Die genannten Vorschriften sind auch anwendbar, wenn die Erklärung aus anderen Gründen unwirksam ist (s. unten § 2 Rdnr. 62 ff.). So verhält es sich etwa, wenn die Erklärung tatsächlich gar nicht von dem angeblichen Gründer stammt oder wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist3. Andere Mängel sind dagegen lediglich in den Grenzen des § 144a Abs. 4 FGG beachtlich und führen zu dem dort geregelten registergerichtlichen Beanstandungsverfahren mit der möglichen Folge der Auflösung nach § 60 Abs. 1 Nr. 5. Bei einem durch die genannten Vorschriften nicht erfassten Erklärungsmangel steht es dem Gründer frei, die Auflösung nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 herbeizuführen.

6. Vor-GmbH 42

Ein viel diskutiertes Problem stellt die Rechtsnatur der Einpersonen-VorGmbH dar. Wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu § 11 zu verweisen4. Im vorliegenden Zusammenhang genügen folgende Bemerkungen: Das Problem rührt vor allem daher, dass das Gesetz in den Vorschriften über die Einpersonengesellschaft offenkundig davon ausgeht, dass diese bereits nach ihrer Errichtung und vor ihrer Eintragung ebenso wie sonstige Gesellschaften Geschäftsführer haben kann (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2) und dass an sie auch schon 1 BT-Drucks. 8/3908, S. 74. 2 Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 10. 3 Vgl. zu dem zuletzt genannten Fall BGH, LM Nr. 4 zu § 108 BGB = MDR 1980, 737; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 10 Rdnr. 6 (S. 125); H. Winter, in: Pro GmbH, S. 191, 199 f. 4 S. unten § 11 Rdnr. 145 ff. sowie noch Michalski, Rdnr. 57–59; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 87–89 (S. 401 f.); K. Schmidt, GesR, § 40 II 2a (S. 1247 ff.); A. Schröder, Die Einmann-Vorgesellschaft, 1990.

230

|

Emmerich

§1

Zweck

bestimmte Leistungen erbracht werden können (s. § 7 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3, § 8 Abs. 2). Im Falle einer Sachgründung (§ 7 Abs. 3) kommt noch das Problem hinzu, ob die Einpersonen-GmbH schon vor ihrer Eintragung im Handelsregister ein etwa übernommenes Handelsgeschäft fortführen kann. a) Im Schrifttum sind zur Lösung der durch diese Vorschriften (oben Rdnr. 42) aufgeworfenen Fragen unterschiedliche Lösungen entwickelt worden. Herrschend ist zu Recht mittlerweile die Meinung, die der gesetzlichen Regelung und namentlich den §§ 7 Abs. 2 und 8 Abs. 2 entnimmt, dass bei der Gründung einer Einpersonengesellschaft nicht anders als bei der Mehrpersonengründung eine teilrechtsfähige Vor-GmbH entsteht, die bereits Organe haben kann und an die daher vom Gründer die Einlagen zu leisten sind. Diese Vor-GmbH wird folgerichtig als handlungs- und insolvenzfähig angesehen, so dass mit Eintragung der „Gesellschaft“ ebenso wie bei anderen Vorgesellschaften das Gesellschaftsvermögen ohne weiteres auf diese „übergeht“1. Soweit dem nicht zwingend die Besonderheiten der Einpersonengründung entgegenstehen, ist daher die Rechtslage in der Zeit zwischen Errichtung und Eintragung der Gesellschaft ebenso wie bei der Mehrpersonengründung zu beurteilen, so dass grundsätzlich die Regeln über die Vorgesellschaft anzuwenden sind2.

43

b) Schwierigkeiten ergeben sich hieraus nur, wenn die Eintragung der Einpersonen-GmbH endgültig scheitert, der Eintragungsantrag z.B. rechtskräftig zurückgewiesen oder zurückgenommen wird oder die Eintragung von dem Gründer endgültig nicht mehr betrieben wird (zum Widerruf der Erklärung s. schon oben Rdnr. 34). Trotz konstruktiver Bedenken ist anzunehmen, dass dann die „VorGmbH“ einfach erlischt und ein etwaiges Vermögen an den Gründer zurückfällt3. Eine besondere Liquidation ist daher entbehrlich, aber natürlich jederzeit unter Beachtung der §§ 60 ff. möglich (und empfehlenswert).

44

7. Haftung Auch die Haftungsverhältnisse bei der Vor-GmbH im Falle einer EinpersonenGründung sind umstritten. Wegen der Einzelheiten ist insoweit gleichfalls die Erläuterungen zu § 11 zu verweisen4. Häufig werden dieselben Regeln wie bei sonstigen Vorgesellschaften angewandt, so dass den Gründer nur die bekannte 1 S. im Einzelnen unten § 11 Rdnr. 147; OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 217 = WiB 1997, 466 = DZWiR 1997, 200 (insoweit nicht in AG 1997, 330 abgedruckt); Michalski, Rdnr. 57–59; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 87–89 (S. 401 f.); U. John, BB 1982, 505, bes. 512 ff.; U. John, JZ 1984, 945 f.; U. John, Grundlagen, 1986; K. Schmidt, NJW 1980, 1769, 1774 ff.; 1981, 1345; K. Schmidt, ZHR 145 (1981), 540 ff.; anders Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 146. 2 S. außer den Genannten (vorige Fn.) noch Brandes, WM 1983, 286, 289 f.; Fleck, GmbHR 1983, 5 ff.; Flume, Jur. Person, S. 148 ff.; John, BB 1982, 505 ff.; A. Schröder, Die Einmann-Vorgesellschaft, 1990. 3 S. unten § 11 Rdnr. 148 sowie BayObLG, NJW-RR 1987, 812 f. = GmbHR 1987, 393; LG Berlin, GmbHR 1988, 71; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 89 (S. 402); K. Schmidt, GesR, § 40 II 2d (S. 1247 f.); K. Schmidt, GmbHR 1988, 89 f.; Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 373, 383 f. 4 S. unten § 11 Rdnr. 154 ff. sowie K. Schmidt, GesR, § 40 II 2b/c (S. 1249).

Emmerich

|

231

45

§1

Zweck

Differenzhaftung trifft1. Für eine derartige Begünstigung des Gründers einer Einpersonen-Gesellschaft besteht jedoch aus unmittelbar einleuchtenden Gläubigerschutzgesichtspunkten kein Anlass. Deshalb ist anzunehmen, dass jedenfalls der Gründer einer Einpersonen-GmbH unbeschränkt persönlich für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft bis zur Eintragung haften muss2. Das ist wichtig vor allem in den Fällen des Scheiterns der Eintragung (oben Rdnr. 44), weil nur so der Fortbestand der unbeschränkten Haftung des Gründers sichergestellt werden kann3. 46

Daneben ist auch Raum für die Anwendung der Handelndenhaftung aus § 11 Abs. 2. Sie beginnt aber erst mit Errichtung der Gesellschaft durch Beurkundung der Errichtungserklärung. Sie setzt außerdem voraus, dass ihre Voraussetzungen überhaupt auf den Gründer zutreffen, insbesondere, dass er sich zugleich zum Geschäftsführer bestellt4.

8. Juristische Person 47

Mit ihrer Eintragung im Handelsregister wird die Einpersonen-GmbH zur juristischen Person (§ 13 Abs. 1). Sie hat daher ihr eigenes, selbständiges Vermögen, das rechtlich von dem ihres Alleingesellschafters zu trennen ist. Jedes der beiden Vermögen haftet nur für die Verbindlichkeiten des betreffenden Rechtsträgers, das Vermögen der GmbH nur für Gesellschaftsverbindlichkeiten und das Privatvermögen des Gesellschafters für seine privaten Verbindlichkeiten (§ 13 Abs. 2)5. Eine Mithaftung des einzigen Gesellschafters neben der Gesellschaft kommt nur in Betracht, wenn ein selbständiger Verpflichtungsgrund dafür besteht oder wenn ausnahmsweise die Voraussetzungen der Durchgriffshaftung erfüllt sind6. Ebenso unzulässig ist im Regelfall ein so genannter umgekehrter Haftungsdurchgriff der Privatgläubiger auf das Gesellschaftsvermögen, so dass nicht etwa aus einem Titel gegen den Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden kann7.

48

Die GmbH kann mit ihrem Alleingesellschafter Rechtsgeschäfte abschließen8. Die Übertragung von Vermögensgegenständen hat ebenfalls nach den allgemei-

1 OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 217 = WiB 1997, 466 = DZWiR 1997, 200; Brinkmann, GmbHR 1982, 269; Fleck, GmbHR 1983, 5, 16 f.; John, BB 1982, 505, bes. 512 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rdnr. 150. 2 S. unten § 11 Rdnr. 155; K. Schmidt, GesR, § 40 II 2b (S. 1249); Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 373, 381 f. 3 S. unten § 11 Rdnr. 155; Brinkmann, GmbHR 1982, 269 ff.; John, BB 1982, 505, 511 ff.; John, JZ 1984, 945 f. 4 BGHZ 91, 148, 149 f. = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316. 5 RGZ 85, 380, 382 f.; 87, 18, 25; 92, 77, 84 f.; BGHZ 22, 226, 229 f. = NJW 1957, 181 = GmbHR 1957, 28; BGHZ 68, 312, 314 = NJW 1977, 1449; BGH, GmbHR 1958, 111; LM Nr. 7 zu § 831 (B) BGB = NJW 1974, 1371; LM Nr. 1 zu § 3 GeschmMG = MDR 1978, 383; LM Nr. 9 zu § 767 BGB = GmbHR 1978, 171. 6 Wegen der Einzelheiten s. unten § 13 Rdnr. 55, 76 ff. 7 BGH, GmbHR 1958, 77; anders einmal OLG Hamm, NJW 1977, 1159 m. abl. Anm. Wilhelm, NJW 1977, 1887. 8 S. BGHZ 56, 97, 103 = NJW 1971, 1355.

232

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

nen Regeln zu erfolgen, wobei freilich ein gutgläubiger Erwerb beiderseits ausgeschlossen ist1. Dagegen greift das Zinsverbot des § 1197 Abs. 2 BGB nicht ein, wenn die GmbH an einem ihr gehörenden Grundstück dem Alleingesellschafter eine Grundschuld bestellt hat2.

9. Organe Die gesetzlich vorgeschriebenen Gesellschaftsorgane muss auch die Einpersonen-GmbH haben. Es sind also Geschäftsführer in der zur Vertretung erforderlichen Anzahl zu bestellen. Ebenso ist ein gesetzlich angeordneter Aufsichtsrat zu bilden3. Die Funktion des Organs „Gesellschafterversammlung“ übt der Alleingesellschafter allein aus (§ 48 Abs. 3). Er kann zugleich Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied sein; beide Ämter zugleich kann er jedoch nicht übernehmen, selbst wenn es sich lediglich um einen fakultativen Aufsichtsrat handelt4.

49

10. Umwandlung in eine Mehrpersonen-GmbH Die Einpersonen-GmbH verwandelt sich in eine Mehrpersonengesellschaft, wenn der Einmann einen Teil seines Geschäftsanteils an einen Dritten (nicht die GmbH) abtritt (§§ 15, 17) oder wenn ein Dritter einen neuen Geschäftsanteil aus einer Kapitalerhöhung (§§ 55 ff.) übernimmt. Die Umwandlung erfordert keine Satzungsänderung (§ 53), obwohl durch den Eintritt eines weiteren Gesellschafters die Rechtsverhältnisse der GmbH verändert werden. Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, die mit zwingendem Recht der Mehrpersonen-GmbH unvereinbar sind, werden ohne weiteres unwirksam, während statutarische Regelungen, die zwar nach ihrem Wortlaut auf die EinpersonenGmbH abstellen, aber auch für eine GmbH mit mehreren Gesellschaftern sinnvoll sind, weiter gelten, sofern nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimmt ist.

§2

Form des Gesellschaftsvertrages (1) Der Gesellschaftsvertrag bedarf notarieller Form. Er ist von sämtlichen Gesellschaftern zu unterzeichnen. (2) Die Unterzeichnung durch Bevollmächtigte ist nur auf Grund einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig. Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 geändert durch das Gesetz vom 28. 8. 1969 (BGBl. I, 1513); Abs. 1 Satz 1 erneut geändert durch die GmbH-Novelle von 1980 (BGBl. I, 836).

1 2 3 4

Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 42. RG, HRR 1929 Nr. 389. § 6 MitbestG 1976; DrittelbeteiligungsG v. 2004, BGBl. I, 974. S. KG, JFG 1 (1924), 238 f.; OLG Frankfurt, WM 1981, 1085 = GmbHR 1982, 159; OLG Frankfurt, WM 1987, 211 = GmbHR 1987, 232; Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 443; str.

Emmerich

|

233

50

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

nen Regeln zu erfolgen, wobei freilich ein gutgläubiger Erwerb beiderseits ausgeschlossen ist1. Dagegen greift das Zinsverbot des § 1197 Abs. 2 BGB nicht ein, wenn die GmbH an einem ihr gehörenden Grundstück dem Alleingesellschafter eine Grundschuld bestellt hat2.

9. Organe Die gesetzlich vorgeschriebenen Gesellschaftsorgane muss auch die Einpersonen-GmbH haben. Es sind also Geschäftsführer in der zur Vertretung erforderlichen Anzahl zu bestellen. Ebenso ist ein gesetzlich angeordneter Aufsichtsrat zu bilden3. Die Funktion des Organs „Gesellschafterversammlung“ übt der Alleingesellschafter allein aus (§ 48 Abs. 3). Er kann zugleich Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglied sein; beide Ämter zugleich kann er jedoch nicht übernehmen, selbst wenn es sich lediglich um einen fakultativen Aufsichtsrat handelt4.

49

10. Umwandlung in eine Mehrpersonen-GmbH Die Einpersonen-GmbH verwandelt sich in eine Mehrpersonengesellschaft, wenn der Einmann einen Teil seines Geschäftsanteils an einen Dritten (nicht die GmbH) abtritt (§§ 15, 17) oder wenn ein Dritter einen neuen Geschäftsanteil aus einer Kapitalerhöhung (§§ 55 ff.) übernimmt. Die Umwandlung erfordert keine Satzungsänderung (§ 53), obwohl durch den Eintritt eines weiteren Gesellschafters die Rechtsverhältnisse der GmbH verändert werden. Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags, die mit zwingendem Recht der Mehrpersonen-GmbH unvereinbar sind, werden ohne weiteres unwirksam, während statutarische Regelungen, die zwar nach ihrem Wortlaut auf die EinpersonenGmbH abstellen, aber auch für eine GmbH mit mehreren Gesellschaftern sinnvoll sind, weiter gelten, sofern nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimmt ist.

§2

Form des Gesellschaftsvertrages (1) Der Gesellschaftsvertrag bedarf notarieller Form. Er ist von sämtlichen Gesellschaftern zu unterzeichnen. (2) Die Unterzeichnung durch Bevollmächtigte ist nur auf Grund einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig. Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 geändert durch das Gesetz vom 28. 8. 1969 (BGBl. I, 1513); Abs. 1 Satz 1 erneut geändert durch die GmbH-Novelle von 1980 (BGBl. I, 836).

1 2 3 4

Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 42. RG, HRR 1929 Nr. 389. § 6 MitbestG 1976; DrittelbeteiligungsG v. 2004, BGBl. I, 974. S. KG, JFG 1 (1924), 238 f.; OLG Frankfurt, WM 1981, 1085 = GmbHR 1982, 159; OLG Frankfurt, WM 1987, 211 = GmbHR 1987, 232; Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 443; str.

Emmerich

|

233

50

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Inhaltsübersicht I. Gesellschaftsvertrag 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . .

3

2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . 10 3. Form . . . . . . . . . . . . . . . 13 4. Ausländische Notare . . . . . . 18 5. Formmängel . . . . . . . . . . . 19 6. Änderungen . . . . . . . . . . . 21 7. Vertretung a) Form . . . . . . . . . . . . . . 23 b) Mängel . . . . . . . . . . . . 30

8. Sonstige Gesamthandsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . 9. Treuhänder a) Überblick . . . . . . . b) Begründung . . . . . . c) Rechtsstellung . . . . d) Haftung . . . . . . . . 10. Besondere Eigenschaften

. . . . .

. . . . .

. . . . .

51

. 54 . 55a . 58 . 59 . 60

III. Mängel des Gesellschaftsvertrages 1. Überblick . . . . . . . . . . . . 2. Gründungsphase . . . . . . . .

62 63 64 65

5. Testamentsvollstrecker . . . . . 47 6. Juristische Personen . . . . . . . 49

3. Vollzug der Vorgesellschaft . . . 4. Nach Eintragung . . . . . . . . a) Beitrittserklärungen besonderer schutzwürdiger Personen . b) Grundsätzliche Heilung sonstiger Mängel . . . . . . . c) Schadensersatzansprüche . .

72 77

IV. Vorvertrag . . . . . . . . . . . .

78

7. OHG und KG . . . . . . . . . . 50

V. Vorgründungsgesellschaft . . .

85

8. Auslegung . . . . . . . . . . . . 33 II. Gesellschafter . . . . . . . . . . 40 1. Ausländer . . . . . . . . . . . . 41 2. Minderjährige . . . . . . . . . . 42 3. Eheleute . . . . . . . . . . . . . 45 4. Kaufleute . . . . . . . . . . . . . 46

66

Schrifttum: Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; A. Dignas, Die Auslandsbeurkundung von gesellschaftsrechtlichen Vorgängen einer deutschen GmbH, 2004; Flume, Juristische Person, § 9 (S. 315 ff.); Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 7 ff. (S. 3 ff.); Hommelhoff, Gestaltungsfreiheit im GmbHRecht, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, 1998, S. 36; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995; M. Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; K. Schmidt, GesR, § 5 (S. 75 ff.); Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Wiedemann, Gesellschaftsrecht Bd. I, § 3 II (S. 158 ff.).

1

§ 2 regelt die Form des Gesellschaftsvertrages. Der Gesellschaftsvertrag bedarf danach der notariellen Form und muss von sämtlichen Gesellschaftern unterzeichnet werden (§ 2 Abs. 1). Die Gesellschafter können sich bei dem Abschluss zwar vertreten lassen; jedoch ist dann die Vollmacht zum Abschluss des Vertrages abweichend von § 167 Abs. 2 BGB nach § 2 Abs. 2 ebenfalls formbedürftig, um die ordnungsmäßige Legitimation des für einen Gesellschafter bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages tätig gewordenen Vertreters sicherzustellen. Eine im Wesentlichen übereinstimmende Regelung findet sich in § 4 Abs. 3 öGmbHG. Der Inhalt des Gesellschaftsvertrages ergibt sich im Einzelnen aus § 1 und aus den §§ 3 bis 5. 234

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Der Abschluss des Gesellschaftsvertrages in der durch § 2 vorgeschriebenen Form ist nach dem Gesetz die erste Stufe des Prozesses, der schließlich zur Entstehung einer GmbH führt. Mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages ist die Gesellschaft errichtet (s. § 29 AktG), wodurch eine so genannte Vorgesellschaft entsteht (s. im Einzelnen unten § 11 Rdnr. 21 ff.). Die nächste Stufe umfasst die Bestellung der Geschäftsführer (§ 6) sowie die Leistung der Einlagen in dem durch § 7 umschriebenen Mindestumfang. Erst danach ist die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister gem. den §§ 7 und 8 möglich. Darauf folgt die Prüfung der Anmeldung durch das Registergericht (§ 9c). Erst wenn diese Prüfung positiv ausfällt, wird die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen (§ 10), womit der Gründungsvorgang abgeschlossen ist (§§ 11, 13). Eine GmbH kann außerdem nach dem UmwG von 1994 durch Spaltung oder Formwechsel gegründet werden. § 2 gilt dafür nicht; jedoch ergeben sich für diese Fälle aus dem UmwG meistens entsprechende Formvorschriften (s. insbesondere die §§ 6, 36, 37, 135 Abs. 2, 158, 193, 197, 217 ff. UmwG).

2

I. Gesellschaftsvertrag 1. Rechtsnatur a) Der Gesellschaftsvertrag hat eine „Doppelnatur“1 oder besser: eine doppelte Funktion2: Er regelt als erstes die „Grundlage“ der angestrebten Gesellschaft, d.h. ihre „Verfassung“ im Sinne des § 25 BGB, und schafft damit letztlich (zusammen mit weiteren Tatbestandsmerkmalen wie der Eintragung der Gesellschaft) einen organisatorischen Rahmen, der grundsätzlich für alle gegenwärtigen und zukünftigen Mitglieder der Gesellschaft sowie für Dritte wie insbesondere die Gläubiger der Gesellschaft gleichermaßen verbindlich ist. Der Vertrag begründet außerdem (zweitens) ein Rechtsverhältnis zwischen den Gründern (die so genannte „Vorgesellschaft“), aus dem sich für alle Gründer gegenseitige Rechte und Pflichten ergeben und das deshalb – jedenfalls auch – ein Schuldverhältnis unter den Gründern darstellt (§§ 241, 705 BGB)3. Hervorzuheben sind die Pflicht zur Leistung der Einlagen und zur Mitwirkung bei der Herbeiführung der Eintragung der Gesellschaft4. In den §§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 3 Abs. 2, 5 Abs. 4, 7 Abs. 2 Satz 1 und 7 Abs. 3 geht das Gesetz selbst ausdrücklich von dem Bestand solcher Pflichten aus, deren Erfüllung daher im Gründungsstadium nicht nur die Vorgesellschaft (durch die möglicherweise bereits bestellten Geschäftsführer), sondern, und zwar in erster Linie, auch jeder Gründer von den anderen Gründern verlangen kann, so dass auch jeder bei einer Verletzung dieser Pflichten nach § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz verlangen kann5. 1 So Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5. 2 So Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 16 (S. 382). 3 Wegen der Einzelheiten s. unten § 11 Rdnr. 43; grdlg. OGH SZ Bd. 68 II (1995) Nr. 129, S. 23, 31 = JBl. 1996, 528; ebenso schon 1904 RGZ 58, 55, 56 sowie noch OLG Hamm, GmbHR 1994, 706, 707; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 28 (S. 200 f.); Michalski, Rdnr. 4; M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, 1999; beiläufig z.B. auch Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 1. 4 S. unten § 11 Rdnr. 43; OGH SZ Bd. 68 II (1995) Nr. 129, S. 23, 31 = JBl. 1996, 528. 5 Ebenso OGH SZ Bd. 68 II (1995) Nr. 129, S. 23, 31 = JBl. 1996, 528; s. im Einzelnen unten § 11 Rdnr. 42.

Emmerich

|

235

3

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

4

Die Treuepflicht trifft die Gesellschafter (selbstverständlich) gleichfalls bereits in diesem Stadium (§§ 241 Abs. 2, 242, 705 BGB; s. unten § 13 Rdnr. 37 ff.). Daraus können sich weitere Pflichten der Gründer untereinander ergeben. Folgerichtig hat die Rechtsprechung bereits anerkennt, dass die Gesellschafter bei unabweisbaren Änderungen des Gesellschaftsvertrages, etwa nach einer Beanstandung der Firma durch das Registergericht, von Fall zu Fall sogar verpflichtet sein können, notwendigen Änderungen oder Ergänzungen des Vertrags zuzustimmen1.

5

Die angedeutete Doppelfunktion des Gesellschaftsvertrages (oben Rdnr. 3 f.) kommt auch in der schwankenden Terminologie zum Ausdruck2. Soweit man (mit dem Gesetz) vom „Gesellschaftsvertrag“ spricht, hat man in der Regel wohl vorrangig die genannte zweite Funktion des Vertrags im Auge, zunächst einmal ein auf die endgültige Gründung der Gesellschaft gerichtetes Rechtsverhältnis (die „Vorgesellschaft“) zwischen den Gründern zu schaffen, aus dem sich – ganz entsprechend § 705 BGB – (unter anderem) wechselseitige Rechte und Pflichten der Gründer ergeben können. Soweit man dagegen mehr die in die Zukunft weisende Funktion des Vertrages betonen möchte, nach Eintragung der Gesellschaft deren „Verfassung“ im Sinne des § 25 BGB zu regeln, wird im Schrifttum vielfach im Anschluss an das BGB (s. die §§ 25, 26 Abs. 2 Satz 2, 33 usw.) und an das AktG (s. die §§ 5, 23 usw.) der Begriff „Satzung“ oder gelegentlich auch „Statut“ bevorzugt. Das GmbHG spricht jedoch durchgängig nur von dem „Gesellschaftsvertrag“. Deshalb soll auch hier allein dieser (zudem in der Sache völlig zutreffende) Begriff verwandt werden.

6

b) Mit der doppelten Funktion des Gesellschaftsvertrags bei der GmbH (oben Rdnr. 3 f.) hängt wohl auch die nicht abreißende Diskussion über die Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrags zusammen3. In dieser Frage stehen sich im Wesentlichen drei Meinungen gegenüber, für die sich die Bezeichnungen Vertrags-, Normen- und modifizierte Normentheorie eingebürgert haben. Während nach der Vertragstheorie der Gesellschaftsvertrag ein normaler Vertrag wie andere auch ist (s. § 705 BGB), schaffen nach der Normentheorie die Gründer (kraft staatlicher Delegation) mit der Feststellung der Satzung objektives Recht4. Eine vermittelnde Position nimmt schließlich die modifizierte Normentheorie ein, nach der zwar der Abschluss des Gesellschaftsvertrags rechtsgeschäftlichen Regeln untersteht, der fertige Gesellschaftsvertrag jedoch ab Eintragung der Gesellschaft wie ein Gesetz behandelt wird.

7

Im Schrifttum überwiegt heute deutlich die Vertragstheorie, wobei freilich zugleich durchweg die Besonderheit des Gesellschaftsvertrages betont wird, spä1 BGH, LM § 1 GmbHG Nrn. 3 und 4 = NJW 1987, 189 und 3192; s. im Einzelnen unten § 13 Rdnr. 37 ff. 2 S. auch K. Schmidt, GesR, § 5 I 2 (S. 80 ff.). 3 S. zu dieser Diskussion zuletzt eingehend Michalski, Rdnr. 4 ff.; Soergel/Hadding, BGB, § 25 Rdnr. 11 ff.; D. Reuter, in: MünchKomm. BGB, § 25 Rdnr. 16 ff.; K. Schmidt, GesR, § 5 I 1 (S. 75 ff.); Staudinger/Weick, BGB, Vorbem. 35 ff. vor § 21. 4 Grdleg. O. v. Gierke, Genossenschaftstheorie, 1887, S. 132 ff.; O. v. Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. I, S. 150 f., 486; Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 160 ff.; Meyer-Cording, Die Vereinsstrafe, 1957, S. 43, 46 ff.; D. Reuter, in: MünchKomm. BGB, § 25 Rdnr. 17 ff.

236

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

testens nach Entstehung der Gesellschaft durch Eintragung ins Handelsregister, „gesetzesgleich“ als Organisationsstatut der Gesellschaft zu dienen, weshalb der Gesellschaftsvertrag häufig auch als „Organisationsvertrag“ bezeichnet wird1, während die Praxis zu der modifizierten Normentheorie tendiert2. Ob man die Kontroverse als wenig ergiebig bezeichnen will3, ist Ansichtssache. Maßgebend kann jedenfalls für die Beurteilung der Frage nach der Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrages nur seine gesetzliche Behandlung sein. Danach kann es aber nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass zumindest der Abschluss des Gesellschaftsvertrages rechtsgeschäftlichen Regeln untersteht (unten Rdnr. 9). Aus dem Gesetz ergibt sich außerdem kein Anhaltspunkt für eine Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen an die Gründer von Körperschaften, wie die Vertreter der Normentheorie annehmen müssen. Ebenso wenig zwingen die überwiegend befürwortete objektive Auslegung und die Revisibilität der Verträge von Körperschaften (s. unten Rdnr. 33 ff.) zu einer anderen Beurteilung, da beides auch sonst, z.B. bei Publikumsgesellschaften oder bei allgemeinen Geschäftsbedingungen vorkommt, ganz abgesehen davon, dass in beiden Punkten Bedenken gegen die heutige Praxis bestehen (s. unten Rdnr. 38 ff.). Dem Gesetz entspricht somit allein die Vertragstheorie. c) Für den Gesellschaftsvertrag gelten folglich grundsätzlich die Vorschriften des BGB über die Abgabe von Willenserklärungen und den Abschluss von Verträgen (§§ 105 ff., 116 ff., 125, 134, 138, 145 ff. BGB). Im Ergebnis dürfte das heute auch im Wesentlichen unstreitig sein, ebenso wie der Umstand, dass im Einzelfall mit Rücksicht auf die Besonderheiten von Gesellschaftsverträgen nicht anders als bei den Personengesellschaften Modifikationen der genannten Vorschriften erforderlich sein können, insbesondere in der Zeit nach „Vollzug“ der Vorgesellschaft (s. unten Rdnr. 62 ff.).

8

Aus der Qualifizierung des Gesellschaftsvertrages als „Organisationsvertrag“ (oben Rdnr. 5) wird überwiegend der Schluss gezogen, dass auf den Gesellschaftsvertrag – trotz der abweichenden Formulierung des § 705 BGB (i.V.m. den §§ 105 Abs. 3 und 161 Abs. 2 HGB) – die Vorschriften über gegenseitige Verträge (§§ 320 bis 326 BGB) keine Anwendung finden könnten4. Nicht ge-

9

1 Insbes. Flume, Jur. Person, S. 315 ff.; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 4 (S. 39 f.); Michalski, Rdnr. 4 ff., bes. 6 f.; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, S. 157 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 105 ff.; Raiser/ Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 12 ff. (S. 381 f.); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9; Ulmer, Rdnr. 4 f.; K. Schmidt, GesR, § 5 I 1c (S. 77 f.); Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 25 Rdnr. 10; Soergel/Hadding, BGB, § 25 Rdnr. 14, 17; Staudinger/Weick, BGB, Vorbem. 35 ff. von § 21, § 25 Rdnr. 15; Wiedemann, GesR, S. 159 ff. 2 RGZ 165, 140, 143 f.; BGHZ 21, 370, 373 ff. = NJW 1956, 1793; BGHZ 47, 172, 179 f. = NJW 1967, 1268; OLG Frankfurt, WM 1985, 1466, 1468; zustimmend Palandt/Heinrichs, BGB, § 25 Rdnr. 3; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; R. Veil, Unternehmensverträge, 2003, S. 194 ff. 3 So Palandt/Heinrichs, BGB, § 25 Rdnr. 3; dagegen insbesondere Soergel/Hadding, BGB, § 25 Rdnr. 14, 17 und Schwarz, in: Bamberger/Roth, BGB, § 25 Rdnr. 10. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Michalski, Rdnr. 7; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9.

Emmerich

|

237

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

leugnet wird jedoch, dass der Gesellschaftsvertrag von Anfang an (auch) schuldrechtliche Pflichten unter den Gesellschaftern begründet (s. oben Rdnr. 3 f.). Unter diesen Umständen bestehen – entgegen der ganz herrschenden Meinung – ebenso wenig wie bei den Personengesellschaften Bedenken, in geeigneten Fällen, da es sich nun einmal um gegenseitige Pflichten der Gründer untereinander handelt, ergänzend die §§ 320 bis 326 BGB über gegenseitige Verträge anzuwenden1. Auf jeden Fall gilt dies in der Zeit zwischen Abschluss des Gesellschaftsvertrages und Vollzug der Vorgesellschaft. Es ist nicht erkennbar, was in dieser Zeitspanne der Anwendung des § 273 BGB oder besser: der des § 320 entgegenstehen sollte, wenn einzelne Gesellschafter ihre im Gesellschaftsvertrag übernommenen Pflichten nicht erfüllen, z.B. ihre Einlagen nicht erbringen, auf jeden Fall bei Zweipersonengesellschaften2.

2. Inhalt 10

a) Den zwingenden Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages regelt § 3 i.V.m. § 1. Danach bildet anders als bei der AG (vgl. §§ 23 und 29 AktG) auch die Beteiligungserklärung der Gründer durch Übernahme einer Stammeinlage einen notwendigen Bestandteil des Gesellschaftsvertrages3.

11

b) Für den Abschluss des Gesellschaftsvertrages der GmbH besteht im Übrigen grundsätzlich Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB), so dass die Gesellschafter beliebige Regelungen über den Mindestinhalt des § 3 hinaus (oben Rdnr. 10) in den Vertrag aufnehmen können. Die Regelungen brauchen weder genereller noch dauernder Natur zu sein; vielmehr sind auch Bestimmungen möglich, die nur für einzelne Gesellschafter oder für Einzelfälle gelten. Durch den Gesellschaftsvertrag können ferner Rechte Dritter gegen einzelne Gesellschafter (§ 328 BGB) und wohl auch gegen die zukünftige Gesellschaft begründet werden4. Freilich sind nicht alle diese Bestimmungen zugleich echte (materielle) Vertragsbestandteile, so dass sie z.B. nur noch nach den §§ 53 ff. abgeändert werden könnten und außerdem spätere Mitglieder an sie gebunden wären; vielmehr kann es sich bei ihnen ebenso gut um bloße schuldrechtliche Vertragsbestandteile handeln, die auch außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffen werden könnten. Die Abgrenzung ist häufig schwierig (s. unten § 3 Rdnr. 102 ff.).

12

c) Die §§ 305 bis 310 BGB über AGB finden nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB (= § 23 Abs. 1 AGBG a.F.) keine Anwendung auf Gesellschaftsverträge. Dies hat jedoch die Rechtsprechung nicht an einer (beschränkten) Inhaltskontrolle gegenüber den Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften gehindert5. 1 Vgl. schon für die Personengesellschaften Heymann/Emmerich, HGB, § 105 Rdnr. 6 ff.; ebenso ausführlich Hüttemann, Leistungsstörungen bei Personengesellschaften, 1998; dagegen insbesondere U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II, 1999, § 47 IV (S. 483 ff.). 2 Ebenso Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; s. schon 9. Aufl., Rdnr. 9. 3 Vgl. BGHZ 29, 300, 303 = NJW 1959, 934; M. Lutter, Kapital, S. 90; anders Ehrenberg/ Feine, Hdb., S. 165 ff. 4 So die h.M.; anders RGZ 169, 65, 82 f.; Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 923 ff. 5 S. BGH, LM Nr. 61 zu § 133 (B) BGH = NJW 2000, 1270, 1271.

238

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Eine vergleichbare Inhaltskontrolle ist mittlerweile bei solchen Vereinen oder Verbänden anerkannt, die im wirtschaftlichen und sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehaben1. Für die GmbH kann nichts anderes gelten2, zumindest dann, wenn es sich um Publikumsgesellschaften oder um vergleichbare Gesellschaften mit einem großen, nicht mehr persönlich verbundenen Gesellschafterkreis handelt3. In Literatur und Rechtsprechung werden mit Rücksicht auf den Zweck der §§ 305 ff. BGB und die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vom 5. 4. 19934 noch wesentlich weiter gehende Einschränkungen des offenbar zu weit geratenen § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB diskutiert, vor allem für die Beziehungen der Gesellschaft zu Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB. Insoweit ist auf die Ausführungen zu § 310 BGB zu verweisen5.

3. Form a) Der Gesellschaftsvertrag bedarf nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der notariellen Form (ebenso § 4 Abs. 3 Satz 1 öGmbHG). Das Gesetz verfolgt damit verschiedene Zwecke6. Im Vordergrund steht die Gewährleistung der Rechtssicherheit, daneben aber auch eine gewisse Warnfunktion zu Gunsten der Gesellschafter. Schließlich soll über die (freilich verzichtbare) Belehrungspflicht des Notars (§ 17 BeurkG; §§ 14, 19, 24 BNotO) noch eine (beschränkte) Richtigkeitsgewähr erreicht werden7.

13

b) Das Formerfordernis des § 2 gilt gleichermaßen für den obligatorischen wie für den fakultativen Inhalt des Gesellschaftsvertrages, d.h. für alle Abreden der Parteien, die nach ihrem Willen im Unterschied zu ergänzenden, schuldrechtlichen Abreden (oben Rdnr. 11) einen Bestandteil des (auch für Dritte maßgeblichen) Gesellschaftsvertrages bilden sollen. Sämtliche Regelungen, die für die Gesellschaft oder für spätere Mitglieder verbindlich sein sollen, müssen mit anderen Worten in der Urkunde enthalten sein. Beispiele sind die Begründung von Sonderrechten8 oder von Wettbewerbsverboten für einzelne Gesellschafter9 sowie die Verpflichtung kündigender Gesellschafter, ihren Gesellschaftsanteil zu bestimmten Bedingungen an Mitgesellschafter oder von der Gesellschaft benannte Dritte

14

1 BGHZ 63, 282, 285 = NJW 1975, 771; BGHZ 105, 306, 318 f. = NJW 1989, 1724. 2 Flume, Jur. Person, S. 320 f.; Michalski, Rdnr. 13; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Wiedemann, GesR I, S. 172 ff. 3 LG Münster, NJW-RR 1996, 676 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14. 4 ABl. Nr. L 95/29 = in: Schulze/Zimmermann, Basistexte zum Europäischen Privatrecht, 2. Aufl. 2002, S. 63. 5 S. im Einzelnen OLG Oldenburg, NZG 1999, 896, 897; Basedow, in: MünchKomm. BGB, 2003, § 310 Rdnr. 80–86; Becker, in: Bamberger/Roth, BGB, § 310 Rdnr. 28–33; Heinrichs, NJW 1996, 2190, 2191 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, § 310 Rdnr. 50. 6 S. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 23; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 37 (S. 53); Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaften, 1999, S. 20 ff. 7 In diesem Sinne wohl BGHZ 105, 324, 338 = NJW 1989, 295 „Supermarkt“; BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = NJW-RR 1988, 288 = GmbHR 1988, 98; OGH SZ Bd. 62 (1989 I) Nr. 28, S. 167, 178 f. = GesRZ 1989, 225 = RdW 1989, 191. 8 RGZ 170, 358, 368; BGH, LM Nr. 4 zu § 35 BGB = NJW 1969, 131. 9 RG, JW 1930, 2676.

Emmerich

|

239

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

zu übertragen1. Keine Anwendung findet § 2 dagegen, wenn die Gründer untereinander oder gegenüber der Gesellschaft (§ 328 BGB) weitere schuldrechtliche Verpflichtungen übernehmen, wenn sie sich z.B. verpflichten, bestimmte zusätzliche Leistungen an die Gesellschaft zu erbringen. Solche Nebenabreden, an die spätere Gesellschafter nicht gebunden sind, sind auch formlos möglich2. 15

c) Der Gesellschaftsvertrag bedarf nach § 2 Abs. 1 Satz 1 notarieller Form. Das Gesetz verweist damit auf § 128 BGB und auf die §§ 6 bis 35 BeurkundungsG von 1969. Wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu diesen Vorschriften sowie zur BNotO zu verweisen3. Hier genügen folgende Bemerkungen: Der Gesellschaftsvertrag kann entweder zu Protokoll erklärt oder dem Protokoll als Anlage beigefügt werden, insbesondere, wenn sich die Gesellschafter schon zuvor auf einen Vertragstext geeinigt hatten. Üblich ist die zweite Vorgehensweise, d.h. die auch äußerliche Trennung zwischen dem so genannten „Mantel“ und dem diesem als Anlage beigefügten Gesellschaftsvertrag. Diese Vorgehensweise empfiehlt sich vor allem, wenn die Gesellschafter zusätzliche schuldrechtliche Verpflichtungen eingehen, um diese auch äußerlich vom Gesellschaftsvertrag getrennt in dem „Mantel“ beurkunden zu können. Der Vertragstext und die Beitrittserklärungen können außerdem auf verschiedene Urkunden aufgeteilt werden (unten Rdnr. 15), sofern nur durch Bezugnahme und Beifügung ein einheitlicher Vertragstext entsteht. Denn allein ein solcher kann nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 zum Handelsregister eingereicht werden (s. unten § 8 Rdnr. 3 ff.). Zu beachten bleibt, dass im Einzelfall andere Formerfordernisse vorgehen können (vgl. für die Auflassung § 925 BGB). Möglich ist ferner eine Abfassung des Gesellschaftsvertrags in einer fremden Sprache, sofern der Notar dieser Sprache mächtig ist (§ 5 Abs. 2 BeurkG). Der Anmeldung der Gesellschaft muss in diesem Fall eine deutsche Übersetzung beigefügt werden4.

16

d) Die Urkunde muss von sämtlichen Gründern unterschrieben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, § 13 BeurkG). Daraus folgt aber nicht, dass gleichzeitige Anwesenheit aller Gründer bei demselben Notar erforderlich wäre; vielmehr können die Gründer auch nacheinander vor verschiedenen Notaren unterschreiben5. Ausgeschlossen wird jedoch durch die gesetzliche Regelung eine Stufengründung, wie sie bis 1965 bei der AG zulässig war. Eine GmbH kann nicht so gegründet werden, dass zunächst mehrere Gründer einen formgerechten Gesellschaftsvertrag feststellen und sodann andere Interessenten in notarieller Form ihren Beitritt zu der Gesellschaft erklären6. Es müssen vielmehr sämtliche 1 BGH, LM Nr. 7 zu § 2 GmbHG = NJW 1969, 2049. 2 RGZ 83, 216, 219; 170, 358, 367 f.; RG, JW 1930, 2675 f.; BGH, LM Nr. 8 zu § 2 GmbHG = WM 1969, 1321; WM 1965, 1076; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 10 (S. 4). 3 S. Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 40 f. (S. 54 f.); Ulmer, Rdnr. 13; Michalski, Rdnr. 16–20; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Hüffer, AktG, § 23 Rdnr. 9; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36 f.; Winkler, DNotZ 1980, 578; Röll, DNotZ 1981, 16. 4 LG Düsseldorf, GmbHR 1999, 609, 610; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. 5 S. oben Rdnr. 14; KG, OLGE 3, 262. 6 RGZ 54, 418; 83, 256, 258 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Ulmer, Rdnr. 15; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18.

240

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Gründer in dem Gesellschaftsvertrag eine Stammeinlage übernehmen und den Gesellschaftsvertrag unterschreiben (Einheits- oder Simultangründung)1. e) Die Zuständigkeit des Notars für Beurkundungen im Inland richtet sich nach § 20 Abs. 1 Satz 2 BNotO Eine Überschreitung der Grenzen seines Amtsbezirks (§ 11 BNotO) macht die Beurkundung jedoch nicht unwirksam (§ 11 Abs. 3 BNotO; § 2 BeurkG), außer wenn sie im Ausland erfolgt. Zuständig für die Beurkundung von Gesellschaftsverträgen sind außerdem die deutschen Konsuln im Ausland2.

17

4. Ausländische Notare Schrifttum: S. im Einzelnen oben Einleitung Rdnr. 134 ff. sowie Bredthauer, BB 1986, 1864; A. Dignas, Auslandsbeurkundung, 2004; Geimer, DNotZ 1981, 406; Goette, Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, in: FS Boujong, 1996, S. 131 = DStR 1996, 709 = MittRhNotK 1997, 2; Heckschen, DB 1990, 161; H.-J. Hellwig, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 285; St. Kröll, ZGR 2000, 111; Löber, RIW/AWD 1989, 84; van Randenborgh/Kallmeyer, GmbHR 1996, 908 und 910; A. Reuter, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 277; Priester, ZGR 1990, 420; Schervier, NJW 1992, 593; Sick/A. Schwarz, NZG 1998, 540.

Die Nationalität einer GmbH beurteilt sich seit der „Wende“, die die Grüneklee-Entscheidungen des EuGH und des BGH gebracht haben, nicht mehr wie bisher nach ihrem Sitz, sondern grundsätzlich nach dem Ort ihrer Gründung, jedenfalls, wenn dieser in einem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union liegt3. Handelt es sich danach um eine deutsche GmbH, so muss bei dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages § 2 beachtet werden. Davon zu trennen ist die Frage, ob der hier vorgeschriebenen notariellen Form nur eine Beurkundung durch einen deutschen Notar genügt oder ob generell oder von Fall zu Fall auch eine Beurkundung durch einen ausländischen Notar oder eine gleichstehende Urkundsperson ausreichen kann. Diese Frage beurteilt sich nach überwiegender Meinung nach Art. 11 EGBGB, nach dessen Abs. 1 ein Rechtsgeschäft sowohl dann formgültig ist, wenn es den Formerfordernissen des Rechts genügt, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (sog. Geschäfts- oder Wirkungsstatut), als auch dann, wenn es die Formerfordernisse des Rechts desjenigen Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (sog. Ortstatut)4.

18

Geht man mit der überwiegenden Meinung von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Art. 11 Abs. 1 EGBGB aus (oben Rdnr. 18), so stellt sich die weitere Frage, ob auch beim Abschluss eines Gesellschaftsvertrages im Ausland die Gesellschafter die Wahl zwischen dem Wirkungs- und dem Ortstatut haben5.

18a

1 2 3 4

Zum Ein- und Austritt von Gründern noch vor Eintragung s. unten Rdnr. 21 ff. S. das Konsulargesetz vom 11. 9. 1974, BGBl. I, 2317. Wegen der Einzelheiten s. oben Einleitung Rdnr. 94 ff. sowie unten § 4a Rdnr. 6 ff. Statt aller Palandt/Heldrich, Art. 11 EGBGB Rdnr. 8 m.N.; St. Kröll, ZGR 2000, 111, 120 f.; anders insbesondere Goette, in: FS Boujong, S. 131, 135 ff. 5 Bejahend Michalski, Rdnr. 23; Sick/A. Schwarz, NZG 1998, 540, 542.

Emmerich

|

241

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Überwiegend wird dies mit Rücksicht auf den Zweck der gesetzlichen Regelung (oben Rdnr. 13) verneint, woraus dann der weitere Schluss gezogen wird, dass der Gesellschaftsvertrag in jedem Fall nur wirksam ist, wenn er (wie immer) notariell beurkundet ist (§ 2 Abs. 1 GmbHG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 EGBGB). 18b

Erst wenn man dieser Argumentation (oben Rdnr. 18a) folgt, stellt sich erst die umstrittene weitere Frage, ob dem § 2 allein eine Beurkundung durch deutsche Notare genügt oder ob auch eine solche durch ausländische Notare ausreichend ist. Eine beachtliche Meinung entscheidet die Frage im ersten Sinne (Zuständigkeit allein deutscher Notare) mit der Begründung, die mit dem Erfordernis der notariellen Beurkundung angestrebte Richtigkeitsgewähr (oben Rdnr. 13) sei notwendigerweise nur bei einer Beurkundung durch deutsche Notare gegeben1.

18c

Der BGH und mit ihm die h.M. lassen dagegen auch die Beurkundung durch einen ausländischen Notar dem § 2 genügen, sofern sie nur der deutschen gleichwertig ist, weil die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein dem deutschen vergleichbares Verfahrensrecht zu beachten ist. Für Österreich, für die Mehrzahl der Schweizer Kantone und für die Länder des sog. Lateinischen Notariats wird das meistens bejaht2. In dieselbe Richtung tendiert die Praxis in Österreich3. Die Heftigkeit der Diskussion über diese doch – jedenfalls auf den ersten Blick – eher ephemere Frage erklärt sich allein aus den materiellen Interessen der Betroffenen (einschließlich der Notare), weil die Gebühren bei einer Auslandsbeurkundung durchweg deutlich niedriger als in Deutschland sind. Schon dies spricht für die Richtigkeit der h.M. (Rdnr. 18c).

1 LG Augsburg, GmbHR 1996, 941, 942 = NJW-RR 1997, 420; AG Köln, GmbHR 1990, 172 (Zürich); AG Fürth, GmbHR 1991, 24; Bredthauer, BB 1986, 1864; Geimer, DNotZ 1981, 406; Goette, in: FS Boujong, S. 135, 138 ff.; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 38 (S. 54); Heckschen, DB 1990, 161; H.-J. Hellwig, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 285; Priester, ZGR 1990, 420, 446; ablehnend auch für die Beurkundung der Hauptversammlung einer AG im Ausland OLG Hamburg, AG 1993, 384 f. 2 Grdleg. BGHZ 80, 76, 78 f. = NJW 1981, 1160 = GmbHR 1981, 238; BGH, LM Nr. 5 zu § 719 BGB (Bl. 4) = NJW-RR 1989, 1259, 1261; OLG München, GmbHR 1998, 46 = NJW-RR 1998, 758 = NZG 1998, 156, 157 (Basel); OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2200 = GmbHR 1990, 169 (Niederlande); LG Köln, GmbHR 1990, 171 = DB 1989, 2214 (Zürich); LG Nürnberg-Fürth, NJW 1992, 633 (Basel); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 9; Ulmer, Rdnr. 17a; St. Kröll, ZGR 2000, 111, 125 ff., 150; Löber, RIW/ AWD 1989, 94; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Michalski, Rdnr. 22; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 3 (S. 379); A. Reuter, in: Hommelhoff/ Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 277; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 22; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40–44; Sick/A. Schwarz, NZG 1998, 540, 542 ff.; Schervier, NJW 1992, 593; enger Staudinger/Großfeld, BGB, 13. Aufl. 1998, Internationales Gesellschaftsrecht, Rdnr. 471 ff. 3 OGH SZ Bd. 62 (1989 I) Nr. 28, S. 167, 178 = GesRZ 1989, 225 = RdW 1989, 191; OGH, EvBl. 1991 Nr. 93 = ÖJZ 1991, 419, 420; Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 23; str.

242

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

5. Formmängel Ein Verstoß gegen die Formvorschriften des § 2 führt vor Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister zur Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages (§ 125 BGB), so dass das Registergericht die Eintragung des Vertrages ablehnen muss (§ 9c). Schon erbrachte Leistungen können kondiziert werden (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Anders ist die Rechtslage nur, wenn die Gründer die Vorgesellschaft bereits in Vollzug gesetzt hatten, weil sich in diesem Fall ihre Auseinandersetzung nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft richtet1.

19

Nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister scheidet eine Nichtigkeit der Gesellschaft wegen etwaiger Formmängel des Gesellschaftsvertrages aus, weil § 75 Abs. 1 solche Verstöße gegen § 2 nicht unter den Nichtigkeitsgründen erwähnt. Durch die Eintragung im Handelsregister werden mithin Formmängel des Vertrages geheilt2. Die abweichende frühere Rechtsprechung des RG dürfte damit überholt sein3.

20

6. Änderungen Änderungen und Ergänzungen des Gesellschaftsvertrages richten sich in der Zeit zwischen Abschluss des Gesellschaftsvertrages und Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nach § 311 Abs. 1 BGB, so dass die Zustimmung sämtlicher Gründer in der Form des § 2 erforderlich ist4. Anders verhält es sich nur, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag bereits im Gründungsstadium, d.h. noch vor Eintragung der Gesellschaft, Änderungen durch Mehrheitsbeschluss möglich sein sollen5. Einstimmigkeit ist außerdem entsprechend den §§ 46 Nr. 5 und 47 Abs. 1 entbehrlich für die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern6 sowie für die Auflösung der Vorgesellschaft (analog § 60 Abs. 1 Nr. 2).

21

Die registerrechtliche Behandlung von Vertragsänderungen im Gründungsstadium, d.h. vor Eintragung der Gesellschaft, ist noch nicht endgültig geklärt. Einigkeit besteht lediglich über die entsprechende Anwendbarkeit des § 54

21a

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 48. 2 KG, RJA 1, 116; KGJ 23 A 101; KartGer, KartRdsch. 1928, 20; ebenso offenbar BGHZ 21, 378, 381 = NJW 1957, 19 (für den Fall des Scheingeschäfts); ausdrücklich OGH SZ Bd. 57 (1984) Nr. 174, S. 850, 852 f.; sowie die ganz herrschende Meinung: z.B. Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Ulmer, Rdnr. 26; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 17; Michalski, Rdnr. 26 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 31; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 48 f. 3 S. RGZ 54, 418; 83, 256, 259; RG, LZ 1911, 779; für § 2 Abs. 2 s. unten Rdnr. 32. 4 RG, GmbHR 1910, 446; LZ 1918, 856; BGH, LM Nr. 1 zu § 11 GmbHG = GmbHR 1953, 10 = BB 1952, 990; KG, OLGE 42, 219; OLG Köln, GmbHR 1995, 725 = MDR 1995, 888 = WM 1996, 207 = DB 1995, 2413 = NJW-RR 1996, 550 (dort fälschlich OLG Düsseldorf zugeordnet); OGH SZ Bd. 68 II (1995) Nr. 129, S. 23, 31 = JBl. 1996, 528; Winkler, DNotZ 1980, 578, 590 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Michalski, Rdnr. 38 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 47; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 25; s. auch unten § 11 Rdnr. 47. 5 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 47. 6 BGHZ 80, 212, 214 f. = GmbHR 1982, 67 = NJW 1981, 2125; Michalski, Rdnr. 38.

Emmerich

|

243

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Abs. 1 Satz 2, so dass nach jeder Änderung ein neuer vollständiger Gesellschaftsvertrag in einem Schriftstück zum Handelsregister einzureichen ist, weil bei dem Registergericht stets der aktuelle Satzungstext in einer Urkunde vorhanden sein muss1. Keine Anwendung findet dagegen in diesem Stadium § 54 Abs. 1 Satz 1, so dass eine erneute formelle Anmeldung der Vertragsänderung entbehrlich ist2. 22

Eine Vertragsänderung in der Form des § 2 mit Zustimmung aller Gesellschafter ist nach dem Gesagten (oben Rdnr. 21a) z.B. erforderlich bei einer Änderung der Firma, bei einer Erhöhung oder Herabsetzung des Kapitals der Gesellschaft sowie (nach h.M.) bei Änderungen im Mitgliederbestand vor Eintragung der Gesellschaft durch den Ein- und Austritt von Gesellschaftern3. Das soll auch für die „Übertragung“ eines Anteils von einem Strohmann oder einem sonstigen Treuhänder auf den hinter ihm stehenden Treugeber gelten4.

22a

Nach der Gegenmeinung ist dagegen auch schon vor Eintragung der Gesellschaft Raum für die Anwendung des § 15, so dass ebenso wie bei anderen Gesellschaften durchaus eine Verfügung über die Mitgliedschaft möglich ist, freilich in diesem Stadium – entsprechend der Rechtslage bei den Personengesellschaften – nur mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter, die jedoch – anders als die Mitwirkung bei einer Änderung des Gesellschaftsvertrag – formlos und mit Rückwirkung erklärt werden kann (§§ 182 Abs. 2, 184 BGB). Wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungen an anderer Stelle zu verweisen5. Daneben bleibt aber natürlich immer ein Mitgliederwechsel im Wege der Vertragsänderung möglich6.

22b

Von der Übertragung der Mitgliedschaft in der Vorgesellschaft ist ferner die aufschiebend bedingte Übertragung der zukünftigen Mitgliedschaft nach Entstehung der Gesellschaft durch ihre Eintragung ins Handelsregister zu unterscheiden, für die unmittelbar § 15 gilt7. § 41 Abs. 4 Satz 1 AktG findet keine 1 Grdlg. BayObLGZ 1988, 281, 285 f. = BB 1988, 21, 98 = DB 1988, 2354; ebenso OLG Köln, GmbHR 1973, 11; OLG Kiel, GmbHR 1975, 183 f.; OLG Hamm, GmbHR 1986, 311 f.; OLG München NZG 1998, 156, 157; KG, GmbHR 1997, 412, 413; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2001, 31 f.; H.-J. Hellwig, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 285; A. Reuter, in: Hommelhoff/Röhricht, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 277; K. Schmidt, GmbHR 1997, 869, 873. 2 BayObLG, DB 1978, 880; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2001, 31 f.; str. 3 BGHZ 15, 204, 206 = NJW 1955, 219; BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; BGHZ 29, 300, 303 = NJW 1959, 934; BGH, NJW 1997, 1507 = GmHR 1997, 405, 406 (insoweit nicht in BGHZ 134, 333, 334 abgedruckt); beiläufig auch BGH, WM 1971, 306, 307 = GmbHR 1971, 177; WM 1983, 230 = ZIP 1983, 299; OGH SZ Bd. 68 II (1995) Nr. 129, S. 23, 31 = JBl. 1996, 528; OLG Frankfurt, GmbHR 1997, 896, 987; KGJ 51, 130; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 11 (S. 4). 4 BGH, WM 1971, 306 = GmbHR 1971, 177; s. unten § 15 Rdnr. 227 ff., 63. 5 S. im Einzelnen unten § 11 Rdnr. 41; K. Schmidt, ZIP 1997, 671; K. Schmidt, GmbHR 1997, 869, 871 ff.; zustimmend Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 23 (S. 199). 6 S. unten § 11 Rdnr. 41; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 23 (S. 199). 7 BGHZ 21, 242, 245 = NJW 1956, 1435; BGHZ 21, 378, 383 = NJW 1957, 19; BGHZ 141, 207, 212 = NJW 1999, 2954 = ZIP 1999, 925; BGH, LM Nr. 10 zu § 267 BGB (Bl. 1 R) = NJW 1995, 128 = ZIP 1994, 1855.

244

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

entsprechende Anwendung. Die Rechtsstellung der Gründer vor Eintragung der Gesellschaft ist schließlich auch vererblich (§ 1922 BGB); der oder die Erben treten daher ohne weiteres an Stelle des Erblassers in die Vorgesellschaft ein1.

7. Vertretung a) Form aa) Die Gründungsgesellschafter können sich nach § 2 Abs. 2 bei der Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages durch Bevollmächtigte (§§ 164, 167 BGB) vertreten lassen; abweichend von § 167 Abs. 2 BGB muss in diesem Fall jedoch die Vollmacht entweder notariell errichtet oder notariell beglaubigt sein2. Eine vergleichbare, freilich noch engere Regelung findet sich in § 4 Abs. 3 Satz 2 öGmbHG.

23

Durch diese Vorschriften sollen spätere Zweifel und Streitigkeiten über die Legitimation des Vertreters abgeschnitten werden3. Deshalb sieht die h.M. in § 2 Abs. 2 keine bloße Ordnungsvorschrift, sondern ein echtes Wirksamkeitserfordernis für die Vollmachterteilung4. Zugleich ergibt sich daraus, dass in engen Grenzen Ausnahmen von § 2 Abs. 2 denkbar sind, wenn die Legitimation des Vertreters auf andere Weise eindeutig sichergestellt ist, z.B. durch die öffentliche Urkunde einer öffentlichen Behörde5.

24

Die öffentliche Beglaubigung durch Bundeskonsuln oder durch ausländische Notare steht derjenigen durch deutsche Notare gleich6. Ist die formgerechte Bevollmächtigung des Vertreters in einer Urkunde mit anderen Erklärungen verbunden, so wird sie in ihrer Wirksamkeit i.d.R. durch die Ungültigkeit der anderen Erklärungen nicht berührt, weil die Bevollmächtigung eine selbständige Willenserklärung darstellt7. Bei ausländischen Gesellschaften, die sich an einer deutschen GmbH beteiligen, ist § 2 Abs. 2 sinngemäß anzuwenden8. Grundsätzlich sollte deshalb zum Nachweis der nötigen Vollmacht ein beglaubigter Registerauszug vorgelegt werden und genügen, dem jedoch eine beglaubigte Übersetzung beigefügt werden muss. Die Praxis behilft sich wegen dieser Schwierigkeiten in der Regel durch die Einsetzung deutscher Treuhänder für etwaige ausländische Gründer.

25

bb) Inhaltlich muss die Vollmacht gerade zum Abschluss des Gesellschaftsvertrages einer GmbH ermächtigen. Ob dies der Fall ist, kann nur im Einzelfall

26

1 S. unten § 11 Rdnr. 42; § 15 Rdnr. 24 ff.; Petzoldt, GmbHR 1977, 25; Priester, GmbHR 1981, 206. 2 S. zum letzteren § 129 BGB i.V.m. § 40 BeurkG. 3 BGH, LM Nr. 6 zu § 2 GmbHG = NJW 1968, 1856 = GmbHR 1969, 177. 4 Ulmer, Rdnr. 27 f.; Michalski, Rdnr. 28; Reinicke, NJW 1969, 1830. 5 OLG Düsseldorf, MittRhNotK 1997, 436 = GmbHR 1998, 238 (nur LS); allgemeine Meinung: z.B. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 42 (S. 56); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27. 6 § 10 KonsularG; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 43 (S. 56). 7 RG, JW 1908, 655. 8 Eingehend Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 49 (S. 57).

Emmerich

|

245

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

entschieden werden. Anders als in Österreich1 muss die Vollmacht jedoch nicht speziell auf die konkrete Gesellschaftsgründung abgestellt sein; es genügt vielmehr, wenn sie – u.a. – hierzu ermächtigt. Die Vollmacht braucht auch die Höhe der Stammeinlage des Vollmachtgebers nicht zu umgrenzen2. 27

Eine Generalvollmacht wird daher regelmäßig zum Abschluss eines GmbHGesellschaftsvertrages ermächtigen3. Die Prokura für ein Handelsgeschäft umfasst gleichfalls grundsätzlich die Befugnis zur Beteiligung an der Gründung einer GmbH (§ 49 Abs. 1 HGB)4. Anders verhält es sich dagegen wohl meistens mit einer bloßen Handlungsvollmacht nach § 54 HGB5.

28

cc) Dem Bevollmächtigten kann das Selbstkontrahieren, etwa das gleichzeitige Auftreten für mehrere Gründer, gestattet werden (§ 181 BGB). In diesem Fall bedarf nach dem Zweck der Regelung (oben Rdnr. 24) die Gestattung des Selbstkontrahierens gleichfalls der besonderen Form des § 2 Abs. 26. Wird die Vollmacht zum Abschluss oder zur Änderung des Gesellschaftsvertrages einem anderen Gründer erteilt, so liegt darin im Zweifel zugleich die Gestattung des Selbstkontrahierens, immer vorausgesetzt, dass die Form des § 2 Abs. 2 gewahrt wurde7. Entsprechendes gilt für spätere Vertragsänderungen in der Zeit zwischen Errichtung und Eintragung der Gesellschaft8, sowie in der Folgezeit zumindest für vertragsändernde Beschlüsse (s. im Einzelnen unten § 47 Rdnr. 177 ff.). Bei dem Widerruf der Vollmacht sind die §§ 172 Abs. 2 und 173 BGB zu beachten, so dass die Vollmacht trotz ihres Widerrufs grundsätzlich bestehen bleibt, bis die Vollmachtsurkunde (s. § 2 Abs. 2) dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird9.

29

dd) Das besondere Formerfordernis des § 2 Abs. 2 gilt nur für die Vollmacht, d.h. für die rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht (§ 167 BGB), nicht also für die Fälle gesetzlicher und organschaftlicher Vertretungsmacht. Gesetzliche Vertreter weisen sich stattdessen durch ihre Standesamtsurkunden, z.B. durch die Geburtsurkunden ihrer Kinder, aus, Vormünder, Betreuer, Pfleger, Nachlassverwalter und Insolvenzverwalter durch ihre gerichtliche Bestallungsurkunde, Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von Handelsgesellschaften durch einen Registerauszug10. Nur wenn das Register bei demselben Gericht geführt wird, das über die Eintragung der Gesellschaft zu entscheiden hat, genügt ein Verweis auf das Handelsregister. Bei Vertretern von Körperschaften 1 2 3 4 5 6

7 8 9 10

S. § 4 Abs. 3 Satz 2 öGmbHG und dazu OLG Wien, NZ 1994, 217 = HS 24.139. KGJ 19 A 17. S. oben Rdnr. 26; RGZ 102, 17. KGJ 49, 273. Michalski, Rdnr. 33. S. KG, OLGE 19, 29; OLG Celle, NJW 1948, 524; OLG Wien, NZ 1994, 217 = HS 24.139; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 46 (S. 56 f.); Kreß, LZ 1911, 346; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29. OLG Wien, NZ 1994, 217 = HS 24.139; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29. S. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29. S. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 55. Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 43 (S. 56); Michalski, Rdnr. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 53.

246

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

des öffentlichen Rechts ist eine Legitimationsurkunde schließlich nur erforderlich, wenn ihre Vertretungsmacht beschränkt ist1. Ebenso behandelt werden im Ergebnis Prokuristen, obwohl es sich bei ihnen an sich um Bevollmächtigte i.S. des § 2 Abs. 2 handelt (§ 48 HGB), vorausgesetzt, dass die Prokura im Handelsregister eingetragen ist. In diesem Fall genügt folglich zum Nachweis der Vertretungsmacht des Prokuristen ein Handelsregisterauszug, während es andernfalls bei § 2 Abs. 2 bleibt2. b) Mängel aa) In der Zeit zwischen Errichtung und Eintragung der Gesellschaft gilt bei Fehlen ebenso wie bei Formungültigkeit der Vollmacht § 177 BGB. Der Gesellschaftsvertrag ist mithin schwebend unwirksam, so dass das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft ablehnen muss (§ 9c Satz 1); stattdessen kann das Gericht jedoch auch in geeigneten Fällen den Gründern eine Frist zur Beibringung einer ordnungsgemäßen Vollmacht bestimmen.

30

Ausreichend ist außerdem gem. § 177 BGB die rechtzeitige Genehmigung des Auftretens des angeblichen Vertreters durch den Vertretenen3. Umstritten ist in diesem Fall, ob für die Genehmigung die Formvorschrift des § 2 Abs. 2 gilt4 oder ob gem. § 182 Abs. 2 BGB die Genehmigung formlos, z.B. konkludent durch Betätigung in der Gesellschaft, erfolgen kann5. Für die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 spricht hier in der Tat der Zweck der Regelung (oben Rdnr. 24). § 2 Abs. 2 gilt daher ferner noch für die Genehmigung des von einem Minderjährigen abgeschlossenen Gesellschaftsvertrages durch den gesetzlichen Vertreter, nicht jedoch für die Genehmigung des Vertrages durch den Minderjährigen selbst nach Eintritt der Volljährigkeit gem. § 108 Abs. 3 BGB, weil die besondere „Legitimation“ eines nunmehr Volljährigen nach Sinn und Zweck der ganzen Regelung entbehrlich ist6.

31

bb) Nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (§ 11) muss man nach ganz überwiegender Meinung unterscheiden, ob der angebliche Vertreter überhaupt keine Vollmacht hatte oder ob die Vollmacht „lediglich“ wegen des Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 formnichtig war (§ 125 BGB). In dem zuletzt genannten Fall soll der Mangel durch die Eintragung geheilt werden, weil der Verstoß

32

1 2 3 4

S. oben Rdnr. 24; KG, OLGE 3, 259. KGJ 49, 273. KG, OLGE 3, 262. So OLG Köln, GmbHR 1995, 725 = MDR 1995, 888 = WM 1996, 207 = DB 1995, 2413 = NJW-RR 1996, 550 (hier fälschlich als Beschluss des OLG Düsseldorf bezeichnet); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 47 (S. 57); Michalski, Rdnr. 34; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Ulmer, Rdnr. 27a; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 56. 5 H. Schmidt, MDR 1995, 889. 6 S. unten Rdnr. 44; BGH, LM Nr. 4 zu § 108 BGB = WM 1980, 866 = MDR 1980, 737 = BB 1980, 857 = DB 1980, 1885; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 13 (S. 5); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16; anders Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 26 (S. 49).

Emmerich

|

247

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

gegen die Formvorschrift des § 2 Abs. 2 nicht unter den Nichtigkeitsgründen des § 75 Abs. 1 aufgeführt ist1. In dem anderen Fall, d.h. bei gänzlichem Fehlen einer Vollmacht, hat dagegen der Vertrag auch nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister keine Wirkung gegenüber dem angeblich Vertretenen (§ 177 BGB). Davon wird freilich die Wirksamkeit der Gesellschaft im Übrigen nicht berührt. Da jedoch der Geschäftsanteil des angeblich Vertretenen nicht entstanden ist, greift jetzt das Beanstandungs- und Auflösungsverfahren nach § 144a Abs. 4 FGG ein, sofern nicht ein anderer Gesellschafter den Geschäftsanteil des angeblich Vertretenen übernimmt2. Zwingend ist diese Unterscheidung indessen nicht, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dem Formerfordernis des § 2 Abs. 2 um ein echtes Wirksamkeitserfordernis für die Vollmachtserteilung handelt (oben Rdnr. 24), da es dann (eigentlich) nahe liegt, bei einer gegen § 2 Abs. 2 verstoßenden und deshalb (insgesamt) nichtigen Bevollmächtigung eines anderen ebenfalls von dem (gänzlichen) Fehlen dessen Vertretungsmacht auszugehen, auch zum Schutze des angeblich Vertretenen.

8. Auslegung Schrifttum: Brandes, WM 1983, 286; Coing, ZGR 1978, 659; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 22 f. (S. 8); Grunewald, ZGR 1995, 68; Hoffmann-Becking, Der Einfluss schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen auf die Rechtsbeziehungen in der Kapitalgesellschaft, ZGR 1994, 442; Lüderitz, Die Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966, S. 194 ff.; Michalski, Rdnr. 41–50 (S. 665 ff.); Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970, S. 166 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 80 ff.; Ostheim, in: FS Demelius, 1973, S. 381; K. Schmidt, GesR, § 5 I 4 (S. 87 ff.); Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 127 ff.; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen, S. 43 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 166 ff.; Wiedemann, DNotZ 1977, Sonderheft S. 99.

33

a) Der Gesellschaftsvertrag ist, wie gezeigt (oben Rdnr. 3 ff.), keine Rechtsnorm, sondern – entsprechend seinem Namen – ein „Vertrag“, freilich ein Vertrag mit der doppelten Funktion, gleichzeitig ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien, gerichtet auf die Gründung der GmbH, und die Grundlage dieser Gesellschaft selbst, d.h. ihren organisatorischen Rahmen zu schaffen. Unmittelbar mit dieser Doppelfunktion oder auch: Doppelnatur des Gesellschaftsvertrages hängt die Auseinandersetzung um die Auslegung des Gesellschaftsvertrages zusammen: Soweit der Gesellschaftsvertrag Schuldvertrag ist, steht außer Frage, dass sich seine Auslegung allein nach den §§ 133 und 157 BGB zu richten hat3. Fraglich kann daher im Grunde nur sein, ob dasselbe auch für den Gesellschaftsvertrag in seiner Funktion als Grundlage der von den Gründern angestrebten juristischen Person zu gelten hat. Vielfach spricht man insoweit auch von den körperschaftlichen (oder körperschaftsrechtlichen) Regelungen des Gesellschaftsvertrages im Gegensatz zu den individualrechtlichen. 1 S. oben Rdnr. 20 sowie Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 212; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 19; Michalski, Rdnr. 37; Ulmer, Rdnr. 41; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 57. 2 So Michalski, Rdnr. 37; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 57. 3 Anders auch insoweit aber offenbar D. Reuter, in: MünchKomm. BGB, § 12 Rdnr. 22; Würdinger, Aktienrecht, S. 39 ff.

248

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Für die körperschaftlichen Regelungen des Gesellschaftsvertrages wird heute überwiegend eine so genannte „objektive“, d.h. gesetzesgleiche Auslegung befürwortet. Maßgebend ist dafür weniger die Stellungnahme zu der Auseinandersetzung um die Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrages (oben Rdnr. 3 ff.) als der Hinweis auf die Besonderheiten solcher Regelungen in Gesellschaftsverträgen, die vor allem darin gesehen werden, dass sie auch für zukünftige Gesellschafter (die die Vorstellungen der Gründer und die von ihnen verfolgten Zwecke möglicherweise überhaupt nicht mehr kennen) sowie für Dritte einschließlich insbesondere der Gläubiger maßgebend sind. Deshalb könnten, so die Argumentation, für die Auslegung des Gesellschaftsvertrages insoweit nur diejenigen Umstände maßgebend sein, die auch späteren Gesellschaftern und Dritten ohne weiteres erkennbar sind. Die Folge ist die Bevorzugung einer „objektiven“, d.h. primär am Wortlaut und Sinnzusammenhang des Vertragstextes orientierten Auslegung1. Eine weitere Differenzierung etwa zwischen notwendigen und fakultativen körperschaftlichen Satzungsbestimmungen oder zwischen personalistischen und kapitalistischen Gesellschaften wird dagegen – mit gutem Grund – als nicht praktikabel überwiegend abgelehnt2.

33a

Die Stellungnahme der Rechtsprechung hat geschwankt. Das RG war zwar grundsätzlich von der Geltung der §§ 133 und 157 BGB ausgegangen, indessen mit der wichtigen Einschränkung, dass der Auslegung hier engere Grenzen als sonst gezogen seien, weil der Gesellschaftsvertrag für die Allgemeinheit bestimmt sei. Das RG hatte daraus den Schluss gezogen, dass die wesentlichen Erfordernisse der formbedürftigen Erklärungen in der Urkunde selbst niedergelegt sein müssten, da sie sonst durch den Inhalt der Urkunde nicht mehr gedeckt seien. Deshalb hatte es solche Nebenabreden als unwirksam behandelt, die sich nicht aus der Urkunde ergaben (§ 2 GmbHG i.V.m. § 125 BGB), sowie Deutungen des Vertrags abgelehnt, die für Außenstehende nicht erkennbar sind. Soweit aber die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages unklar oder mehrdeutig sind, wurde eine Auslegung unter Heranziehung der auch sonst üblichen Erkenntnismittel gebilligt3.

34

Der BGH hat die Rechtsprechung des RG zu der heute weithin gebilligten Unterscheidung zwischen individualrechtlichen und körperschaftlichen Bestimmungen weiterentwickelt, wobei Unterscheidungskriterium sein soll, ob die fragliche Bestimmung nur für das Verhältnis der Gründer untereinander sowie zur Gesellschaft oder auch für spätere Gesellschafter und die Gläubiger Bedeutung hat. Während für die individualrechtlichen Bestimmungen die

35

1 So Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 22 f. (S. 8); Ulmer, Rdnr. 141 ff.; Koppensteiner, öGmbHG, § 3 Rdnr. 17; Michalski, Rdnr. 41–50; Ostheim, in: FS Demelius, S. 381; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 16 (S. 382); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15–17; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 78–83; K. Schmidt, GesR, § 5 I 4 (S. 87 ff.); Wiedemann, GesR I, S. 166 ff.; Wiedemann, DNotZ 1977, Sonderheft, S. 99 ff. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26; zur Rechtsprechung s. unten Rdnr. 35 (am Ende bei Fn. 2). 3 RGZ 141, 204, 206; 159, 272, 278; 159, 321, 326; 164, 129, 140; 165, 68, 73; 170, 358, 366 ff.

Emmerich

|

249

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

§§ 133 und 157 BGB uneingeschränkt ihre Gültigkeit behalten, wird bei den körperschaftlichen Bestimmungen mit Rücksicht auf ihre einheitliche und gleichmäßige Geltung für gegenwärtige und zukünftige Gesellschafter sowie für die Gläubiger eine „normähnliche“ Auslegung bevorzugt1. Diese Grundsätze gelten auch für personalistische oder Familiengesellschaften, schon weil der spätere Beitritt anderer Gesellschafter niemals ausgeschlossen werden kann2. 36

Dies bedeutet, dass Ausgangspunkt der Auslegung – ebenso wie auch sonst (§§ 133, 157 BGB) – (natürlich) der Wortlaut der fraglichen körperschaftlichen Vertragsbestimmung zu sein hat. Dieser ist indessen nicht allein maßgebend; vielmehr müssen ergänzend der Sinnzusammenhang des Vertrages und der erkennbare Zweck der fraglichen Bestimmung berücksichtigt werden. Dabei kann auch auf Umstände außerhalb der Vertragsurkunde zurückgegriffen werden, vorausgesetzt, dass sie wie namentlich die sonstigen Handelsregisterakten für außenstehende Dritte gleichfalls ohne weiteres erkennbar sind3. Eine einzelne Bestimmung des Gesellschaftsvertrages kann infolgedessen durchaus auch gegen ihren Wortlaut ausgelegt werden4. Kollidieren zwei Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, weil es bei einer späteren Vertragsänderung verabsäumt wurde, den geänderten Text mit dem früheren Text abzustimmen, so sind die Regeln über sich widersprechende Gesetze aus verschiedenen Zeiten anzuwenden, so dass z.B. eine als generell gedachte Erhöhung der Mehrheitserfordernisse für Vertragsänderungen abweichende, speziellere frühere Regelungen verdrängt5. Selbst eine ergänzende Vertragsauslegung zur Schließung von Lücken im Gesellschaftsvertrag ist – in dem angegebenen Rahmen – möglich, sofern damit nur der Zweck verfolgt wird, die schon in der Vertragsurkunde selbst angelegte Regelung zu einem sinnvollen Ganzen „weiterzudenken“6. Ausgeschlossen ist dagegen ein Rückgriff auf solche Umstände, die wie die Entstehungsgeschichte, Vorentwürfe und nicht nach außen hervorgetretene Motive der Gründer außenstehenden Dritten notwendigerweise verborgen 1 BGHZ 14, 25, 36 f. = NJW 1954, 1401; BGHZ 36, 296, 314 = NJW 1962, 864; BGHZ 48, 141, 143 f. = NJW 1967, 2159; BGHZ 96, 245, 250 = NJW 1986, 1033; BGHZ 116, 359, 364, 366 = NJW 1992, 892 = GmbH 1992, 257; grdlg. BGHZ 123, 347, 350, 352 = NJW 1994, 51 = AG 1994, 78 = ZIP 1993, 1709 „IBH/Powell Duffryn“; BGH, LM Nr. 20 zu § 47 GmbHG = NJW 1973, 1039; LM Nr. 21 zu § 47 GmbHG = GmbHR 1974, 107; LM Nr. 32 zu § 47 GmbH = NJW 1983, 1910; LM Nr. 25 zu § 549 ZPO = MDR 1954, 734; LM Nr. 54 zu § 157 (D) BGB = NJW-RR 1990, 226; BayObLGZ 1979, 97 = GmbHR 1979, 139, 140 f.; OLG Düsseldorf, ZIP 1987, 227, 230; OLG Köln, WM 1987, 375, 376; NZG 1999, 1222, 1223 f.; OLG Hamburg, GmbHR 1996, 610, 611 = DB 1996, 1175; ebenso jetzt grdl. auch für Österreich OGH SZ Bd. 70 II (1997) Nr. 24, S. 704, 719 ff. = HS 28.080 = AG 1998, 199 f. 2 BGHZ 14, 25, 37 = NJW 1954, 1401; BGH, BB 1981, 926 f. = WM 1981, 438; GmbHR 1983, 129, 130; Brandes, WM 1983, 286, 287. 3 Vgl. für bei den Handelsregisterakten befindliche frühere Fassungen der Satzung BGHZ 116, 359, 366 = NJW 1992, 892 = GmbHR 1992, 257; BayObLGZ 1979, 97 = GmbHR 1979, 139; OLG Köln, NZG 1999, 1222, 1223 f. 4 RGZ 101, 246 f.; RG, JW 1930, 3735, 3737. 5 Grdlg. OGH SZ. Bd. 70 II (1997) Nr. 242, S. 704, 721 ff. = HS 28.080 = AG 1998, 199, 200. 6 BGH, LM Nr. 54 zu § 157 (D) BGB = NJW-RR 1990, 226 (Ausdehnung eines Wettbewerbsverbotes auf weitere Fälle); OLG Düsseldorf, BB 1982, 1574 f.

250

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

sind1. Auf keinen Fall darf schließlich die Auslegung zu unterschiedlichen Ergebnissen im Innen- und Außenverhältnis führen; sie muss vielmehr für alle Beteiligten einheitlich und gleichmäßig erfolgen2. Körperschaftliche (oder: körperschaftsrechtliche) Bestimmungen sind zunächst die Bestimmungen, die schon nach dem Gesetz zum notwendigen oder fakultativen Vertragsinhalt gehören, allen voran also die Bestimmungen der §§ 3 bis 53. Hervorzuheben sind die Bestimmungen über den Unternehmensgegenstand sowie über die Kapitalausstattung einschließlich der Zulassung von Sacheinlagen, außerdem Bestimmungen über die Vinkulierung von Geschäftsanteilen, über das Stimmrecht der Gesellschafter und über die Gewinnverteilung sowie z.B. noch Bestimmungen über die Voraussetzungen von Vertragsänderungen einschließlich der Bestimmungen über die Mehrheits- und die Formerfordernisse4, ferner Bestimmungen über Sonderbeschlüsse einzelner Gesellschaftergruppen5, überhaupt alle Bestimmungen über die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung6, sowie z.B. Bestimmungen über Gerichtsstandklauseln7, über Sonderrechte von Gesellschaftern8, über die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Abtretung (§ 15 Abs. 5)9, über die Gewinnverteilung10, über die Abfindung einzelner Gesellschafter11 und über ein Stimmverbot für einzelne Gesellschafter12, weiter etwa Bestimmungen über eine besondere Vergütung für Sacheinlagen13 sowie schließlich Bestimmungen über einen Beirat14.

37

Individualrechtlich sind dagegen z.B. Bestimmungen eines Gesellschaftsvertrages über die Bestellung der Geschäftsführer, über deren Vergütung und über die Versorgung ihrer Hinterbliebenen15. Dasselbe gilt für zusätzliche schuldrechtliche Abreden zwischen den Gründern, selbst wenn sie zu Gunsten der zukünftigen Gesellschaft getroffen worden sind16.

37a

1 So zuletzt OLG Köln, NZG 1999, 1222, 1223 f.; OGH SZ Bd. 70 II (1997) Nr. 242, S. 704, 719 ff. = HS 28.080 = AG 1998, 199 f. 2 RGZ 101, 246 f.; 127, 186, 192; RG, JW 1930, 3735, 3736; 1939, 354; BGHZ 14, 25, 36 f. = NJW 1954, 1401; BGHZ 36, 296, 315 = NJW 1962, 864; BGH, LM Nr. 25 zu § 549 ZPO = MDR 1954, 734; LM Nr. 20 zu § 47 GmbHG = NJW 1973, 1039; Brandes, WM 1983, 286, 287. 3 S. im Einzelnen Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 23 (S. 8 m.N.); Michalski, Rdnr. 45. 4 BGHZ 14, 25, 36 f. = NJW 1954, 1401; BGHZ 48, 141, 143 f. = NJW 1967, 2159; OGH SZ Bd. 70 II (1997) Nr. 242, S. 704, 721 ff. = HS 28.080 = AG 1998, 199, 200. 5 BGHZ 36, 296, 314 = NJW 1962, 864. 6 BGH, LM Nr. 20 zu § 47 GmbHG = NJW 1973, 1039. 7 Grdlg. BGHZ 123, 347, 350 = NJW 1994, 51 = AG 1994, 78 = ZIP 1993, 1709. 8 BGH, LM Nr. 4 zu § 35 BGB = NJW 1969, 131. 9 OGH SZ Bd. 70 II (1997) Nr. 242, S. 704, 721 ff. = HS 28.080 = AG 1998, 199, 200. 10 OLG Düsseldorf, GmbHR 1983, 124, 126. 11 BGHZ 116, 359, 364 = NJW 1992, 892 = GmbHR 1992, 257; OLG Köln, NZG 1999, 1222, 1223 f. 12 BGH, LM Nr. 21 zu § 47 GmbHG = GmbHR 1974, 107. 13 BayObLGZ 1979, 97 = GmbHR 1979, 139. 14 OLG Düsseldorf, BB 1982, 1574. 15 BGH, LM Nr. 25 zu § 549 ZPO = MDR 1954, 734; anders aber offenbar BGH, GmbHR 1973, 279, 280 = WM 1973, 1295. 16 S. oben Rdnr. 10; ausführlich Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 84 ff.

Emmerich

|

251

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

37b

Aus der Unterscheidung zwischen körperschaftlichen und individualrechtlichen Satzungsbestandteilen wird schließlich noch der Schluss gezogen, dass allein die ersteren der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegen. Dagegen ist die Auslegung von Satzungsbestimmungen mit individualrechtlichem Charakter ebenso wie die sonstiger Verträge in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar1.

38

b) Die geschilderte Praxis ist nicht unbedenklich2, da die Kriterien zur Abgrenzung der individualrechtlichen von den körperschaftlichen Bestandteilen des Gesellschaftsvertrages im Grunde bis heute unklar geblieben sind. Außerdem ist nicht einzusehen, wieso die gebotene Berücksichtigung der Interessen Dritter generell Abweichungen von den sonst maßgeblichen Auslegungsregeln erzwingen soll; wenn überhaupt, so können doch solche Abweichungen höchstens dort angebracht sein, wo tatsächlich die Interessen Dritter hereinspielen, im Wesentlichen also nur im Falle des späteren Beitritts neuer Gesellschafter (unten Rdnr. 39). Solange sich dagegen der Gesellschafterkreis auf die Gründer und deren Erben beschränkt, rechtfertigt nichts eine Abweichung von den §§ 133, 157, 242 BGB. Maßgebend ist mit anderen Worten dann in erster Linie ihr Verständnis der betreffenden Bestimmungen, wozu auch eine entsprechende Praxis der Gesellschafter herangezogen werden kann. Dasselbe gilt für schuldrechtliche Nebenabreden der Gesellschafter3.

39

Einschränkungen der vorstehend entwickelten Regeln (oben Rdnr. 38) werden erst erforderlich, sobald tatsächlich Interessen Dritter tangiert werden, wobei weniger an die Interessen der Gläubiger (die jede Satzungsregelung hinnehmen müssen) als an die neuer Gesellschafter zu denken ist. (Nur) sofern diese nicht über das Verständnis der Gründer, ihre Handhabung der Satzung und über die Existenz ergänzender schuldrechtlicher Abreden informiert sind, muss der Gesellschaftsvertrag zu ihrem Schutze mit anderen Worten (ausnahmsweise) in dem genannten Sinne„objektiv“ ausgelegt werden. Die fragliche Bestimmung des Gesellschaftsvertrages gilt dann folglich in dem Sinne, den sie nach den den neuen Gesellschaftern erkennbaren Umständen hat, und nicht nach einem möglicherweise abweichenden Verständnis der Gründer und der anderen informierten Gesellschafter (§§ 133, 157, 242 BGB).

1 RGZ 159, 321, 326; 164, 129, 140; 165, 68, 74; 170, 358, 366 f.; BGHZ 14, 25, 36 f. = NJW 1954, 1401; BGHZ 36, 296, 314 = NJW 1962, 864; BGHZ 48, 141, 144 = NJW 1967, 2159; BGHZ 96, 245, 250 = NJW 1986, 1033; BGHZ 116, 359, 364 = NJW 1992, 892 = GmbHR 1992, 257; BGHZ 123, 347, 350 = NJW 1994, 51 = AG 1994, 78; BGH, LM Nr. 32 zu § 47 GmbH = NJW 1983, 1910. 2 Ebenso Grunewald, ZGR 1995, 68, 85 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 80 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 4 (S. 87 ff.); H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen, S. 43 ff.; ähnlich auch Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442. 3 Ebenso im Wesentlichen Grunewald, Noack, K. Schmidt und H. P. Westermann (vorige Fn.); anders Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 455 f.

252

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

II. Gesellschafter Schrifttum: Bartl, Bestellung eines Ausländers zum Geschäftsführer, BB 1977, 571; Biddermann, Die Rechtsstellung des minderjährigen GmbH-Gesellschafters bei Fehlen der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zum Gründungsvertrag und zum Erwerb von Geschäftsanteilen, GmbHR 1966, 4; Brüggemann, Der sperrige Katalog, FamRZ 1990, 5, 124; H. C. Doelle, Die Beteiligung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an einer GmbH, 1984; Flume, Gesamthand und juristische Person, in: FS L. Raiser, 1974, S. 27; Grothus, Die Übernahme einer GmbH-Stammeinlage durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GmbHR 1958, 156; B. Grunewald, Die Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft, AcP 197 (1997), 305; Haegele, GmbH und Verfügungsbeschränkungen der Zugewinngemeinschaft, GmbHR 1965, 187; Haegele, Vertragliche Güterrechte und GmbH, GmbHR 1968, 69, 95, 138; Haegele, Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige im GmbH-Recht, GmbHR 1971, 198; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 23 ff. (S. 47 ff.); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 20–48; U. Koch, Die Beteiligung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts an der GmbH-Gründung, ZHR 146 (1982), 118; Kobei, Die Übernahme einer Stammeinlage oder Aktie bei Gründung einer GmbH oder AG durch eine Personenmehrheit, GmbHR 1960, 84; G. Kurz, Die Problematik des § 1822 BGB, NJW 1992, 1798; Kußmaul, Zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Einbeziehung von Kindern, GmbHR 1983, 118; Maiberg, Übernahme einer Stammeinlage durch eine Erbengemeinschaft bei Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH, DB 1975, 53; Michalski, Rdnr. 82–109 (S. 684 ff.); G. Miller, Eintragung ausländischer GmbH-Geschäftsführer und Gründung einer GmbH durch Ausländer, DB 1983, 977; W. Müller, Zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bei GmbHBeteiligungen von Minderjährigen, JR 1961, 326; Petzoldt, Gesellschaftsvertrag und Erbrecht, GmbHR 1977, 25; Priester, Nachfolgeklauseln im GmbH-Vertrag, GmbHR 1981, 206; Ripfel, Übernahme einer Stammeinlage durch eine Personenmehrheit, GmbHR 1956, 7; Rosenau, Beteiligung Minderjähriger an gesellschaftsrechtlichen Unternehmensformen, BB 1965, 1393; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 19–39; Roth, Die Ehegatten-GmbH in Recht und Praxis, FamRZ 1984, 328; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7–32; K. Schmidt, GesR, § 34 II 1 (S. 1000 f.); K. Schmidt, Die GmbH-Beteiligung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts als Publizitätsproblem, BB 1983, 1697; K. Schmidt, Die BGB-Außengesellschaft: rechts- und parteifähig, NJW 2001, 993; Tountopoulos, Ausländerrecht und Handelsregister, Rpfl. 1997, 457; Ulmer, Die höchstrichterlich „enträtselte“ Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ZIP 2001, 585; Wachter, Ausländer als GmbH-Gesellschafter und Geschäftsführer ZIP 1999, 1577; Wilhelm, Fehlerhafte Gesellschaftsverträge mit minderjährigen Kindern, BB 1966, 395; Winkler, Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zu gesellschaftsrechtlichen Akten bei Beteiligung Minderjähriger, ZGR 1973, 177; M. Wolf, GmbH-Gründung mit einer Erbengemeinschaft, in: FS Schippel, 1996, S. 533; Zelz, Der Minderjährige in der GmbH, GmbHR 1959, 91; – zur Treuhand s. unten bei Rdnr. 54 und § 15 Rdnr. 227.

Gesellschafter einer deutschen GmbH kann jede natürliche oder juristische Person sein. Bei natürlichen Personen bestehen außerdem keine Unterschiede nach dem Alter, dem Beruf oder dem Geschlecht, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag ausnahmsweise etwas anderes bestimmt (unten Rdnr. 60 f.). Angehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union stehen ebenfalls grundsätzlich gleich – schon mit Rücksicht auf das Diskriminierungsverbot des EGVertrags sowie auf die Grundfreiheiten des Vertrags (Art. 12, 39, 49, 56 ff. EGVertrag). Besonderheiten gelten lediglich für Angehörige so genannter Drittstaaten (unten Rdnr. 41 ff.).

Emmerich

|

253

40

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

1. Ausländer 41

Für Angehörige von Drittstaaten bestehen gleichfalls grundsätzlich keine Beschränkungen für eine Beteiligung an einer deutschen GmbH. Sie können selbst dann Gesellschafter werden, wenn sie im Inland weder einen Wohnsitz noch einen Aufenthaltsort haben. Auch das Ausländerrecht zieht dann ihrer Beteiligung an einer deutschen GmbH keine Schranken. Erst, wenn Angehörige von Drittstaaten ihren Aufenthalt im Bundesgebiet nehmen, bedürfen sie dazu nach dem Ausländergesetz (AuslG) von 19901 einer Aufenthaltsgenehmigung (§ 3 Abs. 1 AuslG), die auch mit Auflagen verbunden werden kann. Die zuständige Behörde hat daher außerdem die Möglichkeit, die Aufenthaltserlaubnis mit dem Verbot oder der Beschränkung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Inland zu verbinden (§ 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 AuslG)2. Daraus ergibt sich im vorliegenden Zusammenhang die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn sich ein Drittstaatler ohne Aufenthaltserlaubnis oder ohne Erlaubnis der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Inland (§§ 3 Abs. 1, 14 Abs. 2 AuslG) an der Gründung einer deutschen GmbH beteiligt oder zum Geschäftsführer einer derartigen GmbH bestellt wird (unten Rdnr. 41a f.).

41a

Wegen der Rechtsfolgen der Bestellung eines Ausländers zum Geschäftsführer einer deutschen GmbH ist auf die Ausführungen an anderer Stelle zu verweisen (s. unten § 6 Rdnr. 16 ff.). Davon zu trennen ist die Frage, welche Konsequenzen sich aus der „bloßen“ Beteiligung von Ausländern ohne Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis an der Gründung einer GmbH ergeben. Unproblematisch ist eine derartige Beteiligung nach offenbar nahezu allgemeiner Meinung nur, wenn sich der Ausländer lediglich so geringfügig an der Gründung beteiligt, dass ein Einfluss auf die Geschäftsführung von vornherein ausgeschlossen ist. Umstritten ist die Rechtslage dagegen bei einer maßgeblichen Beteiligung des Ausländers. Nach einer verbreiteten Meinung verfolgt die Gesellschaft in diesem Fall wegen der Gefahr einer „Umgehung“ der ausländerrechtlichen Verbote (§§ 3 Abs. 1 und 14 Abs. 2 Ausländergesetz) gesetzwidrige Zwecke (§ 134 BGB), so dass sie nicht ins Handelsregister eingetragen werden dürfe3.

41b

Die Anwendung der §§ 134 und 138 Abs. 1 BGB (oben Rdnr. 41a) ist nur gerechtfertigt, wenn mit der Gründung der GmbH tatsächlich vorrangig der Zweck verfolgt wird, etwaige ausländerpolizeiliche Beschränkungen für die Betätigung der an der Gründung beteiligten Ausländer im Inland zu umgehen4. Solche Annahme setzt jedoch voraus, dass der Zweck der Gesetzesumgehung bei der Gründung der Gesellschaft so eindeutig im Vordergrund steht, dass das ganze Gründungsvorhaben davon geprägt wird und deshalb als sittenwidrig 1 BGBl. I, 1354. 2 Wegen der Einzelheiten s. Tountopoulos, Rpfl. 1997, 457; Wachter, ZIP 1999, 1577, 1578. 3 S. oben § 1 Rdnr. 17 ff.; OLG Stuttgart, OLGZ 1984, 143 = GmbHR 1984, 156; OLG Celle, DB 1977, 993 = MDR 1977, 758; KG, GmbHR 1997, 412, 413 f. = DZWiR 1997, 120 = DB 1997, 270; LG Hannover, GmbHR 1976, 111; LG Köln, GmbHR 1983, 48; LG Krefeld, GmbHR 1983, 48 f. = DNotZ 1983, 676; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8 und § 1 Rdnr. 47; Tountopoulos, Rpfl. 1997, 457, 458 ff. 4 Ebenso Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3.

254

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

eingestuft werden muss1. Von solchen Ausnahmefällen abgesehen, stehen dagegen ausländerpolizeiliche Verbote oder Beschränkungen für die Tätigkeit von Ausländern im Inland ihrer Beteiligung an der Gründung einer deutschen GmbH grundsätzlich nicht entgegen. Dafür spricht zunächst, dass die Anwendbarkeit dieser Vorschriften von der Gründung der GmbH völlig unabhängig ist. Weder ein Aufenthalts- noch ein Betätigungsverbot auf Grund des Ausländerrechts wird durch die Gründung der GmbH in irgendeiner Hinsicht tangiert. Außerdem dürfte das Registergericht schwerlich die Befugnis besitzen, die Einhaltung ausländerpolizeilicher Vorschriften zu kontrollieren. Weitere Überlegungen kommen hinzu, so dass der Meinung zu folgen ist, nach der der Beteiligung von Ausländern an der Gründung einer GmbH mit Rücksicht auf das Ausländerrecht – von den genannten Umgehungsfällen abgesehen – grundsätzlich keine Bedenken entgegenstehen2. Zu beachten bleibt aber, dass Ausländer aus Drittstaaten die Gründung der Gesellschaft sowie den Erwerb einer Beteiligung der Landeszentralbank zu melden haben3, während Angehörige der Europäischen Union zum Nachweis ihres Aufenthaltsrechts nur eine deklaratorisch wirkende Aufenthaltserlaubnis-EG benötigen4.

2. Minderjährige a) Minderjährige und andere in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Personen bedürfen zum Abschluss des Gesellschaftsvertrages nach § 107 BGB der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters, weil sie durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages mit Rücksicht auf die damit verbundenen Haftungsrisiken (§§ 24 und 31) in keinem Fall lediglich einen „rechtlichen Vorteil“ erlangen, auch nicht im Falle der Schenkung der Beteiligung seitens der übrigen Gründer5. Wird der Minderjährige bei dem Abschluss dagegen von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten, so muss, sofern sich der gesetzliche Vertreter selbst neben dem Minderjährigen an dem Vertragsabschluss beteiligt, für den Minderjährigen ein Pfleger bestellt werden (vgl. §§ 181, 1629 Abs. 2 Satz 1, 1705 Satz 2, 1795 Abs. 2, 1909 BGB). Falls der gesetzliche Vertreter mehrere Personen, z.B. mehrere Kinder vertritt, ist außerdem für jede vertretene Person ein besonderer Pfleger zu bestellen; das Vormundschaftsgericht kann nicht eine mehrfache Vertretung gestatten6. Zu beachten ist, dass dies alles nur für den Abschluss des Gesellschaftsvertrages gilt. Nach wirksamem Vertragsabschluss werden Minderjährige dagegen in der Gesellschaft durch ihren gesetzlichen Vertreter

1 Zutreffend Wachter, ZIP 1999, 1577, 1583 f. 2 LG Ulm, Rpfl. 1982, 228; Bartel, BB 1977, 571, 573 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 1 Rdnr. 16, 29; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 28; Ulmer, § 1 Rdnr. 42 f.; Michalski, Rdnr. 83; G. Miller, DB 1983, 977, 978 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 22; Wachter, ZIP 1999, 1577, 1582 f.; Waldner, Rpfl. 1997, 389, 390. 3 § 57 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) von 1993 i.d.F. von 2000, BAnz. 2000 Nr. 176, S. 18577; s. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8. 4 S. Wachter, ZIP 1999, 1577, 1578. 5 Unstreitig, z.B. Michalski, Rdnr. 84. 6 RGZ 71, 164; BGHZ 21, 229 = NJW 1956, 1433; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; str.

Emmerich

|

255

42

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

vertreten, wobei § 181 BGB jedenfalls auf Abstimmungen in den laufenden Geschäften keine Anwendung findet (s. im Einzelnen unten § 47 Rdnr. 178 ff.). 43

b) Eine andere Frage ist, ob der gesetzliche Vertreter nach den §§ 1643 Abs. 1 und 1822 BGB zu dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages bzw. zu der Einwilligung nach § 107 BGB bei Abschluss des Vertrages durch den Minderjährigen selbst1 der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf. In Betracht kommt insbesondere die Anwendung der Nrn. 3 und 10 des § 1822 BGB. Nach § 1822 Nr. 3 BGB ist die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts unter anderem für den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages erforderlich, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird. Schon daraus wird sich in der Mehrzahl der Fälle die Genehmigungsbedürftigkeit des Vertragsabschlusses ergeben. § 1822 Nr. 3 BGB wird allgemein ganz weit ausgelegt und erfasst deshalb z.B. auch den Betrieb einer freiberuflichen Praxis2. Es spielt auch keine Rolle, ob der Vertrag unentgeltlich oder entgeltlich abgeschlossen wird3 oder ob es sich um einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer Personengesellschaft oder zur Gründung einer Kapitalgesellschaft handelt. Zum Schutze des Minderjährigen ist vielmehr unter den genannten Voraussetzungen immer die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach § 1822 Nr. 3 erforderlich4.

43a

Anwendbar ist außerdem in jedem Fall der Gründung einer GmbH, also auch dann, wenn die Gesellschaft ideelle Zwecke verfolgt, die Vorschrift des § 1822 Nr. 10 BGB, nach dem die Genehmigung des Vermundschaftsgerichts ferner zur Übernahme einer fremden Verbindlichkeit erforderlich ist. Auch dieser Begriff wird ganz weit ausgelegt. Die Gründung einer GmbH fällt schon deshalb darunter, weil mit ihr immer die Gefahr einer persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft sowie einer persönlichen Inanspruchnahme auf Grund der §§ 24 und 31 verbunden ist5. Man sollte hier auch keine Ausnahme für den Fall machen, dass sämtliche Geschäftsanteile (zunächst) voll eingezahlt werden6, weil dadurch eine Haftung des Minderjährigen auf Grund seiner Beteiligung an der Vorgesellschaft ebenso wenig wie eine spätere persönliche Haftung auf Grund der §§ 24 und 31 ausgeschlossen wird7. Handelt es sich

1 2 3 4

S. oben Rdnr. 42; statt aller Palandt/Heinrichs, BGB, § 107 Rdnr. 10. KG, NJW 1976, 1946; Palandt/Diederichsen, BGB, § 1822 Rdnr. 5. Brüggemann, FamRZ 1990, 124, 127. Bettin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 1822 Nr. 12; Palandt/Diederichsen, BGB, § 1822 Rdnr. 9; Brüggemann, FamRZ 1990, 5, 124, 127; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21 ff.; Ulmer, Rdnr. 73; Michalski, Rdnr. 85 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; K. Schmidt, GesR, § 34 II 1 (S. 1000); anders G. Kurz, NJW 1992, 1798, 1800; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 4. 5 Grdlg. OLG Stuttgart, OLGZ 1978 426, 427 f. = Justiz 1979, 19 = GmbHR 1980, 102; ebenso schon KGJ 30 A 149; 44 A 142; JW 1927, 2578; Brüggemann, FamRZ 1990, 124, 125; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Palandt/Diederichsen, BGB, § 1822 Rdnr. 25; Pleyer, GmbHR 1962, 49 f.; offen gelassen in BGHZ 41, 71, 78 f. = NJW 1964, 766. 6 So aber BGHZ 107, 23, 26 f. = NJW 1989, 1926; KG, NJW 1962, 54, 55; Ebbing, in: Michalski, § 24 Rdnr. 7. 7 Brüggemann, FamRZ 1990, 124, 125; Michalski, Rdnr. 85.

256

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

um eine Einpersonengründung, so ist dagegen in der Tat nur Raum für die Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB1. c) Entsprechendes gilt im Falle der Betreuung, sofern ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 Abs. 1 BGB angeordnet ist. Ein Unterschied zu den Fällen der gesetzlichen Vertretung (oben Rdnr. 42 f.) besteht in diesem Falle nur insofern, als bei der Verhinderung des Betreuers nach § 181 BGB keine Ergänzungspflegschaft mehr in Betracht kommt; an ihre Stelle tritt vielmehr jetzt die Bestellung eines weiteren Betreuers nach § 1899 Abs. 4 BGB2. Besteht kein Einwilligungsvorbehalt, so konkurrieren dagegen die Zuständigkeit des Betreuten und des Betreuers (§ 1902 BGB i.V.m. den §§ 1908, 1795 und 1822 BGB), so dass es zu widersprüchlichen Willenserklärungen kommen kann. In diesem Fall hat diejenige Willenserklärung den Vorrang, die als erste den Mitgesellschaftern bei der Gründung zugeht (§ 130 BGB)3.

43b

d) Beteiligt sich ein Minderjähriger ohne Genehmigung des gesetzlichen Vertreters oder des Vormundschaftsgerichts an einer GmbH, so ist der Gesellschaftsvertrag schwebend unwirksam (§ 107 BGB). Hieran ändert sich auch durch die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nichts. Die Gesellschaft ist in diesem Fall zwar nicht nichtig (§ 75); aber die Beteiligung des Minderjährigen bleibt unwirksam, weil der Minderjährigenschutz Vorrang vor dem Verkehrsschutz hat (s. unten Rdnr. 66). Der Beitritt kann jedoch noch nachträglich von dem gesetzlichen Vertreter (mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts) und nach Volljährigkeit von dem Minderjährigen selbst genehmigt werden (§ 108 BGB), und zwar von dem Minderjährigen auch konkludent; die Form des § 2 Abs. 2 braucht insoweit nicht beachtet zu werden (s. oben Rdnr. 32).

44

3. Eheleute Eheleute sind jederzeit allein imstande, sich an der Gründung einer GmbH zu beteiligen. Aus dem Ehegüterrecht können sich lediglich Beschränkungen hinsichtlich ihrer Einlageverpflichtung ergeben. Insoweit sind bei Zugewinngemeinschaft namentlich § 1365 BGB sowie bei Gütergemeinschaft die §§ 1423 f. und 1437 f. BGB zu beachten. Eheleute, die in Gütergemeinschaft leben, können sowohl im Wege der Einpersonengründung (s. oben § 1 Rdnr. 29) als auch durch Abschluss eines normalen Gesellschaftsvertrages zwischen ihnen nach § 2 eine GmbH gründen4. Der Geschäftsanteil gehört dann zum Gesamtgut (§ 1416 BGB).

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 10 Rdnr. 6 (S. 125); dagegen auch hier für die entsprechende Anwendung der Nr. 10 des § 1822 BGB Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 26; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 25 (S. 48); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4 (4. Abs.); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17. 3 Im Einzelnen str., s. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 26. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 27, 37; Ulmer, Rdnr. 57; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 27 (S. 49); Michalski, Rdnr. 87; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 24; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9 f.; früher sehr str.

Emmerich

|

257

45

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

4. Kaufleute 46

Ein Einzelkaufmann kann einer GmbH unter seinem bürgerlichen Namen oder unter seiner Firma beitreten1. Aber er kann nicht beide Namen gleichzeitig in der Weise verwenden, dass er entgegen § 5 Abs. 2 mehrere Stammeinlagen übernimmt2. Verwendet er für den Beitritt seine Firma, so folgt daraus, dass es sich bei dem Beitritt um ein Handelsgeschäft handelt (§§ 343 f. HGB).

5. Testamentsvollstrecker 47

a) Bei der Testamtensvollstreckung müssen verschiedene Fallgestaltungen unterschieden werden3. Unproblematisch ist zunächst der Fall, dass der Erbfall erst nach Eintragung der GmbH ins Handelsregister eintritt. In diesem Fall geht der Geschäftsanteil des Erblassers mit dem Nachlass auf den oder die Erben über und unterliegt infolgedessen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers, der mit ihm nach den Anordnungen des Erblassers zu verfahren hat (§ 2203 BGB). Dabei ist vor allem danach zu unterscheiden, ob es sich lediglich um eine Auseinandersetzungsvollstreckung (§ 2204 BGB) oder um eine Verwaltungsvollstreckung im Sinne des § 2205 BGB handelt. Im zweiten Fall kann der Testamentsvollstrecker sämtliche Rechtshandlungen in der Gesellschaft vornehmen, die die Gesellschaftereigenschaft des oder der Erben mit sich bringt, einschließlich der Ausübung des Stimmrechts4, jedenfalls, sofern damit nicht eine persönliche Verpflichtung der Erben verbunden ist (§§ 2206, 2207 BGB)5. Bedeutung hat diese Beschränkung vor allem für die Beteiligung des oder der Erben an einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen.

47a

War die GmbH bei dem Tod des Erblassers noch nicht ins Handelsregister eingetragen, so tritt der Testamentsvollstrecker in die Gründerposition ein und hat – im Rahmen der ihm vom Erblasser übertragenen Befugnisse – alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, die Eintragung der Gesellschaft herbeizuführen, wozu auch die Leistung der Einlage gehört, soweit aus den Mitteln des Nachlasses möglich. Im Übrigen trifft die Erben die Haftung für diese Nachlassverbindlichkeit, freilich mit der Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung (§§ 1967, 1975 BGB)6.

48

Davon zu trennen ist die Frage, ob sich der Testamtensvollstrecker, der mit der Verwaltung des Nachlasses betraut ist (§§ 2205, 2209 BGB), selbst für den Nachlass und damit für die Erben an der Gründung einer GmbH durch Abschluss eines neuen Gesellschaftsvertrages beteiligen kann. Die Frage ist mit 1 § 17 HGB; OLG Dresden, KGJ 49, 272. 2 OLG Frankfurt, GmbHR 1962, 157. 3 Vgl. zum Folgenden insbes. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 45–48; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 29 (S. 50). 4 S. unten § 15 Rdnr. 250–253; BGH, LM Nr. 3–5 zu § 2205 BGB = NJW 1959, 1820; KG, NJW 1962, 54; BayObLGZ 1976, 67, 87 ff. = NJW 1976, 1693; BayObLGZ 1991, 127, 135 = NJW-RR 1991, 1252 = GmbHR 1991, 572; Michalski, Rdnr. 91; Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 15 Rdnr. 127–133; Priester, in: FS Stimpel, 1985, S. 463. 5 S. Priester, in: FS Stimpel, 1985, S. 477 ff. 6 Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 29 (S. 50).

258

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Rücksicht auf die beschränkte Verpflichtungsmacht des Testamentsvollstreckers (§§ 2206, 2207, 2209 BGB) umstritten. Unproblematisch ist die Rechtslage hier nur, wenn die Erben dem Beitritt zustimmen. Ohne solche Zustimmung der Erben wird dagegen dem Testamentsvollstrecker häufig die Befugnis zur Beteiligung als Gründer an dem Vertragsabschluss abgesprochen, in erster Linie mit Rücksicht auf die mögliche persönliche Haftung der Gesellschafter nach § 241, während andere darauf abstellen wollen, ob noch eine persönliche Haftung der Gesellschafter und Erben nach den §§ 3 Abs. 2 und 24 in Betracht kommt, so dass im Falle der Volleinzahlung der Geschäftsanteile der Testamentsvollstrecker (vorbehaltlich des § 3 Abs. 2) für die Erben an der Gründung einer GmbH mitwirken könnte2. Nach einer dritten Meinung kann sich schließlich der Testamentsvollstrecker ohne jede Beschränkung an der Gründung einer GmbH beteiligen, weil er in jedem Fall, in dem er den Nachlass wirksam vertritt, lediglich Nachlassverbindlichkeiten begründe, so dass den Erben immer noch die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung verbleibe3. Zu folgen ist in dieser Kontroverse zum Schutze der Erben gegen unabsehbare Verpflichtungen aus der Beteiligung an einer GmbH der Auffassung, die dem Testamentsvollstrecker die Befugnis abspricht, sich für die Erben auch ohne deren Mitwirkung an der Gründung einer GmbH zu beteiligen (oben Rdnr. 48). Denn die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung nach § 1975 BGB besteht keineswegs in jedem in Betracht kommenden Fall.

48a

6. Juristische Personen In- und ausländische juristische Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts können sich gleichfalls an einer GmbH beteiligen. Schranken können sich nur im Einzelfall aus einer Beschränkung der Vertretungsmacht der Organe der juristischen Person ergeben (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 BGB)4. Juristischen Personen eröffnet sich dergestalt ein vielfältig genutzter Weg, auf dem Weg der Gründung immer neuer Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer GmbH Restriktionen zu „umgehen“, denen die Gesellschaft selbst möglicherweise nach dem Gesetz oder ihrem Gesellschaftsvertrag unterliegt. Ein Beispiel sind die ausufernden GmbH-Konzerne mit einem Idealverein als Konzernspitze5.

1 KG, RJA 8, 127; 16, 102, 104; KGJ 33, 135; Fischer, JZ 1954, 427; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 45–48; Michalski, Rdnr. 89; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 26. 2 So BayObLGZ 1976, 67, 86 = NJW 1976, 1693; BayObLGZ 1991, 127, 134 f. = NJW-RR 1991, 1252 = GmbHR 1991, 572. 3 So Ulmer, Rdnr. 34; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 29 (S. 50); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7. 4 S. für juristische Personen des öffentlichen Rechts BGHZ 20, 119, 124 ff. = NJW 1956, 746; für ausländische juristische Personen LG Saarbrücken, GmbHR 1991, 581; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20–22; Michalski, Rdnr. 95. 5 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005, § 37 III (S. 479 f.).

Emmerich

|

259

49

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

7. OHG und KG 50

Für die OHG, die KG und die Partnerschaftsgesellschaft gilt dasselbe wie für juristische Personen (oben Rdnr. 49), da sie im Außenverhältnis ebenso wie diese behandelt werden (§§ 105, 124, 161 HGB; § 7 Abs. 2 PartGG). Eine OHG oder KG kann außerdem zusammen mit einem ihrer Gesellschafter eine GmbH gründen. Personenhandelsgesellschaften haben ferner seit dem 1. 1. 1981 die Möglichkeit der Einpersonengründung1. § 18 ist auf diese Fälle nicht anwendbar (s. unten § 18 Rdnr. 4). Juristischen Personen stehen schließlich noch die VorGmbH und die Vor-AG gleich (s. unten § 11 Rdnr. 27, 57 ff.). Nur an ihrer eigenen Gründung kann sich die Vor-GmbH (natürlich) nicht beteiligen (wie schon der Baron von Münchhausen leidvoll erfahren musste, als er versuchte, sich an seinem eigenen Zopf aus dem Sumpf zu ziehen) (sog. Verbot der Selbstzeichnung)2. Nach Eintragung der Gesellschaft gilt dagegen § 33.

8. Sonstige Gesamthandsgemeinschaften 51

Die Beteiligung einer OHG, einer KG oder einer Partnerschaftsgesellschaft an der Gründung einer GmbH ist deshalb unproblematisch, weil diesen Gesellschaften bereits durch das Gesetz in § 124 Abs. 1 HGB die Rechtsfähigkeit in denkbar größtem Umfang zugebilligt wird (s. oben Rdnr. 50). Bei den anderen Gesamthandsgemeinschaften fehlt dagegen eine vergleichbare Regelung, so dass lange Zeit umstritten war, ob und unter welchen Voraussetzungen sie sich an der Gründung sowie später an einer gegründeten GmbH beteiligen können. Ganz im Mittelpunkt des Interesses steht dabei die BGB-Gesellschaft, mit deren Betrachtung daher zu beginnen ist (unten Rdnr. 51a–53a). Erst im Anschluss daran ist auf den nichtrechtsfähiger Verein und die Erbengemeinschaft einzugehen (unten Rdnr. 53b f.; zur Gütergemeinschaft und zur Vorgesellschaft s. schon oben Rdnr. 45 und 49).

51a

a) Für die Beteiligung einer BGB-Außengesellschaft an einer GmbH enthält das Gesetz in § 18 eine besondere Regelung, die jedoch erst nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister eingreift (s. unten § 18 Rdnr. 6 ff.). Folgerichtig war schon immer unstreitig, dass sich eine BGB-Gesellschaft nachträglich, d.h. nach Entstehung der Gesellschaft durch ihre Eintragung ins Handelsregister (§§ 11, 13), an einer GmbH beteiligen kann, sei es durch rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Anteils unter Lebenden, sei es durch Erwerb von Todes wegen (s. auch unten Rdnr. 53c). Dagegen wurde die weiter gehende Fähigkeit, sich auch als Gründer an dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages zu beteiligen, der BGB-Gesellschaft früher im Gegensatz zu OHG und KG (oben Rdnr. 50) häufig mit Rücksicht auf das Fehlen der nötigen Sicherungen für die Aufbringung des Stammkapitals abgesprochen3. 1 S. oben § 1 Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 32; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 28; Michalski, Rdnr. 96; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 31; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 33; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 5 Rdnr. 10. 3 So KGJ 33 A 135, 138 = OLGE 14, 322; OLG Stuttgart, KGJ 22 D 22 = RJA 2, 130; OLG Hamburg, LZ 1908, 476.

260

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Mittlerweile wird jedoch nicht mehr bestritten, dass sich eine BGB-Außengesellschaft auch an der Gründung einer GmbH beteiligen kann, ebenso wie sie in der Lage ist, nachträglich einen Gesellschaftsanteil zu erwerben. In jedem Fall wird der Gesellschaftsanteil dann Bestandteil des Gesellschaftsvermögens und steht daher den Gesellschaftern zur gesamten Hand zu (§§ 718, 719 BGB)1. Endgültig erledigt hat sich die Frage, seitdem die Rechtsprechung (mit weitgehender Billigung des Schrifttums) der BGB-Außengesellschaft entsprechend § 14 Abs. 2 BGB und § 124 HGB dieselbe weit gehende Rechtsfähigkeit wie den Personenhandelsgesellschaften (oben Rdnr. 50) zubilligt2. Entsprechend § 128 HGB (und § 18 Abs. 2 GmbHG) haften jedoch die Gesellschafter der BGB-Gesellschaft unbeschränkt persönlich für die Aufbringung der Stammeinlage; abweichende Vereinbarungen sind nicht möglich, weder in dem Gesellschaftsvertrag der GmbH noch durch den Vertrag der BGB-Gesellschaft3.

52

Die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der BGB-Außengesellschaft (oben Rdnr. 52) hat die Frage aufgeworfen, wie die (rechtsfähige) BGB-Außengesellschaft von der BGB-Innengesellschaft (der die Rechtsfähigkeit nach wie vor abgeht) abzugrenzen ist, insbesondere, wenn sich der Zweck der Gesellschaft auf das Halten der Beteiligung an einer GmbH beschränkt. Selbst der BGH zögert offenkundig, in solchem Fall von einer „echten“ Außengesellschaft zu sprechen4. Mit Rücksicht auf § 18 dürfte für die GmbH die Frage jedoch nur selten praktisch werden, so dass sie hier nicht weiter zu vertiefen ist5.

53

Probleme ergeben sich im vorliegenden Zusammenhang aus der mangelnden Registerpublizität der BGB-Gesellschaft. Deshalb wird zu Recht angenommen, dass – ungeachtet der eigenen „Rechtsfähigkeit“ der BGB-Außengesellschaft – auf die Beteiligung einer solcher Gesellschaft an einer GmbH die §§ 8 Abs. 1 Nr. 3 und 40 entsprechend anzuwenden sind, so dass in der Gesellschafterliste die Gesellschafter der BGB-Gesellschaft und nicht etwa nur diese Gesellschaft aufzuführen sind. Ist die Gesellschaft an der Gründung der GmbH beteiligt, so

53a

1 Grdlg. BGHZ 78, 311, 313 ff. = GmbHR 1981, 188 = NJW 1981, 682; BGHZ 116, 86, 88 = NJW 1992, 499 = LM Nr. 56 zu § 705 BGB; BGHZ 118, 83, 99 f. = NJW 1992, 2222 = AG 1992, 312 = LM Nr. 87 zu § 828 BGB „BuM“; BGHZ 148, 270, 276 ff. = NJW 2002, 68 („außer Zweifel“); BGHZ 148, 291, 293 f. = NJW 2001, 3121 („steht heute nicht mehr in Frage“); BGH, LM Nr. 67 zu § 705 BGB = NJW 1998, 376 = WM 1997, 2220; Brandes, WM 1983, 286; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 8 (S. 3); U. Koch, ZHR 146 (1982), 118; K. Schmidt, GesR, § 34 II 1 (S. 1000 f.); K. Schmidt, BB 1983, 1697; K. Schmidt, NJW 2001, 993; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 31 (S. 51); Ulmer, Rdnr. 80 ff.; Ulmer, ZIP 2001, 585, 587; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 30–32; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 10 (S. 380); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24; – ebenso für die Beteiligung einer KG BGHZ 148, 291 = NJW 2001, 3121; Wertenbruch, BB 2001, 737 (für die KG). 2 Grdlg. BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483 = ZIP 1999, 1755; BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056; s. aber auch BGH, NZM 2002, 271. 3 BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483 = ZIP 1999, 1755; BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056; ebenso schon BGHZ 78, 311, 316 f. = NJW 1981, 682 = GmbHR 1981, 188; OLG Hamm, NJW-RR 1996, 482, 483 = GmbHR 1996, 363; s. unten § 18 Rdnr. 6 ff. 4 Grdlg. BGHZ 148, 270, 277 = NJW 2002, 68; s. K. Schmidt, NJW 2001, 992, 1001 f.; Ulmer, ZIP 2001, 585, 592 ff. 5 Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 31 (S. 51).

Emmerich

|

261

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

müssen die Gesellschafter außerdem in dem Gesellschaftsvertrag genannt werden. Bei späteren Veränderungen in dem Gesellschafterkreis der BGB-Außengesellschaft ist schließlich § 40 entsprechend anzuwenden1. Aus dem Gesagten ergibt sich schließlich noch, dass der BGB-Außengesellschaft heute mit Rücksicht auf § 1 selbst die Einpersonen-Gründung wohl nicht mehr verwehrt werden kann (s. oben § 1 Rdnr. 29). 53b

b) Für den nichtrechtsfähigen Verein gilt mit Rücksicht auf § 54 BGB dasselbe wie für die BGB-Außengesellschaft, so dass sich im Ergebnis die Vereine, „die nicht rechtsfähig sind“ (so § 54 BGB), durch eine wundersame Wendung der Dinge (im Ergebnis) doch in „rechtsfähige“ Vereine verwandelt haben2. Auch ihnen steht mithin jetzt die Beteiligung an der Gründung einer GmbH offen3. Die Folge ist freilich die unbeschränkte und unbeschränkbare persönliche Haftung der Vereinsmitglieder für die aus der Beteiligung resultierenden Verpflichtungen (§ 128 HGB)4.

53c

c) Bei der Erbengemeinschaft der §§ 2032 ff. BGB ist eine vergleichbare Entwicklung wie bei der Gesellschaft und dem Verein festzustellen (oben Rdnr. 51 ff., 53b): Während schon immer anerkannt war, dass sie sich an einer bestehenden Gesellschaft beteiligen können, sei es durch rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Anteils unter Lebenden, sei es durch Erwerb von Todes wegen5, wurde ihnen früher verbreitet die Möglichkeit zur Beteiligung auch an der Gründung einer Gesellschaft abgesprochen. Diese restriktive Haftung ist jedoch mittlerweile hier ebenfalls allgemein aufgegeben6. Der Anteil fällt dann nach Entstehung der Gesellschaft kraft Surrogation gem. § 2041 BGB in den Nachlass. Für die damit verbundenen Verbindlichkeiten müssen die Miterben im Interesse der Kapitalaufbringung unbeschränkt und unbeschränkbar persönlich haften7.

9. Treuhänder Schrifttum: S. unten § 15 Rdnr. 227 ff. sowie Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001; Armbrüster, DNotZ 1997, 762; Armbrüster, GmbHR 2001, 941, 1021; Ballerstedt, Zur Rechtsstellung des Auftraggebers eines 1 Grdlg. BGHZ 148, 270, 276 f., 279 f. = NJW 2002, 68; BGHZ 148, 291, 295 ff. = NJW 2001, 3121 (für die KG); OLG Hamm, NJW-RR 1996, 482, 483 f. = GmbHR 1996, 363; Michalski, Rdnr. 98 f.; K. Schmidt, GesR, § 34 II 1 (S. 1000); K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1002. 2 S. treffend K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1002 f. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 35. 4 Ebenso Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 35; str. 5 BGH, LM Nr. 3–5 zu § 2205 BGB = NJW 1959, 1820; KG, NJW 1962, 54; BayObLGZ 1991, 127, 134 f. = NJW-RR 1991, 1252, 1254; OLG Hamm, OLGZ 1975, 164 = GmbHR 1975, 83; BayObLG, AG 1968, 330; Grunewald, AcP 197 (1997), 305, 310 f.; M. Wolf, in: FS Schippel, S. 533, 534 f. 6 S. KG, NJW 1962, 54 f.; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 8 (S. 3); Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 32 (S. 52); Michalski, Rdnr. 98 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 29–32; Grunewald, AcP 197 (1997), 305, 310 f.; M. Wolf, in: FS Schippel, 1996, S. 533, 534 ff.; enger noch BayObLGZ 1991, 127, 135 = NJW-RR 1991, 1252, 1254. 7 Ebenso Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 32 (S. 52).

262

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Strohmannes, JZ 1960, 513; U. Bälz, ZGR 1980, 1; Beuthien, Treuhand an Gesellschaftsanteilen, ZGR 1974, 26; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 1981; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, 1981; Ehlke, Zur Rechtsstellung von Treugeber und Treuhänder, DB 1985, 795; Geyrhalter, ZIP 1999, 647; Gernhuber, JuS 1988, 355; Gruber, Treuhandbeteiligung an Gesellschaften, 2001; Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997; Hassemer, GmbHR 1962, 10; Heidinger, DStR 1996, 1353; Heining, GmbHR 1954, 98; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 33–35 (S. 52 f.); Heymann/Emmerich, HGB, § 105 Rdnr. 47–56; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 40–44; D. Köhl, Die Ausfallhaftung von Hintermännern bzw. Treugebern, GmbHR 1998, 119; O. Kuhn, Strohmanngründung bei Kapitalgesellschaften, 1964; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 566 f.; Rhode, Juristische Person und Treuhand, 1932; Roth/Thöni, Treuhand und Unterbeteiligung, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245; Schaub, DStR 1996, 65; Schiemann, in: FS Zöllner I, 1998, S. 503; E. Schmitz, in: Freundesgabe Weichler, 1997, S. 129; K. Schmidt, GesR, § 61 III (S. 1826 ff.); Sommer, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 7–53 (S. 424 ff.); Schönle, Die Einmann- und Strohmanngesellschaft, 1957; Schönle, GmbHR 1960, 17; Siebert, Das rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnis, 2. Aufl. 1933; Siebert, BB 1954, 417; J. Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 2000; J. Tebben, ZGR 2001, 586; Ulmer, Zur Treuhand an GmbH-Anteilen, ZHR 156 (1992), 377; Ulmer, in: FS Odersky, 1996, S. 873; Ulmer, Rdnr. 59–69; Weigel, DStR 1999, 1568; Weimar, MDR 1981, 816.

a) Überblick Als Treuhänder bezeichnet man in erster Linie Gesellschafter, die sich zwar im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung und in fremdem Interesse an einer Gesellschaft beteiligen. Derartige Treuhandverhältnisse sind in der GmbH-Praxis aus unterschiedlichen Gründen offenbar weit verbreitet1. Nur eine besondere Erscheinungsform der Treuhand an GmbH-Anteilen ist die jedenfalls früher beliebte so genannte Strohmanngründung. Man versteht darunter die vor der Zulassung der Einpersonengründung durch die GmbH-Novelle von 1980 nötige Einschaltung von Treuhändern bei der Gründung der GmbH, um das von vornherein angestrebte Ziel einer Einpersonengesellschaft zu erreichen. Strohmanngründungen kommen aber auch heute noch vor, aus welchen Gründen immer. Hinzugetreten sind zahlreiche andere Motive für die Einschaltung von Treuhändern. Sie reichen von dem Wunsch des Treugebers, anonym zu bleiben, bis hin zur Erzielung steuerlicher Vorteile. Von der Treuhand ist vor allem die Unterbeteiligung zu unterscheiden, auf die im vorliegenden Zusammenhang nicht näher einzugehen ist2.

54

In der Literatur finden sich unterschiedliche Einteilungen für die in der Praxis vorkommenden Treuhandverhältnisse3. Je nach der Art der Berechtigung oder

55

1 S. zum Folgenden insbesondere Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung; Armbrüster, GmbHR 2001, 941; Schiemann, in: FS Zöllner I, S. 503, 505 f.; E. Schmitz, in: Freundesgabe Weichler, S. 129 ff.; Sommer, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 1, 9 ff. (S. 424 ff.); Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 33 ff.; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 875 ff. 2 S. unten § 15 Rdnr. 224 ff.; Heymann/Emmerich, HGB, § 105 Rdnr. 57 ff.; K. Schmidt, GesR, § 63 (S. 1865 ff.); Sommer, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 120–159 (446 ff.). 3 S. Heymann/Emmerich, HGB, § 105 Rdnr. 47–49; K. Schmidt, GesR, § 61 III 1b/c (S. 1827 f.); Sommer, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 10 ff. (S. 426 f.).

Emmerich

|

263

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

besser: Rechtsstellung des Treuhänders unterscheidet man zunächst üblicherweise die fiduziarische, bei der der Treuhänder Inhaber des Geschäftsanteils wird, sowie die Ermächtigungs- und die Vollmachtstreuhand. Im vorliegenden Zusammenhang interessiert davon allein die fiduziarische oder Vollrechtstreuhand. Bei dieser wird sodann weiter je nach den von den Parteien verfolgten Zwecken zwischen der Nutzungs-, der Sicherungs- und der Verwaltungstreuhand unterschieden. Auch die hier allein betrachtete Verwaltungstreuhand kommt in verschiedenen Erscheinungsformen vor. Wichtig ist vor allem die Unterscheidung zwischen der verdeckten und der offenen Treuhand, je nachdem, ob das Treuhandverhältnis den Mitgesellschaftern offen gelegt wird oder nicht. Die Terminologie ist jedoch nicht einheitlich, da der Begriff der offenen Treuhand gelegentlich auch auf solche Fälle beschränkt wird, in denen die Mitgesellschafter der treuhänderischen Stellung eines Gesellschafters für einen Dritten zugestimmt haben. b) Begründung 55a

Treuhandverhältnisse (oben Rdnr. 55) können auf unterschiedliche Weise begründet werden. Unter diesem Gesichtspunkt hat man vor allem die Übertragungstreuhand, die Vereinbarungstreuhand und die Erwerbstreuhand zu unterscheiden: Während bei der Übertragungstreuhand der Geschäftsanteil vom Treugeber auf den Treuhänder übertragen wird, ist das Kennzeichen der Erwerbstreuhand, dass der Treuhänder im Auftrag und für Rechnung des Treugebers einen Geschäftsanteil bei der Gründung oder später von einem Dritten oder bei einer Kapitalerhöhung erwirbt. Von einer Vereinbarungstreuhand spricht man schließlich, wenn sich ein Gesellschafter vertraglich gegenüber dem Treugeber verpflichtet, den von ihm gehaltenen Geschäftsanteil fortan für Rechnung und im Auftrag des Treugebers zu halten. Dabei müssen vor allem die Formvorschriften des § 15 Abs. 3 und 4 beachtet werden.

55b

Nach § 15 bedarf sowohl der Abtretungsvertrag (Abs. 3) als auch das der Abtretung zugrundeliegende Rechtsgeschäft (Abs. 4) der notariellen Form. Daraus ergeben sich unterschiedliche Formerfordernisse für die Begründung von Treuhandverhältnissen1: Bei der Übertragungstreuhand, die durch Übertragung des fraglichen Geschäftsanteils von dem Treugeber auf den Treuhänder begründet wird (oben Rdnr. 55a), muss nach durchaus h.M. § 15 Abs. 3 und 4 beachtet werden2. Nur diese Auffassung entspricht in der Tat dem Wortlaut des Gesetzes. Für die Erwerbstreuhand wird dagegen zu Recht überwiegend gegenteilig

1 S. unten § 15 Rdnr. 227 ff. und 63 sowie noch Armbrüster, DNotZ 1997, 762; 1999, 758; Armbrüster, GmbHR 2001, 941, 945 f.; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 34 (S. 52 f.); Sommer, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 15–21 (S. 427 ff.); zur Rechtsform bei grenzüberschreitenden Verträgen gem. Art. 11 EGBGB s. außerdem Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 228 ff.; Geyrhalter, ZIP 1999, 647. 2 S. unten § 15 Rdnr. 230; BayObLGZ 1991, 127, 132 f. = NJW-RR 1991, 1252, 1254 = GmbHR 1991, 572; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29; anders jedoch Armbrüster, GmbHR 2001, 941, 946; Sommer, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 15 (S. 427 f.).

264

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

entschieden1. Denn die Verpflichtung des Treuhänders, den Geschäftsanteil nach Vertragsende gem. § 667 BGB herauszugeben, beruht nicht auf Vertrag (§ 15), sondern auf Gesetz2. Wieder anders wird schließlich die Verwaltungstreuhand behandelt, bei der sich die Rechtsprechung für eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 3 und 4 entschieden hat, um Umgehungen der Formvorschriften zu vermeiden. Das soll auch schon in der Gründungsphase, d.h. in der Zeit nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages gelten, während in der Zeit davor die Treuhandvereinbarung (noch) formlos abgeschlossen werden kann3. An der grundsätzlichen Zulässigkeit der Verwaltungstreuhand besteht kein Zweifel. Ebenso wenig bestehen grundsätzliche Bedenken gegen die Strohmanngründung, zumal nach Zulassung der Einpersonengründung (§ 1), selbst wenn sich der Strohmann von vornherein verpflichtet, seinen Anteil nach Entstehung der Gesellschaft an den Treugeber abzutreten4. Es spielt außerdem keine Rolle, ob an der Strohmanngründung noch Dritte oder lediglich neben dem Strohmann der Treugeber oder ein anderer Strohmann desselben Treugebers beteiligt sind. Insbesondere handelt es sich in keinem Fall um ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB, weil die Beteiligten die Gründung ernsthaft wollen.

56

Etwaigen Missbräuchen kann im Einzelfall wirksamer als mit § 117 BGB über die Anwendung des § 24 GmbHG sowie der §§ 138 und 826 BGB begegnet werden. § 138 BGB greift z.B. ein, wenn durch den Treuhandvertrag die Rechte und Pflichten zwischen dem Treuhänder und dem Treugeber ganz einseitig zum Nachteil des Treuhänders und zum Vorteil des Treugebers verteilt sind oder wenn durch das Vertragswerk nach Möglichkeit die wirklichen Machtverhältnisse zum Schaden Dritter verschleiert werden sollen5. Umstritten ist, ob im Falle der so genannten Namensleihe ebenso zu entscheiden ist. Man versteht darunter die Einschaltung eines Strohmanns mit dem ausschließlichen Zweck der Verwendung seines Namens für die Firma der Gesellschaft, etwa zwecks Umgehung des § 30 HGB6.

56a

Selbst wenn im Einzelfall ein Verstoß gegen die §§ 117 oder 138 BGB vorliegt (s. oben Rdnr. 56a), so dass der Gesellschaftsvertrag zunächst nichtig ist, wird der Mangel doch durch die Eintragung der Gesellschaft geheilt, weil es sich

57

1 S. m.N. Armbrüster, GmbHR 2001, 941, 945. 2 RGZ 54, 75, 78 f. (für BGB); Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 883 f. 3 Grdlg. BGHZ 141, 207, 211 ff. = NJW 1999, 2954 = ZIP 1999, 925 = LM Nr. 31 zu § 15 GmbHG = GmbHR 1999, 907 = NZG 1999, 656; OLG Bamberg, NZG 2001, 509, 510; s. dazu Armbrüster, DNotZ 1999, 758; Armbrüster, GmbHR 2001, 941, 946; Goette, DStR 1999, 863; Sommer, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 17 ff. (S. 428 f.); K. Schmidt, GesR, § 61 III 2 (S. 1828 f.); Fr. Wagner, NZG 1999, 657. 4 RGZ 28, 75, 77; 41, 13; 84, 17, 21; BGHZ 21, 378, 381 = NJW 1957, 19; BGHZ 31, 258, 263 = GmbHR 1960, 43, 63 = NJW 1960, 285; BayObLGZ 1991, 127, 133 = NJW-RR 1991, 1252, 1254; KG, JW 1934, 986; OLGZ 1968, 477, 481 = GmbHR 1968, 182; OLG Dresden, JFG 6, 213; statt aller Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 41; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 20 (S. 383). 5 OLG Brandenburg, GmbHR 1997, 168, 169; zustimmend Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 33 (S. 52). 6 Dafür 9. Aufl., Rdnr. 57; dagegen Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 33 (S. 52).

Emmerich

|

265

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

dabei um keinen der in § 75 abschließend aufgezählten Nichtigkeitsgründe handelt1. Sobald sich jedoch der Treuhänder oder der Treugeber auf die Nichtigkeit des Treuhandvertrages nach § 138 BGB berufen hat, wird auch eine in dem Treuhandvertrag bereits vorgesehene Abtretung des Geschäftsanteils von dem Treuhänder auf den Treugeber von der Nichtigkeit des Vertragswerks erfasst (§ 138 BGB)2. c) Rechtsstellung 58

Der Gesellschaft gegenüber ist Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten allein der Treuhänder3. Aufgrund seiner Treuepflicht wird er jedoch in der Regel verpflichtet sein, seine treuhänderische Rechtsstellung den Mitgesellschaftern offenzulegen4.

58a

Da der Treuhänder im Außenverhältnis allein Gesellschafter ist (oben Rdnr. 58), kann er auch seinen Geschäftsanteil wirksam auf Dritte übertragen, selbst wenn er damit seinen Pflichten aus dem Innenverhältnis zu seinem Auftraggeber zuwiderhandelt; eine Ausnahme gilt allein in Kollusionsfällen (§ 826 BGB). Im Schrifttum wird stattdessen zum Schutze des Treugebers häufig eine Anwendung der weiter gehenden Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht befürwortet5. Dem ist die Rechtsprechung jedoch bisher unter Berufung auf § 137 BGB nicht gefolgt6. Vor allem deshalb finden sich im neuen Schrifttum vielfältige Vorschläge, den Treugeber durch entsprechende Vertragsgestaltungen zusätzlich gegen vertragswidrige Verfügungen des Treuhänders abzusichern. Dabei wird insbesondere an aufschiebend bedingte Verfügungen über den Geschäftsanteil schon im Treuhandvertrag zu Gunsten des Treugebers gedacht; die Durchsetzbarkeit solcher Abreden ist indessen gerade in den kritischen Fällen problematisch7.

58b

Im Gesellschaftsvertrag kann die Rechtsstellung des Treugebers mit Rücksicht auf § 45 über den geschilderten Rahmen (oben Rdnr. 58) hinaus verstärkt werden. Mit Zustimmung der Mitgesellschafter ist es insbesondere möglich, dem

1 BGHZ 21, 378, 382 f. = NJW 1957, 19; KG, OLGZ 1968, 477, 481 = GmbHR 1968, 182; OLG Brandenburg, GmbHR 1997, 168, 170 f. 2 OLG Brandenburg, GmbHR 1997, 168, 169. 3 BGHZ 21, 378, 382 = NJW 1957, 19; BGHZ 31, 258, 263 f. = NJW 1960, 285; BGH, WM 1971, 306; 1976, 736; 1977, 73, 75; BayObLGZ 1991, 127, 133 f. = NJW-RR 1991, 1252 = GmbHR 1991, 572; KG, JW 1934, 986; DR 1940, 459; OLGZ 1968, 477 = GmbHR 1968, 182; OGH SZ Bd. 46 (1973) Nr. 46, S. 205, 207; Armbrüster, Treuhänderische Beteiligung, passim, bes. S. 198 ff.; Armbrüster, GmbHR 2001, 1021 ff.; K. Schmidt, GesR, § 61 III 3 (S. 1829 ff.); Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, passim, bes. S. 103, 175, 216 ff. 4 OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 = WM 1993, 1098 = NJW-RR 1993, 868; Heymann/ Emmerich, HGB, § 105 Rdnr. 48 f. m.N. 5 S. Schaub, DStR 1996, 65; K. Schmidt, GesR, § 61 III 3a (S. 1829). 6 BGH, LM Nr. 30 zu § 164 BGB = NJW 1986, 1471 (mit ablehnender Anm. Kötz) = MDR 1968, 564 = JZ 1968, 428 m. Anm. U. Huber, S. 791; BGH, WM 1977, 525, 527. 7 S. im Einzelnen Schaub, DStR 1996, 65; E. Schmitz, in: Freundesgabe Weichler, S. 129, 135 ff.

266

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Treugeber neben dem Treuhänder oder sogar allein die Mitverwaltungsrechte in der Gesellschaft einzuräumen1. Im Schrifttum wächst darüber hinaus die Tendenz, den Treugeber in unterschiedlichem Umfang in das Gesellschaftsverhältnis mit seinen Rechten und Pflichten einzubeziehen2. Jedoch ist die Entwicklung insoweit noch offen. Von dem Verhältnis des Treuhänders zu den Mitgesellschaftern muss das Innenverhältnis des Treuhänders zum Treugeber unterschieden werden. In diesem findet grundsätzlich Auftragsrecht Anwendung (§§ 675 Abs. 1, 662 ff. BGB), so dass der Treuhänder verpflichtet ist, den Weisungen des Treugebers Folge zu leisten (§ 665 BGB) und ihm auf dessen Verlangen bei Vertragsende den Geschäftsanteil zu übertragen (§ 667 BGB), wobei wieder § 15 zu beachten ist3. Zum Ausgleich kann der Treuhänder Aufwendungsersatz verlangen (§ 670 BGB). Aus dem so genannten Unmittelbarkeitsprinzip wird weiter überwiegend gefolgert, dass der Treugeber in der Insolvenz des Treuhänders nur dann ein Aussonderungsrecht hat, wenn er den Geschäftsanteil unmittelbar vom Treugeber übertragen erhalten hat, also grundsätzlich nur in den Fällen der Übertragungstreuhand, nicht dagegen in den Fällen der Erwerbs- und der Vereinbarungstreuhand4.

58c

d) Haftung Der Treugeber ist nicht Gesellschafter, kann aber durch die Mitgesellschafter in einzelnen Beziehungen einem solchen gleichgestellt werden (s. oben Rdnr. 58b). Auch sonst können auf ihn von Fall zu Fall einzelne Vorschriften des Gesetzes entsprechend angewandt werden5. Wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungen bei den einzelnen Vorschriften zu verweisen. Hier genügt folgende Zusammenfassung: Für die Fälle der Gründerhaftung und der Haftung für Gesellschafterdarlehen ergibt sich die Anwendung des Gesetzes auf den Treugeber seit der Novelle von 1980 bereits unmittelbar aus den §§ 9a Abs. 4 und 32a Abs. 3 (s. unten § 9a Rdnr. 26; §§ 32a/b Rdnr. 152). Außerdem ist anerkannt, dass für die Ausschließung eines Treuhänders nicht nur Umstände in seiner Person, sondern auch solche in der des Treugebers bedeutsam sein können, wenn und solange der letztere die Möglichkeit hat, aus dem Hintergrund auf die gesellschaftlichen Verhältnisse einzuwirken oder an Stelle des Treuhänders 1 S. Ulmer, ZHR 156 (1992), 377, 386; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 877 f., 893 ff. 2 So insbes. Ulmer, ZHR 156 (1992), 377, 386; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 877 f., 893 ff.; M. Gruber, Treuhandbeteiligung, S. 180 ff.; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 103, 175, 216 ff.; dagegen differenzierend Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung, S. 190 ff.; Armbrüster, GmbHR 2001, 1021 ff. 3 Wegen der Einzelheiten s. Armbrüster, GmbHR 2001, 1021 ff.; Beuthien, ZGR 1974, 26; Heymann/Emmerich, HGB, § 105 Rdnr. 51 ff. 4 BGH, WM 1964, 179; ausführlich E. Schmitz, in: Freundesgabe Weichler, S. 129 ff.; Sommer, in: MünchHdb. III, § 26 Rdnr. 33 f.; str., s. Gernhuber, JuS 1988, 355, 360 f. m.N. 5 Armbrüster, GmbHR 2001, 1021, 1026 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 43 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 1 Rdnr. 37; Roth/Thöni, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 245, 262 ff.; Schaub, DStR 1996, 65, 67; Schiemann, in: FS Zöllner I, S. 503, 507 ff:; K. Schmidt, GesR, § 61 III 3b (S. 1830 ff.); Ulmer, Rdnr. 62–66; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 884 ff.

Emmerich

|

267

59

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

(wieder) in die Gesellschaft einzutreten (s. unten § 15 Rdnr. 229). Unter bestimmten Voraussetzungen können schließlich noch Umstände aus der Person des Treugebers zum Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4 zu Lasten des Treuhänders führen (s. unten § 47 Rdnr. 138). 59a

Die Rechtsprechung wendet außerdem die Vorschriften, die die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals sichern sollen (§§ 19 Abs. 2, 24, 30 und 31), entsprechend § 9a Abs. 4 auch auf den Treugeber an, so dass er (neben dem Treuhänder) für die Aufbringung des Stammkapitals nach den §§ 19 und 24 sowie für dessen Erhaltung im Rahmen der §§ 30, 31 und der §§ 32a und 32b zu sorgen hat1. Im Schrifttum ist diese Form des „Durchgriffs“ auf den Treugeber zur Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung vielfach kritisiert worden, vor allem, weil die Praxis zu einer schwer erklärlichen Verdoppelung der Zahl der Haftungspflichtigen führt und weil außerdem die Notwendigkeit für den Durchgriff auf den Treugeber bezweifelt wird, wenn die Aufbringung des Stammkapitals bereits durch den Zugriff auf das Vermögen des Treuhänders sichergestellt werden kann, wobei zu beachten ist, dass zu diesem Vermögen auch der Anspruch gegen den Treugeber auf Aufwendungsersatz gehört (§ 670 BGB)2. In der Tat spricht manches dafür, den Durchgriff auf den Treugeber auf Fälle zu beschränken, in denen von dem Treuhänder die Stammeinlage nicht ohne weiteres zu erlangen ist (s. unten § 13 Rdnr. 76 ff.).

10. Besondere Eigenschaften 60

a) Der Gesellschaftsvertrag kann die Gesellschaftereigenschaft an den Besitz besonderer Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit oder Beruf knüpfen (vgl. auch § 15 Abs. 5). Insoweit besteht Vertragsfreiheit (§ 45 GmbHG; § 311 Abs. 1 BGB). Jedoch kommt derartigen Bestimmungen mit Rücksicht auf die §§ 134 und 137 BGB keine Außenwirkung zu, so dass sie vom Registergericht bei der Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen nach § 9c nicht zu berücksichtigen sind3.

61

b) Das Fehlen der vom Vertrag vorgeschriebenen Eigenschaften bei einem Gesellschafter (oben Rdnr. 60) kann einem Mitgesellschafter vor Eintragung der Gesellschaft ein Recht zur Anfechtung seiner Beitrittserklärung geben (§§ 119, 123 BGB), an deren Stelle nach Vollzug der Vorgesellschaft deren Auflösung aus wichtigem Grunde tritt (§ 723 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach Eintragung der Gesell1 S. unten § 24 Rdnr. 11 m.N. zustimmend im Ergebnis D. Köhl, GmbHR 1998, 119, 122; Lutter/Hommelhoff, § 24 Rdnr. 7; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 24 Rdnr. 18. 2 S. Armbrüster, GmbHR 2001, 1021, 1026 ff.; Ehlke, DB 1985, 795; Michalski, Rdnr. 94; Ebbing, in: Michalski, § 24 Rdnr. 44 f.; Geyrhalter, ZIP 1999, 647, 648 f.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 23 (S. 384); Ulmer, Rdnr. 62–66; Ulmer, ZHR 156 (1992), 377, 381 ff.; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 891 ff.; Roth/Thöni, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245, 267 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31; Schaub, DStR 1996, 65, 67; K. Schmidt, GesR, § 61 III 3d (S. 1030 ff.). 3 Ulmer, Rdnr. 85; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 1 Rdnr. 38; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 36 (S. 53); Michalski, Rdnr. 100 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25 f.; anders Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 67.

268

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

schaft kann dagegen das Fehlen der fraglichen Eigenschaften bei einem Gesellschafter allenfalls zu dessen Ausschließung oder zur Auflösung der Gesellschaft führen (§ 61), während § 75 nicht anwendbar ist. War den Gründern bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages bekannt, dass bei einem oder mehreren Gründern die vom Vertrag geforderten Voraussetzungen fehlen, so ist außerdem für den Regelfall anzunehmen, dass die betreffenden Voraussetzungen überhaupt nur für später beitretende Gesellschafter gelten sollten1.

III. Mängel des Gesellschaftsvertrages Schrifttum: S. unten die Erläuterungen zu § 75 sowie Anton, Nichtige GmbH-Satzung, GmbHR 1973, 75; E. Dörr, Die fehlerhafte GmbH, 1989; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 30 f. (S. 11 f.); Gonella, Neubildung eines Anteils an Stelle eines nicht entstandenen Geschäftsanteils, GmbHR 1965, 30; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2003, § 5 (S. 61 ff.); Hahn, Der Einfluss von Willensmängeln auf Gründungs- und Beitrittserklärungen zu juristischen Personen, 1911; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 (S. 138 ff.); Heymann/Emmerich, HGB, § 105 Rdnr. 69–98; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33–40; Koppensteiner, öGmbHG, § 3 Rdnr. 10–16, § 4 Rdnr. 26–28; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 24 ff.; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen, DStR 2004, 185; Lobedanz, Der Einfluss von Willensmängeln auf Gründungs- und Beitrittsgeschäfte, 1938; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15–20; Michalski, Rdnr. 51–71; Moses, Über unwirksamen Beitritt zu einer GmbH, JherJb 53 (1908), 395; Paschke, Die fehlerhafte Korporation, ZHR 155 (1991), 1; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 129 ff. (S. 416 ff.); Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 63 f.; H. Roßner, Der Einfluss von Gründungsmängeln auf die AG, die GmbH und die eG, Diss. Würzburg 1967; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33– 47; Ruth, Eintritt und Austritt von Mitgliedern, ZHR 88 (1926), 454; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002; K. Schmidt, GesR, § 6 (S. 136 ff.); SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 58–77; O. Schultz, Das Kontinuitätsprinzip im Gesellschaftsrecht, NZG 1999, 89; O. Schultz, Die Behebung einzelner Mängel von Organisationsakten in Kapitalgesellschaften, 1997; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaften, 1998; Ulmer, Rdnr. 86 ff.; Wünsch, GesRZ 1982, 155.

1. Überblick Nach § 75 Abs. 1 kann die die Gesellschaft „im Wege der Klage“, d.h. durch Urteil, (nur) für nichtig erklärt werden, wenn der Gesellschaftsvertrag keine Bestimmungen über die Höhe des Stammkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens enthält oder wenn die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über den Gegenstand des Unternehmens nichtig sind. § 76 fügt hinzu, dass ein Mangel, der die Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens betrifft, durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter geheilt werden kann. Nach § 77 Abs. 1 finden schließlich nach Eintragung der Nichtigkeit der Gesellschaft in das Handelsregister zum Zwecke der Abwicklung ihrer Verhältnisse die für den Fall der Auflösung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Die Wirksamkeit der im Namen der Gesellschaft mit Dritten vorgenommenen Rechtsgeschäfte wird durch die Nichtigkeit der Gesellschaft nicht be1 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26.

Emmerich

|

269

62

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

rührt (§ 77 Abs. 2). Vergleichbare Bestimmungen enthalten das AktG in den §§ 275 bis 277 und das GenG in den §§ 94 bis 97. Nach dem FGG (§§ 142 und 144 Abs. 1 Satz 2) kommt außerdem (nur) in diesen Fällen eine Amtslöschung in Betracht (s. unten § 75 Rdnr. 24 ff.). Das Registerrecht deckt sich in diesem Punkt freilich nicht vollständig mit dem materiellen Recht, da das Beanstandungsverfahren des § 144a Abs. 4 FGG (i.V.m. § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 und § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG) in einzelnen Punkten wohl über § 75 GmbHG und § 275 AktG hinausgeht (s. im Einzelnen unten § 75 Rdnr. 24 ff.). Ergänzende Anwendung findet außerdem bei Nichtigkeit einzelner Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages § 242 Abs. 2 AktG, so dass in diesem Fall die Nichtigkeitsklage binnen dreier Jahre erhoben werden muss; geschieht dies nicht, so wird die Nichtigkeit hier durch Zeitablauf geheilt1. 62a

Vergleichbare Bestimmungen enthielt für die AG bereits das HGB in der Fassung von 1897 (§§ 309 bis 311 a.F.), weil die Verfasser des HGB der Meinung waren, auch einer an sich nichtigen AG müsse doch nach ihrer Eintragung ins Handelsregister „eine gewisse Rechtsbeständigkeit beigelegt“ werden, da sie auf Grund der Eintragung tatsächlich ins Leben getreten sei und möglicherweise bereits ihren Betrieb aufgenommen habe; all` dies könne nicht einfach als ungeschehen behandelt werden2. Der Bestandsschutz an sich nichtiger Kapitalgesellschaften ist durch die Gesetzgebung immer weiter verstärkt worden. Die wichtigsten Stationen auf diesem hier nicht weiter zu schildernden Weg waren das AktG von 1965 sowie die Publizitätsrichtlinie vom 9. 3. 19683, die in den Art. 10 bis 12 die Beachtlichkeit von Nichtigkeitsgründen im Interesse der Rechtssicherheit stark einschränken. Das GmbHG wurde bereits 1969 an die Richtlinie durch Änderung des § 75 angepasst4.

62b

Der geschilderte, weit gehende Bestandsschutz für „fehlerhafte Verbände“ (oben Rdnr. 62a) betrifft jedoch allein bereits in das Handelsregister eingetragene Gesellschaften. Er kann deshalb, weil für ihn die Eintragung in das Handelsregister konstitutiv ist5, nicht auf noch nicht in das Handelsregister eingetragene „Vorgesellschaften“, d.h. auf die Zeitspanne zwischen dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages und der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister übertragen werden6. Dadurch hat sich jedoch die überwiegende Meinung 1 So BGHZ 144, 365, 368 = NJW 2000, 2819 = GmbHR 2000, 822 = AG 2000, 515; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 30; s. dazu kritisch unten § 75 Rdnr. 19. 2 S. die (in diesem Zusammenhang immer wieder zitierte) Denkschrift des RJA zum HGB von 1895, S. 155 (wieder abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum HGB von 1897 Bd. II/1, 1987, S. 155); s. im Einzelnen unten § 75 Rdnr. 1 ff. 3 ABl. Nr. L 65/8 mit späteren Änderungen, wieder abgedruckt bei Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 133 (S. 89 ff.). 4 BGBl. I, 1146; s. dazu Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rdnr. 107 ff. (S. 78 ff.) sowie Kort, Bestandsschutz, S. 24 ff.; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 63, 113, 139 ff.; K. Schmidt, GesR, § 6 (S. 136 ff.). 5 S. Kort, Bestandsschutz, S. 24 ff.; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 63, 113, 139 ff.; K. Schmidt, GesR, § 6 (S. 136 ff.). 6 BGH, LM Nr. 2 zu KapErhG (Bl. 2) = NJW 1996, 659 = ZIP 1996, 225 = AG 1996, 173 = GmbHR 1996, 125, 126; OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 748; s. dazu G. Roth, Anm., LM Nr. 2 zu KapErhG, Bl. 2 R ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16.

270

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

nicht davon abhalten lassen, auch in der Zeit vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister vom Zeitpunkt des „Vollzugs“ der Vorgesellschaft ab die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft anzuwenden1. Bei der Betrachtung von Mängeln des Gesellschaftsvertrages muss man infolgedessen nicht nur, wie bisher allgemein angenommen2, drei, sondern sogar vier Zeitabschnitte oder Phasen unterscheiden. Die erste Phase umfasst den Zeitraum zwischen der Errichtung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages und dem Vollzug der Vorgesellschaft (unten Rdnr. 63 f.), die zweite die Zeitspanne zwischen dem Vollzug der Vorgesellschaft und der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (unten Rdnr. 64 ff.), die dritte die Zeit nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (unten Rdnr. 65 ff.) und die in jüngster Zeit hinzugekommene vierte Phase die Zeit nach Ablauf der Dreijahresfrist des auch im GmbH-Recht entsprechend anwendbaren § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG3. Außerdem ist es üblich geworden, jeweils weiter zwischen so genannten Mängeln des Gesellschaftsvertrages und „bloßen“ Mängeln der Beitrittserklärungen einzelner Gesellschafter zu unterscheiden, weil die Rechtsfolgen von Fall zu Fall, nicht generell, unterschiedlich sein können4:

62c

Bei „Mängeln des Gesellschaftsvertrages“ hat man in erster Linie Verstöße des Vertrags gegen die §§ 125, 134 und 138 BGB sowie gegebenenfalls gegen § 275 BGB im Auge, Fälle also, in denen der Verstoß des Vertrages gegen eine der genannten Vorschriften zur Nichtigkeit des Vertrages insgesamt führt. Schulbeispiel ist eine Gesellschaft, die allein zum Zwecke der Steuerhinterziehung, der Umgehung der Zollgesetze oder sonstiger Strafvorschriften gegründet wird. Der praktisch bedeutsamste Fall ist jedoch ein etwaiger Formverstoß des Gesellschaftsvertrages (s. oben Rdnr. 19 f.). Mit Mängeln der Beitrittserklärungen der einzelnen Gründer meint man dagegen vorrangig Verstöße gegen die §§ 105 ff., 116 ff., 119, 120 und 123 BGB. Paradigma ist hier der Beitritt eines Minderjährigen ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder des Vormundschaftsgerichts. Formverstöße kommen hier gleichfalls in Betracht, vor allem in Gestalt eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 (s. oben Rdnr. 30 ff.). Ähnliche Differenzierungen sind in Österreich üblich5.

62d

2. Gründungsphase Die erste Phase ist die möglicherweise kurze Zeitspanne zwischen der Errichtung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages und dem Vollzug der Vorgesellschaft durch Aufnahme ihrer Tätigkeit oder Leistung der Einlagen (s. unten Rdnr. 64). (Nur) in dieser Zeitspanne besitzen die Vorschrif1 Anders OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 748; wohl auch BGH LM Nr. 2 zu KapErhG (Bl. 2) = NJW 1996, 659 = ZIP 1996, 225 = AG 1996, 173 = GmbHR 1996, 125, 126. 2 S. 9. Aufl., Rdnr. 62a. 3 S. oben Rdnr. 62a; BGHZ 144, 365, 368 = NJW 2000, 2819 = GmbHR 2000, 822 = AG 2000, 515. 4 Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 1 ff. (S. 139 ff.); Michalski, Rdnr. 51–53. 5 Koppensteiner, öGmbHG, § 3 Rdnr. 10 ff., § 4 Rdnr. 26 ff.; Reich-Rohrwig, GmbH, S. 63 f.; Wünsch, öGmbHG, § 1 Anm. 29 ff.; Wünsch, GesRZ 1982, 155, 157 ff.

Emmerich

|

271

63

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

ten des BGB über die Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit von Willenserklärungen oder Verträgen uneingeschränkte Gültigkeit1. Für Verstöße gegen die Formvorschriften des § 2 Abs. 1 und 2 (§ 125 BGB) ist das schon im Einzelnen ausgeführt worden (oben Rdnr. 19, 30 f.). In diesem Zeitabschnitt wird auch noch nicht zwischen den Mängeln des Gesellschaftsvertrages und „bloßen“ Mängeln der Beitrittserklärungen der einzelnen Gründer unterschieden; vielmehr zieht jeder Mangel, der nach dem BGB die Nichtigkeit eines Vertrages zur Folge hat, auch die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages nach sich. In der Gründungsphase ist ferner noch eine Anfechtung der Beitrittserklärungen durch einen oder mehrere Gründer nach den §§ 119, 120 oder 123 BGB mit der Folge möglich, dass der Vertrag ex tunc nichtig ist, da bereits die Nichtigkeit der Willenserklärung eines einzigen Gründers zur Nichtigkeit des gesamten Gesellschaftsvertrages führt (§ 142 Abs. 1 BGB). Anders kann es nur im Einzelfall bei Verstößen einzelner Klauseln des Gesellschaftsvertrages gegen die §§ 134 und 138 BGB sein, wenn anzunehmen, dass nach dem Willen der Gesellschafter davon die Gültigkeit des Vertrages im Übrigen nicht berührt werden soll (§ 139 BGB)2. 63a

Nach § 9c Abs. 2 Nr. 3 sind die genannten Mängel auch vom Registergericht zu beachten und ziehen die Ablehnung des Eintragungsantrags nach sich, da sie ohne Ausnahme die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages nach den Regeln des BGB zur Folge haben. Viele der genannten Mängel werden jedoch durch eine Eintragung des Gesellschaftsvertrages ins Handelsregister geheilt (unten Rdnr. 65 ff.). Gesellschafter, die dies verhindern und den Gesellschaftsvertrag z.B. anfechten wollen, müssen deshalb zur Vermeidung von Rechtsverlusten noch rechtzeitig der Eintragung des Vertrags ins Handelsregister entgegentreten. Möglich ist das vor allem durch Erwirkung einer entsprechenden einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 ff. ZPO3.

3. Vollzug der Vorgesellschaft 64

Von der Gründungsphase (oben Rdnr. 63 f.) ist nach überwiegender Meinung die Zeitspanne zwischen dem Vollzug der Vorgesellschaft und der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister zu unterscheiden4. Zwar sind in dieser Zeit noch nicht die Vorschriften des Gesetzes über den Bestandschutz eingetragener Gesellschaften entsprechend anwendbar (§§ 75 ff. und dazu oben Rdnr. 62a f.), wohl aber – mit sachbedingten Modifikationen – die Regeln über fehlerhafte

1 Unstr., s. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 2, 28 (S. 139, 148); Michalski, Rdnr. 54; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 44. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37. 3 RGZ 82, 375, 379 f.; LG Heilbronn, AG 1971, 372; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 37; Michalski, Rdnr. 69; s. im Einzelnen Littbarski, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht, 1996. 4 Gegen einen Bestandsschutz vor Eintragung aber BGH, LM Nr. 2 zu KapErhG (Bl. 2) = NJW 1996, 659 = ZIP 1996, 225 = AG 1996, 173 = GmbHR 1996, 125; OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 748; s. dazu G. Roth, Anm., LM Nr. 2 zu KapErhG, Bl. 2 R f.; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16.

272

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Personengesellschaften in der Zeit nach Vollzug des Gesellschaftsvertrages1. Die Einzelheiten sind jedoch noch wenig geklärt. Hervorzuheben sind folgende Punkte: Der Vollzug der Vorgesellschaft tritt spätestens ein, wenn sie im Außenverhältnis ihre Tätigkeit aufgenommen hat, wozu bereits der Abschluss von Vorbereitungsgeschäften genügt2. Im Innenverhältnis wird außerdem überwiegend auch schon die Leistung der Mindesteinlagen gem. § 7 Abs. 2 als ausreichend angesehen3. Darüber hinaus genügt es nach der gegenwärtigen Praxis ganz allgemein, wenn „das Organisationsgefüge in Gang gesetzt worden ist“, d.h. wenn die Gesellschaft zu leben begonnen hat, insbesondere durch die Fassung von Beschlüssen in Gesellschafterversammlungen4. Eine abweichende Beurteilung wird mit guten Gründen nur gelegentlich in Fällen erwogen, in denen mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit der bisherigen Vollzugsgeschäfte noch kein legitimes Interesse der Gesellschafter oder Dritter an dem Bestandsschutz zu Gunsten der Vorgesellschaft besteht5. Sobald die Vorgesellschaft in dem genannten Sinne in Vollzug gesetzt ist (oben Rdnr. 64), finden die Regeln über fehlerhafte Personengesellschaften – mit durch die Natur der Vorgesellschaft bedingten Modifikationen – entsprechende Anwendung6. Dies bedeutet vor allem, dass Willensmängel und sonstige Nichtigkeitsgründe fortan grundsätzlich nur noch zur Auflösung der Vorgesellschaft ex nunc mit der Folge ihrer Abwicklung führen, sofern sie nicht mittlerweile geheilt sind. Umstritten ist, welchen Weg die Gesellschafter einschlagen müssen, wenn sie die Mängel des Gesellschaftsvertrages oder einer Beitrittserklärung geltend machen wollen. Nach bisher überwiegender Meinung genügt dafür eine Kündigung aus wichtigem Grunde gegenüber den Mitgesellschaftern gem. § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB, nach der sich die Abwicklung der Gesellschaft nach den §§ 730 ff. BGB, nach anderen dagegen gemäß den analog anwendbaren §§ 66 ff. zu richten hat7. Nach einer im Vordringen begriffenen Gegenmeinung finden dagegen bereits in diesem Stadium die §§ 61 ff. und möglicherweise auch § 75 entsprechende Anwendung, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt 1 S. unten § 11 Rdnr. 22 sowie für Formmängel schon oben Rdnr. 19; grdlg. 1941 RGZ 166, 51, 58 ff.; BGHZ 13, 320, 323 f. = NJW 1954, 1562 f.; OLG Dresden, GmbHR 1998, 186, 188 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 31 (S. 11 f.); Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 3, 13, 29 (S. 139, 142, 148); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Kort, Bestandsschutz, S. 31, 43, 46 f.; Michalski, Rdnr. 56 f.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 133 (S. 416); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 44; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 149 ff.; K. Schmidt, GesR, § 6 II 1d (S. 143). 2 S. Heymann/Emmerich, HGB, § 105 Rdnr. 78 f. 3 Grdlg. RGZ 166, 51, 59; BGHZ 13, 320, 321 f. = NJW 1954, 1562; BGHZ 51, 30, 33 f. = NJW 1969, 509; Michalski, Rdnr. 57. 4 Grdlg. BGHZ 116, 37, 40 = NJW 1992, 505; K. Schmidt, GesR, § 6 III 1b (S. 148). 5 Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 3 (S. 139). 6 Wegen der Einzelheiten s. deshalb Heymann/Emmerich, HGB, § 105 Rdnr. 80, bes. 90 ff. 7 Für die Anwendung der §§ 730 ff. BGB BGHZ 51, 30, 34 = NJW 1969, 509; ebenso Kort, Bestandsschutz, S. 46; Michalski, Rdnr. 56; dagegen für die Anwendung der §§ 66 ff. GmbHG BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080 = GmbHR 1998, 185; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 31 (S. 12), Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 44.

Emmerich

|

273

64a

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

hat1. Ohne Rücksicht darauf hat ferner auch nach Vollzug der Vorgesellschaft das Registergericht bei Vorliegen eines Mangels des Gesellschaftsvertrages die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen (§ 9c), solange nicht die Gesellschafter den Mangel beseitigt haben (s. oben Rdnr. 30, 63). Die Gesellschafter haben deshalb nach wie vor die Möglichkeit, durch Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zu verhindern, um eine Heilung der Mehrzahl der Mängel des Gesellschaftsvertrages oder einer Beitrittserklärung durch Eintragung der Gesellschaft zu verhindern2.

4. Nach Eintragung 65

Nach Eintragung der Gesellschaft kommt eine Nichtigkeit der Gesellschaft nach dem Gesetz nur noch in den in § 75 GmbHG (= § 275 AktG) aufgezählten Fällen in Betracht, während die anderen Mängel des Gesellschaftsvertrages und der Beitrittserklärungen grundsätzlich durch die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister „geheilt“ werden3. Für Formmängel (§ 2 GmbHG i.V.m. § 125 BGB) ist das schon im Einzelnen gezeigt worden (oben Rdnr. 20, 32). Ein Amtslöschungsverfahren nach § 144 FGG scheidet dann gleichfalls aus4. Möglich bleibt aber in bestimmten weiteren Fällen das Beanstandungsverfahren nach § 144a FGG5. Ob es noch weitere Ausnahmen von dem grundsätzlichen Bestandsschutz zu Gunsten einmal in das Handelsregister eingetragener Gesellschaften auf Grund des § 75 GmbHG sowie des § 275 AktG gibt, ist umstritten. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei etwaige Mängel der Beitrittserklärungen einzelner Gründer (unten Rdnr. 66 ff.). a) Beitrittserklärungen besonderer schutzwürdiger Personen

66

In einer Reihe besonders schwer wiegender Mängel von Beitrittserklärungen einzelner Gründer ist nach bisher h.M. selbst nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister Nichtigkeit (oder ausnahmsweise Vernichtbarkeit, unten Rdnr. 66d) der Willenserklärung anzunehmen. Die Nichtigkeit beschränkt sich dann aber grundsätzlich auf die fragliche Willenserklärung; § 139 BGB findet m.a.W. keine Anwendung6. Für eine Amtslöschung nach § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG ist hier gleichfalls kein Raum, jedenfalls, solange wenigstens eine wirksame Beitrittserklärung übrig bleibt (s. unten Rdnr. 69); der Fall ist dann nicht anders als eine Einpersonengründung nach § 1 zu beurteilen7. Paradigma ist die

1 S. unten § 11 Rdnr. 55 f.; ebenso Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 13 (S. 142); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67. 2 S. oben Rdnr. 63a; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 13 (S. 142). 3 S. unten Rdnr. 66 ff. sowie unten § 75 Rdnr. 12; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37; Kort, Bestandsschutz, S. 38, 45 f.; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 139, 282 ff. 4 RGZ 82, 288, 291 f.; 114, 77, 80; BGHZ 21, 378, 381 f. = NJW 1957, 19; KG, KGJ 23 A 100 = RJA 3, 16 = OLGE 4, 254; OLGZ 1968, 477, 482 ff. = GmbHR 1968, 182. 5 S. oben Rdnr. 62; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36. 6 RGZ 73, 429, 431; 128, 1, 5; KG, KGJ 23 A 100 = RJA 3, 16 = OLGE 4, 254. 7 S. unten § 75 Rdnr. 1; KG, OLGZ 1968, 477, 483 = GmbHR 1968, 182; C. Schäfer, Die Lehre von fehlerhaften Verband, S. 167; Ulmer, Rdnr. 96 f.

274

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Nichtigkeit der Beitrittserklärung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person infolge mangelnder Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder wegen fehlender Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§§ 105, 107, 1822 Nrn. 3 und 10 BGB; s. oben Rdnr. 44)1. Gleich steht die Beteiligung eines Betreuten bei Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts ohne Mitwirkung des Betreuers oder Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§§ 1903 Abs. 1, 1908i Abs. 1, 1822 Nrn. 3 und 10 BGB; s. oben Rdnr. 45a f.). Nach anderen reicht es dagegen zum Schutze Minderjährigen aus, eine persönliche Verpflichtung entsprechend § 1629a BGB zu verneinen2. Für die Einpersonengründung einer geschäftsunfähigen Person hat diese Meinung auch bereits die Billigung der Rechtsprechung gefunden3. Der unbedingte Vorrang des Minderjährigenschutzes vor allen Erwägungen der Rechtssicherheit ist indessen ein feststehender Grundsatz des deutschen Privatrechts, der auch im vorliegenden Zusammenhang keine Einschränkungen duldet. Die Beteiligung einer in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person ist und bleibt unter den genannten Voraussetzungen nichtig. Ist der Minderjährige der einzige Gesellschafter, so handelt es sich um eine Scheingesellschaft, die von Amts wegen zu löschen ist (s. unten Rdnr. 68a)4.

66a

Ebenso zu behandeln sind das Fehlen einer dem angeblichen Gründer überhaupt zurechenbaren Willenserklärung, z.B. im Falle der Fälschung seiner Unterschrift oder des Auftretens eines Vertreters ohne Vertretungsmacht5, sowie die Erzwingung einer Willenserklärung durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt (§ 123 BGB)6. Gleich steht ferner das Fehlen der Zustimmung des anderen Ehegatten in den Fällen der §§ 1365, 1423 und 1487 BGB, jedenfalls, wenn sich schon aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, dass sich durch ihn ein Gesellschafter zur Einbringung seines gesamten Vermögens oder des Gesamtguts verpflichtet hat7, während in den Fällen der §§ 1424 und 1487 BGB einfach an die Stelle der unwirksamen Verpflichtung zur Einbringung eines Grundstücks die Pflicht zu einer entsprechenden Geldeinlage tritt.

66b

Den bisher behandelten Ausnahmefällen (oben Rdnr. 66 f.) ist in der früheren Rechtsprechung gelegentlich der Fall gleichgestellt worden, dass eine Beitritts-

67

1 In diesem Sinne RGZ 68, 344, 352; 145, 155, 159; 147, 257, 271 f.; BGHZ 17, 160, 166 f. = NJW 1955, 1067; BGH, LM Nr. 4 zu § 108 BGB = BB 1980, 857 = WM 1980, 866; LM Nr. 59 zu § 705 BGB = NJW 1992, 1503, 1504; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 31 (S. 149); Michalski, Rdnr. 64; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 135 f. (S. 417); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 35 f., 39; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 73. 2 Anders C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 165, 302 ff.; K. Schmidt, GesR, § 6 III 3c, cc (S. 152 ff.). 3 Grdlg. KG, NJW-RR 2001, 1117 = ZIP 2000, 2253 = NZG 2001, 225, 226 = BB 2001, 110. 4 Anders KG, NJW-RR 2001, 1117 = ZIP 2000, 2253 = NZG 2001, 225, 226 = BB 2001, 110. 5 KG, OLGZ 1968, 477, 481 ff. = GmbHR 1968, 182. 6 RGZ 68, 349, 352; 147, 257, 271 f. 7 Anders Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 31 (S. 149).

Emmerich

|

275

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

erklärung unter einer Bedingung oder Befristung abgegeben wird, weil die Beitrittserklärung bedingungsfeindlich ist, so dass die Vereinbarung einer Bedingung oder Befristung die Nichtigkeit der Erklärung nach sich zieht (s. im Einzelnen unten § 3 Rdnr. 58 m.N.). Diese Meinung gilt indessen heute als überholt. Es bleibt zwar dabei, dass eine bedingte oder befristete Beitrittserklärung nichtig ist, so dass ein Eintragungshindernis vorliegt, solange die Bedingung noch nicht eingetreten oder die Frist noch nicht abgelaufen ist (§ 9c; s. unten § 3 Rdnr. 58). Wird jedoch die Gesellschaft unter Verkennung der Rechtslage gleichwohl eingetragen, so wird der Mangel geheilt, weil es sich nicht um einen Fall des § 75 handelt1. Von Fall zu Fall kann in der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung ins Handelsregister ohne Rücksicht auf die in dem Vertrag enthaltene Bedingung oder Befristung einer Beitrittserklärung auch ein jederzeit möglicher Verzicht auf die Bedingung oder Befristung liegen. 68

In den verbleibenden Fällen, insbesondere also bei Beteiligung eines Minderjährigen ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder die Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes, ist als erstes zu prüfen, ob der Mangel in der Zwischenzeit geheilt worden ist, da eine Genehmigung des Beitritts durch den gesetzlichen Vertreter oder das Vormundschaftsgericht sowie nach Volljährigkeit durch den Minderjährigen selbst auch noch nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister möglich ist (s. oben Rdnr. 44). Wird der Mangel nicht geheilt, so bleibt es dabei, dass der Minderjährige oder die sonst betroffene, besonders schutzwürdige Person in keiner Beziehung Gesellschafter wird, während die Gültigkeit der Gesellschaft selbst unberührt bleibt (oben Rdnr. 66)2.

69

Eine abweichende Beurteilung kommt jedoch nach bisher h.M. in Betracht, wenn sämtliche Beitrittserklärungen aus einem der genannten Gründe unwirksam sind. In diesem Fall entsteht danach weder eine Vorgesellschaft noch durch Eintragung eine GmbH. Die „Scheingesellschaft“ ist vielmehr als „gegenstandslos“ von Amts wegen zu löschen (§ 142 FGG)3. Anders hat dagegen das KG für den Grenzfall einer Einpersonengründung durch einen Geschäftsunfähigen entschieden, weil es sich dabei nicht um einen Fall des § 75 handele, so dass hier das Interesse der Allgemeinheit an dem Bestandsschutz den Vorrang haben müsse4. Vergleichbare Überlegungen finden sich generell im Schriftform unter Hinweis auf die konstitutive Wirkung der Eintragung der Gesellschaft ins 1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38 und § 3 Rdnr. 21–23; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 28, 32 (S. 148 f.); Michalski, Rdnr. 66; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 38; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 72. 2 Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 31, 33 (S. 149 f.); Michalski, Rdnr. 67; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 74; anders C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 284, 302 ff.; K. Schmidt, GesR, § 6 III 3c, cc (S. 152 ff.). 3 S. oben Rdnr. 40; Hueck/Faststrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 34 (S. 150); Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 71; ebenso zumindest für den Fall der Fälschung aller Beitrittserklärungen C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 167 ff. 4 KG, NZG 2001, 225, 226 = NJW-RR 2001, 1117 = GmbHR 2001, 33 = BB 2001, 110 = DStR 2001, 33 = ZIP 2000, 2253; zustimmend für diesen Fall C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 285 f.

276

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Handelsregister1. Es handelt sich dabei um nur schwer zu entscheidende Grenzfälle. Die Annahme einer „Gesellschaft“ verbietet sich jedenfalls dann, wenn überhaupt kein Gesellschaftsvertrag vorliegt, etwa, weil die Unterschriften aller Gesellschafter gefälscht sind oder weil sämtliche Gründer durch Vertreter ohne Vertretungsmacht „vertreten“ wurden. Durch bloßen staatlichen Hoheitsakt, d.h. durch die Eintragung allein, kann in solchem Fall keine Gesellschaft ins Leben gerufen werden. Akzeptiert man dies, so wird man in den verbleibenden Fällen, insbesondere bei einer Einpersonengründung durch einen Geschäftsunfähigen, schwerlich anders entscheiden können2. Besonderer Betrachtung bedürfen die weiteren Rechtsfolgen der nichtigen Beteiligung eines Minderjährigen oder einer anderen gleichstehenden Person: Wenn der vermeintliche Gesellschafter bereits Leistungen auf seine Stammeinlage erbracht hatte, kann er diese jetzt nach § 812 BGB kondizieren3; dasselbe gilt umgekehrt für Leistungen der Gesellschaft an den vermeintlichen Gesellschafter. Die Einschränkungen der §§ 30 ff. gelten hier nicht, da der Betreffende rechtlich in keiner Hinsicht als Gesellschafter zu behandeln ist (str.).

70

Aus der Nichtigkeit der Stammeinlage folgt, dass nunmehr entgegen § 3 Abs. 1 Nr. 4 die Stammkapitalziffer und die Summe der wirksam übernommenen Stammeinlagen auseinander fallen. Die übrigen Gesellschafter haften in diesem Fall nicht für den Ausfall nach § 24, weil der betreffende Gesellschaftsanteil nie entstanden ist4. Von Fall zu Fall kommt jedoch eine Haftung der anderen Gesellschafter nach § 9a in Betracht5. Außerdem greift hier das Beanstandungsverfahren nach § 144a Abs. 4 FGG ein, wodurch den Gesellschaftern die Möglichkeit gegeben wird, den Mangel noch rechtzeitig zu beheben6. Hierzu ist erforderlich, dass einer der bisherigen Gesellschafter oder ein neuer Gesellschafter analog § 55 die offene Stammeinlage übernimmt. Streitig ist, ob es hierzu einer vorgängigen Kapitalherabsetzung bedarf; doch ist dafür nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister kein Grund mehr zu erkennen7. Aber nichts hindert die Gesellschafter, den Mangel im Wege einer Kapitalherabsetzung zu beheben. Außerdem findet § 30 Anwendung, so dass Zahlungen an die übrigen Gesellschafter erst nach Deckung der Stammkapitalziffer in Betracht kommen8.

71

1 S. unten § 75 Rdnr. 1, 6; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 42. 2 Anders insbes. KG, NZG 2001, 225, 226 = NJW-RR 2001, 1117 = GmbHR 2001, 33 = BB 2001, 110 = DStR 2001, 33 = ZIP 2000, 2253; wohl auch unten § 75 Rdnr. 1 und 6. 3 Ebenso Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 33 (S. 149); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39. 4 Michalski, Rdnr. 67; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 75; dagegen für entsprechende Anwendung des § 24 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 33 (S. 150). 5 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 75. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 33 (S. 150); Michalski, Rdnr. 67; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41. 7 Ebenso schon KG, DR 1943, 1230 f. Nr. 8. 8 S. schon oben Rdnr. 70; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39.

Emmerich

|

277

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

b) Grundsätzliche Heilung sonstiger Mängel 72

Der Kreis der Mängel einer Beitrittserklärung, die über § 75 hinaus auch nach Eintragung der Gesellschaft noch beachtlich sind, ist nach dem Gesagten klein (oben Rdnr. 66 ff.). Sämtliche anderen Mängel der Beitrittserklärung haben dagegen nach Eintragung der Gesellschaft ebenso wie Mängel des Gesellschaftsvertrages grundsätzlich keine Auswirkungen mehr auf die Gültigkeit der Gesellschaft1. Sie werden vielmehr durch die Eintragung in dem Sinne „geheilt“, dass sie ihre Beachtlichkeit für die Existenz der Gesellschaft verlieren. Für Formmängel (§ 2 GmbHG i.V.m. § 125 BGB) ist das schon im Einzelnen ausgeführt worden (oben Rdnr. 20, 32). Die „Heilung“ solcher Mängel bedeutet indessen nicht, dass sie fortan als nicht geschehen anzusehen seien; vielmehr können die Mängel in anderen Beziehungen nach wie vor Rechtsfolgen nach sich ziehen, wobei in erster Linie an Schadensersatzansprüche des betroffenen Gesellschafters aus c.i.c. (§ 311 Abs. 2 BGB) oder unerlaubter Handlung zu denken ist (unten Rdnr. 76). Je nach Fallgestaltung kommen außerdem ein Austritt des betroffenen Gesellschafters aus wichtigem Grunde oder die Ausschließung anderer Gesellschafter in Betracht.

73

Das Gesagte (oben Rdnr. 72) gilt insbesondere für die Anfechtbarkeit von Beitrittserklärungen nach den §§ 119, 120 und 123 BGB mit der einen Ausnahme der Anfechtung wegen Drohung (s. oben Rdnr. 66). Von diesem Ausnahmefall abgesehen, führt die Eintragung der Gesellschaft selbst dann zur „Heilung“ des fraglichen Willensmangels, wenn ein Gründer noch nicht einmal erkannt haben sollte, dass es sich bei seiner Erklärung um eine Beitrittserklärung handelt2. Es spielt außerdem keine Rolle, ob die Anfechtung bereits vor Eintragung der Gesellschaft erklärt worden ist; kommt es trotz der Erklärung der Anfechtung gegenüber den anderen Gründern (§ 143 Abs. 1 BGB) zur Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister, so entsteht die Gesellschaft, wodurch die bereits erklärte Anfechtung ihre Wirkung einbüßt3. Der anfechtende Gesellschafter muss deshalb durch die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung das Registergericht an der Eintragung der Gesellschaft hindern, will er die „Heilung“ des Willensmangels durch Eintragung vermeiden (s. oben Rdnr. 63).

74

Ebenso zu behandeln sind Willenserklärungen, die unter einer Bedingung (oben Rdnr. 67) oder unter einem geheimen Vorbehalt oder zum Schein abgegeben oder nicht ernstlich gemeint sind (§§ 116 bis 118 BGB)4. Dabei wird auch nicht 1 Ebenso Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 30 (S. 148 f.); Michalski, Rdnr. 68; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33 ff.; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, passim, bes. S. 282 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 72; besonders weitgehend KG, NZG 2001, 225, 226 = NJW-RR 2001, 1117 = GmbHR 2001, 33 = ZIP 2000, 2253 = BB 2001, 111 = DStR 2001, 33. 2 Grdlg. RGZ(VZS) 57, 292, 297 ff.; 88, 187 ff.; 123, 202, 207; 124, 279, 297 f.; BGH, LM Nr. 1 zu § 15 GenG = MDR 1976, 737 = AG 1976, 241; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 37; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 30 (S. 148 f.); Michalski, Rdnr. 69; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 37. 3 RGZ 82, 376, 378 f., str. 4 RGZ (VZS) 57, 292, 297; 124, 279, 287 f.; RG, JW 1904, 563 f.; 1935, 3613; BGHZ 21, 378, 381 = NJW 1957, 19; KG, OLGZ 1968, 477, 481 = GmbHR 1968, 182.

278

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

danach unterschieden, ob nur eine, mehrere oder sogar alle Willenserklärungen der Gründer von den genannten Mängeln betroffen sind. Folglich können sich die Gesellschafter, selbst wenn sie ihre Erklärungen ohne Ausnahme nur zum Schein abgegeben haben sollten, nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister darauf nicht mehr berufen; die „Scheingesellschaft“ ist vielmehr von diesem Zeitpunkt ab eine vollgültige Gesellschaft. Die Folge ist vor allem, dass die Gesellschafter jetzt zur Einzahlung ihrer Stammeinlagen verpflichtet sind1. Entsprechende Grundsätze gelten bei Mängeln einer Kapitalerhöhung (s. § 158 Abs. 3 AktG und § 55 Rdnr. 77 ff.), nicht dagegen bei Mängeln der Anteilsabtretung (s. unten § 15 Rdnr. 103 f.). Zu dem zuletzt genannten Fall ist jedoch § 16 zu beachten, durch den die Wirkungen einer Anfechtung im Verhältnis zur Gesellschaft stark relativiert werden2.

75

Umstritten ist die Rechtslage, wenn der Gesellschaftsvertrag wegen eines Verstoßes gegen die §§ 134 oder 138 BGB nichtig ist. Das Problem rührt daher, dass jedenfalls bei schwer wiegenden Verstößen gegen die §§ 134 und 138 BGB, insbesondere bei Verfolgung gesetz- oder sittenwidriger Zwecke durch eine Gesellschaft selbst, fehlerhaften Personengesellschaften auch nach Vollzug des Gesellschaftsvertrages grundsätzlich die Anerkennung versagt wird3. Das dürfte auch bei einer Vorgesellschaft nicht anders zu beurteilen sein (str.). Fraglich ist jedoch, wie sich die Rechtslage gestaltet, wenn die Gesellschaft – trotz Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages – ins Handelsregister eingetragen wird. Da § 75 GmbHG diesen Fall ebenso wenig wie § 275 AktG erfasst, werden selbst derartige Mängel nach einer verbreiteten Meinung durch die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister „geheilt“4. Das soll nach manchen sogar für Gesellschaften gelten, die gegen das Kartellverbot verstoßen (§ 1 GWB; Art. 81 EG-Vertrag)5. Die Rechtsprechung zu diesem Punkt ist uneinheitlich6. Die Lösung dürfte in der unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 75 GmbHG und des § 275 AktG liegen, weil hier der richtig verstandene Unternehmensgegenstand nichtig ist. Anwendbar ist außerdem § 144 Abs. 1 FGG7. Auf keinen Fall darf außerdem bis zur Erhebung der Nichtigkeitsklage der gesetzwidrige Zweck verfolgt werden (§ 134 BGB; § 1 GWB; Art. 81 EG-

76

1 OGH SZ Bd. 13 (1931) Nr. 232, S. 807, 810; Bd. 46 (1973) Nr. 46, S. 205, 207. 2 Grdlg. BGH, LM Nr. 6 zu § 16 GmbHG (Bl. 2 R) = NJW 1990, 1915 = GmbHR 1990, 164; BGH, ZIP 2005, 253 = WM 2005, 282; OLG Hamburg, GmbHR 1998, 591, 592 f. = NZG 1998, 591; anders noch BGH, LM Nr. 12 zu § 15 GmbHG (Bl. 2) = WM 1975, 512 = GmbHR 1975, 154. 3 S. Heymann/Emmerich, HGB, § 105 Rdnr. 83 ff. 4 RGZ 123, 102, 106 ff.; 124, 279, 287 ff.; 127, 186, 191; KG, OLGZ 1968, 477, 481 = GmbHR 1968, 182; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 282 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 72. 5 S. m.N. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rdnr. 319–349; Kort, Bestandsschutz, S. 38 ff.; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, S. 282 ff.; K. Schmidt, GesR, § 6 III 3b (S. 150 f.); K. Schmidt, in: FS Mestmäcker, 1996, S. 763; K. Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht Bd. I, 1997, Art. 85 Abs. 2 Rdnr. 68 f. 6 S. oben § 1 Rdnr. 21. 7 Kort, Bestandsschutz, S. 38 ff.

Emmerich

|

279

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Vertrag)1. Von dem Fall eines kartellwidrigen Zwecks oder Gegenstandes der Gesellschaft muss außerdem der Fall unterschieden werden, dass nur einzelne Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages gesetzwidrig sind, insbesondere gegen das Kartellrecht verstoßen. In diesem Fall sind und bleiben die fraglichen Bestimmungen nichtig, ohne dass dies jedoch einen Einfluss auf die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages im Übrigen und damit auf die wirksame Entstehung der Gesellschaft hätte (§ 139 BGB)2. c) Schadensersatzansprüche 77

Aus der Heilung der meisten Mängel durch Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (oben Rdnr. 72 ff.) folgt, dass die betroffenen Gesellschafter auch keine Schadensersatzansprüche aus c.i.c. (§ 311 Abs. 2, 3 BGB) oder Delikt gegen die Gesellschaft geltend machen können. Unberührt bleiben jedoch Ansprüche gegen Dritte, insbesondere gegen Mitgründer, die z.B. für die arglistige Täuschung eines Gründers verantwortlich sind3. Außerdem kommt ein Austritt des geschädigten Gründers in Betracht, wenn ihm die weitere Mitgliedschaft in der Gesellschaft nicht mehr zuzumuten ist (s. im Einzelnen unten Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.). Schließlich ist von Fall zu Fall noch an eine Auflösung der Gesellschaft nach § 61 zu denken. Diese Grundsätze gelten entsprechend bei mangelhafter Beteiligung an einer Kapitalerhöhung (oben Rdnr. 75).

IV. Vorvertrag Schrifttum: S. unten § 11 Rdnr. 6–20 sowie Brandes, Die Rechtsprechung des BGH zur GmbH, WM 1983, 286; Cebulla, Haftungsmodelle bei der GmbH-Gründung, NZG 2001, 972; Ehrenberg/Feine, Hdb., § 12 (S. 186 ff.); R. Fischer, Ist der Vorvertrag bei der Errichtung einer GmbH formbedürftig?, GmbHR 1954, 129; Flume, Juristische Person, § 5 (S. 142 ff.); Flume, Die werdende juristische Person, in: FS Geßler, 1971, S. 3; Gehrlein, Die Haftung in den verschiedenen Gründungsphasen einer GmbH, DB 1996, 561; Gehrlein, Keine schlüssige Zustimmung des Gläubigers in Schuldübernahme, NJW 1998, 2651; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 32–36, 43; S. Grottke, Die Vorgründungsgesellschaft der GmbH – Rechtliche Struktur und Haftungsfragen, 1992; Häsemeyer, Die gesetzliche Form des Rechtsgeschäfts, 1971; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 20 ff. (S. 46 ff.); Henrich, Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtsvertrag, 1965; E. Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaft, 1999; Kort, Die Haftung der Beteiligten im Vorgründungsstadium einer GmbH, DStR 1991, 1317; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21 f.; Michalski, Rdnr. 72–81, § 11 Rdnr. 1–41; Michalski/Sixt, Die Haftung in der Vorgründungs-GmbH, in: FS Boujong, 1996, S. 349; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 299 ff.; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 (S. 177 ff.); Priester, Das Gesellschaftsverhältnis im Vorgründungsstadium – Einheit oder Dualismus?, GmbHR 1995, 481; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 64 f.; Reinicke, Die Formbedürftigkeit einer Vollmacht zum Abschluss eines GmbH-Vorvertrages, NJW 1969, 1830; Roth, in: Roth/Altmeppen,

1 Weitergehend Paschke, ZHR 155 (1991), 1, 16 ff. 2 Grdlg. BGH, NJW 2003, 347 m. Anm. Emmerich, JuS 2003, 479 Nr. 4; Emmerich, ZHR 139 (1975), 476, 512 ff.; Steindorff, in: FS Hefermehl, 1971, S. 177; Ulmer, in: FS Steindorff, 1990, S. 799. 3 RGZ 82, 375, 381; 88, 187 f.; 123, 102, 104 ff.; BGH, LM Nr. 1 zu § 15 GenG = MDR 1976, 737 = AG 1976, 241 f.

280

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Rdnr. 32, 48–55, § 11 Rdnr. 68–74; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmitt-Leithoff, Rdnr. 84–88; K. Schmidt, GesR, §§ 11 II, 34 III (S. 290, 1010 ff.); K. Schmidt, Zur Rechtsstellung der OHG im System der Handelsgesellschaften, 1972; K. Schmidt, Rechtsgrundlagen der Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium der GmbH, GmbHR 1982, 6 = GesRZ 1983, 1; K. Schmidt, Haftung aus Rechtsgeschäften vor Errichtung der GmbH, GmbHR 1998, 613; Ulmer, Rdnr. 43–54.

Aus den §§ 2 und 11 Abs. 1 folgt, dass man bei der Entstehung einer GmbH mehrere Zeitabschnitte zu unterscheiden hat, wobei die Errichtung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages in notarieller Form (§ 2) und die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (§ 11 Abs. 1) das Ende der einzelnen Zeitabschnitte oder Phasen markieren. Die erste Phase umfasst den Zeitraum vor dem formgerechten Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2). Häufig wird diese Phase auch als Gründungsphase bezeichnet (s. schon oben Rdnr. 63 ff.). Die zweite Phase umfasst den Zeitraum zwischen dem formgerechten Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) und der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (§ 11 Abs. 1). In dieser Zeitspanne besteht zwar noch nicht die GmbH „als solche“ (§ 11 Abs. 1), wohl aber schon eine so genannte Vorgesellschaft oder Vor-GmbH, auf die in verschiedenen Beziehungen bereits das Recht der zukünftigen GmbH angewandt wird (s. im Einzelnen unten § 11 Rdnr. 21 ff.). Anders verhält es sich dagegen mit der Gründungsphase. Mangels Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) besteht in dieser Zeitspanne noch keine Vorgesellschaft oder Vor-GmbH (unstr.). Auf der anderen Seite hindert die Gesellschafter natürlich nichts, bereits jetzt, d.h. noch vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2), rechtsgeschäftliche Vereinbarungen mit Bezug auf die von ihnen geplante Errichtung einer GmbH zu treffen (§§ 311 Abs. 1, 705 BGB). In Betracht kommen insbesondere der Abschluss eines Vorvertrages und die Gründung einer „Vorgründungsgesellschaft“ (oder auch: „Gründungsvorgesellschaft“). Weitere Gestaltungen sind auf dem Boden der Vertragsfreiheit denkbar (§ 311 Abs. 1 BGB).

78

Die mit Vorgründungsgesellschaften zusammenhängenden Fragen sind vielfältig umstritten. Wegen der Einzelheiten ist insoweit auf die Ausführungen weiter unten zu verweisen (unten § 11 Rdnr. 6–20). Im Folgenden werden ausführlich nur die mit dem Abschluss von Vorverträgen zusammenhängenden Fragen behandelt (unten Rdnr. 80 ff.), während sich die Ausführungen zu den Vorgründungsgesellschaften auf einen kurzen Überblick über die Problematik beschränken können (unten Rdnr. 85 ff.); Einzelheiten werden nur behandelt, soweit sie nicht weiter unten dargestellt sind (§ 11 Rdnr. 6–20).

79

1. Unter einem Vorvertrag versteht man eine „schuldrechtliche Vereinbarung, durch die für beide Teile oder auch nur für einen von ihnen die Verpflichtung begründet wird, demnächst einen anderen schuldrechtlichen Vertrag, den Hauptvertrag zu schließen“1. Die Besonderheit des Vorvertrages besteht darin, dass aus ihm notfalls auf Abschluss des Hauptvertrages geklagt werden kann

80

1 So grdlg. BGHZ 102, 384, 388 = NJW 1988, 1261; BGH, LM Nr. 9 zu Vorbem. zu § 145 BGB = NJW 1962, 1812; LM Nr. 20/21 zu Vorbem. zu § 145 = NJW 1986, 2820; BGH, NJW 1990, 1233; Palandt/Heinrichs, BGB, Einf. 19 f. vor § 145.

Emmerich

|

281

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

(§ 894 ZPO). Deshalb muss der Vorvertrag grundsätzlich so bestimmt sein, dass ihm der notwendige Mindestinhalt des geplanten Hauptvertrages, hier des von den Parteien des Vorvertrages in Aussicht genommenen Gesellschaftsvertrages, entnommen werden kann (unten § 11 Rdnr. 11)1. Deshalb muss schon im Vorvertrag die geplante Gesellschaftsform (GmbH) festgelegt werden2. Erforderlich sind außerdem gem. § 3 die Regelung der Firma und des Sitzes der Gesellschaft sowie die Bestimmung des Gegenstandes des Unternehmens, des Betrags des Stammkapitals und des Betrags der einzelnen Stammeinlagen3. Fehlt es hieran und lässt sich dieser Mangel auch nicht beheben (unten Rdnr. 81), so scheidet die Annahme eines Vorvertrages aus; von den Parteien bereits getroffene Vereinbarungen haben in diesem Fall höchstens die Bedeutung einer so genannten Punktation4. 81

Für die Bestimmtheit und Vollständigkeit des Vorvertrages gelten nicht dieselben strengen Maßstäbe wie bei dem endgültigen Gesellschaftsvertrag, so dass etwaige Lücken in diesem Stadium durchaus auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden können (§§ 133, 157 BGB)5. So kann z.B. ein Vorvertrag von Erben über die Fortführung eines ererbten Einzelunternehmens in der Rechtsform einer GmbH dahin auszulegen sein, dass die bisherige Firma und der Sitz beibehalten werden sollen, während das Stammkapital nach dem vorhandenen Eigenkapital und die Stammeinlagen nach dem Verhältnis der Erbanteile zu bemessen sind6. Maßgebend sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalles (§ 242 BGB). Ändert sich z.B. nach Abschluss des „Vorvertrages“ die Zulässigkeit einer Abrede infolge einer Gesetzesänderung, wird etwa jetzt das gesetzlich vorgeschriebene Mindestkapital erhöht, so dass die vereinbarten Stammeinlagen nicht mehr ausreichen, so wird man nur in Ausnahmefällen eine Verpflichtung der Gründer zu einer entsprechenden Änderung des Vorvertrages annehmen können (§ 242 BGB); in der Regel wird vielmehr in diesem Fall von der Unwirksamkeit des Vorvertrages auszugehen sein7.

82

Der Vorvertrag kann die Bestimmung der Einzelheiten späteren Mehrheitsbeschlüssen der Gründer oder der Entscheidung eines einzelnen Gründers oder auch eines Dritten überlassen (§§ 315, 317 BGB)8. Nach dem Zweck der §§ 2 und 3 ist dann jedoch zu fordern, dass der mögliche Umfang der Pflichten der 1 BGH (vorige Fn.); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Kießling, S. 16 ff.; Michalski, Rdnr. 74; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48; Palandt/Heinrichs, BGB, Einf. 20 vor § 145. 2 RGZ 106, 174, 177; OLG München, GmbHR 1958, 194; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 7 ff. (S. 178 f.). 3 RGZ 30, 94, 95 f.; 41, 281, 283; 66, 116, 120 f.; 156, 129, 138; OLG München, GmbHR 1958, 195. 4 Ebenso Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 50 f. 5 RGZ 66, 116, 121; 156, 129, 138; BGH, LM Nr. 6 zu § 2 GmbHG = NJW 1969, 1856 = GmbHR 1969, 177. 6 OGH, EvBl. 1955 Nr. 86 = ÖJZ 1955, 143, 144; Koppensteiner, öGmbHG, § 3 Rdnr. 18; Wünsch, öGmbHG, § 3 Anm. 28; zustimmend Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 8 (S. 179). 7 OGH, EvBl. 1955 Nr. 86 = ÖJZ 1955, 143, 144. 8 RGZ 156, 129, 138.

282

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

zukünftigen Gesellschafter von vornherein durch den Vorvertrag begrenzt wird und dass auch die Art ihrer Beitragsleistung bereits festgelegt ist1. Bei der Bestimmung der Einzelheiten ist außerdem der schon in diesem Stadium geltende Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. 2. Besondere Formvorschriften für Vorverträge existieren nicht, so dass gelegentlich auch für Vorverträge zum Abschluss eines Gesellschaftsvertrages die Auffassung vertreten wird, anders als der Gesellschaftsvertrag selbst (§ 2) bedürfe der Vorvertrag keiner Form2. Es gibt jedoch keinen Rechtssatz, dass Vorverträge stets formlos gültig seien; maßgebend ist vielmehr jeweils der Zweck der Formvorschrift für den Hauptvertrag. Zweck des § 2 ist, wie ausgeführt (oben Rdnr. 13), neben der Beweissicherung vor allem der Schutz der Gesellschafter vor einem übereilten Vertragsabschluss. Daraus wird heute überwiegend der Schluss gezogen, dass entsprechend § 2 Abs. 1 auch ein Vorvertrag zu einem Gesellschaftsvertrag der notariellen Beurkundung bedarf3. Ebenso wird die Rechtslage überwiegend in Österreich beurteilt4. Formbedürftig ist außerdem infolge entsprechender Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 eine Vollmacht zum Abschluss eines Vorvertrages5.

83

Vorverträge sind ausgesprochen selten. Ihre Annahme kommt nur in Betracht, wenn besondere Gründe vorliegen, die ausnahmsweise die Parteien veranlassen können, bereits vor Zustandekommen des Hauptvertrags eine Bindung einzugehen6. Bei Vorverträgen zu einem Gesellschaftsvertrag für eine GmbH kommt erschwerend noch das Formerfordernis des § 2 hinaus (oben Rdnr. 83), das in aller Regel nicht beachtet wird7, so dass insgesamt wirksame Vorverträge auf Abschluss eines Gesellschaftsvertrages für eine GmbH äußerst selten sein dürften. Ein praktisches Bedürfnis besteht für sie wohl nur, wenn es sich um hochkomplexe Vertragswerke handelt und die Beteiligten mit Rücksicht auf ihre Aufwendungen für den intendierten Vertragsabschluss bereits jetzt eine vorläufige Sicherheit erreichen wollen. In allen anderen Fällen, d.h. bei Fehlen eines

83a

1 Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 189. 2 So Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 188; Flume, in: FS Geßler, 1971, S. 3, 18 f.; Kießling, S. 18 ff. 3 S. unten § 11 Rdnr. 12; RGZ 66, 116, 120 f.; 106, 174, 176; 130, 73, 75; 149, 385, 395; 156, 129, 138; RG, JW 1929, 645, 647; BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = NJW-RR 1988, 288 = GmbHR 1988, 98 = WM 1988, 163; BGH, LM Nr. 11 zu § 434 BGB = NJW 1992, 362, 363; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 14 (S. 5); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Michalski, Rdnr. 75 und § 11 Rdnr. 7; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 10 (S. 179); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48; K. Schmidt, GesR, § 34 III 2a (S. 1011 f.); Palandt/Heinrichs, BGB, Einf. Vor § 145 Rdnr. 20. 4 OGH SZ Bd. 13 (1931) Nr. 146, S. 531, 533 ff.; Bd. 22 (1949) Nr. 55, S. 132, 135; Bd. 54 (1981) Nr. 69, S. 318, 320 ff. = GesRZ 1981, 178 m. Anm. Ostheim; WiBl. 1992, 374 (für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen); Koppensteiner, öGmbHG, § 3 Rdnr. 18; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 64 f.; Wünsch, öGmbHG, § 2 Anm. 26. 5 Reinicke, NJW 1969, 1830; Michalski, Rdnr. 76 (anders § 11 Rdnr. 7); Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 12 (S. 180); anders für einen Sonderfall BGH, LM Nr. 6 zu § 2 GmbHG = NJW 1969, 1856 = GmbHR 1969, 177; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 13 (S. 5). 6 S. Staudinger/Emmerich, BGB, 2003, Vorbem. 91 zu § 535 m.N. 7 Priester, GmbHR 1995, 481 f.; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 14 (S. 180).

Emmerich

|

283

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

formwirksamen Vorvertrages, darf dagegen mit Rücksicht auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit grundsätzlich selbst aus langwierigen und umfangreichen Verhandlungen der Parteien nicht unter dem Gesichtspunkt der c.i.c. (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB) mittelbar eine Bindung der Parteien abgeleitet werden, etwa über die Annahme von Schadensersatzansprüchen bei „grundlosem“ Abbruch der Vertragsverhandlungen. Die abweichende frühere Praxis ist aufgegeben1. Eine andere Beurteilung kommt heute allenfalls noch bei vorsätzlichen Treuepflichtverletzungen, d.h. bei so schwer wiegenden Verstößen gegen die Treuepflicht in Betracht, dass die Berufung auf die Formnichtigkeit ausnahmsweise treuwidrig ist (§ 242 BGB)2. 84

Das Formerfordernis für Vorverträge entsprechend § 2 (oben Rdnr. 83) besteht nur im Hinblick auf die sich aus einem wirksamen Vorvertrag ergebende Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrages, hier des Gesellschaftsvertrages (oben Rdnr. 80). Verzichten die Parteien auf eine derartige Verpflichtung, so hindert sie nichts, ihre Beziehungen auch schon in der Gründungsphase im Übrigen formlos vertraglich zu regeln3. Darauf beruht die verbreitete Annahme, dass Nebenabreden, die nicht Bestandteil des geplanten Gesellschaftsvertrages werden sollen, bereits in der Gründungsphase formlos vereinbart werden können4. Anders aber im Ergebnis, wenn (wie wohl häufig) die Einigung über die Nebenabreden unter der Bedingung steht, dass es schließlich zum Abschluss des Gesellschaftsvertrages kommt. Hier hängt daher alles von den Umständen des Falles ab5.

84a

Aus vergleichbaren Erwägungen heraus verzichtet die Rechtsprechung außerdem in der Regel auf die Beachtung der Form des § 2 für Abreden, die nicht direkt zur Gründung einer GmbH verpflichten, sondern diese lediglich als Voraussetzung oder Bezug für eine andere Regelung wählen. Der BGH hat daraus den Schluss gezogen, dass Verträge, in denen sich jemand für den Fall der Gründung einer GmbH zur Beteiligung daran oder zur Erbringung von Leistungen verpflichtet6, ebenso wie Treuhandverträge mit Bezug auf zukünftige Geschäftsanteile formlos möglich seien7. Das soll sogar für Verträge gelten, durch

1 So noch BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = NJW-RR 1988, 288 = GmbHR 1988, 98. 2 S. unten § 11 Rdnr. 8; BGH, LM Nr. 144 zu § 276 (Fa) BGB (Bl. 2) = NJW 1996, 1884, 1885; BGH, LM Nr. 11 zu § 225 BGB (Bl. 3) = NJW 2001, 2713, 2714; Emmerich, in: MünchKomm. BGB, 2003, § 311 Rdnr. 182; Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 6. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 71 (S. 121); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; anders noch K. Schmidt, GesR, § 34 III 2a (S. 1012, unter Berufung auf die überholte frühere Rechtsprechung des BGH). 3 Grdlg. für ein Wettbewerbsverbot in Verbindung mit einer Vertragsstrafenabrede OGH, SZ Bd. 54 (1981) Nr. 69, S. 318, 322 = GesRZ 1981, 178; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 50 f.; K. Schmidt, GesR, § 34 III 2a (S. 1012); s. auch unten § 11 Rdnr. 12. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31; Michalski, Rdnr. 75, 77, § 11 Rdnr. 7; Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 349, 358 f.; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 11 (S. 179). 5 Ebenso OGH, SZ Bd. 54 (1981) Nr. 69, S. 318, 321 f. 6 BGH, WM 1969, 291 f. = BB 1969, 772; WM 1973, 68. 7 BGHZ 19, 69, 70 = NJW 1956, 58; insbesondere BGHZ 141, 207, 213 = NJW 1999, 2954 = ZIP 1999, 925 = GmbHR 1999, 907; BGH, WM 1971, 306 = BB 1971, 368.

284

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

die jemand die Verpflichtung übernimmt, für den Vertragspartner als Strohmann an der Gründung einer GmbH mitzuwirken1. Diese Praxis kann jedoch, soweit sich aus den genannten Verträgen zumindest mittelbar eine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Errichtung einer GmbH ergibt, nach dem Gesagten (oben Rdnr. 83) keine Billigung finden (unten § 11 Rdnr. 13).

V. Vorgründungsgesellschaft Als Vorgründungsgesellschaft bezeichnet man die BGB-Gesellschaft, die nach überwiegender Meinung durch den Abschluss eines formgültigen Vorvertrages (s. oben Rdnr. 83) zwischen den Gründern entsteht. Die mit solchen Gesellschaften zusammenhängenden Fragen sind in vielfältiger Weise umstritten. Die Einzelheiten sind an anderer Stelle erörtert (s. unten § 11 Rdnr. 9–20). Im vorliegenden Zusammenhang genügt deshalb ein kurzer Überblick über den Fragenkreis.

85

1. Nach überwiegender Meinung entsteht mit Abschluss eines Vorvertrages zur Errichtung einer GmbH (oben Rdnr. 83) zwischen den Gründern eine BGB-Innengesellschaft, die so genannte Vorgründungsgesellschaft, deren Zweck allein oder doch ganz überwiegend in der Errichtung der Gesellschaft durch formgültigen Abschluss des Gesellschaftsvertrages besteht (unten § 11 Rdnr. 9)2. Ob es dieser Vorstellung tatsächlich bedarf, wird nicht ohne Grund bestritten3. Denn bei Lichte besehen, ist diese so genannte Vorgründungsgesellschaft nichts anderes als die sozusagen gesellschaftsrechtliche Interpretation des durch einen wirksamen Vorvertrag zwischen den Gründern geschaffenen vertraglichen Schuldverhältnisses und mit diesem identisch (s. unten § 11 Rdnr. 9).

86

Anders zu beurteilen ist die Rechtslage, wenn die Gründer schon jetzt, d.h. noch vor Abschluss eines wirksamen Gesellschaftsvertrages nach § 2 (mit oder ohne Abschluss eines Vorvertrages) die geplante gemeinsame Geschäftstätigkeit aufnehmen, wobei unterschiedliche Gestaltungen denkbar sind. Soll z.B. ein schon bestehendes Unternehmen in die geplante Gesellschaft eingebracht werden, so ist es vorstellbar, dass die Gründer vereinbaren, das Unternehmen fortan (nur) im Innenverhältnis bereits auf gemeinsame Rechnung zu betreiben, selbst wenn noch kein formgültiger Gesellschaftsvertrag vorliegt. In diesem Fall entsteht zwischen ihnen eine Innengesellschaft. Um eine Außengesellschaft handelt es sich dagegen, wenn die Geschäftstätigkeit schon gemeinsam gegenüber Dritten aufgenommen wird, wofür Vorbereitungshandlungen wie der

87

1 BGH (vorige Fn.). 2 Ebenso insbesondere OGH SZ Bd. 54 (1981) Nr. 69, S. 318, 320 f. = GesRZ 1981, 178; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32, § 11 Rdnr. 35 ff.; Cebulla, NZG 2001, 972; Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 190; Gehrlein, DB 1996, 561; Ulmer, Rdnr. 48 ff.; Kießling, S. 27 ff.; Kort, DStR 1991, 1317; Michalski, Rdnr. 79 und § 11 Rdnr. 10 f.; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 87; K. Schmidt, GesR, § 11 II 2a (S. 291 f.); K. Schmidt, GmbHR 1982, 6 = GesRZ 1983, 1. 3 S. Flume, in: FS Geßler, S. 3, 17 f.; Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 349, 366 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 53; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 16 ff. (S. 180 f.); Priester, GmbHR 1995, 481, 484 f.

Emmerich

|

285

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

Abschluss von Mietverträgen oder die Einstellung von Personal genügen. Je nach dem Umfang der Geschäftstätigkeit handelt es sich dann bei der auf diese Weise gründeten Gesellschaft um eine BGB-Außengesellschaft oder um eine OHG (§ 705 BGB; §§ 1, 105 HGB). 88

Nimmt man nun an, dass bereits durch Abschluss eines wirksamen Vorvertrages eine Vorgründungsgesellschaft (als Innengesellschaft) zwischen den Gründern entsteht (oben Rdnr. 86), so muss zunächst das Verhältnis dieser Vorgründungsgesellschaft zu der durch die Aufnahme der Geschäftstätigkeit gegründeten Innen- oder Außengesellschaft (oben Rdnr. 87) geklärt werden. Vor allem dieser Fragenkreis ist in letzter Zeit umstritten. Der herkömmlichen Meinung entspricht es wohl, beide Gesellschaften grundsätzlich als identisch anzusehen1. Hier wird dagegen die Meinung vertreten, dass zwischen beiden Gesellschaften sorgfältig zu trennen ist, und zwar auch terminologisch durch die Unterscheidung der Vorgründungsgesellschaft (Rdnr. 86) von der „Mitunternehmerschaft“ im Falle der Aufnahme der Geschäftstätigkeit (s. unten § 11 Rdnr. 14 ff.)2.

89

Für eine Trennung zwischen der Vorgründungsgesellschaft und der so genannten Mitunternehmerschaft spricht zunächst ganz pragmatisch der Umstand, dass Vorgründungsgesellschaften, wenn es sie denn tatsächlich geben sollte, mit Rücksicht auf den Formzwang für Vorverträge nach § 2 (s. oben Rdnr. 83) ausgesprochen selten sein dürften (oben Rdnr. 83a), so dass sich schwierige zusätzliche Fragen stellen, wenn die Beteiligten ohne Abschluss eines formwirksamen Vorvertrages und noch vor Errichtung der Gesellschaft mit der gemeinsamen Geschäftstätigkeit beginnen (oben Rdnr. 87). Daher empfiehlt sich in der Tat die Annahme, dass die so genannte „Mitunternehmerschaft“ in der Gründungsphase von der Existenz einer Vorgründungsgesellschaft auf Grund des Abschlusses eines Vorvertrages unabhängig ist. Denn selbst wenn es nicht zum Abschluss eines formgültigen Vorvertrages und damit zur Entstehung einer wirksamen Vorgründungsgesellschaft kommt, kann bei einer Trennung zwischen Vorgründungsgesellschaft und Mitunternehmerschaft die letztere unbedenklich bei Aufnahme der Geschäftstätigkeit im Innen- oder Außenverhältnis noch während der Gründungsphase angenommen werden. Es verwundert deshalb nicht, dass auch die Rechtsprechung, ohne den Fragenkreis freilich weiter zu vertiefen ist, bisher offenkundig wiederholt von dieser Sicht der Dinge ausgegangen ist3. Auch die übrige veröffentlichte Rechtsprechung zur „Vorgründungsgesellschaft“ betrifft im Wesentlichen Fälle, in denen in Wirklichkeit eine „Mitunternehmer1 S. Michalski, Rdnr. 79; Kießling, S. 31 f.; BGH, ZIP 2004, 1208 (1209). 2 Ebenso Michalski, § 11 Rdnr. 20, 22; Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 349, 365 ff.; insbesondere Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 18 ff. (S. 181 ff.); K. Schmidt, GesR, §§ 11 II 2c, 34 III 2b (S. 292, 1012 f.); K. Schmidt, GmbHR 1982, 6 = GesRZ 1983, 1; dagegen Kießling, S. 37 ff. 3 S. RG, JW 1929, 645, 647; BGH, GmbHR 1985, 115 = NJW 1985, 1828; BGH, GmbHR 1985, 214 = WM 1985, 479; LM Nr. 11 zu § 434 BGB = NJW 1992, 362, 363 („Vorgründungsgesellschaft im weiteren Sinne“); OLG Karlsruhe, GmbHR 1988, 482; OLG Düsseldorf, BB 1987, 1624; OLG Köln, NZG 2000, 151, 152 = DB 2000, 866, 867 = GmbHR 2000, 34 (nur Leitsatz); OGH SZ Bd. 54 (1981) Nr. 69, S. 318, 320 ff. = GesRZ 1981, 178; s. dazu Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 33 (S. 12 f.); Ostheim, GesRZ 1981, 181; K. Schmidt, GmbHR 1982, 6 = GesRZ 1983, 1.

286

|

Emmerich

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

schaft“ vorlag, d.h. Fälle, in denen die Gründer bereits mit der Geschäftstätigkeit noch vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages begonnen hatten1. 2.a) Die Vorgründungsgesellschaft ist nach h.M. weder mit der Vorgesellschaft noch mit der späteren GmbH identisch. Ihre Rechte und Verbindlichkeiten gehen daher nicht automatisch mit Errichtung des Gesellschaftsvertrages (§ 2) auf die Vorgesellschaft oder später mit Eintragung der Gesellschaft (§ 11 Abs. 1) auf diese über; sie müssen vielmehr einzeln übertragen oder übernommen werden2. Die Leistung der Stammeinlage in der Gründungsphase an die „Mitunternehmerschaft“ hat daher nur dann befreiende Wirkung, wenn bei Übertragung des Vermögens dieser Gesellschaft auf die Vorgesellschaft oder die GmbH die geleistete Stammeinlage noch unterscheidbar in dem Vermögen der Mitunternehmerschaft vorhanden ist, sonst grundsätzlich nicht3.

89a

b) Die Parteien können vereinbaren, dass aus dem Vertrag mit der „Mitunternehmenschaft“ die zukünftige Vor-GmbH oder GmbH berechtigt sein soll (§ 328 BGB). Außerdem kommt von Fall zu Fall in Betracht, die zukünftige Vor-GmbH oder GmbH in den Schutzbereich des mit der „Mitunternehmerschaft“ abgeschlossenen Vertrages einzubeziehen, so dass sie bei Verletzung des Vertrages eigene Ansprüche haben4.

90

3. Betreiben die Gründer schon in der Gründungsphase, d.h. noch vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2), im Außenverhältnis ein Unternehmen gemeinsam (s. oben Rdnr. 87), so entsteht zwischen ihnen je nach Geschäftsumfang eine BGB-Gesellschaft oder eine OHG (§ 705 BGB; §§ 1, 105 HGB). Aus den fraglichen Geschäften wird daher diese Gesellschaft berechtigt und verpflichtet, nicht etwa die zukünftige Vorgesellschaft oder GmbH (§ 124 Abs. 1 HGB), wobei es keine Rolle spielt, unter welcher Bezeichnung die Gründer auftreten. Auch wenn sie für eine (gar nicht vorhandene) „GmbH in Gründung“, „Vor-GmbH“ oder „GmbH“ auftreten, wird doch nach den Grundsätzen über unternehmensbezogene Geschäfte allein die genannte Gesellschaft berechtigt und verpflichtet (s. unten § 11 Rdnr. 17 ff.). Eine Verpflichtung der zukünf-

91

1 S. BGHZ 91, 148, 151 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316; BGH, LM Nr. 30 zu § 11 GmbHG = NJW 1982, 932 = GmbHR 1982, 183; BGH, LM Nr. 32 zu § 11 GmbHG = NJW 1983, 2822 = GmbHR 1984, 41; BGH, GmbHR 1985, 114 = WM 1984, 1507; BGH, GmbHR 1985, 115 = NJW 1985, 1828. 2 S. unten § 11 Rdnr. 20; BGHZ 91, 148, 151 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316; BGH, LM Nr. 32 zu § 11 GmbHG = GmbHR 1984, 41; BGH, LM Nr. 15 zu § 19 GmbHG = NJW 1992, 2698 = GmbHR 1992, 601, 602; BGH, LM Nr. 11 zu § 434 BGB = NJW 1992, 362, 363; OLG Hamm, GmbHR 1993, 105; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 398, 399; OLG Köln, NZG 2000, 151, 152 = DB 2000, 866, 867; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 11 Rdnr. 38; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 34 (S. 13); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 11 Rdnr. 2; Michalski, Rdnr. 80 und § 11 Rdnr. 26; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 43 (S. 186); K. Schmidt, GesR, § 34 III 2b (S. 1012 ff.); K. Schmidt, GmbHR 1998, 613; anders aber Roth, in: Roth/Altmeppen, § 11 Rdnr. 74; andeutungsweise auch OLG Köln, NZG 2000, 151, 152 = DB 2000, 866, 867. 3 BGH, LM Nr. 15 zu § 19 GmbHG = NJW 1992, 2698 = GmbHR 1992, 601, 602; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 398, 399. 4 So BGH, LM Nr. 75 zu § 249 (A) BGB = NJW 1986, 581 für einen Beratungsvertrag zwischen einer Vorgründungsgesellschaft und einem Rechtsanwalt.

Emmerich

|

287

§2

Form des Gesellschaftsvertrages

tigen Vorgesellschaft oder GmbH kommt nur in Betracht, wenn das fragliche Geschäft ausdrücklich unter Offenlegung der Rechtsverhältnisse mit Einverständnis des anderen Teils für die zukünftige Gesellschaft abgeschlossen wird, so dass der Vertrag als aufschiebend bedingt durch die Entstehung der Vorgesellschaft oder der GmbH angesehen werden kann1. Solche Annahme bedarf aber eindeutiger Abreden, da im Zweifel nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich der andere Vertragsteil mit einem aufschiebend bedingten Vertragsabschluss einverstanden erklärt. 92

4.a) Für die Verbindlichkeiten der „Mitunternehmerschaft“ haften die Gesellschafter, mag sie BGB-Gesellschaft oder OHG sein, entsprechend § 128 HGB unbeschränkt und unbeschränkbar persönlich, außer wenn mit dem Gläubiger im Einzelfall etwas anderes vereinbart wird2. Davon geht auch die Rechtsprechung aus3. Diese Haftung erlischt auch nicht etwa automatisch mit Errichtung oder Eintragung der Gesellschaft (§§ 2, 11), sondern besteht grundsätzlich fort, bis die Verbindlichkeit erfüllt ist (§ 362 BGB)4. Im Einzelfall kann zwar etwas anderes mit dem Gläubiger vereinbart werden (§ 415 BGB); die Beweislast für eine derartige, ungewöhnliche Abrede tragen aber die Gesellschafter5. Keine Anwendung findet außerdem im Vorgründungsstadium nach jetzt h.M. die Handelndenhaftung des § 11 Abs. 26.

93

b) Dieselben Grundsätze sind im Falle einer Einpersonengründung anzuwenden, wenn der Gründer bereits vor Errichtung des Gesellschaftsvertrages (§ 2) mit der Geschäftstätigkeit im Namen der zukünftigen Vorgesellschaft oder der

1 So wohl OLG Celle, OLGR 1999, 90 = GmbHR 1999, 612 (nur LS); OLG Stuttgart, NZG 2001, 86 (nur LS) = GmbHR 2001, 200 (nur LS). 2 S. im Einzelnen unten § 11 Rdnr. 16 sowie Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 11 Rdnr. 37; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 11 Rdnr. 2; Michalski, § 11 Rdnr. 27 ff.; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 36 ff. (S. 184 f.); Roth, in: Roth/Altmeppen, § 11 Rdnr. 71; K. Schmidt, GesR, § 34 III 2c (S. 1014 ff.); K. Schmidt, GmbHR 1998, 613. 3 S. unten § 11 Rdnr. 16 ff.; BGHZ 91, 148, 151 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316; BGH, LM Nr. 30 zu § 11 GmbHG = GmbHR 1982, 183; BGH, LM Nr. 32 zu § 11 GmbHG = GmbHR 1984, 41; BGH, GmbHR 1985, 115 = NJW 1985, 1828; BGH, GmbHR 1985, 214 = WM 1985, 479; BGH, LM Nr. 40 zu § 11 GmbHG = NJW 1998, 1645 = GmbHR 1998, 633, 634; OLG Karlsruhe, GmbHR 1988, 482 f.; OLG Düsseldorf, BB 1987, 1624 f.; OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 216 = AG 1997, 330. 4 BGH, GmbHR 1992, 164; BGH, LM Nr. 40 zu § 11 GmbHG = GmbHR 1998, 633, 634; OLG Hamm, GmbHR 1993, 105; K. Schmidt, GmbHR 1998, 613. 5 BGH, LM Nr. 30 zu § 11 GmbHG = GmbHR 1982, 183; BGH, LM Nr. 32 zu § 11 GmbHG = GmbHR 1984, 41; BGH, LM Nr. 40 zu § 11 GmbHG = NJW 1998, 1645 = GmbHR 1998, 633, 634; GmbHR 1985, 214 = WM 1985, 479; GmbHR 1992, 164; OLG Hamm, GmbHR 1993, 105; OLG Karlsruhe, GmbHR 1988, 482; OLG Düsseldorf, BB 1987, 1624; OLG Celle, GmbHR 1999, 612 = OLGR 1999, 90; LG Düsseldorf, GmbHR 1986, 235; LG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 874; Brandes, WM 1983, 286, 289; Gehrlein, NJW 1998, 2651; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 35 (S. 13); K. Schmidt, GmbHR 1998, 613, 616. 6 S. unten § 11 Rdnr. 18; BGHZ 91, 148, 151 f. = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316; BGH, GmbHR 1985, 214 = WM 1985, 479; OLG Hamm, GmbHR 1993, 105; Michalski/ Sixt, in: FS Boujong, S. 349, 371; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 40 (S. 185); K. Schmidt, GesR, § 34 III 2d (S. 1015 f.).

288

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

zukünftigen GmbH beginnen sollte. Ohnehin verbietet sich die Annahme einer besonderen Vorgründungsgesellschaft in derartigen Fällen wohl von selbst1. 5.a) Die durch Abschluss eines formgültigen Vorvertrages begründete Vorgründungsgesellschaft (oben Rdnr. 86) wird nach h.M. mit Errichtung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) gem. § 726 BGB aufgelöst und, sofern kein Gesellschaftsvermögen gebildet würde, zugleich auch beendet2. Das trifft aber nur für die Vorgründungsgesellschaft zu, die nach h.M. bereits mit Abschluss des Vorvertrages zu Stande kommen soll (oben Rdnr. 86). Anders zu behandeln ist dagegen die „Mitunternehmerschaft“, die als BGBAußengesellschaft oder OHG entsteht, wenn die Gründer schon in der Gründungsphase mit dem Geschäftsbetrieb beginnen (oben Rdnr. 87). Diese Gesellschaft löst sich keineswegs mit Errichtung der GmbH durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) „in Luft auf“; vielmehr wird sie erst mit Übertragung des Unternehmens auf die Vorgesellschaft oder die endgültige GmbH beendet (oben Rdnr. 89 f.).

94

b) Nimmt man eine Vorgründungsgesellschaft mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages an, so scheidet für den Regelfall eine ordentliche Kündigung dieser Gesellschaft aus, da der Vertrag für eine bestimmte Zeit (s. § 2) eingegangen ist (§ 723 Abs. 1 Satz 1 BGB)3. Der Gesellschaftsvertrag ist vielmehr vorher grundsätzlich nur nach § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB aus wichtigem Grunde kündbar4. Einen solchen Grund stellt namentlich die übermäßige Verzögerung der Errichtung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages dar5. Belässt man es bei der Annahme eines Vorvertrages (s. oben Rdnr. 86), so folgt dasselbe zwanglos aus § 314 BGB.

95

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages (1) Der Gesellschaftsvertrag muss enthalten: 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft, 2. den Gegenstand des Unternehmens, 3. den Betrag des Stammkapitals, 1 BGH, LM Nr. 15 zu § 19 GmbHG = NJW 1992, 2698 = GmbHR 1992, 601, 602; OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 216 = WiB 1997, 466 = AG 1997, 330; anders offenbar OLG Hamm, GmbHR 1993, 105, 106 (Einmann-BGB-Gesellschaft?). 2 S. unten § 11 Rdnr. 13, 19 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 11 Rdnr. 39; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 32 (S. 12); Michalski, Rdnr. 81; Priester, GmbHR 1995, 481, 485 f.; anders aber Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 349, 360, 369; Priester, in: MünchHdb. III, Rdnr. 42 (S. 185). 3 S. unten § 11 Rdnr. 13; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 34. 4 S. unten § 11 Rdnr. 13; Kießling, S. 43 ff.; Priester, GmbHR 1995, 481, 485 f. 5 RGZ 87, 164, 166 = HoldheimsMS 25 (1916), 204 (für die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung); Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 190 f.

Emmerich

|

289

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

zukünftigen GmbH beginnen sollte. Ohnehin verbietet sich die Annahme einer besonderen Vorgründungsgesellschaft in derartigen Fällen wohl von selbst1. 5.a) Die durch Abschluss eines formgültigen Vorvertrages begründete Vorgründungsgesellschaft (oben Rdnr. 86) wird nach h.M. mit Errichtung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) gem. § 726 BGB aufgelöst und, sofern kein Gesellschaftsvermögen gebildet würde, zugleich auch beendet2. Das trifft aber nur für die Vorgründungsgesellschaft zu, die nach h.M. bereits mit Abschluss des Vorvertrages zu Stande kommen soll (oben Rdnr. 86). Anders zu behandeln ist dagegen die „Mitunternehmerschaft“, die als BGBAußengesellschaft oder OHG entsteht, wenn die Gründer schon in der Gründungsphase mit dem Geschäftsbetrieb beginnen (oben Rdnr. 87). Diese Gesellschaft löst sich keineswegs mit Errichtung der GmbH durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) „in Luft auf“; vielmehr wird sie erst mit Übertragung des Unternehmens auf die Vorgesellschaft oder die endgültige GmbH beendet (oben Rdnr. 89 f.).

94

b) Nimmt man eine Vorgründungsgesellschaft mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages an, so scheidet für den Regelfall eine ordentliche Kündigung dieser Gesellschaft aus, da der Vertrag für eine bestimmte Zeit (s. § 2) eingegangen ist (§ 723 Abs. 1 Satz 1 BGB)3. Der Gesellschaftsvertrag ist vielmehr vorher grundsätzlich nur nach § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB aus wichtigem Grunde kündbar4. Einen solchen Grund stellt namentlich die übermäßige Verzögerung der Errichtung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages dar5. Belässt man es bei der Annahme eines Vorvertrages (s. oben Rdnr. 86), so folgt dasselbe zwanglos aus § 314 BGB.

95

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages (1) Der Gesellschaftsvertrag muss enthalten: 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft, 2. den Gegenstand des Unternehmens, 3. den Betrag des Stammkapitals, 1 BGH, LM Nr. 15 zu § 19 GmbHG = NJW 1992, 2698 = GmbHR 1992, 601, 602; OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 216 = WiB 1997, 466 = AG 1997, 330; anders offenbar OLG Hamm, GmbHR 1993, 105, 106 (Einmann-BGB-Gesellschaft?). 2 S. unten § 11 Rdnr. 13, 19 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 11 Rdnr. 39; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 32 (S. 12); Michalski, Rdnr. 81; Priester, GmbHR 1995, 481, 485 f.; anders aber Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 349, 360, 369; Priester, in: MünchHdb. III, Rdnr. 42 (S. 185). 3 S. unten § 11 Rdnr. 13; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 34. 4 S. unten § 11 Rdnr. 13; Kießling, S. 43 ff.; Priester, GmbHR 1995, 481, 485 f. 5 RGZ 87, 164, 166 = HoldheimsMS 25 (1916), 204 (für die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung); Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 190 f.

Emmerich

|

289

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

4. den Betrag der von jedem Gesellschafter auf das Stammkapital zu leistenden Einlage (Stammeinlage). (2) Soll das Unternehmen auf eine gewisse Zeit beschränkt sein oder sollen den Gesellschaftern außer der Leistung von Kapitaleinlagen noch andere Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden, so bedürfen auch diese Bestimmungen der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. Text seit 1892 unverändert. Inhaltsübersicht I. Überblick . . . . . . . . . . . .

1

II. Mängel . . . . . . . . . . . . .

5

III. Gegenstand des Unternehmens 9 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Individualisierung . . . . . . . 12 3. Änderung . . . . . . . . . . . . 18 IV. Vorratsgründung und Mantelkauf 1. Überblick . . . . . . . . . . 2. Vorratsgründung a) Zulässigkeit . . . . . . . b) Wirtschaftliche Neugründung . . . . . . . . . . . c) Registerrecht . . . . . . . d) Unterbilanzhaftung . . . e) Handelndenhaftung . . .

. . 21 . . 26 . . . .

. . . .

27 29 33 35

3. Mantelkauf a) Überblick . . . . . . . . . . . 37 b) Registerrecht . . . . . . . . . 41 c) Unterbilanzhaftung? . . . . . 44 V. Stammkapital . . . . . . . . . . 47 VI. Stammeinlagen 1. Überblick . . . . . . . . . . . . 51 2. Änderung . . . . . . . . . . . . 55 3. Person der Gesellschafter . . . 59 VII. Zeitbestimmung

VIII. Nebenleistungspflichten . . . 1. Begründung . . . . . . . . . .

68 70

2. Geldleistungen . . . . . . . . 3. Sachleistungen . . . . . . . .

74 76

4. Dienstleistungen . . . . . . . 5. Entgelt . . . . . . . . . . . . .

77 78

6. Übergang . . . . . . . . . . . 7. Leistungsstörungen, Kündigung . . . . . . . . . . . . . . 8. Beendigung . . . . . . . . . .

80 82 87

IX. Wettbewerbsverbot . . . . . . 1. Nebenleistungspflicht (§ 3 Abs. 2) . . . . . . . . . . . 2. Treuepflicht . . . . . . . . . .

88 89 92

3. Geschäftschancenlehre . . . .

98

X. Sonderrechte der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . 100 XI. Unechte Satzungsbestandteile 1. Überblick . . . . . . . . . . . 102 2. Zulässigkeit, Beispiele . . . . 105 3. Abgrenzung . . . . . . . . . . 107 4. Vereinbarung . . . . . . . . . 110 XII. Gesellschaftervereinbarungen 1. Überblick . . . . . . . . . . . 114 2. Rechtliche Behandlung . . . . 118

1. Überblick . . . . . . . . . . . . 60 2. Vereinbarung . . . . . . . . . . 64 Schrifttum: Ehricke, Checkliste zur Nutzungsüberlassung von Gegenstände an eine GmbH als eigenkapitalersetzendes Darlehen – Voraussetzungen und Folgen, WiB 1995, 927; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 17 ff. (S. 6 ff.); Gottwald, Staatliche Genehmigungserfordernisse bei GmbH-Gründungen, MittBayNot 2001, 164; Heinrich, in: MünchHdb. III, §§ 5, 19 (S. 40, 256 ff.); Hommelhoff, Gestaltungsfreiheit im GmbHRecht, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, 1998,

290

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

S. 36; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 112 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 26 Rdnr. 24 ff. (S. 384 ff.); v. Reinersdorff, Musterklauseln für GmbHVerträge, WiB 1994, 47, 92, 130; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 34 II 2 (S. 1001 ff.); Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998.

I. Überblick § 3 regelt in Abs. 1 den obligatorischen Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages. Dazu gehören auch die Beitritts- oder Beteiligungserklärungen der Gründer (s. oben § 2 Rdnr. 10). Abs. 2 des § 3 fügt hinzu, dass bestimmte andere Regelungen, wenn sie für die Gesellschaft Gültigkeit haben sollen, ebenfalls der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag bedürfen (sog. fakultativer Vertragsinhalt). Vergleichbare Regelungen finden sich an zahlreichen anderen Stellen des Gesetzes; hervorzuheben sind die §§ 5 Abs. 4 Satz 1, 15 Abs. 5, 17 Abs. 3, 19 Abs. 3, 26 Abs. 1, 34 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 60 Abs. 2. Die Gesellschafter können außerdem beliebige andere Fragen mit Bezug auf ihr Verhältnis und auf ihr Verhältnis zur Gesellschaft in dem Gesellschaftsvertrag regeln, da insoweit Vertragsfreiheit besteht (s. oben § 2 Rdnr. 11). Bei solchen Regelungen ist jeweils zu prüfen, ob sie nur individualrechtliche oder körperschaftliche Bedeutung haben sollen, so dass sie auch zukünftige Gesellschafter binden und nur im Wege der Satzungsänderung geändert werden können (s. oben § 2 Rdnr. 37 ff.).

1

Aus dem Gesagten (oben Rdnr. 1) folgt, dass man (zumindest) die folgenden drei Vertragsbestandteile zu unterscheiden hat, nämlich 1. den zwingenden Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages (§ 3 Abs. 1), 2. die weiteren echten, aber fakultativen Vertragsbestandteile (s. dazu unten Rdnr. 60 ff.) sowie 3. die unechten Vertragsbestandteile, die ihre Regelung genauso gut außerhalb des Vertrags finden könnten. Hinzutreten schließlich noch 4. sonstige Nebenabreden der Gesellschafter, die von vornherein außerhalb des Gesellschaftsvertrags (der Satzung) getroffen werden, heute meistens Gesellschaftervereinbarungen oder -absprachen genannt1. Ebenso ist die Rechtslage in Österreich, wie sich im Einzelnen aus den §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 4 und § 8 öGmbHG ergibt.

2

Üblich sind in der Praxis – über die §§ 3 bis 5 hinaus – vor allem noch Abreden über die Übernahme der Gründungskosten durch die Gesellschaft, die Festsetzung des Geschäftsjahres2, Bestimmungen über die Vinkulierung der Anteile, über Austritts- und Ausschließungsrechte, über die Abfindung ausgeschiedener Gesellschafter, über die Geschäftsführung und Vertretung sowie über das Gesellschaftsblatt3.

3

Zu dem obligatorischen Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages gehören nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 (= § 4 Abs. 1 Nr. 1 öGmbHG) zunächst die Bestimmung der

4

1 S. unten Rdnr. 114 ff.; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 17 f. (S. 6); Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 6 ff. (S. 40 ff.); Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 17–20; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 1. 2 Grdlg. OGH SZ Bd. 70 II (1997) Nr. 151, S. 145, 148 = GesRZ 1998, 39 = WiBl. 1997, 489. 3 S. Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 6a (S. 41).

Emmerich

|

291

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Firma und des Sitzes der Gesellschaft. Die Einzelheiten regeln für die Firma § 4 und für den Sitz der Gesellschaft der neue § 4a. Wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu diesen Vorschriften zu verweisen.

II. Mängel 5

1. Die Einhaltung des § 3 wird im Eintragungsverfahren vom Registergericht geprüft. Jeder Verstoß gegen § 3 führt zur Ablehnung der Eintragung (§ 9c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1)1. Kommt es jedoch, aus welchen Gründen immer, trotz des Verstoßes gegen § 3 zur Eintragung der Gesellschaft, so wird die Mehrzahl der Mängel geheilt (s. oben § 2 Rdnr. 72 ff.). Etwas anderes gilt nach § 75 nur, wenn der Gesellschaftsvertrag überhaupt keine Bestimmungen über die Hohe des Stammkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens enthält oder wenn die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über den Gegenstand des Unternehmens nichtig sind (s. § 3 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 GmbHG i.V.m. §§ 134 und 138 BGB). Nur in diesen Fällen kommt auch nach § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG eine Amtslöschung in Betracht. Nach § 76 können jedoch Mängel, die die Bestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens betreffen, durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafter geheilt werden.

6

Anders ist die Rechtslage, wenn Angaben über die Firma und den Sitz der Gesellschaft oder über den Betrag der Stammeinlagen fehlen oder wenn die hierauf bezüglichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nichtig sind. In diesen Fällen ist ebenso wenig wie bei der Nichtigkeit sonstiger Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages Raum für die Anwendung des § 75 GmbHG oder des § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG; möglich bleibt jedoch seit 1969 das Beanstandungsverfahren nach § 144a Abs. 4 FGG i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG.

7

2. Von den bisher behandelten Fällen (oben Rdnr. 5 f.) muss ferner der Fall unterschieden werden, dass die Angabe des Unternehmensgegenstandes (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) lediglich der nötigen Individualisierung ermangelt, etwa, weil sie unvollständig oder ungenau oder zu allgemein ist (s. unten Rdnr. 12 ff.). In diesem Fall liegt – mangels Anwendbarkeit der §§ 134 oder 138 BGB – grundsätzlich kein Nichtigkeitsgrund vor, solange nicht die Grenze des § 117 BGB überschritten ist (unten Rdnr. 9, 13). Man spricht in solchen Fällen häufig auch von einem bloßen Ordnungsmangel, bei dem es sich nur um ein Eintragungshindernis handelt (§ 9c Abs. 1 und 2 Nr. 1). Kommt es gleichwohl zur Eintragung der Gesellschaft, so wird jedoch der Mangel geheilt. Für eine Anwendung des § 75 GmbHG oder des § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG ist kein Raum2.

8

3. Bei einem Vorvertrag werden nicht dieselben strengen Anforderungen an die Bestimmtheit des Vertrages wie bei dem endgültigen Gesellschaftsvertrag auf Grund des § 3 gestellt (s. oben § 2 Rdnr. 78 ff.). Von Fall zu Fall kann deshalb ein gegen § 3 verstoßender und deshalb vom Registergericht zurückgewiesener

1 S. Michalski, Rdnr. 3 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4 f. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Michalski, Rdnr. 13; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 9.

292

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Gesellschaftsvertrag als Vorvertrag aufrechterhalten werden, woraus sich dann die Verpflichtung der Gesellschafter ergibt, an einer Änderung des Vertrages, die den Vertrag eintragungsfähig macht, mitzuwirken. Generell kann dies aber nicht angenommen werden1.

III. Gegenstand des Unternehmens Schrifttum: Arnold, GesRZ 1991, 18; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 19 f. (S. 7 f.); Groschuff, DR 1939, 722; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 42–45 (S. 272 ff.); Jeck, DB 1978, 862; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 216 ff.; Petzoldt, DB 1977, 1783; Sachs, DNotZ 1976, 355; Salch, GmbHR 1971, 251; Sina, WRP 2000, 1019 = GmbHR 2001, 661; Sudhoff, GmbHR 1969, 242; 1977, 218; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998; Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 2000, S. 65 ff.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 muss der Gesellschaftsvertrag den Gegenstand des Unternehmens (der Gesellschaft) enthalten (ebenso § 23 Abs. 3 Nr. 2 Hs. 2 AktG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 öGmbHG). Die Gesetzesverfasser haben dieser Angabe besondere Bedeutung beigemessen, wie daran deutlich wird, dass bei ihrem Fehlen oder bei ihrer Nichtigkeit die Gesellschaft auf Klage für nichtig erklärt werden kann (§ 75 Abs. 1; § 275 Abs. 1 Satz 1 AktG). Außerdem kann die Gesellschaft dann von Amts wegen gelöscht werden (§ 144 Abs. 1 Satz 2 FGG). Nichtig ist die Bestimmung des Unternehmensgegenstandes vor allem, wenn sie gesetz- oder sittenwidrig ist (§§ 134, 138 BGB) oder nur zum Schein erfolgte (§ 117 BGB)2. Davon zu unterscheiden ist der Fall einer bloß unvollständigen oder ungenauen Angabe des Unternehmensgegenstandes, in dem lediglich ein Eintragungshindernis vorliegt (§ 9c), jedoch nach Eintragung der Gesellschaft kein Raum mehr für die Anwendung des § 75 GmbHG oder des § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG ist (oben Rdnr. 7).

9

1. Zweck Wie bereits ausgeführt (s. oben § 1 Rdnr. 2), versteht man unter dem Unternehmensgegenstand (im Gegensatz zum Gesellschaftszweck) den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft, d.h. die Aktivitäten, durch die die Gesellschaft ihren erwerbswirtschaftlichen oder sonstigen Zweck verfolgt. Mit dem Erfordernis, (nur) den Gegenstand bereits im Gesellschaftsvertrag festzulegen, verfolgt das Gesetz unterschiedliche Zwecke3. Zunächst wird erreicht, dass die Entscheidung über den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft – als grundlegende Strukturentscheidung – in der Hand der Gesellschafter bleibt. Die Kehrseite ist die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis (nicht der Vertretungsmacht) der Geschäftsführer auf den von den Gesellschaftern durch den Gegenstand definierten Tätigkeitsbereich der Gesellschaft (§ 37 Abs. 1), nicht zuletzt im Inter-

1 Anders wohl Michalski, Rdnr. 4. 2 S. oben Rdnr. 7 und unten Rdnr. 13 sowie unten § 75 Rdnr. 11; grdlg. BGHZ 117, 323, 333 ff. = NJW 1992, 1824 = ZIP 1992, 689 = AG 1992, 227 = GmbHR 1992, 451; Kraft, DStR 1993, 101, 103 f.; J. Meyer, ZIP 1994, 1661, 1663 ff.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 221 ff. 3 S. Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 68 ff.

Emmerich

|

293

10

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

esse des Schutzes der Minderheit gegen eine unkontrollierbare Vergrößerung ihrer Risiken. Außerdem sollen die beteiligten Verkehrskreise auf Grund der Eintragung des Gegenstandes ins Handelsregister zumindest in den Grundzügen über den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft informiert werden. Insoweit kommt der Angabe des Unternehmensgegenstandes im Gesellschaftsvertrag auch eine gewisse Publizitätsfunktion zu. Die Angabe des Gegenstandes soll ferner dem Registergericht die Prüfung ermöglichen, ob die Gesellschaft einen erlaubten Zweck verfolgt und ob ihre Tätigkeit einer staatlichen Genehmigung bedarf (s. §§ 8 Abs. 1 Nr. 6, 9c)1. Schließlich kommt der Angabe des Gegenstandes der Gesellschaft in dem Gesellschaftsvertrag auch noch für die Konkretisierung der Treuepflicht der Gesellschafter (s. unten § 13 Rdnr. 36 ff.) eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu2. 11

Anders als der Unternehmensgegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) braucht der von diesem zu unterscheidende Zweck der Gesellschaft im Vertrag grundsätzlich nicht genannt zu werden3. Zu erwägen ist jedoch mit Rücksicht auf das legitime Informationsinteresse der Allgemeinheit und der später hinzutretenden Gesellschafter eine Ausnahme, wenn die Gesellschaft einen unüblichen, aus dem Rahmen fallenden Zweck wie z.B. gemeinnützige oder religiöse Zwecke verfolgt4. Zu beachten ist außerdem, dass nach Steuerrecht die Anerkennung gemeinnütziger Gesellschaften davon abhängt, dass ihr besonderer Zweck möglichst präzise in dem Vertrag genannt wird (§§ 59 und 60 Abs. 1 AO)5.

2. Individualisierung 12

a) Der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 2 unterscheidet sich in auffälliger Weise von dem der Parallelvorschrift des AktG (§ 23 Abs. 3 Nr. 2). Denn während sich § 3 Abs. 1 Nr. 2 (ebenso wie § 6 Nr. 2 GenG) darauf beschränkt, (ganz allgemein) die Angabe des Gegenstandes des Unternehmens im Gesellschaftsvertrag zu verlangen, ist nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 Hs. 2 AktG zusätzlich erforderlich, dass bei Industrie- und Handelsunternehmen namentlich die Art der Erzeugnisse und Waren, die hergestellt und gehandelt werden sollen, näher angegeben werden. Wegen dieser unterschiedlichen Fassung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG und des § 2 Nr. 2 AktG ist umstritten, mit welcher Genauigkeit im Gesellschafts-

1 BGH, BB 1981, 450 = WM 1981, 163 (insoweit nicht in BGHZ 78, 311 abgedruckt); BayObLGZ 1975, 447 f.; BayObLGZ 1993, 319, 320 f. = NJW-RR 1994, 227 = GmbHR 1994, 60; BayObLGZ 1994, 224, 225 f. = GmbHR 1994, 705 = NJW-RR 1995, 31 = ZIP 1994, 1528 = BB 1994, 1811; BayObLG, GmbHR 1995, 722 = NJW-RR 1996, 413 = BB 1995, 1814; BayObLG, GmbHR 2000, 872 = NJW-RR 2001, 898 = NZG 2000, 987, 988; OGH SZ 63 I (1990) Nr. 87 S. 431, 436; OGH, GesRZ 1991, 46, 48 = RdW 1990, 444; OLG Köln, OLGZ 1981, 428, 430; OLG Stuttgart, Justiz 1980, 48, 49; Michalski, Rdnr. 7; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 42 (S. 272); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 45, 68 ff. 2 Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 19 (S. 7). 3 S. oben § 1 Rdnr. 3; OLG Wien, NZ 1983, 94 = HS 12.314. 4 Ebenso Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; noch weiter gehend Flume, Juristische Person, § 9 II (S. 323 f.). 5 S. oben § 1 Rdnr. 3; Priester, GmbHR 1999, 149, 151.

294

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

vertrag einer GmbH der Unternehmensgegenstand, d.h. der konkrete Tätigkeitsbereich der Gesellschaft zu nennen ist. Die frühere Praxis war in dieser Beziehung ausgesprochen großzügig1. Dagegen wird heute meistens in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Nr. 2 Hs. 2 AktG und unter Berufung auf den Zweck der Regelung (oben Rdnr. 10) die nähere Individualisierung und Konkretisierung der Angaben über den Unternehmensgegenstand verlangt, so dass zumindest der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft für die Beteiligten aus den Angaben im Gesellschaftsvertrag erkennbar sein muss. Die Angaben müssen mit anderen Worten (zumindest) so konkret sein, dass die interessierten Verkehrskreise aus dem Vertrag ablesen können, in welchem Geschäftszweig (Branche) und auf welcher Weise sich die Gesellschaft betätigen will2. Die Angabe des Unternehmensgegenstandes muss außerdem der Wahrheit entsprechen3. Das folgt schon aus § 117 BGB, nach dem die Angabe eines fiktiven Unternehmensgegenstandes zur Nichtigkeit der betreffenden Klausel (oben Rdnr. 9) und damit grundsätzlich auch zur Nichtigkeit des ganzen Gesellschaftsvertrages führt (§ 75)4. Gleich steht der Fall, dass die Gesellschafter auf absehbare Zeit gar nicht die Absicht haben, die als Unternehmensgegenstand bezeichnete Tätigkeit zu verfolgen5.

13

b) In Österreich wird die Rechtslage überwiegend ebenso wie in Deutschland beurteilt6. Jedoch tendiert der OGH neuerdings wohl dazu, geringere Anforderungen an die Individualisierung des Unternehmensgegenstandes im Gesellschaftsvertrag zu stellen, da er sich in einzelnen Fällen bereits mit einer ganz allgemeinen Umschreibung der geplanten Tätigkeit, etwa entsprechend der GewO begnügt hat7.

14

1 RGZ 62, 96, 98; RG, JW 1916, 745. 2 BGH, BB 1981, 450 = WM 1982, 163; BayObLGZ 1975, 447, 448; BayObLGZ 1993, 224, 226 f. = NJW-RR 1994, 227 = GmbHR 1994, 60; BayObLGZ 1994, 224, 225 f. = GmbHR 1994, 705 = NJW-RR 1995, 31; BayObLG, GmbHR 1995, 722 = NJW-RR 1996, 413; BayObLG, GmbHR 1996, 360; 2000, 872 = NJW-RR 2001, 898 = NZG 2000, 987, 988; BayObLG, Rpfl. 2003, 301 = GmbHR 2003, 414; KG, KGJ 34 A 139; 52, 97; OLG Hamburg, GmbHR 1968, 118 = BB 1968, 267; OLG Hamburg, NZG 2005, 930, 931; OLG Hamm, GmbHR 1961, 163; OLG Frankfurt, OLGZ 1979, 493, 495; OLG Frankfurt, OLGZ 1987, 40 = NJW-RR 1987, 287 = GmbHR 1987, 131; OLG Köln, OLGZ 1981, 428, 430 f.; OLG Stuttgart, Justiz 1980, 48, 49; öVwGH, WiBl. 1994, 215 = HS 24.138; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Goette, § 1 Rdnr. 19 (S. 7); Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 43 (S. 272 f.); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Michalski, Rdnr. 8 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6 f.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 118 ff.; Beispiele s. unten Rdnr. 16. 3 Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 118 f. 4 S. oben Rdnr. 9; grdlg. BGHZ 117, 323, 333 ff. = LM Nr. 46 zu § 20 FGG = NJW 1992, 1824 = AG 1992, 227 = GmbHR 1992, 451. 5 BGHZ 117, 323, 333 ff. = LM Nr. 46 zu § 20 FGG = NJW 1992, 1824 = AG 1992, 227 = GmbHR 1992, 451; BayObLG, GmbHR 2000, 872 = NJW-RR 2001, 898 = NZG 2000, 987, 988; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 120 ff. 6 Arnold, GesRZ 1991, 18; Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 6; Reich-Rohrwig, GmbHRecht, S. 14; Wünsch, öGmbHG, § 4 Anm. 14. 7 OGH SZ 63 I (1990) Nr. 87, S. 431, 436 f.; OGH, GesRZ 1991, 46, 48 = RdW 1990, 444 = HS 20.191; s. dazu Arnold, GesRZ 1991, 18; weitere Beispiele s. unten Rdnr. 16.

Emmerich

|

295

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

15

c) Dieselben Anforderungen wie vorstehend entwickelt (oben Rdnr. 12 f.) gelten für Zusätze zu den eigentlichen Angaben über den Unternehmensgegenstand. Auch diese müssen daher so konkret sein, dass sie den damit der Gesellschaft zusätzlich eröffneten Geschäftszweig erkennen lassen. Dies bedeutet, dass der Zusatz auf den (eigentlichen) Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft Bezug nehmen und diesen in einzelnen Beziehungen einschränken, präzisieren oder erweitern muss, indem z.B. der (zulässige) Tätigkeitsbereich (Gegenstand) der Gesellschaft auf benachbarte Gebiete ausgedehnt wird1. Inhaltslose Zusätze wie etwa die Erlaubnis „aller sonstigen Geschäfte“ dürfen dagegen nicht eingetragen werden2. Zulässig soll dagegen nach h.M. der heute nahezu in jedem Gesellschaftsvertrag anzutreffende Zusatz über die Erlaubnis von Beteiligungen an anderen Gesellschaften sein3. Das ist ohne weitere Präzisierung hinsichtlich der Obergrenze der Beteiligung oder deren Art als Finanzanlage oder unternehmerische Beteiligung bei Berücksichtigung des Zwecks der Regelung (oben Rdnr. 10) nicht unbedenklich. Keine Bedenken hat die überwiegende Meinung ferner gegen so genannte negative Zusätze, d.h. Zusätze, durch die bestimmte Tätigkeitsbereiche generell vom Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft ausgeschlossen werden4. Ein Beispiel ist der Zusatz, dass Tätigkeiten, die einer staatlichen Genehmigung bedürfen, nicht ausgeübt werden sollen5.

16

d) Erlaubt sind nach dem Gesagten z.B. die Angaben „Betrieb von Gaststätten“6 oder „Erfüllung eines mit einem Dritten abgeschlossenen Ingenieurvertrages zur Fertigstellung eines bestimmten Klinikums“7, weiter die Angabe „Betrieb einer Klinik nach § 30 GewO mit dem Schwerpunkt auf ambulanten Eingriffen“8 sowie noch die Angabe „Gewerbliche Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern aller Art“9. Nicht zulässig ist dagegen der inhaltslose Zusatz: „Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Rechtshandlungen befugt, die ihren Zwecken dienlich sind“10. Ebenso wenig zulässig sind Angaben wie „jegliche gesetzliche käufmännische Tätigkeit“11, „Handel mit Waren aller Art“12, „Produktion von Waren aller Art“13 oder „Betrieb von Handelsgeschäften“14.

1 Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 44 (S. 273); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Michalski, Rdnr. 10. 2 OLG Köln, OLGZ 1981, 428, 430 f.; BayObLG, Rpfl. 2003, 301 = GmbHR 2003, 424; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 132 ff. 3 OLG Frankfurt, OLGZ 1987, 40 f. = NJW-RR 1987, 287 = GmbHR 1987, 231. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Michalski, Rdnr. 10; anders noch 9. Aufl., Rdnr. 14. 5 BayObLGZ 1993, 319, 322 f. = GmbHR 1994, 60 = NJW-RR 1994, 227. 6 OLG Frankfurt, OLGZ 1979, 493, 495. 7 BGH, BB 1981, 450 = WM 1981, 163. 8 BayObLG, GmbHR 2000, 872 = NJW-RR 2001, 898 = NZG 2000, 987. 9 öVwGH, WiBl. 1994, 215 = HS 24.138; weitere Beispiele bei Michalski, Rdnr. 9. 10 OLG Köln, OLGZ 1981, 428, Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 118, 132 ff. 11 OGH, NZ 1972, 222. 12 BayObLG, Rpfl. 2003, 301 = MittBayNot 2003, 232 (nur LS) = GmbHR 2003, 414; OGH, NZ 1981, 8. 13 BayObLGZ 1994, 224, 226 f. = GmbHR 1994, 705 = ZIP 1994, 1528 = NJW-RR 1995, 31. 14 BayObLG, GmbHR 1995, 722 = NJW-RR 1996, 413; BayObLG, GmbHR 1996, 360.

296

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

e) Schwierigkeiten ergeben sich aus dem Gesagten (oben Rdnr. 12 ff.) für die Angabe des Unternehmensgegenstandes in der Satzung einer KomplementärGmbH. Überwiegend wird angenommen, dass in deren Gegenstand mit Rücksicht auf § 3 Abs. 1 Nr. 2 auch der von der KG beabsichtigte Tätigkeitsbereich genannt werden müsse1. Nach anderen soll es dagegen genügen, wenn als Gegenstand die Übernahme der Vertretung und Geschäftsführung bei einer bestimmten KG oder bei einer Mehrzahl von Kommanditgesellschaften bezeichnet wird2. Der zuletzt genannten Meinung hat sich mittlerweile auch das BayObLG angeschlossen3.

17

3. Änderung Eine Änderung des Unternehmensgegenstandes ist nur durch Satzungsänderung möglich (§§ 53 f.). Daraus ergibt sich das Problem, wie bloße tatsächliche Änderungen des Unternehmensgegenstandes ohne entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrages zu behandeln sind. Ein derartiger Fall liegt z.B. vor, wenn eine Gesellschaft, die nach ihrem Vertrag den Handel mit bestimmten Produkten betreibt, zur Produktion ganz anderer Produkte übergeht oder sich in eine Holding verwandelt4. Dagegen genügt es für die Annahme einer tatsächlichen Änderung des Unternehmensgegenstandes noch nicht, wenn die Gesellschaft ihre Tätigkeit lediglich einschränkt oder sogar vorübergehend ganz einstellt, sofern nur für die Zukunft die Wiederaufnahme der vertragsmäßigen Tätigkeit geplant ist5.

18

Bei einer tatsächlichen Änderung des Unternehmensgegenstandes stellt sich vor allem die Frage, ob Raum für eine Anwendung des § 75 GmbHG und des § 144a Abs. 4 FGG ist. Beide Vorschriften stellen auf die Nichtigkeit der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über den Unternehmensgegenstand ab. Darum handelt es sich hier jedoch nicht, weil sich die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts nur nach dem Zeitpunkt seines Abschlusses beurteilt, zu diesem Zeitpunkt der Gesellschaftsvertrag jedoch wirksam war. Eine nachträglich eintretende Nichtigkeit eines Vertrages kennt das Bürgerliche Recht nicht6. In Betracht kommt daher allenfalls eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften, die auch tatsächlich im Schrifttum verbreitet befürwortet wird, jedenfalls, wenn die Änderung des Unternehmensgegenstandes zur Folge hat, dass, wenn sie schon bei Vertragsabschluss vorgelegen hätte, mit Rücksicht darauf die abweichende

19

1 S. unten § 4 Rdnr. 9; BayObLGZ 1975, 447, 448 ff.; OLG Hamburg, GmbHR 1968, 118 = BB 1968, 267; Jeck, DB 1978, 862; Sachs, DNotZ 1976, 355. 2 OLG Düsseldorf, GmbHR 1970, 123; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Ulmer, Rdnr. 19; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Michalski, Rdnr. 11; Petzoldt, DB 1977, 1783; Sudhoff, GmbHR 1969, 242; 1977, 218; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11. 3 BayObLG, GmbHR 1995, 722 = NJW-RR 1996, 413, 414 = BB 1995, 1814 = DB 1995, 1811; BayObLG, GmbHR 1996, 360. 4 Vgl. auch öVwGH, WiBl. 1994, 215 = HS 24.138. 5 RG, DR 1939, 721. 6 S. für die Sitzverlegung BayObLGZ 1982, 140, 142 = GmbHR 1983, 152 = WM 1982, 521 = BB 1982, 578.

Emmerich

|

297

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Bestimmung des Gesellschaftsvertrages (da fiktiv) nichtig gewesen wäre (§ 117 BGB)1. Anders jedoch bisher ebenso wie im Falle der tatsächlichen Sitzverlegung (s. dazu unten § 4a Rdnr. 20) die Rechtsprechung, wofür sie sich jedenfalls auf den Wortlaut des § 75 GmbHG und des § 144a Abs. 4 FGG berufen kann2. 20

Aus dem Gesagten (oben Rdnr. 19) darf nicht der Schluss gezogen werden, dass den Geschäftsführern jederzeit eine sogar vollständige Veränderung des Unternehmensgegenstandes sanktionslos möglich wäre; denn die Geschäftsführer überschreiten ihre Geschäftsführungsbefugnis, wenn sie nachträglich ohne vorhergehende Änderung des Gesellschaftsvertrags den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft verändern (§ 37 Abs. 1), so dass die Gesellschaft von ihnen Schadensersatz verlangen kann (§ 43 Abs. 2)3. Außerdem kann die nachträgliche Änderung der Gesellschaftstätigkeit zur Folge haben, dass die Firma der Gesellschaft unzulässig wird, weil sie jetzt täuschend ist (§ 5 UWG; § 18 Abs. 2 HGB).

IV. Vorratsgründung und Mantelkauf Schrifttum: Cl. Ahrens, DB 1998, 1069; Altmeppen, NZG 2003, 145; Altmeppen, DB 2003, 2050; Auernhammer, RNotZ 2003, 193; Auernhammer, MittRhNotK 2001, 137; Banerjea, GmbHR 1998, 814; Banerjea, NZG 1999, 1817; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005; Bärwaldt/S. Balda, GmbHR 2004, 50, 350; Beuck, GmbHR 1957, 69; Bock, GmbHR 2003, 497; Bohrer, DNotZ 2003, 888; Bommert, GmbHR 1983, 209; Bredow/Schumacher, DStR 2003, 1032; Butz, GmbHR 1972, 270; Emde, GmbHR 2003, 1034; Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75; Fembacher, MittBayNot 2004, 133; Gerber, Rechtspfleger 2004, 469; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 20 f. (S. 7 f.); Goette, DStR 2003, 300; 2003, 887; 2004, 461; Göz/Gehlich, ZIP 1999, 1652; Gronstedt, BB 2003, 2082; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 127–131 (S. 238 ff.); Gummert, DStR 1997, 1007; Heerma, Mantelverwendung und Kapitalaufbringungspflichten, 1997; Heerma, GmbHR 1999, 640; Heidenhaim, NZG 2003, 1051; Heidinger, ZNotP 2003, 82; Heidinger, ZGR 2005, 101; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129; Heinz, Der Notar 2003, 43; Henze, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 54 Rdnr. 35–38; H. Herchen, DB 2003, 2211; J. P. Heyer/A. Reichert-Clauß, NZG 2005, 193; Hörger/Kamper, DStR 1990, 539; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11–13; Hüffer, AktG, § 23 Rdnr. 25–27b; Ihrig, BB 1988, 1197; Jacobs, DZWiR 2004, 309; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322; Kantak, Mantelgründung und Mantelverwendung bei der GmbH, 1988; Keller, DZWiR 1998, 230; Kesseler, DZWiR 2003, 2002; Kesseler, ZIP 2003, 1790; Kober, Sonderformen des Beteiligungskaufes: Der Mantelkauf, 1995; Kögel, GmbHR 2003, 460; Krafka, ZGR 2003, 577; Kraft, DStR 1993, 101; Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 10; Lachmann, NJW 1998, 2263; Langel/de Schmidt, WPg 1971, 525; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7–19; Lübbert, BB 1998, 2221; U. Mayer, NJW 2000, 175; C. Meller-Hannich, ZIP 2000, 345; Th. Meyding, Die Mantel-GmbH im Gesellschafts- und Steuerrecht, 1989; Meyding/ 1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Michalski, Rdnr. 15 f.; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 11; Ulmer, Rdnr. 21; Wünsch, öGmbHG, § 4 Anm. 20; s. für die Sitzverlegung auch unten § 4a Rdnr. 20. 2 BayObLGZ 1979, 207, 208 f.; BayObLGZ 1982, 140, 141 ff. = WM 1982, 521 = BB 1982, 578 = GmbHR 1983, 152; BayObLG, WM 1981, 1396 = BB 1981, 870 = GmbHR 1982, 95 = Rpflg. 1981, 308; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; 9. Aufl., Rdnr. 17. 3 Vgl. BGH, LM Nr. 7 zu § 37 GmbHG = NJW 1991, 1681 = AG 1991, 235 = GmbHR 1991, 197; OGH, GesRZ 1984, 217 f. für die Ausgliederung des gesamten Produktionsbetriebes aus der Gesellschaft.

298

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Heidinger, Der Gläubigerschutz bei der wirtschaftlichen Neugründung von Kapitalgesellschaften, in: 10 Jahre Deutsches Notarinstitut, 2003, S. 257; Michalski, Rdnr. 17–25; Nolting, ZIP 2003, 651; Peetz, GmbHR 2003, 229; 2003, 1128; 2004, 1429; Pentz, in: MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rdnr. 87–107; B. Peters, Der GmbH-Mantel als gesellschaftsrechtliches Problem, Köln 1989; Peus, NZG 2003, 610; Priester, DB 1983, 2291; Priester, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 159; Priester, ZHR 168 (2004), 248; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, Rdnr. 32 ff. (S. 386 ff.); Röhricht, in: Großkomm. AktG, § 23 Rdnr. 118–144; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12–14; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 8 Rdnr. 13 f., § 15 Rdnr. 16 f.; B. Schaub, NJW 2003, 2125; Schlutius, GmbHR 1964, 129; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III (S. 66 ff.); K.Schmidt, NJW 2004, 1345; Schubert, NotBZ 2003, 383; Schütz, NZG 2004, 746; Skibbe, in: Festg. Felix, 1989, S. 417; U. Stein, in: FS Lutter, 2000, S. 749; Swoboda, GmbHR 2005, 649; Thaeter, DB 2003, 2112; Thaeter/ St. Meyer, DB 2003, 539; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 173 ff.; Ulmer, Rdnr. 126–170; Ulmer, BB 1983, 1123; Ulmer, in: Festg. 50 Jahre BGH Bd. II, 2000, S. 273; St. Ulrich, WM 2004, 915; St. Ulrich, GmbHR 2005, 900; R. Werner, NZG 1999, 146; H. Wicke, NZG 2005, 409; R. Wilhelmi, DZWiR 2004, 177; Winnefeld, BB 1975, 70; Woeste, GmbHR 1958, 60; Zwissler, GmbHR 1999, 856.

1. Überblick Unter einer Vorratsgründung versteht man die Gründung einer Gesellschaft ohne konkrete Absicht der Gründer, in absehbarer Zeit mit der GmbH am Geschäftsverkehr teilzunehmen, so dass sich die Tätigkeit der Gesellschaft zunächst auf die „Verwaltung“ ihres in der Regel geringfügigen Vermögens beschränkt, bis sich ein „echter“ Verwendungszweck („Gegenstand“) für sie findet. Im Einzelnen hat man die offene und die verdeckte Vorratsgründung zu unterscheiden, je nachdem, ob der Gesellschaftsvertrag bereits selbst den „Vorratscharakter“ der Gründung erkennen lässt oder nicht. Die Zulässigkeit der offenen Vorratsgründung ist im Jahr 1992 vom BGH geklärt worden1. Seitdem werden offene Vorratsgründungen von Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH von darauf spezialisierten Personen und Unternehmen in großem Umfang „gewerbsmäßig“ praktiziert zu dem Zweck, anschließend Interessenten bereits ins Handelsregister eingetragene Gesellschaften mbH für beliebige Zwecke (versteht sich: gegen Entgelt) zur Verfügung stellen zu können. In der Zwischenzeit bis zur Veräußerung der Anteile der Vorratsgründung an Interessenten wird außerdem häufig das bereits eingezahlte Stammkapital wieder an die Gründer als Darlehen zurückgezahlt, um es in der Zwischenzeit zinsbringend anlegen zu können. Unmittelbar vor Veräußerung der Anteile der VorratsGmbH wird sodann das Darlehen zurückgezahlt, damit die Gesellschaft mit dem nötigen Stammkapital ausgestattet ist. Die Zulässigkeit dieser Praxis ist umstritten, und zwar auch in der Rechtsprechung2. Wegen der Einzelheiten ist auf die Erläuterungen zu § 19 zu verweisen.

1 Grdlg. BGH v. 16. 3. 1992 – II ZB 17/91, BGHZ 117, 323 = NJW 1992, 1824 = AG 1992, 227 = GmbHR 1992, 451. 2 Gegen die Zulässigkeit OLG Schleswig, GmbHR 2000, 1193; 2003, 1048; kritisch auch N. Bormann/M. Halaczinsky; für die Zulässigkeit dagegen OLG Hamburg, GmbHR 2005, 164, 166 f. m. Komm. R. Werner = NZG 2005, 483; Emde, GmbHR 2000, 1193; Emde, GmbHR 2003, 1034.

Emmerich

|

299

21

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

22

Von der Vorratsgründung (oben Rdnr. 21) ist die Mantelverwendung, in erster Linie durch Mantelkauf zu unterscheiden. Einen fest umrissenen Begriff der Mantelverwendung oder des Mantelkaufs gibt es nicht. In erster Linie hat man dabei Fälle im Auge, die dadurch charakterisiert sind, dass eine GmbH, die kein Unternehmen mehr betreibt und in der Regel auch über kein (nennenswertes) Vermögen mehr verfügt, dazu verwandt wird, im Wege der Vertragsänderung – sozusagen „unter ihrem Mantel“ – wirtschaftlich ein neues Unternehmen zu gründen, möglicherweise ohne jeden eigenen Kapitaleinsatz1. Mantelkauf und Mantelverwendung unterscheiden sich dadurch, dass die letztere nicht notwendig einen Gesellschafterwechsel voraussetzt, wie er für den Mantelkauf charakteristisch ist. Den Gegensatz zu ihr bildet die „bloße“ Umstrukturierung des von einer Gesellschaft (noch) betriebenen Unternehmens, selbst wenn es sich um eine grundlegende Sanierung durch die Zuführung neuer Mittel durch neue Gesellschafter handelt. Die Abgrenzung ist naturgemäß schwierig; tatsächlich handelt es sich sogar um einen stufenlosen Übergang. Gleichwohl werden beide Fälle – die „bloße“ Umstrukturierung und die weiter gehende Mantelverwendung – in der jüngsten Rechtsprechung ganz unterschiedlich behandelt, da allein die Mantelverwendung, nicht dagegen die (weniger weit gehende) Umstrukturierung einer Gesellschaft der wirtschaftlichen Neugründung gleichgestellt wird (unten Rdnr. 37 ff.).

23

Mit einer Vorratsgründung oder Mantelverwendung können unterschiedliche Zwecke verfolgt werden. Im Vordergrund dürfte das Bestreben stehen, durch Verwendung einer bereits früher auf Vorrat gegründeten oder als bloßer Mantel erworbenen oder auch vorgehaltenen GmbH das oft langwierige Eintragungsverfahren abzukürzen. Damit verbindet sich häufig oder sogar i.d.R. der weitere Zweck, die den Gründern drohende Unterbilanzhaftung bei Aufnahme der Geschäftstätigkeit vor Eintragung der Gesellschaft (s. unten § 11 Rdnr. 76 ff.) ebenso wie die dann den Geschäftsführern drohende Handelndenhaftung des § 11 Abs. 2 in der Zwischenzeit bis zur Eintragung der Gesellschaft nach Möglichkeit zu vermeiden2.

24

Früher wurde mit einer Mantelverwendung, insbesondere in Form des Mantelkaufs ferner in zahlreichen Fällen versucht, bei der Gründung neuer Unternehmen steuerlich einen etwaigen Verlustvortrag auszunutzen. Diesen Bestrebungen war die Rechtsprechung der Finanzgerichte in den achtziger Jahren zuletzt weit entgegengekommen3. Die Folge war jedoch ein lebhafter Handel mit „GmbH-Mänteln“ gewesen, der den Gesetzgeber bereits 1988 zum Eingreifen veranlasste4. Der in der Folgezeit wiederholt geänderte § 8 Abs. 4 KStG be1 S. dazu grdlg. BGHZ 155, 318, 324 f. = NJW 2003, 3198 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684, 685 = ZIP 2003, 1698 = NZG 2003, 972 = DB 2003, 2055. 2 S. statt aller Heerma, Mantelverwendung, S. 1 ff.; Heidinger, ZGR 2005, 101; Heyer/ A. Reichert-Clauß, NZG 2005, 1943; C. Peetz, GmbHR 2004, 1429; K. Schmidt, NJW 2004, 1345; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 1b (S. 68); Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 174 ff.; H. Wicke, NZG 2005, 409 f. 3 BFHE 148, 153, 157 f. = BStBl. II 1987, 310 = NJW 1988, 1286 = GmbHR 1987, 175; BFHE 148, 158, 161 ff. = GmbHR 1987, 173. 4 BGBl. 1988 I, 1093; s. dazu St. Kudert/K. Saakel, BB 1988, 1229; J. Thiel, GmbHR 1990, 223.

300

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

stimmt seitdem, dass ein Verlustabzug nach § 10d EStG bei einer Körperschaft voraussetzt, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die seinerzeit den Verlust erlitten hat. Nach dem Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität bereits, wenn 1. bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als 50% der Geschäftsanteile übertragen werden, 2. überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt wird und 3. der Geschäftsbetrieb mit dem neuen Betriebsvermögen fortgeführt oder wieder aufgenommen wird. Ein Verlustabzug bei der Verwendung oder dem Erwerb eines GmbH-Mantels ist seitdem nur noch in wenigen Fällen möglich, vor allem, wenn es nicht oder nur in geringem Umfang zu einem Gesellschafterwechsel kommt. Die Einzelheiten sind streitig1. Von Fall zu Fall ist eine Mantelverwendung außerdem dann noch sinnvoll, wenn sie die Ausnutzung einer nicht übertragbaren Betriebserlaubnis durch die neuen Träger des Unternehmens gestattet. Die mit einer Vorratsgründung und einem Mantelkauf zusammenhängenden Fragen sind in jüngerer Zeit durch mehrere höchstrichterliche Entscheidungen in den Brennpunkt des Interesses gerückt. Die größte Aufmerksamkeit beanspruchen dabei naturgemäß die Beschlüsse des BGH vom 9. 12. 2002 (II ZB 12/ 02)2 auf Vorlage des OLG Celle3 sowie vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02)4 auf Vorlage des OLG Brandenburg5. In dem zuerst genannten Beschluss hat der BGH entschieden, dass „die Verwendung des Mantels einer zunächst auf Vorrat gegründeten GmbH ... wirtschaftlich eine Neugründung“ darstellt6. In dem zweiten genannten Beschluss vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02)7 hat der BGH diese Grundsätze auf den Mantelkauf erstreckt und dabei zugleich weit reichende Ausführungen zur Unterbilanzhaftung der Gesellschafter und zur Handelndenhaftung der Geschäftsführer in den Fällen der Vorratsgründung und der Mantelverwendung gemacht. Im Schrifttum hat diese Rechtsprechung ein lebhaftes Echo ausgelöst, in dem vor allem auf die vielen ungeklärten Fragen hingewiesen wird8. Im 1 S. dazu das Schreiben des BMF v. 16. 4. 1999, BStBl. I, 455 = GmbHR 1999, 497; BFH, GmbHR 2004, 1472 m.N.; V. Bock, GmbHR 2003, 497; Keller, DZWiR 1998, 230, 232 ff. 2 BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 = NZG 2003, 170 = WM 2003, 348 = ZIP 2003, 251 = GmbHR 2003, 227. 3 Beschl. v. 30. 4. 2002 – 9 W 47/02, OLGR 2002, 221 = GmbHR 2002, 1066 (nur LS). 4 BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = ZIP 2003, 1698 = AG 2003, 684 = NZG 2003, 972 = DB 2003, 2055. 5 OLG Brandenburg, GmbHR 2002, 851 = NJW-RR 2002, 971. 6 Ebenso zuvor schon BGHZ 117, 323, 331 = NJW 1992, 1824 = AG 1992, 227 = GmbHR 1992, 451 auf Vorlage des OLG Stuttgart, ZIP 1992, 250 = DB 1992, 133; ebenso OLG Schleswig, GmbHR 2003, 1058; LG Hagen, GmbHR 2003, 845 = NZG 2003, 829; anders insbesondere BayObLGZ 1999, 87, 89 ff. = NZG 1999, 607 = NJW-RR 2000, 112 = GmbHR 1999, 607 = DB 1999, 954. 7 BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684; ebenso sodann OLG Düsseldorf, ZIP 2003, 1501 = NZG 2004, 380; OLG Celle, GmbHR 2005, 1496, 1497; LG Berlin, ZIP 2003, 1398 = GmbHR 2003, 1062 (nur LS). 8 Vgl. zu dem Beschluss des BGH, BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 = NZG 2003, 170 = WM 2003, 348 = ZIP 2003, 251 = GmbHR 2003, 227 (im Wesentlichen zustimmend) Altmeppen, NZG 2003, 145; Bärwaldt/S. Balda, GmbHR 2004, 50; Goette, Anm., DStR 2003, 300; Goette, DStR 2003, 887, 890; Krafka, ZGR 2003, 577; Nolting, ZIP 2003,

Emmerich

|

301

25

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Folgenden ist zunächst zur Vorratsgründung (unten Rdnr. 26 ff.) und erst im Anschluss daran zur Mantelverwendung (unten Rdnr. 37 ff.) Stellung zu nehmen, weil im Schrifttum vielfach eine unterschiedliche Behandlung beider Fälle favorisiert wird. Dabei ist vor allem auf die Fülle der noch offenen Fragen hinzuweisen. Wegen der Einzelheiten ist im Übrigen auf die Erläuterungen zu den jeweils einschlägigen Vorschriften zu verweisen, da die speziellen Fragen, die die Vorratsgründung und die Mantelverwendung aufwerfen, sachgerecht immer nur im Kontext der Erläuterungen der einzelnen, nach Meinung der Gerichte jetzt unmittelbar oder entsprechend anwendbaren Vorschriften sachgerecht gelöst werden können.

2. Vorratsgründung a) Zulässigkeit 26

Die grundsätzliche Zulässigkeit der offenen Vorratsgründung (oben Rdnr. 21) steht außer Frage, da eine GmbH zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck und daher auch zu dem Zweck der Verwaltung des eigenen Vermögens gegründet werden kann (§ 1). Die Gründung einer Gesellschaft, bei der als Gegenstand des Unternehmens (zutreffend) die Verwaltung der Einlagen oder ihres Vermögens genannt wird, ist daher unbedenklich, weil die Angabe des (erlaubten) Unternehmensgegenstandes zutreffend ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 2)1. Anders zu beurteilen ist die verdeckte Vorratsgründung, d.h. die Gründung einer GmbH mit einem Unternehmensgegenstand, den die Gründer gar nicht ernsthaft verfolgen (oben Rdnr. 21) und der deshalb fiktiv ist (§ 117 BGB; oben Rdnr. 13). Dieser Mangel wird auch durch die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nicht geheilt, so dass die Gesellschaft auf Klage hin aufzulösen ist, bis dahin aber besteht (§ 75 GmbHG; § 275 AktG; § 144 FGG)2. Gleichzustellen ist der Fall, 651; Peetz, Anm., GmbHR 2003, 229; Peetz, GmbHR 2003, 1128; Peus, NZG 2003, 610; kritisch dagegen Kallmeyer, GmbHR 2003, 322; Schaub, NJW 2003, 2125; Schaub, DNotZ 2003, 447; Thaeter/St. Meyer, DB 2003, 539; – sowie sodann zu dem Beschluss des BGH, BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = ZIP 2003, 1698 = AG 2003, 684 = NZG 2003, 972 = DB 2003, 2055 (überwiegend kritisch) Altmeppen, DB 2003, 2050; Bärwaldt/S. Balda, GmbHR 2004, 350; Heidenhain, NZG 2003, 1051; Heidinger, ZGR 2005, 101; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129; H. Herchen, DB 2003, 2211; Heyer/A. Reichert-Clauß, NZG 2005, 193; Kesseler, ZIP 2003, 1791; Peetz, GmbHR 2003, 1128; Peetz, GmbHR 2004, 1429; K. Schmidt, NJW 2004, 1345; Swoboda, GmbHR 2005, 649; Thaeter, DB 2003, 2112; Wicke, NZG 2005, 409; R. Wilhelmi, DZWiR 2004, 177, alle m.w.N. 1 Grdlg. BGHZ 117, 323, 330 ff. = NJW 1992, 1824 = AG 1992, 227 = GmbHR 1992, 451 = ZIP 1992, 689; OLG Stuttgart, ZIP 1992, 250 = DB 1992, 133; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 20 (S. 7); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7–10; J. Meyer, ZIP 1994, 1661 ff.; Michalski, Rdnr. 19; Priester, DB 1983, 2291, 2298 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 2b, bb (S. 70); K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1346 f.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 184 ff. 2 BGHZ 117, 323, 333 ff. (vorige Fn.); ebenso schon früher KG, JFG 1, 200 = OLGE 43, 296; JFG 3, 193; 10, 152; OLG Köln, OLGZ 1987, 403, 405 = GmbHR 1988, 25 = NJWRR 1987, 1059; Ahrens, DB 1998, 1069, 1072; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 151 f.; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 21 (S. 8); Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Michalski, Rdnr. 20; Meller-Hannich, ZIP

302

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

dass die Gründer jedenfalls auf absehbare Zeit nicht ernstlich die Absicht haben, den von ihnen angegebenen Unternehmensgegenstand zu verfolgen, da auch in diesem Fall der wirkliche Unternehmensgegenstand (die Verwaltung des eigenen Vermögens der Gesellschaft) im Gesellschaftsvertrag nicht genannt ist1. b) Wirtschaftliche Neugründung Die Besonderheit der Vorratsgründung besteht darin, dass hier zunächst eine GmbH entsteht, die in der Mehrzahl der Fälle lediglich mit dem Mindestkapital des § 5 Abs. 1 ausgestattet ist, (nahezu) keine Aktivitäten entfaltet und erst bei Bedarf aktiviert wird, indem sie Dritten als den „eigentlichen“ Gründern durch Abtretung des oder der Geschäftsanteile überlassen wird, die darauf hin durch Änderung des Gesellschaftsvertrags einen neuen Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) und die dazu passende Firma (§ 3 Abs. 1 Nr. 1) bestimmen sowie neue Geschäftsführer bestellen. Nach einer verbreiteten Meinung muss man deshalb hier einen „gestreckten“ Gründungsvorgang annehmen, der der Sache nach erst mit der Verwendung der Vorratsgesellschaft für ihren neuen und „eigentlichen“ unternehmerischen Gegenstand zum Abschluss kommt. Häufig ist deshalb im vorliegenden Zusammenhang auch plastisch von einer „wirtschaftlichen Neugründung“ der Gesellschaft die Rede2. Das Meinungsbild ist jedoch keineswegs einheitlich, da nach anderen in derartigen Fällen der Sache nach nichts anderes als eine jederzeit mögliche Vertragsänderung vorliegt (§ 53); in Missbrauchsfällen reicht nach dieser Auffassung vollauf der Rückgriff auf die Durchgriffshaftung, insbesondere in Gestalt der neuen Existenzvernichtungshaftung, sowie auf § 826 BGB aus3.

27

Der Fragekreis war auch in der Rechtsprechung lange Zeit umstritten gewesen. Zuletzt hatte noch 1999 das BayObLG die Annahme einer wirtschaftlichen Neugründung in den Fällen einer Vorratsgründung abgelehnt4. Dagegen hatte sich der BGH bereits mit Beschluss vom 16. 3. 1992 (II ZB 17/91) für eine Einstufung der späteren Verwendung einer Vorratsgesellschaft als „wirtschaftlicher Neugründung“ ausgesprochen5. Die endgültige Bestätigung dieser Qualifizierung

28

1

2

3

4 5

2000, 345; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 2b, aa (S. 69 f.); K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 183 f.; anders A. Kraft, DStR 1993, 101, 103 ff. BGHZ 117, 323, 334 ff. = NJW 1992, 1824 = GmbHR 1992, 451; Tieves Unternehmensgegenstand, S. 183 f.; dagegen A. Kraft, DStR 1993, 101, 103 ff.; Ebenroth/Müller, DNotZ 1994, 75. In diesem Sinne etwa Ahrens, DB 1998, 1069; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 20 f. (S. 7 f.); Goette, DStR 2003, 300; Goette, DStR 2003, 887, 890; Lübbert, BB 1998, 221. So Banerjea, GmbHR 1998, 814; Banerjea, NZG 1999, 1817; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1008; Göz/Gehlich, ZIP 1999, 1652, 1657; Heerma, Mantelverwendung, passim, bes. S. 91 ff.; Heerma, GmbHR 1999, 640; Meller-Hannich, ZIP 2000, 354; Schaub, NJW 2003, 2125, 2129; Schaub, DNotZ 2003, 447; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352 f.; Thaeter/St. Meyer, DB 2003, 539, 541. BayObLGZ 1999, 87, 90 ff. = NJW-RR 2000, 113 = NZG 1999, 666 = GmbHR 1999, 607, 608 m. zahlreichen Nachw. Grdlg. BGHZ 117, 323, 331 = NJW 1992, 1824 = GmbHR 1992, 451.

Emmerich

|

303

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

der Verwendung einer Vorratsgesellschaft brachten dann die beiden erwähnten Beschlüsse vom 9. 12. 2002 (II ZB 12/02) und vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02)1, mit denen die Frage für die Praxis entschieden sein dürfte2. Im Folgenden ist deshalb davon auszugehen, dass die Verwendung einer Vorratsgesellschaft als gesellschaftsrechtlicher „Rahmen“ für ein neues Unternehmen grundsätzlich als „wirtschaftliche Neugründung zu qualifizieren ist. Das hat zunächst weit reichende registerrechtliche Konsequenzen (unten Rdnr. 29 ff.). c) Registerrecht 29

Aufgrund der Beschlüsse des BGH vom 9. 12. 2002 (II ZB 12/02)3 und vom 7. 7. 2003 (ZB 4/02)4 steht nunmehr fest, dass die erstmalige Verwendung einer Vorratsgesellschaft für einen neuen unternehmerischen Gegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) als „wirtschaftliche Neugründung“ im Sinne der §§ 5 bis 9c zu behandeln ist, die einer besonderen „registergerichtlichen Präventivkontrolle“5 unterliegt. Basis dieser Kontrolle ist die Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht in Verbindung mit der (wiederholten) Anmeldeversicherung gem. § 8 Abs. 2 (unten Rdnr. 31)6. Indizien für eine „wirtschaftliche Neugründung der Gesellschaft“ durch Verwendung einer Vorratsgesellschaft sind – mit unterschiedlichen Gewicht – insbesondere die Änderung des Unternehmensgegenstandes, die entsprechende Neufassung der Firma und die Verlegung des Gesellschaftssitzes sowie die Einsetzung neuer Geschäftsführer7. Im Vordergrund dürfte die Änderung des Unternehmensgegenstandes stehen, da dieser bei der (allein zulässigen) offenen Vorratsgründung wohl in jedem Fall vollständig neu ausgerichtet werden muss, wenn eine (offene) Vorratsgesellschaft ihrer ursprünglichen Bestimmung gemäß für die Zwecke einer wirtschaftlichen Neugründung verwandt wird8. Die Einzelheiten sind noch nicht geklärt, da man berücksichtigen muss, dass es sich bei den Begriffen der „Vorratsgesellschaft“ und insbesondere bei dem der „Mantelverwendung“ letztlich

1 BGHZ 153, 158, 160 = NJW 2003, 892 = GmbHR 2003, 227, 228 = ZIP 2003, 251 (unter III 1); BGHZ 155, 318, 321 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684 (unter II 1). 2 OLG Schleswig, GmbHR 2003, 1058, 1060; OLG Jena, GmbHR 2004, 1468; OLG Hamburg, GmbHR 2005, 164 = NZG 2005, 483; LG Hagen, GmbHR 2003, 845, 846 = NZG 2003, 828. 3 BGHZ 153, 158, 161 f. = NJW 2003, 892 = GmbHR 2003, 227, 228 = ZIP 2003, 251 (unter III 1b/c). 4 BGHZ 155, 318, 321, 323 f. = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684 (unter II 1 und 3). 5 So ausdrücklich BGHZ 155, 318, 323 f. = AG 2003, 684, 685 (unter II 3); s. unten Rdnr. 32. 6 Wegen der Einzelheiten s. Altmeppen, NZG 2003, 145; Bärwaldt/S. Balda, GmbHR 2004, 50; Heidinger, ZGR 2005, 101; Heyer/Reichert-Clauß, NZG 2005, 193; Krafka, ZGR 2003, 577; Lübbert, BB 1998, 221; Peetz, GmbHR 2004, 1429; Peus, NZG 2003, 610; Schaub, NJW 2003, 2125; Schaub, DNotZ 2003, 447; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1347 ff.; Swoboda, GmbHR 2005, 649; Thaeter/St. Meyer, DB 2003, 539. 7 BGHZ 153, 158, 163 (unter III 1d). 8 S. Bärwaldt/S. Balda, GmbHR 2004, 50, 51; Heidinger, ZGR 2005, 101, 103 ff.; Heyer/ A. Reichert-Clauß, NZG 2005, 193, 194; Krafka, ZGR 2003, 577, 582 f.

304

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

um „Typusbegriffe“ handelt1, die sich allenfalls idealtypisch umgrenzen, aber kaum genau definieren lassen. Liegt eine wirtschaftliche Neugründung in dem genannten Sinne (oben Rdnr. 27) vor, so erfordert die Sicherung der Kapitalaufbringung eine erneute Kontrolle des Gründungsvorgangs durch das Registergericht auf Grund der Offenlegung des Tatbestandes einer wirtschaftlichen Neugründung durch Verwendung einer Vorratsgesellschaft seitens der Geschäftsführer gegenüber dem Registergericht2. Zu diesem Zweck müssen alle (neuen) Geschäftsführer (§ 78) in der (ohnehin erforderlichen) Anmeldung der Änderung des Gesellschaftsvertrages (§ 54) zusätzlich versichern, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind, das satzungsmäßige Stammkapital zum Zeitpunkt der Anmeldung der „wirtschaftlichen Neugründung“ noch wertmäßig durch das vorhandene Vermögen gedeckt ist und dass in Höhe der Mindesteinzahlung von einem Viertel, mindestens aber 12 500 Euro zur freien Verfügung der Geschäftsführung steht3. Noch offen ist, ob die vom BGH geforderte „Offenlegung“ des Vorgangs mit der (wiederholten!) Anmeldeversicherung identisch ist oder ein zusätzliches Erfordernis darstellt. In Zweifelsfällen ist den Beteiligten auf jeden Fall zu empfehlen, ausdrücklich den Vorgang der wirtschaftlichen Neugründung durch Verwendung einer Vorratsgesellschaft „offenzulegen“, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Denn nichts anderes kann der Sache nach mit dem Erfordernis der „Offenlegung“ gemeint sein4.

30

Die „Anmeldeversicherung“ nach § 8 Abs. 2 hat sich nicht etwa an dem gesetzlichen Mindeststammkapital zu orientieren, sondern, an dem gesellschaftsvertraglichen Stammkapital, wobei Stichtag der der Offenlegung des Vorgangs gegenüber dem Registergericht (durch Anmeldung, s. oben Rdnr. 30) ist5. Die Versicherung der (aller) Geschäftsführer muss sich mithin darauf beziehen, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der Offenlegung noch ein Mindestvermögen in Höhe der gesellschaftsvertraglichen Stammkapitalziffer besitzt, von dem sich ein Viertel – wenigstens aber 12 500 Euro – wertmäßig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet6. Im Falle der Sachgründung sind außerdem die §§ 7 Abs. 3 sowie 8 Abs. 2 und 9 zu beachten, während bei einer Vorratsgründung die §§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 2 und 4 sowie 8 Abs. 1 Nr. 4 wohl nicht passen. Die Einzelheiten sind streitig, insbesondere, was die Analogiefähigkeit der Vorschriften zur Sachgründung betrifft7.

31

1 Zutreffend Heidinger, ZGR 2005, 101, 103. 2 BGHZ 153, 158, 162 (unter III 1c); BGHZ 155, 318, 323 f. = AG 2003, 684, 685 (unter II 3). 3 S. Rdnr. 31; wegen der umstrittenen Einzelheiten s. Bärwaldt/S. Balda, GmbHR 2004, 50; Heidenhain, NZG 2003, 1051, 1052 f.; Heidinger, ZGR 2005, 101, 107 ff.; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1131 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Peetz, GmbHR 2003, 1128, 1129; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1347 ff. 4 Heidinger, ZGR 2005, 101, 108 ff. 5 BGHZ 155, 318, 325 f. = AG 2003, 684, 685 (unter II 3b). 6 Ebenso schon Krafka, ZGR 2003, 577, 585 f.; s. schon oben Rdnr. 30. 7 S. zum Meinungsstand OLG Hamburg, GmbHR 2005, 164 = NZG 2005, 483; LG Hagen, GmbHR 2003, 845 = NZG 2003, 828; Heidinger, ZGR 2005, 101, 115 ff.; Krafka, ZGR 2003, 577, 586.

Emmerich

|

305

§3 32

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Die „Anmeldeversicherung“ nach § 8 Abs. 2 ist anschließend vom Registergericht entsprechend § 9c Abs. 1 zu prüfen1. Ergibt die Prüfung Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Versicherungen und damit für das Vorliegen einer Unterbilanz im Augenblick der Offenlegung des Vorgangs durch die Anmeldung (oben Rdnr. 31), so hat das Registergericht diesen Bedenken gem. § 12 FGG nachzugehen2. Wenn die Geschäftsführer gegen ihre Anmeldepflicht verstoßen, haften sie nach § 9a, während für die Anwendung der Strafvorschrift des § 82 Abs. 1 Nr. 1 mit Rücksicht auf das strafrechtliche Analogieverbot (Art. 103 GG) wohl kein Raum ist3. Außerdem ist § 11 Abs. 2 zu beachten (unten Rdnr. 35). d) Unterbilanzhaftung

33

Als Unterbilanzhaftung bezeichnet man die unbeschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter pro rata für eine etwaige Unterbilanz der Gesellschaft im Augenblick ihrer Eintragung ins Handelsregister, die vor allem dann akut wird, wenn die Gesellschaft mit ihren Geschäften vor ihrer Eintragung begonnen hatte, so dass sie bereits im Augenblick ihrer Eintragung mit den daraus resultierenden Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft belastet ist (s. unten § 11 Rdnr. 77 ff.). Im Schrifttum war lange Zeit umstritten, ob diese Unterbilanzhaftung entsprechend auf die „wirtschaftliche Neugründung“ einer Vorratsgesellschaft durch ihre erstmalige Verwendung für einen konkreten unternehmerischen Gegenstand erstreckt werden kann. Vielfach wurde die Frage verneint, weil die Fälle im Grunde nicht vergleichbar seien4. Die überwiegende Meinung folgerte dagegen zuletzt aus dem vom BGH bereits 1992 bejahten Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung (oben Rdnr. 28), dass hier auch Raum für die entsprechende Anwendung der Grundsätze über die Unterbilanzhaftung ist; umstritten blieb jedoch auch innerhalb der Vertreter der h.M., ob die Unterbilanzhaftung hier an das gesetzliche Mindestkapital des § 5 oder das vertragliche Stammkapital der Vorratsgesellschaft anknüpfen sollte; meistens wurde der Unterbilanzhaftung die vertragliche Stammkapitalziffer zugrundegelegt5.

34

Der zuletzt genannten Meinung hat sich mittlerweile der BGH in dem bereits mehrfach erwähnten Beschluss vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02) angeschlossen6, nachdem er die Frage kurz zuvor noch offen gelassen hatte7. Danach ist auch

1 Zur Anwendbarkeit des § 9c Abs. 2 s. Heidinger, ZGR 2005, 101, 106; Swoboda, GmbHR 2005, 649. 2 BGHZ 153, 158, 162 (unter III 1c); BGHZ 155, 318, 326 f. (unter II 4). 3 Heidinger, ZGR 2005, 101, 108, 110; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Krafka, ZGR 2003, 577, 584; Thaeter/St. Meyer, DB 2003, 539, 540. 4 Zuletzt Schaub, NJW 2003, 2125, 2129; Schaub, DNotZ 2003, 447; Thaeter/St. Meyer, DB 2003, 539, 541. 5 In diesem Sinne Ahrens, DB 1998, 1069, 1071; Goette, DStR 2003, 887, 890; Krafka, ZGR 2003, 577, 585 f.; Lübbert, BB 1998, 2221, 2224; Peetz, GmbHR 2003, 231. 6 BGHZ 155, 318, 327 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684, 685 f. (unter II 4). 7 BGHZ 153, 158, 161 f. = NJW 2003, 892 = GmbHR 2003, 227, 228.

306

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

hier Raum für die entsprechende Anwendung des Haftungsmodells der Unterbilanzhaftung, wobei Stichtag der der Offenlegung des Tatbestandes einer wirtschaftlichen Neugründung (bei Anmeldung der dazu nötigen Vertragsänderung s. Rdnr. 30 ff.) gegenüber dem Registergericht ist. Für eine Gewährleistung der Unversehrtheit des Stammkapitals über diesen Zeitpunkt hinaus ist dagegen kein Raum1. Dies bedeutet konkret, dass die Gesellschafter vor einer Anmeldung der nötigen Vertragsänderungen, d.h. vor Offenlegung des Tatbestandes der wirtschaftlichen Neugründung durch Verwendung einer Vorratsgesellschaft, eine etwaige Unterbilanz, bezogen auf das vertragliche Stammkapital, ausgleichen müssen, wenn sie eine persönliche Haftung für die Differenz zwischen dem vertraglichen Stammkapital und dem vorhandenen bilanziellen Vermögen der Gesellschaft, das in Zweifelsfällen nur durch eine Stichtagsbilanz ermittelt werden kann, vermeiden wollen. Die Einzelheiten sind auch hier noch weitgehend ungeklärt2. Problematisch ist vor allem, dass den Gesellschaftern gegebenenfalls eine zeitlich unbegrenzte persönliche Unterbilanzhaftung droht, wenn sie es – aus welchen Gründen immer – versäumen, den Tatbestand einer wirtschaftlichen Neugründung rechtzeitig dem Registergericht gegenüber offenzulegen3. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht unbeschränkt gelten kann, etwa, wenn die Gesellschaft erst Jahre nach der (nicht offengelegten) wirtschaftlichen Neugründung durch Verwendung einer Vorratsgesellschaft insolvent wird. Auf jeden Fall aber ist bei so genannten Altfällen, d.h. bei Fällen aus der Zeit vor Bekanntwerden des Beschlusses des BGH vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02)4 ein Vertrauensschutz zu erwägen, obwohl auch dies bezweifelt wird, da bereits seit 1992 mit einer Unterbilanzhaftung der Gesellschafter zu rechnen gewesen sei5. e) Handelndenhaftung Nach § 11 Abs. 2 löst ein Handeln im Namen der Gesellschaft vor ihrer Eintragung eine persönliche und solidarische Haftung der Handelnden, in erster Linie also der (zukünftigen) Geschäftsführer aus. Auch die Anwendbarkeit dieser Regelung auf die Verwendung einer Vorratsgesellschaft war bis 2003 umstritten. Von einer verbreiteten Meinung wurde sie aber bereits seit längerem befürwortet, wobei man in erster Linie Rechtsgeschäfte der neuen Geschäftsführer in der Zeit zwischen der tatsächlichen Umwidmung der Gesellschaft

1 BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125. 2 S. (sehr kritisch) Altmeppen, DB 2003, 2050; Bärwaldt/S. Balda, GmbHR 2004, 50, 52; Heidinger, ZGR 2005, 101, 111 ff.; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1133; Heidenhain, NZG 2003, 1051, 1053; H. Herchen, DB 2003, 2211, 2216; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Peetz, GmbHR 2003, 1128, 1129; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1347 ff.; Thaeter, DB 2003, 2112, 2114 f. 3 S. Altmeppen, DB 2003, 2050; Heidenhain, NZG 2003, 1051, 1053; Heidinger, ZGR 2005, 101, 111 ff.; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1133; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1347 ff. 4 BGHZ 158, 318. 5 So OLG Jena, GmbHR 2004, 1468, 1470 (r.Sp.); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; anders aber Heidinger, ZGR 2005, 101, 110 f. (jedenfalls für die Geschäftsführer).

Emmerich

|

307

35

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

und der Eintragung der Änderung des Gesellschaftsvertrages ins Handelsregister im Auge hatte1. 36

In dieser Frage hat sich der BGH mittlerweile in dem Beschluss vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02) im Interesse der Sicherung der Kapitalaufbringung gleichfalls der bisher schon überwiegend vertretenen strengen Meinung angeschlossen. Die Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 ist danach in Betracht zu ziehen, wenn vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung als dem maßgeblichen Stichtag die Geschäfte aufgenommen werden, ohne dass dem alle Gesellschafter zugestimmt haben2. Unklar ist, wieso die Handelndenhaftung von der fehlenden Zustimmung aller Gesellschafter zu der Geschäftsaufnahme abhängen soll und wie sich dementsprechend die Haftung gestaltet, wenn die Gesellschafter den Tatbestand der „wirtschaftlichen Neugründung“ überhaupt nicht erkennen konnten3. Im Ergebnis wird die praktische Bedeutung der entsprechenden Anwendung des § 11 Abs. 2 auf die „wirtschaftliche Neugründung“ durch Verwendung einer Vorratsgesellschaft überwiegend als gering eingestuft4. Aber auch dies ist keineswegs gesichert.

3. Mantelkauf a) Überblick 37

Von einem Mantelkauf oder besser: einer Mantelverwendung spricht man üblicherweise, wenn eine GmbH, die früher einmal ein Unternehmen betrieb, dieses aber aufgeben hat und seitdem über kein (nennenswertes) Vermögen mehr verfügt, dazu verwandt wird, als „Mantel“ oder besser: als Rahmen für ein neues Unternehmen zu dienen (oben Rdnr. 22). Einen fest umrissenen Tatbestand der Mantelverwendung gibt es – jedenfalls bisher – nicht (s. aber Rdnr. 38). Als typische Merkmale werden in der Regel genannt neben der endgültigen Aufgabe der bisherigen Aktivität der Gesellschaft (ihres ursprünglichen Gegenstandes): die (weit gehende) Vermögenslosigkeit der Gesellschaft, ihre Ausrichtung auf einen neuen Gegenstand durch Änderung des Gesellschaftsvertrages, insbesondere nach Veräußerung der Geschäftsanteile und Ein1 KG, NZG 1998, 731 f. = GmbHR 1998, 739 (nur LS); OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 610, 611; OLG Hamburg, GmbHR 1983, 219 = BB 1983, 1116; LG Hamburg, NJW 1985, 2426, 2427 = GmbHR 1985, 335; LG Hamburg, NJW-RR 1997, 671 = GmbHR 1997, 895, 896 (alle vorwiegend zum Fall des Mantelkaufs, unten Rdnr. 37 ff.); Michalski, Rdnr. 25; Nolting, ZGR 2003, 651, 653 f., – anders aber OLG Hamburg, GmbHR 1987, 477; OLG Koblenz, GmbHR 1989, 374; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1012; Göz/Gehlich, ZIP 1999, 1652, 1660; Heerma, Mantelverwendung, S. 140 ff.; Heerma, GmbHR 1999, 640; Keller, DZWiR 1998, 230, 232; Gummert, in: MünchHdb. III, § 60 Rdnr. 130 (S. 240); Schaub, NJW 2003, 2125, 2128; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 34 III 3c (S. 73 f.). 2 So wörtlich BGHZ 155, 318, 327 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684, 686 (unter II 4 a.E.). 3 S. K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1349 f. 4 Wegen der Einzelheiten s. (sehr kritisch) Heidinger, NZG 2003, 1129, 1133 f.; Heidinger, ZGR 2005, 101, 112 f.; Kesseler, ZIP 2003, 1791, 1792 f.; Peetz, GmbHR 2003, 1128, 1130; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1349 f.; zustimmend aber Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 13.

308

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

setzung neuer Geschäftsführer, sowie die Ausstattung der Gesellschaft mit neuem Kapital. Die Mantelverwendung muss vor allem von der „bloßen“ (grundsätzlich unbedenklichen) Umorganisation einer Gesellschaft, und sei es auch durch ihre grundlegende Sanierung und Umstrukturierung, unterschieden werden, da in dem zuletzt genannten Fall kein Raum für die Anwendung der Regeln über die Mantelverwendung (unten Rdnr. 40 ff.) ist1. Obwohl mithin beide Fälle – Mantelverwendung und „bloße“ Umorganisation der Gesellschaft – ganz unterschiedlich behandelt werden (Rdnr. 37), ist doch eine Grenzziehung ausgesprochen schwierig, nach vielen im Grunde sogar unmöglich2. Der BGH will in dem Beschluss vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02) in erster Linie offenbar darauf abstellen, ob die fragliche Gesellschaft in dem maßgeblichen Zeitpunkt ihrer „Wiederbelebung“ noch ein aktives Unternehmen betrieb, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs, sei auch unter wesentlicher Umgestaltung, in wirtschaftlich noch gewichtbarer Weise anknüpfen kann oder ob es sich tatsächlich um einen „leer gewordenen Gesellschaftsmantel ohne Geschäftsbetrieb“ handelt, der seinen – neuen oder alten – Gesellschaftern nur dazu dient, ihnen eine Möglichkeit zu eröffnen, unter Vermeidung der rechtlichen Neugründung einer Kapitalgesellschaft eine gänzlich neue Geschäftstätigkeit aufzunehmen3. Maßgebliches Unterscheidungskriterium soll mit anderen Worten der Umstand sein, ob die fragliche Gesellschaft im Augenblick ihrer Wiederbelebung überhaupt noch ein Unternehmen betrieb oder bereits tatsächlich stillgelegt war, während es auf einen Gesellschafterwechsel – anders als nach der früher wohl h.M. – nicht mehr ankommt, so dass der herkömmliche Begriff des „Mantelkaufs“ richtigerweise durch den der „Mantelverwendung“ ersetzt werden muss4. Noch offen ist, wie lange tatsächlich die Gesellschaft „geruht“ haben muss. An sich kann es zwar schwerlich einen Unterschied bedeuten, ob die Neugründung sofort nach Aufgabe des alten Geschäftsbetriebes oder erst nach einer (beliebig langen oder kurzen) Zeitspanne erfolgt5; gleichwohl dürfte tatsächlich gerade an diesen auf den ersten Blick doch wohl

1 LG Berlin, NZG 2002, 786 = GmbHR 2002, 1066 (nur LS); LG Berlin, ZIP 2003, 1398 = GmbHR 2003, 1062 (nur LS); Beispiele für einen Mantelkauf zuletzt in BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684 (Vorinstanz: OLG Brandenburg, GmbHR 2002, 851 = NJW-RR 2002, 971); OLG Düsseldorf, ZIP 2003, 1501; AG Duisburg, GmbHR 1997, 256 = NJW-RR 1997, 1189; AG Duisburg, GmbHR 1998, 87 = NJW-RR 1998, 246. 2 Insbes. Altmeppen, NZG 2003, 145, 147 ff.; Altmeppen, DB 2003, 2050, 2053 f.; Bärwaldt/S. Balda, GmbHR 2004, 350 f.; Bommert, GmbHR 1983, 209, 212 f.; Heidenhain, NZG 2003, 1051 f.; Heidinger, ZGR 2005, 101, 103 f.; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1131; Heyer/A. Reichert-Clauß, NZG 2005, 193, 195 f.; Kesseler, ZIP 2003, 1791, 1792; Kober, Mantelkauf, S. 23 ff.; Krafka, ZGR 2003, 577, 582 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Peetz, GmbHR 2003, 229, 231; 2003, 1128, 1129; 2004, 1429, 1430 ff.; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1351; Wicke, NZG 2005, 409 f.; R. Wilhelmi, DZWiR 2004, 177, 183 f. 3 So im Wesentlichen wörtlich BGHZ 155, 318, 324 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684, 685 (unter II 3a, aa). 4 So ausdrücklich OLG Jena, GmbHR 2004, 1468, 1469 f.; Heidinger, ZGR 2005, 101, 105; anders noch LG Berlin, NZG 2002, 786 = GmbHR 2002, 1066 (nur LS). 5 S. insbes. Altmeppen, NZG 2003, 145, 147 ff.; Altmeppen, DB 2003, 2050, 2053 f.

Emmerich

|

309

38

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

irrelevanten Umstand die Unterscheidung zwischen bloßer Umorganisation und weiter gehender Mantelverwendung anknüpfen. 39

Die Zulässigkeit der Mantelverwendung (im Folgenden immer einschließlich des herkömmlichen eigentlichen „Mantelkaufs“, s. oben Rdnr. 37 f.) war in der Rechtsprechung früher häufig wegen der damit verbundenen Gefahren für die Gesellschaftsgläubiger verneint worden (§ 138 BGB)1. Mittlerweile ist die Frage jedoch zu Recht im positiven Sinne geklärt. Es gibt keinen Grund, die Mantelverwendung und insbesondere den Mantelkauf, d.h. den Erwerb der Anteile einer bestehenden GmbH, nur deshalb als nichtig zu behandeln, weil der Erwerber beabsichtigt, unter dem „Mantel“ dieser Gesellschaft ein neues Unternehmen zu gründen2. Auch der BGH (vom 7. 7. 2003 – II ZB 4/02) geht heute ohne weiteres von der Zulässigkeit der Mantelverwendung einschließlich des Mantelkaufs aus3. Die Diskussion konzentriert sich seitdem auf die (wichtigere) Frage, wie in diesen Fällen der gebotene Gläubigerschutz sichergestellt werden kann. Der BGH greift dafür auf die Regeln zurück, die er für den vergleichbaren Fall der Vorratsgründung entwickelt hat4. Dies bedeutet, dass die Mantelverwendung ebenso wie die Vorratsgründung als „wirtschaftliche Neugründung“ zu behandeln ist – mit allen geschilderten Konsequenzen, d.h. mit der Pflicht zur Offenlegung des Tatbestandes gegenüber dem Registergericht, Anmeldeversicherung der Geschäftsführer, Unterbilanzhaftung der Gesellschafter und gegebenenfalls Handelndenhaftung der Geschäftsführer (s. im Einzelnen unten Rdnr. 40 ff.).

40

In Literatur und Rechtsprechung ist der Fragenkreis seit langem umstritten. Die Diskussion ist auch durch den bereits mehrfach erwähnten Beschluss des BGH vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02)5 nicht beendet, sondern in Gegenteil (erst recht) wieder „angefacht“ worden. Gegen die Behandlung der Mantelverwendung als „wirtschaftlicher Neugründung“ wurde und wird vor allem eingewandt, die Mantelverwendung lasse sich nicht mit der nötigen Stringenz von der (unbedenklichen) Umorganisation der Gesellschaft unterscheiden; auch bei der ersten liege, wenn überhaupt, der Sache nach nichts anderes als eine normale Vertragsänderung vor, die allein an den dafür geltenden Vorschriften (§§ 53 ff.) gemessen werden könne; es gehe nicht an, überaus weit reichende Rechtsfolgen an eine so unsichere Abgrenzung wie die zwischen der bloßen 1 KG, JW 1924, 1535 f.; KG, JW 1925, 635 = JFG 2, 206; KG, JFG 10, 152 = HRR 1933 Nr. 833; KG, JW 1934, 988; OLG Hamburg, GmbHR 1983, 219 = ZIP 1983, 570; OLG Hamburg, GmbHR 1987, 477 = BB 1987, 505; – für die Zulässigkeit des Mantelkaufs dagegen schon früher OLG Dresden, JFG 8, 157; OLG Karlsruhe, DB 1978, 1219, 1220 f.; LG Ravensburg, NJW 1964, 597 = GmbHR 1964, 137; offen gelassen in RG, JW 1934, 27. 2 LG Kleve, NZG 2002, 587 = GmbHR 2002, 854 (nur LS); ebenso schon Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 445 ff.; Bommert, GmbHR 1983, 209; Kober, Mantelkauf, S. 52, 114 ff. 3 Grdlg. BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = ZIP 2003, 1698 = AG 2003, 684; ebenso der Sache nach bereits BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = AG 1997, 180 = GmbHR 1997, 258, 259 f. 4 S. deshalb schon oben Rdnr. 27 ff.; grdlg. BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = AG 1997, 180 = GmbHR 1997, 258, 259 f. 5 BGHZ 155, 318.

310

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Umorganisation einer Gesellschaft und ihrer wirtschaftlichen Neugründung durch Mantelverwendung zu knüpfen; der nötige Gläubigerschutz könne auch über die Durchgriffshaftung, die Haftung für existenzgefährdende Eingriffe und § 826 BGB sichergestellt werden1. Die überwiegende Meinung hatte dagegen bisher schon in diesem Punkt keinen Unterschied zwischen der Mantelverwendung und der erstmaligen Verwendung einer Vorratsgesellschaft gesehen und deshalb die auf eine Mantelverwendung folgende Reaktivierung der Gesellschaft durch Änderung des Unternehmensgegenstandes und durch Ausstattung der Gesellschaft mit neuem Kapital als wirtschaftliche Neugründung qualifiziert, auf die die §§ 5 bis 9c entsprechend anzuwenden seien2. Dieser Meinung hat sich jetzt auch der BGH mit seinem Beschluss vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02) angeschlossen3. Dem folgt auch die Rechtsprechung4, während im Schrifttum nach wie vor lebhafte Kritik an der Gleichstellung einer Mantelverwendung mit einer wirtschaftlichen Neugründung der Gesellschaft geübt wird, auch, weil die damit verbundenen Haftungsrisiken zur Folge haben könnten, dass eine Mantelverwendung für die Beteiligten jetzt generell wirtschaftlich uninteressant wird5. b) Registerrecht Eine registergerichtliche Prüfung der „wirtschaftlichen Neugründung“ durch Mantelkauf oder allgemeiner: Mantelverwendung nach § 9c (oben Rdnr. 40) stößt deshalb auf Schwierigkeiten, weil sie, wenn überhaupt, so nur an die (keineswegs immer erforderliche) Änderung des Gesellschaftsvertrages anknüp-

1 So insbes. BayObLGZ 1999, 87, 90 ff. = NJW-RR 2000, 113 = GmbHR 1999, 607, 608 f.; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 456 = DB 1991, 2328; LG Kleve, NZG 2002, 587; LG Dresden, NotBZ 2000, 95 = GmbHR 2000, 731 (nur LS); Altmeppen, DB 2003, 2050; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1008 f.; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322; Kober, Mantelkauf, S. 126, 150 ff.; Krafka, ZGR 2003, 577, 587 ff.; Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 15 Rdnr. 16. 2 OLG Stuttgart, ZIP 1992, 250 = DB 1992, 133; GmbHR 1999, 610, 611 f.; OLG Frankfurt, GmbHR 1999, 32, 33 = NJW-RR 1999, 476, 477; OLG Brandenburg, NJW-RR 2002, 971 = GmbHR 2002, 851, 853 f.; OLG Düsseldorf, ZIP 2003, 1501 f.; KG, NZG 1998, 731; LG Dresden, NJW-RR 2001, 823; AG Erfurt, GmbHR 1997, 74; AG Duisburg, NJWRR 1997, 1189 = GmbHR 1997, 256; AG Duisburg, NJW-RR 1998, 246 = GmbHR 1998, 87; Ahrens, DB 1998, 1069, 1072; Göz/Gehlich, ZIP 1999, 1652, 1658; Keller, DZWiR 1998, 230, 232; Michalski, Rdnr. 25; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 20 (S. 7); Hüffer, § 23 AktG Rdnr. 27 f.; Ihrig, BB 1988, 1197, 1201 ff.; Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 10; Priester, DB 1983, 2291, 2294 ff.; Priester, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 159, 185 f.; Röhricht, in: Großkomm. AktG, § 23 Rdnr. 133 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3d/e (S. 72 ff.); Ulmer, BB 1983, 1123, 1126 f.; Ulmer, GmbHR 1984, 256, 258; Ulmer, Rdnr. 137–142; Ulmer, in: Festg. 50 Jahre BGH Bd. II, S. 273, 287 f. 3 BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684. 4 OLG Jena v. 1. 9. 2004 – 4 U 37/03, GmbHR 2004, 1468. 5 Sehr kritisch insbesondere Altmeppen, DB 2003, 2050; Heyer/A. Reichert-Clauß, NZG 2005, 193, 195 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18 f.; Heidenhain, NZG 2003, 1051; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129; H. Herchen, DB 2003, 2211; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1348 ff.; Thaeter, DB 2003, 2112; H. Wicke, NZG 2005, 409, 411 f.; R. Wilhelmi, DZWiR 2004, 177, 179 ff.

Emmerich

|

311

41

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

fen kann1. Und auch wenn eine Änderung des Gesellschaftsvertrages erforderlich ist, bietet das Gesetz nur wenige Ansatzpunkte für eine (erneute!) Prüfung des Gründungsvorgangs, die ja bereits einmal bei der „ersten“ Gründung der Gesellschaft stattgefunden hatte2. Die Registergerichte praktizierten gleichwohl in den letzten Jahren in wachsendem Maße analog § 9c i.V.m. den §§ 5 und 7 sowie § 8 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 eine derartige Prüfung, wenn sich ihnen nach den Umständen des Falles der Verdacht eines Mantelkaufs aufdrängte (§ 12 FGG). Verlangt wurde dann insbesondere eine erneute Anmeldeversicherung der (aller) Geschäftsführer nach § 8 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 2 und 3 sowie § 78. Solange diese Versicherung nicht abgegeben wurde, lehnten die Gerichte die Eintragung der Vertragsänderung (sofern überhaupt erforderlich) ab3. Wegen der großen Abgrenzungsschwierigkeiten war im Schrifttum bereits vorgeschlagen worden, die (neuen oder alten) Geschäftsführer zu verpflichten, den Tatbestand der wirtschaftlichen Neugründung bei der Anmeldung der etwa für die Mantelverwendung erforderlichen Änderungen des Gesellschaftsvertrages von sich aus offenzulegen4. Diesen Vorschlägen hat sich der BGH mittlerweile im Ergebnis weitgehend angeschlossen (unten Rdnr. 42). 42

Wie schon ausgeführt (oben Rdnr. 29 ff.), verlangt der BGH heute in den Fällen der Verwendung einer Vorratsgesellschaft eine „registergerichtliche Präventivkontrolle“, weil er den Tatbestand als „wirtschaftliche Neugründung“ qualifiziert. Ebenso sollen jetzt nach dem Beschluss vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02)5 die Fälle einer Mantelverwendung behandelt werden, weil es sich bei dieser der Sache nach gleichfalls um eine „wirtschaftliche Neugründung“ in Gestalt der Verwendung eines alten „Mantels für die Gründung einer neuen Gesellschaft“ handele. Dies bedeute, dass die Tatsache der Wiederverwendung eines zwischenzeitlich „leergewordenen Gesellschaftsmantels“ gegenüber dem Registergericht offenzulegen sei in Verbindung mit der Versicherung gem. § 8 Abs. 2, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich zu diesem Zeitpunkt, d.h. im Zeitpunkt der Offenlegung und der Abgabe der Anmeldeversicherung gegenüber dem Registergericht, endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet6.

1 S. zu dieser Problematik insbesondere Heidinger, ZGR 2005, 101, 129 ff. 2 Ablehnend deshalb bis zuletzt BayObLGZ 1999, 87, 90 ff. = NJW-RR 2000, 113 = GmbHR 1999, 607, 608 f.; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 456 = DB 1991, 2329 = Rpfl. 1992, 27 = MittRhNotK 1991, 319; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322, 323 f.; Krafka, ZGR 2003, 577, 587 ff.; wohl auch K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1348 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3e (S. 73 f.). 3 So insbes. OLG Brandenburg, NJW-RR 2002, 971 = GmbHR 2002, 851, 853 f.; AG Erfurt, GmbHR 1997, 74; AG Duisburg, NJW-RR 1997, 1189 = GmbHR 1997, 256, 257 f.; AG Duisburg, NJW-RR 1998, 246 f. = GmbHR 1998, 87; im Ergebnis auch OLG Frankfurt, GmbHR 1999, 32, 33 = NJW-RR 1999, 476; OLG Düsseldorf, ZIP 2003, 1501 f. 4 So Göz/Gehlich, ZIP 1999, 1652, 1659; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322, 324; Krafka, ZGR 2003, 577, 590; vgl. auch Nolting, ZIP 2003, 651, 654. 5 BGHZ 155, 318, 323 f. = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = ZIP 2003, 1698 = AG 2003, 684, 685 (unter II 3). 6 BGHZ 155, 318, 325 f. (unter II 3b); ebenso OLG Jena, GmbHR 2004, 1468, 1470 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16 f.; ausführlich Heidinger, ZGR 2005, 101, 118 ff.; zur verbreiteten Kritik des Schrifttums s. schon oben Rdnr. 40 m.N.

312

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Der BGH hat hinzugefügt, dass sich die Versicherung gem. § 8 Abs. 2 an dem vertragsmäßigen Stammkapital auszurichten habe, so dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der Offenlegung noch ein Mindestvermögen in Höhe der gesellschaftsvertraglichen Stammkapitalziffer besitzen müsse, von dem sich ein Viertel, wenigstens aber 12 500 Euro, wertmäßig in der freien Verfügung der Geschäftsführer zu befinden hätten1. Probleme wirft diese Neuorientierung der Praxis, wie bereits angedeutet (oben Rdnr. 41), vor allem auf, wenn die Mantelverwendung an sich auch ohne Änderung des Gesellschaftsvertrages möglich ist, weil sich der Unternehmensgegenstand formal nicht ändert. In solchen Fällen wäre es nach der neuen Rechtsprechung des BGH nur konsequent, von den (neuen) Geschäftsführern in ihrer Gesamtheit (s. § 78) – über das Gesetz hinaus – gegenüber dem Handelsregister zusätzlich eine Offenlegung in Verbindung mit einer erneuten Anmeldeversicherung zu verlangen, schon, um den Geschäftsführern und den Gesellschaftern die sonst drohende, in diesem Fall sogar zeitlich unbegrenzte Handelndenund Unterbilanzhaftung zu ersparen2. Stichtag für die Anmeldeversicherung ist der der Offenlegung des Vorgangs gegenüber dem Registergericht, die in der Regel nur möglich sein dürfte, wenn zuvor eine Vermögensbilanz auf diesen Stichtag aufgestellt wird3. Unterbleibt die Anmeldeversicherung oder ist sie unrichtig, so droht den Gesellschaftern und den Geschäftsführern die Haftung nach § 9a. Außerdem obliegt dem Registergericht „bei hinreichenden Anhaltspunkten“ die Prüfungspflicht nach § 9c4.

43

c) Unterbilanzhaftung? In Literatur und Rechtsprechung ist bereits vor dem Beschluss des BGH vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02)5 aus der Qualifizierung der Mantelverwendung als wirtschaftlicher Neugründung vielfach der Schluss gezogen worden, die Gesellschaft müsse, wenn die unabdingbare Prüfung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft eine Unterbilanz ergebe, vor der Anmeldung der nötigen Änderungen des Gesellschaftsvertrags zur Eintragung ins Handelsregister (erneut) mit dem erforderlichen Kapital ausgestattet werden, wobei freilich innerhalb der Vertreter dieser Meinung wiederum umstritten war, ob die Verpflichtung zur (erneuten) Kapitalausstattung der Gesellschaft nur in Höhe des Mindestkapitals des § 5 Abs. 1 besteht6 oder sich weiter gehend am vertraglichen Stammkapital 1 BGHZ 155, 318, unter III 3b. 2 S. unten Rdnr. 44 f.; ebenso Bärwaldt/S. Balda, GmbHR 2004, 350, 351; Heidinger/ Meyding, NZG 2003, 1129, 1131; Peetz, GmbHR 2003, 1128, 1129; sehr kritisch dazu Heidinger, ZGR 2005, 101, 128 ff. 3 Zur Notwendigkeit s. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16. 4 So BGHZ 155, 318, 326 f. = AG 2003, 684, 686 (unten II 4). 5 BGHZ 155, 318 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684. 6 So insbes. OLG Brandenburg, NZG 2002, 641 = NJW-RR 2002, 971 = GmbHR 2002, 851, 853 f. m.N.; Göz/Gehlich, ZIP 1999, 1653, 1658; Keller, DZWiR 1998, 230, 232; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Michalski, Rdnr. 25; Nolting, ZIP 2003, 651, 653 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 III 3d (S. 72 f.); dagegen insbesondere Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1010 ff.; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 129 (S. 239 f.), alle m.N.

Emmerich

|

313

44

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

der Gesellschaft zu orientieren hat1. Umstritten war ferner der Zeitpunkt, zu dem die danach erforderliche, erneute Kapitalausstattung der Gesellschaft, sei es in Höhe des Mindestkapitals (§ 5), sei es in Höhe des gegebenenfalls höheren vertraglichen Stammkapitals, vorliegen musste2. Überwiegend wurde der Zeitpunkt der Anmeldung in Verbindung mit der wiederholten Anmeldeversicherung als maßgeblich angesehen3. Kommen die Gesellschafter der Verpflichtung zur (erneuten) Kapitalausstattung der Gesellschaft nicht rechtzeitig nach, so sollte ihnen ferner die gefürchtete Unterbilanzhaftung drohen – mit der Folge z.B., dass auch spätere Erwerber der Anteile dann die Haftung entsprechend den §§ 16 Abs. 3 und 19 für die (erneuten) Rückstände auf die Stammeinlagen treffen kann4. Der ganze Fragenkreis war (und ist) jedoch umstritten. Statt der (allemal problematischen) Unterbilanzhaftung der Gesellschafter wird im Schrifttum nach wie vor häufig auch eine Lösung über die allgemeine Unterkapitalisierungshaftung der Gesellschafter vorgeschlagen5. 45

Der BGH hat sich in dem Beschluss vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02) auf Grund der von ihm angenommenen Qualifizierung der Mantelverwendung als „wirtschaftlicher Neugründung“ ebenso wie bei der Verwendung einer Vorratsgesellschaft (oben Rdnr. 39) dafür entschieden, auch im Falle einer Mantelverwendung die Kapitalaufbringung über die Unterbilanzhaftung der Gesellschafter (sowie über die Handelndenhaftung der Geschäftsführer nach § 11 Abs. 2) zu gewährleisten6. Die reale Kapitalaufbringung ist danach bei der Mantelverwendung ebenso wie bei der Aktivierung einer Vorratsgesellschaft „durch entsprechende Anwendungen des Haftungsmodells der Unterbilanzhaftung sicherzustellen“. Dadurch solle erreicht werden, dass im Anmeldezeitpunkt die geschuldeten Einlagen nicht bereits wieder ganz oder teilweise aufgezehrt sind, wobei Stichtag der der Offenlegung in Verb. mit der Anmeldeversicherung gegenüber dem Handelsregister sei. Ergänzend greife die Handelndenhaftung der Geschäftsführer analog § 11 Abs. 2 ein (s. dazu schon oben Rdnr. 35 f.).

1 So insbes. OLG Frankfurt, NJW-RR 1999, 476 = GmbHR 1999, 32, 33; OLG Düsseldorf, ZIP 2003, 1501; Ahrens, DB 1998, 1069, 1072; Krafka, ZGR 2003, 577, 587; Lübbert, BB 1998, 2221. 2 S. Schaub, NJW 2003, 2125, 2128. 3 Nolting, ZIP 2003, 651, 653; Peus, NZG 2003, 610; dagegen für den Zeitpunkt der Eintragung Schaub, NJW 2003, 2125, 2128; Schaub, DNotZ 2003, 447; für den Zeitpunkt der Geschäftsaufnahme bei Entbehrlichkeit einer Anmeldung zum Handelsregister schließlich Ahrens, DB 1998, 1069; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9 und Nolting, ZIP 2003, 651, 653 f. 4 So in der Tat OLG Frankfurt, NJW-RR 1999, 971 = GmbHR 1999, 32, 33 m. Komm. A. Boerner; OLG Düsseldorf, ZIP 2003, 1501. 5 So mit Unterschieden im Einzelnen Altmeppen, NZG 2003, 145, 148 f.; Altmeppen, DB 2003, 2050, 2054; Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1005, 1013; Heerma, Mantelverwendung, S. 147 ff.; Heerma, GmbHR 1999, 640, 646; H. Herchen, DB 2003, 2211, 2216; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322, 324 f.; Meller-Hannich, ZIP 2000, 345, 350; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; K. Schmidt, NJW 2004, 1345, 1352 f.; Thaeter, DB 2003, 2112, 2114 f. 6 BGHZ 155, 318, 326 f. = NJW 2003, 3118 = GmbHR 2003, 1125 = AG 2003, 684, 685 f. (unter II 4); OLG Jena, GmbHR 2004, 1468, 1470 f.

314

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Die genaue Reichweite der Unterbilanzhaftung der Gesellschafter im Falle einer Mantelverwendung ist noch nicht endgültig geklärt1. Entscheidend dürfte sein, worauf sich letztlich die Anmeldeversicherung der Geschäftsführer zu beziehen hat (s. oben Rdnr. 41 ff.). Geht man davon aus, dass sie sich auf das gesamte vertragliche Stammkapital beziehen muss, so greift die Unterbilanzhaftung der Gesellschafter ein, wenn das tatsächliche, durch eine Stichtagsbilanz ermittelte Vermögen der Gesellschaft hinter dem Stammkapital zurückbleibt2. In Höhe dieser Differenz besteht dann auch die Pflicht zur Wiederauffüllung des Stammkapitals, bei deren Verletzung die Unterbilanzhaftung eingreift3. Die bloße Übernahme einer Verlustausgleichsverpflichtung der Gesellschafter dürfte wohl nicht ausreichen4. Um eine eigentliche Sachgründung handelt es sich bei dieser Differenzhaftung wohl nicht, so dass für die Anwendung der Vorschriften über die Sachgründung, wenn überhaupt, nur in sehr engem Rahmen Raum ist5. Nach dem Konzept des BGH dürfte diese Haftung auch gegenüber den Altgläubigern bestehen, d.h. gegenüber den Gläubigern der früher aktiven, später aber stillgelegten Gesellschaft, deren „Mantel“ für die Neugründung verwendet wird6. Noch offen ist, ob insoweit den Gesellschaftern und Geschäftsführern ein Vertrauensschutz in der Zeit vor Bekanntwerden des Beschlusses des BGH vom 7. 7. 2003 (II ZB 4/02)7 zu gewähren ist. Obwohl dies durchaus problematisch ist, tendiert die Praxis wohl hinsichtlich der Differenzhaftung der Gesellschafter zur Verneinung der Frage, da solche Haftung auch schon vor Bekanntwerden des genannten Beschlusses des BGH diskutiert wurde8.

46

V. Stammkapital Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 (= § 4 Abs. 1 Nr. 3 öGmbHG) muss der Gesellschaftsvertrag den Betrag des Stammkapitals enthalten. Die Einzelheiten regelt das Gesetz in § 5 sowie in der Übergangsvorschrift des § 86. Das Stammkapital ist danach ursprünglich identisch mit der Summe der Stammeinlagen, d.h. der Beiträge der Gesellschafter im Sinne des § 705 BGB (§ 5 Abs. 1), so dass das Stammkapital letztlich die ursprüngliche Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft anzeigt, weshalb das Gesetz durch eine Fülle von Vorschriften die Auf-

1 Wegen der Einzelheiten s. Bärwaldt/S. Balda, GmbHR 2004, 350, 353; Kesseler, ZIP 2003, 1791, 1792 f.; Heidenhain, NZG 2003, 1051, 1053; Heidinger, ZGR 2005, 101, 119, 121, 124, 129 ff.; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1133 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16 f.; Peetz, GmbHR 2003, 1128, 1129; Peetz, GmbHR 2004, 1429, 1432 ff. 2 Zur Notwendigkeit einer derartigen Stichtagsbilanz s. statt aller Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16 f. 3 S. insbes. Bärwaldt/Balda, GmbHR 2004, 350, 353; Heidinger, ZGR 2005, 101, 119, 129 ff.; Peetz, GmbHR 2004, 1429, 1432 ff. 4 Anders Peetz, GmbHR 2004, 1429, 1432 ff. 5 Heidinger, ZGR 2005, 101, 121 ff.; Swoboda, GmbHR 2005, 649. 6 Kritisch dazu Heidinger, ZGR 2005, 101, 124 f. 7 BGHZ 155, 318. 8 In diesem Sinne wohl OLG Jena, GmbHR 2004, 1468, 1470.

Emmerich

|

315

47

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

bringung und Erhaltung dieses Garantiefonds für die Gläubiger sichert1. Dahinter steht der Gedanke, dass nur bei strikter Beachtung der Vorschriften über die Kapitalaufbringung und -erhaltung die Haftungsbeschränkung zu Gunsten der Gesellschafter (§ 13 Abs. 2) sachlich gerechtfertigt ist, weil nur dann (in beschränktem Umfang) gewährleistet ist, dass wenigstens das Stammkapital als Garantie- oder Haftungsfonds immer für die Gläubiger zur Verfügung steht. Das ist auch der Grund, weshalb das Gesetz der Angabe des Stammkapitals in dem Gesellschaftsvertrag in § 3 Abs. 1 Nr. 3 dieselbe Bedeutung wie der des Unternehmensgegenstandes (§ 3 Abs. 1 Nr. 2) beimisst, so dass ihr Fehlen zur Nichtigkeit der Gesellschaft führt (§ 75) und die Amtslöschung erlaubt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 FGG). 48

Das Stammkapital muss ziffernmäßig in Euro, und zwar in bestimmter Höhe angegeben werden. Der Mindestbetrag beträgt 25 000 Euro (§ 5 Abs. 1); eine Obergrenze besteht nicht. Eine Sonderregelung für die Umstellung der früheren DM-Beträge auf Euro findet sich in § 862. Ungenaue Angaben oder bloße Höchstbeträge für das Stammkapital sind unzulässig. Das GmbHG kennt im Gegensatz zum AktG (§ 202) namentlich kein genehmigtes Kapital.

49

Die Stammkapitalziffer muss mit dem Gesamtbetrag der Stammeinlagen übereinstimmen (§ 5 Abs. 1 Satz 3). Beide Größen sind daher bei Gründung der Gesellschaft notwendigerweise identisch. Daraus wird häufig der Schluss gezogen, dass es auch ausreiche, wenn sich die Stammkapitalziffer aus dem Gesellschaftsvertrag nur mittelbar als Summe der Stammeinlagen ergebe3. Dem ist jedoch nicht zu folgen, weil das Gesetz zwischen beiden Angaben trennt und außerdem in § 75 Abs. 1 die Bedeutung der gesonderten Angabe des Stammkapitals noch besonders unterstreicht4. Ebenso unvereinbar mit dem Gesetz ist es, wenn die Höhe des Stammkapitals nur aus anderen zum Handelsregister eingereichten Urkunden in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag erschlossen werden kann5.

50

Da die Angabe des Stammkapitals zum notwendigen Inhalt des Gesellschaftsvertrages gehört, ist für eine Änderung des Stammkapitals vor Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister ein Änderungsvertrag unter Mitwirkung aller Gesellschafter in der Form des § 2 erforderlich (§ 311 Abs. 1 BGB)6. Nach Eintragung der Gesellschaft handelt es sich dagegen um eine Satzungsänderung nach den §§ 53 und 557. Im Gesellschaftsvertrag braucht dann nur noch das 1 Wegen der Einzelheiten s. unten § 5 Rdnr. 19; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 46 f. (S. 273 f.); grdlg. M. Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbHRechten der EWG, 1964. 2 S. dazu Theile/Köhler, GmbHR 1999, 516. 3 KG, OLGE 40, 194; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Ulmer, Rdnr. 24. 4 Ebenso Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 48 (S. 274); Michalski, Rdnr. 27; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; Wünsch, öGmbHG, § 4 Anm. 24. 5 KGJ 51, 130. 6 S. oben § 2 Rdnr. 21; OGH, HS 2243; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Wünsch, öGmbHG, § 4 Anm. 25. 7 RGZ 72, 152, 154 f.

316

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

neue (erhöhte) Stammkapital genannt zu werden, während der ursprüngliche Stammkapitalbetrag weggelassen werden kann1.

VI. Stammeinlagen 1. Überblick Zum obligatorischen Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages gehört nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 (= § 4 Abs. 1 Nr. 4 öGmbHG) schließlich noch die Angabe des Betrags der von jedem Gesellschafter auf das Stammkapital zu leistenden Einlage. Die Einzelheiten ergeben sich aus den §§ 5, 7 Abs. 2, 14, 15 und 17 (s. im Einzelnen unten § 5 Rdnr. 22 ff.). Die Stammeinlage jedes Gesellschafters muss danach mindestens 100 Euro betragen (§ 5 Abs. 1). Außerdem kann bei Errichtung der Gesellschafter jeder Gesellschafter nur eine Stammeinlage übernehmen (§ 5 Abs. 2), so dass die Anzahl der Gründer notwendig der Stammeinlagen entspricht (sog. Gebot der einheitlichen Stammeinlage2). Erst später kann ein Gesellschafter weitere Geschäftsanteile, die dann grundsätzlich selbständig bleiben, zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil hinzuerwerben (§ 15 Abs. 2). Geschäftsanteile können außerdem im Falle der Veräußerung oder Vererbung aufgeteilt werden (§ 17), nicht jedoch schon im Voraus im Gesellschaftsvertrag (Verbot der sog. Vorratsteilung)3. Das Fehlen oder die Nichtigkeit der Angaben über die Stammeinlagen löst (nur) das Verfahren nach § 144a Abs. 4 FGG aus.

51

Die Stammeinlage ist der von jedem Gesellschafter zu leistende Beitrag zum Stammkapital i.S. des § 705 BGB4. Dieser Beitrag ist die Basis der Beteiligung jedes Gesellschafters an der GmbH als einer Kapitalgesellschaft (§ 13; s. unten Rdnr. 59), so dass immer eine Fassung des Gesellschaftsvertrages gewählt werden muss, die jede Unklarheit über die Höhe des Stammkapitals und die geleisteten Einlagen ausschließt5. Aus denselben Gründen muss die Leistung des Beitrags, der Einlage, an die Gesellschaft, d.h. in deren Vermögen erfolgen. „Nebenleistungen“ i.S. des § 3 Abs. 2 genügen dafür ebenso wenig wie ein Darlehen oder eine Schenkung6. Auch aus einem von der Gesellschaft aufgenommenen Darlehen kann die Leistung der Stammeinlage nicht erbracht werden7.

52

Als Einlagen kommen Geld- oder Sacheinlagen in Betracht, wobei im zweiten Fall die §§ 5 Abs. 4 sowie 7 Abs. 2 und 3 zu beachten ist8. Wenn nichts anderes bestimmt ist, handelt es sich bei den Stammeinlagen um Geldeinlagen. Ihre Fälligkeit richtet sich nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 45 Abs. 2)9. Bei Fällig-

53

1 S. KG, JW 1937, 2655 f.; BayObLGZ 1971, 242 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 15; Priester, GmbHR 1973, 169; s. auch unten Rdnr. 57. 2 S. Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 51 (S. 275 f.). 3 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 34 II 4d (S. 1002). 4 Vgl. KGJ 35 A 175. 5 BayObLGZ 1971, 242, 245 ff. 6 KGJ 51, 130; OLG Oldenburg, GmbHR 1997, 69. 7 BGHZ 28, 77, 78 = NJW 1958, 1351. 8 S. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 34 II 2e (S. 1003 f.). 9 S. Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 53 (S. 276).

Emmerich

|

317

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

keit ist es dann Aufgabe der Geschäftsführer, die Stammeinlagen einzufordern. Fehlt eine Regelung, so unterliegt nach § 46 Nr. 2 die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen der Bestimmung der Gesellschafter. Entsprechend § 9 dürfen dabei die zu leistenden Einlagen nicht niedriger als die im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Stammeinlagen bestimmt werden (Verbot der Unterpari-Emission1). Unbedenklich ist dagegen eine Überpari-Emission. Sie liegt vor, wenn die Gesellschafter – neben der Stammeinlage – die Verpflichtung zur Leistung weiterer Beiträge in Gestalt von Nebenleistungen oder Nachschüssen übernehmen (§§ 3 Abs. 2, 26 ff.)2. 54

Nach § 14 bestimmt sich der Geschäftsanteil jedes Gesellschafters nach dem Betrag der von ihm übernommenen Stammeinlage. Die Stammeinlage muss daher vom Geschäftsanteil unterschieden werden (s. unten § 5 Rdnr. 24). Der Geschäftsanteil ist dabei der weitere Begriff, der die Gesamtheit der Rechte und Pflichten des Gesellschafters umfasst, während mit der Stammeinlage lediglich die in einem Bruchteil des Stammkapitals ausgedrückte Einlageverpflichtung des Gesellschafters bezeichnet wird3. Aus der Sicht der Gesellschaft ist die Stammeinlage zunächst nicht mehr als eine Forderung gegen die Gesellschafter4. Sie bestimmt zugleich gem. § 14 den Nennbetrag des Geschäftsanteils.

2. Änderung 55

a) Die Stammeinlagen können in der Zeit vor Eintragung der Gesellschaft nur durch Vertrag in der Form des § 2 geändert werden (§ 311 Abs. 1 BGB). Nach Eintragung der Gesellschaft ist dagegen ihre vertragliche Änderung oder die vertragliche Umwandlung von Bareinlagen in Sacheinlagen nicht mehr möglich5. In Betracht kommen stattdessen jetzt nur noch eine Kapitalerhöhung nach den §§ 55 ff. oder eine Kapitalherabsetzung nach den §§ 58 ff. (s. unten Rdnr. 57).

56

b) § 3 Abs. 1 Nr. 4 regelt nur den Mindestinhalt des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages. Daraus wird der Schluss gezogen, dass bei späteren Änderungen die Angabe der ursprünglichen Stammeinlagen nicht nur dann weggelassen werden kann, wenn sie voll eingezahlt sind (unstr.), sondern generell, also auch dann, wenn noch Zahlungen auf die Stammeinlagen offen sind. Die Gläubiger werden dadurch nicht gefährdet, da die Person der Einlagenschuldner jederzeit der bei den Handelsregisterakten befindlichen, ursprünglichen Fassung des Gesellschaftsvertrages entnommen werden kann6. Das Gesagte gilt auch für Sach1 S. unten § 5 Rdnr. 34; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 49 (S. 275). 2 S. im Einzelnen unten Rdnr. 74 f. und § 5 Rdnr. 23; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 49 (S. 275). 3 S. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 13 f.; Michalski, Rdnr. 30; Ulmer, Rdnr. 28; Wünsch, öGmbHG, § 4 Anm. 28. 4 Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 13. 5 BayObLGZ 1970, 285, 289; BayObLG, MittBayNotK 1978, 21 = GmbHR 1978, 132 = BB 1978, 422. 6 Grdlg. BayObLGZ 1991, 365 = GmbHR 1992, 42, 43 = NJW-RR 1992, 736 = DB 1991, 2537; BayObLG, GmbHR 1997, 73, 74 = NJW-RR 1997, 485 = ZIP 1996, 2109; wohl auch BGH, LM Nr. 4 zu § 17 GmbHG (Bl. 2 R) = NJW 1989, 168 = GmbHR 1988, 337; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Koppensteiner, öGmbHG, § 4

318

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

einlagen, wobei freilich die Sperrfrist des § 26 Abs. 4 AktG (i.V.m. § 27 Abs. 5 AktG) zu beachten ist1. c) Die Nr. 4 des § 3 Abs. 1 bezieht sich nur auf die ursprünglichen Stammeinlagen (oben Rdnr. 31). Die Vorschrift gilt daher auch nicht für neue, bei einer Kapitalerhöhung nach den §§ 55 f. übernommene Stammeinlagen. In diesem Falle genügt es daher, wenn die fraglichen Beträge in den Übernahmeerklärungen der neuen Gesellschafter (§ 55 Abs. 1) sowie in der Liste der Übernehmer (§ 57 Abs. 3 Nr. 2) genannt werden2.

57

d) Die Übernahme der Stammeinlagen muss unbedingt und unbefristet erfolgen. Hieraus ist früher häufig der Schluss gezogen worden, dass eine dem Stammeinlageversprechen eines Gründers beigefügte Bedingung oder Befristung die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages nach sich ziehe, solange nicht der Mangel durch Verzicht auf die Bedingung oder die Befristung geheilt ist3. Hieran ist richtig nur, dass ein Eintragungshindernis vorliegt, solange die Bedingung noch nicht eingetreten oder die Frist nicht abgelaufen ist (§ 9c)4. Sobald aber eine aufschiebende Bedingung eingetreten oder eine auflösende Bedingung ausgefallen oder die Frist abgelaufen ist, hindert nichts die Eintragung der Gesellschaft. Ebenso unbedenklich ist die Vereinbarung, dass die Beteiligung eines Gründers unverbindlich werden soll, falls die Gesellschaft nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt durch Eintragung ins Handelsregister entstanden ist (§ 311 Abs. 1 BGB). Die verbleibenden Gründer müssen dann lediglich den Vertrag der veränderten Sachlage anpassen, wenn sie gleichwohl noch die Eintragung der Gesellschaft betreiben wollen. Wird aber die Gesellschaft schon vorher, d.h. trotz noch schwebender Bedingung oder Frist eingetragen, so ist der Mangel geheilt, weil § 75 keine Anwendung findet; der betreffende Gesellschafter ist folglich jetzt unbedingt zur Leistung der Stammeinlage verpflichtet5.

58

3. Person der Gesellschafter Bei Errichtung der Gesellschaft muss nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 jeder Gründer (nur) eine Stammeinlage in der in § 5 Abs. 1 genannten Mindesthöhe übernehmen. Wer keine Stammeinlage übernimmt, kann nicht Gesellschafter werden (s. oben Rdnr. 52). Deshalb müssen im Gesellschaftsvertrag mit den Stammeinlagen auch die Übernehmer der Stammeinlagen, d.h. die Gründer der Gesellschaft bezeichnet werden, dies auch, weil sie die Parteien des Gesellschaftsvertrages

1

2 3 4 5

Rdnr. 15; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; ausführlich Kl.-J. Müller, GmbHR 1997, 923, 924 f. S. KG, JFG 2, 257; 14, 308; 16, 117; JW 1937, 2655; LG Hamburg, GmbHR 1968, 207; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 49; Hachenburg/P. Ulmer, Rdnr. 29; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; anders Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Michalski, Rdnr. 30. BayObLGZ 1970, 285, 288 f.; 1971, 242, 245 f.; 1981, 312, 316 ff. = NJW 1982, 1400; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19. RGZ 33, 93; 78, 359; 83, 256, 258 f.; KG, KGJ 51, 133; OLGZ 1968, 477, 483. S. schon oben § 2 Rdnr. 67, 69; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19–21. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21.

Emmerich

|

319

59

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

sind1. Erst bei späteren Änderungen des Gesellschaftsvertrages kann ihre Angabe weggelassen werden2. Umstritten ist, ob im Gesellschaftsvertrag später statt der Gründer diejenigen Personen genannt werden dürfen, die in diesem Zeitpunkt gerade Inhaber der Geschäftsanteile sind. Obwohl dies häufig bestritten wird3, ist nicht zu erkennen, was die Gesellschafter daran hindern sollte, zu einem beliebigen Zeitpunkt im Vertrag klarzustellen, wer gerade Gesellschafter ist; Interessen Dritter können dadurch nicht beeinträchtigt werden4.

VII. Zeitbestimmung 1. Überblick 60

a) Nach § 3 Abs. 2 bedürfen eine etwaige Beschränkung des Unternehmens der Gesellschaft „auf eine gewisse Zeit“ sowie die Verpflichtung der Gesellschafter zur Erbringung zusätzlicher Nebenleistungen der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. Bei einer Zeitbestimmung handelt es sich mithin ebenso wie bei der Begründung von Nebenleistungspflichten (unten Rdnr. 68 ff.) um so genannte fakultative Vertragsbestandteile. Man versteht darunter Regelungen, deren Aufnahme in den Vertrag den Gesellschaftern im Gegensatz zu dem zwingenden Mindestinhalt des § 3 Abs. 1 freisteht, die jedoch, wenn die Gesellschafter entsprechende Abreden treffen wollen, in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden müssen, vorausgesetzt, dass sie – als körperschaftliche Regelungen – für die Gesellschaft und zukünftige Gesellschafter bindend sein sollen. Mit § 3 Abs. 2 vergleichbare Bestimmungen finden sich noch an zahlreichen anderen Stellen des Gesetzes (s. schon oben Rdnr. 1 ff.). Dieser Katalog hat zudem keinen abschließenden Charakter, da das GmbHG keine dem § 23 Abs. 5 AktG vergleichbare Bestimmung kennt; vielmehr besteht hier – im Rahmen der zwingenden Bestimmungen des Gesetzes – Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB), so dass die Gesellschafter, über die genannten Bestimmungen des Gesetzes hinaus, auch noch vielfältige sonstige Regelungen im Gesellschaftsvertrag mit bindender Wirkung für die Gesellschaft und zukünftige Gesellschafter, d.h. als körperschaftliche Regelungen treffen können. Einige Beispiele für derartige Regelungen sind bereits weiter oben genannt (oben Rdnr. 3). Weitere Beispiele sind die Bestimmung von Gesellschaftsblättern (s. § 10 Abs. 3), die Einrichtung zusätzlicher Organe wie eines Aufsichtsrats oder eines Beirats, Bestimmungen über die Geschäftspolitik der Gesellschaft, Regeln über die Gewinnverwendung, außerdem Abtretungsbeschränkungen (§ 15 Abs. 5), weiter

1 BGHZ 29, 300, 303 = NJW 1959, 934; KG, OLGE 40, 194; KGJ 51, 30; OLG Hamm, OLGZ 1986, 159, 160 = NJW 1987, 263 = GmbHR 1986, 311; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 13; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17; anders Wünsch, öGmbHG, § 4 Anm. 33. 2 S. im Einzelnen oben Rdnr. 56; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21. 3 KG, DR 1941, 2128 = HRR 1941 Nr. 958; LG Hamburg, GmbHR 1952, 155; LG Köln, DNotZ 1953, 106; LG Hannover, NdsRpfl. 1971, 283; Groß, Rpfleger 1972, 126. 4 OLG Frankfurt, GmbHR 1973, 172 f.; LG Stuttgart, NJW 1972, 1997; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Michalski, Rdnr. 33; Priester, GmbHR 1973, 169, 171; wohl auch RGZ 130, 39, 44 f.

320

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Bestimmungen über besondere Eigenschaften der Gesellschafter oder der Geschäftsführer, Regeln für die Durchführung der Gesellschafterversammlung oder über die Vertretung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung, ferner die Begründung von Sonderrechten für einzelne Gesellschafter (unten Rdnr. 95), Abreden über das Stimmrecht der Gesellschafter, Gerichtsstand-, Schieds- und Finanzierungsklauseln sowie Kündigungsklauseln1. Für die Nichtigkeit und für die Erheblichkeit von Willensmängeln gelten hinsichtlich der fakultativen Vertragsbestandteile (oben Rdnr. 60) bis zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister die allgemeinen Regeln2. Bis zu diesem Zeitpunkt beurteilen sich somit die Auswirkungen der etwaigen Nichtigkeit einer der genannten fakultativen Vertragsbestimmungen auf den Gesamtvertrag nach § 139 BGB (oben § 2 Rdnr. 63). Folglich liegt (nur) dann ein Eintragungshindernis nach § 9c Abs. 2 Nr. 3 vor, wenn die Nichtigkeit der fraglichen Bestimmung gem. § 139 BGB (ausnahmsweise) die des gesamten Gesellschaftsvertrages nach sich zieht, sonst also nicht. Sobald jedoch einmal die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, kommt es auf diese Frage nicht mehr an. § 75 GmbHG und die §§ 144 und 144a FGG finden keine Anwendung, so dass die Wirksamkeit der Gesellschaft durch den etwaigen Mangel nicht mehr berührt wird. In schwer wiegenden Fällen kommt nur die Auflösungsklage des § 61 in Betracht3.

61

b) Zu den fakultativen Vertragsbestandteilen gehört nach § 3 Abs. 2 zunächst eine Bestimmung, nach der das Unternehmen der Gesellschaft auf eine gewisse Zeit beschränkt sein soll. Gesetzliche Regel ist folglich bei der GmbH die Vereinbarung der Gesellschaft auf unbestimmte Zeit; in diesem Fall greifen allein die Auflösungsgründe des § 60 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 sowie etwaige zusätzliche, vertragliche Auflösungsgründe ein (§ 60 Abs. 2). So erklärt sich zugleich die Bestimmung des § 10 Abs. 2 und 3, nach der die Befristung der Gesellschaft (als Ausnahme von der Regel) in das Handelsregister (mit deklaratorischer Wirkung) einzutragen und bekannt zu machen ist. Mit Ablauf der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zeit wird dann die Gesellschaft von selbst aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 1) und ist abzuwickeln (wegen der Einzelheiten s. unten § 60 Rdnr. 9–11). Der Gesellschaftsvertrag kann noch weitere Auflösungsgründe vorsehen, wobei vor allem an eine auflösende Bedingung oder an Kündigungsrechte der Gesellschafter zu denken ist (§ 60 Abs. 2; wegen der Einzelheiten s. unten § 60 Rdnr. 74, 77 ff.).

62

c) Die Befristung der Gesellschaft kann, muss aber nicht die Bedeutung der Vereinbarung einer Mindestdauer haben4. Ist dies (ausnahmsweise) der Fall, so hat die Befristung die weitere Wirkung, dass während der vereinbarten Mindestdauer auch ein Auflösungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit ausgeschlossen

63

1 Zu Kündigungsklauseln s. unten § 60 Rdnr. 77 ff.; zum Ganzen s. ausführlich Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 19; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29–46; Mayer, in: MünchHdb. III, § 20 (S. 277 ff.); Michalski, Rdnr. 68 f. 2 S. oben § 2 Rdnr. 62 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Michalski, Rdnr. 36. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Michalski, Rdnr. 36. 4 S. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25.

Emmerich

|

321

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

ist. Die Zulässigkeit einer derartigen Abrede folgt daraus, dass das Gesetz in § 60 Abs. 1 Nr. 2 ausdrücklich abweichende Abreden erlaubt, so dass auch die Abrede möglich ist, dass ein vorzeitiger Auflösungsbeschluss nur mit Zustimmung aller Gesellschafter erfolgen kann (s. unten § 60 Rdnr. 19).

2. Vereinbarung 64

a) Das Gesetz verlangt in § 3 Abs. 2 für eine Bestimmung über die Befristung der Gesellschaft die „Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag“ (ebenso § 60 Abs. 1 Nr. 1). Das bedeutet, dass sich aus dem Gesellschaftsvertrag selbst die Befristung ergeben muss, wofür die bloße Bezugnahme auf andere Urkunden nicht genügt1. Dagegen besagt die gesetzliche Regelung nicht, dass die Zeitbestimmung obendrein auch ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag erfolgen müsse; im Einzelfall kann sich die Zeitbestimmung vielmehr durchaus auch konkludent aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben2. Außerdem ist erforderlich, dass der Eintritt des fraglichen Ereignisses sicher ist, mag auch der genaue Zeitpunkt ungewiss sein. Es genügt mit anderen Worten, wenn der Zeitpunkt der Beendigung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 Nr. 1) lediglich bestimmbar ist, während es sich nicht mehr um eine Befristung handelt, wenn der Eintritt des auflösenden Ereignisses wie im Falle der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung ungewiss ist (§ 60 Abs. 2; zur Kündigung s. unten § 10 Rdnr. 14 und § 60 Rdnr. 77 f.). Eine Befristung im Sinne des § 3 Abs. 2 und des § 60 Abs. 1 Nr. 1 enthält daher z.B. auch die Vereinbarung der Dauer der Gesellschaft für die Zeit des Bestandes eines gewerblichen Schutzrechtes oder eines Pachtvertrages oder für die Lebenszeit eines Gesellschafters oder eines Geschäftsführers3.

65

b) Durch den Ablauf der für die Gesellschaft bestimmten Zeit wird die Gesellschaft automatisch aufgelöst (§ 60 Abs. 1 Nr. 1) und muss abgewickelt werden. Soll die Gesellschaft dagegen fortgesetzt werden, so bedarf es einer Satzungsänderung durch einen so genannten Fortsetzungsbeschluss, der gleichermaßen vor wie nach Eintritt des auflösenden Ereignisses, hier des Endtermins der Gesellschaft gefasst werden kann (s. im Einzelnen unten § 60 Rdnr. 9, 79, 87 ff.; zu der erforderlichen Mehrheit s. auch unten Rdnr. 66). Eine Verlängerung der Gesellschaft durch stillschweigende Fortsetzung gibt es demgegenüber grundsätzlich nicht; § 134 HGB gilt nicht, auch nicht entsprechend4.

66

c) Eine nachträgliche Änderung der im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Zeitdauer der Gesellschaft ist nur durch Vertragsänderung mit qualifizierter Mehrheit möglich (§§ 53 f.). Das gilt gleichermaßen für eine Verkürzung wie für eine Verlängerung der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer (wegen der Einzelheiten s. unten § 60 Rdnr. 9 f.). Nur wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, dass alle oder doch einzelne Gesellschafter ein unentziehbares Recht auf 1 RGZ 79, 418, 422 f. 2 RGZ 79, 418, 422 f.; RG, JW 1912, 878 f.; Michalski, Rdnr. 37; s. oben § 2 Rdnr. 33 ff. 3 S. unten § 60 Rdnr. 9; BayObLGZ 1974, 479, 481 f.; Michalski, Rdnr. 28; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23; s. Heymann/Emmerich, HGB, § 131 Rdnr. 4 ff. 4 S. unten § 60 Rdnr. 9; Michalski, Rdnr. 39.

322

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Auflösung der Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt haben sollen, ist die Zustimmung aller oder doch der begünstigten Gesellschafter zu der Änderung der im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Zeitdauer erforderlich; diese Annahme liegt besonders nahe bei Vereinbarung von Nebenleistungspflichten (§ 53 Abs. 3)1. d) Treffen die Gesellschafter außerhalb des Gesellschaftsvertrages Vereinbarungen über die Dauer der Gesellschaft, so hat der Ablauf der vereinbarten Zeit mangels Anwendbarkeit der §§ 3 Abs. 2 und 60 Abs. 1 Nr. 1 nicht automatisch die Auflösung der Gesellschaft zur Folge. Aus den Abreden kann sich jedoch die Verpflichtung der daran beteiligten Gesellschafter ergeben, an einem Auflösungsbeschluss nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 mitzuwirken oder doch dem Ausscheiden derjenigen Gesellschafter zuzustimmen, die dies nach Ablauf der vereinbarten Zeit wünschen2.

VIII. Nebenleistungspflichten Schrifttum3: H. Baumann/W. Reiss, Satzungsergänzende Vereinbarungen, Nebenverträge im Gesellschaftsrecht, ZGR 1989, 157; Bergmann, Zur außenordentlichen Kündigung bei der Nebenleistungsgesellschaft, ZHR 99 (1934), 373; H. Buchholz, Die Nebenleistungspflichten bei der GmbH, JherJb. 74 (1924), 260; M. Dürr, Nebenabreden im Gesellschaftsrecht, 1994; G. Hueck, Erwerbsvorrechte im Gesellschaftsrecht, in: (1.) FS Larenz, 1973, S. 749; Finke, Die Sonderleistungspflichten bei der GmbH, 1931; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 8 ff. (S. 42 ff.); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31–52; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Jäger, Schuldrechtliche Nebenabreden zum Gesellschaftsvertrag der GmbH, DStR 1996, 1935; Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17–28; Merkt, Unternehmensleitung und Interessenkollision, ZHR 159 (1995), 423; Michalski, Rdnr. 41–60; U. Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; von der Osten, Das Wettbewerbsverbot von Gesellschaftern und Gesellschafter-Geschäftsführern in der GmbH, GmbHR 1989, 450; Ostheim, Probleme der personalistischen GmbH, GesRZ 1974, 70; R. Rohrer, Die Nebenleistungspflichten des GmbH-Gesellschafters, 1991; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 26–39; Schilling/M. Winter, Einseitige Leistungsbestimmungsrechte in Gesellschaftsverträgen, in: FS Stiefel, 1987, S. 665; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 I 2 (S. 1034 ff.); K. Schmidt, Nebenleistungsgesellschaften zwischen Gesellschaftsrecht, Schuldrecht und Kartellrecht, in: FS Immenga, 2004, S. 705; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26–52; P. Schwerdtner, Das Kündigungsrecht des GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1976, 101; U. Stein, Beschlussabhängige Nebenleistungspflichten, ZGR 1990, 357; Tillmann, Konkurrierende Tätigkeit des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers, in: FS Felix, 1989, S. 507; H. Ullrich, Formzwang und Gestaltungsgrenzen bei Sonderrechten und Nebenleistungspflichten in der GmbH, ZGR 1985, 235; Ulmer, Rdnr. 54 ff.; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994; H. P. Westermann/D. Klingberg, Vorkaufsrechte im Gesellschaftsrecht, in: FS Quack, 1991, S. 545; H. Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitglied1 RGZ 136, 185, 188; RG, Recht 1908 Nr. 2498; LZ 1914, 571; OLG Hamburg, GmbHR 1941, 41; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29 f.; Michalski, Rdnr. 39; anders – bloßes Austrittsrecht – Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16. 2 Michalski, Rdnr. 37; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21. 3 Schrifttum speziell zum Wettbewerbsverbot s. noch unten bei Rdnr. 88.

Emmerich

|

323

67

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

schaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967; M. Winter, Organisationsrechtliche Sanktionen bei Verletzung schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen, ZHR 154 (1990), 259; Wünsch, Zulässigkeit und Wirkung der Kündigung, in: FS Demelius, 1973, S. 509.

68

Nach § 3 Abs. 2 bedürfen ferner Bestimmungen, durch die den Gesellschaftern außer der Leistung von Kapitaleinlagen, d.h. zusätzlich zu der Stammeinlage, noch andere Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden sollen, der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag. § 53 Abs. 3 fügt hinzu, dass eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen nachträglich nur mit Zustimmung sämtlicher beteiligten Gesellschafter beschlossen werden kann.

69

Die §§ 3 Abs. 2 und 53 Abs. 3 regeln die Voraussetzungen, unter denen den Gesellschaftern im Gesellschaftsvertrag mit körperschaftlicher Wirkung Nebenleistungspflichten auferlegt werden können. Das GmbH-Recht unterscheidet sich insoweit grundlegend vom Aktienrecht. Denn während § 55 Abs. 1 AktG nur unter engen Voraussetzungen als Nebenleistungspflicht der Aktionäre die Verpflichtung zulässt, neben den Einlagen auf das Grundkapital wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen, kennt das GmbHRecht (§ 3 Abs. 2) keine derartige Beschränkung der Zulässigkeit von Nebenleistungspflichten, so dass zu ihrem Gegenstand alles gemacht werden kann, was überhaupt Gegenstand einer schuldrechtlichen Verpflichtung sein kann (unten Rdnr. 74 ff.). In der Praxis wird von dieser Möglichkeit offenbar in erheblichem Umfang Gebrauch gemacht. Dies kann so weit gehen, dass die Nebenleistungspflichten wirtschaftlich zu den Hauptpflichten der Gesellschafter werden, neben denen die rechtlich die Hauptpflicht bildende Stammeinlageverpflichtung in ihrer Bedeutung ganz zurücktritt. Im Ergebnis kann die GmbH damit weitgehend einer Personengesellschaft angenähert werden1. Zu beachten bleibt, dass den Gesellschaftern vergleichbare Pflichten außerdem auch noch außerhalb des Gesellschaftsvertrages durch besondere schuldrechtliche Abreden auferlegt werden können (unten Rdnr. 114 ff.). Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein (s. unten Rdnr. 108, 114 ff.).

1. Begründung 70

a) Die Nebenleistungspflichten des § 3 Abs. 2 bilden einen Bestandteil der Mitgliedschaft, so dass sie bei einer Abtretung des Geschäftsanteils grundsätzlich auf den Erwerber übergehen (unten Rdnr. 81). So erklärt sich die Notwendigkeit, entsprechende Abreden in den Gesellschaftsvertrag selbst aufzunehmen (§ 3 Abs. 2), so dass insbesondere eine Bezugnahme auf ergänzende Urkunden ausscheidet2. Auf denselben Grundgedanken beruht § 5 Abs. 4 Satz 1. Aus ihm

1 BGH, WM 1958, 1132 = DB 1958, 1038; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 101 ff.; Ulmer, Rdnr. 54 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Michalski, Rdnr. 41; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 26. 2 Oben § 2 Rdnr. 13 ff.; RGZ 79, 332, 335 f.; 85, 216, 218; RG, JW 1937, 2836; OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37.

324

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

ergibt sich weiter, dass die Bestimmungen über die Nebenleistungspflichten in dem Gesellschaftsvertrag so weit konkretisiert sein müssen, dass der verpflichtete Gesellschafter ebenso wie zukünftige Gesellschafter das Ausmaß der auf sie zukommenden Verpflichtungen zu überschauen vermögen1. Dazu ist im Regelfall erforderlich, dass der fraglichen Klausel eine betragsmäßige und zeitliche Eingrenzung der den Gesellschaftern auferlegten Pflichten entnommen werden kann2. Unbestimmte oder grenzenlose Verpflichtungen verstoßen gegen die guten Sitten (§ 138 BGB)3. Dasselbe gilt für inhaltslose, ganz allgemeine Verpflichtungen wie z.B. die „Pflicht“, die Gesellschaft „mit Rat und Tat“ oder „mit Bürgschaften oder Sicherheiten“ zu unterstützen, weil zukünftige Gesellschafter daraus nicht zu erkennen vermögen, was im Einzelfall auf sie zukommen kann4. Unschädlich ist jedoch ein gewisses Maß vorläufiger Unbestimmtheit, da in solchen Fällen die §§ 315 ff. BGB anwendbar sind5. Im Gesellschaftsvertrag kann außerdem bestimmt werden, dass die weitere Konkretisierung der jeweils geschuldeten Nebenleistungen – in dem genannten Rahmen – einem Gesellschafterbeschluss vorbehalten bleiben soll, durch den die Nebenleistungen eingefordert werden6.

71

b) Die auf die Nebenleistungspflichten erbrachten Leistungen der Gesellschafter sind nicht zur Bildung des gesetzlichen Garantiefonds der Gesellschaft, des Stammkapitals bestimmt, so dass die Nebenleistungspflichten – anders als die Stammeinlageverpflichtungen – mit Bedingungen oder Fristen versehen werden können. Ihre Fälligkeit kann außerdem von einem Einforderungsbeschluss der Gesellschafterversammlung abhängig gemacht werden (oben Rdnr. 71). Zulässig sind ferner sonstige Einschränkungen, z.B. ein Recht zum Rücktritt oder zur Kündigung. Die Gesellschafter besitzen insoweit Vertragsfreiheit (§ 45 Abs. 1 GmbHG; § 311 Abs. 1 BGB).

72

c) Die Vorschriften des BGB über die Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit von Willenserklärungen sind auf gesellschaftsvertragliche Bestimmungen über die Begründung von Nebenleistungspflichten ohne Einschränkung anzuwenden, da hier für einen Vertrauensschutz Dritter kein Raum ist. Die Anfechtung der Erklärungen eines Gesellschafter ist daher sogar noch nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister möglich7. Selbst wenn die Anfechtung der Neben-

73

1 BGH, LM Nr. 4 zu § 3 GmbHG = GmbHR 1989, 151 = NJW-RR 1989, 228 = WM 1989, 189; Michalski, Rdnr. 44; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 78 ff.; Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 25 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31. 2 BGH, LM Nr. 4 zu § 3 GmbHG = GmbHR 1989, 151 = NJW-RR 1989, 228 = WM 1989, 189; Michalski, Rdnr. 44. 3 S. RGZ 87, 261, 265 f. 4 KartG, JW 1924, 724. 5 S. RGZ 87, 261, 265 f.; Ulmer, Rdnr. 78 f.; Schilling/Winter, in: FS Stiefel, S. 665. 6 U. Stein, ZGR 1990, 357, 363 f. 7 So auch Michalski, Rdnr. 45; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32; anders früher RGZ 88, 187, 188 ff.; OLG Rostock, OLGE 22, 12.

Emmerich

|

325

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

leistungspflicht wegen ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Stammeinlage auf diese durchschlägt, gilt nichts anderes1.

2. Geldleistungen 74

Beschränkungen hinsichtlich des Inhalts von Nebenleistungspflichten bestehen im deutschen GmbH-Recht anders als im Aktienrecht (s. § 55 Abs. 1 Satz 1 AktG) und im österreichischen Recht (s. § 8 Abs. 1 öGmbHG) nicht (s. oben Rdnr. 69). Den Gesellschaftern können deshalb insbesondere auch Geldleistungspflichten als Nebenleistungspflichten auferlegt werden2. Beispiele sind die Verpflichtung der Gesellschafter zur Übernahme bestimmter Gesellschaftsschulden, zur Zahlung eines Aufgeldes (Agios) im Falle einer Überpariemission3, zur Gewährung von Darlehen an die Gesellschaft, wobei jedoch sorgfältig die §§ 32a und 32b zu beachten sind4, zur „Einstellung“ ausgeschütteter Gewinne in freie Rücklagen5, zur Deckung von Verlusten6 sowie zur jährlichen Zahlung von Deckungsbeiträgen, entweder in fester Höhe oder abhängig von dem erwirtschafteten Gewinn7.

75

Die Abgrenzung derartiger Nebenleistungspflichten von der Stammeinlageverpflichtung und von Nachschusspflichten kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten8. In derartigen Fällen ist davon auszugehen, dass sich die Stammeinlagen dadurch von anderen Leistungen unterscheiden, dass sie in das Vermögen der Gesellschaft gerade auf das im Gesellschaftsvertrag genannte Stammkapital erbracht werden, so dass die Summe der Stammeinlagen mit dem Stammkapital übereinstimmt (§ 5 Abs. 3 Satz 3), und dass die Stammeinlagen ebenso wie das Stammkapital ausdrücklich als solche im Gesellschaftsvertrag genannt werden müssen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4; s. dazu oben Rdnr. 53). Die Stammeinlagen dürften sich anhand dieser Merkmale i.d.R. leicht von Nebenleistungspflichten unterscheiden lassen. Was sodann die Abgrenzung zu den Nachschüssen angeht, so ist zu beachten, dass die Einforderung von Nachschüssen im Gegensatz zu der von Nebenleistungen nach § 26 immer eines Gesellschafterbeschlusses bedarf (§ 46 Nr. 2) und dass die gezahlten Nachschüsse gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 in die Kapitalrücklage einzustellen sind und nur in den Grenzen des § 30 Abs. 2 an die Gesellschafter zurückgezahlt werden dürfen (s. unten § 26 Rdnr. 6a).

1 Anders Michalski, Rdnr. 45. 2 RGZ 83, 216, 218 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18 f.; Michalski, Rdnr. 57; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33. 3 Wünsch, öGmbHG, § 4 Anm. 31. 4 RFHE 6, 156, 160; BGH, LM Nr. 4 zu § 3 GmbHG = GmbHR 1989, 151. 5 Esch, NJW 1978, 2529, 2531; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33. 6 Gasteyer, BB 1983, 934 gegen OLG Nürnberg, GmbHR 1981, 242 f. = BB 1981, 1293. 7 BGH, LM Nr. 5 zu § 3 GmbHG = NJW-RR 1993, 607 = MDR 1993, 430 = GmbHR 1993, 214. 8 S. unten § 26 Rdnr. 6a; Michalski, Rdnr. 43; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 104; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 313; Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 48; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Wünsch, öGmbHG, § 8 Anm. 4.

326

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

3. Sachleistungen Gegenstand von Nebenleistungspflichten können außer Geldleistungen (oben Rdnr. 74 f.) ferner Sachleistungen beliebiger Art sein. Beispiele sind die Leihe oder die Vermietung beweglicher oder unbeweglicher Sachen, Andienungs- und Bezugspflichten, soweit kartellrechtlich erlaubt, sowie die Überlassung von Schutzrechten1. Derartige Nebenleistungspflichten sind sorgfältig von den Sacheinlageverpflichtungen zu unterscheiden, weil allein für die letzteren die Vorschriften des § 5 Abs. 4 und des § 7 Abs. 3 maßgebend sind. Dadurch wird es aber nicht ausgeschlossen, im Einzelfall Nebenleistungspflichten mit einer Sacheinlageverpflichtung zu verbinden. Ein Beispiel ist eine Abrede, durch die ein Gesellschafter, der zur Deckung seiner Stammeinlage ein Handelsgeschäft einbringt, zugleich die Garantie für den Eingang der zu dem eingebrachten Handelsgeschäft gehörenden Außenstände übernimmt oder ein Wettbewerbsverbot eingeht2. Im Schrifttum wird für derartige Fälle zum Teil eine Einschränkung der sonst möglichen Anfechtung von Nebenleistungsverpflichtungen angenommen; dem ist jedoch nicht zu folgen (oben Rdnr. 73).

76

4. Dienstleistungen Als Nebenleistungspflichten kommen ferner sonstige Pflichten jeder Art einschließlich insbesondere der Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen in Betracht, sofern es sich nicht bei den von einzelnen Gesellschaftern geschuldeten Dienstleistungen um abhängige Arbeitsleistungen handelt3. Abgrenzungsschwierigkeiten zu den Stammeinlageverpflichtungen werden hier im Regelfall nicht auftreten, da Dienstleistungen als Gegenstand der Stammeinlageverpflichtung ausscheiden4. Der wichtigste hierher gehörende Fall ist die gesellschaftsvertragliche Verpflichtung einzelner Gesellschafter zur Übernahme der Geschäftsführung, sofern es sich nicht nur (wie meistens) um eine bei Gelegenheit des Vertragsabschlusses erfolgte Ernennung zum Geschäftsführer handelt (s. unten Rdnr. 110). Weitere Beispiele sind die Pflicht zur Inanspruchnahme von Leistungen der Gesellschaft5 oder zur Einbringung eines Vertrages6, Unterlassungspflichten einschließlich insbesondere der Wettbewerbsverbote (unten Rdnr. 88 ff.) sowie schließlich noch7 Ankaufs- und Vorkaufsrechte der Gesellschaft hinsichtlich der Gesellschaftsanteile der Gesellschafter, wobei die Nebenleistungspflicht der Gesellschafter in ihrer Pflicht zum Angebot des Anteils an die Gesellschaft besteht, wenn sie den Anteil veräußern wollen. Derartige Ankaufs- oder Vorkaufsrechte der Gesellschaft haben, da sie auf Nebenleis-

1 S. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 34 ff. 2 RGZ 79, 271, 273. 3 S. BAG, AP Nr. 137 zu § 1 TVG-Tarifverträge Bau = GmbHR 1991, 460 = NZA 1991, 392 = ZIP 1991, 817, 818 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21. 4 S. (abweichend) Skibbe, GmbHR 1980, 73. 5 BGHZ 103, 219, 222 f. = NJW 1988, 1729. 6 OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747. 7 S. G. Hueck, in: (1.) FS Larenz, 1973, S. 749; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 15, 284 ff.; H. P. Westermann/D. Klingberg, in: FS Quack, S. 545.

Emmerich

|

327

77

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

tungspflichten der Gesellschafter beruhen, grundsätzlich nur schuldrechtliche Wirkung; dingliche Wirkung können sie nur bei Verbindung mit einer Vinkulierung der Anteile nach § 15 Abs. 4 erlangen1. Im Einzelfall können durch derartige Abreden außerdem zugleich Sonderrechte anderer Gesellschafter begründet werden2.

5. Entgelt 78

Die Übernahme der Nebenleistungspflichten durch die Gesellschafter kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Bei Warenlieferungen oder Dienstleistungen ist im Zweifel die Vereinbarung eines üblichen Entgelts anzunehmen (vgl. §§ 612, 632 BGB). Die Einzelheiten dürften bei entgeltlichen Leistungen gewöhnlich in zusätzlichen Ausführungsverträgen geregelt sein; notwendig ist dies jedoch nicht. Bei entgeltlichen Nebenleistungen der Gesellschafter ist zu beachten, dass überhöhte Gegenleistungen der Gesellschaft als verdeckte Gewinnausschüttungen gegen § 30 Abs. 1 verstoßen können3. Erfolgen die Nebenleistungen seitens der Gesellschafter dagegen unentgeltlich, so handelt es sich doch nicht um eine Schenkung, so dass die Leistungen bei der Gesellschaft steuerrechtlich gewinnneutral sind4.

79

In der Insolvenz der Gesellschaft ist der Gesellschafter mit seiner Gegenleistungsforderung einfacher Gläubiger, sofern der Gesellschafter nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Nebenleistungen auch noch in der Insolvenz der Gesellschaft zu erbringen; dies hängt nach überwiegender Meinung von den Umständen des Einzelfalles ab5. Ebenso zu behandeln ist umgekehrt die Nebenleistungsforderung der Gesellschaft in der Insolvenz des Gesellschafters6.

6. Übergang 80

a) Selbst wenn der Gesellschaftsvertrag Nebenleistungspflichten der Gesellschafter eingeführt hat, bleibt der Anteil doch grundsätzlich frei veräußerlich, da mit der Vereinbarung von Nebenleistungspflichten anders als im Aktienrecht (§ 55 Abs. 1 AktG) und im österreichischen Recht (§ 8 Abs. 2 öGmbHG) nicht automatisch eine Vinkulierung der Anteile im Sinne des § 15 Abs. 5 verbunden ist. Im Falle der Veräußerung des Anteils gehen daher die Nebenleistungspflichten, sofern sie nicht höchstpersönlicher Art sind oder der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt, grundsätzlich auf den Rechtsnachfolger 1 S. im Einzelnen unten § 15 Rdnr. 117 f.; BGH, LM Nr. 72 zu § 123 BGB = NJW 1992, 300; OLG Schleswig, NZG 1998, 656 m. Anm. Rottnauer = GmbHR 1999, 35 (nur LS); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 36; Kowalski, GmbHR 1992, 347. 2 S. OLG Stuttgart, GmbHR 1997, 1108. 3 S. unten § 29 Rdnr. 95 ff.; BGHZ 103, 219, 223 = NJW 1988, 1729; BGH, LM Nr. 6 zu § 29 GmbHG = NJW 1996, 589 = GmbHR 1996, 11; Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 43. 4 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 52; Michalski, Rdnr. 55. 6 Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 119, 129 ff.; anders Ulmer, Rdnr. 96.

328

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

über. Ebenso ist die Rechtslage im Falle des Todes eines Gesellschafters1. Vor allem in diesem Punkt unterscheiden sich die gesellschaftsrechtlichen (korporativen) Nebenleistungspflichten des § 3 Abs. 2 von den durch zusätzliche, schuldrechtliche Verträge übernommenen Nebenleistungspflichten der Gesellschafter, die an die Person des Gesellschafters gebunden sind und deren Übergang auf einen Rechtsnachfolger daher nur im Wege der Vertragsübernahme möglich ist, an der alle drei Beteiligten – der alte und der neue Gesellschafter sowie die Gesellschaft als Gläubigerin – mitwirken müssen (§§ 311 Abs. 1, 398, 414 und 415 BGB)2. b) Mit dem Übergang der Nebenleistungspflichten auf den Anteilserwerber (oben Rdnr. 80) wird der Veräußerer grundsätzlich frei; lediglich für bereits fällige, rückständige Nebenleistungen haftet er neben dem Erwerber weiter (§ 16 Abs. 3)3. Veräußert ein Gesellschafter dagegen nur den Betrieb, aus dem er bisher die Nebenleistungen zu erbringen hatte, so ändert dies nichts an seiner Verpflichtung (s. § 26 HGB); hinsichtlich des Erwerbers ist § 25 HGB zu beachten. Einen Schutz des guten Glaubens gibt es insoweit nicht4.

81

7. Leistungsstörungen, Kündigung a) Die nähere Ausgestaltung der Nebenleistungspflicht hinsichtlich Gegenleistung der Gesellschaft, Fälligkeit und Umfang der einzelnen Leistungen kann bereits im Gesellschaftsvertrag erfolgen. Fehlt es hieran, so müssen diese Fragen in ergänzenden schuldrechtlichen Verträgen zwischen der Gesellschaft und dem verpflichteten Gesellschafter, so genannten Ausführungsverträgen geregelt werden. Je nach Art der fraglichen Nebenleistung kann es sich dabei um Kauf-, Darlehens-, Miet-, Dienst- oder Werkverträge handeln; ebenso kommen aber auch Lizenz- oder Leasingverträge in Betracht. In jedem Fall handelt es sich um normale schuldrechtliche Verträge, die grundsätzlich dem BGB unterstehen (§§ 433, 488, 535, 611 und 631 ff. BGB)5. Besonderheiten bestehen insoweit nicht. Lediglich für die Anwendung der §§ 305 ff. BGB über die Inhaltskontrolle gegenüber AGB ist hier grundsätzlich kein Raum (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB = § 23 Abs. 1 AGBG a.F.)6.

82

Noch nicht endgültig geklärt ist, welche Folgerungen sich aus dem Gesagten (oben Rdnr. 82) für das ordentliche Kündigungsrecht des Gesellschafters bei Darlehens-, Miet- und Dienstverträgen auf Grund der §§ 488 Abs. 3, 580a, 624 und 627 BGB ergeben. Zum Teil wird angenommen, dass, sofern die Parteien nicht ausdrücklich oder konkludent etwas anderes vereinbart haben, diese Kün-

83

1 RGZ 80, 175, 179. 2 BGH, LM Nr. 5 zu § 3 GmbHG = NJW-RR 1993, 607 = MDR 1993, 430 = GmbHR 1993, 214. 3 RG, DR 1940, 2013 = HRR 1940 Nr. 1204; weiter gehend RG, JW 1914, 477; Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 88 ff. 4 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27. 5 RGZ 87, 261, 265; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 41 f. 6 BGHZ 113, 219, 224 = NJW 1988, 1729; BGH, LM Nr. 10 zu § 23 AGBG = NJW 1992, 379; Michalski, Rdnr. 47.

Emmerich

|

329

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

digungsrechte auch den Gesellschaftern zustehen, sofern nicht im Einzelfall die Kündigung gegen ihre Treuepflicht verstößt (§ 242 BGB)1. Nach überwiegender Meinung kann sich dagegen der Gesellschafter nicht einseitig durch ordentliche Kündigung von den gesellschaftsvertraglich übernommenen Nebenleistungspflichten lösen2. In der Tat dürfte der Gesellschaftsvertrag in der Regel in diesem Sinne zu interpretieren sein (zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grunde s. unten Rdnr. 87). Und auch sonst können sich von Fall zu Fall aus der Treuepflicht Schranken für die den Gesellschaftern nach dem BGB (oben Rdnr. 82) zustehenden Rechte ergeben. 84

b) Die Behandlung von Leistungsstörungen richtet sich gleichfalls grundsätzlich nach dem BGB, d.h. nach den §§ 275, 280 und 320 ff. BGB, freilich wiederum modifiziert durch die Treuepflicht (§ 242 BGB)3. Im Einzelnen wird man dabei zwischen Leistungsstörungen auf der Seite der Gesellschaft und solchen auf der Seite der Gesellschafter zu unterscheiden haben. Auf der Seite der Gesellschaft kommt als Leistungsstörung wohl in erster Linie ein Zahlungsverzug bei entgeltlichen Nebenleistungen (oben Rdnr. 78) in Betracht. Die Treuepflicht wird dem Gesellschafter hier in der Regel gebieten, sich auf die Forderung nach Ersatz seines Verzugsschadens zu beschränken (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB), während für einen Rücktritt oder eine Kündigung wegen des Zahlungsverzugs in solchen Fällen in der Regel kein Raum sein dürfte (§§ 242, 314, 323, 490 und 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Vergleichbare Überlegungen sind bei Leistungsstörungen auf der Seite des Gesellschafters anzustellen: Handelt es sich um wiederkehrende Pflichten der Gesellschafter und betrifft die Leistungsstörung nur einzelne Leistungen, so sollten mit Rücksicht auf die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit der Parteien die Rechtsfolgen der Leistungsstörungen nach Möglichkeit auf die bereits erbrachten Teilleistungen beschränkt werden, sofern der Vertrag für die Zukunft noch weiter durchgeführt werden kann4.

85

Besonderheiten gelten jedoch, falls es sich um besonders schwer wiegende Leistungsstörungen handelt, die dem anderen Teil – der Gesellschaft oder dem Gesellschafter – die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen. Liegt die Leistungsstörung auf der Seite des Gesellschafters, so wird dann in erster Linie an seine Ausschließung aus wichtigem Grunde zu denken sein. Bei Leistungsstörungen auf der Seite der Gesellschaft stellt sich dagegen die Frage, ob der Gesellschafter gleichfalls auf gesellschaftsrechtliche Rechtsbehelfe wie die Auflösungsklage des § 61 oder den Austritt aus wichtigem Grunde beschränkt ist5 oder ob er statt dessen auch aus wichtigem Grunde die Nebenleis-

1 So 9. Aufl., Rdnr. 55 im Anschluss an RGZ 128, 1, 17; Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 345 f.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 316 ff.; Rohrer, Nebenleistungspflichten, S. 69 ff. 2 Michalski, Rdnr. 53 m.N. 3 S. Michalski, Rdnr. 47 ff., 53; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42 f. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 48; Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 349 ff.; Wünsch, in: FS Demelius, S. 509. 5 S. unten Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.; so Michalski, Rdnr. 49, 53; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 I 2b (S. 1035).

330

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

tungspflicht kündigen kann (§§ 314, 543 Abs. 1, 626 BGB)1. Angesichts der Wertungen, die in den §§ 314, 543 Abs. 1 und 626 BGB zum Ausdruck kommen, wird man ihm in der Tat in besonders schwer wiegenden Fällen, in denen ihm nach den ganzen Umständen die weitere Erbringung der Nebenleistungspflichten schlechthin unzumutbar ist, ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde schwerlich versagen können. Dabei wird es sich jedoch um besonders gelagerte Ausnahmefälle handeln, während im Regelfall die Parteien schon auf Grund der Treuepflicht verpflichtet sein dürften, nach einer für beide Seite akzeptablen Lösung zu suchen2. c) Den Gesellschaftern steht es frei, die Rechtsfolgen etwaiger Leistungsstörungen, generell oder im Einzelfall abweichend vom BGB zu regeln (§ 311 Abs. 1 BGB; § 45 GmbHG). Verbreitet ist offenbar die Vereinbarung von Vertragsstrafen (§§ 339 ff. BGB; s. § 8 Abs. 1 öGmbHG). Außerdem kann z.B. bestimmt werden, dass die Gesellschaft das Recht zur Ausschließung des Gesellschafters bei einem Verstoß gegen seine Nebenleistungspflichten haben soll oder dass der vertragsbrüchige Gesellschafter entsprechend den §§ 21 ff. kaduziert werden kann (s. unten § 21 Rdnr. 7). Soweit im Gesellschaftsvertrag ein Schiedsgericht eingesetzt ist, ist im Zweifel anzunehmen, dass sich seine Zuständigkeit auf derartige Streitigkeiten über Nebenleistungspflichten erstrecken soll3.

86

8. Beendigung Die Nebenleistungspflichten können jederzeit durch Satzungsänderung wieder aufgehoben werden (§ 53). Auch kann die Gesellschaft (unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots) einem Gesellschafter im Einzelfall seine Nebenleistungspflicht erlassen (§ 367 BGB). Einseitig kann sich der Gesellschafter dagegen von der ihm obliegenden Nebenleistungspflicht grundsätzlich nicht durch deren Kündigung lösen (s. oben Rdnr. 83, 85); auch für eine entsprechende Anwendung des § 27 ist hier nach h.M. grundsätzlich kein Raum. Notfalls muss der Gesellschafter nach § 61 vorgehen. Möglich bleibt außerdem im Einzelfall ein Austritt aus wichtigem Grunde (s. oben Rdnr. 85). Eine Kündigung aus wichtigem Grunde bei Unzumutbarkeit der weiteren Erbringung der Nebenleistungen kommt nach den §§ 314, 543 und 626 BGB nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht (oben Rdnr. 85).

IX. Wettbewerbsverbot Schrifttum: S. unten § 43 Rdnr. 126–155, § 13 Anh. Rdnr. 55a sowie Armbrüster, ZIP 1997, 1269; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885; Bouchon, Konzerneingangsschutz im GmbH- und Aktienrecht, 2002; Claussen/Korth, in: FS Beusch, 1993, S. 111; Creze1 So die wohl überwiegende Meinung, insbes. RGZ 114, 212, 215 ff.; 125, 114, 116 ff.; 128, 1, 15 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50 f.; Bergmann, ZHR 99 (1934), 373; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42, 49 (widersprüchlich); Schwerdtner, GmbHR 1976, 101, 106 ff. 2 Ebenso im Ergebnis RGZ 128, 1, 17 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 35 I 2b (S. 1035). 3 OLG Königsberg, GmbHR II § 3 Nr. 19; Kornmeier, DB 1980, 193; s. unten Rdnr. 112.

Emmerich

|

331

87

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

lius, in: Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8, 1996, S. 47; Hüffer, Der herrschende Aktionär, in: FS Röhricht, 2005, S. 251; Ivens, Das Konkurrenzverbot des GmbHGesellschafters, 1987; Ivens, DB 1988, 215; A. Krämer, Nachvertragliche Wettbewerbsverbote, in: FS Röhricht, 2005, S. 335; Br. Knobbe-Keuk, GmbHR 1992, 333; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 10; L. Lawall, Das ungeschriebene Wettbewerbsverbot des GmbH-Gesellschafters, 1996; Lutter/Timm, NJW 1982, 409; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 24–29; Mayer, in: MünchHdb. III, § 20 Rdnr. 17–24 (S. 280 ff.); Mertens/Cahn, in: FS Heinsius, 1991, S. 545; Michalski, § 13 Rdnr. 189–300; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 326 ff.; von der Osten, GmbHR 1989, 450; Priester, ZGR 1993, 512; N. Polley, Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre, 1993; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 28 Rdnr. 49–55 (S. 445 ff.); Roth/Altmeppen, Rdnr. 37–39, § 13 Rdnr. 77–82, § 43 Rdnr. 20–25; Rausch, NJW 1994, 2929; Röhricht, WPg 1992, 766; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, § 13 Rdnr. 87–93; Salfeld, Wettbewerbsverbot im Gesellschaftsrecht, 1987; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 20 V, 35 I 2e (S. 595 ff., 1037); Schulze-Osterloh, FR 1993, 73; Sina, WRP 2000, 1019 = GmbHR 2001, 661; J. Thiel, GmbHR 1992, 338; S. Tiedchen, GmbHR 1993, 616; Tillmann, in: FS Felix, 1989, S. 507; Tillmann, GmbHR 1991, 26; Timm, GmbHR 1981, 177; Torggler, GesRZ 1995, 233; Wassermeyer, GmbHR 1993, 329, 639; H. P. Westermann, Kartellrecht, in: Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8, 1996, S. 75; Wichmann, GmbHR 1993, 635; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 239 ff.

88

Anders als das HGB (§§ 112, 113, 161 Abs. 2, 165) und das AktG (§§ 88, 284) kennt das deutsche GmbHG weder für die Gesellschafter noch für die Geschäftsführer ein Wettbewerbsverbot, während das österreichische GmbHG ein Wettbewerbsverbot wenigstens für die Geschäftsführer enthält (§ 24 öGmbHG)1. Daher ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gesellschafter, wenn der Gesellschaftsvertrag die Frage nicht regelt (dazu unten Rdnr. 89 ff.), auf Grund ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft (s. unten § 13 Rdnr. 36 ff.) ein Wettbewerbsverbot trifft, während für die Geschäftsführer, mögen sie Gesellschafter sein oder nicht, feststeht, dass sie auf Grund ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft grundsätzlich entsprechend § 88 AktG einem Wettbewerbsverbot unterliegen (ebenso § 24 öGmbHG; wegen der Einzelheiten s. unten § 43 Rdnr. 126–155). Sieht der Gesellschaftsvertrag für die Gesellschafter ein Wettbewerbsverbot vor, so handelt es sich dabei um eine Nebenleistungspflicht im Sinne des § 3 Abs. 2, wenn das Wettbewerbsverbot als körperschaftliche (korporative) Verpflichtung, d.h. als Bestandteil des Gesellschaftsanteils gedacht ist, das grundsätzlich auch etwaige Erwerber des Geschäftsanteils treffen soll. Im Folgenden ist zunächst auf solche gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote – als besondere Erscheinungsform der Nebenleistungspflichten im Sinne des § 3 Abs. 2 (oben Rdnr. 68 ff.) – einzugehen. Wegen des unmittelbaren Sachzusammenhangs soll im Anschluss daran außerdem die Frage behandelt werden, ob die Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne gesellschaftsvertragliche Regelung allein auf Grund ihrer Treuepflicht (unten § 13 Rdnr. 36 ff.) ein Wettbewerbsverbot trifft (unten Rdnr. 93 ff.).

1 Zu den Gesellschaftern s. Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 10.

332

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

1. Nebenleistungspflicht (§ 3 Abs. 2) Durch ein Wettbewerbsverbot wird ein Gesellschafter verpflichtet, in bestimmtem Umfang Handlungen zu unterlassen, durch die er der Gesellschaft Wettbewerb machen könnte. Wettbewerbsverbote sind mit anderen Worten nichts anderes als Unterlassungspflichten und können daher ohne weiteres durch den Gesellschaftsvertrag nach § 3 Abs. 2 als Nebenleistungspflichten begründet werden, und zwar ausdrücklich oder im Einzelfall auch konkludent (§§ 133, 157, 242 BGB)1. Voraussetzung ist freilich, dass die Abrede nicht gegen das Kartellverbot verstößt (§ 1 GWB; Art. 81 EG-Vertrag), d.h. dass das Wettbewerbsverbot nach Art und Umfang für die Aufrechterhaltung der Lebens- und Funktionsfähigkeit der als solcher zulässigen Gesellschaft bei Berücksichtigung der Wertungen des Kartellrechts unerlässlich ist2.

89

Ein vertragliches Wettbewerbsverbot erlischt grundsätzlich mit der Veräußerung des Geschäftsanteils. Die Gesellschafter können jedoch, immer vorbehaltlich des Kartellrechts, etwas anderes vereinbaren, d.h. bestimmen, dass ein Gesellschafter selbst nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch für eine bestimmte Zeit an das Wettbewerbsverbot gebunden bleiben soll3. Das Wettbewerbsverbot muss jedoch mit Rücksicht auf Art. 12 Abs. 1 GG zeitlich, räumlich und gegenständlich auf ein mit den legitimen Interessen des ausgeschiedenen Gesellschafters vereinbares Maß beschränkt werden und darf daher grundsätzlich nicht über eine Dauer von ungefähr zwei bis drei Jahren und über den Gegenstand der Gesellschaft hinaus ausgedehnt werden (§§ 138, 242 BGB)4. Eine über diesen Rahmen hinausgehende Ausdehnung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes für ausgeschiedene Gesellschafter kann, Spürbarkeit vorausgesetzt, auch schnell in Konflikt mit dem Kartellverbot des § 1 GWB und des Art. 81 EG-Vertrag geraten. Das Wettbewerbsverbot hindert deshalb den Gesellschafter auch nicht daran, bereits kurze Zeit vor Ablauf des Verbots mit der Vorbereitung eines späteren Konkurrenzunternehmens zu beginnen (§ 242 BGB)5.

90

Die Gesellschafter können einem Gesellschafter Befreiung von einem Wettbewerbsverbot im Einzelfall oder generell erteilen. Die Mehrheitserfordernisse hängen in erster Linie davon ab, ob bereits der Gesellschaftsvertrag selbst eine so genannte Öffnungsklausel enthält oder nicht. Man versteht darunter Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag, nach denen einem Gesellschafter im Einzel-

91

1 RG, LZ 1912, 850; BFHE 149, 167, 178 ff. = GmbHR 1987, 323; Seydel, GmbHR 1950, 154; Winkler, Lückenausfüllung, S. 37; ebenso OGH, WiBl. 1992, 264 f. (nur Leitsatz); OLG Wien, NZ 1993, 128; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 10; Torggler, GesRZ 1995, 233, 235. 2 S. BGHZ 104, 246, 251 f. = NJW 1988, 2937 = GmbHR 1988, 334 „neuform“; Emmerich, Kartellrecht, 10. Aufl. 2006, § 21 Rdnr. 46 ff. 3 RG, GmbHR 1918, 253; OLG Hamm, GmbHR 1989, 259 f.; Kirchner, GmbHR 1962, 26. 4 S. im Einzelnen BGH, WM 2003, 2334 = ZIP 2003, 2251 = NJW 2004, 66; BGH, WM 2005, 1752; J.-H. Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885; Mayer, in: MünchHdb. III, § 20 Rdnr. 19–23 (S. 282 f.); s. unten Rdnr. 93. 5 RGZ 90, 98, 100; BGH, GmbHR 1961, 144.

Emmerich

|

333

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

fall oder generell Befreiung von dem Wettbewerbsverbot des Vertrages erteilt werden kann. Enthält der Vertrag eine derartige Klausel, so dürfte für den Regelfall davon auszugehen sein, dass für den Befreiungsbeschluss die einfache Mehrheit der Gesellschafter ausreicht. Andernfalls, d.h. bei Fehlen einer Öffnungsklausel in dem Gesellschaftsvertrag, kommt jedoch eine Befreiung nur durch vertragsändernden Beschluss nach Maßgabe der §§ 53 und 54 in Betracht, weil die Befreiung von dieser Nebenleistungspflicht auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrages hinausläuft1. Umstritten ist, ob in diesem Fall Raum für die Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 1 ist, so dass der betroffene Gesellschafter kein Stimmrecht hat (s. dazu unten § 47 Rdnr. 98, 123 ff.) sowie, ob der begünstigte Gesellschafter, der von dem Wettbewerbsverbot befreit wird, dafür der Gesellschaft eine Gegenleistung erbringen muss, wie es aus steuerrechtlichen Gründen gelegentlich angenommen wird2. Im Einzelfall kann auch § 112 Abs. 2 HGB entsprechend angewandt werden.

2. Treuepflicht 92

a) Nach dem Gesetz obliegt den Gesellschaftern einer GmbH ebenso wenig wie den Kommanditisten (§ 165 HGB) ein Wettbewerbsverbot. Für die Kommanditisten ist jedoch anerkannt, dass sich für sie auch ohne Regelung im Gesellschaftsvertrag aus ihrer Treuepflicht je nach den Umständen des Falles etwas anderes ergeben kann, insbesondere, wenn ihnen durch den Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungsbefugnis übertragen ist, so dass ihre Stellung im Innenverhältnis mit der eines Komplementärs vergleichbar ist, weiter, wenn sie nach dem Gesellschaftsvertrag über besonders weit gehende Informations- und Einsichtsrechte verfügen sowie, wenn der Kommanditist, vor allem auf Grund einer Mehrheitsbeteiligung, über einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft verfügt3. Mit Rücksicht auf diese gefestigte Praxis zur KG verbietet es sich, aus dem Schweigen des GmbHG zu einem Wettbewerbsverbot des Gesellschafters allzu weit reichende Folgerungen zu ziehen. Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich vielmehr nur, dass für die Gesellschafter einer GmbH – anders als für die Gesellschafter einer OHG (§§ 112, 113) – ebenso wie für die Kommanditisten (§ 165 HGB) jedenfalls kein generelles Wettbewerbsverbot besteht. Eine andere Frage ist dagegen, ob sich für sie aus ihrer Treuepflicht im Einzelfall (ebenso wie für die Kommanditisten über § 165 HGB hinaus) nicht etwas anderes ergeben kann. Dies wird in der Tat inzwischen von der überwiegenden Meinung bejaht, freilich unter immer noch im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen.

1 Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1275 f.; Lawall, Wettbewerbsverbot, S. 126 ff.; SchulzeOsterloh, FR 1993, 73, 79 f.; M. Winter, Treuebindungen, S. 258 ff.; von der Osten, GmbHR 1989, 450, 454; Tillmann, in: FS Felix, S. 507, 514 f.; Timm, GmbHR 1981, 147. 2 S. Lawall, Wettbewerbsverbot, S. 159 ff. 3 Grdlg. BGHZ 89, 162, 165 f. = NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203 „Heumann/Ogilvy“; OGH SZ Bd. 59 (1986) Nr. 153, S. 770, 774 f. = WiBl. 1987, 13 = RdW 1987, 132; Heymann/Horn, § 165 Rdnr. 4; Baumbach/Hopt, HGB, § 165 Rdnr. 3; Grunewald, in: MünchKomm. HGB, § 165 Rdnr. 5 ff.; Torggler, GesRZ 1995, 233, 235 f.

334

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Weit gehend anerkannt ist mittlerweile im Anschluss an das „Heumann/Ogilvy“-Urteil des BGH von 1983 (das freilich eine GmbH & Co. KG betraf), dass sich für GmbH-Gesellschafter aus ihrer Treuepflicht jedenfalls dann ein Wettbewerbsverbot entsprechend den §§ 112 und 113 HGB ergibt, wenn sie, insbesondere auf Grund ihrer Mehrheitsbeteiligung oder auf Grund entsprechender vertragsmäßiger Sonderrechte, in der Lage sind, auf die Gesellschaft einen beherrschenden Einfluss auszuüben, so dass sie dann nicht der Gesellschaft in ihrem Handelszweig (s. unten Rdnr. 95) unmittelbar oder mittelbar Konkurrenz machen dürfen1. Überwiegend wird in solchem Wettbewerbsverbot für einen beherrschenden Gesellschafter zugleich ein besonders effektiver Ansatz für eine Konzernbildungskontrolle im GmbH-Recht gesehen2. In anderen Fällen wird ein gesetzliches Wettbewerbsverbot zu Lasten von GmbH-Gesellschaftern allein auf Grund ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft meistens verneint. Insbesondere die Gerichte haben durchweg bei Minderheitsgesellschaftern, die nicht über ein vertragliches Sonderrecht auf Mitwirkung an der Geschäftsführung verfügen, das Bestehen eines Wettbewerbsverbotes allein auf Grund der Treuepflicht verneint; das soll sogar für Gesellschafter gelten, die gerade mit 50% an der Gesellschaft beteiligt sind3. Erst recht besteht für Gesellschafter allein auf Grund ihrer Treuepflicht kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, so dass sie nach ihrem Ausscheiden in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit nicht mehr beschränkt sind. Vertragliche Wettbewerbsverbote für die Zeit nach Ausscheiden aus der Gesellschaft sind zwar möglich, mit Rücksicht auf § 1 GWB und § 138 BGB jedoch nur in engen Grenzen4. Kein Wettbewerbsverbot trifft außerdem nach überwiegender Meinung den einzigen Gesellschafter einer Einpersonengesellschaft, einfach deshalb weil er sich ohnehin jederzeit Befreiung von einem etwaigen Wettbewerbsverbot erteilen könnte5. Die abwei-

1 Grdlg. BGHZ 89, 162, 166 f. = NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203. 2 S. deshalb unten § 13 Anh. Konzernrecht Rdnr. 55 m.N. sowie (durchweg im Anschluss an BGHZ 89, 162, 166 f. = NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203) BGHZ 104, 246, 251 f. = NJW 1988, 2737 „neuform“; BGH, GmbHR 1987, 302, 303; OLG Köln, NJW-RR 1991, 1316 f. = GmbHR 1991, 366; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668, 669 = BB 1991, 2489, 2490; OLG Karlsruhe, GmbHR 1999, 539 f.; OLG Hamm, GmbHR 1989, 259, 260; LG Bochum, NJW-RR 1991, 1315, 1316; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1272 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 46–49, § 13 Anh. 122 ff.; Knobbe-Keuk, GmbHR 1992, 333, 334 f.; Lawall, Wettbewerbsverbot, S. 114 ff.; Michalski, § 13 Rdnr. 237–240; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 38 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 20 V 1b, 35 I 2e (S. 596, 1037); Schulze-Osterloh, FR 1993, 73, 76 f.; Wassermeyer, GmbHR 1993, 329, 331; Torggler, GesRZ 1995, 233, 236 ff.; M. Winter, Treuebindungen, S. 239, 248 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Schlussanh. Rdnr. 95; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4, Rdnr. 204 (S. 490); differenzierend Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 6 f. (S. 1325 f.); anders aber Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 253 ff., bes. 259 ff. 3 BGH, GmbHR 1987, 302, 303; OLG Köln, NJW-RR 1991, 1316, 1317 = GmbHR 1991, 366; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668, 669 = DB 1991, 2489 (Kommanditist); OLG Karlsruhe, GmbHR 1999, 539 f.; LG Bochum, NJW-RR 1991, 1315, 1316. 4 S. oben Rdnr. 90 sowie im Einzelnen BGH, GmbHR 1987, 302 f.; ZIP 2003, 2251 = WM 2003, 2334 = NJW 2004, 66; Michalski, § 13 Rdnr. 205 ff. 5 Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1277; Schulze-Osterloh, FR 1993, 73, 80; dagegen Burgard, ZIP 2002, 827, 836.

Emmerich

|

335

93

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

chende frühere Rechtsprechung des BFH1 gilt allgemein als verfehlt und ist mittlerweile vom BFH selbst aufgegeben worden2. 94

Im Schrifttum wird diskutiert, ob ein gesetzliches Wettbewerbsverbot (als Ausfluss der Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft) auch in anderen Fällen in Betracht kommen kann. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei personalistische Gesellschaften wegen ihrer Nähe zu den Personengesellschaften, die die Frage aufwerfen, ob hier Raum für eine Analogie zu den §§ 112 und 113 HGB ist. Die Frage wird häufig bejaht3. Gegen diese Auffassung spricht jedoch die Unschärfe des Begriffs der personalistischen GmbH, die die Gefahr einer unkontrollierten Ausdehnung des Wettbewerbsverbotes für die GmbH-Gesellschafter begründet4. Etwas anderes mag nach Treu und Glauben für die Gesellschaften gelten, in denen alle Gesellschafter persönlich unternehmerisch tätig sind; hier liegt in der Tat die Parallele zu den §§ 112 und 123 HGB nahe, wenn man nicht in solchen Fällen schon dem Gesellschaftsvertrag konkludent ein Wettbewerbsverbot entnehmen will5.

95

b) Soweit nach den vorigen Ausführungen ein „gesetzliches“ Wettbewerbsverbot zu Lasten der GmbH-Gesellschafter auf Grund ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft zu bejahen ist (oben Rdnr. 92 ff.), richtet sich sein Umfang mangels abweichender Abreden der Parteien nach dem entsprechend anwendbaren § 112 HGB. Es beschränkt sich danach zwar auf den (vertraglichen) Handelszweig der Gesellschaft, ist in diesem Rahmen aber umfassend. Der Gesellschafter darf daher zunächst im Handelszweig der Gesellschaft weder für eigene noch für fremde Rechnung Geschäfte machen, d.h. aktiv am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen; außerdem ist ihm die Beteiligung an anderen, auf demselben Markt tätigen Gesellschaften verboten (§ 112 Abs. 1 HGB). Der der Gesellschaft auf diese Weise reservierte „Handelszweig“ (§ 112 Abs. 1 HGB) richtet sich grundsätzlich nach dem vertraglichen Unternehmensgegenstand. Dehnt die Gesellschaft ihren Tätigkeitskreis darüber hinaus aus, so zieht dies nicht eine entsprechende Ausdehnung des Wettbewerbsverbots der Gesellschafter ohne Änderung des Gesellschaftsvertrags nach sich. Schränkt sie dagegen endgültig ihren Tätigkeitsbereich gegenüber ihrem vertragsmäßigen Gegenstand ein, so wird anzunehmen sein, dass der fragliche Bereich damit für die Konkurrenz der Gesellschafter freigegeben ist6. In Konzernfällen kann das aus der Treuebindung des beherrschenden Gesellschafters hergeleiteten Wettbewerbsverbots außerdem auf die den beherrschenden Gesellschafter

1 BFHE 156, 452, 455 f. = GmbHR 1989, 431; BFHE 156, 484, 487 f. = GmbHR 1989, 433; BFHE 157, 138, 140 f.; 160, 237, 240. 2 Grdlg. BFHE 178, 371, 373 f. = NJW 1996, 950 = GmbHR 1996, 58. 3 Lawall, Wettbewerbsverbot, S. 102 ff. m.N.; Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 23 f.; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 418 ff.; Schulze-Osterloh, FR 1993, 73, 77; noch weiter Burgard, ZIP 2002, 827, 836. 4 Ebenso Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1273; M. Winter, Treuebindungen, S. 251 f. 5 Ebenso M. Winter, Treuebindungen, S. 251 f. 6 Im Einzelnen sehr str.; s. Heymann/Emmerich, HGB, § 112 Rdnr. 12 ff.; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1274; Sina, GmbHR 2001, 661, 662 f.; Wassermeyer, GmbHR 1993, 329, 330; M. Winter, Treuebindungen, S. 252 ff.

336

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

ihrerseits beherrschenden Muttergesellschaft ausdehnt werden (§§ 242, 311 Abs. 3, 328 BGB)1. c) Die Diskussion um das Wettbewerbsverbot von GmbH-Gesellschaftern hat in den letzten Jahren auch unerwartete steuerrechtliche Aktualität gewonnen, weil der BFH und im Anschluss an ihn der BMF dahin tendieren, eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 KStG anzunehmen, wenn ein Gesellschafter unter Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot im Handelszweig der Gesellschaft (oben Rdnr. 95) tätig wird und die Gesellschaft gleichwohl gegen ihn keine Schadensersatzansprüche geltend macht. In dem Verzicht auf diese Ersatzansprüche sieht die steuerrechtliche Praxis dann eine gesellschaftsrechtlich vermittelte Vermögensmehrung bei dem betreffenden Gesellschafter, d.h. eine verdeckte Gewinnausschüttung mit den entsprechenden steuerrechtlichen Konsequenzen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Gesellschafter wirksam von dem Wettbewerbsverbot generell oder im Einzelfall befreit ist, wozu es entweder eines entsprechenden satzungsändernden Beschlusses oder bei Vorhandensein einer Öffnungsklausel eines mit einfacher Mehrheit gefassten Beschlusses der Gesellschafter bedarf (s. oben Rdnr. 91). Der BFH hatte auf dieser Grundlage zunächst sogar bei Einpersonengesellschaften in großem Umfang ein Wettbewerbsverbot zu Lasten des einzigen Gesellschafters mit den entsprechenden steuerrechtlichen Konsequenzen bei einer Verletzung des Wettbewerbsverbotes angenommen2, hat jedoch mindestens in diesem Punkt mittlerweile seine Praxis unter Eindruck der verbreiteten Kritik des Schrifttums aufgegeben3. Wie weit in den danach noch verbleibenden Fällen Raum für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung ist, ist nach wie vor umstritten4.

96

Bei einem Verstoß des Gesellschafters gegen ein aus der Treuepflicht hergeleitetes Wettbewerbsverbot kommen in erster Linie Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche in Betracht (§§ 280 Abs. 1, 249 BGB). Wegen der großen Schwierigkeit des Schadensnachweises findet nach überwiegender Meinung außerdem § 113 Abs. 1 Hs. 2 HGB entsprechende Anwendung, so dass die Gesellschaft auch ein Eintrittsrecht hat5. Als Hilfsanspruch wird der Gesellschaft außerdem in der Regel ein Auskunftsanspruch gegen den Gesellschafter hin-

97

1 Grdlg. BGHZ 89, 162, 165 = NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203 „Heumann/Ogilvy“; Torggler, GesRZ 1985, 233, 238 f.; M. Winter, Treuebindungen, S. 254 ff. 2 BFHE 149, 176, 178 ff.; BFHE 156, 452, 455 f. = GmbHR 1989, 431; BFHE 156, 484, 487 f. = GmbHR 1989, 433; BFHE 157, 138, 140 f.; BFHE 160, 237, 240. 3 Grdlg. BFHE 178, 371, 373 f. = NJW 1996, 950 = GmbHR 1996, 58. 4 Wegen der Einzelheiten s. BMF v. 4. 2. 1992, BStBl. I, 137 = NJW 1993, 247 = GmbHR 1992, 191; BMF v. 15. 12. 1992, BStBl. I, 24 = NJW 1993, 248; BMF v. 29. 6. 1993, BStBl. I, 556 = DStR 1993, 1146 und BMF v. 20. 12. 1993, BB 1994, 12 sowie KnobbeKeuk, GmbHR 1992, 333; Lawall, Wettbewerbsverbot, S. 41, 236 ff.; D. Mayer, DNotZ 1992, 641; D. Mayer, in: MünchHdb. III, § 20 Rdnr. 17 ff. (S. 280 ff.); Mertens/Cahn, in: FS Heinsius, S. 545 ff.; Rausch, NJW 1994, 2929; Schulze-Osterloh, FR 1993, 73; J. Tiehl, GmbHR 1992, 338; Wassermeyer, GmbHR 1993, 329, 639; G. Wichmann, GmbHR 1993, 635; zum Geschäftsführer s. auch unten § 43 Rdnr. 143 ff.; zur verdeckten Gewinnausschüttung allgemein s. unten § 29 Rdnr. 96 ff. 5 Grdlg. BGHZ 89, 162, 171 f. = NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203 „Heumann/Ogilvy“; Lawall, Wettbewerbsverbot, S. 190 ff.; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 446 f.

Emmerich

|

337

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

sichtlich des Umfangs der von ihm getätigten Geschäfte unter Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot zugebilligt (§ 242 BGB)1.

3. Geschäftschancenlehre Schrifttum: Fleischer, DStR 1999, 1249; Fleischer, NZG 2003, 985; Haas/Holler, DStR 2001, 1042; Kübler, in: FS Werner, 1984, S. 437; Kübler/Waltermann, ZGR 1991, 162; Merkt, ZHR 159 (1995), 423; N. Polley, Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre, 1993; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 V 3 (S. 599 f.); Schulze-Osterloh, FR 1993, 73; Sina, GmbHR 2001, 661; Timm, GmbHR 1981, 177; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 242 ff.; Weisser, Corporate Opportunities, 1991; Weisser, BB 1989, 2010; Weisser, GmbHR 1997, 429.

98

Nach einer verbreiteten Meinung ergibt sich aus der Treuepflicht der Gesellschafter (unten § 13 Rdnr. 36 ff.) unter im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen ferner die Pflicht, Geschäftschancen, die bereits eindeutig der Gesellschaft „zugeordnet“ sind, nicht treuwidrig auf sich überzuleiten und für sich persönlich auszunutzen. Vorbild ist die im amerikanischen Recht entwickelte Corporate Opportunity-Doktrin2. In der Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte lässt sich in der Tat eine Reihe von Entscheidungen nachweisen, die für die Gesellschafter und die Geschäftsführer von Personengesellschaften und Gesellschaften mbH aus der Treuepflicht das Verbot abgeleitet haben, der Gesellschaft bereits zugeordnete und deshalb von ihr wahrzunehmende Geschäftschancen auf sich überzuleiten und für sich persönlich auszunutzen. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der betreffende Gesellschafter (oder Geschäftsführer) von der fraglichen Geschäftschance überhaupt nur auf Grund seiner Stellung in der Gesellschaft Kenntnis erlangen konnte oder wenn die Gesellschaft für die Erlangung der Geschäftschance bereits erhebliche Vorleistungen erbracht hatte. Paradigma ist der Fall, dass ein Gesellschafter ein Grundstück, das die Gesellschaft dringend benötigt und das sie erwerben oder mieten kann, im eigenen Namen erwirbt oder mietet, um es anschließend mit Gewinn der Gesellschaft zu überlassen, – immer vorausgesetzt, dass der Gesellschafter (oder Geschäftsführer) nur auf Grund seiner Stellung in der Gesellschaft von dieser Chance Kenntnis erlangt oder die Möglichkeit zu ihrer Wahrnehmung erworben hat3.

99

Die geschilderte Praxis hat im Schrifttum überwiegend Billigung gefunden, wobei jedoch bis heute die Kriterien umstritten geblieben sind, unter denen anzunehmen ist, dass eine Geschäftschance bereits in solchem Maße als der Gesellschaft „zugeordnet“ anzusehen ist, dass den Gesellschaftern auf Grund ihrer 1 Wegen aller Einzelheiten s. Heymann/Emmerich, HGB, § 113 Rdnr. 3, 4, 5 ff. 2 S. N. Polley, Wettbewerbsverbot, S. 32 ff.; Timm, GmbHR 1981, 177. 3 S. im Einzelnen RGZ 82, 10, 13 f.; BGH, LM Nr. 12 zu § 687 BGB = GmbHR 1977, 43; BGH, LM Nr. 7 zu § 46 GmbHG (Bl. 2 R f.) = GmbHR 1977, 129 = MDR 1977, 560; BGH, LM Nr. 2 zu § 156 HGB = WM 1971, 412; BGH, LM Nr. 2 zu § 113 HGB = WM 1972, 1229; BGH, LM Nr. 54 zu § 105 HGB (Bl. 3) = NJW 1986, 584 = GmbHR 1986, 42; BGH, LM Nr. 1 zu § 165 HGB (Bl. 1 R f.) = NJW 1989, 2687; BGH, WM 1957, 1228, 1229 f. = BB 1957, 874; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 1294, 1296; NZG 2000, 475 f. m. Anm. Grunewald.

338

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

Treuepflicht ein Eingriff in diese Chance im eigenen Interesse untersagt ist1. Auch die bisherige Rechtsprechung hat hier noch keine Klarheit gebracht. Entscheidend dürfte vor allem sein, ob der Gesellschafter von der Geschäftschance überhaupt nur auf Grund seiner Stellung als Gesellschafter Kenntnis erlangen konnte, ob die Gesellschaft für die Erlangung der Geschäftschance bereits Aufwendungen getätigt hatte oder ob die Gesellschaft nach den ganzen Umständen für ihren Fortbestand oder ihre Entwicklung dringend selbst auf die Wahrnehmung dieser Geschäftschance angewiesen ist. Übt der Gesellschafter unter diesen Voraussetzungen die Geschäftschance selbst aus, so verletzt er in der Tat seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und ist ihr schadensersatzpflichtig (§§ 242, 280, 249, 252 BGB). Entsprechend § 113 Abs. 1 HGB steht der Gesellschaft dann außerdem ein Eintrittsrecht zu. Zugleich kann sie von dem Gesellschafter Auskunft und Rechnungslegung über die von ihm unter Verstoß gegen seine Treuepflicht selbst getätigten Geschäfte verlangen (§ 242 BGB).

X. Sonderrechte der Gesellschafter Schrifttum: S. unten § 14 Rdnr. 18–30 sowie Heinrich, in: MünchHdb. III, § 5 Rdnr. 12–15 (S. 44 f.); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 14 Rdnr. 17 f.; Michalski, Rdnr. 61–64; Ebbing, in: Michalski, § 14 Rdnr. 76–94; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 50 f.; H. Ullrich, ZGR 1985, 235.

Ebenso wie der Gesellschaftsvertrag Nebenleistungspflichten der Gesellschafter begründen kann (§ 3 Abs. 2), kann er auch Sonderrechte der Gesellschafter i.S. des § 35 BGB vorsehen. Man versteht darunter mitgliedschaftliche Vorrechte einzelner Gesellschafter, die diesen eine Vorzugsstellung vor anderen Gesellschaftern verschaffen (s. unten § 14 Rdnr. 19 ff.). Sonderrechte können den unterschiedlichsten Inhalt haben, bilden aber in jedem Fall einen Bestandteil der Mitgliedschaft. Dadurch unterscheiden sie sich von den so genannten Sondervorteilen, die einzelnen Gesellschaftern unabhängig von ihrer Mitgliedschaft gewährt werden, etwa in Gestalt einer Pensionszusage für einzelne Gründer.

100

Sonderrechte wie Sondervorteile sind gegenüber der Gesellschaft nur wirksam, wenn sie in der Form des § 2 in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden (entsprechend § 3 Abs. 2). Werden sie erst nachträglich im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages eingeführt (§§ 53 f.), so bedarf der betreffende Beschluss zudem der Zustimmung aller anderen Gesellschafter; andernfalls verstößt er gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (s. unten § 14 Rdnr. 20 ff.). Schranken ergeben sich aus den zwingenden Regeln des Gesetzes, insbesondere aus den §§ 30 ff. (s. unten § 14 Rdnr. 21). Treffen Sonderrechte mit Nebenleistungspflichten zusammen, so spricht man auch von Pflichtrechten. Außerhalb des Gesellschaftsvertrages können wirksam weder Sonderrechte der Gesellschafter noch zusätzliche Verpflichtungen der Gesellschaft begründet werden2.

101

1 S. insbes. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 V 3 (S. 599 f.); M. Winter, Treuebindungen, S. 242 ff., 244; bes. weitgehend Timm, GmbHR 1981, 177; kritisch jedoch Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 435 f., 448; Schulze-Osterloh, FR 1993, 73, 78. 2 RGZ 113, 241, 244 f.; 125, 323, 335; 165, 129, 131 f.; BGH, LM Nr. 4 zu § 35 BGB = NJW 1969, 131 = MDR 1969, 704; BGH, GmbHR 1982, 129, 130 = BB 1981, 926; OLG

Emmerich

|

339

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

XI. Unechte Satzungsbestandteile Schrifttum: Baumann/Reiss, ZGR 1989, 157; Chr. Berger, Nebenverträge im GmbHRecht, Diss. Münster 1995; M. Dürr, Nebenabreden im Gesellschaftsrecht, 1994; M. Dürr, BB 1995, 1365; Ebbing, NZG 1998, 281; 1999, 754; Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 73 ff.; R. Fischer, GmbHR 1954, 129; Fleck, ZGR 1988, 104; Forstmoser, Aktionärsbindungsverträge, in: FS Schluep, 1988, S. 359; Goette, Satzungsdurchbrechung und Beschlussanfechtung, in: Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8, 1996, S. 113; Happ, ZGR 1984, 172; Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53 ff.; A. Jäger, DStR 1996, 1935; Janke, Die Nebenleistungspflichten bei der GmbH, 1996; E. Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995; E. Joussen, Konzernrechtliche Folgen, GmbHR 1996, 574; Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 20; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 47–56; Michalski, Rdnr. 66–79; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; Priester, DB 1979, 681; Priester, in: FS Claussen, 1997, S. 319; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 (S. 294 ff.); Pentz, in: MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rdnr. 187–197; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 28 Rdnr. 28 ff. (S. 439 ff.); Röhricht, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 Rdnr. 238–277; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 40–59; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 5 (S. 93 ff.); H. Ullrich, ZGR 1985, 235; Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911; Ulmer, NJW 1987, 1948; Ulmer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1297; Vomhof, GmbHR 1984, 181; W. Weber, Der side-letter zum GmbH-Vertrag als Grundlage und Grenze von Gesellschafterbeschlüssen, 1996; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994; K. Winkler, DNotZ 1980, 578; M. Winter, Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen, in: Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8, 1996, S. 131; M. Winter, Organisationsrechtliche Sanktionen bei Verletzung schuldrechtlicher Gesellschaftsvereinbarungen, ZHR 154 (1990), 259; Zöllner, Wechselwirkungen zwischen Satzung und schuldrechtlichen Gesellschaftervereinbarungen ohne Satzungscharakter, in: Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8, 1996, S. 89.

1. Überblick 102

Das GmbHG regelt in § 3 Abs. 1 nur den unabdingbaren Mindestinhalt eines Gesellschaftsvertrages (der Satzung) einer Gesellschaft, dessen Fehlen oder Nichtigkeit nach § 9c Abs. 2 Nr. 1 zugleich ein Eintragungshindernis darstellt (oben Rdnr. 1 ff.). Das Gesetz bestimmt außerdem an zahlreichen Stellen, dass, wenn bestimmte Regelungen mit Wirkung für und gegen die (zukünftige) Gesellschaft sowie zukünftige Gesellschafter getroffen werden sollen, solche Regelungen nur wirksam sind, wenn sie gleichfalls in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Die wichtigsten Beispiele finden sich außer in § 3 Abs. 2 (Zeitbestimmung und Nebenleistungspflichten, s. oben Rdnr. 60, 68 ff.) in den §§ 5 Abs. 4 (Sacheinlagen), 15 Abs. 5 (Vinkulierung), 17 Abs. 3 (Teilung), 26 Abs. 1 (Nachschusspflicht), 34 Abs. 1 (Einziehung, Amortisation), 52 Abs. 1 (Bestellung eines Aufsichtsrats) und 60 Abs. 2 (weitere Auflösungsgründe)1. In einer Reihe weiterer Fälle steht eine Abänderung der gesetzlichen Regelung und damit des gesetzlichen Normalstatuts unter so genanntem Satzungsvorbehalt,

Hamm, OLGZ 1984, 46 f.; OLG Düsseldorf, NJW 1990, 1122 = GmbHR 1990, 219; H. Ullrich, ZGR 1985, 235, 240 ff. 1 S. zum Folgenden A. Jäger, DStR 1996, 1935 ff.; Michalski, Rdnr. 66 ff.; Priester, in: FS Claussen, S. 319, 332 ff.; H. Ullrich, ZGR 1985, 235, 251, 253, 261 f.

340

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

ist also ebenfalls nur im Gesellschaftsvertrag möglich. Beispiele finden sich in den §§ 17 Abs. 6 Satz 2, 28 Abs. 1 Satz 1, 29 Abs. 1 Satz 1, 35 Abs. 2 Satz 1, 37 Abs. 1, 38 Abs. 2 Satz 1 sowie insbesondere in den §§ 45 Abs. 2, 53 Abs. 2 Satz 2 und 60 Abs. 1 Nr. 2. Darüber hinaus steht es den Gesellschaftern – im Rahmen des Gesetzes – frei, auch noch weitere Abreden über die Verfassung der Gesellschaft sowie ihre Rechte und Pflichten mit Wirkung für die Gesellschaft und zukünftige Gesellschafter, d.h. als so genannte „echte“ Vertragsbestandteile in den Vertrag aufzunehmen. Beispiele sind Abreden über die Einsetzung eines Beirats oder anderer zusätzlicher Organe, Gerichtsstands- und Schiedsklauseln, die Begründung von Sonderrechten zu Gunsten einzelner Gesellschafter (oben Rdnr. 100 f.), Bestimmungen über die Auswahl der Geschäftsführer, über deren Rechtsverhältnisse oder über die zu verfolgende Geschäftspolitik sowie noch Stimmrechtsbeschränkungen. Die Aufnahme der fraglichen Abreden (oben Rdnr. 102) unter die „echten“, d.h. die Gesellschaft sowie zukünftige Gesellschafter bindenden Vertragsbestandteile, hat in den Augen der Gesellschaftspraxis freilich verschiedene Nachteile. Hervorzuheben sind die mit der Aufnahme der Abreden in den Gesellschaftsvertrag verbundene Publizität (s. § 8 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG i.V.m. § 9 Abs. 1 HGB), das Prüfungsrecht des Registergerichts (§ 9c) sowie die Abänderbarkeit der betreffenden Abreden allein im Wege der förmlichen Vertragsänderung nach Maßgabe der §§ 53 und 54. Deshalb ist es weithin üblich geworden, die fraglichen Abreden, soweit rechtlich zulässig (unten Rdnr. 105), nicht unter die echten Vertragsbestandteile aufzunehmen, sondern an deren Stelle ergänzende schuldrechtliche Abreden (mit Wirkung allein unter den beteiligten Gesellschaftern) zu treffen. Dafür gibt es zwei Gestaltungsformen, entweder die Aufnahme dieser ergänzenden schuldrechtlichen Abreden in den Gesellschaftsvertrag (unten Rdnr. 114 ff.) oder den Abschluss eines zusätzlichen Vertrages neben dem Gesellschaftsvertrag. Im ersten Fall spricht man von „unechten“ oder fakultativen, gelegentlich auch von individualrechtlichen Vertragsbestandteilen (im Gegensatz zu den echten, körperschaftsrechtlichen oder korporativen Vertragsbestandteilen), im zweiten Fall dagegen meistens von Nebenverträgen oder – so heute in der Regel – von Gesellschaftervereinbarungen oder -absprachen (unten Rdnr. 114 ff.). Rechtliche Unterschiede werden damit nicht bezeichnet; vielmehr deckt sich die rechtliche Behandlung der unechten Vertragsbestandteile in den wichtigsten Punkten mit der der Gesellschaftervereinbarungen (unten Rdnr. 114 ff.).

103

Als Gründe für die Verbreitung ergänzender Abreden (oben Rdnr. 103) werden insbesondere die Formlosigkeit derartiger Vereinbarungen sowie ihre mangelnde Publizität genannt1, beides freilich Gründe, die allein für die Gesellschaftervereinbarungen, nicht jedoch für die unechten Vertragsbestandteile zutreffen. Das Nebeneinander von echten und unechten Vertragsbestandteilen sowie von Gesellschaftervereinbarungen wirft eine Reihe von Fragen auf, für die noch nicht durchweg befriedigende Antworten gefunden sind. Im Vordergrund steht

104

1 S. insbes. Priester, in: FS Claussen, S. 319 ff.; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 89, 90 ff.

Emmerich

|

341

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

die (schwierige) Abgrenzung der echten Vertragsbestandteile von den anderen, lediglich schuldrechtlich wirkenden Abreden unter den Gesellschaftern (unten Rdnr. 107). Offen ist weiter die vor allem für die Gesellschaftervereinbarungen diskutierte Frage, in welchem Umfang von solchen Abreden Rückwirkungen auf die „korporative Ebene“ möglich sind (unten Rdnr. 120 f.).

2. Zulässigkeit, Beispiele 105

a) Nach überwiegender Meinung haben die Gesellschafter, soweit nicht zwingende gesetzliche Regelungen wie insbesondere die §§ 3 Abs. 1 und 5 Abs. 4 entgegenstehen, grundsätzlich die Wahl, die hier interessierenden Abreden (oben Rdnr. 102) als echte oder unechte Vertragsbestandteile oder als ergänzende Gesellschaftervereinbarungen auszugestalten1. Doch trifft das in dieser Allgemeinheit schwerlich zu. Einigkeit besteht zunächst, dass sich die Gesellschafter nicht durch zusätzliche schuldrechtliche Abreden über zwingende gesetzliche Regelungen wie die §§ 42a Abs. 2 Satz 2, 51a Abs. 3 und 53 Abs. 2 Satz 2 hinwegsetzen können2. Weitere Schranken sollen dagegen nach überwiegender Meinung nicht bestehen3. Das ist jedenfalls dann bedenklich, wenn durch die fraglichen Abreden – neben einem auf die Mindestbestandteile des § 3 Abs. 1 reduzierten Gesellschaftsvertrag – überhaupt erst der Gegenstand, der Zweck und die Organisation der Gesellschaft näher mit Leben gefüllt werden. In solchen Fällen spricht die gesetzliche Regelung, insbesondere § 9c, mit Rücksicht auf die Interessen späterer Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger dafür, zumindest eine Aufnahme der genannten zentralen Abreden unter die echten Vertragsbestandteile zu verlangen, widrigenfalls die Abreden, häufig schon mangels Beachtung der Form des § 2, nichtig sind4. Auch Pflichten der Gesellschaft können (im Gegensatz zu Rechten der Gesellschaft, § 328 BGB) nicht durch unechte Vertragsbestandteile begründet werden. Dasselbe gilt schließlich für Rechte Dritter gegen die Gesellschaft, weil und sofern die Gesellschaft – als selbständige juristische Person – an den fraglichen Abreden nicht beteiligt ist5.

106

b) Innerhalb der geschilderten Grenzen (oben Rdnr. 105) verfügen die Gesellschafter über einen weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich des Inhalts ergänzender schuldrechtlicher Abreden, sei es in Gestalt von unechten Vertragsbestandteilen, sei es in Form von zusätzlichen Gesellschaftervereinbarungen

1 S. zum Folgenden insbesondere OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 268 f.; A. Jäger, DStR 1996, 1935 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 119 ff.; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 10–13 (S. 297 f.); Priester, in: FS Claussen, S. 319, 328 ff.; H. Ullrich, ZGR 1985, 235, 250 ff.; M. Winter, in: Gesellschaftsrecht, 1995, S. 131, 135 ff.; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht, 1995, S. 89, 101 ff. 2 Zutreffend A. Jäger, DStR 1996, 1935 ff. 3 S. statt aller Zöllner, in: Gesellschaftsrecht, 1995, S. 89. 4 Ebenso im Ergebnis OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747 für die Vereinbarung besonders wichtiger Nebenpflichten; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 119 ff., und H. Ullrich, ZGR 1985, 235, 250 ff. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26; P. Ulmer, in: FS Werner, S. 911; anders aber Hammer, WM 1994, 765.

342

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

(Nebenabreden)1. Die größte praktische Bedeutung kommt offenbar Abreden über die Ausübung des Stimmrechtes in der Gesellschafterversammlung zu, wobei ebenso an einfache Stimmbindungsverträge (unten § 47 Rdnr. 35 ff.), wie an Konsortial- oder Poolverträge zu denken ist, meistens zu dem Zweck, den dauernden Einfluss eines oder mehrerer Gesellschafter sicherzustellen, häufig mit der Folge der Abhängigkeit der Gesellschaft von einem oder mehreren Gesellschaftern (§ 17 Abs. 1 AktG)2. Weitere Beispiele für mögliche unechte Vertragsbestandteile (oder Gesellschaftervereinbarungen) sind Abreden der Gesellschafter über die Beschränkung des Gesellschafterkreises oder den Umfang der Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer (§ 37 Abs. 1) sowie über Andienungspflichten und Erwerbsvorrechte der Gesellschafter oder der Gesellschaft hinsichtlich der Gesellschaftsanteile3, Abreden über besondere Gründervorteile (vgl. aber § 26 AktG), Verlustdeckungszusagen4, die Einführung einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführer, die Regelung der personellen Zusammensetzung eines Beirats5, die Präzisierung der im Gesellschaftsvertrag nur allgemein umschriebenen Nebenleistungspflichten6, die Gesellschafter persönlich und deshalb möglicherweise auch noch nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft treffende Wettbewerbsverbote7 sowie zusätzliche Sachleistungspflichten der Gesellschafter neben ihrer Stammeinlageverpflichtung, selbst wenn es sich dabei wirtschaftlich um die „Hauptleistungspflicht“ der Gesellschafter handelt8. Schiedsklauseln können gleichfalls korporativen oder individualrechtlichen Charakter haben9.

3. Abgrenzung Die Unterscheidung echter und unechter Vertragsbestandteile kann im Einzelfall schwierig sein, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht mit genügender Deut-

1 S. zum Folgenden insbesondere M. Dürr, Nebenabreden, S. 5 ff.; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 5 ff.; Michalski, Rdnr. 75, 78; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 13, 191 ff.; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 4 ff. (S. 295 f.); Priester, in: FS Claussen, S. 319, 320 ff.; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 89, 90 ff. 2 S. unten § 13 Anh. Rdnr. 28; BGHZ 48, 163 = NJW 1967, 1963; BGH, LM Nr. 32 zu § 47 GmbHG = GmbHR 1983, 196; Baumann/Reiss, ZGR 1989, S. 157; Dürr, Nebenabreden, S. 5 ff.; Jäger, DStR 1996, 1935, 1936 f.; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 6, 164 ff.; Joussen, GmbHR 1996, 574; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 28, 87, 144, 191 ff.; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 4 (S. 295); Priester, in: FS Claussen, S. 319, 320 ff.; M. Winter, ZHR 154 (1990), 259, 262 ff. 3 S. G. Hueck, in: (1.) FS Larenz, 1973, S. 749; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 15, 284 ff.; H. P. Westermann/D. Klingberg, in: FS Quack, 1991, S. 545. 4 BGH, LM Nr. 5 zu § 3 GmbHG = NJW-RR 1993, 607 = GmbHR 1993, 214 = ZIP 1993, 432 = MDR 1993, 430. 5 S. aber BGH, LM Nr. 8 zu § 109 HGB = NJW 1970, 706. 6 RGZ 87, 261, 265 ff.; RG, JW 1937, 2836; W. Schilling/M. Winter, in: FS Stiefel, 1987, S. 685. 7 S. oben Rdnr. 88 ff.; RG, DR 1940, 2013 = HRR 1940 Nr. 1204. 8 BGH, LM Nr. 8 zu § 2 GmbHG = WM 1969, 1321 = GmbHR 1970, 10. 9 S. unten § 13 Rdnr. 29–31 sowie BGHZ 43, 261, 264 ff. = NJW 1965, 1378 = GmbHR 1965, 111; OLG München NZG 1999, 780; Ebbing, NZG 1998, 281; 1999, S. 754; Michalski, Rdnr. 69; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 42–44.

Emmerich

|

343

107

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

lichkeit zwischen den verschiedenen Abreden unterscheidet1. Eindeutig ist die Zuordnung nur bei denjenigen Abreden, die zu dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages nach § 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 4 gehören: Sie sind immer echte Satzungsbestandteile, die auch gegen spätere Mitglieder wirken (unten Rdnr. 114). Umgekehrt sind Abreden, an denen – trotz ihrer Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag – nur einzelne, nicht aber alle Gesellschafter beteiligt sind, mit Notwendigkeit immer nur schuldrechtliche (unechte) Vertragsbestandteile. 108

Bei anderen Abreden haben die Gesellschafter – in den genannten Grenzen (oben Rdnr. 105) – dagegen meistens die Wahl, ob sie sie – bei Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag – als echte oder unechte Vertragsbestandteile ausgestalten oder in einer ergänzenden Gesellschaftervereinbarung treffen wollen (unten Rdnr. 114 ff.), durch die dann von Fall zu Fall noch eine besondere BGB-Gesellschaft neben der GmbH begründet wird2. Was jeweils gewollt ist, ist eine Frage der Auslegung3. Die Aufnahme der fraglichen Abreden in den Gesellschaftsvertrag ist jedoch regelmäßig ein Indiz dafür, dass die Abrede als echter Vertragsbestandteil gewollt ist4. Zwingend ist dieser Schluss freilich nur bei den durch die §§ 3 Abs. 1 und 5 Abs. 4 vorgeschriebenen Mindestangaben sowie bei solchen Abreden, die die Rechtsstellung der Gesellschaft, ihre Organisation sowie ihre Beziehungen zu den Gesellschaftern regeln5. Für eine körperschaftsrechtliche Regelung spricht es außerdem, wenn ein Gesellschafter, der durch den Vertrag zur Erbringung einer wertvollen Leistung verpflichtet wird, dafür keine besondere Gegenleistung über die Beteiligung hinaus erhalten soll6.

109

Unechte Satzungsbestandteile sind nach dem Gesagten (oben Rdnr. 107 f.) namentlich solche Abreden, die allein die Gründer persönlich und nicht auch spätere Mitglieder der Gesellschaft binden sollen wie z.B. die Übernahme zusätzlicher Verpflichtungen durch einzelne Gründer gegenüber anderen Gründern7 oder gegenüber der Gesellschaft (§ 328 BGB). Die Bestellung der Geschäftsführer oder die Festsetzung ihrer Vergütung schon im Gesellschaftsver1 S. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54 f.; Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 73 ff.; Jäger, DStR 1996, 1935 ff.; Michalski, Rdnr. 73; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 119 ff.; Ulmer, Rdnr. 34 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48; Priester, DB 1979, 681 ff.; P. Ulmer, in: FS Werner, S. 911 ff.; H. Ullrich, ZGR 1985, 235, 251 ff.; Winkler, DNotZ 1980, 578, 586 ff. 2 BGHZ 103, 219, 221 f. = NJW 1988, 1729; BGHZ 123, 347, 352 = NJW 1994, 51 = AG 1994, 78 = ZIP 1993, 1709; BGH, LM Nr. 5 zu § 3 GmbHG = NJW-RR 1993, 607 = MDR 1993, 430 = GmbHR 1993, 214 = ZIP 1993, 432; OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747; OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 268 f.; ausführlich Joussen, Gesellschafterabsprachen; Noack, Gesellschaftervereinbarungen. 3 OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 268 f. 4 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47; Michalski, Rdnr. 72; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 2 (S. 290); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48; anders Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53 ff.; zu der Geschäftsführerbestellung s. unten Rdnr. 109. 5 S. oben Rdnr. 105; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 119 ff. 6 So OLG Dresden, GmbHR 1997, 746, 747. 7 A.M. BayObLGZ 1903, 319 = OLGE 5, 281 für die Garantie einer Mindestdividende durch einen Gründer zu Gunsten eines anderen.

344

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

trag (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 2) wird gleichfalls in der Regel einen unechten Vertragsbestandteil bilden1. Im Einzelfall kann aber auch eine andere Auslegung in Betracht kommen mit der Folge dann, dass die Ernennung zum Geschäftsführer durch den Gesellschaftsvertrag für den Gesellschafter zugleich ein Sonderrecht auf die Geschäftsführung begründet2.

4. Vereinbarung a) Liegt nach dem Gesagten ein unechter Vertragsbestandteil vor (oben Rdnr. 107 ff.), so handelt es sich, rechtlich gesehen, um einen normalen schuldrechtlichen Vertrag (nur) zwischen den an der Abrede jeweils beteiligten Gesellschaftern (§ 311 Abs. 1 BGB), der nicht den besonderen Regeln für Gesellschaftsverträge unterliegt (§§ 2 ff.), sondern nur den allgemeinen Regeln des BGB (so genanntes Trennungsprinzip). Dies wirkt sich zunächst bei Willensmängeln aus: Während bei den echten Vertragsbestandteilen die Regeln des BGB über die Nichtigkeit oder die Vernichtbarkeit von Willenserklärungen jedenfalls nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nur mit gewissen Einschränkungen anwendbar sind (s. oben § 2 Rdnr. 62 ff.), gelten sie für die unechten Vertragsbestandteile grundsätzlich ohne Einschränkung. Vor Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister kann ihre Nichtigkeit über § 139 BGB außerdem die des gesamten Gesellschaftsvertrags nach sich ziehen, vorbehaltlich der sich aus einem etwaigen Vollzug der Vorgesellschaft ergebenden Einschränkungen. Spätestens aber nach Eintragung der Gesellschaft ist kein Raum mehr für die Anwendung des § 139 BGB, ohne dass dies freilich etwas an der weiteren Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit der fraglichen unechten Vertragsbestandteile nach den Vorschriften des BGB änderte; zu beachten bleibt jedoch die vom BGH neuerdings angenommene Heilungsmöglichkeit nach § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG3.

110

b) Die Auslegung der unechten Vertragsbestandteile richtet sich nach den allgemeinen Regeln (§§ 133, 157 BGB)4. Die häufig angenommenen besonderen Regeln über die Auslegung der körperschaftrechtlichen Bestandteile des Gesellschaftsvertrages finden auf sie keine Anwendung (s. oben § 2 Rdnr. 33 ff.). Die Abänderung der unechten Vertragsbestandteile richtet sich ebenfalls nicht nach den §§ 53 ff., sondern nach dem BGB (§ 311 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist mithin ein Vertrag aller an der fraglichen Abrede beteiligten Gesellschafter5. Ebenso wenig ist die Formvorschrift des § 2 anwendbar6. Daher ist bei einer späteren Vertragsänderung auch nicht etwa eine Anpassung des Vertragstextes hinsicht-

111

1 BGHZ 18, 205, 207 f. = NJW 1955, 1716; BGH, GmbHR 1982, 129, 130 = BB 1981, 926; OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264, 269. 2 S. oben Rdnr. 100 f. sowie BGH, GmbHR 1982, 129, 130 = BB 1981, 926. 3 Grdlg. BGHZ 144, 365, 367 f. = LM Nr. 6 zu § 242 AktG = NJW 2000, 2819 = GmbHR 2000, 822 = AG 2000, 515 = ZIP 2000, 1294; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41. 4 Michalski, Rdnr. 72. 5 S. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47. 6 Ulmer, Rdnr. 115; s. Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 135 ff.

Emmerich

|

345

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

lich der unechten Bestandteile erforderlich. Beide Bestandteile des Gesellschaftsvertrages gehen vielmehr jetzt getrennte Wege1. 112

c) Da es sich bei den unechten Vertragsbestandteilen um normale schuldrechtliche Abreden der Gründer handelt, bilden die sich daraus ergebenden Verpflichtungen anders als die Nebenleistungspflichten des § 3 Abs. 2 keinen Bestandteil der Mitgliedschaft (§ 14). Bei einer Veräußerung des Anteils gehen sie daher nicht automatisch auf den Erwerber über; ein Übergang ist vielmehr nur durch Abtretung, Schuldübernahme oder Schuldbeitritt möglich (§§ 398, 414, 415, 311 Abs. 1 BGB)2. Anders verhält es sich nur im Falle der Gesamtrechtsnachfolge, da der Erbe eines Geschäftsanteils gemäß § 1967 BGB auch in die sich aus den unechten Vertragsbestandteilen ergebenden Verpflichtungen des Erblassers eintritt3.

113

d) Bei den Sanktionen für Verstöße gegen echte und unechte Vertragsbestandteile bestehen ebenfalls Unterschiede: Während bei Verstößen gegen gesellschaftsrechtliche Pflichten, beruhend auf echten Vertragsbestandteilen, etwa vorgesehene gesellschaftsvertragliche Sanktionen wie ein Ausschluss des Gesellschafters eingreifen können, hat eine Verletzung von Pflichten aus unechten Vertragsbestandteilen grundsätzlich nur die Folgen jeder Pflichtverletzung, wobei in erster Linie an Schadensersatzansprüche der aus der Abrede berechtigten Mitgesellschafter sowie gegebenenfalls der Gesellschaft gegen den betreffenden Gesellschafter zu denken ist (§§ 280, 281, 328 BGB). Ob daneben auch gesellschaftsvertragliche Sanktionen, namentlich in Gestalt der Ausschließung des betreffenden Gesellschafters oder der Anfechtung abredewidriger Beschlüsse in Betracht kommen, ist umstritten. Entgegen einer verbreiteten Meinung ist diese Frage nicht grundsätzlich zu verneinen (s. für die Auslegung der Satzung schon oben § 2 Rdnr. 33 ff., für die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen unten Rdnr. 120 ff.).

XII. Gesellschaftervereinbarungen4 1. Überblick 114

Als Gesellschaftervereinbarungen oder -absprachen oder auch Nebenverträge bezeichnet man Vereinbarungen aller oder einzelner Gesellschafter über ihr gesellschaftsrechtliches Verhältnis betreffende Fragen, die nicht in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden, sondern „selbständig“ neben den Gesellschaftsvertrag treten. Ihre rechtliche Behandlung entspricht im Wesentlichen der der so genannten unechten Vertragsbestandteile (oben Rdnr. 107 ff.), da die Gesellschafter in der Mehrzahl der Fälle die Wahl haben, ob sie die betreffenden Fragen im Gesellschaftsvertrag (als echte oder unechte Bestandteile des Ver-

1 S. Priester, DB 1979, 681, 684 f.; Ulmer, in: FS Werner, S. 911, 914 f.; Winkler, DNotZ 1980, 578, 586 ff. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 171 ff. 3 Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 184; Priester, DB 1979, 681, 685 f. 4 Schrifttum: S. oben vor Rdnr. 102.

346

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

trags) oder außerhalb des Gesellschaftsvertrages in zusätzlichen oder ergänzenden Verträgen regeln wollen (s. schon oben Rdnr. 105 ff.). Ausgenommen von dieser Wahlfreiheit sind lediglich diejenigen Punkte, deren Regelung zwingend dem Gesellschaftsvertrag vorbehalten ist (s. insbesondere §§ 3 Abs. 1 und 5 Abs. 4). Die Einzelheiten sind umstritten. Für die Gesellschaftervereinbarungen gilt insoweit in jeder Hinsicht dasselbe wie für die unechten Vertragsbestandteile, so dass auf die obigen Ausführungen zu den unechten Vertragsbestandteilen verwiesen werden kann1. Gesellschaftervereinbarungen „neben dem Vertrag“ erfreuen sich offenbar großer Beliebtheit, wofür in erster Linie ihre mangelnde Publizität sowie ihre Formfreiheit maßgeblich sein dürften2. Als Gegenstand kommen grundsätzlich sämtliche Abreden in Betracht, die auch zum Gegenstand unechter Vertragsbestandteile gemacht werden können3. Paradigmata sind außer den üblichen Grundvereinbarungen der Mütter aus Anlass der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens in der Rechtsform einer GmbH die verbreiteten Stimmrechtsbindungs-, Konsortial- und Poolverträge, mit denen einzelne Gesellschafter oder Gesellschaftergruppen versuchen, ihren Einfluss auf die Gesellschaft auf Dauer schuldrechtlich abzusichern4. Im Einzelfall können solche Abreden ein derartiges Gewicht haben, dass sie die Gefahr der Abhängigkeit der Gesellschaft von einzelnen Gesellschaftern oder einer Gesellschaftergruppe begründen (§ 17 Abs. 1 AktG)5.

115

An Gesellschaftervereinbarungen können alle oder nur einzelne Gesellschafter beteiligt sind (oben Rdnr. 114). Im Falle der Beteiligung aller Gesellschafter spricht man auch hochtrabend von „omnilateralen“ Gesellschaftervereinbarun-

116

1 S. im Einzelnen oben Rdnr. 102 ff. sowie A. Jäger, DStR 1996, 1935; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 119 ff.; Priester, in: FS Claussen, S. 319, 328, 332; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 10–13 (S. 297 f.); H. Ullrich, ZGR 1985, 235, 251, 253, 261 f.; M. Winter, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 131, 135 f.; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 89, 101 ff. 2 S. Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 445 f.; A. Jäger, DStR 1996, 1935; Priester, in: FS Claussen, S. 319, 322; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 6 (S. 296); M. Winter, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 131 ff.; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 89, 93 ff. 3 S. oben Rdnr. 107 ff. sowie Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442; A. Jäger, DStR 1996, 1935, 1936 f.; Joussen, GmbHR 1996, 574 ff.; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 5 ff.; Michalski, Rdnr. 78; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 13, 144, 191 ff.; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 4 f., 7–9 (S. 295 f.); Priester, in: FS Claussen, S. 319, 320 ff.; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 89, 90 f. 4 S. unten § 47 Rdnr. 35 ff.; Beispiele in RGZ 158, 249, 252 ff.; BGHZ 48, 163 = NJW 1967, 1963; BGH, GmbHR 1970, 232 = WM 1970, 904 = DB 1970, 897; LM Nr. 32 zu § 47 GmbHG = GmbHR 1983, 196; wegen der Einzelheiten s. Baumann/Reiss, ZGR 1989, 157; M. Dürr, Nebenabreden, S. 5 ff. und passim; A. Jäger, DStR 1996, 1935, 1936 f.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 191 ff.; Priester, in: FS Claussen, S. 319, 320 ff.; M. Winter, ZHR 154 (1990), 259, 262 ff. 5 S. Baumann/Reiss, ZGR 1989, 157; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 164 ff.; Joussen, GmbHR 1996, 574; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 28, 87 ff.; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 30 (S. 301 f.).

Emmerich

|

347

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

gen. Vor allem bei ihnen stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang von ihnen Rückwirkungen auf die korporative Ebene ausgehen können (unten Rdnr. 120 f.). Die Gesellschaft ist an Gesellschaftervereinbarungen dagegen grundsätzlich nicht beteiligt. Soweit sie aus Gesellschaftervereinbarungen unmittelbare Rechte erwerben soll, handelt es sich um Verträge zu ihren Gunsten im Sinne von §§ 328 ff. BGB1. Pflichten der Gesellschaft können dagegen durch solche Vereinbarungen nicht begründet werden, da Verträge zu Lasten Dritter unzulässig sind. Eine Beteiligung Dritter, d.h. von Personen, die keine Gesellschafter sind, an Gesellschaftervereinbarungen ist zwar denkbar, aber offenbar unüblich. 117

Beispiele für Gesellschaftervereinbarungen sind außer den bereits genannten (oben Rdnr. 115) noch Abreden über die Verpflichtung der Gesellschafter zur Leistung von Zuschüssen oder zur Gewährung von Darlehen an die Gesellschaft (§ 328 BGB)2 sowie über die Verpflichtung zur Erbringung weiterer Sachleistungen ohne Anrechnung auf die Einlage3 oder zur Übernahme von Verlusten4, ferner die Gesellschafter persönlich treffende Wettbewerbsverbote5, die Verpflichtung zur Abtretung des Geschäftsanteils6, Vor- oder Ankaufsrechte der Gesellschaft oder anderer Gesellschafter7, weiter eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende Gewinnverteilung zwischen den Beteiligten8, überhaupt Abreden über die Auslegung des Gesellschaftsvertrages in einem bestimmten Sinne9, außerdem Liefer- und Bezugspflichten der Gesellschafter oder ihre Verpflichtung zur Benutzung der Einrichtungen der Gesellschaft10 sowie schließlich der Zusammenschluss Einzelner oder aller Gesellschafter zu einer BGB-Gesellschaft zwecks Unterstützung der Gesellschaft durch die Erbringung bestimmter weiterer Beiträge (§ 705 BGB).

1 RGZ 83, 216, 219; RG, JW 1930, 2675; BGH, LM Nr. 8 zu § 2 GmbHG = GmbHR 1970, 10; OLG Hamm, GmbHR 1978, 271 f. 2 RGZ 83, 216, 219; RG, JW 1914, 94. 3 BGH, LM Nr. 8 zu § 2 GmbHG = GmbHR 1970, 10 = WM 1969, 1321; andernfalls Stammeinlage i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4. 4 Grdlg. BGH, LM Nr. 5 zu § 3 GmbHG = NJW-RR 1993, 607 = GmbHR 1993, 214; OLG Nürnberg, GmbHR 1981, 242 f. = ZIP 1981, 862 f. = BB 1981, 1293; OLG Hamm, GmbHR 1978, 271 f.; Gasteyer, BB 1983, 934; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 311 ff. 5 RG, JW 1930, 2675. 6 RG, LZ 1913, 785. 7 BGHZ 38, 155 = NJW 1963, 203; G. Hueck, in: (1.) FS Larenz, 1973, S. 749; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 15, 284 ff.; H. P. Westermann/D. Klingberg, in: FS Quack, 1991, S. 545. 8 KG, OLGE 24, 153; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 324 f. 9 BGH, LM Nr. 35 zu § 47 GmbHG = NJW 1987, 1890, 1892 = GmbHR 1987, 94; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994, S. 25 ff.; s. schon oben § 2 Rdnr. 35. 10 BGHZ 103, 219, 221 ff. = NJW 1988, 1729; BGH, LM Nr. 10 zu § 23 AGBG = NJW-RR 1992, 379 = WM 1992, 99.

348

|

Emmerich

§3

Inhalt des Gesellschaftsvertrages

2. Rechtliche Behandlung a) Die rechtliche Behandlung von Gesellschaftervereinbarungen entspricht im Wesentlichen der der unechten Vertragsbestandteile1. Häufig wird durch sie außerdem eine zusätzliche BGB-Innengesellschaft zwischen den beteiligten Gesellschaftern begründet2. § 2 findet auf Gesellschaftervereinbarungen keine Anwendung, so dass sie grundsätzlich formlos möglich sind, solange die Beteiligungen darauf verzichten, die fragliche Abrede – als echten Vertragsbestandteil (s. oben Rdnr. 102 ff.) – zum Inhalt der Mitgliedschaft zu machen3. Auch für die Änderung und die Aufhebung von Gesellschaftervereinbarungen gelten die allgemeinen Regeln (§ 311 Abs. 1 BGB), während die §§ 53 und 54 keine Anwendung finden4.

118

b) Die Rechte und Pflichten der Gesellschafter aus Gesellschaftervereinbarungen stehen grundsätzlich selbständig neben der Mitgliedschaft (sog. Trennungsgrundsatz)5. Bei einer Veräußerung des Geschäftsanteils gehen sie daher nicht automatisch auf den Erwerber über. Ein Übergang ist vielmehr nur im Einzelfall durch Vertragseintritt des Erwerbers unter Mitwirkung aller Beteiligten (§ 311 Abs. 1 BGB) oder durch Abtretung, Schuldübernahme oder Schuldbeitritt möglich (§§ 398, 414, 415 BGB)6. Der Veräußerer des Anteils wird im Zweifel frei7. Soll er weiterhin gebunden sein, wie es etwa bei Wettbewerbsverboten im Interesse der Gesellschaft liegen kann, so bedarf solche Bindung einer zusätzlichen Vereinbarung, die nur in engen Grenzen zulässig ist (§ 138 BGB; § 1 GWB; Art. 81 EG).

119

c) Gesellschaftervereinbarungen begründen grundsätzlich Rechte und Pflichten nur zwischen den an ihnen beteiligten Gesellschaftern, so dass, soweit nicht im Einzelfall § 328 BGB eingreift, Erfüllung der übernommenen Pflichten von einem Gesellschafter nur die anderen an der Abrede beteiligten Gesellschafter verlangen können. Bei einer Verletzung der Pflichten können sie außerdem Schadensersatz fordern (§§ 280 Abs. 1, 281 BGB). Das gilt auch für Stimmrechtsbindungsverträge mit der Folge, dass eine abredewidrige Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung grundsätzlich wirksam ist und im Regelfall

120

1 S. deshalb im Einzelnen oben Rdnr. 102 ff. sowie Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 15–18 (S. 298 f.). 2 S. Joussen, GmbHR 1996, 574. 3 S. oben § 2 Rdnr. 11 sowie RGZ 79, 333, 335; 82, 299, 302 f.; 83, 216, 218; 112, 273, 275 ff.; 151, 321, 324; 158, 248, 252 f.; RG, DR 1940, 2013 = HRR 1940 Nr. 1204; BGHZ 123, 15, 20 = NJW 1993, 2246 = GmbHR 1993, 497; BGH, LM Nr. 8 zu § 2 GmbHG = WM 1969, 1321 = GmbHR 1970, 10; BGH, WM 1965, 1076 = DB 1965, 1661; KG, NZG 2000, 688, 689; A. Jäger, DStR 1996, 1935, 1936; Priester, in: FS Claussen, S. 319, 328 ff., 332; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 14, 19 (S. 298 f.). 4 Priester, in: FS Claussen, S. 319, 328 ff.; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 14, 19. 5 S. oben Rdnr. 110; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 97 ff.; differenzierend aber Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 116 ff. u. passim; H. P. Westermann, Das Verhältnis von Satzung und Nebenordnungen in der Kapitalgesellschaft, 1994. 6 S. oben Rdnr. 112; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 171 ff.; Priester, in: FS Claussen, S. 319, 334; Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 17 (S. 298 f.); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 49. 7 Priester, in: MünchHdb. III, § 21 Rdnr. 18 (S. 299).

Emmerich

|

349

§4

Firma

lediglich Schadensersatzansprüche der anderen an der Abrede beteiligten Gesellschafter nach sich ziehen kann1. Davon zu trennen ist die Frage der Durchsetzbarkeit von Stimmrechtsbindungsverträgen durch Klage und Zwangsvollstreckung sowie die weitere Frage, ob – gegebenenfalls unter zusätzlichen Voraussetzungen – eine abredewidrige Stimmabgabe zur Anfechtung des fraglichen Beschlusses führen kann. Die Klagbarkeit und Vollstreckbarkeit von Stimmbindungsverträgen wird heute grundsätzlich angenommen2. Auch die Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen, die auf einer abredewidrigen Stimmabgabe beruhen, bejaht der BGH neuerdings, vorausgesetzt, dass an der Abrede alle Gesellschafter beteiligt waren, in erster Linie aus prozessökonomischen Gründen3. Im Schrifttum ist der Fragenkreis gleichwohl nach wie vor umstritten. Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen an anderer Stelle zu verweisen (s. § 45 Rdnr. 116 ff., § 47 Rdnr. 52 ff.). 121

Bejaht man unter den genannten Voraussetzungen (oben Rdnr. 120) die Anfechtbarkeit abredewidriger Gesellschafterbeschlüsse, so erkennt man damit zugleich an, dass jedenfalls von Gesellschaftervereinbarungen, an denen alle Gesellschafter beteiligt sind (sog. „omnilaterale“ Vereinbarungen), Rückwirkungen auf die korporative Ebene ausgehen können, so dass ihnen letztlich eine satzungsähnliche Qualität zukommt4. Für die Auslegung des Gesellschaftsvertrages ist dies bereits bejaht worden5. Zu denken ist außerdem von Fall zu Fall an eine Aufrechterhaltung unwirksamer, weil z.B. formwidriger Beschlüsse als Gesellschaftervereinbarungen oder an die Heilung solcher Beschlüsse durch ergänzende Gesellschaftervereinbarungen6.

§4

Firma Die Firma der Gesellschaft muss, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Text i.d.F. des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22. 6. 1998 (BGBl. I, 1474, 1479).

1 Grdlg. OGH SZ Bd. 66 (1993) Nr. 56, S. 295, 299 = EvBl. 1993 Nr. 199 = ÖJZ 1999, 848 = AG 1994, 43; RdW 1996, 165 = AG 1996, 329; wegen der Einzelheiten s. unten § 45 Rdnr. 116 ff., § 47 Rdnr. 53 ff. 2 Grdlg. BGHZ 48, 163, 169 ff. = NJW 1967, 1963 m. Anm. Emmerich, JuS 1968, 43 und Löwenheim, JuS 1969, 260; s. im Einzelnen unten § 47 Rdnr. 55 ff. 3 LM Nr. 32 zu § 47 GmbHG = NJW 1983, 1910 = GmbHR 1983, 196; LM Nr. 35 zu § 47 GmbHG = NJW 1997, 1890, 1892 = GmbHR 1987, 94; zurückhaltend OGH, RdW 1996, 165 = AG 1996, 329 = WiBl. 1996, 125 (nur Leitsatz); ablehnend OLG Stuttgart, DB 2001, 854, 859 = NZG 2001, 416 (nur LS) „Dornier“. 4 Dafür offenbar Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 50 f. 5 S. A. Jäger, DStR 1996, 1935, 1937; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 89, 105. 6 Gegen diese Möglichkeit OGH, RdW 1999, 410 = NZG 1999, 723.

350

|

Emmerich

§4

Firma

lediglich Schadensersatzansprüche der anderen an der Abrede beteiligten Gesellschafter nach sich ziehen kann1. Davon zu trennen ist die Frage der Durchsetzbarkeit von Stimmrechtsbindungsverträgen durch Klage und Zwangsvollstreckung sowie die weitere Frage, ob – gegebenenfalls unter zusätzlichen Voraussetzungen – eine abredewidrige Stimmabgabe zur Anfechtung des fraglichen Beschlusses führen kann. Die Klagbarkeit und Vollstreckbarkeit von Stimmbindungsverträgen wird heute grundsätzlich angenommen2. Auch die Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen, die auf einer abredewidrigen Stimmabgabe beruhen, bejaht der BGH neuerdings, vorausgesetzt, dass an der Abrede alle Gesellschafter beteiligt waren, in erster Linie aus prozessökonomischen Gründen3. Im Schrifttum ist der Fragenkreis gleichwohl nach wie vor umstritten. Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen an anderer Stelle zu verweisen (s. § 45 Rdnr. 116 ff., § 47 Rdnr. 52 ff.). 121

Bejaht man unter den genannten Voraussetzungen (oben Rdnr. 120) die Anfechtbarkeit abredewidriger Gesellschafterbeschlüsse, so erkennt man damit zugleich an, dass jedenfalls von Gesellschaftervereinbarungen, an denen alle Gesellschafter beteiligt sind (sog. „omnilaterale“ Vereinbarungen), Rückwirkungen auf die korporative Ebene ausgehen können, so dass ihnen letztlich eine satzungsähnliche Qualität zukommt4. Für die Auslegung des Gesellschaftsvertrages ist dies bereits bejaht worden5. Zu denken ist außerdem von Fall zu Fall an eine Aufrechterhaltung unwirksamer, weil z.B. formwidriger Beschlüsse als Gesellschaftervereinbarungen oder an die Heilung solcher Beschlüsse durch ergänzende Gesellschaftervereinbarungen6.

§4

Firma Die Firma der Gesellschaft muss, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Text i.d.F. des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22. 6. 1998 (BGBl. I, 1474, 1479).

1 Grdlg. OGH SZ Bd. 66 (1993) Nr. 56, S. 295, 299 = EvBl. 1993 Nr. 199 = ÖJZ 1999, 848 = AG 1994, 43; RdW 1996, 165 = AG 1996, 329; wegen der Einzelheiten s. unten § 45 Rdnr. 116 ff., § 47 Rdnr. 53 ff. 2 Grdlg. BGHZ 48, 163, 169 ff. = NJW 1967, 1963 m. Anm. Emmerich, JuS 1968, 43 und Löwenheim, JuS 1969, 260; s. im Einzelnen unten § 47 Rdnr. 55 ff. 3 LM Nr. 32 zu § 47 GmbHG = NJW 1983, 1910 = GmbHR 1983, 196; LM Nr. 35 zu § 47 GmbHG = NJW 1997, 1890, 1892 = GmbHR 1987, 94; zurückhaltend OGH, RdW 1996, 165 = AG 1996, 329 = WiBl. 1996, 125 (nur Leitsatz); ablehnend OLG Stuttgart, DB 2001, 854, 859 = NZG 2001, 416 (nur LS) „Dornier“. 4 Dafür offenbar Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 50 f. 5 S. A. Jäger, DStR 1996, 1935, 1937; Zöllner, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 89, 105. 6 Gegen diese Möglichkeit OGH, RdW 1999, 410 = NZG 1999, 723.

350

|

Emmerich

§4

Firma

§ 18 HGB (1) Die Firma muss zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. (2) Die Firma darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.

Inhaltsübersicht I. Überblick 1. Geschichte . . . . . . . . . . . 2. Name . . . . . . . . . . . . . . 3. Unternehmensbezogene Geschäfte . . . . . . . . . . . . 4. Firmeneinheit . . . . . . . . .

2. Neuer Rechtszustand . . . . . 31 1 4 5 6 7

2. Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft . . . . .

8

3. Einzelfragen . . . . . . . . . .

12

III. Sachfirma . . . . . . . . . . . .

15

1. Rechtszustand vor dem Handelsrechtsreformgesetz . . . .

16

IV. Personenfirma . . . . . . . . . 1. Rechtszustand vor dem Handelsrechtsreformgesetz . . . .

VI. Abgeleitete Firma . . . . . . . 46 1. Voraussetzungen . . . . . . . 47 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . 50 VII. GmbH-Zusatz . . . . . . . . . 51

II. Grundsätze der Firmenbildung 1. Einleitung . . . . . . . . . . .

2. Neuer Rechtszustand . . . . . 3. Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 HGB) . . . . . . . . . . . . . . 4. Änderung . . . . . . . . . . . .

V. Phantasiefirmen . . . . . . . . 42

VIII. Rechtsscheinhaftung . . . . . 53 IX. Allgemeines Firmenrecht . . . 57 1. Zusätze . . . . . . . . . . . . 58 2. Zweigniederlassung . . . . . . 59 3. Erlöschen . . . . . . . . . . . 61 4. Vorgesellschaft . . . . . . . . 62

18

X. Unzulässigkeit der Firma 1. Vor Eintragung . . . . . . . . 63

23 26

2. Nach Eintragung . . . . . . . 64 3. Löschung . . . . . . . . . . . . 67

27 29

Schrifttum zum früheren Recht, soweit heute noch bedeutsam: Ammon, Die Sachfirma der Kapitalgesellschaft, DStR 1994, 325; Bußmann, Name, Firma, Marke, 1937; Heymann/Emmerich, HGB, 2. Aufl. 1995, §§ 17–37; I. Heinrich, Firmenwahrheit und Firmenbeständigkeit, 1982; Jordan, Kleines Handbuch des Firmenrechts, 1966; Klippel, Der zivilrechtliche Schutz des Namens, 1985; Knaak, Das Recht der Gleichnamigen, 1979; Knaak, Firma und Firmenschutz, 1986; Kraft, Die Führung mehrerer Firmen, 1966; Krause, Die Entwicklung des Firmenrechts im 19. Jahrhundert, 1995; Pöpel, Die unwahr gewordene Firma – Irreführungsverbot versus Bestandsschutz, 1995; Troller, Kollisionen zwischen Firma, Handelsnamen und Marken, 1980; Wamser, Die Firmeneinheit, 1997; S. Weber, Das Prinzip der Firmenwahrheit im HGB und die Bekämpfung irreführender Firmen nach dem UWG, 1984. Schrifttum zum neuen Recht: Ammon, Gesellschaftsrechtliche und sonstige Neuerungen im Handelsrechtsreformgesetz, DStR 1998, 1474; Th. Beyerlein, Die Firma, WRP 2005, 582; Bokelmann, Die Neuregelungen im Firmenrecht nach dem RegE Emmerich

|

351

§4

Firma

des Handelsrechtsreformgesetzes, GmbHR 1998, 57; Bokelmann, Das Recht der Firmen und Geschäftsbezeichnungen, 5. Aufl. 2000; Bülow/Artz, Neues Handelsrecht, JuS 1998, 680; L. Bülow/P. Baronikians, Marken- und firmenrechtliche Beratung bei der Unternehmensgründung, MittBayNot 2002, 137; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 7. Aufl. 2004, § 18 (S. 358 ff.); Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 24–27 (S. 5 f.); Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 (S. 256 ff.); P. Jung, Firmen von Personenhandelsgesellschaften, ZIP 1998, 677; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 112 ff.; St. Kögel, Neues Firmenrecht und alte Zöpfe: Auswirkungen der HGB-Reform, BB 1998, 1645; St. Kögel, Sind geographische Zusätze im Firmennamen entwertet?, GmbHR 2002, 642; Lutter/Welp, Das neue Firmenrecht der Kapitalgesellschaften, ZIP 1999, 1073; D. Möller, Das neue Firmenrecht in der Rechtsprechung, DNotZ 2000, 830; D. Möller, Neues Kaufmanns- und Firmenrecht, 1998; P.-H. Müther, Überlegungen zum neuen Firmenbildungsrecht bei der GmbH, GmbHR 1998, 1058; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 25 Rdnr. 2–12 (S. 372 ff.); W.-H. Roth, Zum Firmenrecht der juristischen Personen im Sinne des § 33 HGB, in: FS Lutter, 2000, S. 651; W.-H. Roth, in: Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften, 1999, S. 31; Schaefer, Handelsrechtsreformgesetz, 1999; K. Schmidt, Das Handelsrechtsreformgesetz, NJW 1998, 2161; K. Schmidt, Handelsrecht, § 12, S. 338 ff.; R. Schmitt, Der Entwurf eines Handelsrechtsreformgesetzes, WiB 1997, 1113; Schulenburg, Die Abkürzung im Firmenrecht der Kapitalgesellschaften, NZG 2000, 1156; Chr. Schulte/R. Warnke, Das neue Firmenrecht der GmbH im Handelsregisterverfahren, GmbHR 2002, 626; D. Weber/U. Jacob, Exclusivität der Bezeichnungen „Partnerschaft“, „und Partner“ für Partnerschaften, ZGR 1998, 142; Wessel/Zwernemann/ Kögel, Die Firmengründung, 7. Aufl. 2001, Rdnr. 100, 403 ff. (S. 93, 312 ff.).

I. Überblick 1. Geschichte 1

§ 4 bestimmt in Ergänzung zu § 3 Abs. 1 Nr. 1, nach dem die Firma der Gesellschaft zu dem Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages einer GmbH gehört (s. oben § 3 Rdnr. 4), dass die Firma der Gesellschaft, auch wenn sie nach § 22 HGB oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten muss. § 4 geht auf das Handelsrechtsreformgesetz von 1998 zurück, das am 1. 7. 1998 in Kraft getreten ist1. Eine entsprechende Regelung enthält das AktG in dem neuen § 4. Ergänzend bestimmt noch § 35a, dass auf allen Geschäftsbriefen der Gesellschaft an einen bestimmten Empfänger neben der Firma der Gesellschaft (s. § 35 Abs. 3 GmbHG und § 37a HGB) insbesondere die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft angegeben werden müssen.

1a

§ 4 ist Ausdruck der Liberalisierung des Firmenrechts durch das Handelsrechtsreformgesetz von 19982. Nach der früheren Fassung des § 4 musste die Firma der Gesellschaft dagegen entweder von dem Gegenstand des Unternehmens entlehnt sein oder die Namen der Gesellschafter oder den Namen wenigstens eines derselben mit einem das Vorhandenseins eines Gesellschaftsverhältnisses andeutenden Zusatz enthalten (§ 4 Abs. 1 Satz 1 a.F.); die Namen anderer Perso1 BGBl. I, 1474, 1479. 2 S. dazu die Begr. zum RegE, BT-Drucks. 13/8444, S. 36 ff., 74 f.; Ausschussbericht, BTDrucks. 13/10332 = ZIP 1998, 712; Referentenentwurf, ZIP 1996, 1401, 1445, 1485.

352

|

Emmerich

§4

Firma

nen als der Gesellschafter durften, vorbehaltlich des § 22 HGB, nicht in die Firma aufgenommen werden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 a.F.). § 4 Abs. 2 a.F. fügte noch hinzu, dass die Firma der Gesellschaft in allen Fällen die zusätzliche Bezeichnung „mit beschränkter Haftung“ enthalten musste. Eine in jeder Hinsicht mit dem früheren § 4 übereinstimmende Regelung findet sich noch heute für Österreich in den Abs. 1 und 2 des § 5 öGmbHG i.d.F. von 1993. Ergänzend zu § 4 gelten über § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB die firmenrechtlichen Vorschriften des HGB (§§ 17–37a). Durch die Handelsrechtsreform von 1998 haben sie noch an Bedeutung für die GmbH gewonnen, da sich jetzt auch bei dieser die Firmenbildung grundsätzlich nach § 18 HGB richtet1. Aus § 4 ergibt sich lediglich die zusätzliche Verpflichtung der Gesellschafter, in jedem Fall in die Firma einen strengen Rechtsformzusatz aufzunehmen. Wegen der Einzelheiten der Firmenbildung ist daher grundsätzlich auf die Erläuterungen zu § 18 HGB zu verweisen, während im vorliegenden Zusammenhang lediglich noch auf die Grundzüge der Firmenbildung und einige GmbH-rechtliche Besonderheiten einzugehen ist (unten Rdnr. 7 ff.).

2

Eine Übergangsregelung für so genannte Altfirmen, d.h. für vor dem 1. 7. 1998 ins Handelsregister eingetragene Firmen, fand sich in Art. 38 Abs. 1 EGHGB. Die Altfirmen durften danach bis zum 31. 3. 2003 weitergeführt werden, soweit sie nach dem bisherigen Recht zulässig waren. Spätestens zum 1. 4. 2003 waren sie dem neuen Recht anzupassen. Die praktische Bedeutung dieser Regelung für die GmbH war gering, da wohl ohne Ausnahme alle schon nach dem früheren engeren Recht zulässigen Firmen (erst recht) nach dem neuen großzügigeren Recht zulässig sind. Allenfalls für den Gesellschaftszusatz konnte in Einzelfällen die Übergangsregelung eine gewisse Bedeutung erlangen2.

3

Die mit § 4 n.F. bezweckte Liberalisierung des Firmenrechts hat für die GmbH vor allem zweierlei gebracht, einmal die generelle Zulassung von Phantasiefirmen neben den bisher schon zulässigen Personen- und Sachfirmen sowie zum anderen den Fortfall des früheren strengen Entlehnungsgebots bei der Wahl einer Sachfirma3. Soweit sich jedoch aus anderen Gesetzen wie insbesondere dem KWG (§§ 39, 40 und 41), der BRAO (§ 59k), der Patentanwaltsordnung (§ 52k), der WPO (§ 31) und dem Steuerberatergesetz (§ 53) strengere Anforderungen an die Firmenbildung ergeben, hat es dabei ohne Rücksicht auf die Änderung des § 4 auch für die GmbH sein Bewenden4. Diese Vorschriften haben nicht zuletzt den Zweck, den allgemeinen Rechtsverkehr gegen jede Irreführung wegen des zumal Banken und Rechtsanwälten entgegengebrachten Vertrauens zu schützen, so dass sie grundsätzlich streng auszulegen sind. Die österreichische Praxis sieht in ihnen aus demselben Grund Schutzgesetze, de-

3a

1 Ebenso zuletzt für die AG OLG Frankfurt, AG 2005, 403, 404. 2 S. Michalski, Rdnr. 4; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1076 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 13/8444, S. 37. 4 Begr. RegE, BT-Drucks. 13/8444, S. 37 (r.Sp.); Michalski, Rdnr. 70; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 53.

Emmerich

|

353

§4

Firma

ren schuldhafte Verletzung Ersatzansprüche getäuschter Anlagen nach sich ziehen kann1.

2. Name 4

Die Firma ist der Name der Gesellschaft, unter dem sie im Verkehr allein auftreten kann (vgl. §§ 4, 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. den §§ 6 Abs. 1 und 17 Abs. 1 HGB). Einen anderen Namen hat sie nicht2. Die Firma hat daher ebenso wie der bürgerliche Name bei natürlichen Personen die Aufgabe, die Gesellschaft im Rechtsverkehr zu individualisieren und dadurch von anderen zu unterscheiden. Diese zentrale Funktion der Firma wird jetzt von § 18 Abs. 1 HGB n.F. besonders betont, war aber im Kern schon immer anerkannt, so dass bereits nach früheren Recht jede Firma Unterscheidungskraft besitzen und aus aussprechbaren Wörtern bestehen musste3.

3. Unternehmensbezogene Geschäfte 5

Wird im Geschäftsverkehr eine Firma verwandt, so wird Vertragspartner grundsätzlich der Inhaber des mit der Firma bezeichneten Geschäfts (§ 17 HGB). Es spielt keine Rolle, ob der andere Teil den Inhaber kennt und ob er ihn sich richtig vorstellt sowie ob die Firma richtig oder falsch, erlaubt oder unzulässig verwandt wird. Immer wird Vertragspartner (nur) der wirkliche Geschäftsinhaber oder Unternehmensträger. Dies gilt auch für das Auftreten einer Person, z.B. eines Geschäftsführers, unter der Firma einer GmbH, so dass dann Vertragspartner ebenfalls die Gesellschaft wird, selbst wenn der andere Teil irrtümlich den Geschäftsführer für seinen Vertragspartner gehalten hat4. Unberührt bleibt jedoch § 164 Abs. 2 BGB, so dass die Anwendung der Regeln über unternehmensbezogene Geschäfte voraussetzt, dass die Unternehmensbezogenheit des Geschäftes überhaupt deutlich hervorgetreten ist; andernfalls tritt an die Stelle der Haftung der Gesellschaft die persönliche Haftung des jeweils für die Gesellschaft Handelnden5. Eine wieder andere Frage ist, ob der Geschäftsführer neben der Gesellschaft persönlich haften kann, etwa, wenn er die Firma unzulässigerweise ohne den zwingend vorgeschriebenen GmbH-Zusatz im Geschäftsverkehr verwendet (s. unten Rdnr. 53 ff.). 1 Grdlg. OGH SZ Bd. 68 II (1995) Nr. 242, S. 806, 822 ff. = RdW 1996, 310 „Sparkasse Bregenz Treuhand- und Immobilien GmbH“; OGH, EvBl. 1997 Nr. 162 = ÖJZ 1997, 789, 790 = GesRZ 1997, 252 = HS 28.082. 2 Grdlg. BayObLG v. 4. 4. 2001 – III ZBR 84/01, BayObLGZ 2001, 83, 84 = NJW 2001, 2337 = GmbHR 2001, 476 = NZG 2001, 608 „@“; KG v. 25. 5. 2000 – 1 W 247/99, NJWRR 2001, 173. 3 BGHZ 14, 155, 160 = NJW 1954, 1681; KG, JW 1930, 1742 f.; BayObLGZ 1967, 272, 274; P.-H. Müther, GmbHR 1998, 1058. 4 BGHZ 62, 216, 219 = NJW 1974, 1191; BGHZ 64, 11, 14 = NJW 1975, 1106; BGHZ 92, 259, 268 = NJW 1985, 136; BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764; NJW-RR 1995, 991; LM Nr. 13 zu § 4 GmbHG = NJW 1991, 2627; LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645; OLG Naumburg, GmbHR 1997, 445; OLG Brandenburg, NZM 1999, 1097, 1098 f. = NJW-RR 1999, 1606; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 27 (S. 10); Heymann/Emmerich, HGB, § 17 Rdnr. 13. 5 BGH, LM Nr. 24 zu § 151 BGB (Bl. 2 R) = NJW 2000, 2984 = WM 2000, 1113.

354

|

Emmerich

§4

Firma

4. Firmeneinheit Ebenso wie eine natürliche Person kann auch eine Gesellschaft immer nur einen Namen, d.h. eine einzige Firma haben (Grundatz der Firmeneinheit)1. Selbst wenn die Gesellschaft mehrere Unternehmen besitzt, darf sie daher für diese nicht verschiedene Firmen verwenden2. Will die Gesellschaft die Firma eines hinzuerworbenen Handelsgeschäfts neben ihrer Firma fortführen (§ 4 GmbHG i.V.m. § 22 HGB), so muss sie deshalb entweder das hinzuerworbene Geschäft als Zweigniederlassung unter besonderer Firma betreiben (s. §§ 13 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2, 30 Abs. 3, 50 Abs. 3 HGB; unten Rdnr. 59) oder das hinzuerworbene Geschäft in eine Tochtergesellschaft einbringen oder beide Firmen vereinen (unten Rdnr. 50a). In Österreich wird die Rechtslage überwiegend ebenso beurteilt3.

6

II. Grundsätze der Firmenbildung 1. Einleitung a) Die bei der Firmenbildung der GmbH zu beachtenden Grundsätze ergeben sich gem. § 13 Abs. 3 GmbHG und § 6 Abs. 1 HGB heute in erster Linie aus den §§ 18 und 30 HGB sowie aus einigen allgemeinen Grundsätzen, die mit der Namensfunktion der Firma zusammenhängen (§ 17 Abs. 1 HGB). Die Firma muss danach 1. zur Kennzeichnung der Gesellschaft geeignet sein und 2. Unterscheidungskraft besitzen (§ 18 Abs. 1 HGB; dazu unten Rdnr. 8 ff.). Sie darf außerdem 3. keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse irrezuführen, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind (so genanntes Täuschungs- oder Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB; dazu unten Rdnr. 23 ff.). Sie muss 4. einen eindeutigen Rechtsformzusatz enthalten (s. § 19 HGB; § 4 GmbHG und § 4 AktG und dazu unten Rdnr. 51 ff.). Nach § 30 Abs. 1 HGB muss sich eine neue Firma ferner 5. von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister oder in das Genossenschaftsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. Die Firma darf schließlich 6. nicht gegen gesetzliche Verbote, die öffentliche Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen (§§ 134 und 138 BGB) und muss 7. insgesamt Namensfunktion besitzen. Besonderheiten gelten 8. für fortgeführte oder abgeleitete Firmen auf Grund der §§ 21, 22 und 22 HGB i.V.m. §§ 4 und 13 Abs. 3 GmbHG (unten Rdnr. 46 ff.).

1 Ammon, DStR 1994, 325; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Bokelmann, Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, Rdnr. 391 ff. (S. 254 f.); Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 4 (S. 257); Heymann/Emmerich, HGB, § 17 Rdnr. 26; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; kritisch Wamser, Die Firmeneinheit, 1997. 2 BGHZ 64, 11, 17 = NJW 1975, 1106; BGHZ 67, 166 = NJW 1976, 2163; BayObLGZ 1970, 235, 237; BayObLGZ 1970, 243, 246; BayObLGZ 1992, 59 = AG 1992, 455 = NJW-RR 1992, 1052; OLG Hamm, OLGZ 1973, 406. 3 OGH, NZ 1965, 59; OLG Wien, NZ 1970, 68; 1972, 13; Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 4, 18; großzügiger Wünsch, öGmbHG, § 5 Anm. 28; Wünsch, JBl. 1963, 237; OGH SZ 47 (1974) Nr. 90, S. 394, 403 = JBl. 1975, 151; OLG Graz, NJW 1962, 208.

Emmerich

|

355

7

§4 7a

Firma

b) § 4 GmbHG sowie die §§ 18 ff. HGB regeln allein das so genannte formelle Firmenrecht, worunter man die Gesamtheit der Bestimmungen versteht, die bei der Firmenbildung zu beachten sind (oben Rdnr. 7). Den Gegensatz bildet das materielle Firmenrecht, das seine Regelung in erster Linie in den §§ 5 und 15 MarkenG sowie noch in § 12 BGB und § 5 UWG (= § 3 UWG a.F.) gefunden hat. Die Firma gehört danach zu den Unternehmenskennzeichen, die zusammen mit den Werktiteln die geschäftlichen Bezeichnungen bilden (§ 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) und an denen dem Inhaber ein ausschließliches Recht zusteht (§ 15 Abs. 1 MarkenG). Der Schutz dieses ausschließlichen Rechts gegen Dritte richtet sich heute vorrangig nach § 15 MarkenG sowie ergänzend nach den §§ 12, 823 Abs. 1, 1004 BGB und § 3 UWG. Eine allgemeine Schranke für die Zulässigkeit von Firmen ergibt sich außerdem aus dem Irreführungsverbot des § 5 UWG, das sich heute nicht mehr voll mit § 18 Abs. 2 HGB deckt, sondern in einzelnen Beziehungen darüber hinausgeht. Die Einzelheiten gehören in die Darstellung des Namens- und des Wettbewerbsrechts1. Insgesamt sollte aber nach Möglichkeit ein Gleichlauf von formellem und materiellem Zeichenrecht angestrebt werden.

2. Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft 8

Wichtigste Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Firma ist seit der Reform von 1998, dass die Firma zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet ist und Unterscheidungskraft besitzt (§ 18 Abs. 1 HGB. Das Gesetz bringt damit in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis (s. oben Rdnr. 4) zum Ausdruck, dass die Firma – als Name der Gesellschaft (§ 17 Abs. 1 HGB) – ihrer Art nach geeignet sein muss, die Gesellschaft zu individualisieren, d.h. mit den Mitteln der Sprache von anderen zu unterscheiden. Das gilt ohne Einschränkung auch für die GmbH (§ 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 und § 18 Abs. 1 HGB).

9

Aus der Namensfunktion der Firma war bisher schon allgemein gefolgert worden, dass jede Firma Kennzeichnungs- oder Unterscheidungskraft besitzen muss2. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die gewählte Bezeichnung etwas Besonderes oder Individuelles an sich haben muss, das sich bereits seiner Art nach dazu eignet, den Träger der Bezeichnung von anderen Personen zu unterscheiden3.

10

An diese Tradition (oben Rdnr. 9) knüpft § 18 Abs. 1 HGB an, indem er bestimmt, dass die Firma gleichzeitig zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen muss. Das Gesetz stellt mithin jetzt Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft als zwei selbständige Voraussetzungen für die Firmenbildung nebeneinander, während früher die Begriffe der Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft wohl meistens 1 S. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 7. Aufl. 2004, §§ 15, 18 (S. 299, 358 ff.). 2 S. Frhr. v. Gamm, WM 1985, 849, 853; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht, 1997, § 29 Rdnr. 36 (S. 609); Knaak, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland Bd. II, 1991, S. 971, 988. 3 S. BGH, LM Nr. 10 zu § 5 MarkenG = NJW-RR 1997, 1402 = GRUR 1997, 845 „ImmoData“; OGH, ÖBl. 1995, 126, 127; 1995, 219, 222; 1996, 143, 146 f.

356

|

Emmerich

§4

Firma

synonym verwandt wurden. Daraus hat sich die Frage ergeben, wie sich beide Begriffe fortan zueinander verhalten1. Einigkeit besteht lediglich darüber, dass sie eng verwandt sind, so dass die Grenze zwischen ihnen fließend ist und es sich wohl eher um eine unterschiedliche Akzentsetzung handelt2. Überwiegend wird die Abgrenzung heute derart vorgenommen, dass man bei der Kennzeichnungseignung die Namensfunktion der Firma in den Vordergrund rückt, bei der Unterscheidungskraft dagegen ihre Individualisierungsfunktion3. Gemeint ist damit Folgendes: Aus dem Erfordernis der Kennzeichnungseignung folgt, dass als Firma nur solche Zeichen geeignet sind, die im Verkehr überhaupt Namensfunktion besitzen, nicht dagegen sonstige Zeichen wie insbesondere bloße Bilder, unaussprechbare Kürzel, Computerzeichen und dergleichen mehr. Hinzu kommen muss dann nach § 18 Abs. 1 HGB noch, dass das fragliche Zeichen außerdem Unterscheidungskraft aufweist, d.h. seiner Art nach (generell) zur Individualisierung des Kaufmanns im Unterschied zu anderen Kaufleuten geeignet ist4. Zeichen ohne jede Individualisierungsfunktion scheiden m.a.W. als Firmen aus. Von dieser abstrakt verstandenen Unterscheidungskraft muss schließlich noch die konkrete Unterscheidungskraft im Sinne des § 30 Abs. 1 HGB unterschieden werden, nach dem die Zulässigkeit jeder Firma zusätzlich davon abhängt, dass sie sich von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister oder in das Genossenschaftsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheidet.

11

3. Einzelfragen a) Aus der Namensfunktion der Firma (§ 17 Abs. 1 HGB) und dem daraus abgeleiteten Erfordernis der Kennzeichnungseignung der gewählten Zeichen (§ 18 Abs. 1 HGB) folgt als erstes, dass die Firma allein aus den in Deutschland ausschließlich üblichen lateinischen Buchstaben bestehen darf5, verbunden lediglich mit den allgemein verständlichen, üblichen und aussprechbaren Satzzeichen6. Jede andere Schrift scheidet aus, weil sie in Deutschland nicht lesbar und aussprechbar ist. Chinesische oder japanische Schriftzeichen können daher in Deutschland nicht zur Bildung einer Firma verwandt werden. Dasselbe gilt für bloße Bilder und sonstige Zeichen, weil sie nicht – als Name – lesbar und 1 S. Michalski, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9 ff. 2 Baumbach/Hopt, HGB, § 18 Rdnr. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 10; anders noch 9. Aufl., Rdnr. 10. 3 S. Ammon, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, § 18 Rdnr. 10 ff.; Baumbach/Hopt, HGB, § 18 Rdnr. 4 ff.; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 8, 13 (S. 258 ff.); Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6, 13; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1074, 1077 ff.; Michalski, Rdnr. 9, 13; Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 18 Rdnr. 3 f.; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11, 20; Zimmer, in: Ebenroth/Boujong/ Joost, HGB, § 18 Rdnr. 3 ff. 4 BayObLG, GmbHR 2003, 1003, 1004 = NZG 2003, 1029 „Profi-Handwerker“; OLG Frankfurt, AG 2005, 403, 404 „Hessen-Nassauische Grundbesitz AG“. 5 Dazu gehört auch die sog. deutsche oder gotische Schrift, bei der es sich lediglich um eine Variante der lateinischen Schrift handelt (Bokelmann, Rdnr. 100 [S. 96]). 6 BayObLGZ 2001, 83, 84 = GmbHR 2001, 476 = NJW 2001, 2337, 2338 = NZG 2001, 608; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 9 (S. 258 f.); Michalski, Rdnr. 10.

Emmerich

|

357

12

§4

Firma

aussprechbar sind, so dass z.B. aus reinen Computerzeichen keine Firma gebildet werden kann1. Die Einzelheiten sind umstritten. Im Mittelpunkt des Interesses steht das bekannte @. Vielfach wird die Auffassung vertreten, wegen seiner Verbreitung und Üblichkeit sei dieses Zeichen (als „a“ oder „at“) verständlich und deshalb zur Firmenbildung geeignet2. Gerade die Mehrdeutigkeit des @-Zeichens spricht indessen gegen seine Eignung zur Firmenbildung; es ist weder verständlich noch aussprechbar noch hat es eine übliche Bedeutung, so dass es als Firmenbestandteil ungeeignet ist3. 13

b) Aus der Namensfunktion der Firma wurde früher überwiegend der (nach wie vor zutreffende) Schluss gezogen, dass eine Firma grundsätzlich nur aus als solchen aussprechbaren Buchstabenkombinationen bestehen dürfe, weil nicht aussprechbare Zeichenfolgen weder Kennzeichnungseignung noch Unterscheidungskraft besäßen. Eine Ausnahme war lediglich für Buchstabenfolgen anerkannt, die wie etwa die Zeichen „VW, BMW“ oder „BASF“ Verkehrsgeltung besaßen4. An diesen Grundsätzen wird bisher im materiellen Zeichenrecht, d.h. im Rahmen der §§ 5 und 15 MarkenG sowie des § 12 BGB bisher im Kern fest gehalten, wenn auch hier Lockerungstendenzen unübersehbar sind5. Im Rahmen des § 18 Abs. 1 HGB wächst dagegen die Tendenz, beliebigen Buchstabenkombinationen nicht grundsätzlich die Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft abzusprechen, so dass sie zur Firmenbildung verwandt werden dürfen, immer vorbehaltlich der Vereinbarkeit mit dem Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB. Gegen eine „ABC“-Firma bestehen danach heute im Grundsatz keine Bedenken mehr6. Eine Ausnahme gilt lediglich für eine sinnlose Aneinanderreihung von Buchstabenblöcken wie z.B. „AAAA ...“, womit allein der Zweck verfolgt wird, in Adressbüchern und Firmenverzeichnissen nach Möglichkeit die erste Position einzunehmen7. Für Ziffern wird im Schrifttum dieselbe großzügige Behandlung empfohlen, so dass selbst Firmen, 1 Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 11 (S. 259); Michalski, Rdnr. 11. 2 LG Berlin, GmbHR 2004, 428, 429 (m. zust. Komm. M. Thomas/D. Bergs) = NZG 2004, 532 = NJW-RR 2004, 835 = GRUR-RR 2004, 123; LG Cottbus, CR 2002, 135; Th. Beyerlein, WRP 2005, 582; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 9 (S. 259); Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Odersky, MittBayNot 2000, 533; Th. Wachter, Komm., GmbHR 2001, 477; Fr. Wagner, Anm., NZG 2001, 802. 3 Grdlg. BayObLGZ 2001, 83, 84 f. = NJW 2001, 2337, 2338 = GmbHG 2001, 476 = NZG 2001, 608; OLG Braunschweig, OLGR 2001, 31; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1077; Michalski, Rdnr. 10 (zweifelnd); D. Möller, DNotZ 2000, 830, 842; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. 4 S. 9. Aufl., Rdnr. 10 f.; BGHZ 14, 155, 160 = NJW 1954, 1681 „Farina“; KG, JW 1930, 1742; BayObLGZ 1967, 272, 274. 5 Grdlg. BGHZ 145, 279, 280 ff. = NJW 2001, 1868 „DB Immobilienfonds“; G. Plaß, WRP 2001, 661. 6 OLG Frankfurt, OLGR 1998, 381; Rpfl. 2002, 365 = GmbHR 2002, 647; OLG Köln, MMR 2000, 161; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15 ff.; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1077 f.; Michalski, Rdnr. 24–28; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 831; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13; V. Schulenburg, NZG 2000, 1156; enger wohl Bokelmann, Rdnr. 432c (S. 272). 7 OLG Celle, NJW-RR 1999, 543 = GmbHR 1999, 412 = BB 1999, 40 „AAA“; OLG Frankfurt, GmbHR 2002, 647 = Rpfl. 2002, 365 f. „A.A.A. ...“; wohl auch KG, NJW-RR 2001, 173.

358

|

Emmerich

§4

Firma

die aus einer bloßen Kombination von Buchstaben und Ziffern bestehen, keine Bedenken mehr begegnen1. Macht man damit ernst, so muss man sogar Firmen nach dem Muster „A + 1“ zulassen. Welchen Sinn das haben soll, bleibt freilich im Dunkeln. c) Ein weiteres, noch nicht endgültig geklärtes Problem stellt die Verwendung fremdsprachlicher Begriffe in der Bildung deutscher Firmen dar. Im Schrifttum finden sich in diesem Zusammenhang zahlreiche, nur schwer nachvollziehbare Differenzierungen2, während in der Rechtsprechung offenbar die Bereitschaft wächst, fremdsprachliche Bezeichnungen, soweit sie nur Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft besitzen, als Firmen einzutragen3. Dem ist zu folgen, soweit die fremdsprachliche Bezeichnung im deutschen Verkehr wie ein Phantasiewort wirkt. Soweit dagegen die fremdsprachlichen Begriffe wie z.B. „Software“ allgemein verständlich sind, sollten sie ebenso wie deutsche Begriffe behandelt werden, so dass z.B. fremdsprachliche Gattungsbezeichnungen ebenso wie deutsche von der Firmenbildung ausgeschlossen sind (unten Rdnr. 17, 19 f.).

14

III. Sachfirma Schrifttum: Ammon, DStR 1994, 325; Bokelmann, Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, Rdnr. 483 ff. (S. 294 ff.); Bullinger, GmbHR 1979, 178; Ehrenberg/Feine, Hdb., S. 83 ff.; Gleiß/Blumers, BB 1970, 905; Grobe, NJW 1967, 1948; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 19–27 (S. 263 ff.); H. J. Kind, MittRheinNotarkammer 1980, 33 = (auszugsweise) BB 1980, 1558; St. Kögel, BB 1998, 1645; Kühn, GmbHR 1967, 49, 95; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36 f.; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073; Mayr, NZ 1976, 57; Michalski, Rdnr. 17; D. Möller, DNotZ 2000, 830; P.-H. Müther, GmbHR 1998, 1058; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14–21; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27 f.; R. Schmitt, WiB 1997, 1113; Schulte/Warnke, GmbHR 2002, 626; Veisman, DB 1966, 99; Veisman, GmbHR 1967, 95; Vollmer, JA 1984, 333; Wagner, NZ 1976, 28; Wellmann, BB 1961, 1102; 1970, 153; Wessel, NJW 1968, 733.

Ebenso wie früher kommen heute neben Personen- und Phantasiefirmen wohl in erster Linie Sachfirmen für eine GmbH in Betracht (§ 4 und § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. den §§ 6 Abs. 1 und 18 Abs. 1 HGB). Jedoch sind seit 1998 die strengen Anforderungen an die Bildung derartiger Firmen entfallen, die früher überwiegend aus dem Entlehnungsgebot des § 4 Abs. 1 Satz 1 GmbHG a.F. hergeleitet wurden (unten Rdnr. 16 ff.). Schranken für die Bildung von Sachfirmen ergeben sich jetzt nur noch aus § 18 Abs. 1 und 2 HGB (s. oben Rdnr. 10, unten Rdnr. 23 ff.). Welche Folgerungen daraus für die Zulässigkeit von Sachfirmen zu ziehen sind, ist noch nicht endgültig geklärt, da die Gerichte bisher nur selten Gelegenheit hatten, zu der Zulässigkeit von Sachfirmen unter dem neuen Recht Stellung zu nehmen. Deshalb empfiehlt sich hier zunächst ein kurzer

1 So Michalski, Rdnr. 29; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1078; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15, 18. 2 S. im Einzelnen Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1075; Michalski, Rdnr. 20–22. 3 LG Darmstadt, GmbHR 1999, 482, 483 „Printware supplies“.

Emmerich

|

359

15

§4

Firma

Rückblick auf den früheren Rechtszustand (unter § 4 Abs. 1 Satz 1 a.F.), weil Übereinstimmung besteht, dass sämtliche bereits nach dem früheren strengeren Recht zulässigen Sachfirmen heute (erst recht) nach dem neuen großzügigeren Firmenrecht erlaubt sind (unten Rdnr. 16 ff.).

1. Rechtszustand vor dem Handelsrechtsreformgesetz 16

Nach früherem Recht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 GmbHG a.F.) musste die Sachfirma „von dem Gegenstand des Unternehmens entlehnt sein“. Gemeint war damit der satzungsmäßige Gegenstand der Gesellschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 21. Diesem Gegenstand war die Firma (nur) „entlehnt“, wenn sie den Gegenstand „im Wesentlichen“ für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar machte2. Der Gegenstand der Gesellschaft musste folglich in der Firma zwar nicht genau, vollständig und umfassend wieder gegeben, aber doch im Kern zutreffend charakterisiert werden, wozu bei einem Unternehmen mit breitem Tätigkeitsbereich auch eine zusammenfassende, schlagwortartige Bezeichnung genügen konnte3.

17

Bei der Frage ob die Firma den Unternehmensgegenstand im Wesentlichen erkennbar machte, war von den Verständnismöglichkeiten der angesprochenen Verkehrskreise auszugehen. Wandte sich die Firma in erster Linie an Fachleute, so genügte es, wenn sie für diese, nicht aber möglicherweise für die Allgemeinheit den Gegenstand der Gesellschaft erkennen ließ4. Außerdem waren etwaige Verkehrssitten zu berücksichtigen, die für den Verkehr den Sinngehalt von Begriffen prägen. Fremdsprachliche Bezeichnungen konnten ebenfalls verwandt werden, sofern sie nur für die angesprochenen Verkehrskreise verständlich sind5.

2. Neuer Rechtszustand 18

a) Soweit eine Sachfirma nach dem Gesagten (oben Rdnr. 16 f.) bereits nach früherem Recht zulässig war, ist sie dies (erst recht) auch heute, da durch das 1 BayObLGZ 1989, 44 = GmbHR 1989, 291 „Treuhand“; BayObLGZ 1997, 187, 189 = NJW-RR 1998, 40 = GmbHR 1997, 1063 „Das Bad“; Bokelmann, Rdnr. 483 ff. (S. 294 ff.). 2 Ammon, DStR 1994, 325, 326; Bokelmann, Rdnr. 483 ff. (S. 294 ff.); Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 6. 3 BayObLGZ 1988, 194 = NJW 1988, 2480 = AG 1989, 98; BayObLGZ 1989, 44 = GmbHR 1989, 291 = NJW-RR 1989, 867 „Treuhand“; zusammenfassend BayObLGZ 1997, 187, 189 = GmbHR 1997, 1063 = NJW-RR 1998, 40 „Das Bad“; sehr großzügig BGH, LM Nr. 10 zu § 4 GmbHG = NJW 1982, 2446 „Schwarzwälder Bauernspezialitäten“. 4 S. oben Rdnr. 14; OLG Stuttgart, OLGZ 1974, 337, 338 für die Firma „Concordia Fluidtechnik“. 5 S. oben Rdnr. 14; BayObLGZ 1977, 112, 116 „Telepromotion“; OLG Frankfurt, OLGZ 1979, 392, 393 „Food und Nonfood“; OLG Zweibrücken, OLGZ 1981, 394, 396 „Tabak Crew“; OLG Stuttgart, OLGZ 1974, 337, 338 „Fluidtechnik“; OLG Karlsruhe, OLGE 43, 324 „Frumentum“; OGH, ÖBl. 1984, 158 = HS 14.266 „Consulting Engineer“; OGH, ÖBl. 1986, 69 = HS 16.222 „H. analytical“; NZ 1987, 185 = HS 16.223 „Combustion Engineering“.

360

|

Emmerich

§4

Firma

Handelsrechtsreformgesetz von 1998 die Anforderungen an die Zulässigkeit von Firmen herabgesetzt und nicht etwa verschärft werden sollten (oben Rdnr. 15). Daraus folgt z.B., dass es auf jeden Fall genügt, wenn eine Sachfirma den Geschäftszweig der Gesellschaft zutreffend erkennen lässt, während nicht erforderlich ist, dass aus der Firma außerdem die Betriebsart oder Betriebstätigkeit erkennbar wird. Die Firma muss insbesondere keine Aussage darüber enthalten, ob sich das betreffende Unternehmen in der Herstellung oder im Handel mit den Produkten betätigt. Das wurde schon unter dem früheren Rechtszustand zuletzt überwiegend angenommen (sofern nicht im Einzelfall die Gefahr einer Irreführung bestand, § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB)1, und kann daher nach dem neuen Recht um so weniger zweifelhaft sein (s. aber auch unten Rdnr. 25). b) Streitig geworden ist unter dem neuen Recht vor allem die Zulässigkeit reiner Branchen- oder Gattungsbezeichnungen als Firma. Unter dem früheren Recht wurde ihre Zulässigkeit überwiegend verneint, weil derartige Firmen keine Unterscheidungskraft aufweisen2. Beispiele waren Firmen wie „Handelsgesellschaft mbH“3, „Kaufhof GmbH“ für ein Schuhwarengeschäft4, „Transportbeton GmbH“5, „Staplervermietungs GmbH“6, „Mineralölvertrieb GmbH“7 oder „Gebäudereinigungs GmbH“8. Eine andere Beurteilung war nur möglich, wenn der Branchen- oder Gattungsbezeichnung individualisierende Zusätze hinzugefügt wurden, wofür in erster Linie Buchstabenkombinationen, Phantasiebezeichnungen oder gelegentlich auch Ortsnamen in Betracht kamen. Als zulässig wurden hiernach z.B. angesehen die Firmen „inter-handel-GmbH“9 und „das Bad ... alles aus einer Hand GmbH“10.

19

Ob an diesen Grundsätzen heute noch in jeder Hinsicht festzuhalten ist, ist offen. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, nach neuem Firmenrecht müssten auch Gattungsbezeichnungen als Firmen zugelassen werden, weil dadurch andere Unternehmen nicht daran gehindert würden, ihrerseits dieselben Gattungsbegriffe, wenn auch in Verbindung mit einem unterscheidungskräftigen Zusatz, als Firmen zu verwenden11. Nach überwiegender Meinung dürfen dagegen reine Gattungs- und Branchenbezeichnungen auch weiterhin nicht als Sachfirmen ins Handelsregister eingetragen werden, einmal mangels Unterscheidungskraft, zum andern mit Rücksicht auf das nötige Freihaltebedürfnis des Verkehrs, da solche Begriffe, auf die der Verkehr angewiesen ist, nicht für ein-

20

1 BGH, LM Nr. 10 zu § 4 GmbHG = NJW 1982, 2464; BayObLGZ 1988, 194 = AG 1989, 98 = NJW 1988, 2480; BayObLGZ 1997, 187, 190 = GmbHR 1997, 1063; OLG Zweibrücken, OLGZ 1981, 394, 395; Ammon, DStR 1994, 325, 327; anders Bokelmann, Rdnr. 504 ff. (S. 302 ff.). 2 S. 9. Aufl., Rdnr. 20. 3 KG, OLGE 43, 278 f. 4 KG, GmbH Rspr. IV, § 3 R. 23. 5 OLG Hamm, GmbHR 1961, 163. 6 OLG Düsseldorf, BB 1971 Beil. Nr. 9, S. 15. 7 LG Hannover, BB 1969, Beil. 10, S. 14. 8 LG Aachen, BB 1971, Beil. 9, S. 15. 9 BayObLGZ 1972, 388. 10 BayObLGZ 1997, 187 = GmbHR 1997, 1063 = NJW-RR 1998, 40. 11 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15.

Emmerich

|

361

§4

Firma

zelne Unternehmen auf dem Weg über ihre Eintragung ins Handelsregister monopolisiert werden dürfen (s. § 15 Abs. 1 MarkenG)1. Davon geht auch die Rechtsprechung aus2. Unzulässig sind daher z.B. Firmen wie „Profi-Handwerker GmbH“3 oder „Hessen-Nasauische Grundbesitz AG“4. Eine andere Beurteilung kommt ebenso wie früher nur in Betracht, wenn der Firma unterscheidungskräftige Zusätze hinzugefügt werden, ferner, wenn die Firma Verkehrsgeltung besitzt, d.h. auch als bloße Branchenbezeichnung in dem betroffenen Wirtschaftsraum als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen verstanden wird5 sowie dann, wenn die gewählte Bezeichnung, obwohl dem Gegenstand des Unternehmens entlehnt, letztlich als (zulässige) Phantasiebezeichnung erscheint6 oder ausnahmsweise wegen ihres speziellen Zuschnitts zur Individualisierung geeignet ist. 21

c) Hält man an der Unzulässigkeit bloßer Gattungs- oder Branchenbezeichnungen als Sachfirmen fest (oben Rdnr. 19 f.) und fordert statt dessen individualisierende Angaben über den Gegenstand des betreffenden Unternehmens in der Firma, so ist damit zugleich gesagt, dass die Sachfirma den Kern des Unternehmensgegenstandes im Wesentlichen zutreffend wiedergeben muss. Das folgt unmittelbar aus dem Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB (§ 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB)7. Zu beachten bleibt freilich die grundsätzliche Zulässigkeit von Phantasiefirmen. Nichts sagende Wortschöpfungen sind daher wohl unbedenklich, selbst wenn sie in einem entfernten Zusammenhang mit dem Unternehmensgegenstand stehen8. Zweifelhaft ist die Rechtslage dagegen, wenn die aus dem Unternehmensgegenstand abgeleitete Firma mehrdeutig ist, d.h. auf verschiedene Unternehmensgegenstände hindeuten kann. Die Auffassung des BayObLG, auch dann beständen keine Bedenken gegen die Firmenbildung, weil mehrdeutige Bezeichnungen Phantasiebezeichnungen gleichständen9, 1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Bokelmann, Rdnr. 506 ff. (S. 305 ff.); Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 13 (S. 260); St. Kögel, BB 1998, 1645; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1074 f.; Michalski, Rdnr. 18; Müther, GmbHR 1998, 1058, 1059; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27 f. 2 Grdlg. BayObLGZ 1999, 114, 117 = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761 „Meditec“; BayObLG, GmbHR 2003, 1003, 1004 = NZG 2003, 1029 „Profi-Handwerker“; OLG Frankfurt, AG 2005, 403 „Hessen-Nassauische Grundbesitz AG“. 3 BayObLGZ 1999, 114, 117 = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761 „Meditec“; BayObLG, GmbHR 2003, 1003, 1004 = NZG 2003, 1029 „Profi-Handwerker“. 4 OLG Frankfurt, AG 2005, 403 f. 5 BayObLG, GmbHR 2003, 1003, 1004 = NZG 2003, 1029. 6 BayObLGZ 1999, 114, 116 f. = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761 „Meditec“; OLG Saarbrücken, NJWE-WettbR 1998, 258 f. „Floratec“; s. aber unten Rdnr. 21. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Bokelmann, Rdnr. 432d, 518a ff. (S. 272, 311 ff.); Bokelmann, GmbHR 1998, 57, 62; St. Kögel, BB 1998, 1645, 1646; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1081 f.; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 19 (S. 263); D. Möller, DNotZ 2000, 830, 836 f.; Schulte/Warnke, GmbHR 2002, 626, 630; auch hier anders Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 16. 8 So OLG Saarbrücken, NJWE-WettbR 1999, 258 f. für die Firma „Floratec“. 9 BayObLGZ 1999, 114, 116 f. = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761 für den Firmenbestandteil „Meditec“; s. oben Rdnr. 20 a.E.

362

|

Emmerich

§4

Firma

ist schwerlich mit dem Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB vereinbar1. d) Besonderheiten gelten bei einer nachträglichen Änderung des Unternehmensgegenstandes. Ist die Folge, dass die dem alten Gegenstand der Gesellschaft entlehnte Sachfirma fortan nicht mehr zutrifft, so ist früher vielfach angenommen worden, die Sachfirma werde nachträglich unzulässig. Dabei war jedoch übersehen worden, dass es für die Anwendung des § 144a Abs. 4 FGG allein auf die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages wegen eines etwaigen Verstoßes gegen den § 4 ankommt, an der es hier fehlte, weil sich die Nichtigkeit eines Vertrages nur nach den Verhältnissen bei seinem Abschluss beurteilt2. Unabhängig davon ist jedoch die registerrechtliche Beurteilung der jetzt täuschenden Firma (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB)3. Die Folge ist, dass das Registergericht gegen nachträglich täuschend gewordene Sachfirmen immer noch nach § 37 HGB (i.V.m. § 140 FGG) oder nach § 142 FGG einschreiten kann4.

22

3. Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 HGB) Schrifttum: Ammon, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, § 18 Rdnr. 26–89; Bokelmann, Firmen und Geschäftsbezeichnungen, Rdnr. 89 ff. (S. 87 ff.); Bokelmann, in: MünchKomm. HGB, § 18 Rdnr. 49–135; Baumbach/Hopt, HGB, § 18 Rdnr. 9–35; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 17 (S. 262); Heymann/Emmerich, § 18 Rdnr. 18–60; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28 f.; Lutter/ Welp, ZIP 1999, 1073; Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, § 18 Rdnr. 5–15; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 32–43; Zimmer, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 18 Rdnr. 35–72.

Das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB gilt auch für die Firma der GmbH (§ 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB). Die wie immer gebildete Firma der Gesellschaft darf folglich keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen (vgl. § 5 UWG). Sach-, Personen- und Phantasiefirmen machen insoweit keinen Unterschied. Naturgemäß hat aber das Irreführungsverbot bei Sachfirmen die größte Bedeutung. Deshalb mag der Fragenkreis schwerpunktmäßig im vorliegenden Zusammenhang behandelt werden.

23

a) Die Eignung einer Firma zur Irreführung wird im Verfahren vor dem Registergericht nur berücksichtigt, wenn sie „ersichtlich“ ist (so § 18 Abs. 2 Satz 2 HGB im Anschluss an § 37 Abs. 3 MarkenG). Durch diese Vorschrift soll die Ermittlungspflicht des Registergerichts gegenüber § 12 FGG eingeschränkt werden, um die Registergerichte zu entlasten. Im Eintragungsverfahren wird seitdem ein möglicher Verstoß der angemeldeten Firma gegen das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB nur noch berücksichtigt, wenn er ohne weiteres

23a

1 Zutreffend D. Möller, DNotZ 2000, 830, 836 f. 2 Grdlg. BayObLGZ 1979, 207, 208 = GmbHR 1980, 11; BayObLGZ 1983, 310, 311; BayObLGZ 1984, 129, 131; BayObLGZ 1988, 194 = NJW 1988, 2480 = AG 1989, 98; str. 3 Vgl. BGHZ 10, 196, 201 = NJW 1953, 1348 „Dun-Europa“; BayObLGZ 1975, 332, 335; OLG Hamm, OLGZ 1979, 1, 3; Heymann/Emmerich, § 18 Rdnr. 18, § 37 Rdnr. 10. 4 S. unten Rdnr. 64 ff.; BayObLGZ 1979, 207, 210 = GmbHR 1980, 11; BayObLGZ 1988, 194 = NJW 1988, 2480 = AG 1989, 98; OLG Frankfurt, OLGZ 1979, 318, 321.

Emmerich

|

363

§4

Firma

aus den Akten und den sonstigen Umständen ersichtlich, d.h. erkennbar ist. Sobald aber der Verdacht eines Verstoßes gegen das Irreführungsverbot besteht, bleibt es bei der umfassenden Prüfungspflicht des Registergerichts im Rahmen des § 12 FGG1. 23b

b) Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Der Begriff der geschäftlichen Verhältnisse ist hier ebensoweit wie in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UWG zu verstehen. Gemeint sind damit folglich im Grunde sämtliche Umstände, die irgendwie eine gewerbliche Tätigkeit im Wettbewerb zu fördern vermögen2, wobei im vorliegenden Zusammenhang insbesondere an die Größe, den Sitz und den Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft zu denken ist3.

23c

Das Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB) greift ein, wenn die fraglichen Angaben über geschäftliche Verhältnisse (oben Rdnr. 23b) in der Firma für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich und zu ihrer Irreführung geeignet sind. Mit den angesprochenen Verkehrskreisen meint das Gesetz die Adressaten der Firma, entweder das allgemeine Publikum oder engere Verkehrskreise wie z.B. Fachleute. Werden wie in der Mehrzahl der Fälle allgemein die Verbraucher angesprochen, so ist heute bei der Prüfung der Irreführungsgefahr im Rahmen des § 18 Abs. 2 HGB nicht mehr wie früher auf ein mögliches Missverständnis durch einen nicht völlig unerheblichen Teil der Verbraucher abzustellen4, sondern auf das Verständnis eines durchschnittlich verständigen und informierten Verbrauchers5 – entsprechend dem neuen Verbraucherleitbild, das sich im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH auch bei § 5 UWG durchgesetzt hat (Stichwort: „situationsadäquate Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers“)6. Hinzu kommen muss noch, dass die fraglichen, grundsätzlich zur Irreführung geeigneten Angaben für die angesprochenen Verkehrskreise auch wesentlich, d.h. relevant und nicht nur nebensächlich sind7. Soweit § 5 UWG demgegenüber strengere Anforderungen an eine Firma stellen sollte, bleibt es den Konkurrenten überlassen, gegen die Firma vorzugehen (§§ 5, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG).

24

c) Nach früherem Recht waren Zusätze in der Firma, die auf den Namen einer Person hindeuteten, nur zulässig, wenn damit tatsächlich ein Name bezeichnet werden sollte, wenn die so bezeichnete Person existierte und sie obendrein der 1 BayObLGZ 1999, 114, 116 = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761 „Medictec“; OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 755, 756: „Grobraster“. 2 S. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb. 3 Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 17 (S. 262); Michalski, Rdnr. 47. 4 S. zum früheren Recht Heymann/Emmerich, HGB, § 18 Rdnr. 23; OLG Naumburg, GmbHR 1998, 236, 238; OGH, EvBl. 2000 Nr. 151 = ÖJZ 2000, 644 = NZG 2000, 781, 782: ebenso wie bei § 2 öUWG (= § 5 UWG). 5 OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 755, 756; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 472; LG Passau, Rpfl. 2000, 397; MittBayNot 2002, 397; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 17 (S. 262); Michalski, Rdnr. 49 f.; Baumbach/Hopt, HGB, § 18 Rdnr. 13. 6 Grdlg. BGH, LM Nr. 429 zu § 3 UWG (Bl. 3 R f.) = NJW-RR 2000, 1490 „Orientteppichmuster“; s. im Einzelnen Emmerich, Unlauterer Wettbewerb. 7 BayObLGZ 1999, 114, 116 = NJW-RR 2000, 111 = NZG 1999, 761.

364

|

Emmerich

§4

Firma

Gesellschaft angehörte1. Anders wurde nur entschieden, wenn der Verkehr die ursprüngliche Namensangabe in der Firma nicht mehr als solche erkannte, sondern z.B. als Angabe der Branche verstand, in der sich die Gesellschaft betätigt2. Wie diese Fälle heute zu beurteilen sind, ist noch nicht geklärt3. Zum Teil wird angenommen, solche Zusätze seien jetzt ohne Rücksicht auf die Existenz und die Gesellschaftereigenschaft einer damit bezeichneten Person als Phantasiebezeichnungen zulässig4. Dagegen bestehen jedoch dieselben Bedenken wie gegen die Aufnahme der Namen von Personen in die Firma, die gar nicht Gesellschafter sind5. d) Aus einer Sachfirma braucht sich heute nicht mehr zu ergeben, ob sich das Unternehmen in der betreffenden Branche auf der Stufe der Herstellung oder des Handels betätigt (oben Rdnr. 18). Jedoch greift nach wie vor § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB ein, wenn die Sachfirma z.B. den irrtümlichen Eindruck erweckt, die Gesellschaft stelle die fraglichen Produkte selbst her, während sie sich tatsächlich auf den Handel damit beschränkt. Ebenso wenig darf z.B. ein Finanzvermittler durch entsprechende Firmenbildung den Eindruck erwecken, er gewähre selbst Kredite und betätige sich damit ebenso wie ein Kreditinstitut6.

25

e) Die Firma darf keinen falschen Eindruck über die Größe des Unternehmens der Gesellschaft hervorrufen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB). In der früheren Praxis wurden daraus verhältnismäßig enge Grenzen für die Zulässigkeit von Firmenzusätzen wie „Zentrale, Fabrik, Werk und Industrie“ hergeleitet7. Auch hier setzt sich jedoch fortschreitend eine großzügigere Beurteilung als früher durch, nicht zuletzt wegen der Inflationierung solcher Zusätze8.

25a

f) Das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB gilt für die gesamte Firma einschließlich des Rechtsformzusatzes (§ 4 GmbHG; § 19 HGB). In die Firma der Gesellschaft dürfen deshalb keine Angaben aufgenommen werden, die zur Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über die Rechtsform der Gesellschaft geeignet sind9. Daraus folgt vor allem das Verbot von Bezeichnungen, die auf die Buchstaben „ag“ oder „AG“ enden, weil dadurch der Anschein einer Aktiengesellschaft begründet werden kann10. Außerdem ist § 11 Abs. 1 Satz 1

25b

1 OLG Frankfurt, OLGZ 1982, 144 „Darius“; KG, OLGZ 1991, 278 = NJW-RR 1991, 859 = GmbHR 1991, 318 „Adlon“. 2 So OLG Hamm, NJW-RR 1996, 1184 = GmbHR 1996, 360 für die Firma „Nagel Baupart GmbH“. 3 S. D. Möller, DNotZ 2000, 830, 835 f. 4 LG Landshut, MittBayNot 2000, 333 „Frischhut Immobilien GmbH“. 5 S. unten Rdnr. 31 f.; ebenso D. Möller, DNotZ 2000, 830, 836. 6 Bokelmann, GmbHR 1998, 57, 62. 7 S. im Einzelnen Heymann/Emmerich, HGB, § 18 Rdnr. 40 f. 8 S. Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 21, 23 (S. 263 f.); Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 29; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1079 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17; anders weiterhin Schulte/Warnke, GmbHR 2002, 626, 630. 9 Heymann/Emmerich, HGB, § 18 Rdnr. 26 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Michalski, Rdnr. 47; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 47, 49, 51. 10 BGHZ 22, 88, 90 = NJW 1956, 1873 „Indrohag“; BayObLG, BB 1979, 1465 „Trebag“; BayObLG, MDR 1982, 940 „BAG“.

Emmerich

|

365

§4

Firma

PartGG zu beachten, nach dem die Zusätze „Partnerschaft“ oder „und Partner“ nur von Partnerschaften im Sinne des genannten Gesetzes geführt werden dürfen, nicht von anderen Gesellschaften und daher auch nicht von einer GmbH1. Außerdem darf eine etwaige Kombination von Rechtsformzusätzen nicht täuschend wirken; diese Gefahr droht vor allem bei der Verbindung des GmbHZusatzes mit dem Zusatz „& Co.“, freilich nur, wenn nach dem Gesamtbild der Firma infolgedessen bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck entstehen kann, es handele sich um eine KG2. Jenseits dieser fortgeltenden Regeln sind jedoch auch hier Auflockerungstendenzen unübersehbar3. So gilt z.B. neuerdings der Zusatz „genossenschaftlich“ unter bestimmten Voraussetzungen bei einer GmbH als unbedenklich4, während der Zusatz „Institut“ ohne Zusatz nach wie vor auf eine öffentliche oder unter öffentlicher Aufsicht stehende, der Allgemeinheit und der Wissenschaft dienende Einrichtung mit wissenschaftlich geschultem Personal hinweisen soll5. 25c

g) Ein besonderes Problem stellt die Zulässigkeit geographischer Zusätze in der Firma dar6. Der Grund liegt einmal in dem ständigen Bedeutungswandel, dem derartige Zusätze unterworfen sind, zum anderen in der mit der Handelsrechtsreform von 1998 angestrebten Liberalisierung des Firmenrechts, deren Auswirkungen auf die Zulässigkeit geographischer Zusätze noch nicht geklärt ist. Unter dem früheren Rechtszustand ging man zuletzt überwiegend davon aus, dass derartige Zusätze in erster Linie auf den Sitz und den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft hinweisen, häufig aber auch eine weiter gehende Bedeutung haben, indem sie für das fragliche Unternehmen eine herausragende oder doch zumindest führende Stellung in dem fraglichen Gebiet in Anspruch nehmen. Für Zusätze wie „deutsch“ oder „österreichisch“ herrschte dementsprechend zuletzt die Auffassung vor, das betreffende Unternehmen müsse nach Ausstattung und Umsatz auf den deutschen oder österreichischen Markt zugeschnitten sein7. Ähnlich wurden meistens Zusätze wie „Europa“, „Euro“ oder „interna1 Grdlg. BGH, LM Nr. 1 zu § 2 PartGG = NJW 1997, 1854 = WM 1997, 1101; OLG Karlsruhe, NJW 1998, 1160; OLG Stuttgart, ZIP 2000, 1108 = Rpfl. 2000, 336 = GmbHR 2000, 875 (nur LS); D. Möller, DNotZ 2000, 830, 837 f.; zum Übergangsrecht (§ 11 Abs. 1 Satz 2, 3 PartGG) s. BayObLG, GmbHR 2003, 475. 2 S. LG Bremen, GmbHR 2004, 186: zulässig danach die Firmierung „X & Co.GmbH“; zum Rechtsformzusatz s. im Übrigen unten Rdnr. 51–52a. 3 S. Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 26 (S. 265); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21. 4 OLG Frankfurt, BB 1992, 2541 gegen KG, OLGE 40, 93. 5 OLG Frankfurt, NJW-RR 2002, 459; s. Heymann/Emmerich, HGB, § 18 Rdnr. 34; Bokelmann, Rdnr. 259 ff. (S. 189 ff.); wesentlich großzügiger für „Bürgerzentrum“ jedoch OLG Naumburg, GmbHR 1998, 236, 238. 6 S. im Einzelnen Ammon, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, § 18 Rdnr. 65–73; Baumbach/Hopt, HGB, § 18 Rdnr. 23–26; Bokelmann, Rdnr. 124 ff. (S. 109 ff.); Bokelmann, in: MünchKomm. HGB, § 18 Rdnr. 103–120; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 10; Heymann/Emmerich, HGB, § 18 Rdnr. 44–48; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 22 (263 f.); St. Kögel, GmbHR 2002, 642; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 29; Michalski, Rdnr. 60; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 834 f.; Zimmer, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 18 Rdnr. 53–60. 7 Zuletzt grdlg. OGH SZ Bd. 73 (2000) Nr. 12, S. 61, 62 = JBl. 2000, 384 = AG 2000, 154 „Energie AG Oberösterreich“.

366

|

Emmerich

§4

Firma

tional“ behandelt1. Maßgebend waren jedoch letztlich die Umstände des Einzelfalls. In der jüngeren Praxis sind auch insoweit Auflockerungstendenzen festzustellen2. Ein Ortszusatz soll z.B. bereits zulässig sein, sofern nur die Gesellschaft überhaupt ihren Sitz in der fraglichen Region hat, während es auf den Sitz in der betreffenden Gemeinde oder in einer Nachbargemeinde nicht ankommt3. Eine Frage des Einzelfalles soll es jetzt ferner sein, ob mit dem geographischen Zusatz zugleich eine besondere Größe oder Bedeutung des Unternehmens in Anspruch genommen wird4. Erforderlich ist aber auf jeden Fall, dass die Tätigkeit des betreffenden Unternehmens einen realen Bezug zu dem in der Firma angegebenen Gebiet aufweist5. Für Zusätze wie „Europa“, „Europäisch“ oder sogar „European“ wird neuerdings sogar überwiegend die Notwendigkeit einer besonderen Größe oder Bedeutung des Unternehmens verneint6, während für den Zusatz „deutsch“ nach wie vor ein auf den deutschen Bereich als ganzes zugeschnittenes Unternehmen mit entsprechender Größe und Aufgabenstellung gefordert wird7. Für den Zusatz „International“ wird es schließlich heute wegen der Inflationierung derartiger Zusätze als ausreichend angesehen, wenn sich das Unternehmen überhaupt „international“, d.h. grenzüberschreitend betätigt8. Überzeugend sind alle diese „Lockerungsbemühungen“ keineswegs9.

25d

4. Änderung Die Änderung der Sachfirma mit Rücksicht auf eine Veränderung des Gegenstandes der Gesellschaft beurteilt sich allein nach § 53. Rechtlich gesehen, handelt es sich dabei um eine Neubildung der Firma nach § 4 GmbHG und § 18 HGB, so dass es auf die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der alten Firma fortan nicht mehr ankommt; maßgeblich ist vielmehr allein, ob die neue Firma den Anforderungen des § 18 HGB und des § 4 GmbHG entspricht10.

1 S. im Einzelnen Heymann/Emmerich, HGB, § 18 Rdnr. 44–48; St. Kögel, GmbHR 2002, 642. 2 OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 755, 756 f. = DB 2001, 697 = Rpfl. 2001, 186; LG Heilbronn, Rpfl. 2002, 158; kritisch dazu St. Kögel, GmbHR 2002, 642; offen gelassen aber in OLG Frankfurt, AG 2005, 403, 404 „Hessen-Nassauische Grundbesitz AG“. 3 OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 755, 756 f. = DB 2001, 697 = Rpfl. 2001, 186. 4 OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 755, 757 = DB 2001, 697 = Rpfl. 2001, 186; OLG Hamm, OLGR 1999, 343 = NZG 1999, 994 = DB 1999, 2002 = DNotZ 1999, 482 = NJW-RR 1999, 1710 = GmbHR 1999, 1254 (nur LS); verneint für „Bietigheimer M. GmbH“ von LG Heilbronn, Rechtspfleger 2002, 158; offen gelassen in OLG Frankfurt, AG 2005, 403, 404. 5 Verneint für „Hessen-Nassauische Grundbesitz AG“ in OLG Frankfurt, AG 2005, 403, 404. 6 OLG Hamm, OLGR 1999, 343 = NZG 1999, 994 = DB 1999, 2002 = DNotZ 1999, 482 = NJW-RR 1999, 1710 = GmbHR 1999, 1254 (nur LS). 7 KG, NJWE-WettbR 2000, 33, 34 = GRUR 1999, 1039. 8 LG Darmstadt, GmbHR 1999, 482, 483; LG Stuttgart, BB 2000, 1213. 9 Zutreffend St. Kögel, GmbHR 2002, 642. 10 BayObLGZ 1983, 310, 311; 1984, 129, 131; KG, GmbHR 1991, 318 = NJW-RR 1991, 859.

Emmerich

|

367

26

§4

Firma

IV. Personenfirma Schrifttum: Barfuß, BB 1975, 67; Beitzen, DB 1972, 2051; Bokelmann, Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, Rdnr. 436, 482a (S. 274, 293 f.); Bokelmann, GmbHR 1998, 57; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 28 f. (S. 265 f.); Heinrich, in: Ulmer, Rdnr. 17–24; P. Jung, ZIP 1998, 677; St. Kögel, BB 1998, 1645; Latinek, NJW 1973, 1215; Licht, NJW 1961, 716; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34 f.; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073; Michalski, Rdnr. 14–16, 63–67; D. Möller, DNotZ 2000, 830; Müther, GmbHR 1998, 1058; Riegger, DB 1984, 441; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6–13; Sachs, DB 1975, 2423; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21 f., 44; R. Schmitt, WiB 1997, 1113; Schulte/Warnke, GmbHR 2002, 626.

27

An Stelle einer Sachfirma (oben Rdnr. 15 ff.) können die Gesellschafter ebenso wie früher auch eine Personenfirma wählen. Für diesen Fall bestimmte § 4 Abs. 1 Satz 1 a.F., dass die Firma die Namen der Gesellschafter oder die Namen wenigstens eines Gesellschafters mit einem das Vorhandensein eines Gesellschaftsverhältnisses andeutenden Zusatz enthalten musste; die Namen anderer Personen als der Gesellschafter durften dagegen in die Firma nicht aufgenommen werden (§ 4 Abs. 1 Satz 2), so dass die Gesellschafter nach früherem Recht im Ergebnis nur die Wahl hatten, die Firma aus dem Namen eines Gesellschafters oder aus den Namen eines oder mehrerer Gesellschafter (mit Zusatz) zu bilden (ebenso noch heute § 5 Abs. 1 öGmbHG; s. unten Rdnr. 29 f.).

28

Die genannten Restriktionen (oben Rdnr. 27) sind durch das Handelsrechtsreformgesetz von 1998 ohne Ausnahme beseitigt worden. Die Zulässigkeit einer Personenfirma beurteilt sich seitdem allein nach § 18 Abs. 1 und 2 HGB i.V.m. dem neuen § 4 GmbHG (s. § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB). Entscheidend ist folglich nur, ob die Firma die nötige Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft aufweist (§ 18 Abs. 1 HGB) und nicht täuschend ist (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB; unten Rdnr. 31 ff.).

1. Rechtszustand vor dem Handelsrechtsreformgesetz 29

a) Nach früherem Recht genügte, wenn die Firma aus dem Namen nur eines Gesellschafters gebildet wurde, als Gesellschaftszusatz (§ 4 Abs. 1 Satz 1 a.F.) der ohnehin zwingend vorgeschriebene Rechtsformzusatz „GmbH“ (§ 4 Abs. 2 a.F.). Ein weiterer Gesellschaftszusatz wie etwa „& Co.“ oder „& Cie.“ war m.a.W. in diesem Fall nicht erforderlich, aber auch nicht verboten1. Wurden hingegen die Namen sämtlicher Gesellschafter in die Firma aufgenommen, so war ein weiterer Gesellschaftszusatz (außer dem GmbH-Zusatz), weil täuschend, unzulässig (§ 18 Abs. 2 HGB). Nur wenn also die Firma lediglich die Namen einiger, aber nicht aller Gesellschafter enthielt, war ein weiterer Gesellschaftszusatz nötig, um der Gefahr einer Täuschung über die Zahl der Gesellschafter vorzubeugen (§ 18 Abs. 2 HGB)2. In Betracht kamen hierfür neben den Zusätzen „& Co.“ oder „& Cie.“ auch Zusätze wie „Companie, Erben, Brüder,

1 KG, RJA 7, 35, 36; JFG 1, 197, 199; JW 1924, 1120; BayObLGZ 1984, 167, 169 = GmbHR 1985, 117; LG Itzehoe, GmbHR 1988, 348. 2 BGHZ 65, 89, 91 = NJW 1975, 2293; KG, JFG 1, 197; RJA 7, 35; Schäfer, DB 1976, 202.

368

|

Emmerich

§4

Firma

Vater und Sohn“1. Lediglich der Zusatz „und Partner“ ist seit Inkrafttreten des PartGG Partnerschaftsgesellschaften vorbehalten, so dass er von einer GmbH nicht mehr verwandt werden darf (§ 11 Abs. 1 Satz 1 PartGG; s. oben Rdnr. 25). b) Die Personen, deren Namen zur Firmenbildung der Gesellschaft verwandt wurden, mussten ferner (zumindest) im Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister Gesellschafter sein (§ 4 Abs. 1 Satz 2 a.F.). Schieden sie schon vorher aus der Vorgesellschaft wieder aus, so verstieß die Verwendung ihrer Namen zur Firmenbildung gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 a.F. und machte den Gesellschaftsvertrag nichtig (§ 134 BGB), so dass die Gesellschaft nicht eingetragen werden durfte (§ 9c Abs. 2 Nr. 1). Dagegen war es unbedenklich, wenn ein namensgebender Gesellschafter alsbald nach Eintragung der Gesellschaft diese wieder verließ, selbst wenn die Abtretung des zukünftigen Gesellschaftsanteils schon zuvor, d.h. noch vor Eintragung der Gesellschaft vereinbart worden war. Es genügte, wenn der namensgebende Person wenigstens einmal bei Eintragung Gesellschafter war. Denn auf mehr konnte der Verkehr angesichts der Firma in keinem Fall vertrauen.

30

2. Neuer Rechtszustand a) Die Bestimmungen des früheren § 4 GmbHG über Personenfirmen sind durch das Handelsrechtsreformgesetz von 1998 ersatzlos gestrichen worden. Daraus ergibt sich als erstes die Frage, ob die Neuregelung bedeutet, dass in die Firma einer Gesellschaft fortan auch die Namen von Personen aufgenommen werden dürfen, die der Gesellschaft niemals angehört haben oder ob in dieser Frage mit Rücksicht auf das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB an dem bisherigen Rechtszustand jedenfalls im Grundsatz festzuhalten ist, nach dem nur die Namen von Gesellschaftern im Augenblick der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister in die Firma der Gesellschaft aufgenommen werden durften (s. oben Rdnr. 30). Die Frage ist umstritten. Im Schrifttum findet sich gleichermaßen die Auffassung, dass auch weiterhin die Firma grundsätzlich nur aus Namen von Gesellschaftern gebildet werden darf2, wie die Auffassung, dass insoweit heute keine Schranken mehr bestehen3. Von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Aufnahme beliebiger Personennamen in die Firma wird aber meistens – in unterschiedlichem Umfang – wieder eine Ausnahme für die Namen noch lebender Personen gemacht, vor allem, wenn diese dem Verkehr bekannt sind. I.d.R. wird dann verlangt, dass diese Personen der Gesellschaft angehören oder ihr doch nahe stehen müssen4. 1 S. Heymann/Emmerich, HGB, § 19 Rdnr. 11, 18. 2 Bokelmann, Rdnr. 482a (S. 293 f.); Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 28 (S. 265 f.); St. Kögel, BB 1998, 1645, 1647; P. Jung, ZIP 1998, 677, 680 f.; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 836; D. Möller, GmbHR 2002, 967; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34 f. 4 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35; Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073, 1081; Michalski, Rdnr. 63 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Schulte/Warnke, GmbHR 2002, 626, 629 f.

Emmerich

|

369

31

§4

Firma

31a

Die Rechtsprechung bietet gleichfalls kein einheitliches Bild. Der BGH vertritt – freilich im Rahmen des § 5 UWG – offenbar die Auffassung, dass mit Zustimmung eines Dritten dessen Name durchaus zur Firmenbildung verwandt werden darf, sofern damit nicht eine besondere, über das in solchen Fällen unvermeidliche Maß hinausgehende Irreführungsgefahr für den Verkehr verbunden ist1. Das LG Landshut hat gleichfalls keine Bedenken dagegen geäußert, dass ein Phantasiewort zur Firmenbildung verwandt wird, das den Eindruck eines Namens erweckt, weil sich heute ohnehin niemand darauf verlassen könne, dass die in der Firma genannten Personen (noch) Gesellschafter seien2. Es findet sich jedoch nach wie vor auch die gegenteilige Auffassung, dass die Verkehrserwartung bei Verwendung eines Namens in der Firma gewöhnlich dahin gehe, die genannte Person sei Gesellschafter3 oder doch wenigstens Geschäftsführer, jedenfalls, wenn es sich um den Namen einer den angesprochenen Verkehrskreisen bekannten Person handelt4.

32

Die Entscheidung hängt letztlich davon ab, welche Erwartungen die angesprochenen Verkehrskreise heute normalerweise mit der Nennung eines Namens in einer Gesellschaftsfirma verbinden (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB; § 5 UWG)5. Da sich die Mehrzahl der Firmen an die Verbraucher wendet, kommt es mit anderen Worten darauf an, wie der durchschnittlich vernünftige und informierte Verbraucher eine Personenfirma in der Regel versteht (oben Rdnr. 23c). Verlässliche Aussagen dazu sind naturgemäß schwierig. Aber man dürfte doch wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass der Verkehr (vorerst?) jedenfalls bei der Nennung der Namen als solcher bekannter und noch lebender Personen in einer Firma davon ausgeht, dass die betreffenden Personen einmal der Gesellschaft angehört haben6.

33

Es handelt sich dabei freilich nur um eine Regel. Anders wird es sich bereits häufig bei als solchen erkennbaren Phantasienamen, bei Namen aus der Mythologie (z.B. „Zeus-GmbHG“) oder längst verstorbener, historischer Persönlichkeiten verhalten, von denen niemand mehr annimmt, dass sie mit einer heutigen Gesellschaft irgendetwas zu tun haben könnten (Beispiel: „Mozart GmbH“)7. Dasselbe gilt, wenn durch Zusätze in der Firma klargestellt wird, dass die genannte Persönlichkeit nicht Gesellschafter ist, etwa, wenn die Firma zum Ausdruck bringt, dass die Gesellschaft nur die Verwertung der Produkte 1 BGH, LM Nr. 67 zu § 12 BGB (Bl. 3 R f.) = NJW 2002, 2093 = ZIP 2000, 1501 „Vossius & Partner“. 2 MittBayNot 2000, 333 f. „Frischhut Immobilien GmbH“; LG Wiesbaden v. 7. 4. 2004 – 12 T 3/04, NJW-RR 2004, 1106 „Prinz Verwertungsges“. 3 LG Passau, MittBayNot 2000, 332; Rpfl. 2000, 397 „Schwarzmüller“. 4 LG Frankfurt/Oder, GmbHR 2002, 966 „D. Kaiser Filialbetriebe“; dagegen zutreffend D. Möller, GmbHR 2002, 967 f. 5 Zutreffend LG Passau, MittBayNot 2000, 332; Rpfl. 2000, 397 „Schwarzmüller“; LG Frankfurt/Oder, GmbHR 2002, 966 „D. Kaiser Filialbetriebe“; LG Wiesbaden, NJW-RR 2004, 1106 „Prinz Verwertungsges.“; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 836; D. Möller, GmbHR 2002, 967. 6 Großzügiger LG Wiesbaden, NJW-RR 2004, 1106. 7 Ebenso schon KG, KGJ 19 A 15; 35 A 167, 170; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35.

370

|

Emmerich

§4

Firma

oder die Auswertung einer Erfindung der genannten Persönlichkeit zum Gegenstand hat. Ebenso wurde die Rechtslage bereits nach früherem Recht beurteilt, unter dem es zumindest im Rahmen von Sachfirmen zugelassen wurde, die Namen anderer Personen als der Gesellschafter als Zusatz in die Firma aufzunehmen, wenn allein auf diese Weise der Gegenstand der Gesellschaft zutreffend charakterisiert werden konnte1. Die Aufnahme des Namens eines Gesellschafters in die Firma der Gesellschaft bedarf dessen Zustimmung (§ 12 BGB). Bei einem Gründungsgesellschafter wird diese freilich in aller Regel bereits in seiner Mitwirkung bei dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages liegen2. Anders dagegen, wenn der Name eines Gesellschafters erst nachträglich durch Vertragsänderung in die Firma aufgenommen wird: In diesem Fall ist, wenn der betreffende Gesellschafter dem Änderungsbeschluss nicht zugestimmt hat, seine gesonderte Zustimmung nach § 12 BGB erforderlich. Keine Anwendung findet jedoch auf die GmbH § 24 Abs. 2 HGB, so dass bei einem späteren Ausscheiden des namensgebenden Gesellschafters dessen Einwilligung in die Fortführung der mit seinem Namen gebildeten Personenfirma grundsätzlich nicht mehr erforderlich ist, vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen der Gesellschafter3.

34

Der Gesellschaft ist es außerdem gestattet, ihr Unternehmen mit der Personenfirma zu veräußern oder ihre Firma zur Bildung von Firmen für Zweigniederlassungen zu verwenden, selbst wenn der namensgebende Gesellschafter inzwischen ausgeschieden ist4. Damit ist freilich für den Regelfall auch schon die äußerste Grenze des Zulässigen erreicht. Eine weiter gehende Vervielfältigung der Firma wird durch die Zustimmung des früheren Gesellschafters zur Verwendung seines Namens zur Firmenbildung im Zweifel nicht mehr gedeckt. Der Gesellschaft ist es daher (vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen mit dem ausgeschiedenen Gesellschafter) verwehrt, die unter Verwendung dessen Namens gebildete Firma dadurch weiter zu vervielfältigen, dass verschiedene Zweigniederlassungen mit der Firma selbständig veräußert werden5.

35

b) § 4 Abs. 1 Satz 1 a.F. meinte mit dem „Namen des Gesellschafters“ allein dessen Familiennamen, so, wie er sich aus dem Personenstandsregister ergibt, so dass nur dieser und kein anderer Name von der Gesellschaft als Personen-

36

1 KG, JFG 7, 190 = JW 1930, 2716; Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 9; a.M. KGJ 35 A 167 „The Berlitz School of Languages GmbH“; OGH, EvBl. 1965 Nr. 146 = ÖJZ 1965, 207, 209. 2 Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 7. 3 BGHZ 58, 322, 324 = NJW 1972, 1419; BGHZ 85, 221, 224 = NJW 1983, 755; BGH, LM Nr. 3 zu § 23 HGB = MDR 1977, 1000 = JR 1978, 67; BGH, LM Nr. 11 zu § 24 HGB = MDR 1981, 207 = WM 1980, 1360; BGH, WM 1969, 1321; BGH, NJW 1985, 59, 60 (insoweit nicht in BGHZ 92, 79 abgedruckt); BayObLGZ 1984, 129, 132; OLG Düsseldorf, NJW 1980, 1284; OLG München, GmbHR 1993, 102; OLG Rostock, GmbHR 1997, 1064; s. Heymann/Emmerich, HGB, § 24 Rdnr. 10. 4 BGHZ 85, 221, 224 = NJW 1983, 755; BayObLGZ 1997, 328, 332 ff. = NJW 1998, 1158, 1159 f. „Vossius I“; Heymann/Emmerich, HGB, § 22 Rdnr. 14. 5 BGHZ 85, 221, 225 = NJW 1983, 755; BGH, LM Nr. 11 zu § 24 HGB = MDR 1981, 207 = WM 1980, 1360.

Emmerich

|

371

§4

Firma

firma geführt werden durfte. Entbehrlich war dagegen der Vorname des Gesellschafters, wodurch aber die Gesellschafter natürlich nicht daran gehindert wurden, auch ihre Vornamen in ausgeschriebener oder abgekürzter Form in die Firma aufzunehmen. 37

Da das Gesetz heute insoweit keine Vorgaben mehr enthält, sind die Gesellschafter nicht anders als früher (oben Rdnr. 36) bei Verwendung des Namens einer Person zur Firmenbildung frei darin, ob sie allein den Familiennamen oder zusätzlich auch einen oder mehrere Vornamen in ausgeschriebener oder abgekürzter Form in die Firma aufnehmen wollen, immer vorausgesetzt, dass die Firmenbildung mit § 18 Abs. 1 und 2 HGB vereinbar ist. Die Firma muss also insbesondere Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft besitzen. Probleme ergeben sich daraus vor allem bei der Verwendung so genannter Allerweltsnamen wie „Müller, Meier oder Schulze“ zur Firmenbildung. Nach einer verbreiteten Meinung fehlt derartigen Namen jede Kennzeichnungseignung, so dass sie jedenfalls in Alleinstellung (Beispiel: „Müller GmbH“) nicht zur Firmenbildung verwandt werden dürfen; anders natürlich bei Hinzufügung unterscheidungskräftiger Zusätze, wofür von Fall zu Fall bereits ein (gegebenenfalls abgekürzter) Vorname genügen kann (Beispiel: „Josef Müller GmbH“)1. Entsprechendes gilt (erst recht) für Vornamen in Alleinstellung. Auch sie kommen für die Firmenbildung nur in Betracht, wenn unterscheidungskräftige Zusätze hinzugefügt werden oder der Vorname ausnahmsweise Verkehrsgeltung besitzt, weil er sich im Verkehr zur Bezeichnung einer Person durchgesetzt hat2.

38

Unbedenklich ist heute ferner die Verwendung von Künstlernamen oder Pseudonymen zur Firmenbildung3. Trägt ein Gesellschafter (zulässigerweise) einen ausländischen Namen, so darf auch dieser zur Bildung der Personenfirma verwandt werden. Es ist lediglich erforderlich, dass der Name in lateinischer Schrift und in lesbarer Form wieder gegeben wird4. Bei Doppelnamen soll es schließlich statthaft sein, nur eine Hälfte des Namens zur Firmenbildung zu verwenden5.

39

Kaufleute dürfen zur Firmenbildung ferner ihre Firma verwenden (§ 17 Abs. 1 HGB)6. Ebenso verhält es sich, wenn sich eine Handelsgesellschaft oder eine juristische Person an der Gründung einer GmbH beteiligt7. Rechtsformzusätze wie AG oder GmbH in der Firma der Gesellschafterin müssen in diesem Fall 1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 13 (S. 260); Michalski, Rdnr. 15; wohl auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21; noch großzügiger Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6–8. 2 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6–8. 3 Ebenso schon Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 7; Wünsch, öGmbHG, § 5 Anm. 18; anders früher KG, KGJ 35 A 150; 38 A 158; 39 A 115; HRR 1939 Nr. 92; BayObLGZ 1954, 203 = NJW 1954, 1933. 4 BayObLGZ 1973, 211, 212 = NJW 1973, 1886 „Mesirca“ gegen BayObLGZ 1972, 277, 282 = NJW 1972, 2185 „Celdis“. 5 LG Passau, MittBayNot 2000, 332; Rpfl. 2000, 397 „Schwarzmüller“; D. Möller, DNotZ 2000, 830, 836. 6 LG Berlin, JR 1950, 669; LG Hamburg, GmbHR 1953, 189. 7 BayObLGZ 1970, 297, 298 „Dortmunder Union“.

372

|

Emmerich

§4

Firma

freilich weggelassen werden, weil das sonst unvermeidliche Zusammentreffen von Rechtsformzusätzen verwirrend wirken kann (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB)1. Zwischen inländischen und ausländischen Gesellschaften wird dabei nicht unterschieden. Die (zulässige) Firma einer ausländischen Gesellschaft darf mithin ebenso wie eine deutsche Firma zur Bildung der Firma der Gesellschaft verwandt werden. Unerheblich ist, ob die ausländische Firma überhaupt als solche erkennbar ist oder den Eindruck einer Phantasiebezeichnung erweckt2. Aus § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB ergibt sich jedoch häufig die Notwendigkeit, ausländische Gesellschafts- und Rechtsformzusätze bei der Bildung der GmbH-Firma fortzulassen3. c) Akademische Grade oder Titel sind keine Namensbestandteile. Die Berechtigung zu ihrer Führung richtet sich nach einer Reihe verstreuter Gesetze, unter denen das Gesetz über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939 hervorzuheben ist4. Soweit danach eine Person zur Führung eines akademischen Grades oder Titels, z.B. des Doktorgrades oder der Bezeichnungen „Diplomingenieur“ berechtigt ist, darf sie sich dieser Titel oder Grade grundsätzlich auch zur Firmenbildung bedienen, soweit dem nicht im Einzelfall (ausnahmsweise) § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB entgegensteht. Besonderheiten gelten insoweit für die Firmenbildung bei der GmbH nicht, so dass wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen zu § 18 HGB zu verweisen ist5. Hier genügt der Hinweis, dass in Doktorfirmen häufig ein Fakultätszusatz gefordert wird, wenn die Verwendung der Doktorfirma andernfalls täuschend wäre, d.h. wenn die angesprochenen Verkehrskreise aus der Verwendung des Doktortitels in der Firma auf eine besondere wissenschaftliche Qualifikation des betreffenden, in der Gesellschaft in herausgehobener Stellung tätigen Gesellschafters schließen. Bei einer abgeleiteten Firma (§ 22 HGB) muss außerdem, wenn der jetzige Inhaber des Unternehmens den Doktortitel nicht führen darf, dieser Umstand gegebenenfalls durch entsprechende Zusätze wie z.B. „Nachf.“ klargestellt werden6; andernfalls muss der Zusatz gestrichen werden.

40

d) Die Personenfirma kann nach Eintragung der Gesellschaft ebenso wie die Sachfirma nur im Wege der Vertragsänderung geändert werden (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4, 53 GmbHG; s. oben Rdnr. 26). Rechtlich gesehen, handelt es sich dabei um eine Neubildung der Firma nach § 4 GmbHG und § 18 HGB unter Aufgabe der bisherigen Firma, die infolgedessen (endgültig) erlischt7. Nach dem Gesag-

41

1 BayObLG, BB 1979, 1465 „Trebag“. 2 BayObLGZ 1973, 211, 212; OLG Düsseldorf, DNotZ 1956, 611; KG, DNotZ 1958, 522. 3 S. Bokelmann, ZGR 1994, 325, 331; Bokelmann, GmbHR 1994, 356, 358; sehr eng BayObLGZ 1986, 57, 66; LG Gießen, GmbHR 1990, 352. 4 RGBl. I, 985. 5 S. Baumbach/Hopt, HGB, § 18 Rdnr. 35; Bokelmann, Rdnr. 282 ff. (S. 201 ff.); Bokelmann, Rpfl. 1973, 44; Bokelmann, in: MünchKomm. HGB, § 18 Rdnr. 76–81; Heymann/Emmerich, HGB, § 18 Rdnr. 29–31; Hoffmann, JuS 1972, 233; Hönn, ZHR 153 (1989), 386; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 29 (S. 266); Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 32; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13; Riegger, DB 1984, 441; Wessel, BB 1965, 1379. 6 S. unten Rdnr. 50b sowie BGH, LM Nr. 10 zu § 15 MarkenG (Bl. 3 f.) = NJW 1998, 1150. 7 BayObLGZ 1983, 310, 311; 1984, 129, 132; BayObLG, GmbHR 2003, 475, 476; OLG Stuttgart, OLGR 2000, 248 = NJW-RR 2000, 1128 = ZIP 2000, 1108, 1109.

Emmerich

|

373

§4

Firma

ten (oben Rdnr. 32 f.) dürfen dabei grundsätzlich nur die Namen solcher Personen zur Firmenneubildung verwandt werden, die im Augenblick der Eintragung der Vertragsänderung tatsächlich (noch) Gesellschafter sind, nicht dagegen die Namen früherer, mittlerweile ausgeschiedener Gesellschafter1.

V. Phantasiefirmen Schrifttum: Lutter/Welp, ZIP 1999, 1073; Michalski, Rdnr. 23–29; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 22–28; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29; V. Schulenburg, NZG 2000, 1156.

42

1. Weder aus § 18 Abs. 1 HGB noch aus § 4 GmbHG ergibt sich eine Beschränkung der Gesellschaft bei ihrer Firmenbildung auf Personen- oder Sachfirmen (oben Rdnr. 14, 27 ff.). Daraus wird heute allgemein die generelle Zulässigkeit von Phantasiefirmen abgeleitet. Die hierin liegende Änderung gegenüber dem früheren Rechtszustand (unten Rdnr. 42a) gilt sogar als der wichtigste Fortschritt im Firmenrecht der GmbH, den das Handelsrechtsreformgesetz von 1998 gebracht hat2. Phantasiefirmen sind Firmen, die sich schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach weder als Sach- noch als Personenfirmen darstellen. Zu denken ist hier in erster Linie an sinnbildliche Bezeichnungen, Abkürzungen mythologische und Phantasienamen sowie an die Verwendung von Buchstabenkombinationen, Ziffern und Werbesprüchen (Slogans) zur Firmenbildung (Beispiel: „Nix wie hin – GmbH“). Alle derartigen Firmen sind heute grundsätzlich zulässig, soweit im Einzelfall die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 HGB erfüllt sind, die Firma nicht gegen die §§ 18 Abs. 2 Satz 1 und 30 Abs. 1 HGB verstößt und der Firmenbildung auch nicht die §§ 134 und 138 BGB entgegenstehen. Problematisch ist vor allem die Kennzeichnungseignung von Firmen, die lediglich aus Buchstaben oder Ziffern gebildet werden (s. dazu oben Rdnr. 12 ff.).

42a

2. Nach früherem Recht waren Phantasiefirmen nur unter der Voraussetzung erlaubt, dass der Unternehmensgegenstand nach den Umständen für die angesprochenen Verkehrskreise noch hinreichend erkennbar blieb. Als zulässig wurden mit dieser Begründung z.B. angesehen: „Orlow, Gesellschaft für elektrische Beleuchtung mbH“3, „Kosmopharm Vertriebs GmbH“ als Abkürzung für Kosmetik und Pharmazeutik4, „Nagel Baupart GmbH“ für eine Firma, die mit Baumaterialen handelt, und dies, obwohl „Nagel“ ursprünglich einmal ein Personennamen war5, nicht dagegen unverständliche Abkürzungen wie „Parkota“ für eine Firma, die Parfümerien, Kosmetika und Toilettenartikel vertreibt6, „Aeriola GmbH“ für eine Firma, die Rundfunkapparate herstellt7, „Bauhelf GmbH“ für eine Firma, die den Großhandel mit Baumaschinen und Baugeräten be-

1 2 3 4 5 6 7

BayObLGZ 1984, 129, 132. S. die Begr. RegE, BT-Drucks. 13/8444, S. 74 f. KG, KGJ 19 A 15 (weil Orlow bekanntermaßen der zweitgrößte Diamant der Welt sei). KG, GmbHR 1927, 718 = JW 1927, 130; zust. OLG Stuttgart, OLGZ 1974, 337, 338. OLG Hamm, NJW-RR 1996, 1184 = GmbHR 1996, 360. OLG Köln, bei: Wellmann, DNotZ 1954, 127. KG, JFG 2, 247 = GmbHR 1925, 368 = JW 1925, 639.

374

|

Emmerich

§4

Firma

treibt1, sowie „Tarafin-GmbH“ für eine Firma, die Schläuche, Folien und Profile aus Kunststoffen herstellt und vertreibt2. Ebenso negativ beurteilt wurden früher ferner unverständliche Phantasiebezeichnungen wie etwa „Haus Nazareth GmbH“ für ein Genesungsheim3, „Wille und Weg“ für einen politischen Verlag4 und „Santo GmbH“ für einen Staubsaugerhersteller5. 3. Die Bedenken, die die ältere Praxis teilweise gegen die Verwendung von Phantasiebezeichnungen hatte (s. oben Rdnr. 42a), sind heute infolge der Handelsrechtsreform von 1998 gegenstandslos. Phantasiefirmen sind seitdem ohne Beschränkungen erlaubt, sofern sie die nötige Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft aufweisen (§ 18 Abs. 1 HGB) und nicht täuschend sind (§ 18 Abs. 2 Satz1 HGB)6. Dabei ist zu beachten, dass gerade Phantasiebezeichnungen häufig eine besonders ausgeprägte Unterscheidungskraft haben. Unter den genannten Voraussetzungen bestehen jetzt auch keine Bedenken mehr gegen die Aufnahme von Wortmarken (Warenzeichen) in die Firma der Gesellschaft.

43

4. Bereits nach früherem Recht bestanden richtiger Meinung nach ferner grundsätzlich keine Bedenken gegen die Kombination einer Personen- und einer Sachfirma, sofern nur einer der beiden Bestandteile dem § 4 a.F. entsprach und der andere Bestandteil (als Zusatz) nicht täuschend wirkte7. Dasselbe gilt (erst recht) nach neuem Recht. In den Grenzen des § 18 HGB sind heute Kombinationen aus Sach-, Personen- und Phantasiebestandteilen in einer Firma unbedenklich.

44

Zusätzliche Schwierigkeiten ergaben sich früher, wenn die (bereits gemischte) Firma einer Gesellschafterin zur Firmenbildung der GmbH verwandt wurde. Für diesen Fall wurde aus § 4 Abs. 1 a.F. überwiegend die Notwendigkeit hergeleitet, die volle gemischte Firma der Gesellschafterin in die Firma der GmbH zu übernehmen, sofern dem nicht im Einzelfall § 18 Abs. 2 HGB entgegenstand8. Auch diese Probleme sind mit der Reform von 1998 entfallen, da bei der Firmenbildung seitdem lediglich noch die Vorgaben des § 18 HGB zu beachten.

45

1 2 3 4 5 6

OLG Neustadt, NJW 1962, 2208 = Rpfleger 1963, 54. LG Aachen, BB 1969, Beil. Nr. 10, S. 13; zust. OLG Stuttgart, OLGZ 1974, 337, 338. KG, KGJ 20 A 102; BayObLG, GmbHR 1990, 464 (nur LS). KG, JFG 4, 194 = OLGE 46, 284. Anders KG, KGJ 52, 95. Ebenso LG Landshut, MittBayNot 2000, 333 „Frischhut Immobilien GmbH“ (wobei Frischhut ein Phantasiename ist). 7 BayObLGZ 1972, 277, 282 „Celdis“; BayObLGZ 1981, 88, 91 „Hyper-Dämmtechnik X GmbH“; BayObLG, MDR 1980, 938 = MittBayNot. 1980, 169 „X Betonwerke GmbH“; OLG Bremen, OLGZ 1978, 42 = GmbHR 1978, 111 „Industrie- und Städteservice X GmbH“; OLG Stuttgart, GmbHR 1990, 351 = Rpfleger 1990, 301 „W. Anlagentechnik GmbH“; enger dagegen KG, RJA 7, 35; OLG Stuttgart, OLGZ 1971, 230 „Pasche GmbH Industrievertretungen“; OLG Hamm, GmbHR 1986, 89 = Rpfleger 1985, 495; OLG Innsbruck, NZ 1971, 79; Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 8; Wünsch, öGmbHG § 5 Anm. 22. 8 S. KG, OLGE 43, 324; JW 1929, 1401.

Emmerich

|

375

§4

Firma

VI. Abgeleitete Firma Schrifttum: S. außer den Kommentaren zu § 22 HGB insbesondere noch Bokelmann, Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, Rdnr. 647 ff. (S. 369 ff.); Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 30–33 (S. 267 f.); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20–24; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41; Michalski, Rdnr. 72– 76; D. Möller, DNotZ 2000, 830; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 31–44; K. Schmidt, Handelsrecht, § 12 III 2 (S. 366 ff.); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 72–76; Wessel/Zwernemann/Kögel, Die Firmengründung, Rdnr. 524 ff. (S. 443 ff.); Weßling, GmbHR 2004, 487.

46

Nach § 4 muss die Firma der Gesellschaft, auch wenn sie nach § 22 HGB oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. § 22 Abs. 1 HGB bestimmt, dass derjenige, der ein bestehendes Handelsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen erwirbt, für dieses Geschäft die bisherige Firma, auch wenn sie den Namen des bisherigen Geschäftsinhabers enthält, mit oder ohne Beifügung eines Nachfolgezusatzes fortführen darf, vorausgesetzt, dass der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen Erben in die Fortführung der Firma ausdrücklich einwilligen. Gleich steht die Übernahme eines Handelsgeschäftes auf Grund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Verhältnisses (§ 22 Abs. 2 HGB). Soweit § 4 daneben noch auf entsprechende andere gesetzliche Vorschriften Bezug nimmt, sind damit in erster Linie die vergleichbaren Bestimmungen des UmwG von 1994 gemeint1. Hervorzuheben sind die §§ 18 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 1, 125 Satz 1 und 200 UmwG, die die Fälle der Verschmelzung durch Aufnahme oder Neugründung, der Ausgliederung und des Formwechsels regeln. Wegen der Einzelheiten ist auf die Kommentierungen der genannten Vorschriften zu verweisen. Im Folgenden soll lediglich ein kurzer Überblick über die bei der Anwendung des § 22 HGB zu beachtenden Punkte gegeben werden2.

1. Voraussetzungen 47

a) Eine Firmenfortführung nach § 22 HGB setzt als erstes den Erwerb eines schon bestehenden Handelsgeschäftes unter Lebenden oder von Todes wegen voraus. Es genügt dabei, wenn nur der Kern des Geschäfts auf die Gesellschaft übergeht, so dass der Gesellschaft eine Fortführung des Geschäfts in seinen wesentlichen Eigenschaften möglich ist. Es muss sich aber um ein schon bestehendes Handelsgeschäft im Sinne der §§ 1 f. HGB handeln, so dass § 22 HGB bei der Fortführung des Geschäfts eines (nicht eingetragenen) Kleingewerbetreibenden durch die Gesellschaft keine Anwendung findet3. Bei einer gesonderten Veräußerung von Zweigniederlassungen und Hauptniederlassung steht gleichfalls nichts der Anwendbarkeit des § 22 HGB auf die einzelnen Veräußerungen entgegen.

1 S. LG Berlin, GmbHR 1993, 502; Michalski, Rdnr. 76; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41. 2 S. im Übrigen Heymann/Emmerich, HGB, § 22. 3 LG Berlin v. 30. 7. 2004 – 102 T 42/04, NZG 2005, 443 f.; str.

376

|

Emmerich

§4

Firma

Die Art des Erwerbs unter Lebenden spielt keine Rolle. Neben dem Kauf oder der Pacht des Handelsgeschäfts (s. § 22 Abs. 2 HGB) kommt hier insbesondere dessen Einbringung in die Gesellschaft, etwa bei der Gründung, in Betracht kommt. Der Gesellschaft wird dadurch von Anfang an die Fortführung eines eingebrachten Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma ermöglicht.

48

b) Zweite Voraussetzung des Rechts der Gesellschaft zur Firmenfortführung ist nach § 22 Abs. 1 HGB eine ausdrückliche Einwilligung des bisherigen Geschäftsinhabers oder seiner Erben (s. §§ 413, 398 BGB)1. Will die Gesellschaft die Firma einer Personengesellschaft fortführen, so bedarf sie dazu folglich der Einwilligung sämtlicher Gesellschafter, während bei Kapitalgesellschaften die Einwilligung von den gesetzlichen Vertretern der Gesellschaft erklärt wird. Analog § 179a AktG wird in aller Regel außerdem die Zustimmung der Hauptversammlung oder der Gesellschafterversammlung hinzukommen müssen2.

49

2. Rechtsfolgen Sind die genannten Voraussetzungen (oben Rdnr. 47–49) erfüllt, so begründet § 22 HGB lediglich ein Recht, nicht etwa eine Pflicht zur Firmenfortführung. Macht die Gesellschaft von diesem Recht Gebrauch, so bedeutet dies zugleich die Aufgabe ihrer bisherigen Firma mit der Folge, dass eine Vertragsänderung erforderlich ist (§ 53)3. Wenn die Gesellschaft dagegen ihre bisherige Firma beibehält, erlischt die erworbene Firma4. Der bisherige Geschäftsinhaber verliert durch die Veräußerung des Handelsgeschäfts mit Firma das Recht zur weiteren Führung seiner bisherigen Firma, so dass er eine neue Firma annehmen muss; vorübergehende Ausnahmen kommen nur im Falle der Insolvenz des Veräußerers in Betracht5.

50

Die Gesellschaft, die ein Handelsgeschäft mit Firma erwirbt, steht nach dem Gesagten (oben Rdnr. 50) grundsätzlich vor der Wahl, ob sie ihre bisherige Firma fortführen oder die erworbene Firma im Wege der Vertragsänderung annehmen will. Als dritte Möglichkeit kommt noch hinzu, die beiden Firmen zu vereinigen, vorausgesetzt, dass infolgedessen kein Zweifel an der Identität der Firmen aufkommen kann (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB). Durch die Vereinigung der beiden Firmen entsteht dann eine neue Firma mit der Folge, dass das alte Firmenrecht an der übernommenen Firma ebenfalls untergeht und deshalb auch bei einer späteren Trennung der beiden Geschäfte nicht wiederauflebt6.

50a

1 Zur Einwilligung s. BayObLGZ 1997, 328, 331 ff. = NJW 1998, 1158, 1159 „Vossius I“. 2 S. Heymann/Emmerich, HGB, § 22 Rdnr. 12; Michalski, Rdnr. 73; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 39; Staub/Hüffer, HGB, § 22 Rdnr. 30 f.; dagegen Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 31 (S. 267). 3 BGHZ 67, 166, 171 = NJW 1976, 21, 63; Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 18. 4 KG, OLGZ 1965, 315, 318; BayObLGZ 1971, 163, 165; OLG Celle, OLGZ 1974, 343, 345; OGH SZ 43 (1970) Nr. 181, S. 647, 649. 5 Grdlg. OGH, RdW 2000, 476 = NZG 2000, 1130, 1132. 6 RGZ 152, 365, 368; 159, 211, 220; RG, LZ 1912, 316; Recht 1937, Sp. 35 Nr. 374; OLG Dresden, JW 1916, 1550; anders OLG Frankfurt, OLGZ 1971, 50, 52.

Emmerich

|

377

§4 50b

Firma

Von dem soeben behandelten Sonderfall der Firmenvereinigung abgesehen (oben Rdnr. 50a), muss die Gesellschaft, wenn sie sich für die Annahme der erworbenen Firma im Wege der Vertragsänderung entscheidet, die erworbene Firma grundsätzlich unverändert fortführen, nur ergänzt um den durch § 4 zwingend vorgeschriebenen Rechtsformzusatz (s. unten Rdnr. 51 ff.). Dadurch werden jedoch geringfügige Modifikationen der erworbenen Firma, die an der Identität der fortgeführten Firma keinen Zweifel lassen, nicht ausgeschlossen. Im Einzelfall kann sich die Notwendigkeit solcher Änderungen auch aus dem Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB ergeben1. Zu denken ist dabei vor allem an jetzt nicht mehr zutreffende Branchenbezeichnungen und Rechtsformzusätze sowie an akademische Grade und Titel in einer Personenfirma2. Derartige Modifikationen beeinträchtigen nicht die Identität der Firma und tangieren daher auch nicht das Firmenfortführungsrecht des Erwerbers3. Zu beachten bleibt, dass im Falle der Firmenfortführung durch die Gesellschaft grundsätzlich auch die Haftungsregelung des § 25 HGB eingreift.

VII. GmbH-Zusatz Schrifttum: Bokelmann, Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, Rdnr. 536–540 (S. 320 f.); Canaris, NJW 1991, 2628; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 27 (S. 10); Haas, NJW 1997, 2854; Haas, DStR 2000, 84; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 34 f. (S. 268 f.); A. Hueck, DNotZ 1953, 548; Lutter, DB 1980, 1324; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23 ff.; Michalski, Rdnr. 37–43, 108–113; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 45–49; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 55 f.; Sternberg, Der Gesellschaftszusatz in der Handelsfirma, 1975; Winkler, GmbHR 1969, 77.

51

Nach § 4 muss die Firma der Gesellschaft in jedem Fall, also auch, wenn die Firma nach § 22 HGB oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird (s. oben Rdnr. 46 ff.), die Bezeichnung „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Entsprechende Bestimmungen finden sich in § 4 AktG sowie in § 5 Abs. 2 öGmbHG. Hingegen beschränkte sich § 4 Abs. 2 a.F. noch auf die Bestimmung, dass die Firma der Gesellschaft in allen Fällen die zusätzliche Bezeichnung „mit beschränkter Haftung“ enthalten müsse. Ein sachlicher Unterschied war damit freilich nicht verbunden, weil zu § 4 Abs. 2 a.F. ebenfalls bereits überwiegend die Auffassung vertreten wurde, dass grundsätzlich zusätzlich das Wort „Gesellschaft“ in die Firma aufgenommen werden muss und dass allge-

1 S. im Einzelnen Heymann/Emmerich, HGB, § 22 Rdnr. 19 ff. sowie OGH, RdW 2000, 476 = NZG 2000, 1130; BayObLGZ 1997, 328, 332 = NJW 1998, 1158, 1159 „Vossius I“; BayObLG, Rpfl. 2002, 572; BayObLG, Rpfl. 2003, 371 = GmbHR 2003, 475; OLG Rostock, GmbHR 1997, 1064, 1065; OLG Hamm, NZG 2000, 866 = NJW-RR 2000, 1330, 1331. 2 S. dazu schon oben Rdnr. 40 sowie BGH, LM Nr. 10 zu § 15 MarkenG (Bl. 3 ff.) = NJW 1998, 1150 „Dr. St. Nachf.“. 3 Zur Fortführung des Zusatzes „und Partner“ s. ablehnend OLG Karlsruhe, NJW 1998, 1160; OLG Stuttgart, OLGR 2000, 248 = ZIP 2000, 1108 = NJW-RR 2000, 1128 = GmbHR 2000, 875 (nur LS) und dagegen BayObLG, GmbHR 2003, 475 = Rpfl. 2003, 371.

378

|

Emmerich

§4

Firma

mein verständliche Abkürzungen wie namentlich „GmbH“ oder „Gesellschaft mbH“ zulässig sind1. § 4 muss im Zusammenhang mit § 19 HGB gesehen werden, der ebenso wie § 4 durch das Handelsrechtsreformgesetz neu gefasst wurde. Dann wird deutlich, dass in dem neuen Firmenrecht dem Rechtsformzusatz, gleichsam als Gegengewicht zu der Liberalisierung der Firmenbildung im Übrigen, zentrale Bedeutung zukommt, weil (nur) durch ihn unter dem neuen Firmenrecht zumindest die Rechts- und Haftungsverhältnisse in jedem Fall eindeutig klargestellt werden. Zutreffend wird daraus die Notwendigkeit abgeleitet, § 4 GmbHG ebenso wie § 19 HGB und § 4 AktG streng auszulegen2.

51a

Der Rechtsformzusatz darf daher nur in der vom Gesetz in § 4 erlaubten Weise verwandt werden, d.h. also nur in der Form „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder in Gestalt einer allgemein verständlichen Abkürzung. Als solche kommt natürlich in erster Linie die in Deutschland übliche Abkürzung „GmbH“ in Betracht, und zwar mit oder ohne Punktierung. Das Gesetz schließt aber andere Abkürzungen wie z.B. Ges.mbH nicht aus, vorausgesetzt, dass die Abkürzung „allgemein verständlich“ ist, d.h. für jedermann ohne weiteres auf das Vorliegen einer GmbH hinweist. Unverzichtbar ist heute ferner das Wort „Gesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung wie „Ges.“. Andere Worte dürfen dagegen in dem Rechtsformzusatz nicht mehr verwandt werden. Das gilt gleichermaßen für fremdsprachliche Bezeichnungen wie für Wörter wie „Companie“ oder ähnliches anstatt von „Gesellschaft“. Ebenso wenig darf z.B. das Wort „Haftung“ in „Haftpflicht“ abgewandelt werden3. Daraus folgt zugleich, dass selbst in fremdsprachlichen Firmen der Rechtsformzusatz immer nur in deutscher Fassung entsprechend § 4 verwandt werden darf. Unerheblich ist dagegen, wo der Zusatz steht. Das Gesetz schreibt nicht vor, dass der Zusatz der Firma am Ende hinzugefügt werden muss; deshalb darf der Zusatz auch an anderen Stellen in die Firma eingefügt werden, vorausgesetzt, dass diese dadurch nicht unklar oder täuschend wird (§ 18 Abs. 2 HGB)4.

52

Überwiegend wird aus dem Gesagten (oben Rdnr. 52) ferner der Schluss gezogen, die Bestandteile „Gesellschaft“ und „mit beschränkter Haftung“ dürften auch getrennt werden, wobei das Wort „Gesellschaft“ zugleich mit anderen Wörtern zusammengefasst werden dürfe (Beispiel: „Handelsgesellschaft X mbH“)5. Dies ist jedoch heute mit Rücksicht auf den insoweit wohl eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht mehr zweifelsfrei6. Deshalb ist außerdem zweifelhaft, ob an der

52a

1 Grdlg. BGHZ 62, 230, 232 = NJW 1974, 1088; ebenso die Begr. von 1998, BT-Drucks. 13/8444, S. 75 (l.Sp. oben). 2 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 46. 3 Michalski, Rdnr. 37; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 47; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 55. 4 Grldg. (für die AG) OGH SZ Bd. 73 (2000) Nr. 12, S. 61, 63 ff. = JBl. 2000, 384 = AG 2001, 154, 155 = NZG 2000, 593 „Energie AG Oberösterreich“; LG Köln, GmbHR 1978, 256 f.; LG Bremen v. 21. 10. 2003 – 13 T 12/03, GmbHR 2004, 186. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Michalski, Rdnr. 38; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 55. 6 Anders auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 47.

Emmerich

|

379

§4

Firma

früheren Auffassung fest gehalten werden kann, dass der Rechtsformzusatz, aus welchen Gründen immer, in Klammern gesetzt werden dürfe1. Die geschilderten Regeln über den Rechtsformzusatz gelten schließlich auch für Einpersonengesellschaften, da das Gesetz sie in § 1 den anderen Gesellschaften gleichstellt2. Aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Regelung folgt zugleich, dass allen anderen Gesellschaften die Führung von Rechtsformzusätzen, die mit denen einer GmbH im Sinne des § 4 verwechselt werden können, untersagt ist (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB)3.

VIII. Rechtsscheinhaftung4 53

1. Nach § 35 Abs. 3 müssen die Geschäftsführer bei der Unterzeichnung von Erklärungen im Namen der Gesellschaft die ganze Firma einschließlich des GmbH-Zusatzes verwenden (§ 4). Auf Geschäftsbriefen ist gleichfalls die vollständige Firma anzugeben, damit im rechtsgeschäftlichen Verkehr keine Zweifel über die Rechts- und Haftungsverhältnisse bei der Gesellschaft aufkommen können (§§ 35 Abs. 3, 35a Abs. 1 Satz 1 GmbHG; vgl. § 37a HGB). Alle diese Vorschriften enthalten eine Präzisierung des firmenrechtlichen Grundsatzes, dass sich ein Kaufmann im (schriftlichen) Handelsverkehr (unten Rdnr. 56) grundsätzlich seiner Firma, und zwar genauso, wie sie im Handelsregister eingetragen ist, zu bedienen hat, d.h. insbesondere einschließlich des Rechtsformzusatzes (s. § 37 HGB)5.

53a

Verstöße der Geschäftsführer und der sonstigen für die Gesellschaft tätigen Personen gegen die Firmenführungspflicht (oben Rdnr. 53) ändern zwar bei unternehmensbezogenen Geschäften nichts daran, dass Vertragspartner die Gesellschaft wird, sofern nur das Handeln der für die Gesellschaft auftretenden Personen als Vertreter in der nötigen Weise nach außen hervorgetreten ist (§ 164 Abs. 2 BGB)6, können jedoch in verschiedenen Fällen zugleich zur persönlichen Haftung dieser Personen führen (unten Rdnr. 54). Außerdem ist dann § 37 HGB anwendbar. Diese Grundsätze gelten auch für das Handeln für eine Vor-GmbH unter der Firma der zukünftigen GmbH, wenn dies ohne Zusätze geschieht, die auf die besonderen Haftungsverhältnisse bei der Vor-GmbH hindeuten wie z.B. „GmbH i.G.“7.

54

2. Das Auftreten der Geschäftsführer unter der Firma der Gesellschaft ohne GmbH-Zusatz kann zunächst den Rechtsschein einer persönlichen Haftung der Geschäftsführer hervorrufen, sofern ihr Auftreten bei gutgläubigen Geschäfts-

1 So noch KG, KGJ 19, 15 „Orlow“. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Michalski, Rdnr. 42; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 45. 3 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48. 4 Schrifttum: S. oben bei Rdnr. 51. 5 S. Heymann/Emmerich, HGB, § 17 Rdnr. 11 ff. 6 S. oben Rdnr. 5; insbesondere BGH, LM Nr. 24 zu § 151 BGB (Bl. 2 f.) = NJW 2000, 2984 = WM 2000, 1113. 7 S. unten Rdnr. 62; BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764 = ZIP 1996, 511.

380

|

Emmerich

§4

Firma

partnern den Eindruck erwecken muss, sie seien selbst der Geschäftsinhaber und hafteten deshalb als solcher persönlich. Das gilt auch bei Verwendung einer Sachfirma, weil Einzelkaufleute und Personengesellschaften heute gleichfalls solche Firmen führen dürfen (§§ 18, 22, 24 HGB). Gleich steht (zweitens) nach nahezu allgemeiner Auffassung der andere Fall, dass sich zwar der Geschäftsführer als solcher, d.h. als Vertreter geriert, jedoch durch die Fortlassung des Rechtsformzusatzes den Eindruck erweckt, der (von der handelnden Person) verschiedene Geschäftsinhaber hafte persönlich. Auch dann haftet also der Geschäftsführer persönlich (Rdnr. 54). Dies wird in entsprechender Anwendung des § 179 Abs. 2 BGB aus dem Zweck des § 4 gefolgert, dem insoweit der Vorrang vor § 15 Abs. 2 HGB zugebilligt wird1. Dasselbe gilt, wenn ein anderer Vertreter, in erster Linie also ein Angestellter, für die Gesellschaft unter deren Firma ohne GmbH-Zusatz auftritt (entsprechend § 179 Abs. 2 BGB)2. Die persönliche Haftung der für die Gesellschaft tätig gewordenen Personen aus Rechtsschein (oben Rdnr. 54) beschränkt sich auf die jeweils handelnden Personen und erfasst nicht zugleich andere Vertreter der Gesellschaft, die selbst gar nicht tätig geworden sind und daher auch keinen Rechtsschein der persönlichen Haftung begründen konnten3. Die Haftung setzt außerdem Kausalität des Rechtsscheins für den Vertragsabschluss sowie Gutgläubigkeit des Vertragspartners voraus, wobei freilich die Beweislast für das Fehlen dieser Voraussetzungen den Geschäftsführer oder den sonstigen Vertreter trifft, der persönlich in Anspruch genommen wird. Gelingt dieser Beweis nicht, so tritt ihre Haftung neben die der GmbH. Die persönliche Haftung ist nicht etwa subsidiär gegenüber der der Gesellschaft; beide haften vielmehr als Gesamtschuldner4. Ebenso wird die Rechtslage grundsätzlich in Österreich beurteilt5.

55

3. Die Firmenführungspflicht, deren Verletzung zur Rechtsscheinhaftung führen kann (oben Rdnr. 54 f.), gilt grundsätzlich nur im schriftlichen rechtsge-

56

1 BGHZ 62, 216, 222 = NJW 1974, 1191; BGHZ 64, 11, 17 = NJW 1975, 1106; BGHZ 71, 354, 356 = NJW 1978, 2030; BGH, LM Nr. 8 zu § 4 GmbHG = NJW 1981, 2569; BGH, LM Nr. 67 zu § 164 BGB = NJW 1990, 2678 = GmbHR 1990, 212; BGH, LM Nr. 13 zu § 4 GmbHG = NJW 1991, 2627 = GmbHR 1991, 360 = ZIP 1991, 1004; BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764 = ZIP 1996, 1511; OLG Hamm, NJW-RR 1988, 1308; OLG Naumburg, NJW-RR 1997, 1324 = GmbHR 1997, 445; OLG Zweibrücken, NZG 1998, 939; LG Heidelberg, GmbHR 1997, 446; Brandes, WM 1983, 286, 296; Bühler, GmbHR 1991, 356; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 27 (S. 10); Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 35 (S. 268 f.); insbesondere Michalski, Rdnr. 108 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 49; kritisch Haas, NJW 1997, 2854; Haas, DStR 2000, 84. 2 BGH, LM Nr. 13 zu § 4 GmbHG = NJW 1991, 2627 = GmbHR 1991, 360 = ZIP 1991, 1004; BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764 = ZIP 1996, 511; LG Aachen, NJW-RR 1988, 1174, 1175; Canaris, NJW 1991, 2628; Noack, Anm., LM Nr. 79 zu § 164 BGB; Roth, Anm., LM Nr. 13 zu § 4 GmbHG. 3 BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2564 = GmbHR 1996, 764; OLG Oldenburg, OLGR 2000, 204 = GmbHR 2000, 822 (nur LS). 4 BGH, LM Nr. 67 zu § 164 BGB = NJW 1990, 2678 = GmbHR 1990, 212; BGH, LM Nr. 13 zu § 4 GmbHG = NJW 1991, 2627 = GmbHR 1991, 360 = ZIP 1991, 1004; Goette, GmbH, § 1 Rdnr. 27 (S. 10). 5 OGH, EvBl. 1987 Nr. 202 = ÖJZ 1987, 755, 756 = WiBl. 1987, 277 = HS 18.244; Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 12.

Emmerich

|

381

§4

Firma

schäftlichen Verkehr, wie aus den §§ 35 Abs. 3 und 35a Abs. 1 zu folgern ist1. Mündliche Erklärungen von Geschäftsführern und sonstigen Vertretern der Gesellschaft in deren Namen, aber unter Weglassung des GmbH-Zusatzes führen grundsätzlich nicht zur Rechtsscheinhaftung, weil im mündlichen Verkehr niemand mit der Verwendung der vollen Firma seines Verhandlungspartners rechnet2. Anders verhält es sich aber z.B., wenn auf konkrete Nachfrage die Haftungsbeschränkung bestritten wird (§ 826 BGB). Je nach den Umständen des Falles kann eine persönliche Haftung des Handelnden ferner etwa bei der Verwendung von Visitenkarten im Rahmen von Verhandlungen in Betracht kommen, auf denen die Firma der GmbH ohne den zwingend vorgeschriebenen GmbH-Zusatz vermerkt ist3.

IX. Allgemeines Firmenrecht 57

Für die Gesellschaft gilt neben § 4 ergänzend über § 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB das gesamte Firmenrecht des HGB (§§ 17 bis 37a) und des MarkenG von 1994. Im Folgenden ist nur kurz auf einige für die GmbH besonders wichtige Punkte einzugehen.

1. Zusätze 58

Die Gesellschaft darf ihrer Firma beliebige Zusätze hinzufügen, vorausgesetzt, dass sie nicht täuschend sind (§ 18 Abs. 2 HGB)4. Unzulässig sind insbesondere solche Zusätze, die auf eine andere Gesellschaftsform als die der GmbH hindeuten (s. schon oben Rdnr. 21). Ein Beispiel ist der Zusatz „Partner“ (oder ähnlich), der Partnerschaftsgesellschaften vorbehalten5. Deshalb bestehen entgegen der neueren Rechtsprechung nach wie vor Bedenken gegen die Aufnahme der Wörter „genossenschaftlich“ oder „Stiftung“ in die Firma einer GmbH, sofern damit die genossenschaftliche oder stiftungsmäßige Ausrichtung der Gesellschaft zum Ausdruck gebracht werden soll6.

2. Zweigniederlassung 59

Eine GmbH kann an beliebigen Orten Zweigniederlassungen errichten. Die Einzelheiten regeln die §§ 13b bis 13h HGB in der Fassung von 19987. Die 1 Dagegen nur Haas, NJW 1997, 2854. 2 BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764 = ZIP 1996, 1511; OLG Hamm, NJW-RR 1988, 1308, 1309; OLG Naumburg, GmbHR 1997, 445; LG Heidelberg, GmbHR 1997, 446, 447; LG Aachen, NJW-RR 1988, 1174, 1175. 3 OLG Naumburg, GmbHR 1997, 445; LG Aachen, NJW-RR 1988, 1174, 1175. 4 S. Bokelmann, Firmen und Geschäftsbezeichnungen, Rdnr. 114 ff. (S. 102 ff.); Heymann/Emmerich, HGB, § 18 Rdnr. 14 ff.; für Österreich Koppensteiner, öGmbHG, § 5 Rdnr. 13–15. 5 BGHZ 135, 257 (259) = NJW 1997, 1854 = GmbHR 1997, 644; OLG Frankfurt, GmbHR 2005, 96 (97); KG, NZG 2004, 614 (615) = NJW-RR 2004, 976 (977). 6 S. oben Rdnr. 21 sowie OLG Stuttgart, NJW 1964, 1231 = GmbHR 1964, 116; OLG Köln, NJW-RR 1997, 1531, 1532. 7 BGBl. I, 1474, 1475.

382

|

Emmerich

§4

Firma

Firmenbildung richtet sich in diesem Fall nach § 4 GmbHG i.V.m. §§ 13 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2, 30 Abs. 3 und 50 Abs. 3 HGB1. Aus diesen Vorschriften folgt, dass die Firmen der Haupt- und der Zweigniederlassung identisch sein können, aber nicht sein müssen. Vor allem, wenn für die Zweigniederlassung die Firma eines übernommenen Handelsgeschäfts nach § 4 GmbHG i.V.m. § 22 HGB fortgeführt wird, kann für die Zweigniederlassung auch eine von der Firma der Hauptniederlassung abweichende Firma gewählt werden; in diesem Fall muss jedoch durch Zusätze klargestellt werden, dass es sich gerade um die Firma einer Zweigniederlassung der Gesellschaft handelt2. In jedem Fall muss außerdem in die Firma der Zweigniederlassung, wie immer sie im Übrigen gebildet wird, nach § 4 der GmbH-Zusatz aufgenommen werden3. Anwendbar ist weiter § 3 Abs. 1 Nr. 1. Die Folge ist, dass eine von der Firma der Hauptniederlassung abweichende Firmenbildung bei der Zweigniederlassung der Regelung im Gesellschaftsvertrag bedarf. Dies gilt nur dann nicht, wenn für die Zweigniederlassung dieselbe Firma wie für die Hauptniederlassung, jedoch mit dem Zusatz „Zweigniederlassung X“, verwandt wird4. Sind die Firma von Haupt- und Zweigniederlassung identisch, so erstreckt sich eine Änderung der Firma der Hauptniederlassung automatisch auch auf die der Zweigniederlassung5.

60

3. Erlöschen Das Firmenrecht (§ 15 Abs. 1 MarkenG) besteht so lange, wie die Gesellschaft besteht und sie die fragliche Firma gebraucht, d.h. führt6. Das Firmenrecht erlischt dagegen, sobald die Gesellschaft im Wege der Vertragsänderung (§ 53) eine neue Firma bildet oder wenn sie das unter der Firma betriebene Unternehmen endgültig und nicht nur vorübergehend einstellt, während die Auflösung oder die Insolvenz der Gesellschaft nicht automatisch zum Erlöschen der Firma führen, so dass der Insolvenzverwalter das Unternehmen immer noch mit Firma veräußern kann, wozu er selbst dann nicht der Zustimmung der Gesellschafter bedarf, wenn ihr Name in der Firma der Gesellschaft enthalten ist7. Die Firma erlischt in diesen Fällen erst mit der tatsächlichen Beendigung

1 Wegen der Einzelheiten s. Ammon, DStR 1994, 325; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 17; Heymann/Emmerich, HGB, § 17 Rdnr. 28 f.; I. Heinrich, in: Ulmer, Rdnr. 90 ff.; Michalski, Rdnr. 85–89; zur Veräußerung der Zweigniederlassung mit Firma s. schon oben Rdnr. 40. 2 BayObLGZ 1990, 151, 158 = BB 1990, 1364; BayObLGZ 1992, 59 = AG 1992, 455 = DB 1992, 1080. 3 Michalski, Rdnr. 86. 4 BayObLGZ 1990, 151, 158 = BB 1990, 1364; BayObLGZ 1992, 59 = AG 1992, 455 = DB 1992, 1080. 5 BayObLGZ 1990, 151, 158 = BB 1990, 1364; BayObLGZ 1992, 59 = AG 1992, 455 = DB 1992, 1080; LG Nürnberg-Fürth, BB 1984, 1066. 6 S. Heymann/Emmerich, HGB, § 17 Rdnr. 16 ff.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 18 IV 2 (S. 382); Michalski, Rdnr. 91–95. 7 BGHZ 85, 221, 224 = NJW 1983, 755; BGHZ 109, 364, 367 = NJW 1990, 1605 „Benner“; s. Heymann/Emmerich, HGB, § 17 Rdnr. 38 ff.

Emmerich

|

383

61

§4

Firma

der Liquidation oder der sonstigen Auseinandersetzung. Dieselbe Wirkung haben die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit (§ 60 Abs. 1 Nr. 6) sowie der Untergang der Gesellschaft durch Verschmelzung und Umwandlung, sofern der neue Rechtsträger die bisherige Firma der Gesellschaft nicht fortführt. Für die Eintragung des Erlöschens im Handelsregister gilt § 31 HGB mit § 141 FGG.

4. Vorgesellschaft 62

Auch die Vor-GmbH führt bereits eine Firma, sofern sie ein Handelsgeschäft betreibt. Grundsätzlich ist dies die Firma der zukünftigen GmbH mit einem auf den besonderen Status der Vor-GmbH hindeutenden Zusatz1. Verbreitet ist namentlich der Zusatz „in Gründung“ oder (abgekürzt) „i.G.“.

X. Unzulässigkeit der Firma Schrifttum: Ammon, DStR 1994, 325, 327 f.; Bokelmann, Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, Rdnr. 824 ff. (S. 465 ff.); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47–49; Michalski, Rdnr. 97–106; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 58–61; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66–69; Wünsch, GesRZ 1982, 155.

1. Vor Eintragung 63

Wenn die von der Gesellschaft gewählte Firma gegen § 4 GmbHG oder gegen die §§ 18 und 30 HGB verstößt, ist der Gesellschaftsvertrag nichtig, weil es sich bei den genannten Vorschriften um gesetzliche Verbote handelt (§§ 134, 139 BGB). Das Registergericht hat dies von Amts wegen zu prüfen (§ 9c Abs. 2 Nr. 1 GmbHG; § 12 FGG) und die Eintragung abzulehnen. Umstritten ist dies lediglich für Verstöße gegen § 30 HGB; doch gilt für diesen nichts anderes als etwa für § 18 Abs. 2 HGB2.

2. Nach Eintragung 64

Nach Eintragung der Gesellschaft wird die Wirksamkeit der Gesellschaft durch die Nichtigkeit der die Firma betreffenden Gesellschaftsvertragsbestimmungen nicht mehr berührt (§ 75 Abs. 1). Dies ändert jedoch nichts an der Unzulässigkeit der Firma nach Registerrecht (§ 4 GmbHG; §§ 18, 30 HGB), so dass das Registergericht gegen den Gebrauch einer derartigen unzulässigen Firma immer noch einschreiten kann. Hierfür stehen ihm zwei Wege zur Verfügung:

65

a) Der Gebrauch der unzulässigen Firma verstößt zunächst gegen § 37 Abs. 1 HGB (§§ 4 und 13 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 6 Abs. 1 HGB). Unter § 37 Abs. 1 1 S. oben Rdnr. 62 sowie im Einzelnen unten § 11 Rdnr. 30; BGH, LM Nr. 79 zu § 164 BGB = NJW 1996, 2645 = GmbHR 1996, 764 = ZIP 1996, 1511. 2 Michalski, Rdnr. 97; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 58 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 47; dagegen Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 28; I. Heinrich, in: Ulmer, Rdnr. 101; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 181.

384

|

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

HGB fallen insbesondere auch die Fälle einer nur nachträglichen Unzulässigkeit der Firma (s. oben Rdnr. 25). Das Verfahren richtet sich nach § 140 FGG1. b) Statt nach § 37 HGB kann das Registergericht gegen die unzulässige Firma auch in dem besonderen Beanstandungsverfahren des § 144a Abs. 4 FGG vorgehen, das heute für Kapitalgesellschaften an die Stelle des Verfahrens nach § 142 FGG getreten ist. Ziel dieses Verfahrens ist nicht die „Löschung“ der Firma, sondern deren Änderung in einer Weise, durch die der Mangel des Gesellschaftsvertrages behoben wird. Nur wenn die Gesellschafter zu einer derartigen Satzungsänderung nicht bereit sind, kommt es zur Auflösung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 Nr. 5)2.

66

3. Löschung Eine Löschung der Firma im Handelsregister gibt es nur in wenigen Fällen. Hervorzuheben ist § 43 Abs. 2 KWG. Das Verfahren richtet sich nach den §§ 142 und 143 FGG, die insoweit den Vorrang vor § 144a Abs. 4 FGG haben3. In diesem Verfahren ist ausnahmsweise auch eine (sonst nicht mögliche) Teillöschung unzulässiger Firmenzusätze möglich4. Die Firma wird außerdem gelöscht bei Sitzverlegung nach § 13c HGB i.d.F. von 1998 sowie bei rechtskräftiger Verurteilung der Gesellschaft zur Löschung ihrer Firma, insbesondere nach § 12 BGB und § 15 MarkenG5.

§ 4a

Sitz der Gesellschaft (1) Sitz der Gesellschaft ist der Ort, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. (2) Als Sitz der Gesellschaft hat der Gesellschaftsvertrag in der Regel den Ort, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort zu bestimmen, an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Eingefügt durch Art. 9 Nr. 2 des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22. 6. 1998 (BGBl. I, 1474, 1479).

1 BayObLGZ 1989, 44 = NJW-RR 1989, 867 = GmbHR 1989, 291, 292; OLG Hamm, OLGZ 1979, 1, 3; OLG Frankfurt, OLGZ 1979, 318, 321; Heymann/Emmerich, HGB, § 37 Rdnr. 14; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 177 ff. 2 Dazu eingehend BayObLGZ 1989, 44 = NJW-RR 1989, 867 = GmbHR 1989, 291, 292; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 181–182; zur Auswirkung einer nachträglichen Veränderung der Verhältnisse auf eine Sachfirma s. schon oben Rdnr. 25. 3 S. BayObLGZ 1988, 32; 1989, 44 = NJW-RR 1989, 867 = GmbHR 1989, 291, 292. 4 BayObLGZ 1983, 54, 58; BayObLG, WM 1984, 1569, 1570. 5 S. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 18 VIII 1 (S. 405 f.).

Emmerich

|

385

67

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

HGB fallen insbesondere auch die Fälle einer nur nachträglichen Unzulässigkeit der Firma (s. oben Rdnr. 25). Das Verfahren richtet sich nach § 140 FGG1. b) Statt nach § 37 HGB kann das Registergericht gegen die unzulässige Firma auch in dem besonderen Beanstandungsverfahren des § 144a Abs. 4 FGG vorgehen, das heute für Kapitalgesellschaften an die Stelle des Verfahrens nach § 142 FGG getreten ist. Ziel dieses Verfahrens ist nicht die „Löschung“ der Firma, sondern deren Änderung in einer Weise, durch die der Mangel des Gesellschaftsvertrages behoben wird. Nur wenn die Gesellschafter zu einer derartigen Satzungsänderung nicht bereit sind, kommt es zur Auflösung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 Nr. 5)2.

66

3. Löschung Eine Löschung der Firma im Handelsregister gibt es nur in wenigen Fällen. Hervorzuheben ist § 43 Abs. 2 KWG. Das Verfahren richtet sich nach den §§ 142 und 143 FGG, die insoweit den Vorrang vor § 144a Abs. 4 FGG haben3. In diesem Verfahren ist ausnahmsweise auch eine (sonst nicht mögliche) Teillöschung unzulässiger Firmenzusätze möglich4. Die Firma wird außerdem gelöscht bei Sitzverlegung nach § 13c HGB i.d.F. von 1998 sowie bei rechtskräftiger Verurteilung der Gesellschaft zur Löschung ihrer Firma, insbesondere nach § 12 BGB und § 15 MarkenG5.

§ 4a

Sitz der Gesellschaft (1) Sitz der Gesellschaft ist der Ort, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. (2) Als Sitz der Gesellschaft hat der Gesellschaftsvertrag in der Regel den Ort, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort zu bestimmen, an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Eingefügt durch Art. 9 Nr. 2 des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22. 6. 1998 (BGBl. I, 1474, 1479).

1 BayObLGZ 1989, 44 = NJW-RR 1989, 867 = GmbHR 1989, 291, 292; OLG Hamm, OLGZ 1979, 1, 3; OLG Frankfurt, OLGZ 1979, 318, 321; Heymann/Emmerich, HGB, § 37 Rdnr. 14; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 177 ff. 2 Dazu eingehend BayObLGZ 1989, 44 = NJW-RR 1989, 867 = GmbHR 1989, 291, 292; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 181–182; zur Auswirkung einer nachträglichen Veränderung der Verhältnisse auf eine Sachfirma s. schon oben Rdnr. 25. 3 S. BayObLGZ 1988, 32; 1989, 44 = NJW-RR 1989, 867 = GmbHR 1989, 291, 292. 4 BayObLGZ 1983, 54, 58; BayObLG, WM 1984, 1569, 1570. 5 S. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 18 VIII 1 (S. 405 f.).

Emmerich

|

385

67

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

Inhaltsübersicht 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung des Sitzes . . . . . . .

1 6

5. Doppelsitz . . . . . . . . . . . . 6. Zweigniederlassung . . . . . . .

16 18

3. Maßgeblichkeit des vertraglichen Sitzes . . . . . . . . . . . .

8

7. Mängel . . . . . . . . . . . . . . 8. Sitzverlegung . . . . . . . . . . .

19 23

. 10 . 11

9. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) . . . . . . . . . . .

25

4. Sitzwahl . . . . . . . . . . . . . a) Betrieb . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsleitung und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahmen . . . . . . . . . .

. 12 . 14

Schrifttum: Balser, DB 1972, 2049; Barz, AG 1972, 1; Beitzke, ZHR 127 (1965), 1; Berg, GmbHR 1997, 1136; S. Bandehzadeh/Thoß, NZG 2002, 803; Borsch, GmbHR 2003, 258; Brödermann, ZIP 1996, 491; H. Bungert, AG 1995, 489; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 40 f. (S. 271 f.); Karl, AcP 159 (1960), 302; Katschinski, ZIP 1997, 620; Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), 325; St. Kögel, GmbHR 1998, 1108; J. König, AG 2000, 18; Lierse, Der Sitz der juristischen Person, 1934; W. Meilicke, GmbHR 1998, 1053; W. Meilicke, BB 1995, Beil. 8 zu Heft 31; H.-Fr. Müller, ZIP 1997, 1049; Müther, BB 1996, 2210; Nothoff, WiB 1996, 773; Pluskat, WM 2004, 601; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 25 Rdnr. 13 ff., § 58 (S. 374, 831 ff.); Ringe, GmbHR 2005, 487; Stieb, GmbHR 2004, 492; Thönnes, DB 1993, 1021; P. Ulmer, in: FS Th. Raiser, 2005, S. 439; Vogel, DNotZ 1950, 85; Wessel, BB 1984, 1057; Ziegler, Rpfl. 1991, 485; zu § 5 AktG s. außerdem Brändel, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 5; Heider, in: MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2000, § 5; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 5; Kraft, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1986, § 5.

1. Überblick 1

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 muss der Gesellschaftsvertrag unter anderem den Sitz der Gesellschaft enthalten. Die Einzelheiten regelt § 4a, der durch Art. 9 Nr. 2 des Handelsrechtsreformgesetzes von 1998 mit Wirkung vom 1. 1. 1999 ab in das Gesetz eingefügt wurde1. Sitz der Gesellschaft ist demnach (nur) der Ort, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt (§ 4a Abs. 1). § 4a Abs. 2 fügt hinzu, dass der Gesellschaftsvertrag als Sitz der Gesellschaft in der Regel den Ort zu bestimmen hat, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort, an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Vorbild der Vorschrift war § 5 AktG von 1965, der auf § 5 AktG von 1937 zurückgeht2. Durch den neuen § 4a von 1998 ist für die GmbH somit letztlich nur eine Entwicklung nachvollzogen worden, die für die AG bereits 1937, also vor über sechzig Jahren begonnen hatte.

2

In den vorliegenden Zusammenhang gehört ferner noch das Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie vom 22. 7. 19933, durch das der frühere § 12 aufgehoben wurde, der die Zulässigkeit von Zweignieder1 BGBl. I, 1474, 1479; s. dazu die Begr., BT-Drucks. 13/8444; den Ausschussbericht, BTDrucks. 13/10332. 2 S. die Begr., BT-Drucks. 13/8444, S. 75. 3 BGBl. I, 1282.

386

|

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

lassungen regelte. An die Stelle dieser Vorschrift sind die neuen §§ 13 bis 13g HGB getreten. Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen im Anhang zu § 4a zu verweisen. Zweck des § 4a ist es in erster Linie, im Interesse des Gläubigerschutzes und einer effektiven Registerführung die früher umstrittene Frage zu klären, in welchem Ausmaß die Gesellschafter bei der Bestimmung des Gesellschaftssitzes Wahlfreiheit besitzen1. Zu diesem Zweck wurde eine Regelung gewählt, die sicherstellen soll, dass der tatsächliche und der vertragliche Sitz der Gesellschaft grundsätzlich zusammenfallen. Die Gesetzesverfasser wollten dadurch zugleich im Interesse eines verbesserten Gläubigerschutzes Missbräuche durch willkürliche Sitzverlegungen bekämpfen und die postalische Erreichbarkeit der Gesellschaft unter allen Umständen sicherstellen2. Die Neuregelung gilt seit dem 1. 1. 1999 gleichermaßen für alle schon bestehenden und neuen Gesellschaften, da das Handelsrechtsreformgesetz keine Übergangsvorschriften enthält3. In den seinerzeit schon bestehenden Gesellschaften musste folglich der Gesellschaftsvertrag dem neuen § 4a angepasst werden (s. unten Rdnr. 20 ff.; zur geplanten Reform s. unten Rdnr. 25).

3

Das österreichische GmbHG enthält keine dem neuen § 4a des deutschen Gesetzes entsprechende Vorschrift, sondern beschränkt sich in § 4 Abs. 1 Nr. 1 auf eine dem deutschen § 3 Abs. 1 Nr. 1 entsprechende Bestimmung. Ergänzende Regelungen finden sich in den §§ 5 Abs. 4 und 36 Abs. 1 Satz 1 öGmbHG. Nach § 5 Abs. 4 öGmbHG kann als Sitz der Gesellschaft nur ein Ort im Inland bestimmt werden kann. § 36 Abs. 1 Satz 1 öGmbHG fügt noch hinzu, dass die Gesellschafterversammlung am Sitze der Gesellschaft stattzufinden hat, wenn im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist. Die beiden zuletzt genannten Regelungen gelten nach allgemeiner Meinung entsprechend auch in Deutschland (s. unten Rdnr. 6, 9)4.

4

Vor Inkrafttreten des neuen § 4a am 1. 1. 1999 ging die überwiegende Meinung dahin, dass die Gesellschafter bei der Bestimmung des Gesellschaftssitzes im Bundesgebiet grundsätzlich Wahlfreiheit besitzen, begrenzt lediglich durch das allgemeines Missbrauchsverbot5. Als unzulässig galt danach lediglich eine geradezu willkürliche Sitzwahl, insbesondere die Wahl eines Ortes, zu dem die Gesellschaft keinerlei tatsächliche Beziehungen hatte6. Dies wurde vor allem angenommen, wenn die Gesellschaft an dem angegebenen Ort postalisch oder

5

1 S. die Begr., BT-Drucks. 13/8444, S. 75. 2 Begr., BT-Drucks. 13/8444; LG Memmingen, NZG 2002, 95, 96 (aufgehoben durch BayObLG, NZG 2002, 828 = GmbHR 2002, 490); s. Bandehzadeh/Troß, GmbHR 2002, 803; Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439 ff. 3 S. 9. Aufl., Rdnr. 21; BayObLG, NZG 2002, 828 = GmbHR 2002, 490. 4 Wegen der Einzelheiten s. Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 4 f. 5 S. Müther, BB 1996, 2210; Wessel, BB 1984, 1057; ebenso heute noch für Österreich Koppensteiner, öGmbHG, § 4 Rdnr. 4. 6 RGZ 59, 106; KG, KGJ 44, 125; BayObLG v. 8. 3. 1982 – 1 Z 71/81, BayObLGZ 1982, 140, 141; BayObLG v. 23. 7. 1987 – 3 Z 72/87, BayObLGZ 1987, 267 = NJW-RR 1988, 96 = GmbHR 1988, 23; OLG Zweibrücken, GmbHR 1991, 317 = NJW-RR 1991, 1509.

Emmerich

|

387

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

auf andere Weise überhaupt nicht erreichbar war1, während ein Missbrauch verneint wurde, wenn die Gesellschaft dort bereits Geschäftsräume gemietet und Firmenschilder angebracht hatte2 oder wenn doch an dem fraglichen Ort der Geschäftsführer wohnte3.

2. Bedeutung des Sitzes 6

a) Der Sitz einer Gesellschaft hat in vielfältigen Beziehungen Bedeutung. Er bestimmt insbesondere die Zuständigkeit des Registergerichts (§ 7 Abs. 1) und des Prozessgerichts (§ 17 ZPO)4. Hat die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit eingestellt, so richtet sich außerdem die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach dem vertraglichen Sitz der Gesellschaft (§§ 3, 4 InsO)5. Am Sitz der Gesellschaft findet ferner im Zweifel die Gesellschafterversammlung statt, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält (ebenso ausdrücklich § 121 Abs. 5 Satz 1 AktG; § 36 Abs. 1 öGmbHG; s. oben Rdnr. 4). Hat die Gesellschaft Zweigniederlassungen, so bestimmt der im Gesellschaftsvertrag festgelegte Sitz der Gesellschaft zugleich den Sitz der Hauptniederlassung, so dass alle anderen Niederlassungen mit Notwendigkeit Zweigniederlassungen sind (§§ 13 Abs. 1 Satz 1, 13b HGB; s. unten Rdnr. 17). Diese Aufzählung zeigt, dass es bei der Bestimmung des Sitzes der Gesellschaft nicht nur um die Interessen der Gesellschafter, sondern, und zwar mit Vorrang, auch um die Interessen der Gesellschaftsgläubiger und um öffentliche Interessen geht6. Für die Sitzverlegung ist ergänzend § 13h HGB (i.V.m. §§ 53 und 54 GmbHG) zu beachten (s. unten Rdnr. 20, 23).

7

b) Von dem vertraglichen Sitz der Gesellschaft (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4a) muss der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung der Gesellschaft unterschieden werden, dem vor allem im internationalen Privatrecht maßgebliche Bedeutung zukommt oder doch zukam, weil sich nach ihm gemäß der jedenfalls früher in Deutschland herrschenden Sitztheorie die Nationalität der Gesellschaft richtete, während es keine Rolle spielte, nach welchem Recht sie gegründet worden war (so genannte Gründungstheorie; wegen der Einzelheiten s. oben Einleitung Rdnr. 81 ff.). Die Sitztheorie war seit langem wegen der mit ihr für die Freizügigkeit der Unternehmen im Binnenmarkt verbundenen Probleme umstritten. Diese Probleme rührten daher, dass nach dem bisher vorherrschenden Verständnis der Sitztheorie eine Sitzverlegung über die Grenze hinweg praktisch unmöglich war, da nach ganz h.M. die Sitztheorie bei einer Sitzverlegung ins Ausland zur Auflösung und bei einer Sitzverlegung ins Inland zur Neugründung der Gesellschaft zwang7. Der EuGH distanziert sich deshalb zunehmend von 1 BayObLGZ 1987, 267 = NJW-RR 1988, 96, 97 = GmbHR 1988, 23; OLG Stuttgart, GmbHR 1991, 316 = NJW-RR 1991, 1510. 2 OLG Köln, GmbHR 1988, 25 = NJW-RR 1987, 1059 = BB 1987, 711 = ZIP 1987, 712. 3 OLG Schleswig, GmbHR 1994, 557 = NJW-RR 1994, 610. 4 S. Brödermann, ZIP 1996, 491; Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439, 442 f. 5 BayObLG, ZIP 1999, 1714 = GmbHR 2000, 349 = GmbHR 2000, 39 (nur LS); OLG Köln, ZIP 2000, 672, 673; OLG Braunschweig, ZIP 2000, 1118; str. 6 Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439, 442 f. 7 S. 9. Aufl., Rdnr. 6; wegen der Einzelheiten s. oben Einleitung Rdnr. 94 ff.

388

|

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

der Sitztheorie1 und nähert sich stattdessen Schritt für Schritt der Gründungstheorie an, die sich infolgedessen auch in der Rechtsprechung der nationalen Gerichte immer mehr durchsetzt2. Die genaue Reichweite des mit dieser Rechtsprechungsänderung eingeleiteten Paradigmenwechsel im deutschen Recht ist freilich nach wie vor umstritten. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei die Frage, ob die neuere Rechtsprechung des EuGH allein Zuzugsbeschränkungen oder auch Wegzugsbeschränkungen betrifft. Nach bisher überwiegender Meinung ist von dem ersteren auszugehen, so dass die von den Zuzugsbeschränkungen zu trennenden Wegzugsbeschränkungen des deutschen Rechts bisher bestehen bleiben. Die überwiegende Meinung zieht daraus den Schluss, dass, da eine deutsche GmbH zwingend einen Sitz in Deutschland haben muss (unten Rdnr. 9), eine Sitzverlegung ins Ausland nicht möglich ist und daher auch nicht in das deutsche Handelsregister eingetragen werden darf3.

3. Maßgeblichkeit des vertraglichen Sitzes Nach § 4a Abs. 1 ist (zwingend) Sitz der Gesellschaft (ausschließlich) der Ort, den der Gesellschaftsvertrag, wenn auch möglicherweise zu Unrecht, dazu bestimmt. Vorläufer der Bestimmung war § 5 Abs. 1 AktG, der seinerzeit gerade zu dem Zweck in das AktG aufgenommen worden war, den unbedingten Vorrang des vertraglichen, satzungsmäßigen oder auch statutarischen Gesellschaftssitzes vor dem tatsächlichen Sitz zum Ausdruck zu bringen4. Der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmte Sitz der Gesellschaft ist folglich selbst dann maßgebend für alle Rechtsfolgen, die an den Gesellschaftssitz anknüpfen, wenn die Regelung des Sitzes im Gesellschaftsvertrag gegen § 4a Abs. 2 verstößt: Solange der Gesellschaftsvertrag nicht geändert worden ist, bleibt es bei dem (unzulässigen) gesellschaftsvertraglichen Sitz der Gesellschaft, etwa, soweit es um die Zuständigkeitsbegründung geht (s. oben Rdnr. 6, unten Rdnr. 19).

8

Aus § 4a Abs. 1 (= § 5 Abs. 1 AktG) folgt außerdem, dass als Sitz der Gesellschaft nur ein genau bestimmter Ort im Sinne einer politischen Gemeinde

9

1 Dafür noch EuGH v. 27. 9. 1988 – C 81/87, Slg. 1988, 5505, 5511 Tz. 19 = NJW 1989, 2186 „Daily Mail“. 2 Grdlg. EuGH v. 9. 3. 1999 – C 212/97, Slg. 1999, I-1484, 1491 ff. Tz. 20 ff. = AG 1999, 226 = EuZW 1999, 226 = NJW 1999, 2027 = GmbHR 1999, 474 = NZG 1999, 298 „Centros“; EuGH v. 5. 11. 2002 – C 208/00, Slg. 2002, I-9943, 9963 ff. Tz. 52 ff. = NJW 2002, 3614 = ZIP 2002, 2037 = AG 2003, 37 = NZG 2002, 1164 „Überseering“; EuGH v. 30. 9. 2003 – C 167/01; Slg. 2003, I-10195, 10223 ff. Tz. 95 ff. = NJW 2003, 3331 = AG 2003, 680 = EuZW 2003, 687 „Inspire Art Ltd“; BGHZ 154, 185, 187 ff. = NJW 2003, 1461 = ZIP 2003, 718 = AG 2003, 386 „Überseering II“; OGH, SZ Bd. 72 (1999) II Nr. 121, S. 58, 67 f. = AG 2000, 333, 335 f.; wegen der Einzelheiten s. oben Einleitung Rdnr. 94 ff. sowie Altmeppen, NJW 2004, 97; Leible/J. Hoffmann, EuZW 2003, 677; Ringe, GmbHR 2005, 487; Stieb, GmbHR 2004, 492, alle mit zahlreichen Nachw. 3 BayObLG, GmbHR 2004, 490, 491 f. = NJW-RR 2004, 836; OLG Brandenburg, GmbHR 2005, 484, 485 ff.; OLG Hamm, NJW 2001, 2183 = GmbHR 2001, 440; s. dazu statt aller Ringe, GmbHR 2005, 487; Stieb, GmbHR 2004, 492. 4 S. die Begr. RegE AktG von 1965, bei Kropff, AktG, 1965, S. 20.

Emmerich

|

389

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

gewählt werden kann1. Dieser Ort muss außerdem im Bundesgebiet liegen (vgl. § 5 Abs. 4 öGmbHG)2. An diesem Erfordernis hat die Rechtsprechung bisher einhellig fest gehalten. Es ist genau dies der Grund, warum die Sitzverlegung aus dem Inland ins Ausland bisher nach deutschem Recht – trotz des sich abzeichnenden Übergangs des EuGH von der Sitz- zur Gründungstheorie – nicht zugelassen wird (oben Rdnr. 7), weil eben jede juristische Person nach deutschem Recht zwingend einen Sitz im Inland hat, so dass die Sitzverlegung ins Ausland, und zwar auch im Rahmen der Europäischen Union, zur Auflösung der Gesellschaft führt, so dass sie nicht in Deutschland ins Handelsregister eingetragen werden kann. Dazu zwingt auch die Regelung des § 7 Abs. 1, der bestimmt, dass sich nach dem Sitz der Gesellschaft die Zuständigkeit des Registergerichts richtet. Damit ist aber eine Sitzverlegung ins Ausland (vorerst) nicht zu vereinbaren. 9a

Handelt es sich bei der als Gesellschaftssitz bestimmten Gemeinde (oben Rdnr. 8) um eine Großstadt, die in mehrere Amtsgerichtsbezirke aufgeteilt ist, so sollte in dem Gesellschaftsvertrag außerdem angegeben werden, in welchem Amtsgerichtsbezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat (vgl. § 35a Abs. 1)3. Geschieht das nicht, so ist in Berlin das AG Schöneberg zuständig, während sich in anderen Großstädten in diesem Fall die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach der Gesellschaftsadresse richtet4. Es bestehen ferner keine Bedenken dagegen, auch die Angabe einzelner Gemeindeteile als Sitz der Gesellschaft zuzulassen5.

4. Sitzwahl 10

Nach § 4a Abs. 2 von 1998 besitzen die Gesellschafter ebenso wie schon seit 1937 bei der AG (§ 5 Abs. 2 AktG von 1965) in der Frage, welchen Sitz sie für die Gesellschaft in dem Gesellschaftsvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 wählen sollen, für den Regelfall nur noch die Wahl zwischen drei verschiedenen Orten. Es sind dies der Reihe nach der Ort, an dem die Gesellschaft „einen Betrieb“ hat, weiter der Ort, an dem sich „die Geschäftsleitung“ befindet, sowie schließlich der Ort, an dem „die Verwaltung geführt wird“. Dies gilt jedoch nur „in der Regel“, so dass unter im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen auch die Wahl anderer als der genannten drei Orte möglich bleibt (unten Rdnr. 14 f.).

1 S. RGZ 59, 106, 109; KG, KGJ 39, 119; BayObLGZ 1987, 267 = NJW-RR 1988, 96, 97; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Brändel, in: Großkomm. AktG, § 5 Rdnr. 12; Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 25; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Michalski, Rdnr. 6. 2 BGHZ 19, 102, 105 = NJW 1956, 183; BGHZ 29, 320, 328 = NJW 1959, 1126; KG, KGJ 13 A 42; BayObLG, GmbHR 2004, 490, 491 = NJW-RR 2004, 836; OLG Brandenburg, GmbHR 2005, 484, 485. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 25; Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 40 (S. 271); anders Brändel, in: Großkomm. AktG, § 5 Rdnr. 12. 4 Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 40 (S. 271). 5 OGH, RdW 1992, 372 = WiBl. 1993, 94 = AG 1993, 176; Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 25; str.

390

|

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

a) Betrieb Als Gesellschaftssitz kommt nach § 4a Abs. 2 zunächst der Ort in Betracht, an dem die Gesellschaft „einen (beliebigen) Betrieb hat“ (ebenso § 5 Abs. 2 AktG). Gemeint ist damit jeder Ort, an dem die Gesellschaft ihrem vertraglichen Gegenstand rein tatsächlich, d.h. räumlich-zeitlich nachgeht, bei einem Produktionsunternehmen also ein Ort, an dem sich eine (nicht völlig unerhebliche) Produktionsstätte befindet, und bei einem Handelsunternehmen ein Ort, an dem die Gesellschaft eine Verkaufsstätte unterhält. Ausgeklammert werden lediglich solche Orte, an denen sich nur ganz untergeordnete Betriebsstätten, bloße Lager oder sonstige Hilfseinrichtungen befinden1. Unterhält die Gesellschaft an mehreren Orten derartige Betriebsstätten, so hat sie folglich die Wahl, welchen der verschiedenen Orte sie durch den Gesellschaftsvertrag zu ihrem Sitz bestimmen will2.

11

b) Geschäftsleitung und Verwaltung Als Gesellschaftssitz kann durch den Gesellschaftsvertrag nach § 4a Abs. 2 (in Übereinstimmung mit § 5 Abs. 2 AktG) ferner der Ort bestimmt werden, an dem sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Diese eigenartige Regelung hat zu der Frage geführt, wie die Geschäftsleitung von der Verwaltung der Gesellschaft abzugrenzen ist. Die Meinungen hierüber sind geteilt3. Die Frage hat jedoch nur geringe praktische Bedeutung, weil das Gesetz im Ergebnis Geschäftsleitung und Verwaltung gleichbehandelt. Überwiegend wird angenommen, dass mit dem Ort der Geschäftsleitung derjenige Ort gemeint ist, wo die Geschäftsführer den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit entfalten, bei einer Mehrzahl von Geschäftsführern daher der Ort, wo die meisten Leitungsentscheidungen fallen4, während als Ort der von der Geschäftsleitung zu unterscheidenden „Verwaltung“ der Ort angesehen wird, wo sich gegebenenfalls sonst die Haupt- oder Zentralverwaltung der Gesellschaft befindet5.

12

In der Regel werden beide Örtlichkeiten, der Ort der Geschäftsleitung und der der Verwaltung (Rdnr. 12), zusammenfallen. Ausnahmen sind jedoch denkbar,

13

1 Auch gegen diese Einschränkung der Wahlfreiheit der Gesellschaft Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439, 444 (unter Hinweis auf die Änderung der §§ 178, 180 ZPO im Jahre 2001, BGBl. I, 1206). 2 LG Berlin, AG 2001, 429 f. = ZIP 2001, 1632 „Thyssen Krupp“; LG Memmingen, NZG 2002, 95, 96; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 5; Michalski, Rdnr. 7; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 8 f.; Kögel, GmbHR 1998, 1108, 1109 f.; Ulmer in: FS Th. Raiser, S. 439, 444; ebenso für die AG Brändel, in: Großkomm. AktG, § 5 Rdnr. 15–17; Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 32 f.; Hüffer, AktG, § 5 Rdnr. 6; Kraft, in: KölnKomm. AktG, § 5 Rdnr. 12 f. 3 S. Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 34. 4 KG, AG 1996, 421, 422; BayObLG, GmbHR 2002, 490 = ZIP 2002, 1400 = NZG 2002, 828, 829; LG Memmingen, NZG 2002, 95, 96 (in derselben Sache); Brändel, in: Großkomm. AktG, § 5 Rdnr. 18 f.; Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 34; Kögel, GmbHR 1998, 1108, 1110; Kraft, in: KölnKomm. AktG, § 5 Rdnr. 14 f.; Michalski, Rdnr. 9; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 10. 5 S. Kögel, GmbHR 1998, 1108, 1110; Kraft, in: KölnKomm. AktG, § 5 Rdnr. 14.

Emmerich

|

391

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

etwa nach einer Fusion oder in einem stark zentralisierten Konzern, wenn die Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft ihrer Tätigkeit in erster Linie am Sitz der Muttergesellschaft nachgehen, während sich die Verwaltung der Tochtergesellschaft (noch) an einem anderen Ort befindet1. Jenseits solcher Sonderfälle darf jedoch nicht etwa generell in einem Gesellschaftsvertrag als Sitz der Tochtergesellschaft einfach der der Muttergesellschaft bestimmt werden, weil es andernfalls die Konzernleitung in der Hand hätte, den Sitz aller Tochtergesellschaften an ihrem Sitz zusammenzufassen, ein offenbar mit der gesetzlichen Regelung unvereinbares Ergebnis2. c) Ausnahmen 14

Die drei genannten Orte (oben Rdnr. 11–13) sind nach § 4a Abs. 2 nur „in der Regel“ durch den Gesellschaftsvertrag als Sitz der Gesellschaft zu bestimmen. Ausnahmen sind daher möglich. Mit dieser Regelung wird vor allem der Zweck verfolgt, der Gesellschaft die Wahrung etwaiger schutzwürdiger Interessen zu ermöglichen3. Daraus wird zum Teil der Schluss gezogen, die Gesellschafter besäßen ebenso wie früher (oben Rdnr. 5) bei der Auswahl des Sitzes Wahlfreiheit bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs4, während die überwiegende Meinung dahin geht, die Wahl eines von § 4 Abs. 2 abweichenden Ortes als Gesellschaftssitz komme nur in Betracht, wenn die Gesellschaft an der Wahl dieses Ortes ein besonders schützenswürdiges Interesse habe5. Ein solches fehlt jedenfalls in den Fällen, in denen schon früher die Wahl eines Gesellschaftssitzes als missbräuchlich angesehen wurde6. § 4a Abs. 2 sollte dem Auswahlermessen der Gesellschafter bei der Sitzwahl jedoch offenkundig engere Grenzen als bisher setzen, und zwar durch Beschränkung des Auswahlermessens der Gesellschafter für den Regelfall auf die in § 4a Abs. 2 genannten Orte, so dass die Wahl einer anderen Örtlichkeit als Gesellschaftssitz – in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung – in der Tat nur in Betracht kommt, wenn die Gesellschaft daran tatsächlich ein besonders schutzwürdiges Interesse hat, wobei zu berücksichtigen bleibt, dass in aller Regel den legitimen Interessen der Gesellschaft bereits durch die Einrichtung von Zweigniederlassungen (§§ 13 ff. HGB) Rechnung getragen werden kann.

15

Als Fälle, in denen ausnahmsweise eine Sitzwahl abweichend von § 4a Abs. 2 (= § 5 Abs. 2 AktG) gerechtfertigt erscheint, werden meistens genannt die erst für die Zukunft beabsichtigte Verlegung des Betriebs oder der Verwaltung der

1 2 3 4 5

Brändel, in: Großkomm. AktG, § 5 Rdnr. 20. Ebenso Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Michalski, Rdnr. 9. S. die Begr., BT-Drucks. 13/8444, S. 75. So Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 41 (S. 271 f.). Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; J. König, AG 2000, 18, 28 ff.; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12 ff.; Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439, 443 f.; vgl. auch zu § 5 Abs. 2 AktG Brändel, in: Großkomm. AktG, § 5 Rdnr. 21 ff.; Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 36–40; Hüffer, AktG, § 5 Rdnr. 8; Kraft, in: KölnKomm. AktG, § 5 Rdnr. 7. 6 S. oben Rdnr. 5; ebenso Heinrich, in: MünchHdb. III, § 19 Rdnr. 41 (S. 271 f.); Michalski, Rdnr. 11 mit Beispielen.

392

|

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

Gesellschaft an den neuen vertraglichen Sitz der Gesellschaft1, die Führung der Geschäfte der Gesellschaft vom Ausland aus, so dass der inländische Sitz einer anderen Person zum Gesellschaftssitz bestimmt werden muss2, die Gründungsphase einer Gesellschaft, in der es noch keinen Betrieb der Gesellschaft und ebenso wenig eine Geschäftsleitung oder eine Verwaltung gibt, so dass als möglicher Sitz letztlich nur der Wohnort des oder der Geschäftsführer bleibt3, sowie die nachträgliche Verlegung des Betriebs oder der Verwaltung der Gesellschaft, sofern die Gesellschaft ein dringendes und anerkennenswertes Interesse an der Beibehaltung ihres bisherigen, allseits bekannten vertraglichen Sitzes hat4. Der ganze Fragenkreis spielt auch bei der Diskussion um die Zulässigkeit eines Doppelsitzes eine Rolle (unten Rdnr. 16).

5. Doppelsitz Schrifttum: Borsch, GmbHR 2003, 258; Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 41–58; Katschinski, ZIP 1997, 620; J. König, AG 2000, 18; Notthoff, WiB 1996, 773; Pluskat, WM 2004, 601.

Das GmbHG (§ 4a) regelt ebenso wenig wie das AktG (§ 5) oder das BGB (§§ 24, 55 Abs. 1) die Frage, ob die Gesellschaft nur einen Sitz oder auch mehrere Sitze haben kann. Alle genannten Vorschriften verwenden jedoch das Wort „Sitz“ im Singular5. Mit der gewählten Formulierung wollte der Gesetzgeber des AktG seinerzeit zum Ausdruck bringen, dass als Sitz der Gesellschaft grundsätzlich nur ein einziger Ort im Bundesgebiet in Betracht kommt. Von einem generellen Verbot des Doppelsitzes sah man gleichwohl ab, weil es „außergewöhnliche Fälle“ gebe, in denen eine andere Entscheidung geboten sei6. Die Gesetzesverfasser hatten dabei in erster Linie die besonderen Verhältnisse der Nachkriegszeit im Auge, so dass die einschlägigen Entscheidungen dazu nicht verallgemeinert werden dürfen7. Heute ist die Haltung der Rechtsprechung gespalten: Ein Teil der Gerichte hat bei Vorliegen eines besonderen Interesses der Gesellschaft nach wie vor keine Bedenken gegen die Eintragung eines Doppelsitzes; das gilt vor allem für Fusionsfälle, wenn die beteiligten Gesellschaften, vorwiegend wohl aus Gründen der Tradition, nach Möglichkeit an ihren unterschiedlichen bisherigen Sitzen festhalten wollen8. Von anderen Gerichten wird dagegen bis

1 So KG, AG 1996, 421, 422 „VIAG“. 2 Kögel, GmbHR 1998, 1108, 1111. 3 Kögel, GmbHR 1998, 1108, 1111; dagegen Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 38. 4 Brändel, in: Großkomm. AktG, § 5 Rdnr. 22. 5 S. § 4a Abs. 1: „Sitz der Gesellschaft ist ...“ im Anschluss an den gleich lautenden § 5 Abs. 1 AktG. 6 S. die Begr. RegE des AktG von 1965, bei Kropff, AktG, S. 20 f. 7 OLG Düsseldorf, WM 1950, 155; OLG Stuttgart, NJW 1953, 748; BayObLGZ 1962, 107 = NJW 1962, 1014; KG, OLGZ 1973, 272 = NJW 1973, 1201; KG, OLGZ 1975, 62, 66; KG, NJW-RR 1991, 1507; OLG Düsseldorf, AG 1988, 50 = NJW-RR 1988, 354 „Deutsche Bank (Altbank)“; OLG Hamm, Rpfl. 1965, 120; Katschinski, ZIP 1997, 620; J. König, AG 2000, 18, 19 ff. 8 LG Hamburg, DB 1973, 2237 „Hapag Lloyd“; LG Essen, AG 2001, 429, 430 = ZIP 2001, 1632 (gegen AG Essen, AG 2001, 434) „Thyssen Krupp“; AG Bremen, DB 1976, 1810 f.

Emmerich

|

393

16

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

heute die Zulässigkeit eines Doppelsitzes generell oder doch für den Regelfall bestritten1. 17

Im Schrifttum lassen sich vor allem drei Meinungen unterscheiden2. Während die einen, nicht zuletzt aus verfassungs- oder europarechtlichen Gründen, für die generelle Zulässigkeit eines Mehrfachsitzes juristischer Personen eintreten3, lehnt die überwiegende Meinung die Zulässigkeit eines Doppelsitzes, vor allem aus praktischen Erwägungen heraus, ab4. Daneben findet sich aber auch vielfach die Meinung, dass in Ausnahmefällen, d.h. bei Vorliegen eines überwiegenden berechtigten Interesses der Gesellschaft, § 4a ebenso wie § 5 AktG durchaus Raum für die Zulassung eines Doppel- oder gar Mehrfachsitzes lasse5. Für die Richtigkeit dieser Meinung spricht nicht nur die Auffassung, die die Gesetzesverfasser zu § 5 AktG vertreten haben6, sondern auch die Tatsache, dass es in der Praxis eine Vielzahl von Doppelsitzen gibt, ohne dass die davon immer wieder befürchteten Unzuträglichkeiten eingetreten wären7. Soweit danach (ausnahmsweise) ein Doppelsitz zulässig ist, stehen die Registergerichte an den verschiedenen Sitzen der Gesellschaft selbständig nebeneinander8. Erst die Register aller zuständigen Registergerichte zusammen bilden dann „das Handelsregister“ der Gesellschaft, so dass jede Eintragung von jedem Registergericht selbständig geprüft und vorgenommen werden muss. Lehnt auch nur eines der mehreren zuständigen Registergerichte die Eintragung ab, so kann sie nicht erfolgen9. Eine weitere Folge eines Doppelsitzes ist, dass eine etwaige Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung gleichzeitig vor verschiedenen, gleichermaßen zuständigen Gerichten möglich ist10.

6. Zweigniederlassung 18

Wenn die Gesellschaft an einem bestimmten Ort ihren Sitz hat, besitzen Geschäftsstellen an anderen Orten, selbst wenn sie noch so bedeutsam für die Gesellschaft sein mögen, ohne Ausnahme lediglich die Bedeutung von Zweig-

1 KG, KGJ 39, 118; KG, MDR 1950, 740; OLG Hamburg, MDR 1972, 417 (für einen Verein); BayObLGZ 1985, 111 = AG 1986, 48 = BB 1985, 949 „EVO“. 2 S. U. Borsch, GmbHR 2003, 258, 259 f. m.N.; S. Pluskat, WM 2004, 601, 602 f. 3 U. Borsch, GmbHR 2003, 258, 260 f.; S. Pluskat, WM 2004, 601, 604 ff. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Michalski, Rdnr. 16; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 9; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; Karl, AcP 159 (1960), 302; Kögel, GmbHR 1998, 1108, 1110; ebenso für die AG Brändel, in: Großkomm. AktG, § 5 Rdnr. 29–37; Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 46; Hüffer, AktG, § 5 Rdnr. 10; Kraft, in: KölnKomm. AktG, § 5 Rdnr. 20–27. 5 Katschinski, ZIP 1997, 620; J. König, AG 2000, 18, 28 ff. 6 S. die Begr. bei Kropff, AktG, 1965, S. 20 f. 7 Anders noch 9. Aufl., Rdnr. 16; s. S. Pluskat, WM 2004, 601, 604 ff. 8 S. ausführlich Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 49–58; S. Pluskat, WM 2004, 601, 604 ff. 9 OLG Düsseldorf, AG 1988, 50, 51 = NJW-RR 1988, 354 „Deutsche Bank (Altbank)“; KG, OLGZ 1973, 272 = NJW 1973, 1201; OLGZ 1975, 62, 66; OLG Hamm, Rpfl. 1965, 120. 10 KG, AG 1996, 421; LG Berlin, AG 1995, 44 „Viag“; Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 56.

394

|

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

niederlassungen1. Das Verfahren bei ihrer Einrichtung richtet sich nach der Aufhebung des früheren § 12 nach den §§ 13 ff. HGB i.d.F. von 1998 (s. oben Rdnr. 2).

7. Mängel a) Die Vorschriften der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und 4a sind gesetzliche Verbote, so dass der Gesellschaftsvertrag nichtig ist, wenn die Angabe des Sitzes fehlt oder gegen § 4a verstößt (§ 134 BGB). Das Registergericht hat in diesem Fall die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister abzulehnen (§ 9c Abs. 2 Nr. 1). Wird die Gesellschaft gleichwohl eingetragen, etwa, weil das Gericht den Verstoß gegen § 4a Abs. 2 übersieht, so greift zwar nicht § 75, wohl aber das Beanstandungsverfahren nach § 144a Abs. 4 FGG ein, das zur Amtslöschung nach § 60 Abs. 1 Nr. 6 führen kann2. Bis zur Änderung des Gesellschaftsvertrages ist weiter von § 4a Abs. 1 auszugehen, so dass es vorerst bei der Maßgeblichkeit des gesellschaftsvertraglichen Sitzes der Gesellschaft bleibt (oben Rdnr. 8 f.).

19

b) Ebenso ist die Rechtslage bei einer späteren Änderung der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über den Sitz der Gesellschaft (unten Rdnr. 23). Verstößt der Änderungsbeschluss gegen § 4a Abs. 2, so ist er nichtig (§ 134 BGB; § 241 Nr. 3 Fall 3 AktG analog) und darf nicht ins Handelsregister eingetragen werden3. Wird der Beschluss gleichwohl eingetragen, so kommt eine Amtslöschung nach § 144 Abs. 2 FGG i.V.m. § 142 Abs. 1 FGG in Betracht, so dass es wiederum bei dem bisherigen Gesellschaftssitz verbleibt4.

20

c) Von der Sitzverlegung durch Änderung des Gesellschaftsvertrages (oben Rdnr. 20, unten Rdnr. 23) muss die bloße nachträgliche Verlegung des Sitzes der Gesellschaft ohne Änderung des Gesellschaftsvertrages unterschieden werden, z.B. die Verlegung des Ortes, an dem sich die Verwaltung oder die Geschäftsleitung befindet, wenn dieser Ort seinerzeit im Gesellschaftsvertrag als Sitz der Gesellschaft bestimmt worden war. In diesem Fall verstößt zwar fortan die fragliche Bestimmung des Gesellschaftsvertrages gegen § 4a Abs. 2; nach Abs. 1 der Vorschrift bleibt es jedoch (vorerst) bei der Maßgeblichkeit des gesellschaftsvertraglichen Gesellschaftssitzes5. Die weiteren Rechtsfolgen dieses Verstoßes gegen § 4a Abs. 2 sind umstritten. Es geht dabei vor allem um die Frage der (unmittelbaren oder entsprechenden) Anwendbarkeit des § 144a Abs. 4 FGG i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG. Im Schrifttum tritt eine verbreitete Meinung

21

1 KG, OLGE 27, 395; KGJ 39, 118; Hüffer, AktG, § 5 Rdnr. 2; Kraft, in: KölnKomm. AktG, § 5 Rdnr. 19; Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439, 444. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17; Brändel, in: Großkomm. AktG, § 5 Rdnr. 39; Heider, in MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 61; Hüffer, AktG, § 5 Rdnr. 9. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18; Ulmer, in. FS Th. Raiser, S. 439, 445. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Brändel, in: Großkomm. AktG, § 5 Rdnr. 42; Heider, in: MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 64; Hüffer, AktG, § 5 Rdnr. 9. 5 Grdlg. BayObLG, GmbHR 2002, 490 = ZIP 2002, 1400 = NZG 2002, 828, 829 = BB 2002, 907; Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439, 445 ff.

Emmerich

|

395

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

für die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften ein, in erster Linie unter Berufung auf den Zweck der ganzen Regelung, nachträgliche missbräuchliche Sitzverlegungen nach Möglichkeit zu verhindern (oben Rdnr. 3)1. 22

Die Rechtsprechung ist dieser Meinung (oben Rdnr. 21) bisher nicht gefolgt. Bereits vor Inkrafttreten des § 4a am 1. 1. 1999 hatte sie durchweg eine Anwendung des § 144a Abs. 4 FGG in den fraglichen Fällen (oben Rdnr. 21) mit der Begründung abgelehnt, dass eine nachträgliche Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages auf Grund der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse dem Gesetz unbekannt sei2. Hieran haben die Gerichte auch nach Inkrafttreten des § 4a im Jahre 1999 fest gehalten. Maßgeblich dafür war die Überlegung, der gesetzlichen Regelung könne nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber hier von dem Grundsatz abweichen wollte, dass sich die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts immer nur nach den Umständen bei Vertragsabschluss beurteilt, während eine nachträgliche Veränderung der Umstände ohne Einfluss bleibt3. Die Folge ist freilich, dass die in der Sache gebotene Durchsetzung des § 4a gegen Altgesellschaften (s. oben Rdnr. 3) auf nur schwer überwindbare, verfahrensrechtliche Hindernisse stößt4. Es ist genau dies der Grund, warum das Schrifttum nach wie vor für eine entsprechende Anwendung des § 144a Abs. 4 FGG in derartigen Fällen eintritt5.

8. Sitzverlegung 23

a) Die Regelung des Sitzes der Gesellschaft ist nach den §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und 4a ein zwingender Bestandteil des Gesellschaftsvertrages. Eine Verlegung des Gesellschaftssitzes ist daher nur im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages möglich (§ 53), so dass sie erst mit Eintragung der Sitzverlegung ins Handelsregister wirksam wird (§ 54)6. Das Verfahren regelt im Einzelnen § 13h HGB (= § 13c HGB a.F.). Die Sitzverlegung ist danach bei dem bisher zuständigen Registergericht zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§ 13h Abs. 1 HGB). Dieses hat die Sitzverlegung dem in Zukunft zuständigen Regis1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; S. Bandehzadeh/Thoß, NZG 2002, 803, 805 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439, 447 ff.; Wessel, BB 1984, 1057, 1059 f.; ebenso für die AG Brändel, in: Großkomm. AktG, § 5 Rdnr. 43; Heider, in MünchKomm. AktG, § 5 Rdnr. 67; Hüffer, AktG, § 5 Rdnr. 11. 2 BayObLGZ 1982, 140, 142 = BB 1982, 578 = GmbHR 1983, 152 (nur LS); BayObLG, BB 1981, 870 = WM 1981, 1396 = GmbHR 1982, 95; OLG Frankfurt, OLGZ 1979, 309; OLG Köln, BB 1984, 1065; zustimmend Kraft, in: KölnKomm. AktG, § 5 Rdnr. 32; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 206. 3 Grdlg. BayObLG, GmbHR 2002, 490 = ZIP 2002, 1400 = NZG 2002, 828, 829 f. = BB 2002, 907 (gegen LG Memmingen, NZG 2002, 95 f.); LG Mannheim, GmbHR 2000, 874 f.; zustimmend Heinrich, in: MünchHdb. III, § 12 Rdnr. 17 (S. 144); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21. 4 S. im Einzelnen S. Bandehzadeh/Thoß, NZG 2002, 803, 805 ff. 5 Ausführlich Ulmer, in: FS Th. Raiser, S. 439, 447 ff. m.N. 6 S. schon Rdnr. 20 sowie BayObLG, ZIP 1999, 1714 = NJW-RR 2000, 349; OLG Köln, ZIP 2000, 155, 156; OLG Köln, ZIP 2000, 672, 673; OLG Braunschweig, ZIP 2000, 1118; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9–13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11–23; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8, 12–26a; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22 f.

396

|

Emmerich

§ 4a

Sitz der Gesellschaft

tergerichts mitzuteilen, das (nur) die Wirksamkeit der Sitzverlegung, d.h. ihre Vereinbarkeit mit § 4a GmbHG und § 30 HGB, prüft (§ 13h Abs. 2 Satz 1 und 3 HGB). Ein weiteres Prüfungsrecht steht dem neuen Registergericht nicht zu1. Wenn jedoch zusammen mit der Sitzverlegung weitere Vertragsänderungen angemeldet werden, so kann das neue Registergericht seine Prüfung auch auf diese Vertragsänderungen erstrecken2. Von dem genannten Fall abgesehen, beschränkt sich jedoch die Prüfung der angemeldeten Sitzverlegung durch das neue Registergericht auf die Vereinbarkeit mit § 4a sowie auf die möglichen Auswirkungen der Sitzverlegung auf die Firma der Gesellschaft (§ 30 HGB). Die Eintragung der Sitzverlegung ist außerdem abzulehnen, wenn sie rechtsmissbräuchlich ist, etwa, weil die Sitzverlegung nach Auflösung der Gesellschaft beschlossen wird3. b) Von der Sitzverlegung im Inland durch Änderung des Gesellschaftsvertrages (oben Rdnr. 23) ist die bloße tatsächliche Verlegung des im Gesellschaftsvertrag bestimmten Gesellschaftssitzes (dazu oben Rdnr. 21) sowie die Sitzverlegung in das oder aus den Ausland zu unterscheiden. Wie schon ausgeführt (oben Rdnr. 7), wird bisher in Deutschland die Sitzverlegung ins Ausland durchweg als Auflösungsgrund behandelt, während die Verlegung des Sitzes einer ausländischen Gesellschaft ins Inland bislang nur im Wege der Neugründung der Gesellschaft im Inland zugelassen wurde (s. dazu im Einzelnen oben Einleitung Rdnr. 120 ff.).

24

9. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) In dem Referentenentwurf (RefE) eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) ist vorgesehen, Abs. 2 des § 4a ganz zu streichen, während der bisherige Abs. 1 folgenden Wortlaut bekommen soll: „Sitz der Gesellschaft ist der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt“. Eine entsprechende Änderung ist bei § 5 AktG geplant. Als Zweck dieser Änderung wird in der Begründung des RefE (S. 37) genannt, deutschen Gesellschaften solle es ermöglicht werden, einen Verwaltungssitz zu wählen, der nicht mehr notwendig wie bisher mit dem Satzungssitz übereinstimmt. Damit solle der Spielraum deutscher Gesellschaften erhöht werden, ihre Geschäftstätigkeit auch ausschließlich im Rahmen einer (Zweig-)Niederlassung, die alle Geschäftsaktivitäten erfasst, außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets zu entfalten. Deutschen Gesellschaften in der Rechtsform der AG und der GmbH sollten dadurch dieselben Ausgangsbedingungen wie vergleichbaren Auslandsgesellschaften verschafft werden. Es bleibe jedoch dabei, dass die Gesellschaften eine Geschäftsanschrift im Inland im Register eintragen und aufrechterhalten müssten. 1 OLG Köln, BB 1984, 1065; OLG Hamm, GmbHR 1996, 858 = NJW-RR 1997, 167, 168. 2 OLG Hamm, GmbHR 1991, 321 = Rpflg. 1991, 317; OLG Frankfurt, GmbHR 1991, 426 (nur LS); OLG Zweibrücken, GmbHR 1992, 678; Ziegler, Rpfl. 1991, 485; anders LG Mannheim, GmbHR 1991, 24 = Rpfl. 1990, 301. 3 LG Berlin, GmbHR 1999, 720 (nur LS).

Emmerich

|

397

25

§5

Stammkapital, Stammeinlage

§5

Stammkapital, Stammeinlage (1) Das Stammkapital der Gesellschaft muss mindestens fünfundzwanzigtausend Euro, die Stammeinlage jedes Gesellschafters muss mindestens hundert Euro betragen. (2) Kein Gesellschafter kann bei Errichtung der Gesellschaft mehrere Stammeinlagen übernehmen. (3) Der Betrag der Stammeinlage kann für die einzelnen Gesellschafter verschieden bestimmt werden. Er muss in Euro durch fünfzig teilbar sein. Der Gesamtbetrag der Stammeinlagen muss mit dem Stammkapital übereinstimmen. (4) Sollen Sacheinlagen geleistet werden, so müssen der Gegenstand der Sacheinlage und der Betrag der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden. Die Gesellschafter haben in einem Sachgründungsbericht die für die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen wesentlichen Umstände darzulegen und beim Übergang eines Unternehmens auf die Gesellschaft die Jahresergebnisse der beiden letzten Geschäftsjahre anzugeben. Text von 1892. Abs. 4 neu gefasst durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. 1, 836), Abs. 1 u. 3 Satz 2 geändert durch Gesetz vom 9. 6. 1998 (BGBl. I, 1242).

Inhaltsübersicht I. Allgemeines 1. Inhalt und Bedeutung . . . . . . 2. Gesetzesänderungen . . . . . . . 3. Geltungsbereich . . . . . . . . . II. Das Stammkapital 1. Begriff und Funktionen a) Begriff . . . . . . . . . . . . b) Gläubigerschutz . . . . . . c) Gesellschaftsverhältnis . . . 2. Höhe des Stammkapitals a) Festsetzung . . . . . . . . . b) Mindesthöhe . . . . . . . . c) Bemessung des Stammkapitals . . . . . . . . . . . . . . d) Sondervorschriften . . . . . 3. Verstoßfolge . . . . . . . . . .

1

c) Der Gesamtbetrag der Stammeinlagen . . . . . . . .

31

3 5

3. Verbot der Unterpari-Ausgabe . 4. Verstoßfolgen . . . . . . . . . .

34 35

IV. Sacheinlagen (§ 5 Abs. 4) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . .

36

. 9 . 10 . 12 . 13 . 14 . 18 . 20 . 21

III. Stammeinlagen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 22 2. Bildung der Stammeinlagen a) Nur eine Stammeinlage . . . 25 b) Höhe der Stammeinlage . . . 28

398

|

H. Winter/H. P. Westermann

2. Die Sacheinlage im engeren Sinne a) Begriff . . . . . . . . . . . . . b) Sacheinlagevereinbarung . . c) Gegenstand der Sacheinlage . aa) Sachen . . . . . . . . . . bb) Forderungen . . . . . . . cc) Andere Rechte und Vermögenswerte . . . . . . . dd) Dienst- und Werkleistungen . . . . . . . . . . . . ee) Sach- und Rechtsgesamtheiten . . . . . . . . . . . d) Verfügungsbefugnis des Sacheinlegers . . . . . . . . . e) Anrechnungsbetrag aa) Festsetzung . . . . . . . .

39 40 42 45 47 50 52 53 55 56

§5

Stammkapital, Stammeinlage

bb) Obergrenze . . . . . . . cc) Rechtsfolgen . . . . . . . f) Reaktion auf Leistungsstörungen und Mängel . . . . . aa) Unmöglichkeit . . . . . bb) Verzug . . . . . . . . . . cc) Rechts- und Sachmängel g) Lasten und Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . 3. Sachübernahme und Umgehungen a) Begriff und Bedeutung . . . aa) Aufnahme in Gesellschaftsvertrag . . . . . . bb) Sachübernahmevertrag . b) Sachübernahmen ohne Anrechnung . . . . . . . . . c) Umgehung der Sachgründungsvorschriften (sog. verdeckte Sacheinlage) aa) Normzweck . . . . . . . bb) Voraussetzungen in den verschiedenen Fallgruppen . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsfolgen . . . . . . .

57 60 62 63 65 66 69

70 72 74 75

76

4. Gemischte Sacheinlage . . . . . 81 5. Die Festsetzung im Gesellschaftsvertrag (§ 5 Abs. 4) . . . . a) Notwendige Angaben . . . . b) Mängel der Sacheinlagevereinbarung . . . . . . . . . . . 6. Sachgründungsbericht . . . . . . a) Aufsteller . . . . . . . . . . . b) Form . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt . . . . . . . . . . . . . 7. Änderung der Einlagedeckung a) Umwandlung von Geld- in Sacheinlagen, „Heilung“ verdeckter Sacheinlagen . . . b) Austausch von Sacheinlagen . c) Umwandlung von Sach- in Geldeinlagen . . . . . . . . . d) Wahlrecht . . . . . . . . . . .

86 87 93 98 99 102 103

106 108 109 110

V. Gründungsaufwand . . . . . . . 111 VI. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) . . . . . . . . . . 114

78 80a

I. Allgemeines 1. Inhalt und Bedeutung Die Vorschrift dient in verschiedener Weise dem Gläubigerschutz. Das Gesetz legt eine Mindesthöhe für das Stammkapital fest (Abs. 1) und bestimmt, dass die Summe der übernommenen Stammeinlagen mit dem im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Stammkapital übereinstimmen muss (Abs. 3 Satz 3). Außerdem schreibt es die notwendigen Angaben im Gesellschaftsvertrag über Sacheinlagevereinbarungen vor (Abs. 4 Satz 1) und verlangt einen Sachgründungsbericht der Gesellschafter (Abs. 4 Satz 2), um im Hinblick auf die möglichen Gefährdungen der Kapitalaufbringung bei Sachgründungen die Gesellschaftsgläubiger sowie Anteilsinhaber zu informieren (Warnfunktion)1 und dem Registergericht die Kontrolle gem. § 9c zu ermöglichen2. Falsche Angaben können Schadenersatzpflicht (§ 9a) und Strafbarkeit (§ 83 Abs. 1 Nr. 1 u. 2) zur Folge haben.

1

Die Bestimmung einer Mindesteinlage (§ 5 Abs. 1) sollte das Interesse jedes Beteiligten am Gesellschaftsunternehmen gewährleisten, war dafür allerdings wegen der geringen Betragshöhe nicht geeignet3, worüber im Rahmen der Re-

2

1 RGZ 114, 77, 81; RG, LZ 1918, 918; BGH, NJW 1979, 216; Ulmer, Rdnr. 1; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 1. 2 Priester, BB 1980, 19, 21; Ulmer, Rdnr. 1. 3 Schon bei den Vorberatungen des Entw. sind aus diesen Gründen, ungeachtet des damaligen Werts von 500 RM, wesentlich höhere Beträge vorgeschlagen worden; vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend die GmbH, hrsg. vom Dt. Handelstag, 1892, 55.

H. Winter/H. P. Westermann

|

399

§5

Stammkapital, Stammeinlage

formüberlegungen neu zu entscheiden sein wird. Das Verbot der Übernahme mehrerer Stammeinlagen durch einen Gesellschafter bei der Gründung (§ 5 Abs. 2), also der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft, steht im Zusammenhang mit den Regelungen über die Erschwerung der Übertragbarkeit und der Teilung von Geschäftsanteilen (§§ 15, 17), durch die das Gesetz dem Handel von Geschäftsanteilen am öffentlichen Kapitalmarkt entgegenzuwirken sucht, obwohl dieser Zweck der Regelung fragwürdig ist und das Verbot der Übernahme mehrerer Stammeinlagen auch rechtspolitisch angegriffen wird. Die gesetzliche Ordnung des Gesellschaftsverhältnisses, aber auch die weit gehende Satzungsautonomie beruhen maßgeblich auf diesen für die GmbH grundlegenden Gestaltungselementen1, die demgemäß im Wesentlichen zwingend angeordnet sind. Die Möglichkeit zur Bildung verschieden großer Stammeinlagen erwähnt das Gesetz nur zur Klarstellung (§ 5 Abs. 3 Satz 1).

2. Gesetzesänderungen 3

Die GmbH-Novelle 1980, die hauptsächlich eine Verbesserung des Gläubigerschutzes bezweckte2, hat das Mindeststammkapital ab dem 1. 1. 1981 von 20 000 DM auf 50 000 DM heraufgesetzt (§ 5 Abs. 1). Es ist mit der Einführung der Europawährung unter annähernder wertmäßiger Anpassung ab dem 1. 1. 1999 auf 25 000 Euro festgesetzt worden, Art. 3 § 3 Nr. 1a EuroEG (s. Rdnr. 15 ff.). Die Neufassung der Vorschrift des Abs. 4 über die Angaben im Gesellschaftsvertrag bezüglich Sacheinlagen sollte sie trotz des verunglückten Wortlauts nur redaktionell vereinfachen3. Neu war dagegen die in § 5 Abs. 4 Satz 2 enthaltene Pflicht der Gesellschafter zur Erstattung eines Sachgründungsberichts (Näheres dazu Rdnr. 98 ff.). Dem Vorschlag zur Einführung einer obligatorischen Gründungsprüfung bei bestimmten Sacheinlagen (§ 5d RegE) ist der Gesetzgeber nicht gefolgt4. Der Registerrichter kann aber, wenn er trotz der eingereichten Unterlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 u. 5) begründete Zweifel an der Bewertung hat, im Einzelfall ein Sachverständigengutachten einholen oder weiter gehende Prüfungen anordnen (Näheres dazu § 9c Rdnr. 14, 32).

4

Sollte in einer Gesetzesreform auf ein Mindest-Stammkapital ganz verzichtet werden, desgleichen, wenn dieses auf 1 Euro festgesetzt werden sollte, wird auch die jetzige Regelung über die Mindesthöhe einer Stammeinlage hinfällig, denn es wäre dann folgerichtig, den Gesellschaftern die Bestimmung der Höhe der bei der Gründung aufzubringenden Einlagen ganz zu überlassen. Ob die Einheitlichkeit der Mitgliedschaft in Gestalt eines Verbots, mehrere Stammeinlagen in der Hand eines Gesellschafters zu vereinigen, weiter aufrechterhalten werden sollte, ist angesichts des Umstandes, dass nach geltendem Recht ein Gesellschafter durch Kapitalerhöhung oder durch Erwerb von einem Dritten 1 Vgl. dazu auch die Antwort der Bundesregierung (BT-Drucks. 10/2881, S. 5) zur Frage der Erleichterung der Übertragbarkeit von Geschäftsanteilen, die allerdings auch neuerdings wieder aufgekommen ist. 2 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 27; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/ 3908, S. 66. 3 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 69. 4 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 70.

400

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

durchaus mehrere Geschäftsanteile halten kann, eher fraglich; manches spricht insoweit für eine „Entrümpelung“ des Gesetzes durch Streichung des § 5 Abs. 21.

3. Geltungsbereich Die Vorschriften des § 5 sind auf die Entstehung einer GmbH durch Umwandlung nur mit Modifikationen anwendbar. Der Mindeststammkapitalbetrag gem. Abs. 1 gilt auch hier (§§ 36 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 2 Satz 1, 197 Satz 1 UmwG). Abweichend von Abs. 1 Hs. 2 und Abs. 3 Satz 2 sind dagegen teilweise die Mindestbeträge der Anteile auf 50 Euro und die Teilbarkeitsziffer auf 10 herabgesetzt (§§ 46 Abs. 1 Satz 3, 56, 125 Satz 1, 243 Abs. 3 Satz 2 UmwG). Nicht anwendbar ist in den Umwandlungsfällen Abs. 22. Festsetzungen über Sacheinlagen nach Abs. 4 Satz 1 sind bei der Verschmelzung und Spaltung durch die Bezeichnung des übertragenen Vermögens erforderlich (§§ 36 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 2 Satz 1 UmwG)3, nicht aber bei einem Rechtsformwechsel4. Außerdem sind diesbezügliche Festsetzungen bis zum Ablauf der für sie geltenden Fristen5 aus den Gesellschaftsverträgen der übertragenden bzw. formwechselnden Rechtsträger zu übernehmen (§§ 57, 125 Satz 1, 243 Abs. 1 Satz 2 UmwG). Ein Sachgründungsbericht i.S. des Abs. 4 Satz 2 ist bei der Spaltung stets erforderlich (§ 138 UmwG), während er bei der Verschmelzung und beim Formwechsel nur zu erstellen ist, wenn der übertragende bzw. formwechselnde Rechtsträger keine Kapitalgesellschaft oder eingetragene Genossenschaft ist (§§ 58 Abs. 2, 245 Abs. 4, 264 Abs. 2 UmwG). Im Sachgründungsbericht sind bei der Umwandlung auch der Geschäftsverlauf und die Lage der übertragenden bzw. formwechselnden Rechtsträger darzulegen (§§ 58 Abs. 1, 125 Satz 1, 220 Abs. 2 UmwG).

5

Bei einer ordentlichen Kapitalerhöhung gelten die Bestimmungen des § 5 Abs. 1, 2 u. 3 auch für die neugebildeten Stammeinlagen (§ 55 Abs. 4)6. Für die Festsetzungen im Erhöhungsbeschluss und in der Übernahmeerklärung betreffend Sacheinlagen gilt nach § 56 Abs. 1 Entsprechendes wie bei der Gründung. Einen Sacherhöhungsbericht der Gesellschafter schreibt das Gesetz in Abweichung von § 5 Abs. 4 Satz 2 nicht vor. Neue oder erhöhte Geschäftsanteile aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln können nach § 57h Abs. 1

6

1 S. BDI-Hengeler Mueller, Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen, S. 46; dagegen eingehend Ulmer, in: Liber amicorum Happ, 2006, S. 325. 2 M. Winter, in: Lutter, UmwG, 4. Aufl. 2004, § 56 Rdnr. 22; Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 197 Rdnr. 10 m.w.N.; bestr., s. etwa Mayer, DB 1995, 863. 3 M. Winter, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 56 Rdnr. 22; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 36 Rdnr. 10 u.a. 4 Differenzierend Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 197 Rdnr. 24; gegen einen weitergehenden Gläubigerschutz Decher, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 197 Rdnr. 14. 5 Für die AG und KGaA beträgt die Frist 30 Jahre (§§ 26 Abs. 5, 27 Abs. 5, 278 Abs. 3 AktG), für die GmbH fünf Jahre ab Eintragung in das Handelsregister (s. Rdnr. 86). 6 Zur Aufstockung bestehender Anteile vgl. aber bei § 55.

H. Winter/H. P. Westermann

|

401

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Satz 2 auf jeden durch 10 teilbaren Betrag, müssen aber auf mindestens 50 Euro gestellt werden. Die Zuteilung mehrerer neuer Geschäftsanteile an einen Gesellschafter ist analog § 5 Abs. 2 unzulässig, doch bestehen einzelne Ausnahmen (vgl. Erl. zu § 57h). Entsprechendes gilt für die Kapitalerhöhung zum Zwecke der Verschmelzung oder Spaltung (§§ 55 Abs. 1 Satz 2, 125 Satz 1 UmwG). 7

Bei einer Herabsetzung des Stammkapitals darf der in § 5 Abs. 1 bestimmte Mindestbetrag nicht unterschritten werden (§ 58 Abs. 2 Satz 1). Erfolgt sie zwecks Rückzahlung von Stammeinlagen oder Erlasses von Stammeinlageforderungen, so müssen die verbleibenden Stammeinlagen den Erfordernissen des § 5 Abs. 1 u. 3 genügen (§ 58 Abs. 2 Satz 2); für einbezogene Geschäftsanteile aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gelten aber die in § 57h Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebenen Größen (oben Rdnr. 6). Letztere sind analog § 44 Abs. 4 DMBilG, § 57h Abs. 1 Satz 2 (früher § 6 Abs. 3 Satz 2 KapErhG) auch bei einer Kapitalherabsetzung zur Beseitigung einer Unterbilanz maßgebend (näher zu § 58). Für die vereinfachte Kapitalherabsetzung schreibt § 58a Abs. 3 Satz 2 dies ausdrücklich vor; sie ist auch zum Zwecke der Abspaltung und Ausgliederung möglich (§ 139 UmwG).

8

Auf die Teilung von Geschäftsanteilen sind die Bestimmungen in § 5 Abs. 1 und 3 über den Betrag der Stammeinlagen entsprechend anzuwenden (§ 17 Abs. 4). Wenn ein nach § 44 Abs. 4 DMBilG, nach § 57h Abs. 1 Satz 2 (früher § 6 Abs. 3 Satz 2 KapErhG), nach § 58a Abs. 3 Satz 2 oder nach §§ 55 Abs. 1 Satz 2, 139 Satz 1, 243 Abs. 3 Satz 2, 258 UmwG gebildeter Geschäftsanteil nicht durch 50 teilbar ist, muss ein nicht durch 50 teilbarer Spitzenbetrag bei einem der Teilgeschäftsanteile verbleiben1; s. näher zu § 17.

II. Das Stammkapital Schrifttum: Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei KapGes., 1949; Fabricius, Das Stammkapital der GmbH, GmbHR 1970, 137; Fabricius, Vermögensbindung in AG und GmbH – tiefgreifender Unterschied oder grundsätzliche Identität?, ZHR 144 (1980), 628; Fleck, Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung und Insolvenzprobleme in der GmbH, 2. Aufl. 1982; Flume, Der Gesellschafter und das Vermögen der Kapitalgesellschaft und die Problematik der verdeckten Gewinnausschüttung, ZHR 144 (1980), 18; Joost, Kapitalbegriff und Reichweite der Bindung des aufgebrachten Vermögens in der GmbH, GmbHR 1983, 284; Joost, Grundlagen und Rechtsfolgen der Kapitalerhaltungsregeln in der GmbH, ZHR 148 (1984), 27; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbHRechten der EWG, 1964; J. Wilhelm, Die Vermögensbindung bei der Aktiengesellschaft und der GmbH und das Problem der Unterkapitalisierung, in: FS Flume, Bd. II, 1978, S. 337.

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 17 Rdnr. 7; Winter/Löbbe, in: Ulmer, § 17 Rdnr. 13; Ebbing, in: Michalski, § 17 Rdnr. 36; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 17 Rdnr. 10.

402

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

1. Begriff und Funktionen a) Begriff Das GmbHG, das den Terminus in zahlreichen Vorschriften verwendet1, versteht unter Stammkapital die durch den Gesellschaftsvertrag betragsmäßig zu bestimmende feste Größe2, die die Gesamthöhe der mindestens aufzubringenden Gesellschaftereinlagen sowie der bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 57c ff.) „umgewandelten Rücklagen“ der Gesellschaft angibt und zugleich die rechnerische Grenze bezeichnet, unterhalb der das Gesellschaftsvermögen durch Leistungen an die Gesellschafter als solche nicht geschmälert werden darf3 (Grundsatz der Kapitalerhaltung). Der Stammkapitalbegriff meint daher nicht Kapital im kredit- oder betriebswirtschaftlichen Sinne. Er ist insbesondere nicht identisch mit dem betriebswirtschaftlichen Begriff des Eigenkapitals der Gesellschaft, das schon bei der Gründung vom Stammkapital abweichen4 und sich danach anders als dieses ständig verändern kann. Selbst der Verlust des gesamten Eigenkapitals oder der Eintritt einer Überschuldung berühren den Stammkapitalbetrag nicht. Die gebräuchlichen Kennzeichnungen als „Garantiekapital“ oder als „Haftungsfonds“ sind deshalb missverständlich5 und nur auf das Verbot der das Stammkapital angreifenden Auszahlungen an Gesellschafter (§ 30) bezogen.

9

b) Gläubigerschutz Das Stammkapital ist von zentraler Bedeutung als rechtstechnisches Mittel des Gläubigerschutzes. Das ist jedenfalls die Konzeption des ursprünglichen Gesetzes6, die – wie heute unstreitig ist – unter den völlig veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen nichts daran ändern kann (und schon lange nicht mehr hat verhindern können), dass von der Höhe des vom Gesetz verlangten Mindestkapitals und seiner effektiven Aufbringung ein Gläubigerschutz insofern nicht ausgehen kann, als die von den Gesellschaftern eingelegten Mittel bald nach der Gründung im operativen Geschäft eingesetzt und verloren sein können. Der Sinn der zwingenden Vorschriften über Kapitalaufbringung und -erhaltung liegt unter diesen Umständen (nur) darin, die mit beschränkter Haftung operierenden Gesellschafter zu zwingen, den versprochenen Betrag der Gesellschaft

1 §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 5 Abs. 1 u. 3, 7 Abs. 2, 10 Abs. 1, 30, 33, 43 Nr. 3, 55 ff., 61 Abs. 2, 75, 82 Abs. 2 Nr. 2. 2 RGZ 68, 309, 312 spricht irrig von einem „im Gesellschaftsvertrage festgesetzten Sollvermögen“. 3 Über die zum Teil erheblich voneinander abweichenden Begriffsbestimmungen im Schrifttum vgl. Lutter, Kapital, S. 42 ff.; Ulmer, Rdnr. 9. 4 So z.B. bei der Einbringung eines Betriebes, Teilbetriebes oder eines Mitunternehmeranteils als Sacheinlage zu Buchwerten, bei Aufgeldzahlungen oder bei anderen Nebenleistungen gem. § 3 Abs. 2. Umgekehrt kann das Eigenkapital wegen der Unwirksamkeit einer Beteiligungserklärung auch niedriger sein (s. Rdnr. 31). Zum Ganzen auch Ulmer, Rdnr. 10. 5 Zutr. Joost, GmbHR 1983, 285 f. 6 Eingehende Untersuchung zuletzt durch Wilhelmi, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung im System des GmbH-Rechts, 2001, S. 16 ff., 44 ff.

H. Winter/H. P. Westermann

|

403

10

§5

Stammkapital, Stammeinlage

wirklich zur Verfügung zu stellen und ihn nicht später (auch außerhalb von Krisenzeiten) aus dem Reinvermögen der Gesellschaft herauszunehmen, wenn dieses dadurch unter den Betrag des Stammkapitals sinkt oder schon gesunken ist (näher § 30 Rdnr. 29). Das im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Stammkapital (§ 3 Abs. 1 Nr. 3), das mit dem Gesamtbetrag der von den Gesellschaftern übernommenen Stammeinlagen übereinstimmen muss (§ 5 Abs. 3 Satz 3), ist vor diesem Hintergrund zur Unterrichtung der Gesellschaftsgläubiger über das auf diese Weise aufzubringende Mindestreinvermögen der Gesellschaft durch Eintragung im Handelsregister (§ 10 Abs. 1) und durch die Veröffentlichung über die Eintragung (§ 10 Abs. 3) bekannt zu machen. Das Fehlen der Festsetzung des Stammkapitals hat die Nichtigkeit der Gesellschaft zur Folge (§ 75 Abs. 1). 11

Das Gesetz sorgt demgemäß durch die weit gehende Einschränkung der Unwirksamkeit der Beteiligungserklärungen der Gesellschafter (s. § 2 Rdnr. 62d, 66 ff.), durch die Sonderregeln über die als Stammeinlagen zu erbringenden Gesellschafterbeiträge (§§ 5, 7 Abs. 2 u. 3, 8 Abs. 1 u. 2, 9 ff., 19 ff., 33 Abs. 1, 43 Abs. 3, 55 ff., 82, 84 sowie die im Anschluss an diese Bestimmungen praeter legem entwickelten Rechtssätze) und durch die Sicherungen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 57c–f, 57i) dafür, dass mindestens ein der festgesetzten Stammkapitalziffer entsprechendes Reinvermögen der Gesellschaft aufgebracht wird (sog. Grundsatz der Sicherung der Kapitalaufbringung) und dass Dritte über die Leistung nicht in Geld bestehender Einlagegegenstände unterrichtet werden (§§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 3). Folgerichtig macht es die Herabsetzung des Stammkapitals von der Einhaltung besonderer Gläubigerschutzvorschriften abhängig (§§ 58 ff.). c) Gesellschaftsverhältnis

12

Neben der Gläubigerschutzfunktion kommt dem Stammkapital aber auch Bedeutung für das interne Gesellschaftsverhältnis zu. Die Stammeinlagen sind (wenn auch nicht notwendig die alleinigen) Beiträge der Gesellschafter zur Erreichung des Gesellschaftszwecks, die der Gesellschaft im Rahmen des Kapitalerhaltungsgrundsatzes zu belassen sind. Das Stammkapital zeigt außerdem die Höchstgrenze an, bis zu der jeder Gesellschafter eine Deckungspflicht für Einlagen gegenüber der GmbH haben kann (§ 24), auch und gerade beim Ausfallen eines seiner Mitgesellschafter, und ist teilweise eine Bezugsgröße für die Ausübung von Gesellschafterrechten (§§ 50, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2)1.

2. Höhe des Stammkapitals Schrifttum: Fleck, Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung und Insolvenzprobleme in der GmbH, 2. Aufl. 1982; Gersch/Herget/Marsch/Stützle, GmbH-Reform 1980; Hommelhoff, Das Risikokapital der GmbH, in: Die Zukunft der GmbH, hrsg. v. G. Roth, 1983, S. 15; Th. Raiser, Die neuen Gründungs- und Kapitalerhöhungsvorschriften für die GmbH, in: Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, 1980, S. 21; Rogusch, Mindesteigenkapital, Haftungsbeschränkung und Gläubigerschutz bei der 1 Näheres § 14 Rdnr. 6.

404

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

GmbH, 1979; Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung, in: FS Duden, 1979, S. 661; G. Winter, Die Haftung der Gesellschafter im Konkurs der GmbH, 1973; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, 1997, S. 63 ff. Weitere Lit.-Nachw. oben vor Rdnr. 9 und vor Rdnr. 55 zu § 13 (Unterkapitalisierung).

a) Festsetzung Die Festsetzung des Stammkapitals hat im Gesellschaftsvertrag in Euro zu erfolgen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3) und kann nur durch Satzungsänderung nach den Sonderregeln über die Kapitalerhöhung (§§ 55 ff.) sowie über die Kapitalherabsetzung (§§ 58 ff.) geändert werden (s. aber Rdnr. 15 ff.). Die Satzungsautonomie zur Bestimmung der Stammkapitalhöhe schränkt das GmbHG durch eine zwingende Untergrenze (§ 5 Abs. 1) ein, die die Verwendung der GmbH wegen der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung aus ordnungspolitischen Gründen von einem bestimmten Mindesteinsatz an Risikokapital durch die Beteiligten abhängig machen und damit zugleich den Gesellschaftsgläubigern einen gewissen Mindestschutz geben soll1; dabei würde es auch bei einer Absenkung der Mindestkapitalziffer etwa auf 10 000 Euro bleiben. Weitergehende spezialgesetzliche Einschränkungen der Bestimmungsfreiheit bestehen für Gesellschaften des Kreditgewerbes (Rdnr. 20). Eine Obergrenze für die Stammkapitalhöhe sieht das GmbHG dagegen nicht vor, so dass auch Großunternehmen sich der Rechtsform der GmbH bedienen können und bedienen.

13

b) Mindesthöhe Die Mindesthöhe des Stammkapitals muss 25 000 Euro betragen (§ 5 Abs. 1). Die durch das EuroEG v. 9. 6. 1998 (BGBl. I, 1242) in Anlehnung an das frühere Recht festgelegte Untergrenze gilt zunächst nur für Neugründungen ab dem 1. 1. 1999. Dabei ist im Einzelnen wie folgt zu unterscheiden:

14

aa) Neugründungen, die ab dem 1. 1. 2002 in das Handelsregister eingetragen werden, unterliegen ausschließlich und uneingeschränkt der Neuregelung2.

15

Für Neugründungen, die zwischen dem 1. 1. 1999 und dem 31. 12. 2001 zum Handelsregister angemeldet und in das Register eingetragen wurden, bestand die Wahl, das Stammkapital und die Stammeinlagen im Gesellschaftsvertrag in Euro oder in DM festzusetzen (§ 86 Abs. 2 Satz 1). Auch bei einer Festsetzung in DM galten aber für die Mindestbeträge und die Teilbarkeit von Kapital, Einlagen und Geschäftsanteilen sowie für den Umfang des Stimmrechts von Anfang an die zu dem von der EU festgelegten Umrechnungskurs (1 Euro = 1,95583 DM) umzurechnenden Beträge der Neuregelung (§ 86 Abs. 2 Satz 2), was praktisch dazu zwang, sich auf „krumme“ DM-Beträge einzulassen, um

16

1 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 68 f. und dazu insbesondere K. Schmidt, NJW 1980 1769, 1770; Kreuzer, ZIP 1980, 597, 598 f.; Priester, DNotZ 1980, 515, 517; Th. Raiser, S. 22 ff. 2 Seibert, ZIP 1997, 1259; ZGR 1998, 1, 5; Geyrhalter, ZIP 1998, 1608, 1613; Schick/ Trapp, GmbHR 1998, 209, 212.

H. Winter/H. P. Westermann

|

405

§5

Stammkapital, Stammeinlage

die spätere Umsetzung in die geforderten glatten Euro-Beträge zu ermöglichen. Die Bezugnahme des Gesellschaftsvertrages auf DM ist nämlich nach dem Ende der Übergangszeit kraft Gesetzes als eine solche auf Euro zum genannten Umrechnungskurs zu verstehen (Art. 1, 13, 14 EuroVO II)1; gebrochene DMZahlen, die sich bei den obigen Festsetzungen ergeben haben, wandeln sich damit ohne weiteres in glatte Euro-Beträge2. Eine Anpassung des Satzungswortlauts schreibt das Gesetz nicht vor, aber sie ist – auch schon vor dem Ablauf der Übergangszeit – nach Maßgabe des § 86 Abs. 3 Satz 1 u. 2 möglich und spätestens bei einer Kapitaländerung nach dem 31. 12. 2001 analog § 86 Abs. 1 Satz 4 erforderlich. 17

bb) Die Altgesellschaften durften ihr auf DM lautendes Stammkapital ohne zeitliche Begrenzung beibehalten (§ 86 Abs. 1 Satz 1). Hierzu gehören alle Gesellschaften, die vor dem 1. 1. 1999 in das Handelsregister eingetragen oder vor diesem Zeitpunkt zum Handelsregister angemeldet worden sind3, aber erst danach bis zum 31. 12. 2001 eingetragen wurden. Für sie galten die bisherigen Mindestbeträge des Stammkapitals von 50 000 DM und der Stammeinlagen sowie Geschäftsanteile von 500 DM (§§ 5 Abs. 1, 17 Abs. 4 a.F.) und die Teilbarkeitsziffer von 100 (§ 5 Abs. 3 a.F.) unverändert weiter (§ 86 Abs. 1 Satz 2). Auch frühere Vorschriften über abweichende Mindest- und Teilbarkeitssätze (§§ 57h Abs. 1 Satz 2, 58a Abs. 3 Satz 2 a.F. GmbHG, §§ 46 Abs. 1 Satz 3, 54 Abs. 3 Satz 1, 55 Abs. 1 Satz 2, 243 Abs. 3 Satz 2 a.F. UmwG) blieben maßgeblich (s. auch § 318 Abs. 2 n.F. UmwG). Daran ändert nichts, wenn die auf DM lautenden Satzungsbestimmungen über das Stammkapital und die Stammeinlagen freiwillig durch eine gegenüber §§ 53 ff. erleichterte Satzungsänderung (§ 86 Abs. 3 Satz 1 u. 2 GmbHG, Art. 45 Abs. 1 EGHGB)4 rein rechnerisch entsprechend dem amtlichen Umrechnungskurs (Rdnr. 16) auf Euro umgestellt worden sind (§ 86 Abs. 1 Satz 3). Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Nennbeträge bei dieser Umstellung oder danach durch eine grundsätzlich den allgemeinen Vorschriften unterliegende Kapitaländerung (§ 86 Abs. 3 Satz 3) auf einen durch zehn teilbaren Betrag, mindestens jedoch auf fünfzig Euro gestellt worden sind5. Mit dieser Satzungsänderung, die nicht revidierbar ist, endet die Anwendbarkeit des früheren Rechts. Entgegen dem missverständlichen Wortlaut der Verweisung in § 86 Abs. 1 Satz 2 gilt das nach dem Sinn der Vorschrift nicht nur für die nach dem 31. 12. 2001 erfolgenden, sondern auch für die früheren An-

1 VO (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. 5. 1998 über die Einführung des Euro, ABl. EG Nr. L 139, 1. 2 Vgl. RegE z. EuroEG, BR-Drucks. 725/97, S. 107; Geyrhalter, ZIP 1998, 1608, 1613; Schick/Trapp, GmbHR 1998, 209, 212; Ulmer, Rdnr. 7. 3 Eine fehlerhafte Anmeldung (s. § 7 Rdnr. 15 f.) reichte nur dann aus, wenn der Mangel kurzfristig unschwer behebbar und auf die Zwischenverfügung des RegGerichts auch unverzüglich behoben worden ist; a.M. Geyrhalter, ZIP 1998, 1608, 1610 Fn. 7. 4 Zu den Einzelheiten des Umstellungsbeschlusses und der Registereintragung s. zu § 86. 5 Über die einzelnen Anpassungsmöglichkeiten vgl. Geyrhalter, ZIP 1998, 1608, 1611 ff.; Schick/Trapp, GmbHR 1998, 209, 212 ff.; Kallmeyer, GmbHR 1998, 963, 964 ff.; Waldner, ZNotP 1998, 490, 491 ff. Zur Berechnungsmethode für eine das Beteiligungsverhältnis wahrende Kapitalanpassung vgl. U. H. Schneider, NJW 1998, 3158, 3160 f.; Theile/Köhler, GmbHR 1999, 516.

406

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

passungen in der Übergangszeit1. Eine Änderung des Stammkapitals darf nach dem genannten Zeitpunkt nur noch in das Handelsregister eingetragen werden, wenn die dargestellte Anpassung der Gesellschaftsanteile vorher oder zumindest gleichzeitig vorgenommen worden ist (§ 86 Abs. 1 Satz 4). c) Bemessung des Stammkapitals Die Bestimmung der Höhe des statutarisch festzusetzenden Stammkapitals (Rdnr. 13) steht nach dem GmbHG, abgesehen von dem vorgeschriebenen Mindestbetrag (§ 5 Abs. 1), im freien Ermessen der Gesellschafter. Die Schrifttumsmeinung2, die abweichend von diesem früher unangefochtenen Grundsatz eine Pflicht zur Festsetzung eines dem Geschäftszweck und Geschäftsumfang „angemessenen Stammkapitals“ konstruiert, hat keine Grundlage im geltenden Recht3. Eine derartige Pflicht ergibt sich nicht aus dem GmbHG und ist auch nicht rechtsfortbildend aus den gesetzlichen Kapitalschutzvorschriften herzuleiten, die lediglich gewährleisten sollen, dass die Aufbringung eines Vermögensgrundstockes in Höhe des bekanntgemachten Stammkapitalbetrages gesichert ist und das Gesellschaftsvermögen bis zur Höhe dieses Betrages nicht durch Leistungen an die Gesellschafter als solche geschmälert wird (Rdnr. 10 ff.). Eine wirkliche Angemessenheitsrelation ist demgemäß unvereinbar mit der gesetzlichen Konzeption des Stammkapitals als einer nominalen Festgröße (Rdnr. 9)4, die weder das veränderliche wirtschaftliche Eigenkapital der Gesellschaft angibt (Rdnr. 9) noch den im Geschäftsverlauf wechselnden Anforderungen an die Finanzierung mit Eigenmitteln genügen könnte. Das entspricht auch dem in den Materialien5 besonders hervorgehobenen gesetzgeberischen Willen, es der Finanzierungsfreiheit der Gesellschafter zu überlassen, in welcher Form (Stammeinlagen, Nachschüsse, Nebenleistungen, Rücklagen) das erforderliche Eigenkapital bereitgestellt und welcher Teil als Stammkapital aufgebracht werden soll (§§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 4 und Abs. 2, 5, 26 ff., 29 Abs. 1, 42 Abs. 1). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus gesetzlich oder durch Rechtsfortbildung geschaffenen Regeln über Gesellschafterdarlehen (§§ 32a, 32b), die in keiner sachlichen Beziehung zur Stammkapitalhöhe steht, sondern die ganz andere Frage betrifft, unter welchen Voraussetzungen die Rückgewähransprüche der Gesellschafter über die der GmbH gegebenen Fremdmittel trotz dieses Rechtscharakters im Insolvenzfalle gegenüber den Forderungen anderer Gläubiger nachrangig sein sollen. Auch hier gibt es nämlich keinen rechtlichen Bewertungsmaßstab, nach dem sich die

1 Zutr. Geyrhalter, BB 1998, 905, 909; Kallmeyer, GmbHR 1998, 963. 2 So vor allem Wiedemann, in: Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, 1968, S. 17 f.; WM 1975 Beil. IV, 19 r. Sp.; GesR I, 226, 565 ff. m.w.N. 3 H.M.; vgl. BGHZ 31, 258, 268; 68, 312, 319; 76, 326, 334; 90, 381, 389; 127, 23; BAG, ZIP 1999, 24, 26; 1999, 878, 880; Ulmer, in: FS Duden, 1977, S. 661, 667; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 19 Rdnr. 48; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 308 ff.; Hommelhoff, S. 18; jeweils m.w.N.; s. aber auch BSG, GmbHR 1996, 604, 606. 4 BGHZ 31, 258, 268; 76, 326, 334. 5 Begr. z. Entw. d. GmbHG, BT-Drucks. 8/1347, S. 43.

H. Winter/H. P. Westermann

|

407

18

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Angemessenheit des Stammkapitals bestimmen ließe. Allerdings ist nicht zu leugnen, dass ein ungünstiges und wirtschaftlich bedrohliches Verhältnis von haftendem Kapital und Verbindlichkeiten die Kreditmöglichkeit einer Gesellschaft, auf die es für die Bestimmung einer „Krise“ im Sinne der Regeln über Eigenkapitalersatz entscheidend ankommt, regelmäßig beeinflussen wird. 19

Einen allgemeinen Haftungs- und Kontrolltatbestand der Unterkapitalisierung gibt es somit nicht, es ist nicht damit zu rechnen, dass die Entwicklung des GmbH-Rechts in diese Richtung gehen wird. Wohl kann eine krasse Unterkapitalisierung zusammen mit anderen Tatbeständen wie der Vermögensvermischung zu den Anhaltspunkten für einen Haftungsdurchgriff gehören (§ 13 Rdnr. 76 ff.) und könnte bei Eingriffen der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen zur „Existenzvernichtungshaftung“ führen1; zum Letzten § 13 Rdnr. 99 ff. Eine verbreitete Schrifttumsmeinung2 erkennt die Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter zwar grundsätzlich an, will sie aber durch ein Verbot der eindeutig unzureichenden oder völlig unangemessenen Kapitalausstattung begrenzen, dessen Verletzung sogar ein Eintragungshindernis bilden3 und nach erfolgter Eintragung u.U. die persönliche Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden auslösen soll. Die Kapitalschutzvorschriften und der Sinnzusammenhang zwischen ihnen und der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung (§ 13 Abs. 2), auf die sie das Verbot ebenfalls stützt4, ergeben jedoch nichts für eine Beschränkung der Satzungsautonomie zur Bestimmung der Stammkapitalhöhe5 und gestatten erst recht keine Ableitung von rechtlichen Anforderungen an die Finanzierung des Gesellschaftsunternehmens, die für eine „wirtschaftliche Soliditätsgarantie“ allein relevant sein könnte. Die hier angedeutete Verbotsformel6 räumt zudem trotz der aufgenommenen Einschränkungen („eindeutig“ oder „völlig unangemessen“) die aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit erhobenen Bedenken7 1 So auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5. 2 Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 57 ff.; Lutter, ZGR 1982, 244, 249 f.; Hommelhoff, S. 19 f.; Ulmer, in: FS Duden, S. 669 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Lutter/ Hommelhoff, § 13 Rdnr. 6 ff. 3 Wiedemann, GesR I, S. 572; dagegen Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9. 4 Die Funktion eines den Unternehmensbestand schützenden „Risikopolsters“ kann nicht das Stammkapital (so Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 58 f.; Lutter, ZGR 1982, 244, 249; s. auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5), sondern nur das jeweils vorhandene Eigenkapital haben. 5 Vgl. Hofmann, NJW 1966, 1941, 1944 ff.; Sonnenberger, NJW 1969, 2033, 2034; Benne, Haftungsdurchgriff bei der GmbH, 1978, S. 64 ff., 175 ff.; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 308 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8 f. 6 Ulmer, in: Hachenburg, § 30 Anh. Rdnr. 55 verlangt eine „eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichende Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft, die einen Misserfolg zu Lasten der Gläubiger bei normalem Geschäftsverlauf mit hoher, das gewöhnliche Geschäftsrisiko deutlich übersteigender Wahrscheinlichkeit erwarten lässt“. 7 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 38 f.; BGHZ 31, 258, 268; 76, 326, 334; 90, 381, 389; BAG, ZIP 1999, 878, 879 f.; BGH, NJW 1999, 2809 (anders aber BSG, GmbHR 1996, 605); Benne, Haftungsdurchgriff bei der GmbH, 1978, S. 72; K. Schmidt, JZ 1984, 771, 777 f.; Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 123, 145 f.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 30.

408

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

nicht aus, die sich aus dem Fehlen zureichender rechtlicher Bewertungsmaßstäbe für das Ausreichen oder die Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung ergeben1. Die Vorschriften über die Handelsregisteranmeldung (§§ 7, 8) fordern keinerlei Unterlagen über die geplante Unternehmensfinanzierung und machen damit zugleich deutlich, dass sie grundsätzlich nicht der Gegenstand der registerrichterlichen Prüfung und die unzulängliche Eigenkapitalausstattung jedenfalls nicht Eintragungshindernis sein sollte (s. § 9c Rdnr. 35). Nur wenn feststeht, dass die Gesellschaftsgründung nach den Gesamtumständen auf eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung anderer angelegt ist, kommt eine Zurückweisung des Eintragungsantrages in Betracht2. d) Sondervorschriften Einer Kapitalanlagegesellschaft in der Rechtsform der GmbH darf die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb nicht erteilt werden, wenn das (eingezahlte) Stammkapital weniger als 2,5 Mio. Euro beträgt (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 InvG). Die Zulassung anderer Kreditinstitute ist dagegen davon abhängig, dass die Gesellschaft „ein angemessenes haftendes Eigenkapital“ hat (§§ 10 f., 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG), bei Betrieb des Depositen- und Kreditgeschäfts den Gegenwert von 5 Mio. Euro an eingezahltem Kapital. Die Prüfung dieser Voraussetzungen obliegt der BaFin (§ 32 Abs. 2 KWG), die die Frage des „Ausreichens“ und der „Angemessenheit“ des Eigenkapitals im Regelfall nach Maßgabe der dafür im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank nach Anhörung der Spitzenverbände der Kreditinstitute von ihm aufgestellten Grundsätze beantwortet (§ 10 Abs. 1 KWG). Das Registergericht darf die Gesellschaft nur eintragen, wenn ihm die Erlaubnis nachgewiesen worden ist (§ 43 Abs. 1 KWG). Ein eigenes Prüfungsrecht bezüglich der angeführten Erlaubnisvoraussetzungen hat es nicht (s. auch § 8 Rdnr. 30). Über die Mitwirkungsrechte der BaFin beim Eintragungsverfahren vgl. § 43 Abs. 3 KWG. Zu Besonderheiten bei der Mindesteinzahlung s. § 7.

20

3. Verstoßfolge Die Verletzung der Vorschrift über das Mindeststammkapital (§ 5 Abs. 1) führt zur Nichtigkeit der statutarischen Stammkapitalfestsetzung. Sie ist ein vom Registergericht zu beachtendes Eintragungshindernis (s. § 9c Rdnr. 16 ff.). Wird die Gesellschaft dennoch eingetragen, so ist nur das Amtsauflösungsverfahren gem. § 144a FGG gegeben (s. Erl. zu § 60). Die Nichtigkeitsklage (§ 75 Abs. 1) und die Amtslöschung (§ 144 Abs. 1 Satz 2 FGG) beschränken sich dagegen auf den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag keine Bestimmung über die Höhe des

1 Es gibt auch keine gesicherten betriebswirtschaftlichen Regeln zur Bestimmung des „zureichenden“ oder „angemessenen“ Eigenkapitals; vgl. Rogusch, S. 66 ff., 186 ff., 277 ff. u. K. Schmidt, JZ 1984, 771, 777 f., jeweils m.w.N. 2 Zutr. K. Schmidt, GesR, § 18 II 4, 34 II 3b. Nach Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6 erfüllt die eindeutige Unterkapitalisierung „meist, wenn nicht stets“ die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB); s. auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 37.

H. Winter/H. P. Westermann

|

409

21

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Stammkapitals enthält oder, was dem gleichsteht, die Angabe unklar ist1. Andere Mängel der Stammkapitalfestsetzung genügen dagegen nicht.

III. Stammeinlagen 1. Allgemeines 22

Eine Stammeinlage muss jeder Gesellschafter übernehmen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4). Das Gesetz versteht darunter den Gesellschafterbeitrag, der zur anteiligen Aufbringung eines dem statutarisch festgelegten Stammkapitalbetrag (Rdnr. 9, 13) entsprechenden Gesellschaftsvermögens vereinbart worden ist. Sie ist im Gesellschaftsvertrag in Euro betragsmäßig festzusetzen (§§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 1 u. 3 Satz 2); s. dazu aber Rdnr. 16. Die Einlageleistung kann in Geld inländischer Währung oder in sonstigen Gegenständen bestehen, soweit sie zur Aufbringung des Stammkapitals geeignet sind (sog. Sacheinlagen; s. Rdnr. 36 ff.). Wenn der Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt (§ 5 Abs. 4 Satz 1), hat die Einlageleistung in Geld zu erfolgen.

23

Außer der Stammeinlage können für alle oder für einzelne Gesellschafter auch andere Beitragsleistungen im Gesellschaftsvertrag in der Form von sog. Nebenleistungs- oder von Nachschusspflichten (§§ 3 Abs. 2, 26 ff.) vereinbart werden, die nicht der Aufbringung des Stammkapitals dienen und deren Leistung daher nicht den speziellen Gläubigerschutzvorschriften (s. Rdnr. 11) unterliegt. Die Nachschüsse, die nur in Geld zulässig sind (§ 26 Abs. 1: „Einzahlungen“), haben aber ebenfalls den Charakter von Leistungen auf das Eigenkapital der Gesellschaft, während das für die sog. Nebenleistungen, die in Geld oder (ohne die in Rdnr. 22 erwähnte Einschränkung) in anderen Gegenständen bestehen können, der Fall sein kann (z.B. Aufgeldzahlungen), aber nicht sein muss. In der Bilanz der Gesellschaft sind die eingeforderten Nachschüsse nach § 42 Abs. 2 Satz 3 und die Nebenleistungen auf das Eigenkapital nach § 272 Abs. 2 HGB auf der Passivseite in dem Posten „Kapitalrücklage“ auszuweisen2. Die Rückgewähr solcher Leistungen unterliegt, soweit sie nach dem Gesellschaftsvertrag zulässig ist3, nicht der Kapitalbindung gem. §§ 30, 314, wohl aber bei Nachschüssen den Einschränkungen des § 30 Abs. 2 Satz 2 u. 3. Etwas anderes gilt insoweit grundsätzlich für die Nebenleistungsvereinbarungen i.S. des § 3 Abs. 2, die die Gesellschafter lediglich zur Bereitstellung von Fremdmitteln (Darlehen, Sachleihe) oder zum Abschluss sonstiger Geschäfte verpflichten5, bei der Befriedigung oder Sicherung von Ansprüchen auf Darlehensrückgewähr

1 Ulmer, Rdnr. 22. 2 Für das Agio nämlich Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung von Unternehmen, § 272 Rdnr. 71 ff. 3 Bei Beitragsleistungen gem. § 3 Abs. 2 ist das regelmäßig nicht der Fall, anders bei Nachschüssen (s. Erl. zu § 26). 4 Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949, S. 91 ff.; Ulmer, Rdnr. 183; ähnlich Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8. 5 Die Kapitalerhaltungsregeln sind aber bei der Bemessung einer Gegenleistung zu beachten; vgl. dazu Ullrich, ZGR 1985, 235, 258 ff. m.w.N.; s. § 30 Rdnr. 32 ff.

410

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

können die Sondervorschriften über Kapitalersatz eingreifen (s. zu §§ 32a, 32b); auch kommt eine Qualifizierung als „Finanzplankredit“ in Betracht, s. §§ 32a, 32b Rdnr. 97 ff. Der Begriff des Geschäftsanteils ist von dem der Stammeinlage zu unterscheiden. Ersterer bezeichnet die durch die Beteiligungserklärung begründete Rechtsstellung des Gesellschafters, die Mitgliedschaft und die hieraus sich ergebende Gesamtheit seiner Rechte und Pflichten (vgl. § 14 Rdnr. 2). Ein Zusammenhang zwischen beiden besteht nur insofern, als die Entstehung des Geschäftsanteils von der Übernahme einer Stammeinlage abhängt und sein Nennbetrag sich nach ihrer Höhe bestimmt (§ 14).

24

2. Bildung der Stammeinlagen a) Nur eine Stammeinlage Nur eine Stammeinlage kann jeder Gesellschafter bei der Errichtung der GmbH und bei einer späteren Kapitalerhöhung übernehmen (§§ 5 Abs. 2, 55 Abs. 4). Zum (nicht mehr ganz zeitgemäßen) Zweck dieser Bestimmungen s. Rdnr. 2, 4. Das Gesetz schließt nämlich nicht aus, dass der Gesellschafter seinen Geschäftsanteil mit Zustimmung der Gesellschaft in Teilen veräußert (§ 17) oder dass er nach der Eintragung weitere selbständig bleibende, also nicht mit den bisherigen verschmelzenden Geschäftsanteile1 durch Abtretung, Erbfolge und eine spätere Kapitalerhöhung hinzuerwerben kann (§§ 15 Abs. 2, 55 Abs. 3); zur Umwandlung s. Rdnr. 5. Eine unzulässige Umgehung des § 5 Abs. 2 wäre es aber, wenn die Gesellschafter aus einer bereits im Gründungsstadium beschlossenen Kapitalerhöhung zusätzliche Geschäftsanteile erwerben wollten; es erhöht sich dadurch nur die ursprüngliche Stammeinlage2.

25

Das Verbot betrifft nur die Übernahme mehrerer Stammeinlagen durch denselben Gesellschafter. Unzulässig ist daher auch die Übernahme je einer Stammeinlage unter dem bürgerlichen Namen und unter der anders lautenden einzelkaufmännischen Firma des Gesellschafters3. Das Verbot steht aber nicht entgegen, wenn eine Gesamthandsgemeinschaft und zugleich die Gesamthänder oder einzelne von ihnen jeweils eine Stammeinlage übernehmen4. Das gilt nicht nur für die unter einer einheitlichen Firma handelnden Personenhandelsgesellschaften (§§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB), sondern auch für andere Gesamthandsgemeinschaften (bürgerlich-rechtliche Gesellschaft, Erbengemeinschaft u.a.), die in ihrer personen- und vermögensrechtlichen Verbundenheit als verselbständigte und rechtsfähige Übernehmer in Betracht kommen. Erklären mehrere Übernehmer von Stammeinlagen, dass sie das Restkapital „gemein-

26

1 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; zur Möglichkeit der Zusammenlegung vgl. auch § 15 Rdnr. 45 f. 2 RG, LZ 1918, 856. 3 OLG Frankfurt, GmbHR 1962, 157; Ulmer, Rdnr. 20; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 23; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12. 4 Ulmer, Rdnr. 21; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 23; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 19 Rdnr. 51.

H. Winter/H. P. Westermann

|

411

§5

Stammkapital, Stammeinlage

schaftlich“ übernehmen, so ist das im Zweifel dahingehend auszulegen, dass die gesamthänderische Übernahme einer Stammeinlage in dieser Höhe gewollt ist1. 27

Bei einer im Gesellschaftsvertrag vorgenommenen Zerlegung der zu erbringenden Stammeinlage eines Gesellschafters ist stets durch Auslegung zu prüfen, ob der Wille der Parteien dahin ging, mehrere Geschäftsanteile (Beteiligungen) zu begründen oder nur eine rein rechnerische Aufteilung vorzunehmen. In dem Bestreben, die Nichtigkeit der Übernahme möglichst zu vermeiden, wird im Zweifel angenommen, dass eine bloß rechnerische Zerlegung gemeint sei2. Unschädlich ist es, wenn die Zerlegung nur dem Zweck dient, die Verschiedenartigkeit von Einlagegegenständen hervorzuheben. Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 ist nicht dadurch auszuräumen, dass nur die Teilung der Stammeinlage als ungültig und die Gesamtübernahme als wirksam behandelt wird. Darin läge eine unzulässige Umdeutung des Parteiwillens3. b) Höhe der Stammeinlage

28

Die Stammeinlagen der Gesellschafter können verschieden groß sein (§ 5 Abs. 3 Satz 1). Gemeint ist hier die betragsmäßig im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Größe (Rdnr. 22), die zugleich die Identitätsbezeichnung des Geschäftsanteils darstellt und mangels abweichender statutarischer Regelung den Beteiligungsmaßstab angibt (s. § 14 Rdnr. 1, 6).

29

Der ordentliche Mindestbetrag, der bei der Festsetzung der Stammeinlage nicht unterschritten werden darf, beträgt 100 Euro (§ 5 Abs. 1); vgl. dazu aber Rdnr. 15 ff. Er verringert sich auf 50 Euro bei der Entstehung der GmbH durch Umwandlung (Rdnr. 5), bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (Rdnr. 6), bei der Kapitalerhöhung zum Zwecke der Verschmelzung oder Spaltung (Rdnr. 6) und bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung (Rdnr. 7). Erfolgt eine Kapitalerhöhung durch die Aufstockung der bisherigen Stammeinlagen, so gilt der Mindestbetrag nicht (s. Erl. zu § 55).

30

Der Stammeinlagebetrag muss durch fünfzig Euro teilbar sein (§ 5 Abs. 3 Satz 2). Für die in der vorangehenden Anmerkung angeführten Ausnahmefälle des herabgesetzten Mindestbetrages genügt die Teilbarkeit durch zehn (s. Rdnr. 5 ff.). Wenn in einem Vorvertrag zur Gründung einer GmbH bei den verabredeten Stammeinlagen die vorgeschriebene Teilbarkeit nicht beachtet worden ist, können die Vertragspartner u.U. verpflichtet sein, der mit den geringsten Abstrichen und Zuzahlungen verbundenen Lösung zuzustimmen4. Das gilt aber nur dann, wenn nicht andere wesentliche Interessen dem entgegenstehen, z.B. die Mehrheitsverhältnisse sich verändern würden. Der Vertrag kann mit den vereinbarten Höhen der Stammeinlage nicht aufrechterhalten werden, auch nicht die der Regel widersprechende Veräußerung eines Teil-Ge1 2 3 4

RGZ 83, 256, 263; Ulmer, Rdnr. 21. RGZ 83, 256, 263; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 24; krit. aber Feine, S. 97. Vgl. OLG Frankfurt, GmbHR 1962, 157 m. zust. Anm. Winter. BGH, NJW 1969, 1856.

412

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

schäftsanteils, zu der sich auch die Parteien schuldrechtlich nicht gültig verpflichten können (§ 134 BGB)1. c) Der Gesamtbetrag der Stammeinlagen Der Gesamtbetrag der Stammeinlagen muss mit dem Betrag des Stammkapitals übereinstimmen (§ 5 Abs. 3 Satz 3), was bedeutet, dass die von den Gründern übernommenen Stammeinlagen das Kapital voll abdecken müssen, was freilich über das Gründungsstadium hinaus nicht immer gesichert ist2. Die Unwirksamkeit einer Beteiligungserklärung (s. § 2 Rdnr. 66 ff.) ist nicht hier, sondern nur im Rahmen des Amtsauflösungsverfahren gem. § 144a FGG (s. Erl. zu § 60) von Bedeutung.

31

An einer Übereinstimmung mangelt es nicht nur dann, wenn die Summe der für die Gesellschafter festgesetzten Stammeinlagen ziffernmäßig vom Stammkapital abweicht, sondern auch wenn die Höhe einer Einlage nicht eindeutig angegeben ist. Es geht deshalb nicht nur um die Wirksamkeit der Beitrittserklärung, wenn die Stammeinlagen der Gesellschafter zunächst zwar richtig festgesetzt, an anderer Stelle des Gesellschaftsvertrages bei der Angabe der von den Gesellschaftern zu erbringenden Leistungen aber andere Beträge genannt sind und dieser Widerspruch nicht durch Auslegung zu beheben ist (so kann z.B. eine Mischeinlage [Rdnr. 81] gewollt und der in Geld zu erbringende Einlageteil nur versehentlich weggelassen worden sein). Es wird auch überlegt, ob man mit einer sozusagen „rechnerischen Zerlegung“ der unterschiedlichen Angaben in zwei getrennte Erklärungen helfen kann, um die als übermäßig hart empfundene Nichtigkeitssanktion zu vermeiden3; das ist aber mit der gesetzlichen Anordnung doch nicht vereinbar, der Registerrichter darf nicht eintragen, im Beanstandungsverfahren nach § 144a FFG muss den Gesellschaftern gestattet sein, sie sind aber auch verpflichtet, an der Behebung des Mangels durch Zusammenfassung von Stammeinlagen mitzuwirken. Anders ist die Rechtslage, wenn die unterschiedlichen Angaben dahingehend auszulegen sind, dass dem Gesellschafter auf die übernommene Stammeinlageverpflichtung im voraus ein Nachlass (Abschlag) eingeräumt wird. Darin liegt dann – abgesehen von der Verbotswidrigkeit einer Unterpari-Ausgabe (Rdnr. 34) – zwar eine unzulässige Umgehung des § 5 Abs. 3 Satz 3; nach der Eintragung ist aber § 19 Abs. 2 Satz 1 mit der Folge anzuwenden, dass die Abrede über den Nachlass als unwirksam anzusehen und dass der Gesellschafter zur Leistung der vollen Einlage verpflichtet ist4.

32

Der Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 3 steht es nicht entgegen, wenn der Gesellschafter für die Beteiligung über den Nennbetrag der Stammeinlage hinaus eine

33

1 BGH, ZIP 2005, 1824 = GmbHR 2005, 1460 mit Komm. Liese; s. auch Anm. Lange, WuB IV A § 134 BGB 1.06 mit Erörterung der Frage, ob etwa bei Einfügung des Geschäfts in einen Plan für die Gestaltung einer Unternehmensnachfolge eine Gesamtbewertung mehrerer Geschäfte zu einem anderen Ergebnis führen kann. 2 Eb. Lutter, Kapital, S. 69; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; a.M. Feine, S. 100. 3 RGZ 83, 256; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 24. 4 Ulmer, Rdnr. 186.

H. Winter/H. P. Westermann

|

413

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Zuzahlung leisten oder einen höherwertigen Gegenstand einbringen soll. Die Vereinbarung eines solchen Agios (Aufgelds) ist rechtlich zulässig1. Es ist nicht ein Teil der Stammeinlagepflicht, sondern regelmäßig eine Nebenleistungspflicht i.S. des § 3 Abs. 2 (Rdnr. 23)2, die – wie auch die Nachschüsse (§§ 26 ff.) – bei der summenmäßigen Übereinstimmung gem. § 5 Abs. 3 Satz 3 außer Betracht zu bleiben hat und auch an der Kapitalbindung nach §§ 30, 31 nicht teilnimmt3. Der Agiobetrag ist in die Rücklage einzustellen (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB); bei Sacheinlagen gilt das aber nur, wenn sie zu dem übersteigenden Wert eingebracht (also nicht bloß unterbewertet4) sind. Die Verwendung der Leistung ist anders als im Aktienrecht (§ 150 Abs. 3 u. 4 AktG) zwar nicht gesetzlich geregelt, aber Beschränkungen können sich aus dem Sinn der Agiovereinbarung ergeben.

3. Verbot der Unterpari-Ausgabe 34

Trotz des Fehlens eines dem § 9 Abs. 1 AktG entsprechenden ausdrücklichen gesetzlichen Verbots folgt aus dem Sinn der Vorschriften über die Sicherung der Aufbringung des Stammkapitals (Rdnr. 12), insbesondere aus den §§ 9 Abs. 1, 19 Abs. 2, auch für das GmbH-Recht, dass die Vereinbarung einer den Nennbetrag der Stammeinlage unterschreitenden Einlageleistung zwingend verboten ist5. Der Verstoß gegen das Verbot hat die Unwirksamkeit der Beteiligungserklärung zur Folge6. Wird die Gesellschaft trotz dieses Gründungsmangels und der Verletzung des § 5 Abs. 3 Satz 3 (s. Rdnr. 35) eingetragen, so ist aber nicht das Amtsauflösungsverfahren gem. § 144a FGG gegeben, sondern der Gesellschafter ist in sinngemäßer Anwendung des § 19 Abs. 2 zur Leistung des vollen Stammeinlagebetrages verpflichtet7. Zu den Besonderheiten der Überbewertung von Sacheinlagen vgl. Rdnr. 56 ff.

4. Verstoßfolgen 35

Die Vorschriften über die Bildung der Stammeinlagen (§ 5 Abs. 1 bis 3) sind zwingend. Verstöße gegen sie führen daher zur Nichtigkeit der fehlerhaften Stammeinlagefestsetzung (§ 3 Abs. 1 Nr. 4). Bei Nichtübereinstimmung des Gesamtbetrages der Stammeinlagen mit dem Stammkapital (§ 5 Abs. 3 Satz 3) 1 Ulmer, Rdnr. 181; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Meyer-Landrut, Rdnr. 21; a.M. Brodmann, § 3 Anm. 7d. 2 Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 103; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Ulmer, Rdnr. 186; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8. 3 Ulmer, Rdnr. 183. 4 Ob im Falle bewusster Unterbewertung von Sacheinlagen eine Überpari-Ausgabe angenommen werden kann (Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 30) oder nicht, ist str., näher Rdnr. 56. 5 BGHZ 68, 191, 195 f.; Lutter, Kapital, S. 159; Ulmer, Rdnr. 185; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8. 6 Zutr. Lutter, Kapital, S. 161; zögernd auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 24. 7 Lutter, Kapital, S. 161; Ulmer, Rdnr. 186.

414

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

trifft der Mangel sämtliche Einlagefestsetzungen. Die Verstöße stellen vom Registergericht zu beachtende Eintragungshindernisse dar. Ist die Gesellschaft dennoch eingetragen worden, so kommt in den vorliegenden Fällen weder die Nichtigkeitsklage (§ 75 Abs. 1) noch die Amtslöschung (§ 144 FGG) in Betracht, sondern es ist nur das Amtsauflösungsverfahren (§ 144a FGG, § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG) gegeben. Soweit das Stammkapital durch die festgesetzten Stammeinlagen nicht vollständig gedeckt ist, kann der Mangel entweder durch eine Kapitalherabsetzung gem. § 58 oder durch die Schaffung neuer Stammeinlagen im Wege der Satzungsänderung und deren Übernahme analog § 55 Abs. 1 (s. § 2 Rdnr. 71) behoben werden1. Vorher ist eine Gewinnausschüttung bis zur Ansammlung eines das Stammkapital deckenden Gesellschaftsvermögens ausgeschlossen (§ 30); eine Gesamthaftung der Gesellschafter gem. § 24 für den Fehlbetrag ist dagegen nicht gegeben2.

IV. Sacheinlagen (§ 5 Abs. 4) Schrifttum: Angermayer, Die aktienrechtliche Prüfung von Sacheinlagen, 1994; Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Barz, Know-how als Einbringungsgegenstand, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 157; Battes, Die Überbewertung von Sacheinlagen im in- und ausländischen GmbH-Recht und bei der englischen Private Company, 1967; Bayer, Unwirksame Leistungen auf die Stammeinlage und nachträgliche Erfüllung – Zugleich Besprechung der Entscheidung des BGH v. 2. 12. 2002 – II ZR 101/02, GmbHR 2004, 445; Boehme, Kapitalaufbringung durch Sacheinlagen, insbesondere obligatorische Nutzungsrechte, 1999; Bongen/Renaud, Sachübernahmen, GmbHR 1992, 100; Bork, Die Einlagefähigkeit obligatorischer Nutzungsrechte, ZHR 154 (1990), 205; Delmas, Die Bewertung von Sacheinlagen in der Handelsbildung von AG und GmbH, 1997; Döllerer, Das Kapitalnutzungsrecht als Gegenstand der Sacheinlage bei Kapitalgesellschaften, in: FS Fleck, 1988, S. 35; Ekkenga, Zur Aktivierungs- und Einlagefähigkeit von Nutzungsrechten nach Handelsbilanz- und Gesellschaftsrecht, ZHR 161 (1997), 599; Emde, Zur Frage der Verdoppelung der Einlagepflicht der Gesellschafter einer VorratsGmbH bei unmittelbarer Rückzahlung des Einlagebetrages, GmbHR 2006, 308; Ensslin/Stauder, Rechtsfragen bei mangelhafter Sacheinlage in die GmbH, GmbHR 1968, 155; Ettinger/Reiff, Heilungsmöglichkeiten der fehlerhaften Kapitalaufbringung bei der Vor-GmbH, GmbHR 2005, 324; Fabritius, Die Überlassung von Anlagevermögen an die GmbH durch die Gesellschafter, 1987; Festl-Wietek, Bewertung von Sacheinlagen, Umwandlungen und Verschmelzungen, BB 1993, 2410; Frey, Einlagen in Kapitalgesellschaften, 1990; E. Gessler, Die Umwandlung von Krediten in haftendes Kapital, in: FS Möhring, 1975, S. 173; Günthner, Probleme bei der Sachgründung einer GmbH, NJW 1975, 524; Haas, Gesellschaftsrechtliche Kriterien für die Sacheinlagefähigkeit von obligatorischen Nutzungsrechten, in: FS Döllerer, 1988, S. 169; Habersack, Die gemischte Sacheinlage, in: FS Konzen, 2006, S. 179; Hachenburg, Gemischte Sacheinlage bei der GmbH, LZ 1907, 278; Heidenhain, Katastrophale Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen, GmbHR 2006, 455; Henkel, Die verdeckte Sacheinlage im GmbH-Recht unter Beteiligung von dem Gesellschafter nahestehenden Personen, GmbHR 2005, 1589; Hügel, Die Bewertung von Sacheinlagen im Handelsrecht und Steuerrecht, GesRZ 1993, 29; Knobbe-Keuk, Obligatorische Nutzungsrechte als Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, ZGR 1980, 214; Knobbe-Keuk, „Umwandlung“ eines Personenunternehmens in eine GmbH und

1 So zu Recht Ulmer, Rdnr. 23. 2 Ulmer, Rdnr. 23.

H. Winter/H. P. Westermann

|

415

§5

Stammkapital, Stammeinlage

verschleierte Sachgründung, ZIP 1986, 885; Kußmaul, Sind Nutzungsrechte Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter, BB 1987, 2053; Langner, Verdeckte Sacheinlagen bei der GmbH – Die unendliche Geschichte des richtigen Einbringungsgegenstandes, GmbHR 2004, 298; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964; Lutz/Matschke, Zur Bewertung von Sacheinlagen bei Gründung und Kapitalerhöhung unter dem Aspekt des Gläubigerschutzes, WPg 1992, 741; Meilicke, Obligatorische Nutzungsrechte als Sacheinlage, BB 1991, 579; Möhring, Erbringung von Stammeinlagen bei einer GmbH durch Aufrechnung, in: FS R. Schmidt, 1976, S. 85; H. P. Müller, Differenzierte Anforderungen für die Leistung von Sacheinlagen in das Eigenkapital von Kapitalgesellschaften, in: FS Heinsius, 1991, S. 591; W. Müller, Die Verwendung von Gesellschafterforderungen zur Erfüllung von Einlageverpflichtungen bei Gründung und von Übernahmeverpflichtungen bei Erhöhung des Stammkapitals der GmbH, WPg 1968, 173; Pentz, Neues zur verdeckten Sacheinlage, ZIP 2002, 2093; Pfister, Das technische Geheimnis „Know-how“ als Vermögensrecht, 1974; H. J. Priester, Die Verwendung von Gesellschafterforderungen zur KapErhöhung bei der GmbH, DB 1976, 1801; H. J. Priester, Die Festsetzung im GmbH-Vertrag bei Einbringung von Unternehmen, BB 1980, 19; H. J. Priester, Ansatz des originären Firmenwertes in Einbringungs- und Umwandlungsbilanzen, in: FS Nirk, 1992, S. 893; v. Rössing, Die Sachgründung nach der GmbH-Novelle 1980, 1984; K. Schmidt, Obligatorische Nutzungsrechte als Sacheinlagen, ZHR 154 (1990), 237; Schmidt-Troschke, Einbringung einer Generallizenz in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschafterrechten, BB 1996, 1530; Schönle, Die Haftung des GmbH-Gesellschafters für mangelhafte Sacheinlagen, NJW 1966, 2133; Schöpflin, Die Lehre von der verdeckten Sacheinlage – Eine gelungene Rechtsfortbildung? –, GmbHR 2003, 57; Siegelmann, Die Grundstückssacheinlage im Recht der GmbH, GmbHR 1968, 115; Skibbe, Dienstleistungen als Sacheinlage bei der GmbH, GmbHR 1980, 73; Sosnitza, Die Einlagefähigkeit von Domain-Namen, GmbHR 2002, 821; Ströber, Valutaforderungen zur Erfüllung von Stammeinlageverbindlichkeiten bei der GmbH zu Zeiten von Währungsschwankungen, DNotZ 1975, 17; H. Sudhoff, Dienstleistungen als Gesellschaftereinlage, NJW 1964, 1249; H. Sudhoff/M. Sudhoff, Die Sacheinlage bei Gründung einer GmbH, NJW 1982, 129; Steinbeck, Obligatorische Nutzungsrechte als Sacheinlagen und Kapitalersatz, ZGR 1996, 116; Trölitzsch, Differenzhaftung für Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, 1998; Vogel, Außenstände als Sacheinlagen, GmbHR 1953, 47; Wiedemann, Sacheinlagen in der GmbH, in: FS Hirsch, 1968, S. 257; Wohlschlegel, Gleichbehandlung von Sacheinlagen und Sachübernahmen im Gründungsrecht der GmbH, DB 1995, 2053; Wüst, Gläubigerschutz bei der GmbH, 1966.

1. Allgemeines 36

Die zur Beschaffung des Stammkapitals erforderlichen Stammeinlagen der Gesellschafter können in Geld oder durch andere Vermögenswerte belegt werden (Rdnr. 22). Zulässig und nicht selten ist die Verbindung beider Arten, zwischen denen freie Wahl besteht. Das Gesetz geht davon aus, dass mangels einer anderen Bestimmung im Gesellschaftsvertrag die Einlage in Geld deutscher Währung zu leisten ist (§ 19 Abs. 5). Das ist auch bei der Auslegung des Statuts zu berücksichtigen. Im Zweifel ist stets eine Geldeinlageschuld anzunehmen.

37

Die Neufassung des § 5 Abs. 4 verwendet in Abweichung vom früheren Recht nur noch den Begriff der „Sacheinlage“. Sie erwähnt die „Sachübernahmen“ nicht mehr ausdrücklich und enthält auch keine Legaldefinitionen mehr. Die 416

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Änderung hat, wie sich aus den Gesetzesmaterialien1 und andeutungsweise aus § 19 Abs. 5 ergibt, nur terminologische Bedeutung, sollte also das geltende Recht inhaltlich nicht ändern. Der Terminus „Sacheinlagen“ i.S. des § 5 Abs. 4 ist daher als Oberbegriff zu verstehen, der die Sacheinlagen i.e.S., d.h. die Pflicht zur Einlage von Sachwerten (Rdnr. 39 ff.), und die Sachübernahmen, d.h. die Tilgung der Geldeinlagepflicht durch die Verrechnung mit der Vergütung für von der Gesellschaft übernommene Sachwerte (Rdnr. 70 ff.), umfasst2. Die beiden Sachgründungstatbestände unterscheiden sich erheblich (Rdnr. 70) und sind im Hinblick auf die Sicherung der Kapitalaufbringung auch rechtlich teilweise differenzierend zu behandeln. Die Sachübernahmen ohne Verrechnungsabrede (vgl. § 27 Abs. 1 AktG) erfasst die Vorschrift des § 5 Abs. 4 dagegen wie früher nicht (Rdnr. 75)3. Sie können im Einzelfall aber als eine verschleierte Sachgründung zu beurteilen sein (Rdnr. 76 ff.). Die Aufrechnung mit Vergütungsansprüchen für die Überlassung von Vermögensgegenständen ohne Einhaltung der Sachgründungsvorschriften gegen die Stammeinlageforderung schließt § 19 Abs. 5 aus. Die Sachgründung kann für die Gesellschaft wirtschaftlich zwar wesentlich vorteilhafter sein als eine bloße Geldgründung, aber sie ist andererseits erfahrungsgemäß mit Gefahren für die Aufbringung des verlautbarten Stammkapitals verbunden, denen das Gesetz durch Sondervorschriften Rechnung zu tragen sucht. Es schreibt bestimmte Angaben über Sacheinlagen im Gesellschaftsvertrag (§§ 5 Abs. 4 Satz 1, 19 Abs. 5) sowie deren Veröffentlichung (§ 10 Abs. 3) vor, verlangt einen Sachgründungsbericht der Gesellschafter (§ 5 Abs. 4 Satz 2), gebietet die Einbringung der Einlagegegenstände vor der Anmeldung zum Handelsregister (§ 7 Abs. 3), fordert die Einreichung der zugrunde liegenden oder zur Ausführung geschlossenen Verträge (§ 8 Abs. 1 Nr. 4) sowie von Unterlagen über den Wert der Sacheinlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5), begründet eine Differenzhaftung bei Überbewertungen (§ 9) und begründet für das Registergericht eine besondere Prüfungspflicht bezüglich der Überbewertung (§ 9c Abs. 1 Satz 2). Unrichtige Angaben über Sacheinlagen ziehen darüber hinaus die Gründerhaftung (§§ 9a f.) und Strafbarkeit (§ 82 Abs. 1 Nr. 1–3) nach sich. Die GmbH-Novelle 1980, die einen Teil dieser Vorschriften eingeführt oder erweitert hat, hat damit die Anforderungen an die Sachgründung deutlich verschärft. Auch bei der Auslegung ist diese schon vorher in der Rechtsentwicklung sich abzeichnende Tendenz zu berücksichtigen4, ohne allerdings zu vom Gesetzgeber nicht gewollten Überspannungen zu kommen. Diese Gefahr besteht eher im Zusammenhang mit der Behandlung der sog. „verdeckten“ Sacheinlage (Rdnr. 76 ff.).

1 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 69; näher dazu Wohlschlegel, DB 1995, 2053 ff. 2 Vgl. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12, 37. 3 Die weitergehenden Vorschläge der §§ 5b, 12a RegE sind nicht Gesetz geworden; vgl. dazu Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 69 u. 73. 4 Vgl. RGZ 141, 204, 212; Ulmer, Rdnr. 26; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15.

H. Winter/H. P. Westermann

|

417

38

§5

Stammkapital, Stammeinlage

2. Die Sacheinlage im engeren Sinne a) Begriff 39

Sacheinlagen i.e.S. (Rdnr. 37) sind Beiträge der Gesellschafter zur anteiligen Aufbringung eines dem Stammkapital entsprechenden Vermögens (Stammeinlagen), die in anderen Vermögensgegenständen als Geld bestehen. Von den Nebenleistungspflichten gem. § 3 Abs. 2, die ebenfalls die Verschaffung von Sachwerten betreffen können, unterscheiden sie sich durch den vorgenannten Bestimmungszweck (Rdnr. 23). An dem im Schrifttum angeführten weiteren Unterscheidungsmerkmal, dass sie im Gegensatz zur Sacheinlage nicht zum Erwerb von Beteiligungsrechten führen könnten1, ist zutreffend, dass der Erwerb der Mitgliedschaft notwendigerweise die Übernahme einer Stammeinlage voraussetzt (Rdnr. 22); der Umfang der Beteiligungsrechte kann sich dagegen sehr wohl nach den Gesellschafterbeiträgen in Form von Nebenleistungen bestimmen (s. § 14 Rdnr. 6). Das Gesetz stellt den Gesellschaftern im Übrigen frei, welchen Weg sie zur Einbringung von Sachwerten in die Gesellschaft wählen wollen; es können auch rein schuldrechtliche Vereinbarungen ohne Einfluss auf das Mitgliedschaftsrecht getroffen werden. Die Vereinbarung einer entsprechenden Nebenleistungspflicht kann deshalb nicht ohne weiteres als eine verschleierte Sachgründung gewertet werden (Rdnr. 76 ff.)2. b) Sacheinlagevereinbarung

40

Die Sacheinlagevereinbarung ist im Gesellschaftsvertrag zu treffen (§ 5 Abs. 4 Satz 1). Über die notwendigen Festsetzungen im Einzelnen vgl. unten Rdnr. 86 ff. Sie ist nicht, wie vereinzelt angenommen wird3, ein zum Gesellschaftsvertrag hinzutretendes gesondertes Rechtsgeschäft (sog. Illationsvertrag), sondern ist ein unselbständiger und notwendiger Bestandteil des Gesellschaftsvertrages4. Die Abrede ist ein Teil der Beteiligungserklärung des Gesellschafters und regelt seine mitgliedschaftliche Beitragspflicht zur Aufbringung des Stammkapitals, woran es nichts ändert, wenn die Sacheinlage als körperschaftliches Hilfsgeschäft verstanden wird, weil man auch damit in ihr mehr sieht als „eine nach bestimmten Regeln zulässige datio in solutum einer primären Barleistungspflicht“5.

41

Die Sacheinlagevereinbarung betrifft die Begründung der Einlagepflicht. Nur sie und nicht das Vollzugsgeschäft ist im Gesellschaftsvertrag zu regeln. Die Sacheinlagen müssen aber vor der Anmeldung der Gesellschafter zur Eintragung in das Handelsregister an sie so bewirkt sein, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen (§ 7 Abs. 3). Das dazu erforderliche Rechtsge1 So Ulmer, Rdnr. 27. 2 Vgl. auch BGH, GmbHR 1970, 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17. 3 So z.B. Kraft, in: KölnKomm. AktG, § 27 Rdnr. 8 ff. u. Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, § 27 Rdnr. 21; anders heute Hüffer, AktG, § 27 Rdnr. 4. 4 Vgl. BGHZ 45, 338, 345; Feine, S. 182; Ulmer, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 21; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 50; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23. 5 So Lutter, Kapital, S. 269, 325 f. Fn. 510; Trölitzsch, S. 133 ff. m.w.N.

418

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

schäft kann – muss nicht – schon in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden1, was sich vor allem bei formbedürftigen Einbringungsakten empfiehlt. Die erwerbende Vorgesellschaft (s. Erl. zu § 11) wird in diesem Fall durch die Gründungsgesellschafter repräsentiert2. Das Verfügungsgeschäft verändert durch die Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag aber nicht seinen eigenständigen Rechtscharakter3. Näheres zur Einbringung der Sacheinlagen bei § 7. c) Gegenstand der Sacheinlage Die Eignung eines nicht in Geld bestehenden Gegenstandes zur Einlage regelt das GmbHG nicht ausdrücklich. Sie ist deshalb nach dem Zweck der Vorschriften über die Stammeinlage zu bestimmen, im Interesse der Gesellschafter und ihrer Gläubiger sicherzustellen, dass mindestens ein dem festgesetzten Stammkapital entsprechendes Gesellschaftsvermögen aufgebracht wird (Rdnr. 12, 22, 39). Es kommen danach, wie § 27 Abs. 2 AktG gemäß der seit langem allgemein anerkannten kapitalgesellschaftsrechtlichen Praxis vorschreibt, grundsätzlich nur verkehrsfähige Vermögensgegenstände mit einem feststellbaren wirtschaftlichen Wert in Betracht4. Der Begriff „Vermögensgegenstand“ umfasst – weiter gehend als § 90 BGB – nicht nur Sachen und Rechte, sondern darüber hinausgehend alle Güter, die ihrer Natur nach verkehrsfähig sind, einen eigenen gegenwärtigen Vermögenswert haben und in die Gesellschaft zur freien Verfügung eingebracht werden können (Rdnr. 44)5. Entscheidender Beurteilungsmaßstab für die Sacheinlagefähigkeit ist nach dem Gesetzeszweck im Einzelfall der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung (Rdnr. 11) und vor diesem Hintergrund – mit Unterschieden im Einzelnen – der Gleichwertigkeit (Äquivalenz) der Sach- mit einer Geldeinlage6.

42

Die Bilanzfähigkeit (Aktivierungsfähigkeit) des Gegenstandes, auf die in Anlehnung an eine kurze Bemerkung in den Motiven zu § 209b ADHGB (Aktienrechtsnovelle 1884)7 früher abgestellt wurde8, ist kein zusätzliches selbständiges Erfordernis der Sacheinlage9, auch nicht in Gestalt der Aktivierungs-

43

1 BGHZ 45, 338, 342; Ulmer, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33. 2 Ulmer, Rdnr. 31. 3 Ulmer, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21. 4 BGHZ 29, 300, 304; BGHZ 144, 290 = GmbHR 2000, 870; BGH, ZIP 2004, 1642 f. 5 Vgl. dazu Ulmer, Rdnr. 45; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 38; differenzierend Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Steinbeck, ZGR 1996, 117 ff., 121 ff. mit teilweise in Einzelheiten abw. Formulierungen. 6 Ulmer, Rdnr. 46; Knobbe-Keuk, ZGR 1980, 214, 215; Bork, ZHR 154 (1990), 205, 209; K. Schmidt, GesR, § 20 II 3; Steinbeck, ZGR 1996, 116, 119 ff.; Trölitzsch, S. 24 f.; krit. Frey, S. 100. 7 Abgedr. bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, ZGR-Sonderh. 4/1985, 387 ff., 436. 8 Vgl. KG, KGJ 44 A 146; 45 A 175; Feine, S. 107 f.; Vogel, Anm. 6; krit. dazu insbes. Lutter, Kapital, S. 229 ff. m.w.N. 9 Ulmer, Rdnr. 41; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 89; Hüffer, NJW

H. Winter/H. P. Westermann

|

419

§5

Stammkapital, Stammeinlage

fähigkeit1, denn die bilanzrechtlichen Kriterien beruhen nicht unbedingt auf der Realisierbarkeit eines Werts aus der Sicht des Gläubigerschutzes; eher ist die Bilanzierbarkeit eines Gegenstandes Folge seiner Einlagefähigkeit. Diese kann nicht durch Kriterien eingeschränkt werden, die der Zweck der obigen Vorschriften nicht fordert. Aus der Rechtspflicht zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz (§ 242 Abs. 1 HGB) ist Gegenteiliges nicht zu entnehmen. Die Eignungsvoraussetzungen ergeben vielmehr zugleich, dass die einlagefähigen Gegenstände in der Eröffnungsbilanz ausgewiesen werden dürfen und müssen2. Umgekehrt kann freilich eine anerkannte Praxis der Bilanzierungsfähigkeit eines Gegenstandes ein Indiz für seine Einlagefähigkeit sein3. 44

Der Einlagegegenstand muss zur Einbringung in die Gesellschaft geeignet sein. Eine Übertragbarkeit in dem Sinne, dass er danach ein zur Weiterveräußerung oder zur Ausübungsüberlassung an Dritte geeignetes Zugriffsobjekt für die Gesellschaftsgläubiger sein müsse4, ist dagegen nicht zu verlangen5. Das Gesetz will die Aufbringung eines realen Gesellschaftsvermögens sichern (Rdnr. 42), enthält aber keinerlei Anhaltspunkt für die Forderung, dass das Gesellschaftsvermögen sich bei der Anmeldung und später mindestens bis zur Stammkapitalhöhe nur aus Gegenständen zusammensetzen dürfe, die einer Einzelverwertung durch die Gläubiger zugänglich sind. Die Gläubigerschutzfunktion des Kapitalaufbringungsgrundsatzes (Rdnr. 42) liegt nicht in der – durch ihn ohnehin nur kurzfristig zu gewährleistenden – Eröffnung von Vollstreckungsmöglichkeiten in konkrete Gegenstände, sondern in der Beibringung eines realen Gesellschaftsvermögens zur Unternehmenssicherung6. Die obige Einschränkung würde zudem für das Gesellschaftsunternehmen u.U. besonders bedeutsame Gegenstände (z.B. Firma, einfache Lizenzen, Know-how, Vertretungen, Bierlieferungsrecht u.Ä.) ausschließen, deren Einlagefähigkeit die Praxis seit langem zu Recht bejaht (s. Rdnr. 50). Dem Schutz der Gläubiger ist in diesen Fällen hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass die Gegenstände im Rahmen des Gesellschaftsunternehmens nutzbar sind und damit seine Tilgungsmöglichkeiten gewährleisten. Sie brauchen deshalb nicht selbständig übertragbar, sondern müssen nur so beschaffen sein, dass sie der Gesellschaft endgültig zur freien Verfügung (§ 7 Abs. 3) überlassen werden können7. Soweit es sich um

1 2 3 4

5

6 7

1979, 1065, 1067; Fabritius, S. 162; Döllerer, in: FS Fleck, S. 36 f.; Meilicke, BB 1991, 579, 580 f.; Steinbeck, ZGR 1996, 116, 121 f.; Götting, AG 1999, 1, 2; Boehme, S. 14 ff. u.a.; s. auch BGHZ 29, 300, 304. So noch Knobbe-Keuk, ZGR 1989, 216; Ekkenga, ZHR 161 (1997), 599, 618. S. weiter Rdnr. 57 u. Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, § 42 Rdnr. 68. Ulmer, Rdnr. 43. Lutter, Kapital, S. 232; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Haas, in: FS Döllerer, S. 169, 180 f.; Fabritius, S. 168 ff.; Ekkenga, ZHR 161 (1997), 599, 620; Boehme, S. 48 ff. Vgl. auch K. Schmidt, ZHR 154 (1990), 237, 251. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Brandes, ZGR 1989, 244, 247; Döllerer, in: FS Fleck, S. 35, 42; Bork, ZHR 154 (1990), 205, 228 f.; Meilicke, BB 1991, 579 f.; Steinbeck, ZGR 1996, 116, 122 f. m.w.N. Vgl. dazu auch Bork, ZHR 154 (1990), 205, 228 f. Zutr. Ulmer, Rdnr. 45; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Bork, ZHR 154 (1990), 205, 224 f.; Haas, in: FS Döllerer, S. 169, 176; Steinbeck, ZGR 1996, 116, 125 f.; Boehme, S. 52 ff. Gegen das Erfordernis Meilicke, BB 1991, 579, 581.

420

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Rechte gegenüber dem Sacheinleger handelt, muss aus diesen Gründen auch eine Aussonderung aus seinem Vermögen erfolgen1; seine bloße obligatorische Verpflichtung ist deshalb kein geeigneter Einlagegegenstand2. Folgende Einzelfälle von Sacheinlagen sind vor allem von Bedeutung: aa) Sachen Einlagefähig sind das Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie grundstücksgleiche Rechte, z.B. das Erbbaurecht oder das Bergwerkseigentum. Belastungen hindern nicht, sind aber bei der Wertfestsetzung (Rdnr. 56 ff.) mindernd zu berücksichtigen. Ebenso geeignet sind dingliche Rechte3, insbesondere können auch Nießbrauchsrechte oder beschränkt persönliche Dienstbarkeiten für die Gesellschaft bestellt4 oder ihr anderenfalls, da unübertragbar, jedenfalls zur Ausübung überlassen werden (§§ 1059 ff., 1092 BGB). Künftige Sachen kommen nur in Betracht, wenn sie bis zur Anmeldung entstanden sind5.

45

Die Einräumung eines obligatorischen Gebrauchsrechts an Sachen kann grundsätzlich zulässiger Einlagegegenstand sein6, wobei Einschränkungen erforderlich sind, wenn die Sache dem Einleger gehört. Verfügbarkeit für die Gesellschaft ist nämlich nicht gegeben, wenn ihr Nutzungsrecht kurzfristig beseitigt werden kann oder wenn sie den Besitz der Sache, den sie gegen Zugriffe Dritter verteidigen könnte, nicht innehat. Deshalb ist ein längerfristig unkündbares und mit Besitz verbundenes Gebrauchsrecht zu verlangen7, das auch nicht aus rechtlichen Gründen vorzeitig erlöschen kann. Obligatorische Nutzungsrechte an Grundstücken scheiden daher nicht von vorneherein aus8. Allerdings sind die speziellen Probleme, die sich bei diesem Einlagegegenstand für die Kapitalaufbringung ergeben können, bei der Bewertung (Rdnr. 57 ff.) angemessen zu

46

1 Lutter, Kapital, S. 231; Ulmer, Rdnr. 46; Bork, ZHR 154 (1990), 205, 224 m.w.N. 2 Ulmer, Rdnr. 46; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 44; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 24; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Fleck, S. 11; a.M. Skibbe, GmbHR 1980, 73, 74. 3 Zur isolierten Grundschuld vgl. LG Koblenz, GmbHR 1987, 482. 4 BGHZ 45, 338, 344; Ulmer, Rdnr. 52, 62; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 25; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; einschr. Lutter, Kapital, S. 232. 5 Ulmer, Rdnr. 51; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 40; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 25; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15. 6 KG, KGJ 38 A 161; Ulmer, Rdnr. 53; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Döllerer, ZGR 1979, 355 u. FS Fleck, 1988, S. 35 ff.; Brandes, ZGR 1989, 244, 246 f.; Frey, S. 76, 96 f.; Steinbeck, ZGR 1996, 116, 127 ff.; Bork, ZHR 154 (1990), 205 ff. m.w.N. Einschr. auf Nutzungsrechte an beweglichen Sachen K. Schmidt, ZHR 154 (1990), 235, 254 ff. 7 BGH, NJW 2000, 2356 = ZIP 2000, 1162; BGH, NZG 2004, 910; Haas, in: FS Döllerer, 1988, S. 178 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 25; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39; Ulmer, Rdnr. 53; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; gegen die Einlagefähigkeit bei Verbleiben des Eigentums beim Einleger aber Knobbe-Keuk, ZGR 1980, 214, 217; Ekkenga, ZHR 161 (1997), 599, 618 ff.; weitergehende Anforderungen bei K. Schmidt, ZHR 154 (1990), 237, 253 ff. 8 A.M. K. Schmidt, ZHR 154 (1990), 237, 253 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 130.

H. Winter/H. P. Westermann

|

421

§5

Stammkapital, Stammeinlage

berücksichtigen1. Wird die Sachnutzung vor Ablauf der vereinbarten Dauer für die Gesellschaft unmöglich, so greifen die allgemeinen Regeln des Schuldrechts über Pflichtverletzungen ein, die auch zu einer anstelle der Sacheinlage zu erbringenden Geldeinlage führen können, was allerdings im Einzelnen begründet werden muss (Rdnr. 62 ff.). Die auch erwägenswerte entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 22 ist wegen der in § 9 Abs. 2 angeordneten Verjährung der Nachzahlungspflicht 10 Jahre nach der Gründung der Gesellschaft in das System der Leistungsstörungen nicht leicht einzufügen. Praktisch bedeutsam ist hier namentlich der Fall der Veräußerung eines Grundstücks durch den Eigentümer ohne Weitergabe der aus der Nutzungsvereinbarung sich ergebenden Pflicht, ferner auch der Zwangsversteigerung des Grundstücks, bei der die Gesellschaft gegenüber dem Dritterwerber nicht geschützt ist (die analoge Anwendung der §§ 571, 593b BGB, § 57 ZVG scheidet aus3). Auch ein Kapitalnutzungsrecht, d.h. die zinslose Überlassung von Geldkapital an die Gesellschaft auf Zeit ist sacheinlagefähig, wenn es sinngemäß die vorstehenden Erfordernisse erfüllt4. bb) Forderungen 47

Forderungen des Sacheinlegers mit einem feststellbaren wirtschaftlichen Wert sind grundsätzlich einlagefähig, selbst wenn sie bestritten oder zweifelhaft sind5. Doch sind diese Umstände bei der Bewertung (Rdnr. 56 ff.) zu berücksichtigen. Umstritten ist, ob Forderungen gegen einen Mitgesellschafter einlagefähig sind6. Von der Bonität her, die sich bei der Bewertung auswirkt, sind Unterschiede zu Forderungen gegen außenstehende Dritte nicht ersichtlich, und da der Inferent nach § 24 für ausstehende Einlagen seiner Mitgesellschafter aufzukommen hat, erhöht sich das Risiko für die Gesellschaft, eine als Einlage eingebrachte Forderung gegen einen Mitgesellschafter akzeptieren zu müssen, im Vergleich zur Einbringung von Forderungen gegen Dritte nicht; dem Aussonderungserfordernis (Rdnr. 44) ist auch dann durch die Abtretung genügt. Im Falle der Zustimmungsbedürftigkeit der Abtretung (§ 399 BGB) muss die erforderliche Erklärung des Schuldners spätestens bis zur Anmeldung zum Handelsregister vorliegen (§ 7 Abs. 3)7. Aufschiebend bedingte oder in ihrer Entstehung von weiteren Voraussetzungen abhängige Forderungen sind ebenfalls nur dann 1 BGHZ 144, 294; Döllerer, ZGR 1979, 355, 356; Ulmer, Rdnr. 53; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21. 2 Bork, ZHR 154 (1990), 205, 215; Trölitzsch, S. 91. 3 Gegen die von Döllerer, in: FS Fleck, 1988, S. 35, 43 f.; Götting, AG 1999, 1, 5 befürwortete Analogie mit Recht Bork, ZHR 154 (1990), 205, 217 f.; Boehme, S. 121 ff., 149 f. u. K. Schmidt, ZHR 154 (1990), 237, 257. 4 Döllerer, in: FS Fleck, 1988, S. 35, 44 ff.; Ulmer, Rdnr. 53; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 22; Boehme, S. 145 f., 152 f., 163, 168; a.M. K. Schmidt, GesR, § 20 II 3a, cc. 5 H.M.; vgl. nur Ulmer, Rdnr. 54; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 16; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 42. 6 Abl. Ulmer, Rdnr. 46, 54; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 115; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; unentschieden Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 46. 7 Ulmer, Rdnr. 54.

422

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

einlagefähig, wenn bis zu dem genannten Zeitpunkt die Bedingung eingetreten bzw. die Voraussetzung erfüllt ist1. Das gilt nicht für feststehende, aber aufschiebend befristete Forderungen, bei denen aber ein Bewertungsabschlag geboten ist. Auflösend bedingte Forderungen sind wegen des ihnen anhaftenden besonderen Risikos ungeeignet, soweit nicht ausnahmsweise der Bedingungseintritt als völlig unwahrscheinlich einzuschätzen ist. Befristete Forderungen, bei denen der Leistungszeitpunkt ungewiss ist, können unter Berücksichtigung eines entsprechenden Bewertungsabschlags eingebracht werden2. Allgemein ungeeignet sind dagegen Forderungen, die Dienstleistungen oder unvertretbare Werkleistungen zum Gegenstand haben (Rdnr. 52). Auch Forderungen an die Gesellschaft, die die vorgenannten Voraussetzungen (Rdnr. 47) erfüllen, sind im Allgemeinen zulässige Sacheinlagegegenstände3. Sie müssen bereits der Vor-GmbH gegenüber bestehen, kommen aber auch bei Kapitalerhöhungen als Einlage in Betracht. Bedenken, dass auf diese Weise das Aufrechnungsverbot gem. § 19 Abs. 2 umgangen werden könnte, lassen sich im Hinblick auf die dem Registergericht obliegende Prüfung der richtigen Bewertung der Forderung in etwa zerstreuen, die sich darauf bezieht, ob diese Forderung fällig, vollwertig und zumindest unter den Gesellschaftern und der Gesellschaft unbestritten (mithin liquide) ist4. Der Registerrichter, der eine Überbewertung der Forderung feststellt, hat nach § 9c Abs. 1 Satz 2 die Eintragung abzulehnen; immerhin ergibt sich auf diese Weise (hauptsächlich bei Kapitalerhöhungen) die Möglichkeit, Darlehen in Haftkapital umzuwandeln5. Die Forderung kann praktisch durch Abtretung oder durch Erlassvertrag eingebracht werden, die jeweils zu einer Reinvermögenserhöhung infolge des Schulduntergangs führen. Bedenklich ist jedenfalls im Regelfall die Einlagefähigkeit eines Anspruchs aus einem kapitalersetzenden Darlehen. Die Erfordernisse im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, in der ein Gesellschafterdarlehen bei seiner Gewährung oder bei einem späteren „Stehenlassen“ als kapitalersetzend qualifiziert wird, werden es zwar nicht immer6, aber doch meistens nicht zulassen, eine solche Darlehensforderung als vollwertig i.S. der Einlagefähigkeit zu betrachten. Das gilt jedenfalls dann, wenn nach den „Rechtsprechungsre-

1 Vgl. OLG Oldenburg, AG 1997, 424, 427; Ulmer, Rdnr. 55; gegen Einlagefähigkeit allgemein BGH, BB 1978, 1635 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27. 2 Ebenso Ulmer, Rdnr. 55; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27. 3 BGHZ 15, 52, 60; BGHZ 90, 370, 374; BGHZ 110, 47, 60; BGHZ 113, 335, 340; BGHZ 132, 141, 143; BGH, NJW 1970, 469; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 606; OLG Schleswig, NZG 2001, 566; Lutter, S. 233 ff.; Ulmer, Rdnr. 56; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 28; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 45; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29; s. aber auch Hoffmann, BB 1992, 575, 576; Roser, GmbHR 1998, 301, 302. 4 Keine Vollwertigkeit besteht bei Überschuldung (BGHZ 90, 370, 373), aber auch bei anderweitiger Kreditunwürdigkeit i.S. des § 32a sind diesbezüglich Zweifel angebracht. 5 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 45. 6 Für Einlagefähigkeit Priester, in: FS Döllerer, 1988, S. 475, 482 ff.; Ulmer, Rdnr. 58; Bedenken aber bei H. P. Westermann, in: FS Oppenhoff, 1985, S. 532, 541 f.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 120; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 28; Festl-Wietek, BB 1993, 2410, 2416; Müller, ZGR 1995, 327, 336.

H. Winter/H. P. Westermann

|

423

48

§5

Stammkapital, Stammeinlage

geln“ eine Rückzahlung des Darlehens gegen § 30 verstoßen würde – dann ist Einlagefähigkeit gänzlich zu verneinen1, während bei bloßer Anwendbarkeit der „Gesetzesregeln“ (§§ 32a und 135 ff. InsO) die Gefahr einer Zurückstufung in der Insolvenz besteht, der mit einem Bewertungsabschlag Rechnung getragen werden kann2. Sollten von der GmbH-Reform, wie vorgeschlagen, die „Rechtsprechungsregeln“ aufgehoben werden, dürfte von Fall zu Fall die Vollwertigkeit auch von Gesellschafterdarlehen zu prüfen sein. Der im Gesellschaftsvertrag begründete Anspruch auf Erstattung verauslagter Gründungskosten oder auch auf Zahlung eines angemessenen Gründerlohns kann als Sacheinlage verwendet werden, was für die Erstattung von Kosten und Auslagen unbestreitbar ist, für eine Gründervergütung aber nur gebilligt werden kann, wenn nicht die Zahlung als Einlagenrückgewähr i.S. der §§ 30, 31 gewertet werden muss3. Wenn eine Forderung eingebracht werden kann, kann dies zum Nennwert geschehen, wobei Bedenken gegen die Vollwertigkeit oder Liquidität einen Bewertungsabschlag rechtfertigen4, und bei fehlender Fälligkeit abgezinst werden muss5, wenn nicht ein noch in weiter Ferne liegender Fälligkeitstermin im Einzelfall auch einen Bewertungsabschlag erfordert. 49

Eine Forderung an den Gesellschafter ist nicht einlagefähig (Rdnr. 44)6, es sei denn, dass sie mit der Hingabe einer dinglichen Sicherheit (Hypothek, Pfandrecht, Sicherungsübereignung) oder mit der Besitzverschaffung der zu nutzenden Sache (Rdnr. 46) verbunden ist7. cc) Andere Rechte und Vermögenswerte

50

Zulässig ist die Einbringung von Immaterialgüterrechten, obwohl gerade bei ihnen die Ermittlung des Einlagewertes (Rdnr. 57 ff.) oft sehr problematisch ist, und zwar Urheber-8, Verlags-, Geschmacksmuster- und vor allem gewerbliche Schutzrechte sowie Markenrechte (§ 27 MarkenG) sowie Logos9, auch nicht patentierte oder angemeldete, jedoch keine zukünftigen Erfindungen10, geheime

1 OLG Schleswig, NZG 2001, 568; Priester, in: FS Döllerer, 1988, S. 475, 483 ff.; Ulmer, Rdnr. 58; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 28. 2 Ulmer, Rdnr. 58; dagegen Priester, in: FS Döllerer, 1988, S. 475, 483 ff. 3 Ebenso Ulmer, Rdnr. 59. 4 Für Abschlag bei fehlender Vollwertigkeit LG Berlin, BB 1977, 213; Groß, GmbHR 1983, 290, 293; zusätzlich auf fehlende Liquidität und Fälligkeit abstellend Ulmer, Rdnr. 97; ohne Berücksichtigung der Fälligkeit OLG Oldenburg, AG 1997, 424, 426. 5 Ulmer, Rdnr. 57. 6 So auch KG, GmbHR 2005, 929 = ZIP 2005, 1639 mit Kurzkomm. Priester = EWiR 2005, 673. Das gilt nach diesem Beschluss auch für die Einbringung einer Gesellschafterstellung, mit der die betreffende Forderung verbunden ist, als Sacheinlage in die GmbH. 7 Ulmer, Rdnr. 78; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; gegen Einlagefähigkeit selbst bei dinglicher Sicherung durch den Gesellschafter oder Dritter Cahn, ZHR 166 (2002), 278, 296; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14. 8 BGHZ 29, 300, 304. 9 BGH, GmbHR 2000, 870 f. mit kritischer Anm. Boehmer, S. 841; zur Einlagefähigkeit von Domain-Namen zweifelnd Sosnitza, GmbHR 2002, 821. 10 KG, OLG 27, 363; KGJ 38 A 167; 45 A 175; Recht 1913 Nr. 2790; Ulmer, Rdnr. 63.

424

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Fabrikationsverfahren1 und sonstiges Know-how2; desgleichen Lizenzen an den vorgenannten Schutzrechten3. Vorausgesetzt ist freilich immer, dass die Vorkehrungen und die Kenntnis um sie gerade für das zu gründende Unternehmen Wert haben. Nicht selbstständig einbringbar sind die Firma (§ 23 HGB), geschäftliche Bezeichnungen (§ 5 MarkenG), die Kundschaft oder der so genannte Goodwill, wohl aber wenn sie zusammen mit dem Unternehmen übertragen werden4. Sacheinlagen können ferner sein Aktien und GmbH-Geschäftsanteile, Gesellschaftsanteile an einer OHG oder KG dann, wenn deren Gesellschafter zustimmen oder die Abtretung im Gesellschaftsvertrag allgemein oder für diesen Fall gestattet ist. Die erforderlichen Zustimmungen – auch bei vinkulierten Aktien oder Geschäftsanteilen – müssen spätestens bei der Anmeldung zum Handelsregister erteilt sein. Möglich ist auch die Einlage der Rechte aus längerfristigen Vertragsverhältnissen, z.B. Inseratenvertretungsvertrag oder Generalvertretungsvertrag5. Die Übernahme einer Schuld der Gesellschaft (§ 414 BGB) oder deren Tilgung sind zulässige Einlagegegenstände. Auch wenn es sich um Geldschulden der Gesellschaft handelt, befreit die Tilgung durch den Gesellschafter ihn nur dann von seiner Mindesteinzahlungspflicht (§ 7 Abs. 3), wenn eine entsprechende Sacheinlagevereinbarung getroffen worden war (s. § 7 Rdnr. 31)6. Ein Schuldbeitritt oder eine Bürgschaftsübernahme für Gesellschaftsschulden sind dagegen als Sacheinlagen ungeeignet. Bindende Vertragsangebote können nur ausnahmsweise7 als zulässiger Gegenstand angesehen werden, wenn sie einen über die Gegenleistung hinausgehenden Wert haben8.

51

dd) Dienst- und Werkleistungen Die Verpflichtung zu einer Dienstleistung ist ohne Rücksicht darauf, ob sie den Einlageschuldner oder einen Dritten treffen soll, nach der auch für das GmbHRecht beachtlichen Wertung des § 27 Abs. 2 AktG wegen der Schwierigkeit ihrer Durchsetzung gegen den Willen des Verpflichteten kein geeigneter Sacheinlagegegenstand9. Bei Ansprüchen auf Herstellung eines Werkes ist zu diffe-

1 RG, JW 1936, 42. 2 H.M., vgl. Barz, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 157; Ulmer, Rdnr. 69; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31; a.M. Ballerstedt, ZHR 127 (1965), 97. 3 RG, Holdh. 23, 50; BGHZ 28, 314, 315 (ob. dict.); Götting, AG 1999, 1, 5 ff. 4 RG, LZ 1915, 231; BGH, NJW 2001, 67; Priester, in: FS Nirk, 1992, S. 893, 899 ff.; Ulmer, Rdnr. 72; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 47; einschr. Feine, S. 108. Gegen einen Ansatz für den Firmenwert auch LG Köln, GmbHR 1959, 133. 5 KG, GmbHRspr. II § 5 R. 24; OLG 24, 163. 6 BGH, NJW 1986, 989; OLG Stuttgart, DB 1986, 1514; OLG Düsseldorf, BB 1988, 2126, 2127; OLG Köln, ZIP 1989, 238, 239. 7 RG, SeuffA 87 Nr. 71; KG, RJA 12, 58. 8 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31. 9 Zutr. Lutter, Kapital, S. 232 f., 324; Ulmer, Rdnr. 60; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 43; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 17; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29;

H. Winter/H. P. Westermann

|

425

52

§5

Stammkapital, Stammeinlage

renzieren1. Soweit sie sich gegen den Sacheinleger selbst richten, scheiden sie aus den oben (Rdnr. 44) angeführten Gründen als Einlagegegenstand grundsätzlich aus2, während im Übrigen nur persönlichkeitsgebundene (unvertretbare) Werkleistungspflichten wegen des ihnen innewohnenden speziellen Risikos nicht als einlagefähig anzusehen sind3. ee) Sach- und Rechtsgesamtheiten 53

Sach- und Rechtsgesamtheiten können als solche Gegenstand einer Leistungspflicht und damit auch einer Sacheinlage sein4, soweit deren sonstige Voraussetzungen (Rdnr. 42 ff.) erfüllt sind. Beispiele sind die Einbringung des Warenlagers oder der Außenstände eines Unternehmens, einer Geschäfts- oder Fabrikeinrichtung, einer Nachlass- oder Insolvenzmasse und vor allem eines Unternehmens im Ganzen oder in Teilen (insbesondere bei einer so genannten Betriebsaufspaltung). Gegenstände, die ihrer Natur nach nicht einlagefähig sind (Rdnr. 42 ff.), z.B. Ansprüche auf Dienstleistungen und bestimmte Werkleistungen (Rdnr. 52), können auch nicht als Bestandteil einer Sach- oder Rechtsgesamtheit zur Sacheinlage verwendet werden. Umgekehrt liegt es bei den Gegenständen, die, wie z.B. die Firma oder eine geschäftliche Bezeichnung (§ 5 MarkenG), nicht gesondert, wohl aber als Teil der Sachgesamtheit eingebracht werden können (Rdnr. 44, 50). Der Vollzug der Sacheinlagevereinbarung erfolgt bei Sach- und Rechtsgesamtheiten nicht durch die „Übertragung“ (Rdnr. 44) eines einheitlichen Gegenstandes, sondern der ihnen zuzurechnenden einzelnen Sachen, Rechte und sonstigen Vermögenswerte nach Maßgabe der für sie jeweils geltenden Vorschriften. Die Einbringung durch einen einheitlichen Rechtsakt (z.B. Globalabtretung der Außenstände eines Unternehmens) ist dadurch allerdings nicht ausgeschlossen.

54

Die Sacheinlage eines Unternehmens oder von Unternehmensteilen (Betrieben) durch einen oder mehrere Gründer ungeachtet der Bewertungsschwierigkeiten ist seit langem allgemein anerkannt5 und ist nunmehr in § 5 Abs. 4 Satz 2 ausdrücklich erwähnt. Bei Unternehmen einer Personenhandelsgesellschaft und

1 2 3 4

5

Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 286; einschr. auf Dienstleistungspflichten des Sacheinlegers KG, KGJ 44, 147; 45, 157; Feine, S. 108; Hüffer, NJW 1979, 1065, 1067; Sudhoff, NJW 1982, 129, 130; a.M. Skibbe, GmbHR 1980, 73; Langenfeld, GmbHR 1981, 53, 55. Gegen die teilweise vertretenen Einheitslösungen auch Lutter, in: KölnKomm. AktG, § 183 Rdnr. 21. Sudhoff/Sudhoff, NJW 1982, 129, 130; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17. Lutter, Kapital, S. 232 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27. RG, LZ 1916, 742; 1918, 918; RGZ 155, 211; BGHZ 45, 338; 68, 191, 196; Feine, S. 110 f.; Ulmer, Rdnr. 65 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19. Vgl. Nachweise in Rdnr. 53 und Priester, BB 1980, 19; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 30; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 32; in der Praxis BGH, DB 1992, 1972.

426

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

bestimmter juristischer Personen, insbesondere AG, KGaA und eG besteht alternativ1 die Möglichkeit zur formwechselnden Umwandlung in eine GmbH (§§ 190 ff. UmwG), an der sich dann freilich alle Gesellschafter beteiligen müssen. Die Einbringung von Unternehmen oder Unternehmensteilen in eine zu gründende Gesellschaft kann auch durch einen Einzelkaufmann mittels Ausgliederung (§§ 125, 135 ff., 152 ff. UmwG) und durch andere Rechtsträger mittels Verschmelzung und Spaltung erfolgen (§§ 36 ff., 56 ff., 125, 135 ff. UmwG). Die Umwandlungen bieten im Vergleich zur Sacheinlage zwar vor allem den Vorteil des Fortbestehens des Rechtsträgers bzw. der (vollen oder partiellen) Gesamtrechtsnachfolge (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1, 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Die Pflicht zur Einlage eines Unternehmens umfasst alle ihm wirtschaftlich zuzurechnenden Vermögenswerte, die nicht im Gesellschaftsvertrag von der Übertragung besonders ausgenommen worden sind2; nicht ausreichend ist dagegen eine aus dem Gesellschaftsvertrag oder aus einer zu ihm gehörenden Anlage (z.B. Übernahmebilanz) nicht ersichtliche Nebenabrede der Gründungsgesellschafter. Ebenfalls im Gesellschaftsvertrag ist hinreichend deutlich zu regeln, ob die Verbindlichkeiten des einzubringenden Unternehmens, was zulässig ist3, von der Gesellschaft übernommen werden sollen. Ohne eine entsprechende Festsetzung ist das Unternehmensvermögen unbelastet einzubringen4. Bei der Einlage eines Handelsgeschäfts mit Firma ist aber, abgesehen vom Sonderfall der Gründung einer Auffanggesellschaft durch den Insolvenzverwalter5, im Zweifel anzunehmen, dass auch die Übernahme der Verbindlichkeiten gewollt war6, anders bei Übernahme eines Unternehmens aus einer Insolvenzmasse. Ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag (auch konkludent, z.B. aus der Bewertung) ein entsprechender Übernahmewille, so bezieht er sich im Zweifel auf alle Geschäftsverbindlichkeiten, soweit sie nicht durch besondere Bestimmung ausgeschlossen sind oder soweit es sich nicht um unbekannte Verbindlichkeiten handelt, die in den Büchern oder Schriften hätten ausgewiesen werden müssen. Die GmbH haftet bei der Fortführung eines eingebrachten

1 Das UmwG schränkt die herkömmlichen allgemeinen zivil- und handelsrechtlichen Umstrukturierungsmethoden nicht ein; s. Begr. z. RegE, abgedr. bei Schaumburg/Rödder, UmwG, UmwStG, 1995, S. 35. Vgl. dazu auch Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 1 Rdnr. 34. 2 RG, LZ 1918, 918; OLG München, OLG 32, 135, 136; OLG Breslau, GmbHR 1919, 141; Priester, BB 1980, 20; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; das OLG Düsseldorf (BB 1993, 974) verlangt bezüglich der zu übernehmenden Verbindlichkeiten genaue Angaben. 3 RG, LZ 1916, 742; RGZ 155, 211; BGHZ 45, 338, 342. 4 RG, JW 1905, 214; Recht 1909, 2528; OLG Düsseldorf, GmbHR 1993, 441, 442; Priester, BB 1980, 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30. 5 Auch die gesetzliche Haftung für bestehende Verbindlichkeiten nach § 25 HGB (RGZ 58, 166, 168; BGHZ 104, 151, 153 f.) entfällt bei einer Veräußerung durch den Insolvenzverwalter. Für bestehende Arbeitsverhältnisse gilt § 613a BGB mit der Einschränkung, dass der Erwerber nicht für die bei Insolvenzeröffnung bestehenden Verpflichtungen haftet (BAGE 32, 326; 53, 380; 62, 224 st. Rspr.). Im Übrigen ist § 128 InsO anwendbar. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; anders RG, LZ 1916, 742.

H. Winter/H. P. Westermann

|

427

54a

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Handelsgeschäfts unter seiner bisherigen Firma (ungeachtet des Rechtsformzusatzes) nach § 25 Abs. 1 HGB den Gläubigern für die Geschäftsverbindlichkeiten des Sacheinlegers, wenn nicht eine abweichende statutarische Regelung in der durch § 25 Abs. 2 HGB bestimmten Weise bekannt gemacht worden ist. Die Gesellschaft tritt bei Einbringung eines Betriebes oder Betriebsteils nach der zwingenden Vorschrift des § 613a BGB in die Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. d) Verfügungsbefugnis des Sacheinlegers 55

Eigentümer der einzubringenden Sache muss der Einlageschuldner selbst nicht sein, die Sacheinlage kann auch von einem Dritten geleistet werden, der nicht Gründungsgesellschafter ist1, was dann freilich gewöhnlich für Rechnung eines Gründers geschehen wird. Der Gesellschafter kann sich im Gesellschaftsvertrag auch verpflichten, die einem Dritten (Mitgesellschafter oder Nichtgesellschafter) gehörende Sache einzulegen2. Überträgt er den fremden Gegenstand später der Gesellschaft, so bedarf er der Zustimmung des Berechtigten (§ 185 BGB), die zwar nicht notwendig schon im Gesellschaftsvertrag, aber noch vor der Anmeldung erteilt sein muss (§ 7 Abs. 3) und dem Registergericht nachzuweisen ist3. Für den Erwerb von einem nichtberechtigten Sacheinleger, der ausreicht4, kommt es nach § 166 BGB jedenfalls auf die Gutgläubigkeit des Geschäftsführers an, während die Gutgläubigkeit auch der Mitgründer nur zu verlangen ist, wenn sie auf die Art der Erbringung von Sacheinlagen tatsächlich Einfluss genommen haben5. Die Erfüllung der Sacheinlagevereinbarung kann aber auch durch eine unmittelbare Übertragung seitens des Dritten an die Gesellschaft erfolgen, der dabei für Rechnung des Einlageschuldners handelt6. e) Anrechnungsbetrag aa) Festsetzung

56

Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 ist im Gesellschaftsvertrag der Betrag der Stammeinlage festzusetzen, auf die sich die Sacheinlage bezieht (s. dazu Rdnr. 89 f.). Die Gesellschafter sind in der Bestimmung dieses Anrechnungsbetrages nicht frei. Aus dem Sinn der Vorschriften über die Sicherung der Aufbringung eines der Stammkapitalhöhe entsprechenden Gesellschaftsvermögens (Rdnr. 12, 38) folgt vielmehr, dass der Anrechnungsbetrag den Wert des Sacheinlagegegenstandes 1 BayObLG, NotBZ 2005, 405; s. auch OLG Köln, ZIP 2002, 713 f. 2 RGZ 118, 113, 120; RG, JW 1936, 42; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26. Teilweise abw. Lutter, in: KölnKomm. AktG, § 183 Rdnr. 24, der die Zulässigkeit davon abhängig macht, dass dem Einleger ein Anspruch gegen den Eigentümer zusteht oder dass der Leistungsgegenstand eine Gattungssache ist. 3 RGZ 118, 113, 120. 4 OLG Köln, ZIP 2002, 713; BGH, ZIP 2003, 30 f. 5 Ähnlich noch Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 48 (wenn der Gesellschaftsvertrag die Sacheinlagevereinbarung enthält, könne darin vielleicht eine Weisung i.S. des § 166 Abs. 2 BGB gesehen werden); s. aber auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41. 6 OLG Köln, ZIP 2002, 713, 715; Ulmer, Rdnr. 47.

428

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

(Rdnr. 57 ff.) nicht überschreiten darf. Die §§ 9, 9c Abs. 1 Satz 2, in denen der Grundgedanke der angeführten Vorschriften speziell für den Fall der Überbewertung von Sacheinlagen zum Ausdruck gekommen ist, bestätigen diese Einschränkung der Satzungsautonomie durch die Differenzhaftung des Einlegers und durch das entsprechende Eintragungshindernis (Rdnr. 60). Die Unterschreitung des Wertes des Sacheinlagegegenstandes bei der Festsetzung des Anrechnungsbetrages ist den Gesellschaftern dagegen gestattet1, wogegen sich aber Bedenken aus dem Verbot der willkürlichen Bildung stiller Reserven2 ergeben. Die als Argument herangezogene gesetzliche Regelung in § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB i.V.m. § 150 AktG hängt mit der Zuweisung eines Aufgelds zur gesetzlichen Rücklage zusammen, was im GmbH-Recht so nicht wiederkehrt. Auch spricht etwas dafür, die bei nicht wenigen Sacheinlagen praktische Einbringung zum bisherigen Buchwert, die verständlichen Gestaltungsabsichten entsprechen kann, nicht zu behindern3, zumal davon Verfälschungen des Gewinn- und Verlustausweises ernsthaft nicht zu befürchten sind. Deshalb kann für das GmbH-Recht an der Zulässigkeit einer Unterbewertung festgehalten werden4. Zur bilanziellen Handhabung bei offener Behandlung als Agio s. Rdnr. 33. Auch wenn der Sacheinleger, was im Gesellschaftsvertrag zu bestimmen ist (Rdnr. 81 ff.), keine Vergütung für die den Stammeinlagebetrag übersteigende Leistung erhält, sind hiergegen Bedenken nicht zu erheben. bb) Obergrenze Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, welcher Wert des Sacheinlagegegenstandes als Obergrenze für den auf die Stammeinlage anzurechnenden Betrag verbindlich ist (Rdnr. 56). Die nähere Bestimmung des Wertes ergibt sich aber daraus, dass der Einlagegegenstand einen Teil des der betrieblichen Nutzung gewidmeten Gesellschaftsvermögens bilden soll. Es ist deshalb im Hinblick auf den vergleichbaren Bewertungszweck auf den Wert abzustellen, der in einer handelsrechtlichen Eröffnungsbilanz als Höchstwert angemessen wäre5. Er entspricht also, da die Anschaffungs- und Herstellungskosten als Maßstab ausscheiden6, dem nach den bilanzrechtlichen Bewertungsvorschriften zu ermittelnden Zeitwert, der zugleich auch den Erfordernissen des Gläubigerschutzes genügt7. Wenn der Einlagegegenstand als Anlagevermögen dienen soll, ist dem1 OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109, 110; Ballerstedt, S. 96; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 35. 2 Schulze-Osterloh, ZGR 1993, 420, 429 ff.; Schulze zur Wiesche, GmbHR 1988, 31, 33; Delmas, S. 12 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; allgemein Ballerstedt, S. 51 ff. 3 Von der Zulässigkeit der Einbringung zu Buchwerten geht auch § 20 Abs. 2 UmwStG aus. 4 Ulmer, Rdnr. 81; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54. 5 Ballerstedt, S. 96; Ulmer, Rdnr. 82; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34; v. Rössing, S. 49 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23. 6 Vgl. dazu Husemann, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Anlagegegenstände, 1970, 106 ff.; Ulmer, Rdnr. 82. 7 OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 112, 113; OLG München, GmbHR 1994, 712; OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24; auf den

H. Winter/H. P. Westermann

|

429

57

§5

Stammkapital, Stammeinlage

zufolge regelmäßig auf seinen Wiederbeschaffungs- oder Reproduktionskostenwert1 oder, soweit diese Maßstäbe wegen der einmaligen Natur des Gegenstandes (z.B. Patent, Gebrauchsmuster, Know-how u.Ä.) nicht anwendbar sind, auf seinen zu schätzenden Ertragswert abzustellen2. Das Vorsichtsprinzip, das bei der Bewertung zu beachten ist, ist gerade bei den zuletzt genannten Einlagegegenständen von besonderer Bedeutung, rechtfertigt allerdings auch für sie keine durch die tatsächlichen Verhältnisse nicht begründeten generellen Bewertungsabschläge3. Die Einlagegegenstände, die dem Umlaufvermögen der Gesellschaft dienen sollen, sind wegen ihres typischen Bestimmungszwecks im Allgemeinen mit dem unter Berücksichtigung der noch zu erwartenden spezifischen Aufwendungen und der wahrscheinlichen Erlöseinbußen zu ermittelnden Veräußerungswert als Höchstwert anzusetzen4. Unternehmen sind nach ihrem Ertragswert zuzüglich der geschätzten Nettoeinzelveräußerungspreise der nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände, mindestens nach ihrem Liquidationswert zu bemessen (s. § 14 Rdnr. 12b)5. Ein Beurteilungs- oder Vertretbarkeitsspielraum ist den Gesellschaftern bei der Wertermittlung nach dem Sinn der §§ 9, 9c Abs. 1 Satz 2 nicht mehr zuzubilligen6. Das wirkt sich allerdings praktisch nur so aus, dass bei erkennbarer Überbewertung die Eintragung abzulehnen ist und nach § 9 später eine Differenzhaftung droht, für die es auf Verschulden hinsichtlich der Bewertung nicht ankommt, und die auch nicht dadurch abgewendet werden kann, dass im maßgeblichen Zeitpunkt (Rdnr. 58) die Bewertung „vertretbar“ gewesen sei. Eine diese Unsicherheiten ausschließende Bewertung ist dagegen auch bei größter Zurückhaltung im Zeitpunkt der Einbringung nicht erreichbar. Daher kann bei Unsicherheiten mit einer Verein-

1

2

3

4

5

6

steuerrechtlichen Begriff des „Teilwerts“ eines Gegenstandes im Gesamtvermögen abstellend Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 112, 113; OLG München, GmbHR 1994, 712; FestlWietek, BB 1993, 2410, 2412; Sina, GmbHR 1994, 387, 388; Ulmer, Rdnr. 82; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 188. Eb. OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43; Wiedemann, in: FS Hirsch, S. 257, 263; v. Rössing, S. 52 f.; Festl-Wietek, BB 1993, 2410, 2412; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb., I Rz. 288; ähnlich Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24; vgl. auch Hüffer, JuS 1983, 161, 165. So aber BGHZ 29, 300, 308 f.; abschwächend BGH, NJW 1999, 143, während Ulmer, Rdnr. 82, beim Fehlen bisheriger Verwertungserfolge generell nur einen geringen Wert für angemessen hält. Vgl. auch Kallmeyer, in: GmbH-Hdb., I Rz. 288. Zum Firmenwert s. Priester, in: FS Nirk, 1992, S. 893, 911 f. Vgl. OLG München, GmbHR 1994, 712; Ulmer, Rdnr. 82; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Hüffer, JuS 1983, 161, 165; Sina, GmbHR 1994, 387, 388; s. auch RG, LZ 1912, 666 (Warenlager); a.M. v. Rössing, S. 57. KG, GmbHR 1997, 1066, 1067 (ob. dict.); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24; v. Rössing, S. 67 ff.; Angermayer, S. 283 ff.; Urban, in: FS Sandrock, 1995, S. 305, 309 ff.; Trölitzsch, S. 208 ff.; missverständlich OLG München, GmbHR 1994, 712. Allg. Meinung, Ulmer, Rdnr. 82; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 9 Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; differenzierend v. Rössing, S. 47 f., 74, 85, dort auch weitere Nachw. Die frühere Rechtsprechung (BGHZ 68, 191, 196) ist danach überholt.

430

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

barung, wonach eine eventuelle Differenz ausgeglichen wird, die Eintragung ermöglicht werden; näher sogleich Rdnr. 58. Wie sich aus der gesetzlichen Regelung über die Differenzhaftung des Sacheinlegers (§ 9 Abs. 1) ergibt, ist der Zeitwert am Tage der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister maßgebend1; nur dann kann bei Eintragung die Werthaltigkeit gesichert sein. Die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Sacheinlagevereinbarung sind dagegen unwesentlich. Da der Zeitwert die Anrechnungsfähigkeit von Sacheinlagen zwingend nach oben begrenzt (Rdnr. 56), kann auch der Gesellschaftsvertrag für ihn keinen abweichenden Bewertungsstichtag bestimmen (s. aber Rdnr. 59). Das Auseinanderfallen des Vertragsabschlusses und des Bewertungsstichtages führt zu Problemen bei der Einlage von Gegenständen mit starken Wertschwankungen, insbesondere von Unternehmen (Rdnr. 54). Der Ungewissheit über den höchstzulässigen Anrechnungswert des Einlagegegenstandes kann in diesen Fällen durch die statutarische Vereinbarung Rechnung getragen werden, dass der Sacheinleger eine nach dem maßgeblichen Zeitwert des Einlagegegenstandes sich ergebende Unterdeckung des Stammeinlagebetrages durch eine Geldleistung auszugleichen hat; dann kann eingetragen werden2. Darin liegt keine so genannte Mischeinlage (s. § 7 Rdnr. 20)3, für die nach §§ 5 Abs. 4 Satz 1, 7 Abs. 2 und 3 im Interesse des Gläubigerschutzes eine genaue ziffernmäßige Aufteilung des Stammeinlagebetrages geboten ist, sondern eine zur Sacheinlagevereinbarung gehörende Wertgarantie4, deren Erfüllung bis zur Anmeldung zu erfolgen hat (§ 7 Abs. 3) und durch den Geschäftsführer zu versichern ist (§ 8 Abs. 2 Satz 1). Die Gesellschafter können untereinander für den Fall der stichtagsbedingten Verminderung des Anrechnungsbetrages der Sacheinlage einen Ausgleich durch eine schuldrechtliche Nebenabrede festlegen5. Umgekehrt kann für den Fall einer Überdeckung des Stammeinlagebetrages durch den maßgeblichen Zeitwert des Einlagegegenstandes im Gesellschaftsvertrag auch vereinbart werden, dass der Sacheinleger den Überschussbetrag vergütet erhalten soll (so genannte gemischte Sacheinlage, vgl. Rdnr. 81 ff.). Der Vergütungsbetrag braucht dabei nicht ziffernmäßig genau6 oder schätzungsweise7 im Statut angegeben zu werden, sondern es ist ausreichend, dass er für den Bewertungsstichtag bestimmbar festgelegt und in

1 OLG Düsseldorf, WM 1991, 1670; Ulmer, Rdnr. 83; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34; Trölitzsch, S. 202 f.; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb., I Rz. 288; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; auf den Zeitpunkt der Eintragung abstellend Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 763. 2 BGH, GmbHR 1999, 232; OLG Zweibrücken, GmbHR 1981, 214, 215; OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 44; Priester, BB 1980, 19, 20; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25. 3 A.M. Priester, BB 1980, 20. 4 Vgl. auch Feine, S. 111. Die Garantie schließt mangels gegenteiliger Anhaltspunkte aber keine nach der Eintragung eintretenden Entwertungen ein; s. BGH, GmbHR 1999, 232. 5 Ulmer, Rdnr. 83; Wellkamp, INF 1994, 433, 437. 6 So Günthner, NJW 1975, 524, 526; Sudhoff, NJW 1982, 132. 7 OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109, 111 m. krit. Anm. von Priester.

H. Winter/H. P. Westermann

|

431

58

§5

Stammkapital, Stammeinlage

der Anmeldung konkretisiert wird (Rdnr. 83)1. Zum Nachweis des Zeitwertes gegenüber dem Registergericht vgl. § 8 Rdnr. 13 und § 9c Rdnr. 34. 59

Der Zeitwert am Tage der Anmeldung ist nur eine unabdingbare Obergrenze für den Anrechnungsbetrag (Rdnr. 56, 58), schließt also nicht aus, dass die Sacheinlagevereinbarung innerhalb dieser Grenze einen anderen Stichtagswert zugrunde legt. Das ist vor allem für die in der Praxis gebräuchlichen Formen der Sacheinlage von Unternehmen oder von Teilunternehmen (Rdnr. 54) bedeutsam. Die verbreitet übliche Einbringung eines Unternehmens zum Buchwert der letzten Jahresbilanz mit der Abrede, dass es ab diesem Zeitpunkt rückwirkend als für Rechnung der Vorgesellschaft geführt gilt2, ist brauchbar, solange nicht durch von ihr danach zu tragende zwischenzeitliche Verluste der vom Einbringungsbuchwert scharf zu unterscheidende Zeitwert des Unternehmens bei Anmeldung (Rdnr. 57 f.) unterschritten wird3; für den zuletzt genannten Fall kann aber durch die Vereinbarung einer Ausgleichungspflicht der Differenz zwischen dem Zeitwert und dem Stammeinlagebetrag in Geld Vorsorge getroffen werden (Rdnr. 58); auch sollte der Sacheinleger keine Ausgleichsansprüche haben. Die Jahresbilanz ist jedoch dann keine ausreichende Wertunterlage i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 mehr, wenn sie – auch unter Berücksichtigung der aus ihr ersichtlichen Risiken und der Angaben im Sachgründungsbericht (§ 5 Abs. 4 Satz 2) – nicht zeitnah genug ist, weil sich dadurch eine Rückwirkung zu Lasten der Gesellschaft ergeben kann, die dem heutigen Verständnis der Kapitalaufbringung nicht entspricht4. Bei der vorgenannten Methode der Einlage von Unternehmen sind ferner die Schranken einer steuerrechtlichen Anerkennung der vereinbarten Rückbeziehung auf einen vor der Einbringung des Unternehmens liegenden Stichtag zu beachten (s. § 20 Abs. 8 Satz 3 UmwStG). Der Gesellschaftsvertrag kann auch bestimmen, dass eine auf den Tag der Einbringung zu erstellende Bilanz maßgebend sein und eine Ausgleichungspflicht der Beteiligten bestehen soll, wonach der einbringende Gesellschafter eine hiernach sich ergebende Unterdeckung des Stammeinlagebetrages in Geld nachzuzahlen oder die Gesellschaft ihm eine entsprechende Überdeckung zu erstatten hat (Rdnr. 58)5; bei dieser Lösung ist eine Bewertung für den Registerrichter u.U. einfacher, aber nur bei einem gewissen Zeitabstand zwischen dem Gesellschaftsvertrag und der Errichtung der Einbringungsbilanz, der es ermöglicht, den eventuell zu leistenden Ausgleichsbetrag einigermaßen zuverlässig zu schätzen6. Der Vorbehalt, dass der Zeitwert des Unternehmens bei Anmeldung 1 OLG Zweibrücken, GmbHR 1981, 214, 215; Priester, BB 1980, 22 f.; GmbHR 1982, 112 f.; Ulmer, Rdnr. 121; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 53. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Bedenken bei Ulmer, Rdnr. 88. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 35; s. im Übrigen auch Ulmer, Rdnr. 86 ff. 4 Anders noch BGHZ 45, 338, 349 f. (von Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 73, 75, als überholt bezeichnet). 5 OLG Zweibrücken, GmbHR 1981, 214; OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109; Priester, GmbHR 1982, 112 f.; Ulmer, Rdnr. 87. 6 Dies ließ OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109, 111, genügen; schärfere Anforderungen hinsichtlich der Genauigkeit der Angaben (Günthner, NJW 1975, 524, 526) überfordern die Beteiligten, die ohnehin mit der Differenzhaftung rechnen müssen.

432

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

nicht überschritten werden darf (Rdnr. 56, 58), gilt dieser Einbringungsmethode gegenüber ebenfalls. Wegen der zeitnäheren Wertansätze in der Einbringungsbilanz ist diese aber regelmäßig als eine geeignete Bewertungsunterlage i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 5 anzusehen (s. § 8 Rdnr. 13). cc) Rechtsfolgen Unterschreitet der Zeitwert des Einlagegegenstandes bei Anmeldung den durch seine Leistung aufzubringenden Stammeinlagebeitrag (für gemischte Sacheinlagen vgl. Rdnr. 85), so darf das Registergericht die Gesellschaft nicht eintragen (s. § 9c Rdnr. 31, 39) und der Sacheinleger ist von Gesetzes wegen zur Leistung des Fehlbetrages in Geld verpflichtet (§ 9). Darüber hinaus können weiter gehende Schadensersatzansprüche nach §§ 9a, 9b und nach den allgemeinen Vorschriften bestehen.

60

Die Unterdeckung der Stammeinlage hat dagegen nicht die Nichtigkeit der Sacheinlagevereinbarung zur Folge1. Die nach früherem Recht für offensichtliche und willkürliche Überbewertungen vertretene abweichende Ansicht2 ist überholt, weil das Gesetz, wie auch die Materialien ergeben3, die bei einem Verstoß gegen das Verbot der Unterpari-Ausgabe (Rdnr. 34) in Erwägung zu ziehende Nichtigkeitsfolge durch die Differenzhaftung (§ 9) gerade vermeiden will, die einerseits der Gläubigerschutzfunktion voll gerecht wird, aber zugleich auch das Interesse der Gesellschaft an dem u.U. unentbehrlichen Einlagegegenstand berücksichtigt. Die Nichtigkeit der Sacheinlagevereinbarung aus anderen Gründen, z.B. wegen eines Verstoßes der Anrechnungsabrede gegen § 138 BGB, ist dadurch nicht ausgeschlossen; der Gesellschafter hat dann den Stammeinlagebetrag in voller Höhe in Geld zu entrichten (Rdnr. 95).

61

f) Reaktion auf Leistungsstörungen und Mängel Die Rechtsregeln, die bei Leistungsstörungen (Unmöglichkeit, Verzug, Nebenpflichtverletzungen) und bei Sach- und Rechtsmängeln oder bereits eingebrachten Sacheinlagen zur Anwendung kommen, können nicht ohne weiteres den BGB-Vorschriften zum allgemeinen Schuldrecht und zum Kaufrecht entnommen werden. Das liegt zum einen daran, dass die zur Entfaltung der Einlagepflicht vereinbarte Sacheinlagepflicht keinen Kauf der einzulegenden Sache durch die Gesellschaft und auch keinen gegenseitigen Vertrag darstellt, sondern in den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages und einen körperschaftlichen Gründungsakt eingebunden ist4, was zur Folge hat, dass eine Nichtdurchführung oder Rückabwicklung einer „gestörten“ Sacheinlagevereinbarung nicht oder nur ausnahmsweise den Beitritt des Inferenten zur Gesellschaft oder gar die Wirksamkeit der Gründung antasten kann. Zum anderen ist die Gesell1 Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Ulmer, Rdnr. 94; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37. 2 BGHZ 29, 300, 307. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35. 4 So auch bereits H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 433 Rdnr. 6; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 199 ff.

H. Winter/H. P. Westermann

|

433

62

§5

Stammkapital, Stammeinlage

schaft, wenn sie wirksam entstanden ist, unbedingt auf die Erfüllung der Pflichten der Gesellschafter im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung angewiesen, weshalb – wie auch aus § 9 hervorgeht – hinter einem Sacheinlageversprechen stets – gewissermaßen subsidiär – die Bareinlagepflicht mitgedacht werden muss. Das führte im Verhältnis der gesellschaftsrechtlichen Notwendigkeiten zu den schuldrechtlichen Regeln vor der Schuldrechtsreform zu verschiedenen Formen des Zurücktretens oder der gänzlichen Verdrängung der Normen des BGB, während nach der stärkeren, wenn auch nicht vollständigen Anpassung der Rechtsfolgen eines Sach- oder Rechtsmangels an die Behelfe des Gläubigers bei Leistungsstörungen die jetzt im Vordergrund stehende Nacherfüllungs- und Nachbesserungspflicht des Schuldners/Verkäufers zumindest bei Unmöglichkeit und Mangelhaftigkeit des einzulegenden oder eingelegten Gegenstandes auch gesellschaftsrechtlich akzeptable Lösungen ermöglicht1. Ähnlich ist die Lage in Bezug auf Mängel der zu einer Sacheinlagevereinbarung führenden Willenserklärungen; hier sind die Regeln über Willensmängel und Nichtigkeit nicht unanwendbar, doch muss bei der Bestimmung der Rechtsfolgen die Lehre von der Behandlung von Gründungsmängeln der GmbH vor und nach der Registereintragung beachtet werden2 (im Einzelnen § 2 Rdnr. 62 ff.). Für die Reaktion des Rechts auf das Auftreten von Leistungsstörungen bei der Erfüllung einer Sacheinlageverpflichtung und auf Sach- oder Rechtsmängel der „Sache“ ergibt sich ebenfalls eine Unterscheidung danach, ob die Störung vor oder nach der Eintragung der Gesellschaft auftritt, wobei zumindest nach Entstehung der Gesellschaft deutlich ist, dass bei einem Scheitern der Sacheinlage die Einlagepflicht des Inferenten bestehen bleibt und u.U. durch eine Bareinlagepflicht ersetzt wird. Davon zu unterscheiden ist noch die Reaktion des Gesellschaftsrechts auf Mängel der Sacheinlagevereinbarung als solcher, die sich aus einem Verstoß gegen § 5 Abs. 4 oder auch gegen allgemeine Gültigkeitsvoraussetzungen ergeben können und die namentlich dadurch bestimmt ist, dass die Sacheinlagevereinbarung ein unselbständiger, aber zwingend mit dem Gesellschaftsvertrag verbundener Teil dieses Rechtsgeschäfts ist (Rdnr. 40); zu den Einzelheiten Rdnr. 86 ff. aa) Unmöglichkeit 63

Wenn eine vereinbarte Sacheinlage aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erbracht wird (d.h. nicht zur freien Verfügung der Gesellschaft bereitgestellt werden kann, Beispiele Rdnr. 46), so entfällt die Einbringungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB ohne Rücksicht darauf, ob die Unmöglichkeit vor oder nach Abschluss der Sacheinlagevereinbarung eintritt3; ursprüngliche Unmöglichkeit hat schon nach § 311a Abs. 1 BGB auf die Gültigkeit der Vereinbarung keinen Einfluss mehr4, so dass jedenfalls eine gültige, aber nicht mehr durch Erzwingung der Primärleistung durchsetzbare Verpflichtung besteht. Die in § 275 Abs. 1 BGB angeordnete Befreiung des Schuldners erschöpft sich aber im Frei1 2 3 4

So auch Ulmer, Rdnr. 109. Ebenso Ulmer, Rdnr. 101 ff., 104 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; Ulmer, Rdnr. 105. Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 199 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38.

434

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

werden von der eigentlichen Sacheinlagepflicht, die Folgen aus der gültigen Einlagevereinbarung bestehen darin, dass nunmehr die (im Hintergrund stets präsente) Geldeinlagepflicht eingreift. Das entspricht der h.M. schon vor der Schuldrechtsreform1. Allerdings sind noch einige Modifikationen zu erörtern. Wenn der Inferent die Unmöglichkeit zu vertreten hat, kommt nach §§ 280, 281 BGB ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft in Betracht, der – wenn der einzulegende Gegenstand richtig bewertet war – auf eine dem Wert entsprechende Geldeinlagepflicht hinauslaufen kann, der sich aber auch abweichend gestalten kann, wenn der wahre Wert des vorgesehenen Einlagegegenstandes höher ist als der Anrechnungsbetrag (Rdnr. 56), was aus guten Gründen so vereinbart gewesen sein kann. Dieser Anspruch kann – Anspruchskonkurrenz – wahlweise neben dem Erfüllungsanspruch auf die Geldeinlage erhoben werden2, während ein geringerer Schadensbetrag mit Rücksicht auf die Kapitalaufbringung nicht in Ansatz kommt. Im Fall einer ursprünglichen Unmöglichkeit kommt es aus denselben Gründen auf die weiteren Voraussetzungen des § 311a Abs. 2 BGB nicht an3. Das nach § 323 BGB (bei entsprechender Anwendung auf die nicht-gegenseitige Sacheinlagevereinbarung) an sich bestehende Rücktrittsrecht der Gesellschaft würde in Höhe des Werts der Einlage das Kapital gefährden, es muss daher auch aus gesellschaftsrechtlichen Gründen, zu denen noch das Erlassverbot gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 zählt, dahin modifiziert werden, dass die Gesellschaft von der Sacheinlagevereinbarung zurücktreten kann4, wenn diese, etwa wegen des – sicher ungewöhnlichen – Bestehens einer Gattungsschuld durch die Störung noch nicht entfallen ist, dass aber der Anspruch auf eine Einlage bestehen bleibt. Lediglich vor der Eintragung müsste die Gesellschaft von der Sacheinlagevereinbarung mit der Folge zurücktreten können, dass der Gesellschafter auf eine Geldeinlagepflicht zurückgeworfen wird5. In diesem Zusammenhang ist freilich noch zu überlegen, ob die Gesellschaft sich nicht zumindest aus Gründen der Treupflicht auf eine gleichwertige Ersatzleistung des Gesellschafters einlassen muss, was wohl zu bejahen sein wird. Schwierigkeiten treten auf, wenn die Gesellschaft die Unmöglichkeit ganz oder teilweise zu vertreten hat. Eine Leistungsbefreiung des Gesellschafters, die sich aus § 326 Abs. 2 BGB ableiten ließe6, kann nur die Erfüllung der Sacheinlagepflicht betreffen, nicht aber die Einlagepflicht als solche, so dass im Ergebnis der Gesellschafter das Risiko – dann auch dasjenige eines Annahmeverzuges – trägt. Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 283 BGB ist nicht von der Hand zu weisen7, da die Gesellschaft nach der Sacheinlagevereinbarung verpflichtet ist, deren Durchführung zu ermöglichen. Wiederum ist aber eine 1 BGHZ 45, 338, 345; BGH, GmbHR 1997, 545 f.; zum geltenden Recht ebenso SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; Ulmer, Rdnr. 105; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38. 2 Ulmer, Rdnr. 106; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38. 5 Ulmer, Rdnr. 96, 107. 6 Auch diese Regel müsste dann allerdings auf die Sacheinlagevereinbarung entsprechend angewendet werden. 7 So wohl auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40.

H. Winter/H. P. Westermann

|

435

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Kürzung des Anspruchs auf die Bareinlage durch Verrechnung mit einem Schadensersatzanspruch mit dem Sinn des Aufrechnungsverbots aus § 19 Abs. 2 Satz 2 nicht zu vereinbaren. Die Kaduzierung des Geschäftsanteils ist mit Rücksicht auf die volle Leistungspflicht vor Anmeldung (§ 7 Abs. 2) zwar nicht auf Sacheinlagen anwendbar, aber die Vorschriften der §§ 21 ff. gelten dann für den Sacheinleger, wenn als Folge einer Leistungsstörung an die Stelle der vereinbarten Sacheinlagepflicht seine Geldeinlagepflicht tritt, nicht jedoch eine Schadensersatzpflicht (s. § 21 Rdnr. 5)1. Schließlich muss im zuerst genannten Fall die Ausfallhaftung der Mitgesellschafter gem. § 24 eingreifen. 64

Stellt sich die Unmöglichkeit vor der Eintragung der Gesellschaft heraus, kann hierdurch ebenfalls nicht die Kapitalaufbringung gefährdet werden, doch sind Fälle denkbar, in denen der Gesellschafter (oder auch die Gesellschaft) an dem Beitritt nur ein Interesse hat, wenn die spezielle Sacheinlage erbracht wird. Dann kann der Gesellschafter nicht das durch § 275 BGB begründete Recht verlieren, sich auf die Undurchführbarkeit der Sacheinlagevereinbarung zu berufen und so die Eintragung der Gesellschaft zu verhindern2; ein Schadensersatzanspruch der Vorgesellschaft, der bei Verschulden des Gesellschafters denkbar ist, könnte allerdings, wenn die dafür bestehenden Voraussetzungen vorliegen, auch auf Ersatz in Natur gerichtet sein. Insgesamt ist somit das Risiko des Einlegers hauptsächlich durch die gesellschaftsrechtliche Lage bestimmt. bb) Verzug

65

Der aus von ihm zu vertretenden Gründen in Verzug geratene Gesellschafter muss gemahnt werden, wenn nicht die Voraussetzungen des § 286 Abs. 2 BGB vorliegen. Er schuldet dann Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB, der sich hauptsächlich daraus ergeben kann, dass wegen § 7 Abs. 3 die Eintragung der Gesellschaft nicht erfolgen kann3. Wenn die Gesellschaft dem Einleger erfolglos eine Nachfrist gesetzt hat, kann sie neben der Erfüllung der Bareinlagepflicht Schadensersatz fordern4, ein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB (wiederum analog) beseitigt nicht die dann allein übrig bleibende Geldeinlagepflicht des Gesellschafters. Der Gesellschaftsvertrag kann auch für den Fall der nicht rechtzeitigen Leistung eine Vertragsstrafe vorsehen (§ 339 BGB), dazu näher § 20 Rdnr. 22 ff. cc) Rechts- und Sachmängel

66

Da das Einlageversprechen als körperschaftlicher Akt nicht ohne weiteres unter die Regelung eines schuldrechtlichen Vertragstyps des Leistungsaustauschs gebracht werden kann, mussten schon vor der Schuldrechtsreform auf Rechtsund Sachmängel eines eingelegten Gegenstandes kaufrechtliche Normen analog

1 RGZ 68, 273. 2 Diese von Ulmer, Rdnr. 101, für den Fall des nicht geheilten Formmangels der Vereinbarung akzeptierte Lösung muss auch für den Fall der Unmöglichkeit gelten. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38. 4 Ulmer, Rdnr. 107.

436

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

angewendet werden, was freilich wegen der Konzeption der Rechtsfolgen (vorrangig Wandlung oder Minderung, nur ausnahmsweise Schadensersatz) vielfach nicht recht passte1. Da die Interessenlage (Rdnr. 62) zeigt, dass vor allem der Anspruch der Gesellschaft auf Wandlung (§ 459 BGB a.F.), auch ein von einer Zusicherung abhängiger Schadensersatzanspruch (§ 463 BGB a.F.) und vor allem auch die kurze Verjährung gem. § 477 BGB a.F. mit den Anforderungen der Kapitalaufbringung in der GmbH nicht zu vereinbaren waren, anders die verschuldensunabhängige Verantwortlichkeit für Sachmängel (§ 459 BGB a.F.) und die Garantiehaftung für Rechtsmängel (§ 437 BGB a.F.), ist hervorzuheben, dass das geltende Kaufgewährleistungsrecht die analoge Anwendung erleichtert2. Was die Voraussetzungen einer Mängelhaftung anbelangt, so ist mit dem Fehlerbegriff gem. § 434 BGB, d.h. der Gleichrangigkeit der Untauglichkeit der einzulegenden Sache für die vertraglich vereinbarte oder die gewöhnliche Verwendung3 wohl auszukommen, desgl. mit dem Begriff des Rechtsmangels in § 435 BGB. Auch die hierdurch begründete Verantwortlichkeit des Sacheinlegers hängt von seinem Verschulden nicht ab. Was die Rechtsfolgen betrifft, so ist der Nacherfüllungsanspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 BGB, der in Gestalt einer Nachbesserung oder Nachlieferung geltend gemacht werden kann, bei sehr individuellen Zwecken, die mit einer Sacheinlagevereinbarung verfolgt werden, wahrscheinlich oft nicht erfüllbar; die Gesellschaft könnte dann nach § 437 Nr. 2 BGB vom Vertrag zurücktreten, doch würde das – wie bei Unmöglichkeit, Rdnr. 63 – nur die Sacheinlagevereinbarung betreffen und den Einleger auf die Geldeinlagepflicht „zurückwerfen“4, was aber der Normsituation im Kapitalgesellschaftsrecht durchaus entspricht. Zu leisten hat der Inferent dann eine Geldeinlage in Höhe des festgesetzten Einlagewerts5, nach deren Zahlung die mangelhafte Sache zurückzugewähren ist. Erwägenswert ist eine Anwendung des § 437 Nr. 2 i.V.m. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB, die bedeuten würde, dass die Gesellschaft sich von der Sacheinlagevereinbarung nicht lösen kann, wenn der Mangel nur unerheblich ist; insofern bleibt es aber im Kaufrecht beim Nachbesserungs- sowie auch beim Schadensersatzanspruch, der allerdings Verschulden des Sacheinlegers voraussetzt6. Im Übrigen kann auch hier der Schadensersatzanspruch neben dem an die Stelle des Rücktritts tretenden Anspruch auf eine Geldeinlage erhoben werden (Rdnr. 63). Unter diesen Umständen stört es nicht, dass auch das geltende Kaufrecht Schadensersatzansprüche nur bei Vertretenmüssen gibt und davon – anders als das frühere Recht – auch beim Rechtsmangel nicht abweicht7. Die Gesellschaft könnte sich auch (§ 437 Nr. 2 i.V.m. § 441 BGB) für eine Minderung entscheiden. Indessen verbietet sich eine Herabsetzung des für die 1 Darstellung bei Wiedemann, in: FS Hirsch, 1968, S. 264 ff.; Ensslin/Stauder, GmbHR 1968, 157 f.; Ulmer, Rdnr. 108; zu den Bedenken besonders Schönle, NJW 1966, 2161. 2 Zum Folgenden Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 41; Ulmer, Rdnr. 109; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39. 3 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 434 Rdnr. 14 ff., 18 ff. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 139. 5 So zum früheren Recht BGHZ 45, 338, 345. 6 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 437 Rdnr. 8, 27. 7 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 435 Rdnr. 1.

H. Winter/H. P. Westermann

|

437

67

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Einlage vorgesehenen Einlagebetrages aus den erwähnten gesellschaftsrechtlichen Gründen. Auch hier muss folglich auf die Geldeinlagepflicht in der Weise zurückgegriffen werden, dass der Gesellschafter außer dem Sacheinlagegegenstand zusätzlich eine Geldeinlage in Höhe des nach § 441 Abs. 3 BGB zu errechnenden Mindestbetrages zu erbringen hat1. Die Entscheidung zwischen Rücktritt und Minderung liegt bei der Gesellschaft, namentlich bei an sich unerheblichen Mängeln (§ 441 Abs. 1 Satz 2 BGB), doch ist bei der Wahl des Behelfs die gesellschaftliche Treupflicht zu berücksichtigen. 68

Fraglich ist, ob § 442 Abs. 1 BGB, der die Folgen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis eines Käufers von einem Mangel behandelt, hier anwendbar ist2. Könnte sich die Gesellschaft, obwohl ihre Organe um den Mangel wussten, ohne weiteres von der Sacheinlagevereinbarung lösen und den Einleger auf die entsprechende Geldeinlage in Anspruch nehmen, würde die Kapitalaufbringungspflicht überspannt, so dass (jedenfalls bis zur Eintragung) der Einleger eine Modifikation des Anrechnungsbetrages verlangen könnte; will er das nicht oder kann er es (ohne Kapitalherabsetzung) nicht mehr, so ist um die volle Geldeinlagepflicht nicht herumzukommen. Auf einen vertraglichen Ausschluss der Gewährleistung, der auch nach geltendem Recht möglich ist, kann sich der Einleger insoweit nicht berufen, als durch einen vorliegenden – und vom Ausschluss betroffenen – Mangel die Aufbringung des Stammkapitals beeinträchtigt werden würde, was also praktisch würde, wenn sich herausstellt, dass der Einlagegegenstand nicht den in der Vereinbarung angenommenen Wert hat. Die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Inferenten verjähren nach geltendem Recht nach § 438 BGB, ohne dass auf die Sondervorschrift des § 9 Abs. 2, die nicht die Rückabwicklung betrifft, zurückgegriffen werden müsste3. Die Rügepflicht gem. § 377 HGB passt nicht in das System der Kapitalaufbringung. Neben den „Gewährleistungsansprüchen“ steht immer die „Differenzhaftung“ des Einlegers gem. § 9, die die Besonderheit aufweist, dass hierfür nach § 24 auch die Mitgesellschafter aufzukommen haben, während die Abwicklung von Leistungsstörungen und Sach- und Rechtsmängeln, auch wenn hierbei auf die subsidiäre Geldeinlagepflicht des Einlegers zurückgegriffen wird, sich aus der zwischen ihm und der Gesellschaft geschlossenen Sacheinlagevereinbarung ergibt. g) Lasten und Verbindlichkeiten

69

Dingliche Lasten des Sachgutes bleiben bestehen, sofern nicht im Einzelfall die Gutgläubigkeit des Geschäftsführers und der Mitgründer zum Erlöschen führt (z.B. nach § 936 BGB), wobei nicht ausgeschlossen ist, nach § 166 Abs. 1 BGB 1 So zum früheren Recht Ensslin/Stauder, GmbHR 1968, 155, 158; 9. Aufl., Rdnr. 67; die bloße Erstattung des Minderwerts der mangelhaften Leistung oder der Wertdifferenz bis zum festgesetzten Einlagewert (Wiedemann, in: FS Hirsch, S. 261) wird meist auf dasselbe hinauskommen, die Denkweise des § 441 Abs. 3 BGB ist jedoch eine andere. 2 Abl. Ulmer, Rdnr. 204. Für §§ 439, 460 Satz 1 BGB a.F. a.M. 9. Aufl., Rdnr. 67; unentschieden zum neuen Recht Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; wohl auch Ulmer, Rdnr. 109; ähnl. auch H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 3. Aufl., § 493 Rdnr. 5.

438

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

im Einzelfall der juristischen Person auch das Wissen des einlegenden Gesellschafters zuzurechnen1. Persönliche Verbindlichkeiten, mit dem Einlagegegenstand verknüpft, z.B. die Passiven einer eingebrachten Sachgesamtheit, kann dagegen die GmbH nur übernehmen, wenn es im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist; anderenfalls verbleiben sie dem Einbringer (s. dazu Rdnr. 54, 92). Hat der Einbringer Gewähr für den Eingang von Außenständen übernommen oder der GmbH Befreiung von Verbindlichkeiten zugesagt, die diese zu erfüllen hat, so ist dies keine Sonderleistungspflicht i.S. des § 3 Abs. 2, sondern Nebenverbindlichkeit zur Stammeinlagepflicht. Daher ist ein Erlass dieser Pflichten gem. § 19 Abs. 2 unzulässig; denn dies würde zur Minderung der Stammeinlage führen. Anders liegt es bei einem ernstlichen Vergleich2.

3. Sachübernahme und Umgehungen a) Begriff und Bedeutung Die Sachübernahme ist in der Neufassung des § 5 Abs. 4 Satz 1 durch die GmbHNovelle 1980 zwar nicht mehr ausdrücklich erwähnt, wird aber durch den vom Gesetz in einem erweiterten Sinne gebrauchten Sacheinlagebegriff als Oberbegriff mit umfasst (Rdnr. 37). Es ist darunter in Übereinstimmung mit der früheren Legaldefinition (§ 5 Abs. 4 a.F.) die Gestaltung zu verstehen, dass die Vergütung für Vermögensgegenstände, die die Gesellschaft übernimmt, auf Stammeinlagen „angerechnet“ (Rdnr. 72) werden soll3. Von der Sacheinlage i. e. S. (Rdnr. 39 ff.) unterscheidet sie sich also dadurch, dass der Gegenstand der übernommenen Stammeinlagepflicht nicht in anderen Vermögenswerten, sondern wie regelmäßig in Geld besteht und nur ausnahmsweise (§ 19 Abs. 5) die Möglichkeit eröffnet wird, die Geldeinlagepflicht durch Anrechnung der Vergütung aus Sachübernahmen zu tilgen4. Daher wirft die Sachübernahme wie die eigentliche Sacheinlage die Probleme um die Kapitalaufbringung und den damit verbundenen Gläubigerschutz auf. Auf die Stammeinlagepflicht sind daher, unbeschadet der getroffenen Anrechnungsabrede (Rdnr. 72), im Übrigen die für Geldeinlage geltenden Vorschriften (§§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2, 9a Abs. 1 u. 2, 19 ff.) anwendbar.

70

Die Anrechnung der Vergütung aus Sachübernahmen auf die Geldeinlagepflicht des Gesellschafters unterliegt, da sie wirtschaftlich vergleichbar die Aufbrin-

71

1 So Ehlers, GmbHR 2005, 934 ff., zum Urt. BGH, GmbHR 2003, 39 ff. Es handelt sich hierbei nicht nur um die Wissenszurechnung, sondern auch um das Problem des Vorliegens eines zum Gutglaubenserwerb notwendigen „Verkehrsgeschäfts“. Zur Wissenszurechnung näher § 35 Rdnr. 80 ff. 2 RGZ 79, 273. 3 RGZ 41, 120, 125; BGHZ 28, 314, 318; Bongen/Renaud, GmbHR 1992, 100, 101; Ulmer, Rdnr. 110; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18, 42; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37. 4 Das verkennen RGZ 86, 291, 292; 141, 204, 207 f. (s. auch Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 69), die die Auffassung vertreten, dass sich die Sacheinlage i.e.S. und die Sachübernahme mit Anrechnungsabrede nicht rechtlich, sondern nur in der Formulierung unterscheiden. Hüffer, JuS 1983, 163, 165; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29.

H. Winter/H. P. Westermann

|

439

§5

Stammkapital, Stammeinlage

gung des Stammkapitals gefährdet, voll den Sachgründungsvorschriften des GmbHG (Rdnr. 38) ohne Rücksicht darauf, ob beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages fest mit der vergütungspflichtigen Sachübernahme und dem Vollzug der Verrechnungsabrede gerechnet werden konnte oder nicht. Auch das Erfordernis der Leistung vor der Anmeldung (§ 7 Abs. 3) gilt mit der Maßgabe, dass die Einlagepflicht bis zu diesem Zeitpunkt durch die vollzogene Anrechnung rechtswirksam getilgt sein muss1. Die Anmeldung ist anderenfalls zurückzuweisen, wenn nicht auf die Anrechnung verzichtet und die vorgeschriebene Mindesteinzahlung (§ 7 Abs. 2) geleistet worden ist2. Eine differenzierende rechtliche Behandlung von Sacheinlagen und Sachübernahmen ist wegen deren jeweiliger Eigenart bei Mängeln des Vertragsabschlusses und bei Leistungsstörungen erforderlich (Rdnr. 72, 73). aa) Aufnahme in Gesellschaftsvertrag 72

Die Vereinbarung über die Anrechnungsmöglichkeit der Vergütung aus Sachübernahmen der Gesellschaft auf die Stammeinlagepflicht bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag (§ 5 Abs. 4 Satz 1). Über die erforderlichen einzelnen Festsetzungen vgl. Rdnr. 86 ff. Unter „Anrechnung“ ist die Tilgung der Einlagepflicht sowohl durch Aufrechnung (§ 387 BGB) als auch durch vertragliche Verrechnung (Aufrechnungsvertrag) zu verstehen. Von § 5 Abs. 4 Satz 1 werden demgemäß auch Verrechnungsvereinbarungen mit Dritten und/oder Vergütungen aus Sachübernahmeverträgen mit ihnen erfasst3, was allerdings bei einer Sachübernahmevereinbarung mit Dritten nur die Anrechnungsvereinbarung betreffen kann4. Anderes gilt, wenn unabhängig von der Gründungs- und Einlagepflicht – wenn auch noch im zeitlichen Zusammenhang mit der Gründung – ein Gesellschafter eine Verpflichtung zur Einbringung von Gegenständen ins Gesellschaftsvermögen übernimmt; hier ist eine Aufnahme in die Satzung nur nötig, wenn die Regelung mit dem Gründungsvorgang funktional verbunden ist, was dann aber eine Anwendung des § 2 ist und nicht durch die Grundsätze der Kapitalaufbringung gefordert wird5; s. weiter Rdnr. 75. Aber auch die „echte“ Sachübernahmevereinbarung hängt mit der Begründung der Einlagepflicht nicht so eng zusammen, wie dies bei der Sachgründung der Fall ist, so dass nicht alle Mängel der Sachübernahme auf die Einlagepflicht durchschlagen6. Wegen des Zwangs zur Aufnahme in die Satzung sind aber die Unterschiede zur Sacheinlagevereinbarung nur sehr gering. Die

1 Zutr. Ulmer, Rdnr. 113; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 41; v. Rössing, S. 33; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42. 2 Ulmer, Rdnr. 113. 3 RGZ 41, 120, 125; BGHZ 45, 338, 343; Ulmer, Rdnr. 114; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44; im Ergebnis auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32. 4 Zweifelnd am Ergebnis der Aufnahme in die Satzung daher Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33. 5 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; wohl auch Ulmer, Rdnr. 111. 6 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; s. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 40.

440

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

zwingend enthaltene Abrechnungsabrede ist im Übrigen nur wirksam, wenn die von der Gesellschaft übernommenen Vermögensgegenstände, für die die anzurechnende Vergütung gewährt wird, auch zur Sacheinlage geeignet sind (Rdnr. 42 ff.)1. Da die Verrechnung vor der Anmeldung der Gesellschaft endgültig zu bewirken ist (§ 7 Abs. 3), scheiden solche Vermögensgegenstände aus, die erst danach entstehen oder geleistet werden sollen2. Die anzurechnende Vergütung darf ferner nicht den Zeitwert der übernommenen Vermögensgegenstände am Anmeldetag überschreiten (Rdnr. 57 ff.). Anderenfalls greift die Differenzhaftung gem. § 9 ein. Die Unwirksamkeit der statutarischen Anrechnungsvereinbarung wegen Formmangels, fehlender Eignung des Vermögensgegenstandes, anfänglicher Unmöglichkeit der Verrechnung (§ 311a BGB) oder eines ihr speziell anhaftenden sonstigen Vertragsmangels (zur begrenzten Zulässigkeit der Teilanfechtung vgl. unten Rdnr. 96) hat zur Folge, dass eine Anrechnung der Vergütung unzulässig (§ 19 Abs. 5) und die Einlage in Geld zu leisten ist3.

73

bb) Sachübernahmevertrag Der Sachübernahmevertrag als solcher ist ein schuldrechtlicher Austauschvertrag i.S. der §§ 320 ff. BGB, z.B. ein Kaufvertrag4, zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter oder einem Dritten (Rdnr. 72). Er ist, soweit sich aus den allgemeinen Formvorschriften nichts anderes ergibt, nicht formbedürftig und wird auch nicht deswegen zum Bestandteil des Gesellschaftsvertrages, weil nach § 5 Abs. 4 Satz 1 die dort genannten Umstände der Verrechnungsabrede in die Urkunde aufzunehmen sind5. Die Rechtsfolgen bei Mängeln des Sachübernahmevertrages und bei Leistungsstörungen bestimmen sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften6, was bedeutet, dass die Gesellschaft aus der schuldrechtlichen Übernahmevereinbarung Rechte – auch Gewährleistungsansprüche und Behelfe wegen Leistungsstörungen – gegen den Gesellschafter ableiten kann, bei deren Scheitern die Verrechnung ausgeschlossen und folglich die Geldeinlage zu leisten ist. Die Unwirksamkeit der statutarischen Anrechnungsvereinbarung (Rdnr. 73) berührt den Sachübernahmevertrag nur, wenn,

1 Ulmer, Rdnr. 114; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 41; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37. 3 RGZ 86, 291, 292 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38. 4 RGZ 86, 291, 292; 141, 204, 208; Ulmer, Rdnr. 110; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 51; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37. 5 Knobbe-Keuk, ZIP 1986, 885, 886 f., 888; Bongen/Renaud, GmbHR 1992, 100, 101 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 51; zweifelnd Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; a.M. BGHZ 45, 338, 343; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44; Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 772 f. 6 Ulmer, Rdnr. 117; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37.

H. Winter/H. P. Westermann

|

441

74

§5

Stammkapital, Stammeinlage

was aber nicht ohne weiteres anzunehmen ist, die Voraussetzungen des § 139 BGB gegeben sind. Wenn und soweit die Vergütungsforderung des Veräußerers danach entfällt, ist die Stammeinlagepflicht mangels verrechenbarer Forderung durch den Gesellschafter in Geld zu erfüllen; bei einer Unterdeckung des Stammeinlagebetrages infolge wertmindernder Sachmängel besteht auch die Differenzhaftung gem. § 9 Abs. 11. Der im Falle einer von der Gesellschaft zu vertretenden Unmöglichkeit bestehende Vergütungsanspruch des Veräußerers (§ 326 Abs. 2 BGB) kann im Hinblick auf die vorrangige Sicherung der Kapitalaufbringung nicht gegen die Einlageforderung aufgerechnet oder verrechnet werden. Dasselbe gilt bei vertraglichen Gewährleistungsausschlüssen, soweit durch eine Anrechnung wegen der unzureichenden Gegenleistung des Veräußerers das aufzubringende Stammkapital geschmälert würde. b) Sachübernahmen ohne Anrechnung 75

Die Sachübernahmen ohne Anrechnung auf Stammeinlagen unterwirft das GmbHG wegen der unterschiedlichen Interessenlage im Gegensatz zum AktG (§§ 27, 31 Abs. 1, 32 Abs. 2, 33 Abs. 2, 34 AktG) bewusst nicht den Sondervorschriften über die Sachgründung2, insbesondere ist ihre Wirksamkeit, soweit sie nicht als so genannte Nebenleistungspflicht i.S. des § 3 Abs. 2 gewollt sind, nicht von einer Festsetzung der wesentlichen Umstände im Gesellschaftsvertrag abhängig, s. aber Rdnr. 72. Daran ändert auch nichts, wenn die Vergütung auf andere Gesellschafterbeiträge als Stammeinlagen (Rdnr. 24) angerechnet werden soll. Aus den vorgenannten Gründen enthält das Gesetz konsequenterweise auch keine ergänzende Bestimmung über die so genannten Nachgründungsverträge (§ 52 AktG). Statt dieser Regelungen hat es, um die Einhaltung der Sachgründungsvorschriften zu sichern und die ungeschmälerte Aufbringung der Stammeinlage zu gewährleisten, durch § 19 Abs. 5 ein erheblich erweitertes Aufrechnungsverbot eingeführt3. Die Vorschrift schließt beiderseits die Aufrechnung der Vergütungsforderung aus einem vor oder nach der Eintragung der Gesellschaft abgeschlossenen Sachübernahmevertrag gegen den Einlageanspruch aus, wenn sie nicht in Ausführung einer gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen Bestimmung des Gesellschaftsvertrages erfolgt (Näheres s. Erl. zu § 19)4. Ebenso ist danach eine Verrechnungsvereinbarung oder die Annahme an Erfüllungs Statt (§ 364 BGB) unzulässig.

1 Ulmer, Rdnr. 116. 2 Entw. I, 52. Vgl. auch Feine, S. 106 f.; Ulmer, Rdnr. 111; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 17; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43; KnobbeKeuk, ZIP 1986, 885, 886 ff. 3 Entw. I, 52, 67. Vgl. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Knobbe-Keuk, ZIP 1986, 885, 886. 4 Vgl. RGZ 86, 291; 141, 204, 210; RG, JW 1935, 2890; DR 1944, 775; BGHZ 15, 52, 58; 28, 314, 319; 113, 335, 340 f.; 125, 141, 149 f.; BGH, GmbHR 1996, 351, 352 u.a. Krit. dazu Mülbert, ZHR 154 (1990), 145, 161 ff.

442

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

c) Umgehung der Sachgründungsvorschriften (sog. verdeckte Sacheinlage) Schrifttum (Auswahl): Bayer, Neue und neueste Entwicklungen zur verdeckten GmbH-Sacheinlage, ZIP 1998, 1985; Bergmann, Die verschleierte Sacheinlage bei AG und GmbH, 1987 (= AG 1987, 57); Brandner, Verdeckte Sacheinlage, eine Aufgabe für den Gesetzgeber, in: FS Boujong, 1996, S. 37; Crezelius, Zu den Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen im GmbH-Recht, DB 1990, 2458; Einsele, Verdeckte Sacheinlage, Grundsatz der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, NJW 1996, 2681; v. Gerkan, Verdeckte Sacheinlagen in der GmbH, GmbHR 1992, 433; Grunewald, Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen, in: FS Rowedder, 1994, S. 111; Habetha, Verdeckte Sacheinlage, endgültig freie Verfügung, Drittzurechnung und „Heilung“ nach fehlgeschlagenen Bareinzahlungen im GmbH-Recht, ZGR 1998, 305; Henze, Zur Problematik der verdeckten (verschleierten) Sacheinlage im Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 154 (1990), 105; Joost, Verdeckte Sacheinlagen, ZIP 1990, 549; Knobbe-Keuk, „Umwandlung“ eines Personenunternehmens in eine GmbH und verschleierte Sachgründung, ZIP 1986, 885; Krieger, Zur Heilung verdeckter Sacheinlagen in der GmbH, ZGR 1996, 674; Lenz, Die Heilung verdeckter Sacheinlagen bei Kapitalgesellschaften, 1996; Lutter, Verdeckte Leistungen und Kapitalschutz, in: FS Stiefel, 1987, S. 505; Lutter/Gehling, Verdeckte Sacheinlagen, WM 1989, 1445; Lutter/Zöllner, Zur Anwendung der Regeln über die Sachkapitalerhöhung auf das Ausschüttungs-Rückhol-Verfahren, ZGR 1996, 164; Mayer, Ein Beitrag zur „Entschleierung“ der verschleierten Sacheinlage, NJW 1990, 2593; Meilicke, Die „verschleierte“ Sacheinlage – eine deutsche Fehlentwicklung, 1989; Meilicke, Bareinlage, Sacheinlage und ihre „Verschleierung“ im Recht der GmbH, GmbHR 1989, 411; Mildner, Bareinlage, Sacheinlage und ihre „Verschleierung“ im Recht der GmbH, 1989; Mülbert, Das „Magische Dreieck der Barkapitalaufbringung“, ZHR 154 (1990), 145; G. Müller, Zur Umwandlung von Geldkrediten in Grundkapital fallierender Gesellschaften, ZGR 1995, 327; Müller-Eising, Die verdeckte Sacheinlage – Tatbestand und Rechtsfolgen unter besonderer Berücksichtigung von Drittbeteiligungsfällen, 1993; Priester, Die Heilung verdeckter Sacheinlagen im Recht der GmbH, DB 1990, 1753; Priester, Kapitalaufbringung bei korrespondierenden Zahlungsvorgängen, ZIP 1991, 345; Priester, Heilung verdeckter Sacheinlagen bei der GmbH, ZIP 1996, 1025; Ulmer, Verdeckte Sacheinlagen im Aktien- und GmbHRecht, ZHR 154 (1990), 128; Volhard, Zur Heilung verdeckter Sacheinlagen, ZGR 1995, 286; Wegmann, Verdeckte Sacheinlagen bei der GmbH, BB 1991, 1006; Wilhelm, Kapitalaufbringung und Handlungsfreiheit der Gesellschaft nach Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 152 (1988), 333; Wilhelm, Rechtswissenschaft und Rechtsprechung im Gesellschaftsrecht – insbesondere in den Beispielen der verdeckten Sacheinlagen und der Vor-GmbH, in: Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, 1997, 321. Weitere Lit.-Nachw. vor Rdnr. 36.

aa) Normzweck Die Vorschrift des § 5 Abs. 4, die die Erbringung von Sacheinlagen zur Erfüllung der Einlagepflicht des Gesellschafters regelt, ist in engem Zusammenhang zu sehen mit den Rechtspflichten der Gründer und den Kontrollmöglichkeiten des Gerichts vor der Eintragung der GmbH und schließlich der Differenzhaftung des Inferenten bei Minderwertigkeit der Sacheinlagen. Gemeint ist hier überall eine gewissermaßen „offene“ Sacheinlage, die also vom Gesetz mit wichtigen Sicherungen gegen Gefährdungen der Effektivität der Kapitalaufbringung ausgestattet ist. Bei Sachübernahmen ist Sorge getragen, dass diese Grundsätze nicht unterlaufen werden können (Rdnr. 70 ff.). Schon seit längerem hat sich aber in der Praxis der GmbH-Gründung, mehr noch bei der Kapitalerhöhung, das Bedürfnis gezeigt, die nicht leicht zu erfüllenden Anforderungen an eine H. Winter/H. P. Westermann

|

443

76

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Sachgründung (die auch bei sorgfältiger Beachtung eine Differenzhaftung des Einlegers letztlich nicht vermeiden können)1 zu umgehen, indem eine Geldeinlagepflicht nur vordergründig durch Zahlung vom Gesellschafter an die Gesellschaft erfüllt wird, dann aber durch verschiedene Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass der Geldbetrag an den Einlageschuldner – teils gegen Verrechnung mit einer Forderung aus der Lieferung einer Sache, teils durch andere Rechtsgeschäfte – zurückfließt, während im Vermögen der Gesellschaft entweder ein Sachwert oder eine Forderung gegen den Gesellschafter oder einen Dritten bleibt. Teilweise ist in derartigen Fällen schon fraglich, ob überhaupt der zunächst geleistete Geldbetrag zur freien Verfügung der Geschäftsführung der Gesellschaft eingebracht worden ist, was zur Erfüllung der Einlagepflicht erforderlich ist (§ 7 Rdnr. 33 ff.); in anderen Fällen stellt sich die Frage, ob die Einlageschuld durch Aufrechnung erfüllt werden kann, was zunächst Regelungsgegenstand des § 19 Abs. 1 Satz 2 ist, aber dann auch nach den durch die Verweisung in § 19 Abs. 5 zur Anwendung kommenden Sachgründungsvorschriften des § 5 Abs. 4 zu beurteilen ist2. Auf diese Weise kann die Rückzahlung der gesetzlichen Geldeinlage an den Gesellschafter in Form einer Vergütung für übernommene Sachwerte oder umgekehrt die Zurverfügungstellung der Mittel für die Geldeinlage durch die Vergütungszahlung der Gesellschaft für übernommene Sachwerte zur Umgehung der Sacheinlagevorschriften führen. Ebenso könnten sonstige Forderungen gegen die Gesellschaft, die bei ihrer Gründung bereits bestanden oder danach anders als durch Sachübernahmen entstanden sind, unter Vermeidung der gesetzlichen Sicherungen zur Tilgung der Stammeinlagepflicht benutzt werden. Dies ist der mit der Lehre von der verdeckten Sacheinlage bekämpfte Missbrauch, der also mit normativen Erwägungen, die aus §§ 5 und 19, aber vor allem aus den allgemeinen Prinzipien der Kapitalaufbringung abgeleitet sind, interessengerecht gewertet werden soll. Man muss allerdings sehen, dass besonders in Sanierungsfällen die Einhaltung des für „offene“ Sacheinlagen vorgeschriebenen Verfahrens zu zeitraubend, teuer und auch unter sonstigen wirtschaftlichen Gesichtspunkten hinderlich erscheint3, so dass die vorstehende Qualifikation mancher mit dem Ausdruck verbundenen Praktiken – auch angesichts ausländischer Beispiele4 – nicht selbstverständlich ist. Die Fälle einer verdeckten Sacheinlage sind im Zusammenhang zu sehen – und nicht immer ganz scharf abgegrenzt – von einigen Fragen der Aufbringung der Stammeinlage5, etwa bei Aufrechnung durch den

1 Dies ist ein Problem des deutschen Systems der Kapitalaufbringung (H. P. Westermann, Gläubigerschutz bei der Neuordnung der GmbH, 1971, bes. S. 26 ff.), das zu den Meinungsverschiedenheiten um die Angemessenheit der Judikatur zur „verdeckten Sacheinlage“ beigetragen hat. 2 § 19 Abs. 5 betrifft im engeren Zusammenhang die Erbringung einer Sacheinlage anstelle der statutarisch geschuldeten Geldeinlage, zum anderen die Verrechnung einer von der GmbH bei einem – rechtlich selbstständigen – Erwerb geschuldeten Vergütung mit der Einlage; diese Tatbestände reichen nicht zur Erfassung der hier aufgetretenen Umgehungsversuche aus (Ulmer, Rdnr. 166, 168). 3 Näher dazu Lutter/Gehling, WM 1989, 1445; Meilicke, DB 1989, 1067 ff. 4 S. dazu Windbichler/Krolop, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2006, S. 357, 372 f. 5 Zu diesen Zusammenhängen s. Bayer, GmbHR 2004, 445, 447.

444

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Einleger oder die Gesellschaft; dies ist bei § 19 zu behandeln. Bei Sachübernahmen oder späteren Vermögensbewegungen zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen kommt auch eine Qualifikation als Einlagenrückgewähr in Betracht, s. § 30 Rdnr. 31 ff. Zugleich heißt dies, dass die Versuche, das heute von der weitaus h.M.1 anerkannte „Institut“ der verdeckten Sacheinlage, das wie die „Existenzvernichtungshaftung“ auf der Vorstellung einer Gesetzeslücke beruht, durch Hinweis auf die Geschäftsführerverantwortlichkeit für einen ordnungsmäßigen Abschluss der Übernahmegeschäfte oder auch durch verschuldensabhängige Haftungstatbestände zu ersetzen2, sich nicht durchgesetzt haben. Das gilt trotz der katastrophalen Rechtsfolgen3, die eine „Aufdeckung“ der Sacheinlage hat (Fortbestand der Bareinlagepflicht, Rückabwicklung der „verdeckenden“ Leistung, näher Rdnr. 80). Auch Versuche, eine europarechtliche Prüfung unter der Kapitalrichtlinie zu ermöglichen, haben zu keiner Sachentscheidung geführt4. Die Effektivität der Kapitalaufbringung soll durch den Gedanken eines den § 19 Abs. 5 ergänzenden Umgehungsschutzes gesichert werden. Dieser Gedanke ist allerdings so allgemein gehalten, dass es einer Konkretisierung im Rahmen verschiedener Fallgruppen bedurfte. Der durch Umgehungsversuche betroffene Normenkomplex sind die gesetzlichen Vorschriften über die Sachgründung einschließlich der registerrechtlichen Prüfung und der Differenzhaftung. Dabei kommt es entscheidend auf die durch ein Geschäft objektiv erreichte oder zu befürchtende Vermeidung des Zwecks der betreffenden Vorschriften an; eine Umgehungsabsicht, die früher noch vorausgesetzt wurde5, ist nach heute ganz h.M. weder erforderlich noch ausreichend6. Das soll aber nicht heißen, dass subjektive Elemente in den verschiedenen Umgehungstatbeständen ganz fehlen könnten; vielmehr wird verlangt, dass zwischen dem einlagepflichtigen Gesellschafter und der Gesellschaft eine – auch: schlüssige – Abrede besteht, wonach die vereinbarte Leistung des Gesellschafters im wirtschaftlichen Ergebnis an die Stelle der an sich geschuldeten Geldeinlage treten soll7; so sieht es inzwi1 Ulmer, ZHR 154 (1990), 128 ff.; Henze, ZHR 154 (1990), 105 ff.; Joost, ZIP 1990, 549; Bayer, ZIP 1998, 1985; K. Schmidt, GesR, § 37 II 4 sowie die Kommentarliteratur: Ulmer, Rdnr. 168 ff., § 19 Rdnr. 85 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rdnr. 149 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rdnr. 57; Ebbing, in: Michalski, § 19 Rdnr. 143; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 30; kritisch immerhin Wilhelm, ZHR 152 (1998), 333; Wilhelm, ZHR 167 (2003), 520 ff.; Einsele, NJW 1996, 2681, 2683; Meilicke, DB 1989, 1067; Grunewald, in: FS Rowedder, 1994, S. 111 ff.; Schöpflin, GmbHR 2003, 57 ff.; Lutter/Gehling, WM 1989, 1447; Priester, ZIP 1991, 345, 348. 2 Mildner, Bareinlage, Sacheinlage und ihre „Verschleierung“ im Recht der GmbH, 1989, bes. S. 77 ff.; Wilhelm, ZHR 152 (1988), 333 ff. 3 Lutter/Gehling, WM 1989, 1446; Grunewald, in: FS Rowedder, 1994, S. 114. 4 Eingehend dazu Windbichler/Krolop, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2006, S. 375 ff. 5 So insbesondere RGZ 152, 292, 300 f. (AG). 6 BGHZ 110, 47, 64 f.; OLG Hamburg, ZIP 1988, 372, 373; OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 161, 164; GmbHR 1996, 855, 856; OLG Karlsruhe, GmbHR 1992, 113, 115; Henze, ZHR 154 (1990), 105, 109 f.; Ulmer, Rdnr. 170; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43. 7 Henze, ZGR 154 (1990), 114; Mülbert, ZHR 154 (1990), 187 ff.; Priester, ZIP 1991, 345, 351; Ulmer, Rdnr. 170; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 39; Lutter/

H. Winter/H. P. Westermann

|

445

77

§5

Stammkapital, Stammeinlage

schen auch die Rechtsprechung1. Diese Einschränkung, die mit unterschiedlichen Formulierungen umschrieben wird, z.T. im Sinne eines sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Einlagepflicht und dem schuldrechtlichen Übernahmegeschäft2, z.T. auch als einen den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage beabsichtigenden Gestaltungswillen der Beteiligten, der aber u.U. zu vermuten ist3, hat ihren Grund darin, dass andernfalls nicht zwischen einer Umgehung der Sachgründungsvorschriften und einem den Gesellschaftern an sich freistehenden Verkehrsgeschäft mit der Gesellschaft unterschieden werden könnte4. An der Freiheit, solche Geschäfte zu schließen und dabei u.U. auch die Zusammensetzung des Gesellschaftsvermögens zu verändern, ist etwas gelegen, sie darf allerdings nicht dazu benutzt werden, den Gesellschaftern schon im Rahmen der Aufbringung des der Gesellschaft zur Verfügung zu stellenden Kapitals das – ungeprüfte – Risiko des Wirtschaftens mit einem Sachwert zuzumuten. Hier zeigt sich auch eine Parallele zu der möglichen Behandlung von Austauschgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern im Rahmen der Kapitalerhaltung (§ 30 Rdnr. 31 ff.). Die Vermutungstatbestände sind in den einzelnen Fallgruppen etwas unterschiedlich, was auch für den zeitlichen Zusammenhang mit der „Erfüllung“ der Einlageschuld und dem späteren Austauschgeschäft gilt. bb) Voraussetzungen in den verschiedenen Fallgruppen 78

Die ursprünglich wichtigste Fallgruppe, das verabredete Hin- und Herzahlen der Geldeinlage und des Forderungsbetrages aus dem Sachübernahmegeschäft oder einem sonstigen Rechtsgrund, erfüllt regelmäßig die Voraussetzungen einer verdeckten Sacheinlage, ohne dass es darauf ankommt, in welcher Reihenfolge die Zahlungen erfolgen5. Der Zahlung an den Gesellschafter gleichzustellen ist es, wenn die Gesellschaft in Erfüllung einer im Zusammenhang mit dem Sa-

1

2

3

4 5

Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43; anders noch Lutter, in: FS Stiefel, 1987, S. 505, 512 ff. BGHZ 132, 139 = GmbHR 1996, 283; s. auch BGH, GmbHR 2003, 1053 mit Anm. Bormann; Priester, BNotZ 2003, 210; gegen das Erfordernis einer Abrede noch OLG Hamburg, GmbHR 1988, 219 f.; OLG Hamm, GmbHR 1995, 823. OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 855 f.; OLG Dresden, GmbHR 1997, 946, 948; OLG Hamburg, GmbHR 1988, 219; OLG Brandenburg, GmbHR 1998, 1033; ähnlich BGHZ 113, 335, 343; 125, 141, 143 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 48 („Verknüpfungswillen“). BGHZ 132, 139 (s. auch schon BGHZ 125, 141, 144); BGH, GmbHR 1996, 283 f.; 1996, 601, 603; OLG Köln, ZIP 1990, 717, 719; OLG Hamm, BB 1990, 1121 f.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 855, 857; Priester, ZIP 1991, 345, 352; Bayer, GmbHR 2004, 444, 448; Ulmer, Rdnr. 171. Mülbert, ZHR 154 (1990), 145, 187; Bayer, ZIP 1998, 1985, 1988. BGHZ 113, 335, 340 ff.; 125, 141, 143 f.; 132, 141, 143; 152, 37, 42; BGH, GmbHR 2003, 1051; BGH, DB 1975, 393; BGH, GmbHR 1996, 283, 284; 1998, 588, 590; OLG Frankfurt, AG 1991, 402; OLG Köln, NZG 2000, 489; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 855; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 38; krit. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 71, wonach Erfüllung der Einlagepflicht in diesen Fällen nur dann ausbleibt, wenn der Gegenstand der Einlage nicht endgültig zur freien Verfügung der Gesellschaft stand; näher Roth, in: FS Semler, 1993, S. 299, 301 f.

446

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

cherwerb übernommenen Verpflichtung an den Drittgläubiger leistet1. Die Gegenforderung, die verabredungsgemäß als Mittel zur Bereitstellung oder zur Rückerstattung der Geldeinlage des Gesellschafters eingesetzt wird, braucht nicht aus der Veräußerung oder nutzungsweisen Überlassung von Vermögensgegenständen an die Gesellschaft herzurühren, sondern kann auch auf anderen Rechtsgründen beruhen, z. B. Lohnforderungen2, Vergütungen für Beratungen und Geschäftsbesorgungen3, Darlehensrückgewähr- und Zinsansprüchen4, Ansprüchen auf stehengelassene Gewinne5, Bereicherungsansprüche6 u.a. Die „Darlehensabrede“, auf deren Grundlage das eingelegte Geld an den Gesellschafter zurückfließt, ist unwirksam, die Einlagepflicht nicht erfüllt7, ebenso unwirksam ist eine mit dem Hin- und Herzahlen verbundene Treuhandabrede8, so dass der Inferent nichts geleistet hat. Die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages würde uU zu einem Anspruch der Gesellschaft aus § 812 BGB führen; deshalb ist wichtig, dass nach der genannten Judikatur der Gesellschafter, wenn er die Darlehensschuld durch Zahlung an die Gesellschaft tilgt, auch seine Einlagepflicht erfüllt, also nicht doppelt zu leisten verpflichtet ist9. Zu den Rechtsfolgen s. im Übrigen Rdnr. 80a, b. Neuerdings hat der BGH an dieser Lösung festgehalten, als es um eine Darlehenshingabe der Einlagegläubigerin an eine durch ihre Gesellschafter gegründete OHG ging, die dann später (als Betriebsgesellschaft) von der GmbH gemietete Räume der GmbH verpachtet hatte, worauf schließlich die Pachtschulden der GmbH mit ihrer „Darlehensforderung“ verrechnet worden waren. Auch hier war von einer verdeckten Sacheinlage auszugehen, da die Gesellschafter an die GmbH zunächst wirtschaftlich nichts geleistet hatten, doch wurde die Verrechnung der fortbestehenden Einlageschuld mit den später entstandenen Pachtzinsforderungen als Einlageleistung anerkannt10; entscheidend hieran war, dass es sich nicht um eine Verrechnung mit Alt-, sondern mit Neuforderungen handelte. In allen diesen Fällen ist eine 1 2 3 4

5

6 7 8 9

10

Vgl. BGH, GmbHR 1996, 283, 284. BGH, GmbHR 1978, 268. Vgl. auch Mildner, S. 35 f. OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 518, 519; OLG Köln, GmbHR 1998, 143, 145. RGZ 156, 23, 31 f.; BGHZ 15, 52, 60 f.; 110, 47, 60 ff.; 125, 141, 142; OLG Köln, BB 1984, 1636, 1637; GmbHR 1998, 143, 145; OLG Koblenz, ZIP 1988, 642, 644; OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 161, 164. BGHZ 113, 335, 342 f.; BGH, ZIP 1996, 668, 670 ff.; 1997, 1337; OLG Köln, ZIP 1990, 717, 718; GmbHR 1998, 143, 145 betr. die Kapitalerhöhung im Wege des sog. Ausschüttungs-Rückhol-Verfahrens. Entsprechendes gilt auch für Schadensersatzansprüche; generell gegen die Anwendung des Aufrechnungsverbots des § 19 Abs. 5 auf sie aber Bergmann, S. 68 u. Mildner, S. 54. BGH, ZIP 2005, 2203 = GmbHR 2006, 43; dazu Kurzkomm. Tillmann, EWiR 2006, 33; s. auch Anm. Werner, GmbHR 2006, 45. BGH, ZIP 2006, 331 = NJW 2006, 906 mit Anm. Stephan, BB 2006, 626 = GmbHR 2006, 306; dazu Emde, GmbHR 2006, 308. Dazu eingehend Bayer, GmbHR 2004, 445, 452; dies hatte das OLG Schleswig (ZIP 2005, 1827; s. auch bereits OLG Schleswig, GmbHR 2000, 1045; OLG Schleswig, GmbHR 2003, 1058) anders gesehen, abweichend OLG Hamburg, GmbHR 2005, 164; diese Klarstellung begrüßt besonders Emde, GmbHR 2006, 308; zustimmend Kurzkomm. Bayer, EWiR § 19 GmbHG 3/05. BGHZ 153, 107 = GmbHR 2003, 231 mit Anm. Bayer/Pielka, WuB II C § 19 GmbHG 2.03; Döser, LMK 2003, 64; Gsell/Seulen, BB 2003, 272; eingehend später Bayer, GmbHR 2004, 444, 446 ff.

H. Winter/H. P. Westermann

|

447

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Verrechnungsabrede, durch die die verschiedenen Geschäfte verbunden werden, auch ohne ausdrückliche Feststellung gegeben. Das wird nicht immer so deutlich sein, ist aber ohne Anwendung der genannten (Rdnr. 77) Vermutung gewöhnlich anzunehmen, wenn eine Forderung des Gesellschafters gegen die GmbH durch Hin- und Herzahlen oder auch durch Verrechnung mit der Einlageschuld zu ihrer Erfüllung „eingebracht“ wird, was an sich möglich ist (Rdnr. 51), nur dann einen Bericht und eine Prüfung der Forderung auf ihre Werthaltigkeit verlangt1. Somit bleibt eine Umwandlung von Darlehensforderungen in Bareinlagen, wenn den Sachgründungsvorschriften Rechnung getragen wird, möglich, wie gesagt ebenso von anderen Forderungen. Dabei unterliegen bei entsprechender Abrede nicht nur die bei Begründung der Einlagepflicht schon bestehenden, sondern auch künftige Forderungen mit Ausnahme derjenigen, die die Rückzahlung einer nach Eintragung der Gesellschaft oder der Kapitalerhöhung an jene erbrachte Geldleistung zum Gegenstand haben, den Regeln über verdeckte Sacheinlagen, und zwar bei entsprechender Offenbarung auch dann, wenn die Verrechnung mit künftigen Forderungen im Zeitpunkt der Einlage abgesprochen war2. 78a

In allen diesen Fällen ist die genaue rechtstechnische Ausgestaltung des Rückfließens des Einlagewerts an den Gesellschafter nicht entscheidend, es kann allerdings im Einzelfall sein, etwa aufgrund einer Verpflichtung der Gesellschaft, den eingelegten Geldbetrag sogleich zum Erwerb einer dem Gesellschafter gehörenden Sache zu verwenden, dass deswegen das eingelegte Geld gar nicht zur freien Verfügung der Gesellschaft stand oder direkt § 19 Abs. 5 verletzt wurde3; selbst wenn dies aber im Einzelfall anders zu sehen und die „freie Verfügung“ zu bejahen ist, ist hier eine wirksame Einlageleistung wegen Umgehung der §§ 5 Abs. 4, 19 Abs. 5 zu verneinen4. Eine verdeckte Sacheinlage kann ferner vorliegen, wenn der zur Einlage verpflichtete Gesellschafter eine Verpflichtung gegenüber einem Mitgesellschafter oder einem außenstehenden Dritten, die auf Abnahme und Bezahlung einer Sache oder Dienstleistung geht, durch die Gesellschaft mit den Mitteln erfüllen lässt, die der Gesellschafter (zunächst) zur Erfüllung der Einlageschuld in das Gesellschaftsvermögen geleistet hatte5.

1 BGHZ 152, 37 = GmbHR 2002, 1193 mit Anm. K. J. Müller; BGHZ 125, 141 f. = GmbHR 1994, 394; LG Celle, GmbHR 2003, 898. 2 Dies wurde praktisch besonders bei dem damals steuerrechtlich interessanten, heute überholten „Schütt-aus-Hol-zurück“-Verfahren, BGHZ 113, 335, 336 = GmbHR 1991, 255; BGH, BB 1998, 967 = GmbHR 1998, 588; dazu kritisch Brandner, in: FS Boujong, 1996, S. 37, 40; teilweise auch Lutter/Zöllner, ZGR 1996, 164. Daraufhin hat BGHZ 135, 381, einschränkend entschieden, dass im Kapitalerhöhungsbeschluss offen gelegt wird, dass die Einlageschuld aus künftigen Nettogewinnen erfüllt werden soll (dazu Priester, ZGR 1998, 856; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rdnr. 145; Ulmer, Rdnr. 174; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rdnr. 52). 3 Zur Unterscheidung von den Fällen der verdeckten Sacheinlage Bayer, GmbHR 2004, 444, 450. 4 Ulmer, Rdnr. 173; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 19 Rdnr. 141; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 30. 5 S. etwa BGHZ 125, 141, 144 = NJW 1994, 1477; BGHZ 153, 107, 111 = NJW 2003, 825; Ulmer, Rdnr. 176; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 45; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 30.

448

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Ähnlich, wenn die Gesellschaft das eingelegte Geld an eine mit dem Inferenten verbundene Person weiterleitet, wenn es sich dabei um eine Gesellschaft handelt, an der der Inferent maßgeblich beteiligt war1 (zum Erfordernis der Personenidentität s. aber auch Rdnr. 80a), oder wenn in sonstiger Weise in den Leistungsaustausch Personen eingeschaltet werden, die entweder für Rechnung des eine Einlage schuldenden Gesellschafters handeln oder für die der Inferent bei einer Einlage handelt, deren Wert dann an den Hintermann abfließt2. So kann eine verdeckte Sacheinlage vorliegen, wenn sie zur Finanzierung eines Sacherwerbs von einem mit dem Gesellschafter verbundenen Unternehmen bestimmt ist, wenn nicht für die Trennung der Geschäfte im Einzelfall sachliche Gründe maßgebend waren3. Auch reicht es regelmäßig nicht aus, wenn mit den Einlagemitteln eine Forderung aus einer mit Angehörigen des Gesellschafters vereinbarten Sachübernahme beglichen wird4. In Konzernverbindungen sind ähnliche Handhabungen denkbar5. Die bloße Tatsache eines wirtschaftlichen Rückfließens des vom Gesellschafter eingelegten oder noch einzulegenden Betrages an ihn oder mit ihm verbundene Personen reicht indessen für die Annahme einer Umgehung der Sacheinlagevorschriften noch nicht aus, es müssen noch andere Prüfungen angestellt werden. Allerdings ist die Einlagefähigkeit (Rdnr. 42 ff.) einer Forderung oder einer für sie gewährten Gegenleistung keine Voraussetzung einer verdeckten Sacheinlage6, obwohl hierfür auch mit einem argumentum a maiore ad minus gleiche Ergebnisse gefordert werden7. Jedenfalls ist bei fehlender Sacheinlagefähigkeit ein Mangel der Sacheinbringung gegeben. Entscheidend für die Annahme einer verdeckten Sacheinlage ist die erforderliche (Rdnr. 77) Verknüpfungsabrede. Sie muss auf eine Kopplung von Einlage- und Vergütungsleistung gerichtet sein, also darauf, dass die Stammeinlage des Gesellschafters im wirtschaftlichen Ergebnis durch eine andere Leistung als Geld erbracht werden soll oder kann8. Sie muss zwischen dem Einlagepflichtigen und den übrigen Gesellschaftern oder dem GeschFührer getroffen sein9. Die einseitige Absicht des Gesellschafters reicht außer bei der Einmanngründung (§ 1) nicht aus. Einen rechtlichen Bindungswillen setzt die Abrede nicht voraus, sondern es genügt, dass ein entsprechender wirtschaftlicher Gestaltungswille oder mindestens eine erkennbare Bereitschaft zu dem Vorgehen bestand und mit seiner Verwirklichung den Um-

1 Dazu wiederum BGHZ 153, 107 mit Anm. Bayer/Pielka, WuB II C § 19 GmbHG 2.03; s. auch schon BGHZ 125, 141, 144 f.; 110, 47; OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 161, 166. 2 BGHZ 110, 67; OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 166. Zur AG: Groß, AG 1991, 224; BGHZ 113, 335, 345; gegen eine zu weite Ausdehnung der Kriterien Henkel, GmbHR 2005, 1589, 1591 f. 3 OLG Hamm, BB 1990, 1221, 1222; zum Aktienrecht Lutter, in: KölnKomm. AktG, § 66 Rdnr. 35, 41. 4 Habetha, ZGR 1998, 305, 320. 5 Näher Ulmer, Rdnr. 77. 6 A.M. Joost, ZIP 1990, 549, 550; Richter/Schick, GmbHR 1999, 97, 98 f. 7 Bayer, GmbHR 2004, 444, 451. 8 BGH, GmbHR 1996, 283, 285. 9 OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 855, 857.

H. Winter/H. P. Westermann

|

449

79

§5

Stammkapital, Stammeinlage

ständen nach zu rechnen war1. Auch inhaltlich sind an die Abrede keine strengen Anforderungen zu stellen2. Erforderlich und ausreichend ist, dass die bestehende oder eine künftige Forderung gegen die Gesellschaft oder die auf Grund des beabsichtigten Umgehungsgeschäfts an sie zu erbringende Gegenleistung nach den Vorstellungen der Beteiligten, wirtschaftlich gesehen, der eigentliche Einlagegegenstand sein soll; unwesentliche Einzelheiten insbesondere der Durchführung brauchen noch nicht festgelegt zu sein. Die Abrede muss zeitlich nicht schon bei der Begründung der Einlagepflicht oder bis zur Eintragung der Gesellschaft getroffen werden, sondern erfasst werden auch nachträgliche Tilgungsabreden; bezüglich der Rechtsfolgen ergeben sich aber insoweit Differenzierungen (Rdnr. 80b)3. Die Ausführung der verdeckten Sacheinbringung muss zwar auf die Abrede zurückgehen, kann aber in den für den gewollten wirtschaftlichen Erfolg unerheblichen Einzelheiten von ihr abweichen, so z.B. hinsichtlich der Reihenfolge des Hin- und Herzahlens (Rdnr. 78)4, darf allerdings nicht ganz unterbleiben5. Denn die Geschäftsführer müssen die Freiheit haben, im Zuge der Verfolgung des Unternehmenszwecks Verkehrsgeschäfte mit den eingelegten liquiden Mitteln zu machen, und zwar auch mit Gesellschaftern6. 80

Deshalb ist wichtig, in welchem Umfang Umstände des konkreten Geschäfts Indizwirkung für das Vorliegen einer (auch: konkludenten) Koppelungsabrede haben7. Ergeben die äußeren Umstände einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Begründung oder der Erfüllung der Einlagepflicht und dem schuldrechtlichen Übernahmegeschäft oder der Forderungsverwendung (Rdnr. 78), so begründet dies eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen einer Abrede über die verdeckte Sacheinbringung8. Es tritt dann insoweit eine Beweislastumkehr zum Nachteil des Einlageschuldners ein. Es muss allerdings auch ein zeitlicher Zusammenhang bestehen, ohne dass bisher Klarheit bezüglich der Länge der Zeit zwischen der Einbringung und der Durchführung des Verwertungsgeschäfts besteht. Verbreitet ist von einer Höchstdauer von sechs Monaten die Rede; liegen die Vorgänge länger auseinander, so ist die Annahme einer verdeckten Sacheinlage nicht ausgeschlossen, aber die Gesellschaft, die sich auf die Nichterbringung der Sacheinlage beruft, hat jetzt die Beweislast für 1 Vgl. RGZ 121, 99, 102; 167, 99, 108; BGH, GmbHR 1996, 283, 285; OLG Koblenz, GmbHR 1988, 439, 440; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 518, 519; Joost, ZIP 1990, 549, 559; K. Schmidt, GesR, § 37 II 4a. 2 OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 161, 165; Joost, ZIP 1990, 549, 559 f.; Priester, ZIP 1991, 345, 351. 3 OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 518, 519; Ulmer, ZHR 154 (1990), 128, 140 f.; Mülbert, ZHR 154 (1990), 145, 186 f., 191; Priester, ZIP 1991, 345, 351 f.; Wiedemann, ZIP 1991, 1257, 1263; v. Gerkan, GmbHR 1992, 433, 434; Habetha, ZGR 1988, 305, 313; abw. OLG Koblenz, ZIP 1988, 642, 645; Henze, ZHR 154 (1990), 105, 114, die nachträgliche Tilgungsabreden nicht ausreichen lassen. 4 BGHZ 113, 335, 344 f. 5 OLG Hamm, GmbHR 1995, 821, 822 f. 6 BGH, NJW 1992, 2698; Ulmer, Rdnr. 170. 7 Dazu Priester, ZIP 1991, 345, 353; Wiedemann, ZIP 1991, 1257, 1263; Pentz, ZIP 2003, 2095; Bayer, GmbHR 2004, 444, 448. 8 Vgl. BGHZ 125, 141, 143 f.; BGH, GmbHR 1996, 283, 284.

450

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

die Koppelung1. Keine Voraussetzung für das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage und einer Koppelungsabrede ist Personenidentität von Einlageschuldner und Inhaber bzw. Forderungsgläubiger des Einbringungsgegenstandes2. Die Gesamtbeurteilung der Umstände kann ergeben, dass der einem Dritten gehörende Gegenstand im wirtschaftlichen Ergebnis die eigentliche Einlage bilden sollte; seine Kenntnis von der betroffenen Abrede kann u.U. notwendig sein, ist aber kein allgemeines Erfordernis. Bei Treuhandbeteiligungen sind für die Beurteilung der einschlägigen Sachverhalte die dem Treugeber gehörenden Gegenstände stets wie die des Gesellschafters zu behandeln3; zur Einschaltung Dritter in die Umgehungsaktion s. im Übrigen Rdnr. 78a. cc) Rechtsfolgen Die bei Begründung der Einlagepflicht getroffenen Abreden der Gesellschafter über verdeckte Sacheinbringungen sind analog § 5 Abs. 4 Satz 1 wegen des Fehlens der vorgeschriebenen Festsetzungen im Gesellschaftsvertrag unwirksam (Rdnr. 93 f.); das Registergericht hat die Eintragung aus diesem Grunde gem. § 9c Abs. 1 Satz 1 abzulehnen4. Nach erfolgter Eintragung besteht jedoch eine uneingeschränkte Geldeinlagepflicht des Gesellschafters (Rdnr. 94), da die Einlagepflicht bis dahin nicht erfüllt ist. Die Einbringung des Sachwerts, die in Ausführung der unwirksamen Abrede mit den Mitteln der Verrechnung von Einlage- und Gegenforderung, des Hin- und Herzahlens der Forderungsbeträge, der aliud-Leistung u.ä. bewirkt wird, hat nach dem Zweck der Sachgründungsvorschriften keine Erfüllungswirkung bezüglich der Einlagepflicht5. Dieselbe Rechtsfolge tritt darüber hinaus auch ein, wenn die Gesellschafter oder der Geschäftsführer mit dem Einlegeschuldner nachträglich spätestens bei der Leistung (Rdnr. 79) verabreden, eine ordnungsgemäß vereinbarte Geldeinlagepflicht durch verdeckte Sacheinbringung zu tilgen (§ 19 Abs. 5)6. Die abweichende Meinung, die die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen auf den späteren

1 BGHZ 152, 37, 45 = NJW 2002, 3774; OLG Köln, GmbHR 1999, 663; Pentz, ZIP 2003, 2095; Priester, ZIP 1991, 345, 348 ff.; Langenbucher, NZG 2003, 211; Ulmer, Rdnr. 171; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 30a; kritisch aber Noack, LMK 2003, 63. 2 BGHZ 110, 47, 66 ff.; 113, 335, 345 f.; 125, 141, 144 f.; BGH, GmbHR 1996, 283, 284; 1996, 601, 603; 2002, 1193, 1195; OLG Hamm, BB 1990, 1221, 1222; OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 161, 166; OLG Dresden, GmbHR 1997, 946, 948; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 19 Rdnr. 149 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rdnr. 57; Ebbing, in: Michalski, § 19 Rdnr. 143; weitere Nachweise bei Henkel, GmbHR 2005, 1589 ff. 3 BGHZ 110, 47, 67 f.; 125, 141, 144 f.; BGH, GmbHR 2002, 1193, 1195; OLG Hamm, EWiR 1999, 559; Joost, ZIP 1990, 563; Heil, NZG 2001, 913, 919 ff. 4 BGHZ 113, 335, 351 f.; OLG Köln, GmbHR 1996, 682; Ulmer, § 9c Rdnr. 23; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 9c Rdnr. 3. 5 BGHZ 28, 314, 319 f.; 113, 335, 348; 125, 141, 149 ff.; BGH, NJW 1982, 2444, 2446; OLG Hamburg, ZIP 1988, 372, 373; OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 161, 167; OLG Köln, GmbHR 1995, 518; OLG Hamm, GmbHR 1995, 821, 822; Ulmer, Rdnr. 178; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 41; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 48; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 50. 6 Vgl. dazu Ulmer, ZHR 154 (1990), 128, 141; Mülbert, ZHR 154 (1990), 145, 191; Priester, ZIP 1991, 345, 352.

H. Winter/H. P. Westermann

|

451

80a

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Nachweis der Wertdeckung durch den Gesellschafter und, soweit er nicht gelingt, auf dessen Differenzhaftung beschränken will1, lässt die Formbedürftigkeit der Einlagevereinbarung (§ 2 Abs. 1) sowie wesentliche spezielle Schutzvorschriften für Sacheinlagen (Rdnr. 38) unberücksichtigt und ist deshalb mit den Wertungen, die das Rechtsinstitut der verdeckten Sacheinlage bestimmen, unvereinbar. Eine Geldleistung des Gesellschafters auf die Einlageschuld, die gemäß den vorgenannten Absprachen unter dem Vorbehalt der Rückzahlung als Vergütung für Sachübernahmen oder zur Tilgung sonstiger Gegenforderungen (Rdnr. 78) oder unter Verwendung der von der Gesellschaft dafür erlangten Mittel erfolgt, genügt wegen der fehlenden Erfüllungswirkung auch nicht den Erfordernissen der in § 7 Abs. 22 vorgeschriebenen Mindesteinzahlung (s. § 7 Rdnr. 31, 36)3. Nach neuerer Rechtsprechung (Nachw. Rdnr. 78) kann der Inferent, wenn er zur Tilgung seiner Sacheinlageschuld gezahlt und den Betrag sogleich und entsprechend einer Koppelungsabrede im Zuge eines Darlehensoder Treuhandvertrages wieder zurückerhalten hat, durch Erfüllung der damit vorhandenen Verpflichtung sogleich seine Einlageschuld erfüllen. Diese Möglichkeit muss allerdings noch in das weitere System der Rechtsfolgen der Umgehung bzw. des Umgehungsversuchs (Rdnr. 80b) eingefügt werden. Die Gesellschafter und die Geschäftsführer haften wegen der unrichtigen Angaben über die übernommene Stammeinlage und gegebenenfalls über die erforderliche Mindesteinzahlung gem. § 9a Abs. 14 und sind u.U. auch gem. § 82 Abs. 1 Nr. 1 strafbar. Das Kreditinstitut, das eine unrichtige Bestätigung über die Einzahlung zur freien Verfügung der Geschäftsführer abgibt, haftet analog § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG (s. § 9a Rdnr. 43). 80b

Die Auswirkungen des gesetzwidrigen Umgehungen der Sachgründungsvorschriften auf ein zugrundeliegendes schuldrechtliches Verkehrsgeschäft (z. B. einen Kauf-, Werk- oder Darlehensvertrag) sind umstritten. War es vor der Umgehungsabrede abgeschlossen worden, so kann deren Unwirksamkeit den rechtlichen Bestand jenes Geschäfts nicht berühren. Wird es dagegen zusammen mit der Umgehungsabrede oder danach zu ihrer Ausführung abgeschlossen, so kann die Rechtsfolge nicht aus § 5 Abs. 4 Satz 1 oder § 19 Abs. 5 entnommen werden, da die fehlende Erfüllungswirkung nur die als Einlage gedachte Leistung erfasst. Der BGH hat neuerdings die Bestimmung des § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG analog 1 Grunewald, in: FS Rowedder, 1994, S. 111, 114 ff.; Brandner, in: FS Boujong, 1996, S. 36, 44 ff.; Einsele, NJW 1996, 2681, 2688 f.; Wilhelm, ZHR 152 (1988), 333, 362; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rdnr. 60; befürwortend de lege ferenda Krieger, ZGR 1996, 674, 691 f. 2 Die Vorschrift greift zusätzlich ein; zutr. Habetha, ZGR 1998, 305, 318 f. 3 Vgl. BGHZ 113, 335, 347 ff. 125, 141, 149 ff. Der Einwand, dass eine Einzahlung zur freien Verfügung gem. § 7 Abs. 2 bei der verdeckten Sacheinlage mittels Hin- und Herzahlens jedenfalls dann nicht verneint werden könne, wenn absprachegemäß zunächst die Vergütung für den Sacherwerb und danach die Zahlung auf die Einlage erfolge (K. Schmidt, AG 1986, 106, 114; Hommelhoff/Kleindiek, ZIP 1987, 477, 489; Mildner, S. 82), übergeht die fehlende Erfüllungswirkung dieser als Mittel der Sacheinbringung dienenden Leistung (im Erg. zutr. Mülbert, ZHR 154 (1990), 145, 184). 4 BGHZ 113, 335, 346 ff.; Ulmer, § 9a Rdnr. 27; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9a Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 9a Rdnr. 4; Mülbert, ZHR 154 (1990), 189 f.

452

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

angewendet1, was bedeutet, dass die zur Umgehung abgeschlossenen schuldrechtlichen Geschäfte nichtig sind, eine Leistungspflicht des Inferenten, deren spätere Erfüllung u.U. auch die Einlagepflicht tilgen könnte (Rdnr. 80a), also nicht entsteht. Daneben ist dann auch das dingliche Erfüllungsgeschäft nichtig, was zur Folge hat, dass der Inferent vindizieren kann, bei zwischenzeitlichem Untergang oder Veräußerung der Sachleistung durch die Gesellschaft kann er nach §§ 989, 990 BGB Schadensersatz verlangen, wofür Bösgläubigkeit der Gesellschaft bei Besitzerwerb nötig ist, die aber im Allgemeinen zu bejahen sein soll2. Daneben steht ggf. noch ein Anspruch aus § 816 Abs. 1. Die Analogie zu § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG ist schon deshalb bedenklich, weil der bei der Novellierung des GmbHG im Jahre 1980 gemachte Vorschlag, eine entsprechende Bestimmung ins GmbHG aufzunehmen, nicht übernommen worden war; sie passt auch sachlich nicht völlig, weil ein nach einer ordnungsmäßigen Begründung der Einlagepflicht verabredetes, der Umgehung dienendes Geschäft bei der in § 27 Abs. 1 AktG geforderten Festsetzung nicht berücksichtigt werden konnte, so dass insoweit nur das allgemeine Umgehungsverbot und damit § 134 BGB, §§ 5 Abs. 4, 19 Abs. 5 GmbHG die Unwirksamkeit herbeiführen. Bliebe man dabei, dass die zur Erfüllung der Bareinlagepflicht (zum Schein) erbrachte Leistung dinglich wirksam ist (abgesehen von der Möglichkeit eines Eigentumserwerbs durch die Gesellschaft nach sachenrechtlichen Regeln)3, so könnte im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung, die sich an die mangelnde Erfüllungswirkung anschließt, der Inferent die geleistete Sache zwar kondizieren, dieser Anspruch wäre aber durch den Rückforderungsanspruch der Gesellschaft bezüglich des zurückzugewährenden „Kaufpreises“ (nach Maßgabe der Saldotheorie) belastet4. Einen solchen Anspruch kann der Inferent wegen § 19 Abs. 2 dem fortbestehenden Einlageanspruch nicht entgegensetzen5. Wohl aber kann der Inferent, wenn er im Zuge des Umgehungsgeschäfts Leistungen der Gesellschaft – ebenfalls rechtsgrundlos – erhalten hat, mit seinem Bereicherungsanspruch gegen den der Gesellschaft aufrechnen6, was allerdings ebenfalls zweifelhaft ist, obwohl der Einleger ja jedenfalls seine Einlage noch erbringen muss.

80c

Solange die Rückabwicklung nur über die beiderseitigen Kondiktionen erfolgen sollte, war für den Inferenten besonders das Insolvenzrisiko der Gesellschaft

80d

1 BGHZ 155, 329, 338 = NJW 2003, 3127 = GmbHR 2003, 1051, 1054 mit Anm. Bormann; zustimmend Pentz, ZIP 2003, 2093, 2100; Bayer, GmbHR 2004, 445, 452; Ulmer, § 19 Rdnr. 133; schon früher in diesem Sinne Henze, ZHR 154 (1990), 105, 118; Custodis, in: FS Schippel, 1996, S. 397, 399 f.; A. Reuter, BB 1999, 217, 221 ff.; zuletzt auch Döser, LMK 2003, 188; Langenbucher, DStR 2003, 1838 f.; Mülbert/Taucher, Anm. WuB II C § 19 GmbHG 1.04. 2 Dazu näher Langner, GmbHR 2004, 298, 299; Heidenhain, GmbHR 2006, 455, 456. 3 OLG Köln, BB 1995, 426 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 50; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 41. 4 Langner, GmbHR 2004, 298, 299. 5 BGH, ZIP 1998, 780 = NJW 1998, 1951, 1953; ebenso Bayer, ZIP 1998, 1985, 1990; Langner, GmbHR 2004, 298, 299; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 41. 6 BGH, ZIP 1998, 780 = NJW 1998, 1951, 1953.

H. Winter/H. P. Westermann

|

453

§5

Stammkapital, Stammeinlage

schwerwiegend, weil der Bereicherungsanspruch hier nicht greift1. So gesehen bedeutet die Ausdehnung der Nichtigkeit auf das dingliche Geschäft, die der BGH in Anwendung des § 27 AktG jetzt ausgesprochen hat2, dass eine Vindikation, ein Anspruch aus § 816 BGB und bei zwischenzeitlicher Vermischung oder Verarbeitung doch ein Bereicherungsanspruch bestehen kann. Am Ende stehen einander dann gegenüber: auf Seiten der Gesellschaft die Forderung auf eine Bareinlage und Kondiktionsansprüche auf Rückgewähr der übereigneten Kaufsache bzw. – in den „Darlehensfällen“ – der Darlehensvaluta, auf Seiten des Inferenten ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB, der nicht die Schwächen der „Saldotheorie“ aufweist3. Diese Folgen aus der Umgehung können die Beteiligten, ohne den verhältnismäßig umständlichen Weg einer zur Heilung führenden Umwandlung von einer Bar- in eine Sacheinlage (Rdnr. 106) zu gehen, dahin ausnützen, dass ein zunächst unwirksam geleisteter Kaufgegenstand nunmehr „offen“ an die Gesellschaft übereignet wird, was bei einer noch im Besitz der Gesellschaft befindlichen Sache unproblematisch ist, hilfsweise durch Verrechnung des Kondiktionsanspruchs aus § 816 BGB gegen den Einlageanspruch4. Dadurch kann dann die Einlagepflicht erfüllt werden, wenn auch unter dem Vorbehalt, dass der Wert dieser Leistung den Betrag der übernommenen Bareinlage erreichen muss. Nach wie vor wird aber als „Einbringungsgegenstand“ auch noch der Bereicherungsanspruch des Gesellschafters auf Herausgabe der rechtsgrundlos geleisteten Zahlung dem Bereicherungsanspruch der Gesellschaft gegenübergestellt, so dass eine Saldierung möglich sei, die dann die Bareinlagepflicht erfülle5; die neueste Wendung der Judikatur weist aber den Weg über die „Neueinbringung“. In beiden Gestaltungen ist aber davon auszugehen, dass die Geschäftsführer und die Gesellschafter einen Bericht über die geänderte Einlagendeckung verfassen und ihn dem Registergericht nebst Nachweisen über die Werthaltigkeit des Einlagegegenstandes vorzulegen haben, worauf dann die „Umqualifizierung“ im Register eingetragen werden kann6. Jedenfalls könnten für viele Fälle bei Ausgehen von einem gegen die Insolvenz der Gesellschaft geschützten Vindikationsanspruch des Inferenten auch für die Insolvenzfälle Wege gefunden werden, die die Gefahr einer Verpflichtung des Inferenten zur Doppel- oder gar Dreimalzahlung der Einlage abschwächen, wenn es auch sicherlich geschehen kann, dass an den Schwierigkeiten der hoch komplexen Rechtslage im Einzelfall ein interessengerechter 1 Tatsächlich wird eine „verdeckte Sacheinlage“ in aller Regel erst in der Insolvenz der Gesellschaft aufgedeckt und dann vom Insolvenzverwalter geltend gemacht, eindrucksvolle Nachweise bei Heidenhain, GmbHR 2006, 457. 2 BGHZ 155, 329, 338 = NJW 2003, 3127; zustimmend Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 52; anders früher OLG Köln, BB 1995, 426 f.; OLG Oldenburg, NZG 2000, 316; Bayer, ZIP 1998, 1985, 1990. 3 Dies begrüßen Langner, GmbHR 2004, 299; Pentz, ZIP 2003, 2101; Langenbucher, DStR 2003, 1838; s. auch Kurth, NJW 2003, 3180; weiterhin Ettinger/Reiff, NZG 2004, 258. 4 In diesem Sinne auch Bayer, GmbHR 2004, 445, 453; Langner, GmbHR 2004, 299 f. 5 So Bayer, GmbHR 2004, 453; schon früher Bayer, ZIP 1998, 1985, 1992; in diesem Sinne auch noch BGH, ZIP 1998, 780 = NJW 1998, 1951, 1953. 6 Dies wird aus der Entscheidung BGHZ 132, 151, 154 = GmbHR 1996, 351 (dazu Krieger, ZGR 1996, 674, 678 ff.) zur Heilung verdeckter Sacheinlagen geschlossen, s. dazu Bayer, GmbHR 2004, 449, 453.

454

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Ausgleich scheitert. Diese Möglichkeiten und ihre Probleme sind bei der Erörterung einer „offiziellen“ Heilung der verdeckten Sacheinlage zu beachten (Rdnr. 106), die angesichts der Einhaltung des Erfordernisses registerrechtlicher Kontrolle auch in den „Verrechnungsfällen“ kaum einen zusätzlichen Gesellschafts- und Gläubigerschutz bringt. Deshalb ist im Übrigen zu betonen, dass die derzeitige Rechtslage nach wie vor von einer nur mühsam bewältigten „Inkonsistenz von Tatbestand und Rechtsfolge“1 gekennzeichnet ist, da die Werthaltigkeit der Leistungen und die daraus eventuell folgende Gefährdung der Interessen der Gesellschaft und der Gläubiger für die Ergebnisse kaum eine Rolle spielen, während die – auch in diesem Stadium nicht allzu verlässliche – registerrechtliche Kontrolle in jedem Fall aufrechterhalten bleibt. Zur Zinspflicht § 20 Rdnr. 5.

4. Gemischte Sacheinlage Eine gemischte Sacheinbringung („gemischte Sacheinlage“) liegt vor, wenn der Gesellschafter sich in der Weise zur Leistung eines Vermögensgegenstandes verpflichtet, dass sie nur zum Teil auf die Stammeinlage erfolgen oder die für ihn zu gewährende Vergütung nur zum Teil auf die Stammeinlage verrechnet werden soll, während der überschießende Teil ihm in Geld oder in anderen Vermögenswerten vergütet werden soll2. Es handelt sich somit um eine Verbindung von Sacheinlage und Sachübernahme. Die Gestaltung ist nicht zu verwechseln mit der – vereinzelt ebenso genannten – Mischeinlage, bei der die Stammeinlage sowohl in Geld als auch in anderen Vermögensgegenständen zu leisten ist (s. § 7 Rdnr. 20).

81

Die Vereinbarung über eine gemischte Sacheinbringung ist als ein einheitliches Rechtsgeschäft zu behandeln, auf das im ganzen die für die Sachgründung geltenden Vorschriften anzuwenden sind3. Die Aufspaltung des Geschäfts widerspräche dem Gründerwillen und wäre vor allem mit dem Schutzzweck der Sachgründungsvorschriften unvereinbar. Es würde ein irreführendes oder jedenfalls unvollständiges Bild über das durch die Stammeinlage aufzubringende Gesellschaftsvermögen vermitteln und ebenfalls dem Sinn des § 5 Abs. 4 Satz 1 (Rdnr. 86) zuwiderlaufen, wenn bei der danach erforderlichen Festsetzung des

82

1 K. Schmidt, GesR, § 37 II 4b; dem – mit rechtspolitischen Schlussfolgerungen – zustimmend Heidenhain, GmbHR 2006, 455, 457 ff.; s. auch bereits Krieger, ZGR 1996, 674, 691; Grunewald, in: FS Rowedder, 1994, S. 111, 114; Brandner, in: FS Boujong, 1996, S. 37, 45 f. 2 RGZ 159, 321, 326 f.; OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109, 111; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215; Habersack, in: FS Konzen, 2006, S. 179, 180; Ulmer, Rdnr. 118; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 46. Weitergehend Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 764 f.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 79 f. 3 RGZ 159, 321, 326; BGH, GmbHR 1998, 588, 590; KG, JW 1928, 1822; Habersack, in: FS Konzen, S. 179, 181; Ulmer, Rdnr. 120; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 47; a.M. Feine, S. 107. Für das Aktienrecht auf unteilbare Leistungen einschränkend Kraft, in: KölnKomm. AktG, § 27 Rdnr. 51; Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 27 Rdnr. 45; s. auch Pentz, in: MünchKomm. AktG, § 27 Rdnr. 68.

H. Winter/H. P. Westermann

|

455

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Betrages der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezieht, nur der zu ihrer Deckung verwendete Wertteil und nicht auch der an den Einleger in Geld oder anderweitig zu vergütende Teil im Gesellschaftsvertrag vermerkt würde; dieser Gedanke kommt allerdings im Wesentlichen nur zum Tragen, wenn ein unteilbarer Gegenstand eingelegt wird. Andernfalls könnte man sich auch mit den allgemeinen Regeln über die Kapitalaufbringung begnügen1. 83

Außer den nach § 5 Abs. 4 Satz 1 sonst erforderlichen Angaben (Rdnr. 87 ff.) muss sich also aus dem Gesellschaftsvertrag selbst ergeben, dass ein über den Anrechnungsbetrag auf die Stammeinlage hinausgehender Mehrwert des Einlagegenstandes dem Einleger oder einem Dritten vergütet werden soll2. Es bedarf jedoch nicht notwendig ausdrücklicher Hervorhebung des Vergütungsanspruchs, sondern er kann sich auch aus dem übrigen Vertragsinhalt durch Auslegung (s. § 2 Rdnr. 33 ff.) ergeben3. Er muss darüber hinaus Bestimmungen sowohl über die Art der zu gewährenden Vergütung (z.B. Zahlungsanspruch, Darlehensgutschrift, Schuldübernahme u.a.) als auch über die Höhe enthalten4. Es ist dabei, was insbesondere für die Einbringung von Unternehmen bedeutsam ist (Rdnr. 54, 58), aber nicht erforderlich, dass die Vergütung im Gesellschaftsvertrag betragsmäßig genau beziffert5 oder jedenfalls mit einem Schätzbetrag6 angegeben wird, sondern es genügt den Informations- und Kontrollinteressen der Gesellschaftsgläubiger und des Registergerichts, wenn er objektiv bestimmbar festgesetzt wird in einer Weise, die eine ziffernmäßige Konkretisierung auf den Anmeldezeitpunkt anhand der eingereichten Unterlagen unschwer ermöglicht7. Auf diesem Wege kann dann die – meist erst nach Vertragsschluss festgestellte – Einbringungsbilanz berücksichtigt werden, und die Differenzhaftung bleibt dem Inferenten ohnehin nicht erspart8.

84

Beim Fehlen der statutarischen Festsetzungen über die zu gewährende Vergütung (Rdnr. 83) ist zwar die Beteiligungserklärung und die Sacheinlagevereinbarung rechtswirksam, doch nur so wie beurkundet. Ein Vergütungsanspruch steht dem Einleger gegen die Gesellschaft nicht zu9. Willigen die Mitgesellschafter bei einer versehentlich unterlassenen Festsetzung nicht in eine Änderung des Gesellschaftsvertrages ein, so steht dem Einleger u.U. ein außerordentliches Austrittsrecht aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.) zu, vielleicht auch ein Bereicherungsanspruch gegen die Mitgründer (§§ 812, 815 BGB). Die nachträgli1 Habersack, in: FS Konzen, S. 179, 188 f. 2 RGZ 125, 323, 329; 159, 321, 327; BGHZ 45, 338, 342. 3 RGZ 159, 321, 327; BayObLG, DB 1979, 1075 f.; Priester, BB 1980, 19, 20; Ulmer, Rdnr. 121; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20. 4 RGZ 114, 77, 81; BGHZ 45, 338, 342 f.; OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109, 111; Feine, S. 107; Ulmer, Rdnr. 121; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20. 5 Das verlangt Günthner, NJW 1975, 524, 526. 6 So OLG Stuttgart, GmbHR 1982, 109, 111 m. krit. Anm. von Priester. 7 OLG Zweibrücken, GmbHR 1981, 214, 215; Priester, BB 1980, 19, 22 f.; GmbHR 1982, 113; Ulmer, Rdnr. 122; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; dahingestellt von OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215. 8 Habersack, in: FS Konzen, 2006, S. 179, 184, der dies allerdings auf die Einbringung unteilbarer Gegenstände beschränkt. 9 RGZ 118, 113, 117 f.; 125, 323, 328 f.; 159, 321, 327; Ulmer, Rdnr. 123.

456

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

che Einfügung der unterlassenen Festsetzung in die Satzung kann allerdings nur unter Anwendung der Regeln über eine Kapitalherabsetzung (§ 58) erfolgen, da die in der Satzung nicht vermerkte Gewährung einer Vergütung an den Sacheinleger aus Gläubigersicht wie eine teilweise Rückgewähr der Einlage wirkt1. In Betracht kommt aber auch eine anderweitige Ausgleichsregelung, etwa eine Nachzahlung des Inferenten, der von seinen Mitgesellschaftern, um den Risiken aus der fehlenden statutarischen Festsetzung zu entgehen, eine Mitwirkung an der Heilungsmaßnahme verlangen kann2. Die außerhalb der Satzung erfolgte Zusicherung des Mehrbetrages durch die Mitgesellschafter kann als Garantie- oder Schuldübernahmevertrag unter den Beteiligten wirksam sein3. Die Summe der auf die Stammeinlage anzurechnenden und der als Vergütung an den Gesellschafter zu gewährenden Beträge darf den Zeitwert des Einlagegegenstandes (Rdnr. 57 ff.) nicht überschreiten. Die Gesellschafter können statutarisch vereinbaren, dass ein eventueller Minderwert einseitig zu Lasten der Vergütung gehen soll, aber im Zweifel ist das nicht anzunehmen4. Das Registergericht hat deshalb bei ungenügender Wertabdeckung der Summe die Eintragung abzulehnen (§ 9c Abs. 1 Satz 2). Zur Differenzhaftung in diesem Fall vgl. § 9 Rdnr. 8. Für Vertragsmängel und Leistungsstörungen gelten im Übrigen die allgemeinen Grundsätze für Sacheinlagen i.e.S. oder für Sachübernahmen mit Anrechnungsabrede.

85

5. Die Festsetzung im Gesellschaftsvertrag (§ 5 Abs. 4) Sollen Stammeinlagen nicht in Geld, sondern durch Sachwerte (Sacheinlagen i.w.S.; s. Rdnr. 37) gedeckt werden, so müssen im Gesellschaftsvertrag5 zwecks Aufklärung der Gesellschaftsgläubiger über die Zusammensetzung des aufzubringenden Stammkapitals und zur Ermöglichung der registergerichtlichen Kontrolle die Person des verpflichteten Gesellschafters (Rdnr. 87), der Gegenstand der Sacheinlage (Rdnr. 88) und der Betrag der abzugeltenden Stammeinlage (Rdnr. 89 ff.) festgesetzt werden (§ 5 Abs. 4 Satz 1). Die statutarische Regelung muss deshalb alle Gesichtspunkte enthalten, die nach Maßgabe der einschlägigen Auslegungsgrundsätze (s. § 2 Rdnr. 33 ff.) zu einer zutreffenden und zweifelsfreien Unterrichtung über die angegebenen Vertragsbestandteile notwendig sind. Nebenabreden, die für die Einschätzung der Wertverhältnisse der einzubringenden Gegenstände aussagekräftig sind, müssen aufgenommen werden, da sie sonst – abgesehen von der unabhängig davon bestehenden Gültigkeit der Sacheinlagevereinbarung – der Gesellschaft gegenüber nicht wirksam sind6. 1 2 3 4

Ulmer, Rdnr. 124. Die Mitwirkung muss allerdings einstimmig geschehen, Ulmer, Rdnr. 124. RG, GmbHRspr. II § 2 R. 9; IV § 5 R. 13. OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215; Trölitzsch, Differenzhaftung für Sacheinlagen in KapGes., 1998, S. 34 f., 255 ff. m.w.N.; a.M. Priester, GmbHR 1982, 113. 5 Die Aufnahme in eine Anlage, die dem notariellen Protokoll beigefügt ist (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG), genügt nicht; vgl. Ulmer, Rdnr. 126; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 43; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 55; a.M. wohl Röhl, GmbHR 1982, 252. 6 Vgl. RGZ 117, 77, 81; Ulmer, Rdnr. 129.

H. Winter/H. P. Westermann

|

457

86

§5

Stammkapital, Stammeinlage

Festsetzungen dürfen nicht vor Ablauf von fünf Jahren ab der Eintragung der Gesellschaft durch Satzungsänderung beseitigt werden1. Hierüber fehlt allerdings eine ausdrückliche Regelung im Gesetz2, so dass zu überlegen ist, ob §§ 27 Abs. 5, 26 Abs. 5 AktG analog anzuwenden sind, wodurch allerdings Fristen in das GmbH-Recht übertragen würden, die (mit dreißig Jahren) für die Praxis einer mehr personalistischen Gesellschaft deutlich zu lang sind3. Die Lösung mit einer Fünf-Jahres-Frist lehnte sich an die Verjährungsregelung in § 9 Abs. 2 an4, die aber mit zehn Jahren immer noch zu lang erscheint, so dass der Vorschlag5, die Festsetzung als für fünf Jahre unantastbar zu verstehen, der gewöhnlich bestehenden Überschaubarkeit der Verhältnisse am ehesten entspricht, obwohl mangels höchstrichterlicher Klärung Rechtssicherheit nicht besteht. a) Notwendige Angaben 87

aa) Die Angabe der Person des Sacheinlegers ist, abweichend vom früheren Recht, in der Neufassung des § 5 Abs. 4 Satz 1 nicht mehr ausdrücklich erwähnt, aber an ihrer Notwendigkeit hat sich sachlich nichts geändert6. Dem Erfordernis genügt jede individualisierende Bezeichnung, die es ermöglicht, den Sacheinleger eindeutig zu bestimmen, was auch durch Auslegung geschehen kann7.

88

bb) Der Gegenstand der Sacheinlage ist im Gesellschaftsvertrag so zu bezeichnen, dass jeder Zweifel an seiner Identität ausgeschlossen ist. Bei Sachgesamtheiten (Rdnr. 53 f.) genügt regelmäßig eine verkehrsübliche, objektiv individualisierende Bezeichnung; die Angabe der zu ihr gehörenden einzelnen Gegenstände ist nicht erforderlich8, bei einer bloßen Mehrheit von Gegenständen genügt dagegen keine nur zusammenfassende Beschreibung ohne Nennung der Zahlen9. Eine genaue Beschreibung braucht sich auch nicht aus einer Anlage zum Gesellschaftsvertrag zu ergeben, insbesondere muss bei Unternehmen, die mit Handelsregisternummer und Firma bezeichnet werden können, keine Ein-

1 Ulmer, Rdnr. 130; dagegen stellt Priester, DNotZ 1980, 520 auf den Leistungszeitpunkt ab; unentschieden insoweit Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 56; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49. 2 Der Vorschlag in § 5b Abs. 4 RegE, wonach die Festsetzungen gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 fünf Jahre nach der Abwicklung der Vereinbarungen durch Satzungsänderung beseitigt werden dürfen, ist vom Rechtsausschuss, BT-Drucks. 8/3908, S. 69 f. unter Hinweis auf die geltende Praxis mangels Bedürfnisses nicht in das Gesetz übernommen worden. 3 Ulmer, Rdnr. 130; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; a.M. allerdings LG Hamburg, GmbHR 1968, 207. 4 Ulmer, Rdnr. 130; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49. 5 9. Aufl. Rdnr. 86. 6 Vgl. Ulmer, Rdnr. 133; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 44; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 58 (nicht dagegen die Person eines dritten Sachübernehmers). 7 Beispiele bei Ulmer, Rdnr. 133. 8 OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215; Ulmer, Rdnr. 137; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; s. auch RG, Gruch. 71, 527. 9 S. etwa OLG Kiel, JR 1948, 325.

458

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

bringungsbilanz beigefügt werden1, es sei denn, bestimmte Werte sollen nicht mit eingelegt werden2; die Einbringungsbilanz braucht also erst bei der Anmeldung vorzuliegen. Den Bedürfnissen der Unterrichtung der Öffentlichkeit und der registergerichtlichen Kontrolle ist Genüge getan, wenn entsprechende zusätzliche Unterlagen mit der Anmeldung eingereicht werden (vgl. auch §§ 5 Abs. 4 Satz 2, 8 Abs. 1 Nr. 4, 5). Unzureichend ist danach etwa die Bestimmung, dass die Außenstände eines Unternehmens bis zu einem angegebenen Höchstbetrag eingebracht werden, da unklar bleibt, welche Forderungen übergehen sollen3. Vertretbare Gegenstände sind nach Art und Menge anzugeben4. Die Art der einzubringenden Gattungssache kann sich aber möglicherweise schon aus den Umständen, z.B. dem Gegenstand des betreffenden Unternehmens, ergeben5. Allerdings müssen entweder die Einzelstücke näher gekennzeichnet oder die Zahl der artgleichen Stücke angegeben werden, oder es muss vermerkt werden, dass es sich um alle Stücke einer Sachgesamtheit handelt6. Unvertretbare Sachen, somit auch Immobilien, ferner auch Rechte müssen, soweit sich das nicht auf Grund von Besonderheiten erübrigt, ausreichend individualisierend gekennzeichnet, aber nicht vollständig beschrieben werden7. Bei Forderungen sind i.d.R. der Schuldner, der Gegenstand der Forderung und der Schuldgrund anzugeben8, doch kann, wenn dadurch die Identifizierung nicht ausgeschlossen wird, u.U. eines dieser Merkmale fehlen. cc) Schließlich ist die Angabe des Betrages der Stammeinlage erforderlich, auf die sich die Sacheinlage bezieht. Festzusetzen ist danach also der durch die Sacheinbringung zu deckende Stammeinlagebetrag, nicht dagegen der Wert des Einlagegegenstandes9. Eine derartige Wertangabe ist rechtlich bedeutungslos, solange nicht durch die Nennung eines überhöhten Betrages ein unrichtiger Eindruck über das aufgebrachte Gesellschaftsvermögen vermittelt wird; die Anmeldung ist in diesem Fall auch dann zu beanstanden, wenn die Stammeinlage an sich durch den Zeitwert des Gegenstandes gedeckt ist10, wenn nicht aus der Regelung klar hervorgeht, dass eine Überpari-Emission gewollt oder, wie bei der gemischten Sacheinlage (Rdnr. 84, 91), der Mehrbetrag dem Einleger vergütet

1 Zutr. Priester, BB 1980, 19, 20 ff.; Ulmer, Rdnr. 140; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 59; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; a.M. Sudhoff, NJW 1982, 131, 133; v. Rössing, S. 30 f. 2 BGH, DB 2000, 2260; RG, LZ 1918, 918; OLG München, OLG 32, 135, 136; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215; Priester, BB 1980, 19, 20; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 30. 3 Vgl. auch Vogel, GmbHR 1953, 47. 4 Ulmer, Rdnr. 135; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 59. 5 RGZ 141, 204, 207. 6 KGJ 38, 166; 44, 146; OLG Breslau, GmbHRspr. IV § 5 R. 12. 7 Zutr. Ulmer, Rdnr. 136; s. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45. 8 S. auch KG, HRR 1928 Nr. 2201. 9 KGJ 38, 161, 170; Ulmer, Rdnr. 141; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 60; abw. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30: Einlagewert; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 53. 10 Eine Irreführung kann sich auch durch die Angabe einer Agio-Leistung ergeben, wenn der Zeitwert des Einlagegegenstandes nicht den Stammeinlagebetrag zuzüglich des Agios erreicht.

H. Winter/H. P. Westermann

|

459

89

§5

Stammkapital, Stammeinlage

werden soll. Bei der Einbringung mehrerer Vermögensgegenstände braucht der Anrechnungsbetrag nicht für jeden gesondert, sondern kann einheitlich festgesetzt werden1. Festzusetzen ist der Betrag der zu deckenden Stammeinlage. Es genügt deshalb – anders als für einen herauszuzahlenden Mehrwert bei der gemischten Sacheinlage (Rdnr. 91) – nach dem Gesetzeswortlaut nicht, dass ihre Größe nur bestimmbar angegeben wird, sondern sie muss ziffernmäßig genau festgelegt werden. Unzulässig wäre daher z.B. die Einlage „sicherer kautionsfähiger Wertpapiere zum Geldkurs“ im Zeitpunkt der Anmeldung. 90

Entsprechendes gilt für die Sachübernahme (Rdnr. 70) mit der Modalität, dass der Betrag des Stammeinlageteils anzugeben ist, der durch die Verrechnung mit der Vergütung für den veräußerten Vermögensgegenstand getilgt werden soll. Nach dem Gesetzeswortlaut muss sich auch dieser Betrag aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, so dass sich die genaue Festsetzung des Betrages auch durch Schlüsse aus den übrigen Angaben der Satzung ergeben kann2. Da der Gesellschaftsvertrag, wie auch § 19 Abs. 5 zeigt, nur die Möglichkeit einer Tilgung der Geldeinlagepflicht durch die Verrechnung mit der Vergütung vorzusehen braucht, bestehen keine Bedenken gegen eine zusätzliche Bestimmung, die die Verrechnung durch weiter gehende Kriterien einschränkt. Die Verrechnung muss aber bis zur Anmeldung erfolgt sein (§ 7 Abs. 3) und in der Anmeldung mit genauer Betragsangabe versichert werden (§ 8 Abs. 2). Die Höhe der Vergütung für die Sachübernahme sollte im Gesellschaftsvertrag angegeben werden3, ist aber jedenfalls im Sachgründungsbericht (§ 5 Abs. 4 Satz 2) zu erwähnen (vgl. auch § 8 Abs. 1 Nr. 4). Unvermeidlich ist eine genaue Angabe, wenn die Vergütungspflicht für die zu übernehmenden Vermögensgegenstände bereits im Gesellschaftsvertrag begründet werden soll (Rdnr. 75).

91

Ein dem Sacheinleger zu vergütender Mehrwert muss sich aus der Satzung ergeben (sog. gemischte Sacheinbringung). Es genügt die bestimmbare Festsetzung der Vergütung (s. Rdnr. 83)4.

92

dd) Die Belastungen und Schulden, die in Zusammenhang mit der Sacheinbringung von der Gesellschaft übernommen werden sollen, erwähnt § 5 Abs. 4 Satz 1 zwar nicht besonders, aber sein Sinn (Rdnr. 86) erfordert deren Angabe ebenfalls5. Überdies können Übernahmepflichten der Gesellschaft bei ihrer Errichtung rechtswirksam nur im Gesellschaftsvertrag begründet werden6, da es sich sonst um einen Vertrag zu Lasten der Gesellschaft handeln würde. Vgl. noch Rdnr. 54, 69.

1 KGJ 36, 133, 134; BayObLG, SeuffA 62 Nr. 75 (Zubehör); Ulmer, Rdnr. 144; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 159. 2 Nach Ulmer, Rdnr. 145, genügt Bestimmbarkeit. 3 Schmidt/Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 60. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46. 5 RG, JW 1905, 214; OLG Düsseldorf, GmbHR 1993, 441, 442; Ulmer, Rdnr. 147; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45. 6 RG, JW 1905, 214; Recht 1909 Nr. 2528; BGHZ 45, 338, 342; Ulmer, Rdnr. 147.

460

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

b) Mängel der Sacheinlagevereinbarung aa) Verstoß gegen § 5 Abs. 4 Satz 1. Enthält der Gesellschaftsvertrag die nach dieser Vorschrift erforderlichen Festsetzungen nicht oder nur unvollständig oder ermangeln sie der notwendigen Bestimmtheit (Rdnr. 86 ff.), so ist die Sacheinlagevereinbarung rechtsunwirksam (§ 125 Satz 1 BGB). Der Mangel führt deshalb vor der Eintragung der Gesellschaft zur Nichtigkeit der Beteiligungserklärung des betreffenden Gesellschafters, weil zu diesem Zeitpunkt ein Bestandsschutz der Gesellschaft oder der Beteiligung entgegen den Regeln der Rechtsgeschäftslehre noch nicht nötig ist1. Nach dem Vollzug der Vorgesellschaft berechtigt ein solcher Mangel zu deren Auflösung2 (s. § 2 Rdnr. 64, § 11 Rdnr. 55 f.). Das Registergericht hat die Eintragung der nicht ordnungsgemäß errichteten Gesellschaft abzulehnen (§ 9c Abs. 1 Satz 1), wenn der Formmangel, was bis zu diesem Zeitpunkt zulässig ist, nicht durch eine Vertragsänderung behoben wird.

93

Nach der Eintragung berührt der Formmangel aus Gründen des Gläubiger- und Bestandsschutzes nicht mehr die Beteiligungserklärung, sondern die Rechtsfolge beschränkt sich darauf, dass die Sacheinlagevereinbarung der Gesellschaft gegenüber unwirksam ist3. Ausdrücklich ist das zwar nur für die Aktiengesellschaft bestimmt (§ 27 Abs. 3 Satz 1 AktG), aber es gilt, wie aus dem Schutzzweck des § 5 Abs. 4 Satz 1 folgt und sich auch aus § 19 Abs. 5 entnehmen lässt, in gleicher Weise für die GmbH. Einer analogen Anwendung jener Vorschrift bedarf es also nicht4. Der Gesellschafter ist demzufolge zu einer Geldeinlage verpflichtet5 und wird auch durch Bewirkung der Sacheinlage von seiner Einlagepflicht der GmbH gegenüber nicht befreit (§ 19 Abs. 5). Der Vertragsmangel kann bis zur Eintragung durch eine Ergänzung der Satzung, danach wegen der Schutzzwecke der Sachgründungsvorschriften auch nicht durch eine Satzungsänderung rückwirkend geheilt werden (s. Rdnr. 97a). Er kann aber insofern fortwirken, als die Nichteinlage des Vermögensgegenstandes möglicherweise wesentliche Bestandsinteressen der Gesellschaft berührt und deshalb die Auflösungsklage nach § 61 gegeben ist6. Er kann beim Vorliegen besonderer Umstände auch einen Austrittsgrund bilden (s. Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.).

94

bb) Sonstige Mängel der Sacheinlagevereinbarung. Auch wenn die in § 5 Abs. 4 Satz 1 vorgeschriebenen Festsetzungen im Gesellschaftsvertrag formell ord-

95

1 Anders die wohl h.M., Ulmer, Rdnr. 150; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31. 2 So auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56; Ulmer, Rdnr. 150. 3 RGZ 82, 299, 303 f.; 86, 291, 293 f.; 118, 113, 117 f.; BGHZ 28, 314, 316; 45, 338, 343; Ulmer, Rdnr. 150; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39. 4 Die Einfügung einer entsprechenden ausdrücklichen Bestimmung hat der Gesetzgeber der GmbH-Novelle 1980 für entbehrlich gehalten; vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3808, S. 70. Für Analogie trotzdem BGHZ 45, 338, 343. 5 BGHZ 28, 314, 316; KG, OLG 41, 218; Ulmer, Rdnr. 150; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 56. 6 S. auch – wenn auch mit Einschränkungen – Ulmer, Rdnr. 152.

H. Winter/H. P. Westermann

|

461

§5

Stammkapital, Stammeinlage

nungsgemäß erfolgt sind, aber die Sacheinlagevereinbarung als solche betreffende spezielle Unwirksamkeitsgründe vorliegen, hat dies nach der Eintragung der Gesellschaft nur zur Folge, dass der Gesellschafter zur Leistung der Stammeinlage in Geld verpflichtet ist1. Das Aktienrecht hat auch diesen Fall ausdrücklich geregelt (§ 27 Abs. 3 Satz 3 AktG), während die genannte Rechtsfolge für die GmbH wiederum aus § 19 Abs. 5 abzuleiten ist, der die Leistung von nicht in Geld bestehenden Vermögensgegenständen nur in Ausführung einer nach § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen wirksamen Bestimmung zulässt2. Es darf sich aber nicht nur um einen allgemein auf die Beteiligungserklärung an der Gesellschaft bezogenen und deshalb unbeachtlichen Vertragsmangel handeln, sondern der Unwirksamkeitsgrund muss immer gerade der Sacheinlagevereinbarung anhaften, so z.B. in den Fällen der Unwirksamkeit wegen mangelnder Eignung des versprochenen Einlagegegenstandes (s. Rdnr. 43 ff.)3, wegen Sittenwidrigkeit der Anrechnungsvereinbarung (s. Rdnr. 60) oder wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit der Sachleistung (hierzu und zu nachträglichen Leistungsstörungen Rdnr. 62 ff.). Unberührt bleibt die Prüfung, ob wegen Unklarheiten bezüglich der Einlageleistung der Gesellschaftsvertrag an einem Einigungsmangel leidet (§ 150 Abs. 2 BGB), was nach den allgemeinen Regeln zu behandeln ist. 96

Unter Berücksichtigung der erwähnten (Rdnr. 94) Einschränkung muss entgegen der früher h.M.4 gegenüber der Sacheinlagevereinbarung auch eine Berufung auf Willensmängel (nicht anwendbar aus anderen Gründen sind aber §§ 116 Satz 2, 118 BGB) mit der oben genannten Rechtsfolge grundsätzlich als zulässig angesehen werden, da eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Unwirksamkeitsgründe nicht gerechtfertigt ist und auch ein schutzwürdiges Interesse der Gesellschaftsgläubiger an der Kapitalaufbringung nicht beeinträchtigt wird5. Notwendig ist jedoch wie für jede Teilanfechtung, dass der Gesellschaftsvertrag auch ohne die Sacheinlagevereinbarung geschlossen worden wäre.

97

Für Sachübernahmeverträge (s. Rdnr. 70 ff.) stellt sich das erörterte Problem selbst dann nicht, wenn eine Verrechnungsabrede (s. Rdnr. 71 f.) getroffen worden ist. Wenn der Sachübernahmevertrag, was sich nach dem BGB beurteilt6, unwirksam ist, so fehlt es an einer verrechenbaren Vergütung (s. auch Rdnr. 73).

97a

cc) Die rückwirkende Heilung unwirksamer Sacheinlagevereinbarungen durch Satzungsänderung ist ausgeschlossen. Das ist im GmbHG anders als im Aktienrecht (§ 27 Abs. 4 AktG) zwar nicht ausdrücklich bestimmt, ergibt sich aber aus dem Sinn der Sachgründungsvorschriften (Rdnr. 38). Zulässig ist dagegen eine Heilung mit Wirkung für die Zukunft. Sie kann anerkanntermaßen durch eine Kapitalherabsetzung zwecks Aufhebung der bestehenden Geldeinlage (Rdnr. 94)

1 BGHZ 28, 314, 316; 45, 338, 345; BGH, GmbHR 1997, 545, 546; a.M. RGZ 68, 271, 276; 86, 210, 213; Feine, S. 182, 183 f. 2 Zutr. Lutter, Kapital, S. 325 Fn. 510. 3 KGJ 45 A 176. 4 RG, GmbHRspr. IV § 5 R. 9; DR 1940, 2009; Feine, S. 182; Vogel, Anm. 6. 5 Ulmer, Rdnr. 151; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 37. 6 S. auch RG, DR 1940, 2009 für die AG.

462

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

mit anschließender Sachkapitalerhöhung (§§ 53, 55, 58)1 oder in umgekehrter Reihenfolge2 geschehen. Das Verfahren ist allerdings kompliziert, kostenaufwendig und wegen der eingreifenden Einschränkungen des § 58 Abs. 1 Nr. 1–33 problematisch. Als einfachere Heilungsmöglichkeit kommt daneben die entgegen der früheren Rechtslage nunmehr von der h.M. zugelassene nachträgliche Umwandlung der Geld- in eine Sacheinlage durch normale Satzungsänderung (§§ 53 f.) in Betracht, für die die gesetzlichen Sicherungen bei Sacheinlagen analog oder sinngemäß gelten (s. Rdnr. 106 f.)4; wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen zur Heilung einer verdeckten Sacheinlage (Rdnr. 106 ff.) zu verweisen. Die Heilung kann dagegen nicht auf eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Nachgründungsvorschriften (§ 52 AktG)5 oder durch eine zeitliche Begrenzung des Verrechnungsverbots aus § 19 Abs. 5 ermöglicht werden6.

6. Sachgründungsbericht Die Pflicht zur Erstattung eines Sachgründungsbericht durch die Gesellschafter (§ 5 Abs. 4 Satz 2) ist durch die GmbH-Novelle 1980 eingeführt worden (Rdnr. 3). Sein Zweck ist es, die Kapitalaufbringung bei Sachgründungen zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger besser zu sichern und dem Registergericht die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Gesellschaftsgründung zu erleichtern7. Der Bericht ist der Anmeldung zum Handelsregister beizufügen (§ 8 Abs. 1 Nr. 4). Fehlt er, so ist die Eintragung abzulehnen, wenn auch ihre Beanstandung keine Abhilfe bewirkt hat. Die Gesellschafter sind für seine Richtigkeit und Vollständigkeit nach § 9a zivilrechtlich und nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 strafrechtlich verantwortlich. Die Regelung gehört zu denjenigen, über deren Aufrechterhaltung im Rahmen der verschiedentlich geforderten Erleichterung und Beschleunigung der Gründung diskutiert wird.

98

a) Aufsteller Der Sachgründungsbericht ist durch alle Gesellschafter zu erstatten (§ 5 Abs. 4 Satz 2). Es müssen also auch die mitwirken, die nicht selbst Sacheinlagen zu leisten haben. Maßgebend ist zunächst die Zusammensetzung der Gründer zur1 OLG Braunschweig, OLG 32, 140; BayObLG, DB 1978, 337; Lenz, Die Heilung verdeckter Sacheinlagen, S. 95 ff. m.w.N. 2 Vgl. dazu Wegmann, BB 1991, 1006, 1009 f. 3 Eine diesbezügliche teleologische Reduktion der Vorschrift befürworten zu Unrecht Wegmann, BB 1991, 1006, 1009 u. Sigel, GmbHR 1995, 487, 492 f. Ebenso bedenklich ist die von Lenz, Die Heilung verdeckter Sacheinlagen, S. 117 ff. vorgeschlagene teilweise analoge Anwendung der §§ 58a ff.; s. dazu auch BGHZ 132, 141, 154. 4 BGHZ 132, 141, 150 ff.; BGH, GmbHR 1998, 588, 590; Priester, DB 1990, 1753, 1758 ff.; ZIP 1996, 1025; Ulmer, § 19 Rdnr. 137; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; a.M. KGJ 47, 108; KG, JW 1937, 321; OLG Braunschweig, OLG 32, 140; BayObLG, DB 1978, 337; OLG Frankfurt, DB 1983, 1249. 5 BGHZ 132, 141, 148 f.; Wiedemann, ZIP 1991, 1257, 1268; Lenz, Die Heilung verdeckter Sacheinlagen, S. 89 f. m.w.N.; a.M. Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1455. 6 BGHZ 132, 141, 148; Lenz, Die Heilung verdeckter Sacheinlagen, S. 83 ff.; a.M. Knobbe-Keuk, ZIP 1986, 885, 889 f. 7 Begr. RegE, BT-DRucks. 8/3908, S. 30; BayObLG, ZIP 1999, 968, 969.

H. Winter/H. P. Westermann

|

463

99

§5

Stammkapital, Stammeinlage

zeit der Anmeldung. Ändert sich aber später vor der Eintragung der Gründerkreis durch einen Gesellschafterwechsel oder durch den Hinzutritt weiterer Gesellschafter (s. § 2 Rdnr. 22), so haben, wenn sie selber Sacheinlagen leisten, die neuen Gesellschafter einen – mit der Anmeldung der Vertragsänderung nachzureichenden (s. § 8 Rdnr. 12) – Sachgründungsbericht zu erstellen1, während der des ausgeschiedenen Gesellschafters gegenstandslos wird2. Auch die Vorschriften über die Gründerverantwortlichkeit (§§ 9a, 82 Abs. 1 Nr. 1) erfordern die Einbeziehung jener. 100

Der Sachgründungsbericht ist durch die Gesellschafter persönlich zu erstatten. Eine rechtsgeschäftliche Vertretung ist dabei unzulässig3. Juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften handeln durch ihre organschaftlichen Vertreter in vertretungsberechtigter Zahl4. Für nicht voll geschäftsfähige Gründungsgesellschafter kann nur ihr gesetzlicher Vertreter tätig werden.

101

Die Gesellschafter sind nach dem Gesellschaftsvertrag untereinander, nicht gegenüber dem Registergericht, zur Mitwirkung bei der Berichterstattung verpflichtet5. Beim Tod eines Gesellschafters trifft die Pflicht seine in der Gründerorganisation verbleibenden Erben. b) Form

102

Der Sachgründungsbericht ist von den Gesellschaftern schriftlich abzufassen und von ihnen zu unterzeichnen (§ 126 Abs. 1 BGB sinngemäß)6. § 5 Abs. 4 Satz 2 sagt das – anders als § 32 Abs. 1 AktG – zwar nicht ausdrücklich, aber die genannten Erfordernisse ergeben sich aus dem Gesetzeszweck (s. Rdnr. 98) und mittelbar aus § 8 Abs. 1 Nr. 4. Nicht erforderlich ist es, dass der Bericht in einer Urkunde enthalten ist; getrennte Berichterstattung der Gründungsgesellschafter, die aber inhaltlich nicht voneinander abweichen darf, ist möglich7. Der Sachgründungsbericht ist nicht Bestandteil des Gesellschaftsvertrages und unterliegt deshalb auch nicht der Form des § 2 Abs. 1 Satz 1. Von den Geschäftsführern ist er nicht zu unterzeichnen8.

1 Ulmer, Rdnr. 15 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33. 2 So auch Ulmer, Rdnr. 158 unter Beschränkung auf die vor der Anmeldung ausgeschiedenen Gesellschafter. 3 Unstr. vgl. Priester, DNotZ 1980, 515, 520 f.; Ulmer, Rdnr. 159; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 177. 4 OLG Naumburg, GmbHR 1998, 385; Ulmer, Rdnr. 159. 5 Ulmer, Rdnr. 158. 6 Priester, DNotZ 1980, 515, 520; Ulmer, Rdnr. 160; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; s. auch OLG Naumburg, GmbHR 1998, 385. 7 Priester, DNotZ 1980, 515, 521; Ulmer, Rdnr. 160; v. Rössing, S. 105. 8 Priester, DNotZ 1980, 515, 520; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54.

464

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

c) Inhalt Die Anforderungen an den Inhalt des Sachgründungsberichts umschreibt § 5 Abs. 4 Satz 2 – abgesehen von den zusätzlichen Angaben bei der Einbringung eines Unternehmens (Rdnr. 105) – nur allgemein dahingehend, dass „die für die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen wesentlichen Umstände darzulegen“ sind. Ein bestimmter Mindestinhalt, wie in § 32 Abs. 2 AktG verlangt, ist für die GmbH nicht vorgeschrieben, sondern der notwendige Berichtsinhalt richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls (Rdnr. 104)1, wobei also die Darstellung von Einzelheiten hinter dem vom AktG Geforderten zurückbleiben kann. Sonstige Angaben über die Gründung, die für die Angemessenheit keine Bedeutung haben, sind nicht aufzunehmen.

103

Der Bericht hat alle Umstände anzuführen, die für die sachgemäße Beurteilung erforderlich sind, ob die Stammeinlagen, soweit sie nicht in Geldleistungen zu erbringen sind, durch den Zeitwert des eingebrachten Vermögensgegenstandes (Rdnr. 57 ff.) gedeckt werden oder ob die auf die Einlageforderung verrechnete Vergütung für einen von der Gesellschaft übernommenen Vermögensgegenstand (Rdnr. 70 ff.) dessen Zeitwert nicht übersteigt. Ein Sachübernahmevertrag, aus dem die Vergütung hergeleitet wird, ist mit seinem wesentlichen Inhalt wiederzugeben2, was auch durch Verweisung auf die beigefügte Vertragskunde (§ 8 Abs. 1 Nr. 4) geschehen kann. Bei einer gemischten Sacheinlage (Rdnr. 81 ff.) sind auch der dem Gesellschafter zu vergütende Betrag und die wertmäßige Aufteilung der Sacheinlage darzulegen3. Die eingebrachten Vermögensgegenstände sind im Bericht in einem Umfang näher zu beschreiben, wie das im Einzelfall zur sachgerechten Ermittlung des Zeitwertes (Rdnr. 57 ff.) notwendig ist, z.B. Art und Menge, Alter, Beschaffenheit, Herstellungskosten, geschätzter Nutzen eines Immaterialgüterrechts4. Auch Zusicherungen über die Beschaffenheit des Gegenstandes5 oder Wertgarantien sind zu erwähnen. Auf beigefügte Unterlagen (z.B. Einbringungsbilanz, Inventarverzeichnis, Kaufverträge mit technischen Beschreibungen u.Ä.) darf dabei in der Weise Bezug genommen werden, dass die Gesellschafter sich die darin enthaltenen Angaben ohne Vorbehalt zu Eigen machen. Der Bericht muss schließlich auch die angewandte Bewertungsmethode erkennen lassen6 und die zugrunde zu legenden Wertmaßstäbe (z.B. Marktpreis, Reproduktionskosten u.Ä.) angeben7.

104

1 Priester, DNotZ 1980, 515, 521; Ulmer, Rdnr. 161; v. Rössing, S. 106; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63; für sinngemäße Heranziehung des § 32 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 AktG Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 60. 2 So auch Ulmer, Rdnr. 161. 3 Eb. Ulmer, Rdnr. 161. 4 Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Ulmer, Rdnr. 161; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32. 5 RGZ 18, 56, 68. 6 Zutr. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63. 7 Deutler, GmbHR 1980, 145, 148; Ulmer, Rdnr. 161; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 55; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63.

H. Winter/H. P. Westermann

|

465

§5 105

Stammkapital, Stammeinlage

Bei der Einbringung oder der Übernahme eines Unternehmens sind unter anderem die Jahresergebnisse der beiden letzten Geschäftsjahre (§ 5 Abs. 4 Satz 2 Hs. 2) vor der Anmeldung1 oder, wenn es noch nicht so lange besteht, die bisher erzielten Unternehmensergebnisse anzugeben2. Doch scheiden Zeiträume von weniger als einem Jahr wegen ihrer zu geringen Aussagekraft aus. Unter „Jahresergebnis“ ist der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu ermittelnde Jahresüberschuss oder -fehlbetrag i.S. des § 275 Abs. 2 Nr. 20 bzw. Abs. 3 Nr. 19 HGB zu verstehen3, die Beifügung einer Bilanz wird dann regelmäßig nicht nötig sein. Soweit das Ergebnis durch außergewöhnliche Umstände wesentlich beeinflusst worden ist, muss das vermerkt werden. Im Falle der Einbringung eines Unternehmensteils, der selbständig fortführbar ist, sind die für ihn maßgeblichen Jahresergebnisse zu nennen4.

7. Änderung der Einlagedeckung a) Umwandlung von Geld- in Sacheinlagen, „Heilung“ verdeckter Sacheinlagen 106

Die nachträgliche Umwandlung der Geldeinlage in eine Sacheinlage durch Satzungsänderung (§§ 53, 54) galt früher als unzulässig5. Der BGH hat in Übereinstimmung mit dem überwiegenden Schrifttum eine derartige Änderung der Einlageart zwecks Heilung verdeckter Sacheinlagen (Rdnr. 76 ff., 97a) zugelassen6, was zur Behebung der vielfach als katastrophal und verheerend empfundenen Rechtsfolgen der Anfechtung von Umgehungsversuchen bei Sacheinlagen dienen sollte. In letzter Zeit sind zumindest für die Fälle des „Hin- und Herzahlens“ sowie der „Darlehensgewährung“ an den Gesellschafter aus den soeben von ihm eingelegten Barmitteln Lösungen für den zur nachträglichen Erfüllung der Bareinlagepflicht einzubringenden Gegenstand (der Sache nach: Anspruch des Einlegers) gefunden worden (Rdnr. 80c), die aber nicht ohne Registerkontrolle ablaufen. Die Heilungsmöglichkeit durch eine Satzungsänderung7 baut auf diesen Lösungsmöglichkeiten auf, ohne sie, wenn sie angesichts der tatsächlichen Entwicklung (noch) durchführbar sind, als unzulässig erscheinen zu lassen8. Die „offizielle“ Umqualifikation der Einlage, die auch andere Fälle wie den Austausch von Sacheinlagen erfasst9, soll also eine registerrechtliche Prüfung im Interesse der Gesellschaft und mindestens auch ihrer später hinzukom1 Ulmer, Rdnr. 162; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65. 2 Ulmer, Rdnr. 162; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; s. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55. 3 OLG Naumburg, GmbHR 1998, 385; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65. 4 Ulmer, Rdnr. 162. 5 KGJ 47, 108; KG, JW 1937, 321; OLG Braunschweig, OLG 32, 140; BayObLG, DB 1978, 337; OLG Frankfurt, DB 1983, 1249. 6 Vgl. BGHZ 132, 141, 150 ff. 7 BGHZ 132, 141, 51 ff.; Priester, DB 1990, 1753, 1759 f.; Krieger, ZGR 1996, 674, 678 ff.; Ulmer, Rdnr. 180; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 56; grundsätzlich kritisch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 52. 8 In diesem Sinne jetzt deutlich Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 59. 9 Priester, ZIP 1996, 1027; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53.

466

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

menden Gläubiger sicherstellen, wobei mangels Rückwirkung der Änderung die Belange der Altgläubiger zurücktreten1, soweit sie nicht durch – allerdings schwer begründbare – Ausgleichsansprüche abgefangen werden können2. Dieser Weg ist dem über eine Kapitalherabsetzung (§ 58) mit anschließender Kapitalerhöhung praktisch klar vorzuziehen3. Der notariell zu beurkundende Gesellschafterbeschluss (§ 53 Abs. 2) hat im Falle der vollständigen oder teilweisen Änderung der bei der Gründung übernommenen Geld- in eine bestimmte Sacheinlagepflicht neben dieser Regelung auch die nach § 5 Abs. 4 Satz 1 notwendigen Festsetzungen im Gesellschaftsvertrag (Rdnr. 86 ff.) zu treffen4. Die Einlagefähigkeit der Sacheinlage und ihr höchstzulässiger Anrechnungswert bestimmen sich nach den in Rdnr. 42 ff., 56 ff. dargelegten allgemeinen Erfordernissen. Für die Heilung verdeckter Sacheinlagen kommen als geeignete Einlagegegenstände bei Unwirksamkeit (lediglich) des zugehörigen schuldrechtlichen Verkehrsgeschäfts (Rdnr. 80d) die Bereicherungsansprüche auf Herausgabe des Sachübernahmegegenstandes5 oder auf Rückzahlung der fehlgeschlagenen Geldeinlageleistung6 und bei Nichtigkeit auch des dinglichen Geschäfts die daraus resultierenden Ansprüche oder die Neu-Übertragung des Gegenstandes in Betracht7. Die Satzungsänderung bedarf eines satzungsändernden, also nicht einstimmigen Gesellschafterbeschlusses8. Zwar berührt der Austausch der gesellschaftsvertraglich bestimmten Einlageleistung schutzwürdige Interessen aller Gründungsgesellschafter, die durch eine bloße externe Äquivalenzkontrolle nicht abgedeckt werden; diese Risiken sind aber nicht unbedingt höher einzuschätzen als die allgemeine Mithaftung der Mitgesellschafter bei Kapitalaufbringung (§ 24) und Kapitalerhaltung (§ 31 Abs. 3). Mit Rücksicht auf die für den Inferenten gravierenden Rechtsfolgen

1 Zutr. dazu Krieger, ZGR 1996, 674, 679 f.; Bayer, ZIP 1998, 1985, 1992 f.; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 52. 2 Zum Ausgleich befürworten BGHZ 132, 141, 152 f.; Krieger, ZGR 1996, 674, 680; Ulmer, § 19 Rdnr. 139, eine nicht näher begründete, wohl auf Registerrechtsschein gestützte Vertrauenshaftung. 3 Als einzig gangbarer Weg anerkannt von BayObLG, DB 1978, 337 = GmbHR 1978, 13; praktische Bedenken zeigen Wegmann, BB 1991, 1006, 1009; Sigel, GmbHR 1995, 487 sowie Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 58 auf. 4 Die Festsetzungen sind nach KG, NZG 2005, 183 f., entgegen Schiessl/Rosengarten, GmbHR 1997, 772, 775 auch dann erforderlich, wenn die Einlagenänderung fünf Jahre nach Gesellschaftseintragung erfolgt; einschr. Priester, ZIP 1996, 1025, 1029. 5 Außer den in Rdnr. 80c Genannten schon Volhard, ZGR 1995, 286, 305; Lutter, JZ 1996, 912; Custodis, in: FS Schippel, 1996, S. 387, 412 f.; Habetha, ZGR 1998, 305, 329 f.; Reuter, BB 1999, 217, 218 ff. 6 Habetha, ZGR 1998, 305, 330 f.; dagegen zu Unrecht Custodis, DNotZ 1997, 437, 462 f. 7 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 59; ähnlich früher Priester, DB 1990, 1753, 1759; Priester, ZIP 1996, 1025, 1028 f.; Rawert, GmbHR 1995, 87, 89 f.; Habetha, ZGR 1998, 305, 331. 8 BGHZ 132, 141, 154; Lutter/Gehling, WM 1989, 1455; Volhard, ZGR 1995, 286, 296; Groß, GmbHR 1996, 721, 723; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 56; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; für Einstimmigkeit aber Ulmer, § 19 Rdnr. 138; Krieger, ZGR 1996, 674, 685 f.; D. Mayer, MittBayNot 1996, 164, 166; Röhricht, RWS-Forum 10, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 191, 196.

H. Winter/H. P. Westermann

|

467

107

§5

Stammkapital, Stammeinlage

kann u. U. die Treuepflicht eine Zustimmung gebieten1. Die im Zeitpunkt der Anmeldung vorhandenen Gesellschafter2 haben analog § 5 Abs. 4 Satz 2 einen Sacheinlagebericht mit dem dort vorgeschriebenen Inhalt zu erstatten (Rdnr. 98 ff.). Der Anmeldung der Satzungsänderung zum Handelsregister, die durch sämtliche Geschäftsführer zu bewirken ist (analog § 78 Abs. 2), sind folgende Unterlagen beizufügen: Der Gesellschafterbeschluss, der mit der notariellen Bescheinigung versehene vollständige Wortlaut des Gesellschaftsvertrages (§ 54 Abs. 1 Satz 2), die den Festsetzungen gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 zugrunde liegenden oder zu ihrer Ausführung geschlossenen Verträge (§ 8 Abs. 1 Nr. 4), der Sacheinlagebericht (§ 8 Abs. 1 Nr. 4), Wertnachweise zu den Sacheinlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5)3 und die Versicherung der Geschäftsführer, dass die Sacheinlage geleistet ist und zu ihrer freien Verfügung steht (analog § 8 Abs. 2 Satz 1)4. Die Gesellschafter und die Geschäftsführer haften entsprechend §§ 9a, 57 Abs. 4 für die zum Zwecke der Einlagenänderung gemachten falschen Angaben. Die Differenzhaftung gem. § 9 gilt analog5. Die Heilung des Mangels der verdeckten Sacheinlage geschieht ex nunc, was zu der Ausgleichspflicht bei einem Minderwert passt6. Da eine Heilung in der Insolvenz nicht mehr durchgesetzt werden kann, ist die Lösung auch unter diesem Gesichtspunkt Gegenstand von rechtspolitischen Änderungswünschen7. b) Austausch von Sacheinlagen 108

Eine Satzungsänderung, durch die die im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Sacheinlage durch eine andere Sacheinlage ersetzt werden soll, ist ebenfalls nur unter Beachtung der in Rdnr. 106 f. dargelegten Erfordernisse zulässig8. Es ist dabei unerheblich, ob die neue Sacheinlage gleichwertig ist oder nicht. Auch ein solcher Austausch verstößt deswegen gegen § 5 Abs. 4 Satz 1, weil nachträglich an die Stelle des verlautbarten und geprüften ein anderer Vermögensgegen1 BGHZ 155, 329, 337; Krieger, ZGR 1996, 674, 686; Pentz, ZIP 2003, 2093, 2096; Ulmer, § 19 Rdnr. 138. 2 Zutr. Volhard, ZGR 1995, 286, 309 ff.; abw. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 56 (nur die betroffenen Gesellschafter). Bei der Einlagenänderung aus einer Kapitalerhöhung ist der Bericht nach BGHZ 132, 141, 155 von allen Geschäftsführern und den betroffenen Gesellschaftern zu erstatten; zust. Priester, ZIP 1996, 1025, 1029; Krieger, ZGR 1996, 674, 687; abw. Brauer, BB 1997, 269, 276; Groß, GmbHR 1996, 721, 724 f. 3 Noch weitergehend BGHZ 132, 141, 155; krit. dazu Lutter, JZ 1996, 912, 913; Krieger, ZGR 1996, 674, 688; Brauer, BB 1997, 269, 276 u.a. 4 Für die darüber hinausgehend von BGHZ 132, 141, 155 u. Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 56, geforderte Versicherung der Werthaltigkeit fehlt eine Rechtsgrundlage; zutr. Krieger, ZGR 1996, 674, 689; Priester, ZIP 1996, 1025, 1031; Brauer, BB 1997, 269, 276 f. Für eine Pflicht zur Vorlage einer WP-testierten Bilanz Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 56; dagegen Habetha, ZGR 1998, 331. 5 BGHZ 132, 141, 152/154. 6 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 57; zu den Zinsforderungen aus § 20 Banerjea, AG 1998, 499 ff. 7 Näher Heidenhain, GmbHR 2006, 455, 457 ff. 8 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 173; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 153; für ein weiteres Anwendungsfeld der Austauschmöglichkeit auch OLG Stuttgart, ZIP 1996, 277.

468

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

stand mit möglicherweise höherem Bewertungsrisiko und einer größeren Gefahr der Überbewertung gesetzt wird. Der Austausch des einzulegenden Vermögensgegenstandes kann darüber hinaus im Wege der Kapitalherabsetzung mit nachfolgender Kapitalerhöhung erfolgen. c) Umwandlung von Sach- in Geldeinlagen Die nachträgliche Umwandlung der im Gründungsstatut wirksam vorgesehenen Sacheinlage in eine Geldeinlage ist ebenfalls zulässig1, wird allerdings kaum praktisch werden, da die Sacheinlage spätestens bei Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister geleistet sein muss (§ 7 Abs. 3). Bedenken bestehen gegen diese Änderung des Einlagegegenstandes nicht oder sind zumindest vernachlässigenswert, insbesondere umfasst der Schutzbereich des § 5 Abs. 4 Satz 1 nicht ein Interesse der Gesellschaftsgläubiger daran, dass die Gesellschaft den im Gesellschaftsvertrag bestimmten Vermögensgegenstand erhält2. Den erforderlichen Satzungsänderungsbeschluss gem. § 53 Abs. 3 von der Zustimmung aller Mitglieder abhängig zu machen, da nach der Umwandlung in eine Geldeinlage die Mithaftung der übrigen Gesellschafter eintrete (§ 24)3, erscheint übertrieben, da die Mitgesellschafter auch von der Minderwertigkeit einer Sacheinlage nicht unberührt bleiben. Die Rechtsvorgänger haften freilich nicht (§ 22), außer wenn im Gründungsstatut die Umwandlung derart vorgesehen war, dass alle Gründer als hiermit einverstanden angesehen werden können. Der Satzungsänderungsbeschluss wird aber nur dann im Handelsregister eingetragen werden dürfen, wenn die Sacheinlage noch nicht geleistet war, aber spätestens bei der Anmeldung an Geldeinlage soviel eingezahlt ist, als auf die übrigen Geldeinlagen einzuzahlen war (die in § 7 Abs. 2 bestimmten Mindesteinzahlungen müssen gegebenenfalls also überschritten werden4), andernfalls wird das Erlassverbot (§ 19 Abs. 2 Satz 1) verletzt. Die erforderliche Einzahlung muss bei der Anmeldung der Satzungsänderung analog § 8 Abs. 2 durch die Geschäftsführer versichert werden5. Ein besonderes Problem ergibt sich, wenn der festgesetzte Anrechnungsbetrag (Rdnr. 89) unter dem Wert des einzulegenden Vermögensgegenstandes liegt. Früher wurde unter Hinweis auf das Erlassverbot des § 19 Abs. 2 verlangt, dass dem Mehrwert durch Vereinbarung eines entsprechenden Agio Rechnung getragen werden müsse, aber dem kann nicht zugestimmt werden. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob durch den Wegfall des Mehrwerts das gebundene Vermögen angegriffen und dadurch § 30 verletzt wird6. 1 KG, JW 1937, 321; BayObLG, DB 1978, 337; Ulmer, Rdnr. 33; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24; vgl. auch RG, JW 1936, 42. 2 Zutr. KG, JW 1937, 322. 3 KG, JW 1937, 322; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Ulmer, Rdnr. 34 mit der nur bis zur Eintragung tragfähigen Begründung, dass es um die Änderung des Gesellschaftsvertrages der Vorgesellschaft gehe; satzungsändernde Mehrheit genügt nach Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53. 4 KG, JW 1937, 321, 322; Ulmer, Rdnr. 35. 5 KG, JW 1937, 322. 6 Auch dazu KG, JW 1937, 322; zust. Ulmer, Rdnr. 35.

H. Winter/H. P. Westermann

|

469

109

§5

Stammkapital, Stammeinlage

d) Wahlrecht 110

Ein statutarisches Wahlrecht zwischen Geld- oder Sacheinlage oder zwischen einer Sacheinlage und einer anderen wird vom Schrifttum als zulässig angesehen. Bedenken dagegen bestehen nicht, aber das Wahlrecht muss vor der Anmeldung der Gesellschaft ausgeübt werden, da anderenfalls ein Eintragungshindernis gegeben wäre. Denn vor Eintragung der GmbH im Handelsregister müssen die erforderlichen Mindesteinzahlungen erbracht (§ 7 Abs. 2) und die Sacheinlagen endgültig zur Verfügung gestellt sein (§ 7 Abs. 3). Unter derselben Voraussetzung ist auch ein Wahlrecht zwischen mehreren Vermögensgegenständen nicht zu beanstanden, wenn dies sich aus dem Gesellschaftsvertrag mit hinreichender Deutlichkeit ergibt und die Angaben im Gesellschaftsvertrag über die wahlweisen Einlagegegenstände dem § 5 Abs. 4 Satz 1 entsprechen1.

V. Gründungsaufwand 111

Zu dem – gegebenenfalls in der Satzung anzugebenden – Gründungsaufwand gehören die mit der Errichtung der Gesellschaft und der Einbringung der Einlagen verbundenen Kosten sowie der Gründerlohn2. Er ist zu unterscheiden von den Betriebsaufwendungen der Vorgesellschaft, die ihr durch die Vorbereitung und die Aufnahme der Unternehmenstätigkeit entstehen (s. bei § 11)3.

112

Das GmbHG enthält anders als das Aktienrecht (§ 26 Abs. 2 AktG) keine ausdrückliche Bestimmung darüber, dass die Übernahme des Gründungsaufwandes zu Lasten der Gesellschaft der statutarischen Festsetzung bedarf. Es geht aber, wie sich andeutungsweise aus §§ 9a, 82 Abs. 1 Nr. 1 entnehmen lässt und zudem aus der Entstehungsgeschichte der GmbH-Novelle 1980 ergibt, von deren Notwendigkeit aus. Die Aufnahme einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung, wie sie § 5a Abs. 2 RegE vorsah, ist nur wegen eines Missverständnisses unterblieben4. Die unbeabsichtigte Gesetzeslücke ist durch die analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 AktG zu schließen5, da der Gesetzeszweck, die Belastung des von den Gesellschaftern aufzubringenden Anfangsvermögens mit dem Gründungsaufwand nur dann zuzulassen, wenn das im Gesellschaftsvertrag offen gelegt worden ist, auch für das GmbH-Recht zutrifft.

113

Der Gesellschaftsvertrag muss danach unter Angabe des Gesamtbetrages regeln, ob und in welcher Höhe die Gesellschaft den Gründungsaufwand tragen 1 Ulmer, Rdnr. 37; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 19 Rdnr. 42; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 48; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36. 2 OLG Hamm, BB 1984, 87, 88; Ulmer, Rdnr. 214; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67; Jürgenmeyer/Maier, BB 1996, 2135. 3 Ulmer, Rdnr. 215; Jürgenmeyer/Maier, BB 1996, 2135. 4 Der Rechtsausschuss, BT-Drucks. 8/3908, S. 70 nahm irrig an, dass der vorgeschlagene § 5a RegE nur „geltendes ungeschriebenes Recht“ wiedergebe; dazu aber Ulmer, Rdnr. 216. 5 BGHZ 107, 1, 5 f.; OLG Hamm, BB 1984, 87, 88; OLG Düsseldorf, GmbHR 1987, 59; 1991, 20, 21; BayObLG, BB 1988, 2195, 2196; Ulmer, Rdnr. 216; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 59. Krit. Schmidt-Troschke, GmbHR 1986, 253, 254.

470

|

H. Winter/H. P. Westermann

§5

Stammkapital, Stammeinlage

soll1. Die bloße Angabe der Kostenarten ohne eine betragsmäßige Festsetzung genügt auch dann nicht, wenn die Kostenhöhe durch außenstehende Dritte ohne weiteres zu ermitteln ist2. Andererseits bedarf es auch keiner Einzelaufstellung der übernommenen Kosten; sie ist erforderlichenfalls bei der Anmeldung vorzulegen3. Die Festsetzung ist auch für den Gründungsaufwand erforderlich, den die Gesellschaft nach anderen gesetzlichen Vorschriften im Außenverhältnis selbst schuldet (z.B. § 2 Nr. 1, 137 Abs. 1 Nr. 5 KostO i.V.m. §§ 10 HGB, 10 Abs. 3 GmbHG)4. Der Einwand, dass § 26 Abs. 2 AktG nur den Ausgleich zwischen der AG und den Gründern als Gesamtschuldner regele und seiner analogen Anwendung auf die GmbH z.B. bezüglich der Anmelde- und Eintragungskosten deshalb die fehlende Gesamtschuldnerstellung der Gründungsgesellschafter entgegenstehe5, verkennt den weiter gehenden Gesetzeszweck, die Vorbelastungen des Grundkapitals durch Gründungsaufwand im Interesse des Gläubigerschutzes in der Satzung offen zu legen6. Unterbliebene oder fehlerhafte Festsetzungen können nur bis zur Eintragung der Gesellschaft durch Satzungsänderung (s. Erl. zu § 11) nachgeholt oder geheilt werden (s. § 26 Abs. 3 Satz 2 AktG)7. Mangels einer Übernahmebestimmung im Gesellschaftsvertrag haben die Gründungsgesellschafter der Gesellschaft den Gründungsaufwand zu erstatten und können ihrerseits keinerlei Aufwendungsersatz verlangen8; dasselbe gilt für die die statutarischen Festsetzungen übersteigenden Aufwendungen. Dagegen steht im Falle ordnungsgemäßer Festsetzung die Vorschrift des § 30 der Zahlung des notwendigen Gründungsaufwands einschließlich eines Gründerlohns durch die Gesellschaft nicht entgegen, soweit diese notwendig und betragsmäßig angemessen sind; bei späteren diesbezüglichen Ausschüttungen ist aber § 30 voll zu beachten. Zu Sondervorteilen § 3 Rdnr. 1009.

1 BGHZ 107, 1, 6 f.; OLG Hamm, BB 1984, 87, 88; OLG Düsseldorf, GmbHR 1987, 59; 1991, 20, 21; BayObLG, BB 1988, 2195, 2196; Ulmer, Rdnr. 217; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67; a.M. Schmidt-Troschke, GmbHR 1986, 253 ff. 2 BGHZ 107, 1, 6 f. 3 BGHZ 107, 1, 2; BayObLG, DB 1988, 2351; OLG Düsseldorf, GmbHR 1987, 59; Jürgenmeyer/Maier, BB 1996, 2135, 2137 f.; Ulmer, Rdnr. 217; weitergehend werden in der Rechtsprechung (BGH, NJW 1988, 233; LG Essen, GmbHR 2003, 471) Angaben über die Einzelkosten verlangt. 4 BGHZ 107, 1, 4 ff.; OLG Hamm, BB 1984, 87, 88; OLG Düsseldorf, GmbHR 1987, 59 f.; Ulmer, Rdnr. 218; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 68; a.M. BayObLG, BB 1988, 2195, 2196 f.; Hüffer, JuS 1983, 161, 166. 5 BayObLG, BB 1988, 2195 f. 6 BGHZ 107, 1, 5 f.; Ulmer, Rdnr. 218. 7 Ulmer, Rdnr. 217; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; a.M. Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 72. 8 Ulmer, Rdnr. 217; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57. 9 Ulmer, Rdnr. 219; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; einschr. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 67 (nur von Gesetzes wegen anfallende Kosten); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 69 (nicht über ein angemessenes Entgelt für erbrachte Aufwendungen hinaus).

H. Winter/H. P. Westermann

|

471

§6

Geschäftsführer

VI. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) 114

Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) soll in § 5 Abs. 1 die Höhe des Mindeststammkapitals auf 10 000 Euro gesenkt werden. Darüber hinaus soll das Verbot der Übernahme mehrerer Stammeinlagen bei Errichtung der Gesellschaft nach § 5 Abs. 2 aufgehoben werden (s. dazu oben Rdnr. 4 und Einl. Rdnr. 181 ff.).

§6

Geschäftsführer (1) Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. (2) Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Ein Betreuter, der bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt, kann nicht Geschäftsführer sein. Wer wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs verurteilt worden ist, kann auf die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils nicht Geschäftsführer sein; in die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Wem durch gerichtliches Urteil oder durch vollziehbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde die Ausübung eines Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges untersagt worden ist, kann für die Zeit, für welche das Verbot wirksam ist, bei einer Gesellschaft, deren Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt, nicht Geschäftsführer sein. (3) Zu Geschäftsführern können Gesellschafter oder andere Personen bestellt werden. Die Bestellung erfolgt entweder im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts. (4) Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass sämtliche Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt sein sollen, so gelten nur die der Gesellschaft bei Festsetzung dieser Bestimmung angehörenden Personen als die bestellten Geschäftsführer. Abs. 2 eingefügt durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836). Abs. 2 Satz 2 eingefügt durch § 33 BtG vom 12. 9. 1990 (BGBl. I, 2002); die bisherigen Sätze 2 und 3 wurden Sätze 3 und 4.

472

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

VI. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) 114

Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) soll in § 5 Abs. 1 die Höhe des Mindeststammkapitals auf 10 000 Euro gesenkt werden. Darüber hinaus soll das Verbot der Übernahme mehrerer Stammeinlagen bei Errichtung der Gesellschaft nach § 5 Abs. 2 aufgehoben werden (s. dazu oben Rdnr. 4 und Einl. Rdnr. 181 ff.).

§6

Geschäftsführer (1) Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. (2) Geschäftsführer kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Ein Betreuter, der bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt, kann nicht Geschäftsführer sein. Wer wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs verurteilt worden ist, kann auf die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils nicht Geschäftsführer sein; in die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Wem durch gerichtliches Urteil oder durch vollziehbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde die Ausübung eines Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges untersagt worden ist, kann für die Zeit, für welche das Verbot wirksam ist, bei einer Gesellschaft, deren Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt, nicht Geschäftsführer sein. (3) Zu Geschäftsführern können Gesellschafter oder andere Personen bestellt werden. Die Bestellung erfolgt entweder im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts. (4) Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass sämtliche Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt sein sollen, so gelten nur die der Gesellschaft bei Festsetzung dieser Bestimmung angehörenden Personen als die bestellten Geschäftsführer. Abs. 2 eingefügt durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836). Abs. 2 Satz 2 eingefügt durch § 33 BtG vom 12. 9. 1990 (BGBl. I, 2002); die bisherigen Sätze 2 und 3 wurden Sätze 3 und 4.

472

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

Inhaltsübersicht I. Überblick . . . . . . . . . . .

1

II. Der Geschäftsführer als notwendiges Handlungsorgan . .

2. Bestellung und Amt als Sonderrecht . . . . . . . . . . . . 42

2

3. Die Bestellung durch Nichtgesellschafter . . . . . . . . . 49

III. Die Zahl der Geschäftsführer IV. Gesetzliche Eignungsvoraussetzungen 1. Natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen . . 2. Nichtgesellschafter . . . . . 3. Ausländer . . . . . . . . . . 4. Spezialgesetzliche Eignungsvoraussetzungen . . . . . .

7

. . .

11 15 16

.

21

V. Gesetzliche Ausschlussgründe 1. Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat (§ 6 Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . 2. Berufs- und Gewerbeausübungsverbote (§ 6 Abs. 2 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . 3. Gerichtliches Verbot . . . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . 5. Aufsichtsratsmitglieder als Geschäftsführer . . . . . . . .

23

4. Die Auslegungsregel des § 6 Abs. 4 . . . . . . . . . . . . . 53 5. Die Bestellung nach den Bestimmungen des dritten Abschnittes . . . . . . . . . . 54 6. Pflicht zur Übernahme der Organstellung . . . . . . . . . 56 VIII. Der Notgeschäftsführer 1. Gerichtliche Bestellung . . . . 57 2. Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht . . . . . . . . . 63 3. Die persönliche Stellung . . . 65 4. Beendigung, Abberufung . . . 68

27 29 31 34

VI. Satzungsrechtliche Eignungsvoraussetzungen 1. Zulässige Gestaltungen . . . . 2. Fehlen und Wegfall einer Eignungsvoraussetzung . . . .

37

VII. Bestellung 1. Bestellung durch Gesellschafterversammlung oder Aufsichtsrat . . . . . . . . . .

38

35

IX. Wegfall oder Verhinderung im Prozess . . . . . . . . . . . 71 X. Der faktische Geschäftsführer

73

XI. Die Stellung des Geschäftsführers außerhalb des GmbHGesetzes . . . . . . . . . . . . 76 XII. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) 1. Weitergehende Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . 77 2. Haftung der Gesellschafter einer geschäftsführerlosen GmbH? . . . . . . . . . . . . . 82

Schrifttum: Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006; Beuthien/Gätsch, Vereinsautonomie und Satzungsrechte Dritter, ZHR 156 (1992), 459; Beuthien/ Gätsch, Einfluss Dritter auf die Organbesetzung und Geschäftsführung bei Vereinen, Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, ZHR 157 (1993), 483; Deutler, „Betreute“ als Geschäftsführer-Versicherungen bei der Anmeldung, GmbHR 1992, 252; Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 2003; Drygala, Zur Neuregelung der Tätigkeitsverbote für Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften, ZIP 2005, 423; Erdmann, Ausländische Staatsangehörige in Geschäftsführungen und Vorständen deutscher GmbHs und AGs, NZG 2002, 503; Fleischer, Juristische Personen als Organmitglieder im Europäischen Gesellschaftsrecht, RIW 2004, 16; Fleischer, Bestellungshindernisse und Tätigkeitsverbote von Geschäftsleitern im Aktien-, Bank- und Kapitalmarktrecht, WM 2004, 157; Freese, Zur Bestellung eines Notgeschäftsführers der GmbH, GmbHR 1961, 159; Freese, Probleme der Notgeschäftsführung bei der GmbH, GmbHR 1962, 194; Gustavus, Probleme mit der Uwe H. Schneider

|

473

§6

Geschäftsführer

GmbH ohne Geschäftsführer, GmbHR 1992, 15; Haas, Rechtsfolgen bei Beeinträchtigung von Sonderrechten in der personalistischen GmbH, LMK 2004, 131; Hammen, Zur Begründung von (organschaftlichen) Rechten Dritter im Gesellschaftsvertrag einer GmbH, WM 1994, 765; Helmschrott, Der Notgeschäftsführer – eine notleidende Regelung, ZIP 2001, 636; Himmelbach/Achsnick, Faktische Geschäftsführung durch Banken: Gefahr oder Scheinproblem?, NZI 2003, 355; Hohlfeld, Der Notgeschäftsführer der GmbH, GmbHR 1986, 181; Jäger, Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Gesellschafter-Geschäftsführers und des Gesellschafters, DStR 1996, 108; Kleindiek, Unternehmensleiter als Verbraucher, in FS Otte, 2005, S. 185; Kögel, Die Not mit der Notgeschäftsführung, NZG 2000, 20; Melchior, Ausländer als GmbH-Geschäftsführer, DB 1997, 413; Miller, Eintragung ausländischer GmbH-Geschäftsführer und Gründung einer GmbH durch Ausländer, DB 1983, 977; Münch, Amtniederlegung, Abberufung und Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsführers einer GmbH, DStR 1993, 916; Schiedermair, Der ausländische Geschäftsführer einer GmbH, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 393; Schmitz, Ausländerrecht und Handelsregister, Rechtspfleger 1983, 137; Siegmann/Vogel, Die Verantwortlichkeit des Strohmanngeschäftsführers einer GmbH, ZIP 1994, 1821; Swoboda, Ausländerrecht und Handelsregister, Rechtspfleger 1983, 138; Stein, Das faktische Organ, 1984; Stein, § 6 Abs. 2 Satz 2 GmbHG, § 76 Abs. 3 Satz 2 AktG: Verfassungswidrige Berufsverbote?, AG 1987, 165; Ulmer, Begründung von Rechten für Dritte in der Satzung einer GmbH?, in: FS Werner, 1984, S. 911; Voerste, Nochmals: § 6 Abs. 2 S. 2 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 2 AktG: Verfassungswidrige Berufsverbote, AG 1987, 376; Wachter, Ausländer als GmbH-Gesellschafter und -Geschäftsführer, ZIP 1999, 1577; Waldenberger, Sonderrechte der Gesellschafter einer GmbH – ihre Arten und ihre rechtliche Behandlung, GmbHR 1997, 49; Weimar, Grundprobleme und offene Fragen um den faktischen GmbH-Geschäftsführer, GmbHR 1997, 473 und 538; H. P. Westermann, Der Notgeschäftsführer der GmbH – der Mann zwischen den Fronten, in: FS Kropff, 1997, S. 681; Winter, Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarungen: Die Sicht der Praxis, in: Henze/Timm/Westermann (Hrsg.), Gesellschaftsrecht 1995, 1996, S. 31; Wünsch, Der Notgeschäftsführer iSv. § 15a GmbHG, GesRZ 1985, 157; Ziegler, Rechtsanwalt und Steuerberater als GmbH-Geschäftsführer, Rechtspfleger 1988, 350. Weitere Lit.-Nachw. bei § 35, § 37, § 38, § 39 und § 46.

I. Überblick 1

§ 6 GmbHG ist im Zusammenhang mit den §§ 35 ff. und mit § 46 Nr. 5 zu lesen. § 6 ist hierbei die Grundnorm, die den Geschäftsführer als zwingendes Handlungsorgan der Gesellschaft vorschreibt. Er ist nicht nur „Vollstrecker der Gesellschafterinteressen“, sondern auch „Garant eines Mindestmaßes an seriöser Geschäftsführung“1. Die Stellung des § 6 im Abschnitt über die Errichtung der Gesellschaft erklärt sich daraus, dass schon die werdende GmbH eines für sie im Außenverhältnis handlungsberechtigten Organs bedarf (s. Rdnr. 2). Die Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft sind im Übrigen in den §§ 35 ff. geregelt; von der Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer handeln auch die §§ 38, 39, 46 Nr. 5; zur Anmeldung zum HandReg s. §§ 39, 78 und bei § 7; zur Eintragung und Veröffentlichung der Namen der Geschäftsführer sowie ihrer Vertretungsbefugnis s. § 10 Abs. 1 und 3 sowie § 39; zur zivilrechtlichen Verantwortlichkeit s. §§ 9, 37, 43, 44; zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit s. §§ 82 ff. Das im GmbHG nicht geregelte Anstellungsverhältnis der Geschäftsführer ist bei § 35 kommentiert. 1 Drygala, ZIP 2005, 431.

474

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

II. Der Geschäftsführer als notwendiges Handlungsorgan Die GmbH hat zwei gesetzlich notwendige Handlungsorgane, nämlich die Gesellschafter und die Geschäftsführer. Die Gesellschaft muss Geschäftsführer auch schon vor der Eintragung der GmbH haben, und zwar insbesondere zur Empfangnahme und zur Verwaltung der von den Gesellschaftern vor der Eintragung zu bewirkenden Einlagen und zur Anmeldung der Gesellschaft, §§ 7, 8, 78. Die Anmeldung durch einen Nichtgeschäftsführer hat der Registerrichter zurückzuweisen. Die Eintragung darf nicht erfolgen; auch wenn die Geschäftsführer nach der Anmeldung und nach der Versicherung nach § 8 Abs. 2 und 3 aber vor der Eintragung wegfallen, darf der Registerrichter nicht eintragen. Die Anmeldung bleibt zwar wirksam1. Die Eintragung kann aber erst dann erfolgen, wenn ein neuer Geschäftsführer bestellt ist. Wurde die GmbH gleichwohl eingetragen, so ist sie aber wirksam entstanden2. Für eine Amtslöschung oder eine auf den Mangel gestützte Nichtigkeitsklage nach § 144 FGG fehlen die Voraussetzungen. Auch eine Löschung von Amts wegen nach § 142 FGG wäre nur zulässig, wenn die Eintragung nicht vom Willen der Gesellschafter getragen ist3.

2

Fallen alle Geschäftsführer nach der Eintragung der Gesellschaft weg, so ist die Gesellschaft entstanden. Sie ist nur ohne organschaftliche Vertretung. Der Wegfall der Geschäftsführer führt auch nicht zum Übergang der den Geschäftsführern zustehenden Befugnisse auf andere Organe der Gesellschaft. Die Verjährungsfrist wird nicht gehemmt. § 210 BGB ist zu Gunsten der GmbH, deren Geschäftsführer weggefallen ist, nicht anwendbar4.

3

Der Registerrichter hat darauf hinzuwirken, dass wieder Geschäftsführer bestellt werden. Er kann aber weder von Amts wegen, also ohne dass ein Antrag vorliegt, einen Geschäftsführer bestellen, noch kann er die Gesellschafter durch Ordnungsstrafen zur Schaffung einer gesetzlichen Vertretung anhalten5.

4

Zur Bestellung eines Notgeschäftsführers s. Rdnr. 57.

5

Die Bezeichnung „Geschäftsführer“ im Geschäftsverkehr ist nicht zwingend. Sie kann durch die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss geändert werden6. Unbedenklich ist etwa die Bezeichnung des Geschäftsführers im Geschäftsverkehr als „Direktor“. So können Geschäftsführer des herrschenden Unternehmens im Konzern diesen Titel weiterführen, auch wenn sie als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft handeln. Ihr Auftreten als „Direktor“ weist jedoch im Zweifel darauf hin, dass sie für das herrschende Unternehmen handeln. Titel, die einen Irrtum begründen können,

6

1 Zur unvollständigen Anmeldung: KG, BB 1972, 10. 2 Ebenso: Ulmer, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3. 3 Ulmer, Rdnr. 5; weiter gehend Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10. 4 RGZ 156, 300; BGH, NJW 1968, 692; BGH, BB 1971, 369. 5 KG, KGJ 45, 180; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Ulmer, Rdnr. 4. 6 A.A. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4: nur im Gesellschaftsvertrag.

Uwe H. Schneider

|

475

§6

Geschäftsführer

dürfen aber nicht geführt werden. Unzulässig ist daher die Bezeichnung im Geschäftsverkehr als „Vorstand“, weil dies zu Verwechslungen mit der Aktiengesellschaft führt1. Bei der Bestellung muss aber klar erkennbar sein, dass die Person zum Geschäftsführer der GmbH berufen werden sollte. Das Registergericht muss bei der Eintragung stets die Bezeichnung „Geschäftsführer“ gebrauchen. Auch auf den Geschäftsbriefen müssen die Geschäftsführer als solche aufgeführt und bezeichnet werden, § 35a.

III. Die Zahl der Geschäftsführer 7

Das GmbHG verlangt nur, dass mindestens ein Geschäftsführer bestellt wird. Nach oben ist die Zahl aber nicht begrenzt. Die Satzung kann daher auch jede höhere Zahl festlegen, z.B. eine bestimmte Zahl, eine Mindest- oder eine Höchstzahl vorschreiben. Aus der Bestellung mehrerer Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag kann jedoch allein nicht gefolgert werden, dass damit eine verbindliche Festlegung der Zahl auch für die Zukunft gewollt war. Ergibt dagegen die Auslegung des Gesellschaftsvertrags, dass eine bestimmte Zahl vorhanden sein muss oder nicht überschritten werden darf, kann davon nur nach der Änderung der Satzung abgewichen werden2. Wird die in der Satzung festgesetzte Zahl von Geschäftsführern überschritten, so ist die Bestellung zwar wirksam; der Gesellschafterbeschluss aber ist anfechtbar3. Erfolgt die Bestellung durch ein nicht zuständiges Organ, so ist die Bestellung unwirksam4.

8

Beim Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in der Satzung entscheiden die nach § 46 Nr. 5 für die Bestellung zuständigen Gesellschafter mit einfacher Mehrheit auch darüber, wie viele Geschäftsführer ernannt werden sollen5. Ist nach dem Gesellschaftsvertrag für die Bestellung der Geschäftsführer ein anderes Organ zuständig, so ist insbesondere unter Berücksichtigung des Zwecks der getroffenen Zuständigkeitsregelung durch Auslegung zu ermitteln, ob es auch die Zahl der Geschäftsführer bestimmen kann; im Zweifel ist das nicht anzunehmen6.

9

Das DrittelbG enthält keine Vorschriften über die Zahl oder die Qualifikation der Geschäftsführer. Fällt die GmbH aber in den Anwendungsbereich des MitbestG 1976, so muss sie mindestens zwei Geschäftsführer haben, wovon ein Geschäftsführer zum Arbeitsdirektor zu bestellen ist7. Auch in diesem Fall 1 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rdnr. 1; anders: Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4: zulässig, wenn im Gesellschaftsvertrag besonders bestimmt; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4: zulässig ist „Vorstand einer GmbH“; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 10: evtl. mit dem Zusatz „der xY GmbH“. 2 RG, LZ 1908, 601; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. 3 Ulmer, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. 4 Ulmer, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. 5 OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 537, 538; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Ulmer, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 16. 6 A.M. Feine, Hdb., S. 472. 7 H.M.; a.A. nur Overlack, ZHR 141 (1977), 125 ff.

476

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

kann die Satzung aber jede darüber hinausgehende Zahl an Geschäftsführern bestimmen. Unabhängig von den gesellschafts- und unternehmensrechtlichen Bestimmungen kann sich aus gewerberechtlichen Vorschriften ergeben, dass die Gesellschaft mindestens zwei Geschäftsführer haben muss, s. etwa § 33 Abs. 1 Nr. 5 KWG1.

10

IV. Gesetzliche Eignungsvoraussetzungen 1. Natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen Geschäftsführer können nur natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen sein. Mit der Neufassung des § 6 Abs. 2 Satz 1 durch die Novelle 1980 ist die Frage entschieden, dass auch Minderjährige mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht zum Geschäftsführer bestellt werden können2. Auch juristische Personen und sonstige Personenvereinigungen können nicht zum Geschäftsführer bestellt werden3.

11

Durch das Betreuungsgesetz vom 12. 9. 1990 (BGBl. I, 2002) wurde § 6 Abs. 2 Satz 2 eingeführt4. Zur vorgeschlagenen Neufassung von § 6 Abs. 2 Satz 2 durch den RefE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 29. 5. 2006, s. Rdnr. 77 ff. Die Vorschrift ist am 1. 1. 1992 in Kraft getreten. Notwendig war die Änderung, weil § 104 Nr. 3 aufgehoben wurde. Hiernach war bestimmt, dass geschäftsunfähig ist, wer wegen Geisteskrankheit entmündigt ist, und beschränkt geschäftsfähig ist, wer wegen Geistesschwäche, Verschwendung, Trunksucht und Rauschgiftsucht entmündigt oder unter vorläufige Vormundschaft gestellt ist. Auf Grund des Wegfalls dieser Vorschriften hätten demgemäß solche Personen künftig als Geschäftsführer bestellt werden können; denn die Bestellung eines Betreuers lässt die Geschäftsfähigkeit unberührt. Nur bei Anordnung eines so genannten Einwilligungsvorbehalts hat dies Auswirkungen, die mit denen bei beschränkter Geschäftsfähigkeit vergleichbar sind, § 1903 BGB. Das Gesetz hat im Blick hierauf davon abgesehen, alle Betreuten vom Amt eines Geschäftsführers auszuschließen. Anders ist die Lage bei Anordnung eines so genannten Einwilligungsvorbehalts. Der Betreute, der seine eigenen Vermögensangelegenheiten nicht ohne Einwilligung eines Betreuers vornehmen kann, ist auch als Geschäftsführer nicht geeignet, § 6 Abs. 2 Satz 2. Eine gleichwohl vorgenommene Bestellung ist unwirksam. Verliert ein Geschäftsführer nach seiner Bestellung die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit, so 1 VG Frankfurt/M., WM 2004, 2157; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, § 31 MitbestG Rdnr. 10; Habersack, WM 2005, 2360. 2 OLG Hamm, DB 1992, 1401; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 10; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 11; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 19; Ulmer, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9. 3 Ulmer, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; s. aber auch Brandes, Juristische Personen als Geschäftsführer der Europäischen Privatrechtsgesellschaft, 2003. 4 Näher hierzu Deutler, GmbHR 1992, 252.

Uwe H. Schneider

|

477

12

§6

Geschäftsführer

verliert er damit automatisch auch seine Stellung als Geschäftsführer. Einer besonderen Abberufung bedarf es nicht1. Ist der Geschäftsführer eingetragen, aber geschäftsunfähig, so können sich Dritte nicht auf § 15 HGB berufen; denn das Erlöschen der Geschäftsfähigkeit ist keine einzutragende Tatsache2. 13

Hat ein Geschäftsführer durch den Verlust seiner unbeschränkten Geschäftsfähigkeit sein Amt verloren, so erlangt er es nicht kraft Gesetzes wieder, wenn er die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit zurückgewinnt3. Vielmehr bedarf es erneuter Bestellung.

14

Keine Eignungsvoraussetzungen im gesellschaftsrechtlichen Sinne enthalten gesetzliche Vorschriften, die wegen der Innehabung eines öffentlichen Amtes die Ausübung der Geschäftsführung ausschließen oder von einer Genehmigung abhängig machen, wie etwa Art. 55 Abs. 2, 66 GG (Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesminister), § 65 BBG, § 42 BRRG sowie die entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen und der Landesbeamtengesetze4. Der Registerrichter darf die Anmeldung daher nicht beanstanden. Dasselbe gilt für etwaige berufsständische Vorschriften, die der Übernahme des Geschäftsführeramtes entgegenstehen oder sie von einer Genehmigung abhängig machen, wie etwa § 7 Nr. 8 BRAO, § 8 Abs. 3 Nr. 2 BNotO, § 43a Abs. 3 Nr. 2 WPO, § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG5.

2. Nichtgesellschafter 15

Zu Geschäftsführern können Gesellschafter und Personen, die nicht Gesellschafter sind, bestellt werden (Grundsatz der Drittorganschaft), § 6 Abs. 3 Satz 1. Im GmbHG wird auch im Übrigen nicht danach unterschieden, ob ein Geschäftsführer Gesellschafter ist oder nicht. Gesellschafter müssen ebenso wie Nichtgesellschafter durch einen besonderen Akt bestellt werden. Unabhängig hiervon werden aber Gesellschafter-Geschäftsführer und Fremdgeschäftsführer in vielfacher Weise unterschiedlich behandelt, s. dazu bei § 35.

3. Ausländer 16

Das GmbH-Gesetz verlangt weder, dass der Geschäftsführer die deutsche Staatsangehörigkeit hat, noch einen Wohnsitz im Inland6 oder deutsche Sprachkenntnisse. Die Beherrschung der deutschen Sprache kann aber durch das Auf1 BGH, JZ 1992, 152 mit Anm. Lutter/Gehling; BayObLG, GmbHR 1989, 371; OLG München, GmbHR 1991, 63; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 114; OLG Köln, GmbHR 2003, 360; Ulmer, Rdnr. 10; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 19; Jäger, DStR 1996, 108; Goette, DStR 1998, 939. 2 BGH, JZ 1992, 152. 3 BayObLG, DStR 1993, 407. 4 Tw. str., s. dazu Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 66 GG Rdnr. 52; Achterberg, ZStW 126 (1970), 344 ff. 5 A.A. LG Köln, DB 1964, 365; zur Zulassung eines GmbH-Geschäftsführers als Rechtsanwalt: BGHZ 68, 397; BGH, NJW 1979, 430; BGH, AnwBl. 1982, 445; BGH, BRAKMitt. 1983, 134. 6 OLG Köln, GmbHR 1999, 182, 183.

478

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

sichtsrecht geboten sein. Auch wenn die Gesellschaft mehrere Geschäftsführer hat, ist nicht erforderlich, dass mindestens einer der Geschäftsführer deutscher Staatsangehöriger ist1. Teilweise wird die Ansicht vertreten, die Aufenthaltsgenehmigung bzw. die Aufenthaltserlaubnis EU zwecks Einreisemöglichkeit seien keine Bestellungsvoraussetzungen2. Geschäftsführer könnten ihre Tätigkeit auch vom Ausland aus ausüben3. Die Registergerichte seien zur Überprüfung der ausländerrechtlichen Vorschriften nicht befugt4. Die Eintragung eines ausländischen Geschäftsführers in das Handelsregister sei nur abzulehnen, wenn sie von dort aus ihren gesetzlichen Pflichten nicht gerecht werden5 oder wenn sich konkrete Hinweise ergeben, dass ausländerrechtliche Vorschriften oder andere gewerbliche Vorschriften umgangen werden sollen6.

17

Dem ist nicht zu folgen. Nach §§ 284, 288 SGB III, § 9 Nr. 1 ArbeitsgenehmigungsVO i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG bedürfen Ausländer zwar keiner Arbeitsgenehmigung, wenn sie zu Vertretern juristischer Personen bestellt werden. Ausländer benötigen aber u.U. eine Aufenthaltsgenehmigung. Ein Rechtsanspruch besteht auf die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung in der Regel nicht. Daher ist zu unterscheiden: Für einen EU-Bürger gilt dasselbe wie für Inländer, auch wenn der Betreffende im Inland keinen Wohnsitz hat7; denn für EU-Bürger besteht innerhalb der Union Freizügigkeit. EU-Bürger können zu Geschäftsführern bestellt werden.

18

Für Nicht-EU-Bürger ist weiter zu unterscheiden. Besteht auf Grund besonderer gesetzlicher Regelungen zeitlich begrenzt keine Visumspflicht, z.B. für drei Monate8, so bestehen keine Bedenken gegen ihre Bestellung9. Für Nicht-EU-

19

1 Unstreitig: OLG Frankfurt, NJW 1977, 1595; LG Braunschweig, DB 1983, 706; LG Köln, GmbHR 1983, 48; Ulmer, Rdnr. 12; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Miller, DB 1983, 978. Zum Ganzen Wachter, ZIP 1999, 1577; Erdmann, NZG 2002, 503. 2 OLG Dresden, GmbHR 2003, 537; LG Berlin, GmbHR 2004, 951; Ulmer, Rdnr. 15 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 14a; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 29; Wachter, ZIP 1999, 534; Schiedermair, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 393; Erdmann, NZG 2003, 503, 505. 3 Zur Verlegung des Verwaltungssitzes bei tatsächlicher Leitung im Ausland: OLG Köln, GmbHR 1999, 184; Mankowski, Anm. zu LG Köln, EWiR § 6 GmbHG 1995, 673. 4 Zuletzt: LG Hildesheim, GmbHR 1995, 656; Melchior, DB 1997, 413; Rawert, Anm. zu OLG Köln, EWiR § 6 GmbHG 1999, 461. 5 LG Köln, GmbHR 1995, 656. 6 OLG Frankfurt, NJW 1977, 1595; OLG Celle, DB 1977, 993; OLG Düsseldorf, GmbHR 1978, 110; LG Braunschweig, DB 1983, 706; Ulmer, Rdnr. 17; Bartl, DB 1977, 571, 575; Miller, DB 1983, 978; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15. 7 EuGH, NZG 1998, 809. 8 § 15 Aufenthaltsverordnung i.V.m. Art. 1 Abs. 2 der EU-VO Nr. 539/2001 v. 15. 3. 2001 („EU-Visum-VO“). In Anhang II der EU-Visum-VO werden die jeweiligen Länder gesondert aufgeführt. 9 OLG Frankfurt, NZG 2001, 757 mit Anm. Mankowski, EWiR § 6 GmbHG 2001, 813; Boujong, NZG 2003, 503.

Uwe H. Schneider

|

479

§6

Geschäftsführer

Bürger, für die ein solcher begrenzter Zeitraum für einen Aufenthalt ohne Visum nicht besteht, begründet eine fehlende Aufenthaltsgenehmigung ein Bestellungshindernis, und zwar nicht nur, wenn der betreffende Ausländer zum einzigen Geschäftsführer bestellt werden soll, sondern auch, wenn der NichtEU-Bürger neben einem oder mehreren EU-Bürgern zum Geschäftsführer bestellt werden soll1. Durch die Bestellung des Geschäftsführers soll die GmbH handlungsfähig gemacht werden. Aus § 6 Abs. 2 Satz 3 lässt sich hierzu entnehmen, dass nur solche Personen zu Geschäftsführern bestellt werden können, die auch die der Gesellschaft und ihnen persönlich in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer auferlegten gesetzlichen Pflichten erfüllen können. Zahlreiche dem Geschäftsführer obliegende gesetzliche Pflichten verlangen aber eine Tätigkeit und ein persönliches Erscheinen vor Gerichten und Behörden im Inland. Eine Vertretung ist ausgeschlossen2. Ein persönliches Tätigwerden ist aber Nicht-EU-Bürgern, denen die Genehmigung zum wenigstens zeitweisen Aufenthalt im Inland fehlt, verwehrt. Hinzu kommt, dass Berufsverbote, die durch ausländische Verwaltungsbehörden ausgesprochen wurden, im Inland nicht greifen (s. Rdnr. 29). Daher können die genannten Nicht-EU-Bürger auch nicht neben EU-Bürgern zum Geschäftsführer bestellt werden. Der Registerrichter hat bei Nicht-EU-Bürgern den Nachweis zu verlangen, dass der Geschäftsführer die Erlaubnis zum wenigstens zeitweisen Aufenthalt im Inland hat3. 20

Verliert ein Nicht-EU-Bürger, der zum Geschäftsführer bestellt ist, die Berechtigung zum Aufenthalt im Inland, wird er ausgewiesen, so erlischt seine Organstellung4; denn er ist nicht mehr in der Lage, seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen.

4. Spezialgesetzliche Eignungsvoraussetzungen 21

Werden in berufs- und gewerberechtlichen Vorschriften bestimmte Anforderungen an den Geschäftsführer gestellt, z.B. die fachliche Eignung, § 33 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2, § 35 Abs. 2 Nr. 3, § 36 Abs. 1 KWG, §§ 7a, 8 VAG, so darf das Gericht bei Fehlen dieser Voraussetzungen die Eintragung nicht ablehnen5. Die Bestellung ist wirksam. Die Rechtsfolgen ergeben sich vielmehr allein aus den jeweiligen Sondergesetzen.

22

Rechtsanwaltsgesellschaften müssen von Rechtsanwälten verantwortlich geführt werden. Die Geschäftsführer müssen mehrheitlich Rechtsanwälte sein, 1 OLG Köln, GmbHR 1999, 183 = EWiR § 6 GmbHG 1999, 261 (Mankowski): Keine Bestellung eines Nicht-EU-Bürgers zum Alleingeschäftsführer; OLG Hamm, ZIP 1999, 1919; OLG Zweibrücken, GmbHR 2001, 435; OLG Frankfurt, GmbHR 2001, 433; Haase, GmbHR 1999, 1091; Teichmann, IPRax 2000, 100; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 30: wenn Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht möglich. 2 A.A. mit eingehender Begründung Ulmer, Rdnr. 16. 3 OLG Köln, GmbHR 1999, 183; OLG Köln, BB 1999, 493 = NZG 1999, 269 = EWiR § 6 GmbHG 1999, 461 (mit abl. Anm. Rawert); LG Köln, GmbHR 1983, 48; LG Köln, GmbHR 1984, 157; a.A. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Ulmer, Rdnr. 16 ; Schiedermair, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 393. 4 A.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15. 5 Vgl. etwa Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 36 KWG Rdnr. 54.

480

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

§ 59f Abs. 1 Satz 2 BRAO. Hat die Rechtsanwaltsgesellschaft mehrere Geschäftsführer, so bestehen besondere Beschränkungen für die Vertretung und Geschäftsführung1.

V. Gesetzliche Ausschlussgründe 1. Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat (§ 6 Abs. 2 Satz 3) § 6 Abs. 2 Satz 3 enthält absolute Ausschlussgründe vom Geschäftsführeramt. Auf die Dauer von 5 Jahren seit der Rechtskraft des Urteils kann nicht Geschäftsführer sein, wer wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283d StGB (Insolvenzdelikte) verurteilt worden ist. Die Regelung dient dem Schutz der Gesellschaft sowie der gegenwärtigen und künftigen Gläubiger vor Wiederholungstaten; sie ist verfassungsrechtlich unbedenklich2. Das gilt auch bei einer Verurteilung im Ausland auf Grund vergleichbarer Tatbestände3. Ohne Bedeutung ist es, ob sich der Gesellschaftszweck und der Gegenstand des Unternehmens entsprechen. Es kommt auch nicht darauf an, ob das Gericht gegen den Betreffenden ein Berufsverbot (§ 70 StGB) verhängt hat. In der Anmeldung haben die Geschäftsführer die gesetzlichen Bestellungshindernisse im Einzelnen aufzuführen und deren Vorliegen zu verneinen, § 8 Abs. 34. Die gleichwohl vorgenommene Bestellung ist nichtig5. Die früher vorgenommene Bestellung wird wirkungslos mit Rechtskraft eines entsprechenden Strafurteils6.

23

Dagegen stehen eine Vermögenslosigkeit7 und eine strafrechtliche Verurteilung wegen anderer Delikte (Diebstahl, Hehlerei, Betrug, Untreue usw.) einer Bestellung zum Geschäftsführer bislang nicht entgegen8. Entsprechende rechtspolitische Vorschläge sind aber begründet9. Ein gerichtliches Berufsverbot hindert jedoch auch insoweit im Rahmen von § 6 Abs. 2 Satz 3 die Bestellung zum Geschäftsführer.

24

Dritte werden im Rahmen von § 15 HGB geschützt10.

1 Zuck, Anwalts-GmbH, 1999, § 59f Rdnr. 11 ff. 2 OLG Naumburg, GmbHR 2000, 378, 380; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 21; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16, Fn. 29; Fleischer, WM 2004, 157, 165 f. A.A. Stein, AG 1987, 165 (Verstoß gegen das Übermaßverbot und Art. 12 GG); Voerste, AG 1987, 376. 3 OLG Naumburg, ZIP 2000, 622,; Ulmer, Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 17; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9. 4 BayObLG, WM 1982, 168; BayObLG, WM 1983, 1170 mit weiteren Nachw. sowie bei § 8. 5 Amtl. Begr. BT-Drucks. 8/1347, S. 31; OLG Naumburg, ZIP 2000, 622, 624; BayObLG, WM 1983, 1170; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. 6 BayObLG, WM 1983, 1170; BayObLG, DB 1987, 1882. 7 Dafür aber Drygala, ZIP 2005, 427. 8 LG Köln, NJW-RR 1995, 553; zur Begründung s. Bericht des BT-Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 70. 9 S. BT-Drucks. 15/3594, S. 9 ff.; Drygala, ZIP 2005, 423. 10 BayObLG, DB 1987, 1883.

Uwe H. Schneider

|

481

§6

Geschäftsführer

25

Art. 11 des Bundesratsentwurfs eines Gesetzes zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (Forderungssicherungsgesetz – FoSiG) (BT-Drucks. 16/511) sah vor, den Katalog der gesetzlichen Ausschlussgründe auszuweiten. Der RefE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 29. 5. 2006 greift die Vorschläge des Bundesratsentwurfs auf, ändert sie aber ab. Damit sollen zentrale Bestimmungen des Wirtschaftsstrafrechts ergänzt werden (Einzelheiten bei Rdnr. 77 ff.).

26

Der soeben genannte Bundesratsentwurf sah auch eine besondere Haftung der Gesellschafter vor. Eingefügt werden sollte in § 6 Abs. 2 der folgende Satz: „Gesellschafter, die vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, zum Geschäftsführer bestellen oder nicht abberufen oder ihr tatsächlich die Führung der Geschäfte überlassen, haften der Gesellschaft solidarisch für den Schaden, der dadurch entsteht, dass diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzt“. Der RefE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 29. 5. 2006 hat von einer entsprechenden Regelung Abstand genommen, „weil eine solche Binnenhaftung weder effektiv noch mit der Gesetzessystematik vereinbar wäre“ (Einzelheiten bei Rdnr. 77 ff., 82).

2. Berufs- und Gewerbeausübungsverbote (§ 6 Abs. 2 Satz 4) 27

Relative Ausschlussgründe vom Geschäftsführeramt sind Untersagungen der Ausübung eines Berufs, Berufszweigs, Gewerbes oder Gewerbezweigs durch gerichtliches Urteil oder durch vollziehbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde (§ 6 Abs. 2 Satz 4)1. Entscheidend ist der satzungsmäßige und der tatsächliche Unternehmensgegenstand. Wer die Leitung des Gewerbebetriebs einer GmbH einem gewerberechtlich unzuverlässigen Strohmann überlässt, ist seinerseits unzuverlässig i.S.v. § 35 GewO2. Der Ausschluss vom Geschäftsführeramt auf Grund der vorgenannten Untersagungen ist auf die Gesellschaften beschränkt, deren satzungsmäßiger oder tatsächlicher Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt. Er gilt für die Dauer des Verbots. Setzt das Gericht das Berufsverbot nach § 70a StGB zur Bewährung aus, so ist auch kein Ausschlussgrund im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 4 gegeben.

28

Die einem Geschäftsführer durch eine deutsche Verwaltungsbehörde untersagte Gewerbeausübung stellt keinen Verweigerungsgrund für die Eintragung einer mit diesem geführten inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft dar3. Personen, die in Deutschland nach § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 nicht Geschäftsführer sein können, dürfen daher als Geschäftsführer einer ausländischen Gesellschaft über deren inländische Zweigniederlas-

1 BVerwG, DVBl. 1996, 808. 2 Hess. VGH, DB 1993, 2021. 3 OLG Oldenburg, RIW 2001, 863; Ulmer, Rdnr. 20.

482

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

sung ihre Geschäfte im Inland weiter betreiben1. Befriedigend ist das Ergebnis nicht.

3. Gerichtliches Verbot Ist einer natürlichen Person durch rechtskräftige Entscheidung untersagt, die Bestellung als Geschäftsführer einer GmbH anzunehmen, so fehlt ihr eine Eignungsvoraussetzung. Dagegen soll, was wenig überzeugt, das Verbot jeglicher Geschäftsführertätigkeit gegenüber einem bereits bestellten Geschäftsführer nicht zum Verlust der Organstellung, sondern nur zum Verlust seiner Vertretungsmacht führen2.

29

Berufsverbote durch eine ausländische Verwaltungsbehörde stellen keinen setzlichen Ausschlussgrund dar3, denn im Ausland ist vielfach das Recht Gehör usw. bei Verwaltungsbehörden nicht gewahrt. Berufsverbote durch ausländisches Gericht sind demgegenüber zu berücksichtigen, wenn sie vergleichbaren Tatbeständen beruhen.

geauf ein auf

30

Liegt ein gesetzlicher Ausschlussgrund vor, so ist die Bestellung unwirksam. Tritt der Ausschlussgrund erst nachträglich ein, so verliert der Geschäftsführer automatisch sein Amt4. Die Anordnung der Verwaltungsbehörde muss nicht unanfechtbar sein, sondern es genügt, dass sie sofort vollziehbar ist5. Das Berufsverbot durch die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Geschäftsführer kann auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO oder eine der spezialgesetzlichen gewerberechtlichen Vorschriften gestützt sein6. Eine Untersagung nach § 16 Abs. 3 HandwO reicht aber nicht aus7. Nicht ausreichend ist ein vorläufiges Berufsverbot nach § 132a StPO. Auch bewirkt ein nur gegenüber der GmbH ergangenes Gewerbeverbot keinen Ausschlussgrund8. Fällt der gesetzliche Ausschlussgrund nachträglich weg, war die Bestellung unwirksam und es bedarf erneuter Bestellung.

31

Ist ein Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen, obwohl ein Ausschlussgrund vorliegt, so ist er von Amts wegen zu löschen9. Handelt der Geschäftsführer, obwohl seine Bestellung unwirksam ist, so wird der gutgläubige Dritte

32

4. Rechtsfolgen

1 2 3 4

5

6 7 8 9

So ausdrücklich der 2. Leitsatz, OLG Oldenburg, RIW 2001, 863. BayObLG, GmbHR 1989, 370. LG Köln, NJW-RR 1995, 553; a.A. Erdmann, NZG 2002, 508. BGHZ 115, 78, 80; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 802; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 114; Goette, DStR 1998, 939; Drygala, ZIP 2005, 423, 428; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. Heyder, in: Michalski, Rdnr. 23; Ulmer, Rdnr. 21: Kein Ausschlussgrund, solange das Verbot in Folge Widerspruchs oder Anfechtungsklage nicht vollziehbar ist (vgl. § 80 VwGO). BVerfG, GewA 1977, 14. BayObLG, GmbHR 1987, 20. BayObLG, GmbHR 1987, 20 (kein Durchgriff). OLG Zweibrücken, NZG 2001, 857; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12.

Uwe H. Schneider

|

483

§6

Geschäftsführer

nach § 15 Abs. 1, 3 HGB geschützt. Zu seiner Haftung gegenüber Dritten als faktischer Geschäftsführer s. bei Rdnr. 73, 75. 33

Gesellschafter, die Geschäftsführer berufen, bei denen ein gesetzlicher Ausschlussgrund vorliegt, überlassen nur tatsächlich die Geschäftsführung. Sie haften gegenüber Dritten nur nach den Vorschriften der unerlaubten Handlung1.

5. Aufsichtsratsmitglieder als Geschäftsführer 34

S. dazu bei § 52 GmbHG.

VI. Satzungsrechtliche Eignungsvoraussetzungen 1. Zulässige Gestaltungen 35

In der Satzung kann festgelegt werden, dass nur Personen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, zu Geschäftsführern ernannt werden dürfen, z.B. nur Gesellschafter, nur Mitglieder einer bestimmten Familie, nur Personen, die ein bestimmtes Alter2, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Vorbildung usw. haben. Es besteht volle Satzungsfreiheit. Soll hiervon abgewichen werden, so bedarf es zunächst einer Satzungsänderung3. Der Beschluss der Gesellschafter, durch den ein Geschäftsführer bestellt wird, der die Voraussetzungen nicht erfüllt, ist anfechtbar, selbst wenn eine satzungsändernde Mehrheit bestand.

36

Die Festlegung solcher Eignungsvoraussetzungen in der Satzung ist auch in der nach MitbestG 1976 und nach dem DrittelbG mitbestimmten GmbH zulässig. Der Gestaltungsspielraum ist bei der GmbH größer als bei der AG. Voraussetzung für eine Satzungsregelung ist aber, dass die Eignungsvoraussetzung sachlich begründbar ist und dass für den mitbestimmten Aufsichtsrat noch eine angemessene Auswahlmöglichkeit besteht4. In Betracht kommen insb. Eignungsvoraussetzungen hinsichtlich Alter, Zuverlässigkeit, fachliche Eignung, Wohnsitz und Zugehörigkeit zu einer Familie.

2. Fehlen und Wegfall einer Eignungsvoraussetzung 37

Fehlen einem Geschäftsführer die erforderlichen Eignungsvoraussetzungen, so ist seine Bestellung gleichwohl wirksam5. Überstimmte Gesellschafter können jedoch den die Satzung verletzenden Beschluss anfechten bzw. die Abberufung verlangen. Fällt eine Eignungsvoraussetzung nachträglich weg, z.B. die Zugehö1 S. aber auch den Vorschlag zur Änderung des § 6 Abs. 2 Satz 4 in BT-Drucks. 15/3594, S. 9; Begründung einer besonderen Gesellschafterhaftung; Drygala, ZIP 2005, 423. 2 Erdmann, NZG 2002, 503. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8. 4 Str., Einzelheiten für MitbestG 1976: Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestG, § 31 Rdnr. 10 ff.; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 33 Rdnr. 42 f.; Martens, AG 1976, 120; Wiedemann, ZGR 1977, 168; Immenga, ZGR 1977, 255; Overlack, ZHR 142 (1977), 131; Raiser, MitbestG, § 31 Rdnr. 9; enger: Fitting/Wlotzke/ Wißmann, MitbestG, § 31 Rdnr. 11 ff.: äußerst begrenzte Zulässigkeit. 5 Zustimmend: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17.

484

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

rigkeit zur Familie auf Grund Ehescheidung, beendet dies gleichfalls nicht die Geschäftsführerstellung. Begründet ist jedoch ein wichtiger Grund zur Abberufung.

VII. Bestellung 1. Bestellung durch Gesellschafterversammlung oder Aufsichtsrat Zu den Aufgaben der Gesellschafter gehört es, für handlungsfähige Organe zu sorgen, also auch Geschäftsführer zu berufen. Zuständig ist die Gesellschafterversammlung, § 46 Nr. 5. Sie entscheidet durch Beschluss (Einzelheiten bei § 46). Die Bestellung kann befristet oder unbefristet sein. Sie darf aber entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung1 weder an eine aufschiebende noch an eine auflösende Bedingung geknüpft werden2. Denn durch eine bedingte Bestellung oder die bedingte Beendigung der Organstellung entsteht Rechtsunsicherheit. Zulässig ist nur die Bestellung mit Gremienvorbehalt, also die Bestellung vorbehaltlich der Zustimmung durch ein anderes Organ.

38

Ist die Gesellschaft nach dem DrittelbeteiligungsG mitbestimmt, so richten die Zuständigkeiten des Aufsichtsrats nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG i.V.m. den dort aufgeführten aktienrechtlichen Vorschriften. Im Übrigen bleibt es aber bei den Bestimmungen des GmbHG. Das bedeutet, dass die Geschäftsführer weiterhin durch die Gesellschafterversammlung bestellt3 und angestellt werden4; denn § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG verweist nicht auf § 84 AktG (Einzelheiten bei § 52).

39

Ist die Gesellschaft nach dem MitbestG 1976 mitbestimmt, bestellt der Aufsichtsrat die Geschäftsführer, §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 31 MitbestG i.V.m. § 84 AktG (Einzelheiten insbesondere zur Anstellung bei § 52). Sowohl bei der mitbestimmungsfreien GmbH wie bei der GmbH mitbestimmt nach dem DrittelbG kann die Zuständigkeit zur Bestellung des Geschäftsführers durch die Satzung auf den Aufsichtsrat oder ein anderes Kreationsorgan, das durch die Satzung geschaffen werden kann, übertragen werden.

40

Sofern sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt, ist davon auszugehen, dass die Bestellung nur bei Gelegenheit im Rahmen des Abschlusses und der Beurkundung des Gesellschaftsvertrags erfolgen sollte5. Es handelt sich

41

1 BGH, GmbHR 2006, 46 = ZIP 2005, 2255. 2 Wie hier: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 34; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 83; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb. GesR III, § 42 Rdnr. 39; Theusinger/Liese, EWiR 2006, 113 f.; a.A. Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, § 38 Rdnr. 82; Lutter/Hommelhoff, § 38 Rdnr. 40; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 38 Rdnr. 39; Gehrlein, GmbH-Recht in der Praxis, S. 223; Goette, DStR 1998, 939. 3 Boewer/Gaul/Otto, GmbHR 2004, 1065, 1066. 4 BGH, ZIP 2000, 1442, 1443 für MitbestG 1976: Annexkompetenz; Oetker, in: ErfK, § 1 DrittelbG Rdnr. 19. 5 Priester, DB 1979, 681.

Uwe H. Schneider

|

485

§6

Geschäftsführer

aber nur um einen unechten Satzungsbestandteil mit der Folge, dass sich die Dauer der Bestellung, die Abberufung, die Amtsniederlegung und die Neubestellung von Geschäftsführern nach den allgemeinen Regeln über die Bestellung usw. richtet. Für die Abberufung des in dieser Weise bestellten Geschäftsführers und für die Neubestellung genügt demnach die einfache Mehrheit1.

2. Bestellung und Amt als Sonderrecht 42

Die Zuständigkeit zur Bestellung2 und Abberufung, aber auch die Organstellung selbst können einem Gesellschafter als Sonderrecht zugewiesen werden3. Dabei sind die vielfältigsten Gestaltungen möglich, und zwar in der Form anteilsgebundener Sonderrechte oder höchstpersönlicher Sonderrechte, als befristete oder als dauerhafte mitgliedschaftliche Bevorrechtigung4. Das Ernennungsrecht kann einem Familienstamm, einem Partner eines Gemeinschaftsunternehmens oder einer Kommune (nicht Behörde) zustehen.

43

Inhalt und Umfang des Sonderrechts ist durch Auslegung zu ermitteln. In Betracht kommt ein Vorschlagsrecht („Präsentationsrecht“), ein Benennungsrecht, das Recht zur Abberufung (bei wichtigem Grund) und das Recht, selbst als Geschäftsführer tätig zu werden. Ist einem Gesellschafter das Recht, als Geschäftsführer tätig zu sein, eingeräumt, so bleibt er Geschäftsführer bis zu dem in der Satzung genannten Zeitpunkt (z.B. Altersgrenze). Er kann nur aus wichtigem Grund abberufen werden5. Ist einem Gesellschafter auch das Recht eingeräumt, bei einer Tochtergesellschaft als Gründungsführer tätig zu sein, so darf deren Geschäftstätigkeit nicht ausgehöhlt werden. Bei gleichzeitiger Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Mutter- und bei der Tochtergesellschaft kann in der Satzung festgelegt werden, dass nur eine einheitliche Vergütung bezahlt wird6. Fehlt eine Satzungsregelung, so ist eine getrennte Vergütung zulässig, wenn die Gesellschaften auf unterschiedlichen Gebieten tätig sind und für den Geschäftsführer unterschiedliche Haftungsrisiken bestehen7.

44

Ob einem Gesellschafter das Sonderrecht zur Geschäftsführerung eingeräumt ist, muss sich zwar nicht ausdrücklich aus der Satzung ergeben; es müssen sich jedoch im Gesellschaftsvertrag selbst deutliche Anhaltspunkte finden8. Im Zweifel ist sein Bestehen aber zu verneinen9. Und im Zweifel ist der Umfang 1 BGHZ 18, 205; BGH, NJW 1961, 507; BGH, NJW 1969, 131; BGH, GmbHR 1982, 129, OLG Hamm, ZIP 1986, 1188 mit Anm. Lutter; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Ulmer, Rdnr. 25; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 46. 2 RG, LZ 1909, 76; OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 537. 3 BGH, GmbHR 2004, 739 = ZIP 2004, 804; OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 537. 4 Waldenberger, GmbHR 1997, 49, 52; s. auch bei § 14 Rdnr. 19 ff. 5 BGHZ 86, 177, 179; BGH, WM 1968, 1350; BGH, WM 1981, 438; BGH, WM 1984, 29; Henze, Handbuch zum GmbH-Recht, 2. Aufl., Rdnr. 1160. 6 BGH, GmbHR 2004, 739; mit Anm. Haas, LMK 2004, 131. 7 Zum Anstellungsvertrag im Konzern: Uwe H. Schneider, GmbHR 1993, 10; s. auch bei § 35 Rdnr. 167. 8 BGHZ 18, 205; BGH, DB 1968, 1399; BGH, WM 1981, 438 = GmbHR 1982, 129. 9 BGHZ 18, 205; Ulmer, Rdnr. 26.

486

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

einschränkend auszulegen1. Dies folgt – auch – aus der Auslegungsregel des § 6 Abs. 4 (s. Rdnr. 35). Ist ein Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag zum ersten Geschäftsführer ernannt2 oder wird für die Abberufung der Geschäftsführer durch die Satzung das Vorliegen eines wichtigen Grundes verlangt, so reicht dies für die Annahme eines Sonderrechts in der Regel noch nicht aus3. Auch sind keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein Sonderrecht eine Mehrheitsbeteiligung4 oder – in der zweigliedrigen GmbH – das Einstimmigkeitserfordernis für alle Beschlüsse5.

45

Ein mitgliedschaftliches Geschäftsführungsrecht in der Form eines Sonderrechts ist aber in der Regel anzunehmen, wenn dem Geschäftsführer die Stellung im Gesellschaftsvertrag auf Lebenszeit oder auf die Dauer seiner Mitgliedschaft vorbehalten ist6. Ebenso ist die Bestellung im Gesellschaftsvertrag auszulegen, wenn aus dem Sinn der Gesamtregelung hervorgeht, dass alle Gesellschafter dieselben Sonderrechte haben sollen (strikte Parität), aber nur für einen Gesellschafter ausdrücklich das Sonderrecht zur Geschäftsführung erwähnt wird7, oder wenn die Ernennung als Bestandteil einer vertraglichen Gestaltung des Gesellschaftsverhältnisses nach Art einer Personengesellschaft zu verstehen ist8.

46

Sonderrechte können nur Gesellschaftern eingeräumt werden9. Ist einem Gesellschafter ein Sonderrecht eingeräumt, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass es der Person als höchstpersönliches Recht zustehen soll, dass dieses Sonderrecht aber weder vererbbar ist, noch dass es bei Übertragung des Geschäftsanteils auf einen Dritten mit übergeht10. Mit dem Sonderrecht zur Geschäftsführung kann aber auch das mitgliedschaftliche Recht verbunden sein, den Nachfolger zu benennen11.

47

Die Beeinträchtigung oder Aufhebung satzungsmäßiger Sonderrechte kann nur durch Satzungsänderung erfolgen. Dabei ist die Zustimmung des berechtigten

48

1 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 31 f. 2 BGH, GmbHR 1969, 38; BGH, GmbHR 1982, 129 = WM 1981, 438. 3 OLG Hamm, GmbHR 2002, 431; Ulmer, Rdnr. 26; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb. GesR III, § 42 Rdnr. 22; Goette, Die GmbH nach der BGH-Rechtsprechung, S. 186; zweifelnd: Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 95. 4 RG, LZ 1909, 76. 5 BGH, WM 1984, 29. 6 RG, LZ 1914, 1762; RG, LZ 1919, 597; OLG Hamburg, GmbHR 1954, 188; BGH, DB 1968, 2166; BGH, WM 1981, 438. 7 BGH, GmbHR 1982, 129. 8 R. Fischer, GmbHR 1953, 132; R. Fischer, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 121; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967, S. 24; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 95. 9 Str.; wie hier Ulmer, Rdnr. 27; eingehend Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 917 mit weiteren Nachw. 10 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; auch Ulmer, Rdnr. 26. 11 BGH, GmbHR 1973, 279.

Uwe H. Schneider

|

487

§6

Geschäftsführer

Gesellschafters erforderlich (s. bei § 53). Wird das Sonderrecht durch einen Mitgesellschafter beeinträchtigt, so hat der Inhaber des Sonderrechts einen Unterlassungsanspruch1.

3. Die Bestellung durch Nichtgesellschafter 49

a) Einigkeit besteht, dass Nichtgesellschaftern durch schuldrechtlichen Vertrag keine organisationsrechtlichen Bestellungs- und/oder Abberufungskompetenzen eingeräumt oder übertragen werden können2. Die Gesellschaft kann sich aber verpflichten, bestimmte Personen zu berufen oder auf Verlangen des Dritten, z.B. eines Kreditinstituts, den Geschäftsführer abzuberufen. Pflichtverletzungen haben jedoch nur schuldrechtliche Folgen; ein Anspruch auf Erfüllung besteht nicht.

50

b) Einem Nichtgesellschafter kann auch in der Satzung ein persönliches Sonderrecht als Individualrecht (ad personam) mit der Maßgabe, nach eigenem Ermessen den Geschäftsführer zu bestellen oder abzuberufen, nicht eingeräumt werden3. Die Einzelheiten sind streitig. Auch die Gegenansicht geht davon aus, die Gesellschafter könnten jederzeit die Zuständigkeit wieder an sich ziehen4. Das Sonderrecht wäre damit wesentlich eingeschränkt. Selbst eine solche Gestaltung widerspricht indessen dem Grundsatz der Selbstorganisation.

51

c) Zulässig ist aber folgende Gestaltung: Die Satzungsfreiheit erlaubt den Gesellschaftern, neben der Gesellschafterversammlung und neben den Geschäftsführern und gegebenenfalls neben dem Aufsichtsrat zusätzliche Organe zu schaffen. Diesem zusätzlichen Organ kann auch die Bestellungs- und Abberufungskompetenz sowie die Anstellungskompetenz zugewiesen werden. Wie dieses zusätzliche Organ besetzt wird, liegt gleichfalls in der Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter. Berufen werden können Gesellschafter, aber auch Nichtgesellschafter. Die Berufung kann durch Beschluss der Gesellschafterversammlung oder auch in der Satzung erfolgen.

52

Erfolgt die Berufung eines Nichtgesellschafters in der Satzung, so ist dies in der Weise zu verstehen, dass erstens ein zusätzliches Organ gebildet wird und der Nichtgesellschafter zweitens durch unechten Satzungsbestandteil mit der Folge bestellt ist, dass der Dritte mit einfacher Mehrheit abberufen werden kann5. Die Abberufbarkeit kann allerdings auf wichtige Gründe beschränkt werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass durch die Satzung ein besonderes fakultatives

1 BGH, ZIP 2004, 804, 805. 2 Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 488. 3 Wie hier: Hüffer, in: Hachenburg, § 46 Rdnr. 74; Teichmann, Gestaltungsfreiheit bei Gesellschaftsverträgen, 1971, S. 196; Priester, in: FS Werner, 1984, S. 665; Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 922; a.A. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 60; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27; Hammen, WM 1994, 765; Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozess der GmbH, 1994, S. 117. 4 Flume, in: FS Coing, II, 1982, S. 97, 99 ff.; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 60. 5 Ausdrücklich Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 923.

488

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

Verbandsorgan geschaffen werden kann, dass diesem Organ die Bestellungsund Abberufungskompetenz zugewiesen, ein Nichtgesellschafter zum alleinigen Organmitglied berufen und dieser gegebenenfalls nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden kann1. Das auf diese Weise bestellte Organmitglied wird nicht als außenstehender Dritter tätig, sondern es nimmt als Geschäftsführer organschaftliche Befugnisse wahr und ist entsprechend verpflichtet.

4. Die Auslegungsregel des § 6 Abs. 4 § 6 Abs. 4 enthält eine Auslegungsregel. Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass sämtliche Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt sein sollen, so sind damit nur diejenigen Gesellschafter gemeint, die der Gesellschaft bei Festsetzung dieser Bestimmung Gesellschafter sind. Werden später in die Gesellschaft weitere Gesellschafter aufgenommen, werden Anteile übertragen, so werden die neuen Gesellschafter nicht ohne weitere Bestellung auch Geschäftsführer.

53

5. Die Bestellung nach den Bestimmungen des dritten Abschnittes Fehlt in der Satzung eine Bestellung der Geschäftsführer, so erfolgt sie – und dies ist die Regel – nach Maßgabe des dritten Abschnittes des Gesetzes, d.h. durch einfachen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter, § 46 Nr. 5, §§ 47 ff. (Bestellungsbeschluss). Ein mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasster Gesellschafterbeschluss genügt zur Bestellung des Geschäftsführers auch dann, wenn die GmbH noch nicht im Handelsregister eingetragen ist2. Die Bestellung wird aber erst wirksam, wenn das Beschlussergebnis gegenüber dem Bestellten erklärt ist (Bestellungserklärung) und der Berufene sich zur Übernahme der Organstellung bereit erklärt hat (Bereiterklärung)3. Einzelheiten bei § 46.

54

Durch die Satzung kann die Zuständigkeit zur Bestellung des Geschäftsführers, aber auch einem anderen Gesellschaftsorgan zugewiesen werden, s. bei § 52. Zur Bestellung der Geschäftsführer bei der mitbestimmten GmbH s. gleichfalls bei § 52.

55

6. Pflicht zur Übernahme der Organstellung Die Gesellschafter sind in der Regel weder gegenüber der Gesellschaft noch gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft verpflichtet, das Amt des Geschäfts-

1 Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 492 ff.; Hammen, WM 1994, 765: analoge Anwendung von § 328 BGB; Fleck, ZGR 1988, 121; wohl auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 58. 2 BGHZ 80, 212 = WM 1981, 645. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Mertens, in: Hachenburg, § 35 Rdnr. 37; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 38.

Uwe H. Schneider

|

489

56

§6

Geschäftsführer

führers zu übernehmen1. Das gilt auch dann, wenn weder ein Dritter noch ein Mitgesellschafter hierzu bereit ist2. Im Gesellschaftsvertrag kann aber die mitgliedschaftliche Pflicht3, in einem Anstellungsvertrag kann eine schuldrechtliche Pflicht zur Übernahme des Geschäftsführeramtes begründet werden. Die Bestellung eines Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag nach § 6 Abs. 3 Satz 2 verpflichtet ihn nicht, auf Dauer das Amt beizubehalten; doch kann die fristlose Amtsniederlegung treuwidrig sein; zur Amtsniederlegung s. bei § 38. Ob eine mitgliedschaftliche Pflicht mit dem Sonderrecht auf Übernahme der Geschäftsführerstellung verknüpft ist, ist durch Auslegung zu ermitteln; s. dazu bei § 3.

VIII. Der Notgeschäftsführer 1. Gerichtliche Bestellung 57

Es gehört zwar zu den Aufgaben der Gesellschafter, Geschäftsführer zu bestellen. Sie sind hierzu aber weder gegenüber den Gläubigern noch gegenüber dem Registergericht verpflichtet4. Hat die GmbH jedoch keinen Geschäftsführer, der die der Gesellschaft und dem Geschäftsführer obliegenden gesetzlichen Pflichten wahrnehmen und der sie vertreten kann, hat sie nicht die für die Vertretung erforderliche Zahl an Geschäftsführern (s. auch § 35 Rdnr. 114) oder ist der Geschäftsführer in der Vertretung tatsächlich oder rechtlich verhindert, so findet kein automatischer Übergang der Vertretungsbefugnis auf ein anderes Organ der Gesellschaft statt5. Es kann aber nach § 29 BGB, der sinngemäß auf die GmbH anwendbar ist, durch das Amtsgericht des Sitzes der Gesellschaft (Registergericht) auf Antrag ein Notgeschäftsführer bestellt werden6. Eine § 85 AktG entsprechende Vorschrift fehlt im GmbH-Gesetz. Sie war in § 68 RegE 1971 zwar vorgesehen; die Novelle 1980 hat die gerichtliche Bestellung aber nicht geregelt.

58

Die gerichtliche Notbestellung erfolgt nur „in dringenden Fällen für die Zeit bis zur Behebung des Mangels auf Antrag eines Beteiligten“7. Es handelt sich um 1 BGH, GmbHR 1985, 149. 2 A.A. Gustavus, GmbHR 1992, 15, 18: Bestellung eines Gesellschafters zum Notgeschäftsführer auch gegen seinen Willen. 3 OLG Hamm, GmbHR 2002, 429; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16. 4 OLG Naumburg, GmbHR 2002, 1237: Keine Strafbarkeit der Gesellschafter nach § 266a StGB, wenn keine Geschäftsführer bestellt werden; Fleck, Anm. zu BGH, EWiR, § 6 GmbHG 1/85, 97; Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 87; Gustavus, GmbHR 1992, 17: kein Zwangsgeld. 5 BGHZ 58, 115. 6 BayObLG, ZIP 1997, 1786; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 32; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 69; Ulmer, Rdnr. 30; Freese, GmbHR 1961, 159; Freese, GmbHR 1962, 194; Hohlfeld, GmbHR 1986, 181; Gustavus, GmbHR 1992, 15 ff. 7 RGZ 68, 180; 116, 118; 138, 101; BGHZ 33, 193; BayObLG, NJW 1981, 955; U. Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, 1977, S. 258; Hohlfeld, GmbHR 1986, 181; allgemein zum Verhältnis zwischen Notbestellung von Organmitgliedern und Pflegschaft: Beitzke, in: FS Ballerstedt, 1975, S. 185 ff.

490

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

eine subsidiäre Maßnahme. Da durch die gerichtliche Bestellung tief in die Zuständigkeit des Gesellschafters eingegriffen wird, kommt sie nur in Betracht, wenn es die einzige Möglichkeit ist, die Vertretung der Gesellschaft zu sichern. Daher ist der Antrag des Gesellschafters einer Einpersonen-GmbH auf Bestellung eines Notgeschäftführers nicht begründet1. Die Verhinderung kann tatsächlich oder rechtlich begründet, sie kann auf Dauer bestehen, aber auch auf einen Einzelfall beschränkt sein, z.B. wegen § 181 BGB2. Voraussetzung für eine gerichtliche Bestellung ist die Erforderlichkeit und ein dringender Fall. Sie ist erforderlich, wenn ein Geschäftsführer fehlte oder der Geschäftsführer rechtlich oder tatsächlich verhindert ist. Hinzu kommen muss, dass die Gesellschaftsorgane nicht selbst in der Lage sind, den Mangel in angemessener Frist zu beseitigen (Grundsatz der Subsidiarität)3. So ist die Bestellung eines Notgeschäftsführers zulässig, wenn sich die Gesellschafter nicht einigen können4. Die Weigerung des Geschäftsführers, einzelne Geschäftsführungsakte vorzunehmen, ist aber kein Grund für eine Notbestellung; anders bei grundsätzlicher Ablehnung der Geschäftsführungstätigkeit5. § 29 BGB gibt auch keine Befugnis, nachlässige Geschäftsführer zu entlassen oder durch andere zu ersetzen, wenn nicht der Fall tatsächlicher oder rechtlicher Behinderung vorliegt6. Verlangt die Satzung, dass die Gesellschaft durch mindestens zwei Geschäftsführer vertreten wird, und fällt einer der beiden Geschäftsführer weg, so ist ein Notgeschäftsführer „erforderlich“, um die Vertretung zu sichern7. Tatsächliche Behinderung ist z.B. durch schwere Krankheit, durch Tod, durch Abberufung8, nicht aber durch hohes Alter9 oder durch vorübergehenden Auslandsaufenthalt gegeben, wenn dieser jederzeit beendet werden kann. Dagegen ist § 29 BGB anwendbar, wenn der Geschäftsführer aus Furcht vor Strafverfolgung im Ausland weilt10, oder wenn er sich in Strafhaft befindet.

59

Unzulässig ist die Bestellung eines Notgeschäftsführers ferner bei unwirksamer Abberufung des bisherigen Geschäftsführers11, bei rechtsmissbräuchlicher

60

1 OLG Frankfurt, GmbHR 1963, 232. 2 BGHZ 33, 189, 193; H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 690. 3 BayObLG, DB 1995, 1364; BayObLG, ZIP 1997, 1786; BayObLG, GmbHR 1998, 1125; Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 125, 129: Grundsatz der Erforderlichkeit; a.A. OLG Frankfurt, GmbHR 2001, 436; Happ, Die GmbH im Prozess, 1997, S. 43. 4 Für Zweipersonen-GmbH: BayObLG, GmbHR 1998, 1123; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20. 5 KG, JW 1937, 1730; OLG Frankfurt, GmbHR 1966, 141; OLG Frankfurt, BB 1986, 1601; Helmschrott, ZIP 2001, 636. 6 OLG Frankfurt, GmbHR 1966, 141; OLG Frankfurt, BB 1986, 1601. 7 Goette, Die GmbH nach der BGH-Rechtsprechung, 1997, S. 189; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 74; Ulmer, Rdnr. 30. 8 OLG Bremen, NJW 1955, 1925. 9 OLG Frankfurt, BB 1986, 1601. 10 KG, GmbHRspr. IV § 6 R. 13. 11 BayObLG, ZIP 1999, 1845.

Uwe H. Schneider

|

491

§6

Geschäftsführer

Amtsniederlegung1 und wenn ein Prozess- oder Verfahrenspfleger bestellt wurde und dies ausreicht, um drohende Schäden abzuwehren2. 61

Als antragsberechtigte Beteiligte gelten sowohl Gesellschafter3 als auch Gläubiger4, ein Geschäftsführer, wenn nach der Satzung ein zweiter oder weiterer Geschäftsführer notwendig oder wenn zweifelhaft ist, ob eine Abberufung wirksam ist5, ein Aufsichtsratsmitglied6, eine Verwaltungsbehörde, die sicherstellen muss, dass die der Gesellschaft obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflichten wahrgenommen werden7. Der Antragsteller kann geeignete Persönlichkeiten zur Bestellung vorschlagen8. Das Registergericht ist an solche Vorschläge aber nicht gebunden9. Es darf aber nur solche Personen bestellen, die die gesetzlichen, und soweit dies möglich ist, auch die statutarischen Voraussetzungen für das Geschäftsführeramt erfüllen10. Im Übrigen hat es bei der Auswahl nach pflichtgemäßem Ermessen zu verfahren11. Die Gesellschafter sind vor der gerichtlichen Entscheidung anzuhören12. Die Organstellung erlangt der Betreffende erst mit der Annahme. Eine Pflicht hierzu besteht nicht. Auch Gesellschafter, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer usw. sind zur Übernahme des Geschäftsführeramts nicht verpflichtet13.

62

Ist die Gesellschaft nach MitbestG 1976 mitbestimmt, so gehört es zu den Pflichten des Aufsichtsrats, einen Geschäftsführer zu bestellen. Verletzt der Aufsichtsrat seine Pflichten, so hat in dringenden Fällen das Gericht auf Antrag eines Beteiligten das Mitglied zu bestellen14. § 31 Abs. 1 MitbestG verweist auf § 85 AktG. Beteiligter ist, wer ein rechtliches Interesse an der Bestellung eines Notgeschäftsführers hat, z.B. einzelne Gesellschafter und Gläubiger. Ist die Gesellschaft im Anwendungsbereich des DrittelbG, so bleibt es bei den allgemeinen Regelungen, die auch für die mitbestimmungsfreie GmbH bestehen. 1 BayObLG, ZIP 1999, 1599; OLG Düsseldorf, ZIP 2001, 25; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21. 2 A.A. OLG Köln, ZIP 2000, 280, 283; wie hier: OLG Zweibrücken, ZIP 2001, 973; Kutzer, ZIP 2000, 654. 3 BayObLG, ZIP 1997, 1785; BayObLG, GmbHR 1998, 1124. 4 OLG Hamm, GmbHR 1996, 210; Helmschrott, GmbHR 2001, 637. 5 KG, JW 1932, 752; BayObLG, NJW 1981, 995, 996; BayObLGZ 1993, 349; BayObLG, GmbHR 1998, 1125. 6 Lutter/Hommelhoff, Vor § 35 Rdnr. 18; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 74. 7 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 92 Fn. 401. 8 OLG Hamm, GmbHR 1996, 210: zur Ermittlung geeigneter Personen, wenn Antragsteller keine Person benennt. 9 KG, GmbHRspr. II § 39 R 2; KG, JW 1932, 752. 10 BayObLG, NJW 1981, 995; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb. GesR III, § 42 Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Freese, GmbHR 1961, 159; Fichtner, BB 1964, 868; Hoffmann/Neumann, GmbHR 1976, 184. 11 BayObLG, DB 1978, 2165; BayObLG, GmbHR 1998, 1125. 12 BayObLG, NJW 1981, 996. 13 BGH, GmbHR 1985, 149; KG Berlin, GmbHR 2000, 660; OLG Frankfurt, GmbHR 2001, 436; Helmschrott, ZIP 2001, 638. 14 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 38.

492

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

2. Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht Der gerichtlich bestellte Notgeschäftsführer hat alle Zuständigkeiten, Befugnisse und Pflichten wie ein durch die zuständigen Gesellschaftsorgane bestellter Geschäftsführer1. Durch das Gericht kann allerdings die Geschäftsführungsbefugnis beschränkt werden2. Fehlt es an einer gerichtlichen Beschränkung, so richtet sich die Art und der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis nach dem Gesellschaftsvertrag. Der Notgeschäftsführer ist an Weisungen der Gesellschafter gebunden. Zustimmungsvorbehalte der Gesellschafter sind zu beachten. Die Grenze von Weisungen bilden Notmaßnahmen3.

63

Seine organschaftliche Vertretungsmacht ist unbeschränkt und gerichtlich unbeschränkbar, und zwar auch dann, wenn der Notgeschäftsführer nur für bestimmte „Wirkungskreise“ bestellt wurde4. Das Gericht ist aber an satzungsrechtliche Bestimmungen über die Mindestzahl der Geschäftsführer bei der Vertretung gebunden; gegebenenfalls ist daher die Bestellung mehrerer Notgeschäftsführer erforderlich. Das Gericht kann jedoch auch anordnen, dass einem Notgeschäftsführer Einzelvertretungsbefugnis an Stelle von Gesamtvertretungsbefugnis zustehen soll5. Bei sachlichem Bedürfnis kann auch von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden6.

64

3. Die persönliche Stellung Mit der Bestellung entsteht ein Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen dem Notgeschäftsführer und der Gesellschaft. Der hierdurch begründete Anspruch auf Vergütung richtet sich nur gegen die GmbH, nicht aber gegen die Gesellschafter, auch nicht gegen den Antragsteller7 und auch nicht subsidiär gegen die Staatskasse8.

65

Mangels Vereinbarung mit der Gesellschaft richtet sich die Vergütung nach § 612 BGB9. Außerdem hat der Notgeschäftsführer Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen10.

66

1 BayObLGZ 1980, 306 = DB 1980, 2435; H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 691. 2 BayObLG, GmbHR 1986, 189; BayObLG, GmbHR 1998, 1125; LG Frankenthal, GmbHR 2003, 586; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 24: muss auf das Notwendige beschränken. 3 H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 694; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 76; Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 192. 4 BayObLG, DB 1986, 422 = EWiR, § 37 GmbHG 1/86, 163 (Miller). 5 BayObLG, GmbHR 1998, 1125: wenn in Satzung vorgesehen; a.A. Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 164, 170. 6 OLG Düsseldorf, NZG 2002, 338. 7 BGH, GmbHR 1985, 149 = WM 1985, 52 mit Anm. Fleck, EWiR, § 6 GmbHG, 1/85, 97; BayObLG, NJW 1981, 995; LG Hamburg, MDR 1971, 291. 8 So aber Eickmann, ZIP 1982, 22; Kögel, NZG 2000, 23; a.A. Helmschrott, ZIP 2001, 636, 639: analog §§ 1835 Abs. 4, 1835a Abs. 3, 1836a BGB n.F.; Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 226. 9 BayObLGZ 1975, 260, 262; BayObLG, NJW 1981, 995 f. 10 S. aber auch OLG Karlsruhe, GmbHR 2003, 39. Zur Vertretung einer GmbH bei einer von Amts wegen bewirkten Löschung im Handelsregister s. BGHZ 53, 264 und BGH, WM 1985, 870.

Uwe H. Schneider

|

493

§6 67

Geschäftsführer

Zweifelhaft ist, ob die Höhe der Vergütung für den Notgeschäftsführer durch das Registergericht wirksam festgesetzt werden kann1. Für eine einseitige Festsetzung in entsprechender Anwendung des § 85 Abs. 3 Satz 2 AktG ist entgegen teilweise vertretener Ansicht nur ausnahmsweise dann Raum, wenn dies ausdrücklich angeordnet wird, wie dies etwa für die mitbestimmte GmbH gem. § 31 MitbestG 1976 der Fall ist. Im Übrigen liegt es nicht in der Zuständigkeit des Registergerichts, schon im Rahmen der Bestellung die Höhe der Vergütung festzusetzen2. Können sich die Gesellschaft, vertreten durch die Gesellschafter, und der Notgeschäftsführer über die Höhe der Vergütung nicht einigen, so kann der Notgeschäftsführer seinen Anspruch nur im Zivilprozess geltend machen.

4. Beendigung, Abberufung 68

Das Amt des gerichtlich bestellten Geschäftsführers endet mit der Bestellung eines Geschäftsführers durch das zuständige Organ, insbesondere also bei Bestellung durch die Gesellschafter. Einer Abberufung bedarf es in diesem Fall nicht3.

69

Ist noch kein Geschäftsführer bestellt, so kann ein Notgeschäftsführer bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden. Nur Wegfall der Erforderlichkeit oder lange Zeitdauer genügen nicht4. Für die Abberufung ist nur das Registergericht zuständig5. Die Gesellschafter sind zur Abberufung des Notgeschäftsführers nicht befugt, auch nicht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes6. Es kann lediglich die Abberufung aus wichtigem Grund beim Registergericht beantragt werden7.

70

Gegen die Abberufung besteht die Möglichkeit der einfachen Beschwerde8.

1 Dafür: LG Hamburg, MDR 1971, 298; Lutter/Hommelhoff, Vor § 35 Rdnr. 24; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 36; Karsten Schmidt in diesem Kommentar (für Liquidator), § 66 Rdnr. 50: Gericht kann Vergütung analog § 265 Abs. 4 AktG festsetzen. Ablehnend: BayObLG, BB 1975, 1037; BayObLG, DB 1988, 1945; Uwe H. Schneider, EWiR 1988, 999; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37. Differenzierend: Heyder, in: Michalski, Rdnr. 77: Nur bei einer nach MitbestG 1976 mitbestimmten GmbH legt das Registergericht gem. § 85 Abs. 3 AktG die Vergütung fest. Offen gelassen: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rdnr. 7, Fn. 11. 2 BayObLG, DB 1988, 1945; Uwe H. Schneider, EWiR 1988, 999. 3 Mertens, in: Hachenburg, § 35 Rdnr. 38; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 23; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 78; a.A. H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 687. Eingehend zum Stand der Diskussion: Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, 2006, S. 279 ff. 4 OLG Düsseldorf, ZIP 1997, 846; H. P. Westermann, in: FS Kropff, 1997, S. 689. 5 KG, NJW 1967, 933; BayObLG, GmbHR 1978, 306; OLG München, GmbHR 1994, 259; OLG Düsseldorf, ZIP 1997, 846. 6 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 23. 7 OLG München, GmbHR 1994, 259; OLG Düsseldorf, ZIP 1997, 846; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21. 8 BayObLG, ZIP 1999, 1845; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36.

494

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

Der Notgeschäftsführer kann – wie jeder Geschäftsführer – jederzeit ohne wichtigen Grund sein Amt niederlegen1.

IX. Wegfall oder Verhinderung im Prozess Ist in einem Prozess bereits ein Prozessbevollmächtigter bestellt, so steht der Wegfall oder die Verhinderung eines Geschäftsführers dem Fortgang des Rechtsstreits nicht entgegen, § 246 Abs. 1 ZPO2. Der Prozessbevollmächtigte der GmbH, nicht jedoch der Prozessgegner, kann aber beantragen, dass das Verfahren ausgesetzt wird, §§ 246 Abs. 1, 248 ff. ZPO.

71

Ist noch kein Prozessbevollmächtigter bestellt, so wird der Rechtsstreit nach § 241 Abs. 1 ZPO kraft Gesetzes unterbrochen, wenn der Geschäftsführer wegfällt oder dauerhaft verhindert ist. Fällt der Geschäftsführer während des Rechtsstreits weg und bewirkt dies eine Verfahrensaussetzung oder eine Verfahrensunterbrechung, so kann nach h.A. in entsprechender Anwendung von § 57 Abs. 1 ZPO ein Prozesspfleger bestellt werden3. Die Bestellung eines Prozesspflegers hindert aber nicht die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers4. Umgekehrt ist die Bestellung eines Prozesspflegers auch nicht davon abhängig, dass zugleich ein Notgeschäftsführer bestellt wird und sich die Bestellung des Notgeschäftsführers durch das zuständige Gericht verzögert5; denn der Prozesspfleger vertritt die Gesellschaft lediglich im Prozess. Er hat darüber hinaus keine organschaftlichen Befugnisse.

72

X. Der faktische Geschäftsführer Wer, ohne als Geschäftsführer bestellt zu sein, die Geschicke einer Gesellschaft durch eigenes Handeln, nicht nur durch interne Einwirkung auf die Gesellschaft, sondern durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand nimmt, wird als „faktischer Geschäftsführer“ bezeichnet6. Maßgeblich sind somit zwei Merkmale, nämlich eigenes Handeln im Außenverhältnis und nachhaltige Einwirkung im Innenverhältnis. Wer nur intern auf die Geschäftsführung Einfluss nimmt, ist daher nicht faktischer Geschäftsführer; denn seine Weisungsabhängigkeit von der Gesellschafterversammlung ist ein typisches Merkmal der GmbH. Liegt aber zugleich ein eigenes Handeln im Außenverhältnis vor, so ist das Gesamterscheinungsbild maßgebend unter Berücksichtigung insbesondere 1 Ebenso Hohlfeld, GmbHR 2002, 162. 2 OLG Hamburg, FamRZ 1983, 1262; Happ, Die GmbH im Prozess, 1997, S. 36. 3 LAG Niedersachsen, MDR 1985, 170; Bork, MDR 1991, 97, 99; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, 63. Aufl., § 57 ZPO Rdnr. 3. 4 Ulmer, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39. 5 Str.; zum Streitstand: Happ, Die GmbH im Prozess, S. 38. 6 BGH, ZIP 2005, 1414, 1415 = BB 2005, 1869 mit Anm. Gehrlein sowie schon BGHZ 104, 44, 48; BGHZ 150, 61, 69 = EWiR 1988, 905 (Karsten Schmidt); BGH, NZI 2002, 395; Himmelsbach/Achsnick, NZI 2003, 355; zum Ganzen auch: Dinkhoff, Der faktische Geschäftsführer in der GmbH, 2003.

Uwe H. Schneider

|

495

73

§6

Geschäftsführer

seines Einflusses auf die Unternehmenspolitik, die Unternehmensorganisation und wesentliche Maßnahmen der Geschäftsführung, die Entscheidung in Steuerangelegenheiten sowie die Einstellung von Mitarbeitern. Im Einzelnen weichen die Definitionen freilich voneinander ab. So wird teilweise etwa danach unterschieden, ob ein fehlerhafter Anstellungsvertrag1 oder ein tatsächlicher, wenn auch rechtsunwirksamer Bestellungsakt vorliegt2 oder ob de facto ohne Bestellungsakt Zuständigkeiten wahrgenommen werden3. 74

Dabei handelt es sich aber nicht um ein gesetzlich anerkanntes oder von der Rechtsprechung und von der Lehre voll ausgebildetes Rechtsinstitut. Vielmehr geht es nur um ein Zurechnungsproblem, und insbesondere um die Frage, ob bestimmte Befugnisse dem Betreffenden zustehen und ob Rechte und vor allem Pflichten, die den Geschäftsführer treffen, auf den faktischen Geschäftsführer auszudehnen sind. Es handelt sich daher um ein Normanwendungsproblem, so dass jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob sich die Rechtsfolgen übertragen lassen.

75

Im Blick hierauf wird auf die Einzelkommentierungen verwiesen, s. etwa zur Haftung des faktischen Geschäftsführers4 bei § 43, zur Einberufung der Gesellschafterversammlung durch den faktischen Geschäftsführer bei § 49, zur Insolvenzanmeldepflicht und zum Antragsrecht des faktischen Geschäftsführers bei § 645, zur strafrechtlichen Verantwortung des faktischen Geschäftsführers bei §§ 82 ff.6, zum faktischen Geschäftsführer im Recht der Unfallverhütung7 und zum herrschenden Unternehmen im Konzern als faktischer Geschäftsführer im Anhang Konzernrecht.

XI. Die Stellung des Geschäftsführers außerhalb des GmbH-Gesetzes 76

Der Geschäftsführer übt als Organ der Gesellschaft deren Arbeitgeberfunktion aus8. Auch mitbestimmungs- und betriebsverfassungsrechtlich steht der Geschäftsführer auf der Arbeitgeberseite. Er wird durch seine Stellung als Organ 1 BGHZ 41, 282, 287; BGHZ 47, 341, 343; BGH, ZIP 2005, 1414; Gerlach, AG 1965, 251, 257. 2 Reich, DB 1967, 1663, 1666; Jarzembowski, Fehlerhafte Organakte nach deutschem und amerikanischem Aktienrecht unter besonderer Berücksichtigung des Instituts des de facto officer, 1982, S. 104; Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 93 Rdnr. 12; Mertens, in: Hachenburg, § 35 Rdnr. 41; zum Ganzen s. Gehriger, Faktische Organe im Gesellschaftsrecht unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Folgen, Diss. Zürich 1978; Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 33 ff.; Stein, ZHR 148 (1984), 207. 3 BayObLG, GmbHR 1997, 453; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rdnr. 8; zum Ganzen auch Weimar, GmbHR 1997, 473, 538. 4 BGH, ZIP 2005, 1414; BGH, GmbHR 1994, 318; OLG Brandenburg, NZG 2001, 807; Geißler, GmbHR 2003, 1106; Drygala, ZIP 2005, 423, 429; Siegmann/Vogel, ZIP 1994, 1821 sowie bei § 43. 5 S. dazu etwa BGH, GmbHR 1988, 299; BayObLG, GmbHR 1997, 453. 6 S. dazu BGH, BB 1983, 788; OLG Düsseldorf, GmbHR 1988, 191 = NStZ 1988, 369 mit Anm. Hoyer; Kratzsch, ZGR 1985, 506. 7 Robrecht, GmbHR 2003, 762. 8 BGHZ 10, 187; BGHZ 12, 1, 8; BGHZ 36, 142; BGHZ 49, 30; Peltzer, BB 1976, 1252; Henze, Handbuch zum GmbH-Recht, 2. Aufl. 1997, Rdnr. 1239 f.

496

|

Uwe H. Schneider

§6

Geschäftsführer

einer GmbH aber nicht Kaufmann, da er nicht im eigenen Namen gewerbsmäßig Handelsgeschäfte betreibt (§ 1 HGB)1. Er kann zum Handelsrichter (§ 109 Abs. 1 GVG), zum Arbeitsrichter (§§ 22, 37, 43 ArbGG) und zum Sozialrichter (§§ 16, 47 SGG) – in den letzten beiden Fällen jeweils auf Arbeitgeberseite – ernannt werden. Er ist auch wählbar für die Vollversammlung der Industrieund Handelskammer2. Handelt der Geschäftsführer im eigenen Namen, so kann er „Verbraucher“ sein. Er fällt damit in den Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts, wenn er als Gesellschafter-Geschäftsführer den Schuldbeitritt zu einem von der Gesellschaft geschlossenen Darlehensvertrag erklärt3.

XII. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) 1. Weitergehende Ausschlussgründe Der RefE eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 29. 5. 2006 sieht eine Änderung des § 6 Abs. 2 vor. Die in § 6 Satz 3 enthaltenen Ausschlusstatbestände werden erweitert. § 6 Abs. 2 Satz 2 soll neu gefasst, § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 sollen aufgehoben werden.

77

Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 soll zunächst bestimmt werden, dass Geschäftsführer nicht sein kann, „wer als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt“. Das entspricht geltendem Recht. Nach Nr. 2 soll Geschäftsführer nicht sein können, „wer aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt“. Das entspricht § 6 Abs. 2 Satz 4 des geltenden Rechts.

78

Neu ist § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3. Hiernach soll nicht Geschäftsführer sein können, „wer wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat nach § 82 oder § 84 GmbHG, den §§ 399 bis 401 des Aktiengesetzes oder den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs verurteilt worden ist; dieser Ausschluss gilt für die Dauer von 5 Jahren seit der Rechtskraft des Urteils, wobei die Zeit nicht eingerechnet wird, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist“. Damit sollen durch die Ausschlussgründe auch die aktienrechtlichen Straftatbestände der falschen Angaben gem. § 399 AktG, der unrichtigen Darstellung § 400 AktG und der vorsätzlichen Pflichtverletzung bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gem. § 401 Abs. 1 AktG erfasst werden. Ferner werden in die Ausschlusstatbestände auch Verurteilungen, die den entsprechenden Tatbeständen des GmbHG entsprechen, einbezogen.

79

1 OLG Düsseldorf, BB 1994, 2101, 2102; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 17. 2 Vgl. Wahlordnung der jeweiligen Industrie- und Handelskammer. 3 BGHZ 133, 71, 74; BGHZ 144, 370, 380; BGH, NJW 1997, 1443, 1444; BGH, NJW 2002, 135.

Uwe H. Schneider

|

497

§6

Geschäftsführer

Für eine Geschäftsführertätigkeit ist somit nicht geeignet, wer als Gesellschafter oder Geschäftsführer im Zusammenhang mit der Gründung einer Gesellschaft, der Erhöhung oder Herabsetzung des Stammkapitals oder in öffentlichen Mitteilungen vorsätzlich falsche Angaben macht oder wer vorsätzlich seine Pflichten bei Verlust, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verletzt. Somit führen nur vorsätzlich begangene Straftaten zur Amtsunfähigkeit. Fahrlässige Insolvenzstraftaten sind nicht aufgenommen worden; denn es ist zweifelhaft, ob solche Ausschlussgründe noch verhältnismäßig sind. 80

Auffällig ist ferner, dass die Verurteilung wegen Betrug, Untreue oder das Vorenthalten oder das Veruntreuen von Arbeitsentgelt nicht als Ausschlussgründe aufgenommen wurden. Zur Begründung wird ausgeführt, diese Straftatbestände stünden „in keinem notwendigen inneren Zusammenhang zur Geschäftsleitungstätigkeit“. Das überzeugt nicht. Zutreffend ist zwar, dass diese Straftatbestände nicht notwendig im Zusammenhang zur Geschäftsleitungstätigkeit stehen. Eine Verurteilung ist jedoch Ausdruck der wirtschaftlichen Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers.

81

Die Ausschlussgründe führen nicht zu einer lebenslangen Sperre, sondern nur auf die Dauer von fünf Jahren zum Ausschluss als Geschäftsführer. Unbefriedigend ist, dass kriminelle Gesellschafter die Zwischenzeit mit einem „Strohmann“ überbrücken können; denn für Gesellschafter gibt es keine Ausschlussgründe. Deshalb sollte man von dem Ausschluss als Geschäftsführer nicht zu viel erwarten.

2. Haftung der Gesellschafter einer geschäftsführerlosen GmbH? 82

Die Erfahrung zeigt, dass kriminelle Gesellschafter oder Gesellschafter, die selbst nicht zum Geschäftsführer bestellt werden können, weil ein Ausschlussgrund vorliegt, unter anderem dadurch ihre Machenschaften fördern oder verdecken, dass sie entweder keinen Geschäftsführer oder eine amtsunfähige oder eine unbescholtene Person zum Geschäftsführer bestellen.

83

Der Entwurf des Forderungssicherungsgesetzes (FoSiG) sah daher eine Schadensersatzhaftung der Gesellschafter vor, die keinen Geschäftsführer bestellen oder eine amtsunfähige Person die Geschäfte führen lassen1. Eine solche Binnenhaftung wäre entgegen der Begründung des RegE zweifellos effektiv2. Sie widerspräche aber dem Grundsatz, „dass der Alleingesellschafter oder die einverständlich handelnden Gesellschafter für einen Schaden nicht verantwortlich sind, den sie selbst oder die mit ihrem Einverständnis handelnden Geschäftsführer ihrer eigenen Gesellschaft zufügen“. Auch eine Haftung der Gesellschafter als „faktische Geschäftsführer“ wäre wenig überzeugend, weil als faktischer Geschäftsführer nur angesehen wird, wer die Geschäftsführung breitflächig und nachhaltig bestimmt. Der RefE verpflichtet nunmehr nur jeden Gesellschafter zur Stellung des Insolvenzantrags nach § 64 Abs. 1, wenn die Gesellschaft keinen Geschäftsführer 1 Für eine Haftung der Gesellschafter schon: Hirte, ZInsO 2003, 833, 838; s. auch Drygala, ZIP 2005, 423, 430; Haas, GmbHR 2006, 729, 732 f. 2 Anders wohl Haas, GmbHR 2006, 733.

498

|

Uwe H. Schneider

§7

Anmeldung

hat. Nicht vorgesehen ist im Fall der Führungslosigkeit die Haftung der Gesellschafter in den Fällen des § 11 Abs. 2, § 40, § 41, § 43 Abs. 31. Darüber hinaus bleibt nur eine Haftung der Gesellschafter nach § 826 BGB oder bei existenzvernichtendem Eingriff. Dies gilt auch bei den Strohmannkonstruktionen2.

§7

Anmeldung (1) Die Gesellschaft ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn auf jede Stammeinlage, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, ein Viertel eingezahlt ist. Insgesamt muss auf das Stammkapital mindestens soviel eingezahlt sein, dass der Gesamtbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich des Gesamtbetrags der Stammeinlagen, für die Sacheinlagen zu leisten sind, die Hälfte des Mindeststammkapitals gemäß § 5 Abs. 1 erreicht. Wird die Gesellschaft nur durch eine Person errichtet, so darf die Anmeldung erst erfolgen, wenn mindestens die nach den Sätzen 1 und 2 vorgeschriebenen Einzahlungen geleistet sind und der Gesellschafter für den übrigen Teil der Geldeinlage eine Sicherung bestellt hat. (3) Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister so an die Gesellschaft zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen. Text des Abs. 1 geändert 1898. Abs. 2 geändert und Abs. 3 hinzugefügt durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836). Abs. 2 geändert durch Gesetz vom 9. 6. 1998 (BGBl. I, 1242).

Inhaltsübersicht I. Allgemeines . . . . . . . . . .

1

II. Die Anmeldung 1. Anmeldeerfordernis . . . . . . 2. Zuständiges Gericht . . . . . .

5 8

3. Anmeldebefugnis . . . . . . . 4. Rechtsnatur, Form und Inhalt .

10 12

5. Mängel der Anmeldung . . . . 6. Verantwortlichkeit . . . . . . .

15 17

III. Einlageleistungen vor der Anmeldung 1. Mindesteinlageleistungen . . .

18

a) Ein Viertel auf jede Geldeinlage . . . . . . . . . . . . . b) Vollleistung der Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . c) Gesamtbetrag . . . . . . . . d) Zuwiderhandlungen gegen § 7 Abs. 2 . . . . . . . . . . e) Übergangsrecht . . . . . . . 2. Einzahlungen a) Voraussetzungen . . . . b) Zahlung . . . . . . . . . c) Freie Verfügung . . . . . d) Mindesteinzahlung und Gründungsaufwand . . .

. 19 . 21 . 22 . 24 . 25

. . . 26 . . . 28 . . . 33 . . . 38

1 Dafür Haas, GmbHR 2006, 734. 2 Vgl. dazu Wassner, ZGR 1973, 427.

H. Winter/Veil

|

499

§7

Anmeldung

hat. Nicht vorgesehen ist im Fall der Führungslosigkeit die Haftung der Gesellschafter in den Fällen des § 11 Abs. 2, § 40, § 41, § 43 Abs. 31. Darüber hinaus bleibt nur eine Haftung der Gesellschafter nach § 826 BGB oder bei existenzvernichtendem Eingriff. Dies gilt auch bei den Strohmannkonstruktionen2.

§7

Anmeldung (1) Die Gesellschaft ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Die Anmeldung darf erst erfolgen, wenn auf jede Stammeinlage, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, ein Viertel eingezahlt ist. Insgesamt muss auf das Stammkapital mindestens soviel eingezahlt sein, dass der Gesamtbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich des Gesamtbetrags der Stammeinlagen, für die Sacheinlagen zu leisten sind, die Hälfte des Mindeststammkapitals gemäß § 5 Abs. 1 erreicht. Wird die Gesellschaft nur durch eine Person errichtet, so darf die Anmeldung erst erfolgen, wenn mindestens die nach den Sätzen 1 und 2 vorgeschriebenen Einzahlungen geleistet sind und der Gesellschafter für den übrigen Teil der Geldeinlage eine Sicherung bestellt hat. (3) Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister so an die Gesellschaft zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen. Text des Abs. 1 geändert 1898. Abs. 2 geändert und Abs. 3 hinzugefügt durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836). Abs. 2 geändert durch Gesetz vom 9. 6. 1998 (BGBl. I, 1242).

Inhaltsübersicht I. Allgemeines . . . . . . . . . .

1

II. Die Anmeldung 1. Anmeldeerfordernis . . . . . . 2. Zuständiges Gericht . . . . . .

5 8

3. Anmeldebefugnis . . . . . . . 4. Rechtsnatur, Form und Inhalt .

10 12

5. Mängel der Anmeldung . . . . 6. Verantwortlichkeit . . . . . . .

15 17

III. Einlageleistungen vor der Anmeldung 1. Mindesteinlageleistungen . . .

18

a) Ein Viertel auf jede Geldeinlage . . . . . . . . . . . . . b) Vollleistung der Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . c) Gesamtbetrag . . . . . . . . d) Zuwiderhandlungen gegen § 7 Abs. 2 . . . . . . . . . . e) Übergangsrecht . . . . . . . 2. Einzahlungen a) Voraussetzungen . . . . b) Zahlung . . . . . . . . . c) Freie Verfügung . . . . . d) Mindesteinzahlung und Gründungsaufwand . . .

. 19 . 21 . 22 . 24 . 25

. . . 26 . . . 28 . . . 33 . . . 38

1 Dafür Haas, GmbHR 2006, 734. 2 Vgl. dazu Wassner, ZGR 1973, 427.

H. Winter/Veil

|

499

§7

Anmeldung

3. Leistung der Sacheinlagen a) Bewirken . . . . . . . . . . . 39 b) Freie Verfügung . . . . . . . . 42 4. Mehrleistungen . . . . . . . . . 43 IV. Einmanngründung 1. Leistung vor Anmeldung . . . . 46 2. Bestellung einer Sicherung . . . 47

a) b) c) d) e)

Übriger Teil der Geldeinlage Sicherung . . . . . . . . . . . Bestellung . . . . . . . . . . Rückforderung . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . .

48 49 51 52 54

V. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) . . . . . . . . . . . .

55

Schrifttum: v. Rössing, Die Sachgründung nach der GmbH-Novelle 1980, 1984; s. ferner die Nachw. vor Rdnr. 33, 43, 46.

I. Allgemeines 1

Die Vorschrift bestimmt, dass die Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Ferner legt sie die Bedingungen für die Anmeldung fest. Die inhaltlichen Anforderungen an eine Anmeldung sind in § 8 getroffen. Von Bedeutung sind ferner die in § 78 niedergelegten Regeln über die anmeldeberechtigten Personen und die in § 79 normierte Vorschrift, dass Zwangsgeld nicht festgesetzt werden kann. Soweit das GmbHG keine abweichenden Bestimmungen trifft, gelten für das Eintragungsverfahren im Übrigen die allgemeinen Vorschriften über das Handelsregister (§§ 8 ff. HGB, §§ 125 ff. FGG, Handelsregisterverfügung v. 12. 8. 1937, DJ 1751). Zur analogen Anwendung des § 7 bei Aktivierung einer Vorratsgesellschaft und einer Mantelgesellschaft s. Erl. zu § 3 Rdnr. 26 ff., 37 ff.

2

Aus § 7 Abs. 2 und 3 folgt, dass die Gesellschafter vor der Anmeldung bestimmte Mindestleistungen erbringen müssen. Das Gesetz will dadurch sicherstellen, dass die Gesellschaft nicht ohne ein reales eigenes Gesellschaftsvermögen ins Leben tritt. Auch soll eine gewisse Garantie für die Ernstlichkeit der Beteiligungen der Gesellschafter geschaffen werden (Entw. I 54). Die in § 7 Abs. 3 vorgesehene Anordnung zur Volleistung der Sacheinlagen soll darüber hinaus einen Ausgleich für die fehlende Gründungsprüfung bilden sowie deren Leistung und Kontrolle sichern1.

3

Die Vorschrift stand bereits bei der GmbH-Novelle von 1980 im Blickpunkt der rechtspolitischen Debatte. Seinerzeit hatte der Gesetzgeber das Anliegen verfolgt, einen effektiveren Gläubigerschutz zu verwirklichen. Dazu wurden die Anforderungen an eine Anmeldung der Gesellschaft verschärft. Es müssen seitdem vor der Anmeldung auf jede Geldeinlage mindestens ein Viertel eingezahlt (§ 7 Abs. 2 Satz 1) und insgesamt einschließlich der vollständig zu leistenden Sacheinlagen (§ 7 Abs. 3) mindestens die Hälfte des gesetzlichen Mindeststammkapitals geleistet sein (§ 7 Abs. 2 Satz 2). Eine Erweiterung gegenüber dem früheren Recht trat auch für die Erbringung der Sacheinlagen insofern ein, als die Sachübernahmen mit Anrechnungsabrede einbezogen wurden (Rdnr. 21, 41). Der frühere Betrag der Gesamtmindesteinlageleistungen (25 000 DM) ist

1 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 32 f.

500

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

durch das EuroEG vom 9. 6. 1998 (BGBl. I, 1242) ohne nennenswerte wertmäßige Änderung durch die zitierte Relativgröße ersetzt worden (Art. 3 § 3 Nr. 2). Die aktuelle Diskussion über eine Reform des GmbHG hat sich wieder den gläubigerschützenden Vorschriften des GmbHG angenommen. Allerdings ist der Blickwinkel nun ein anderer. Die unterbreiteten Vorschläge sind vom Gedanken geprägt, die GmbH zu modernisieren, damit sie im Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen bestehen kann. Ferner sollen Missbräuche bekämpft werden. Konsequenz dieses Regelungsansatzes ist u.a. die Herabsetzung des Mindeststammkapitals auf den Betrag von 10 000 Euro (§ 5 Abs. 1 i.d.F. des RefE des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen, MoMiG). Außerdem soll die in § 7 Abs. 2 Satz 3 vorzufindende, durch die GmbH-Novelle von 1980 eingeführte Regelung, dass bei einer Einmanngründung vor der Anmeldung für den ausstehenden Betrag der Geldeinlagepflicht eine Sicherung bestellt werden muss, ersatzlos aufgehoben werden. Sie soll die fehlende Ausfallhaftung der Mitgesellschafter (§ 24) ausgleichen1. Die in der Praxis gemachten Erfahrungen belegen indes, dass das Erfordernis der Bestellung von Sicherungen zu unnötigen Komplizierungen der GmbH-Gründung führt. Es kann gestrichen werden, da die europarechtlichen Harmonisierungsvorgaben einen solch weitgehenden Gläubigerschutz nicht verlangen.

4

II. Die Anmeldung 1. Anmeldeerfordernis Die Anmeldung ist die Voraussetzung für die Eintragung der GmbH in das Handelsregister und damit für ihr rechtswirksames Entstehen (§ 11 Abs. 1). Eine Pflicht zur Anmeldung begründet § 7 Abs. 1 trotz seines missverständlichen Wortlauts nach übereinstimmender Auffassung nicht2. Es ist vielmehr den Gründungsgesellschaftern überlassen, ob sie die GmbH zur Entstehung bringen wollen oder nicht. Aus diesem Grund ist gem. § 79 Abs. 2 auch die Festsetzung eines Zwangsgeldes (vgl. § 14 HGB) ausgeschlossen. Die Verzögerung der Anmeldung hat aber Rechtsnachteile in Form der Fortdauer der Handelndenhaftung der Geschäftsführer (§ 11 Abs. 2) und unter Umständen der Verlustdeckungspflicht (im Falle des Scheiterns der Eintragung) bzw. Vorbelastungshaftung der Gesellschafter (bei Eintragung der Gesellschaft).

5

Die Geschäftsführer sind allerdings gegenüber der Gesellschaft auf Grund ihrer durch das Einverständnis mit der Bestellung begründeten Organstellung verpflichtet, sie unverzüglich anzumelden, wenn keine Eintragungshindernisse gegeben sind und die Gründungsgesellschafter keine abweichende Weisung erteilen3. Sie haften bei einer schuldhaften Verzögerung auf Schadensersatz (§ 43)

6

1 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 32. Vgl. dazu BayObLG, BB 1986, 760 u. U. John, Die Gründung der Einmann-GmbH, 1986, S. 14, 28 m.w.N. 2 Ulmer, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5. 3 Ulmer, Rdnr. 6; Feine, S. 145; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6;

H. Winter/Veil

|

501

§7

Anmeldung

und können – u.U. auch bei Einschränkung der Abberufbarkeit wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes – abberufen werden. Der Anspruch auf Vornahme der Anmeldung ist darüber hinaus im Klagewege durchsetzbar1. Die Schutzfunktion der Anmeldevorschriften wird dadurch nicht beeinträchtigt, da die Begründetheit der Klage vom Vorliegen der Anmeldevoraussetzungen (§ 7 Abs. 2 und 3) abhängt und die Geschäftsführer nicht gehindert sind, die ihnen obliegenden Versicherungen (§ 8 Abs. 2 und 3) wahrheitsgemäß abzugeben. Die Vollstreckung des Urteils erfolgt nicht nach § 894 ZPO i.V.m. § 16 HGB, sondern nach § 888 ZPO2. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Anmeldung nach § 7 Abs. 1 als eine von den Geschäftsführern persönlich vorzunehmende, also unvertretbare Handlung zu qualifizieren ist (s. Rdnr. 10). 7

Auch die Gründungsgesellschafter sind untereinander verpflichtet, die ihrerseits als Voraussetzung für die Anmeldung notwendigen Handlungen vorzunehmen und erforderlichenfalls an Maßnahmen gegen die Geschäftsführer zur Erzwingung der unbegründet verzögerten oder verweigerten Anmeldung mitzuwirken3. Im Einzelfall kann ein Gesellschafter aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Treuepflicht auch gehalten sein, sich mit der Beseitigung von Mängeln des Gesellschaftsvertrages einverstanden zu erklären4.

2. Zuständiges Gericht 8

Für die Anmeldung ist das Amtsgericht (§ 8 HGB, § 125 Abs. 1 FGG), in dessen Bezirk die GmbH ihren Sitz hat (§ 7 Abs. 1), zuständig. Maßgebend ist der im Gesellschaftsvertrag (§ 3 Abs. 1 Nr. 1) rechtswirksam bestimmte Gesellschaftssitz. Ein Doppelsitz an verschiedenen Orten kann nicht mehr vereinbart werden (s. § 4a Rdnr. 16 f.). Auch eine Zweigniederlassung ist nur beim Registergericht des Gesellschaftssitzes anzumelden; eine Ausnahme gilt für Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften (§§ 13 ff. HGB).

9

Die örtliche Zuständigkeit regelt § 7 Abs. 1 zwingend. Die Eintragung durch ein unzuständiges Registergericht ist aber ohne Einfluss auf ihre Wirksamkeit (§ 7 FGG). Ebensowenig ist eine Amtslöschung nach § 142 FGG zulässig (Rdnr. 15)5.

1

2

3 4 5

Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 2; s. auch OLG Hamm, GmbHR 1984, 343. Ulmer, Rdnr. 9; Hüffer, in: Großkomm. HGB, § 16 Rdnr. 16; Ammon, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, § 16 Rdnr. 11; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 2. Ulmer, Rdnr. 9; Hüffer, in: Großkomm. HGB, § 16 Rdnr. 16; Ammon, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, § 16 Rdnr. 11; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1. Ulmer, Rdnr. 7; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 2. Restriktiver noch die 9. Aufl.; wie hier bereits Ulmer, Rdnr. 7. Eb. Ulmer, Rdnr. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; a.M. Jansen, FGG, § 125 Rdnr. 8 u. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 125 Rdnr. 12.

502

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

3. Anmeldebefugnis Die Anmeldung hat namens der Gesellschaft durch die Geschäftsführer zu erfolgen1. Es müssen sämtliche Geschäftsführer mitwirken, auch die Stellvertreter2, auch bei statutarischer Einzelvertretungsbefugnis3, jedoch nicht notwendig gleichzeitig (§ 78)4. Die Unwirksamkeit der Bestellung zum Geschäftsführer, z.B. wegen fehlender Eignung gem. § 6 Abs. 2, schließt die Anmeldebefugnis aus. Notwendig ist darüber hinaus, dass die Geschäftsführer persönlich anmelden5. Die Zulassung der gewillkürten Vertretung, für die sich eine abweichende Ansicht unter Berufung auf die allgemeine Vorschrift des § 12 Abs. 2 HGB ausspricht6, ist mit dem Sinn der Spezialregelung des § 78 unvereinbar. Daraus, dass „sämtliche“ Geschäftsführer anzumelden haben, auch bei sonstiger Einzelvertretung (§ 78), folgt, dass für die Anmeldung, die zur Entstehung der GmbH führen soll, besondere Sicherheiten verlangt werden. Aus der Zwischenschaltung eines Bevollmächtigten resultiert aber ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor. Außerdem zeigen die Regelungen über die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Richtigkeit der zum Zwecke der Eintragung gemachten Angaben (§§ 9a Abs. 1, 82 Abs. 1 Nr. 1 u. 4), dass das Gesetz der persönlichen Mitwirkung der Geschäftsführer bei der Abgabe der zur Anmeldung erforderlichen Erklärungen eine entscheidende Bedeutung beimisst, um die Ordnungsmäßigkeit der Gründung zu gewährleisten. Die Sicherungen wären weitgehend entwertet, wenn die Geschäftsführer sich ihnen durch die Einschaltung von Bevollmächtigten ganz oder teilweise entziehen könnten.

10

Ist die Anmeldung (einschließlich der Versicherungen nach § 8 Abs. 2 und 3) in öffentlich beurkundeter oder beglaubigter Form ausgestellt, so kann sie dem Registergericht „eingereicht“ werden (§ 12 Abs. 1 HGB). Dies kann auch durch die Post geschehen, die dabei die Stellung eines Boten hat. Es kann daher auch ein Dritter die Anmeldung ohne nachzuweisende Vollmacht einreichen. Der Notar, der die Anmeldeerklärung der Geschäftsführer beurkundet oder beglaubigt hat, ist nach § 129 FGG ermächtigt, sie beim Gericht einzureichen7. Hat er

11

1 2 3 4

BGHZ 105, 324, 327; BGHZ 117, 323, 325 ff. RG, LZ 1914, 398. KG, OLG 41, 208. Vgl. BayObLG, WM 1984, 638; Ulmer, Rdnr. 10, 16; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Heinrichs, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 4. 5 BayObLG, NJW 1987, 136; BayObLG, DB 1987, 215, 216; Ulmer, Rdnr. 11 f.; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1, Meyer-Landrut, Rdnr. 5; Gustavus, GmbHR 1978, 219, 225; Ulbert, Handelsregisterverfahren, S. 24; einschr. Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 4 (bez. Ergänzungen); dahingestellt in BGHZ 116, 190, 199. 6 KG, JW 1932, 2626; OLG Köln, BB 1986, 2088; Feine, S. 145; Vogel, Anm. 1; im Grundsatz auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5. 7 BayObLG, DB 1978, 880; Ulmer, Rdnr. 14; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8.

H. Winter/Veil

|

503

§7

Anmeldung

nur den Gesellschaftsvertrag beurkundet, so ist er nicht befugt, die Anmeldung als solche zu beantragen; § 129 FGG findet keine Anwendung1.

4. Rechtsnatur, Form und Inhalt 12

Die Anmeldung ist ein verfahrensrechtlicher Antrag an das zuständige Registergericht (Rdnr. 8) auf Eintragung der Gesellschaft2. Die Vorschriften des BGB über Rechtsgeschäfte sind daher nicht unmittelbar anwendbar, sondern können nur, soweit die Rechtsnatur der Anmeldung als Verfahrenshandlung nicht entgegensteht, analog herangezogen werden. So erfordert die Anmeldung entsprechend §§ 104 ff. BGB die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit, die im Übrigen ohnehin Voraussetzung für die rechtswirksame Bestellung der Geschäftsführer ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1). Die Wirksamkeit der Anmeldung wird nicht davon beeinflusst, dass ein Geschäftsführer nach ihrer Abgabe seine Geschäftsfähigkeit verliert, verstirbt oder aus einem anderen Grund aus dem Amt ausscheidet (§ 130 Abs. 2 BGB analog)3. Die Anmeldung kann ferner nicht durch Bedingungen oder Befristungen eingeschränkt und auch nicht wegen Willensmängeln angefochten werden4. Bis zur Eintragung ist aber jederzeit formlos der Widerruf der Anmeldung zulässig5. Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden und widerruft nur einer von ihnen, so wird gleichwohl wegen der Notwendigkeit seiner Mitwirkung (Rdnr. 10) die Anmeldung wirkungslos6. Auch eine Berichtigung der Anmeldung ist bis zur Eintragung möglich7, muss aber in der vorgeschriebenen Form (Rdnr. 13) durch sämtliche Geschäftsführer erfolgen.

13

Die Anmeldung bedarf der öffentlich beglaubigten Form (§ 12 Abs. 1 HGB, § 129 BGB). Zulässig ist auch die notarielle Beurkundung (§ 129 Abs. 2 BGB) oder die Protokollierung der Erklärung bei einem gerichtlichen Vergleich (§ 127a BGB).

14

Der Gegenstand der Anmeldung ist nach § 7 Abs. 1 nur „die Gesellschaft“. Die weiteren Anforderungen an ihren Inhalt und an beizufügende Unterlagen ergeben sich aus § 8. Es handelt sich dabei im Verhältnis zu § 29 HGB um Spezial1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Ulbert, Handelsregisterverfahren, S. 25; Ulmer, Rdnr. 14; abw. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 129 Rdnr. 2. 2 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 3; Ulbert, Handelsregisterverfahren, S. 17; Bokelmann, in: MünchKomm. HGB, § 12 Rdnr. 5. Nach Ulmer, Rdnr. 19 ist sie „organschaftlicher Akt“ (eb. BayObLG, DB 1985, 1223, 1224; Hüffer, in: Großkomm. HGB, § 8 Rdnr. 43; Ammon, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, § 8 Rdnr. 29, die aber zusätzlich die Eigenschaft als Verfahrenshandlung betonen). 3 OLG Dresden, OLG 4, 22; Ulmer, Rdnr. 10; Hüffer, in: Großkomm. HGB, § 8 Rdnr. 44; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 3. 4 BayObLG, GmbHR 1992, 672, 674. 5 KG, OLG 43, 205. 6 Ulmer, Rdnr. 21; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 3; abw. Ulbert, Handelsregisterverfahren, S. 26. 7 Ulmer, Rdnr. 22; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 3.

504

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

vorschriften1. Eine besondere Anmeldung der „Firma“ oder des „Ortes der Handelsniederlassung“, wie sie § 29 HGB verlangt, erübrigt sich daher.

5. Mängel der Anmeldung Soweit sie nicht behebbar sind oder auf die Beanstandung des Registerrichters nicht behoben werden, verpflichten Mängel zur Ablehnung der Eintragung (s. § 9c Rdnr. 39). Erfolgt sie dennoch, so werden dadurch die Mängel des Anmeldeverfahrens grundsätzlich geheilt2, insbesondere die örtliche Unzuständigkeit des Registergerichts (Rdnr. 8 f.), Inhalts- und Formmängel der Anmeldung (Rdnr. 12 ff.), die fehlende Befugnis zur Einreichung der Anmeldung (Rdnr. 10 f.), die Unvollständigkeit der einzureichenden Unterlagen (s. § 8 Rdnr. 29) u.a. Keinesfalls kann, wie das teilsweise für bestimmte Verfahrensverstöße (Unzuständigkeit des Registergerichts) angenommen wird, die eingetragene GmbH als nicht existent behandelt werden. Auch eine Amtslöschung der GmbH gem. § 142 FGG kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Die mitunter vertretene gegenteilige Ansicht3 verkennt den Gesetzeszweck und führt zu ungereimten Ergebnissen.

15

Eine Gesetzeslücke, die durch die analoge Anwendung des § 142 FGG zu schließen ist, muss aber für die Konstellation angenommen werden, dass das Eintragungsverfahren ohne einen dahingehenden Willen der Geschäftsführer (der Gesellschafterwille ist dagegen nicht maßgebend; offen gelassen KG, OLG 43, 204) eingeleitet oder durchgeführt worden ist. Damit sind die Fälle erfasst, dass eine Anmeldung nicht erfolgt ist, durch einen Unbefugten ohne Zustimmung der Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer ohne Zustimmung eingereicht worden ist4. Ein derartiger Verfahrensfehler des Registerrichters, der zur Folge hat, dass den Beteiligten ohne zurechenbare Veranlassung eine GmbH aufgezwungen wird, muss durch Amtslöschung analog § 142 FGG behoben werden können. Die Heilung des Mangels durch eine Zustimmung nach der Eintragung ist aber möglich.

16

6. Verantwortlichkeit Die Verantwortlichkeit der Gesellschafter und der Geschäftsführer für die Richtigkeit der Anmeldung und der beizufügenden Unterlagen folgt aus §§ 9a, 82

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Hüffer, in: Großkomm. HGB, § 29 Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; Ulmer, Rdnr. 23; teilw. abw. Feine, S. 145. Unklar Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11. 2 So auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16. 3 So Jansen, FGG, § 144 Rdnr. 6; wie hier Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 144 Rdnr. 3; Ulmer, Rdnr. 11. 4 Eb. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16. I.E. auch die weitere Kommentarliteratur, die allerdings § 142 FGG unmittelbar anwenden will; vgl. Ulmer, Rdnr. 11; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14.

H. Winter/Veil

|

505

17

§7

Anmeldung

Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4. Daneben können auch Schadensersatzansprüche Dritter nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Rechts gegeben sein.

III. Einlageleistungen vor der Anmeldung 1. Mindesteinlageleistungen 18

Das GmbHG setzt für die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister zwingend voraus, dass auf die übernommenen Stammeinlagen bestimmte Einlageleistungen bereits erbracht worden sind (§ 7 Abs. 2 und 3). Der Gesellschaftsvertrag kann zwar höhere Einzahlungen vor der Anmeldung oder bis zur Eintragung vorsehen (Rdnr. 43), nicht aber die gesetzlichen Anforderungen herabsetzen. Die Geschäftsführer haben in der Anmeldung zu versichern, dass die gesetzlich geforderten Mindesteinlageleistungen bewirkt sind (Rdnr. 26 ff., 46 ff.) und die Gegenstände der Leistungen sich endgültig in ihrer freien Verfügung befinden (§ 8 Abs. 2 Satz 1). a) Ein Viertel auf jede Geldeinlage

19

Auf jede in Geld aufzubringende Stammeinlage ist mindestens ein Viertel des statutarisch festgesetzten Einlagebetrages (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) einzuzahlen (§ 7 Abs. 2 Satz 1). Es genügt also nicht, dass auf eine oder einzelne Stammeinlagen gezahlt wird, mag damit auch insgesamt ein Viertel des Stammkapitals gedeckt sein1. Sowohl bei der Berechnung der Quote als auch bei der Mindesteinzahlung ist ein statutarisch gefordertes Aufgeld (s. § 5 Rdnr. 23) unberücksichtigt zu lassen. Auch die Versicherung der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 2 Satz 1) und die registergerichtliche Kontrolle (§ 9c) beziehen sich nicht auf ein Agio2. Es ist mangels einer erkennbaren gegenteiligen Bestimmung des Gesellschafters regelmäßig davon auszugehen, dass er mit einer Einzahlung zuerst die gesetzlich geforderte Mindesteinlageleistung und erst danach andere fällige Gesellschafterpflichten gegenüber der Gesellschaft, z.B. ein Aufgeld, tilgen will3.

20

Bei der sogenannten Mischeinlage, die nicht mit der gemischten Sacheinbringung verwechselt werden darf (s. dazu § 5 Rdnr. 81), ist die gesetzlich geforderte Mindesteinzahlung (§ 7 Abs. 2 Satz 1) nicht von dem Gesamtbetrag der Stammeinlage, sondern nur von dem in Geld zu entrichtenden Teil zu berechnen4. 1 RGSt. 33, 252, 253; Ulmer, Rdnr. 26; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18. 2 Ulmer, Rdnr. 26; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 7 Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21; a.A. Gienow, in: FS Semler, 1993, S. 165, 173 ff.; Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 2004, S. 148 ff. Anders ist die Rechtslage im Aktienrecht; vgl. §§ 36a Abs. 1, 37 Abs. 1 AktG. 3 Vgl. aber für einen Sonderfall BGH, DNotZ 1991, 828, 832 (bez. Resteinlage). 4 RGSt. 48, 153, 160; RG, Recht 1914 Nr. 1519; 1915 Nr. 761; KGJ 43, 107; Ulmer, Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19.

506

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

b) Vollleistung der Sacheinlagen Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung an die Gesellschaft vollständig so zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen (§ 7 Abs. 3). Der Gesetzesbegriff der Sacheinlage umfasst dabei wie in den übrigen Bestimmungen in Abweichung vom früheren Recht (§ 5 Abs. 4 a.F.) auch die Sachübernahmen mit Anrechnungsabrede (s. § 5 Rdnr. 37, 70 ff.), die demgemäß ebenfalls vorher in der genannten Weise zu bewirken (Rdnr. 41) sind1. Die Erweiterung war, wie die Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 3 zeigt2, gewollt und wird überdies durch den Zweck der Norm (Rdnr. 2) gefordert.

21

c) Gesamtbetrag Außerdem verlangt § 7 Abs. 2 Satz 2, dass der Gesamtbetrag der eingezahlten Geldeinlagen zuzüglich der Summe der Stammeinlagen, die durch Sachwerte zu decken sind, mindestens die Hälfte des gesetzlichen Mindeststammkapitals (12 500 Euro) erreichen muss. Bei der Berechnung, ob diese Anforderung erfüllt ist, sind wiederum die nicht auf die Stammeinlagen geleisteten Beitragszahlungen der Gesellschafter (s. § 5 Rdnr. 23) unberücksichtigt zu lassen (Rdnr. 19) und ist auch bei den Sacheinlagen nicht der – möglicherweise höhere – Wert des geleisteten Einlagegegenstandes, sondern der durch ihn zu tilgende Stammeinlagebetrag (s. § 5 Rdnr. 56 ff., 89 f.) anzusetzen. Ein danach sich ergebender Minderbetrag ist zusätzlich von einem oder mehreren Geldeinlageschuldnern vor der Anmeldung zu erbringen.

22

Das Gesetz schreibt nicht vor, ob und wie der einzuzahlende Minderbetrag unter mehreren Geldeinlageschuldnern aufzuteilen ist, sondern überlässt die Bestimmung der Zahlungspflicht dem Gesellschaftsvertrag3. Mangels einer entsprechenden Vereinbarung ist auf § 19 Abs. 1 abzustellen, wonach die erforderliche Zusatzeinzahlung nach dem Verhältnis der in Geld aufzubringenden Stammeinlagen zu leisten ist4.

23

d) Zuwiderhandlungen gegen § 7 Abs. 2 Bei einer Zuwiderhandlung gegen § 7 Abs. 2 hat das Registergericht die Eintragung abzulehnen (§ 9c Abs. 1 Satz 1). Die trotzdem eingetragene GmbH ist aber nicht nichtig (§ 75)5. Auch die Amtslöschung nach § 142 FGG (s. dazu Rdnr. 15) 1 Eb. Ulmer, Rdnr. 27; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Meyer-Landrut, Rdnr. 23; v. Rössing, Sachgründung, S. 33; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 7 Rdnr. 55. 2 Die dahingehende ausdrückliche Bestimmung des § 7b Abs. 1 Satz 1 RegE ist nur wegen der diese Sachübernahmen einbeziehenden Erweiterung des Sacheinlagebegriffs i.S. des § 5 Abs. 4 Satz 1 angepasst worden; vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/ 3908, S. 71. 3 Schoenes, NJW 1983, 373, 375; Ulmer, Rdnr. 29. 4 Ulmer, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20. 5 RGZ 82, 288, 289 f.; 82, 375, 382; RG, JW 1913, 1043; Ulmer, Rdnr. 31.

H. Winter/Veil

|

507

24

§7

Anmeldung

oder nach § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG scheidet aus. Bei unrichtigen Angaben über die Mindestleistungen finden die §§ 9a, 82 Abs. 1 Nr. 1, 4 Anwendung. e) Übergangsrecht 25

Die Regelung des § 7 Abs. 2 und 3 fand erstmals für Gesellschaften Anwendung, die ab dem 1. 1. 1981 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wurden (Art. 12 § 3 GmbH-Novelle)1. Der Mindestgesamtbetrag gem. Abs. 2 Satz 2 n.F. (Rdnr. 22) galt erstmals für Gesellschaften, die nach dem 1. 1. 1999 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wurden (Art. 3 § 3 Nr. 5, 16 EuroEG).

2. Einzahlungen a) Voraussetzungen 26

Das GmbHG enthält anders als das Aktienrecht (§ 54 Abs. 3 AktG) keine näheren Bestimmungen über die Art und Weise der vor der Anmeldung zu erbringenden Mindesteinzahlungen der Gesellschafter. Sie sind vom Gesetzgeber als entbehrlich angesehen worden2. Die wirksame Erfüllung der gesetzlichen Mindestleistungspflichten setzt nach derzeitigem Erkenntnisstand voraus, dass die vorgeschriebenen Geldeinlagebeträge durch Zahlung an die Vorgesellschaft (Rdnr. 28) zur freien Verfügung ihrer Geschäftsführer (Rdnr. 33) bewirkt werden. Diese Anforderungen an eine Erfüllung folgen aus den §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 Satz 1 und gehen den allgemeinen Vorschriften der §§ 362 ff. BGB vor (s. auch Rdnr. 33)3. Sie sind im Lichte des vom BGH entwickelten Systems der Gesellschafterhaftung in der Vorgesellschaft auszulegen. Im Zentrum steht dabei die Erkenntnis, dass der Gläubigerschutz durch die Vorbelastungshaftung effektiv verwirklicht wird. Es besteht daher kein Bedürfnis mehr, das Erfordernis der Leistung zur freien Verfügung streng zu interpretieren. An der früher vertretenen Sichtweise, die eingelegten Mittel müssten bis zur Anmeldung bzw. zur Eintragung noch vorhanden sein, ist daher nicht mehr festzuhalten (s. Rdnr. 33).

1 Zur Anpassung der Mindesteinlageleistungen bei Altgesellschaften vgl. Art. 12 § 1 Abs. 2 und 3 der GmbH-Novelle; zu Einzelheiten vgl. 8. Aufl., Rdnr. 25 f. 2 Die Begr. I, 55 u. II, 44 hielt eine gesetzliche Festlegung wegen der geringeren Missbrauchsgefahr für unnötig; die Beurteilung habe nach „den Umständen des einzelnen Falles unter Berücksichtigung allgemeiner Verkehrsgewohnheiten“ zu erfolgen, wobei jedenfalls die „freie Verfügung der Geschäftsführer“ hergestellt sein müsse. Die Einfügung einer dem § 54 Abs. 3 AktG entsprechenden Bestimmung ist bei der GmbHNovelle 1980 als überflüssig abgelehnt worden, weil dies dem bereits geltenden (Richter-)Recht entspreche; vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71. 3 BGH, GmbHR 1986, 115 f.; BGH, GmbHR 1992, 601, 602; OLG Hamburg, GmbHR 1982, 157, 158; OLG Frankfurt, WM 1984, 1448; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 7 Rdnr. 2. Zu weitgehend Mülbert, ZHR 154 (1990), 145, 155, 157 f., der den nach seiner Ansicht auf die GmbH anzuwendenden § 54 Abs. 3 AktG als eine abschließende Regelung gegenüber den §§ 362 ff. BGB versteht.

508

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

Der Anspruch auf Leistung der Mindesteinzahlungen steht bis zur Eintragung der GmbH der Vorgesellschaft zu. Zahlungen, die an eine sog. Vorgründungsgesellschaft (s. Erl. zu § 2) oder auf ein vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages für die künftige GmbH i.Gr. eingerichtetes Konto geleistet werden, erfüllen die Einlagepflicht nicht und genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen an Mindesteinzahlungen1. Die vorgeschriebene Einlageleistung ist in diesen Fällen erst dann erbracht, wenn der geschuldete Geldbetrag ungeschmälert an die Vorgesellschaft zur freien Verfügung ihrer Geschäftsführer weitergeleitet worden ist2.

27

Der Eintritt der Erfüllungswirkung einer Zahlung kann wie auch sonst durch Tilgungsbestimmungen des Gesellschafters, z.B. die Angabe eines anderen Zahlungszwecks oder die Hinzufügung von Vorbehalten oder Bedingungen ausgeschlossen sein3. Einer besonderen Zweckbestimmung bedarf es aber regelmäßig nicht, wenn der Gesellschafter nur die Einlage schuldet4. Stehen der Vorgesellschaft jedoch außer der Einlageforderung noch andere Geldforderungen gegen den Gesellschafter zu und behält er sich bei der Zahlung eine spätere Zweckbestimmung (§ 366 Abs. 1 BGB) vor, so wird bei der nachträglichen Benennung der Einlageschuld diese nur getilgt, wenn und soweit die eingezahlten Mittel in diesem Zeitpunkt für den Einlagezweck wertmäßig noch verfügbar sind5. Im Übrigen kommt es beim Bestehen weiterer Geldschulden gegenüber der Gesellschaft primär auf die auch konkludent mögliche6 eindeutige Leistungsbestimmung des Gesellschafters7 oder, wenn sie fehlt, auf die in § 366 Abs. 2 bestimmten Kriterien an, ob die Einlageschuld durch die Zahlung erfüllt worden ist8 (zur Zahlungsverwendung bei Vereinbarung eines Aufgelds vgl. Rdnr. 19). Erfüllungswirkung tritt folglich auch dann ein, wenn im Falle mehrerer durch die Zahlung nicht vollständig gedeckter Verbindlichkeiten für den Empfänger ersichtlich ist, dass eine bestimmte Forderung nach dem Willen des Leistenden getilgt werden soll. Dies ist etwa anzunehmen, wenn gerade der Betrag der Schuldsumme gezahlt wird9.

27a

1 BGH, GmbHR 1992, 601, 602; OLG Köln, ZIP 1989, 238, 239; OLG Hamm, GmbHR 1992, 750, 751; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 398, 399; OLG Stuttgart, GmbHR 1995, 115, 118. 2 BGH, NJW 2001, 1647, 1648; OLG Frankfurt, ZIP 2005, 1596, 1597; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 398, 399; OLG Stuttgart, GmbHR 1995, 115, 118; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11. Missverständlich Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 763. 3 Zur rechtlichen Relevanz von schuldrechtlichen Verwendungsbindungen s. Rdnr. 36. 4 BGH, GmbHR 1991, 152, 153; OLG Hamburg, GmbHR 1994, 468, 469. 5 BGH, BGHZ 51, 157, 160 ff.; OLG Hamburg, GmbHR 1994, 468, 470; OLG Dresden, GmbHR 1999, 233, 234; Ulmer, Rdnr. 31 a.E. 6 OLG Frankfurt, GmbHR 1991, 102, 103; OLG Dresden, GmbHR 1999, 233, 234. 7 Vgl. dazu BGH, GmbHR 1991, 152, 153; BGH, GmbHR 1992, 601, 602; BGH, GmbHR 1995, 119, 120; BGH, GmbHR 1992, 601, 602; BGH, NJW 2001, 1647, 1648 u.a. 8 Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 7 Rdnr. 4; abw. zu Unrecht BGH, GmbHR 1991, 152, 154 für den Fall einer neben der Einlageschuld bestehenden kapitalersetzenden Mithaftung des Gesellschafters. 9 Vgl. BGH, ZIP 2001, 1997, 1998.

H. Winter/Veil

|

509

§7 27b

Anmeldung

Die Beweislast für die ordnungsgemäße Einlageleistung trifft den Gesellschafter1. Für die Beweisführung gelten die allgemeinen Regeln2, insbesondere besteht keine Beschränkung der Beweismittel auf die Vorlage von Zahlungsbelegen3. Die Verweisung auf die Versicherung der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 2 Satz 1) reicht zum Nachweis nicht aus. b) Zahlung

28

Der Begriff ist nach Maßgabe des Normzwecks des § 7 Abs. 2 zu bestimmen. „Einzahlung“ ist danach nicht gleichbedeutend mit Barzahlung an die Vorgesellschaft, die selbstverständlich darunter fällt, wenn sie mittels inländischer gesetzlicher Zahlungsmittel erfolgt4. Es genügt vielmehr jede Leistung, die nach der Verkehrsgewohnheit der Barzahlung gleich zu erachten ist und die jederzeit mit Sicherheit ohne Wertverlust in Geld umgesetzt werden kann5. Die Vorschrift des § 54 Abs. 3 AktG kann bei der Auslegung wegen der weitgehend übereinstimmenden Zielsetzung und Problemlage sinngemäß mit herangezogen werden6.

29

Die vorstehenden Voraussetzungen erfüllen die vorbehaltlose Gutschrift auf einem inländischen Bankkonto, das für die Gesellschaft oder den Geschäftsführer in dieser Eigenschaft (also nicht als Privatkonto) eingerichtet worden ist7. Anders liegt es nur, wenn ernsthafte Zweifel bezüglich der Bonität des Kreditinstituts bestehen. Unerheblich ist es dagegen, dass das Konto der Gesellschaft einen Schuldsaldo aufweist, wenn dadurch nicht die freie Verfügung der Geschäftsführer im Zahlungszeitpunkt eingeschränkt ist (vgl. dazu Rdnr. 37)8.

1 BGH, GmbHR 1992, 601, 603; OLG Naumburg, NJW-RR 1999, 1641, 1642; OLG Köln, ZIP 1989, 174, 176. Dasselbe gilt auch für den nach § 16 Abs. 3 haftenden Anteilserwerber; s. LG Mönchengladbach, GmbHR 1995, 121; zu den Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für den Vortrag, der Geschäftsführer sei in Höhe des Kreditbetrags des Kontos dispositionsbefugt vgl. OLG Naumburg, NZG 2001, 230, 231. 2 BGH, GmbHR 1992, 601, 603. 3 A.M. OLG Hamm, GmbHR 1984, 317, 318; dagegen mit Recht KG, GmbHR 1991, 64, 65; s. auch OLG Frankfurt, OLGR 1994, 102. 4 OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 533; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236. 5 Vgl. RGZ 41, 120, 122; 72, 266, 268; RGSt. 32, 82; 36, 186; 72, 832. 6 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; wohl auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; a.A. Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 7 Rdnr. 9. Der weitergehenden Ansicht, dass § 54 Abs. 3 AktG analog anzuwenden sei (Mülbert, ZHR 154 (1990), 145, 158; LG Frankenthal, GmbHR 1996, 356, 358; Ulmer, Rdnr. 32), ist mangels einer Gesetzeslücke nicht zuzustimmen. 7 BGH, GmbHR 1962, 233; BGH, GmbHR 1990, 554, 555; BGH, GmbHR 1991, 152; OLG Hamm, GmbHR 1985, 326; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 604; OLG Köln, GmbHR 1994, 470; OLG Naumburg, GmbHR 1998, 239; Ulmer, Rdnr. 34 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25, 26. 8 BGHZ 113, 335, 346 f.; BGH, GmbHR 1990, 554, 555; BGH, GmbHR 1991, 152; BGH, ZIP 1996, 1466, 1467; BGH, GmbHR 2002, 545, 546; BGH, GmbHR 2005, 229, 230; Ulmer, Rdnr. 34; K. Schmidt, AG 1986, 106, 110; Priester, DB 1987, 1473 ff.; a.M. OLG Hamm, GmbHR 1985, 326, 327.

510

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

Ebensowenig steht entgegen, dass das betreffende Kreditinstitut zugleich Mitgründer ist1. Es kann unter den oben bezeichneten Voraussetzungen auch die eigene Mindesteinzahlung durch Gutschrift auf ein bei ihm geführtes Konto leisten2. Der Einwand, dass die Einbuchung nicht als Zahlung angesehen werden könne, weil sie nur den einen Schuldgrund durch einen anderen ersetze3, ist nicht wertungsgerecht, da die Gutschrift im Hinblick auf § 7 Abs. 2 dieselbe Wirkung hat wie in den übrigen Fällen. Eine wirksame Einlageleistung liegt weiterhin auch dann vor, wenn der Kontoinhaber nicht die (Vor-)Gesellschaft, sondern ein für sie tätiger Verwaltungstreuhänder (Notar) ist4. Die Hingabe eines Schecks oder Wechsels ist nicht als Einzahlung i.S. des § 7 Abs. 2 zu werten5. Eine Ausnahme wurde bislang wegen der gesetzlichen Einlösungspflicht der Bank für einen bestätigten Bundesbankscheck (§ 23 BBankG) angenommen. Diese Sichtweise muss nunmehr aufgegeben werden, nachdem der Bundesbankscheck nicht mehr als zulässiges Zahlungsmittel in § 54 Abs. 3 AktG aufgeführt ist6. Eine wirksame Einlageleistung liegt daher bei der Hingabe eines Schecks oder Wechsels nur vor, wenn und soweit die Gesellschaft eine Zahlung in zulässiger Form (Rdnr. 28 f.) erhalten hat und nicht (wie bei einer Diskontierung des Wechsels) mit dem Risiko der Rückgriffshaftung belastet ist7. Auch wenn die Gesellschaft den übereigneten Scheck unmittelbar zur Bezahlung eigener Verbindlichkeiten verwendet, tritt die Erfüllung der Einlageschuld nicht schon mit der Weiterbegebung, sondern erst mit seiner Einlösung ein8; der getilgte Einlagebetrag bemisst sich dann nach dem Scheckerlös und nicht etwa nach dem Wert der erfüllten Gesellschaftsverbindlichkeit oder der dafür gewährten Gegenleistung, da ein eventueller Verlust aus der Geschäftstätigkeit nicht im Zusammenhang mit der Einlageleistung steht und erforderlichenfalls im Rahmen der Vorbelastungshaftung aller Gesellschafter auszuglei1 Zutr. Geßler, in: FS Möhring, 1975, S. 173, 174 ff.; Heinsius, in: FS Fleck, 1988, S. 89, 102 ff.; Wimmer, GmbHR 1997, 827; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 7 Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; a.M. RG, Holdh. 14 (1904), 142; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20. 2 Zutr. Ulmer, Rdnr. 35; Heinsius in: FS Fleck, 1998, S. 89, 102 ff.; Wimmer, GmbHR 1997, 827; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9. 3 Vgl. RG, Holdh. 14 (1904), 142. 4 Ulmer, Rdnr. 37; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Lutter, in: FS Heinsius, 1991, S. 497 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 26; Wimmer, GmbHR 1997, 827 f. 5 Teilw. abw. die ältere Rspr.; vgl. RGZ 41, 120, 123; RGSt. 36, 185, 186 f.; OLG Königsberg, GmbHRspr. II § 7 R. 6. Wie im Text dagegen RG, JW 1912, 950; OLG Düsseldorf, BB 1988, 2126; OLG Frankfurt, GmbHR 1993, 652, 653 f.; Ulmer, Rdnr. 39; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25. 6 Zutr. Ulmer, Rdnr. 39; anders noch die übrige Kommentarliteratur. Die Änderung des § 54 Abs. 3 AktG erfolgte durch Art. 4 Nr. 1 Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapierrechtlicher Vorschriften vom 22. 10. 1997, BGBl. I, 2567. 7 RGSt. 36, 185. 8 Vgl. OLG Dresden, ZIP 1999, 1885, 1886. Die das Merkmal der „freien Verfügung“ betreffende Entscheidung des BGH, GmbHR 1990, 554, 555 f. (s. dazu Rdnr. 41) steht nicht entgegen; zutr. Gehling, DNotZ 1991, 833, 836 (Anm.).

H. Winter/Veil

|

511

30

§7

Anmeldung

chen ist. Die Leistung ausländischer Zahlungsmittel genügt der Mindesteinzahlungspflicht gem. § 7 Abs. 2 nicht1; sie können ebenfalls nur erfüllungshalber (s. Rdnr. 31) entgegengenommen werden. 31

In einer anderen Form als durch Zahlung im oben dargelegten Sinne können die durch § 7 Abs. 2 vorgeschriebenen Mindestgeldeinlagepflichten nicht erfüllt werden. Die Vorschrift schließt die Annahme einer anderen Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) und – über § 19 Abs. 2 Satz 2 u. Abs. 5 hinausgehend – beiderseits jede Aufrechnung aus2. Das Hin- und Herzahlen zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft auf die Einlage – und eine Gegenforderung, das unter Umgehung dieser Verbote als Mittel zur Bewirkung einer sog. verdeckten Sacheinlage eingesetzt wird, genügt ohne Rücksicht auf die Reihenfolge der Zahlungen schon aus diesem Grunde nicht den gesetzlichen Anforderungen3. Schließlich kann die erforderliche Mindesteinzahlung auch nicht nach § 362 Abs. 2 BGB mit Ermächtigung der Geschäftsführer befreiend an einen Dritten zwecks Erfüllung einer fälligen Gesellschaftsverbindlichkeit geleistet werden4. Andernfalls wäre die notwendige registergerichtliche Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Gesellschafterleistung gefährdet. Die vereinzelt vertretene Gegenmeinung5 weist zwar zu Recht auf die gläubigerschützende Funktion der Vorbelastungshaftung hin. Sie wird aber nicht hinreichend dem in § 54 Abs. 3 AktG zum Ausdruck kommenden Anliegen (s. dazu Rdnr. 28) gerecht, die Gesellschaft mit einem effektiv verfügbaren Anfangsvermögen auszustatten. Ist die Leistung erfolgt, spricht aus der Sicht des Gründungsrechts aber nichts dagegen, dass der Geschäftsführer die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger begleicht6. Ein Gesellschafter einer als Komplementärin agierenden VorGmbH kann daher seine Mindesteinzahlungsverpflichtung nicht durch Zahlung an die KG erfüllen7.

32

Der Begriff „Einzahlung“ setzt nach dem Zweck des § 7 Abs. 2 voraus, dass die genannten Leistungen mit der GmbH fremden Mitteln bewirkt und der GmbH 1 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 7 Rdnr. 8. 2 RG, LZ 1907, 826; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27; im Grundsatz ebenso Ulmer, Rdnr. 41, der aber eine Ausnahme vom Aufrechnungsverbot anerkennen will, wenn es sich bei drohender Inanspruchnahme der Gesellschaft und Uneinbringlichkeit der Einlageforderung nachteilig auswirken würde; noch weiter abw. zu Unrecht Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24. 3 S. hierzu § 5 Rdnr. 76 ff. u. unten Rdnr. 33 ff. (zur „freien Verfügung“). 4 BGH, GmbHR 1986, 115 f.; OLG Stuttgart, DB 1986, 1514; OLG Düsseldorf, BB 1988, 2126, 2127; OLG Köln, ZIP 1989, 238, 239; OLG Naumburg, NJW-RR 1999, 1641, 1642; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 19 Rdnr. 11; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27; Priester, BB 1987, 208, 210 ff.; DB 1987, 1473, 1475; Heinrich, in: Münch Hdb. GesR III, § 7 Rdnr. 9; nunmehr auch Ulmer, Rdnr. 42: s. auch BGHZ 119, 177, 188 ff. betr. AG. 5 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Bayer, GmbHR 2004, 445. 6 Ulmer, Rdnr. 42. 7 Vgl. BGH, GmbHR 1986, 115 f.; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 7 Rdnr. 9; Ulmer, Rdnr. 43. A.A. K. Schmidt, DB 1985, 1986. Abweichendes gilt für die Resteinlageschuld; s. BGH, GmbHR 1986, 115 f.; OLG Stuttgart, GmbHR 1996, 349, 350; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 122.

512

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

uneingeschränkt zugewendet werden. Es ist deshalb nicht ausreichend, wenn vereinbart ist, dass das Hingegebene nach Anmeldung der GmbH direkt oder indirekt an den Gesellschafter oder – im Rahmen eines Cash-Pool-Systems – an ein mit ihm verbundenes Unternehmen1 zurückgegeben werden soll2, oder wenn die Leistung aus einem Kredit der Gesellschaft an den Gesellschafter3 oder aus einem von der Gesellschaft bei einem Dritten aufgenommenen Kredit bewirkt wird4 oder wenn die Gesellschaft für ein dem Einzahlungspflichtigen gewährtes Darlehen mithaftet oder Sicherheiten stellt5. Ebenso ist zu entscheiden, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer das von einem anderen Gesellschafter ihm Eingezahlte zur Erfüllung seiner eigenen Einzahlungspflicht verwendet6 oder wenn mit der Zahlung zugleich der Erlass einer Gegenforderung der GmbH verbunden ist7. Keine Bedenken bestehen dagegen, dass der Gesellschafter seine Einlagepflicht ohne eine derartige Beteiligung der Gesellschaft mit Fremdmitteln tilgt (s. auch § 5 Rdnr. 55) oder die Zahlung unmittelbar durch einen Dritten erfolgt8. c) Freie Verfügung Schrifttum: Bergmann, Die verschleierte Sacheinlage bei AG und GmbH, AG 1987, 57, 75 ff.; Blecker, Die Leistung der Mindesteinlage in Geld zur „endgültig freien Verfügung“ der Geschäftsleitung bei AG und GmbH im Fall der Gründung und Kapitalerhöhung, 1995; Cahn, Kapitalaufbringung im Cash Pool, ZHR 166 (2002), 278; Habetha, Verdeckte Sacheinlage, endgültig freie Verfügung, Drittzurechnung und „Heilung“ fehlgeschlagener Bareinzahlungen im GmbH-Recht, ZGR 1998, 305; Henze, Erfordernis der wertgleichen Deckung bei Kapitalerhöhung mit Bareinlagen?, BB 2002, 955; Hommelhoff/Kleindiek, Schuldrechtliche Verwendungspflichten und „freie Verfügung“ bei der Barkapitalerhöhung, ZIP 1987, 477; Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaften, 1991; Kreuels, Abgrenzung der Lehre von der verdeckten Sacheinlage zum Grundsatz endgültig freier Verfügung, 1996; Lutter, Das überholte Thesaurierungsgebot bei Eintragung einer Kapitalgesellschaft im Handelsregister, NJW 1989, 2649; Meilicke, Die „ver-

1 Vgl. BGH, ZIP 2006, 665, 666; BGH, DStR 1999, 1451; OLG Dresden, ZIP 1999, 2013, 2016; LG Flensburg, GmbHR 2001, 861; eingehend hierzu Cahn, ZHR 166 (2002), 278. Die bei Cash-Pool-Systemen regelmäßig auftretenden Probleme betreffen ferner Fragen der Kapitalerhaltung, des Eigenkapitalersatzrechts, des existenzvernichtenden Eingriffs. Vgl. hierzu die Beiträge von Burgard und J. Vetter in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, Band 6, 2003, S. 45 ff. und S. 69 ff. 2 RG, JW 1912, 950; vgl. auch BGHZ 28, 314, 319 f.; BGH, ZIP 2001, 1997, 1998; OLG Köln, GmbHR 1994, 470; OLG Hamm, BB 1997, 433, 434; OLG Schleswig, GmbHR 1998, 1226; OLG Köln, BB 2000, 372. 3 RGZ 47, 180, 185; 98, 276, 277. 4 RGZ 47, 180, 185; BGH, BGHZ 28, 77, 78. 5 BGH, GmbHR 1962, 233; OLG Köln, WM 1984, 740, 742; vgl. auch Ulmer, Rdnr. 44 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; K. Schmidt, AG 1986, 106, 110 f. 6 Nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB; vgl. RGZ 159, 321, 331. 7 OLG Hamburg, GmbHR 1986, 230, 232. 8 RGSt. 30, 300, 318; BGH, GmbHR 1995, 119, 120; KG, GmbHR 1961, 64, 65; OLG Frankfurt, GmbHR 1991, 102, 103; Ulmer, Rdnr. 45; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10.

H. Winter/Veil

|

513

§7

Anmeldung

schleierte“ Sacheinlage, 1989, S. 75 ff.; Mildner, Bareinlage, Sacheinlage und ihre „Verschleierung“ im Recht der GmbH, 1989; Mülbert, Das „Magische Dreieck der Barkapitalaufbringung“, ZHR 154 (1990), 145; G. H. Roth, Verfügungen über die Einlage vor Eintragung der GmbH, DNotZ 1989, 3; G. H. Roth, Die freie Verfügung über die Einlage, in: FS Semler, 1993, S. 299; G. H. Roth, Die wertgleiche Deckung als Eintragungsvoraussetzung, ZHR 167 (2003), 89; K. Schmidt, Barkapitalaufbringung und „freie Verfügung“ bei der Aktiengesellschaft und der GmbH, AG 1986, 106; Ulmer, Rechtsfragen der Barkapitalerhöhung bei der GmbH, GmbHR 1993, 189; Wilhelm, Kapitalaufbringung und Handlungsfreiheit der Gesellschaft nach Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 152 (1988), 333.

33

aa) Aus dem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 21 sowie aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 1 folgt, dass die vorgeschriebenen Mindestgeldeinlagen bis zur Anmeldung zur endgültigen freien Verfügung der Geschäftsführer bewirkt sein müssen. Damit ist festgelegt, wie die Mittel aufzubringen sind. Es handelt sich um eine Voraussetzung für die wirksame Erfüllung der gesetzlichen Mindesteinzahlungspflichten der Gesellschafter (Rdnr. 27)2. Sie ist außerdem Gegenstand der vom Geschäftsführer bei der Anmeldung abzugebenden Versicherung (§ 8 Abs. 2 Satz 1; s. hierzu § 8 Rdnr. 23). Anforderungen an die Verwendung der eingezahlten Mittel können dagegen aus dem Erfordernis der Leistung zur freien Verfügung nicht abgeleitet werden. Es ist weder erforderlich, dass die Beträge bis zur Anmeldung noch bis zur Eintragung im Gesellschaftsvermögen vorhanden sind3. Zwar folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes, dass der Geschäftsführer versichern muss, die Beträge seien zur endgültigen freien Verfügung bewirkt. Ausschlaggebende Bedeutung kommt dieser Formulierung aber nicht zu4. Das Erfordernis der Einlageleistung muss im Gesamtkontext des Gründungsrechts interpretiert werden. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der BGH mit der Entscheidung BGHZ 80, 129 das Vorbelastungsverbot aufgegeben und statt dessen sukzessive ein mittlerweile austariertes System der Gesellschafterhaftung in Gestalt einer Verlustdeckungs- und Vorbelastungshaftung entwickelt hat, das den Belangen der Gläubiger angemessen Rechnung trägt. Es besteht daher kein Bedürfnis mehr dafür, zumindest den Vorbehalt einer wertgleichen Deckung zu verlangen5. Es reicht aus, wenn der Gesellschafter die Leistung zu irgendeinem Zeitpunkt (bis zur Anmeldung der Gesellschaft) ordnungsgemäß erbringt und ein späterer Rückfluss an ihn nicht erfolgt6.

1 Vgl. Begr. I S. 55, II S. 44 u. dazu RGZ 41, 120, 121 f. 2 Zur Geltung des Tatbestandsmerkmals für die Leistung der Resteinlage vgl. Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von KapGes, S. 306 ff. m.w.N. 3 Str.; wie hier Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15 ff. A.A. die h.M.; vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Ulmer, Rdnr. 55; G. H. Roth, ZHR 167 (2003), 89, 97; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25. 4 Zutr. insw. G. H. Roth, ZHR 167 (2003), 89, 91. 5 So noch BGHZ 119, 177, 187 zur Kapitalerhöhung; insoweit aber nun aufgegeben durch BGHZ 150, 197, 199. 6 Vgl. nunmehr auch für die Kapitalerhöhung BGHZ 150, 197, 201. Diese Rechtsprechung erlaubt allerdings keine zwingenden Rückschlüsse darauf, ob der BGH die Frage auch für das Gründungsrecht im betreffenden Sinne entscheiden würde. S. zu diesem Komplex auch § 8 Rdnr. 23.

514

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

bb) Die freie Verfügung ist gegeben, wenn die Geldeinlagen derart geleistet werden, dass die Geschäftsführer tatsächlich und rechtlich in der Lage sind, die eingezahlten Mittel uneingeschränkt für die Gesellschaft verwenden zu können1. Die Einzahlung in einer gesetzlich zulässigen Form (Rdnr. 28 ff.) wird im Allgemeinen wegen der erforderlichen unbedingten Übereignung oder vorbehaltlosen Kontogutschrift zwar dazu führen, dass zugleich auch dem obigen Erfordernis genügt ist2. Im Einzelfall können aber besondere Umstände eine abweichende Beurteilung gebieten. Es kommen insoweit vor allem die nachstehenden Fallgruppen in Betracht:

34

Die Erfüllung der gesetzlichen Mindesteinzahlungspflicht scheitert bei den Scheineinzahlungen regelmäßig schon daran, dass die Voraussetzungen einer ordnungsmäßigen Zahlung (Rdnr. 28 ff.) mangels Rechtsübergangs nicht erfüllt sind3 oder die Beteiligten die Tilgung der Einlageschuld nicht ernstlich gewollt haben (§ 117 BGB)4. Daneben stehen die übergebenen Mittel auch nicht zur freien Verfügung. Entsprechendes gilt für den in der Rechtsprechung genannten Fall, dass der Gesellschafter lediglich einen ihm persönlich eingeräumten Bankkredit zur Verfügung gestellt hat5.

35

Eine Einzahlung zur freien Verfügung ist ferner dann nicht gegeben, wenn die Beteiligten bei Zahlung die schuldrechtliche Abrede getroffen haben, dass die gezahlten Mittel generell oder beim Eintritt bestimmter Voraussetzungen unmittelbar oder mittelbar wieder an den Einleger zurückfließen sollen6. Es ist dabei irrelevant, ob die Abrede rechtswirksam ist oder nicht7. Es genügt, dass mit ihrer Verwirklichung normalerweise gerechnet werden konnte oder dass die Rückzahlung tatsächlich erfolgt ist. Ebensowenig kommt es darauf an, ob die Rückzahlung nach der Absprache ohne einen zusätzlichen Rechtsgrund oder zur Erfüllung einer bestehenden oder noch zu begründenden Gegenforderung des Einlegers erfolgen soll. Der Einwand, dass damit zumindest teilweise nicht dem § 7 Abs. 2 unterliegende Vorgänge der Mittelverwendung durch die

36

1 Vgl. BGH, GmbHR 1962, 233; Ulmer, Rdnr. 53, 59; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 7 Rdnr. 12. 2 So zutr. Ulmer, Rdnr. 59. 3 Vgl. RGSt. 24, 287; 30, 300; RGZ 157, 213, 225; RG, JW 1911, 514; 1927, 1698. 4 Vgl. RG, JW 1915, 356; BayObLG, GmbHR 1994, 551 f.; s. auch BGHZ 28, 314, 316 (rechtsirrig). 5 Vgl. BGH, GmbHR 1952, 108; OLG Köln, GmbHR 1994, 470; ähnlich RG, JW 1931, 2991. 6 BGH, GmbHR 2006, 306, 307; BGH, GmbHR 2006, 43 (zur AG); BGHZ 113, 335, 348; BGH, GmbHR 1990, 554, 555; BGH, GmbHR 1992, 601, 603; BGH, AG 1978, 166, 167; OLG Hamm, GmbHR 1992, 749, 750; OLG Hamm, GmbHR 1994, 472, 473; OLG Hamm, BB 1997, 433, 434; OLG Köln, GmbHR 1994, 470; OLG Schleswig, GmbHR 1998, 1226; Ulmer, Rdnr. 40, 56; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 31; Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von KapGes, S. 115 ff., 172 ff.; Lutter, in: FS Stiefel, 1987, S. 505, 509 f.; s. auch K. Schmidt, AG 1986, 106, 110 ff.; Hommelhoff/Kleindiek, ZIP 1987, 477, 486 ff. 7 BGH, GmbHR 2006, 43, 44 zur AG (Unwirksamkeit der Darlehensabrede wegen Verstoßes gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften); BGHZ 113, 335, 349; K. Schmidt, AG 1986, 106, 110 f.; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 7 Rdnr. 13 u. Ulmer, Rdnr. 56.

H. Winter/Veil

|

515

§7

Anmeldung

Gesellschaft einbezogen würden1, wird dem Normzweck der §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 nicht gerecht (Rdnr. 33) und ist unzutreffend, da der Einleger die geschuldeten Geldmittel bei jeder Zahlung mit gleichzeitiger Rückzahlungsvereinbarung der Gesellschaft von vornherein nur vorübergehend überlassen soll und daher seine Mindesteinzahlungspflicht bei teleologischer Auslegung der gesetzlichen Erfordernisse weder in einer geeigneten Art noch zur uneingeschränkten freien Verfügung erfüllt2. Bei Geldleistungen, die zur Ausführung einer Vereinbarung über verdeckte Sacheinlagen (s. § 5 Rdnr. 76 ff.) erbracht werden, fehlt es demgemäß nicht nur an einer den Anforderungen des § 7 Abs. 2 genügenden Zahlung (s. Rdnr. 31)3, sondern immer auch an der erforderlichen freien Verfügung4. Die vorstehenden Grundsätze gelten auch bei einer vor der Zahlung oder jedenfalls im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit ihr erteilten Weisung der Gesellschaftsversammlung an den Geschäftsführer zur Rückzahlung der Mittel an den Einleger. Schuldrechtliche Verwendungsabsprachen zwischen der Gesellschaft und dem Einleger oder einem Dritten, die den Einsatz der eingezahlten Mittel für andere Unternehmensmaßnahmen festlegen, hindern dagegen die freie Verfügung i.S. der §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 grundsätzlich nicht, da sie nicht mehr die ordnungsgemäße Leistung auf die Geldeinlage, sondern nur noch die Mittelverwendung betreffen5. Auch innergesellschaftliche Weisungen an den Geschäftsführer sind in diesem Bereich unschädlich6. 37

Bei der Zahlung durch Kontogutschrift eines Kreditinstituts (Rdnr. 29) mangelt es an der erforderlichen freien Verfügung, wenn das Konto in diesem Zeitpunkt gesperrt7 oder das Guthaben in einer den Einzahlungsbetrag einschließenden Höhe gepfändet ist8 oder einen Debetsaldo aufweist und die Bank den Gutschriftbetrag wegen ungenehmigter Kontoüberziehung oder wegen Kündigung oder Rückführung des Kreditrahmens sofort verrechnen kann, so dass der Geschäftsführer keine rechtliche Möglichkeit erhält, über die eingezahlten Mittel 1 So mit Unterschieden im Einzelnen K. Schmidt, AG 1986, 106, 110 ff.; Hommelhoff/ Kleindiek, ZIP 1987, 477, 486 ff.; Wilhelm, ZHR 152 (1988), 333, 367 ff.; Bergmann, AG 1987, 86 f.; Mildner, Bareinlage, Sacheinlage und ihre „Verschleierung“ im Recht der GmbH, S. 86 ff.; Habetha, ZGR 1998, 305, 317. 2 Zutr. BGHZ 113, 335, 348 f. 3 BGHZ 28, 314, 319 f.; BGHZ 110, 47, 49; BGHZ 113, 335, 347 f.; BGH, NJW 1982, 2444, 2446; BGH, GmbHR 1994, 394, 397; OLG Koblenz, ZIP 1988, 642, 645 f.; OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 161, 163; OLG Hamburg, ZIP 1988, 372, 373; LG Mannheim, GmbHR 1996, 118, 121. 4 BGH, GmbHR 2006, 43 (zur AG); BGHZ 113, 335, 347 f.; BGH, BB 1975, 248; BGH, GmbHR 1994, 394, 397; OLG Koblenz, ZIP 1986, 1559, 1561; OLG Koblenz, BB 1989, 451; OLG Hamm, ZIP 1989, 1398, 1400; OLG Schleswig, GmbHR 1998, 1226; s. auch BGHZ 96, 231, 242. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von KapGes, S. 115 ff., 172 ff. 5 BGH, GmbHR 1990, 554, 555; BGH, GmbHR 1992, 601, 603; Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von KapGes, S. 248 m.w.N. 6 BGH, GmbHR 1990, 554, 555; BGH, GmbHR 1992, 601, 603; Gehling, DNotZ 1991, 833, 839 ff. 7 BGH, GmbHR 1962, 233; BayObLG, GmbHR 1998, 736, 737; OLG Köln, GmbHR 1994, 470, 472; Ulmer, Rdnr. 59; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17. 8 Ulmer, Rdnr. 59; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17.

516

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

in entsprechender Höhe zu disponieren1. Es genügt nicht, dass die Überziehung nur tatsächlich geduldet ist2. Unberührt bleibt die freie Verfügung dagegen, wenn die Gesellschaft selbst einen ihr erfüllungshalber übergebenen Scheck des Inferenten (Rdnr. 30) zur Gutschrift auf einem solchen Konto eingereicht und damit von ihrer Verfügungsmöglichkeit bereits vorher Gebrauch gemacht hat3. Ebenso liegt es, wenn sie der Bank vor der Kontogutschrift den Auftrag zur Weiterüberweisung des Einzahlungsbetrages an einen Dritten erteilt hat, es sei denn, dass dieser ihn wirtschaftlich für Rechnung des Einlegers erhalten soll (Rdnr. 35)4. Auch faktische Beschränkungen der Verfügungsmöglichkeit der Gesellschaft über die gutgeschriebene Einzahlung können u.U. der freien Verfügung entgegenstehen5. d) Mindesteinzahlung und Gründungsaufwand Der Gründungsaufwand geht nur bei entsprechender Festsetzung im Gesellschaftsvertrag zu Lasten der Gesellschaft (s. § 5 Rdnr. 111 ff.). Wenn und soweit sie erfolgt ist, dürfen analog § 36 Abs. 2 Satz 1 AktG6 die bei der Gründung anfallenden Steuern und Gebühren aus den gesetzlich geforderten Mindesteinzahlungen der Gesellschafter bestritten werden7. Anders ist es zu beurteilen, wenn die Aufwandsübernahme im Gesellschaftsvertrag nicht entsprechend festgelegt ist. Auch wenn die Gesellschaft im Außenverhältnis die Steuer- und Kostenschuldnerin ist, haben ihr dann die Gesellschafter die verauslagten Beträge spätestens bis zur Anmeldung zu erstatten (s. § 5 Rdnr. 113), wenn sie über kein die gesetzlichen Mindestleistungen übersteigendes Gesellschaftsvermögen (s. Rdnr. 43 ff.) verfügt. Anderenfalls ist die Anmeldevoraussetzung des § 7 Abs. 2 nicht erfüllt und die Versicherung der Geschäftsführer gem. § 8 Abs. 2, die die fehlenden Beträge nicht erwähnt, unrichtig mit der Haftungsfolge des § 9a Abs. 1.

1 BGH, GmbHR 1990, 554, 555; BGH, GmbHR 1991, 152; OLG Düsseldorf, WM 1984, 596, 597 f.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1993, 292, 293; OLG Frankfurt, ZIP 1984, 836, 837; OLG Hamm, BB 1990, 1223, 1224 (zu eng in GmbHR 1985, 326, 327); OLG Köln, GmbHR 1994, 470, 472; OLG Köln, GmbHR 1998, 143, 146; OLG Stuttgart, GmbHR 1995, 115, 119; BayObLG, GmbHR 1998, 736, 737; Priester, DB 1987, 1473, 1474 f.; Ulmer, Rdnr. 59; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; abw. Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von KapGes, S. 262 ff. m.w.N. 2 LG Frankenthal, GmbHR 1996, 356, 358; Spindler, ZGR 1997, 537, 547; Wimmer, GmbHR 1997, 827, 828; abw. offenbar OLG Hamm, GmbHR 1992, 750, 751; Priester, DB 1987, 1473, 1474 f. 3 BGH, GmbHR 1990, 554, 555. 4 Ähnlich Ulmer, Rdnr. 56, 59; nunmehr auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17. 5 BGHZ 96, 231, 241 f.; BGH, AG 1978, 166, 167; OLG Hamm, ZIP 1989, 1398, 1400; Hommelhoff/Kleindiek, ZIP 1987, 477, 491. 6 Eine dementsprechende Bestimmung enthielt § 7a Abs. 3 RegE, der mangels Regelungsbedürfnisses gestrichen worden ist (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/ 3908, S. 71). 7 BGH, DNotZ 1997, 495, 496; Ulmer, Rdnr. 64; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 8 Rdnr. 24; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 19; s. auch BGHZ 119, 177, 188 betr. AG.

H. Winter/Veil

|

517

38

§7

Anmeldung

3. Leistung der Sacheinlagen a) Bewirken 39

Die Sacheinlagen sind vor der Anmeldung so zu bewirken, dass sie endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen (§ 7 Abs. 3). Unter „Bewirken“ sind bei den Sacheinlagen i.e.S. (s. § 5 Rdnr. 39 ff.) die zur Erfüllung der statutarisch übernommenen Einlagepflicht von Vermögensgegenständen erforderlichen Rechtsakte zu verstehen. Die Anforderungen bestimmen sich im einzelnen nach dem Inhalt der vereinbarten Leistungspflicht. Bewegliche Sachen, an denen das Vollrecht eingebracht werden soll, sind also nach §§ 929 ff. BGB der Vorgesellschaft zu übereignen1; eine nur aufschiebend bedingte Übereignung genügt nicht2. Einzulegende Forderungen und Rechte sind ihr nach den jeweils maßgebenden Vorschriften (§§ 398, 413, 1032, 1069, 1153 f. BGB u.a.) zu übertragen; auch Zustimmungen Dritter, von denen der Rechtsübergang abhängt (z.B. §§ 185, 399 BGB, § 15 Abs. 5 GmbHG), müssen spätestens bei der Anmeldung vorliegen. Bei den zum Gebrauch einzulegenden Sachen ist der Vorgesellschaft der unmittelbare Besitz zu verschaffen3. Fabrikationsgeheimnisse u.ä. müssen den Geschäftsführern zugänglich gemacht sein4; die Übergabe einer Beschreibung genügt.

40

Auch das Eigentum an einzubringenden Grundstücken oder anderer einzubringender Rechte, deren Begründung oder Übertragung die Eintragung in ein öffentliches Register erfordert, muss nach § 7 Abs. 3 vor der Anmeldung auf die Vorgesellschaft übergegangen sein. Dies ist möglich, weil die Vorgesellschaft bereits grundbuchfähig ist und Grundstücksrechte erwerben kann (s. § 11 Rdnr. 33). Dagegen soll nach einer verbreiteten Meinung für Grundstücke und andere Immobiliarrechte eine bindende Einigung (§§ 873 Abs. 2, 925 BGB) zusammen mit der Eintragungsbewilligung und dem erforderlichen rangwahrenden Eintragungsantrag5 oder die Eintragung einer Erwerbsvormerkung (§ 883 BGB)6 ausreichend sein. Ihre Vertreter berufen sich auf Praktikabilitätserwägun-

1 RGSt. 48, 153, 159; BGHZ 45, 338, 347 f.; Ulmer, Rdnr. 61; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 132; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. 2 So mit Recht auch Ulmer, Rdnr. 61; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; a.A. BGH, GmbHR 1959, 94. 3 Ulmer, Rdnr. 51; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39 (tatsächliche Nutzungsmöglichkeit). 4 So Ulmer, Rdnr. 61. 5 So Ulmer, Rdnr. 51; Priester, DNotZ 1980, 515, 523; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Meyer-Landrut, Rdnr. 24; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-LeithoffHeinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 9 Rdnr. 37; a.M. Gersch/Herget/ Marsch/Stützle, Rdnr. 79; Hüffer, ZHR 148 (1984), 74, 76; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. 6 So Ulmer, Rdnr. 51; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 9 Rdnr. 37; a.M. Gersch/Herget/Marsch/Stützle, Rdnr. 79; v. Rössing, Sachgründung, S. 34; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Hüffer, ZHR 148 (1984), 74, 76; Meyer-Landrut, Rdnr. 24.

518

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

gen (Beschleunigung der Anmeldung, Entbehrlichkeit der Grundbuchberichtigung). Ferner machen sie geltend, dass der Erwerbsanspruch der Gesellschaft auch gesichert wäre (§ 17 GBO, §§ 883, 888 BGB). Sie verkennen jedoch, dass die geschuldete Einlage damit nicht „bewirkt“ ist und der Einlagegegenstand auch noch nicht „endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer“ steht, wie von § 7 Abs. 3 ausdrücklich gefordert. Die Gesellschaft erhält nicht die vorgeschriebene uneingeschränkte Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück zur Veräußerung oder Belastung. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht für die hier vertretene Sichtweise. Die Ausnahmeregelung des § 7b Abs. 2 RegE, welche die Eintragung einer Vormerkung für ausreichend erklärte, ist bewusst nicht Gesetz worden. Auch bei der Einbringung von Grundstücken als Sacheinlage besteht, so die Vorstellung des Rechtsausschusses, ein Interesse daran, dass die Sacheinlagen möglichst voll erbracht werden und endgültig zur Verfügung der Geschäftsführer stehen. Darüber hinaus auch die Vormerkung zuzulassen, würde zu Unsicherheiten führen1. Bei den Sachübernahmen mit Anrechnungsabrede (s. § 5 Rdnr. 70 ff.), die ebenfalls dem § 7 Abs. 3 unterliegen (Rdnr. 3, 21), erfordert das „Bewirken“, dass vor der Anmeldung der Sachübernahmevertrag abgeschlossen worden, der danach geschuldete Vermögensgegenstand der Vorgesellschaft geleistet (Rdnr. 39 f.) und die Aufrechnung oder Verrechnung der Vergütungsforderung gegen die Stammeinlage vorgenommen sein muss2. Diese Erfordernisse ergeben sich aus dem Zweck des § 7 Abs. 3, die Aufbringung des Stammkapitals durch die angeordnete Volleistung der Sacheinlagen zu sichern. Auch in § 7 Abs. 2 Satz 2 geht das Gesetz von ihrem Vorliegen aus, da die Sachübernahmen bei der Berechnung des durch Einlagen aufzubringenden Mindestvermögens von 12 500 Euro mit berücksichtigt werden.

41

b) Freie Verfügung Die Voraussetzung, dass die Sacheinlagen „endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer“ stehen (§ 7 Abs. 3), ist im Allgemeinen zugleich mit dem ordnungsgemäßen „Bewirken“ (Rdnr. 39 ff.) erfüllt. Zusätzliche Abreden und Einschränkungen, die dies in Frage stellen können, sind unzulässig. Die Ausführungen oben Rdnr. 33 ff. gelten insoweit sinngemäß.

4. Mehrleistungen Schrifttum: Barz, Geldeinlage-Zahlungen der Gesellschafter vor Eintragung der GmbH, GmbHR 1962, 189; Gröning, Wird ein GmbH-Gesellschafter von seiner Geldeinlageverbindlichkeit befreit, wenn er Einzahlungen auf seine Stammeinlage leistet, bevor die GmbH in das Handelsregister eingetragen ist?, 1966; Hofmann, Voreinzahlungen auf Anteile an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, AG 1963, 261 u. 299; Joost, Vorbelastungshaftung und Leistung der Bareinlage in das

1 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71. 2 Zutr. Ulmer, Rdnr. 49; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 5 Rdnr. 37; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 9 Rdnr. 54.

H. Winter/Veil

|

519

42

§7

Anmeldung

Vermögen der Vor-GmbH vor Fälligkeit, ZGR 1989, 554; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964; Meister, Zur Vorbelastungsproblematik und zur Haftungsverfassung der Vorgesellschaft bei der GmbH, in: FS Werner, 1984, S. 521; Melber, Zur Kaduzierung des GmbH-Gesellschafters trotz freiwilliger vollständiger Einlageleistung vor Eintragung der GmbH, GmbHR 1991, 563; Pleyer, Freiwillige Zahlungen auf die Stammeinlage vor Eintragung der GmbH in das Handelsregister, GmbHR 1962, 156; K. Schmidt, Unterbilanzhaftung – Vorbelastungshaftung – Gesellschafterhaftung, ZHR 156 (1992), 93; Stimpel, Unbeschränkte oder beschränkte, Außen- oder Innenhaftung der Gesellschafter der Vor-GmbH?, in: FS Fleck, 1988, S. 345; Ulbrich, Bedeutung und Anrechnung von Leistungen auf GmbH-Stammeinlagen im Gründungsstadium, 1965; Ulbrich, Anrechnung freiwilliger Voreinzahlungen, wenn dafür Sachwerte zufließen, GmbHR 1966, 249.

43

Das Gesetz regelt nur die Mindesteinlageleistungen. Der Gesellschaftsvertrag kann bestimmen, dass die Gesellschafter bei der Gründung höhere Einzahlungen zu leisten haben1. Das entspricht dem Sinn der Vorschrift, die die Geldeinlageleistungen vor der Eintragung nicht etwa auf die genannten Beträge beschränken, sondern im Gegenteil erreichen will, dass die Gesellschaft schon vor der Anmeldung mit einem realen Gesellschaftsvermögen ausgestattet und ein Mindestmaß an finanzieller Leistungsfähigkeit durch die aufgebrachten Einlagen nachgewiesen ist (Rdnr. 2). Von einer gesetzlichen Volleistungspflicht aller Geldeinlagen vor der Anmeldung ist nur deswegen abgesehen worden, weil die unwirtschaftliche Anlage nicht benötigten Kapitals vermieden und kein Anreiz zur Festsetzung eines zu niedrigen Stammkapitals gegeben werden sollte. Die Möglichkeit der höheren Einzahlung ist zudem in § 8 Abs. 2 Satz 2 für die Einmanngründung ausdrücklich vorausgesetzt (Rdnr. 46 ff.).

44

Mit Recht wird daher seit langem nahezu einhellig2 angenommen, dass die Einlageschuld durch Mehrleistungen der Gesellschafter, die auf einer derartigen statutarischen Anordnung beruhen, erlischt (§ 362 BGB). Dagegen vertraten früher die Rechtsprechung und das überwiegende Schrifttum mit wechselnden Begründungen die Ansicht, dass eine freiwillige Mehrleistung den Gesellschafter nur dann befreie, wenn das eingezahlte Geld bei Eintragung noch unverbraucht oder jedenfalls in Form eines Gegenwertes vorhanden ist oder das Gesellschaftsvermögen das Stammkapital deckt. Der BGH hat diese Auffassung aber unter Berufung auf die Vorbelastungsfaftung der Gründungsgesellschafter aufgegeben3. Allerdings verlangt eine verbreitete Ansicht noch, dass die Mehr-

1 Allg.M.; vgl. RGZ 149, 293, 302; BGHZ 15, 66, 68; BGHZ 37, 75, 77 f.; BGHZ 80, 129, 137; BGH, GmbHR 1967, 145; Ulmer, Rdnr. 46. 2 Vgl. RGZ 83, 370, 374 ff.; RG, JW 1922, 94; Ulmer, Rdnr. 46; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Hofmann, AG 1963, 261 ff.; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 7 Rdnr. 16. 3 BGHZ 105, 300, 301 ff.; im Erg. eb. Joost, ZGR 1989, 554; Stimpel, in: FS Fleck, 1988, S. 345, 346 ff.; K. Schmidt, ZHR 156 (1992), 93, 104 ff.; Meister, in: FS Werner, S. 521, 531; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 7 Rdnr. 17; Ulmer, Rdnr. 46 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; a.M. Meyer-Landrut, Rdnr. 9.

520

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

leistung entweder durch die Satzung festgelegt bzw. erlaubt oder im Einvernehmen aller Gesellschafter erbracht wurde1. Diese Einschränkung ist indes abzulehnen. Eine freiwillige Mehrleistung, die ordnungsgemäß zur freien Verfügung der Gesellschaft erbracht worden ist, führt im Zweifel (§ 271 Abs. 2 BGB) zum Erlöschen der Einlageschuld. Es ist schwerlich einleuchtend, dass das Risiko für die gleichermaßen zu gemeinschaftlichen Zwecken verwendeten Mittel bei den gesetzlich oder statutarisch angeordneten Einlageleistungen vor Eintragung allen Gesellschaftern, bei anderen darüber hinausgehenden Einlageleistungen aber allein dem betreffenden Gesellschafter aufgebürdet werden soll. Es wäre zudem ein eindeutiger Wertungswiderspruch, wenn das früher angewandte Vorbelastungsverbot trotz der übereinstimmenden möglichen Lücken der es ersetzenden Vorbelastungshaftung im Übrigen generell aufgegeben wird, dies aber nicht für den Mehreinleger gelten soll, obwohl er die Geldleistungen ordnungsgemäß zur freien Verfügung der Geschäftsführer eingebracht hat. Entscheidend gegen die Einschränkung der Erfüllungswirkung spricht ferner, dass die die effektive Aufbringung der Einlageleistung sichernde Vorschrift (§ 7 Abs. 2) sich nicht auf die Verwendung der in Übereinstimmung mit ihr eingezahlten Mittel durch die Gesellschaft bezieht. Es besteht daher kein hinreichender Grund dafür, die Erfüllungswirkung der Mehrleistungen beim Fehlen einer Satzungsregelung von der Zustimmung aller Gesellschafter abhängig zu machen2. Und schließlich: Die Vorbelastungshaftung wird nicht durch die freiwillige Mehrleistung, sondern durch die Aufnahme der Geschäftstätigkeit ausgelöst und im Wesentlichen auch umfangmäßig bestimmt3. Die Erfüllungswirkung von freiwilligen Mehrleistungen tritt demzufolge nur dann nicht ein, wenn sich aus der Satzung oder besonderen Umständen des Einzelfalls etwas anderes ergibt4. Die Leistung der statutarisch erforderlichen Mehrbeträge ist keine Anmeldevoraussetzung. Die Versicherung nach § 8 Abs. 2 hat sich auf sie und etwaige freiwillige Mehrleistungen (Rdnr. 44) nur dann zu erstrecken, wenn und soweit davon die bei der Einmanngründung zusätzlich zu leistenden Sicherungen (Rdnr. 47 ff.) abhängen (s. § 8 Rdnr. 25).

IV. Einmanngründung Schrifttum: Dölle, Die Beteiligung der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts an einer GmbH, 1983; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, 1986; Kleberger, Die rechtliche Behandlung von Sicherungen bei der Gründung der Einmann-GmbH, 1986; Schröder, Die Einmann-Vorgesellschaft, Rechtsträgerschaft und Gläubigerschutz, 1990.

1 So insbesondere Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Ulmer, Rdnr. 46; Melber, GmbHR 1991, 563, 565 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. 2 So Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7 und Ulmer, Rdnr. 46 f. 3 Zutr. Stimpel, in: FS Fleck, S. 345, 347 f. 4 Stimpel, in: FS Fleck, S. 345, 348 u. Melber, GmbHR 1991, 563, 566, der aber zu Unrecht einen Widerspruch der Mitgesellschafter gegen den Geschäftsbeginn als beachtlichen Umstand ansieht.

H. Winter/Veil

|

521

45

§7

Anmeldung

1. Leistung vor Anmeldung 46

Die Vorschriften über die Mindesteinzahlung auf die Geldeinlagen und über die Volleistung der Sacheinlagen vor der Anmeldung (§ 7 Abs. 2 Satz 1, 2 u. Abs. 3) gelten, wie die §§ 7 Abs. 2 Satz 3, 8 Abs. 2 besonders hervorheben, uneingeschränkt auch für die Einmanngründung. S. zur GmbH-Reform Rdnr. 4. Außerdem hat der Gesellschafter als Ausgleich für die fehlende Mithaftung gem. § 24 (s. Rdnr. 4) für den noch ausstehenden Teil der Geldeinlage eine Sicherung zu bestellen (§ 7 Abs. 2 Satz 3). Das Gesetz geht demzufolge ebenso wie bei einer Mehrmanngründung davon aus, dass der Vor-GmbH gegen den Gesellschafter Einlageansprüche zustehen, sie von ihm die geschuldeten Einlagegegenstände sowie Sicherheiten erwerben (Rdnr. 26 ff., 39 ff.) und sie diese Vermögensgegenstände als eigene innehaben kann. Die Vor-GmbH ist deshalb auch bei der Einmanngründung als ein rechtlich verselbständigter Vermögensträger zu qualifizieren1. Die (vor allem früher vertretene) abweichende Auffassung, die ihre Rechtssubjektivität verneint2, ist mit dem Wortlaut und Zweck der §§ 7 Abs. 2 u. 3, 8 Abs. 2 unvereinbar3 und genügt mit den vorgeschlagenen Ersatzlösungen auch nicht den gesetzlichen Erfordernissen der Mindesteinlage- und Sicherungsleistungen4. Es kann ihr andererseits auch nicht zugestimmt werden, dass das Registergericht für die Einmanngründung allgemein oder bei einzelnen Fallgestaltungen (z.B. beim Einmanngesellschafter-Geschäftsführer) über die §§ 7 Abs. 2 u. 3, 8 Abs. 2 hinausgehende oder anderweitige Anforderungen an die Kapitalsicherung stellen dürfe5. Allerdings sind die Einlagen in einer Weise zu leisten, dass ihre Überführung in das Vermögen der Vor-GmbH auch nach außen erkennbar wird6. Die Konfliktlage, die sich bei der Einmann-GmbH, nicht minder aber bei vielen Strohmannbeteiligungen im Hinblick auf die stärkere Gefährdung der Vermögenstrennung ergibt, war dem Gesetzgeber im Übrigen bekannt. Gleichwohl hat er die allgemeinen Sicherungen (§§ 9a, 82 Abs. 1 Nr. 1 u. 4) als ausreichend erachtet7. Zutreffend ist es allerdings, dass bei Einmanngründungen eher ein Anlass gegeben sein kann, das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 7 Abs. 2 u. 3 besonders sorgfältig zu prüfen.

1 Eb. K. Schmidt, NJW 1980, 1769, 1775; K. Schmidt, ZHR 145 (1981), 540; K. Schmidt, GesR, § 40 II 2; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 87 ff.; Gummert, in: MünchHdb. GesR III, § 16 Rdnr. 7 f. Stark angenähert, aber für ein Sondervermögen des Einmanngründers Flume, DB 1980, 1781, 1783; Flume, ZHR 146 (1982), 205; Flume, Die juristische Person, 1983, S. 172; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rdnr. 142 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 11 Rdnr. 81; Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 376 ff.; Ulmer, Rdnr. 65. S. auch Erl. zu § 11. 2 So vor allem Hüffer, ZHR 142 (1978), 486; 145 (1981), 521 und in: Die Zukunft der GmbH, 1983, S. 167, 174 ff. 3 Auch die Gesetzesmaterialien belegen entgegen Hüffer, ZHR 145 (1981), 521, 524 das Gegenteil; vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 32 u. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71. 4 Eingehend dazu K. Schmidt, ZHR 145 (1981), 540, 550 ff. 5 Vgl. Hüffer, ZHR 145 (1981), 521, 534, 538. 6 BayObLG, GmbHR 1994, 329, 330; ähnlich auch Ulmer, Rdnr. 67. 7 BayObLG, GmbHR 1988, 392, 393; K. Schmidt, NJW 1980, 1769, 1775; ZHR 145 (1981), 540, 551, 560 f.; Raiser, in: Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, 1981, S. 39 f.; Flume, Die juristische Person, 1983, S. 175 f.

522

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

2. Bestellung einer Sicherung Die Bestellung einer Sicherung ist erforderlich, wenn die Gesellschaft „nur durch eine Person errichtet“ wird (§ 7 Abs. 2 Satz 3; zur GmbH-Reform Rdnr. 4). Diese Vorschrift ist nicht nur bei der Errichtung durch eine natürliche oder juristische Person anwendbar, sondern auch dann, wenn eine Personenvereinigung (OHG, KG, BGB-Gesellschaft) als Gründerin auftritt1. Es ist darüber hinaus nicht nur auf die Verhältnisse bei der „Errichtung der Gesellschaft“ (§ 1) abzustellen. Die Sicherungsbestellung ist nach dem Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 3 auch dann notwendig, wenn vor der Eintragung der Gesellschaft durch das Ausscheiden eines Vertragsbeteiligten nur noch ein Gründer verbleibt2. War die Anmeldung bereits erfolgt, besteht eine Anzeigepflicht der Geschäftsführer analog § 40 Abs. 1 (s. § 8 Rdnr. 8)3. Außerdem ist die Versicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 abzugeben. Umgekehrt kann durch den Hinzutritt eines Gesellschafters bis zur Eintragung die Pflicht zur Bestellung einer Sicherung entfallen (Rdnr. 51).

47

a) Übriger Teil der Geldeinlage Die Sicherung ist für den übrigen Teil der Geldeinlage zu bestellen (§ 7 Abs. 2 Satz 3). Es ist der Betrag der Stammeinlagepflicht in Geld, der nach Abzug der Mindesteinzahlungen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 u. 2) und der statutarischen oder freiwilligen Mehrleistungen (Rdnr. 43 ff.) verbleibt (s. auch § 8 Abs. 2 Satz 2). War eine Sachübernahme mit Anrechnungsabrede im Gesellschaftsvertrag festgesetzt (s. § 5 Rdnr. 70 ff., 86 ff.), so ist auch der bis zur Anmeldung durch Aufrechnung oder Verrechnung getilgte Betrag der Geldeinlage (Rdnr. 41) abzuziehen. Eine Sicherung für Sacheinlagen i.e.S. (s. § 5 Rdnr. 37) kommt dagegen wegen der angeordneten Volleistung vor Anmeldung (§ 7 Abs. 3) im allgemeinen nicht in Betracht. Sie kommt aber analog § 19 Abs. 4 dann in Betracht, wenn nach Eintragung der GmbH eine Geldeinlagepflicht des Gesellschafters ganz oder teilweise an die Stelle der vereinbarten Sacheinlage getreten ist (weil die statutarische Festsetzung unwirksam war oder der Stammeinlagebetrag nicht durch den Wert des Einlagegegenstandes gedeckt ist und daher gem. § 9 eine Geldeinlagepflicht begründet ist)4.

48

b) Sicherung Was unter einer Sicherung i.S. des § 7 Abs. 2 Satz 3 zu verstehen ist, bestimmt das Gesetz nicht. Der Ausdruck ist, wie die Entstehungsgeschichte der Vor-

1 John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 30 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 10; Dölle, Die Beteiligung der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts an einer GmbH, S. 74. A.A. Ulmer, Rdnr. 72. 2 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 38; Ulmer, Rdnr. 64; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 7; K. Schmidt, ZHR 145 (1981), 540, 559 f.; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 49 ff. 3 Zutr. Ulmer, Rdnr. 73; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 51; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 38. 4 Eb. Ulmer, Rdnr. 73; a.M. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 32; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 29 f.

H. Winter/Veil

|

523

49

§7

Anmeldung

schrift ergibt1, gewählt worden, um anzudeuten, dass nicht nur Sicherheiten i.S. der §§ 232 ff. BGB geeignet sind. Es braucht sich auch nicht, wie vielfach angenommen wird2, um wirtschaftlich gleichwertige Sicherungen zu handeln. Es ist nach dem Gesetzeszweck (Rdnr. 4) erforderlich, aber auch ausreichend, wenn das Sicherungsmittel so beschaffen ist, dass es der uneingeschränkten persönlichen Haftung einer weiteren Person für die Restgeldeinlage gleichwertig ist3. Es genügt daher – ohne die Einschränkungen der §§ 232 Abs. 2, 239 BGB4 – auch eine selbstschuldnerische Bürgschaft oder die Schuldmitübernahme eines anderen5. Sicherungsmittel können darüber hinaus z.B.6 auch uneingeschränkte Garantien, Grundschulden, Sicherungseigentum an Sachen oder Forderungen u.ä. sein. Nicht geeignet sind schuldrechtliche Verpflichtungen des EinmannGründers7, während die selbstschuldnerische Bürgschaft eines verbundenen Unternehmens ausreichen kann8. Erforderlich ist aber immer eine hinreichende Werthaltigkeit des betreffenden Sicherungsgegenstandes; zur Prüfungspflicht des Registergerichts vgl. § 9c Rdnr. 289. 50

Die Wahl unter verschiedenen geeigneten Sicherungsmitteln steht dem Einmanngründer zu10. Eine Rangfolge zulässiger Sicherungen ist im GmbHG nicht vorgesehen. Das Registergericht kann zwar ungeeignete und unzureichende Sicherungen beanstanden (Rdnr. 49), seinerseits aber nicht die Bestellung bestimmter Sicherungen verlangen. 1 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 32. 2 So Deutler, GmbHR 1980, 146; Geßler, BB 1980, 1385, 1388; Priester, DNotZ 1980, 515, 524; Baums, StuW 1980, 298, 301; nahestehend BayObLG, GmbHR 1988, 392, 393. 3 OLG Celle, GmbHR 1985, 195; Ulmer, Rdnr. 76; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 37; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 29. 4 Zutr. OLG Celle, GmbHR 1985, 195; LG Essen, MittRhNotK 1986, 172; Meyer-Landrut, Rdnr. 19 u. wohl auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 10 Rdnr. 15; a.M. BayObLG, GmbHR 1988, 392, 394 f., aber zweifelnd bezüglich der Notwendigkeit des allgemeinen Gerichtsstandes im Inland. 5 OLG Celle, GmbHR 1985, 195; BayObLG, GmbHR 1988, 392, 393; LG München, MittBayNotK 1985, 142; LG Essen, MittRhNotK 1986, 172; Ulmer, Rdnr. 76, 78; Winter, in: Pro GmbH, 1981, S. 191, 202 f.; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; weitergehend Bartl, in: HK-GmbHR, Rdnr. 12a; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 10 Rdnr. 15. 6 Vgl. im Übrigen die umfassende Übersicht bei Kleberger, Die rechtliche Behandlung von Sicherungen bei der Gründung der Einmann-GmbH, S. 91 ff., 119 ff. 7 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6. 8 OLG Celle, GmbHR 1985, 195; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; für strengere Bonitätsprüfung bei der Bürgschaft einer 100%igen Tochtergesellschaft der Gründungsgesellschafterin BayObLG, GmbHR 1988, 392, 393. 9 Die Bonität eines Bürgen ist im Regelfall nicht zu prüfen; vgl. BayObLG, GmbHR 1988, 392, 393; LG Essen, MittRhNotK 1986, 172; Priester, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 159, 165; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 10 Rdnr. 19. 10 John, Die Gründung der Einmann-GmbH S. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11.

524

|

H. Winter/Veil

§7

Anmeldung

c) Bestellung Die Bestellung der Sicherung hat vor der Anmeldung zu erfolgen (§ 7 Abs. 2 Satz 3). Die Gesellschaft muss die Sicherung in entsprechender Weise wie die Mindesteinlageleistungen (Rdnr. 26 ff., 39 ff.) vorbehaltlos und endgültig erworben und die uneingeschränkte Möglichkeit erhalten haben, sich wegen der fälligen Geldeinlageforderung aus ihr zu befriedigen1. Das erfordert auch, dass ein vom Gründer stammender Sicherungsgegenstand genügend aus dessen übrigen Vermögen ausgesondert ist2. Die Gesellschaft kann analog § 240 BGB die Ergänzung der Sicherung verlangen, wenn die bestellte Sicherung nachträglich unzureichend geworden ist3.

51

d) Rückforderung Die Sicherung kann zurückgefordert werden, wenn die gesicherte Geldeinlage geleistet oder im Wege der Kapitalherabsetzung erlassen wird (§§ 19 Abs. 3, 58) oder wenn ein weiterer Gesellschafter auf Grund der Abtretung eines Teilgeschäftsanteils (§§ 15, 17) oder der Übernahme eines neuen Geschäftsanteils aus einer Kapitalerhöhung (§§ 55 ff.) hinzukommt und damit die Ausfallhaftung des § 24 für die ausstehende Geldeinlage des Einmanngründers eingreift4. Der Ablauf der Dreijahresfrist berechtigt dagegen nur im Falle der bei einer späteren Anteilsvereinigung (§ 19 Abs. 4) zu stellenden, nicht aber auch bei der nach § 7 Abs. 2 Satz 3 bestellten Sicherung zur Freigabe, da ihr nachträglicher Entzug die Lage der Gläubiger, die auf die Sicherung vertraut haben, verschlechtern würde5. Das Freiwerden der registergerichtlich geprüften Sicherung ist auch nicht durch den nachträglichen Austausch gegen eine andere zu erreichen.

52

Die unberechtigte Rückgabe einer Sicherung ist analog § 19 Abs. 2 nichtig6. Der Geschäftsführer haftet in diesem Fall entsprechend § 43 Abs. 3 auf Schadensersatz.

53

e) Rechtsfolgen Das Registergericht hat die Eintragung der Gesellschaft abzulehnen, wenn keine oder nur eine unzulängliche oder ungeeignete Sicherung bestellt worden

1 BayObLG, GmbHR 1988, 392 f.; Ulmer, Rdnr. 80; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 10 Rdnr. 16. 2 Zutr. Ulmer, Rdnr. 67, 80. 3 So auch Ulmer, Rdnr. 80; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 29; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 10 Rdnr. 16; für unmittelbare Anwendung der Vorschrift Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33. 4 Vgl. Deutler, GmbHR 1980, 146 f.; Geßler, BB 1980, 1385, 1388; Winter, in: Pro GmbH, 1981, S. 203; Ulmer, Rdnr. 81; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 29 f. 5 Eb. Ulmer, Rdnr. 81; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 30; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 10 Rdnr. 17. Vgl. auch Gersch/Herget/Marsch/Stützle, GmbHReform 1980, 1980, Rdnr. 157. 6 So auch Ulmer, Rdnr. 81; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 10 Rdnr. 16; einschr. John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 31 f. (nur für die vom Gründungsgesellschafter bestellten Sicherheiten).

H. Winter/Veil

|

525

54

§8

Inhalt der Anmeldung

ist1. Die unter Verletzung des § 7 Abs. 2 Satz 3 eingetragene Gesellschaft ist aber nicht nichtig (§ 75) und kann auch nicht gem. §§ 142, 144 FGG von Amts wegen gelöscht werden (s. Rdnr. 15). Es ist analog §§ 19 Abs. 4, 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG i.V.m. § 144b FGG das Auflösungsverfahren zu beschreiten, wenn die Sicherung nicht in der gesetzten Frist nachträglich bestellt wird2.

V. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) 55

Die Vorschrift soll durch die für das Jahr 2007 geplante Reform des GmbHG eine Änderung erfahren. So sieht der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) in Art. 1 Nr. 5 vor, dass § 7 Abs. 2 Satz 3 aufgehoben werden soll. Siehe zu dieser beabsichtigten Änderung oben Rdnr. 4.

§8

Inhalt der Anmeldung (1) Der Anmeldung müssen beigefügt sein: 1. der Gesellschaftsvertrag und im Fall des § 2 Abs. 2 die Vollmachten der Vertreter, welche den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet haben, oder eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunden, 2. die Legitimation der Geschäftsführer, sofern dieselben nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt sind, 3. eine von den Anmeldenden unterschriebene Liste der Gesellschafter, aus welcher Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der letzteren sowie der Betrag der von einem jeden derselben übernommenen Stammeinlage ersichtlich ist, 4. im Fall des § 5 Abs. 4 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, und der Sachgründungsbericht, 5. wenn Sacheinlagen vereinbart sind, Unterlagen darüber, dass der Wert der Sacheinlagen den Betrag der dafür übernommenen Stammeinlagen erreicht, 6. in dem Fall, dass der Gegenstand des Unternehmens der staatlichen Genehmigung bedarf, die Genehmigungsurkunde. (2) In der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet. Wird die Gesellschaft nur durch eine Person errichtet und die Geldeinlage nicht voll eingezahlt, so ist auch zu versichern, dass die nach § 7 Abs. 2 Satz 3 erforderliche Sicherung bestellt ist. 1 BayObLG, GmbHR 1988, 392, 393. 2 BayObLG, GmbHR 1988, 392, 394; Ulmer, Rdnr. 81.

526

|

H. Winter/Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

ist1. Die unter Verletzung des § 7 Abs. 2 Satz 3 eingetragene Gesellschaft ist aber nicht nichtig (§ 75) und kann auch nicht gem. §§ 142, 144 FGG von Amts wegen gelöscht werden (s. Rdnr. 15). Es ist analog §§ 19 Abs. 4, 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG i.V.m. § 144b FGG das Auflösungsverfahren zu beschreiten, wenn die Sicherung nicht in der gesetzten Frist nachträglich bestellt wird2.

V. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) 55

Die Vorschrift soll durch die für das Jahr 2007 geplante Reform des GmbHG eine Änderung erfahren. So sieht der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) in Art. 1 Nr. 5 vor, dass § 7 Abs. 2 Satz 3 aufgehoben werden soll. Siehe zu dieser beabsichtigten Änderung oben Rdnr. 4.

§8

Inhalt der Anmeldung (1) Der Anmeldung müssen beigefügt sein: 1. der Gesellschaftsvertrag und im Fall des § 2 Abs. 2 die Vollmachten der Vertreter, welche den Gesellschaftsvertrag unterzeichnet haben, oder eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunden, 2. die Legitimation der Geschäftsführer, sofern dieselben nicht im Gesellschaftsvertrag bestellt sind, 3. eine von den Anmeldenden unterschriebene Liste der Gesellschafter, aus welcher Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der letzteren sowie der Betrag der von einem jeden derselben übernommenen Stammeinlage ersichtlich ist, 4. im Fall des § 5 Abs. 4 die Verträge, die den Festsetzungen zugrunde liegen oder zu ihrer Ausführung geschlossen worden sind, und der Sachgründungsbericht, 5. wenn Sacheinlagen vereinbart sind, Unterlagen darüber, dass der Wert der Sacheinlagen den Betrag der dafür übernommenen Stammeinlagen erreicht, 6. in dem Fall, dass der Gegenstand des Unternehmens der staatlichen Genehmigung bedarf, die Genehmigungsurkunde. (2) In der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, dass die in § 7 Abs. 2 und 3 bezeichneten Leistungen auf die Stammeinlagen bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet. Wird die Gesellschaft nur durch eine Person errichtet und die Geldeinlage nicht voll eingezahlt, so ist auch zu versichern, dass die nach § 7 Abs. 2 Satz 3 erforderliche Sicherung bestellt ist. 1 BayObLG, GmbHR 1988, 392, 393. 2 BayObLG, GmbHR 1988, 392, 394; Ulmer, Rdnr. 81.

526

|

H. Winter/Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

(3) In der Anmeldung haben die Geschäftsführer zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 entgegenstehen, und dass sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind. Die Belehrung nach § 51 Abs. 2 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 1976 (BGBl. I S. 2005) kann auch durch einen Notar vorgenommen werden. (4) In der Anmeldung ist ferner anzugeben, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben. (5) Die Geschäftsführer haben ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gericht zu zeichnen. Text von 1892, Abs. 4 eingefügt durch Gesetz vom 15. 8. 1969 (BGBl. I, 1146), Abs. 1 Nr. 4 u. 5, Abs. 3 eingefügt sowie Abs. 2 geändert durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836), und Abs. 3 Satz 1 geändert durch Gesetz vom 12. 9. 1990 (BGBl. I, 2002), Abs. 1 Nr. 3 geändert durch Gesetz vom 22. 6. 1998 (BGBl. I, 1474). Das BZRG (Abs. 3 Satz 2) gilt i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. 9. 1984 (BGBl. I, 1229; ber. 1985 I, 195).

Inhaltsübersicht I. Allgemeines . . . . . . . . . .

1

II. Die Anlagen zur Anmeldung 1. Gesellschaftsvertrag . . . . . . 2. Legitimation der Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . 3. Liste der Gesellschafter . . . .

3 6 7

4. Verträge über Sacheinlagen . . 5. Sachgründungsbericht . . . . .

10 12

6. Unterlagen über den Wert der Sacheinlagen . . . . . . . . . .

13

7. Genehmigungsurkunde . . . . 8. Legitimation des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . .

14 18

III. Die Versicherungen der Geschäftsführer 1. Allgemeines . . . . . . . . . .

19

2. Inhalt der Versicherungen a) Gesetzliche Mindestleistungen . . . . . . . . . . . . . .

23

b) Sicherungen bei der Einmanngründung . . . . . . . 25 c) Ausschlussgründe vom Geschäftsführeramt . . . . 26 IV. Angabe der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer . . . . 27 V. Zeichnung der Unterschrift der Geschäftsführer . . . . . . 28 VI. Prüfung durch den Registerrichter; Verstöße gegen § 8 1. Fehlen der Anlagen . . . . . . 29 2. Genehmigungsbedürftigkeit . 30 VII. Verbleib der eingereichten Urkunden . . . . . . . . . . . 32 VIII. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) . . . . . . . . . 33

Schrifttum: von Rössing, Die Sachgründung nach der GmbH-Novelle 1980, 1984; Ulbert, Die GmbH im Handelsregisterverfahren, 1997.

H. Winter/Veil

|

527

§8

Inhalt der Anmeldung

I. Allgemeines 1

Die Vorschrift regelt einzelne inhaltliche Anforderungen an die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister und die ihr beizufügenden Anlagen (s. § 7 Rdnr. 1, 14). Sie ist im Verhältnis zu § 29 HGB lex specialis (s. § 7 Rdnr. 14). Zur analogen Anwendung des § 8 bei Aktivierung einer Vorratsgesellschaft und einer Mantelgesellschaft s. Erl. zu § 3 Rdnr. 26 ff., 37 ff.

2

Die Regelung ist mehrfach geändert worden. Das Erfordernis der Angabe der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 4) ist im Rahmen der Rechtsangleichung in der EG durch das KoordG v. 15. 8. 1969, BGBl. I, 1146, eingeführt worden. Umfangreichere Änderungen sind durch die GmbH-Novelle 1980 erfolgt. Die Bestimmung des Abs. 2 über die Versicherung der Einlagemindestleistungen vor Anmeldung ist den geänderten Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1, 2 u. Abs. 3 angepasst und auf die Bestellung der Sicherungen bei der Einmanngründung gem. § 7 Abs. 2 Satz 3 ausgedehnt worden. Eine zusätzliche Versicherung ist nach Abs. 3 über das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen für die bestellten Geschäftsführer gem. § 6 Abs. 2 Satz 3 u. 4 abzugeben (Verweisungen geändert durch BetreuungsG v. 12. 9. 1990, BGBl. I, 2002). Außerdem fordert das Gesetz in Abs. 1 Nr. 4 u. 5 die Einreichung zusätzlicher Unterlagen bei Sachgründungen, um die gerichtliche Prüfung der Ordnungsmäßigkeit (s. § 9c Rdnr. 32 ff.) in diesen Fällen zu ermöglichen oder zu erleichtern und somit den Gläubigerschutz zu verstärken1. Insgesamt gesehen lässt sich feststellen, dass die strengen Anforderungen an eine Anmeldung die Seriösität des Gründungsvorgangs gewährleisten. Andererseits hat dieser Regelungsansatz zur Folge, dass sich das Verfahren über mehrere Monate hinziehen kann und erhebliche Kosten verursacht. Einige der in § 8 normierten Anforderungen stehen daher auf der Agenda des Reformgesetzgebers. So sieht Art. 1 Nr. 6 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) zahlreiche Änderungen vor, die alle dem Ziel verpflichtet sind, eine schnelle und kostengünstige Eintragung der GmbH zu ermöglichen. Zu nennen ist vor allem das Anliegen, eine erleicherte Eintragung von Gesellschaften zu ermöglichen, deren Unternehmensgegenstand genehmigungspflichtig ist. So soll zukünftig anstelle der Genehmigung die Versicherung genügen, dass die Genehmigung beantragt worden ist. Die Erteilung der Genehmigung soll innerhalb von drei Monaten bzw. einer vom Registergericht gesetzten Frist nach Eintragung nachzuweisen sein.

II. Die Anlagen zur Anmeldung 1. Gesellschaftsvertrag 3

Der Gesellschaftsvertrag ist in einer Ausfertigung der notariellen Urkunde (§ 47 BeurkG) oder in beglaubigter Abschrift der Urschrift oder der Ausfertigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1) einzureichen. Seine Bestimmungen müssen vollständig in einem Schriftstück beurkundet sein2. Die Aufteilung auf den Urkundenmantel und 1 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 33 f.; s. auch BayObLG, GmbHR 1994, 62. 2 OLG Köln, GmbHR 1973, 11; OLG Schleswig-Holstein, GmbHR 1975, 183; OLG Stuttgart, DNotZ 1979, 359, 360; OLG Frankfurt, Rpfleger 1981, 309.

528

|

H. Winter/Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

auf die in Bezug genommene Anlage (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG) ist, wie sich aus dem Sinn des § 54 Abs. 1 Satz 2 ergibt, nicht zulässig (s. § 2 Rdnr. 13 ff.). Bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages vor der Eintragung sind auch die Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der darüber errichteten Urkunde und in entsprechender Anwendung des § 54 Abs. 1 Satz 2 der vollständige Wortlaut des Gesellschaftsvertrages in der geltenden Fassung mit einer entsprechenden abgewandelten Bescheinigung des Notars einzureichen1. Die Herstellung des vollständigen Vertragstextes obliegt den Geschäftsführern2. Eine erneute Beurkundung des gesamten Gesellschaftsvertrages, die überdies zu einer unnötigen Kostenbelastung führen würde, erfordert der Gesetzeszweck der zitierten Vorschrift dagegen nicht. Wird der Gesellschaftsvertrag nach der Anmeldung geändert, so genügt die Nachreichung der genannten Unterlagen; einer erneuten Anmeldung bedarf es nicht3.

4

Soweit ein Gesellschafter beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages durch einen Bevollmächtigten vertreten war, ist auch die Vollmacht in Urschrift bzw. in einer Ausfertigung oder in beglaubigter Abschrift beizufügen. Entsprechendes gilt für die Genehmigungserklärung im Falle vollmachtloser Vertretung. Bei gesetzlicher Vertretung ist die Legitimation, sofern sie nicht gerichtsbekannt ist, nach den jeweils einschlägigen Vorschriften zu belegen, z.B. durch Handelsregisterauszug, Bestallungsurkunde u.ä. (s. § 2 Rdnr. 26)4. Die Vorlage einer schriftlichen Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ist nicht erforderlich5.

5

2. Legitimation der Geschäftsführer Sie ist dann beizufügen, wenn die Geschäftsführer nicht im Gesellschaftsvertrag (Rdnr. 3 ff.) bestellt worden sind. Einzureichen sind die Urkunden über den Bestellungsakt des zuständigen Gesellschaftsorgans. Eine besondere Form schreibt das Gesetz nicht vor; die Schriftform ist ausreichend6. War die Bestellung zulässigerweise mündlich vorgenommen worden, muss sie durch Mitglieder des Gesellschaftsorgans oder die nach dem Gesellschaftsvertrag für die Mitteilung seiner Entscheidungen maßgeblichen Personen (z.B. den Versammlungsleiter) schriftlich bestätigt werden7. Der Nachweis, dass die Geschäftsführer das Amt 1 OLG Köln, GmbHR 1973, 11; OLG Schleswig-Holstein, GmbHR 1975, 183; BayObLG, Rpfleger 1978, 143; BayObLG, BB 1988, 2198; BayObLG, GmbHR 1994, 62 f.; OLG Stuttgart, DNotZ 1979, 359; OLG Frankfurt, Rpfleger 1981, 309; OLG Hamm, GmbHR 1986, 311; KG, GmbHR 1997, 412, 413; Ulmer, Rdnr. 3. 2 Zutr. OLG Zweibrücken, GmbHR 2000, 1204; BayObLG, BB 1988, 2198; Ulmer, Rdnr. 3; abw. OLG Schleswig, DNotZ 1973, 482, 483 (Gesellschafter) u. OLG Celle, OLGZ 1982, 317, 318 (Notar). 3 BayObLG, Rpfleger 1978, 143; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3. 4 Ulmer, Rdnr. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2. Zur Bescheinigung nach § 21 BNotO s. Ulbert, Handelsregisterverfahren, S. 122. 5 Ulmer, Rdnr. 5. 6 Ulmer, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. 7 Zutr. Ulmer, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3. Die schriftliche Niederlegung des Bestellungsbeschlusses verlangt zu Unrecht Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3.

H. Winter/Veil

|

529

6

§8

Inhalt der Anmeldung

angenommen haben, ergibt sich aus ihrer Anmeldung. Änderungen in den Personen der Geschäftsführer, die nach der Anmeldung eintreten, sind analog § 39 unter Beifügung der entsprechenden Legitimationen nachzumelden1.

3. Liste der Gesellschafter 7

Es genügt eine privatschriftliche Aufstellung, unterschrieben von sämtlichen Geschäftsführern (§ 78). Sind Handelsgesellschaften als Gesellschafter bei der GmbH beteiligt, so sind statt Name, Geburtsdatum und Wohnort die Firma und der Gesellschaftssitz anzugeben. Dies gilt auch für die eingetragene OHG oder KG; die Aufführung aller Teilnehmer ist nicht erforderlich. Handelt es sich dagegen um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine nicht rechtsfähige Personengemeinschaft, so ist unter Angabe der Gemeinschaftsform die Einzelaufführung zur Identifizierung nötig2. Dies folgt aus der fehlenden Registerpublizität einer (mittlerweile als teilrechtsfähig anerkannten) GbR oder einer Erbengemeinschaft. Im Übrigen ist es sachgemäß, die Gesellschafter so zu bezeichnen, wie es im Gründungsstatut geschehen ist. Ist ein Einzelkaufmann als Mitgründer unter seiner Firma aufgetreten und bezeichnet (dazu § 2 Rdnr. 46), so wird er in die Gesellschafterliste mit gleicher Bezeichnung aufzunehmen sein3. Die abweichende Meinung des OLG Dresden, KGJ 49, 272 = GmbHRspr. III § 8 R. 1, in der Gesellschafterliste müsse der bürgerliche Name auch dann verwendet werden, wenn im Gesellschaftsvertrag der Firmenname angegeben sei, ist abzulehnen, da sowohl die Liste wie der Gesellschaftsvertrag beim Registergericht von jedermann eingesehen werden können (§ 9 HGB); der Geschäftsverkehr kann daher über die Person Aufschluss erlangen4.

8

Die Liste muss den Mitgliederstand zur Zeit der Anmeldung enthalten5, also die seit der Feststellung des Gründungsstatuts eingetretenen Veränderungen berücksichtigen. Nach jeder späteren Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ist entsprechend § 40 Abs. 1 Satz 1 unverzüglich eine neue Gesellschafterliste einzureichen6.

9

Der Betrag der einzelnen Stammeinlage braucht nur in einer Summe angegeben zu werden; doch für jeden Gesellschafter besonders. Sach- oder Geldeinlage und bewirkte Einzahlung brauchen aus der Liste nicht hervorzugehen7.

1 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. 2 OLG Hamm, BB 1975, 292, 293 (Erbengemeinschaft); OLG Hamm, GmbHR 1996, 363, 365 (GbR); Ulmer, Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; vgl. auch BGHZ 148, 291, 295 zur Anmeldung gem. § 106 Abs. 2 HGB; a.A. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4 (identifizierende Gesamtbezeichnung genüge). 3 Vogel, Anm. 4; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5. 4 A.M. Ulmer, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6. 5 Eb. Ulmer, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4. 6 Vgl. Ulmer, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6. 7 KGJ 38 A 161, 162 f.; Ulmer, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6.

530

|

H. Winter/Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

4. Verträge über Sacheinlagen Ebenfalls beizufügen sind Verträge über Sacheinlagen und über ihre Einbringung sowie über die Ausführung der Sachübernahmen einschließlich der Aufrechnung mit der Vergütung (§ 8 Abs. 1 Nr. 4). Die Vorschrift schreibt die Form nicht selbst vor1, sondern verlangt deren Vorlage nur, wenn sie auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung oder freiwillig schriftlich oder in notarieller Form abgeschlossen worden sind. Es ist aber in der Anmeldung darauf hinzuweisen, wenn schriftliche Verträge nicht vorliegen2.

10

Anders als nach § 37 Abs. 3 Nr. 2 AktG sind die Verträge über den von der Gesellschaft übernommenen Gründungsaufwand nicht einzureichen3. Das Registergericht kann nach § 12 FGG aber bei der Prüfung der Versicherung über die Mindesteinzahlungen (§ 8 Abs. 2) deren Vorlage verlangen, soweit aus ihnen der Gründungsaufwand bestritten worden ist.

11

5. Sachgründungsbericht Einzureichen ist weiter der nach § 5 Abs. 4 Satz 2 zu erstattende Sachgründungsbericht (Abs. 1 Nr. 4). Er muss von allen zur Zeit der Anmeldung beteiligten Gründungsgesellschaftern abgefasst und unterzeichnet sein (s. § 5 Rdnr. 99, 102). Tritt danach ein Gesellschafterwechsel ein, so braucht der hinzukommende Gesellschafter einen eigenen Bericht nicht nachzureichen4. Anders ist es zu beurteilen, wenn der neue Gesellschafter selbst eine Sacheinlage übernimmt. In diesem Fall müssen alle Gesellschafter darüber einen (zusätzlichen) Sachgründungsbericht erstatten und nachreichen (s. § 5 Rdnr. 98 ff.).

12

6. Unterlagen über den Wert der Sacheinlagen Aus den beizufügenden Unterlagen über den Wert der Sacheinlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5) muss sich – unter Berücksichtigung der Erläuterungen im Sachgründungsbericht5 – hinreichend überzeugend ergeben, dass der Wert der einzulegenden oder zu übernehmenden Vermögensgegenstände den Betrag der dafür übernommenen Stammeinlagen erreicht (s. § 5 Rdnr. 56 ff.). Welche Unterlagen im einzelnen erforderlich sind, bestimmt sich nach der Art des Vermögensgegenstandes6. Es kommen ua. in Betracht Kaufverträge, Rechnungen, Nach1 Priester, DNotZ 1980, 515, 521 f.; Ulmer, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7. 2 Priester, DNotZ 1980, 515, 521 Fn. 39; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; v. Rössing, Sachgründung, S. 103 Fn. 6; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7: „empfehlenswert“; abw. Meyer-Landrut, Rdnr. 7. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7. Unzutr. v. Rössing, Sachgründung, S. 99 ff. 4 H.M.; vgl. Ulmer, Rdnr. 11; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 54; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 5 Rdnr. 33; anders noch die Vorauflage. 5 Vgl. Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Ulmer, Rdnr. 12; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 8; v. Rössing, Sachgründung, S. 112 m.w.N. 6 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 34; BayObLG, GmbHR 1995, 52, 53; Ulmer, Rdnr. 12; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff,

H. Winter/Veil

|

531

13

§8

Inhalt der Anmeldung

weise der Herstellungskosten, Preislisten, Kurszettel, Tarife1. Bei der Sacheinlage von Unternehmen ist eine Einbringungsbilanz beizufügen2, die regelmäßig dann ausreicht, wenn die Einbringung zu Buchwerten erfolgen soll, der Bilanzstichtag zeitnah genug ist (s. § 5 Rdnr. 59) und die Ordnungsmäßigkeit der Bilanzierung durch einen Angehörigen der wirtschaftsprüfenden oder steuerberatenden Berufe bescheinigt ist3. Abweichende Einbringungswerte sind dagegen gesondert zu belegen. Die Vorlage der Jahresabschlüsse für vorausgehende Geschäftsjahre kann im allgemeinen nicht verlangt werden4. Der Wert mancher Sacheinlagegegenstände lässt sich grundsätzlich nur durch ein Sachverständigengutachten ausreichend belegen, so z.B. für gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte, Lizenzrechte, Grundstücke und Gebäude5, Beteiligungen an anderen Unternehmen u.ä.6. Ausnahmsweise kann es in diesen Fällen entbehrlich sein, wenn der Kaufvertrag über einen nur kurze Zeit zurückliegenden Erwerb von einem unbeteiligten Dritten vorgelegt wird7.

7. Genehmigungsurkunde 14

Eine Genehmigungsurkunde ist beizufügen, falls eine „staatliche Genehmigung“ für den Gegenstand des Unternehmens erforderlich ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 6; zur GmbH-Reform Rdnr. 2). Die Genehmigung, die der Gesellschaft als solcher, nicht nur einem Gesellschafter oder dem Geschäftsführer erteilt sein muss8, ist eine Voraussetzung für ihre Eintragung in das Handelsregister (Rdnr. 30). § 8 Abs. 1 Nr. 6 schränkt insoweit § 7 HGB ein9. Das Gesetz will die Entstehung

1

2

3

4

5 6

7 8 9

Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6. Vgl. Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Deutler, GmbHR 1980, 145, 148; Priester, DNotZ 1980, 515, 522; Ulmer, Rdnr. 12; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 9 Rdnr. 41; Meyer-Landrut, Rdnr. 9. Eb. Priester, DNotZ 1980, 515, 522; Ulmer, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Meyer-Landrut, Rdnr. 10; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 9 Rdnr. 41; einschr. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8 (zweckmäßig, nur in schwierigen Fällen unerlässlich). Vgl. Priester, DNotZ 1980, 515, 522; Ulmer, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Meyer-Landrut, Rdnr. 10; Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 764; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 9 Rdnr. 41. So auch Ulmer, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Meyer-Landrut, Rdnr. 10; einschr. Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 9 Rdnr. 41; a.M. Lutter, DB 1980, 1317, 1318. Vgl. BayObLG, GmbHR 1995, 52, 53. Ulmer, Rdnr. 12; Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Priester, DNotZ 1980, 515, 522; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 9 Rdnr. 41. Eb. Ulmer, Rdnr. 12. KG, HRR 1932 Nr. 1760; OLG Hamm, GmbHR 1997, 600, 601; Ulmer, Rdnr. 14; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9. BGHZ 102, 209, 214; BayObLGZ 1976, 12, 13; OLG Braunschweig, Rpfleger 1977, 363, 364; OLG Hamm, WM 1980, 22; Ulmer, Rdnr. 15; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 10.

532

|

H. Winter/Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

einer juristischen Person mit einem mangels der erforderlichen staatlichen Genehmigung unerlaubten Unternehmensgegenstand verhindern1. Ist die staatliche Genehmigung davon abhängig, dass die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zuvor erfolgt und nachgewiesen ist, wird das Registergericht zunächst eine Auskunft über die Genehmigungsfähigkeit einholen oder die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung der zuständigen Behörde verlangen müssen. Bestehen danach keine Bedenken gegen die Genehmigung, so hat es, abweichend von § 8 Abs. 1 Nr. 6, die Gesellschaft einzutragen2. Die Genehmigungsbedürftigkeit i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 bestimmt sich nach dem statutarischen Unternehmensgegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2)3. Sofern die Angabe, wie nicht selten, allgemein und weit gefasst ist, kommt es auf den durch Auslegung der Satzung zu ermittelnden wirklichen Zweck und nicht darauf an, was denkbarerweise alles darunter zu verstehen sein könnte. Daher kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass eine selbständig ausübbare und nach der Verkehrsüblichkeit auch regelmäßig nicht mit anderen Geschäftszweigen ausgeübte genehmigungspflichtige Tätigkeit, die vom Wortsinn der Angabe im Statut noch erfasst wird, gewollt ist. Nur mit dieser Einschränkung ist der zu weitgehenden Formulierung in RGZ 62, 96, 98 zuzustimmen, wonach bei der Auslegung der Satzung ein genehmigungsbedürftiges Unternehmen „als Ausnahme von der Regel nicht zu unterstellen“ sei. Entscheidend ist, was die Gesellschaft für den Zeitpunkt der Eintragung nach den Gesamtumständen bei objektiver Beurteilung konkret bezweckt4; ein klarstellender Zusatz zum statutarischen Unternehmensgegenstand über den Ausschluss genehmigungsbedürftiger Tätigkeiten ist zulässig5. Ergibt die Auslegung der Satzung, dass der Gegenstand des Unternehmens sowohl genehmigungspflichtige als auch genehmigungsfreie Tätigkeiten umfassen soll, so kann, wenn die Genehmigung fehlt oder versagt worden ist, ein Teil nicht für sich eingetragen werden, selbst wenn der Unternehmensgegenstand bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise an sich teilbar wäre6. Bei unzureichender Individualisierung des Unternehmensgegenstandes im Gesellschaftsvertrag kann die Anmeldung aus diesem Grunde zu beanstanden sein (s. § 3 Rdnr. 12 ff.).

15

Maßgebend für die Genehmigungsbedürftigkeit des Unternehmensgegenstandes sind die öffentlich-rechtlichen Vorschriften7. Die GmbH bedarf beispiels-

16

1 Vgl. BGHZ 102, 209, 217; BayObLG, GmbHR 1990, 454. 2 Eb. OLG Hamm, GmbHR 1997, 600, 601; LG Kleve, GmbHR 1997, 1066; Ulmer, Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; vgl. auch BGHZ 102, 209, 212. 3 BayObLG, BB 1976, 437, 438; BayObLG, GmbHR 1979, 224, 225; BayObLG, GmbHR 1990, 454; BayObLG, GmbHR 1994, 60, 61; Ulmer, Rdnr. 17; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9. 4 OLG Celle, NJW 1964, 1964; OLG Frankfurt, WM 1980, 22; Ulmer, Rdnr. 17; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Meyer-Landrut, Rdnr. 13; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9. 5 Vgl. BayObLG, GmbHR 1994, 60, 62. 6 BGHZ 102, 209, 217; BayObLG, DB 1979, 2028; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9; Ulmer, Rdnr. 15; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 7. 7 Über die Bindung des Registergerichts an die Entscheidung der Genehmigungsbehörde vgl. Rdnr. 30.

H. Winter/Veil

|

533

§8

Inhalt der Anmeldung

weise einer staatlichen Genehmigung für folgende Tätigkeiten: den gewerbsmäßigen Betrieb einer Privatkrankenanstalt (§ 30 GewO), von Spielhallen u.ä. (§ 33i GewO), eines Pfandleih-, Versteigerungs- oder Bewachungsunternehmens (§§ 34 ff. GewO), die gewerbsmäßige Tätigkeit als Makler, Bauträger und Baubetreuer (§ 34c GewO), das gewerbsmäßige Betreiben einer Gaststätte (§ 2 GaststättenG)1, die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Omnibussen oder Kraftfahrzeugen im Linienoder Gelegenheitsverkehr (§ 2 PBefG), die Ausführung von Geschäften des Güternah- und Güterfernverkehrs (§§ 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 GüKG), die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten (§§ 59c Abs. 1, 59g BRAO), das Betreiben von Bankgeschäften (vgl. § 1 KWG; über Einschränkungen vgl. § 1 Rdnr. 6), etc. Die Aufzählung ist nicht erschöpfend2. Bestritten war, ob die Eintragung einer GmbH in die Handwerksrolle, die Voraussetzung für die Ausübung einer selbständigen Handwerkstätigkeit ist (§ 1 Abs. 1 HandwO) und der staatlichen Genehmigung i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 gleichzustellen ist. Entgegen der früher h.M.3 hat der BGH in einem Vorlageverfahren die entsprechende Anwendung der Vorschrift bejaht4. Die Streitfrage ist damit für die Praxis erledigt. Mit der Anmeldung ist demgemäß die Bestätigung der Handwerkskammer (§ 6 Abs. 2 HandwO) vorzulegen, dass der Eintragung der Gesellschaft in die Handwerksrolle keine Bedenken entgegenstehen5; war die Vorgesellschaft, was trotz des Wortlauts des § 7 Abs. 1 HandwO als zulässig anzusehen ist6, bereits in die Handwerksrolle eingetragen, so genügt die dahingehende Bescheinigung. 17

Die Genehmigungen für die Errichtung oder den Betrieb von Anlagen, die für das Unternehmen der Gesellschaft erforderlich sind (z.B. §§ 4 ff. BImSchG; §§ 7 ff. AtomG), fallen nicht unter § 8 Abs. 1 Nr. 67. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf anzeigepflichtige Tätigkeiten (§ 14 GewO) in dem Sinne, dass die Erstattung der Anzeige nachzuweisen sei, scheidet ebenfalls aus8.

1 Der Vorlage einer Gaststättenerlaubnis bedarf es nicht, wenn nach der Satzung nicht der Betrieb einer bestimmten Gaststätte, sondern ganz allgemein „der Betrieb von Gaststätten“ der Unternehmensgegenstand ist; vgl. OLG Frankfurt, WM 1980, 22, 23; BayObLG, DB 1979, 2028; BayObLG, GmbHR 1990, 454; vgl. auch BayObLG, GmbHR 2000, 872, 873. 2 Vgl. die umfassende Zusammenstellung von Gottwald, DStR 2001, 944. 3 Vgl. die Nachw. in der 7. Aufl., Rdnr. 16 Fn. 33 u. 36. 4 BGHZ 102, 209, 211 ff. Zust. OLG Zweibrücken, GmbHR 1995, 723, 724; Ulmer, Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7. Krit. Winkler, ZGR 1989, 107, 114 ff. 5 BGHZ 102, 209, 212; Ulmer, Rdnr. 21. 6 OLG Köln, GmbHR 1988, 26; Ulmer, Rdnr. 21; abw. v. Ebner, GewA 1975, 41, 43, 47; Bodens, GmbHR 1984, 177, 178; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; offengelassen von BGHZ 102, 209, 212. 7 BayObLG, DB 1979, 2028; BayObLG, GmbHR 1990, 454, 455; OLG Köln, GmbHR 1988, 26, 27; Ulmer, Rdnr. 16; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7 a.E.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9. 8 LG Kiel, GmbHR 1989, 341.

534

|

H. Winter/Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

8. Legitimation des Aufsichtsrates Einzureichen ist die Urkunde über die Bestellung des Aufsichtsrates, wenn sie vor der Eintragung der GmbH erfolgt ist (§ 52 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 37 Abs. 4 Nr. 3 AktG); Schriftform ist ausreichend. Es ist dabei unerheblich, ob es sich um einen fakultativen oder um einen obligatorischen Aufsichtsrat (s. dazu die Erl. von Uwe. H. Schneider zu § 52 Rdnr. 1 ff., 8 ff.) handelt1. Es sind in der Anmeldung der Name, Beruf und Wohnort der Mitglieder des Aufsichtsrates anzugeben (§ 52 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 4 AktG)2.

18

III. Die Versicherungen der Geschäftsführer 1. Allgemeines Unter „Versicherung“ i.S. des § 8 Abs. 2 u. 3 ist die Abgabe einer Erklärung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen dort bestimmter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände zu verstehen3.

19

Die Versicherung muss in der Anmeldung abgegeben werden (§ 8 Abs. 2 u. 3). Das bedeutet nicht, dass sie im Eintragungsantrag selbst enthalten sein muss. Es ist auch die Abgabe in einem gesonderten Schriftstück zulässig, das aber ebenfalls der öffentlich beglaubigten Form (§ 12 Abs. 1 HGB; § 126 BGB) bedarf4. Die Verwendung des Ausdrucks „versichern“ ist nicht zwingend. Es genügt jede Wendung („erklären“, „angeben“ u.Ä.), die hinreichend erkennen lässt, dass es sich um eine eigenverantwortliche Bekundung des Betreffenden handelt5.

20

Maßgeblicher Zeitpunkt für die mitzuteilenden Umstände ist der Eingang der Anmeldung beim Registergericht6. Erfahren die Geschäftsführer nach ihrer Abgabe, dass sie sich über die zu berücksichtigenden Umstände (auch unverschuldet) geirrt haben, so sind sie verpflichtet, die Versicherung zu berichtigen7. Anderenfalls haften sie nach § 9a Abs. 1. Eine spätere Änderung der tatsächlichen Verhältnisse löst dagegen keine Mitteilungspflicht aus8. Die Versiche-

21

1 Ulmer, Rdnr. 22; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8. 2 Ulmer, Rdnr. 22; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Meyer-Landrut, Rdnr. 33; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 28. 3 Vgl. KG, GmbHRspr. II § 8 R. 12. 4 Ulmer, Rdnr. 27; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11. 5 KG, GmbHRspr. II § 8 R. 12; BayObLG, BB 1987, 2119, 2120; Ulmer, Rdnr. 27; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11. 6 RGSt. 43, 323; 43, 431; RG, LZ 1916, 617; OLG Köln, GmbHR 1988, 227; BayObLG, GmbHR 1992, 109, 110; LG Gießen, GmbHR 2003, 543; Ulmer, Rdnr. 27; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Meyer-Landrut, Rdnr. 19. 7 Ulmer, Rdnr. 25. 8 So auch Ulmer, Rdnr. 25; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Jäger, MDR 1995, 1184, 1185; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; abw. Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 21; Lieb, in: FS Zöllner, S. 347, 360.

H. Winter/Veil

|

535

§8

Inhalt der Anmeldung

rung ist aber unter Berücksichtigung derartiger Umstände erneut abzugeben, wenn wegen berechtigter Beanstandungen des Registergerichts (s. § 9c Rdnr. 37) eine neue Anmeldung erfolgt1. Bezüglich des nachträglichen Eintritts von Ausschlussgründen i.S. des § 8 Abs. 3 s. Rdnr. 26 a.E. 22

Alle Geschäftsführer, einschließlich der Stellvertreter, haben die Versicherung abzugeben, und zwar persönlich (s. § 7 Rdnr. 10). Eine Vertretung ist unzulässig. Es ist ohne Einfluss auf die Anmeldung, wenn der Geschäftsführer nach dem Eingang der Versicherung beim Registergericht aus seinem Amt ausscheidet (s. § 7 Rdnr. 12). Die Versicherung nach § 8 Abs. 3 muss, wie aus § 39 Abs. 3 folgt, auch durch einen nach der Anmeldung bestellten neuen Geschäftsführer abgegeben werden. Dagegen braucht dieser nicht die Versicherung nach § 8 Abs. 2 zu wiederholen2, zumal er von den maßgeblichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Anmeldung keine eigene Kenntnis haben kann. Anders liegt es, wenn der Anmeldevorgang bei seiner Bestellung noch nicht abgeschlossen, z.B. die Anmeldung unvollständig war3. Die Geschäftsführer sind für die Richtigkeit der Versicherung zivilrechtlich nach § 9a und strafrechtlich nach § 82 Abs. 1 Nr. 1, 4 veranwortlich.

2. Inhalt der Versicherungen a) Gesetzliche Mindestleistungen 23

Die Versicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 hat sich darauf zu beziehen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestleistungen auf die Geld- und Sacheinlagen vor der Anmeldung bewirkt worden sind (s. § 7 Rdnr. 27 ff., 39 ff.) und die Leistungsgegenstände sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befinden (Rdnr. 24). Eine Erklärung, die lediglich pauschal oder unter wörtlicher oder sinngemäßer Wiedergabe des Gesetzestextes angibt, dass die vorgeschriebenen Mindestleistungen erfüllt seien, genügt dafür nicht. Es sind vielmehr die tatsächlichen Umstände anzugeben, die dem Registergericht ein Urteil über die Anmeldevoraussetzungen des § 7 Abs. 2 und 3 ermöglichen4. Es muss ersichtlich sein, welcher Gesellschafter die Leistung erbracht hat, welchen ziffernmäßig anzugebenden Betrag er eingezahlt oder welche – zumindest durch Bezug-

1 LG Gießen, GmbHR 1986, 162; LG Gießen, GmbHR 1995, 453, 454; Ulmer, Rdnr. 27; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Jäger, MDR 1995, 1184, 1185; s. auch OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532. 2 Eb. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 11; Ulmer, Rdnr. 26; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; weitergehend Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 11. 3 KG, NJW 1972, 951; Ulmer, Rdnr. 26; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11. 4 Vgl. KGJ 38, 161; BayObLG, DB 1980, 438 u. 439; BayObLG, GmbHR 1994, 116, 117; OLG Hamm, GmbHR 1983, 102; OLG Hamm, WM 1987, 405; OLG Celle, GmbHR 1986, 309; OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 267; LG Münster, NJW 1987, 264; Ulmer, Rdnr. 29 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; abw. Kanzleiter, DNotZ 1980, 649 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19.

536

|

H. Winter/Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

nahme auf andere Anmeldeunterlagen (Gesellschaftsvertrag, Ausführungsverträge, Sachgründungsbericht) zu kennzeichnende – Sacheinlagen er eingebracht hat und wie hoch der Gesamtbetrag der danach geleisteten Stammeinlagen ist. Die Einzelangaben über die bewirkten Geldeinlagen erübrigen sich dann, wenn die Versicherung auf beigefügte Belege verweist1 oder die Volleinzahlung aller Stammeinlagen angibt2. Bei Sachübernahmen mit Anrechnungsabrede (s. § 5 Rdnr. 70 ff.) muss die Versicherung außer der konkreten Kennzeichnung des Übernahmevertrages (s. § 5 Rdnr. 74) und der Leistung des Vermögensgegenstandes (s. § 7 Rdnr. 39 f.) auch enthalten, ob und in welcher Höhe die Vergütungsforderung gegen die Stammeinlage verrechnet worden ist (s. § 7 Rdnr. 41)3. Entgegen einer in der Rechtsprechung4 teilweise vertretenen Auffassung ist es nach § 8 Abs. 2 Satz 1 im Allgemeinen nicht erforderlich, die Art und Weise der Geld- und Sacheinlageleistungen näher darzulegen5. Auch eine Vorlage von Nachweisen über die Einlageleistungen verlangt das GmbHG grundsätzlich nicht6, aber das Registergericht kann sie im Einzelfall fordern, wenn es begründete Zweifel an der Richtigkeit der Versicherung hat7. Unzulässig ist die routinemäßige Anforderung, wie sie in der registergerichtlichen Praxis teilweise erfolgt. Es ist ausdrücklich zu versichern, dass sich der Gegenstand der gesetzlich vorgeschriebenen Mindesteinlageleistungen (§ 7 Abs. 2 u. 3) endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet (§ 8 Abs. 2 Satz 1). Die abzugebende Versicherung beinhaltet nach dem Wortlaut und Zweck der Vorschrift zunächst, dass die Einlagen wirksam durch Leistung zur freien Verfügung der Geschäftsführer bewirkt worden sind (s. dazu § 7 Rdnr. 33 ff.). Nach h.M. soll sie sich ferner darauf beziehen, dass die freie Verfügung über das aufgebrachte Eigenkapital im Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister noch besteht8. 1 Zu weitgehend OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 266 f., Gustavus, GmbHR 1988, 47, 49, und Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11, die eine unvollständige Versicherung genügen lassen, wenn die nicht angegebenen Tatsachen dem Registergericht bekannt oder sonst nachgewiesen sind. Dagegen zu Recht Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 12 unter Hinweis auf die sichernden zivil- und strafrechtlichen Sanktionen. 2 OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 267; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; Gustavus, GmbHR 1988, 47, 49; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. 3 Ulmer, Rdnr. 30; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12. 4 KGJ 38, 161; BayObLG, DB 1980, 438; OLG Hamm, GmbHR 1983, 102 f.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 266. 5 Zutr. OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; Ulmer, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Baumann, DNotZ 1986, 182 f.; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 14; a.M. Kutzer, GmbHR 1987, 297, 301. 6 Der Vorschlag in § 8 Abs. 2 RegE ist nicht in die GmbH-Novelle 1980 übernommen worden; vgl. dazu Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71. 7 BGHZ 113, 335, 352; OLG Düsseldorf, GmbHR 1986, 267; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 70, 71; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236; BayObLG, BB 1988, 716, 717; BayObLG, GmbHR 1994, 116, 117; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; OLG Hamm, GmbHR 1993, 95, 96; Ulmer, Rdnr. 29. Vgl. auch § 9c Rdnr. 14, 28. 8 Vgl. Ulmer, § 7 Rdnr. 62; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13.

H. Winter/Veil

|

537

24

§8

Inhalt der Anmeldung

Zur Begründung führt sie an, das Gesetz wolle zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger sicherstellen, dass die Gesellschaft am Stichtag der Anmeldung mit einem Mindestbestand frei verfügbarer eigener Mittel real ausgestattet sei. Die Aufgabe des für Bargründungen früher geltenden sog. Vorbelastungsverbots1 rechtfertige keine Einschränkung dieser inhaltlichen Anforderung an die Versicherung gem. § 8 Abs. 2 Satz 1. Das Erfordernis der endgültigen freien Verfügbarkeit sei der zwischenzeitlichen Rechtsentwicklung sinngemäß lediglich dahingehend anzupassen, dass die Einlagen am Anmeldestichtag nicht mehr gegenständlich2, sondern wertmäßig uneingeschränkt zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen müssten3. Die Versicherung enthalte demgemäß ohne weiteres auch die Angaben, dass der Vermögenswert des aufgebrachten Einlagekapitals nicht aus irgendeinem Grunde (z.B. durch eine Verwendung ohne ausreichenden Gegenwert, Verlust oder Beschädigung der Einlagegegenstände, Wertveränderung von Sacheinlagen ua.) unter dem gesetzlich bestimmten Mindestbetrag (§ 7 Abs. 2 u. 3) liege, keine dies bewirkenden Pflichten der Vorgesellschaft begründet worden seien und ihr Vermögen nicht sonst in einer Höhe belastet sei, die die Deckung des Stammkapitals durch die bewirkten und ausstehenden Einlagen nicht mehr gewährleiste4. Lediglich die Bezahlung des im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Gründungsaufwandes sei unschädlich (s. § 7 Rdnr. 38). Diese auch in der Vorauflage vertretene Auffassung ist abzulehnen5. Sie trägt nur halbherzig dem Umstand Rechnung, dass der BGH das Vorbelastungsverbot aufgegeben und zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger eine ab der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bestehende Haftung der Gesellschafter für die Vorbelastungen entwickelt hat. Dabei berücksichtigt die h.M. nicht hinreichend, dass der erforderliche Gläubigerschutz ohne Friktionen etabliert werden kann6. Ausgangspunkt hierfür bildet die Pflicht des Geschäftsführers, zu versichern, dass keine Vorbelastungen entstanden sind oder aber durch Leistungen der Gesellschafter ausgeglichen sind7. b) Sicherungen bei der Einmanngründung 25

Bei der Einmanngründung haben die Geschäftsführer, wenn die Geldeinlage nicht voll geleistet ist, nach § 8 Abs. 2 Satz 2 über das Vorstehende (Rdnr. 23 f.) 1 BGHZ 80, 129, 133 ff. Näheres dazu s. Erl. zu § 11. 2 So aber noch BayObLG, GmbHR 1988, 215 f.; OLG Köln, GmbHR 1988, 227; OLG Köln, ZIP 1989, 238, 240; weitergehend LG Gießen, GmbHR 1986, 163 (auch nach Anmeldung). 3 Ulmer, § 7 Rdnr. 62; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; Jäger, MDR 1995, 1184; Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 766; s. auch BGH, BGHZ 119, 177, 189 f.; BGH, ZIP 1996, 1466, 1467. 4 BayObLG, BB 1991, 2391, 2392; LG Bonn, GmbHR 1988, 193; Ulmer, § 7 Rdnr. 62; Priester, ZIP 1982, 1141, 1143 f.; Fleck, GmbHR 1983, 5, 11 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13. 5 Vgl. auch K. Schmidt, AG 1986, 106, 115; Gustavus, GmbHR 1988, 47, 49 f.; Lutter, NJW 1989, 2649, 2652 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12. 6 S. hierzu bereits § 7 Rdnr. 26, 33 ff. 7 Insoweit auch Ulmer, Rdnr. 31; vgl. das Beispiel für eine Formulierung von Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12.

538

|

H. Winter/Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

hinausgehend auch zu versichern, dass die vorgeschriebenen Sicherungen für die restliche Geldeinlagepflicht (s. § 7 Rdnr. 46 ff.) bestellt worden sind. Es muss angegeben werden, welche Sicherung und wie sie bestellt worden ist, welchen Wert sie hat und wie der Wert ermittelt worden ist1. Andernfalls ist eine registergerichtliche Kontrolle nicht möglich. Hat der Einmanngründer vor der Anmeldung über die gesetzliche Mindestleistungspflicht hinausgehende freiwillige oder statutarisch festgelegte Mehrleistungen erbracht, so entfällt insoweit die Notwendigkeit einer Sicherung (s. § 7 Rdnr. 48). Trotz des lückenhaften Gesetzeswortlauts ist nach dem Sinn des § 8 Abs. 2 Satz 2 anzunehmen, dass die Versicherung in diesem Falle die Mehrleistung mit einbeziehen muss2. c) Ausschlussgründe vom Geschäftsführeramt Ferner ist nach § 8 Abs. 3 Satz 1 zu versichern, dass der Bestellung der Geschäftsführer keine Ausschlussgründe von diesem Amt i.S. des § 6 Abs. 2 Satz 3 u. 4 entgegenstehen. Die Versicherung ist zwar ebenfalls von sämtlichen Geschäftsführern abzugeben, aber anders als die nach § 8 Abs. 2 von jedem nur für seine Person3. Die Abweichung, die auch durch § 39 Abs. 3 bestätigt wird, hat ihren Grund in der eingeschränkten Erkenntnismöglichkeit. Die pauschale Angabe über das Nichtvorliegen der Ausschlussgründe des § 6 Abs. 2 Satz 3 u. 4 genügt inhaltlich nicht den gesetzlichen Anforderungen, sondern es muss unter Bezugnahme auf den Unternehmensgegenstand jeder Ausschlussgrund einzeln angeführt und verneint werden4. Im Hinblick darauf, dass die Geschäftsführer die Ausschlussgründe dem Registergericht nur dann unbeschränkt offenbaren müssen, wenn sie darüber besonders belehrt worden sind (§ 53 Abs. 2 BZRG), ist auch die entsprechende Belehrung zu versichern. Sie kann durch den Notar vorgenommen werden (§ 8 Abs. 3 Satz 2)5. Er ist dazu aber nicht schon deswegen verpflichtet, weil er mit der Beglaubigung der Registeranmeldung beauftragt worden ist6. Nach der Anmeldung eintretende Ausschlussgründe aus § 6 Abs. 2 Satz 3 u. 4 führen ipso iure zum Verlust des Geschäftsführeramtes; es greift daher die Anmeldepflicht gem. § 39 Abs. 1 ein7.

1 Vgl. Winter, in: Pro-GmbH, 1980, S. 191, 203; Ulmer, Rdnr. 34; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 13; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12. 2 Eb. Ulmer, Rdnr. 32; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13. 3 Ulmer, Rdnr. 35. 4 BayObLG, BB 1982, 200; BayObLG, BB 1984, 238; OLG Thüringen, GmbHR 1995, 453; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 71, 72; Ulmer, Rdnr. 37; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 23; abw. LG Kassel, DRpfl. 1982, 229; MeyerLandrut, Rdnr. 29. 5 Die Belehrung durch einen ausländischen Notar genügt nach einer verbreiteten Meinung nicht. Vgl. LG Ulm, DRpfl. 1988, 108; Wolf, GmbHR 1998, 35 f. Dagegen aber LG Nürnberg, Rpfleger 1994, 360; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; Bartovics, GmbHR 1998, 778 f.; Ulmer, Rdnr. 36. 6 Priester, DNotZ 1980, 515, 525 f.; Ulmer, Rdnr. 36; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25. 7 Ulmer, Rdnr. 35; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16.

H. Winter/Veil

|

539

26

§8

Inhalt der Anmeldung

IV. Angabe der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer 27

Nach § 8 Abs. 4 ist ausdrücklich anzugeben, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben. Es reicht nicht aus, dass sie aus anderen Anlagen zur Anmeldung (Gesellschaftsvertrag, Bestellungsbeschluss u.a.) hervorgeht1. Die Angabe muss unabhängig davon erfolgen, ob die Vertretungsbefugnis sich nach dem Gesetz (§ 35 Abs. 2 Satz 2), dem Gesellschaftsvertrag oder dem Bestellungsakt bestimmt. Sie hat für jeden – auch den einzigen2 – Geschäftsführer zu ergeben, ob er einzel- oder gesamtvertretungsberechtigt und gegebenenfalls in welcher Form er letzteres ist. Bei Abweichungen von einer generellen Regelung für einzelne Geschäftsführer ist das zu vermerken3. Auch die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) muss wörtlich4 angegeben werden5, nicht jedoch auch die bloße statutarische Ermächtigung hierzu6. Die Angabe „in der Anmeldung“ erfordert (wie nach § 8 Abs. 2; s. oben Rdnr. 20) nicht, dass sie in derselben Urkunde enthalten sein muss; doch ist die Form des § 12 Abs. 1 HGB einzuhalten.

V. Zeichnung der Unterschrift der Geschäftsführer 28

Sämtliche Geschäftsführer (s. § 7 Rdnr. 10) haben ihre Unterschrift, nicht auch die Firma zu zeichnen (§ 8 Abs. 5). Die Zeichnung braucht daher bei Firmenänderung nicht wiederholt zu werden7. Die Form der Zeichnung ist gem. § 12 Abs. 1 HGB die öffentlich beglaubigte Form (vgl. dazu § 7 Rdnr. 13). Die nachträgliche Anerkennung einer nicht in Gegenwart des Notars vollzogenen Zeichnung (§ 40 Abs. 1 BeurkG) durch ihn genügt nicht (§ 41 BeurkG)8. Nicht erforderlich ist, dass die Zeichnung außerhalb der Anmeldeerklärung auf einem besonderen Blatt erfolgt9. Dass sie vollständig handschriftlich erfolgen muss, ist selbstverständlich. Das Publikum soll die Möglichkeit haben, den Namenszug 1 BayObLG, DNotZ 1975, 117; BayObLG, GmbHR 1981, 59; Ulmer, Rdnr. 38; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15. Nicht unbedenklich OLG Stuttgart, Justiz 1985, 312, das teilweise die Bezugnahme zulässt. 2 BGHZ 63, 261, 264 f.; BayObLG, GmbHR 1981, 59; 1997, 741; OLG Schleswig, SchlHA 1980, 160; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 3100; Ulmer, Rdnr. 38. 3 BayObLG, BB 1974, 291; BayObLG, BB 1997, 741; OLG Köln, DNotZ 1970, 748; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 117 f.; Ulmer, Rdnr. 38. 4 OLG Hamm, WM 1987, 406; LG Münster, NJW 1987, 264; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 15. 5 BGHZ 87, 59, 61; BayObLG, BB 1980, 597; BayObLG, WM 1982, 1033, 1034; OLG Köln, DB 1980, 1390; OLG Köln, GmbHR 1996, 218, 219; OLG Frankfurt, NJW 1983, 944; OLG Frankfurt, GmbHR 1997, 348; OLG Stuttgart, Justiz 1985, 312; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 51. 6 BayObLG, WM 1982, 1033, 1034; BayObLG, WM 1990, 213, 214; OLG Frankfurt, BB 1984, 238; OLG Frankfurt, GmbHR 1988, 65, 66; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 118; OLG Hamm, GmbHR 1993, 500; Ulmer, Rdnr. 38; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15. 7 Ulmer, Rdnr. 42. 8 OLG Frankfurt, DB 1974, 131; Ulmer, Rdnr. 40; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29. 9 KG, RJA 9, 244; OLG 41, 195; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29.

540

|

H. Winter/Veil

§8

Inhalt der Anmeldung

zu kennen. Der Vorname ist nicht notwendig (anders § 18 HGB, aber nur auf den Kaufmann, nicht auf den Geschäftsführer, anwendbar); denn der Name ist so zu zeichnen, wie der Geschäftsführer im Geschäftsleben zeichnen will1. Ebenso genügt beim Träger eines Doppelnamens die Zeichnung mit demjenigen von ihnen, den er im Geschäftsverkehr üblicherweise allein benutzt2. Für das Zweigregister ist die Zeichnung zu wiederholen; doch ist auch diese jetzt beim Registergericht des Sitzes der Gesellschaft einzureichen (§ 13 Abs. 2 HGB).

VI. Prüfung durch den Registerrichter; Verstöße gegen § 8 1. Fehlen der Anlagen Fehlen die erforderlichen Anlagen oder sind sie fehlerhaft, so darf der Registerrichter nicht eintragen (s. § 7 Rdnr. 15)3. Er wird regelmäßig durch – beschwerdefähige (§ 19 Abs. 1 FGG) – Zwischenverfügung eine Frist zur Nachholung setzen unter Androhung der Zurückweisung der Anmeldung. Das gilt auch für die nach § 8 Abs. 5 beizufügende Zeichnung der Unterschrift der Geschäftsführer (s. Rdnr. 28). Es handelt sich zwar nur um eine Ordnungsvorschrift, die aber vor der Eintragung der GmbH, wie der Zusammenhang ergibt, erfüllt sein soll. Aufgabe des Registerrichters ist es, auch für die Beobachtung der formalen Ordnungsvorschriften zu sorgen (s. § 9c Rdnr. 7 f.). Mit Zwangsgeld kann er freilich nicht vorgehen. Denn es besteht keine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Anmeldung der GmbH und daher auch nicht zur Einreichung der Unterlagen (s. § 7 Rdnr. 5). Unterbleibt diese, so ist lediglich die mit der Anmeldung beantragte Eintragung abzulehnen. Ist aber trotzdem, also versehentlich, die GmbH eingetragen, so besteht sie als Rechtsperson und ohne wegen des Mangels der Einreichung mit der Amtslöschung bedroht zu sein (s. § 7 Rdnr. 15). Da die Anmeldenden ihr Ziel aber nur unter Beachtung des § 8 erreichen durften, kann jetzt, d.h. nach der Eintragung, der Registerrichter die Nachreichung der fehlenden Urkunden gegen die Geschäftsführer, die angemeldet haben, durch Zwangsgeldfestsetzung erzwingen (s. § 79 Rdnr. 17)4.

29

2. Genehmigungsbedürftigkeit Auch die Genehmigungsbedürftigkeit muss der Registerrichter prüfen. Eine selbständige Entscheidungsbefugnis darüber oder gar über die zu erteilende Genehmigung steht ihm aber nicht zu. Beim Vorliegen begründeter Zweifel – aber auch nur dann – muss er vielmehr von den Geschäftsführern die Beibringung eines Negativattestes der Verwaltungsbehörde (d.h. über Nicht-Genehmigungs1 Ulmer, Rdnr. 41; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 10. Dahingestellt gelassen in KGJ 38, 163; vgl. aber ebenda S. 159. 2 OLG Frankfurt, GmbHR 1986, 47; Ulmer, Rdnr. 41; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16. 3 Vgl. BayObLG, ZIP 1999, 968, 969 betr. Sachgründungsbericht. 4 So BayObLG, GmbHR 1988, 60, 61; OLG Zweibrücken, GmbHR 1995, 723, 725 u. für das Aktienrecht RGZ 130, 248, 256; KGJ 41, 123, 130. Weitere Nachw. s. bei § 79.

H. Winter/Veil

|

541

30

§8

Inhalt der Anmeldung

bedürftigkeit) verlangen1. Die Entscheidung der Genehmigungsbehörde über die Erteilung, Versagung oder Nichterforderlichkeit der Genehmigung ist für den Registerrichter bindend2. Doch wird er im Versagungsfalle den Erfolg zulässiger Rechtsmittel abwarten müssen. Verlangt die Genehmigungsbehörde ihrerseits eine Bescheinigung darüber, dass die Gesellschaft imÜbrigen eintragungsfähig sei, so ist sie zutreffendenfalls durch das Registergericht auszustellen3. 31

Abgesehen von dem Sonderfall, dass eine Genehmigung erst nach der Entstehung der GmbH erteilt werden kann (Rdnr. 14), muss die erforderliche „staatliche Genehmigung“ eingereicht sein, bevor der Registerrichter über die Eintragung entscheidet4; § 8 Abs. 1 Nr. 6 schränkt insoweit § 7 HGB ein. Ohne den Nachweis der Genehmigung ist die Eintragung abzulehnen (s. Rdnr. 29; zur GmbH-Reform Rdnr. 2). War gleichwohl eingetragen worden, so berührt der Mangel nicht den Bestand der Gesellschaft5. Der Registerrichter kann nunmehr die Nachreichung einer der Gesellschaft vorliegenden Genehmigungsurkunde erzwingen (s. Rdnr. 29). Aber auch dann, wenn zur Zeit der Eintragung eine Genehmigung noch nicht erteilt war, ist weder die Nichtigkeitsklage noch die Amtslöschung (§ 75 Abs. 1 GmbHG, § 144 Abs. 1 Satz 2 FGG) möglich, da das Fehlen i.d.R. keine Nichtigkeit der Bestimmung über den Unternehmensgegenstand zur Folge hat6. Es kann jedoch einen Auflösungsgrund i.S. des § 61 darstellen, wenn die Genehmigung nicht in angemessener Zeit nach der Eintragung eingeholt oder wenn sie endgültig versagt und später entzogen wird. Möglich ist u.U. auch ein Vorgehen der zuständigen Verwaltungsbehörde gem. § 62, wenn die Gesellschaft sich ohne Erlaubnis in dem Geschäftszweig tatsächlich betätigt.

VII. Verbleib der eingereichten Urkunden 32

Die Urkunden verbleiben bei den Handelsregisterakten, wo sie von jedermann eingesehen werden können (§ 9 HGB). Die Genehmigungsurkunde ist aber der werdenden GmbH oder den Geschäftsführern für diese erteilt und wird u.U. anderweitig gebraucht. Es kann daher nicht nur eine beglaubigte Abschrift der eingereichten Schriftstücke gefordert werden (§ 9 Abs. 2 HGB), sondern auch, mit Ausnahme natürlich der Unterschriftszeichnung (§ 8 Abs. 5), deren Rückgabe in Natur unter Zurückbehaltung einer beglaubigten Abschrift für die Registerakten (KG, JFG 17, 324; § 8 Abs. 3 HRegVfg. v. 12. 8. 1937). Kosten der Beglaubigung: s. § 89 KostO.

1 KG, GmbHRspr. III § 8 R. 2; BayObLG, BB 1976, 437, 438; BayObLG, GmbHR 1979, 224; OLG Köln, ZIP 1981, 736; Ulmer, Rdnr. 13; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7. 2 BGHZ 102, 209, 216 f.; KG, GmbHRspr. III § 8 R. 2; BayObLG, GmbHR 1979, 224; OLG Zweibrücken, GmbHR 1995, 723, 724; Ulmer, Rdnr. 13; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7. 3 Ulmer, Rdnr. 18; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7. 4 KGJ 11, 23, 28; BayObLG, BB 1976, 437; BayObLG, Rpfleger 1978, 448, 449; BayObLG, GmbHR 1994, 60, 61 f.; OLG Frankfurt, WM 1980, 22; Ulmer, Rdnr. 15. 5 Feine, 216 f.; Ulmer, Rdnr. 24. 6 Vgl. OLG Zweibrücken, GmbHR 1995, 723, 725; Ulmer, Rdnr. 15; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18.

542

|

H. Winter/Veil

§9

Überbewertung von Sacheinlagen

VIII. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) Die Vorschrift soll durch die für das Jahr 2007 geplante Reform des GmbHG einige Änderungen erfahren. Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) sieht in Art. 1 Nr. 6 vor, dass § 8 Abs. 1 Nr. 6 eine neue Fassung erhalten soll (s. dazu bereits Rdnr. 2). Ferner soll § 8 Abs. 2 Satz 2 aufgehoben werden. § 8 Abs. 3 Satz 1 soll dergestalt geändert werden, dass auf § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 verwiesen wird (Folgeänderung zur Änderung des § 6 Abs. 2). Zudem soll § 8 Abs. 3 Satz 2 neu gefasst werden, so dass in Zukunft die Belehrung nach § 53 Abs. 2 Bundeszentralregistergesetz auch durch einen Notar vorgenommen werden kann. Schließlich soll § 8 Abs. 4 eine Folgeänderung erfahren: In der Anmeldung soll in Zukunft anzugeben sein „eine inländische Geschäftsanschrift, Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer“.

§9

Nachzahlungspflicht bei Überbewertung von Sacheinlagen (1) Erreicht der Wert einer Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister nicht den Betrag der dafür übernommenen Stammeinlage, hat der Gesellschafter in Höhe des Fehlbetrags eine Einlage in Geld zu leisten. (2) Der Anspruch der Gesellschaft verjährt in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Eingefügt durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836), Abs. 2 geändert durch Gesetz vom 9. 12. 2004 (BGBl. I, 3214).

Inhaltsübersicht I. Allgemeines . . . . . . . . . .

1

c) Kein Verschulden . . . . . . . 16 d) Geltung vor Eintragung . . . 17 3. Höhe und Fälligkeit . . . . . . . 18

3

4. Verjährung . . . . . . . . . . . . 20

4

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Eintragungshindernis . . . . . . 22

II. Anspruch auf Ergänzungszahlung 1. Rechtsnatur und Inhalt . . . . 2. Anspruchsvoraussetzungen a) Sacheinlagen . . . . . . . . b) Unterdeckung der Stammeinlage . . . . . . . . . . . . aa) Maßgebender Stammeinlagebetrag . . . . . . bb) Wert der Sacheinlage . . cc) Ausgleich eines Negativwertes . . . . . . . . . . dd) Beweislast . . . . . . . .

5 6 9

2. Schlechterfüllung . . . . . . . . 23 3. Gründungshaftung . . . . . . . 24 4. Vorbelastungshaftung . . . . . . 25

14 15

H. Winter/Veil

|

543

33

§9

Überbewertung von Sacheinlagen

VIII. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) Die Vorschrift soll durch die für das Jahr 2007 geplante Reform des GmbHG einige Änderungen erfahren. Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) sieht in Art. 1 Nr. 6 vor, dass § 8 Abs. 1 Nr. 6 eine neue Fassung erhalten soll (s. dazu bereits Rdnr. 2). Ferner soll § 8 Abs. 2 Satz 2 aufgehoben werden. § 8 Abs. 3 Satz 1 soll dergestalt geändert werden, dass auf § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 verwiesen wird (Folgeänderung zur Änderung des § 6 Abs. 2). Zudem soll § 8 Abs. 3 Satz 2 neu gefasst werden, so dass in Zukunft die Belehrung nach § 53 Abs. 2 Bundeszentralregistergesetz auch durch einen Notar vorgenommen werden kann. Schließlich soll § 8 Abs. 4 eine Folgeänderung erfahren: In der Anmeldung soll in Zukunft anzugeben sein „eine inländische Geschäftsanschrift, Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer“.

§9

Nachzahlungspflicht bei Überbewertung von Sacheinlagen (1) Erreicht der Wert einer Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister nicht den Betrag der dafür übernommenen Stammeinlage, hat der Gesellschafter in Höhe des Fehlbetrags eine Einlage in Geld zu leisten. (2) Der Anspruch der Gesellschaft verjährt in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Eingefügt durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836), Abs. 2 geändert durch Gesetz vom 9. 12. 2004 (BGBl. I, 3214).

Inhaltsübersicht I. Allgemeines . . . . . . . . . .

1

c) Kein Verschulden . . . . . . . 16 d) Geltung vor Eintragung . . . 17 3. Höhe und Fälligkeit . . . . . . . 18

3

4. Verjährung . . . . . . . . . . . . 20

4

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Eintragungshindernis . . . . . . 22

II. Anspruch auf Ergänzungszahlung 1. Rechtsnatur und Inhalt . . . . 2. Anspruchsvoraussetzungen a) Sacheinlagen . . . . . . . . b) Unterdeckung der Stammeinlage . . . . . . . . . . . . aa) Maßgebender Stammeinlagebetrag . . . . . . bb) Wert der Sacheinlage . . cc) Ausgleich eines Negativwertes . . . . . . . . . . dd) Beweislast . . . . . . . .

5 6 9

2. Schlechterfüllung . . . . . . . . 23 3. Gründungshaftung . . . . . . . 24 4. Vorbelastungshaftung . . . . . . 25

14 15

H. Winter/Veil

|

543

33

§9

Überbewertung von Sacheinlagen

Schrifttum: Gienow, Zur Differenzhaftung nach § 9 GmbHG, in: FS Semler, 1993, S. 165; Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 2004; Kind, Die Differenzhaftung im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Diss. Mainz 1984; Lieb, Zum Spannungsverhältnis zwischen Vorbelastungshaftung und Differenzhaftung – Versuch einer Harmonisierung, in: FS Zöllner, 1998, S. 347; Trölitzsch, Differenzhaftung für Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, 1998; Urban, Die Differenzhaftung des GmbH-Gesellschafters im Zusammenhang mit der Überbewertung von Sacheinlagen, in: Festg. O. Sandrock, 1995, S. 305; Wartlsteiner, Zur Beweislast bei der Differenzhaftung im GmbH-Recht, GesRZ 1993, 147.

I. Allgemeines 1

Die Vorschrift bezweckt die Sicherung der Kapitalaufbringung bei Sachgründungen1. Sie begründet eine unabdingbare ergänzende Geldeinlagepflicht des Gesellschafters, wenn und soweit der Wert des Sacheinlage- oder Sachübernahmegegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister nicht den Betrag der dafür übernommenen Stammeinlage erreicht. Die Regelung stimmt im Grundsatz mit der für das frühere Recht praeter legem entwickelten Differenzhaftung überein, deren rechtliche Grundlage aber umstritten und die auch nicht in allen Einzelfragen abschließend geklärt war2.

2

Entsprechend anwendbar ist § 9 bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§ 56 Abs. 2)3, bei der zur Durchführung der Verschmelzung oder Spaltung erfolgten Kapitalerhöhung der aufnehmenden GmbH (§§ 55, 125 Satz 1 UmwG)4, und bei der Verschmelzung oder Spaltung auf eine neue GmbH (§§ 36 Abs. 2, 135 Abs. 2 UmwG)5. Beim Rechtsformwechsel in eine GmbH ist zu differenzieren. Handelt es sich um eine Personenhandelsgesellschaft, kann eine Differenzhaftung begründet sein (§ 197 Satz 1 UmwG)6. Dagegen besteht beim Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitelgesellschaft anderer Rechtsform kein Bedürfnis, die Werthaltigkeit erbrachter Einlagen erneut durch eine Differenzhaftung sicherzustellen7. Für den Fehlbetrag haften in den genannten Umwandlungsfällen die Anteilsinhaber des übertragenden bzw. formwechselnden Rechtsträgers nach Maßgabe ihrer verhältnismäßigen Beteiligung. Zur analogen Anwendung des § 9 bei Aktivierung einer Vorratsgesellschaft und einer Mantelgesellschaft s. Erl. zu § 3 Rdnr. 26 ff., 37 ff.

1 Ausführlich zum Haftungsgrund Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 102 ff. m.w.N. 2 Vgl. BGHZ 68, 191, 195 f. und 6. Aufl., § 5 Rdnr. 24. 3 Für eine entsprechende Anwendung auch bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Priester, Erl. zu § 57i Rdnr. 20. 4 H.M.; Ihrig, GmbHR 1995, 622, 642; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 318 ff.; Ulmer, Rdnr. 6; abw. Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Anh. nach § 77 Rdnr. 385; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 69 Rdnr. 27. 5 Vgl. Ihrig, GmbHR 1995, 622, 633 ff.; M. Winter, in: Lutter, UmwG, § 56 Rdnr. 26; Priester, in: Lutter, UmwG, § 138 Rdnr. 10; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 388 ff. m.w.N. A.A. zur Verschmelzung (zweier AG), OLG München, ZIP 2005, 2108, 2109. 6 Decher, in: Lutter, UmwG, § 197 Rdnr. 37; Joost, in: Lutter, UmwG, § 219 Rdnr. 4 m.w.N.; a.A. Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 352 f. 7 Busch, AG 1995, 555, 559; Decher, in Lutter, UmwG, § 197 Rdnr. 39. A.A. Meister/ Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG, § 197 Rdnr. 44.

544

|

H. Winter/Veil

§9

Überbewertung von Sacheinlagen

II. Anspruch auf Ergänzungszahlung 1. Rechtsnatur und Inhalt § 9 Abs. 1 gewährt der GmbH einen Zahlungsanspruch gegen den Sacheinleger. Es handelt sich, wie der Gesetzeswortlaut ausdrücklich hervorhebt1, um einen die Sacheinlage ergänzenden gesetzlichen Geldeinlageanspruch2. Auf ihn sind die allgemeinen Vorschriften über Geldeinlagen anwendbar. Er kann nicht gestundet, erlassen oder durch Aufrechnung getilgt werden (§ 19 Abs. 2, 3 u. 5). Für Einmanngesellschaften greift § 19 Abs. 4 ein. Bei nicht rechtzeitiger Zahlung sind Verzugszinsen zu leisten (§ 20). Ferner ist die Kaduzierung des Geschäftsanteils möglich (§§ 21 ff.). Die Mitgesellschafter können bis zur Höhe der Stammeinlage des Säumigen einer Ausfallhaftung unterliegen (§ 24)3. Im Falle der Anteilsveräußerung gilt § 16 Abs. 34.

3

2. Anspruchsvoraussetzungen a) Sacheinlagen Eine Sacheinlage muss im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden sein (§ 9 Abs. 1). Die Voraussetzung ist in demselben Sinne wie in § 5 Abs. 4 Satz 1 zu verstehen, erfasst also sowohl die Sacheinlage i.e.S., d.h. die Vereinbarung einer anderen Einlageleistung als Geld (s. § 5 Rdnr. 39), als auch die Sachübernahme mit Anrechnungsabrede, d.h. die Vereinbarung über die Zulässigkeit der Aufrechnung oder Verrechnung der Vergütung aus einer Sachübernahme gegen einen Geldeinlageanspruch (s. § 5 Rdnr. 70). Ebenfalls fallen darunter gemischte Sacheinlagen (s. § 5 Rdnr. 81 u. unten Rdnr. 8). Sind die Sacheinlage- oder die Anrechnungsvereinbarung oder der zugrunde liegende Sachübernahmevertrag unwirksam, findet § 9 Abs. 1 keine Anwendung. Der Gesellschafter ist dann vielmehr verpflichtet, die gesamte Stammeinlage in Geld zu leisten (s. § 5 Rdnr. 73 f., 93 ff.)5. Ebensowenig ist die Bestimmung auf verschleierte bzw. verdeckte Sacheinlagen anwendbar6.

4

b) Unterdeckung der Stammeinlage Erforderlich ist weiter, dass der Wert der Sacheinlage im Anmeldezeitpunkt (Rdnr. 9 ff.) niedriger ist als der Betrag der dafür übernommenen Stammeinlage (Rdnr. 6 ff.).

1 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35. 2 Ulmer, Rdnr. 4. 3 Priester, DNotZ 1980, 515, 530; Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Ulmer, Rdnr. 4; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 264 f. 4 Ulmer, Rdnr. 4. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 2. 6 Zutr. Ulmer, Rdnr. 5; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 194 ff. m.w.N.

H. Winter/Veil

|

545

5

§9

Überbewertung von Sacheinlagen

aa) Maßgebender Stammeinlagebetrag 6

Der erforderlichen Vergleichsberechnung ist bei einer Sacheinlage i.e.S. (Rdnr. 4) der im Gesellschaftsvertrag nach § 5 Abs. 4 Satz 1 festgesetzte Nennbetrag oder, wenn eine Mischeinlage (s. § 5 Rdnr. 81) vereinbart worden ist, der Teilnennbetrag der Stammeinlage zugrunde zu legen, die durch die Leistung eines anderen Vermögensgegenstandes als Geld zu erfüllen ist (s. § 5 Rdnr. 89). Anders liegt es bei einer Sachübernahme (Rdnr. 4), für die im Gesellschaftsvertrag der Stammeinlagebetrag festgesetzt wird, der durch die Aufrechnung oder Verrechnung mit der Vergütung für einen zu veräußernden Vermögensgegenstand getilgt werden darf, aber nicht muss (s. § 5 Rdnr. 90). Wird die Aufrechnung oder Verrechnung später mit einem geringeren Betrag vorgenommen, so ist deshalb nach dem Wortlaut und Zweck des § 9 Abs. 1 der ihm entsprechende, nicht aber der im Gesellschaftsvertrag festgesetzte Stammeinlagebetrag maßgebend.

7

Ein im Gesellschaftsvertrag vereinbartes Aufgeld bzw. Agio (s. § 5 Rdnr. 23), das mit der Leistung des Vermögensgegenstandes ebenfalls abgegolten sein soll, bleibt bei der Vergleichsberechnung außer Ansatz1. § 9 Abs. 1 soll nur die Aufbringung eines das festgesetzte Stammkapital deckenden Gesellschaftsvermögens sicherstellen und erfasst daher nicht die weitergehenden Beitragspflichten der Gesellschafter. Dementsprechend erstreckt sich auch die Kapitalerhaltung (§ 30 Abs. 1) nicht auf ein vom Gesellschafter versprochenes Aufgeld (s. dazu Erl. zu § 30).

8

Bei einer gemischten Sacheinbringung (s. § 5 Rdnr. 81 ff.) muss der Wert des Vermögensgegenstandes (Rdnr. 9 ff.) nach Abzug der dem Gesellschafter oder einem Dritten herauszuzahlenden oder gutzubringenden Vergütung den festgesetzten Stammeinlagebetrag erreichen2. Vorbehaltlich einer abweichenden Bestimmung des Gesellschaftsvertrages, die hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen muss3, ist es also nicht möglich, zu Gunsten des Einlageanteils die herauszuzahlende Vergütung zu kürzen. Die Gesellschaft kann aber mit dem ihr zustehenden Einlageergänzungsanspruch gegen den Vergütungsanspruch des Gesellschafters aufrechnen oder wegen ihres Anspruchs das Zurückbehaltungsrecht ausüben4, während dies dem Gesellschafter versagt ist (s. § 19 Rdnr. 61 ff.). bb) Wert der Sacheinlage

9

Für die Berechnung, ob der Stammeinlagebetrag (Rdnr. 6 ff.) durch die Sacheinlage gedeckt ist, kommt es nach § 9 Abs. 1 auf den objektiven Wert des einzulegenden oder zu übernehmenden Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft, d.h. am Tage ihres Eingangs beim Registergericht 1 Ulmer, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 211 ff.; a.M. Gienow, in: FS Semler, S. 165, 175; Herchen, Agio und verdecktes Agio, S. 161. 2 So auch Ulmer, Rdnr. 11; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 255 ff.; s. auch OLG Düsseldorf, BB 1996, 338, 339. 3 A.M. Priester, GmbHR 1982, 112, 113 (im Zweifel sei die Kürzung des Mehrbetrages gewollt). 4 Vgl. OLG Köln, GmbHR 1999, 288, 293.

546

|

H. Winter/Veil

§9

Überbewertung von Sacheinlagen

an. Es ist der unter Berücksichtigung der bezweckten betrieblichen Nutzung des Gegenstandes zu ermittelnde Zeitwert anzusetzen (Näheres s. § 5 Rdnr. 57)1. Er ist unabhängig von den der statutarischen Festsetzung des Anrechnungsbetrages (s. § 5 Rdnr. 56) zugrunde gelegten Wertvorstellungen der Gründungsgesellschafter durch das Prozessgericht nach den maßgeblichen Bewertungsgrundsätzen (s. § 5 Rdnr. 57 f.) festzustellen. Ein Bewertungs- oder Vertretbarkeitsspielraum für die Vertragsparteien ist nach der gesetzlichen Wertung nicht anzuerkennen2. Anders ist es aber zu beurteilen, wenn ein Unternehmen eingebracht wird. Bei dessen Bewertung sind Prognosen zu treffen, die nur eingeschränkt gerichtlich überprüft werden können. Der Grund für die Wertabweichung ist nach § 9 Abs. 1 unerheblich. Die Vorschrift soll nicht nur Überbewertungen durch die Gesellschafter verhindern3, sondern, wie insbesondere der festgesetzte Bewertungsstichtag zeigt4, darüber hinausgehend sicherstellen, dass der Stammeinlagebetrag im Anmeldezeitpunkt durch Einlagepflichten des Gesellschafters wertmäßig voll abgedeckt ist. Der Minderwert kann daher auch auf die Berücksichtigung erst später erkennbar gewordener Sachmängel, auf der Abnutzung oder Beschädigung des Vermögensgegenstandes oder auf der Änderung anderer wertungsrelevanter tatsächlicher Umstände des Vermögensgegenstandes oder der Bewertungsmaßstäbe beruhen5. Das gilt auch für Werteinbußen, die durch ein schuldhaftes Verhalten des Geschäftsführers oder eines Mitgesellschafters verursacht und nicht durch eine Ersatzleistung des Schädigers oder einer Versicherung ausgeglichen worden sind6. Der Sacheinleger kann aber bei Zahlung der ergänzenden Geldeinlage von der Gesellschaft die Abtretung eines Ersatzanspruchs gegen den Schädiger verlangen. Eine Wertminderung ist nicht allein deshalb zu verneinen, weil der Gesellschaft auch Sachmängelgewährleistungsansprüche (s. Rdnr. 23) zustehen7.

10

Die bis zur Anmeldung eintretenden Werterhöhungen, die nicht auf Verbesserungen der Gesellschaft beruhen, können einen etwaigen Fehlbetrag ausgleichen8; sie kommen daher dem Gesellschafter zugute. Übersteigt der erhöhte

11

1 OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 112, 113; OLG München, GmbHR 1994, 712; OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43. 2 Ulmer, Rdnr. 13; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Lutter/Bayer in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 205 f.; abschwächend Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 3 für geringfügige Differenzen; weitergehend Urban, in: FG Sandrock, S. 305, 307 f. Zum früheren Recht vgl. schon Wiedemann, in: FS Hirsch, 1968, S. 261 f.; K. Schmidt, GmbHR 1978, 5, 8; abw. BGHZ 68, 191, 196. 3 So irrig Gersch/Herget/Marsch/Stützle, GmbH-Reform 1980, 1980, Rdnr. 83. 4 Nach der Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35 sollte das Risiko von Wertminderungen in der Zeit zwischen Vertragsabschluss und Eintragung zu Gunsten der Gesellschaftsgläubiger möglichst eingeschränkt werden, was den Sacheinlegern auch zumutbar sei, da sie es regelmäßig in der Hand hätten, ob sie schon längere Zeit vor der Anmeldung leisten wollten. 5 Ulmer, Rdnr. 11; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5. 6 Zutr. Ulmer, Rdnr. 15. 7 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Ulmer, Rdnr. 11. 8 Ulmer, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 202 f.

H. Winter/Veil

|

547

§9

Überbewertung von Sacheinlagen

Wert den Stammeinlagebetrag, kann der Gesellschafter den Mehrbetrag allerdings nur herausverlangen, wenn dies im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist (s. § 5 Rdnr. 83 ff.). Wertveränderungen, die erst nach der Anmeldung eintreten, berühren die Differenzhaftung gem. § 9 dagegen nicht (s. aber § 9c Rdnr. 28)1. 12

Bei mehreren Sacheinlagegegenständen eines Gesellschafters ist deren Gesamtwert maßgebend2. Auch wenn für sie, was nicht erforderlich ist (s. § 5 Rdnr. 89), gesonderte Anrechnungsbeträge im Gesellschaftsvertrag genannt sind, kann danach die Überbewertung oder die Wertminderung (Rdnr. 11) eines Einlagegegenstandes durch den Wert anderer kompensiert werden, z.B. im Falle der unterschiedlichen Marktpreisentwicklung eingebrachter Warenvorräte.

13

Bei der Einlage von Gegenständen mit starken Wertschwankungen wird häufig vereinbart, dass der Sacheinleger eine sich ergebende Unterdeckung des Stammeinlagebetrags durch eine Geldleistung auszugleichen hat. Diese gesellschaftsvertraglich begründete Pflicht des Sacheinlegers zum Ausgleich einer Wertdifferenz in Geld ist bei der Vergleichsberechnung zu berücksichtigen3. Soweit sie reicht, scheidet eine Anwendung des § 9 aus. cc) Ausgleich eines Negativwertes

14

Die Differenzhaftung umfasst nach überwiegender Meinung auch den Negativwert eines Einlagegegenstandes4, wie er sich z.B. bei der Einbringung eines überschuldeten Unternehmens oder eines Grundstücks mit Altlasten ergeben kann5. Nach dem Wortlaut und Zweck des § 9 ist dem für Sacheinlagen i.e.S. (Rdnr. 4) zuzustimmen, da die übernommene Stammeinlage ohne einen solchen Ausgleich wertmäßig nicht voll abgedeckt wird. Anders liegt es aber bei Sachübernahmen (Rdnr. 4), da die Aufrechnungs- bzw. Verrechnungsmöglichkeit durch den Betrag der geschuldeten Geldeinlage begrenzt ist (Rdnr. 6). dd) Beweislast

15

Nach den allgemeinen Regeln der Beweislastverteilung trifft die Gesellschaft grundsätzlich die Beweislast für das Vorliegen einer Unterdeckung und für deren Höhe6. Das ist im Hinblick auf die vorangehenden Werthaltigkeitsprüfungen durch die Gesellschaft und durch das Registergericht auch sachgerecht7. 1 Vgl. OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43; Ulmer, Rdnr. 16; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4. 2 OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 112, 113; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5. 3 S. hierzu auch § 5 Rdnr. 58. 4 BGHZ 80, 129, 140; BGH, GmbHR 1982, 235 (ob. dict.); Gienow, in: FS Semler, S. 165, 171 ff.; Urban, in: FG Sandrock, S. 305, 312 f.; G. Schneider, MittRhNotK 1992, 165, 173, 179; s. auch schon BGHZ 68, 191, 198; a.M. Hohner, DB 1975, 629, 631; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 228 ff.; Lutter, in: KölnKomm. AktG, § 183 Rdnr. 66. 5 Zu den Anwendungsfällen vgl. Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 221 ff. 6 OLG München, GmbHR 1994, 712; OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43; OLG Naumburg, GmbHR 1998, 385; 386; Ulmer, Rdnr. 14; a.M. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4. 7 Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 284 ff. m.w.N.; krit. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4.

548

|

H. Winter/Veil

§9

Überbewertung von Sacheinlagen

Die Darlegung begründeter Zweifel am Anrechnungswert kann deshalb keine Beweislastumkehr rechtfertigen1. Auch bei der Einbringung eines ehemals sicherungübereigneten Gegenstands ist es nicht gerechtfertigt, dem Gesellschafter die Darlegungs- und Beweislast aufzubürden, dass das Eigenum an dem Gegenstand bereits vor der Eintragung zurückübertragen war2. Lediglich in besonders gelagerten Ausnahmefällen, insbesondere bei Vorlage unzureichender oder falscher Wertnachweise durch den Sacheinleger bei Gründung, können Beweiserleichterungen angezeigt sein3. Für die Ermittlung des Haftungsumfangs gilt § 287 Abs. 2 ZPO4. c) Kein Verschulden Ein Verschulden des Sacheinlegers ist nach § 9 Abs. 1 nicht erforderlich5. Die Vorschrift soll nicht eine schuldhafte unrichtige Bewertung des Einlagegegenstandes beim Vertragsabschluss oder die Schlechterfüllung der Einlagepflicht sanktionieren, sondern die Aufbringung der übernommenen Stammeinlage durch eine ergänzende Geldeinlagepflicht wertmäßig sichern (Rdnr. 1). Auch bei einer Wertunterdeckung, die von anderen (Gesellschafter, Geschäftsführer, Dritte) verschuldet worden ist, greift sie deshalb ein (Rdnr. 10).

16

d) Geltung vor Eintragung Von der Eintragung der Gesellschaft ist die ergänzende Geldeinlagepflicht nach dem Gesetzeswortlaut nicht abhängig6. Es entspricht auch dem Gesetzeszweck des § 9, den Betrag der übernommenen Stammeinlage für den Anmeldezeitpunkt (Rdnr. 9) durch den Anspruch auf Zahlung des Fehlbetrages abzudecken. Das entgegenstehende Interesse des Sacheinlegers kann, auch wenn es im Einzelfall schutzwürdig ist (s. Rdnr. 10, 16), eine Restriktion der Vorschrift wegen ihrer vorgehenden Gläubigerschutzfunktion nicht rechtfertigen. Sie kann bei der zulässigen Aufnahme der Geschäftstätigkeit schon im Gründungsstadium erheblich werden und schließt eine Schlechterstellung der Gläubiger und Mitgesellschafter im Vergleich zur Bargründung aus. Der Sacheinleger hat seinerseits die Möglichkeit, beim Bekanntwerden der Unterdeckung durch den Einlagegegenstand die Auflösung der Vorgesellschaft zu betreiben und die Eintra-

1 A.A. OLG Naumburg, GmbHR 1998, 385, 386; Ulmer, Rdnr. 14; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; s. auch OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 112, 113. 2 A.A. LG Bonn, GmbHR 1999, 1291; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10. 3 OLG München, GmbHR 1994, 712 (sehr weitgehend). 4 Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 289. 5 Allg.M.; vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35; OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 43; Ulmer, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. 6 So auch v. Rössing, Sachgründung, S. 38 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7; a.M. Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Meyer-Landrut, Rdnr. 10; Ulmer, Rdnr. 8; weitere Nachw. bei Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 148 ff., der selbst bis zur Eintragung eine schuldrechtliche Pflicht annimmt.

H. Winter/Veil

|

549

17

§9

Überbewertung von Sacheinlagen

gung der Gesellschaft zu verhindern. Die Auffassung, dass der ergänzende Geldeinlageanspruch nur ein subsidiärer Gläubigerschutz für die trotz der sonstigen Sicherungen (§§ 5 Abs. 4 Satz 2, 8 Abs. 1 Nr. 4 u. 5, 9c Satz 2) unentdeckt gebliebenen Überbewertungen sein solle1, ist aus den vorgenannten Gründen abzulehnen.

3. Höhe und Fälligkeit 18

Die Höhe des Geldeinlageanspruchs bemisst sich nach dem Fehlbetrag der Stammeinlagedeckung im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft (Rdnr. 5 ff.). Spätere Wertveränderungen des Einlagegegenstandes können nach dieser ausdrücklichen gesetzlichen Entscheidung, die sinngemäß mit § 7 Abs. 3 übereinstimmt, den Anspruch weder erhöhen noch vermindern (Rdnr. 11).

19

Die Fälligkeit des Anspruchs regelt das Gesetz nicht. Der Anwendung der allgemeinen Fälligkeitsbestimmung des § 46 Nr. 2 steht die Funktion des Anspruchs entgegen, die vor der Anmeldung zu bewirkende Sacheinlageleistung (§ 7 Abs. 3) zu ergänzen. Hieraus könnte zu schließen sein, dass der ergänzende Geldeinlageanspruch sofort fällig wird2. Dagegen spricht aber, dass erst bei der Anmeldung feststeht, in welcher Höhe ein Anspruch begründet ist. Ab diesem Zeitpunkt ist er daher fällig3. Auf die Einforderung kommt es nicht an. Ebensowenig bedarf es eines Gesellschafterbeschlusses4. Der Sacheinleger kann aber vor der Eintragung der Gesellschaft deren Auflösung verlangen (Rdnr. 17) und in diesem Falle die Zahlung verweigern, wenn und soweit sie nicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist (Rdnr. 17). Die Stundung der Einlageschuld ist dagegen ausgeschlossen (§ 19 Abs. 2). Nach der vergeblichen Einforderung sind auch Verzugszinsen zu entrichten (§ 20)5.

4. Verjährung 20

Der Anspruch verjährt in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft (§ 9 Abs. 2). Die früher geltende fünfjährige Verjährungsfrist beruhte auf der Erwägung, dass bis zum Ablauf dieser Frist erfahrungsgemäß feststeht, ob sich eine Überbewertung von Sacheinlagen zum Nachteil der Gläubiger ausgewirkt hat. Auch hatte der Gesetzgeber gemeint, dass eine danach erfolgende Wertfeststellung regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre6. Die mit dem Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur

1 Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Priester/K. Schmidt, Die GmbH-Novelle – Konsequenzen für die Praxis, 1980, S. 31; Sernetz, ZIP 1995, 173, 176 im Anschluss an die Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35. 2 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7; abw. Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 152 ff.: Eintragung. 3 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8. 4 A.M. Meyer-Landrut, Rdnr. 10; Steinrücke, GmbHR 1992, R 73. 5 Ulmer, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8. 6 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35. Vgl. auch BGHZ 105, 300, 305; BGHZ 118, 83, 101 f.

550

|

H. Winter/Veil

§9

Überbewertung von Sacheinlagen

Modernisierung des Schuldrechts vom 9. 12. 2004 erfolgte Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre beruht auf dem Ziel, eine einheitliche Frist im Recht der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung festzulegen1. Für die Fristberechnung sind die §§ 187 ff. BGB maßgebend. Die Hemmung und die Unterbrechung der Verjährung bestimmen sich nach den allgemeinen Vorschriften. Die Verjährungsfrist kann wegen des zwingenden Charakters der Vorschrift (Rdnr. 1) nicht vertraglich abgekürzt werden2; die Verlängerung ist aber zulässig (§ 202 Abs. 2 BGB).

21

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Eintragungshindernis Ist eine Sacheinlage überbewertet, hat das Gericht die Eintragung abzulehnen (§ 9c Abs. 1 Satz 2), obwohl gem. § 9 Abs. 1 ein Einlageergänzungsanspruch besteht. Das Eintragungshindernis entfällt nach teleologischer Auslegung der Vorschrift aber dann, wenn der Sacheinleger den Fehlbetrag vor der Eintragung zahlt und die Geschäftsführer dies analog § 8 Abs. 2 dem Registergericht gegenüber versichern3. Mit der Zahlung, die der Kapitalbindung gem. § 30 unterliegt, ist dem bezweckten Gläubigerschutz Rechnung getragen.

22

2. Schlechterfüllung Beruht die Unterdeckung des Stammeinlagebetrages auf einer durch den Sacheinleger zu vertretenden Schlechterfüllung (s. Rdnr. 10), so stehen der Gesellschaft neben dem Einlageergänzungsanspruch aus § 9 auch die Ansprüche wegen Leistungsstörungen (s. § 5 Rdnr. 66 ff.) zu, die im Falle der Vereinbarung einer den Nennbetrag wertmäßig übersteigenden Leistung für sie vorteilhafter sein können4. Der Gesellschaft steht es frei, welchen Anspruch sie geltend machen will.

23

3. Gründungshaftung Auch Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführer oder die Mitgesellschafter aus § 9a Abs. 1 oder 2 können mit dem Einlageergänzungsanspruch des § 9 zusammentreffen. Es entsteht zwischen den Ersatzpflichtigen und dem Einlageschuldner ein Gesamtschuldverhältnis5.

1 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 15/3653, S. 20. Zur Übergangsregelung vgl. Art. 229 § 12 Abs. 1 EGBGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB. 2 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10. 3 Ulmer, Rdnr. 19. 4 Zutr. Ulmer, Rdnr. 21. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 277 ff. 5 Str.; s. § 9a Rdnr. 42.

H. Winter/Veil

|

551

24

§ 9a

Haftung bei Errichtung

4. Vorbelastungshaftung 25

Die Regelung des § 9 schließt Ansprüche gegen die Gründungsgesellschafter aus der von der Rechtsprechung entwickelten sog. Vorbelastungshaftung1 wegen der Wertminderung von Sacheinlagen nicht generell aus. Diese greift vielmehr beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dann ein, wenn die Wertminderung im Zusammenhang mit der Geschäftsaufnahme durch die Vorgesellschaft steht2, also z.B. der Wert des Einlagegegenstandes durch seine Nutzung oder Beschädigung geschmälert worden oder der Wert des fortgeführten Unternehmens nach seiner Einbringung abgesunken ist3. Sind solche Wertminderungen vor der Anmeldung eingetreten, so besteht daneben der ergänzende Geldeinlageanspruch gegen den Sacheinleger aus § 9 (Rdnr. 10 f.)4; er kann aber im Falle seiner Inanspruchnahme intern von den übrigen Gründungsgesellschaftern anteilig nach Maßgabe ihrer Stammkapitalbeteiligung5 einen Ausgleich verlangen, da die Risiken aus der Geschäftsaufnahme vor der Eintragung gemeinschaftlich zu tragen sind6. Die Vorbelastungshaftung der Gründungsgesellschafter und ihre Ausgleichshaftung sind dagegen nicht gegeben, wenn die Wertminderung eingebrachter Sachen ohne oder unabhängig von der Geschäftsaufnahme eingetreten ist oder wenn ihre sonstigen Voraussetzungen nicht vorliegen7. Der Sacheinleger haftet in diesen Fällen – vorbehaltlich des § 24 (Rdnr. 3) – allein, jedoch nur für die bis zur Anmeldung entstandenen Wertminderungen (Rdnr. 11).

§ 9a

Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer bei Errichtung der Gesellschaft (1) Werden zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht, so haben die Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft als Gesamtschuldner fehlende Einzahlungen zu leisten, eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen und für den sonst entstehenden Schaden Ersatz zu leisten.

1 BGHZ 80, 129, 140 ff.; BGHZ 105, 300, 303; BGH, WM 1982, 40. Näheres dazu s. Erl. zu § 11. 2 Die Annahme der Sacheinlage durch die Gesellschaft ist entgegen Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 251 f. noch keine Geschäftsaufnahme. 3 Weitgehend übereinstimmend Ulmer, Rdnr. 22; Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, 1987, S. 543; K. Schmidt, ZHR 156 (1992), 93, 130. 4 Von einem Vorrang der Sacheinlegerhaftung gem. § 9 gehen zu Unrecht Stimpel, in: FS Fleck, 1988, S. 345, 349 u. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rdnr. 28 aus. 5 BGHZ 80, 129, 141. 6 Zutr. K. Schmidt, unten § 11 Rdnr. 124. 7 Vgl. dazu Ulmer, Rdnr. 22; Meister, in: FS Werner, 1984, S. 521; K. Schmidt, ZHR 156 (1992), 93, 130.

552

|

H. Winter/Veil

§ 9a

Haftung bei Errichtung

4. Vorbelastungshaftung 25

Die Regelung des § 9 schließt Ansprüche gegen die Gründungsgesellschafter aus der von der Rechtsprechung entwickelten sog. Vorbelastungshaftung1 wegen der Wertminderung von Sacheinlagen nicht generell aus. Diese greift vielmehr beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dann ein, wenn die Wertminderung im Zusammenhang mit der Geschäftsaufnahme durch die Vorgesellschaft steht2, also z.B. der Wert des Einlagegegenstandes durch seine Nutzung oder Beschädigung geschmälert worden oder der Wert des fortgeführten Unternehmens nach seiner Einbringung abgesunken ist3. Sind solche Wertminderungen vor der Anmeldung eingetreten, so besteht daneben der ergänzende Geldeinlageanspruch gegen den Sacheinleger aus § 9 (Rdnr. 10 f.)4; er kann aber im Falle seiner Inanspruchnahme intern von den übrigen Gründungsgesellschaftern anteilig nach Maßgabe ihrer Stammkapitalbeteiligung5 einen Ausgleich verlangen, da die Risiken aus der Geschäftsaufnahme vor der Eintragung gemeinschaftlich zu tragen sind6. Die Vorbelastungshaftung der Gründungsgesellschafter und ihre Ausgleichshaftung sind dagegen nicht gegeben, wenn die Wertminderung eingebrachter Sachen ohne oder unabhängig von der Geschäftsaufnahme eingetreten ist oder wenn ihre sonstigen Voraussetzungen nicht vorliegen7. Der Sacheinleger haftet in diesen Fällen – vorbehaltlich des § 24 (Rdnr. 3) – allein, jedoch nur für die bis zur Anmeldung entstandenen Wertminderungen (Rdnr. 11).

§ 9a

Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer bei Errichtung der Gesellschaft (1) Werden zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht, so haben die Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft als Gesamtschuldner fehlende Einzahlungen zu leisten, eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen und für den sonst entstehenden Schaden Ersatz zu leisten.

1 BGHZ 80, 129, 140 ff.; BGHZ 105, 300, 303; BGH, WM 1982, 40. Näheres dazu s. Erl. zu § 11. 2 Die Annahme der Sacheinlage durch die Gesellschaft ist entgegen Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 251 f. noch keine Geschäftsaufnahme. 3 Weitgehend übereinstimmend Ulmer, Rdnr. 22; Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, 1987, S. 543; K. Schmidt, ZHR 156 (1992), 93, 130. 4 Von einem Vorrang der Sacheinlegerhaftung gem. § 9 gehen zu Unrecht Stimpel, in: FS Fleck, 1988, S. 345, 349 u. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 11 Rdnr. 28 aus. 5 BGHZ 80, 129, 141. 6 Zutr. K. Schmidt, unten § 11 Rdnr. 124. 7 Vgl. dazu Ulmer, Rdnr. 22; Meister, in: FS Werner, 1984, S. 521; K. Schmidt, ZHR 156 (1992), 93, 130.

552

|

H. Winter/Veil

§ 9a

Haftung bei Errichtung

(2) Wird die Gesellschaft von Gesellschaftern durch Einlagen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gesellschafter als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet. (3) Von diesen Verpflichtungen ist ein Gesellschafter oder ein Geschäftsführer befreit, wenn er die die Ersatzpflicht begründenden Tatsachen weder kannte noch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen musste. (4) Neben den Gesellschaftern sind in gleicher Weise Personen verantwortlich, für deren Rechnung die Gesellschafter Stammeinlagen übernommen haben. Sie können sich auf ihre eigene Unkenntnis nicht wegen solcher Umstände berufen, die ein für ihre Rechnung handelnder Gesellschafter kannte oder bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kennen musste. Eingefügt durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836).

Inhaltsübersicht I. Allgemeines . . . . . . . . . .

1

II. Die Gründungshaftung 1. Anspruchsberechtigte . . . . . 2. Rechtsnatur des Anspruchs . .

3 6

3. Zwingendes Recht . . . . . . . 4. Kein Schutzgesetz . . . . . . .

7 8

III. Haftung für falsche Angaben (§ 9a Abs. 1) 1. Objektive Haftungsvoraussetzungen a) Angabe zum Zweck der Errichtung . . . . . . . . . b) Urheber und Adressat . . . c) Form der Angaben . . . . . d) Art der Angaben . . . . . . e) Falsche Angaben . . . . .

. . . . .

9 10 12 13 20

2. Haftpflichtige Personen a) Geschäftsführer und Gesellschafter . . . . . . . . . . . b) Umwandlung . . . . . . . . c) Hintermänner . . . . . . . . 3. Verschulden . . . . . . . . . .

23 25 26 27

4. Art und Umfang der Haftung a) Schadensersatz . . . . . . . b) Mitverschulden . . . . . . .

30 34

IV. Haftung für Schädigung durch Einlagen oder Gründungsaufwand (§ 9a Abs. 2) 1. Anwendungsbereich . . . . . . . 35 2. Haftungsvoraussetzungen a) Schädigung durch Einlagen oder Gründungsaufwand . . b) Vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln . . . . . . c) Verschulden der übrigen Gesellschafter . . . . . . . . 3. Haftungsschuldner . . . . . .

. 36 . 37 . 38 . 39

4. Haftungsumfang . . . . . . . . . 40 V. Gesamtschuldnerische Haftung 1. Mehrere Verantwortliche . . . . 41 2. Verhältnis zum Einlageschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . 42 VI. Sonstige Ansprüche 1. Gesellschaft a) Haftung analog § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG . . . . . . . . . b) Anspruch aus § 43 . . . . . c) Sonstige Ersatzansprüche . 2. Gesellschafter und Dritte . . .

. . . .

43 47 48 49

Schrifttum: Dreher, Die Gründungshaftung bei der GmbH, DStR 1992, 33; Lowin, Die Gründungshaftung bei der GmbH nach § 9a GmbHG, 1987; Trölitzsch, Differenzhaftung für Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, 1998; van Venrooy, Vertrauen des Geschäftsführers bei der Anmeldung einer Sachkapitalerhöhung und die Folgen enttäuschten Vertrauens, GmbHR 2002, 701. H. Winter/Veil

|

553

§ 9a

Haftung bei Errichtung

I. Allgemeines 1

Die Vorschrift bestimmt die Voraussetzungen der Gründungshaftung. Sie wurde mit der GmbH-Novelle von 1980 in Anlehnung an §§ 46 ff. AktG eingeführt. Ihr Zweck besteht im Gläubigerschutz1. Dem Gesetzgeber war dieses Regelungsziel so wichtig, dass er die Vorschrift gegenüber der bis dato geltenden Rechtslage (§ 9 a.F.) erheblich verschärfte. Die Gesellschafter und die Geschäftsführer sind der GmbH für jedwede falsche Angaben zum Zwecke der Errichtung der Gesellschaft zivilrechtlich verantwortlich. Außerdem haften die Gesellschafter gem. § 9a Abs. 2 für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen und durch Gründungsaufwand. Die Schadensersatzsanktion soll – neben der Strafbarkeit falscher Angaben (§ 82 Abs. 1 Nr. 1, 2 u. 4) – die Ordnungsmäßigkeit der Gründung sichern2. Um Umgehungen durch die Einschaltung vermögensloser Strohmanngründer zu verhindern, erstreckt das Gesetz die Gründungshaftung auch auf die Personen, für deren Rechnung die Gesellschafter Stammeinlagen übernommen haben (§ 9a Abs. 4 Satz 1), und rechnet ihnen deren Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von Umständen zu (§ 9a Abs. 4 Satz 2). Darüber hinaus besteht analog § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG auch eine Haftung der Kreditinstitute für die Richtigkeit einer Bestätigung über die Einzahlungen auf die Einlage (Rdnr. 43).

2

Auf die Entstehung einer GmbH durch Umwandlung (Verschmelzung, Spaltung und Rechtsformwechsel) ist die Vorschrift des § 9a entsprechend anwendbar (§§ 36 Abs. 2, 135 Abs. 2, 197 Satz 1 UmwG)3. Nach § 57 Abs. 4 gelten bei einer Kapitalerhöhung für die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer die Vorschriften des § 9a Abs. 1 u. 3 entsprechend, während eine dahingehende Haftung der Gesellschafter ausscheidet. Schließlich findet die Vorschrift auch bei Aktivierung einer Vorratsgesellschaft oder Mantelgesellschaft analog Anwendung (s. dazu § 3 Rdnr. 26 ff., 37 ff.).

II. Die Gründungshaftung 1. Anspruchsberechtigte 3

Der Schadensersatzanspruch aus § 9a steht der GmbH zu. Seine Entstehung setzt nach herrschendem Verständnis die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister voraus4. Das ergibt sich zwar nicht ohne weiteres aus dem Gesetzeswortlaut. Auch der Umstand, dass die Vorgesellschaft mittlerweile als teilrechtsfähig anerkannt ist, könnte dafür sprechen, die Gründungshaftung bereits vor der Eintragung in das Handelsregister stattfinden zu lassen. Dagegen ist aber der Sinn des § 9a anzuführen, die Ordnungsmäßigkeit der Gründung

1 2 3 4

Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 27. Ulmer, Rdnr. 1, 5. Zur abweichenden Bestimmung der Verantwortlichen in diesen Fällen s. Rdnr. 25. Eb. OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 659; Ulmer, Rdnr. 9; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20; Lowin, Gründungshaftung, S. 9 ff.; Kion, BB 1984, 864.

554

|

H. Winter/Veil

§ 9a

Haftung bei Errichtung

durch die Herbeiführung zutreffender Angaben bezüglich der dazu erforderlichen Einzelakte sicherzustellen (Rdnr. 1). Auch die anderen, der Kapitalaufbringung und -erhaltung dienenden Vorschriften (insbesondere §§ 9, 19, 30, 31) finden erst ab der Eintragung der Gesellschaft Anwendung. Die Vorgesellschaft kann somit keine Ersatzansprüche aus § 9a herleiten. Sie ist aber nicht schutzlos gestellt, wenn die Beteiligten falsche Angaben gemacht haben. So kann sie Ansprüche aus Vertragsverletzung gegen die Gründungsgesellschafter (Rdnr. 48) oder, wenn die Gründung scheitert, aus § 43 gegen die Geschäftsführer (Rdnr. 47) haben. Auch setzen die Straftatbestände des § 82 Abs. 1 Nr. 1, 2 u. 4 die Eintragung nicht voraus. Die Gesellschaftsgläubiger sind daher bereits im Vorfeld der Eintragung durch deliktische Schadensersatzersatzansprüche gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 82 Abs. 1 geschützt. Die Geltendmachung der Ersatzansprüche aus § 9a gegen einen Gesellschafter oder einen Geschäftsführer erfordert, s. stat., einen Gesellschafterbeschluss (§ 46 Nr. 8), der nicht Sachurteils-, sondern Anspruchsvoraussetzung ist und dessen Fehlen deshalb zur Abweisung der Klage mangels Begründetheit führt (s. 9. Aufl., § 46 Rdnr. 159). Der betroffene Gesellschafter hat dabei kein Stimmrecht (§ 47 Abs. 4 Satz 2). Erforderlichenfalls ist zugleich ein besonderer Prozessvertreter zu bestellen (s. 9. Aufl., § 46 Rdnr. 163 ff.). Im Insolvenzverfahren der Gesellschaft entscheidet dagegen der Insolvenzverwalter allein (§ 80 InsO). Nur er kann den zur Insolvenzmasse gehörenden Ersatzanspruch der GmbH geltend machen. Ebenso ist die Geltendmachung durch einen Pfändungsgläubiger nicht von einem Gesellschafterbeschluss abhängig1.

4

Die Inanspruchnahme des Hintermannes eines Gesellschafters gem. § 9a Abs. 4 setzt keinen Gesellschafterbeschluss voraus2. § 46 Nr. 8 ist nicht analog anwendbar.

5

2. Rechtsnatur des Anspruchs Die Vorschrift begründet eine verschuldensabhängige Schadensersatzpflicht (§ 9a Abs. 1 bis 3)3. Die Bestimmung des nach § 9a Abs. 1 ersatzfähigen Schadens unterliegt allerdings nach dem Schutzzweck der Gründungshaftung einigen Besonderheiten (Rdnr. 30 ff.), die dem Anspruch insoweit gewisse garantieähnliche Züge geben4, ohne aber seine Rechtsnatur als Ersatzanspruch in Frage zu stellen5. Die Haftung gem. § 9a soll nach h.M. einen deliktsähnlichen Charakter aufweisen6. Vorzugswürdig ist aber eine gesellschaftsrechtliche Interpre-

1 RG, LZ 1918, 856; 1929, 1460. Vgl. ferner K. Schmidt, 9. Aufl., § 46 Rdnr. 152. 2 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Ulmer, Rdnr. 10. 3 So auch OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 44; Ulmer, Rdnr. 11; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 142. 4 Zutr. Ulmer, Rdnr. 11; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17. 5 A.M. für § 39 AktG 1937 (= § 46 AktG 1965) BGHZ 29, 300, 306; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbHRechten der EWG, 1964, S. 278; s. auch OLG Hamm, DB 1993, 1763. 6 Vgl. OLG Düsseldorf, GmbHR 1992, 373, 374; 9. Aufl., Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 34.

H. Winter/Veil

|

555

6

§ 9a

Haftung bei Errichtung

tation. Ihren Ausgangspunkt bilden die aus dem Gesellschaftsverhältnis bzw. der Organstellung fließenden Pflichten der Geschäftsführer bzw. der Gesellschafter gegenüber der GmbH, keine falschen Angaben zu machen oder die Gesellschaft nicht durch Einlagen oder Gründungsaufwand zu schädigen1. Entgegen der h.M. ist daher § 32 ZPO (über den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung) nicht anwendbar; statt dessen sind §§ 12 und 22 ZPO heranzuziehen2.

3. Zwingendes Recht 7

§ 9a ist zwingendes Recht3. Die Gründungshaftung kann im voraus vertraglich weder ausgeschlossen noch abgemildert werden. Ein nachträglicher Verzicht, Vergleich o.ä. wirkt nur in den Grenzen des § 9b Abs. 1 (s. dort Rdnr. 4 ff.).

4. Kein Schutzgesetz 8

Die Vorschrift des § 9a ist kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten der Gesellschafter oder der Gesellschaftsgläubiger, sondern wahrt deren schutzwürdige Interessen nur indirekt durch die Ersatzpflicht gegenüber der GmbH. Der Anspruch der Gesellschaft kann aber für einen Gesellschaftsgläubiger gepfändet werden (§§ 829, 835 ZPO). Soweit er sich auf den Ersatz von Stammeinlageleistungen richtet (Rdnr. 31 f.), gelten aber dieselben Einschränkungen wie für deren Pfändung (s. dazu § 19 Rdnr. 26 ff.)4. Über die Schadensersatzpflicht gegenüber Gesellschaftern oder Dritten wegen falscher Angaben bei der Gründung vgl. im Übrigen Rdnr. 48.

III. Haftung für falsche Angaben (§ 9a Abs. 1) 1. Objektive Haftungsvoraussetzungen a) Angabe zum Zweck der Errichtung 9

Eine Haftung gem. § 9a Abs. 1 setzt voraus, dass Angaben zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft gemacht wurden. Der Ausdruck „Errichtung“ ist nicht in dem engen rechtstechnischen Sinne des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages zu verstehen, sondern umfasst entsprechend der Abschnittsüberschrift des GmbHG den gesamten Gründungsvorgang. Die Vorschrift bezieht sich danach nur auf die Angaben, die vor der Eintragung der Gesellschaft gemacht werden5. Auf nachzureichende fehlende Unterlagen gem. § 8 bei einer versehentlichen Eintragung (s. dazu § 8 Rdnr. 29) ist sie aber analog anzuwen1 So bereits Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 142; Ulmer, Rdnr. 11; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; anders Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8 (Rechtsscheinoder Vertrauenshaftung). 2 Ebenso Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Ulmer, Rdnr. 1. 3 Allg.M.; vgl. Ulmer, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1. 4 Zutr. Ulmer, Rdnr. 8. 5 Vgl. Ulmer, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 141; Gersch/Herget/Marsch/Stützle, GmbH-Reform 1980, Rdnr. 119.

556

|

H. Winter/Veil

§ 9a

Haftung bei Errichtung

den. Erforderlich ist außerdem ein sachlicher Zusammenhang der Angaben mit dem Gründungsverfahren. Die betreffende Angabe braucht zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben oder für die Eintragung ursächlich zu sein. Doch folgt aus dem Gesetzeszweck (Rdnr. 1), dass die Angabe für die Ordnungsmäßigkeit der Gründung erheblich sein können muss1. Dies ist bei einer Angabe, die außerhalb des Gründungsverfahrens (z.B. bei Kreditverhandlungen, Geschäftsabschlüssen der Vorgesellschaft u.ä.) gemacht worden ist, nicht der Fall. Die Vorstellung des Äußernden, dass die Angabe für die Gründung bedeutsam sein könnte, ist weder erforderlich noch ausreichend. b) Urheber und Adressat Es ist für die Haftung nach § 9a Abs. 1 nicht entscheidend, von wem die Angabe stammt2. Ein Gesellschafter oder Geschäftsführer ist nicht nur für die Richtigkeit seiner eigenen Angaben, sondern auch für die aller anderen Gesellschafter und Geschäftsführer verantwortlich. Es kommt dabei auch nicht darauf an, wer von ihnen nach den Gründungsvorschriften die betreffende Angabe zu machen hat. So haben z.B. die Geschäftsführer für die Angaben der Gesellschafter über die Übernahme der Stammeinlagen (Rdnr. 14) oder im Sachgründungsbericht (Rdnr. 17) und umgekehrt diese, wie die Gesetzesmaterialien ausdrücklich hervorheben3, für die Angaben der Geschäftsführer in der Anmeldung (Rdnr. 16) einzustehen4. Die strenge Zurechnung soll die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Gründung durch alle Verantwortlichen (Rdnr. 23 ff.) gewährleisten (Rdnr. 1). Sie wird allerdings (nur) durch das Verschuldenserfordernis (Rdnr. 27 ff.) begrenzt5. Eine Haftung kann ebenfalls durch die Angabe eines Dritten (z.B. Auskunftspersonen, Berater, Bewertungssachverständige, Belegaussteller u.a.) begründet werden, wenn er am Gründungsverfahren mit Kenntnis zumindest eines Verantwortlichen (Rdnr. 23 ff.) mitgewirkt oder ein Verantwortlicher sie sich zu eigen gemacht hat6.

10

Der nach § 9a Abs. 1 relevante Adressatenkreis der Angabe beschränkt sich nicht auf das Registergericht, sondern umfasst auch die Geschäftsführer, die Mitgesellschafter und andere am Gründungsverfahren Beteiligte, z.B. die Organe des Handels- und des Handwerksstandes bei ihrer Mitwirkung am Eintragungsverfahren (§ 126 FGG) oder hinzugezogene Bewertungssachverständi-

11

1 Eb. v. Rössing, Sachgründung, S. 115. Vgl. auch Ulmer, Rdnr. 12; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3. 2 Vgl. K. Schmidt, NJW 1980, 1769, 1771; Deutler, GmbHR 1980, 145, 148; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7. 3 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71. 4 So auch die h.M.; vgl. die Nachw. oben in der vorvorigen Fn. 2; Ulmer, Rdnr. 33 f. will dagegen Gesellschafter ohne maßgebliche Beteiligung nur haften lassen, wenn sie die Angabe selbst gemacht oder veranlasst haben. 5 Zutr. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3 a.E. 6 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 142; Meyer-Landrut, Rdnr. 5; enger Ulmer, Rdnr. 33.

H. Winter/Veil

|

557

§ 9a

Haftung bei Errichtung

ge1. Dass auch die Mitgesellschafter als taugliche Empfänger in Betracht kommen, ergibt sich aus dem Umstand, dass das Gesetz ihnen die Sorge für die Ordnungsmäßigkeit der Gründung übertragen hat und damit die richtige gegenseitige Unterrichtung voraussetzt. Die Angaben gegenüber der für eine staatliche Genehmigung des Unternehmensgegenstandes zuständigen Behörde fallen dagegen nicht unter § 9a Abs. 12. Der Anmeldung ist nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 zwar die Genehmigungsurkunde beizufügen (s. dazu § 8 Rdnr. 14 ff.). Das Verwaltungsverfahren auf Erteilung der Erlaubnis steht aber nicht in dem notwendigen sachlichen Zusammenhang mit der Gesellschaftserrichtung (s. Rdnr. 9) und verfügt über spezifische Sanktionen. Anders wird es aber zu beurteilen sein, wenn § 8 Abs. 1 Nr. 6 wie durch den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) beabsichtigt geändert wird. Die vorgesehene Versicherung des Geschäftsführers, die staatliche Genehmigung sei beantragt worden, wird, wenn sie falsch ist, zu einer Haftung nach § 9a Abs. 1 führen können. c) Form der Angaben 12

Die Einhaltung der gesetzlichen Form der Angabe ist für die Haftung aus § 9a Abs. 1 unerheblich. Sie greift deshalb z.B. auch dann ein, wenn die Geschäftsführer die Versicherung nach § 8 Abs. 2 nicht in öffentlich beglaubigter Form (s. § 8 Rdnr. 20) abgegeben haben und die Gesellschaft dennoch versehentlich eingetragen worden ist. Es kommen im Übrigen nicht nur schriftliche, sondern auch mündliche Angaben, z.B. gegenüber dem Bewertungssachverständigen (Rdnr. 11) in Betracht3, soweit sie erkennbar verbindlich sein sollten und für die Gründung erheblich sein können (Rdnr. 9). Sie müssen auch nicht ausdrücklich erfolgen. Haftungsbegründend kann schließlich auch das Unterlassen einer Angabe sein4; es muss allerdings eine gesetzliche Pflicht bestanden haben, eine entsprechende Angabe zu machen. d) Art der Angaben

13

Die Art der Angaben, für deren Richtigkeit gehaftet wird, bestimmt das Gesetz, abweichend vom Aktienrecht (§ 46 Abs. 1 Satz 1 AktG), nicht näher. Die h.M. nimmt daher an, dass alle für das Eintragungsverfahren relevanten Angaben eine Haftung nach § 9a Abs. 1 begründen können5. Dagegen ist in der 9. Auflage vertreten worden, die Vorschrift des § 9a Abs. 1 könne trotz der allgemein gehaltenen Wortfassung nicht dahingehend ausgelegt werden, dass alle möglichen 1 Vgl. OLG Köln, GmbHR 1998, 42, 44; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; v. Rössing, Sachgründung, S. 115; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 142. 2 Eb. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; a.M. Ulmer, Rdnr. 13; Lowin, Gründungshaftung, S. 39. 3 Vgl. Ulmer, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3. 4 Vgl. Ulmer, Rdnr. 15; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; s. auch Rdnr. 20. 5 Ulmer, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 141; wohl auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6.

558

|

H. Winter/Veil

§ 9a

Haftung bei Errichtung

zum Zwecke der Gesellschaftserrichtung gemachten Angaben einschränkungslos einbezogen werden sollten. Eine derartige uferlose Ausdehnung des Anwendungsbereichs sei wertungsmäßig nicht zu rechtfertigen und widerspräche dem Sinn der herkömmlichen Gründungshaftung, die das Gesetz wegen der weitgehend übereinstimmenden Interessenlage in Anlehnung an die einschlägigen aktienrechtlichen Bestimmungen mit wenigen rechtsformspezifischen Besonderheiten nur habe übernehmen wollen1. Die abschließende Aufzählung der haftungserheblichen Angaben in § 9a Abs. 1 Satz 1 RegE, die dem Rechnung trug, sei ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht aus sachlichen, sondern nur aus redaktionellen Gründen weggelassen worden2. Die Haftung sei daher unter Restriktion des Gesetzeswortlautes wie im Aktienrecht auf die Angaben zu beschränken, die die Übernahme sowie die Aufbringung des Stammkapitals und den Gründungsaufwand betreffen. Trotz dieser gewichtigen Argumente wird die in der 9. Auflage vertretene Ansicht aufgegeben. Es besteht ein Bedürfnis dafür, auch andere virulente Sachverhalte zu erfassen. In Betracht kommen etwa Angaben über den Unternehmensgegenstand3, über die Eignung der Geschäftsführer (§§ 8 Abs. 3 Satz 1; § 6 Abs. 2)4 und über Vorbelastungen aus der Aufnahme der Geschäftstätigkeit5. Dass diese Vorgänge nicht zu einer Gründungshaftung führen sollen, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Hinzu kommt, dass teleologische Gesichtspunkte nicht zu einer sklavisch an § 46 AktG orientierten Auslegung zwingen. aa) Erheblich sind die Angaben über die Übernahme der Stammeinlagen, die im Gesellschaftsvertrag erfolgen müssen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4) und sich aus der einzureichenden Gesellschafterliste ergeben (§ 8 Abs. 1 Nr. 3). Das betrifft zunächst deren Vollständigkeit und Rechtswirksamkeit, für die insbesondere die Angaben über die Vertretungsmacht, über die Geschäftsfähigkeit und eine eventuell notwendige Zustimmung des Ehegatten bedeutsam werden können (s. § 2 Rdnr. 32, 66), während die Scheinübernahme wegen der Unbeachtlichkeit dieses Erklärungsmangels nach Eintragung (s. § 2 Rdnr. 74) und des daher fehlenden Gesellschaftsschadens regelmäßig keine Haftung nach § 9a Abs. 1 auslösen kann. Bei der Strohmanngründung (s. § 2 Rdnr. 54 ff.) braucht dieser Umstand nicht offengelegt zu werden6.

14

Bedeutsam sind ferner Angaben über den Gegenstand der Einlage und seine Verfügbarkeit. Unrichtige Zusagen über Eigenschaften eines Sacheinlage- oder Sachübernahmegegenstandes, das Verschweigen offenbarungspflichtiger Mängel oder von Belastungen des Gegenstandes o.Ä. können deshalb unabhängig von der Wertdeckung des Stammeinlagebetrages (Rdnr. 17) nach § 9a Abs. 1 haftbar machen. Auch die im Zusammenhang mit verdeckten Sacheinlagen abgegebenen Erklärungen kommen in Betracht. Verabreden die Gesellschafter ohne Fest-

15

1 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 35 f. 2 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71; Gersch/Herget/Marsch/ Stützle, GmbH-Reform 1980, Rdnr. 118. 3 So Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4. 4 So Ulmer, Rdnr. 15; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 141. 5 Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8. S. hierzu sogleich unter Rdnr. 26. 6 So auch Ulmer, Rdnr. 19.

H. Winter/Veil

|

559

§ 9a

Haftung bei Errichtung

setzung im Gesellschaftsvertrag (§ 5 Abs. 4 Satz 1) die Leistung eines anderes Vermögensgegenstandes als Geld oder die Verrechnung mit der Vergütung aus einer Sachübernahme, so ist das Umgehungsgeschäft (sowohl auf schuldrechtlicher als auch auf dinglicher Ebene) rechtsunwirksam und der Gesellschafter bleibt zur Geldeinlage verpflichtet (s. § 5 Rdnr. 94). Die Gründungshaftung greift ein, da in diesem Fall unzutreffende Angaben über die Einzahlung gemacht wurden. Dann ist die Versicherung, die Leistung sei bewirkt und der Gegenstand der Leistung befinde sich endgültig in der freien Verfügung des Geschäftsführers (§ 8 Abs. 2) falsch1. 16

bb) Die Gründungshaftung bezieht sich auf alle in der Versicherung gem. § 8 Abs. 2 oder in sonstigen Erklärungen (z.B. im Gesellschaftsvertrag) gemachten Angaben über die vor der Anmeldung geleisteten Einlagen. Es ist dabei unerheblich, ob es sich um die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestleistungen (§ 7 Abs. 2 u. 3) oder um statutarisch geforderte oder freiwillige Mehrleistungen (s. § 7 Rdnr. 45) handelt2. Die Angaben über die Einzahlungen und die Sacheinlageleistungen müssen nach ihrem Umfang, ihrem Gegenstand und der Art der Bewirkung zutreffen (s. dazu § 7 Rdnr. 27 ff., 39 ff., § 8 Rdnr. 23). Bei einer Sachübernahme mit Anrechnungsabrede (s. § 5 Rdnr. 71 ff.) gilt das außerdem für die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts des Übernahmevertrages im Sachgründungsbericht und die beigefügten Vertragsabschriften (s. § 8 Rdnr. 10). Die Versicherung, wonach der Gegenstand der Geld- und Sacheinlageleistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet (§ 8 Abs. 2), beinhaltet auch (s. dazu § 7 Rdnr. 32, 36), dass keine Pflichten oder Zusagen zur Rückzahlung, keine Verwendungsabreden zugunsten des Einlageschuldners oder ihm nahestehender Personen oder keine Haftungsrisiken aus der Mittelbeschaffung für die Gesellschaft bestehen (s. § 7 Rdnr. 32). Dagegen ist ihr nicht der Erklärungsinhalt beizumessen, dass die eingezahlten Beträge bei der Anmeldung wertmäßig noch ungeschmälert vorhanden sind3. Nach zutreffendem Verständnis kommt der Versicherung nur die Bedeutung zu, dass die Einlagen einmal wirksam geleistet worden sind. Hat die Gesellschaft bereits vor der Anmeldung ihre Geschäfte begonnen und Verluste erlitten, ist der Geschäftsführer allerdings verpflichtet, für den Ausgleich der Vorbelastungen zu sorgen. Auch hat er bei der Anmeldung zu erklären, dass das Nettovermögen nicht geringer ist als das ausgewiesene Stammkapital (s. dazu § 8 Rdnr. 24). Diese Versicherung kann ebenfalls eine Haftung nach § 9a Abs. 1 auslösen4.

17

cc) Die Angaben im Gesellschaftsvertrag (§ 8 Abs. 1 Nr. 1), im Sachgründungsbericht (§§ 5 Abs. 4 Satz 2, 8 Abs. 1 Nr. 4), in den beigefügten Wertunterlagen 1 Vgl. Ulmer, Rdnr. 24, 27; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 141; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; i.E. ebenso, aber ungenau OLG Köln, GmbHR 1999, 663 (falsche Angabe über die Einzahlung der Stammeinlage durch Verschweigen, dass die Einlage für eine verdeckte Sacheinlage verwandt wurde). 2 Ulmer, Rdnr. 19 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 8; vgl. auch OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 582, 583; OLG Celle, NZG 2000, 1178, 1179; einschr. Meyer-Landrut, Rdnr. 6: nicht freiwillige Mehrleistungen. 3 Vgl. K. Schmidt, AG 1986, 106, 114 f. A.A. LG Bonn, GmbHR 1988, 193; Ulmer, Rdnr. 21. 4 So wohl auch BGHZ 80, 182, 185.

560

|

H. Winter/Veil

§ 9a

Haftung bei Errichtung

(§ 8 Abs. 1 Nr. 5) und in sonstigen Erklärungen über den Wert der Sacheinlageoder Sachübernahmegegenstände unterliegen § 9a Abs. 1. Sie können die wertungserheblichen Umstände des Gegenstandes betreffen, die angewandte Bewertungsmethode, die zugrunde gelegten Maßstäbe und mitgeteilten Werturteile anderer. Der Sachgründungsbericht gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 hat alle für die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen wesentlichen Umstände darzulegen (s. dazu § 5 Rdnr. 103 ff.), darf also keine unvollständigen Angaben machen, wenn er sich mit der Bewertung des Gegenstandes befasst. Die beigefügten Wertunterlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5) müssen nicht nur selbst inhaltlich richtig sein, sondern müssen auch auswahlmäßig ein zutreffendes Bild über die durch sie belegten Umstände, z.B. den Marktpreis des Gegenstandes uä. (s. § 8 Rdnr. 13), vermitteln. dd) Die Angaben über die Sicherungen für ausstehende Geldeinlagen bei Einmanngründungen (§ 8 Abs. 2 Satz 2) fallen unter die Gründungshaftung. Sie beziehen sich auf die Art der Sicherung, ihre Bestellung und den Wert der Sicherung einschließlich seiner Ermittlung (s. § 8 Rdnr. 25).

18

ee) Ferner sind Angaben über den von der Gesellschaft zu übernehmenden Gründungsaufwand haftungsbewehrt; dies ist in § 9a Abs. 1 ausdrücklich festgelegt. Zweck dieser Vorschrift ist es, die nicht erwähnte Belastung der Gesellschaft durch Zahlung im Außenverhältnis geschuldeter Aufwendungen (s. § 5 Rdnr. 112) oder durch gesetzwidrige Zahlung zu verhindern1.

19

e) Falsche Angaben Eine falsche Angabe i.S. des § 9a Abs. 1 liegt nicht nur dann vor, wenn die ausdrückliche oder konkludente Mitteilung für sich genommen inhaltlich objektiv unrichtig ist, sondern ist auch dann gegeben, wenn durch das Verschweigen von Einzelumständen insgesamt ein mit der Wirklichkeit objektiv nicht übereinstimmender Sinn vermittelt wird2, z.B. wenn in der Versicherung über die endgültige freie Verfügbarkeit der eingezahlten Geldeinlage (§ 8 Abs. 2) die Abrede über deren Verwendung zum Erwerb eines Vermögensgegenstandes von dem Einleger (Rdnr. 15 f.) oder im Sachgründungsbericht bei der Darlegung der Angemessenheit eine wertmindernde Eigenschaft des Vermögensgegenstandes (Rdnr. 17) übergangen wird. Soweit das Gesetz keine speziellen Anforderungen stellt, bestimmt sich der Umfang der offenbarungspflichtigen Umstände nach ihrer Erheblichkeit für eine zutreffende Beurteilung des Aussagegegenstandes durch einen außenstehenden Adressaten. Andererseits müssen bei der Ermittlung des Aussageinhaltes einer Einzelangabe auch die sonstigen Erklärungen und die eingereichten Unterlagen mit herangezogen werden. Ergibt sich aus ihnen zweifelsfrei, dass sich der Betreffende bei der Angabe nur missverständlich oder falsch ausgedrückt, aber das Richtige gemeint hat, so greift § 9a Abs. 1 nicht ein3. 1 Vgl. auch Ulmer, Rdnr. 29; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5. 2 Zust. OLG Bremen, GmbHR 1998, 40, 41; Ulmer, Rdnr. 16; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5. 3 RGZ 127, 186, 193 f.

H. Winter/Veil

|

561

20

§ 9a

Haftung bei Errichtung

21

Für die Beurteilung, ob die Angabe falsch ist, kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Mitteilung an1. Spätere Änderungen sind unerheblich. Ebenso wenig besteht eine generelle Pflicht des Betreffenden, beim Eintritt von Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse jeweils erneut tätig zu werden2. Die Beanstandungen der Anmeldung durch eine Zwischenverfügung des Registergerichts müssen dagegen unter Berücksichtigung der eingetretenen Änderungen erledigt werden. Anderenfalls greift für die zu ihrer Behebung gemachten Angaben § 9a Abs. 1 ein3.

22

Die Berichtigung falscher Angaben ist bis zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister möglich4, muss allerdings in einer für Außenstehende ohne weiteres ersichtlichen unzweideutigen Weise in der für die betreffende Mitteilung vorgeschriebenen Form geschehen. Eine Haftung aus § 9a Abs. 1, die von der Eintragung abhängig ist (Rdnr. 3), entfällt dann, kann aber nach anderen Vorschriften bestehen5.

2. Haftpflichtige Personen a) Geschäftsführer und Gesellschafter 23

Die Haftung trifft die Geschäftsführer und die Gesellschafter (§ 9a Abs. 1). Sie erstreckt sich auch auf einen Geschäftsführer, dessen Bestellung unwirksam war, der das Amt aber in der Gründungszeit tatsächlich ausgeübt hat6. Es ist dabei nicht von Bedeutung, wer von ihnen die Angabe zu machen hatte und ob der Haftpflichtige an ihr persönlich mitgewirkt hat (Rdnr. 10). Aufsichtsratsmitglieder fallen nicht unter § 9a, können aber nach allgemeinen Vorschriften haften (§ 52 GmbHG, §§ 93 Abs. 1 u. 2, 116 AktG)7.

24

Ein vor der Eintragung ausgeschiedener Geschäftsführer oder Gesellschafter haftet nicht nach § 9a Abs. 18. Die Anspruchsvoraussetzungen sind erst mit der 1 Zutr. OLG München, BB 1990, 1151, 1152; OLG Bremen, GmbHR 1998, 40, 41 f.; Ulmer, Rdnr. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Meyer-Landrut, Rdnr. 6; a.M. OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 659; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; die den Zeitpunkt der Eintragung für maßgeblich halten; offengelassen von OLG Köln, ZIP 1999, 399, 401. 2 So auch OLG München, BB 1990, 1151, 1152; OLG Bremen, GmbHR 1998, 40, 42; Ulmer, Rdnr. 17; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; a.M. OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 659; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 10; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12. 3 Ulmer, Rdnr. 17. 4 Allg. M.; vgl. Ulmer, Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11; Gummert, in: MünchHdb. GesR III, § 51 Rdnr. 174. 5 Ulmer, Rdnr. 18. 6 Ulmer, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4. 8 Eb. OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 660; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 12; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; v. Rössing, Sachgründung, S. 116; nunmehr auch Ulmer,

562

|

H. Winter/Veil

§ 9a

Haftung bei Errichtung

Eintragung der Gesellschaft verwirklicht, insbesondere ist dieser Zeitpunkt für das Verschulden maßgebend (Rdnr. 27). Auch der Sinn der solidarischen Gründungshaftung spricht gegen die Einbeziehung, da den Ausgeschiedenen keine Sorgepflicht für die Ordnungsmäßigkeit der Gründung (Rdnr. 1) mehr trifft und er rechtlich keine Möglichkeit mehr hat, die Angaben der Beteiligten zu prüfen und einen Berichtigungspflichtigen (s. § 8 Rdnr. 21) zu einer entsprechenden Maßnahme zu veranlassen. Von dem Ausscheiden unberührt bleiben dagegen Schadensersatzansprüche gegen den früheren Gesellschafter aus anderen Rechtsgründen und seine strafrechtliche Verantwortlichkeit (§ 82 Abs. 1 Nr. 1, 2) für das eigene Fehlverhalten. Ein während der Gründungszeit beitretender neuer Gesellschafter haftet uneingeschränkt nach § 9a Abs. 1, da seine Prüfungspflicht sich auch auf die Vorgänge vor seinem Beitritt bezieht1. b) Umwandlung Die Haftung aus § 9a trifft bei der Gründung einer GmbH im Wege der Verschmelzung oder Spaltung die zur Registeranmeldung berufenen Mitglieder des Vertretungsorgans des übertragenden Rechtsträgers (§§ 38 Abs. 2, 137 Abs. 1 UmwG) und diesen selbst als Gründer (§§ 36 Abs. 2 Satz 2, 135 Abs. 2 Satz 2 UmwG)2, nicht dagegen die Gesellschafter der GmbH3. Eine Abweichung ergibt sich für die Ausgliederung zur Neugründung aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns, bei der er persönlich und der Geschäftsführer der GmbH haften (§§ 135 Abs. 2, 160 Abs. 1 UmwG). Beim Formwechsel einer Personenhandelsgesellschaft in eine GmbH sind deren Geschäftsführer (§ 222 Abs. 1 Satz 1 UmwG) und die der Umwandlung zustimmenden Gesellschafter des formwechselnden Rechtsträgers verantwortlich (§ 219 UmwG), während beim Formwechsel einer AG oder KGaA in eine GmbH die Verantwortlichkeit nur die Mitglieder des Vertretungsorgans des formwechselnden Rechtsträgers trifft (§ 246 Abs. 1 UmwG) und, wie der Umkehrschluss aus § 245 UmwG ergibt, eine Gründerhaftung der Gesellschafter entfällt4.

25

c) Hintermänner Die Haftung erweitert § 9a Abs. 4 Satz 1 durch die Einbeziehung von Personen, für deren Rechnung die Gesellschafter Stammeinlagen übernommen haben. Die

1

2 3 4

Rdnr. 32; a.M. Münzel, BB 1994, 2164, 2165; Gummert, in: MünchHdb. GesR III, § 51 Rdnr. 174; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15, der bei vorher ausgeschiedenen Gesellschaftern aber § 9a Abs. 3 für gegeben hält. Noch weitergehend Lowin, Gründungshaftung, S. 81 ff. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; einschr. Ulmer, Rdnr. 35: Haftung nur für Angaben nach seinem Beitritt. Für den Ersatzanspruch gilt die Fortbestehensfiktion des übertragenden Rechtsträgers gem. §§ 25 Abs. 2, 125 Satz 1 UmwG. Kallmeyer, ZIP 1994, 1746, 1753; Ihrig, GmbHR 1995, 662, 634; a.M. M. Winter, in: Lutter, UmwG, § 56 Rdnr. 27. Decher, in: Lutter, UmwG, § 197 Rdnr. 35; Dirksen, in: Kallmeyer, UmwG, § 245 Rdnr. 3; Happ, in: Lutter, UmwG, § 245 Rdnr. 24.

H. Winter/Veil

|

563

26

§ 9a

Haftung bei Errichtung

Vorschrift ist § 46 Abs. 5 AktG nachgebildet1 und soll ebenso wie das aktienrechtliche Pendant verhindern, dass sich jemand der Verantwortlichkeit durch das Vorschieben eines vermögenslosen Strohmannes entzieht. Der Gesetzeswortlaut beschränkt die Haftung zwar nicht auf derartige Beteiligungen für fremde Rechnung, aber nach dem Gesetzeszweck sind die Personen auszunehmen, die keine oder nur eine unwesentliche Einflussmöglichkeit auf die Gründung haben2. Das ist z.B. der Fall, wenn kraft testamentarischer Anordnung eine vom Erben unabhängige Person für ihn eine Stammeinlage übernehmen und für eine gewisse Zeit treuhänderisch halten soll. Ebenso kann es bei einem Unterbeteiligungsverhältnis liegen3.

3. Verschulden 27

Die Haftung setzt ein Verschulden des betreffenden Geschäftsführers oder Gesellschafters voraus (§ 9a Abs. 3). Er muss schuldfähig sein (§§ 827 f. BGB)4 und haftet für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Maßstab der anzuwendenden Sorgfalt ist die eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 9a Abs. 3). Die Beteiligten können sich deshalb nicht damit entschuldigen, dass ihnen die erforderliche Ausbildung oder Erfahrung gefehlt habe5. Alle Verantwortlichen haben für die Ordnungsmäßigkeit der zwecks Errichtung der Gesellschaft gemachten Angaben zu sorgen. Die Berufung darauf, dass der Geschäftsführer oder Gesellschafter für die Angaben nicht zuständig gewesen sei, keine Kenntnis von ihr gehabt habe oder gar selbst durch einen Mitbeteiligten oder Dritten getäuscht worden sei, entlastet ihn daher nur, wenn er trotz Anwendung der erforderlichen Sorgfalt von ihr nichts wissen und/oder deren Unrichtigkeit nicht erkennen konnte6. Bedient er sich eines Gehilfen, so muss er sich dessen Verschulden analog Abs. 4 Satz 2 zurechnen lassen7. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Angabe und ihrer Unrichtigkeit ist die Eintragung der Gesellschaft8. Der Geschäftsführer oder Gesellschafter haftet auch, wenn die genannten Umstände nach der Abgabe, aber vor der Eintragung ihm bekannt oder erkennbar werden und er die unrichtige Angabe nicht berichtigt oder die Berichtigung oder die Rücknahme der Anmeldung nicht veranlasst9.

1 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 35 f. 2 K. Schmidt, NJW 1980, 1769, 1771; Ulmer, Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 4; abw. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13. 3 Vgl. Ulmer, Rdnr. 36. 4 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6. 5 Ulmer, Rdnr. 38; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6. 6 Vgl. Ulmer, Rdnr. 38; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14. 7 So auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12, während Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21 u. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15, die auf die rechtsgeschäftliche Vertretung beschränkte Vorschrift des § 166 Abs. 2 BGB heranziehen wollen. 8 Ulmer, Rdnr. 40. 9 Zutr. Ulmer, Rdnr. 40.

564

|

H. Winter/Veil

§ 9a

Haftung bei Errichtung

Das Verschulden wird beim Vorliegen der objektiven Haftungsvoraussetzungen (Rdnr. 9 ff.) gesetzlich vermutet (§ 9 Abs. 3). Ein Geschäftsführer oder Gesellschafter wird also nur von der Haftung frei, wenn er seinerseits den Entlastungsbeweis führt.

28

Der Hintermann, für dessen Rechnung ein anderer die Stammeinlage übernommen hat (Rdnr. 26), haftet für das Verschulden dieses Gesellschafters und für eigenes Verschulden (§ 9a Abs. 4). Er kann sich also nur durch den Nachweis entlasten (Rdnr. 28), dass weder er noch der für seine Rechnung handelnde Gesellschafter die Angabe und ihre Unrichtigkeit kannte oder bei gebotener Sorgfalt kennen konnte (Rdnr. 27)1.

29

4. Art und Umfang der Haftung a) Schadensersatz Der Anspruch geht auf den Ersatz des der Gesellschaft durch die falsche Angabe entstandenen Schadens. Sein Umfang bestimmt sich nach dem Schutzzweck des § 9a Abs. 1, die Ordnungsmäßigkeit der Gründung der GmbH sicherzustellen2. Sie ist deshalb so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die betreffende Angabe zutreffend gewesen wäre3. Der Einwand, dass es an einem ersatzfähigen Schaden deswegen mangele, weil die GmbH ohne die falsche Angabe gar nicht entstanden wäre, ist danach unbeachtlich. Der Anspruch umfasst den gesamten durch die Falschangabe adäquat verursachten Schaden der Gesellschaft einschließlich eines ihr entgangenen Gewinnes4.

30

aa) Beziehen sich die unrichtigen Angaben auf die Stammeinlageleistung, so sind die fehlenden Einzahlungen geschuldet (§ 9a Abs. 1). Die fortbestehende Einlagepflicht des Gesellschafters schließt einen ersatzfähigen Schaden auch dann nicht aus, wenn er zahlungsfähig ist5. Die Gesellschaft braucht ihn nicht vorrangig in Anspruch zu nehmen6. Es besteht ein Gesamtschuldverhältnis. Daneben ist auch der sonstige Schaden zu ersetzen (Rdnr. 30), der sich z.B. daraus ergeben kann, dass die Gesellschaft zur Erfüllung von Verpflichtungen außerstande ist7.

31

bb) Entsprechendes gilt, obwohl der Gesetzeswortlaut das nicht ausdrücklich erwähnt, auch bei unrichtigen Angaben über die Leistung der Sacheinlagen8.

32

1 Ulmer, Rdnr. 39; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 17. 2 Vgl. dazu RGZ 144, 348, 356; BGHZ 64, 52, 58 betr. die Gründerhaftung bei der AG. 3 Eb. RGZ 144, 348, 356 f. (AG); OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 660; Ulmer, Rdnr. 41; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13. 4 Ulmer, Rdnr. 41; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7. 5 OLG Hamm, GmbHR 1994, 399, 401; Ulmer, Rdnr. 42 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14. 6 BGHZ 113, 335, 355 f.; Ulmer, Rdnr. 43. 7 BGHZ 64, 52, 61 (AG); OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 600; Ulmer, Rdnr. 41. 8 Ulmer, Rdnr. 42; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 16; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 14; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 272 f.

H. Winter/Veil

|

565

§ 9a

Haftung bei Errichtung

Sind sie entgegen der Versicherung (§ 8 Abs. 2) nicht erbracht worden, haben die Haftpflichtigen (Rdnr. 23 ff.), wenn nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 249 ff. BGB) eine Naturalherstellung durch die Bewirkung der vereinbarten Sacheinlage ausscheidet, Geldersatz in Höhe ihres vollen Werts zu leisten, soweit er nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH zugute kommen sollte. Bei gemischten Sacheinbringungen (s. § 5 Rdnr. 81 ff.) ist also der dem Einlagepflichtigen zu vergütende Teilbetrag abzuziehen. Bei unrichtigen Angaben über die Bewertung von Sacheinlagen ist Geldersatz in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert des Einlagegegenstandes (s. § 5 Rdnr. 57 ff.) und dem Wert zu leisten, der sich ergeben würde, wenn die Angabe zuträfe, jedoch begrenzt durch den der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Einlagewert. Er kann, wenn ausdrücklich oder konkludent ein Agio vereinbart war (s. § 5 Rdnr. 33), über dem Stammeinlagebetrag liegen1. Der Ersatzanspruch aus § 9a Abs. 1 wird in diesen Fällen genausowenig wie bei fehlenden Einzahlungen (Rdnr. 31) davon berührt, dass der Einlageschuldner zur Leistung des Einlagegegenstandes oder des Fehlbetrages bei Überbewertung (§ 9 Abs. 1) in der Lage ist2. Die zum früheren Recht vertretene abweichende Auffassung3 ist mit dem Zweck der durch die GmbH-Novelle von 1980 im Interesse eines effektiven Gläubigerschutzes neu gestalteten Gründungshaftung nicht vereinbar. 33

cc) War eine Vergütung, die im Gesellschaftsvertrag nicht unter dem Gründungsaufwand aufgenommen worden ist (s. dazu § 5 Rdnr. 112 ff.), für diesen Zweck von der Gesellschaft geleistet worden, so haben die Haftpflichtigen (Rdnr. 23 ff.) ohne Rücksicht darauf Ersatz zu leisten, ob sie vom Empfänger zurückgefordert werden kann4. Das gilt auch dann, wenn die Mittel dafür nicht den gesetzlichen Mindesteinzahlungen (§ 7 Abs. 2), sondern den freiwilligen Mehrleistungen (s. § 7 Rdnr. 44) oder anderen Gesellschafterbeiträgen als Stammeinlageleistungen (s. § 5 Rdnr. 23) entnommen worden sind. Dass die Versicherung nach § 8 Abs. 2 sich nicht auf sie bezieht, ist unerheblich. b) Mitverschulden

34

Die Berufung auf ein mitwirkendes Verschulden der Gesellschaft bei der Entstehung des Schadens (§ 254 Abs. 1 BGB) ist nach dem Schutzzweck des § 9a Abs. 1 ausgeschlossen5. Wohl aber kann, wenn die Obliegenheit zur Schadensminderung nach der Eintragung der Gesellschaft durch andere Geschäftsführer als die Haftpflichtigen verletzt wird, die Vorschrift des § 254 Abs. 2 BGB eingreifen6. Die Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer schließt die Anwen1 Eb. Ulmer, Rdnr. 43 a.E.; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 273; einschr. wohl Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7 u. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 18, die wie nach § 9 Abs. 1 haften lassen. 2 Ulmer, Rdnr. 43, 46; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7. 3 So K. Schmidt, GmbHR 1978, 5, 7 unter Berufung auf das Urteil BGHZ 64, 52, 62 f. 4 Ulmer, Rdnr. 42. 5 RGZ 154, 276, 286; BGHZ 64, 52, 60 f. betr. AG; Ulmer, Rdnr. 45; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; vgl. auch BGHZ 113, 335, 355 für die Haftung aus § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG. 6 RGZ 154, 276, 286; BGHZ 64, 52, 60 f. betr. AG; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; zweifelnd Ulmer, Rdnr. 45.

566

|

H. Winter/Veil

§ 9a

Haftung bei Errichtung

dung dieser Vorschrift nicht generell aus. Allerdings kann im Falle einer verbindlichen Weisung durch die Gesellschafter der Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens hinsichtlich der Schadensentstehung ausscheiden.

IV. Haftung für Schädigung durch Einlagen oder Gründungsaufwand (§ 9a Abs. 2) 1. Anwendungsbereich Wird die Gesellschaft von Gesellschaftern durch Einlagen oder Gründungsaufwand vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit geschädigt, so sind ihr alle Gesellschafter als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet (§ 9a Abs. 2). Die Vorschrift ist gegenüber § 9a Abs. 1 subsidiär1. Sie soll, wie auch die Entstehungsgeschichte ergibt2, bei solchen Schädigungen der Gesellschaft durch Einlagen oder Gründungsaufwand eingreifen, die nicht durch falsche Angaben verursacht worden sind. Die praktische Bedeutung dieses Haftungstatbestandes, der § 46 Abs. 2 AktG nachgebildet ist, ist gering.

35

2. Haftungsvoraussetzungen a) Schädigung durch Einlagen oder Gründungsaufwand Erforderlich ist eine Schädigung der Gesellschaft durch Einlagen oder Gründungsaufwand. Sie muss abweichend von § 9a Abs. 1 auf anderen Ursachen als falschen Angaben beruhen (Rdnr. 35), kann aber andererseits auch nach der Eintragung der Gesellschaft erfolgt sein3. Die Voraussetzungen können deshalb insbesondere bei statutarisch vorgesehenen Mehrleistungen auf die Stammeinlagen (s. § 7 Rdnr. 43 ff.) erfüllt sein, die nicht von der Versicherung gem. § 8 Abs. 2 umfasst werden (s. § 7 Rdnr. 45, § 8 Rdnr. 23 f.), z.B. wenn sie aus Mitteln eines Darlehens bewirkt worden sind, für das die Gesellschaft mithaftet oder Sicherheiten gestellt hat (s. dazu § 7 Rdnr. 32). Ebenso können unter § 9a Abs. 2 die Fälle von verschleierten Sacheinlagen subsumiert werden, in denen der Zeitpunkt der Verabredung und deshalb die Unrichtigkeit der Versicherung gem. § 8 Abs. 2 (s. § 7 Rdnr. 36) nicht nachweisbar ist4. Im Übrigen wird eine Schädigung durch die Überbewertung von Sacheinlagen wegen der notwendigen Angaben im Sachgründungsbericht (§ 5 Abs. 4 Satz 2) und in den Bewertungsunterlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5) im Allgemeinen von § 9a Abs. 1 erfasst5. Wohl aber kann § 9a Abs. 2 eingreifen, wenn der Einlagegegenstand zwar zutreffend bewertet, aber für die Gesellschaft völlig unbrauchbar ist6. Ebenso ist der Tatbe1 Ulmer, Rdnr. 47; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Meyer-Landrut, Rdnr. 11. 2 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 71 f. 3 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22. 4 Ulmer, Rdnr. 48. 5 Ulmer, Rdnr. 48; a.A. wohl Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22. 6 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18.

H. Winter/Veil

|

567

36

§ 9a

Haftung bei Errichtung

stand erfüllt, wenn der Gesellschaft statutarisch ein völlig unangemessen hoher Gründungsaufwand auferlegt worden ist1. b) Vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln 37

Die Schädigung muss durch ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln wenigstens eines Gesellschafters erfolgt sein (§ 9a Abs. 2). Es ist nicht notwendig, dass diese Voraussetzung beim Einlageschuldner oder dem Empfänger des Gründungsaufwandes vorliegt; es genügt, wenn ein anderer Gesellschafter vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat2. Es ist analog § 9a Abs. 4 Satz 1 auch als ausreichend anzusehen, dass die Voraussetzung beim Auftraggeber gegeben ist, für dessen Rechnung der Gesellschafter gehandelt hat3. Die Beweislast für das Vorliegen von Vorsatz oder grober Fährlässigkeit trägt die Gesellschaft4. c) Verschulden der übrigen Gesellschafter

38

Die Haftung setzt schließlich ein Verschulden der ersatzpflichtigen anderen Gesellschafter voraus (§ 9a Abs. 3). Es ist insoweit einfache Fahrlässigkeit ausreichend, die sich nur auf den objektiven Schädigungstatbestand (Rdnr. 36), nicht dagegen auch auf den Vorsatz oder die grobe Fahrlässigkeit des Einlegers (Rdnr. 37) zu beziehen braucht5. Im Übrigen gelten für das Verschulden und den Entlastungsbeweis, auch bezüglich der Hintermänner (§ 9a Abs. 4), die Ausführungen oben Rdnr. 27 ff.

3. Haftungsschuldner 39

Haftungsschuldner können nach § 9a Abs. 2 nur Gesellschafter und ihre Auftraggeber sein, für deren Rechnung sie die Stammeinlagen übernommen haben (§ 9a Abs. 4 Satz 1). Für Geschäftsführer kommt lediglich eine Ersatzpflicht gem. § 43 in Betracht.

4. Haftungsumfang 40

Es ist der gesamte Schaden zu ersetzen, der der Gesellschaft durch die schädigende Handlung (Rdnr. 36 ff.) entstanden ist. Soweit er im Ausfall von Einlagebeträgen oder in der Vergütung von unangemessenem Gründungsaufwand besteht (Rdnr. 36), ist es trotz des abweichenden Gesetzeswortlauts auch für den

1 Ulmer, Rdnr. 49; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22. 2 Ulmer, Rdnr. 51; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; missverständlich Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 22 f. 3 Zust. Ulmer, Rdnr. 51. 4 Ulmer, Rdnr. 51; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10. 5 Ulmer, Rdnr. 51.

568

|

H. Winter/Veil

§ 9a

Haftung bei Errichtung

Anspruch aus § 9a Abs. 2 unerheblich, ob der Einlage- oder Erstattungsschuldner zahlungsfähig ist oder nicht (Rdnr. 31 ff.)1.

V. Gesamtschuldnerische Haftung 1. Mehrere Verantwortliche Mehrere Geschäftsführer, Gesellschafter und deren Hintermänner, die nach § 9a Abs. 1, 2 und 4 für denselben Schaden verantwortlich sind, haften der Gesellschaft als Gesamtschuldner. Der Ausgleich unter ihnen bestimmt sich nach § 426 BGB. Sie sind also im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, sofern nichts anderes bestimmt ist. Die Beteiligungsquote der Gesellschafter ist für den internen Ausgleich wegen des Haftungsgrundes (Sanktionierung eines pflichtwidrigen Verhaltens) ohne Bedeutung2. Eine abweichende interne Beteiligung bis zur Freistellung einzelner, z.B. im Falle ihrer Täuschung durch die anderen, kann sich dagegen insbesondere aus dem analog anzuwendenden § 254 BGB ergeben, wonach auf das Ausmaß der Mitverursachung und auf den unterschiedlichen Verschuldensgrad abzustellen ist3.

41

2. Verhältnis zum Einlageschuldner Soweit die Schadensersatzpflicht aus § 9a mit der Einlagepflicht des Gesellschafters zusammentrifft (Rdnr. 31 f., 40), besteht nach h.M. eine Gesamtschuldnerschaft zwischen dem Einlageschuldner und dem Ersatzpflichtigen4. In der 9. Auflage ist dagegen vertreten worden, es fehle an der erforderlichen Gleichrangigkeit der Verpflichtungen5. An dieser Sichtweise wird nicht festgehalten. Sowohl die Einlagepflicht als auch die Schadensersatzpflicht betreffen dieselbe Leistung und sind demselben Ziel verpflichtet. Befriedigt der Einlageschuldner die GmbH, so entfällt eine Haftung gegenüber der Gesellschaft6. Umgekehrt hat die Ersatzleistung die Tilgung der Einlageschuld zur Folge. Der Ersatzpflichtige hat dann aber gegenüber dem säumigen Gesellschafter einen Regressanspruch aus dem Gesamtschuldverhältnis; ferner geht der Einlageanspruch auf ihn über (§ 426 Abs. 2 BGB).

1 Zutr. Ulmer, Rdnr. 52; Lowin, Gründungshaftung, S. 124 ff.; a.M. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; und zum früheren Recht K. Schmidt, GmbHR 1978, 5, 7. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; nunmehr auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31; a.M. Ulmer, Rdnr. 53; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 7. 3 Ulmer, Rdnr. 46; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31. 4 Vgl. OLG Hamm, GmbHR 1994, 399, 401; OLG Celle, NZG 2000, 1178, 1179; Ulmer, Rdnr. 54; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6. 5 9. Aufl., Rdnr. 42; zustimmend auch Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 281 ff. 6 So auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6.

H. Winter/Veil

|

569

42

§ 9a

Haftung bei Errichtung

VI. Sonstige Ansprüche 1. Gesellschaft a) Haftung analog § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG 43

Ein Kreditinstitut, das den Geschäftsführern zwecks Vorlage beim Handelsregister schriftlich bestätigt hat, dass die Einzahlung auf eine Stammeinlage durch Gutschrift auf dem Konto der Gesellschaft oder der Geschäftsführer geleistet worden sei und endgültig zu ihrer freien Verfügung stehe, haftet der Gesellschaft analog § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG für die Richtigkeit dieser Bestätigung, wenn sie dem Registergericht bei der Anmeldung oder danach im Rahmen des Eintragungsverfahrens eingereicht worden ist1. Das GmbHG verlangt zwar anders als das AktG (§ 37 Abs. 1 Satz 3) nicht generell die Vorlage eines derartigen Nachweises über die erbrachten Einlageleistungen (§ 8)2. Die Bankbestätigung hat aber, wenn sie auf Grund einer Beanstandung des Registergerichts (s. § 9c Rdnr. 14, 37) oder auch freiwillig vorgelegt wird, für die registergerichtliche Kontrolle der Eintragungsvoraussetzungen (s. § 9c Rdnr. 9, 28) im Wesentlichen dieselbe Tragweite und Bedeutung wie im Aktienrecht und muss deshalb in analoger Anwendung des § 37 Abs. 1 Satz 4 AktG auch mit derselben Haftungssanktion verbunden werden.

44

Es ist im Einzelfall durch Auslegung der Bankbestätigung festzustellen, ob sie nur die Gutschrift des Betrages oder darüber hinausgehend auch seine freie Verfügbarkeit für die Geschäftsführer bescheinigen soll; dabei ist eine ihr zugrunde gelegte registergerichtliche Anforderung zu berücksichtigen3. Ohne hinreichend deutliche Anhaltspunkte in der Bescheinigung ist für das GmbH-Recht nicht anzunehmen, dass eine umfassende Bankbestätigung i.S. des § 37 Abs. 1 Satz 3 AktG gewollt war4. Auch wenn letzteres zutrifft, beschränkt sie sich inhaltlich aber ausschließlich auf Umstände aus der Sphäre des Bankbereichs5. Für die Beurteilung der Richtigkeit ist der Zeitpunkt der Ausstellung maßgebend6.

45

Die Gewährleistungshaftung des Kreditinstituts für die Erfüllung der entgegen der ausgestellten Bestätigung offenstehenden Geldeinlageforderung setzt kein Verschulden voraus7. Ebenso ist der Einwand mitwirkenden Verschuldens der 1 BGHZ 113, 335, 351 ff.; BGHZ 119, 177, 180 f.; BGH, GmbHR 1997, 255, 256; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13; Spindler, ZGR 1997, 537, 539 ff. m.w.N. Krit. Butzke, ZGR 1994, 94, 111 f. 2 Vgl. dazu Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 67, 71. 3 BGH, GmbHR 1997, 255 f.; Goette, DStR 1997, 378, 379; Spindler, ZGR 1997, 537, 543 f. 4 Zutr. Spindler, ZGR 1997, 537, 545 f. 5 Vgl. dazu Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von KapGes, S. 227 f.; Ulmer, GmbHR 1993, 189, 196 f.; Kübler, ZHR 157 (1993), 196, 212; Appel, ZHR 157 (1993), 213, 216 ff.; Hüffer, ZGR 1993, 474, 468 f.; Röhricht, in: FS Boujong, 1996, S. 457, 473 f.; Spindler, ZGR 1997, 537, 548. Offengelassen in BGHZ 113, 335, 356. 6 Ulmer, GmbHR 1993, 189. 7 BGHZ 113, 335, 355; BGHZ 119, 177, 180 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 8 Rdnr. 9; Ulmer, GmbHR 1993, 189, 196; Kübler, ZHR 157 (1993), 196, 211 f.; Hüffer, ZGR 1993, 474, 485 f. u.a.; a.M. Rümker, ZBB 1991, 176, 178; Priester, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 159, 164.

570

|

H. Winter/Veil

§ 9a

Haftung bei Errichtung

Gesellschaft gem. § 254 BGB wegen des Zwecks und der Rechtsnatur des Anspruchs ausgeschlossen1. Seinem Umfang nach umfasst der Anspruch den gesamten Fehlbetrag ohne Rücksicht darauf, ob die falsche Bankbestätigung sich auf die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesteinzahlungen (§ 7 Abs. 2) oder auf darüber hinausgehende Leistungen bezieht2; ein weitergehender Schaden aus der Nichteinzahlung der Einlage ist dagegen nicht zu ersetzen. Die Haftung des Kreditinstituts ist gegenüber der fortbestehenden Einlagepflicht nicht subsidiär, sondern besteht neben ihr3; für das Verhältnis zum Einlageschuldner gelten sinngemäß die Ausführungen in Rdnr. 42. Mit den nach § 9a Abs. 1, 4 verantwortlichen Geschäftsführern, Gesellschaftern und Hintermännern haftet das Kreditinstitut gesamtschuldnerisch. Die Aufrechnung mit Gegenforderungen ist, soweit die Leistung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, wegen des Sicherungszwecks der Haftung analog § 19 Abs. 2 Satz 2 u. Abs. 5 ausgeschlossen4. Die Verjährungsfrist beträgt analog § 9b Abs. 2 fünf Jahre5.

46

b) Anspruch aus § 43 Der Gesellschaft können gegen die Geschäftsführer wegen Pflichtverletzungen im Gründungsstadium auch Ersatzansprüche aus § 43 zustehen. Soweit die Pflichtverletzung in den durch § 9a Abs. 1 erfassten Handlungen (Rdnr. 9 ff.) besteht, geht diese spezielle Vorschrift aber der allgemeinen Haftungsnorm des § 43 vor6. Der Anwendungsbereich der allgemeinen organschaftlichen Haftung ist daher marginal. Sie kann relevant werden, wenn es nicht zur Eintragung der Gesellschaft kommt (s. Rdnr. 4)7. Abweichend von der speziellen Gründungshaftung (s. Rdnr. 7) schließt das Einverständnis aller Gesellschafter mit der schädigenden Handlung außer bei einem Verstoß gegen § 30 die Ersatzpflicht nach § 43 aus (s. Erl. zu § 43). Ebenso ist, von dem genannten Ausnahmefall abgesehen (§ 43 Abs. 3 Satz 2), der Verzicht auf den Schadensersatzanspruch ohne die Einschränkungen des § 9b Abs. 1 möglich (s. § 9b Rdnr. 2).

47

c) Sonstige Ersatzansprüche Außerdem können sowohl gegen Geschäftsführer als auch gegen Gesellschafter deliktische Ansprüche (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 266 StGB, § 826 BGB) gegeben sein. Sie werden durch § 9a nicht ausgeschlossen. Gegenüber Gesell-

1 BGHZ 113, 335, 355. 2 BGHZ 113, 335, 356 f. mit zutreffendem Hinweis auf die vergleichbare Rechtslage nach § 9a Abs. 1 (s. Rdnr. 16); zust. Spindler, ZGR 1997, 537, 541. 3 BGHZ 113, 335, 355 f. 4 Im Hinblick auf die Regelung des § 9b Abs. 1 zu weitgehend BGHZ 113, 335, 357 f. 5 Vgl. dazu Hüffer, ZGR 1993, 474, 487 f. 6 OLG Rostock, GmbHR 1995, 658, 660; OLG Celle, NZG 2000, 1178, 1179; Ulmer, Rdnr. 56; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15. 7 Ulmer, Rdnr. 56.

H. Winter/Veil

|

571

48

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

schaftern können darüber hinaus Schadensersatzansprüche aus der Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten in Betracht kommen.

2. Gesellschafter und Dritte 49

Ihnen können Schadensersatzansprüche wegen Gründungsschwindels vor allem aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 82 Abs. 1 Nr. 1, 2 u. 4 GmbHG zustehen1. Die zitierten Strafvorschriften sind, wie die Rechtsprechung für die entsprechenden aktienrechtlichen Regelungen anerkannt hat2, als Schutzgesetze zugunsten des genannten Personenkreises anzusehen3. Die Vorschrift des § 9a, die nur die Ansprüche der Gesellschaft regelt, steht nicht entgegen. Daneben kommen auch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 266 StGB, § 826 BGB und – für die Gesellschafter untereinander – u.U. aus der Verletzung vertraglicher Vereinbarungen in Betracht4. Ein Schaden der Gesellschafter oder Dritter entfällt insoweit, als der Täter nach § 9a durch die Gesellschaft in Anspruch genommen worden ist5. Umgekehrt befreit die Befriedigung jener nicht von der Haftung aus § 9a; eine doppelte Inanspruchnahme wegen desselben Schadens kann er aber durch die Leistung an die Gesellschaft vermeiden6.

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche (1) Ein Verzicht der Gesellschaft auf Ersatzansprüche nach § 9a oder ein Vergleich der Gesellschaft über diese Ansprüche ist unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. Dies gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. (2) Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a verjähren in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung. Eingefügt durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836), Abs. 1 Satz 2 geändert durch Gesetz vom 5. 10. 1994 (BGBl. I, 2911).

1 2 3 4

Vgl. OLG München, NJW-RR 1988, 290; Ulmer, Rdnr. 59 ff. Vgl. RGZ 157, 213, 217; 159, 211, 224; BGHZ 96, 231, 243. Vgl. Tiedemann, 9. Aufl., § 82 Rdnr. 12. Ulmer, Rdnr. 59 ff., 63; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. 5 Ulmer, Rdnr. 62. Vgl. auch RGZ 115, 289, 296; 157, 213, 216 betr. die AG. 6 Ulmer, Rdnr. 62.

572

|

H. Winter/Veil

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

schaftern können darüber hinaus Schadensersatzansprüche aus der Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten in Betracht kommen.

2. Gesellschafter und Dritte 49

Ihnen können Schadensersatzansprüche wegen Gründungsschwindels vor allem aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 82 Abs. 1 Nr. 1, 2 u. 4 GmbHG zustehen1. Die zitierten Strafvorschriften sind, wie die Rechtsprechung für die entsprechenden aktienrechtlichen Regelungen anerkannt hat2, als Schutzgesetze zugunsten des genannten Personenkreises anzusehen3. Die Vorschrift des § 9a, die nur die Ansprüche der Gesellschaft regelt, steht nicht entgegen. Daneben kommen auch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 266 StGB, § 826 BGB und – für die Gesellschafter untereinander – u.U. aus der Verletzung vertraglicher Vereinbarungen in Betracht4. Ein Schaden der Gesellschafter oder Dritter entfällt insoweit, als der Täter nach § 9a durch die Gesellschaft in Anspruch genommen worden ist5. Umgekehrt befreit die Befriedigung jener nicht von der Haftung aus § 9a; eine doppelte Inanspruchnahme wegen desselben Schadens kann er aber durch die Leistung an die Gesellschaft vermeiden6.

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche (1) Ein Verzicht der Gesellschaft auf Ersatzansprüche nach § 9a oder ein Vergleich der Gesellschaft über diese Ansprüche ist unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. Dies gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. (2) Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 9a verjähren in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit der Vornahme der Handlung. Eingefügt durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836), Abs. 1 Satz 2 geändert durch Gesetz vom 5. 10. 1994 (BGBl. I, 2911).

1 2 3 4

Vgl. OLG München, NJW-RR 1988, 290; Ulmer, Rdnr. 59 ff. Vgl. RGZ 157, 213, 217; 159, 211, 224; BGHZ 96, 231, 243. Vgl. Tiedemann, 9. Aufl., § 82 Rdnr. 12. Ulmer, Rdnr. 59 ff., 63; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. 5 Ulmer, Rdnr. 62. Vgl. auch RGZ 115, 289, 296; 157, 213, 216 betr. die AG. 6 Ulmer, Rdnr. 62.

572

|

H. Winter/Veil

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

Inhaltsübersicht I. Allgemeines 1. Inhalt und Zweck . . . . . . . 2. Entsprechende Anwendbarkeit 3. Andere Gläubigerschutzvorschriften . . . . . . . . . . . .

1 2 3

II. Verzicht und Vergleich (§ 9b Abs. 1) 1. Grundsatz . . . . . . . . . . .

4

2. Unwirksamkeit . . . . . . . .

5

a) Voraussetzungen der Einschränkung . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . 3. Insolvenz des Ersatzpflichtigen a) Abwendung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . b) Regelung im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . III. Verjährung (§ 9b Abs. 2)

. 6 . 10 . 12 . 14 . 15

. . . . 16

Schrifttum: Cahn, Vergleichsverbote im Gesellschaftsrecht, 1996.

I. Allgemeines 1. Inhalt und Zweck Die Vorschrift ist durch die GmbH-Novelle 1980 in das Gesetz eingefügt worden, änderte aber das frühere Recht (§ 9 Abs. 2 u. 3 a.F.) sachlich nur wenig. Sie schränkt in § 9b Abs. 1 Satz 1 zum Schutze der Gesellschaftsgläubiger (nicht auch der Gesellschaft und der Gesellschafter)1 die Rechtswirksamkeit eines Verzichts auf Ersatzansprüche aus § 9a oder eines Vergleichs über sie ein, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Ausgenommen ist ein Vergleich, den der Ersatzpflichtige zur Abwendung oder zur Beseitigung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern geschlossen hat; § 9b Abs. 1 Satz 2 ist durch Art. 48 Nr. 1 EGInsO an die Neuregelung des Insolvenzverfahrens angepasst worden (s. Rdnr. 12 ff.). § 9b Abs. 2 regelt den Beginn und die Dauer der Verjährungsfrist für die Ersatzansprüche aus § 9a.

1

2. Entsprechende Anwendbarkeit Entsprechend anwendbar ist § 9b auf die gleichartigen Ersatzansprüche in den Fällen der Kapitalerhöhung (§ 57 Abs. 4) und der Umwandlung (§§ 36 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 2 Satz 1, 197 Satz 1 UmwG). Die Vorschrift gilt dagegen nicht für sonstige Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer oder die Gesellschafter aus Anlass der Gründung (vgl. dazu § 9a Rdnr. 47 ff.). Schranken für den Verzicht und den Vergleich ergeben sich bei ihnen aber aus anderen Gläubigerschutzvorschriften (Rdnr. 3). Eine Ausnahme besteht für Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführer wegen Verstoßes gegen die §§ 30, 33, auf die § 9b Abs. 1 entsprechend anzuwenden ist (§ 43 Abs. 3 Satz 2). Zur analogen Anwendung der Vorschrift bei Vorratsgründungen und der Aktivierung einer Mantelgesellschaft s. Erl. zu § 3 Rdnr. 26 ff., 37 ff.

1 Begr. RegE, BT-Drucks. 8/1347, S. 36.

H. Winter/Veil

|

573

2

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

3. Andere Gläubigerschutzvorschriften 3

Die Vorschrift schließt die Anwendbarkeit anderer Gläubigerschutzvorschriften auf einen Verzicht auf die Schadensersatzansprüche aus § 9a oder auf einen Vergleich über sie nicht aus. So sind entsprechende Vereinbarungen nach § 30 unzulässig, wenn dadurch das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Gesellschaftsvermögen zugunsten eines haftpflichtigen Gesellschafters oder Hintermannes geschmälert wird1. Ebenfalls möglich, neben § 9b Abs. 1 allerdings meist entbehrlich ist die Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO und nach dem AnfG. Beim Hinzutreten besonderer Umstände kann auch Nichtigkeit nach § 138 BGB gegeben sein.

II. Verzicht und Vergleich (§ 9b Abs. 1) 1. Grundsatz 4

Die Gesellschaft kann grundsätzlich auf ihren Ersatzanspruch aus § 9a verzichten oder sich über ihn vergleichen, allerdings nicht im Voraus2. Die Entscheidung darüber steht, wenn der Ersatzpflichtige ein Gesellschafter oder ein amtierender Geschäftsführer ist, der Gesellschafterversammlung zu (§ 46 Nr. 8)3. Der betroffene Gesellschafter hat dabei kein Stimmrecht (§ 47 Abs. 4 Satz 2). Besondere Schutzvorschriften zugunsten der dem Verzicht oder Vergleich widersprechenden Gesellschafterminderheit bestehen abweichend vom Aktienrecht (§ 50 AktG) nicht. Der Beschluss kann im Einzelfall aber wegen Verstoßes gegen die gesellschaftliche Treuepflicht anfechtbar sein. Ob ein Verzicht, mit einem gesamtschuldnerisch haftenden Beteiligten (s. § 9a Rdnr. 41) vereinbart, zugunsten aller Mitverpflichteten wirkt, beurteilt sich nach § 423 BGB. Auch die Erfüllung eines Vergleiches (§ 779 BGB) kann nach dem Willen der Vertragsschließenden gesamtbefreiend wirken4.

2. Unwirksamkeit 5

Ein Verzicht und ein Vergleich sind allerdings unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist (§ 9b Abs. 1 Satz 1). Die Vorschrift ist nach ihrem Schutzzweck (Rdnr. 1) auf andere Rechtsgeschäfte entsprechend anwendbar, die eine vergleichbare Wirkung wie ein Vergleich oder ein Verzicht haben. Dazu gehören insbesondere die Annahme einer unzureichenden Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB)5 und die Abtretung des Ersatzanspruches ohne angemessene Gegenleistung6. 1 Eb. Ulmer, Rdnr. 2 a.E. 2 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10. 3 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2. 4 Zust. Ulmer, Rdnr. 7. 5 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 1; Ulmer, Rdnr. 12. 6 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 1; abw. Ulmer, Rdnr. 12, der im Einzelfall unter Umgehungsgesichtspunkten entscheiden will; vgl. auch OLG Hamm, NZG 2001, 1144 (Unwirksamkeit der Abtretung eines Anspruchs aus §§ 43 III, 31 VI).

574

|

H. Winter/Veil

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

a) Voraussetzungen der Einschränkung aa) Unter Verzicht i.S. des § 9b Abs. 1 sind der Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) und das vertragliche negative Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB) zu verstehen. Ferner fällt darunter die Verzichtswirkung der Entlastung (§ 46 Nr. 5)1. Es genügt, wenn er sich auf einen Teilbetrag des Ersatzanspruches aus § 9a bezieht oder nur einen der Gesamtschuldner betrifft2. Gleichzustellen ist ein nicht nur für einen kurzen Zeitraum wirkendes sogenanntes pactum de non petendo mit dem Ersatzpflichtigen oder einem Dritten, das den Bestand des Ersatzanspruches zwar nicht berührt, aber dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht gibt. Die Stundung des Ersatzanspruches erfasst § 9b Abs. 1 Satz 1 im Allgemeinen nicht (abweichend von § 19 Abs. 2 betr. die Einlageschuld)3, aber nach dem Schutzzweck der Vorschrift (Rdnr. 1) dürfte eine analoge Anwendung dann gerechtfertigt sein, wenn die Fälligkeit längerfristig hinausgeschoben wird4. Der Prozessverzicht der Gesellschaft (§ 306 ZPO) fällt ebenfalls unter § 9b Abs. 1 Satz 1. Da er die Dispositionsbefugnis der Partei über den Streitgegenstand voraussetzt, ist er beim Vorliegen der einschränkenden Voraussetzungen des § 9b Abs. 1 Satz 1 rechtsunwirksam; ein Verzichtsurteil darf nicht erlassen werden. Entsprechendes gilt für das prozessuale Anerkenntnis der Gesellschaft (§ 307 ZPO) im Falle einer negativen Feststellungsklage des Haftpflichtigen. Zur Urteilswirkung vgl. im Übrigen unter Rdnr. 11.

6

bb) Der Begriff des Vergleichs i.S. des § 9b Abs. 1 ergibt sich aus § 779 BGB. Erforderlich ist, dass die Parteien einen Streit oder eine Ungewissheit über den Ersatzanspruch im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt haben. Betroffen sind nach dem Schutzzweck des § 9b Abs. 1 Satz 1 alle Vergleiche, die die Geltendmachung des vollen Ersatzanspruchs einschränken. Bloße Stundungsund Ratenzahlungsvergleiche über den Anspruch unterliegen der Vorschrift unter den in Rdnr. 6 genannten Voraussetzungen. Das Vorstehende gilt auch für einen Prozessvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), der aufgrund seiner Doppelnatur als Prozesshandlung und materiellrechtliches Rechtsgeschäft die Wirksamkeitsvoraussetzungen beider erfüllen muss und deshalb von der Dispositionsbefugnis der verfügenden Prozesspartei abhängig ist.

7

cc) Der erlassene oder der die Vergleichssumme übersteigende Ersatzbetrag ist zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich, wenn die Gesellschaft ohne ihn überschuldet wäre oder wenn sie zahlungsunfähig ist5. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) ist nicht notwendig. Darüber hinausgehend ist die genannte Voraussetzung aber auch schon dann gegeben, wenn die Gesellschaft nicht nur kurzfristig behebbare Zahlungsschwierigkeiten hat6 und die

8

1 BGH, ZIP 1987, 1050, 1052; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Ulmer, Rdnr. 9. 2 Ulmer, Rdnr. 9; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5. 3 Ulmer, Rdnr. 10 a.E. 4 Vgl. dazu aber auch RGZ 133, 33, 38. 5 Ulmer, Rdnr. 13; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9. 6 Zum Begriff der Zahlungsstockung vgl. BGH, GmbHR 2005, 1117.

H. Winter/Veil

|

575

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

Mittel zur Tilgung fälliger Gesellschaftsverbindlichkeiten benötigt werden1. Ein allgemeines Interesse der Gesellschaftsgläubiger an der Bereitstellung von ihrem Zugriff unterliegenden oder erleichternden Vermögensmitteln reicht dagegen nicht aus2. Umgekehrt setzt § 9b Abs. 1 Satz 1 nicht voraus, dass die Erforderlichkeit des Ersatzes beim Abschluss des Verzichts- oder Vergleichsvertrages vorhersehbar oder durch den Erlass mit verursacht worden war3. 9

dd) Beweislast. Der Abschluss des Verzichts- oder Vergleichsvertrages (Rdnr. 6 f.) ist durch die haftpflichtigen Gesellschafter und Geschäftsführer darzulegen und zu beweisen, während die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast dafür hat, dass der erlassene oder die Vergleichssumme übersteigende Ersatzbetrag zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist (Rdnr. 8)4. Hat ein Gesellschaftsgläubiger den Anspruch aus § 9a pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen (§§ 829 ff. ZPO; vgl. dazu § 9a Rdnr. 8), so beweist dieser Umstand allein noch nicht, dass der Ersatzbetrag zur Befriedigung notwendig ist5. b) Rechtsfolgen

10

Der Verzicht oder Vergleich ist beim Vorliegen oder dem späteren Eintritt der in § 9b Abs. 1 Satz 1 genannten Voraussetzung (Rdnr. 8) ohne weiteres der Gesellschaft und ihren Gläubigern gegenüber unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Die Vereinbarungen stehen also, bis zur vollendeten Verjährung (Rdnr. 16 ff.), stets unter dieser (auflösenden) gesetzlichen Bedingung6. Die Unwirksamkeit ist demzufolge weder von der Klageerhebung noch von einer sonstigen Erklärung der Gesellschaft abhängig. Auch der Haftpflichtige kann sich, vorbehaltlich eines Rechtsmissbrauchs, auf sie berufen7. Bei einer Teilunwirksamkeit der Vereinbarung gilt für die Auswirkung auf die übrigen Vertragsbestandteile die allgemeine Auslegungsregel des § 139 BGB8.

11

Ein die Klage auf Zahlung des erlassenen Ersatzbetrags abweisendes rechtskräftiges Urteil steht der erneuten klageweisen Geltendmachung des Anspruchs nicht entgegen, wenn der Unwirksamkeitsgrund (s. Rdnr. 8, 10), auf den die Gesellschaft sich stützt, erst nach der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses eingetreten ist9. Der Berufung auf die Rechtskraft eines sachlich unrichtigen 1 Ulmer, Rdnr. 13; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Meyer-Landrut, Rdnr. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9. 2 So auch Ulmer, Rdnr. 13. 3 A.M. Ulmer, Rdnr. 13. 4 Ulmer, Rdnr. 14. 5 Eb. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2 a.E. 6 So auch Ulmer, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2. 7 Ulmer, Rdnr. 15; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 10. 8 Ulmer, Rdnr. 16; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9. 9 Zust. Ulmer, Rdnr. 24.

576

|

H. Winter/Veil

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

klageabweisenden Urteils kann dagegen bei einer erneuten Inanspruchnahme nur in besonderen Ausnahmefällen mit dem Arglisteinwand (§ 826 BGB) begegnet werden1. Das gilt auch für ein Versäumnisurteil gegen die GmbH, dessen Zulässigkeit § 9b Abs. 1 Satz 1 nicht ausschließt2. Die GmbH ist in diesen Fällen auf Schadensersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer oder den bestellten Prozessvertreter (§ 46 Nr. 8) wegen pflichtwidriger Prozessführung beschränkt.

3. Insolvenz des Ersatzpflichtigen Ein Vergleich, zur Abwendung des Insolvenzverfahrens des Ersatzpflichtigen von diesem abgeschlossen, unterliegt trotz der Erforderlichkeit des Ersatzbetrages zur Gläubigerbefriedigung nicht der Unwirksamkeitsfolge (§ 9b Abs. 1 Satz 2). Dasselbe gilt für eine Regelung der Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan. Eine Sonderbehandlung wäre bei einer allgemeinen Bereinigung aller Schulden des Haftpflichtigen zwecks Erhaltung oder Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit nicht gerechtfertigt. Die Ausnahme von der Beschränkung aus § 9b Abs. 1 Satz 1 setzt zweierlei voraus: Der Ersatzpflichtige muss zahlungsunfähig i.S. des § 17 Abs. 2 InsO sein. Die Überschuldung ist in § 9b Abs. 1 Satz 2 nicht genannt, obwohl sie nach der Erweiterung des Personenkreises der Verantwortlichen durch den neuen § 9a für eine als Gesellschafterin oder als Hintermann (s. § 9a Rdnr. 24 ff., 39) haftpflichtige juristische Person oder GmbH & Co. KG ebenfalls als Insolvenzgrund in Betracht kommen kann (§§ 11, 19 InsO, § 98 GenG). Bei der unveränderten Übernahme des § 9 Abs. 2 a.F. wurde diese Erweiterung versehentlich nicht berücksichtigt3. Soweit die Überschuldung bei dem haftpflichtigen Gesellschafter oder Hintermann einen Insolvenzgrund darstellt, kommt nach dem Gesetzeszweck des § 9b Abs. 1 Satz 2 der Ausnahmetatbestand entsprechend zur Anwendung4. Die drohende Zahlungsunfähigkeit reicht dagegen nur aus, wenn auf Antrag des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (§ 18 InsO).

12

Weiteres Erfordernis ist in den beiden Anwendungsfällen der Vorschrift, dass der Vergleich zur Abwendung oder Beseitigung des Insolvenzverfahrens mit den Gläubigern geschlossen worden ist. Im Einzelnen:

13

a) Abwendung des Insolvenzverfahrens Es kommt hierfür nach Einführung des einheitlichen Insolvenzverfahrens (§ 1 InsO) nur noch der außergerichtliche Vergleich in Betracht: Er trifft nur diejenigen, die zustimmend mitgewirkt haben. Im Übrigen besteht ein starker Unsicherheitsfaktor insofern, als es an einer maßgebenden Stelle (Gericht) fehlt, welche die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners feststellt und darüber wacht, dass alle Gläubiger zugezogen werden. Letzteres ist in der

1 2 3 4

Vgl. Ulmer, Rdnr. 23. Zweifelnd Ulmer, Rdnr. 24. Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 36. So mit Recht Ulmer, Rdnr. 19; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7.

H. Winter/Veil

|

577

14

§ 9b

Verzicht auf Ersatzansprüche

Tat nicht nötig. Es genügt, dass der Schuldner sich mit seinen Gläubigern derart auseinandersetzt, dass das Insolvenzverfahren vermieden wird1. Dabei ist ungleichmäßige Behandlung der Gläubiger nicht unstatthaft. Nach dem Sinn des § 9a ist aber die Einschränkung zu machen, dass die Ersatzpflicht aus § 9a nicht ohne sachlichen Grund gegenüber anderen Schulden des Haftpflichtigen zurückgesetzt werden darf. b) Regelung im Insolvenzverfahren 15

Der rechtskräftig gerichtlich bestätigte Insolvenzplan (§§ 217 ff. InsO) kann die Ersatzforderung aus § 9a kürzen, stunden oder sonst regeln (§§ 221, 224 InsO). Er wirkt für und gegen die GmbH, auch wenn sie ihm nicht zugestimmt hat (§ 254 Abs. 1 InsO). Das Insolvenzverfahren kann auch mit Zustimmung der Gläubiger durch Einstellung beendet werden (§§ 213, 214 InsO). Hier muss die GmbH als Insolvenzgläubigerin zugestimmt haben, wenn der im Zuge dieses Verfahrens abgeschlossene Vergleich sie binden soll. Der Vergleich ist hier ein außergerichtlicher, aber nur ein solcher, der zur Einstellung des Insolvenzverfahrens führt.

III. Verjährung (§ 9b Abs. 2) 16

Die Sonderregelung des § 9b Abs. 2 über die Verjährung erfasst nur die Ersatzansprüche aus § 9a, nicht auch andere Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschafter, ihre Hintermänner und die Geschäftsführer aus Anlass der Gründung (s. § 9a Rdnr. 47 ff.). Die abweichende Regelung betrifft lediglich den Beginn und die Dauer der Verjährung, während im Übrigen, soweit der Sinn dieser Bestimmung nicht entgegensteht, die allgemeinen Vorschriften des BGB gelten.

17

Die Verjährungsfrist für die Ersatzansprüche aus § 9a beträgt 5 Jahre und beginnt regelmäßig mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister (§ 9b Abs. 2). Der maßgebliche Tag ist der zu datierenden Eintragung (§ 130 FGG) zu entnehmen. Wird die schädigende Handlung, was bei den Haftungsfällen des § 9a Abs. 2, nicht aber bei denen des § 9b Abs. 1 (s. § 9a Rdnr. 9) möglich ist, erst nach der Eintragung begangen, so beginnt die Verjährung mit ihrer Vornahme (§ 9b Abs. 2). Auf den Zeitpunkt des Schadenseintritts kommt es dagegen nicht an2. Ebensowenig ist erheblich, ob die für die Entscheidung über die Geltendmachung des Ersatzanspruches zuständigen Personen (s. § 9a Rdnr. 3) von den ihn begründenden Umständen Kenntnis hatten.

18

Die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften des BGB (§§ 203 ff.). Der Verjährungsablauf ist aber bei einem Forderungserlass nicht bis zum Eintritt der Unwirksamkeitsbedingung des § 9b Abs. 1 Satz 1 (Rdnr. 10) gehemmt. Ebenso kann ein Vergleich über die Ersatzforderung, soweit er nach der zitierten Bestimmung rechtsunwirksam ist,

1 Eb. Ulmer, Rdnr. 20; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; abw. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7 a.E. (Beteiligung der Gesamtheit der Gläubiger). 2 Ulmer, Rdnr. 25.

578

|

H. Winter/Veil

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

die Verjährung weder unterbrechen noch hemmen1. Auch das Fehlen eines gesetzlichen Vertreters der GmbH ist kein Hemmungsgrund, da eine entsprechende Anwendung des § 206 BGB auf juristische Personen nicht möglich ist. Ebensowenig tritt eine Hemmung deswegen ein, weil der Ersatzpflichtige während dieser Zeit weiter Geschäftsführer war; seiner Verjährungseinrede steht in der Regel auch nicht der Einwand von Treu und Glauben entgegen2. Die Vorschrift des § 9b Abs. 2 ist zwingend. Die Verjährung kann also nicht vertraglich verkürzt werden3.

19

Für einen rechtskräftig festgestellten Ersatzanspruch aus § 9a gilt die dreißigjährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Dasselbe gilt, wenn über ihn ein nach Abs. 1 wirksamer gerichtlicher Vergleich abgeschlossen worden ist (§ 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB). Bei einem außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens geschlossenen Vergleichs bestimmt sich die Verjährung dagegen nach § 9b Abs. 24; ihr Neubeginn folgt aus § 212 Abs. 1 BGB5.

20

§ 9c

Prüfung durch Registergericht (1) Ist die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß errichtet und angemeldet, so hat das Gericht die Eintragung abzulehnen. Dies gilt auch, wenn Sacheinlagen überbewertet worden sind. (2) Wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Bestimmung des Gesellschaftsvertrages darf das Gericht die Eintragung nach Absatz 1 nur ablehnen, soweit diese Bestimmung, ihr Fehlen oder ihre Nichtigkeit 1. Tatsachen oder Rechtsverhältnisse betrifft, die nach § 3 Abs. 1 oder aufgrund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften in dem Gesellschaftsvertrag bestimmt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen oder von dem Gericht bekanntzumachen sind, 2. Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, oder 3. die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages zur Folge hat. Eingefügt durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836), Abs. 2 angefügt durch Gesetz vom 22. 6. 1998 (BGBl. I, 1474).

1 Ulmer, Rdnr. 27; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14. 2 BGH, GmbHR 1961, 145. 3 Eb. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; nunmehr auch Ulmer, Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4. 4 Eb. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 15; wohl auch Ulmer, Rdnr. 26; unklar Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7. 5 Ulmer, Rdnr. 26.

H. Winter/Veil

|

579

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

die Verjährung weder unterbrechen noch hemmen1. Auch das Fehlen eines gesetzlichen Vertreters der GmbH ist kein Hemmungsgrund, da eine entsprechende Anwendung des § 206 BGB auf juristische Personen nicht möglich ist. Ebensowenig tritt eine Hemmung deswegen ein, weil der Ersatzpflichtige während dieser Zeit weiter Geschäftsführer war; seiner Verjährungseinrede steht in der Regel auch nicht der Einwand von Treu und Glauben entgegen2. Die Vorschrift des § 9b Abs. 2 ist zwingend. Die Verjährung kann also nicht vertraglich verkürzt werden3.

19

Für einen rechtskräftig festgestellten Ersatzanspruch aus § 9a gilt die dreißigjährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Dasselbe gilt, wenn über ihn ein nach Abs. 1 wirksamer gerichtlicher Vergleich abgeschlossen worden ist (§ 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB). Bei einem außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens geschlossenen Vergleichs bestimmt sich die Verjährung dagegen nach § 9b Abs. 24; ihr Neubeginn folgt aus § 212 Abs. 1 BGB5.

20

§ 9c

Prüfung durch Registergericht (1) Ist die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß errichtet und angemeldet, so hat das Gericht die Eintragung abzulehnen. Dies gilt auch, wenn Sacheinlagen überbewertet worden sind. (2) Wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Bestimmung des Gesellschaftsvertrages darf das Gericht die Eintragung nach Absatz 1 nur ablehnen, soweit diese Bestimmung, ihr Fehlen oder ihre Nichtigkeit 1. Tatsachen oder Rechtsverhältnisse betrifft, die nach § 3 Abs. 1 oder aufgrund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften in dem Gesellschaftsvertrag bestimmt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen oder von dem Gericht bekanntzumachen sind, 2. Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, oder 3. die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages zur Folge hat. Eingefügt durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836), Abs. 2 angefügt durch Gesetz vom 22. 6. 1998 (BGBl. I, 1474).

1 Ulmer, Rdnr. 27; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14. 2 BGH, GmbHR 1961, 145. 3 Eb. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; nunmehr auch Ulmer, Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4. 4 Eb. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; Heyder, in: Michalski, Rdnr. 15; wohl auch Ulmer, Rdnr. 26; unklar Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7. 5 Ulmer, Rdnr. 26.

H. Winter/Veil

|

579

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

Inhaltsübersicht I. Allgemeines 1. Inhalt und Bedeutung . . . . . .

1

2. Anwendungsbereich . . . . . . .

3

II. Prüfungspflicht des Registergerichts 1. Grundsätzliches a) Rechtsgrundlage . . . . . b) Inhalt und Umfang . . . . aa) Gegenstand . . . . . . bb) Umfang . . . . . . . .

. . . .

. . . .

4 5 7 8

2. Einzelne Prüfungsgegenstände a) Anmeldung . . . . . . . . . . 15 b) Gesellschaftsvertrag aa) Zustandekommen . . . . 16 bb) Inhaltskontrolle . . . . . . 19

c) d) e) f) g)

Geschäftsführerbestellung . Aufsichtsratsbestellung . . Einlagen und Sicherungen . Bewertung der Sacheinlagen Genehmigungsbedürftigkeit des Unternehmensgegenstandes . . . . . . . . . . . h) Wirtschaftliche und finanzielle Unternehmensgrundlagen . . . . . . . . . . . .

. . . .

24 27 28 32

.

35

.

36

1. Beanstandungen der Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . .

37

2. Ablehnung der Eintragung . . . 3. Beschwerde . . . . . . . . . . .

39 41

III. Entscheidungen des Registergerichts

Schrifttum: Ammon, Die Prüfungsbefugnis des Registergerichts bei GmbH-Anmeldungen – besteht Reformbedarf?, DStR 1995, 1311; Baur, Zur Beschränkung der Entscheidungsbefugnis des Registerrichters durch einstweilige Verfügung, ZGR 1972, 421; Braasch, Gründungsprobleme bei der GmbH. Eine Untersuchung über die Prüfungspraxis beim Registergericht Hamburg, 1975; Buschmann, Die Kontrollmöglichkeiten des Registerrichters bei der Eintragung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, DRiZ 1974, 90; Gustavus, Handelsregister-Anmeldungen, 6. Aufl. 2005; Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, 2004; Holzer, Die inhaltliche Kontrolle des Gesellschaftsvertrages der GmbH – Ein Beitrag zu Prüfungsrecht und Prüfungspflicht des Registergerichts, WiB 1997, 290; Keilbach, Die Prüfungsaufgaben der Registergerichte, MittRhNotK 2000, 365; Klepsch, Prüfungsrecht und Prüfungspflicht der Registergerichte, 2002; Lappe, Änderungen des Registerrechts der GmbH, GmbHR 1970, 9; Menold, Das materielle Prüfungsrecht des Handelsregisterrichters, 1966; Müller, Zur Prüfungspflicht des Handelsregisterrichters und -rechtspflegers, Rpfleger 1970, 375; Rühl, Rechtstatsachen zur Sachgründung im GmbH-Recht, 1987; Rawert, in: Hommelhoff/Röhricht, RWS-Forum 10, Gesellschaftsrecht 1997, 1998, S. 81; von Rössing, Die Sachgründung nach der GmbH-Novelle 1980, 1984; Schäfer-Gölz, Die Lehre vom Vorbelastungsverbot und die Differenzhaftung der Gründer, 1983; Spiegelberger/Walz, Die Prüfung der Kapitalaufbringung im Rahmen der GmbH-Gründung, GmbHR 1998, 761; Stumpf, Das Handelsregister nach der HGB-Reform, BB 1998, 2380; Trölitzsch, Differenzhaftung für Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, 1998; Ulbert, Die GmbH im Handelsregisterverfahren, 1997; Ullrich, Kristin, Registergerichtliche Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen und Satzungsänderungsbeschlüssen. Eintragungsverfahren gemäß § 9c Abs. 2 GmbHG, 2006; Wiener, Das Prüfungsrecht und die Prüfungspflicht des Registerrichters des Handelsregisters, 1933.

I. Allgemeines 1. Inhalt und Bedeutung 1

Die durch die GmbH-Novelle 1980 eingefügte Vorschrift bestimmt die Voraussetzungen, unter denen das Registergericht die Eintragung der Gesellschaft ab580

|

H. Winter/Veil

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

zulehnen hat. Ablehnungsgründe sind danach die nicht ordnungsgemäße Errichtung und Anmeldung (§ 9c Abs. 1 Satz 1). Klarstellend hebt das Gesetz zusätzlich hervor, dass dies auch bei einer Überbewertung von Sacheinlagen gilt (§ 9c Abs. 1 Satz 2). Die Regelung soll sicherstellen, dass nur solche Gesellschaften als GmbH zur Entstehung gelangen (§ 11 Abs. 1), die die zwingenden gesetzlichen Gründungsvoraussetzungen erfüllen. Die Prüfungspflicht des Registergerichts ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Sie ergibt sich aber zwangsläufig aus § 9c (Rdnr. 4)1. Die Einführung einer obligatorischen Gründungsprüfung durch sachverständige Gründungsprüfer, wie sie § 5d RegE für bestimmte Sachgründungen vorgesehen hatte, lehnte der Gesetzgeber im Hinblick auf die sonstigen Sicherungen letztlich als zu weitgehend ab2. Das Registergericht kann aber im Rahmen seiner allgemeinen Prüfungspflicht sachverständige Prüfer hinzuziehen, wenn dies ihm nötig erscheint (Rdnr. 14, 34). Die Vorschrift des Abs. 2 ist durch das HRefG vom 22. 6. 1998 (BGBl. I, 1474) eingefügt worden. Der Gesetzgeber wollte durch sie die inhaltliche Prüfung des Gesellschaftsvertrages einschränken (s. Rdnr. 19 ff.) und das Eintragungsverfahren vereinfachen sowie beschleunigen3. Sie ist am 1. 7. 1998 in Kraft getreten (Art. 29 Abs. 4 HRefG).

2

2. Anwendungsbereich Die Vorschrift des § 9c betrifft die Gründung einer GmbH. Sie gilt auch für die Verschmelzung und Spaltung eines Rechtsträgers auf eine neu zu gründende GmbH (§§ 36 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 2 Satz 1 UmwG) und für den Formwechsel eines Rechtsträgers anderer Rechtsform in eine GmbH (§ 197 Satz 1 UmwG). Die entsprechende Anwendung des § 9c Abs. 1 ist ferner ausrücklich für die ordentliche Kapitalerhöhung angeordnet (§ 57a). Die Eintragungskontrolle durch das Registergericht gem. § 9c Abs. 1 Satz 1 gilt darüber hinaus für die Anmeldung anderer Satzungsänderungen entsprechend, soweit sie nicht durch Spezialvorschriften eingeschränkt ist4. Auch bei einer wirtschaftlichen Neugründung – durch Aktivierung einer Vorratsgesellschaft oder eines Mantels – ist § 9c entsprechend anwendbar5.

1 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 72; BayObLG, BB 1983, 83; allg.M. 2 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 70. 3 Vgl. Begr. RegE, BR-Drucks. 340/97, S. 77 f., abgedr. ZIP 1997, 997, 998 f. 4 RGZ 148, 175, 187; KG, JW 1937, 2979; KG, GmbHR 1997, 708, 709; BayObLG, GmbHR 1993, 167, 168; OLG Hamm, FGPrax 1996, 71, 72; OLG Naumburg, GmbHR 1997, 1152, 1153; Ulmer, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1. 5 S. hierzu § 3 Rdnr. 26 ff., 37 ff.

H. Winter/Veil

|

581

3

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

II. Prüfungspflicht des Registergerichts 1. Grundsätzliches a) Rechtsgrundlage 4

Die Prüfungspflicht des Registergerichts ist im GmbHG nicht ausdrücklich bestimmt. Sie folgt aber implizit aus § 9c Abs. 1 Satz 1, wonach es die Eintragung einer nicht ordnungsgemäß errichteten und angemeldeten Gesellschaft abzulehnen hat. Der Sinn der Bestimmung, eine GmbH nach Maßgabe des geltenden Normativsystems durch die konstitutive Eintragung in das Handelsregister nur dann entstehen zu lassen, wenn sie die vorgeschriebenen rechtlichen Anforderungen erfüllt (Rdnr. 1), setzt notwendigerweise deren registergerichtliche Prüfung voraus. Die Erforderlichkeit dieser Kontrolle ergibt sich ferner aus den für die Gründungsgesellschafter und für Dritte einschneidenden Rechtswirkungen der Eintragung, die die Geltendmachung von Gründungsmängeln weitgehend ausschließt (s. § 10 Rdnr. 18 ff.)1. Die Prüfungspflicht ist dagegen nicht aus der früher vielfach herangezogenen allgemeinen, in § 12 FGG normierten Vorschrift herzuleiten, die den Amtsermittlungsgrundsatz auch für das Eintragungsverfahren einführt (Rdnr. 13), aber nicht den prüfungspflichtigen Tatbestand regelt2. b) Inhalt und Umfang

5

Das Gericht hat, wie § 9c Abs. 1 Satz 1 indirekt festlegt (Rdnr. 4), die Ordnungsmäßigkeit der Errichtung und der Anmeldung der Gesellschaft zu prüfen. Die Merkmale umschreiben Inhalt und Umfang der Pflicht und des Rechts zur Prüfung. Eine Differenzierung zwischen beiden ist wegen der gewollten Verknüpfung mit den Ablehnungsgründen3 nicht mehr möglich4. Die Prüfung muss sich auf die Ordnungsmäßigkeit des Vorgangs erstrecken. Sie darf darüber nicht hinausgehen. Denn die Beteiligten haben grundsätzlich einen Anspruch auf unverzügliche Eintragung, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen5. Entsprechendes gilt demgemäß auch für das Ermittlungsrecht, das nur in dem sachlich gebotenen Umfange ausgeübt und nicht nach dem Ermessen des Gerichts6 erweitert werden darf (Rdnr. 12 ff.).

6

Der Gesetzeswortlaut des § 9c Abs. 1 Satz 1 lehnt sich an das Aktienrecht (§ 38 Abs. 1 AktG) an. Die Neuregelung will die für das frühere Recht praeter legem entwickelte Prüfungspflicht des Registergerichts, die schon mit der analogen Anwendung der zitierten aktienrechtlichen Vorschrift begründet worden ist

1 2 3 4

Ulmer, Rdnr. 7. Vgl. Menold, Prüfungsrecht, S. 65 ff.; Ulmer, Rdnr. 7. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 72. Vgl. dazu Menold, Prüfungsrecht, S. 67 f.; Braasch, Gründungsprobleme, S. 24; Ulmer, Rdnr. 8; a.M. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; offen lassend BGHZ 113, 335, 351. 5 BGHZ 113, 335, 352; KG, GmbHR 1998, 786, 787; OLG Frankfurt, BB 1992, 1160; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3. 6 So aber immer noch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6.

582

|

H. Winter/Veil

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

(s. 6. Aufl., § 10 Rdnr. 3), anerkennen und bestätigen1. Bei ihrer Auslegung ist daher auf die bisherige Rechtsprechung und Doktrin zurückzugreifen. Die aufgetretenen Zweifel über die Gegenstände und den Umfang der Prüfung klärt das Gesetz, abgesehen von den Fällen des Inhalts des Gesellschaftsvertrags (§ 9c Abs. 2) und der Überbewertung von Sacheinlagen (§ 9c Abs. 1 Satz 2), nicht. In beiden Beziehungen bedürfen die angeführten Voraussetzungen (Rdnr. 5) der Konkretisierung nach Maßgabe des Prüfungszwecks. aa) Gegenstand. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Errichtung und Anmeldung erfordert, dass alle formellen und materiellen gesetzlichen Eintragungsvoraussetzungen einzubeziehen sind (dazu näher Rdnr. 15 ff.)2. Unter „Errichtung“ ist dabei nicht nur der Abschluss des Gesellschaftsvertrages zu verstehen, sondern der Gesetzesbegriff erfasst, wie die Abschnittsüberschrift des GmbHG zeigt, die Gesamtheit der zwingend vorgeschriebenen Gründungsvoraussetzungen einer GmbH, insbesondere auch die Bestellung der Geschäftsführer (§ 6), die erforderlichen Einlage- und Sicherungsleistungen der Gesellschafter (§ 7 Abs. 2 u. 3) und eine notwendige staatliche Genehmigung des Unternehmens (§ 8 Abs. 1 Nr. 6). Die Beschränkung der Prüfung auf die eintragungsoder veröffentlichungspflichtigen Umstände (§ 10) ist nach dem Sinn des Eintragungserfordernisses (Rdnr. 1) unzulässig3. Dem Registergericht steht auch kein Ermessen zur Bestimmung der Prüfungsgegenstände zu. Es darf deshalb seine Kontrolle einerseits nicht auf einzelne, z.B. erfahrungsgemäß besonders kritische Eintragungsvoraussetzungen beschränken und andererseits nicht auf Umstände ausdehnen, von denen rechtlich eine Eintragung nicht abhängt. Letzteres gilt vor allem für die wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen des Unternehmens der GmbH, die seiner Prüfungskompetenz nicht unterliegen (Rdnr. 36).

7

bb) Umfang. Die Ordnungsmäßigkeit der Errichtung und der Anmeldung der Gesellschaft ist durch das Registergericht nicht nur in formeller, sondern auch in materieller Hinsicht zu prüfen. Die im Grundsatz seit langem allgemein anerkannte4, in den Einzelheiten aber umstrittene materielle Prüfungspflicht folgt aus dem Zweck des Eintragungserfordernisses. Eine Bestätigung findet sie in § 9c Abs. 1 Satz 2 und Abs. 25. Sie umfasst die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Gesellschaftserrichtung (Rdnr. 9 ff.) und der inhaltlichen Richtigkeit des für die Eintragung angemeldeten rechtserheblichen Sachverhalts (Rdnr. 12 f.).

8

1 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 72. 2 BGHZ 113, 335, 351; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236; Ulmer, Rdnr. 9; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2. 3 BayObLG, BB 1983, 83. 4 Vgl. RGZ 140, 174, 180; 148, 175; BGHZ 113, 335, 351; KG, KGJ 30 A 109; 35 A 178; 39 A 122; HRR 1939, 1108; GmbHR 1997, 708; OLG Karlsruhe, NJW 1967, 832; OLG Stuttgart, GmbHR 1967, 232; BayObLGZ 1974, 479; BayObLGZ 1978, 282; BayObLG, GmbHR 1982, 210; BayObLG, BB 1983, 83; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, BB 1991, 2103, 2104; OLG Köln, GmbHR 1982, 187; OLG Hamburg, BB 1984, 1763; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236 u.a. 5 Ulmer, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3.

H. Winter/Veil

|

583

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

9

Die materielle Rechtmäßigkeitskontrolle (Rdnr. 8) hat sich darauf zu beziehen, dass die zwingenden gesellschaftsrechtlichen Anforderungen an die Gründung der GmbH eingehalten worden sind1, die notwendigen Gründungsakte nicht ganz oder teilweise wegen Verstoßes gegen andere (auch außergesellschaftsrechtliche) Vorschriften nichtig oder unwirksam sind und die Vor-GmbH, wovon mangels gegenteiliger Anhaltspunkte aber auszugehen ist, nicht aufgelöst ist. Das Registergericht hat sie umfassend vorzunehmen, soweit sich nicht aus Abs. 2 Einschränkungen ergeben (s. Rdnr. 2, 20 ff.)2. Es darf dabei Gründungsmängel nicht deswegen unbeachtet lassen, weil sie durch Eintragung der Gesellschaft geheilt werden (s. § 10 Rdnr. 18 ff.) oder durch eine salvatorische Klausel des Gesellschaftsvertrages erfasst werden. Auch der Umstand, dass der Notar die zu beurkundenden Erklärungen der Gründungsgesellschafter (§ 2 Abs. 1) auf ihre Rechtswirksamkeit zu prüfen und bestehende Zweifel zu vermerken hat (§ 17 Abs. 2 BeurkG), ändert an der Prüfungspflicht des Registergerichts nichts3.

10

Die Kontrolle der Satzungsregelungen auf inhaltliche Klarheit gehört dagegen grundsätzlich nicht zu den Aufgaben des Registergerichts (§ 9 Abs. 2)4. Die extensive Auslegung des Begriffs der „Ordnungsmäßigkeit der Errichtung“ durch die frühere Gegenmeinung5 ist durch den Gesetzeszweck des § 9c Abs. 1 Satz 1 (Rdnr. 1) nicht gedeckt. Es ist dabei unerheblich, ob die Bestimmungen lediglich das interne Gesellschaftsverhältnis betreffen oder auch für außenstehende Dritte bedeutsam sind6. Eine Ausnahme ist nur bei solchen Unklarheiten gerechtfertigt, die zugleich eine naheliegende Gefahr der Irreführung über die für Außenstehende wichtigen Umstände der Gesellschaft begründen7.

11

Eine Zweckmäßigkeitskontrolle der Gründungsakte, die nicht nur die Satzungsautonomie der Gesellschafter unzulässig beeinträchtigen, sondern auch in den grundgesetzlich geschützten Kernbereich der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) eingreifen würde8, ist ausgeschlossen9. Der Registerrichter darf also eine Anmeldung nicht deshalb zurückweisen oder beanstanden, weil er eine 1 KG, KGJ 35 A 178, 180; OLG Stuttgart, GmbHR 1967, 232; BayObLG, BB 1975, 250; BayObLG, BB 1983, 83; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, BB 1991, 2103, 2104; OLG Köln, GmbHR 1982, 187; 1997, 945; OLG Hamburg, BB 1984, 1763 f.; Ulmer, Rdnr. 9; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7. 2 Krit. zu diesem durch das HRefG (s. Rdnr. 2) eingefügten system- und sachwidrigen Einschränkungen Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14. 3 Vgl. dazu Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14 a.E. 4 OLG Köln, GmbHR 1982, 187; BayObLGZ 1971, 242, 245; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, GmbHR 1993, 167, 168; LG Frankfurt, Rpfleger 1976, 251; Ulmer, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5. 5 So vor allem Groß, Rpfleger 1983, 213. 6 Für den zuletzt genannten Fall a.M. KG, DR 1942, 1059; BayObLGZ 1971, 242, 245; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, GmbHR 1993, 167, 168. 7 Vgl. BayObLGZ 1971, 242, 245; Ulmer, Rdnr. 12; Hüffer, in: Großkomm. HGB, § 8 Rdnr. 57. 8 Zutr. BayObLGZ 1982, 368, 373; BayObLG, BB 1983, 83, 84; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, GmbHR 1993, 167, 168. 9 Heute allg.M.; vgl. Ulmer, Rdnr. 11.

584

|

H. Winter/Veil

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

rechtswirksame Satzungsbestimmung für unzweckmäßig oder bedenklich hält1 oder weil sie nach seiner Ansicht einen möglichen Konflikt nicht interessegerecht2 oder unvollständig regelt. Er darf auch nicht die redaktionelle oder sprachliche Fassung des Gesellschaftsvertrages3 oder die wörtliche oder sinngemäße Wiedergabe von Gesetzesvorschriften beanstanden4. Er handelt pflichtwidrig, wenn er durch unangebrachte Ratschläge oder Belehrungen in diesen Bereichen die Eintragung der Gesellschaft verzögert5. Die Prüfungspflicht bezieht sich ferner auf die inhaltliche Richtigkeit des angemeldeten entscheidungserheblichen Sachverhalts (Rdnr. 8). Auch insoweit hängt sie nicht von zusätzlichen Voraussetzungen, z.B. einem besonderen Anlass zu Zweifeln oder Bedenken6 o.ä. ab, sondern gilt uneingeschränkt für alle Anmeldungen7. Die Prüfung ist anhand der beigefügten Anmeldeunterlagen (§ 8) unter Berücksichtigung des regelmäßig einzuholenden Gutachtens der Industrie- und Handelskammer (§ 23 Satz 2 HRV) vorzunehmen8. Die volle Überzeugung oder die Gewissheit über das Vorliegen der maßgeblichen Tatsachen braucht sie dem Registergericht nicht zu verschaffen9. Es ist vielmehr, wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift10 und die gesetzlichen Anforderungen an die Anmeldeunterlagen (§ 8) bestätigen, in Übereinstimmung mit der bisherigen registergerichtlichen Praxis lediglich erforderlich, dass die Prüfung keine sachlich berechtigten Zweifel an der Richtigkeit der Anmeldung ergibt11.

12

Eine Pflicht des Registergerichts zu weiteren Sachverhaltsermittlungen (§ 12 FGG) besteht deshalb nur, wenn und soweit nach den Umständen des Einzelfalls derartige Zweifel gegeben sind, weil die eingereichten Anmeldeunterlagen unklar, widersprüchlich oder inhaltlich für die zu belegende Tatsache (z.B. den Einlagewert einer Sacheinlage) unzureichend oder wenn konkrete Anhaltspunkte für mögliche Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten des angemeldeten Sachverhalts vorhanden sind. Die Ermittlungspflicht darf nicht überspannt

13

1 OLG Stuttgart, GmbHR 1967, 232; DJ 1980, 354, 355; BayObLGZ 1974, 479, 483; BayObLG, BB 1983, 83, 84; BayObLG, BB 1985, 546; BayObLG, GmbHR 1993, 167, 168; OLG Köln, GmbHR 1982, 187; OLG Karlsruhe, GmbHR 1993, 101, 102; Ulmer, Rdnr. 11. 2 BayObLG, BB 1983, 83, 84; BayObLG, BB 1985, 546; Ulmer, Rdnr. 11. 3 OLG (Hamburg) 11, 28; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15. 4 KG, RJA 11, 215. 5 A.M. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6. 6 So RGZ 140, 174, 181; OLG Hamburg, BB 1984, 1763 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6. 7 Ulmer, Rdnr. 13; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15. 8 BGHZ 113, 335, 352; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 216; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236; KG, GmbHR 1997, 708, 709; KG, GmbHR 1998, 786, 787; s. auch schon RGZ 140, 174, 181. 9 A.M. Menold, Das materielle Prüfungsrecht, S. 68, 90 ff.; Braasch, Gründungsprobleme, S. 4 ff., 20 ff., 78; Groß, Rpfleger 1976, 237; Baums, StuW 1980, 299. 10 Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 72. 11 BGHZ 113, 335, 352; BayObLG, GmbHR 1982, 210, 211; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 216; KG, GmbHR 1997, 709; Ulmer, Rdnr. 13; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4, 18; Hüffer, in: Großkomm. HGB, § 8 Rdnr. 56.

H. Winter/Veil

|

585

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

werden. Ganz entfernt liegende Bedenken genügen nicht; vielmehr müssen begründete Zweifel gegeben sein1. Es besteht auch kein Ermessen des Registergerichts, ohne Rücksicht auf das Vorliegen der genannten Voraussetzung weitere Ermittlungen vorzunehmen2. Nach der Entstehungsgeschichte der GmbH-Novelle 1980 widerspräche es insbesondere den Intentionen des Gesetzes, beim Fehlen eines konkreten Anlasses zum Zweifel an der Richtigkeit der Anmeldung für die den Gegenstand der Versicherungen nach § 8 Abs. 2 u. 3 bildenden Umstände die Vorlage von Nachweisen (z.B. Zahlungsbelegen, Bankbestätigungen u.Ä.) zu verlangen oder eine Gründungsprüfung anzuordnen3. 14

Über die Mittel zur weiteren Sachverhaltsaufklärung entscheidet das Registergericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Es hat von mehreren geeigneten Maßnahmen nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz möglichst diejenige zu wählen, die voraussichtlich unnötige Verfahrensverzögerungen oder Kostenbelastungen der Beteiligten vermeidet4. Es kann von der Gesellschaft auf Grund ihrer Mitwirkungpflicht5 zusätzliche Aufklärungen über den Sachverhalt und die Vorlage geeigneter Nachweise verlangen, aber auch die erforderlichen Ermittlungen selbst vornehmen. Vor allem bei begründeten Zweifeln an der Vollwertigkeit von Sacheinlagen (§ 9c Abs. 1 Satz 2) kann es geboten sein, einen Sachverständigen hinzuzuziehen oder, wenn das den Umständen nach erforderlich erscheint, eine umfassendere Gründungsprüfung durch sachverständige Prüfer anzuordnen6. Die Feststellungslast bei nicht aufklärbaren Sachverhalten trägt die Antragstellerin7.

2. Einzelne Prüfungsgegenstände a) Anmeldung 15

Das Registergericht hat die Anmeldung darauf zu prüfen, ob seine örtliche Zuständigkeit für die Eintragung (Amtsgericht des statutarischen Sitzes) gegeben ist, die erforderliche Form (§ 12 HGB) gewahrt ist, sämtliche Geschäftsführer einschließlich der Stellvertreter persönlich angemeldet haben (§ 78), diese 1 Vgl. KG, KGJ 30 A 109, 114 f.; 39 A 122, 126 f.; KG, GmbHR 1997, 708, 710; KG, GmbHR 1998, 786, 787; OLG Hamburg, BB 1984, 1763 f.; BayObLG, GmbHR 1988, 269; BayObLG, GmbHR 1994, 116, 117; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; OLG Hamm, GmbHR 1993, 95, 96; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 70, 71; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236; Priester, DNotZ 1980, 515, 523; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18 („substantiierte Zweifel“). Zu weitgehend Ulmer, Rdnr. 14. 2 Eb. Ulmer, Rdnr. 8; Groß, Rpfleger 1976, 237; a.M. Feine, S. 149; Brodmann, Anm. 1b; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6. 3 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 70, 71, 72; BGHZ 113, 335, 352; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Spindler, ZGR 1997, 537, 541 f. 4 S. dazu auch KG, KGJ 30 A 122, 125; Ulmer, Rdnr. 15; Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 39. 5 Eingehend dazu Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 12 Rdnr. 88 ff. 6 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, S. 72; BayObLG, GmbHR 1995, 52, 53; Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Priester, DNotZ 1980, 515, 523; Ulmer, Rdnr. 16. 7 KG, JFG 1, 200, 203 f.; GmbHR 1997, 412; BayObLGZ 1978, 319, 323; Menold, Das materielle Prüfungsrecht, S. 110 ff.; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 12 Rdnr. 194a.

586

|

H. Winter/Veil

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

ausreichend legitimiert und nicht amtsunfähig (§ 6 Abs. 2) sind, die vorgeschriebenen Unterlagen (§ 8) beigefügt sind und sie sowie der Eintragungsantrag auch im Übrigen den formellen und inhaltlichen Anforderungen des Gesetzes genügen. Wegen der Einzelheiten ist auf die Erl. zu den §§ 7, 8 zu verweisen. Nachträgliche Änderungen in den Personen der Geschäftsführer oder ihrer Vertretungsbefugnis sind unter Beifügung der entsprechenden Urkunden anmeldepflichtig (§ 39 Abs. 1 u. 2). Die Anmeldung neuer Geschäftsführer muss die Angabe über ihre Vertretungsbefugnis enthalten (§ 8 Abs. 4); sie haben ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei Gericht zu zeichnen (§ 8 Abs. 5) und müssen die Versicherung über das Nichtvorhandensein von Ausschlussgründen abgeben (§ 8 Abs. 3), nicht aber die Versicherung über die vorher bewirkten Einlageleistungen (§ 8 Abs. 2) wiederholen (s. § 8 Rdnr. 22). Auch jede nachträgliche Änderung im Gesellschafterbestand ist analog § 40 Abs. 1 unverzüglich anzuzeigen; erforderlichenfalls sind der geänderte Gesellschaftsvertrag (s. § 8 Rdnr. 2) und bei Entstehung einer Einmann-GmbH die Versicherung gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 beizufügen (s. § 8 Rdnr. 25). Eine Mitteilungspflicht gegenüber dem Registergericht über sonstige nachträgliche Änderungen besteht dagegen nicht1, wohl aber muss eine unrichtige oder unvollständige Anmeldung berichtigt oder eine rechtserhebliche Änderung auf die Anfrage des Gerichts angegeben werden. b) Gesellschaftsvertrag aa) Das rechtswirksame Zustandekommen des Gesellschaftsvertrages ist zu prüfen. Die Regelung des § 9c Abs. 2 betrifft nur die Inhaltskontrolle des Vertrages (s. Rdnr. 19 ff.), schränkt aber im Übrigen die Prüfungspflicht nicht ein2. Es ist demgemäß festzustellen, ob die allgemeinen Voraussetzungen des Vertragsabschlusses (§§ 145 ff. BGB) erfüllt sind, die vorgeschriebene notarielle Form (§ 2 Abs. 1 Satz 1) ordnungsgemäß eingehalten ist und sämtliche Gesellschafter den Vertrag unterzeichnet haben (§ 2 Abs. 1 Satz 2). Ebenso sind die Beteiligungserklärungen der Gesellschafter auf ihre formelle und materielle Ordnungsmäßigkeit zu prüfen3, z.B. die Beteiligungsfähigkeit ausländischer Gesellschaften4, die ordnungsgemäße Vertretung eines Gesellschafters beim Vertragsabschluss und die hinreichende Legitimation des Vertreters (§§ 2 Abs. 2, 8 Abs. 1 Nr. 1), das Vorliegen notwendiger vormundschaftsgerichtlicher Genehmigungen (§ 1822 Nr. 3, 10 BGB) oder Zustimmungserklärungen des Ehegatten (§§ 1365, 1423 BGB), die Umgehung ausländerrechtlicher Vorschriften durch die Beteiligung5, Hinweise auf vorhandene Erklärungsmängel. Die Anfechtung der Beteiligungserklärung eines Gesellschafters (s. dazu § 2 Rdnr. 63 f.) hat das Registergericht zu berücksichtigen (§ 142 Abs. 1 BGB); es kann das Eintragungsverfahren erforderlichenfalls nach § 127 FGG aussetzen (Rdnr. 37)6. 1 2 3 4 5

Zutr. Ulmer, Rdnr. 19; a.M. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12. Begr. RegE, BR-Drucks. 340/97, S. 77 f. = ZIP 1997, 997, 999. Ulmer, Rdnr. 24 f. LG Saarbrücken, GmbHR 1991, 581, 582; Ulmer, Rdnr. 25. OLG Stuttgart, GmbHR 1984, 156; OLG Celle, DB 1977, 993; KG, GmbHR 1997, 412, 413; bestr., Näheres dazu § 2 Rdnr. 41a. 6 Ulmer, Rdnr. 25.

H. Winter/Veil

|

587

16

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

17

Mängel des Gesellschaftsvertrages sind nicht deswegen unbeachtlich, weil die Vorgesellschaft bereits in Vollzug gesetzt worden war (s. § 2 Rdnr. 64 f.) oder weil eine Eintragung der Gesellschaft sie heilt oder ihre Rechtsfolge verändert (s. § 2 Rdnr. 66 ff.). Anders liegt es bei Vertragsmängeln, die vor der Eintragung entweder durch die Gesellschafter beseitigt oder sonst gegenstandslos werden. Das trifft bei bedingten oder befristeten Beitrittserklärungen zu, wenn sich die Beschränkung, was nachzuweisen ist, bis zur Eintragung durch Verzicht oder aus tatsächlichen Gründen erledigt hat (s. § 3 Rdnr. 58)1.

18

Nachträgliche Änderungen des Gesellschaftsvertrages sind vom Registergericht nur zu beachten, wenn die erforderlichen Urkunden (s. § 8 Rdnr. 4) durch die Geschäftsführer eingereicht werden. Sie sind, sofern insoweit keine Eintragungshindernisse bestehen, der Gesellschaft, nicht aber dem Gericht gegenüber zur Einreichung verpflichtet2.

19

bb) Die Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrages regelt § 9c Abs. 2 abschließend3. Die Eintragung der Gesellschaft darf danach wegen einer mangelhaften, fehlenden oder nichtigen Satzungsbestimmung nur abgelehnt werden, wenn einer der in den Nr. 1–3 des § 9c Abs. 2 festgelegten Tatbestände erfüllt ist (Rdnr. 20 ff.). Das Registergericht ist diesbezüglich zur inhaltlichen Prüfung des Gesellschaftsvertrages verpflichtet. Es darf weitergehende Beanstandungen wegen Inhaltsmängel nicht mehr vornehmen (Rdnr. 5). Im Einzelnen gilt Folgendes:

20

Die Prüfungspflicht bezieht sich als erstes auf das Fehlen und den Inhalt von Satzungsbestimmungen über Tatsachen oder Rechtsverhältnisse, die nach § 3 Abs. 1 oder aufgrund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften im Gesellschaftsvertrag festgesetzt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen oder vom Gericht bekanntzumachen sind (§ 9c Abs. 2 Nr. 1). Es ist also zu untersuchen, ob der Gesellschaftsvertrag den zwingenden Mindestinhalt aufweist (§ 3 Abs. 1) und ob dieser den gesetzlichen Anforderungen genügt, insbesondere die gewählte Firma (§ 4 GmbHG, §§ 18, 30 HGB) sowie der bestimmte Gesellschaftssitz (§ 4a) zulässig sind, der Unternehmensgegenstand nicht gesetzes- oder sittenwidrig und ausreichend individualisiert ist (s. dazu § 3 Rdnr. 9 ff.), das Stammkapital ordnungsgemäß festgesetzt ist (§§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 1, 86 Abs. 2) und die Vereinbarungen über die Stammeinlagen dem Gesetz entsprechen (§§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 1–3, 86 Abs. 2). Die Eignung von Firmenbestandteilen zur Irreführung über geschäftliche Verhältnisse ist in einem registergerichtlichen Verfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie „ersichtlich“ ist (§ 18 Abs. 2 Satz 2 HGB), d.h. ohne weitere Nachforschungen aus der Angabe hervorgeht. Der Prüfung unterliegt auch, ob der Gesellschaftsvertrag die erforderlichen Festsetzungen zur Übernahme des Gründungsaufwands (analog § 26 Abs. 2 AktG) und über Sacheinlagevereinbarungen der Gesellschafter enthält (§ 5 Abs. 4 Satz 1)4, der Einlagegegenstand geeignet (s. § 5 Rdnr. 42 ff.) und 1 Zutr. Feine, S. 181; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 3 Rdnr. 22; Lutter, Kapital, S. 96; Anton, GmbHR 1973, 75, 77; a.M. Ulmer, Rdnr. 25. 2 Ulmer, Rdnr. 19. 3 Begr. RegE, BR-Drucks. 340/97, S. 77 f. = ZIP 1997, 997, 999 f. 4 Vgl. Rawert, S. 81, 89; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7.

588

|

H. Winter/Veil

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

die Vereinbarung nicht aus anderen Gründen unwirksam ist (s. § 5 Rdnr. 95 ff.). Zur sog. Überbewertung von Sacheinlagen vgl. Rdnr. 31 ff. Bestehen Gründe für die Annahme, dass durch Zusatzabreden zu einer Einlagevereinbarung die Sachgründungsvorschriften umgangen werden (zur sog. verdeckten Sachgründung vgl. § 5 Rdnr. 76 ff.)1 oder dass durch die unzutreffende Angabe des Unternehmensgegenstandes die Genehmigungsbedürftigkeit (s. § 8 Rdnr. 14 ff.) verdeckt wird, so muss das Registergericht dem nachgehen (Rdnr. 12 f.). Ebenfalls zu prüfen sind die nach § 10 einzutragenden bzw. zu veröffentlichenden Satzungsbestimmungen über die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (s. dazu noch Rdnr. 24 f.), über die Zeitdauer der Gesellschaft und über die Form ihrer öffentlichen Bekanntmachungen (s. § 10 Rdnr. 11 ff., 28)2. Die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages sind ferner daraufhin zu prüfen, ob sie Vorschriften verletzen, die „ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind“ (§ 9c Abs. 2 Nr. 2). Ebenso wie in § 241 Nr. 3 AktG, dem die zitierte Formulierung entnommen ist3, meint das Gesetz mit dem Ausdruck „überwiegend“, dass die betreffende Vorschrift wesentliche Bedeutung für den Gläubigerschutz haben muss und dieser nicht nur untergeordnete Nebenwirkung sein darf. Gläubigerschutzvorschriften in diesem Sinne enthalten vor allem die Regelungen über die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals (§§ 7, 9 ff., 16, 18 Abs. 2, 19, 22, 24, 30 ff.; s. auch Rdnr. 20). Nach der Wertung des Gesetzes ist trotz der ablehnenden Stellungnahme der amtlichen Begründung4 auch § 138 BGB einzubeziehen, soweit er eine Gläubigerschutzfunktion hat, z.B. im Falle der sittenwidrigen Kapitalausstattung der Gesellschaft (s. Rdnr. 35) oder der unzulässigen Beschränkung des Einziehungsentgelts bei Pfändung und Insolvenz (s. § 15 Rdnr. 206, 254).

21

Der Begriff des öffentlichen Interesses gem. § 9c Abs. 2 Nr. 2 bezieht sich nicht nur auf die Belange der Allgemeinheit, sondern ist nach seiner Herkunft und dem Regelungszusammenhang in einem weiteren Sinne zu verstehen5. Die Abgrenzung im Einzelnen ist zweifelhaft. Das öffentliche Interesse muss für die zwingende Anordnung der betreffenden Norm von maßgeblicher Bedeutung sein. Das trifft im Hinblick auf den möglichen Satzungsinhalt beispielsweise zu für einzelne Strafvorschriften (§ 82), für einschlägige zwingende öffentlichrechtliche Vorschriften, insbesondere § 1 GWB, für die meisten Vorschriften über die Rechnungslegung (§§ 41 ff. GmbHG, §§ 239 ff. HGB) und für wesentliche Vorschriften des MitbestG6. Auch die zwingenden Vorschriften des

22

1 BGHZ 113, 335, 351 f.; OLG Köln, GmbHR 1996, 682; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3a. 2 Die Vorschrift soll insoweit verhindern, dass das Registergericht an der Eintragung oder Veröffentlichung unrichtiger Tatsachen mitwirkt; vgl. Begr. RegE, BR-Drucks. 340/97, S. 78. 3 Begr. RegE, BR-Drucks. 340/97, S. 78. 4 Begr. RegE, BR-Drucks. 340/97, S. 78. 5 Vgl. auch Ulmer, Rdnr. 54. 6 BGHZ 83, 106, 109 ff.; BGHZ 83, 151, 152 f.; BGHZ 89, 48, 50; OLG Karlsruhe, AG 1981, 102 f.; OLG Hamburg, WM 1983, 130, 132. A.A. Rawert, S. 81, 93.

H. Winter/Veil

|

589

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

GmbHG sind grundsätzlich schwerpunktmäßig im öffentlichen Interesse gegeben1; für ausschließlich den Gesellschafterschutz bezweckende Vorschriften gilt das nur, wenn sie unverzichtbare Rechte gewähren (s. § 14 Rdnr. 32 f.)2. 23

Schließlich hat das Registergericht zu untersuchen, ob das Fehlen oder die Nichtigkeit einer einzelnen Satzungsbestimmung die Nichtigkeit des ganzen Gesellschaftsvertrages zur Folge hat (§ 9c Abs. 2 Nr. 3). Diese Rechtsfolge tritt ohne weiteres bei Fehlen oder Nichtigkeit einer nach § 3 Abs. 1 notwendigen Bestimmung ein3; in diesem Fall gilt zusätzlich § 9c Abs. 2 Nr. 1 (s. Rdnr. 20). Bei Nichtigkeit sonstiger Vertragsbestimmungen ist die Auslegungsregel des § 139 BGB anwendbar4. c) Geschäftsführerbestellung

24

Die Bestellung der Geschäftsführer (§ 6 Abs. 3 Satz 2) ist durch das Registergericht auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Es hat zu beachten, ob die gesetzlichen Eignungsvoraussetzungen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 u. 2) vorliegen, keine zwingenden Ausschlussgründe gegeben sind (§ 6 Abs. 2 u. 3)5, die Bestellung im Gesellschaftsvertrag oder durch gesonderten Akt des zuständigen Organs nicht wegen anderer Mängel unwirksam ist und der Betreffende, was sich regelmäßig aus seiner Mitwirkung bei der Anmeldung ergibt (s. § 8 Rdnr. 6), das Amt angenommen hat. Die Abweichung von statutarischen Eignungsvoraussetzungen ist nur zu beanstanden, wenn der Bestellungsbeschluss angefochten worden ist.

25

Die Prüfung hat grundsätzlich anhand der gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 beizufügenden Unterlagen (s. § 8 Rdnr. 3 ff., 25) und der gem. § 8 Abs. 3 abzugebenden Versicherung der Geschäftsführer (s. § 8 Rdnr. 19 ff., 25) zu erfolgen; zur Anmeldepflicht eines späteren Geschäftsführerwechsel vgl. oben Rdnr. 15. Sind sie inhaltlich unzureichend oder bestehen begründete Zweifel an ihrer Richtigkeit, muss das Gericht aber weitere Ermittlungen anstellen6, z.B. zusätzliche Aufklärung verlangen oder eine Auskunft aus dem Zentralregister einholen (Rdnr. 12 ff.). Der ausländerrechtliche Status der Geschäftsführer ist nicht in die Prüfung einzubeziehen, es sei denn, dass im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass bei der Amtsausübung ausländerrechtliche Vorschriften umgangen werden sollen7 oder dass der Ausländer seine Geschäftsführerpflichten im Inland wegen ungesicherter Einreisemöglichkeiten nicht ordnungsgemäß erfül-

1 2 3 4

Vgl. Raiser, in: Hachenburg, Anh. § 47 Rdnr. 51. A.A. Ulmer, Rdnr. 54 und wohl auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 34. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 34; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 44; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; a.M. Ulmer, Rdnr. 55 f. und § 2 Rdnr. 87. 5 BayObLG, GmbHR 1982, 210. 6 BayObLG, GmbHR 1982, 210, 211. 7 OLG Celle, DB 1977, 993; OLG Frankfurt, NJW 1977, 1595; OLG Düsseldorf, GmbHR 1978, 110; KG, GmbHR 1997, 412, 413; LG Braunschweig, DB 1983, 706; a.M. LG Köln, GmbHR 1983, 48; LG Köln, GmbHR 1984, 157; LG Hildesheim, GmbHR 1995, 655, 656.

590

|

H. Winter/Veil

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

len kann1. Bestehen keine dahingehenden Bedenken, darf das Registergericht ein „Negativattest“ der Ausländerbehörde nicht anfordern2. Der Kontrolle unterliegt ferner, ob die in der Anmeldung angegebene Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 4) den gesetzlichen Anforderungen genügt sowie dem Gesellschaftsvertrag und, wenn Besonderheiten des Einzelfalles das erfordern, dem Bestellungsbeschluss entspricht (s. § 8 Rdnr. 27, § 10 Rdnr. 11 ff.). Sie ist überdies auf die Ordnungsmäßigkeit der Unterschriftszeichnung der Geschäftsführer (§ 8 Abs. 5) zu erstrecken (s. § 8 Rdnr. 28).

26

d) Aufsichtsratsbestellung Die Bestellung des Aufsichtsrates ist ebenfalls auf ihre Rechtswirksamkeit zu prüfen. Sie ist zwar nicht Eintragungsvoraussetzung, aber das Gesetz verlangt, wenn sie vor der Eintragung erfolgt ist, die Beifügung der Urkunde über die Aufsichtsratsbestellung (§ 52 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 37 Abs. 4 Nr. 3 AktG) und geht damit auch von der Notwendigkeit ihrer Prüfung aus (s. § 8 Rdnr. 18).

27

e) Einlagen und Sicherungen Die Prüfungspflicht bezieht sich auch auf die notwendigen Stammeinlageleistungen (§ 7 Abs. 2 Satz 1, 2 u. Abs. 3) und Sicherungen bei der Einmanngründung (§ 7 Abs. 2 Satz 3). Das Registergericht hat also festzustellen, ob die vorgeschriebenen Mindesteinlageleistungen (s. § 7 Rdnr. 18 ff.) vor der Anmeldung endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführer erbracht sind (s. § 7 Rdnr. 27 ff., 39 ff.), ob zum Zeitpunkt der Anmeldung Vorbelastungen bestehen und im Falle der Einmanngründung die erforderlichen Sicherungen bestellt sind (s. § 7 Rdnr. 47 ff.). Die Versicherungen der Geschäftsführer müssen die tatsächlichen Umstände der Einlageleistungen und Sicherungsbestellungen so hinreichend genau darlegen, dass dem Registergericht die Prüfung des Vorliegens dieser Voraussetzungen möglich ist (s. § 8 Rdnr. 23 f.). Bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben kann es Nachweise über die Leistung oder Bestellung fordern (Rdnr. 13) und erforderlichenfalls auch andere Ermittlungen anstellen (§ 12 FGG), so z.B. wenn der Verdacht besteht, dass die Einzahlung in Ausführung einer verdeckten Sachgründung erfolgt (s. § 5 Rdnr. 76 ff., § 7 Rdnr. 36) oder eine bestellte Sicherung wertmäßig nicht ausreichend ist (s. § 8 Rdnr. 25)3.

28

Die Verwendung der ordnungsgemäß bewirkten Einlageleistungen durch die Geschäftsführer nach der Anmeldung unterliegt dagegen nicht der Kontrolle des Registergerichts. Das gilt auch für die Frage, ob im Eintragungszeitpunkt zeitweise oder dauernde Vorbelastungen des Stammkapitals durch die Verwen-

29

1 OLG Köln, GmbHR 1998, 182, 183; OLG Köln, GmbHR 1999, 343; Mankowski, EWiR 1999, 261; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 6 Rdnr. 9 a.E.; krit. Rawert, EWiR 1999, 461 f. 2 LG Köln, GmbHR 1995, 656 = NJW-RR 1995, 553. 3 BayObLG, GmbHR 1988, 269; BayObLG, GmbHR 1994, 116, 117; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; OLG Hamm, GmbHR 1993, 95, 96; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 70, 71; OLG Düsseldorf, GmbHR 1998, 235, 236.

H. Winter/Veil

|

591

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

dung von Einlagemitteln oder sonst durch die Geschäftstätigkeit der Vorgesellschaft bestehen1. Die abweichende Meinung, die solche nach dem Anmeldezeitpunkt entstandenen Vorbelastungen bei Bargründungen2 oder allgemein3 als Eintragungshindernis ansieht, ist aus mehreren Gründen abzulehnen. Zum einen hat sie keine Grundlage im GmbHG. Sie kann sich insbesondere nicht auf die nur für den Anmeldezeitpunkt geltenden §§ 7 Abs. 2 u. 3, 8 Abs. 2 (s. § 7 Rdnr. 18, 39; § 8 Rdnr. 21) oder auf § 9c Abs. 1 Satz 2 (s. Rdnr. 33) stützen. Zum anderen ist sie in den Hauptanwendungsfällen der Unternehmenstätigkeit der Vorgesellschaft regelmäßig unpraktikabel und macht die Eintragung wegen des Fehlens geeigneter Prüfungsunterlagen sowie der Zufälligkeit des Eintragungszeitpunktes letztlich zu einem Lotteriespiel. Schließlich trägt die Ansicht nicht hinreichend dem Umstand Rechnung, dass den Belangen der Gläubiger angemesen durch die auf den Eintragungszeitpunkt sich erstreckende Vorbelastungshaftung Rechnung getragen wird. Etwas anderes kann somit nur gelten, wenn sich – etwa wegen der Vermögensverhältnisse der Gründer – ernsthafte Zweifel bestehen, dass die Vorbelastungshaftung auch tatsächlich realisiert wird4. Ein Eintragungshindernis ist nach der gesetzlichen Wertung (§§ 17, 19 InsO, § 64 Abs. 1 GmbHG) bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Vorgesellschaft gegeben. 30

Das Registergericht hat auch nicht zu prüfen, ob die nach der Satzung vor der Anmeldung oder Eintragung fälligen Mehrleistungen auf die Stammeinlagen (s. § 7 Rdnr. 43) ordnungsgemäß erbracht worden sind (Rdnr. 7)5. Entsprechendes gilt für die Erfüllung der im Gesellschaftsvertrag festgelegten sonstigen Beitragspflichten der Gesellschafter einschließlich eines auf den Geschäftsanteil zu leistenden Aufgelds6. Einzuschreiten hat das Gericht in diesen Fällen nur, wenn die Anmeldeunterlagen irreführende Angaben über deren Leistung enthalten. Eine Ausnahme von den vorgenannten Grundsätzen ist im Hinblick auf § 7 Abs. 2 Satz 3 für statutarische vorgeschriebene und freiwillige Mehrleistun1 Vgl. Ulmer, ZGR 1981, 593, 607 f. sowie Ulmer, Rdnr. 34; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; Priester, ZIP 1982, 1141, 1143 f.; Heidenhain, NJW 1988, 401; K. Schmidt, ZHR 156 (1992), 93, 128 f.; Henze, ZHR 161 (1997), 851, 853 f.; Schäfer-Gölz, Vorbelastungsverbot, S. 129 ff.; Ihrig, Die endgültige freie Verfügung über die Einlage von KapGes, S. 102 ff. m.w.N.; s. auch LG Gießen, GmbHR 1986, 193. 2 BGHZ 80, 129, 143; BGHZ 80, 182, 184 f.; dem deutlich zuneigend auch BayObLG, BB 1991, 2391, 2392. 3 OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 531, 532; OLG Hamm, GmbHR 1993, 95, 96; OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 70, 71; BayObLG, GmbHR 1998, 1225, 1226; Fleck, GmbHR 1983, 5, 11 f.; Roth, DNotZ 1989, 3, 8 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13; MeyerLandrut, § 9 Rdnr. 8; Meister, in: FS Werner, 1984, S. 534 f.; Gustavus, GmbHR 1988, 47, 52. 4 In diesem Sinne bereits Ulmer, Rdnr. 34; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; BayObLG, BB 1991, 2391, 2392; anders aber insoweit die Voraufl. 5 Ulmer, Rdnr. 35; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 36; offen gelassen von BGHZ 113, 335, 356. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; LG Augsburg, GmbHR 1996, 216; einschr. Ulmer, Rdnr. 36; Geßler, BB 1980, 1385, 1387 bei Verbindung mit Sacheinlage. A.A. Herchen, Agio und verdecktes Agio im Recht der Kapitalgesellschaften, S. 158.

592

|

H. Winter/Veil

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

gen des Einmanngründers auf die Stammeinlagen zu machen, die analog § 8 Abs. 2 zu versichern und stets zu kontrollieren sind (s. § 7 Rdnr. 48, § 8 Rdnr. 25)1. Die Prüfung der Solvenz des Einlageschuldners bezüglich der nach der Eintragung zu bewirkenden Geldeinlagen gehört ebenfalls nicht zu den Aufgaben des Registergerichts2. Sie ist nicht gesetzliche Eintragungsvoraussetzung, sondern die Kapitalaufbringung wird durch die Haftung der Mitgesellschafter (§ 24) gesichert. Etwas anderes kann nur gelten, wenn schwerwiegende Zweifel daran bestehen, dass die ausstehenden Einlagen erbracht werden können und die Mithaftung nach § 24 realisiert werden kann3. Ebensowenig ist schließlich in der Regel die Bonität des Bürgschaftsschuldners (§ 7 Abs. 2 Satz 3) zu prüfen4.

31

f) Bewertung der Sacheinlagen Die Eintragungskontrolle umfasst außerdem die Bewertung der Sacheinlagen. Sie hat aber entgegen dem missverständlichen Gesetzeswortlaut des § 9c Abs. 1 Satz 2 regelmäßig nur daraufhin zu erfolgen, ob der Wert des Einlagegegenstandes den Nennbetrag der durch ihn zu tilgenden Stammeinlage und, wenn eine gemischte Sacheinbringung (s. § 5 Rdnr. 81 ff.) vereinbart ist, auch den Betrag der dem Gesellschafter zu gewährenden Vergütung (s. § 5 Rdnr. 85)5 nicht unterschreitet. Es ist dagegen nicht zu prüfen, ob er den im Gesellschaftsvertrag angenommenen Mehrwert erreicht (s. § 5 Rdnr. 89) oder ein durch den Sacheinleger zu leistendes Aufgeld vereinbarungsgemäß abdeckt6. Es darf aber auch hier nicht durch die Angaben über die bewirkte Sacheinlage ein unrichtiger Eindruck darüber vermittelt werden, dass das Aufgeld damit wertmäßig getilgt ist (Rdnr. 30).

32

Die Vorschrift des § 9c Abs. 1 Satz 2 enthält keine Aussage darüber, welcher Bewertungsstichtag maßgebend ist. Die h.M. stellt auf den Eintragungszeitpunkt ab und hält deshalb die nach der Anmeldung eingetretenen Wertveränderungen des Einlagegegenstandes ohne Rücksicht auf deren Ursache für beachtlich7. Das Verbot der Unterpari-Ausgabe, auf das sie sich beruft, betrifft nur die Vereinbarung einer den Nennbetrag des Geschäftsanteils unterschreitende Gegenleistung (s. § 5 Rdnr. 34), rechtfertigt aber nicht die Folgerung für das Fortbestehen des Wertrisikos nach der Erfüllung. Entscheidend steht der von der

33

1 Eb. Ulmer, Rdnr. 37. 2 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3a; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 35. 3 Ebenso schon Koch, ZHR 146 (1982), 136 f.; Ulmer, Rdnr. 33; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; anders die Voraufl. 4 BayObLG, GmbHR 1988, 392, 393; LG München, MittBayNot 1985, 142; LG Essen, MittRhNotK 1986, 172. 5 OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 215; Ulmer, Rdnr. 38; Haslinger, MittBayNot 1996, 278, 279; Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 764 f. 6 LG Augsburg, GmbHR 1996, 216, 217; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Spiegelberger/Walz, GmbHR 1998, 761, 765. 7 BGHZ 80, 129, 136 f.; BayObLG, GmbHR 1992, 109, 110; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9 ff.; Ulmer, Rdnr. 21, 41; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 204 f.

H. Winter/Veil

|

593

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

h.M. vertretenen Sichtweise die gesetzliche Wertung der §§ 7 Abs. 2 u. 3, 8 Abs. 2, 9 Abs. 1 entgegen, die aus Gründen der Praktikabilität, aber auch, wie § 9 Abs. 1 ergibt, nach Maßgabe einer materiellen Interessenwertung1 den Anmeldezeitpunkt zugrunde legen. Spätere Wertveränderungen stellen daher grundsätzlich kein Eintragungshindernis dar2. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ihre Ursachen bereits im Anmeldezeitpunkt vorlagen3. 34

Die Grundlage für die Wertprüfung der Sacheinlagen- und Sachübernahmegegenstände bilden die Festsetzungen im Gesellschaftsvertrag (§ 5 Abs. 4 Satz 1), der Sachgründungsbericht (§ 5 Abs. 4 Satz 2), die Verträge über Sacheinlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 4) und die Unterlagen über den Wert der Sacheinlagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5). Näheres dazu vgl. § 8 Rdnr. 10 ff. Das Registergericht hat danach auf Grund seines eigenen Werturteils4 festzustellen, ob der Zeitwert der Einlageoder Übernahmegegenstände am Tage der Anmeldung (s. § 5 Rdnr. 57 ff. u. oben Rdnr. 33) den Nennbetrag der damit zu tilgenden Stammeinlage und bei gemischten Sacheinbringungen auch die dem Gesellschafter zu gewährende Vergütung deckt (Rdnr. 32). Ein Eintragungshindernis ist im zuletzt genannten Fall aber nicht gegeben, wenn nach der Satzung ein enventueller Minderwert ausschließlich zu Lasten der Vergütung gehen soll. Bestehen nach den eingereichten Unterlagen an der Wertdeckung begründete Zweifel, so hat das Registergericht zusätzliche Ermittlungen anzustellen (§ 12 FGG) und kann dabei nach pflichtgemäßem Ermessen auch Sachverständige hinzuziehen oder, soweit erforderlich, eine Sachgründungsprüfung veranlassen (Rdnr. 14). Die Fragwürdigkeit des Wertansatzes der Gründungsgesellschafter genügt also allein nicht, wenn gleichwohl die erforderliche Deckung unzweifelhaft ist. Erst recht würde es dem Gesetz widersprechen, routinemäßig die genannten Ermittlungsmaßnahmen zu treffen (Rdnr. 13)5. g) Genehmigungsbedürftigkeit des Unternehmensgegenstandes

35

Zur Prüfungspflicht der Genehmigungsbedürftigkeit des Unternehmensgegenstandes vgl. § 8 Rdnr. 14 ff., 30 f. h) Wirtschaftliche und finanzielle Unternehmensgrundlagen

36

Die Prüfungskompetenz des Registergerichts bezieht sich dagegen nicht auf die Entscheidungen der Gesellschafter über die wirtschaftlichen und finanziellen

1 Begr. RegE, BR-Drucks. 404/77, S. 35; v. Rössing, Sachgründung, S. 142; Schäfer-Gölz, Vorbelastungsverbot, S. 131 ff.; nunmehr auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17. 2 Geßler, BB 1980, 1385, 1387; Meyer-Landrut, Rdnr. 5; v. Rössing, Sachgründung, S. 141 ff.; Schäfer-Gölz, Vorbelastungsverbot, S. 131 ff.; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 9 Rdnr. 44; Angermayer, Die aktienrechtliche Prüfung von Sacheinlagen, 1994, S. 238, 242; s. auch für die Kapitalerhöhung OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 216. 3 Zutreffend Geßler, BB 1980, 1385, 1387. 4 So mit Recht Ulmer, Rdnr. 38. 5 OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 214, 216; Ulmer, Rdnr. 40; Deutler, GmbHR 1980, 145, 148; Priester, DNotZ 1980, 515, 523 f.

594

|

H. Winter/Veil

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

Grundlagen des von der GmbH betriebenen Unternehmens (Rdnr. 7). Es darf den Eintragungsantrag insbesondere weder wegen vermeintlicher wirtschaftlicher Unangemessenheit des festgesetzten Stammkapitals1 noch wegen einer nach seiner Ansicht verfehlten Wahl der Formen der Unternehmensfinanzierung beanstanden (s. § 5 Rdnr. 18 f.). Auch ein die Eintragung hinderndes Verbot der (eindeutigen) materiellen Unterkapitalisierung2 ist nach geltendem Recht nicht anzuerkennen (s. § 5 Rdnr. 19)3 und wäre zudem rechtspolitisch verfehlt. Anders zu entscheiden ist nur, wenn nach den Gesamtumständen feststeht, dass die Gesellschaftsgründung auf eine sittenwidrige Gläubigerschädigung angelegt ist4.

III. Entscheidungen des Registergerichts 1. Beanstandungen der Anmeldung Das Registergericht hat beim Vorliegen behebbarer Anmeldemängel zunächst eine Zwischenverfügung zu erlassen, durch die es den anmeldenden Geschäftsführern – zweckmäßigerweise unter Fristsetzung (§ 26 Satz 2 HRV) – die Gelegenheit zu ihrer Beseitigung gibt. Entsprechend ist zu verfahren, wenn es zur Aufklärung begründeter Zweifel an dem angemeldeten Sachverhalt (Rdnr. 14) nach seinem pflichtgemäßen Ermessen von ihnen Auskünfte oder die Vorlage von zusätzlichen Unterlagen verlangen will. Es kann insoweit aber auch eigene Ermittlungen anstellen (§ 12 FGG). Die Zwischenverfügungen des Registergerichts sind, soweit notwendig, zu begründen5.

37

Bei Streitigkeiten zwischen den Beteiligten kann es die Entscheidung über die Eintragung bis zur Erledigung des Rechtsstreits aussetzen (§ 127 Satz 1 FGG). Es kann auch, wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist, einem der Beteiligten eine Frist zur Klageerhebung setzen (§ 127 Satz 2 FGG). Die Entscheidung über die Aussetzung ist von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen6. Sie sollte in der Regel dann erfolgen, wenn ein Gründungsgesellschafter den Gesellschaftsvertrag oder seine Beteiligungserklärung angefochten und die rechtzeitige Abgabe der Anfechtungserklärung sowie der Anfechtungsgründe hinreichend glaubhaft (eine eigene eidesstattliche Versicherung genügt dafür nicht) gemacht hat7. Der Registerrichter muss bei seiner Ermessensentscheidung andererseits aber auch berücksichtigen, ob der Gesellschaft durch die Aussetzung

38

1 Vgl. KG, OLG 24, 112; JW 1924, 1178; OLG Braunschweig, OLG 43, 294; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; einschränkend wohl Ulmer, Rdnr. 33. 2 So Ulmer, Rdnr. 33; Koch, ZHR 146 (1982), 136, jedoch mit Differenzierungen im Einzelnen. Vgl. auch Wiedemann, GesR I, S. 157. 3 Zutr. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Meyer-Landrut, Rdnr. 8; MünchHdb. GesR III/Heinrich, § 8 Rdnr. 37. 4 Zust. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; ähnlich auch Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Heinrich, in: MünchHdb. GesR III, § 8 Rdnr. 37. 5 Vgl. Ulmer, Rdnr. 14. 6 Ulmer, Rdnr. 57 ff. m.w.N. 7 Vgl. auch Ulmer, Rdnr. 59.

H. Winter/Veil

|

595

§ 9c

Prüfung durch Registergericht

nicht schwerwiegende und unersetzliche Nachteile entstehen können1. Die Aussetzung der Eintragung kann im Übrigen auch durch das Prozessgericht im Wege einer einstweiligen Verfügung angeordnet werden (§ 16 Abs. 2 HGB)2.

2. Ablehnung der Eintragung 39

Sie muss erfolgen, wenn die Anmeldung – gegebenenfalls nach einer ergebnislosen Zwischenverfügung (Rdnr. 37) – formell mangelhaft ist (Rdnr. 15) oder wenn die materiellen Eintragungsvoraussetzungen (Rdnr. 16 ff.) nicht erfüllt sind. Die Ablehnung kann nicht auf fehlerhafte Teile der Satzung (s. Rdnr. 16 ff.) beschränkt werden, sondern hat sich auch in diesem Fall auf den gesamten Eintragungsantrag zu beziehen3. Nach den erforderlichen Ermittlungen (§ 12 FGG) verbleibende Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen gehen zu Lasten der Anmelder4. Vor der Ablehnung hat das Gericht rechtliches Gehör zu geben5. Die Entscheidung ist zu begründen (§ 26 Satz 1 HRV).

40

Ein Ablehnungsgrund liegt, wie § 9c Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich klarstellt, auch darin, dass Sacheinlagen überbewertet worden sind, d.h. ihr Zeitwert bei Anmeldung nicht zur Deckung des Nominalbetrages der durch sie zu tilgenden Stammeinlage oder bei gemischten Sacheinbringungen, s. stat., auch der dem Gesellschafter zu gewährenden Vergütung ausreicht (Rdnr. 32 ff.). Nach dem GmbHG schadet jede Unterdeckung ohne Rücksicht darauf, ob es sich um einen „nicht unwesentlichen“ Betrag (s. § 38 Abs. 2 Satz 2 AktG) handelt6. Auch ein Bewertungsspielraum der Gründungsgesellschafter ist nicht anzuerkennen7. Das Eintragungshindernis der Überbewertung entfällt nach dem Sinn des § 9c Abs. 1 Satz 2 aber dann, wenn der Einlageschuldner den zur Deckung der Stammeinlage erforderlichen Differenzbetrag vor der Eintragung eingezahlt hat und die Geschäftsführer dies analog § 8 Abs. 2 versichert haben8. Einer Änderung des Gesellschaftsvertrages bedarf es dafür nicht. Ob die Gesellschaft oder die Mitgesellschafter sich mit der Ergänzungszahlung begnügen oder mögliche weitergehende Rechte (z.B. Anfechtung wegen Täuschung oder nach der Eintragung die Ausschließung, Ansprüche aus Gewährleistung u.a.) geltend machen wollen, kann ihnen überlassen bleiben. Die Differenzhaftung gem. § 9 schließt dagegen das Eintragungshindernis nicht aus.

1 KG, KGJ 21 A 240, 243; BayObLG, OLG 28, 337; Ulmer, Rdnr. 59. 2 RGZ 82, 375, 380; LG Heilbronn, AG 1971, 372; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37. 3 BayObLG, WM 1987, 502; LG München, GmbHR 1991, 270; LG Dresden, GmbHR 1994, 555 f.; Ulmer, Rdnr. 60. 4 KG, JFG 1, 200, 203, GmbHR 1997, 412; BayObLGZ 1978, 319, 322 f.; Ulmer, Rdnr. 60. 5 Eingehend dazu Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 12 Rdnr. 104 ff. 6 Eb. Ulmer, Rdnr. 42; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 205 f. 7 Ulmer, Rdnr. 42; Trölitzsch, Differenzhaftung, S. 205. 8 H.M.; vgl. Ulmer, Rdnr. 43; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Meyer-Landrut, Rdnr. 9; v. Rössing, Sachgründung, S. 145; Fleck, GmbHR 1983, 5, 12; a.M. Geßler, BB 1980, 1385, 1387.

596

|

H. Winter/Veil

§ 10

Eintragung

3. Beschwerde Gegen die Ablehnung der Eintragung und gegen Zwischenverfügungen ist die (unbefristete) Beschwerde an das Landgericht (§ 19 FGG) und gegen dessen Entscheidung die weitere Beschwerde (§ 27 FGG) statthaft. Beschwerdeberechtigt ist nach § 20 Abs. 2 FGG die Vorgesellschaft als Antragstellerin (s. § 7 Rdnr. 10)1. Die Beschwerde ist nach der Rechtsprechung durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl einzulegen2. Die Gesellschafter und die Geschäftsführer haben kein eigenes Beschwerderecht3. Die Organe des Handels- und Handwerkstandes (§ 126 FGG) sind nur bei Zurückweisung ihrer Gegenanträge, dagegen nicht bei Beanstandungen der Anmeldung durch eine Zwischenverfügung oder bei der Ablehnung der Eintragung beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 2 FGG)4; bei Eintragungsverfahren von Anwalts-, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gilt Entsprechendes für deren berufsständische Organe5. Die weitere Beschwerde kann nur auf Rechtsverletzungen gestützt werden (§ 27 FGG).

41

Die erfolgte Eintragung in das Handelsregister kann nicht durch eine Beschwerde angegriffen werden; denn sie ist keine beschwerdefähige Verfügung i.S. des § 19 FGG6. Es kann jedoch ein Amtslöschungsverfahren angeregt werden, das aber nur in Ausnahmefällen durchgreift (§§ 142, 144 FGG). Zur Amtslöschung wegen wesentlicher Verfahrensfehler vgl. § 7 Rdnr. 15 f. und wegen materieller Mängel vgl. Erl. zu § 75.

42

§ 10

Eintragung in das Handelsregister (1) Bei der Eintragung in das Handelsregister sind die Firma und der Sitz der Gesellschaft, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und die Personen der Geschäftsführer anzugeben. Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben. (2) Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Bestimmung über die Zeitdauer der Gesellschaft, so ist auch diese Bestimmung einzutragen. (3) In die Veröffentlichung, durch welche die Eintragung bekanntgemacht wird, sind außer dem Inhalt der Eintragung die nach § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen 1 BGHZ 117, 323, 325 ff. (AG); BGHZ 107, 1 f.; OLG Frankfurt, BB 1992, 1160; BayObLG, GmbHR 1995, 722; KG, GmbHR 1997, 412; s. auch BGHZ 105, 324, 327 f.; Ulmer, Rdnr. 62. Nach der früher h.M. waren dagegen nur die Geschäftsführer beschwerdeberechtigt; s. Nachw. 8. Aufl. Fn. 96. 2 BGHZ 117, 323, 327 ff.; vgl. Ulmer, Rdnr. 62. 3 OLG Hamm, BB 1997, 753; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3. 4 BayObLGZ 1982, 153, 155; BayObLG, BB 1984, 171, 172; OLG Oldenburg, NJW 1957, 349; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 126 Rdnr. 24. 5 BayObLG, BB 1996, 2324 f. 6 BGHZ 104, 61, 63; KG, KGJ 33 A 315; 41 A 102; 48 A 137; BayObLGZ 1986, 540; BB 1991, 2103 u.a.; Ulmer, Rdnr. 63.

H. Winter/Veil

|

597

§ 10

Eintragung

3. Beschwerde Gegen die Ablehnung der Eintragung und gegen Zwischenverfügungen ist die (unbefristete) Beschwerde an das Landgericht (§ 19 FGG) und gegen dessen Entscheidung die weitere Beschwerde (§ 27 FGG) statthaft. Beschwerdeberechtigt ist nach § 20 Abs. 2 FGG die Vorgesellschaft als Antragstellerin (s. § 7 Rdnr. 10)1. Die Beschwerde ist nach der Rechtsprechung durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl einzulegen2. Die Gesellschafter und die Geschäftsführer haben kein eigenes Beschwerderecht3. Die Organe des Handels- und Handwerkstandes (§ 126 FGG) sind nur bei Zurückweisung ihrer Gegenanträge, dagegen nicht bei Beanstandungen der Anmeldung durch eine Zwischenverfügung oder bei der Ablehnung der Eintragung beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 2 FGG)4; bei Eintragungsverfahren von Anwalts-, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gilt Entsprechendes für deren berufsständische Organe5. Die weitere Beschwerde kann nur auf Rechtsverletzungen gestützt werden (§ 27 FGG).

41

Die erfolgte Eintragung in das Handelsregister kann nicht durch eine Beschwerde angegriffen werden; denn sie ist keine beschwerdefähige Verfügung i.S. des § 19 FGG6. Es kann jedoch ein Amtslöschungsverfahren angeregt werden, das aber nur in Ausnahmefällen durchgreift (§§ 142, 144 FGG). Zur Amtslöschung wegen wesentlicher Verfahrensfehler vgl. § 7 Rdnr. 15 f. und wegen materieller Mängel vgl. Erl. zu § 75.

42

§ 10

Eintragung in das Handelsregister (1) Bei der Eintragung in das Handelsregister sind die Firma und der Sitz der Gesellschaft, der Gegenstand des Unternehmens, die Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages und die Personen der Geschäftsführer anzugeben. Ferner ist einzutragen, welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben. (2) Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Bestimmung über die Zeitdauer der Gesellschaft, so ist auch diese Bestimmung einzutragen. (3) In die Veröffentlichung, durch welche die Eintragung bekanntgemacht wird, sind außer dem Inhalt der Eintragung die nach § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen 1 BGHZ 117, 323, 325 ff. (AG); BGHZ 107, 1 f.; OLG Frankfurt, BB 1992, 1160; BayObLG, GmbHR 1995, 722; KG, GmbHR 1997, 412; s. auch BGHZ 105, 324, 327 f.; Ulmer, Rdnr. 62. Nach der früher h.M. waren dagegen nur die Geschäftsführer beschwerdeberechtigt; s. Nachw. 8. Aufl. Fn. 96. 2 BGHZ 117, 323, 327 ff.; vgl. Ulmer, Rdnr. 62. 3 OLG Hamm, BB 1997, 753; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3. 4 BayObLGZ 1982, 153, 155; BayObLG, BB 1984, 171, 172; OLG Oldenburg, NJW 1957, 349; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 126 Rdnr. 24. 5 BayObLG, BB 1996, 2324 f. 6 BGHZ 104, 61, 63; KG, KGJ 33 A 315; 41 A 102; 48 A 137; BayObLGZ 1986, 540; BB 1991, 2103 u.a.; Ulmer, Rdnr. 63.

H. Winter/Veil

|

597

§ 10

Eintragung

Festsetzungen und, sofern der Gesellschaftsvertrag besondere Bestimmungen über die Form enthält, in welcher öffentliche Bekanntmachungen der Gesellschaft erlassen werden, auch diese Bestimmungen aufzunehmen. Fassung von 1898, Abs. 1 Satz 2 eingefügt und Abs. 2 neu gefasst durch KoordG vom 15. 8. 1969 (BGBl. I, 1146); Abs. 3 geändert durch Gesetz vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836).

Inhaltsübersicht I. Allgemeines 1. Inhalt und Bedeutung . . . . . . 2. Sachlicher Geltungsbereich . . .

1 3

II. Eintragung der GmbH . . . . . 1. Der notwendige Eintragungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . a) Firma und Sitz . . . . . . . b) Unternehmensgegenstand . c) Stammkapital . . . . . . . . d) Tag des Vertragsabschlusses e) Personen der Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . f) Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer . . . . . . . 2. Bestimmungen über Zeitdauer

.

4

. . . . .

5 6 7 8 9

2. Eintragungsmängel a) Unrichtige Eintragungen . . b) Verfahrensmängel . . . . . c) Nicht ordnungsgemäße Gesellschaftserrichtung . . IV. Satzungsänderungen . . . . .

. 10 . 11 . 14

III. Wirkung und Mängel der Eintragung

18 20 21 24

V. Veröffentlichung 1. Bekanntmachung . . . . . . . 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . .

25 27

3. Wirkungen

. . . . . . . . . .

31

VI. Eintragungs- und Bekanntmachungskosten . . . . . . .

32

VII. Amtshaftung . . . . . . . . .

33

VIII. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) . . . . . . . . .

34

1. Entstehung der GmbH . . . . . 15

I. Allgemeines 1. Inhalt und Bedeutung 1

Die Vorschrift regelt den Inhalt der Eintragung der GmbH in das Handelsregister (§ 10 Abs. 1 u. 2) und den Inhalt der Bekanntmachung über die Eintragung (§ 10 Abs. 3). Sie ist durch das KoordG v. 15. 8. 1969 (BGBl. I, 1146) dahingehend erweitert worden, dass die Angabe über die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer stets eingetragen werden muss (Rdnr. 11). Die GmbH-Novelle von 1980 hat die Verweisung in § 10 Abs. 3 an die Änderung des § 5 Abs. 4 angepasst (Rdnr. 28). Die Bestimmungen über den Bekanntmachungsinhalt werden ergänzt durch § 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 4 AktG betr. die Angabe der Mitglieder eines vor der Eintragung bestellten Aufsichtsrates (Rdnr. 29). Aufgrund des Gesetzes über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) wird ab dem 1. 1. 2007 die Handelsregistereintragung elektronisch bekannt gemacht1. Entsprechend dem Grundsatz des Verzichts auf Zusatzbekanntmachung tritt daher

1 Vgl. hierzu Spindler, WM 2006, 109.

598

|

H. Winter/Veil

§ 10

Eintragung

§ 10 Abs. 3 zu diesem Zeitpunkt außer Kraft. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass die Vorschrift durch Art. 1 Nr. 7 des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) einige Folgeänderungen erfahren soll (zu den Einzelheiten s. Rdnr. 34). Die Eintragung in das Handelsregister hat konstitutive Bedeutung für die Entstehung der GmbH (§ 11 Abs. 1). Sie dient nicht nur Publizitätszwecken (§ 15 HGB), sondern soll durch die vorgeschaltete registergerichtliche Prüfung (§ 9c) gewährleisten, dass nur ordnungsgemäß errichtete Gesellschaften als GmbH entstehen können (s. § 9c Rdnr. 1, 4). Die Eintragung hat im Interesse des Gläubiger- und Bestandschutzes die Einschränkung der Beachtlichkeit von Gründungsmängeln und/oder eine Modifizierung ihrer Rechtswirkungen zur Folge (Rdnr. 18 ff.).

2

2. Sachlicher Geltungsbereich Die Vorschrift des § 10 ist auf die Neugründung einer GmbH sowie auf deren Entstehung durch Verschmelzung, Spaltung und Rechtsformwechsel anwendbar (§§ 36 Abs. 2 Satz 1, 135 Abs. 2 Satz 1, 197 Satz 1 UmwG). In den Umwandlungsfällen ist zusätzlich in Spalte 6 HRB die Gründung durch Verschmelzung, Spaltung sowie deren Art oder Formwechsel unter Bezeichnung der übertragenden bzw. formwechselnden Rechtsträger, des Verschmelzungsvertrages oder Spaltungsplans mit Datum und der erforderlichen Gesellschafterbeschlüsse zu vermerken (§§ 19 Abs. 1, 36 Abs. 1, 130 Abs. 1, 135 Abs. 1, 198 UmwG, § 43 Nr. 6k HRV). Bei der Eintragung der durch Spaltung entstehenden GmbH ist außerdem zu vermerken, dass sie erst mit der Eintragung im Register des übertragenden Rechtsträgers wirksam wird (§§ 130 Abs. 1 Satz 2, 135 Abs. 1 UmwG); der Zeitpunkt dieser Eintragung ist danach vom Amts wegen einzutragen (§ 137 Abs. 3 Satz 3 UmwG).

3

II. Eintragung der GmbH Die Eintragung der Gesellschaft ist in Abt. B des Handelsregisters vorzunehmen (§§ 3 Abs. 3, 43 HRV). Ihren Inhalt legt § 10 Abs. 1 u. 2 abschließend fest1. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen den notwendigen Eintragungsgegenständen (Rdnr. 5 ff.) und den möglichen weiteren Angaben (Rdnr. 14)2. Die Eintragung sonstiger Umstände der Gesellschaft ist unzulässig und, wenn sie versehentlich erfolgt ist, nach § 142 FGG von Amts wegen zu löschen3. Jede Eintragung soll den Tag, an dem sie vorgenommen worden ist, angeben und mit der Unterschrift des betreffenden Urkundsbeamten der Geschäftsstelle versehen sein (§ 130 Abs. 1 FGG, § 28 HRV). Die Datumsangabe ist wegen des Ent-

1 BGH, GmbHR 1998, 181, 182; BayObLG, GmbHR 1997, 410; Ulmer, Rdnr. 3; Bokelmann, in: MünchKomm. HGB, § 8 Rdnr. 33. 2 Ulmer, Rdnr. 3. 3 OLG Karlsruhe, GmbHR 1964, 78; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21.

H. Winter/Veil

|

599

4

§ 10

Eintragung

stehungszeitpunkts der GmbH (§ 11 Abs. 1) und wegen des Verjährungsbeginns für die Nachzahlungspflicht bei der Überbewertung von Sacheinlagen (§ 9 Abs. 2) und für die zivilrechtliche Haftung der Gründer und Geschäftsführer (§ 9b Abs. 2 Satz 2) von Bedeutung. Die Eintragung soll, ausgenommen bei Verzicht, dem Antragsteller bekanntgemacht werden (§ 130 Abs. 2 FGG). Sie ist unanfechtbar (s. § 9c Rdnr. 42). Die Eintragungskosten, auf die ein hinreichender Vorschuss zu leisten ist (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KostO), sind in §§ 26, 79 KostO geregelt.

1. Der notwendige Eintragungsinhalt 5

Einzutragen sind nach § 10 Abs. 1 in jedem Fall:

6

a) Firma und Sitz der Gesellschaft (§ 3 Abs. 1 Nr. 1);

7

b) Der Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft (§ 3 Abs. 1 Nr. 2). Erforderlich ist dabei die wörtliche Wiedergabe der maßgeblichen Satzungsbestimmungen. Eine abgekürzte sinngemäße Angabe oder gar eine Teilwiedergabe genügt dagegen nicht1.

8

c) Die Höhe des Stammkapitals (§ 3 Abs. 1 Nr. 3), d.h. sein im Gesellschaftsvertrag festgesetzer Betrag. Nicht einzutragen sind dagegen die einzelnen Stammeinlagen2 und die Namen der Gesellschafter. Ebensowenig sind Angaben über Sacheinlagen zu machen3 (über die Bekanntmachung s. aber Rdnr. 28). Die Umstände sind aber den der Einsicht unterliegenden (§ 9 HGB) Anmeldeunterlagen zu entnehmen (s. § 8 Rdnr. 32).

9

d) Der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages, der sich regelmäßig aus der notariellen Urkunde ergibt (§ 9 Abs. 2 BeurkG). Sind die Beteiligungserklärungen der Gesellschafter an verschiedenen Tagen abgegeben worden, so genügt die Angabe des Datums der letzten Erklärung4.

10

e) Die Personen der Geschäftsführer, und zwar aller einschließlich der Stellvertreter (§ 44)5, die aber nicht als solche bezeichnet werden können6. Sie sind mit Vornamen, Familiennamen, Beruf und Wohnort einzutragen (§ 43 Nr. 4 HRV).

1 OLG Köln, WM 1981, 805; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7; Ulmer, Rdnr. 8a; nicht unbedenklich BayObLG, GmbHR 1994, 60, 62; LG München, GmbHR 1991, 270, die aus Gründen der Übersichtlichkeit eine gestraffte Textwiedergabe und die Weglassung sog. Leerformeln für zulässig halten. 2 RGZ 78, 359, 361; 83, 256, 265; RG, JW 1911, 779; Ulmer, Rdnr. 3, 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2. 3 RGZ 78, 359, 362; Ulmer, Rdnr. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8. 4 Ulmer, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2. 5 BGH, GmbHR 1998, 181, 182; Ulmer, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3. 6 BGH, GmbHR 1998, 181, 182; BayObLG, GmbHR 1997, 410; inzwischen auch h.L.; vgl. Ulmer, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; a.M. noch OLG Stuttgart, NJW 1960, 2150; OLG Düsseldorf, GmbHR 1969, 108.

600

|

H. Winter/Veil

§ 10

Eintragung

f) Die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer. Sie ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2, der zur Ausführung der die Sicherheit und Leichtigkeit im Geschäftsverkehr zwischen den Angehörigen der Mitgliedsstaaten der EG bezweckenden Richtlinie v. 9. 3. 1968 durch das KoordG v. 15. 8. 1969 (BGBl. I, 1146) eingefügt worden ist, ohne Einschränkung immer und nicht mehr wie nach früherem Recht (§ 10 Abs. 2 a.F.) nur dann einzutragen, wenn sie von der gesetzlichen Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 2 abweicht. Das gilt auch dann, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist und dieser die Gesellschaft allein vertreten kann1.

11

Einzutragen ist grundsätzlich die nach dem GmbHG oder, wenn der Gesellschaftsvertrag abweicht, die nach ihm geltende generelle Regelung der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer2. Es ist anzugeben, ob Einzel-3 oder Gesamtvertretungsmacht besteht und wie diese im einzelnen ausgestaltet ist. Lediglich dann, wenn für jeden oder für einzelne Geschäftsführer Besonderheiten bestehen, muss bei ihrer Eintragung die jeweilige spezielle Vertretungsbefugnis angegeben werden4. Die weitergehende Meinung, nach der für jeden Geschäftsführer konkret seine Geschäftsführungsbefugnis zu vermerken sei5, geht dagegen über den Gesetzeszweck des § 10 Abs. 1 Satz 2 hinaus. Die Vertretungsbefugnis muss im Übrigen ohne Zuhilfenahme der Anmeldeunterlagen und ohne Kenntnis sonstiger tatsächlicher Umstände aus dem Handelsregister selbst eindeutig ersichtlich sein6. Unzulässig ist deshalb z.B. die Eintragung, dass den Geschäftsführern, die zugleich Gesellschafter sind, Einzelvertretungsmacht zustehe. Die Beifügung von Bedingungen oder Befristungen ist nur möglich, wenn deren Eintritt aus dem Handelsregister hervorgeht7. Die satzungsmäßige Ermächtigung eines Gesellschaftsorgans, die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer zu bestimmen (z.B. Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens, Einräumung einer Einzelvertretungsmacht), ist als solche nicht eintragungsfähig8; eine solche Eintragung würde nicht die bestehende Vertretungsbefugnis, sondern nur die statutarischen Möglichkeiten der Vertretungsbefugnis angeben

12

1 EuGHE 1974, 1201; BGHZ 63, 261, 264 f.; BayObLG, BB 1980, 597; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 3100; OLG Naumburg, GmbHR 1994, 119; Ulmer, Rdnr. 9; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; a.M. noch OLG Frankfurt, BB 1971, 797. 2 BGHZ 87, 59, 63; BayObLG, BB 1974, 291; BayObLG, BB 1980, 597; BayObLG, WM 1980, 473, 474; BayObLG, GmbHR 1997, 741; OLG Köln, Rpfleger 1970, 172; OLG Frankfurt, BB 1970, 370; OLG Frankfurt, BB 1973, 677; OLG Frankfurt, Rpfleger 1971, 359; OLG Frankfurt, DRpfl 1987, 419; OLG Hamm, NJW 1972, 1763; OLG Zweibrücken, GmbHR 1993, 97; Ulmer, Rdnr. 9; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3. 3 Der stattdessen teilweise verwendete Ausdruck „Alleinvertretungsmacht“ wird von OLG Zweibrücken, GmbHR 1993, 97 f.; OLG Frankfurt, DB 1993, 2174; OLG Naumburg, GmbHR 1994, 119 als irreführend beanstandet. 4 Vgl. OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 117 f. u. die Nachw. in der vorvorigen Fn. 2. 5 So Gustavus, BB 1969, 1335; 1970, 594; Bokelmann, NJW 1969, 2120; Lappe, GmbHR 1970, 9. 6 BGHZ 87, 59, 63; BayObLG, WM 1980, 473, 474; OLG Frankfurt, BB 1984, 238 f.; OLG Zweibrücken, GmbHR 1993, 97; Ulmer, Rdnr. 10. 7 Ulmer, Rdnr. 12; Kanzleiter, Rpfleger 1984, 1, 3. 8 BayObLGZ 1982, 41, 45; BayObLG, BB 1984, 1117, 1118; OLG Karlsruhe, BB 1984, 238; OLG Frankfurt, BB 1984, 238, 239; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 118 f.; Ulmer, Rdnr. 11; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3 (3); s. auch Kanzleiter, Rpfleger 1984, 1, 2 f.

H. Winter/Veil

|

601

§ 10

Eintragung

und daher nur Verwirrung stiftet1. Es kann nur die für den bestellten Geschäftsführer getroffene Entscheidung des Gesellschaftsorgans eingetragen werden. 13

Die Gestattung des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) ist eine eintragungspflichtige Regelung der Vertretungsbefugnis i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 22, soweit sie sich nicht nur auf ein konkretes Einzelgeschäft bezieht3. Unerheblich ist dabei, ob sie alle Geschäfte mit der Gesellschaft oder nur bestimmte Geschäftsarten umfasst und welche Bedeutung die gestatteten Insichgeschäfte für die Gesellschaft haben4. Die Eintragung muss ebenfalls derart erfolgen, dass die Zulässigkeit des Selbstkontrahierens durch den Geschäftsführer vollständig aus dem Handelsregister zu entnehmen ist (Rdnr. 12)5. Sie darf also z.B. nicht dahingehend lauten, dass einem Gesellschafter-Geschäftsführer das Selbstkontrahieren gestattet sei6, sondern muss bei dem bestellten Geschäftsführer, der diese statutarische Voraussetzungen erfüllt, uneingeschränkt die ihm speziell zustehende Befugnis angeben7. Die bloße statutarische Ermächtigung eines Gesellschaftsorgans, dem Geschäftsführer das Selbstkontrahieren zu gestatten, kann nicht in das Handelsregister eingetragen werden (s. auch Rdnr. 12)8. Ebensowenig eintragungsfähig ist die überflüssige und deshalb unzulässige (Rdnr. 4) zusätzliche Angabe, dass die Erlaubnis zum Selbstkontrahieren auch für den Fall der Vereinigung aller GeschAnteile in einer Hand gelten solle9.

2. Bestimmungen über Zeitdauer 14

Nach § 10 Abs. 2 ist auch eine Bestimmung des Gesellschaftsvertrages über die Zeitdauer der Gesellschaft in das Handelsregister einzutragen. Es sind damit die in § 3 Abs. 2 geregelten Vereinbarungen gemeint, dass die Gesellschaft, abweichend von der gesetzlichen Regel, „auf eine gewisse Zeit beschränkt sein“ 1 Das übersehen OLG Zweibrücken, GmbHR 1993, 97; LG Köln, GmbHR 1993, 501, 502. Die Eintragungsfähigkeit offen lassend OLG Hamm, GmbHR 1993, 500. 2 BGHZ 87, 59, 61 f.; BGHZ 114, 167, 170; BayObLG, BB 1980, 597; BayObLG, BB 1981, 869; BayObLG, BB 1982, 577; BayObLG, BB 1984, 1117 f.; OLG Frankfurt, BB 1983, 146; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 118 f.; OLG Köln, GmbHR 1980, 129; OLG Köln, GmbHR 1996, 218, 219; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 51; Ulmer, Rdnr. 13; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; a.M. früher OLG Karlsruhe, GmbHR 1964, 78; LG Oldenburg, BB 1972, 769; LG Köln, DB 1980, 922. 3 Vgl. Bühler, DNotZ 1983, 588, 593; Ulmer, Rdnr. 14. Demgegenüber will Kanzleiter, Rpfleger 1984, 1, 4 im Einzelfall nach dem Zwecke des § 10 Abs. 1 Satz 2 abgrenzen. 4 Zutr. OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 51, 52; Ulmer, Rdnr. 13. 5 BGHZ 87, 59, 63; OLG Frankfurt, BB 1984, 238, 239; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 51; OLG Köln, GmbHR 1996, 218, 219; Ulmer, Rdnr. 13. 6 BGHZ 87, 59, 63; OLG Frankfurt, BB 1984, 238, 239; Ulmer, Rdnr. 13. 7 OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 51, 52. 8 BayObLGZ 1982, 41, 45; BayObLGZ 1984, 109, 111 f.; BayObLG, GmbHR 1990, 213, 214; OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 118; OLG Stuttgart, OLGZ 1985, 37; OLG Hamm, WM 1987, 405, 406; Ulmer, Rdnr. 11, 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; a.M. LG Köln, GmbHR 1993, 501, 502; offen lassend OLG Hamm, GmbHR 1993, 500. 9 Vgl. BGH, BB 1991, 925; OLG Düsseldorf, GmbHR 1991, 161; AG Köln, GmbHR 1991, 161; Reinicke/Tiedtke, GmbHR 1991, 200; Tiedtke, ZIP 1991, 355; a.M. BayObLG, GmbHR 1990, 213, 216.

602

|

H. Winter/Veil

§ 10

Eintragung

soll1. Eine die Gesetzeslage wiedergebende Bestimmung, wonach die Gesellschaft auf unbestimmte Zeit bestehen soll, ist demzufolge nicht eintragungsfähig2. Auch die Vereinbarung eines Kündigungsrechts der Gesellschafter fällt nicht unter § 10 Abs. 2 ohne Rücksicht darauf, ob die Kündigung zur Auflösung der Gesellschaft führt oder nicht3. Die fehlende Eintragung über die Zeitdauer der Gesellschaft berührt nicht die Rechtswirksamkeit der Satzungsbestimmung4.

III. Wirkung und Mängel der Eintragung 1. Entstehung der GmbH Mit der Eintragung in das Handelsregister entsteht die GmbH als solche (§ 11 Abs. 1). Sie schließt also den Gründungsprozess ab: Die durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) gegründete und bereits rechtsfähige Gesellschaft wird zur juristischen Person (§ 13 Abs. 1); die Vorschriften des GmbHG sind nunmehr auf sie uneingeschränkt anwendbar. Zur Rechtslage der sog. Vorgesellschaft vgl. die Erl. zu § 11.

15

Maßgebend für den Eintritt dieser Rechtswirkungen ist nicht das bei der Eintragung zu vermerkende Datum (§ 130 Abs. 1 FGG, § 15 HRV), sondern der tatsächliche Tag der Eintragung. Der Beweis, dass die Datumsangabe unrichtig sei, ist zulässig5. Auch § 15 HGB greift nicht ein. Die versehentlich unzutreffende Datumsangabe ist von Amts wegen zu berichtigen (Rdnr. 19).

16

Die Bekanntmachung der Eintragung (§ 10 Abs. 1 HGB, § 10 Abs. 3 GmbHG) ist ohne Einfluss auf die Entstehung der GmbH. Über die Publizitätswirkung vgl. § 15 HGB.

17

2. Eintragungsmängel a) Unrichtige Eintragungen Das Gesetz regelt nicht, ob die Entstehung der GmbH (Rdnr. 15) durch einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 u. 2 berührt wird. Die Vorschriften der § 75 GmbHG, §§ 144 Abs. 1 Satz 2, 144a Abs. 4 FGG, die sich auf Mängel des Gesellschaftsvertrages beziehen (Rdnr. 22), sind nicht anwendbar6. Aus dem ihnen zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken folgt aber, dass die Frage auch für die

1 Eb. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2. 2 Zutr. Ulmer, Rdnr. 15. 3 Ulmer, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; s. auch BayObLG, BB 1975, 249, 250; a.M. RGZ 79, 418, 422; OLG Hamm, GmbHR 1971, 57, 59; wohl auch Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 2. 4 OLG Hamm, GmbHR 1971, 57, 59; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2. 5 Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 130 Rdnr. 5; Ulmer, Rdnr. 5. 6 Eb. Ulmer, Rdnr. 17; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8.

H. Winter/Veil

|

603

18

§ 10

Eintragung

nach § 10 Abs. 1 notwendigen Angaben grundsätzlich zu verneinen ist1. Anders ist nur zu entscheiden, wenn nach dem Inhalt des Handelsregisters ernsthafte Zweifel an der Identität der Gesellschaft bestehen2, weil die Entstehung einer juristischen Person aus Gründen der Rechts- und Verkehrssicherheit nicht an eine derartige funktionswidrige Registereintragung geknüpft werden kann. Ob die genannte Voraussetzung gegeben ist, kann nicht schematisch, sondern muss durch objektive Auslegung des Eintragungsinhalts im Einzelfall bestimmt werden3. Regelmäßig wird sie vorliegen, wenn die Firma der Gesellschaft überhaupt nicht oder in einer ihre Identifizierung ausschließenden Weise entstellt eingetragen ist4. Die fehlende oder unrichtige Eintragung des Sitzes oder des Unternehmensgegenstandes wird entgegen einer Schrifttumsmeinung5 meist nicht ausreichen, um ernsthafte Identitätszweifel zu begründen6. Die GmbH entsteht im obigen Falle erst, wenn die Eintragung entsprechend berichtigt (Rdnr. 19) wird7. 19

Andere Unvollständigkeiten und Unrichtigkeiten der Registereintragung hindern nicht die Entstehung der GmbH und haben auch nicht die Unwirksamkeit der betreffenden Satzungsbestimmung zur Folge8. Das Registergericht ist von Amts wegen zur Berichtigung des Eintragungsmangels befugt und verpflichtet (§ 17 HRV)9. Die Gesellschaft kann durch eine Beschwerde (§ 20 Abs. 2 FGG) oder durch einen formlosen Antrag auf sie hinwirken; die Anwendung des § 14 HGB kommt dagegen nicht in Betracht. War die unrichtige Eintragung bekanntgemacht worden (Rdnr. 25 ff.), kann ein Dritter sie der Gesellschaft entgegensetzen, wenn er die Unrichtigkeit nicht kannte (§ 15 Abs. 3 HGB)10.

1 Vgl. Ulmer, Rdnr. 17; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21. 2 Ulmer, Rdnr. 19; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. 3 Zutr. Ulmer, Rdnr. 19. 4 Ulmer, Rdnr. 19; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. 5 Vogel, Anm. 3 im Anschluss an Hachenburg/Schilling, 6. Aufl., Anm. 11 mit der Begründung, dass diese Merkmale ebenfalls zur Identifizierung der Person gehörten (vgl. auch John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 130 f.). Für das Aktienrecht eb. Godin/Wilhelmi, § 39 Anm. 1a. 6 So auch Ulmer, Rdnr. 19; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. 7 Ulmer, Rdnr. 19; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. 8 OLG Hamm, GmbHR 1971, 57, 59 betr. eine statutarische Bestimmung über die Zeitdauer. 9 Ulmer, Rdnr. 18; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21; Keidel/ Kuntze/Winkler, FGG, § 142 Rdnr. 2; s. auch OLG Köln, GmbHR 1996, 218 (betr. Ergänzung). 10 Die Vorschrift greift entgegen der Ansicht von Beuthien, NJW 1970, 2283, 2284; Beuthien, in: FS R. Reinhardt, 1972, S. 199, 204 f. auch dann ein, wenn die Eintragung und die Bekanntmachung unrichtig sind.

604

|

H. Winter/Veil

§ 10

Eintragung

b) Verfahrensmängel Mängel des Eintragungsverfahrens haben auf die Entstehung der GmbH keine Auswirkung (s. § 7 Rdnr. 15 f., § 8 Rdnr. 29). Das gilt auch für die Eintragung durch ein örtlich unzuständiges Registergericht (s. § 7 Rdnr. 9, 15). Die Wirksamkeitsfolge des § 7 FGG greift trotz der ausschließlichen Zuständigkeit des Handelsregisters des Gesellschaftssitzes (§ 7 Abs. 1 GmbHG) ein1. Die abweichende Auffassung des KG in KGJ 31 A 206, 218 führt zu mit der Rechtssicherheit unvereinbaren Ergebnissen, wenn erst nach längerer Zeit die Unzuständigkeit festgestellt wird. Ebensowenig ist wegen dieses Verfahrensmangels die Amtslöschung nach § 142 FGG zulässig (s. § 7 Rdnr. 9, 15). Der Mangel ist vielmehr in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Sitzverlegung (§ 13h Abs. 2 HGB) zu beheben2. Die Amtslöschung gem. § 142 FGG hat dagegen dann zu erfolgen, wenn die Eintragung ohne einen dahingehenden Willen der anmeldebefugten Geschäftsführer vorgenommen worden ist (s. § 7 Rdnr. 16). Die durch die Eintragung entstandene Gesellschaft ist alsdann abzuwickeln.

20

c) Nicht ordnungsgemäße Gesellschaftserrichtung Die materiell-rechtlich nicht ordnungsgemäße Gesellschaftserrichtung (§ 9c) hindert grundsätzlich nicht die rechtswirksame Entstehung der GmbH durch die Eintragung in das Handelsregister. Eine Ausnahme ist nur angezeigt, wenn alle Beteiligungserklärungen an einem auch nach der Eintragung beachtlichen Unwirksamkeitsmangel leiden (s. § 2 Rdnr. 69); die vorliegende Scheingesellschaft ist dann analog § 144 FGG von Amts wegen zu löschen3.

21

Im Übrigen ist bezüglich der Rechtsfolgen von Errichtungsmängeln zu unterscheiden. Besonders schwerwiegende Mängel des Gesellschaftsvertrages, die das Gesetz abschließend bestimmt, führen zur Vernichtbarkeit (§§ 75 ff. GmbHG) und zur Amtslöschung der GmbH (§ 144 Abs. 1 Satz 2 FGG) mit Auflösungswirkung oder rechtfertigen die Einleitung des Amtsauflösungsverfahrens (§ 144a Abs. 4 FGG). Ein entsprechendes Verfahren ist ferner gegeben, wenn der Gesellschafter einer Einmann-GmbH vor der Eintragung die gem. § 7 Abs. 2 Satz 3 erforderlichen Sicherungen nicht bestellt hat (§ 144b FGG analog.)

22

Sonstige Errichtungsmängel sind dagegen regelmäßig ohne Einfluss auf den Bestand der GmbH. Formmängel des Gesellschaftsvertrages (§ 2 Abs. 1) oder der Abschlussvollmachten (§ 2 Abs. 2) werden durch die Eintragung geheilt (s. § 2 Rdnr. 20); § 139 BGB ist auf die Nichtigkeit einzelner Beteiligungserklärungen oder Satzungsbestimmungen nicht mehr anwendbar4. Fehler einer Beteiligungs-

23

1 Vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 7 Rdnr. 30, § 125 Rdnr. 12; Jansen, FGG, § 7 Rdnr. 9, § 125 Rdnr. 8. 2 Eb. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; ähnlich auch Ulmer, § 7 Rdnr. 17. 3 H.M.; vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 40; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 2 Rdnr. 71; abw. Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 42; C. Schäfer, Die Lehre vom fehlerhaften Verband, 2002, S. 285; nunmehr auch Ulmer, Rdnr. 97. 4 Vgl. 9. Aufl., § 75 Rdnr. 6 m.w.N.

H. Winter/Veil

|

605

§ 10

Eintragung

erklärung können nach der Eintragung, soweit nicht bestimmte überwiegende schutzwürdige Interessen betroffen sind (s. § 2 Rdnr. 66 ff.), nicht mehr mit der Unwirksamkeitsfolge (s. § 2 Rdnr. 72 ff.), sondern im Falle ihres Fortwirkens nur noch mit anderen Mitteln (Austritt, Ausschließung, u.U. auch Auflösungsklage) geltend gemacht werden. Bei der Unwirksamkeit von Sacheinlagevereinbarungen ist der Gesellschafter zur Geldeinlage (s. § 5 Rdnr. 93 ff.) und bei der Überbewertung von Sacheinlagen zur Ergänzungszahlung verpflichtet (§ 9). Errichtungsmängel können darüber hinaus Haftungsfolgen für Gesellschafter und Geschäftsführer haben (§§ 9a, 9b). Wegen weiterer Einzelheiten der Rechtsfolgen von Errichtungsmängeln ist insbesondere auf die Erl. zu §§ 2, 75 zu verweisen.

IV. Satzungsänderungen 24

Jede Änderung des Gesellschaftsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit ebenfalls der Eintragung in das Handelsregister (§ 54 Abs. 3). Soweit sie eine nach § 10 Abs. 1 u. 2 einzutragende Tatsache (Rdnr. 5 ff.), betrifft, ist sie mit geändertem Inhalt ausdrücklich einzutragen (§ 54 Abs. 2 Satz 1). Der Tag der Beschlussfassung ist ebenfalls mit anzugeben1. Bei anderen Satzungsänderungen genügt die Bezugnahme auf die eingereichte Urkunde über die Satzungsänderung (§ 54 Abs. 2 Satz 1). Der Tag der Eintragung ist zu vermerken (§ 130 Abs. 1 FGG; § 15 HRV). Wegen der Änderung in den Personen der Geschäftsführer und ihrer Vertretungsbefugnis s. auch § 39.

V. Veröffentlichung 1. Bekanntmachung 25

Die Bekanntmachung der Eintragung der GmbH in das Handelsregister ist durch das Gericht von Amts wegen unverzüglich zu veranlassen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 32 HRV). Entsprechendes gilt für die Berichtigung einer Eintragung; sie braucht ausnahmsweise nicht veröffentlicht zu werden, wenn sie nur einen offensichtlich unwesentlichen Punkt der Eintragung betrifft (§ 17 Abs. 3 Satz 2 HRV). Der Verzicht auf die Bekanntmachung durch die Anmeldenden ist nicht möglich.

26

Die Eintragung ist im Bundesanzeiger und in mindestens einem anderen Blatt zu veröffentlichen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 HGB). Eine statutarische Bestimmung über die gesellschaftlichen Mitteilungsblätter (Rdnr. 28) ist insoweit unmaßgeblich. Zur Form der gerichtlichen Bekanntmachung vgl. § 33 HRV.

2. Inhalt 27

Der Inhalt der Veröffentlichung ist gesetzlich abschließend geregelt. Sie hat das Registergericht sowie das Eintragungsdatum zu bezeichnen (§ 33 Abs. 2 HRV) und muss den gesamten Inhalt der Eintragung (§ 10 Abs. 1 u. 2 GmbHG) wiedergeben (§ 10 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 10 Abs. 3 GmbHG). 1 Ulmer, Rdnr. 6 u. Priester, unten 9. Aufl., § 54 Rdnr. 58 ff.

606

|

H. Winter/Veil

§ 10

Eintragung

Außerdem sind die nach § 5 Abs. 4 Satz 1 im Gesellschaftsvertrag getroffenen Festsetzungen über Sacheinlagen bekanntzumachen (§ 10 Abs. 3). Obwohl die Neufassung der Vorschrift das nicht mehr ausdrücklich erwähnt, gehört dazu auch die Angabe der Namen der einbringenden Gesellschafter1. Die wörtliche Wiedergabe der Satzungsbestimmung oder die umfassende Beschreibung der Sacheinlagen ist nicht erforderlich. Es reicht eine sich auf das Wesentliche beschränkende Kennzeichnung aus (s. auch § 33 Abs. 1 HRV)2. Bekanntzumachen sind ferner besondere Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages über die Form der öffentlichen Bekanntmachungen der GmbH (§ 10 Abs. 3).

28

Sind die Mitglieder des Aufsichtsrates der Gesellschaft bereits vor der Eintragung bestellt worden (s. § 8 Rdnr. 18, § 9c Rdnr. 27), so müssen in die Bekanntmachung auch deren Namen, Berufe und Wohnorte aufgenommen werden (§ 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG i.V.m. § 40 Nr. 4 AktG). Die Veröffentlichungspflicht ist zwingend, auch wenn es sich um einen fakultativen Aufsichtsrat handelt3. Die spätere Bestellung oder der Wechsel von Aufsichtsratsmitgliedern ist dagegen durch die Geschäftsführer im Bundesanzeiger und in den satzungsmäßigen Mitteilungsblättern (Rdnr. 28) bekanntzumachen; die Bekanntmachung ist zum Handelsregister einzureichen (§ 52 Abs. 2 Satz 2).

29

In der Bekanntmachung ist beim Vorliegen entsprechender Mitteilungen, auf die das Gericht hinzuwirken hat (§ 24 Abs. 2 HRV), die Lage der Geschäftsräume der Gesellschaft anzugeben; dabei ist darauf hinzuweisen, dass diese Angabe ohne Gewähr für die Richtigkeit erfolgt (§ 34 HRV).

30

3. Wirkungen Die Wirkungen der Veröffentlichung ergeben sich aus § 15 HGB. Das Entstehen der GmbH hängt von ihr nicht ab (Rdnr. 15). Maßgebender Zeitpunkt für den Eintritt der Publizitätswirkung ist der Ablauf des Tages, an dem das letzte der die Bekanntmachung enthaltenden Blätter (Rdnr. 26) erschienen ist (§ 10 Abs. 2 HGB). Die Veröffentlichung muss erneut vorgenommen werden, wenn sie unvollständig oder unrichtig erfolgt war.

31

VI. Eintragungs- und Bekanntmachungskosten §§ 79 Abs. 1, 26, 137 Nr. 5 KostO.

32

VII. Amtshaftung Für fehlerhafte Eintragungen und Bekanntmachungen, die auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Registerrichters beruhen, ist die Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB allen Personen gegenüber gegeben, für die die Eintragung oder die Veröffentlichung vermöge der mit ihnen verbundenen Wirkungen von 1 Ulmer, Rdnr. 20; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7. 2 Ulmer, Rdnr. 20; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24. 3 Ulmer, Rdnr. 21.

H. Winter/Veil

|

607

33

§ 10

Eintragung

Bedeutung ist oder werden kann1. Ebenso besteht sie gegenüber der Gesellschaft bei schuldhaften Verzögerungen der Eintragung oder der Bekanntmachung. Das Richterprivileg des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB greift nicht ein2. Die Gesellschaft, deren Geschäftsführern die Eintragung bekanntgemacht wird (§ 130 Abs. 2 FGG), verliert ihren Anspruch aber insoweit, als sie es schuldhaft unterlässt, den Schaden durch entsprechende Berichtigungsbegehren abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB). Entsprechendes gilt bei fehlerhaften Bekanntmachungen3.

VIII. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) 34

Die Vorschrift soll durch die für das Jahr 2007 geplante Reform des GmbHG Änderungen erfahren. Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) sieht in Art. 1 Nr. 7 zunächst vor, dass in § 10 Abs. 1 Satz 1 nach den Wörtern „Sitz der Gesellschaft“ die Wörter „eine inländische Geschäftsanschrift“ eingefügt wird. Hierbei handelt es sich um eine Folgeänderung zu § 8 Abs. 4 i.d.F. von Art. 1 Nr. 6d) RefE MoMiG. Außerdem soll dem § 10 Abs. 2 der folgende Satz angefügt werden: „Sofern eine Person, die für Zustellungen an die Gesellschaft empfangsberechtigt ist, mit einer inländischen Anschrift zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird, sind auch diese Angaben einzutragen; Dritten gegenüber gilt die Empfangsberechtigung als fortbestehend, bis sie im Handelsregister gelöscht und die Löschung bekannt gemacht worden ist, es sei denn, dass die fehlende Empfangsberechtigung dem Dritten bekannt war.“ Es handelt sich um eine Regelung, die auf die beabsichtigte Änderung von § 35 Abs. 1 durch Art. 1 Nr. 4 RefE MoMiG zurückzuführen ist. Nach dieser Vorschrift soll es in Zukunft möglich sein, Willenserklärungen und Schriftstücke auch unter der eingetragenen Anschrift der empfangsberechtigten Person nach § 10 Abs. 2 Satz 2 zuzustellen. Die Gesellschafter sollen nicht verpflichtet sein, einen zusätzlichen Zustellungsempfänger zu benennen. Eine solche Pflicht vertrage sich, so die Vorstellung des Reformgesetzgebers, nicht mit dem Anliegen, bürokratische Auflagen für die mittelständische Wirtschaft zu vermeiden. Die Option könne aber für Gesellschaften von Interesse sein, die Bedenken haben, ob die eingetragene Geschäftsanschrift tatsächlich ununterbrochen für Zustellungen geeignet sein werden und sich dadurch Risiken aus öffentlichen Zustellungen ergeben können.

1 Vgl. RGZ 140, 174, 184; Ulmer, Rdnr. 30; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; einschr. BGHZ 84, 285, 287: kein Gesellschaftsschutz bei Eintragung einer unzulässigen Firma. 2 BGHZ 10, 55, 60; BGHZ 13, 142, 144; BGH, NJW 1956, 1716; Ulmer, Rdnr. 30; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9. 3 RG, JW 1938, 593; Ulmer, Rdnr. 31.

608

|

H. Winter/Veil

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung (1) Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht. (2) Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Abs. 1 i.d.F. von 1898, Abs. 2 von 1892. Inhaltsübersicht I. Grundlagen 1. Gegenstand der Regelung . . .

2

2. Rechtsfortbildung und Funktionswandel . . . . . . . . . .

4

II. Rechtsverhältnisse im Vorgründungsstadium . . . . . . .

6

1. Das Vorgründungsstadium . . 2. Der Gründungsvorvertrag . . .

7 9

3. Die Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium . . . . .

14

4. Die Haftungsverhältnisse im Vorgründungsstadium . . . . .

16

5. Der Einfluss der Errichtung und Eintragung der GmbH auf die Rechtsverhältnisse aus dem Vorgründungsstadium . .

19

III. Die Vorgesellschaft als Rechtsträgerin und als Organisation 1. Begriff, Rechtsnatur und Gesellschaftszweck . . . . . .

21

2. Die Vorgesellschaft als Rechtsträgerin . . . . . . . . . . . . .

27

3. Die Kontinuität zwischen Vorgesellschaft und GmbH und die Überwindung des Vorbelastungsverbots . . . . . . . .

36

IV. Das Innenrecht der Vorgesellschaft 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . 2. Die Mitgliedschaft . . . . . . .

39 40

3. Die Organisationsverfassung . 4. Die Kapital- und Haftungsverfassung . . . . . . . . . . . . . 5. Auflösung der Vorgesellschaft .

45 53 55

V. Das Außenrecht der Vorgesellschaft 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . 2. Stellvertretung bei Rechtsgeschäften und in Prozessen . . 3. Besitzausübung, Verschuldenszurechnung, Haftung für fremdes Handeln, Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Haftungsverhältnisse im Überblick . . . . . . . . . . . . VI. Die Haftung der Gesellschafter

57 59

67 70 76

1. Unbeschränkte Vor-Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . 77 2. Außenhaftung oder Innenhaftung? . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Die unbeschränkte Gründerhaftung für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft . . . . . . . 83 4. Regressansprüche . . . . . . . . 87 5. Haftungsfolgen der Eintragung oder des Scheiterns der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . 88 VII. Die Haftung der Handelnden nach § 11 Abs. 2 . . . . . . . . 1. Grundlagen der Handelndenhaftung . . . . . . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich: nur bei Vorgesellschaften . . . 3. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 4. Das Handeln im Namen der Gesellschaft . . . . . . . . . . 5. Geschützter Gläubigerkreis . .

Karsten Schmidt

|

91 92 97 101 106 108

609

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

6. Haftungsfolgen . . . . . . . . . 111 7. Regressansprüche der Handelnden . . . . . . . . . . . . . 114 8. Haftung aus § 179 BGB? . . . . 117 9. Das Erlöschen der Haftung . . 118 VIII. Vorbelastungen der GmbH und ihre Folgen 1. Der Unversehrtheitsgrundsatz 121 2. Das Eintragungsverbot . . . . 123 3. Die Vorbelastungshaftung (Differenzhaftung, Unterbilanzhaftung) der Gründer . . 124 IX. Folgen der Eintragung oder ihrer Versagung 1. Folgen der Eintragung für die Gesellschaft . . . . . . . . . . 2. Folgen der Eintragung für die persönliche Haftung . . . . . . 3. Folgen der Eintragungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . 4. Fortführung der Vorgesellschaft ohne Eintragungsabsicht (sog. unechte Vorgesellschaft) . . . . . . . . . . .

4. Die Eintragung der Einpersonengesellschaft und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . 157 XI. Gründungsstadien der GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . 160 1. Grundlagen . . . . . . . . . . 161 2. Situation A: Die GmbH ist eingetragen, aber noch nicht die KG . . . . . . . . . . . . . 165 3. Situation B: Die KG ist eingetragen, aber noch nicht die GmbH . . . . . . . . . . . . . 167

132

4. Situation C: Beide Gesellschaften sind noch nicht eingetragen . . . . . . . . . . . . 169

138

XII. Steuerrecht . . . . . . . . . . 172

140

1. Grundlagen . . . . . . . . . . 173 2. Ertragsteuern . . . . . . . . . 174 3. Umsatzsteuer . . . . . . . . . 184 4. Grunderwerbsteuer . . . . . . 186

143

X. Die Einpersonen-Vorgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Grundlagen . . . . . . . . . . 145

1

2. Die Verfassung der Einpersonen-Vor-GmbH . . . . . . . . 149 3. Haftungsverhältnisse . . . . . 154

5. Erbschaft- und Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . 188

Schrifttum (vgl. auch Rdnr. 6, 78, 91, 144, 160, 188): Altmeppen, Konkursantragspflicht in der Vor-GmbH?, ZIP 1997, 273; Beuthien, Die Vorgesellschaft im Privatrechtssystem, ZIP 1996, 305 (Teil I) und 360 (Teil II); Binz, Haftungsverhältnisse im Gründungsstadium der GmbH & Co. KG, 1976; v. Bismarck, Rechtsnatur und Haftungsverhältnisse der Gründungs-GmbH, Diss. Kiel 1963; Böhringer, Zur Grundbuchfähigkeit einer GmbH im Gründungsstadium, Rpfleger 1988, 846; Büttner, Identität und Kontinuität bei der Gründung juristischer Personen, Diss. Erlangen 1967; Butt, Probleme der Vorgesellschaft nach französischem, belgischem, englischem und deutschem Recht, Diss. Mainz 1970; Derwisch-Ottenberg, Die Haftungsverhältnisse der Vor-GmbH, 1988; Dilcher, Rechtsfragen der sog. Vorgesellschaft, JuS 1966, 89; Dregger, Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft, 1951; Drygala, Praktische Probleme der Vor-GmbH, JURA 2003, 433; Eckhardt, Die VorGmbH im zivilprozessualen Erkenntnisverfahren und in der Einzelvollstreckung, 1990; Fabricius, Vorgesellschaften bei der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung: ein Irrweg?, in: FS Kastner, 1972, S. 85; Fichtelmann, Die prozessuale Stellung der Vorgesellschaft nach ihrer Auflösung – Anmerkungen und Beratungshinweise zu dem Urteil des OLG Köln vom 27. 2. 1997 – 7 U 178/96, GmbHR 1997, 995; Fleck, Die neuere Rechtsprechung des BGH zur Vorgesellschaft und zur Haftung des Handelnden, ZGR 1975, 212; Fleck, Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung zur Vor-GmbH, GmbHR 1983, 5; Flume, Die juristische Person, 1983; Flume, Die werdende juristische Person, in: FS Geßler, 1971, S. 3; Flume, Zur

610

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Enträtselung der Vorgesellschaft, NJW 1981, 1753; Gaerths, Die Rechtsnatur der Gründungsgesellschaft, Diss. Göttingen 1933; Ganßmüller, Zur Rechtsnatur der Vorgesellschaften, NJW 1956, 1186; Ganßmüller, Wieder einmal: zur Vor-GmbH, GmbHR 1970, 170; Gehrlein, Die Haftung in den verschiedenen Gründungsphasen einer GmbH, DB 1996, 561; Gummert, Die Vorgesellschaft, in: Priester/Mayer (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2003, § 16; Haas, Vor-GmbH und Insolvenz, DStR 1999, 985; Haberkorn, Rechtliche Struktur der werdenden Kapitalgesellschaft, BB 1962, 1408; Hansis, Zur Rechtsnatur der GmbH zwischen Errichtung und Eintragung, Diss. Tübingen 1967; Heidinger, Die Haftung und die Vertretung in der Gründungsphase der GmbH im Vergleich zur (kleinen) Aktiengesellschaft, GmbHR 2003, 189; Heymann, Die nicht eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung im deutsch-ausländischen Rechtsverkehr, JherJ 75 (1925), 408; Horn, Die Vorgesellschaft in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, NJW 1964, 86; U. Huber, Haftungsprobleme der GmbH & Co. KG im Gründungsstadium, in: FS Hefermehl, 1976, S. 127; Hubert, Die rechtliche Natur einer im Entstehen begriffenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Wirkung der von ihr abgeschlossenen Verträge, Diss. Erlangen 1915; Hueck, Vorgesellschaft, in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 127; John, Die organisierte Rechtsperson, 1977; Kießling, Vorgründungs- und Vorgesellschaft, 1999; Knoche, Gründerhaftung und Interessenausgleich bei der Vor-GmbH, 1990; G. Kuhn, Die Vorgesellschaft, WM-Sonderbeil. 5/1956; Lieb, Meilenstein oder Sackgasse? Bemerkungen zum Stand von Rechtsprechung und Lehre zur Vorgesellschaft, FS Stimpel, 1985, S. 399; Meister, Zur Vorbelastungsproblematik und zur Haftungsverfassung der Vorgesellschaft bei der GmbH, in: FS Werner, 1984, S. 521; Nitschke, Die körperschaftlich strukturierte Personengesellschaft, 1970; Ostheim, Probleme der Vorgesellschaft bei der GmbH, JurBl. 1978, 337; Ostheim, Gedanken zu § 2 GmbHG idF. der Novelle 1980, GesRZ 1982, 124; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973; Schäfer-Gölz, Die Lehre vom Vorbelastungsverbot und die Differenzhaftung der Gründer, Diss. Bonn 1983; Schaffner, Die Vorgesellschaft als Gesellschaft sui generis, 2003; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002; Karsten Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, 1972; Karsten Schmidt, Zum Vorbelastungsverbot im Gründungsrecht der Kapitalgesellschaften, NJW 1973, 1595; Karsten Schmidt, Die Vor-GmbH als Unternehmerin und als Komplementärin, NJW 1981, 1345; Karsten Schmidt, Theorie und Praxis der Vorgesellschaft nach gegenwärtigem Stand, GmbHR 1987, 77; Karsten Schmidt, Zur Übertragung von Vor-Gesellschaftsanteilen, GmbHR 1997, 869; Karsten Schmidt, Umwandlung von Vorgesellschaften, in: FS Zöllner, 1998, S. 521; Schultz, Rechtsfragen der Vor-GmbH im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung, JuS 1982, 732; Schultze-v. Lasaulx, Die unechte Vorgesellschaft, JZ 1952, 390; Schultze-v. Lasaulx, Gedanken zur Rechtsnatur der sog. Vorgesellschaft, in: FS Olivecrona, 1964, S. 576; Schumann, Der Ausgleich zwischen GmbH-Gründern. Zum Innenrecht der Vor-GmbH, 2004; Thelen/Trimborn, Haftungssituationen in der GmbH in den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und der Schweiz, GmbHR 1994, 782; Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984; Ulmer, Die Gründung der GmbH, in: Probleme der GmbHReform, 1970; Ulmer, Das Vorbelastungsverbot im Recht der GmbH-Vorgesellschaft – notwendiges oder überholtes Dogma?, in: FS Ballerstedt, 1975, S. 279; Ulmer, Abschied vom Vorbelastungsverbot im Gründungsstadium der GmbH, ZGR 1981, 593; Wacker, Die Vorgesellschaften als Gesellschaften besonderer Art, Diss. Würzburg 1963; Waldecker, Studien über die Rechtsverhältnisse der sog. nicht eingetragenen Genossenschaft, Gruch 59 (1915), 961; Wallner, Die Liquidatoren der VorGmbH i.L., GmbHR 1998, 1168; Werneburg, Die GmbH vor Eintragung im Handelsregister, SächsA 1929, 244; Wiedemann, Das Rätsel Vorgesellschaft, JurA 1970, 439; Wimmer, Gründung und Beendigung von juristischen Personen (Teil I), DStR 1995, 1838; Zöllner, Die sog. Gründerhaftung. Bemerkungen zum Rätsel Vorgesellschaft, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1383.

Karsten Schmidt

|

611

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

I. Grundlagen 1. Gegenstand der Regelung 2

a) Die Vorschrift befasst sich mit den Rechtsverhältnissen vor der Eintragung der GmbH. Diese sind darin freilich nur fragmentarisch geregelt. Aus Abs. 1 geht hervor, dass die GmbH vor der Eintragung „als solche“ noch nicht besteht. Abs. 2 regelt die Haftung derer, die vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt haben. Historisch knüpfte der Gesetzgeber mit dieser Regelung an die aktienrechtliche Bestimmung des Art. 211 ADHGB an1. Die Gesetzesbegründung nahm hierauf lediglich Bezug2 und betonte, dass die Eintragung „die notwendige Voraussetzung für die rechtswirksame Entstehung der GmbH als solcher“ bilde. Immerhin sind in der fragmentarischen Regelung die Hauptprobleme der GmbH vor der Eintragung angesprochen: der Status der Gesellschaft (Abs. 1) und die Haftungsverhältnisse (Abs. 2). Ein in sich stimmiges Konzept konnte allerdings erst in Ergänzung und Fortbildung dieser Regeln entwickelt werden. Über Auslandsrechte vgl. rechtsvergleichend 9. Aufl., § 11 Rdnr. 185. Der Referentenentwurf 2005 (Referentenentwurf eines MoMiG) lässt § 11 unberührt.

3

b) Nur Gründungsfälle sind von der Regelung erfasst. Umstritten ist demgemäß die entsprechende Anwendung auf Umwandlungsfälle (Rdnr. 22), Mantelverwendungen (Rdnr. 23, 75, 99, 123) und auf nicht als inländische Zweigniederlassungen eingetragene Auslandsgesellschaften (Rdnr. 100). Sonderregeln galten in den neuen Bundesländern für die „GmbH im Aufbau“ (vgl. dazu noch 9. Aufl., Rdnr. 186).

2. Rechtsfortbildung und Funktionswandel 4

a) Das dem historischen Gesetzgeber vorschwebende gesetzliche Rechtsbild der GmbH vor der Eintragung ist vor allem durch folgende Charakterzüge bestimmt: durch die Leugnung einer Vorgesellschaft als Rechtsträgerin (vgl. Abs. 1); durch die konsequente Ablehnung einer Kontinuität zwischen der in Gründung befindlichen und der eingetragenen GmbH; durch das Vorbelastungsverbot, das grundsätzlich keine Belastung der fertigen GmbH mit vor der Eintragung begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten gestattete (dazu Rdnr. 36 f.); durch die Annahme, man müsse den auf Geschäfte der noch nicht existierenden Gesellschaft vertrauenden Rechtsverkehr durch eine Haftung schützen, die dem heutigen § 179 BGB ähnelt (vgl. Abs. 2). Der vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft Handelnde (vgl. Abs. 2) tritt nach dieser Vorstellung als Vertreter eines in Wahrheit noch nicht vorhandenen Rechtsträgers auf.

5

b) Im Lauf der Jahrzehnte hat das Recht der Vorgesellschaft einen Institutionalisierungsprozess durchlaufen, der von der Literatur ausging3 und in der Recht1 Vgl. näher Rittner, S. 130 ff.; Karsten Schmidt, oHG, S. 276 ff.; Schäfer-Gölz, S. 9 ff.; Fabricius, in: FS Kastner, S. 89 ff. 2 Begründung 1891, S. 57. 3 Grundlegend zunächst in der RG-Epoche Otto Schreiber, Die KGaA, 1925; Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, 1929; sodann in der BGH-Epoche vor allem: Büttner, Dregger,

612

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

sprechung zunächst nur zögernd aufgegriffen wurde. Eine dem Stand der Rechtswissenschaft im Grundsätzlichen entsprechende Praxis kann seit dem Urteil BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 konstatiert werden1. Das Urteil wurde ergänzt durch BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507 = GmbHR 1997, 405, wo die persönliche Haftung der Gründer für Gesellschaftsverbindlichkeiten klargestellt (allerdings in das Innenverhältnis verlegt) wurde (dazu Rdnr. 77 f.)2. Hauptzüge dieser Rechtsfortbildung sind: die Anerkennung der Vorgesellschaft als Rechtsträgerin (Rdnr. 27 ff.); die Bejahung einer Kontinuität der Rechtsverhältnisse zwischen der gegründeten und der eingetragenen GmbH (Rdnr. 25, 132 ff.); die Beseitigung des Vorbelastungsverbots (Rdnr. 37); der Funktionswandel der nunmehr neben eine Haftung der Vorgesellschaft tretenden Haftung der Handelnden nach Abs. 2 (Rdnr. 92); die Klärung der Frage, inwieweit die Gründer als Gesellschafter gegenüber den Gläubigern (Rdnr. 77 f.) bzw. gegenüber der Gesellschaft (Rdnr. 124 ff.) für Schulden aus Vorbelastungen der GmbH haften. Die nachfolgende Kommentierung basiert auf dieser Rechtsfortbildung. Sie verzichtet darauf, gesicherte Ergebnisse nochmals ausführlich zu begründen, und beschränkt sich insofern auf Bemerkungen, die entweder für das Verständnis des geltenden Rechtszustandes oder für die Klärung bestehender Zweifelsfragen oder für einzelne Abweichungen von der h.M. noch von Bedeutung sind.

II. Rechtsverhältnisse im Vorgründungsstadium Schrifttum (vgl. zunächst die Angaben bei Rdnr. 1): Grottke, Die Vorgründungsgesellschaft der GmbH ..., 1991; Kappet, Das Vorgründungsstadium von Kapitalgesellschaften, 2006; Kort, Die Haftung der Beteiligten im Vorgründungsstadium einer GmbH, DStR 1991, 1317; Michalski/Sixt, Die Haftung in der Vorgründungs-GmbH, in: FS Boujong, 1996, S. 349; Nordhues, Gesellschafterhaftung in der Vorgesellschaft und Vorgründungsgesellschaft, 2003; Priester, Die Vorgründungsgesellschaft, in: Priester/Mayer (Hrsg.), Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2003, § 15; Priester, Das Gesellschaftsverhältnis im Vorgründungsstadium – Einheit oder Dualismus?, GmbHR 1995, 481; Karsten Schmidt, Rechtsgrundlagen der Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium der GmbH, GmbHR 1982, 6 = GesRZ 1983, 1; Karsten Schmidt, Haftung aus Rechtsgeschäften vor Errichtung einer GmbH, GmbHR 1998, 613.

6

1. Das Vorgründungsstadium a) Als Vorgründungsstadium wird hier der Zeitraum vor der Errichtung der GmbH durch förmlichen Abschluss des Gesellschaftsvertrages nach § 2 be-

Flume, Karsten Schmidt, Rittner, Ulmer und Wiedemann, alle a.a.O.; abl. Fabricius, a.a.O.; Kießling, a.a.O. (im Schrifttum). 1 Vgl. zu diesem Urteil besonders Flume, NJW 1981, 1753; Fleck, GmbHR 1983, 5; Meister, in: FS Werner, 1984, S. 521; Priester, ZIP 1982, 1141; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1345; Ulmer, ZGR 1981, 593; Zöllner, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1383 ff. 2 Zu diesem Urteil Sandberger, in: FS Fikentscher, 1998, S. 389 ff.; Zöllner, in: Wiedemann, 2002, S. 1383 ff.; Altmeppen, NJW 1997, 1509; Flume, DB 1998, 46; Gummert, DStR 1997, 1007; Kleindiek, ZGR 1996, 427; Krebs/Klerx, JuS 1998, 991; Lübbert, BB 1998, 2222; Monhemius, JA 1997, 913; Karsten Schmidt, ZIP 1997, 61; Wiegand, BB 1998, 1065.

Karsten Schmidt

|

613

7

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

zeichnet. In diesem Stadium kann, muss aber nicht, eine Vorgründungsgesellschaft vorhanden sein (Begriffsbestimmung in Rdnr. 9). Jeder GmbH-Gründung geht notwendig ein Vorgründungsstadium, allerdings nicht in jedem Fall auch eine Vorgründungsgesellschaft, voraus. In vielen Fällen binden sich die Beteiligten vor der Errichtung der GmbH nicht vertraglich. In anderen Fällen wollen sie sich vertraglich binden, aber es fehlt für einen wirksamen Vorgründungsvertrag an der erforderlichen Bestimmtheit oder Form (dazu Rdnr. 11 f.). Ein Vorgründungsvertrag ist in diesen Fällen entweder nicht vorhanden oder nicht wirksam. Trotzdem kann man von einem Vorgründungsstadium sprechen, sobald die prospektiven Gründer der GmbH in ein Planungs- und Verhandlungsstadium zueinander getreten sind. 8

b) Das Vorgründungsstadium begründet auch ohne förmlichen Vertragsschluss bereits Sonderrechtsbeziehungen unter den prospektiven Gründern. Damit entstehen unabhängig vom Bestehen einer wirksamen vorvertraglichen Bindung (dazu Rdnr. 9 ff.) Treupflichten und Schutzpflichten, deren Verletzung zum Schadensersatz verpflichten kann1. Ob es sich hierbei um culpa in contrahendo (Verletzung vorvertraglicher Pflichten, bezogen auf die GmbH-Errichtung) oder um eine positive Vertragsverletzung (bezogen auf einen schon bestehenden Vorgründungsvertrag) handelt, wird vielfach im Ergebnis ohne Bedeutung sein (vgl. §§ 241, 311 BGB). Nach § 311 Abs. 2 BGB schließt das Fehlen eines formgerecht vereinbarten Gründungs-Vorvertrags die Annahme von Treupflichten und das Entstehen von Schadensersatzpflichten nicht aus. Ohne wirksamen Vorgründungsvertrag können die prospektiven Gründungsgesellschafter zwar grundsätzlich nicht zur Errichtung der geplanten GmbH, zur Einbringung der in Aussicht gestellten Einlagen oder sonst zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem künftigen GmbH-Vertrag angehalten werden. Jede Rechtsverfolgung in Erfüllungsrichtung ist ausgeschlossen2, ebenso auch ein Schadensersatz wegen Nichterfüllung3. Wohl aber sind die Verhandlungspartner einander zu vorvertraglicher Rücksicht verpflichtet und dürfen das Vertrauen der prospektiven Mitgründer nicht missbrauchen. Wer schuldhaft gegen die sich hieraus ergebenden Nebenpflichten verstößt, ist zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet4.

2. Der Gründungsvorvertrag 9

a) Von einem Gründungsvorvertrag ist zu sprechen, wenn sich die Gründer einer GmbH – oder ein Teil dieser Gründer – durch schuldrechtlichen Vertrag zur 1 Vgl. BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = GmbHR 1988, 98 = BB 1988, 159 = NJW-RR 1988, 208; LG Aachen, NJW-RR 1986, 662; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2a; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 27; Kappet, S. 51 ff.; vgl. zur formlosen Vorbereitung der Gründung auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 31 f.; zum Anteilskauf OLG Stuttgart, DB 1989, 1817; LG Heilbronn, DB 1989, 1227. 2 Bedenklich die Annahme einer bereits wirksamen Vertragsstrafevereinbarung im Fall OGH Wien, GesRZ 1981, 178 m. krit. Anm. Ostheim. 3 Vgl. BGH, LM § 2 GmbHG Nr. 12 = BB 1988, 159 = NJW-RR 1988, 288. 4 BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = BB 1988, 159 = NJW-RR 1988, 288; LG Aachen, NJW-RR 1986, 662, 663; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2a.

614

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Gründung verpflichtet haben1. Bis zur 8. Aufl. wurde hier von der Vorgründungsgesellschaft gesprochen. Das hat zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen geführt2, weil übersehen wurde, dass diese „Vorgründungsgesellschaft“ (der Gründungs-Vorvertrag) sowohl von der Vorgesellschaft (Rdnr. 21 ff.) als auch von der Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium (Rdnr. 14 ff.) streng getrennt werden muss und auch in den früheren Auflagen schon streng getrennt wurde3. Die nunmehr verwendete Terminologie stellt dies klar. Aus dem Gründungsvorvertrag ergibt sich die klagbare Pflicht zum Abschluss des GmbH-Gesellschaftsvertrags sowie eine allgemeine Förderungs- und Loyalitätspflicht4. Möglich ist allerdings auch der Abschluss eines Vertrags, der nur auf die Vorbereitung einer GmbH-Gründung zielt und nicht bereits zum Abschluss verpflichtet5. Für einen solchen Vertrag gelten die bei Rdnr. 10 ff. dargestellten strengen Grundsätze nicht, denn er ist kein Vorvertrag (vgl. auch Rdnr. 12). Seiner Rechtsnatur nach ist der Gründungsvorvertrag gleichzeitig Gesellschaftsvertrag und Vorvertrag und begründet zugleich ein Gesellschaftsverhältnis und ein Vorvertragsverhältnis6. Beides schließt einander nicht aus7, denn das eine hat mit der Struktur des Vertragsverhältnisses etwas zu tun, das andere mit dem Inhalt der von den Gesellschaftern übernommenen Vertragspflichten. Um einen Gesellschaftsvertrag handelt es sich insofern, als ein schuldrechtlicher Vertrag mit gemeinsamem Zweck vorliegt, mithin eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß § 705 BGB. Gemeinsamer Zweck ist die Errichtung der GmbH. Hierauf, also auf den Abschluss eines GmbH-Gesellschaftsvertrages, zielen die von den Gesellschaftern zu leistenden Beiträge (insbesondere die auf Grund des Vorvertrags abzugebenden Willenserklärungen). Gemäß diesem Inhalt hat der Vorgründungsvertrag Vorvertragscharakter, weil eine rein schuldrechtliche Bindung (kein Verband) vorliegt. Als rein vorvertragliches Schuldverhältnis kann diese Innengesellschaft nicht selbst Trägerin eines etwa schon vorhandenen Unternehmens sein (Rdnr. 14 f.)8. Sie kann auch nicht Inhaberin eines Gesellschaftsvermögens sein9. Wird bereits ein Gesellschaftsvermögen gebildet oder sogar schon ein gemeinschaftliches Unternehmen betrieben, so entsteht neben dem Vorgründungsvertragsverhältnis eine Mitunternehmerschaft in Gestalt einer vom Vorvertrag zu unterscheidenden Gesamthand (vgl. Rdnr. 14). 1 Vgl. zur Terminologie auch Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2a; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 41 Rdnr. 19, 22 ff.; so jetzt auch Kappet, S. 15 ff.; ähnlich Michalski, Rdnr. 4, der aber vom Gründungsvorvertrag nach den nur auf Projektförderung gerichteten Vorgründungsvertrag unterscheidet. 2 Vgl. insbesondere Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 364 ff.; Priester, GmbHR 1995, 481 ff. 3 So jetzt der Sache nach auch Michalski, Rdnr. 7 ff. 4 Priester, MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 30 ff. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 32; Michalski (Rdnr. 4) spricht dann vom Vorgründungsvertrag. 6 Näher Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2a; Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 7; 1998, 614. 7 A.M. Michalski, Rdnr. 10 ff.; Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 366 f.; wohl auch Soergel/Hadding, 11. Aufl., § 705 BGB Rdnr. 15; für ein rein theoretisches Problem wird die Frage gehalten von Priester, GmbHR 1995, 483. 8 A.M. Kießling, S. 356 ff.; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 29. 9 A.M. Kießling, S. 39 f., 378; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 29; wohl auch Ulmer, § 2 Rdnr. 50.

Karsten Schmidt

|

615

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

10

b) Die Wirksamkeit des Gründungsvorvertrags richtet sich zunächst nach den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regeln. Als schuldrechtlicher Vertrag setzt der Gründungsvorvertrag die Beteiligung von mindestens zwei Parteien voraus. Dies müssen nicht alle Gründer sein, doch ist i.d.R. eine vertragliche Bindung erst gewollt, wenn sich alle Gründer rechtswirksam zur Errichtung der GmbH verpflichtet haben. Die Grundsätze über fehlerhafte Gesellschaftsverträge gelten nicht. Das hängt mit dem Fehlen der Verbandsstruktur zusammen. Sie werden auch nicht benötigt, weil eine Verpflichtung zur Gesellschaftsgründung bei fehlerhafter Vertragsgrundlage nicht zu rechtfertigen ist und ein freiwilliger Fortgang der Gründung durch die Fehlerhaftigkeit ebenso wenig gehindert wird wie ein Ersatz des Vertrauensschadens (Rdnr. 8). Ist nur die Vertragserklärung eines Gründers unwirksam, so bestimmt sich die Wirksamkeit der anderen nach § 139 BGB1.

11

aa) Um eine Rechtspflicht zum Abschluss des Gesellschaftsvertrages auszulösen, bedarf der Gründungsvorvertrag (nicht auch ein zur Teilnahme an der Gründung nicht verpflichtender Projektvertrag) eines Mindestmaßes an Bestimmtheit (§ 2 Rdnr. 80 f.). Die Gründer müssen sich über einen Mindestinhalt der in Aussicht genommenen Gründung einig geworden sein2. Im Grundsatz gilt, was BGH, LM Nr. 3 zu § 705 BGB = BB 1953, 97 in folgenden Leitsatz fasst: „Ein Vorvertrag muss zu seiner Wirksamkeit so vollständig sein, dass der Inhalt des demnächst abzuschließenden Gesellschaftsvertrages hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Vorvertrag die gleiche Vollständigkeit aufweist, die für den vorgesehenen Gesellschaftsvertrag zu verlangen ist; es genügt, wenn die notwendige Ergänzung nach dem vermutlichen Parteiwillen möglich ist.“ Zur ergänzenden Vertragsauslegung und zur Ergänzung des Vertrages durch Beschlüsse vgl. § 2 Rdnr. 81 f. Es sind also an die Bestimmbarkeit keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen. Es genügt, dass der Hauptinhalt der Satzung im Prozessfall (§ 894 ZPO!) bestimmbar ist.

12

bb) Kaum noch umstritten ist, ob die Form des § 2 GmbHG beachtet werden muss. Soweit der Vertrag zur Errichtung der GmbH und nicht bloß zur Vorbereitung und Planung verpflichten soll (dazu Rdnr. 9), ist diese Frage mit der auch bei § 2 Rdnr. 78 vertretenen Auffassung zu bejahen. Dieser Standpunkt entspricht der ständigen Rechtsprechung3 und der ganz herrschenden Lehre4. Ein heilender Vollzug durch Beitragsleistungen, der einen formlos vereinbarten Gründungsvorvertrag nach den Regeln über fehlerhafte Gesellschaften wirksam 1 Zust. Michalski, Rdnr. 8. 2 RGZ 66, 116, 121; 149, 385, 395; 156, 129, 138; BGH, LM Nr. 3 zu § 705 BGB; OLG München, BB 1958, 187; Kappet, S. 44 ff.; Kießling, S. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 30; Ulmer, § 2 Rdnr. 48. 3 RGZ 43, 136, 139; 66, 116, 120; 106, 174, 176; 130, 73, 75; 149, 385, 395; 156, 129, 138; BGH, LM Nr. 12 zu § 2 GmbHG = BB 1988, 159 = NJW-RR 1988, 288; ebenso OLG München, BB 1958, 787; LG Aachen, NJW-RR 1986, 662. 4 Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 22; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 29; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Michalski, Rdnr. 7; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 2 Rdnr. 85; Ulmer, Rdnr. 30, § 2 Rdnr. 44; Rob. Fischer, GmbHR 1954, 133; a.M. Kappet, S. 25 ff.; Kießling, S. 19 ff.; Flume, in: FS Geßler, 1971, S. 3, 18.

616

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

machen könnte, ist bei diesem rein schuldrechtlichen Vertragsverhältnis nicht anzuerkennen1. Deshalb sind wirksame Gründungsvorverträge eine Seltenheit2. Allerdings gilt das Formerfordernis nur für diejenigen Abreden, die Satzungsbestandteile werden sollen. Abreden, die nicht auf den Abschluss oder auf einen bestimmten Inhalt des GmbH-Vertrages, sondern auf Nebenpflichten zielen, sind formfrei (§ 2 Rdnr. 84). Formfrei ist demgemäß auch ein Projektvertrag, der nicht die Verpflichtung zur Errichtung der GmbH umfasst (Rdnr. 9). Ist der Vorvertrag formnichtig, so kann die Wirksamkeit solcher formfreier Nebenabreden nach § 139 BGB beurteilt werden. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage des Schadensersatzes bei Nichteinhaltung formnichtiger Gründungszusagen (vgl. Rdnr. 8). c) Das Gründungsvorvertragsverhältnis endet bei einem zeitlich begrenzten Vorvertrag mit Ablauf der vereinbarten Zeit (ein ernsthaftes Erfüllungsverlangen kann fristwahrend wirken). Das Vorgründungsvertragsverhältnis endet außerdem mit der Erreichung oder Vereitelung des gemeinsamen Zwecks (§ 726 BGB). Wann der gemeinsame Zweck erreicht ist, hängt von den vereinbarten Vertragspflichten ab. Sofern sich die Vertragspflichten in der Gründung der GmbH erschöpfen, beendet nicht erst die Eintragung der GmbH, sondern schon deren Errichtung das Vorgründungsvertragsverhältnis (Rdnr. 19)3. Dies muss als die Regel gelten4. Unmöglichkeit der Zweckerreichung setzt grundsätzlich objektive Unmöglichkeit voraus. Ob die vorvertragliche Verpflichtung eines Beteiligten mit dessen Tod endet (§ 727 BGB), hängt vom Einzelfall ab5. Eine Liquidation dieser reinen Innengesellschaft findet nicht statt (Rdnr. 19). Besondere Pflichten, die wirksam bleiben sollen, werden dann i.d.R. als Nebenpflichten des GmbH-Vertrages vereinbart. Der Vorvertrag kann für die ergänzende Auslegung des GmbH-Vertrages bedeutsam bleiben. Loyalitätspflichten, die sich aus dem Vorvertragsverhältnis ergeben haben, können fortbestehen. Ausnahmsweise kann auch das Vorgründungsvertragsverhältnis neben der errichteten GmbH fortbestehen (vgl. dazu auch Rdnr. 19)6. Ein Recht zu jederzeitiger ordentlicher Kündigung nach § 723 Abs. 1 BGB besteht i.d.R. nicht7. Möglich ist aber eine außerordentliche Kündigung8, z.B. bei unzumutbarer Verzögerung der Gesellschaftserrichtung9. Die durch den Vorvertrag gebildete rein schuldrechtliche Innengesellschaft lebt noch nicht nach dem Recht der künftigen 1 A.M. anscheinend BGH, NZG 2002, 725, 727. 2 Richtig Priester, GmbHR 1995, 483 f.; krit. Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 357 f. 3 Ulmer, § 2 Rdnr. 49; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2b; Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 7; Gehrlein, DB 1996, 561; a.M. Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, S. 190; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 42; Soergel/Hadding, 11. Aufl., vor § 705 BGB Rdnr. 39. 4 Übereinstimmend Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 32; Ulmer, Rdnr. 30; a.M. Michalski, Rdnr. 10; Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 369, die unrichtig annehmen, dann müsste die Gesellschaft nach §§ 730 ff. BGB bzw. 145 ff. HGB liquidiert werden. 5 Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 35. 6 Vgl. insofern Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34. 7 Ulmer, § 2 Rdnr. 53. 8 Vgl. nur BGH, NZG 2002, 725, 727 (arglistige Täuschung). 9 Ausführlich Ulmer, § 2 Rdnr. 49; die h.M. beruft sich auf den Kapitalerhöhungsfall RGZ 87, 164.

Karsten Schmidt

|

617

13

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

GmbH. Insbesondere § 15 gilt nicht (statt dessen nur Vertragsübernahme oder Vertragsbeitritt Dritter in allseitigem Einverständnis). Möglich sind aber schon Vorverträge über künftige Geschäftsanteilsübertragungen, die richtigerweise auch schon der Form des § 15 Abs. 4 bedürfen (vgl. § 15 Rdnr. 50; a.M. für Treuhandabrede im Vorgründungsstadium BGHZ 141, 207, 213 = ZIP 1999, 925, 926 = GmbHR 1999, 707).

3. Die Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium 14

a) Betreiben die Gründer bereits im Vorgründungsstadium nach außen hin gemeinschaftlich als Mitunternehmer das von der künftigen GmbH zu betreibende Unternehmen – wovon dringend abgeraten werden muss –, so entsteht unter ihnen kraft Rechtsformzwangs eine oHG bzw., wenn kein kaufmännisches Handelsgewerbe i.S. von § 1 Abs. 2 HGB betrieben wird, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts1. Diese Gesellschaft ist eine Außengesellschaft, und sie ist weder mit der künftigen Vor-GmbH identisch (vgl. Rdnr. 20) noch mit dem etwa durch Abschluss eines Gründungsvorvertrags entstandenen Gesellschaftsverhältnis (vgl. auch § 2 Rdnr. 85 ff.)2. Mit Recht entschied deshalb RG, JW 1929, 645 m. Anm. Bing, dass diese unternehmenstragende Gesellschaft wirksam sein kann, auch wenn der Vorgründungsvertrag wegen Formmangels nichtig ist. Diese Entscheidung wird zu Unrecht als widersprüchlich kritisiert3. Es ist nichts Widersprüchliches darin, wenn die unternehmenstragende Außengesellschaft als vorhanden und wirksam, ein Vorgründungsvertragsverhältnis i.S. von Rdnr. 9 ff. dagegen nicht als vereinbart oder ein abgeschlossener Gründungsvorvertrag als unwirksam angesehen wird.

15

b) Die Trennung zwischen dem Gründungsvorvertragsverhältnis und der unternehmenstragenden Gesellschaft hilft bei der Klärung vieler schwieriger Fragen4. Die durch den Gründungsvorvertrag entstehende BGB-Innengesellschaft als solche kann nicht Trägerin von Rechten und Pflichten sein (Rdnr. 9). An ihr sind zwar in aller Regel, jedoch nicht denknotwendig, alle Gründer beteiligt (Rdnr. 10). Es kann eine Mitunternehmerschaft ohne Vorvertrag (Rdnr. 14) und auch umgekehrt ein Vorgründungsvertragsverhältnis ohne unternehmerische Tätigkeit bestehen. Ist beides nebeneinander gegeben, so handelt es sich um unterschiedliche Rechtsverhältnisse (Rdnr. 14). Die Gesellschafter können den

1 H.M.; vgl. nur BGH, BB 1983, 1433 = NJW 1983, 2822 = GmbHR 1984, 41; BAG, DB 2006, 1146, 1147 = GmbHR 2006, 756, 757 = ZIP 2006, 1044, 1045; LG Düsseldorf, DB 1986, 958, 959 = GmbHR 1986, 235; FG Niedersachsen, GmbHR 1992, 391; Kübler/ Assmann, GesR, § 25 I 2c; Karsten Schmidt, GesR, § 11 II 2c, § 34 III 2b; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 2 Rdnr. 87; Ulmer, § 2 Rdnr. 50, 51. 2 Eingehend zur Richtigkeit der Unterscheidung Karsten Schmidt, oHG, S. 261 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 8 f.; zust. Michalski, Rdnr. 22 f.; jetzt auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; a.M. Kießling, S. 37 ff., 352 ff.; Nordhues, S. 203 ff.; Priester, GmbHR 1995, 481 ff. 3 Vgl. nur Staudinger/Keßler, 12. Aufl., vor § 705 BGB Rdnr. 118; Fischer, GmbHR 1954, 131. 4 Zust. jetzt Michalski, Rdnr. 23.

618

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Gründungsvorvertrag in diesem Fall erfüllen, indem sie entweder eine GmbH gründen und ihre Anteile an der entstandenen oHG bzw. BGB-Gesellschaft (Rdnr. 14) in diese GmbH einbringen (Sachgründung) oder indem sie die durch Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium entstandene Gesellschaft als oHG eintragen lassen und diese Gesellschaft nach §§ 190 ff. UmwG in eine GmbH umwandeln (Formwechsel).

4. Die Haftungsverhältnisse im Vorgründungsstadium a) Haftungsverhältnisse bei vorweggenommener Mitunternehmerschaft. Wird schon im Vorgründungsstadium ein Unternehmen von sämtlichen Gründern in Mitunternehmerschaft betrieben, so liegt eine oHG oder eine unternehmenstragende Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor (Rdnr. 14). Wird in diesem Fall unternehmensbezogen kontrahiert, so wird diese Gesellschaft Vertragspartnerin. Wer unternehmensbezogene Rechtsgeschäfte abschließt, handelt im Namen des wahren Unternehmensträgers, ohne dass es auf dessen richtige Bezeichnung ankommt1. Die im Vorgründungsstadium mitunternehmerisch handelnden Gesellschafter verpflichten im Zweifel die oHG (bzw. die Gesellschaft bürgerlichen Rechts) und ihre persönlich haftenden Gesellschafter, auch wenn dem Anschein nach im Namen einer „GmbH in Gründung“ kontrahiert wurde. Richtig heißt es bei BGHZ 91, 148, 152 = BB 1984, 1315, 1316 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316, 317, es handele sich dann um einen der im Geschäftsleben vielfältig vorkommenden Fälle, in denen der Rechtsträger des Unternehmens, für das gehandelt wird, lediglich falsch bezeichnet ist2. Vertreten wird dann nach der Terminologie des BGH in Wahrheit „die Vorgründungsgesellschaft“3. Die durch den Gründungsvorvertrag entstehende BGB-Gesellschaft (Rdnr. 9) kann allerdings als bloße Innengesellschaft überhaupt nicht vertreten werden, aber vertreten wird die neben dem Gründungsvorvertrag bestehende Außengesellschaft (Rdnr. 14 f.). Hinsichtlich der Haftungskonsequenzen ist dem BGH deshalb zuzustimmen. Auch aus gesetzlichen Schuldverhältnissen (Delikt, UWG, ungerechtfertigte Bereicherung, Gewerbesteuer etc.) kann die oHG oder GbR bereits haften. Daneben haften die Gründer für die Unternehmensverbindlichkeiten unbeschränkt, sofern nicht mit den einzelnen Gläubigern abweichende Vereinbarungen getroffen werden4. Die unbeschränkte Gesellschafterhaftung ergibt sich aus § 128 HGB, im Fall eines nicht-kaufmännischen Unternehmens aus analoger Anwendung des § 128 HGB auf die in diesem Fall bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts5. Eine Haftung der Handelnden nach § 11 Abs. 2 greift daneben nicht ein (Rdnr. 18).

1 Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 III 1. 2 Bestätigend BGH, GmbHR 1992, 164. 3 In gleicher Richtung BGH, GmbHR 1998, 633, 634 = NJW 1998, 1645 = NZG 1998, 382 m. Anm. v. Reinersdorff = ZIP 1998, 646, 647. 4 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1998, 616; über Belehrungspflichten des Notars vgl. Jäger, MDR 1996, 657. 5 So jetzt auch Michalski, Rdnr. 29; die entsprechende Anwendung des § 128 HGB auf die persönliche Haftung von BGB-Außengesellschaften ist gesichert seit BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056.

Karsten Schmidt

|

619

16

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

17

b) Sonstiges Handeln im Vorgründungsstadium. Wird das Unternehmen nicht oder noch nicht in Mitunternehmerschaft von den Gründern betrieben, wurde aber schon „im Namen der Gesellschaft“ gehandelt, so muss zunächst gefragt werden, ob der für die Gründer Handelnde als Vertreter der künftigen VorGmbH und GmbH (dann § 11 GmbHG) oder im Namen einer angeblich schon vorhandenen, in Wahrheit noch inexistenten, (Vor-)GmbH (dann §§ 177, 179 BGB) oder im Namen der Gründungsbeteiligten oder im eigenen Namen auftrat1.

17a

aa) Deckt der Handelnde die Verhältnisse auf, teilt er also dem Geschäftspartner mit, dass die Gesellschaft noch nicht errichtet ist, so kann er im eigenen Namen handeln2. In diesem eher seltenen Fall sind die Rechtsfolgen einfach, denn der Handelnde verpflichtet sich selbst und nur sich selbst. Ein Handeln im eigenen Namen liegt auch vor, wenn ein Gründungsbeteiligter ein Unternehmen, das in die künftige GmbH eingebracht werden soll, z.B. als einzelkaufmännisches Unternehmen, führt und – unter welcher Bezeichnung auch immer (vgl. Rdnr. 30) – unternehmensbezogene Geschäfte abschließt3. Selbst wenn dieser Gründungsbeteiligte für Rechnung der künftigen Gesellschaft handeln will, dies aber nicht durch eine aufschiebende Bedingung verdeutlicht, berechtigt und verpflichtet er sich im Außenverhältnis selbst4.

17b

bb) Gesamtschuldnerische Verpflichtung. Schließen mehrere Gründungsbeteiligte oder schließt ein Bevollmächtigter in ihrem Namen einen Vertrag ab, der schon vor der Errichtung der GmbH wirksam sein soll, so verpflichten sich die Gründungsbeteiligten im Zweifel selbst als Gesamtschuldner nach § 427 BGB5. Beispielsweise haften die Gründer und nicht die künftige GmbH, wenn die Gründer einen Maklervertrag abschließen, der der künftigen GmbH den Erwerb eines Grundstücks ermöglichen soll6.

17c

cc) Im Namen der künftigen (Vor-)GmbH wird gehandelt, wenn vereinbart wird, dass der Vertrag erst die gegründete oder eingetragene GmbH berechtigen und verpflichten soll7; da diese Gesellschaft noch nicht wirksam vertreten wer-

1 Eingehend Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2c. 2 Vgl. auch BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = NZG 1998, 382 m. Anm. v. Reinersdorff = ZIP 1998, 646; OLG Koblenz, NZG 2003, 32 = GmbHR 2002, 1239; OLG Stuttgart, NJW-RR 1992, 994 = WM 1993, 33: bei Eigeninteresse des Handelnden (Gründers). 3 Vgl. OLG Düsseldorf, BB 1987, 1624 = GmbHR 1987, 430; OLG Karlsruhe, GmbHR 1988, 482, 483. 4 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1998, 615 zu BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = ZIP 1998, 646; vgl. auch OLG Hamm, GmbHR 1993, 105 (Einpersonengründung). 5 Wie hier jetzt Michalski, Rdnr. 33; im Ergebnis richtig deshalb BGH, LM Nr. 32 zu § 11 GmbHG = BB 1983, 1433 = GmbHR 1984, 41 = NJW 1983, 861 = ZIP 1983, 933; BGH, VersR 1996, 583 = WM 1996, 722; BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = ZIP 1998, 646; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 616 = GmbHR 1989, 335; eingehend Karsten Schmidt, GmbHR 1998, 615 f. 6 BGH, VersR 1996, 583 = WM 1996, 722. 7 OLG Stuttgart, GmbHR 2001, 200 = NZG 2001, 86.

620

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

den kann, muss sie den Vertrag gemäß § 177 BGB noch genehmigen. Vor der Errichtung bzw. Eintragung der GmbH wird dann gar keine Verbindlichkeit, also auch keine persönliche Haftung, begründet. Ein solches Handeln nur für die künftige Gesellschaft setzt Offenlegung des Sachverhalts und Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung voraus; das bloße Auftreten unter einer GmbH-Firma genügt nicht1. dd) Wer im Namen einer vorgeblich schon gegründeten „GmbH i.G.“ oder „GmbH“ handelt, ohne deren fehlende Gründung offenzulegen, haftet, da er im Namen einer nicht vorhandenen Rechtsträgerin handelt, entsprechend § 179 BGB, solange nicht die GmbH entstanden ist und das Geschäft wirksam genehmigt hat2.

17d

ee) Soll die vorhandene Gesellschaft Vertragspartnerin sein, was bei einer Innengesellschaft rechtlich nicht möglich ist, so vertritt der Handelnde die Gründungsbeteiligten im Rahmen der ihm erteilten Vertretungsmacht. Das Urteil BGH, BB 1982, 69 = GmbHR 1982, 183 = NJW 1982, 932 = WM 1981, 1300 hatte noch den Standpunkt vertreten, dass die Gründungsbeteiligten bei Offenlegung des Gründungstatbestandes den Vertragspartner in einem solchen Fall nur vorübergehend, nämlich nicht über den Zeitpunkt der Eintragung hinaus, sichern wollen. Der Vertrag könne „nicht dahin ausgelegt werden, dass sich die Haftung der Vorgründungsgesellschaft (?) und ihrer Gesellschafter über die Eintragung der GmbH hinaus erstrecken sollte“. Den Vorzug verdient der strengere Standpunkt bei BGH, LM Nr. 32 zu § 11 GmbHG = BB 1983, 1433 = GmbHR 1984, 41 = NJW 1983, 2822 = WM 1983, 861 = ZIP 1983, 933: „Eine rechtsgeschäftliche persönliche Haftung der GmbH-Gesellschafter für Verbindlichkeiten, die sie vorweg für die erst noch zu gründende GmbH eingegangen sind, endet mit Gründung oder Eintragung der GmbH im Handelsregister nur, wenn das mit dem Gläubiger so vereinbart ist; eine solche Vereinbarung muss der Haftungsschuldner beweisen.“ Dieser Standpunkt entspricht heute der h.M.3. Auch die Genehmigung eines unter Verwendung ihrer Firma, jedoch nicht aufschiebend bedingt vereinbarten Rechtsgeschäfts durch die später gegründete oder sogar eingetragene GmbH lässt eine im Vorgründungsstadium entstandene persönliche Haftung nicht entfallen4.

17e

1 Charakteristisch BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = ZIP 1998, 646: Kauf einer Maschine im Namen einer noch nicht gegründeten GmbH; OLG Hamm, NJWRR 1989, 616 = GmbHR 1989, 335: Mietvertrag im Namen der noch nicht errichteten „S & B GmbH“ verpflichtet „die Vorgründungsgesellschaft“. 2 OLG Koblenz, NZG 2003, 32 = GmbHR 2002, 1239; Ulmer, § 2 Rdnr. 51; missverständlich, aber wohl in gleicher Richtung Michalski, Rdnr. 39 (wo die Voraussetzung, dass die fehlende Errichtung einer GmbH nicht offengelegt ist, nicht deutlich wird). 3 Zustimmend OLG Hamm, GmbHR 1993, 105; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2c; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 38; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33a; Ulmer, § 2 Rdnr. 51; Kort, DStR 1991, 1319 f.; s. auch BGH, GmbHR 1992, 164; DStR 1996, 1015 m. Anm. Goette; BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = ZIP 1998, 646; OLG Düsseldorf, BB 1987, 1624 = GmbHR 1987, 430; OLG Karlsruhe, GmbHR 1988, 482. 4 BGH, GmbHR 1998, 633 = NJW 1998, 1645 = ZIP 1998, 646.

Karsten Schmidt

|

621

§ 11 18

Rechtszustand vor der Eintragung

c) Keine Handelndenhaftung. Es gibt im Vorgründungsstadium keine Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 21. Dies war bis 1984 der Standpunkt der Minderheit2. Die damals ganz h.M. bejahte eine Anwendung des § 11 Abs. 2, sofern nur die GmbH schon „im Keim“ vorhanden sei und schon „greifbare Ansätze“ für die Gründung vorlägen3. Demgegenüber hat BGHZ 91, 148 = GmbHR 1984, 316 = NJW 1984, 2164 = JZ 1984, 943 m. Anm. John richtig entschieden: „Die in § 11 Abs. 2 GmbHG bestimmte Haftung dessen, der für eine noch nicht in das Handelsregister eingetragene GmbH handelt, greift nicht ein, solange nicht der Gesellschaftsvertrag oder die Errichtungserklärung des einzigen Gesellschafters notariell beurkundet worden ist; die bisherige Rechtsprechung, die Handlungshaftung könne auch schon im Vorgründungsstadium entstehen, wird aufgegeben.“ Der II. Zivilsenat hat die damit vollzogene Änderung seiner Praxis später bekräftigt4. Der BGH hat die Änderung seiner Rechtsprechung damals mit der Erwägung begründet, die Handelndenhaftung solle sicherstellen, dass neben der nur beschränkten Haftung der Gesellschafter einer Vorgesellschaft wenigstens eine verantwortliche Person unbeschränkt hafte. Dieser Begründung wurde hier schon in der 8. Aufl. widersprochen. Heute ist sie so überholt wie die damals vom BGH noch zugrundegelegte Prämisse, wonach die Gesellschafter einer Vorgesellschaft wirklich, wie es der BGH seinerzeit annahm, nur beschränkt hafteten (dazu Rdnr. 77 ff.). Aber unabhängig von dieser verfehlten Begründung ist dem BGH zuzustimmen, denn der bei Rdnr. 92 f. dargelegte Normzweck des § 11 Abs. 2 passt nur, wenn der Handelnde im Namen einer gegründeten, aber noch nicht eingetragenen GmbH auftritt. Im Vorgründungsstadium besteht für die Haftung weder Bedürfnis noch Rechtfertigung: Kontrahiert der Handelnde im eigenen Namen, so verpflichtet er sich selbst; kontrahiert er im Namen der Gründer, so verpflichtet er diese als Gesamtschuldner (§ 427 BGB), wenn er Vertretungsmacht hat (§ 164 BGB), sonst sich selbst (§ 179 BGB); kontrahiert er im Namen der noch einzutragenden künftigen GmbH, so entsteht keine persönliche Haftung, aber dies setzt voraus, dass er die tatsächlichen Verhältnisse aufdeckt (vgl. zu diesen Varianten Rdnr. 17a–17e)5.

1 BGHZ 91, 148 = GmbHR 1984, 316 = NJW 1984, 2164 = JZ 1984, 943 m. Anm. John; BGH, WM 1985, 479; DStR 1996, 1015 m. Anm. Goette; OGH Wien, NZG 1998, 595 = ecolex 1998, 636 m. Anm. Fantur; OLG Hamburg, BB 1987, 505 = GmbHR 1987, 477 = NJW-RR 1987, 811; OLG Stuttgart, GmbHR 2001, 200 = NZG 2001, 86; LG Düsseldorf, DB 1986, 958, 959; Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 40; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 109; Ulmer, Rdnr. 30, 131; Kappet, S. 110 ff.; Kort, DStR 1991, 1319; bestätigend auch BGH, WM 1985, 479; krit. Kießling, S. 393; Nordhues, S. 221 ff.; Koppensteiner, GmbHG, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 7. 2 Karsten Schmidt, oHG, S. 266 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 8; Hachenburg/Ulmer, 7. Aufl., Rdnr. 20. 3 RGZ 122, 172, 174 (dazu W. Schmidt, Lion und Abraham, JW 1929, 648 und 1372); BGH, LM Nr. 11 zu § 11 GmbHG = JZ 1963, 63; LM Nr. 25 = NJW 1980, 287; BGH, LM Nr. 30 zu § 11 GmbHG = NJW 1982, 932; zust. bis 1984 die ganz überwiegende Literatur. 4 BGH, WM 1985, 479; BGH, DStR 1996, 1015 m. Anm. Goette. 5 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1998, 615; zur Haftung nach § 179 BGB LAG Köln, GmbHR 1988, 341 = DB 1988, 864.

622

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

5. Der Einfluss der Errichtung und Eintragung der GmbH auf die Rechtsverhältnisse aus dem Vorgründungsstadium a) Beendigung des Vorgründungsstadiums. Mit der Errichtung der (Vor-)GmbH (Rdnr. 22) endet das Vorgründungsstadium, und das Gründungsstadium beginnt (Rdnr. 21 ff.). Das im Fall eines wirksamen Gründungsvorvertrags entstandene Innen-Gesellschaftsverhältnis wird i.d.R. durch Zweckerreichung aufgelöst (§ 726 BGB), wenn die Satzung errichtet und dadurch eine Vor-GmbH entstanden ist (vgl. Rdnr. 13). Eine Liquidation ist überflüssig, weil der GründungsVorvertrag kein Gesellschaftsvermögen und keine Außenbeziehungen begründet (Rdnr. 9)1. Soweit unter den Gründen bereits ein Gesellschaftsvermögen gebildet wurde – der Hauptfall ist der der Mitunternehmerschaft im Vorgründungsstadium (Rdnr. 14) – kann dessen Auseinandersetzung geboten sein2, doch ist dies keine Liquidation der durch den Gründungsvorvertrag entstandenen Innengesellschaft. Diese kommt einfach als Schuldvertrag zur Beendigung. Alle Pflichten, die sich in dem gemeinsamen Zweck der Gesellschaftserrichtung erschöpfen, gehen unter. Etwa weiter vereinbarte Pflichten – z.B. ein Wettbewerbsverbot oder die Pflicht, eine Erfindung voranzutreiben oder ein Unternehmen zu erwerben – werden i.d.R. jetzt in den GmbH-Vertrag aufgenommen (vgl. auch zur ergänzenden Vertragsauslegung Rdnr. 13). Nur soweit solche Pflichten aus dem Vorvertrag neben der GmbH fortbestehen sollen, treten beide Vertragsverhältnisse – GmbH-Satzung und Vorgründungsvertrag – nebeneinander (vgl. auch hierzu Rdnr. 13).

19

b) Keine Identität mit der (Vor-)GmbH. Die Vorgründungsgesellschaft kann nicht mit der Vor-GmbH und mit der später eingetragenen GmbH identisch sein3. Das gilt sowohl für ein durch Gründungsvorvertrag entstandenes (Innen-) Gesellschaftsverhältnis (Rdnr. 9) als auch für eine durch vorweggenommene Mitunternehmerschaft entstandene (Außen-)Gesellschaft (Rdnr. 14). Leistungen, die die Gründer zu Gunsten der Vorgründungsgesellschaft erbracht haben, befreien sie nicht von ihren Einlagepflichten gegenüber der (Vor-)GmbH4. Treffend heißt es bei BGHZ 91, 148, 151 = BB 1984, 1315, 1316 = GmbHR 1984, 316, 317 = NJW 1984, 2164 = WM 1984, 929, dass nach heutiger Sicht keine Kontinuität zwischen der Vorgründungsgesellschaft einerseits und der VorGmbH bzw. der später eingetragenen GmbH anderseits besteht. Es können keine Rechte und Pflichten der Vorgründungsgesellschaft auf die spätere GmbH übergehen (ebenso § 2 Rdnr. 89a)5. Die Gründer können solche Rechte und

20

1 A.M. Ulmer, § 2 Rdnr. 50: Abwicklung, wenn Gesellschaftsvermögen gebildet wurde; ebenso Priester, in: MünchHdb. III, § 15 Rdnr. 43; vollends unrichtig Michalski/Sixt, in: FS Boujong, S. 369. 2 Nur dies meinen die soeben genannten Gegenstimmen. 3 BGHZ 91, 148, 151 = BB 1984, 1315, 1316 = NJW 1984, 2164 = WM 1984, 929 = GmbHR 1984, 316, 317; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33b; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Kappet, S. 118 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 2b; Karsten Schmidt, GmbHR 1982, 8; a.M. Kießling, S. 352 ff. 4 Vgl. OLG Köln, ZIP 1989, 238; s. auch Kort, DStR 1991, 1320. 5 BGHZ 91, 148, 152 = NJW 1984, 2164, 2165 = GmbHR 1984, 316; BGH, GmbHR 1998, 633, 634 = NJW 1998, 1645; BGH, GmbHR 2001, 293 = NZG 2001, 561; OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 216; OLG Brandenburg, OLG-NL 2005, 56, 66.

Karsten Schmidt

|

623

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Pflichten nur durch Einbringungsgeschäfte auf eine (Vor-)GmbH überführen, z.B. auch konkludent durch Fortführung eines „Gesellschaftskontos“ bei der Bank1. Auch der Firmenschutz der eingetragenen GmbH reicht nicht ohne weiteres – d.h. nur im Fall des derivativen Erwerbs eines in die Gesellschaft mit Firma eingebrachten Unternehmens – in das Vorgründungsstadium zurück2. Eine im Vorgründungsstadium begründete persönliche Haftung der Gründer (Rdnr. 16–18) endet nicht mit der Gründung oder Eintragung der GmbH3 und auch nicht mit deren bloßer Genehmigung. Enthaftend wirkt nur ein Verzicht oder Erlass seitens des Gläubigers oder die Zustimmung zu einer befreienden Schuldübernahme seitens der (Vor-)GmbH4. Da es sich um eine Eigenhaftung des Gründers und nicht um eine Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten der GmbH handelt, kommt § 13 Abs. 2 nicht zum Zuge.

III. Die Vorgesellschaft als Rechtsträgerin und als Organisation 1. Begriff, Rechtsnatur und Gesellschaftszweck 21

a) Begriff und Entstehung. aa) Als Vor-GmbH (oder: Vorgesellschaft) bezeichnet man die errichtete, aber noch nicht eingetragene GmbH, also die GmbH im Gründungsstadium. Der Status der GmbH als Vorgesellschaft beginnt mit dem Abschluss und Wirksamwerden des Gesellschaftsvertrages (§§ 2 f.) und endet, sofern nicht die Vor-GmbH umgewandelt oder liquidiert oder ihre Eintragung rechtskräftig abgelehnt wird, mit der Eintragung der GmbH im Handelsregister (§ 10). Das Gründungsstadium und damit der Status der VorGmbH umfasst den gesamten von § 11 beschriebenen Zeitraum bis zur Eintragung. Soweit der Registeranmeldung Bedeutung für die Haftung zukommt (Rdnr. 126), braucht nicht deshalb ein neues Gesellschaftsstadium erfunden zu werden5. Das Stadium der Vorgesellschaft ist ein notwendiges Stadium jeder GmbH, die durch Gründung – nicht durch Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG – zu Stande kommt (vgl. zum Umwandlungsrecht Rdnr. 22). Der Begriff der Vorgesellschaft setzt nicht mehr voraus als die Errichtung einer GmbH gem. §§ 1 ff. Vielfach wird noch betont, dass die Gesellschafter außerdem die Absicht haben müssen, die Gesellschaft in das Handelsregister eintragen zu lassen6. Dieser Wille ist aber in der Errichtung der GmbH notwendig enthalten und wird – im Gegensatz zu § 57 Abs. 1 BGB – nicht besonders in die Satzungsurkunde aufgenommen. Es handelt sich also nicht um ein eigenständiges Merkmal der Vor-GmbH. Nicht das Fehlen der Eintragungsabsicht, sondern nur ihr nachträglicher Fortfall ist von praktischem Interesse (dazu Rdnr. 143).

22

bb) Die Vorgesellschaft entsteht durch förmlichen Abschluss des Gesellschaftsvertrags gemäß §§ 2 ff. Ob eine Bargründung oder eine Sachgründung 1 2 3 4 5 6

Vgl. OLG Hamm, GmbHR 1997, 602. Vgl. LG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 874. BGH, GmbHR 2001, 293 = NZG 2001, 561; Kappet, S. 122 ff. Vgl. Kappet, S. 125 ff. A.M. Baumann, JZ 1998, 597 ff.: vor der Anmeldung nur „GmbH in Anwartschaft“. Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29.

624

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

vorliegt, macht keinen Unterschied. Die Rechtsgrundsätze über fehlerhafte Gesellschaften finden Anwendung1. Im Fall der Umwandlung ist zu unterscheiden: Der Formwechsel eines Rechtsträgers in die Rechtsform der GmbH (§§ 190 ff. UmwG) lässt keine interimistische Vorgesellschaft entstehen2. Anderes gilt nach h.M. für die Überführung eines Gesellschaftsvermögens auf eine als Rechtsträgerin neu entstehende GmbH im Fall der Verschmelzung durch Neugründung (§§ 36 ff. UmwG) und der Spaltung zur Neugründung (§ 123 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2, §§ 135 ff. UmwG)3, denn dies ist der Sache nach eine vereinfachte Sachgründung. Rechtsfolgen, insbesondere Haftungsfolgen hat diese Annahme allerdings i.d.R. nicht (Rdnr. 100), denn es wird nicht im Namen der Vorgesellschaft gehandelt4. Kaum diskutiert worden ist bisher die Frage, ob ein Vor-e.V. oder eine Vorgenossenschaft durch Vertragsänderung in eine Vor-GmbH umgewandelt werden kann, wenn der schon errichtete Verband als GmbH eingetragen werden soll. Diese Frage sollte bejaht werden5. Sie hilft, wenn ein bereits errichteter Rechtsträger in einer anderen als der zunächst vereinbarten und zur Eintragung angemeldeten Rechtsform eingetragen werden soll (z.B. weil die Eintragung als e.V. verweigert wurde6), über den Liquidationszwang und über den numerus clausus des § 1 UmwG hinweg7. Nach den bei Rdnr. 47 f. zur Satzungsänderung entwickelten Grundsätzen sind zwei Varianten der Umwandlung im Stadium der Vor-GmbH möglich: die durch allseitigen Vertrag aller Gesellschafter mit Sofortwirkung vollzogene Umwandlung der Vor-GmbH z.B. in eine Vor-AG oder Vor-Genossenschaft und die auf den Zeitpunkt der Eintragung aufschiebend bedingte Umwandlung durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss8. cc) Keine Vorgesellschaft ist die im Handelsregister eingetragene Vorrats- oder Mantelgesellschaft. In den Beschlüssen BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 und BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198 hat der BGH die Verwendung solcher Vorrats- bzw. Mantelgesellschaften für Zwecke der Unternehmensträgerschaft als „wirtschaftliche Neugründung“ dem Gründungsrecht unterworfen (dazu § 3 Rdnr. 27 ff., 37 ff.). Gegen diese Rechtsprechung bestehen Bedenken grundsätzlicher Art (vgl. zur Gesellschafterhaftung Rdnr. 75, 125; zur Handelndenhaftung Rdnr. 99)9.

23

b) Rechtsnatur der Vor-GmbH. aa) Streitstand. Die Rechtsnatur ist bis heute umstritten, jedoch hat sich ein wesentlicher Teil der Streitfragen erledigt. Äl-

24

1 Vgl. RG, JW 1941, 1080; BGHZ 13, 320, 324; Ulmer, § 2 Rdnr. 92 f. 2 BGH, NJW-RR 1999, 1554, 1555 = GmbHR 1999, 612. 3 Vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 4 Rdnr. 17; Winter, in: Lutter, UmwG, § 56 Rdnr. 7; Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 135 Rdnr. 75; Ihrig, GmbHR 1995, 633; Dieter Mayer, DB 1995, 862; s. auch BGH, NJW-RR 1999, 1554, 1555 = GmbHR 1999, 612; a.M. noch Vossius, in: Widmann/Mayer, UmwG, § 131 Rdnr. 18; vgl. auch zur formwechselnden Umwandlung früheren Rechts Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 79. 4 Vgl. BGH, NJW-RR 1986, 115 = WM 1985, 1364 = GmbHR 1986, 225. 5 Karsten Schmidt, in: FS Zöllner, S. 529 ff.; zust. Michalski, Rdnr. 71. 6 Karsten Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984, S. 309 ff. 7 Karsten Schmidt, in: FS Zöllner, 1998, S. 534. 8 Karsten Schmidt, in: FS Zöllner, 1998, S. 527 ff., 538. 9 Vgl. Priester, ZHR 168 (2004), 248 ff.; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 ff.

Karsten Schmidt

|

625

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

tere Stimmen sahen die Vorgesellschaft als einen nichtrechtsfähigen Verein1 oder als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts2 an. Heute herrscht die auf Otto Schreiber und Hans Erich Feine zurückgehende Auffassung vor, es handele sich bereits um eine Vorstufe der fertigen GmbH, um eine Gesellschaft, die bereits dem Recht der GmbH unterliegt, soweit dieses nicht die Eintragung voraussetzt3. Die Vorgesellschaft gilt als Rechtsform sui generis4. Der Bundesgerichtshof5 bezeichnet die Vorgesellschaft als „notwendige Vorstufe zur juristischen Person“ (dem wird hier zugestimmt) und als ein „Rechtsgebilde mit einer zeitlich und sachlich eng begrenzten Aufgabenstellung“ (dem wird hier widersprochen; vgl. zum Zweck der Vorgesellschaft Rdnr. 26 f.). Im Einzelnen ist die Rechtsstruktur der Vor-GmbH immer noch ohne letzte Klärung. Das kann deshalb nicht verwundern, weil die Verselbständigung der Gesellschaft vor ihrer Eintragung vom historischen Gesetzgeber abgelehnt wurde, eine Einordnung in die geläufigen Modelle der juristischen Person oder der Gesamthandsgesellschaft also nicht als eine gesetzgeberische Aufgabe erkannt werden konnte. Nach h.M. handelt es sich, da noch keine GmbH als juristische Person bestehe, um eine Gesamthandsgesellschaft6. Die Eintragung einer GmbH, die nach Abs. 1 zuvor nicht „als solche“ bestand, hätte hiernach den Effekt eines Formwechsels von der Gesamthand in die Rechtsform der juristischen Person. Diese Deutung der Vorgesellschaft hat nicht nur bei der Anerkennung der Einpersonen-Vorgesellschaft unberechtigte Schwierigkeiten bereitet (Rdnr. 146 f.), sondern sie wirkt sich auch bei der rechtlichen Behandlung der Vor-GmbH insgesamt störend aus. So soll es z.B. vor der Eintragung noch keine übertragbaren Geschäftsanteile geben (dazu Rdnr. 41). Die Einordnung der Vorgesellschaft als Gesamthand müsste auch zu dem Ergebnis führen, dass die errichtete bzw. sogar schon angemeldete GmbH erlischt, wenn es vor der Eintragung zu einem gewollten oder ungewollten Zusammenfallen der Anteile, z.B. durch Erbgang,

1 Schultze-v. Lasaulx, in: FS Olivecrona, S. 605 ff.; Paul, NJW 1947/48, 417 ff.; Bayer, JZ 1952, 551 f.; Haberkorn, BB 1962, 1411; vgl. seither noch Beuthien, ZIP 1996, 307. 2 RGZ 58, 56; 82, 290; 105, 229; 151, 91; LAG Bremen, DB 1979, 407; Brodmann, Anm. 1a; Liebmann/Saenger, Anm. 1; Franz Scholz, JW 1938, 3149 m.w.N. 3 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; BGHZ 45, 338, 347 = NJW 1966, 1311, 1313; BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509; BGHZ 72, 45, 48 f. = NJW 1978, 1978, 1979; BGHZ 80, 129, 132 = NJW 1981, 1373, 1374; BAG, NJW 1963, 680; BAG AP Nr. 2 zu § 11 GmbHG m. Anm. Rittner/Krell = NJW 1973, 1904; Schaffner, S. 157 ff. („Gesellschaft sui generis“); Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4 ff. („Gesellschaft sui generis“); Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 39 („Rechtsform eigener Art“); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13; Ulmer, Rdnr. 10; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 98; Hueck, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 146; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 148 f.; Fleck, GmbHR 1983, 7. 4 BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509 = GmbHR 1969, 80; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Michalski, Rdnr. 43. 5 BGHZ 117, 323, 326 = NJW 1992, 1824 = GmbHR 1992, 451; BGH, NJW 1983, 2822 = BB 1983, 1433 = GmbHR 1984, 42; Konzeptionslosigkeit wird der h.M. vorgeworfen bei John, Rechtsperson, S. 309 ff. 6 BGH, WM 1980, 955, 956; Kießling, S. 104 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 38; Ulmer, Rdnr. 41, 59; s. auch Beuthien, ZIP 1996, 307 (nichtrechtsfähiger Wirtschaftsverein als Gesamthand).

626

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

kommt. Nun ist nicht zu bestreiten, dass es zwischen der Vorgesellschaft und der fertigen GmbH Unterschiede in der Vermögens- und Organisationsverfassung geben kann; aber es ist problematisch, dies mit der „Rechtsnatur“ der Gesellschaft in Verbindung zu bringen. Auch ist es richtig, dass die Vorgesellschaft, wenn sie trotz gescheiterter oder aufgegebener Eintragungsabsicht fortgeführt wird, zur Personengesellschaft werden kann (Rdnr. 143); aber darum muss sie noch nicht selbst eine Gesamthand sein, vielmehr beruht umgekehrt der Übergang in die Personengesellschaft in diesen Fällen auf einer Rechtsformverfehlung. Schließlich hilft es auch wenig, aus Abs. 1 die Notwendigkeit von Strukturunterschieden zwischen der Vorgesellschaft und der eingetragenen GmbH herzuleiten1, denn das Rechtsinstitut der Vorgesellschaft resultiert aus einer Auflehnung von Praxis und Lehre gegen den aus Abs. 1 sprechenden Willen des historischen Gesetzgebers (vgl. Rdnr. 4 f.). Diese Entwicklung gestattet es, dem Willen der Gründer, eine Körperschaft zu errichten, schon vor der Eintragung Rechnung zu tragen2. Die Vorgesellschaft als werdende juristische Person ist bereits eine Körperschaft3. Aus dem Gegensatz zwischen „juristischer Person“ und „Gesamthand“ dürfen keine generalisierenden Folgerungen abgeleitet werden4. bb) Das Verhältnis zwischen Vorgesellschaft und eingetragener GmbH. Die Vorgesellschaft ist mit der später eingetragenen GmbH identisch5. Die Frage ist gleichfalls umstritten. Sie hatte in früheren Jahren erhebliche Bedeutung, weil über zweierlei gestritten wurde: darüber, ob die Gesellschaft schon vor der Eintragung als Rechtsträgerin anzuerkennen ist (dazu Rdnr. 27 ff.), und darüber, ob Rechte und Pflichten von der Vorgesellschaft automatisch auf die fertige GmbH „übergehen“ oder ob es hierfür eines Rechtsgeschäfts der GmbH bedarf (dazu Rdnr. 133 ff.). Die sog. Identitätstheorie6 suchte den automatischen Übergang apriorisch aus der Identität der Gesellschaften abzuleiten. Das war methodisch bedenklich7. Vor allem musste zuvor der Streit um das Vorbelastungsverbot 1 So aber Ulmer, Rdnr. 12. 2 A.M. Ulmer, Rdnr. 12; zur Einpersonen-Vorgesellschaft ebd., Rdnr. 24; diese Auffassung setzt, ähnlich wie die Terminologie des 19. Jahrhunderts, die Begriffe „Körperschaftsbildung“ und Bildung einer „juristischen Person“ weitgehend gleich. 3 Vgl. Rittner, S. 142 ff., 331 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2, § 34 III 3; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 41 Rdnr. 42; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 79; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 61: „Sondervermögen eigener Art“; distanziert gegenüber dem hier vertretenen Standpunkt dann aber ebd. Rdnr. 74. 4 S. auch Theobald, S. 10; insoweit auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 61, 74. 5 Vgl. BFHE 109, 190; BFH, BStBl. 1993 II 352 = NJW 1993, 1222; Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2c; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 111; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; relativierend Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; a.M. Ulmer, Rdnr. 12 (s. aber Rdnr. 90); Hueck, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 148 ff. 6 Feine, in: Ehrenbergs Hdb. III/3, 1929, S. 201 ff.; Dregger, S. 50 ff., 63 ff.; Dilcher, JuS 1966, 92 ff. 7 Vgl. Büttner, S. 128 ff.; Flume, in: FS Geßler, S. 25 f.; Rittner, S. 105; Karsten Schmidt, oHG, S. 261 ff.; Ulmer, in: FS Ballerstedt, S. 286; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15.

Karsten Schmidt

|

627

25

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

(Rdnr. 36 ff.) wertungsmäßig entschieden und nicht durch die Identitätskonstruktion ausgeblendet werden. Heute, nachdem der automatische „Übergang“ unter Berücksichtigung aller in Frage stehenden Interessen als geklärt gelten kann, darf man dieses Ergebnis mit der Formel der Identitätstheorie verallgemeinern1: Es besteht Identität im Sinne vollständiger Kontinuität der Rechtsverhältnisse (Rdnr. 38)2. Im Augenblick der Eintragung setzt sich die Gesellschaft unter Einschluss aller Mitgliedschaftsrechte und aller Aktiva und Passiva als GmbH fort (vgl. Rdnr. 132 ff.). Diese nunmehr abgesicherte Identitätsformel vereinfacht eine ganze Reihe sonst unnötig komplizierter Fragen. 26

c) Der gemeinsame Zweck der Vorgesellschaft. aa) Meinungsstreit. Der Gesellschaftszweck ist nicht auf die Gründung beschränkt, sondern er ist bereits deckungsgleich mit dem Zweck der späteren GmbH3. Diese umstrittene Frage hat Auswirkungen vor allem auf den Handlungsrahmen der errichteten GmbH, insbesondere auf die Geschäftsführung (Rdnr. 49 f.) und Vertretung (Rdnr. 63 f.). Als körperschaftliche Organisation und werdende (Rdnr. 24), mit der späteren GmbH identische (Rdnr. 25) juristische Person hat die Vor-GmbH im Gegensatz zur Vorgründungsgesellschaft (Rdnr. 9) keinen von der einzutragenden Gesellschaft abweichenden Zweck (Ähnliches wird hier bei § 69 für das Liquidationsstadium vertreten). Anders sah es die ältere, noch vom Vorbelastungsverbot beherrschte Rechtsprechung4. Diese Sichtweise ist bis heute nicht überwunden. Immer noch herrscht die Auffassung vor, Hauptzweck oder „spezifischer“ Zweck der Vorgesellschaft sei die Vollendung des Gründungsvorgangs5. Diese Auffassung wird sogar als „lex lata“ bezeichnet, über die nicht hinweggegangen werden dürfe6. Nach dieser h.M. können die Gründer durch den Gesellschaftsvertrag oder durch einen einstimmigen Beschluss den gemeinsamen Zweck der Vorgesellschaft erweitern, insbesondere die Geschäftsführer ermächtigen, bereits Vorbereitungsgeschäfte der werbenden GmbH zu 1 Vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2c, § 11 IV 4; zum Sieg der Identitätstheorie vgl. auch Karsten Schmidt, NJW 1981, 1346; GmbHR 1987, 78; Zuflucht zu den §§ 190 ff. UmwG sucht überflüssigerweise Kießling, S. 324 ff. 2 Der Sache nach ebenso jetzt auch Ulmer, Rdnr. 89 f. mit verbleibenden Konzessionen an die frühere h.M. („nicht voll identisch, aber durch ... Kontinuität geprägt“) und mit Sonderbehandlung der Einpersonengründung (Rdnr. 95). 3 Vorsichtig in dieser Richtung schon Karsten Schmidt, oHG, S. 299; entschieden dann Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2b, § 34 III 3a; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 79; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 41 Rdnr. 51; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 10 f.; Michalski, Rdnr. 45; immer noch kritisch Ulmer, Rdnr. 12 (jedoch in Widerspruch zu Rdnr. 90); die dort kritisierte Vernachlässigung der Strukturunterschiede zwischen Gesamthand und juristischer Person ist aus der hier vertretenen Sicht kein schlagender Einwand; abgesehen von den Bedenken gegen die Gesamthandsnatur der Vorgesellschaft ist darauf hinzuweisen, dass sich dieser Einwand auch bei der Umwandlungsgesetzgebung als ein überwindbarer Hemmschuh erwiesen hat; Nachweise bei Karsten Schmidt, AcP 191 (1991), 506 ff. 4 RGZ 83, 370, 373; 105, 228, 229; 134, 121, 122; aus der Literatur besonders nachdrücklich Horn, NJW 1964, 88. 5 BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116; BayObLG, NJW 1965, 2254, 2256; Kießling, S. 75 ff.; Schumann, S. 114 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Ulmer, Rdnr. 34. 6 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 85 a.E.

628

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

tätigen1, auch bereits die werbende Tätigkeit der Vorgesellschaft selbst auf diese Weise zum gemeinsamen Zweck erheben2. Diese angebliche Zweckerweiterung kann nach BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 formlos geschehen3. Das wurde von manchen bestritten und müsste auch bestritten werden, wenn es sich wirklich um eine Zweckänderung handelte. Insbesondere bei Sachgründungen, die unter Einbringung eines Unternehmens vollzogen werden, wird die werbende Tätigkeit als vom gemeinsamen Zweck der Vorgesellschaft umfasst angesehen4. Aber diese h.M. ist immer noch zu eng. Sie verwechselt das absehbare Ziel der Gründung und den bis dahin schon zugelassenen Tätigkeitsrahmen mit dem Verbandszweck5 und mit dem Gegenstand des Unternehmens (dazu § 3 Abs. 1 Nr. 2 und Erl. zu § 3). Die Vorgesellschaft ist bereits die verfasste, wenn auch noch nicht registergerichtlich abgesegnete und haftungsrechtlich privilegierte Kapitalgesellschaft als werdende juristische Person (Rdnr. 24). Der Verbandszweck und der Unternehmensgegenstand der GmbH sind bereits vorhanden. Insbesondere die Zustimmung zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs ist keine Veränderung des Verbandszwecks, sondern nur eine Erweiterung der Geschäftsführerbefugnisse (vgl. unten Rdnr. 49 f.)6. Auch Bareinlagen muss die Gesellschaft nicht treuhänderisch für die spätere GmbH verwalten, sondern sie kann diese bereits im Rahmen ihres eigenen Zwecks für den Erwerb von Gütern oder für sonstige Geschäfte verwenden7. bb) Bedeutung. Im Wesentlichen spielt die angebliche Zweckbegrenzung der Vorgesellschaft, also der auf die Eintragung gerichtete Gesellschaftszweck, unter drei Gesichtspunkten eine Rolle und hat hier eine scheinbare Berechtigung: bei der Verpflichtung der Gründer, das für die Eintragung Erforderliche zu tun (Rdnr. 43), bei der Verpflichtung der Geschäftsführer, nicht ohne Zustimmung der Gesellschafter mit der werbenden Tätigkeit zu beginnen (Rdnr. 49 f.), und bei der Auflösung der Gesellschaft, wenn die Eintragung scheitert (Rdnr. 140). Keine dieser Rechtsfolgen braucht aber damit erklärt zu werden, dass nur die Herbeiführung der Eintragung als GmbH gemeinsamer Zweck der Vorgesellschaft ist. Vielmehr handelt es sich nur um Folgen daraus, dass sich die bereits entstandene Gesellschaft noch im Gründungsstadium befindet, was auf die Pflichten der Beteiligten und auf den Fortbestand der Gesellschaft, die nicht dauerhaft Vor-Gesellschaft bleiben darf, nicht ohne Einfluss sein kann. Mit dem konstituierenden Gesellschaftszweck hat dies nichts zu tun.

1 RGZ 58, 55, 56; 83, 370, 373; Flume, JurP, § 5 III 2; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37. 2 Theobald, S. 20. 3 Zust. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37; Karsten Schmidt, NJW 1984, 1345; Fleck, GmbHR 1983, 9; Bedenken noch bei John, BB 1982, 512; Ulmer, in: FS Ballerstedt, S. 291; Ulmer, ZGR 1981, 599 ff. 4 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 38; Ulmer, Rdnr. 37. 5 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1979, 79; zum Verbandszweck vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 4 II. 6 Wie hier Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 11. 7 Vgl. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Lutter, NJW 1989, 2649.

Karsten Schmidt

|

629

26a

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

2. Die Vorgesellschaft als Rechtsträgerin 27

a) Entgegen überkommener, aber nach heutigem Stand von Praxis und Lehre überholter, Auffassung (vgl. auch Rdnr. 5) wird die Vorgesellschaft heute als Trägerin von Rechten und Pflichten anerkannt1. Da die Gründung noch nicht beendet ist, wird die Vorgesellschaft vielfach als „teilrechtsfähig“ bezeichnet2. Das ist eine ängstliche Verdeckung der zwischen Abs. 1 und dem praktizierten Recht bestehenden Kluft. Die Rechtsprechung hat die sich aus Abs. 1 ergebenden Lücken inzwischen durch Rechtsfortbildung geschlossen3. Den entscheidenden Schritt hat nach jahrzehntelangen Vorarbeiten der Bundesgerichtshof durch sein Urteil vom 9. 3. 1981 getan (BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114). Heute kann aber die Vorgesellschaft ohne weiteres als Rechtsträgerin bezeichnet werden.

28

Die Vorgesellschaft ist damit vollwertige Rechtsträgerin. Sie hat sogleich ein Gesellschaftsvermögen, bestehend aus den Ansprüchen auf Leistung der übernommenen Stammeinlagen. Diese müssen nach § 7 jedenfalls teilweise schon an die Vorgesellschaft geleistet werden. Das Gesellschaftsvermögen steht der Gesellschaft und nicht den Gründern zu. Über die dogmatische Einordnung besteht aufgrund der unklaren Rechtsnatur der Vorgesellschaft (Rdnr. 24) ein sich aus heutiger Sicht akademisch ausnehmender Streit. Die traditionelle Sicht spricht teils von einem Gesamthandsvermögen4, teils von einem Sondervermögen5, teils orientiert sie sich an der Rechtsfigur der Teilrechtsfähigkeit (vgl. soeben Rdnr. 27). Hier genügt die Feststellung, dass eines entscheidend ist: Man muss Ernst machen mit der Vorstellung, dass bereits ein echtes Gesellschaftsvermögen vorliegt, weil die Vor-GmbH, obwohl noch nicht fertige juristische Person, bereits mit der einzutragenden GmbH zweckidentisch (Rdnr. 25 f.) und bereits Rechtsträgerin ist (Rdnr. 27).

29

b) Die Vor-GmbH kann bereits Trägerin eines Unternehmens sein6. Das war bereits früh anerkannt für den Fall, dass im Wege der Sachgründung ein Unter-

1 BGHZ 80, 129, 132 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 115; BGHZ 117, 323, 326 = NJW 1992, 1824; BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080; BayObLG, DB 1986, 106; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 44; John, Rechtsperson, S. 311 ff.; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 105; Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2b, § 34 III 3a; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 80 f.; Hueck, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 157. 2 Vgl. Büttner, S. 109 ff.; Hachenburg/Ulmer, Rdnr. 45; s. auch Rittner, S. 321 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 74 („beschränkte Rechtsfähigkeit“); Ulmer, Rdnr. 59 mit Fn. 111 (nicht „vollwertige Trägerin von Rechten und Pflichten“); zum zweifelhaften Aussagewert der Rechtsfigur der Teilrechtsfähigkeit vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 8 V 1. 3 Vgl. zur Entwicklung Rittner, S. 130 ff.; Karsten Schmidt, oHG, S. 302 ff.; krit. vor allem Schultze-v. Lasaulx, in: FS Olivecrona, S. 591 ff.; Fabricius, in: FS Kastner, S. 96. 4 BGHZ 80, 129, 135 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 115; Kießling, S. 104 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Ulmer, Rdnr. 41, 59. 5 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 61. 6 Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 I 3a; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3a; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, § 1 Rdnr. 31; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 149; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1345; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 80 m.w.N.; ausführlich M. Scholz, S. 9 f.

630

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

nehmen in die Gesellschaft eingebracht wird, das naturgemäß nicht bis zur Eintragung stillgelegt werden kann1. Heute ist die Fähigkeit der Vorgesellschaft, Trägerin eines Unternehmens zu sein, auch für den Fall der Bargründung anerkannt2. Der Verbandszweck der Vorgesellschaft deckt nicht nur den Gründungsvorgang, sondern auch den Geschäftsbetrieb der künftigen GmbH (vgl. Rdnr. 26 f.). Damit ist vor allem die ältere Lehre von der „unechten Vorgesellschaft“3 abgelehnt, soweit sie besagt, dass die Vorgesellschaft der Unternehmensträgerschaft unfähig ist und sich – je nach Art des Unternehmens – automatisch in eine oHG oder in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts verwandelt, wenn die GmbH bereits im Gründungsstadium mit dem Betrieb eines Gesellschaftsunternehmens beginnt4. Eine solche automatische Umwandlung kommt erst in Betracht, wenn die Eintragung gescheitert ist oder nicht mehr betrieben wird (Rdnr. 143). Als Trägerin eines Unternehmens kann die Vorgesellschaft auch bereits Arbeitgeberin sein5. Die Vor-GmbH kann ferner schon Kaufmann sein6. Ist sie Trägerin eines Unternehmens, so ist dies ein Unternehmen der Gesellschaft und nicht der Gesellschafter. Ob die Vorgesellschaft Kaufmann ist, richtet sich nach §§ 1 ff. HGB, so dass eine Kaufmannseigenschaft nur unter der Voraussetzung des § 1 Abs. 2 HGB in Betracht kommt; Formkaufmann nach § 13 Abs. 3 ist die Vorgesellschaft nicht7. Als solche – dh als Vorgesellschaft – wird die noch in Gründung befindliche GmbH auch nicht in das Handelsregister eingetragen (zur Eintragung als Gesellschafterin vgl. Rdnr. 32)8. Sie unterliegt aber bereits der kaufmännischen Buchführungspflicht nach §§ 238 ff. HGB, wenn sie ein Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB betreibt, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Im Hinblick auf die Bilanzkontinuität zwischen Vorgesellschaft und GmbH wird man jedoch auch in anderen Fällen die Geschäftsführer den kapitalgesellschaftsrechtlichen Rechnungslegungspflichten unterwerfen müssen9. 1 Vgl. BGHZ 45, 338, 349 f. = NJW 1966, 1311, 1314; BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509. 2 Vgl. Ulmer, Rdnr. 61; grundlegend John, Rechtsperson, S. 338. 3 Vertreten vor allem von Schultze-v. Lasaulx, JZ 1952, 390 ff.; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW 1947/48, 429; OLG Celle, NJW 1951, 36; OLG Hamburg, GmbHR 1952, 138; OLG Oldenburg, BB 1955, 713 = JR 1956, 104; BayObLG, GmbHR 1979, 14, 15; BayObLG, DB 1986, 106, 107. 4 Vgl. gegen diese herkömmliche Lehre von der unechten Vorgesellschaft BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509; Karsten Schmidt, oHG, S. 285 ff.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25; Kuhn, WM-Beilage 5/1956, S. 15 f. m.w.N. 5 Vgl. BAG, NJW 1996, 2678 (allerdings zu § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG); unrichtig OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 708. 6 Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 I 3a; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2005, § 1 Rdnr. 40; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 75 f.; Ulmer, Rdnr. 61; Karsten Schmidt, JZ 1973, 303; Karsten Schmidt, JZ 1973, 303; unrichtig OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 615, 616. 7 Karsten Schmidt, HandelsR, § 10 II 2b; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2005, § 6 Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 76; a.M. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 44. 8 BayObLG, NJW 1965, 2254, 2257; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Ulmer, Rdnr. 61; Karsten Schmidt, JZ 1973, 303. 9 Vgl. Mertens, in: Hachenburg, § 41 Rdnr. 4; Winkeljohann/Klein/Budde/Kunz, in: BeckBilKomm., § 238 HGB Rdnr. 35; Heymann/Jung, HGB, 2. Aufl. 1999, § 238 Rdnr. 8, 18.

Karsten Schmidt

|

631

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Ist die Vorgesellschaft bereits Kaufmann, so unterliegen ihre Geschäfte auch den §§ 343 ff. HGB. Betreibt sie kein unter § 1 Abs. 2 HGB fallendes oder ein sonstiges nicht unter § 1 HGB fallendes Unternehmen, so kann sich die im Handelsrecht umstrittene Frage stellen, inwieweit die §§ 343 ff. HGB trotz (noch) fehlender Kaufmannseigenschaft Anwendung finden1. 30

c) Die Vorgesellschaft hat bereits eine Firma bzw., wenn sie kein kaufmännisches Unternehmen betreibt, einen Namen2. Ihre Firma bzw. der Name ist identisch mit der gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 im Gesellschaftsvertrag enthaltenen, zum Handelsregister anzumeldenden und dem § 4 entsprechenden Firma3. Üblicherweise und korrekterweise wird sie bis zur Eintragung mit dem Zusatz „in Gründung“ (auch abgekürzt „i.G.“) versehen (§ 4 Rdnr. 62)4. Aus dem zu eng formulierten Katalog des § 19 HGB ist zu folgern, dass jeder kaufmännisch tätige Rechtsträger einen Rechtsformzusatz in der Firma bzw. als Firmenanhang führen muss. Geschieht dies nicht, so käme eine Vertrauenshaftung wegen irreführenden Firmengebrauchs in Betracht (Vortäuschung einer GmbH, die bereits eingetragen ist). In der Regel wird jedoch das Weglassen des Zusatzes „in Gründung“ i.d.R. kein besonderes Haftungsvertrauen begründen. Ohne Rücksicht auf Kausalität und Verschulden haftet allerdings der für die VorGmbH Handelnde nach den bei § 4 Rdnr. 53 ff. geschilderten Grundsätzen, wenn er auch den warnenden Firmenzusatz „GmbH“ weglässt und z.B. nur für die von der Vor-GmbH betriebene „Firma X“ auftritt5. Diese Haftung tritt neben die der Gesellschaft und erlischt auch nicht mit deren Eintragung (Rdnr. 139). Firma und Name sind nach §§ 37 HGB, 12 BGB geschützt. Die Gegenansicht, wonach sich ein durch Verkehrsgeltung und Prioritätsschutz gerechtfertigter Firmenschutz nicht mit der fehlenden Eintragung verträgt6, beruht auf Vorstellungen, die nach Rdnr. 5, 21 ff. der Vergangenheit angehören sollten. Man wird einen Firmenschutz gemäß § 37 HGB sogar zu Gunsten solcher Vorgesellschaften bejahen können, die noch nicht kaufmännisch tätig sind7. Denn auch eine solche Gesellschaft kann schon durch unerlaubte Firmenführung in ihren Rechten verletzt sein. Mehr setzt § 37 Abs. 2 HGB nicht voraus.

1 Bejahend Heymann/Jung, HGB, 2. Aufl. 1999, § 238 Rdnr. 18; eingehend dazu Karsten Schmidt, HandelsR, § 3; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, § 1 Rdnr. 96 ff. 2 BGHZ 120, 103, 106 = NJW 1993, 459, 460 = GmbHR 1993, 103, 104; BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080; Rittner, S. 352 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 75 ff.; Ulmer, Rdnr. 61; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 80 f.; a.M. OLG München GmbHR 1991, 63; für Anerkennung als Firma auch ohne kaufmännische Tätigkeit Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41. 3 Ziemlich theoretisch ist deshalb die Kontroverse, ob der Name der Vor-GmbH auch ohne kaufmännische Tätigkeit bereits Firma im Rechtssinne der §§ 17 ff. HGB ist; dafür Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 42. 4 OLG Celle, NJW 1990, 398, 399; Binz, S. 178 f.; Büttner, S. 79; Rittner, S. 352 f.; Heinrichs, in: Ulmer, § 4 Rdnr. 85. 5 OLG Celle, GmbHR 1990, 398. 6 OLG München, BB 1990, 1153 = GRUR 1990, 697 = WM 1990, 1965 = GmbHR 1991, 63; vorsichtig zweifelnd LG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 874. 7 Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 81; so im Ergebnis schon Winter in der 6. Aufl. (Rdnr. 4) im Anschluss an Flume, in: FS Geßler, S. 37.

632

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

d) Materielles Recht. Die Rechtsfähigkeit der Vor-GmbH (Rdnr. 27 f.) erstreckt sich zunächst auf das ganze materielle Recht. Die Vorgesellschaft kann Eigentümerin, Gläubigerin und Schuldnerin sein. Die Vor-GmbH kann Gesellschafterin einer anderen Gesellschaft sein (wichtig für die Einbringung von Anteilen)1. Zweifelhaft war die Frage, ob die Vor-GmbH bereits an einer Gesellschaftsgründung – insbesondere einer (GmbH & Co.) KG – beteiligt sein kann. Seit dem Grundlagenurteil BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 wird auch dies wohl allgemein bejaht. Die Vor-GmbH ist schon patent- und markenrechtsfähig (§ 7 MarkenG)2. Hervorgehoben wird ihre Kontofähigkeit3. Nun hat es noch niemand den Gründern oder den Banken verboten, Konten für eine GmbH in Gründung zu errichten. Das Bedeutsame an der heute h.M. ist nicht, dass ein solches Konto errichtet werden kann, sondern dass es im Rechtssinne ein eigenes Konto der Gesellschaft (und nicht der Gesellschafter) ist. Die Vorgesellschaft ist auch aktiv und passiv wechselrechtsfähig und scheckrechtsfähig4.

31

e) Formelles Recht. aa) Die Vor-GmbH ist beteiligungsfähig im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit5. Die Anmeldung der Gesellschaft zu ihrer ersten Eintragung im Handelsregister erfolgt durch die Vertretungsorgane in ihrem Namen6. Auch andere Registeranmeldungen, z.B. die Eintragung eines Unternehmensvertrags, können bereits im Namen der Gesellschaft erfolgen7. Die Vor-GmbH ist hier überall Verfahrensbeteiligte. Sie kann ggf. auch Rechtsmittel einlegen. Gleiches gilt für die Eintragung von Grundstücksrechten der VorGmbH im Grundbuch (Rdnr. 33) und für die Eintragung als Gesellschafterin im Handelsregister (§§ 106, 162 HGB). Sind Kommanditanteile in die Vor-GmbH eingebracht, so kann diese bereits als Gesellschafterin in das Handelsregister eingetragen werden.

32

bb) Die Vor-GmbH ist bereits grundbuchfähig8, und zwar nicht nur für gründungsnotwendige Sacheinlagen, sondern auch für sonstigen Erwerb von Grund-

33

1 BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114. 2 Vgl. Ekey/Klippel, Markenrecht, 2003, § 7 Rdnr. 2; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl. 2003, § 7 Rdnr. 10. 3 BGHZ 45, 338, 347 = NJW 1966, 1311, 1313 = GmbHR 1966, 139, 140; OLG Naumburg, NJW-RR 1998, 1648; Ulmer, Rdnr. 62. 4 BGHZ 117, 323, 326 = NJW 1992, 1824; Baumbach/Hefermehl, WG und SchG, 22. Aufl. 2001, Einl. WG Rdnr. 21; Binz, S. 198; Büttner, S. 120; Karsten Schmidt, oHG, S. 304; M. Scholz, S. 62 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Ulmer, Rdnr. 62; a.M. noch BGH, NJW 1962, 1008; Hachenburg/Ulmer, 7. Aufl., Rdnr. 51. 5 BGHZ 117, 323 = GmbHR 1992, 451 = NJW 1992, 1824 = ZIP 1992, 689 (betr. Vor-AG); Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7. 6 BGHZ 117, 323 = GmbHR 1992, 451 = NJW 1992, 1824 = ZIP 1992, 689; so auch der Vorlagebeschluss OLG Stuttgart, ZIP 1992, 250; für die GmbH OLG Hamm, DB 1992, 264. 7 BGHZ 105, 324, 328 = GmbHR 1989, 25 = NJW 1989, 295, 296. 8 BGHZ 45, 338, 348 = NJW 1966, 1311, 1313; BayObLGZ 1979, 172 = DB 1979, 1500 = DNotZ 1979, 502; BayObLG, DB 1986, 106; OLG Hamm, OLGZ 1981, 410 = DB 1981, 1973 = DNotZ 1981, 582; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Michalski, Rdnr. 67; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 80; Ulmer, Rdnr. 62; M. Scholz, S. 63; eingehend Böhringer, Rpfleger 1988, 446 ff.; s. auch Schmitz, JuS 1995, 334.

Karsten Schmidt

|

633

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

stücksrechten1. Insbesondere kann schon eine Auflassungsvormerkung für die Vor-GmbH eingetragen werden2. Das ist praktisch von großer Bedeutung, denn die Eintragung der Vor-GmbH dokumentiert dann zugleich den Rechtserwerb der späteren GmbH (es wird nur der Gründungszusatz berichtigend beseitigt!). Es ist also nicht wie beim nichtrechtsfähigen Verein, wo nach bisher h.M. statt des Vereins nur die Mitglieder in das Grundbuch eingetragen werden können, sofern nicht die Übereignung an einen Treuhänder erfolgt3. 34

cc) Die Vorgesellschaft ist im Zivilprozess parteifähig4, und zwar nicht nur passiv5, sondern auch aktiv parteifähig6. Sie kann also, vertreten durch ihre Geschäftsführer, als Klägerin oder Beklagte an Zivilprozessen teilnehmen. Allgemeiner Gerichtsstand ist nach § 17 ZPO ihr Satzungssitz7. Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ist ein gegen die Vor-GmbH gerichteter Titel ausreichend8, aber auch erforderlich. Auch Beteiligte an einem Verwaltungsverfahren (§§ 11, 13 VwVfG) oder an einem Verwaltungsprozess (§§ 61, 63 VwGO) kann die Vorgesellschaft sein. Dasselbe gilt im finanzbehördlichen (§ 79 AO) bzw. finanzgerichtlichen (§§ 57 f. FGO) Verfahren.

35

dd) Die Vorgesellschaft ist insolvenzrechtsfähig9 und war auch für die bis 1998 eröffneten Verfahren konkursfähig10. Es ist für die Praxis ohne Belang, ob man die Vor-GmbH bereits als insolvenzrechtliche (werdende) juristische Person i.S. von § 11 Abs. 1 InsO ansieht11 oder als Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit i.S. von § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO12. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer 1 Vgl. BayObLGZ 1979, 172 = DB 1979, 1500 = DNotZ 1979, 502; OLG Hamm, OLGZ 1981, 410 = DB 1981, 1973 = DNotZ 1981, 582. 2 BayObLG, DB 1986, 106; OLG Hamm, OLGZ 1981, 410 = DB 1981, 1973 = DNotZ 1981, 582; LG Nürnberg-Fürth, GmbHR 1986, 48 = DNotZ 1986, 377. 3 Dazu RGZ 127, 309, 311; RG, Recht 1926 Nr. 450; OLG Zweibrücken, NJW-RR 1986, 181 = JuS 1986, 478; LG Kaiserslautern, MittBayNot. 1978, 203; Karsten Schmidt, NJW 1984, 2250; Jung, NJW 1986, 157 ff. 4 BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO m. Anm. Langenfeld = NJW 1998, 1079; dazu Demuth, BB 1998, 966; M. Scholz, S. 65 f.; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3a; Michalski, Rdnr. 68. 5 Dazu BGHZ 79, 239, 241 = NJW 1981, 873; BAG, NJW 1963, 680; OLG Hamburg, BB 1973, 1505. 6 BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO m. Anm. Langenfeld = NJW 1998, 1079; OLG Köln, GmbHR 1997, 601; OLG Brandenburg, NZG 2004, 100 = GmbHR 2003, 1488; LG Köln, NJW-RR 1993, 1385; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 81; Ulmer, Rdnr. 64. 7 OLG Brandenburg, NZG 2004, 100 = GmbHR 2003, 1488. 8 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Ulmer, Rdnr. 64 (mit unrichtigem Hinweis auf § 735 ZPO). 9 BGH, NJW-RR 2004, 258 = GmbHR 2003, 1488; Ulmer, Rdnr. 64. 10 BayObLG, NJW 1965, 2254, 2257 (für AG); OLG Nürnberg, AG 1967, 362, 363 (für AG); Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 50; Baumbach/Hueck, 16. Aufl., Rdnr. 16; Kilger/ Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze, KO/VglO/GesO, 17. Aufl. 1997, § 207 KO Anm. 2; Skrotzki, KTS 1962, 139. 11 So offenbar Haas, DStR 1999, 985 ff. 12 Wie hier jetzt Michalski, Rdnr. 69; für Einordnung als Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit Ulmer, Rdnr. 64.

634

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Vor-GmbH ist nicht ein Sonderkonkurs über ein den Gründern gehörendes Gesellschaftsvermögen, sondern die Vorgesellschaft selbst ist Schuldnerin in diesem Insolvenzverfahren. Soweit die Gesellschafter der Vorgesellschaft persönlich für deren Verbindlichkeiten haften (Rdnr. 82 ff.), kann der Verwalter diese Haftung geltend machen (§ 93 InsO; dazu auch Rdnr. 82). Insolvenzgrund ist die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) bzw. die bevorstehende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO). Überschuldung scheidet als Insolvenzgrund nach h.M. aus; auch besteht keine Insolvenzantragspflicht (näher Erl. § 64, str.)1. Das beruht auf der (nicht unproblematischen!) Beschränkung des Überschuldungstatbestands und der Insolvenzantragspflichten auf Gesellschaften ohne unbeschränkte Gesellschafterhaftung. Ein über das Vermögen einer Vor-GmbH eröffnetes Insolvenzverfahren kann im Fall ihrer Eintragung gegenüber der eingetragenen GmbH fortgesetzt werden.

3. Die Kontinuität zwischen Vorgesellschaft und GmbH und die Überwindung des Vorbelastungsverbots a) Die Überwindung des sog. Vorbelastungsverbots ist eine wesentliche Grundlage der bis heute vollzogenen Rechtsfortbildung. Erst sie erlaubt es, die Vorgesellschaft als identisch und zweckidentisch mit der später eingetragenen GmbH anzusehen (Rdnr. 25 ff.). Das Vorbelastungsverbot besagte, dass nur Verbindlichkeiten, die ihre Grundlage im Gesetz oder in der Satzung haben oder sonst gründungsnotwendig sind, das Vermögen der Vorgesellschaft belasten und automatisch auf die spätere GmbH „übergehen“ können2. Das Vorbelastungsverbot hatte eine doppelte Grundlage: Aus der Sicht der fertigen GmbH basierte es auf dem Unversehrtheitsgrundsatz, nach dem das Vermögen der GmbH im Zeitpunkt ihrer Eintragung unversehrt zu sein hat3. Aus der Sicht der Vorgesellschaft basierte es auf dem angeblich beschränkten Zweck dieser Gesellschaft4. Das Vorbelastungsverbot war historisch zu erklären. Ob es auf dem unter dem ADHGB von 1861 zunächst noch geltenden, heute überholten, Konzessionssystem beruhte5 oder auf einer gleichfalls überholten Theorie der juristischen Person6, ist für die vorliegende Kommentierung irrelevant. Die rechtstechnischen Folgerungen lauteten jedenfalls: Der Gesellschaftszweck ist bis zur Eintragung beschränkt (dazu Rdnr. 26). Es gibt auch noch keine unbeschränkte Organvertretungsmacht der Geschäftsführer (dazu Rdnr. 63 f.). Es gibt ferner keine gesetzliche Haftungszurechnung nach § 31 BGB (dazu Rdnr. 68). Verbindlichkeiten aus dem Gründungsstadium können die später eingetragene GmbH nicht automatisch belasten. 1 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 64 Rdnr. 2; Altmeppen, ZIP 1997, 273 ff.; ebenso mit unhaltbarer Begründung Bittmann/Pikarski, wistra 1995, 92; a.M. Haas, DStR 1999, 985 ff. 2 Vgl. nur RGZ 58, 55, 56; 83, 370, 373; 105, 228, 229; 134, 121, 122; 141, 204, 209; 143, 368, 372; 149, 293, 303; 151, 89, 91; BGHZ 17, 385, 391; BGHZ 53, 210, 212; BGH, LM Nr. 6 zu § 11 GmbHG = NJW 1955, 1228; BGH, NJW 1973, 798; umfassende Literaturnachweise noch bei Winter in der 6. Aufl., Rdnr. 7. 3 Charakteristisch RGZ 149, 293, 303; BGHZ 53, 210, 212. 4 Charakteristisch RGZ 105, 228, 230; 134, 121, 122. 5 Vgl. Ulmer, in: FS Ballerstedt, S. 282; s. auch Karsten Schmidt, oHG, S. 276. 6 Vgl. Schäfer-Gölz, S. 31 ff.

Karsten Schmidt

|

635

36

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

37

b) Dieses Vorbelastungsverbot ist überholt. Seit dem Urteil BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 ist es im Grundsatz aufgegeben. Die ersten Leitsätze des Urteils lauten: „Eine Vorgesellschaft wird durch Geschäfte, die ihr Geschäftsführer mit Ermächtigung aller Gesellschafter im Namen der Gesellschaft abschließt, auch dann verpflichtet, wenn nach der Satzung nur Bareinlagen vereinbart sind. Die Rechte und Pflichten aus solchen Geschäften gehen mit der Eintragung der GmbH voll auf diese über (kein sog. Vorbelastungsverbot).“ Das überzeugt und entspricht nunmehr einer gefestigten Rechtsprechung1 und der h.M. in der Literatur2. Der Erklärung bedarf nach diesem Umschwung der Rechtsprechung die Verbindung des Vorbelastungsverbots mit dem Unversehrtheitsgrundsatz (vgl. zu diesem Rdnr. 36, 121 f.). Der BGH hatte weder den Willen noch einen Anlass, den Unversehrtheitsgrundsatz preiszugeben. Dieser gehört nach wie vor zu den Grundlagen des Gründungsrechts. Aber er ist nicht mehr durch ein Vorbelastungsverbot sanktioniert, sondern durch ein Eintragungsverbot (Rdnr. 123) und durch die Vorbelastungshaftung (Rdnr. 124 ff.). An die Stelle des Vorbelastungsverbots ist ein Vorbelastungsrisiko getreten3.

38

c) Der Fortfall des Vorbelastungsverbots erlaubt eine vollständige Kontinuität der Rechtsverhältnisse zwischen Vorgesellschaft und GmbH (vgl. zu den diesbezüglichen Folgen der Eintragung Rdnr. 132 ff.). Es ist aus diesem Grunde erlaubt, von einem Verhältnis der Identität zwischen Vorgesellschaft und GmbH zu sprechen (Rdnr. 25).

IV. Das Innenrecht der Vorgesellschaft 1. Grundsatz 39

Grundsätzlich unterliegt die Vorgesellschaft hinsichtlich der unter den Gesellschaftern und zwischen ihnen und der Gesellschaft bestehenden Verhältnisse schon denjenigen Rechtsregeln, die für die fertige GmbH gelten. Ausgenommen sind diejenigen Bestimmungen, die eine Eintragung voraussetzen4. Die Satzung gibt der Vorgesellschaft bereits eine körperschaftliche Verfassung (Rdnr. 24; str.). Auch die Auslegung des Gesellschaftsvertrages bestimmt sich schon nach den für die fertige GmbH geltenden Grundsätzen5. Soweit dem entgegengehalten wird, dass sich die Gesellschaft vor der Eintragung noch nicht 1 Bestätigend BGHZ 91, 148, 151; BGHZ 134, 333, 338 f. = LM Nr. 38 zu § 11 m. Anm. Noack = DStR 1997, 625, 627 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 405, 408 = NJW 1997, 1507, 1508. 2 Zur heute h.M. vgl. statt vieler Ulmer, Rdnr. 66, 99 ff. m.w.N.; zu dem Ausgangsurteil vgl. die Stellungnahmen von Flume, NJW 1981, 1753 ff.; Meister, in: FS Werner, S. 521 ff.; Priester, ZIP 1982, 1141 ff.; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1345 ff.; Ulmer, ZGR 1981, 593 ff.; Hueck, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 155; krit. noch Priester, ZIP 1982, 1145. 3 Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 4c. 4 BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509; BGHZ 80, 212, 214 = NJW 1981, 2125, 2126 = GmbHR 1982, 67. 5 Ostheim, JurBl. 1978, 350; zust. jetzt auch Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 21; a.M. Kießling, S. 272; Ulmer, Rdnr. 32.

636

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

vom persönlichen Zusammenschluss der Gründer zur Kapitalgesellschaft entwickelt hat1, ist dem nach Rdnr. 24 ff. nicht zu folgen. Es kann zwar ein Bedürfnis danach bestehen, bei einer noch unverändert aus den Gründern zusammengesetzten jungen GmbH in verstärktem Maße subjektive Momente in die Bestimmung von Rechten und Pflichten der Gesellschafter einzubeziehen, aber dies hängt nicht von der Nichteintragung der Gesellschaft im Handelsregister ab. Es handelt sich vielmehr um einen Gesichtspunkt, dem auch noch nach der Eintragung Rechnung zu tragen ist.

2. Die Mitgliedschaft a) Die Mitgliedschaft in der Vorgesellschaft wird originär erworben durch Teilnahme am Gründungsgeschäft. Sie setzt sich automatisch als Mitgliedschaft in der GmbH fort, wenn diese eingetragen wird. Soll ein Gesellschafter ersatzlos ausscheiden oder soll ein Gesellschafter unter Übernahme einer neuen Stammeinlage hinzutreten, so bedarf es – im Gegensatz zur Anteilsübertragung nach Rdnr. 41 – einer Neufassung der Satzung und einer Änderung der Registeranmeldung2. Ein Austritt aus wichtigem Grund bzw. eine Ausschließung aus wichtigem Grund ist in Anlehnung an die im Anhang § 34 dargestellten Grundsätze bereits möglich3. Der wichtige Grund setzt voraus, dass eine Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses für den betreffenden Gesellschafter bzw. mit dem betreffenden Gesellschafter bereits im Gründungsstadium definitiv unzumutbar ist. Eine Ausschließung durch bloße Hinauskündigung (vgl. § 737 BGB) ist ohne Satzungsgrundlage nicht möglich4.

40

aa) Nach der noch h.M. gibt es vor der Eintragung noch keine übertragbaren Geschäftsanteile5. Es kann durch satzungsändernden Vertrag aller Gründer ein zusätzlicher Gesellschafter beitreten6 oder ein Gründer ausscheiden7. Aber auch die Anteilsübertragung – ein vom Aus- und Eintritt zu unterscheidender Vorgang – erfordert nach h.M. einen satzungsändernden Vertrag aller Gründer8. Die Gestaltungspraxis muss sich auf diese h.M. einrichten. Allerdings ver-

41

1 Ulmer, Rdnr. 32. 2 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63 f. 3 OLG Dresden, GmbHR 1997, 746; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63; Ulmer, Rdnr. 50. 4 OLG Hamm, GmbHR 1994, 706, 707 (aber auch S. 708). 5 BGH, GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 = ZIP 1997, 67 = GmbHR 2005, 354 = NJWRR 2005, 469; OLG Dresden, GmbHR 1997, 186, 189; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 896 = NJW-RR 1997, 1062; LG Dresden, GmbHR 1993, 590; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 15 Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Michalski, Rdnr. 49; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 63; Ulmer, Rdnr. 48; M. Scholz, S. 52; Wiedemann, Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten ..., 1965, S. 56; zur überholten Prämisse des Gesetzes vgl. aber auch Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 2. 6 BGHZ 15, 204, 206 = NJW 1955, 219. 7 BGHZ 21, 242, 245 f. = NJW 1956, 1435. 8 BGHZ 29, 300, 303 = NJW 1959, 934, 935 = GmbHR 1959, 149, 150 m. Anm. Rau; BGH, WM 1971, 306, 307; BGHZ 134, 333 = GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 = ZIP 1997, 97; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 896 = NJW-RR 1997, 1062; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 13; Michalski, Rdnr. 49; Roth, in: Roth/Altmep-

Karsten Schmidt

|

637

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

sucht die Gerichtspraxis, notariell beurkundete Anteilsübertragungen bei Vorgesellschaften in Satzungsänderungen umzudeuten, sofern die Gegebenheiten des Falls dies zulassen1. Auch § 2 Rdnr. 22 ff. der vorliegenden Kommentierung folgt dieser bisher unangefochtenen Auffassung. Dieser Standpunkt der h.M. ist überholt2. Im Gegensatz zu § 41 Abs. 4 Satz 1 AktG braucht das Gesetz im Fall der Vor-GmbH keine Vorsorge zu treffen, um den Handel mit verbrieften Anteilen sicherzustellen3. Die h.M. geht auf die Zeit vor der GmbH-Novelle 1980 zurück. Es herrschte damals die Ansicht vor, dass abtretbare Geschäftsanteile erst mit der Eintragung entstehen und dass deshalb bei der Strohmanngründung einer Einpersonen-GmbH der Geschäftsanteil des Strohmanns erst nach der Eintragung oder, wenn vorher, jedenfalls nur aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der Eintragung auf den Einpersonengesellschafter übertragen werden könne4. Die GmbH sollte jedenfalls für die Dauer einer „logischen Sekunde“ als Mehrpersonengesellschaft eingetragen sein. Für diese Beschränkung ist heute, nach Zulassung der Einpersonen-Gründung, jede Rechtfertigung entfallen. Da die Gesellschafter nicht in das Handelsregister eingetragen zu werden brauchen (vgl. § 10), besteht zu einer Vertragsänderung kein Anlass. Vielmehr trifft der Grundsatz des § 15 Abs. 1 bereits auf die Vor-GmbH zu. Auf der anderen Seite müssen, solange die Eintragung noch nicht gesichert ist, die Mitgründer – ähnlich wie bei einer Personengesellschaft – gegen die Beteiligung ihnen unbekannter Dritter geschützt werden, nicht zuletzt wegen der bei Rdnr. 77 ff. behandelten persönlichen Haftung und wegen der Ausfallhaftung nach § 24. Deshalb sind die Geschäftsanteile, wie Anteile an Personengesellschaften, mangels entgegenstehender Klausel im Gesellschaftsvertrag automatisch vinkuliert5. Die Anteilsübertragung muss wegen dieser Besonderheit nicht als ein aliud gegenüber dem Fall des § 15 angesehen werden6. Nur bedarf es keiner besonderen Satzungsklausel nach § 15 Abs. 5, um die Abtretung vor der Eintragung der Gesellschaft an die Zustimmung der Mitgesellschafter zu binden. Das bedeutet: Die Geschäftsanteile sind veräußerlich (§ 15 Abs. 1)7; die Veräußerung und die Verpflichtung zur Veräußerung bedürfen eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages (§ 15 Abs. 3, 4); das gilt, wie der BGH im Jahr 1999 entschieden hat, auch für die Begründung eines Treuhandverhältnisses in

1

2

3 4 5 6 7

pen, Rdnr. 63; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 63; Ulmer, Rdnr. 48. Vgl. BGHZ 134, 333 = GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 = ZIP 1997, 97; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 896; OLG Dresden, NZG 1998, 311 = GmbHR 1998, 186; Michalski, Rdnr. 49; krit. Karsten Schmidt, GmbHR 1998, 869 f. Eingehend Karsten Schmidt, GmbHR 1997, 869 ff.; dieser Standpunkt wird hier seit der 7. Aufl. vertreten; zust. Schaffner, S. 91; sympathisierend Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 23; unklar OLG Düsseldorf, MittRhNotK 1996, 189 m. Anm. Wochner; schwer einzuordnen Kießling, S. 168 ff. Zum Argumentationswert des § 41 Abs. 4 AktG vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1997, 872. Vgl. BGHZ 21, 378, 383 = NJW 1957, 19, 20; Schopp, GmbHR 1977, 54 f. Karsten Schmidt, GmbHR 1997, 870 m.w.N. So aber, noch der älteren Auffassung verhaftet, Ulmer, Rdnr. 48; wohl auch Kießling, S. 168 ff. Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 82; 1997, 870; der Sache nach kaum noch anders Ulmer, Rdnr. 48; in dieser Richtung schon OLG Frankfurt, NJW 1947/48, 229, 230.

638

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Gestalt der Vereinbarungstreuhand zwischen der Errichtung und der Eintragung der GmbH1. Vor der Eintragung der Gesellschaft kann die Abtretung von Geschäftsanteilen nur wirksam werden, wenn sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist oder wenn sämtliche Mitgesellschafter zustimmen. Daneben bleibt die bisher anerkannte Methode der Satzungsänderung zulässig (vgl. dazu Rdnr. 47 f.). Sie ist vorerst noch der sichere Weg zur Neuformierung des Gründerkreises. Zu hoffen ist, dass die Gerichtspraxis künftig den Weg der Anteilsübertragung eröffnet. Erst dann wird sich auch die Gestaltungspraxis auf diese Möglichkeit verlassen. bb) Die Vererblichkeit der Mitgliedschaft (vgl. § 15 Abs. 1) ist bereits anerkannt2. Die Vererbung erfolgt nach allgemeinen erbrechtlichen Grundsätzen, nicht im Wege der sog. Sondererbfolge wie bei einem Anteil an einer Personengesellschaft3. Die Gesellschaft besteht mit dem Erben (ggf. sogar als Einpersonengesellschaft) fort. Auch eine Erbengemeinschaft kann Gesellschafterin werden. Ungebräuchlich, aber zulässig ist eine Regelung über die Unvererblichkeit der Vorgesellschafts-Anteile im Gesellschaftsvertrag (der Satzung). Im Fall einer solchen Unvererblichkeitsklausel muss sorgsam geprüft werden, ob eine automatische Auflösung der Vorgesellschaft im Todesfall gewollt ist oder nur ein außerordentlicher Ausschließungs- oder Auflösungsgrund. In diesem Fall werden die Erben vorläufige Gründungsgesellschafter. Zur Frage, ob die Auflösung aus wichtigem Grund durch Kündigung oder durch Klage herbeigeführt wird, vgl. Rdnr. 55.

42

b) Die Pflichten der Gründer gehen nicht nur auf die Leistung fälliger Einlagen. Die Gründer sind verpflichtet, das zur Herbeiführung der Eintragung Erforderliche zu tun4. Sie können u.U. auch verpflichtet sein, Eintragungshindernisse durch Satzungsänderung zu beseitigen5. Um diese selbstverständlichen Pflichten zu begründen, braucht man nicht die Eintragung der GmbH zum gemeinsamen Zweck der Vorgesellschaft zu erklären (vgl. zu dieser h.M. krit. Rdnr. 26 f.). Der Anspruch auf Mitwirkung steht jedem Gründer gegen jeden Gründer zu6. Die Gründer unterliegen auch bereits der gesellschaftlichen Treupflicht7.

43

c) Rechte der Gründer sind insbesondere die Teilhaberechte (Stimmrecht, Anfechtungsrecht etc.). Über Gesellschafterbeschlüsse in der Vorgesellschaft vgl. Rdnr. 46. Die Vorschrift des § 51a über Informationsrechte findet bereits An-

44

1 BGHZ 141, 207, 211 f. = NJW 1999, 2594 = GmbHR 1999, 707 = ZIP 1999, 925; bestätigend BGH, ZIP 2004, 2324, 2325 = GmbHR 2005, 53, 54. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 13; Michalski, Rdnr. 49; a.M. Kießling, S. 179. 3 Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 25. 4 RGZ 58, 55, 56; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; Ulmer, Rdnr. 39. 5 Zust. jetzt Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 28; über Vertragsänderungspflichten vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 5 IV. 6 Zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 28. 7 Martin Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, S. 122, 226.

Karsten Schmidt

|

639

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

wendung1, denn sie ist weder von der Eintragung der GmbH noch von deren „Rechtsnatur“ (Rdnr. 24) abhängig. Auch das Informationserzwingungsverfahren unterliegt bereits der Sonderbestimmung des § 51b2. Wäre es anders, so müsste der Gesellschafter vor der Eintragung den Weg des Zivilprozesses einschlagen, und dieser könnte nach der Eintragung nicht fortgesetzt werden. Es bestehen auch schon Rechte auf Gewinnbezug und auf die Liquidationsquote im Fall einer Auflösung der Vorgesellschaft.

3. Die Organisationsverfassung 45

a) Oberstes Organ sind die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit3.

46

aa) Für Beschlüsse gelten die §§ 45 ff.4. Insbesondere gilt schon das Mehrheitsprinzip des § 47 Abs. 15, und es gelten die Grundsätze über den Ausschluss vom Stimmrecht nach § 47 Abs. 46. Mit Recht erkennt die h.M. an, dass die Grundsätze über die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Beschlüssen bereits vor der Eintragung gelten7. Eine Anfechtungsklage ist gegen die Gesellschaft zu erheben (zu ihrer Parteifähigkeit vgl. Rdnr. 34); der Anfechtungsprozess kann ohne weiteres fortgeführt werden, wenn die Gesellschaft eingetragen worden ist (vgl. Rdnr. 137).

47

bb) Änderungen des Gesellschaftsvertrags, die schon vor der Eintragung wirksam werden sollen, bedürfen – naturgemäß! – keiner Eintragung in das Handelsregister; § 54 Abs. 3 ist also für diese Art Vertragsänderung unanwendbar. Der Gesellschaftsvertrag wird einfach in seiner geänderten Fassung der Anmeldung der Gesellschaft beigefügt bzw. nachgereicht. Nach h.M. ist aber auch § 53 unanwendbar: Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages vor der Eintragung soll sich nach § 2 durch Vertrag aller Gesellschafter in notarieller Form vollziehen8; nur für die Auflösung soll analog § 60 Abs. 1 Nr. 2 eine Dreiviertel-

1 Zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 28; Michalski, Rdnr. 50; Schaffner, S. 104. 2 Zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 28. 3 Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 29; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 43; Ulmer, Rdnr. 45. 4 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; zum Folgenden vgl. jetzt durchgehend in Übereinstimmung mit dem Text Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 29 ff. 5 BGHZ 80, 212, 214 f. = GmbHR 1982, 67; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 101; Schaffner, S. 99; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Ulmer, Rdnr. 45; differenzierend nach Bar- und Sachgründung Flume, JurP, § 5 III 2 (S. 159); nach Beschlussgegenständen differenzierend Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6 (Einstimmigkeit bei Haftungsgefahren); Kießling, S. 258 ff. 6 Schaffner, S. 99; Ulmer, Rdnr. 46. 7 BGHZ 80, 212, 215 ff. = NJW 1981, 2125, 2126 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42; a.M. Ulmer, Rdnr. 46. 8 BGH, LM Nr. 1 zu § 11 GmbHG = BB 1952, 990; vgl. auch BGHZ 21, 242, 246 = NJW 1956, 1435; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 53 Rdnr. 45; Ulmer, Rdnr. 47; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 62; im Ausgangspunkt wohl auch Michalski, Rdnr. 48; unentschieden OLG Hamm, GmbHR 1994, 706, 707.

640

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

mehrheit genügen1. Diese h.M. wird mit der Überlegung begründet, dass die Gesellschafter einer Vor-GmbH nur Partner eines Gesellschaftsvertrags und noch nicht Glieder einer körperschaftlichen Organisation seien, weil der GmbH-Vertrag mangels Eintragung noch nicht zur körperschaftlichen GmbHSatzung geworden sei2. Nur wenn der Vertrag, wie auch bei einer Personengesellschaft zulässig, vom Einstimmigkeitsprinzip abweiche, könnten satzungsändernde Mehrheitsbeschlüsse gefasst werden3. Eine Satzungsklausel, die dies bewirken solle, müsse sich aber speziell auf die Vorgesellschaft beziehen4. Solche Regelungen wird man in GmbH-Satzungen nicht finden. Im praktischen Ergebnis wäre danach eine mehrheitliche Satzungsänderung ausgeschlossen. Abhilfe ist nur durch Zustimmungspflichten (Treupflichten) möglich5. Stellungnahme: Die h.M. ist ohne Grundlage. Die notariell errichtete Gesellschaft ist bereits Körperschaft (Rdnr. 24), die Satzung ist bereits Grundlage ihrer körperschaftlichen Verfassung (Rdnr. 39). Der Verfasser hat in diesem Kommentar schon seit der 7. Aufl. (dort § 11 Rdnr. 47, § 53 Rdnr. 178) zur Korrektur der h.M. aufgerufen6. Das Mehrheitsprinzip des § 53 beruht nicht auf der Eintragung, sondern darauf, dass die Rechtsform und Verfassung einer GmbH gewählt worden ist7. Die Vor-GmbH unterliegt dem Recht der GmbH-Verfassung (Rdnr. 39). Es genügt deshalb schon im Gründungsstadium entsprechend § 53 Abs. 2 ein in notarieller Form mit Dreiviertelmehrheit gefasster Beschluss. Allerdings wird dieser Mehrheitsbeschluss nach § 54 Abs. 3 erst wirksam, wenn er in das Handelsregister eingetragen ist. Diese Vorschrift findet im Interesse der Rechtssicherheit bereits Anwendung (insofern abweichend Priester in der 8. Aufl. § 53 Rdnr. 186)8. Konsequenz: Die Gesellschafter haben die Wahl9: Sie können durch allseitige Vertragsänderung entsprechend der bisher h.M. den Gesellschaftsvertrag (die Satzung) mit sofortiger Wirkung einverständlich ändern. Dann ist die GmbH mit dem wirksam geänderten Vertrag anzumelden und auf dieser Grundlage einzutragen. Die Gesellschafter können aber auch einen Beschluss nach § 53 fassen. Dann sollte zunächst die GmbH auf der Grundlage der unveränderten Satzung und dann sogleich deren mehrheitlich

1 Vgl. Flume, JurP, § 5 III 2 (S. 158); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42; Ulmer, Rdnr. 53. 2 Ausführlich Ulmer, Rdnr. 47 sowie § 2 Rdnr. 20. 3 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42; Ulmer, Rdnr. 47. 4 Ulmer, Rdnr. 47. 5 Vgl. Michalski, Rdnr. 48 (mit zweifelhafter Berufung auf OLG Karlsruhe, ZIP 1998, 1961). 6 Zugrunde lagen die Beiträge von Priester, ZIP 1987, 280; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 82 f.; dazu auch Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 32; Lutter/Hommelhoff, § 47 Rdnr. 3; unklar Michalski, Rdnr. 48 (Mehrheitsbeschluss? Zustimmungspflicht?); umständlich Schaffner, S. 101 ff. 7 Fast wörtlich wie hier jetzt Schaffner, S. 102. 8 Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 83; Karsten Schmidt, in: FS Zöllner, S. 525 f.; a.M. Priester, ZIP 1987, 284; die hier vertretene Auffassung macht die Bedenken von Ulmer, § 2 Rdnr. 20, weitgehend gegenstandslos. 9 Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 83; Karsten Schmidt, in: FS Zöllner, S. 526; zust. Lutter/Hommelhoff, § 47 Rdnr. 3.

Karsten Schmidt

|

641

48

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

beschlossene Änderung eingetragen werden1. Für die Praxis bedeutet dies, dass die Satzungsänderung mit der Eintragung der Gesellschaft wirksam wird. Dies wird durch die doppelte Eintragung zunächst der GmbH und sodann der Satzungsänderung dokumentiert. Dieses Verfahren kann praktisch bedeutsam werden, wenn eine allseitige formgerechte Vertragsänderung vor der Eintragung z.B. an fehlender Gesellschafterpräsenz scheitert und statt dessen ein förmlicher satzungsändernder Mehrheitsbeschluss gefasst wird. Dieser braucht nach der Eintragung nicht noch einmal gefasst zu werden. Das gilt auch für Kapitalerhöhungen. Scheitert allerdings die Eintragung der GmbH (Rdnr. 140 ff.), so wird die Gesellschaft auf der Basis der unveränderten Satzung abgewickelt. Auch für die Umwandlung einer Vorgesellschaft sollten diese Grundformen der Satzungsänderung anerkannt werden (Rdnr. 22). Beispielsweise kann die VorGmbH unter Wahrung der in § 23 Abs. 1 AktG vorgeschriebenen Form in eine Vor-AG umgewandelt werden (str.). 49

b) Die Vorgesellschaft muss bereits einen oder mehrere Geschäftsführer haben (§ 6). aa) Die Bestellung erfolgt nach § 6 Abs. 3 durch den Vertrag oder durch Beschluss, und zwar – wie hier auf Grund von § 6 Abs. 3 Satz 2 allgemein anerkannt ist – durch Mehrheitsbeschluss2. Von der Bestellung ist die Anstellung der Geschäftsführer zu unterscheiden; sie macht die Geschäftsführer nicht zu Arbeitnehmern der Gesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG)3.

50

bb) Innenverhältnis: Die Geschäftsführungsbefugnis (Innenverhältnis!) ist grundsätzlich noch beschränkt (vgl. dagegen zum Außenverhältnis Rdnr. 63 f.)4. Die Geschäftsführer haben das Gründungsstadium durch Eintragung zu beenden und alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die Einlagen einzufordern, zu verwalten etc. Eine Aufnahme werbender unternehmerischer Tätigkeit ist den Geschäftsführern gestattet, wenn eine Sachgründung mit Unternehmenseinbringung vorliegt oder wenn alle Gründer der Aufnahme der werbenden Tätigkeit zustimmen5. Im Einzelfall kann eine Pflicht für Minderheitsgesellschafter bestehen, sich der Mehrheit anzuschließen und die Zustimmung zu erteilen, wenn die Aufnahme der Tätigkeit vor der Eintragung sachgerecht ist und nennenswerte Haftungsrisiken nicht zu erwarten sind. Die Haftung der Geschäftsführer richtet sich bereits nach § 436. Die Haftung für falsche Angaben ergibt sich aus § 9a. Zur Insolvenzverschleppungshaftung nach § 64 vgl. Rdnr. 35.

1 Diese Zweistufigkeit wird für überflüssig gehalten von KG, GmbHR 1997, 412, 413; Schaffner, S. 103. 2 BGHZ 80, 212, 214 = NJW 1981, 2125, 2126 = GmbHR 1982, 67 f.; Michalski, Rdnr. 51; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44. 3 BAG, BB 1996, 1774 = EWiR 1996, 773 (Bormann) = NJW 1996, 2678. 4 Wie hier jetzt Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 36 f.; Michalski, Rdnr. 52 f. 5 Insofern – für das Innenverhältnis! – richtig BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 44; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 45. 6 BGH, WM 1986, 789; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 46; Ulmer, § 9a Rdnr. 56; a.A. Kion, BB 1984, 864 f.: Haftung aus § 43 erst nach Eintragung möglich, davor aus § 9a.

642

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

cc) Im Außenverhältnis können die Geschäftsführer bereits in Vertretung der Gesellschaft handeln, weil diese schon Partei von Rechtsgeschäften sein kann. Wegen der Einzelheiten, insbesondere zur Vertretungsmacht, vgl. Rdnr. 62 ff. Im Gegensatz zur Rechtsprechung wird hier für eine unbeschränkte Vertretungsmacht gemäß § 37 eingetreten. Schon wegen der im Innenverhältnis beschränkten Kompetenz wird der Geschäftsführer allerdings Genehmigungen für Rechtsgeschäfte und Maßnahmen einholen, die nicht gründungsnotwendig sind.

51

c) Einen Aufsichtsrat schreibt das Gesetz nicht ausdrücklich vor. § 52 über den fakultativen Aufsichtsrat findet bereits Anwendung1. Umstritten ist die Anwendung der Mitbestimmungsvorschriften der §§ 1, 4 DrittelbG (zuvor § 77 BetrVG 1952), §§ 1, 6 MitbestG. Diese wird teils bejaht2, teils verneint3, teils wird auf §§ 30, 31 AktG verwiesen4. Die Frage ist nicht begrifflich, sondern teleologisch-praktisch zu entscheiden. Die klarste Lösung ist, dass erst nach der Eintragung ein obligatorischer Aufsichtsrat gebildet wird, denn die Eintragung kann scheitern mit der Folge, dass die Gesellschaft aufgelöst oder als Personengesellschaft fortgeführt wird (Rdnr. 140 ff.)5. Der Mitbestimmungsstatus der Gesellschaft steht also vor der Eintragung nicht endgültig fest. Auch ist zu bedenken, dass die Gesellschaft, obschon bereits werdende juristische Person (Rdnr. 24) und bereits körperschaftlich verfasst (Rdnr. 39), wenn sie mit der Geschäftstätigkeit vor der Eintragung beginnt, dem Haftungsstatus einer Personengesellschaft unterliegt (Rdnr. 83 ff.). Vollends auszuschließen ist eine auf das Vorhandensein eines mitbestimmten Aufsichtsrats gerichtete Prüfungspflicht des Handelsregistergerichts bei der Eintragung der GmbH6.

52

4. Die Kapital- und Haftungsverfassung a) Die Vorschriften über die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals (§§ 19 ff., 30 f.) sind nach h.M. noch nicht unmittelbar und uneingeschränkt anwendbar7. Demgegenüber hatte sich Winter hier in der 6. Aufl. (Rdnr. 9) für die Anwendung ausgesprochen. Man wird differenzieren müssen: Die materiellen Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsgrundsätze gelten bereits8; es gilt z.B. § 19 Abs. 2 (Erlassverbot, Aufrechnungsverbot, Verbot des Zurückbehaltungs1 Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 48; Ulmer, Rdnr. 44. 2 Vgl. für § 76 BetrVG insbes. Raiser, in: Hachenburg, § 52 Rdnr. 160; für das MitbestG Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Rdnr. 22; Th. Raiser, MitbestG, 3. Aufl. 1998, § 1 Rdnr. 22. 3 Vgl. für §§ 1, 4 DrittelbG Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006, § 1 DrittelbG Rdnr. 22; für § 77 BetrVG BayObLG, ZIP 2000, 1445; für das MitbestG Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl. 2006, § 6 MitbestG Rdnr. 7. 4 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 52 Rdnr. 88; Michalski, Rdnr. 57; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 53. 5 Zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 40. 6 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 57. 7 BGHZ 80, 129, 133 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 115; BGH, WM 1980, 955, 956; Schumann, S. 280 ff.; Ulmer, Rdnr. 13. 8 Theobald, S. 95 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 83.

Karsten Schmidt

|

643

53

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

rechts), und es gilt § 30 (Ausschüttungsverbot)1; anwendbar sind aber auch schon die §§ 24, 31 GmbHG einschließlich der Ausfallhaftungsregeln in §§ 24 und 31 Abs. 32. Insbesondere dem Kapitalschutz nach §§ 30, 31 können die Gründer nur entgehen, wenn sie auf die Eintragungsfähigkeit der Vorgesellschaft als GmbH durch deren Auflösung oder durch Umwandlung in eine oHG oder GbR verzichten. 54

b) Die Haftungsverfassung ist eine Frage des Außenverhältnisses. Sie ist bei Rdnr. 70 ff. eingehend erläutert. Dabei wird klar zwischen der Haftung der Gesellschaft, der Haftung der handelnden Organe und der Haftung der Gesellschafter zu unterscheiden sein.

5. Auflösung der Vorgesellschaft 55

a) Auflösungsgrund ist zunächst die rechtskräftige Ablehnung des Eintragungsantrags (s. auch Rdnr. 140)3. Die h.M. begründet dies mit § 726 BGB und beruft sich auf den angeblichen Zweck der Vorgesellschaft, die Eintragung zum Abschluss zu bringen (dagegen aber Rdnr. 26 f.). Richtigerweise beruht die Auflösung darauf, dass die Gesellschaft nach der Ablehnung nicht mehr ohne Änderungen in der Organisation und Haftung fortgesetzt werden kann4. Weitere Auflösungsgründe sind: der Zeitablauf (§ 60 Abs. 1 Nr. 1; nicht praktisch), der Auflösungsbeschluss der Gesellschafter (§ 60 Abs. 1 Nr. 2)5, ein Auflösungsurteil6 oder eine Auflösungsverfügung der Verwaltungsbehörde (§ 60 Abs. 1 Nr. 3), die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 60 Abs. 1 Nr. 4)7 bzw. die Ablehnung der Eröffnung mangels Masse (§ 60 Abs. 1 Nr. 5)8. Ein Auflösungsbeschluss kann nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 bereits mit Dreiviertelmehrheit gefasst werden9. Wird im Benehmen aller Gesellschafter die Eintragungsabsicht aufgegeben, so kann dies ein konkludenter Auflösungsbeschluss sein. Dasselbe gilt, wenn einvernehmlich gegen die Kapitalbindung verstoßen und dadurch die Eintragungsfähigkeit beseitigt wird (Rdnr. 53). Bleibt die Gesellschaft im Einverständnis der

1 Priester, ZIP 1982, 1147 f.; s. aber Theobald, S. 106 ff.: erst ab Anmeldung. 2 Ausführlicher noch in der 9. Aufl.; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 41. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66; Ulmer, Rdnr. 52. 4 Auch ein Vorverein ist aufgelöst und besteht nicht ohne weiteres als nichtrechtsfähiger Verein fort, wenn die Eintragung unter Berufung auf § 22 BGB abgelehnt wird; vgl. Karsten Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984, S. 24, 311 ff. 5 Flume, JurP, § 5 III 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66; Ulmer, Rdnr. 53; M. Scholz, S. 73. 6 So Rittner, S. 347; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66; mit (ungenauer) Berufung auf OLG Hamm, DB 1994, 1232 = GmbHR 1994, 706; a.M. (außerordentliche Kündigung) Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; Hachenburg/ Ulmer, Rdnr. 39; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Ulmer, Rdnr. 53. 7 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66; Ulmer, Rdnr. 53. 8 A.A. Ulmer, in: Hachenburg, § 60 Anh. §§ 1, 2 LöschG Rdnr. 2: nur bei eingetragener GmbH. 9 So jetzt auch Schaffner, S. 104; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66.

644

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Gesellschafter ohne Eintragung als GmbH unternehmerisch tätig, so kann es sich um eine Fortsetzung als Personengesellschaft handeln (Rdnr. 143). Umstritten ist, ob im Fall des § 61 die Auflösungsklage (vgl. oben in dieser Rdnr.) oder eine außergerichtliche Kündigung angezeigt ist1. Wie sich auch aus § 133 HGB ergibt, gibt der Gesetzgeber der Klage bei einer Handelsgesellschaft allgemein den Vorzug, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag diese nicht selten als unzweckmäßig empfundene Regelung im Sinne eines Kündigungsrechts abändert. Keine gesetzlichen Auflösungsgründe sind der Tod (Rdnr. 42) oder das Insolvenzverfahren eines Gesellschafters2. Auch eine Auflösung durch bloße Kündigung ist ohne entsprechende Satzungsvorschrift nicht möglich3. b) Die Abwicklung vollzieht sich, soweit nicht die Vorschriften des Gesetzes die Eintragung in das Handelsregister voraussetzen, nach §§ 65 ff.4. Demgegenüber wandte die traditionelle Praxis und Lehre die §§ 730 ff. BGB analog an5. Danach wären im Zweifel sämtliche Gesellschafter als Liquidatoren berufen6. Das passt in Fällen, bei denen die Gesellschaft zwischen dem Gründungsstadium und dem Auflösungsstadium als Personengesellschaft fortgeführt worden ist (vgl. insbes. Rdnr. 143). Handelt es sich dagegen um die Auflösung einer Vor-GmbH als solcher, so sind gemäß § 66 die Geschäftsführer als Liquidatoren berufen, sofern nicht andere Personen bestellt werden7. Auch eine Bestellung von Liquidatoren durch das Gericht nach § 66 Abs. 2 ist möglich8. Die Auflösung der Vorgesellschaft führt nach früher h.M. als solche nicht zu einer persönlichen Haftung der Gesellschafter9. Nach der älteren Rechtsprechung gab es auch im Innenverhältnis keine allgemeine Nachschuss- und Verlustausgleichspflicht zum Ausgleich einer Unterdeckung und zur Bereitstellung einer vollständigen Liquidationsmasse gemäß § 735 BGB10. Seit dem Grundlagenurteil BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 = NJW 1997, 1507 m. Anm. Altmeppen löst allerdings die Auflösung wie die Eintragung eine Unterbilanzhaftung aus (Rdnr. 77 ff.), während hier sogar für eine Außenhaftung der Gründer plädiert wird (Rdnr. 83 ff.). Folge1 Vgl. das Meinungsbild vier Fn. zurück. 2 Vgl. RGZ 82, 288, 290 (Konkurs); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67; Ulmer, Rdnr. 54; diese Rechtslage stand bis 1998 in Gegensatz zu den §§ 727 f. BGB, 131 HGB. 3 OLG Hamm, DB 1994, 1232 = GmbHR 1994, 706. 4 BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080; BAG, NJW 1963, 680, 681 = AP Nr. 1 zu § 11 GmbHG m. krit. Anm. Hueck; Rittner, S. 348 f.; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 43; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 69; Ulmer, Rdnr. 55. 5 BGH, LM Nr. 12 zu § 11 GmbHG; BGHZ 51, 30, 34 = NJW 1969, 509, 510; BGHZ 86, 122, 127 = NJW 1983, 876, 878 = GmbHR 1983, 46, 47; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 178; Kießling, S. 210 ff.; Fleck, ZGR 1975, 215. 6 Vgl. BGHZ 51, 30, 34 = NJW 1969, 509; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 178. 7 BAG, NJW 1963, 680, 681 = AP Nr. 1 zu § 11 GmbHG m. krit. Anm. Hueck; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 70 (für Analogie); Ulmer, Rdnr. 55; M. Scholz, S. 78; Wallner, GmbHR 1998, 1168 ff. (mit kaum haltbarer Ableitung aus der Haftungsrechtsprechung). 8 Ulmer, Rdnr. 55; a.M. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 70. 9 Lutter/Hommelhoff, 15. Aufl., Rdnr. 10. 10 BGHZ 86, 122, 125 = NJW 1983, 876, 877 = GmbHR 1983, 46, 47; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 71.

Karsten Schmidt

|

645

56

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

richtig sollte man im Fall der Auflösung der Gesellschaft auch die Regel des § 735 BGB sinngemäß anwenden, denn diese Regel beruht nicht auf der Rechtsnatur der Personengesellschaft, sondern auf der persönlichen Haftung der Gesellschafter1. Sie regelt die Geltendmachung der persönlichen Haftung im Liquidationsfall und erlaubt eine Haftungsabwicklung über die Liquidationsmasse (vgl. auch Rdnr. 35, 142). Die Haftung der Gründer einer bereits unternehmerisch tätigen Vorgesellschaft bleibt zwar eine Außenhaftung (str.; vgl. Rdnr. 77 f., 82), aber sie kann im Liquidationsfall durch Nachschüsse in die Liquidationsmasse und durch Gläubigerbefriedigung aus dieser Masse geltend gemacht werden2. Im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens folgt die Abwicklung den Regeln der InsO (Rdnr. 35, 82).

V. Das Außenrecht der Vorgesellschaft 1. Grundsatz 57

a) Grundlage ist die Rechtsträgerschaft der Vorgesellschaft (Rdnr. 27 ff.). Die Vorgesellschaft kann Eigentümerin von beweglichen und unbeweglichen Sachen, Inhaberin dinglicher Rechte, Gläubigerin und Schuldnerin sein. Sie kann Besitz an Sachen ausüben (Rdnr. 67). Im öffentlichen Recht kann die Vorgesellschaft gebühren- und steuerpflichtig sein. Sie unterliegt der ordnungsrechtlichen Störer- oder Nicht-Störerhaftung. Sie kann Beteiligte in Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozessen, Klägerin und Beklagte sein. Die Vorgesellschaft ist, wenn ein Vollstreckungstitel gegen sie vorliegt, taugliche Vollstreckungsschuldnerin. Sie kann als Schuldnerin oder Gläubigerin an einem Insolvenzverfahren teilnehmen (näher Rdnr. 35).

58

b) Für Vorgesellschaften gelten die nachfolgenden Grundsätze, nicht für sog. Vorrats- oder Mantelverwertungen (dazu § 3 Rdnr. 21 ff.). Vorrats- und Mantelgesellschaften sind eingetragene, wenn auch häufig unterkapitalisierte Gesellschaften. Die Anwendung von Gründungsvorschriften in der Praxis des BGH ist bedenklich (Rdnr. 23, 78). Sie folgt dem irreführenden Grundgedanken, dass die Neuverwendung einer bereits eingetragenen, aber „leeren“ GmbH als „wirtschaftliche Neugründung“ der Gründung einer neuen GmbH gleichsteht3.

2. Stellvertretung bei Rechtsgeschäften und in Prozessen 59

a) aa) Handeln im Namen der Gesellschaft. Herkömmlicherweise unterschied man zwischen einem „Handeln im Namen der Vor-GmbH“ und einem „Handeln im Namen der künftigen GmbH“4. Hiervon wurde wiederum der Fall unterschieden, dass sowohl im Namen der Vorgesellschaft als auch im Namen 1 2 3 4

Ähnlich jetzt Schumann, S. 228 ff. Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 119 f. Dagegen Priester, ZHR 168 (2004), 248; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 ff. Vgl. besonders BGH, NJW 1973, 798; BGH, NJW 1974, 1284; BGHZ 65, 378, 382 = NJW 1976, 419, 420 m. Anm. Karsten Schmidt = GmbHR 1976, 65, 66; BGHZ 72, 45, 47 = NJW 1978, 1978, 1979 m. Anm. Karsten Schmidt = GmbHR 1978, 232.

646

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

der GmbH gehandelt wird1. Diese Unterscheidung ist missverständlich. Sie wird heute mehr und mehr kritisiert2, und zwar mit Recht. Wie bei Rdnr. 25 ausgeführt, handelt es sich bei der Vor-GmbH und der fertigen GmbH nicht um zwei unterschiedliche Rechtsträger, sondern um eine und dieselbe Gesellschaft. Deshalb hat der Vertreter gar nicht die Wahl, ob er nur im Namen einer dieser „beiden“ Gesellschaften oder im Namen „beider“ handelt (vgl. sogleich Rdnr. 60 f.). Entscheidend ist nur, ob er erkennbar im Namen der Gesellschaft (Rdnr. 60 f.) oder im eigenen Namen oder im Namen einzelner Gründer handelt, z.B. auch bei der Einrichtung eines Girokontos3. bb) Ausdrücklich oder konkludent kann im Namen der Vor-GmbH gehandelt werden. Die Geschäftsführer handeln im Namen der Vor-GmbH, wenn sie erkennbar für ein von dieser bereits betriebenes Unternehmen handeln4 oder wenn sie die Firma der (künftigen) GmbH verwenden5. In beiden Fällen handeln sie im Namen eines gegenwärtigen Rechtsträgers. Daran ändert sich nichts, wenn sie die Gesellschaft schon als „GmbH“ ohne den Zusatz „in Gründung“ bezeichnen. Auch wenn sie selbst diesen Zusatz weglassen und nur „für Firma X“ handeln, vertreten sie die Vor-GmbH6, wobei in diesem Fall noch eine persönliche Vertrauenshaftung wegen täuschenden Firmengebrauchs hinzukommen kann (Rdnr. 30). Ein Geschäftskonto wird im Zweifel selbst dann als Konto der (Vor-) GmbH eingerichtet, wenn es von den Gründern in Rechtsunkenntnis als „Gemeinschaftskonto“ bezeichnet wird7, 8. Da die Vor-GmbH und die später eingetragene GmbH identisch sind (Rdnr. 25), wirken die im Namen der Vor-GmbH wirksam abgegebenen Willenserklärungen ohne weiteres für und gegen die fertige GmbH (und umgekehrt)9.

60

cc) Hiervon zu unterscheiden ist die Vereinbarung der Eintragung als aufschiebende Bedingung. Wenn der Gegensatz zwischen dem Handeln „im Namen der Vorgesellschaft“ und „im Namen der GmbH“ einen Sinn haben soll, kann dieser nur darin bestehen, dass je nach den getroffenen Vereinbarungen diese eine (zunächst noch nicht eingetragene, später eingetragene) Gesellschaft ein-

61

1 BGHZ 53, 210, 211 = NJW 1970, 806, 807; BAG, AP Nr. 2 zu § 11 GmbHG m. Anm. Rittner/Krell = NJW 1973, 1904 = WM 1973, 1330 = JR 1974, 108 m. Anm. Karsten Schmidt. 2 Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 89; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; vgl. schon Karsten Schmidt, NJW 1973, 1595 ff.; Karsten Schmidt, JR 1974, 109. 3 OLG Naumburg, NJW-RR 1998, 1648 = GmbHR 1998, 239. 4 Vgl. BGH, GmbHR 1990, 206; OLG Celle, GmbHR 1990, 398; LAG Köln, NZA-RR 2001, 129 (Arbeitsvertrag); Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 84; zur Stellvertretung des Unternehmensträgers vgl. Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 III; Karsten Schmidt, JuS 1987, 425. 5 OLG Celle, GmbHR 1990, 398; OLG Naumburg, NJW-RR 1998, 1648; Flume, JurP, § 5 III 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Ulmer, Rdnr. 73. 6 Vgl. OLG Celle, GmbHR 1990, 398; Ulmer, Rdnr. 73. 7 Vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 1998, 1648. 8 Zur Frage der Mithaftung eines die Kontoeröffnung mitunterschreibenden Gesellschafters vgl. OLG Brandenburg, NZG 2002, 182 = GmbHR 2002, 109. 9 Vgl. auch für das Gebot in der Zwangsversteigerung LG München II, NJW-RR 1987, 1519.

Karsten Schmidt

|

647

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

mal schon vor der Eintragung, ein andermal dagegen erst nach der Eintragung berechtigt und verpflichtet sein soll1. Es wird also nicht im Namen unterschiedlicher Gesellschaften gehandelt, sondern es wird einmal mit sofortiger Wirkung, ein andermal unter einer aufschiebenden Bedingung kontrahiert. Eine solche aufschiebende Bedingung ist ohne weiteres zulässig2. Unrichtig nahm BGH NJW 1973, 798 m. Anm. Karsten Schmidt NJW 1973, 1595 an, dass im letzten Fall die §§ 177 ff. BGB analog anwendbar seien, weil im Namen eines noch nicht existenten Rechtsträgers gehandelt werde. Zu dem für §§ 177 ff. BGB verbleibenden Anwendungsspielraum vgl. noch Rdnr. 117 ff. 62

b) Steht fest, dass im Namen der Vorgesellschaft gehandelt wurde, so kommt es weiter auf die Vertretungsmacht an. Ist sie gegeben, so wird aus dem Rechtsgeschäft die Vorgesellschaft berechtigt und verpflichtet (§ 164 BGB), und die Rechte und Pflichten setzen sich im Eintragungsfall bei der GmbH fort (Rdnr. 132 ff.); ist sie nicht gegeben, so gelten die §§ 177, 179 BGB (vgl. Rdnr. 117).

63

aa) Organschaftliche Vertreter der Vorgesellschaft sind die Geschäftsführer (§ 35), im Auflösungsfall die Liquidatoren (§ 70). Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer ist bereits unbeschränkt i.S.v. §§ 35, 373. Diese Auffassung wird hier bereits seit der 6. Auflage vertreten. Sie findet zunehmende, wenn auch zögerliche Zustimmung. Die bisher noch h.M. tritt für eine beschränkte Vertretungsmacht ein4. Die begrenzte Vertretungsmacht entspricht vor allem dem Standpunkt der Rechtsprechung. Nach BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116 und BGHZ 80, 182, 183 ist die Vertretungsmacht grundsätzlich durch den Gründungszweck auf gründungsnotwendige Geschäfte beschränkt. Bei Sachgründungen soll sich diese Vertretungsbefugnis zwar „praktisch weitgehend“ mit derjenigen nach §§ 35 ff. decken; aber bei Bargründungen beschränkt sie sich nach Auffassung des BGH im Allgemeinen auf Rechtshandlungen, die für die Herbeiführung der Eintragung unerlässlich sind. Die Vertretungsmacht kann allerdings durch den Gesellschaftsvertrag oder – auch formlos – durch eine von den Gründern zu erteilende Ermächtigung 1 Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3b aa; Karsten Schmidt, NJW 1973, 1596; übereinstimmend M. Scholz, S. 141. 2 RGZ 32, 97, 99; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 90; Ulmer, Rdnr. 74; Jula, BB 1995, 1600. 3 Vgl. Binz, S. 134 ff.; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 49; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 107; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3b bb; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 84; Schaffner, S. 107; M. Scholz, S. 29 f.; Theobald, S. 27 ff.; Michalski, Rdnr. 55 (z.T. undeutlich); Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 609; Weimar, GmbHR 1988, 292; Beuthien, NJW 1997, 565 ff.; s. auch Jäger, Die persönliche Gesellschafterhaftung in der werdenden GmbH, 1994, S. 81 ff. 4 BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375; OLG Naumburg, DtZ 1996, 320; OLG Brandenburg, NZG 2002, 869 (AG); Hess. LAG, DB 2002, 644; Kießling, S. 250 ff.; Schumann, S. 245 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 85; Ulmer, Rdnr. 68 f.; Ulmer, ZGR 1981, 596 ff.; Fleck, GmbHR 1983, 8 f.; Beuthien, GmbHR 1996, 563; Lachmann, NJW 1998, 2263; vgl. auch schon RGZ 32, 97, 98; 83, 370, 373; 105, 228, 229; aus der älteren Literatur vgl. besonders Scholz, JW 1938, 3153; unklar Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 47.

648

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

erweitert werden1. Fehlt es daran, so kann nach der Rechtsprechung z.B. nicht einmal ein wirksamer Arbeitsvertrag zwischen einem Angestellten und der Gesellschaft abgeschlossen werden, der später die GmbH bindet2. Auch können die Gesellschafter, wenn man diese Ansicht zugrunde legt, die Vertretungsmacht beliebig einengen oder erweitern3. In Betracht gezogen wird allerdings eine Vertrauenshaftung der GmbH bzw. der Gesellschafter, wenn diese das eigenmächtige Handeln des Geschäftsführers geduldet haben4. Die Gestaltungspraxis muss sich vorerst auf diese Rechtsprechung einrichten. Stellungnahme5: Die hier vertretene Auffassung (unbeschränkte Vertretungsmacht, vgl. Rdnr. 63) bedarf der Begründung. Ausgangspunkt ist die Geltung der GmbH-Verfassung und damit der §§ 35, 37. Solange die Rechtsprechung noch am Vorbelastungsverbot festhielt (Rdnr. 36), war die Beschränkung der organschaftlichen Vertretungsmacht einleuchtend, denn es sollte ja weder die Vorgesellschaft noch die spätere Kapitalgesellschaft ohne weiteres aus beliebigen Rechtsgeschäften verpflichtet werden. Dieses Argument hat sich seit dem Grundlagenurteil des Bundesgerichtshofs vom 9. 3. 1981 (BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114) erledigt. Auch die ultra-vires-Doktrin, nach der die Organvertretungsmacht durch den Verbandszweck beschränkt sein soll, ist als Rechtfertigung der h.M. nicht anzuerkennen6, ganz abgesehen davon, dass der Zweck der Vorgesellschaft überhaupt nicht in der von der h.M. angenommenen Weise beschränkt ist (vgl. Rdnr. 26 f.). Auch der oft hervorgehobene Schutz der Gründer gegen eine persönliche Inanspruchnahme auf Grund von Geschäften der Geschäftsführer7 ist kein durchschlagendes Argument. Wer eine Organisation ins Leben ruft, die bereits nach dem Recht der GmbH lebt, kann das Risiko eines pflichtwidrigen Geschäftsführerhandelns nicht dem Rechtsverkehr aufbürden. Es ist deshalb zwischen dem internen Dürfen und dem externen Können der Geschäftsführer zu unterscheiden. Die h.M. verlegt die Argumente, mit denen die Binnen-Kompetenz der weisungsgebundenen Geschäftsführer beschränkt werden kann (Geschäftsführung), unberechtigterweise ins Außenverhältnis (Vertretung). Intern dürfen die Geschäftsführer nicht ohne

1 Vgl. BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114; LAG Hamm, ZIP 1983, 312; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 87; Ulmer, Rdnr. 68 f.; Fleck, GmbHR 1983, 9; Gehrlein, DB 1996, 563; gegen Formlosigkeit noch Ulmer, in: FS Ballerstedt, S. 291; wie der BGH aber schon John, Rechtsperson, S. 320, 323, 345. 2 Vgl. LAG Hamm, ZIP 1983, 312. 3 A.M. Ulmer, Rdnr. 70: Die Gründer könnten nur zwischen der Nicht-Erweiterung oder der typisierten Erweiterung der Vertretungsmacht wählen (Verlegenheitslösung). 4 Vgl. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 88; a.M. Ulmer, Rdnr. 73, mit Hinweis auf das zur Personengesellschaft ergangene Urteil BGHZ 61, 56, 64 ff. 5 Vgl. auch Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3b bb; Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 84. 6 Vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 8 V 2 und § 34 III 3b bb; Karsten Schmidt, AcP 184 (1984), 529 ff. 7 Deutlich Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; s. insoweit auch Ulmer, Rdnr. 68; extrem Wiegand, BB 1998, 1071, wonach die hier vertretene Auffassung „nach dem neuen Modell der Gründerhaftung unhaltbar“ sein dürfte; das „neue Modell“ (unbeschränkte Gesellschafterhaftung) wurde hier jedoch schon in den Vorauflagen vertreten, die Anwendung des § 37 Abs. 2 aber gleichwohl für „haltbar“ erachtet.

Karsten Schmidt

|

649

64

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

allseitige Billigung vor der Eintragung mit der Geschäftstätigkeit beginnen (Rdnr. 50). Extern geht es nur darum, ob die organschaftliche Vertretungsmacht gemäß §§ 35 ff. schon vorhanden ist. Da die sich aus den Gesellschaftsverbindlichkeiten ergebende Gesellschafterhaftung (Rdnr. 77 ff.) eine gesetzliche ist, kommt es auch nicht auf die Frage an, ob die Vertretungsmacht der Geschäftsführer ausreicht, um eine persönliche Haftung der Gesellschafter zu begründen1. Auch die Vertretungsmacht ist nach §§ 35, 37 eine gesetzliche. Selbst eine ausdrückliche Beschränkung der Vertretungsmacht durch die Gründer hat nach den Regeln des § 37 Abs. 2 keine direkte Außenwirkung2. Sofern Geschäftsführer evident eigenmächtig handeln, die Pflichtwidrigkeit ihres Handelns also dem Geschäftspartner bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, sind die Gesellschaft und die Gesellschafter durch die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht (vgl. Erl. § 37) geschützt3. Dabei ist zu beachten, dass ein Dritter, dem die fehlende Eintragung bekannt ist, nicht in jedem Fall davon ausgehen darf, dass die Geschäftsführer bereits zu unbeschränktem Vertreterhandeln befugt sind. Bei typischen Anlaufgeschäften kann aber der Dritte regelmäßig auf die gesetzliche Vertretungsmacht vertrauen. 65

bb) Die Vorgesellschaft kann nicht nur durch die Geschäftsführer vertreten werden, sondern auch durch Bevollmächtigte, im Fall einer kaufmännischen Tätigkeit (Rdnr. 29) auch durch Prokuristen4. Die Vertretungsmacht wird dann durch die Geschäftsführer als Organe der Gesellschaft erteilt. Die Wirksamkeit einer solchen Bevollmächtigung hängt also wiederum davon ab, ob die Geschäftsführer ihrerseits die Gesellschaft wirksam vertreten können. Insbesondere eine Prokura oder Handlungsvollmacht wäre nach der bisher h.M. nur wirksam erteilt, wenn eine Sachgründung vorliegt oder wenn die Gesellschafter die Geschäftsführer zur Unternehmensführung ermächtigen. Diese h.M. ist aus den bei Rdnr. 64 dargelegten Gründen abzulehnen. Die Geschäftsführer können bereits auf Grund ihrer organschaftlichen Vertretungsmacht Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte bestellen. Ob sie dies intern dürfen, ist eine Frage ihrer Geschäftsführungsbefugnis (Rdnr. 50). Im Außenverhältnis kann die Prokura sogleich wirksam werden und mit der Anmeldung der GmbH zur Eintragung im Handelsregister angemeldet werden (die Eintragung nach § 53 Abs. 1 HGB wirkt nicht konstitutiv).

66

cc) Im Prozess wird die Vor-GmbH durch ihre Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1). Die Geschäftsführer werden nicht als Zeugen, sondern als Partei vernommen. Dasselbe gilt im Auflösungsfall für die Liquidatoren.

1 Ausführlicher noch 9. Aufl.; überholt BGHZ 72, 45, 49 f. = NJW 1978, 1978, 1979 m. Anm. Karsten Schmidt = GmbHR 1978, 232; BGHZ 86, 122, 125 = NJW 1983, 876, 877 = GmbHR 1983, 46, 47. 2 Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3b bb; enger (nur bei Beginn kaufmännischer Fähigkeit) Beuthien, NJW 1997, 566 f.; a.M. Wiegand, BB 1998, 1071: „unhaltbar“. 3 Vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3b bb; näher zum Missbrauch der Vertretungsmacht, ebd., § 10 II 2. 4 Ebenso Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 77.

650

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

3. Besitzausübung, Verschuldenszurechnung, Haftung für fremdes Handeln, Wissenszurechnung a) Den Besitz an beweglichen und unbeweglichen Sachen übt die Gesellschaft durch ihre Geschäftsführer aus (Organbesitz), sowie durch Hilfspersonen als Besitzdiener1.

67

b) Ein Organverschulden wird der Gesellschaft analog § 31 BGB zugerechnet2. Sie haftet also ohne Entlastungsmöglichkeit für ein Verschulden ihrer Geschäftsführer oder Liquidatoren. Im Rahmen von Sonderrechtsverhältnissen, insbesondere von Verträgen, haftet die Vorgesellschaft nach § 278 BGB für ihre Erfüllungsgehilfen. Für unerlaubte Handlungen ihrer Verrichtungsgehilfen haftet die Vorgesellschaft als Geschäftsherrin nach § 831 BGB aus vermutetem Auswahl- und Überwachungsverschulden (Rdnr. 71)3. Im Ordnungsrecht (sog. Polizeirecht) wie auch im Recht der privatrechtlichen Unterlassungsansprüche kann die Vorgesellschaft auf Grund eines Verhaltens ihrer Geschäftsführer als Handlungsstörer haften4. Strafrechtlich können tatbestandsrelevante Merkmale, die bei der GmbH vorliegen, den Geschäftsführern nach § 14 StGB zugerechnet werden5.

68

c) Auch für die Wissenszurechnung gelten die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätze6. Grundsätzlich werden Kenntnis und Irrtum, guter und böser Glaube der Geschäftsführer oder Liquidatoren der Gesellschaft unmittelbar zugerechnet. Die Wissenszurechnung bei Bevollmächtigten richtet sich nach § 166 BGB.

69

4. Die Haftungsverhältnisse im Überblick a) Die Vorgesellschaft kann selbst aus Rechtsgeschäften haften, wenn sie rechtswirksam vertreten worden ist (Rdnr. 59 ff.) oder ein ohne Vertretungsmacht vorgenommenes Rechtsgeschäft genehmigt (§ 177 BGB).

70

aa) Auch aus gesetzlichen Schuldverhältnissen haftet die Vorgesellschaft bereits nach allgemeinen Regeln. Sie kann als nichtberechtigter Besitzer (§§ 987 ff. BGB) oder als Empfänger einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) oder als nichtberechtigt Verfügender (§ 816 BGB) haften. Sie kann Geschäftsherr im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677 ff. BGB sein. Sie kann als Halterin eines Kraftfahrzeugs (§ 7 StVG) oder eines Tiers (§ 833 BGB) oder als Grundstücksbesitzerin (§ 836 BGB) haften und

71

1 Dazu vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 10 III. 2 Vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 1989, 637, 638; M. Scholz, S. 80; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 105; Ulmer, Rdnr. 85; Beuthien, BB 1996, 1337 f. 3 Im Ergebnis zust. Beuthien, BB 1996, 1339. 4 Vgl. zum UWG OLG Frankfurt, OLGZ 1987, 435. 5 Nach wohl h.M. aber nur aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB; vgl. KG, GmbHR 2003, 591; Bittmann/Pikarski, wistra 1995, 92 f.; bedenklich! 6 Vgl. zu diesen Karsten Schmidt, GesR, § 10 V.

Karsten Schmidt

|

651

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

der Produkthaftung (§ 1 ProdHG) unterliegen. Sie kann Geschäftsherrin i.S.v. § 831 BGB sein (vgl. Rdnr. 68). Sie kann aus § 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden1. Für ein Verschulden ihrer Organe – insbesondere also der Geschäftsführer – haftet sie bereits entsprechend § 31 BGB (vgl. Rdnr. 68). 72

bb) Nicht nur für Verbindlichkeiten, die im Gründungsstadium begründet worden sind, sondern auch für Altverbindlichkeiten kann die Vorgesellschaft haften, wenn hierfür eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage besteht. Von besonderer Bedeutung ist § 25 HGB2, wenn ein Unternehmen in die Gesellschaft eingebracht (Sachgründung) oder von ihr entgeltlich erworben wird (Bargründung bzw. verdeckte Sachgründung). Da § 25 HGB und nicht § 28 HGB einschlägig ist3, greift die Haftung nach h.M. allerdings nur ein, wenn die Vorgesellschaft das eingebrachte Unternehmen mit dessen bisheriger Firma fortführt4. Anders entscheiden diejenigen, die im Fall der GmbH-Sachgründung gegen den Wortlaut des Gesetzes § 28 HGB anwenden5 oder mit der vom Verfasser vertretenen Ansicht gegen den Wortlaut des Gesetzes § 25 HGB auch bei Unternehmensfortführung ohne Firmenfortführung anwenden6. Aus § 25 HGB ergibt sich nur eine Haftung der Gesellschaft7; die Gesellschafterhaftung folgt den Rdnr. 77 ff. Auch Arbeitsverhältnisse gehen im Fall der Sach-Einbringung eines Unternehmens nach § 613a BGB auf die Vorgesellschaft über8. Zur Frage, ob die Gesellschafter im Fall der Geschäftsfortführung auch persönlich haften, vgl. Rdnr. 85.

73

b) Von der Haftung der Vorgesellschaft ist die persönliche Haftung der Beteiligten zu unterscheiden. Sie kann insbesondere begründet sein: (aa) als Gesellschafterhaftung der Gründer neben der Vorgesellschaft (dazu Rdnr. 76 ff.), (bb) als Haftung der Handelnden neben der Vorgesellschaft gemäß Abs. 2 (dazu Rdnr. 91 ff.), (cc) als Haftung von Vertretern ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 BGB an Stelle der Vorgesellschaft (dazu Rdnr. 60 ff., 117).

74

c) Von der Außenhaftung beteiligter Personen ist wiederum die seit BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 praktische Vorbelastungshaftung

1 Vgl. OLG Frankfurt, DB 1985, 1334 = GmbHR 1985, 331. 2 Dazu eingehend Karsten Schmidt, HandelsR, § 8. 3 Vgl. nur BGHZ 18, 248, 250 = NJW 1955, 1916; BGH, BB 1982, 888 = NJW 1982, 1647 m. Anm. Karsten Schmidt; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 103; Ulmer, § 5 Rdnr. 75; a.M. Staub/Hüffer, HGB, 4. Aufl., § 28 Rdnr. 30. 4 BGHZ 18, 248, 250 = NJW 1955, 1916; BGH, BB 1982, 888 = NJW 1982, 1647 m. Anm. Karsten Schmidt. 5 Dafür Staub/Hüffer, HGB, 4. Aufl., § 28 Rdnr. 30; Lieb, in: MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2005, § 28 Rdnr. 5; nach dieser Auffassung müsste im Fall der Sacheinlage die GmbH unbedingt haften, im Fall der Sachübernahme nur, wenn sie auch die Firma des erworbenen Unternehmens führt. 6 Karsten Schmidt, HandelsR, § 8 II 1c. 7 A.M. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 91 ff., 103 m. Nachw. 8 Vgl. zur Anwendung des § 613a BGB auf Unternehmens-Sacheinlagen Müller-Glöge, in: MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2005, § 613a Rdnr. 64 m.w.N.

652

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

(Unterbilanzhaftung oder Differenzhaftung) der Gründer nach Eintragung der Gesellschaft zu unterscheiden. Sie begründet Nachschusspflichten der Gründer im Innenverhältnis und keine unmittelbare Haftung gegenüber den Gläubigern (eingehend Rdnr. 124 ff.). d) Die Haftungsgrundsätze finden keine Anwendung auf die Mantel- oder Vorratsverwertung (Rdnr. 23, 58, 99, 125). Die abweichenden, auf den Gedanken der „wirtschaftlichen Neugründung“ gestützten Urteile BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 und BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198 verdienen keine Zustimmung1. Die Praxis musste auf sie allerdings reagieren, womit der Verwendung von GmbH-Mänteln praktisch ein Ende bereitet worden ist (ein insofern positiver Effekt).

75

VI. Die Haftung der Gesellschafter Schrifttum (vgl. zunächst die Angaben bei Rdnr. 1): Ahrens, Kapitalgesellschaftliche Mantelverwertung und Vorgesellschafterhaftung, DB 1998, 1069; Altmeppen, Das unvermeidliche Scheitern des Innenhaftungskonzepts in der Vor-GmbH, NJW 1997, 3272; Baumann, Die GmbH in Anwartschaft – ein neues Konzept zur Gründerhaftung, JZ 1998, 597; Beuthien, Haftung bei gesetzlichen Schuldverhältnissen einer Vorgesellschaft, BB 1996, 1337; Beuthien, Vorgesellschafterhaftung nach innen oder außen? Zum Vorlagebeschluss des BGH vom 4. 3. 1996, GmbHR 1996, 309; Beuthien, Zum Haftungsprivileg der Vorgesellschafter, in: FS Hadding, 2004, S. 309; Binz, Haftungsverhältnisse im Gründungsstadium der GmbH & Co. KG, 1976; Brinkmann, Begrenzte Haftung der Einmann-GmbH in Gründung?, GmbHR 1982, 269; Dauner-Lieb, Haftung und Risikoverteilung in der Vor-GmbH, GmbHR 1996, 82; Derwisch-Ottenberg, Die Haftungsverhältnisse der Vor-GmbH, 1988; Dregger, Haftungsverhältnisse bei der Vorgesellschaft, 1951; Dreher, Die Gründungshaftung bei der GmbH, DStR 1992, 33; von Einem, Haftung der Gesellschafter einer Vorgesellschaft für Beitragsschulden, DB 1987, 621; Ensthaler, Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH: Innenhaftung oder Außenhaftung?, BB 1997, 257; Fantur, Das Haftungssystem der GmbH-Vorgesellschaft, Wien 1997; Fleck, Die neuere Rechtsprechung zur Vorgesellschaft und zur Haftung der Handelnden, ZGR 1975, 212; Flume, Die Rechtsprechung zur Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH und die Problematik der Rechtsfortbildung, DB 1998, 45; Gehrlein, Die Haftung in den verschiedenen Gründungsphasen einer GmbH, DB 1996, 561; Gehrlein, Von der Differenz- zur Verlustdeckungshaftung, NJW 1996, 1193; Gummert, Die Haftungsverfassung der Vor-GmbH nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH, DStR 1997, 1007; Hartmann, Gründerhaftung in der Vor-GmbH, WiB 1997, 66; Hennerkes/Binz, Zur Handelndenhaftung im Gründungsstadium der GmbH & Co., DB 1982, 1971; Hey, Haftung des Gründungsgesellschafters der Vor-GmbH – KG, WM 1994, 1288, JuS 1995, 484; Huber, Die Vorgesellschaft mbH, in: FS Fischer, 1979, S. 263; Jäger, Die persönliche Gesellschafterhaftung in der werdenden GmbH, 1994; Kellermann, Zur Gesellschafterhaftung in der Vor-GmbH, in: FS Röhricht, 2005, S. 291; Kind, Die Differenzhaftung im Recht der GmbH, Diss. Mainz 1984; Kleindiek, Zur Gründerhaftung in der Vor-GmbH – Besprechung der Entscheidung BGH ZIP 1997, 679 –, ZGR 1997, 427; Knoche, Gründerhaftung und Interessenausgleich bei der VorGmbH, 1990; Kort, Die Gründerhaftung in der Vor-GmbH – Überlegungen anlässlich des Vorlagebeschlusses des BAG vom 23. August 1995 an den GmS OGB, ZIP 1995, 1892, ZIP 1996, 109; Krebs/Klerx, Die Haftungsverfassung der Vor-GmbH, JuS 1998, 991; Lieb, Meilenstein oder Sackgasse? Bemerkungen zum Stand von Recht1 Priester, ZHR 168 (2004), 248 ff.; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 ff.

Karsten Schmidt

|

653

76

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

sprechung und Lehre zur Vorgesellschaft, in: FS Stimpel, 1985, S. 399; Lutter, Haftungsrisiken bei der Gründung einer GmbH, JuS 1998, 1073; Maulbetsch, Haftung für Verbindlichkeiten der Vorgründungsgesellschaft und der Vorgesellschaft einer GmbH, DB 1984, 1561; Meister, Zur Vorbelastungsproblematik und zur Haftungsverfassung der Vorgesellschaft bei der GmbH, in: FS Werner, 1984, S. 521; Michalski/Barth, Außenhaftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH, NZG 1998, 525; Nordhues, Gesellschafterhaftung in der Vor-GmbH und Vorgründungsgesellschaft, 2003; Paefgen, Handelndenhaftung bei europäischen Auslandsgesellschaften, GmbHR 2005, 957; Petersen, Spannungsverhältnis zwischen Gründerhaftung und Handlungshaftung ..., Diss. Mainz 1985; Priester, Die Unversehrtheit des Stammkapitals bei Eintragung der GmbH – ein notwendiger Grundsatz?, ZIP 1982, 1141; Raab, Die Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH im System der Gesellschaft, WM 1999, 1596; Raiser/Veil, Die Haftung der Gesellschafter einer GründungsGmbH – Zum Vorlagebeschluss des BGH vom 4. März 1996 an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, BB 1996, 1349 ff., BB 1996, 1344; Günter Reinicke, Die Stellung der Mitglieder in der Vorgesellschaft unter besonderer Berücksichtigung ihrer Haftung, Diss. Köln 1960; Riedel/Rabe, Die Vorhaftung bei der Vorgesellschaft, NJW 1966, 1004; NJW 1968, 873; Wulf-Henning Roth, Die Gründerhaftung im Recht der Vorgesellschaft, ZGR 1984, 597; Sandberger, Die Haftung bei der Vorgesellschaft, in: FS Fikentscher, 1998, S. 389; Schäfer-Gölz, Die Lehre vom Vorbelastungsverbot und die Differenzhaftung der Gründer, Diss. Bonn 1983; Karsten Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, 1972; Karsten Schmidt, Unterbilanzhaftung, Vorbelastungshaftung, Gesellschafterhaftung, ZHR 156 (1992), 93; Karsten Schmidt, Zur Haftungsverfassung der VorGmbH – Bemerkungen zum Urteil des BGH vom 27. Januar 1997, ZIP 1997, 679, ZIP 1997, 671; Karsten Schmidt, Außenhaftung und Innenhaftung bei der VorGmbH – Der BGH und der Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts, ZIP 1996, 353; Franz Scholz, Die Haftung der Gründergesellschaft, JW 1938, 3149; Michael Scholz, Die Haftung im Gründungsstadium der GmbH, 1979; Schütz, Enträtselung des Rätsels Vorgesellschaft? Die Haftungsverfassung der Vor-GmbH nach dem Vorlagebeschluss des BGH vom 4. 3. 1996 – II ZR 123/94, GmbHR 1996, 727; Schumann, Der Ausgleich zwischen GmbH-Gründern, 2004; Schwarz, Offene Fragen bei der so genannten unechten Vor-GmbH, ZIP 1996, 2005; Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984; Stimpel, Unbeschränkte oder beschränkte, Außen- oder Innenhaftung der Gesellschafter der Vor-GmbH?, in: FS Fleck, 1988, S. 345; Ulmer, Abschied zum Vorbelastungsverbot im Gründungsstadium der GmbH, ZGR 1981, 593; Ulmer, Zur Haftungsverfassung in der Vor-GmbH – Erwiderung auf Karsten Schmidt, ZIP 1996, 353 und ZIP 1996, 593, ZIP 1996, 733; Weimar, Abschied von der Gesellschafter- und Handelnden-Haftung im GmbH-Recht?, GmbHR 1988, 289; Wiedenmann, Zur Haftungsverfassung der Vor-AG: Der Gleichlauf von Gründerhaftung und Handelnden-Regress – Zugleich eine Besprechung des Urteils des Landgerichts Heidelberg vom 11. Juni 1997, ZIP 1997, 2045, ZIP 1997, 2029; Wiegand, Offene Fragen zur neuen Gründerhaftung in der Vor-GmbH, BB 1998, 1065; Wilhelm, Die Haftung des Gesellschafters der durch Gesellschaftsvertrag errichteten GmbH auf Grund der gewerblichen Betätigung vor der Eintragung der GmbH, DB 1996, 461; Wilhelm, Das Innenhaftungskonzept geht in sich, DStR 1998, 457; Wilken, Gesellschafterhaftung in der echten Vor-GmbH, ZIP 1995, 1163; Wünsch, Die Haftung der Gründer einer GmbH, GesRZ 1984, 1; Zöllner, Die sog. Gründerhaftung, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1383.

1. Unbeschränkte Vor-Gesellschafterhaftung 77

a) Die persönliche Haftung der Gesellschafter ist unbeschränkt. Bis zu dem Grundsatzurteil BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 = NJW 1997, 1507 war die Frage umstritten. Die engste Auffassung lehnte eine persönliche Außenhaftung 654

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

der Gesellschafter ab1. Diese fehlende Außenhaftung wurde von einzelnen Autoren durch eine sich an § 735 BGB anlehnende Innenhaftung für den Ausgleich von Anlaufverlusten neutralisiert (Rdnr. 56)2. Die Gegenauffassung sprach sich – teils generell, teils unter der Voraussetzung, dass die Gesellschaft schon Unternehmensgeschäfte betreibt – für eine unbeschränkte Gesellschafterhaftung aus3. Dem folgte, wenn auch beschränkt auf den Fall, dass bereits unternehmerische Geschäfte betrieben wurden, die vorliegende Kommentierung (8. Aufl., Rdnr. 80 ff.). Zwischen beiden Standpunkten lag die bis 1997 vom Bundesgerichtshof vertretene und damals wohl herrschende vermittelnde Auffassung, nach der die Haftung auf den Betrag der noch ausstehenden Einlagen beschränkt ist4. Diese vermittelnde Auffassung war unausgewogen (eingehende Kritik hier in der 8. Aufl.). Sie vertrug sich insbesondere nicht mit der seit BGHZ 80, 129 = GmbHR 1981, 114 = NJW 1981, 1373 praktizierten Unterbilanzhaftung im Eintragungsfall. Diese Haftung kann nicht am Eintragungsstichtag aus dem Nichts entstehen, und es geht auch nicht an, die Gründer im Eintragungsfall haften zu lassen, nicht dagegen bei einer scheiternden Gründung. Mit Recht hat deshalb der II. Senat diese Rechtsprechung aufgegeben. b) Die gegenwärtige Praxis wird bestimmt durch das am 27. 1. 1997 ergangene Grundsatzurteil BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 = NJW 1997, 1507 m. Anm. Altmeppen: „Die Gesellschafter einer Vor-GmbH haften für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft unbeschränkt.“ Damit steht fest, dass der auf den Eintragungsstichtag bezogenen Vorbelastungshaftung der Gesellschafter eine ihrem Umfang nach gleiche Gründerhaftung bei der Vorgesellschaft vorgelagert ist5.

1 OLG Dresden, DB 1996, 178 = WiB 1995, 908 = ZIP 1996, 718; Binz, Haftungsverhältnisse, S. 233 ff.; Huber, in: FS Fischer, S. 282 ff.; Lutter/Hommelhoff, 13. Aufl., Rdnr. 7; Jäger, S. 113 ff., 123 f.; M. Scholz, S. 81 ff.; Weimar, GmbHR 1988, 294 f.; Dreher, DStR 1992, 35; im Grundsatz auch Priester, ZIP 1982, 1151 f.; s. auch Fleck, GmbHR 1983, 7. 2 Stimpel, in: FS Fleck, S. 358 ff., 361 ff.; dem folgend Ulmer, Rdnr. 75 ff.; in dieser Richtung zuvor schon Meister, in: FS Werner, 1984, S. 549 f.; Lieb, in: FS Stimpel, 1985, S. 414 f. 3 BSG, DB 1986, 1291 = ZIP 1986, 645; Flume, in: FS Geßler, S. 33 f.; Flume, JurP, § 5 III 3; Flume, NJW 1981, 1754; John, Die organisierte Rechtsperson, S. 324; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 108 ff.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 55; Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 597 ff.; Karsten Schmidt, oHG, S. 317 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3c; Karsten Schmidt, NJW 1978, 1980; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1347; Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 107 ff.; Theobald, S. 113, 121 ff.; s. auch Brinkmann, GmbHR 1982, 209 ff.; v. Einem, DB 1987, 623 f. 4 BGHZ 65, 378, 382 ff. = NJW 1976, 419, 420 m. Anm. Karsten Schmidt; BGHZ 72, 45, 48 f. = NJW 1978, 1978, 1979 m. Anm. Karsten Schmidt; BGHZ 80, 129, 135 = NJW 1981, 1373, 1376 (zweifelnd); BGHZ 91, 148, 152 = NJW 1984, 2164; BGH, WM 1980, 955, 956; BayObLG, DB 1986, 106; OLG Hamburg, WM 1986, 738, 739 = NJW-RR 1986, 116, 117; KG, WM 1994, 1288; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22 ff.; Meyer-Landrut, Rdnr. 14; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31, 91 ff.; Meister, in: FS Werner, S. 546 ff.; Hüffer, JuS 1980, 488; s. auch noch Hachenburg/Ulmer, 7. Aufl., Rdnr. 60 ff.; Ulmer, ZGR 1981, 593, 608 ff. 5 BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 m. Anm. Noack = DStR 1997, 625 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 = ZIP 1997, 679; vgl. schon BGH, GmbHR 1996, 279 = DStR 1996, 515 m. Anm. Goette = NJW 1996, 1210 = ZIP 1996, 590.

Karsten Schmidt

|

655

78

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Das Urteil hat den zuvor vermissten Haftungsgleichlauf vor und nach der Eintragung geschaffen. Bundesarbeitsgericht und Bundessozialgericht haben sich diesem Standpunkt angeschlossen1. Mit diesem hier in der 7. und 8. Auflage eingeforderten Rechtsprechungswandel tragen die Gerichte einem Haftungsbedürfnis Rechnung, das in früheren Jahrzehnten durch Einbeziehung der Gesellschafter in den Kreis der nach Abs. 2 haftenden Handelnden erfüllt werden sollte (dazu Rdnr. 105). Diese Anwendung des Abs. 2 auf die Gesellschafterhaftung war Gläubigerschutz mit falschen Mitteln2. Aber das rechtspolitische Haftungsbedürfnis war klar erkannt. Ihm wird heute mit einer von Abs. 2 unabhängigen gesetzlichen (jedoch ungeschriebenen) Gesellschafterhaftung Rechnung getragen.

2. Außenhaftung oder Innenhaftung? 79

a) Umstritten ist, ob die in der neuen Rechtsprechung anerkannte persönliche Haftung eine Außenhaftung oder eine Innenhaftung ist. Der Bundesgerichtshof folgt in dem Grundsatzurteil vom 27. 1. 1997 einem zuvor in der Literatur entwickelten3 Binnenhaftungsmodell4: „Es besteht eine einheitliche Gründerhaftung in Form einer bis zur Eintragung der Gesellschaft andauernden Verlustdeckungshaftung und einer an die Eintragung geknüpften Vorbelastungs-(Unterbilanz-)haftung ... Die Verlustdeckungshaftung ist ebenso wie die Vorbelastungs-(Unterbilanz-)haftung eine Innenhaftung.“ Dem folgt ein erheblicher Teil der Literatur5. Auch die anderen Bundesgerichte haben sich dem Binnenhaftungskonzept des BGH im Ausgangspunkt angeschlossen6. Folge des Binnenhaftungskonzepts ist, dass die Gründerhaftung eine mit zunehmenden Verbindlichkeiten allmählich anwachsende Vorbelastungshaftung ist: Die Gründer haften zwischen der Gründung und Eintragung anteilig nach Maßgabe ihrer Ge-

1 BAG, NJW 1996, 3165 = NZA 1996, 101 = ZIP 1996, 1548; BSG, ZIP 1996, 1548. 2 Vgl. näher 8. Aufl., Rdnr. 82; Karsten Schmidt, oHG, S. 327 ff. m. w. N. 3 Stimpel, in: FS Fleck, S. 358 ff., 361 ff.; dem folgend Fantur, S. 140; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 65; in dieser Richtung schon Meister, in: FS Werner, 1984, S. 549 f.; Lieb, in: FS Stimpel, 1985, S. 414 f. 4 BGHZ 134, 133 = NJW 1997, 1507 = GmbHR 1997, 405 = ZIP 1997, 679; vgl. auch für die Vor-Genossenschaft BGHZ 149, 273 = NJW 2002, 824. 5 Kießling, S. 157 ff.; Schumann, S. 261 ff.; Goette, § 1 Rdnr. 50; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24 f.; Ulmer, Rdnr. 80 ff.; Koppensteiner, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 26; Dauner-Lieb, GmbHR 1996, 91; Gehrlein, NJW 1996, 1193; Goette, DStR 1996, 517 ff.; Hartmann, WiB 1997, 71; Kellermann, in: FS Röhricht, S. 293 ff.; Kort, ZIP 1996, 114; Lutter, JuS 1998, 1077; Schütz, GmbHR 1996, 733; Ulmer, ZIP 1996, 733; Wiedenmann, ZIP 1997, 2032 f.; Wiegand, BB 1998, 1065 ff.; Wilken, ZIP 1995, 1163 ff. 6 BAGE 83, 283 = NJW 1996, 3165 = ZIP 1997, 1544; BAGE 86, 38, 41 = NJW 1998, 628, 629 = GmbHR 1998, 39, 40 = ZIP 1997, 2199, 2201; BFHE 185, 356, 359 ff. = DStR 1998, 1129, 1131 m. Anm. Goette = NJW 1998, 2926, 2927 = GmbHR 1998, 854, 855 f. = ZIP 1998, 1149, 1150 f.; BSG, KTS 1996, 599; s. auch OLG Dresden, GmbHR 1998, 186 = NZG 1998, 311, 312; OLG Koblenz, ZIP 1998, 1670, 1671 = EWiR 1998, 979 (Bähr/ Nölle); OLG Oldenburg, NZG 2001, 811, 812 = GmbHR 2001, 973; LAG Thüringen, NZA-RR 2001, 121; LAG Köln, NZA-RR 2001, 129; LG Heidelberg, ZIP 1997, 2045, 2047 f. = NZG 1998, 392 f.; AG Holzminden, NJW-RR 1997, 781, 782 = GmbHR 1997, 895; FG Köln, GmbHR 1997, 867 = EFG 1997, 934.

656

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schäftsanteile für jede Unterbilanz. Für Ausfälle eines Gesellschafters haften sie entsprechend § 24 GmbHG1. Der Zeitpunkt des Haftungsbeginns ist noch nicht ausdiskutiert. Das BGH-Urteil vom 27. 1. 1997 geht noch davon aus, dass die Binnenhaftung „erst mit dem Scheitern der Eintragung entsteht“2. Es ist in diesem Punkt noch nicht zu Ende gedacht und wohl durch neuere Rechtsprechung überholt, nach der die Binnenhaftung beim Scheitern der Gründung zur Außenhaftung wird (Rdnr. 81). Der Sache nach läuft das Innenhaftungsmodell der Rechtsprechung der Vorgesellschafter auf eine kontinuierliche Verlustausgleichspflicht hinaus3. Mit der Eintragung in das Handelsregister bzw. mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht die Höhe des Verlustausgleichs endgültig fest. Für die Verjährung gilt nach der Rechtsprechung § 9 Abs. 2 sinngemäß (vgl. für den Fall der Eintragung auch Rdnr. 128)4.

80

b) Ausnahmen von der Innenhaftung, also ihr Umschlagen in eine Außenhaftung hatte der Bundesgerichtshof in seinem Grundsatzurteil vom 21. 1. 1997 zunächst offen gelassen5. Solche Ausnahmen werden mittlerweile anerkannt. Die Gründer haften im Außenverhältnis unbeschränkt, wenn die Eintragungsabsicht aufgegeben oder ihre Verwirklichung unmöglich geworden ist (vgl. zur „unechten Vorgesellschaft“ auch Rdnr. 143)6. Nach BGHZ 152, 290 = NJW 2003, 429 = JZ 2003, 626 m. Anm. Langenbucher bleibt in einem solchen Fall der Vorzug der Binnenhaftung nur erhalten, wenn die Geschäftstätigkeit sofort beendet und die Vorgesellschaft abgewickelt wird; anderenfalls geht die unbeschränkte Innenhaftung (Verlustdeckungshaftung) in eine unbeschränkte Außenhaftung über. Insbesondere im Fall der masselosen Insolvenz soll die Außenhaftung gelten7. Auch für den Fall der Einpersonengründung wird eine Ausnahme angenommen8. Schließlich wird vertreten, dass die Gesellschafter un-

81

1 KG, NJW-RR 1994, 494, 495 = GmbHR 1993, 647 = WM 1994, 1288 = WiB 1994, 354 m. Anm. Gummert; Gummert, DStR 1997, 1009; Hey, JuS 1995, 487; Karsten Schmidt, ZIP 1997, 672; s. auch für die Unterbilanzhaftung BGHZ 80, 129, 131 = NJW 1981, 1373, 1376. 2 Ähnlich Schumann, S. 271 f.; kritisch wie hier aber Michalski, Rdnr. 65. 3 Dafür namentlich Dauner-Lieb, GmbHR 1996, 89 f.; Lutter, JuS 1997, 1076; Schütz, GmbHR 1996, 733. 4 Vgl. BGHZ 149, 273 = NJW 2002, 824 (betr. Vor-Genossenschaft). 5 BGHZ 134, 333, 341 = NJW 1997, 1507, 1509 = GmbHR 1997, 405, 408 = ZIP 1997, 679, 682; zust. BFHE 185, 356, 359 ff. = DStR 1998, 1129, 1131 m. Anm. Goette = NJW 1998, 2926, 2927 = ZIP 1998, 1149, 1150 f. 6 BGHZ 152, 290 = NJW 2003, 429 = JZ 2003, 626 m. Anm. Langenbucher; BAGE 86, 38, 42 = NJW 1998, 628, 629 = GmbHR 1998, 39, 40 = ZIP 1997, 2199, 2201; BFHE 185, 356, 359 = DStR 1998, 1129 m. Anm. Goette = NJW 1998, 2926, 2927 = GmbHR 1998, 854, 855 = ZIP 1998, 1149, 1150; LAG Berlin, NZG 1999, 355; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 65, 18 f.; Kort, ZIP 1996, 111; Lutter, JuS 1998, 1077 f.; Monhemius, GmbHR 1997, 391; Wiegand, BB 1998, 1070. 7 Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 67; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26; Dauner-Lieb, GmbHR 1996, 91; Ulmer, ZIP 1996, 735; s. auch Gummert, DStR 1997, 1010. 8 BGHZ 134, 333, 341 = NJW 1997, 1507, 1509 = GmbHR 1997, 405, 408 = ZIP 1997, 679, 682; BGH, GmbHR 2001, 432 = NJW 2001, 2092; LG Braunschweig, GmbHR 2001, 920; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26; Ulmer, Rdnr. 84; Lutter, JuS 1998, 1077; Ulmer, ZIP 1996, 737; Wiegand, BB 1998, 1069.

Karsten Schmidt

|

657

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

mittelbar im Außenverhältnis haften, wenn die Vorgesellschaft vermögenslos1 oder geschäftsführerlos und insolvent2 ist oder wenn nur ein Gläubiger vorhanden ist (ein wenig bedeutsamer Fall)3. In der Mehrzahl der praktischen Haftungsfälle führt diese Rechtsprechung im Ergebnis zur Außenhaftung, die allerdings als Ausnahmesituation ausgegeben wird. 82

c) Eine hier bereits in den Vorauflagen vertretene Gegenansicht (8./9. Aufl., Rdnr. 80 ff.) spricht sich für unmittelbare und unbeschränkte Außenhaftung der Gründer zwischen der Gründung und der Eintragung der Gesellschaft aus4. Diese Außenhaftungslösung führt rechnerisch nicht zu einer schärferen Haftung als die Innenhaftungslösung, weil der Gesellschafter zur Regressnahme bei seinen Mitgesellschaftern befugt ist. Sie erlegt aber das Haftungs- und Regressrisiko von vornherein jedem Gründer auf. Dieses Konzept wurde mehrfach ausführlich begründet5. § 13 Abs. 2, wonach den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet, gilt erst von der Eintragung an. Die nun auch vom Bundesgerichtshof für unentbehrlich gehaltene unbeschränkte Gründerhaftung kann nur als Außenhaftung sinnvoll verwirklicht werden. Nach dem Binnenhaftungskonzept müsste der Gläubiger aus einem erst gegen die Vor-GmbH zu erwirkenden Titel in deren Forderungen gegen die einzelnen als Teilschuldner haftenden Gründer in Höhe der (ihm nicht ohne weiteres bekannten) Geschäftsanteile vollstrecken und bei fruchtloser Vollstreckung neuerlich die Ausfallhaftungsforderungen nach § 24 geltend machen6. Einstweiliger Rechtsschutz direkt gegen die Gesellschafter wäre nicht zu erlangen. Das ist unbefriedigend. Auch die von der Rechtsprechung konzedierten Ausnahmen vom Binnenhaftungskonzept (Rdnr. 81) machen die Sache nicht besser. Institutionell und ex

1 BAGE 86, 38 = NJW 1998, 628 = GmbHR 1998, 39 = ZIP 1997, 2199; BFHE 185, 356 = DStR 1998, 1129 m. Anm. Goette = NJW 1998, 2926 = GmbHR 1998, 854 = ZIP 1998, 1149; BAG, DB 2006, 1146 = ZIP 2006, 1144; Ulmer, Rdnr. 83. 2 Ulmer, Rdnr. 83. 3 Dazu BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507, 1509 = GmbHR 1997, 405, 408 = ZIP 1997, 679, 682; BAG, NZA 2001, 1247; OLG Dresden, GmbHR 1998, 186, 188; Lutter, JuS 1999, 1077; krit. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 56. 4 OLG Thüringen, GmbHR 1999, 772; LAG Köln, NZA 1997, 1053 = GmbHR 1997, 1148 = ZIP 1997, 1921 = DStR 1998, 179 m. Anm. Goette; LSG Stuttgart, NJW-RR 1997, 1463 = GmbHR 1997, 893 = ZIP 1997, 1651 m. Anm. Altmeppen; Nordhues, S. 102 ff., 124 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3c; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 108 ff.; Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, Rdnr. 184; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15 (gegen Voraufl.); Michalski, Rdnr. 63; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 55 (aber unklar); Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 98 a.E.; Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 408 ff.; Zöllner, in: FS Wiedemann, S. 1405 ff., 1412; Altmeppen, NJW 1997, 3272; Altmeppen, ZIP 1997, 273; Beuthien, GmbHR 1996, 312 ff.; Beuthien, BB 1996, 1340; Beuthien, ZIP 1996, 319; Flume, DB 1998, 45; Flume, JurP § 5 III 3 (S. 164); Kleindiek, ZGR 1997, 427; Michalski/Barth, NZG 1998, 527 f.; Raab, WM 1999, 1596 ff.; Raiser/Veil, BB 1996, 1344; Schwarz, ZIP 1996, 2007; Wilhelm, DB 1996, 922; Wilhelm, DStR 1998, 457 ff. 5 Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3c; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 41 Rdnr. 84; Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 93 ff.; Karsten Schmidt, ZIP 1996, 353 ff.; 1996, 593; 1997, 672 f.; zustimmend: Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 95, 98 ff.; Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 409. 6 Ebd.

658

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

post belegen sie ein Versagen des Binnenhaftungsmodells (Außenhaftung in der Mehrzahl der praktischen Fälle); im Einzelfall und ex ante sind sie keine effektive Hilfe für die Gläubiger, weil diese nicht immer imstande sind, die angeblichen Voraussetzungen der Außenhaftung darzulegen. Besonders gilt dies für die Fälle der Vermögenslosigkeit oder des Vorhandenseins nur eines Gläubigers. Die Vermögenslosigkeit wird der Gläubiger häufig erst nach erfolgloser Vollstreckung oder nach erfolglosem Insolvenzantrag feststellen, und das Fehlen weiterer Gläubiger ist ein Zustand, der sich sogar noch während des Prozesses ändern kann. Die Haftung ist also, wenn sie gebraucht wird, nur als Außenhaftung praktikabel. Es besteht auch kein Grund, die Gründer vor den Gefahren der Außenhaftung zu schützen1. Diese ist im Ergebnis nicht strenger als die Binnenhaftung, denn auch hier trifft bei Ausfall aller Mitgesellschafter die Gründerhaftung den einzig solventen Gründer nach § 24 voll. Der Unterschied zwischen Außen- und Binnenhaftung besteht nur darin, dass sich das „Regresskarussell“2 umkehrt (vgl. zum Regress bei der Außenhaftung Rdnr. 87)3. Soweit die Haftungsgefahr, wie warnend betont wird, GmbH-Gründungen verhindern sollte4, ist zu bedenken, dass eine GmbH, deren Gründer die Ingangsetzungsverluste nicht tragen wollen, es nicht besser verdient hat5. Schließlich braucht auch kein Gründer vor einer mutwilligen Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger geschützt zu werden. Da nämlich die Außenhaftung mit der Eintragung der GmbH entfällt (Rdnr. 138), wird ein Gläubiger die Gründer nicht mitverklagen, wenn er der Solvenz und Ertragsfähigkeit der Vor-GmbH traut6. Die angebliche Gefahr eines Gläubigerwettlaufs im Insolvenzfall7 spricht gleichfalls nicht gegen die Außenhaftung, denn bei eröffnetem Insolvenzverfahren führt § 93 InsO zu einer Innen-Abwicklung (Rdnr. 35), und bei Verfahrensablehnung mangels Masse wird gerade auch von den Befürwortern des Binnenhaftungskonzepts eine Außenhaftung bejaht (Rdnr. 81). Soweit schließlich „Strukturprinzipien des GmbH-Rechts“ gegen die Außenhaftung ins Feld geführt werden8, ist zu erwidern: Das seit BGHZ 134, 333 = GmbHR 1997, 405 = LM Nr. 38 zu § 11 = NJW 1997, 1507 gerade von der Rechtsprechung zugrunde gelegte „Strukturprinzip“ des Kapitalgesellschaftsrechts (wenn dieses große Wort auf die Haftungsdiskussion passt) besteht in der Abhängigkeit der Haftungsbeschränkung von der durch Registereintragung dokumentierten Prüfung der gesetzlichen Eintragungsvoraussetzungen9.

1 Karsten Schmidt, ZIP 1996, 357, 593; zust. LAG Köln, NZA 1997, 1053 = GmbHR 1997, 1148 = ZIP 1997, 1921 = DStR 1998, 179 m. Anm. Goette; a.M. Ulmer, ZIP 1996, 736. 2 Terminus des Verf.; vgl. ZIP 1996, 357, 599 und öfter. 3 Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3c aa; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 41 Rdnr. 84; Karsten Schmidt, ZIP 1996, 357, 599 (auch zum Terminus „Regress-Karussell“); zust. Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 411. 4 Kort, ZIP 1996, 113. 5 Karsten Schmidt, ZIP 1996, 356. 6 Karsten Schmidt, ZIP 1996, 357. 7 Vgl. BGH, ZIP 1996, 590, 592. 8 Ulmer, ZIP 1996, 736. 9 Zust. LAG Köln, NZA 1997, 1053 = GmbHR 1997, 1148 = ZIP 1997, 1921 = DStR 1998, 179 m. Anm. Goette.

Karsten Schmidt

|

659

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

3. Die unbeschränkte Gründerhaftung für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft 83

a) Die Voraussetzungen der unbeschränkten Haftung ergeben sich aus Rdnr. 77 ff.: Es muss eine Vorgesellschaft und eine Verbindlichkeit der Vorgesellschaft vorliegen. Mehr ist nicht zu verlangen. Es muss sich nicht um unternehmerische, über das Gründungsnotwendige hinausgehende Geschäfte handeln (allerdings wird dies, wenn die Haftungsfrage praktisch wird, i.d.R. gegeben sein). Der Haftende muss eine unternehmerische Tätigkeit in Anbetracht der bei Rdnr. 64 mitgeteilten Wertungsgrundlagen auch nicht gebilligt oder auch nur gekannt und geduldet haben (anders noch 7. Aufl.), denn hierauf kommt es nur für das Innenverhältnis an. Die hier angenommene Außenhaftung ist eine gesetzliche akzessorische Haftung1. Sie ist am Modell der §§ 128 ff. HGB orientiert. Auf das abweichende Konzept der neuen Rechtsprechung wurde bei Rdnr. 79 f. hingewiesen: Nach BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 GmbHG m. Anm. Noack = DStR 1997, 625 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 handelt es sich um eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft. Diese Haftung kann nach der Rechtsprechung aber in eine Außenhaftung umschlagen (Rdnr. 81).

84

b) Die Haftung erfasst einheitlich sämtliche Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft. Als gesetzliche Haftung ist die unbeschränkte Haftung der Gründer für rechtsgeschäftliche wie für gesetzliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft einheitlich zu begründen2. Es bedarf bei rechtsgeschäftlichen Verbindlichkeiten keiner Doppelverpflichtung der Gesellschaft und der Gründer durch den Geschäftsführer (§§ 164, 727 BGB), um die persönliche Haftung zu begründen3. Es bedarf also auch nicht einer Vertretungsmacht für die Gründer4. Erfasst sind damit nicht nur rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten, sondern auch Verbindlichkeiten aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, z.B. auch Beitrags- und Steuerschulden der Gesellschaft (vgl. Rdnr. 182)5. Dazu braucht man nicht die Gründer zu Steuerschuldnern, Arbeitgebern etc. zu erklären (zur Vorgesellschaft als Arbeitgeberin vgl. Rdnr. 29)6, vielmehr geht es nur um ihre Haftung für die 1 Karsten Schmidt, oHG, S. 335 ff.; Theobald, S. 80 ff., 135; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 67. 2 Zust. OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1994, 708; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 70. 3 Vgl. demgegenüber noch Hachenburg/Ulmer, 7. Aufl., Rdnr. 61. Ulmer hat die Doppelverpflichtungslehre inwischen sogar bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgegeben (Ulmer, ZIP 1999, 563 ff.). 4 Vgl. Theobald, S. 76 ff.; aber str.; a.M. früher noch BGHZ 65, 378, 382 = NJW 1976, 419, 420 = GmbHR 1976, 65, 66; BGHZ 72, 45, 49 = NJW 1978, 1978, 1979 = GmbHR 1978, 232; BGHZ 86, 122, 125 = NJW 1983, 876, 877 = GmbHR 1976, 46, 47; BayObLG, DB 1986, 106. 5 Vgl. für Umsatzsteuerschulden FG Hannover, GmbHR 1984, 51; für Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung BSG, DB 1986, 1291 = ZIP 1986, 645 = EWiR § 11 GmbHG 1/ 86 m. abl. Anm. Fleck; BSG, DB-Beil. 27/1986, S. 6; LAG Frankfurt, GmbHR 1992, 178; OLG Saarbrücken, GmbHR 1992, 307, 308 m. Anm. Jestaedt; im Ergebnis auch OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1994, 708 (Sozialversicherung); v. Einem, DB 1987, 612 ff.; eingehend Beuthien, BB 1996, 1337 ff. 6 So aber OLG Frankfurt, GmbHR 1994, 708.

660

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Steuerschuldnerin, Arbeitgeberin etc. Erfasst sind nicht nur Verbindlichkeiten, die nach der Aufnahme unternehmerischer Tätigkeit eingegangen wurden, sondern auch Altverbindlichkeiten, sogar solche, die die Vorgesellschaft gem. §§ 25 HGB, 613a BGB von einem Rechtsvorgänger übernommen hat (dazu Rdnr. 72)1. Der gesetzliche Grundgedanke, dass sich die einmal eingetretene unbeschränkte Haftung ohne Unterschied auf alle neuen und alten Gesellschaftsverbindlichkeiten beziehen soll (vgl. § 130 HGB), passt auch hier2. Ansprüche von Mitgesellschaftern aus Drittleistungsverhältnissen sind unter denselben Voraussetzungen erfasst wie bei einer oHG3. c) Die unbeschränkte Haftung unterliegt allgemeinen Grundsätzen der persönlichen Gesellschafterhaftung, wie sie den §§ 128–130 HGB sinngemäß entnommen werden können. Sie ist eine Außenhaftung, kann also von den Gläubigern unmittelbar geltend gemacht werden (Rdnr. 82; zur Innenhaftung im Liquidations- oder Insolvenzfall vgl. Rdnr. 35, 56, 82). Sie ist eine Primärhaftung4. Sie ist eine gesamtschuldnerische: Im Verhältnis zur Gesellschaftsschuld besteht Akzessorietät (Rdnr. 83), im Verhältnis der Gesellschafter untereinander besteht eine Gesamtschuld (a.M. das bei Rdnr. 79 f. geschilderte Innenhaftungskonzept: Haftung pro rata mit Ausfallhaftung analog § 24 GmbHG)5. Der unbeschränkt haftende Vorgesellschafter kann Einwendungen und Einreden unter denselben Voraussetzungen geltend machen wie der Gesellschafter einer oHG (vgl. § 129 HGB)6. Wer durch Eintritt oder Anteilserwerb (Rdnr. 41) neu hinzukommt, haftet, wenn die Haftungsvoraussetzungen nach Rdnr. 83 erfüllt sind, unbeschränkt auch für Altverbindlichkeiten der Vorgesellschaft (vgl. sinngemäß § 130 HGB). Aus dem handelsrechtlichen Haftungssystem der §§ 25, 28, 130 wird man sogar zu folgern haben, dass die persönliche Gesellschafterhaftung der Vor-Gesellschafter die nach § 25 HGB auf die Gesellschaft übergegangenen Altverbindlichkeiten eines eingebrachten Unternehmens (Rdnr. 72) mit umfasst, wenn dieses Unternehmen von der noch nicht eingetragenen (Vor-) GmbH fortgeführt wird (Rdnr. 84). Als Außenhaftung unterliegt die Haftung im Fall der Auflösung der Vor-GmbH entsprechend § 159 Abs. 1 HGB einer fünfjährigen Enthaftungsfrist7. Eine Verjährung analog § 9 Abs. 2 kommt erst nach der Eintragung der Gesellschaft in Betracht (dazu Rdnr. 128)8. Auf die Außenhaftung passt sie nicht.

1 Wie hier im Ergebnis OLG Saarbrücken, JZ 1952, 35 m. Anm. Weipert; Theobald, S. 138 ff.; a.M. noch Karsten Schmidt, oHG, S. 340: nur bei Umwandlung der Gesellschaft in eine nicht eingetragene Dauergesellschaft. 2 A.M. noch Karsten Schmidt, oHG, S. 338 ff. 3 Karsten Schmidt, oHG, S. 340. 4 A.M. Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 626 f.; eines Schutzes durch eine Einrede der Vorausklage bedarf es nicht; in praxi wird jede Gesellschafterhaftung wie eine Ausfallhaftung abgewickelt, aber geklagt werden kann sofort und unbedingt. 5 Für eine bloße Teilschuld-Haftung ohne Ausfallhaftung nach § 24 vereinzelt Beuthien, in: FS Hadding, S. 320 ff. 6 Vgl. zur Akzessorietät der Haftung Karsten Schmidt, oHG, S. 343 ff. 7 A.M. BGHZ 149, 273, 275 = NJW 2002, 824 f. (betr. Vor-Genossenschaft). 8 A.M. BGHZ 149, 273, 275 = NJW 2002, 824 f. (betr. Vor-Genossenschaft).

Karsten Schmidt

|

661

85

§ 11 86

Rechtszustand vor der Eintragung

d) Eine Haftungsbeschränkung kann nicht durch den Gesellschaftsvertrag, wohl aber durch Rechtsgeschäft mit dem individuellen Gläubiger herbeigeführt werden1. Entgegen BGHZ 72, 45, 50 = NJW 1978, 1978, 1979 = GmbHR 1978, 232 genügt hierfür nicht, dass der Vertreter im Namen einer „GmbH“ handelt. Die hier in den Vorauflagen kritisierte Rechtsprechung über die Haftungsbeschränkung durch erkennbares Handeln für eine Vor-GmbH ist durch das Grundsatzurteil BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 GmbHG m. Anm. Noack = DStR 1997, 625 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 405 = NJW 1997, 1507 ausdrücklich aufgegeben worden. Die Tatsache allein, dass der Handelnde das Interesse der Gesellschafter an beschränkter Haftung zum Ausdruck bringt, genügt nicht für die Haftungsbeschränkung. Auch ein ausdrückliches Handeln im Namen einer „GmbH i.G.“ beschränkt die Haftung nicht (vgl. auch zur Handelndenhaftung Rdnr. 107). Dieses Auftreten unterstreicht im Gegenteil den haftungsbegründenden Tatbestand. Um eine Vertrauenshaftung, die durch Information des Vertragsgegners behoben würde, handelt es sich nicht.

4. Regressansprüche 87

Ein Rückgriffsanspruch (vor Zahlung: ein Befreiungsanspruch) der Gesellschafter besteht im Fall ihrer persönlichen Haftung (Rdnr. 81 ff.) entsprechend § 110 HGB gegenüber der Gesellschaft2. Allerdings gilt dies nur, soweit nicht die Vorbelastungshaftung nach Rdnr. 124 ff. Platz greift. Das bedeutet: Die Gesellschafter haben im Innenverhältnis Anlaufverluste in Gestalt von Haftungsverbindlichkeiten, die eine Unterbilanz herbeiführen oder verschärfen, zu tragen und können insoweit keinen Regress bei der Gesellschaft nehmen (vgl. zur Geltung der Kapitalschutzregeln Rdnr. 53)3. Diese dann regresslose Haftung ist deckungsgleich mit der vom BGH angenommenen Binnenhaftung der Gründer (zu ihr vgl. Rdnr. 79 f.). Erst wenn die Unterbilanz behoben ist, kann der Regressanspruch wieder geltend gemacht werden (die Gesellschaft schuldet Regress aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals nicht erforderlichen Reinvermögen; vgl. auch die Wertung bei Rdnr. 131a). Die Gesellschafter untereinander können sich nach § 426 BGB ausgleichen4. Es haften die Mitgesellschafter als Teilschuldner nach Maßgabe ihrer Beteiligung am Gewinn und Verlust, also regelmäßig nach Maßgabe der übernommenen Stammeinlagen. Sind alle Gründer solvent, so haften sie im Ergebnis nicht anders als nach dem Binnenhaftungskonzept des BGH. Auch wenn haftende Gründer ausfallen, besteht im Ergebnis kein Unterschied (Rdnr. 79–82). Nur das Regresskarussell dreht sich anders herum (Rdnr. 82): Nach der hier vertretenen Ansicht tritt der vom Gläubiger in Anspruch genommene Gründer gleichsam in Vorlage und muss selbst den Regress bei den Mitgründern suchen. Soweit die Gesellschaft analog § 110 HGB selbst in Regress genommen werden kann, ist die Regresshaftung der Mit-

1 Karsten Schmidt, oHG, S. 345; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 72. 2 Karsten Schmidt, oHG, S. 356 f.; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 152; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 76; vgl. auch noch Hachenburg/Ulmer, 7. Aufl., Rdnr. 67; krit. Theobald, S. 142. 3 Insoweit überzeugend Theobald, S. 142. 4 Karsten Schmidt, oHG, S. 357; Theobald, S. 142.

662

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

gesellschafter nur eine subsidiäre1. Wer haftet, obwohl er dem Geschäftsbeginn nicht zugestimmt hatte (Rdnr. 83), kann auch den Handelnden (Abs. 2) in Regress nehmen.

5. Haftungsfolgen der Eintragung oder des Scheiterns der Eintragung a) Eintragung: Wird die Gesellschaft eingetragen, so endet eine nach Rdnr. 83 ff. begründete unbeschränkte persönliche Außenhaftung2. Im Außenverhältnis gilt nunmehr § 13 Abs. 2: Für die Verbindlichkeiten der GmbH haftet nur noch das Gesellschaftsvermögen. Der Entstehungsgrund dieser Außenhaftung, die Unternehmensführung ohne legitimierte Haftungsbeschränkung, entfällt, und es besteht kein Grund mehr, die Altgläubiger der bisherigen Vor-GmbH gegenüber den Neugläubigern der GmbH durch eine persönliche Gesellschafterhaftung zu privilegieren. Wer schon Ansprüche gegen die Vorgesellschaft hatte, kann deshalb nicht mehr, ohne mit den Neugläubigern der GmbH zu konkurrieren, direkt gegen die Gesellschafter vorgehen. Die Enthaftung tritt allerdings nur im Außenverhältnis ein. Unter den bei Rdnr. 126 ff. geschilderten Voraussetzungen setzt sie sich als Vorbelastungshaftung gegenüber der GmbH fort3. Diese Vorbelastungshaftung tritt als Innenhaftung an die Stelle der vor der Eintragung bestehenden Außenhaftung (nach dem bei Rdnr. 79 f. geschilderten Innenhaftungsmodell des BGH ist sie nichts anderes als die akkumulierte persönliche Gründer-Innenhaftung). Der von Kritikern der hier vertretenen Auffassung befürchtete „Verlust an Haftungsmasse“ tritt nach dieser Lösung nicht ein4.

88

b) Scheitern der Eintragung: Das Scheitern der Eintragung führt auch nach dem bei Rdnr. 79 f. dargestellten Binnenhaftungskonzept der Rechtsprechung zur unbeschränkten Außenhaftung (vgl. Rdnr. 81). Unbeschränkt haften die Gesellschafter unstreitig dann, wenn sie das Unternehmen in diesem Fall ohne Liquidationsanstrengungen fortführen (Rdnr. 143). Aber es wurde auch schon vor 1997 vertreten, dass das Scheitern der Eintragung per se zur unbeschränkten Haftung führt5. Dies ließ die Frage entstehen, ob die unbeschränkte Außenhaf-

89

1 Krit. Theobald, S. 142. 2 Vgl. teils unter Annahme einer beschränkten Außenhaftung, BGHZ 80, 129, 144 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 118; BGH, BB 1983, 1433; FG Hannover, GmbHR 1984, 51; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 50; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33, 104; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 61; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Fleck, GmbHR 1983, 13 f.; Flume, in: FS v. Caemmerer, S. 528 f.; Karsten Schmidt, oHG, S. 347 ff.; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 151; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1347; Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 121 ff.; Theobald, S. 140; Zöllner, in: FS Wiedemann, S. 1413; Wiedemann, JurA 1970, 456 f.; Dreher, DStR 1992, 37; a.M. OLG Saarbrücken, GmbHR 1992, 307, 308 f. m. Anm. Jestaedt; Schultz, JuS 1982, 738 f.; Beuthien, ZIP 1996, 362. 3 Insofern jetzt ähnlich Ulmer, Rdnr. 121. 4 Vgl. Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 124 f., in Reaktion auf Stimpel, in: FS Fleck, S. 351 f. 5 Knoche, S. 185 ff.; Huber, in: FS Fischer, S. 283 f. (als Vorschlag de lege ferenda); Priester, ZIP 1982, 1151 f.; einschränkend Fleck, GmbHR 1983, 15; Maulbetsch, DB 1984, 1563.

Karsten Schmidt

|

663

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

tung nur Neuverbindlichkeiten erfasst, oder ob die Haftung rückwirkend eintritt1. Vorgeschlagen wurde auch eine interne Verlustausgleichshaftung der Gesellschafter gegenüber der in Liquidation befindlichen Vorgesellschaft2. Seit dem Urteil BGHZ 134, 333 = LM Nr. 38 zu § 11 = NJW 1997, 1507 m. Anm. Altmeppen steht fest, dass nach Scheitern der Eintragung für alle, auch für die schon bestehenden Verbindlichkeiten, unbeschränkt gehaftet wird (Rdnr. 79 ff.). Nach BGHZ 152, 290 = NJW 2003, 429 tritt unbeschränkte Außenhaftung ein, wenn nicht die Geschäftstätigkeit im Fall eines Scheiterns der Eintragung sofort eingestellt wird, und zwar für alle, auch die bereits vorhandenen Geschäftsverbindlichkeiten. Nach der hier vertretenen Auffassung bedarf es dieser Überlegungen nicht. Für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten haften die Gesellschafter persönlich und unbeschränkt (Rdnr. 83 ff.). Diese Haftung entsteht nicht erst mit dem Scheitern des Eintragungsantrags (Rdnr. 79 f.). Sie ist eine Außenhaftung (Rdnr. 82). Aber sie kann im Liquidations- oder Insolvenzfall in Gestalt von Nachschussforderungen zu Gunsten der Masse geltend gemacht werden (Rdnr. 35, 56, 82, 141). 90

c) Fall der „unechten Vorgesellschaft“: Setzen die Gesellschafter ohne Eintragungsabsicht die als GmbH errichtete Gesellschaft fort, betreiben sie z.B. ein Unternehmen unter der Firma einer „GmbH in Gründung“, so haften sie auch nach der h.M. unbeschränkt im Außenverhältnis. Dieser Fall, der meist mit dem Schlagwort „unechte Vorgesellschaft“ belegt wird, wird vor allem dann praktisch, wenn die GmbH-Gründung scheitert, aber keine Liquidation stattfindet (vgl. Rdnr. 143). Nach der hier vertretenen Ansicht (Rdnr. 82) bedarf es für die Außenhaftung nicht des Beweises, dass die Eintragungsabsicht fehlt oder dass die Eintragung objektiv unmöglich ist.

VII. Die Haftung der Handelnden nach § 11 Abs. 2 91

Schrifttum (vgl. zunächst die Angabe bei Rdnr. 1, 76): Bergmann, Die HandelndenHaftung als Ausgleich fehlender Registerpublizität, GmbHR 2003, 563; Beuthien, Regeln die Vorschriften über die Handelndenhaftung einen Sonderfall des Handelns ohne Vertretungsmacht? – Zum Verhältnis der §§ 54 S. 2 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG, 41 Abs. 1 S. 2 AktG zu § 179 BGB, GmbHR 1996, 561; Brock, Die Haftungssituation des Geschäftsführers der GmbH und ihre Begrenzung im Bereich der Vorgesellschaft, 1987; Fantur, Das Haftungssystem der GmbH-Vorgesellschaft, Wien 1997; Fleck, Die neuere Rechtsprechung zur Vorgesellschaft und zur Haftung der Handelnden, ZGR 1975, 212; Heerma, Die Haftung des Handelnden beim Mantelkauf, GmbHR 1999, 640; Hennerkes/Binz, Zur Handelndenhaftung im Gründungsstadium der GmbH & Co., DB 1982, 1971; Jestaedt, Weitere Einschränkungen der Haftung aus § 11 Abs. 2 GmbH-Gesetz?, MDR 1996, 541; Jula, Gestaltungsmöglichkeiten des Geschäftsführers einer GmbH i.G. zum Ausschluss oder zur Abschwächung der Handelndenhaftung, BB 1995, 1597; Klein, Der Rückgriffsanspruch des Handelnden gegen die Gründer einer Vor-GmbH, 1993; Lieb, Abschied von der Handlungshaftung, DB 1970, 961; André Meyer, Die Abhängigkeit der Haftung des Handelnden von der Vertretungsmacht für die Vor-GmbH, GmbHR 2002, 1176;

1 Für Rückwirkung Priester, ZIP 1982, 1152; Maulbetsch, DB 1984, 1563. 2 Baumbach/Hueck, 15. Aufl., Rdnr. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 91; Lieb, in: FS Stimpel, S. 414.

664

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Michalski, Haftung nach § 11 II GmbHG für rechtsgeschäftsähnliches Handeln, NZG 1998, 248; Petersen, Spannungsverhältnis zwischen Gründerhaftung und Handlungshaftung ..., Diss. Mainz 1985; Riedel/Rabe, Die Vorhaftung bei der Vorgesellschaft, NJW 1966, 1004; 1968, 873; Wulf-Henning Roth, Die Gründerhaftung im Recht der Vor-GmbH, ZGR 1984, 597; Hubert Schmidt, Der Regressanspruch des Fremdgeschäftsführers gegen die Gesellschafter der Vor-GmbH, GmbHR 1988, 129; Karsten Schmidt, Der Funktionswandel der Handelndenhaftung im Recht der Vorgesellschaft, GmbHR 1973, 146; Michael Scholz, Die Haftung im Gründungsstadium der GmbH, 1979; Theobald, Vor-GmbH und Gründerhaftung, 1984; Thümmel/Sparberg, Haftungsrisiken der Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsräte und Beiräte sowie deren Versicherbarkeit, DB 1995, 1013; Weimar, Abschied von der Gesellschafter- und Handelndenhaftung im GmbH-Recht?, GmbHR 1988, 289; Weimar, Grundprobleme und offene Fragen um den faktischen GmbH-Geschäftsführer (I), GmbHR 1997, 473; Werner, Mantelgründung und Handelndenhaftung – Stellungnahme zu KG, NZG 1998, 731 f., NZG 1999, 146.

1. Grundlagen der Handelndenhaftung a) Nach Abs. 2 haften die Handelnden persönlich und solidarisch, wenn vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist. Die Vorschrift ist auf Grund von überholten gesetzlichen Grundlagen entstanden. Der Gesetzgeber von 1892 hat die aus dem Aktienrecht bekannte Haftung kommentarlos übernommen1. Historische Grundlage ist deshalb Art. 211 ADHGB, der ursprünglich auf das Vorbelastungsverbot im Konzessionssystem zugeschnitten war (Rdnr. 2, 36) und das Handeln im Namen einer nicht konzessionierten Kapitalgesellschaft unterbinden sollte2. Diese historische Grundlage war nicht ohne Einfluss auf den früher angenommenen Normzweck. Sie erklärt die früher angenommene sog. Straffunktion des Abs. 23. Danach war die Haftung eine Reaktion des Zivilrechts auf unerlaubtes Handeln im Namen einer vor dem Recht noch nicht bestehenden juristischen Person. Schon in der Rechtsprechung des RG trat dann immer mehr die Sicherungsfunktion des Abs. 2 in Erscheinung. Diese Sicherungsfunktion wurde traditionellerweise darin erblickt, dass den Gläubigern an Stelle der GmbH jedenfalls ein Schuldner, nämlich der Handelnde, zur Verfügung stehen solle4. Hierauf beruht die Annahme, es handle sich um eine der Regel des § 179 BGB (Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht) nahe stehende Regelung5. Auch diese Deutung ist seit der Aufgabe des Vorbelastungsverbots durch BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 (Rdnr. 37) überholt, denn der Handelnde haftet, jedenfalls in der Regel, nicht an Stelle einer noch nicht vorhandenen

1 Begründung 1891, S. 57. 2 Vgl. eingehend Rittner, S. 111 ff., 365; Karsten Schmidt, oHG, S. 328 ff.; Reuter, in: MünchKomm. BGB, §§ 21, 22 Rdnr. 101. 3 Vgl. dazu RGZ 47, 1, 2; 55, 302, 304; 70, 296, 301; vgl. noch Riedel, BB 1974, 1459. 4 BGHZ 47, 25, 29 f.; BGHZ 53, 210, 214; BGHZ 65, 378, 380 f.; BGHZ 66, 359, 360; BGHZ 69, 95, 103; BGHZ 76, 320, 323; OLG Brandenburg, ZIP 1998, 2095 = GmbHR 1998, 1031. 5 So heute noch mit Hinweis auf die auch hier betonte ungenügende Sicherung des GmbH-Vermögens Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21 (vgl. auch Rdnr. 23: Handeln für die „noch nicht existierende GmbH“).

Karsten Schmidt

|

665

92

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Gesellschaft, sondern er haftet neben der vorhandenen und nur noch nicht eingetragenen GmbH1. 93

b) Der Sinn und Zweck der Handelndenhaftung ist von einem Funktionswandel dieser Haftung bestimmt2. Aus heutiger Sicht steht die Funktion im Vordergrund, die vor der Eintragung noch ungesicherte Erfüllung der Normativbestimmungen durch die Haftung jedenfalls einer Person auszugleichen und hierdurch den Gläubiger zu sichern3. Besonders vordringlich muss diese Haftungsfunktion denjenigen erscheinen, die die Gründer (wie bis 1996 der BGH) als Gesellschafter nur beschränkt oder überhaupt nicht haften lassen (Rdnr. 77). Bei BGHZ 91, 148, 152 = NJW 1984, 2164, 2165 = GmbHR 1984, 316, 317 wurde sogar ganz maßgeblich auf den Ersatz für die, nach der damaligen Rechtsprechung des BGH ja fehlenden, unbeschränkten Gesellschafterhaftung abgestellt. Im Ergebnis kommt der gläubigersichernden Funktion auch dann maßgebliche Bedeutung zu, wenn man die persönliche Haftung der Gesellschafter bejaht, denn es geht um ein Handeln im Namen einer zwar schon existierenden, aber noch nicht endgültig auf Einhaltung der gesetzlichen Normativbestimmungen geprüften Gesellschaft4. Umstritten ist, ob Abs. 2 daneben auch die Funktion hat, die Organe der Vorgesellschaft zu einer Beschleunigung des Eintragungsverfahrens anzuhalten (sog. Druckfunktion). Diese Nebenfunktion ist zu bejahen5. Sie wird heute von einer zunehmend vertretenen Ansicht in Zweifel gezogen6, dies insbesondere mit dem Hinweis, dass die Organe die Dauer des Eintragungsverfahrens nicht bestimmen können. So richtig das aber ist, so unleugbar ist doch das Interesse des Rechtsverkehrs an raschen und ordentlichen Anmeldungen bzw. Reaktionen auf Zwischenverfügungen. Das Betreiben des Eintragungsvorgangs ist vor allem auch für die Enthaftung der Gründungsbeteiligten von erheblicher Bedeutung (vgl. dazu Rdnr. 88, 118). Sie müssen – jetzt auch nach der Rechtsprechung (Rdnr. 79 f.) – die Haftungsrisiken aus Geschäften im Gründungsstadium tragen und sind auf schleunige Eintragung angewiesen. Mindes1 Vgl. BGHZ 80, 129, 136 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 116; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 149; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1347; zust. Theobald, S. 41; John, BB 1982, 512. 2 Zusammenfassend BGH, NJW 2004, 2519 = ZIP 2004, 1409 (zu § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG); eingehend Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 146 ff.; vgl. seither noch Beuthien, GmbHR 1996, 561 ff.; Bergmann, GmbHR 2003, 563 ff. 3 BGHZ 80, 129, 133 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 115; BGHZ 80, 182, 184 = NJW 1981, 1452 = GmbHR 1981, 192, 193; BGHZ 91, 148, 152 = NJW 1984, 2164, 2165 = GmbHR 1984, 316, 317; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 41; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Michalski, Rdnr. 87; Ostheim, JurBl. 1978, 347 ff.; Ostheim, GesRZ 1982, 125. 4 Vgl. Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3d; Derwisch-Ottenberg, S. 55 ff.; Klein, S. 24 f.; Michalski, Rdnr. 90; Bergmann, GmbHR 2003, 563. 5 Vgl. BGH, LM Nr. 10 zu § 11 GmbHG; BGHZ 47, 25, 29 = NJW 1967, 828, 829; OLG Karlsruhe, GmbHR 1998, 239 = ZIP 1998, 958; Dregger, S. 107; Karsten Schmidt, oHG S. 358; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 146, 152; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 77; vgl. auch Ostheim, GesRZ 1982, 125; nur referierend Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 41; Michalski, Rdnr. 88; ablehnend offenbar BGH, NJW 2004, 2519 = ZIP 2004, 1409 (zu § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG). 6 BGHZ 69, 95, 103 = NJW 1977, 1683, 1685 = GmbHR 1977, 246, 248; Klein, S. 20 („ungewollte Nebenwirkung“); Ulmer, Rdnr. 124; Fleck, GmbHR 1983, 5, 13.

666

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

tens als rechtspolitischer Nebeneffekt bleibt deshalb die Druckfunktion von Belang. c) Die Handelndenhaftung ist eine Organhaftung1. Nur wer als Geschäftsführer bestellt ist oder als faktischer Geschäftsführer die Aufgaben eines Geschäftsführers wahrnimmt, kann nach § 11 Abs. 2 haften (Rdnr. 101). Als Organhaftung ist die Handelndenhaftung systematisch streng von der bei Rdnr. 77 ff. besprochenen Gesellschafterhaftung zu unterscheiden2. Sie tritt ggf. nicht nur neben die Haftung der Gesellschaft, sondern unter den bei Rdnr. 81 ff. besprochenen Voraussetzungen auch neben die persönliche Haftung der Gesellschafter3. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer kann aus beiden Anspruchsgrundlagen persönlich haften.

94

d) Die Handelndenhaftung ist keine Rechtsscheinhaftung (Vertrauenshaftung). Sie dient dem Verkehrsschutz beim Handeln im Namen einer noch nicht eingetragenen GmbH, aber es kommt nicht darauf an, ob der Vertragspartner die Gesellschaft für bereits eingetragen hielt (vgl. auch Rdnr. 107, 109). Verkehrsschutz und Vertrauenshaftung sind keineswegs dasselbe.

95

e) Rechtspolitisch wird die Haftungsbestimmung vielfach kritisiert4. Richtig ist, dass sie nicht mehr dieselbe Berechtigung und Tragweite haben kann wie noch im Jahr 1892 (Rdnr. 5, 92). Aber der Sinnwandel der Bestimmung lässt die Haftung auch heute noch als rechtspolitisch vertretbar und keineswegs als völlig verfehlt erscheinen. Wie in der Literatur betont wird, könnte eine Beseitigung der Haftungsbestimmung sogar gegen Art. 7 der Ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie der EG (Publizitätsrichtlinie)5 verstoßen. Vollends abzulehnen ist jedenfalls die im Schrifttum vorgetragene Forderung, Abs. 2 solle bereits de lege lata als obsolet angesehen und von der Rechtsprechung nicht mehr angewandt werden6. Diese These verwechselt die Lehre vom Wandel der Normsituation mit dem hier nicht zum Zuge kommenden Grundsatz „cessante ratione legis cessat lex ipsa“.

96

2. Sachlicher Anwendungsbereich: nur bei Vorgesellschaften a) Voraussetzung der Haftung ist, dass für eine Vorgesellschaft gehandelt wurde. Im Vorgründungsstadium gilt Abs. 2, wie seit geraumer Zeit auch der BGH7 1 Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3d aa; Karsten Schmidt, oHG, S. 350; Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 147; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 79; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 105; Theobald, S. 31 m.w.N. 2 Vgl. dazu Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 149 ff. 3 Vgl. Theobald, S. 43. 4 Ulmer, Rdnr. 124; Lieb, DB 1970, 967; Lieb, in: FS Stimpel, S. 405; Fleck, LM Nr. 20 zu § 11 GmbHG; Weimar, GmbHR 1988, 289; Weimar, AG 1992, 77; s. auch Fantur, S. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 107. 5 ABl. EG L Nr. 65 vom 14. 3. 1968, S. 8 = Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl. 1996, S. 107 ff.; dazu Lutter/Hommelhoff, 13. Aufl., Rdnr. 17; Klein, S. 32 f.; Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 417; Werner, NZG 1999, 148. 6 So Weimar, GmbHR 1988, 289 f.; Weimar, GmbHR 1997, 478 Fn. 47. 7 BGHZ 91, 148 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316; bestätigt bei BGH, WM 1985, 479.

Karsten Schmidt

|

667

97

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

anerkennt, nicht (Rdnr. 18). Umgekehrt gilt Abs. 2 nicht, wenn die GmbH bereits eingetragen ist1. Dies wird auch dann gelten müssen, wenn der Geschäftspartner glaubt, die Gesellschaft sei noch nicht eingetragen, z.B. weil der Geschäftsführer sie noch als „GmbH i.G.“ bezeichnet hatte. Weder ist Abs. 2 selbst ein Rechtsscheintatbestand, noch kann sich ein Dritter darauf berufen, er habe mit dieser Haftung gerechnet. Es kommt nur auf den objektiven Haftungstatbestand an, und dieser kann nicht mehr eintreten, wenn die GmbH bereits in das Handelsregister eingetragen ist. Allenfalls wenn eine persönliche Haftung der Gesellschafter aktiv vorgetäuscht wird, kann der Handelnde haften, dann aber nicht aus Abs. 2, sondern aus culpa in contrahendo. Auch der Geschäftsführer einer „GmbH im Aufbau“ nach dem TreuhandG haftete nicht nach Abs. 2 (8. Aufl., Rdnr. 197). 98

b) Nicht anzuwenden ist Abs. 2 auf den Fall der Satzungsänderung, insbesondere der Kapitalerhöhung. Rechtsgeschäfte einer schon eingetragenen Gesellschaft, die zwischen einem Satzungsänderungs- oder Kapitalerhöhungsbeschluss und dessen Eintragung vorgenommen werden, lösen keine Handelndenhaftung aus. Das gilt auch dann, wenn die Gesellschafter der Satzungsänderung das Gewicht einer „Umgründung“ geben und wenn sich die Gesellschafter schon vor der Eintragung der von ihnen beschlossenen Satzungsänderungen im Sinne dieser „Umgründung“ unternehmerisch betätigen2. Auch wenn dieser Vorgang mit einer Änderung der Firma und des Unternehmensgegenstands einhergeht, ist das Handeln vor der Eintragung dieser Satzungsänderungen kein Fall des Abs. 23.

99

c) Mantelverwendung? Das Recht der Mantelverwendung ist seit den Urteilen BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 und BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198 neuerlich umstritten (näher § 3 Rdnr. 37 ff.). Der BGH versteht die Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften als eine „wirtschaftliche Neugründung“ und wendet gründungsrechtliche Bestimmungen an. Nach BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198 kommt nicht nur die Unterbilanzhaftung (Rdnr. 124 ff.), sondern daneben auch eine Handelndenhaftung analog Abs. 2 in Betracht, wenn vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung die Geschäfte aufgenommen werden, ohne dass alle Gesellschafter zugestimmt haben4. Diese Rechtsprechung ist abzulehnen5. Schon vorher wurde allerdings die Anwendbarkeit des Abs. 2 verschiedentlich bejaht6, hier dagegen verneint (Rdnr. 23, 58, 1 BGH, GmbHR 1980, 55. 2 Vgl. OLG Hamburg, BB 1987, 505 = GmbHR 1987, 477 = NJW-RR 1987, 811; insoweit zust. Ulmer, Rdnr. 131. 3 Vgl. OLG Koblenz, BB 1989, 315 = GmbHR 1989, 374. 4 So auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; Gornstedt, BB 2003, 2082 f. 5 Karsten Schmidt, NJW 2004, 1345 ff.; abl. auch Priester, ZHR 168 (2004), 248 ff.; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322; Schaub, NJW 2003, 2125, 2128; s. auch Kesseler, ZIP 2003, 1790 ff. 6 Für Anwendbarkeit OLG Hamburg, BB 1983, 1116 = GmbHR 1983, 219 = ZIP 1983, 570 (anders OLG Hamburg, BB 1987, 505 = GmbHR 1987, 477); KG, GmbHR 1998, 789 = NZG 1998, 731; LG Hamburg, NJW 1985, 2426; GmbHR 1997, 895; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Hachenburg/Ulmer, Rdnr. 103; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 22; Ulmer, BB 1983, 1124; unentschieden OLG Koblenz, BB 1989, 315 = GmbHR 1989, 374; Ulmer, Rdnr. 130 und § 3 Rdnr. 151.

668

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

75)1. Allerdings hat das OLG Hamburg2 eine Haftung bei einem Fall der Mantelverwertung in einem Einzelfall mit Recht bejaht. Die Haftung konnte jedoch, wie später wohl auch das OLG Hamburg3 erkannt hat, nicht auf die Geltung des § 11 Abs. 2 bei Mantelverwertungen gestützt werden, sondern sie ergab sich aus den Besonderheiten des damaligen Falls. Im zu entscheidenden Fall hatte der Beklagte, als Geschäftsführer einer noch nicht eingetragenen XGmbH handelnd, Aufträge vergeben. Er hatte dann die Geschäftsanteile einer Y-GmbH erworben und eine Satzungs- und Firmenänderung dieser zukünftigen X-GmbH beschlossen. Zur Eintragung der Satzungsänderung kam es nicht mehr, weil die GmbH Konkursantrag stellen musste. Hier musste der Beklagte haften, aber nicht aus § 11 Abs. 2, sondern aus § 179 BGB (wenn er ohne Vertretungsmacht gehandelt hatte) oder auf Grund einer Vertrauenshaftung (wenn er über die Identität des Vertragspartners getäuscht hatte)4. Mit Abs. 2 hatte der Haftungsfall entgegen der Auffassung des OLG nichts zu tun. d) Umwandlung, Sitzverlegung? In Fällen der Umwandlung kommt eine Haftung nach Abs. 2 praktisch kaum in Betracht. Beim Formwechsel gibt es keine Vorgesellschaft (Rdnr. 22). Der Handelnde kann nur im Namen der Gesellschaft alter oder neuer Rechtsform handeln. Im Fall der Verschmelzung ist eine Haftung nach Abs. 2 nur möglich, wenn eine Vorgesellschaft entsteht, also bei der Verschmelzung durch Neubildung (Rdnr. 22). Auch hierbei kommt eine Haftung aber nur in dem eher theoretischen Fall in Betracht, dass vor der Eintragung der Verschmelzung im Namen der Vorgesellschaft gehandelt wird (vgl. Rdnr. 60 f.). So wird es sich kaum je verhalten. Wer nach einem notariellen Verschmelzungsvertrag bereits unter der Firma der neuen GmbH Geschäfte abschließt, handelt – je nach dem Zeitpunkt, in dem die Geschäfte wirksam werden sollen – im Namen der gegenwärtigen oder der künftigen eingetragenen GmbH als Unternehmensträgerin5; eine Haftung nach Abs. 2 kommt dann nicht in Betracht6. Ähnliches gilt im Fall der Spaltung. Selbst in den wenigen Umwandlungsfällen, in denen nach h.M. eine Vorgesellschaft zur Entstehung gelangt, wird demnach kaum je im Namen der künftigen Gesellschaft gehandelt. Analog anzuwenden ist Abs. 2 dagegen in Fällen der Sitzverlegung, wenn im Namen einer nach deutschem Recht nicht anerkannten Auslandsgesell-

1 9. Aufl., Rdnr. 99; s. auch OLG Karlsruhe, DB 1978, 1219, 1220; OLG Brandenburg, ZIP 1998, 2095 = NZG 1999, 166; Karsten Schmidt, GesR, § 4 III 3e; Peters, Der GmbHMantel, 1989, S. 113 ff.; Heerma, Mantelverwertung und Kapitalaufbringungspflichten, 1997, S. 142; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 73; Lutter/Hommelhoff, 15. Aufl., Rdnr. 13; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 109; Bommert, GmbHR 1983, 211 f.; Priester, DB 1983, 2297; Gummert, DStR 1997, 1011; Schwertfeger, WiB 1997, 521; Ahrens, DB 1998, 1073; Göz/Gehlich, ZIP 1999, 1660; Heerma, GmbHR 1999, 640; Werner, NZG 1999, 146, 148; Kallmeyer, GmbHR 2003, 322. 2 BB 1983, 1116 = GmbHR 1983, 219 = ZIP 1983, 570. 3 BB 1987, 505 = GmbHR 1987, 477 = NJW-RR 1987, 811. 4 Karsten Schmidt, GesR, § 4 III 3e. 5 Vgl. zum rechtsgeschäftlichen Handeln für ein Unternehmen, Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 III. 6 Vgl. auch BGH, NJW-RR 1986, 115 = WM 1985, 1364.

Karsten Schmidt

|

669

100

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schaft gehandelt wird1. Die in einem Rest-Anwendungsbereich noch vertretene Sitztheorie (Einl. Rdnr. 94) lässt die Auslandsgesellschaft nicht als eine nicht existente Gesellschaft erscheinen, sondern die „Nichtanerkennung“ nach deutschem Recht ist nur die Konsequenz daraus, dass die Gesellschaft die Normativbestimmungen des deutschen Gesellschaftsrechts nicht erfüllt hat2. Nicht anzuwenden ist dagegen Abs. 2 im Geltungsbereich der Artt. 43, 48 EG, also auf eine durch die EuGH-Rechtsprechung „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ gedeckte3, jedoch im Inland nicht eingetragene Auslandsgesellschaft4. 100a

e) Abgrenzung zur Rechtsscheinhaftung. Nicht mit Abs. 2 zu verwechseln ist das Handeln im Namen einer in Wahrheit inexistenten bzw. nicht als Rechtsträgerin anerkannten Gesellschaft. Nur die heute überholte Auffassung, nach der auch die Vorgesellschaft noch keine Rechtsträgerin, sondern eine noch inexistente GmbH sein sollte (Rdnr. 4 f.), konnte diese Fälle einander gleichstellen. Die Haftung beim Handeln im Namen einer überhaupt nicht vorhandenen GmbH ergibt sich entsprechend § 179 BGB (Rdnr. 17a–e, 18). Diese Fälle sind selten. Rechtsgeschäfte, die für ein existierendes Unternehmen abgeschlossen werden, sind i.d.R. Rechtsgeschäfte im Namen des wahren – sei es auch unrichtig bezeichneten – Unternehmensträgers5. Selbst wenn die Firma einer nicht oder noch nicht existierenden GmbH verwendet wird, liegt regelmäßig kein Handeln im Namen eines Nicht-Rechtssubjekts, sondern ein Handeln im Namen des existierenden Unternehmensträgers vor. Die Anwendung des § 179 BGB hängt dann nur davon ab, ob Vertretungsmacht für diesen falsch bezeichneten Unternehmensträger vorliegt. Im Fall einer täuschend verwendeten Firma kommt an Stelle des Abs. 2 oder des § 179 BGB eine Rechtsscheinhaftung oder eine Haftung aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB) in Betracht.

3. Persönlicher Anwendungsbereich 101

Als Organhaftung (Rdnr. 94) erfasst die Handelndenhaftung nur solche Personen, die als Geschäftsführer der Vorgesellschaft bestellt sind, oder, ohne Geschäftsführer zu sein, wie solche handeln (sog. faktische Geschäftsführer)6. 1 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen OLG Hamburg, NJW 1986, 2199; KG, NJW 1989, 3100; OLG Oldenburg, GmbHR 1990, 346 = NJW 1990, 1422; OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 595 = NJW-RR 1995, 1124 = ZIP 1995, 1009; LG Marburg, NJW-RR 1993, 222; LG Stuttgart, NJW-RR 2002, 463, 466; Kruse, Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften in der EG, 1997, S. 41 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 12 Rdnr. 16; Bogler, DB 1991, 848; Eidenmüller/Rehm, ZGR 1997, 99 f.; Karsten Schmidt, ZGR 1999, 25; a.M. H.-F. Müller, ZIP 1997, 1053 f. 2 Karsten Schmidt, ZGR 1999, 22 ff.; str. 3 EuGH, Slg. 1999, I-1459 = GmbHR 1999, 474 „Centros“; EuGH, Slg. 2002, I-9919 = GmbHR 2002, 1137 „Überseering“; EuGH, Slg. 2003, 3331 = GmbHR 2003, 1260 „Inspire Art“. 4 BGH, NJW 2005, 1648 = ZIP 2005, 805 = GmbHR 2005, 630; dazu eingehend Eidenmüller, NJW 2005, 1618 ff.; a.M. noch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 12 Rdnr. 16; ausführlich und kritisch zu dem BGH-Urteil aber auch Paefgen, GmbHR 2005, 630 ff. 5 Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 III. 6 BGHZ 51, 30, 35; BGHZ 66, 359, 360; BGHZ 80, 129, 135; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 43; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 110 ff.; Ulmer, Rdnr. 133.

670

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

a) Wer Geschäftsführer ist, kann als Handelnder haften1. Geschäftsführer ist, wer nach § 6 Abs. 3 oder nach § 46 Nr. 5 bestellt (nicht notwendig auch angestellt) ist.

102

Der Geschäftsführer muss nicht selbst und nicht allein gehandelt haben. Hat er einen Bevollmächtigten nach seiner Weisung handeln lassen, so haftet er selbst2. Auch ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer, der seinen Mitgeschäftsführer zum Alleinhandeln ermächtigt hat, kann nach Abs. 2 haften3. Gleiches gilt, wenn ein Geschäftsführer ein bereits wirksames Geschäft der Vorgesellschaft durch Erklärung genehmigt4. Die bloß passive Billigung eines Geschäfts, die nach der seit BGHZ 47, 25 ständigen Praxis auch den Gesellschafter nicht zum Handelnden macht (Rdnr. 105), ist dagegen nicht ausreichend5. Haben zwei Geschäftsführer Einzelvertretungsmacht und lässt der eine den anderen gewähren, so ist dies kein Handeln i.S.v. Abs. 2. Ob diese Passivität im Verhältnis zur Gesellschaft (§ 43!) eine Haftung rechtfertigt, ist im Verhältnis zu Dritten ohne Belang.

103

b) Wer wie ein Geschäftsführer auftritt, ohne als solcher bestellt zu sein, haftet gleichfalls nach Abs. 26. Ob der Handelnde mit oder ohne Vertretungsmacht aufgetreten ist, ist dann ohne Belang7. Wer, ohne Geschäftsführer zu sein, die Geschäfte der Gesellschaft als „faktischer Geschäftsführer“ aus dem Hintergrund steuert, haftet nach Abs. 28. Das gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer selbst vermögenslos ist9.

104

c) Nicht „Handelnder“ i.S.v. Abs. 2 ist, wer weder Geschäftsführer ist noch als solcher auftritt. Bevollmächtigte, auch Prokuristen, haften nicht nach Abs. 210. Dasselbe gilt für Hilfspersonen, die zwar im Wortsinn für die Gesellschaft „gehandelt“ haben, aber nicht als Gesellschaftsorgane aufgetreten sind. Ebenso wenig haftet, wer nach dem Abschluss des Vertrags mit dem Geschäftspartner Gespräche führt11. Auch die Eigenschaft als Gesellschafter,

105

1 BGHZ 66, 359, 360; Ulmer, Rdnr. 133. 2 BGHZ 53, 206, 208 = NJW 1970, 1043, 1044; OLG Hamburg, WM 1986, 738 = NJW-RR 1986, 116; OLG Hamm, GmbHR 1997, 602; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 115; Ulmer, Rdnr. 138. 3 BGH, NJW 1974, 1284, 1285; Ulmer, Rdnr. 138. 4 Ulmer, Rdnr. 139. 5 OLG Hamburg, WM 1986, 738 = NJW-RR 1986, 116; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 115. 6 BGHZ 65, 378, 380 = NJW 1976, 419; BGHZ 66, 359, 360 = NJW 1976, 1685; BGH, NJW 1980, 287; vgl. auch obiter BGH, WM 1980, 955; zur Gleichstellung mit einem Geschäftsführer Weimar, GmbHR 1997, 478 (der aber die Anwendung des § 11 Abs. 2 prinzipiell bekämpft). 7 H.M.; vgl. (unter Einschluss der Geschäftsführer) Ulmer, Rdnr. 135. 8 BGH, WM 1980, 955; s. auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Ulmer, Rdnr. 133, 135. 9 BGH, WM 1980, 955. 10 BGHZ 66, 359 = NJW 1976, 1685; BGH, WM 1980, 955; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 43; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 30; Ulmer, Rdnr. 134; Beuthien, ZIP 1996, 368. 11 BGH, WM 1980, 955.

Karsten Schmidt

|

671

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

selbst als Mehrheitsgesellschafter, genügt als solche nicht. Die Handelndenhaftung ist keine Gesellschafterhaftung. Die ältere Rechtsprechung, wonach ein Gesellschafter, der schon seine Zustimmung zur Aufnahme der Geschäfte gegeben hat, als Handelnder haften sollte1, ist seit BGHZ 47, 25 = NJW 1967, 828 überholt2. Erst recht gilt dies für die nachträgliche Billigung von Geschäften; sie macht den, der diese Geschäfte billigt, noch nicht zum Handelnden3. Die Gesellschafterhaftung (Rdnr. 77 ff.) ist keine Handelndenhaftung. Auch Aufsichtsratsmitglieder haften den Gläubigern nicht4.

4. Das Handeln im Namen der Gesellschaft 106

a) Nur ein rechtsgeschäftliches Handeln löst die Haftung nach Abs. 2 aus5. Abs. 2 begründet keine Haftung für gesetzliche Schuldverhältnisse. Insbesondere folgt aus Abs. 2 auch keine allgemeine Haftung der schon für die Vor-GmbH tätigen Geschäftsführer für Steuern6, Gebühren und Beiträge7. Ebenso wenig sind rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten erfasst, die nicht von dem Geschäftsführer begründet werden, sondern z.B. nach § 25 HGB oder § 613a BGB auf die Vor-GmbH übergegangen sind8. Auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen – insbesondere eine Geschäftsführung ohne Auftrag – genügen nach herrschender und wohl richtiger Auffassung nicht und begründen keine Handelndenhaftung für gesetzliche Verbindlichkeiten9. Beispielsweise geht es nicht an, den Geschäftsführer nach Abs. 2 für die Folgen einer unberechtigten Zahlungsaufforderung oder Mahnung und der dadurch hervorgerufenen rechtsgrundlosen Zahlung an die Vorgesellschaft haften zu lassen10. Anders verhält es sich bei Verfahrenshandlungen, die, wie etwa Anträge auf Leistungen der öffentlichen Hand, selbst als Rechtsgeschäfte behandelt werden. Nimmt der Ge1 RGZ 55, 302, 304; 70, 296, 301; BGH, LM Nr. 6 zu § 11 GmbHG = NJW 1955, 1228 = BB 1955, 618; s. auch noch Beuthien, ZIP 1996, 313. 2 Vgl. auch BGHZ 72, 45, 46 = NJW 1978, 1978, 1979 = GmbHR 1978, 232; KG, NJW-RR 1994, 494; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 111; Ulmer, Rdnr. 135. 3 BGHZ 47, 25, 28 = NJW 1967, 828; BGH, LM Nr. 9 zu § 11 GmbHG = NJW 1957, 1359 = BB 1957, 726. 4 Vgl. OLG Köln, NZG 2002, 1066. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 115; Ulmer, Rdnr. 127, 136; Beuthien, BB 1996, 1339. 6 Vgl. BFH, GmbHR 1997, 188. 7 Vgl. für Beiträge zur gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung BAGE 85, 94, 97 = NJW 1997, 3331, 3332 = GmbHR 1997, 694, 695; BSG, ZIP 1986, 645, 646; OLG Saarbrücken, GmbHR 1992, 307 m. Anm. Jestaedt; LAG Frankfurt/M., GmbHR 1992, 178; s. auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 35; Michalski, NZG 1998, 248; a.M. Jestaedt, MDR 1996, 543. 8 Vgl. für § 613a BGB LAG Thüringen, NZA-RR 2001, 121; zust. auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24. 9 Vgl. RG, LZ 1927, 1473, 1474; a.M. OLG Karlsruhe, ZIP 1998, 958 = GmbHR 1998, 239; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 120; Ulmer, Rdnr. 136 a.E.; Michalski, NZG 1998, 248 f. 10 A.M. OLG Karlsruhe, ZIP 1998, 958 = GmbHR 1998, 239 (nach Mitteilung rkr.); zustimmend Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24; Michalski, NZG 1998, 249.

672

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schäftsführer solche Leistungen für die Gesellschaft in Anspruch, so haftet er aus dem hierdurch entstandenen Rechtsverhältnis1. b) Ein Handeln „im Namen der Gesellschaft“ liegt nach der früher wohl herrschenden, insbesondere in der älteren Rechtsprechung vertretenen Auffassung nur vor, wenn im Namen der „künftigen“, noch nicht eingetragenen GmbH gehandelt wird2. Diese Rechtsprechung nimmt an, es könne beim Handeln im Namen der noch nicht eingetragenen GmbH „auch“ die Vorgesellschaft berechtigt und verpflichtet werden3. Das ist nach dem bei Rdnr. 59 ff. Gesagten unklar und irreführend, denn die Vorgesellschaft und die GmbH sind ein und derselbe Rechtsträger. Spätestens seit der Aufgabe des Vorbelastungsverbots durch den BGH (Rdnr. 37) ist diese ältere Ansicht auch für die Praxis überholt. Wenn es überhaupt noch einen Sinn hat, das „Handeln im Namen der Vorgesellschaft“ und das „Handeln im Namen der künftigen GmbH“ voneinander zu unterscheiden, dann kann dieser Sinn – wie bei Rdnr. 60 f. dargelegt – nur darin bestehen, dass die Gesellschaft im einen Fall bereits vor der Eintragung berechtigt und verpflichtet werden soll („Handeln im Namen der Vorgesellschaft“), im anderen Fall erst nach der Eintragung („Handeln im Namen der künftigen GmbH“). In diesem Sinne kann nur ein „Handeln im Namen der Vorgesellschaft“ die Haftung begründen4. Wegen der Abgrenzung ist auf Rdnr. 60 f. zu verweisen. Die Verwendung eines Firmenzusatzes „in Gründung“, „i.G.“ usw. ist für die Haftung nicht erforderlich und schließt auch umgekehrt eine Haftung nicht aus (s. auch Rdnr. 109). Aber auch die Verwendung einer GmbHFirma (so, als wäre die Gesellschaft eingetragen) ändert nichts an der Haftung. Nur wenn der Handelnde erkennbar werden lässt, dass erst die noch einzutragende Gesellschaft aufschiebend bedingt berechtigt und verpflichtet werden soll (vielleicht sogar den Vertragsschluss noch genehmigen muss, vgl. Rdnr. 134), fehlt es am haftungsbegründenden Handeln im Namen der Vorgesellschaft (vgl. Rdnr. 61)5. Wird keine solche aufschiebende Bedingung vereinbart, ist dies ein „Handeln im Namen der Gesellschaft“ i.S.v. Abs. 2.

107

c) Nicht erforderlich ist Vertretungsmacht6. So wenig wie Abs. 2 ein Rechtsscheintatbestand ist (Rdnr. 95), wird die Bestimmung durch Rechtsscheintatbestände verdrängt, auch nicht durch § 179 BGB. Anderenfalls stünde der ohne

107a

1 Vgl. für Fernmeldegebühren LG Karlsruhe, BB 1987, 1697. 2 Vgl. RGZ 70, 296, 298; 143, 368, 373; BGHZ 72, 45, 47 = NJW 1978, 1978, 1979 = GmbHR 1978, 232; BAG, AP Nr. 2 zu § 11 GmbHG mit Anm. Rittner/Krell = JR 1984, 108 mit Anm. Karsten Schmidt; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 24. 3 BGHZ 65, 378, 382 = NJW 1976, 419, 420 = GmbHR 1976, 65; BGHZ 72, 45, 47 = NJW 1978, 1978, 1979 = GmbHR 1978, 232; BAG, AP Nr. 2 zu § 11 GmbHG mit Anm. Rittner/Krell = JR 1984, 108 m. Anm. Karsten Schmidt. 4 Vgl. heute besonders Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 44; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 118; Ulmer, Rdnr. 137; Jula, BB 1995, 1599; vgl. schon Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 149 f.; Karsten Schmidt, NJW 1973, 1596; Karsten Schmidt, JR 1974, 110. 5 So die jetzt h.M.; vgl. nur Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 118; Ulmer, Rdnr. 137; Jula, BB 1995, 1599 f.; im Ergebnis richtig schon RGZ 32, 97, 99. 6 BGHZ 80, 182 = NJW 1981, 1452 = GmbHR 1981, 192; a.M. Meyer, GmbHR 2002, 1176.

Karsten Schmidt

|

673

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Vertretungsmacht Handelnde besser da als der nach Abs. 2 Handelnde (vgl. § 179 Abs. 3 BGB). Umgekehrt schützt vorhandene Vertretungsmacht den Handelnden nicht vor der Haftung1.

5. Geschützter Gläubigerkreis 108

a) Nach h.M. sind nur Dritte geschützt, Gesellschafter sind auch dann nicht geschützt, wenn es um eine Drittgläubigerforderung geht2. Diese h.M. ist nicht zweifelsfrei3. Die der Haftung zukommende Druckfunktion (Rdnr. 93) könnte auch hier von Bedeutung sein. Aber die entscheidende Gläubigerschutzfunktion (Rdnr. 93) passt kaum auf einen Gesellschafter, der z.B. ein Darlehen an die Gesellschaft gibt. Praktisch würde die Haftung gegenüber einem Gesellschafter auch kaum zum Tragen kommen. Dem Gesellschafter haftet der Handelnde, selbst wenn man die Haftung im Grundsatz bejaht, jedenfalls nur subsidiär und unter Berücksichtigung der Haftungsquote des Gläubiger-Gesellschafters4.

109

b) Die Haftung ist keine Vertrauenshaftung (Rdnr. 95). Sie setzt nicht voraus, dass der Vertragspartner die Gesellschaft für eingetragen hält5; ein ausdrückliches Handeln im Namen einer „GmbH i. Gr.“ genügt also nicht, um die Haftung auszuschließen (vgl. schon Rdnr. 107); es ist allerdings erforderlich, um eine die Eintragung überdauernde Vertrauenshaftung nach § 4 Rdnr. 53a auszuschließen. Ebenso wenig setzt die Haftung voraus, dass der Vertragspartner mit einer persönlichen Haftung rechnet. Auch ein ausdrückliches Handeln im Namen einer „GmbH“, die in Wahrheit noch nicht eingetragen ist, beseitigt die Haftung also nicht. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, bei denen das Rechtsgeschäft aufschiebend bedingt für den Fall der Eintragung verabredet wird. Es liegt dann kein haftungsbegründendes Handeln im Namen der Vorgesellschaft vor (Rdnr. 107).

110

c) Die Haftung aus Abs. 2 ist abdingbar6. Die ältere Rechtsprechung war in der Annahme eines vertraglichen Haftungsausschlusses großzügig7. Weitgehend 1 H.M.; vgl. nur Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; a.M. LAG Köln, NZARR 2001, 129. 2 Vgl. RGZ 105, 152, 153; BGHZ 15, 204, 206 = NJW 1955, 219, 220; BGHZ 76, 320, 325 = NJW 1980, 1630, 1631 = GmbHR 1980, 202; BGH, LM Nr. 10 zu § 11 GmbHG; OLG Hamm, NJW 1974, 1472; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 24; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 121; Ulmer, Rdnr. 140. 3 Vgl. Karsten Schmidt, oHG, S. 341 f.; strikt gegen die Rechtsprechung vor allem Riedel, NJW 1970, 404 ff. 4 Karsten Schmidt, oHG, S. 342. 5 BGH, LM Nr. 10 zu § 11 GmbHG; öOGH, SZ 60, 221; OGH, WBl. 1995, 207; OLG Hamburg, GmbHR 1963, 50; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 44; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27; Ostheim, GesRZ 1982, 127; für Parallele zu § 179 BGB allerdings Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 24 (aber auch Rdnr. 27). 6 BGHZ 53, 210, 213 = NJW 1970, 806, 807 = GmbHR 1970, 154; BGH, NJW 1973, 798 = GmbHR 1973, 101; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 126; Ulmer, Rdnr. 148; eingehend Jula, BB 1995, 1597 ff. 7 Charakteristisch RGZ 116, 71, 74.

674

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

handelte es sich dabei um Scheinargumente, mit denen die in der älteren Rechtsprechung überdehnte und sodann als zu weit empfundene Haftungsregelung eingeschränkt werden sollte. Diese Rechtsprechung ist überholt (vgl. zum engen Anwendungsbereich des Abs. 2 Rdnr. 101 ff., 106 ff.). Nur wenn eine klare Vereinbarung besteht oder wenn besondere Umstände des Einzelfalls auf einen entsprechenden Vertragswillen beider Teile hindeuten, kann die Haftung als ausgeschlossen gelten. Ein stillschweigender Ausschluss wird nicht vermutet1. Ein Ausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist nach § 307 BGB unwirksam2.

6. Haftungsfolgen a) Die Haftung ist eine akzessorische Haftung3. Sie tritt i.d.R. inhaltsgleich neben die Haftung der Gesellschaft (darüber, dass Vertretungsmacht nicht vor der Haftung nach Abs. 2 schützt, vgl. Rdnr. 107a). Die Vorgesellschaft wird durch das Handeln in ihrem Namen in aller Regel wirksam verpflichtet (Rdnr. 63 f.). Der Gläubiger kann deshalb auch nicht, wie nach § 179 Abs. 1 BGB, zwischen Erfüllung und Schadensersatz wählen4. Schadensersatz wegen Nichterfüllung kann er nur verlangen, wenn auch die Gesellschaft Schadensersatz schuldet (z.B. nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB). Auch ein Wahlrecht, wonach der Gläubiger gegenüber der Gesellschaft vom Geschäft Abstand nimmt, aber gleichwohl den Handelnden in voller Höhe in Anspruch nimmt, kann dem Gläubiger nach dem Normzweck (Rdnr. 92 ff.) nicht zugestanden werden5. Der Handelnde haftet im Außenverhältnis nicht bloß subsidiär6. Er haftet inhaltsgleich neben der Vorgesellschaft für die von ihm begründete Verbindlichkeit. Die Gläubiger sollen aber hinsichtlich des Haftungsinhalts nicht besser gestellt werden, als wäre der Vertrag mit der fertigen GmbH abgeschlossen7. Der Handelnde kann deshalb Einwendungen und Einreden, die der Gesellschaft zustünden, auch selbst geltend machen8. Z.B. kann er trotz fehlender Gegenseitigkeit die Leistung verweigern, wenn die Gesellschaft aufrechnen könnte. Auch die Verjährung des gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruches kommt ihm zugute9. Handlungen, die die Verjährung gegenüber der Gesellschaft hemmen, wirken allerdings nicht ohne weiteres gegen den nach Abs. 2 haftenden Handelnden10. Die Grundsätze des § 129 HGB lassen sich sinngemäß auf die Handelndenhaftung anwenden11. Die Handelnden haften nicht nur für die Erfüllungsansprüche aus dem

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Ulmer, Rdnr. 148. Klein, S. 44 ff.; differenzierend Jula, BB 1995, 1602 (zu § 9 AGBG). Vgl. Karsten Schmidt, oHG, S. 354 f.; Ulmer, Rdnr. 141. A.M. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 37. A.M. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29. A.M. vereinzelt Beuthien, in: FS Hadding, S. 309 f. RGZ 75, 203, 206; BGHZ 53, 210, 214; 69, 104; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 125; Ulmer, Rdnr. 144. RGZ 75, 203, 205 f.; BGHZ 69, 95, 104 = NJW 1977, 1683, 1685 = GmbHR 1977, 246; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; Ulmer, Rdnr. 144. Vgl. LAG Berlin, DB 1985, 1536 = GmbHR 1985, 218; Ulmer, Rdnr. 144. Ulmer, Rdnr. 144; Ostheim, GesRZ 1982, 127.

Karsten Schmidt

|

675

111

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

abgeschlossenen Rechtsgeschäft, sondern auch für Ansprüche aus Rücktritt, Wandlung oder ungerechtfertigter Bereicherung sowie für Schadensersatzansprüche wegen Nicht- oder Schlechterfüllung, soweit sie auf dem Rechtsgeschäft beruhen1. Für Verbindlichkeiten, die sich erst mittelbar aus dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft ergeben wie etwa für jeden Soll-Saldo aus einem vom Geschäftsführer begründeten Girokonto, wird nicht gehaftet2. Der Handelnde haftet auch nicht für jede von ihm nicht begangene Verletzung von Vertragspflichten3. 112

b) Die Haftung ist unbeschränkt4. Sie folgt also der Höhe der Gesellschaftsverbindlichkeit aus dem durch das Handeln begründeten Rechtsgeschäft und kann auch über den Betrag des Stammkapitals oder der noch ausstehenden Einlagen hinausgehen. Der Handelnde kann auch im Fall einer Überschuldung nicht einwenden, den Gläubigern dürfe nicht mehr als bei einer bereits eingetragenen (und überschuldeten!) GmbH zufließen5.

113

c) Das Verhältnis zur Haftung der Gesellschaft und anderer beteiligter Personen ist Folgendes: Die Haftung neben der Gesellschaft ist eine Primärhaftung, keine bloße Ausfallhaftung6. Die Haftung setzt zwar nicht in jedem Fall voraus, dass der Handelnde mit Vertretungsmacht gehandelt und eine Gesellschaftsverbindlichkeit begründet hat (vgl. Rdnr. 104); ist dies aber der Fall, so haften die Gesellschaft und der Handelnde unmittelbar und primär nebeneinander. Die Handelndenhaftung begründet im Verhältnis zu der Haftung der Gesellschaft keine Gesamtschuld i.S. der §§ 421 ff. BGB7, sondern eine akzessorische Haftung ähnlich wie beim Bürgen und beim Gesellschafter einer oHG (vgl. schon Rdnr. 111). Neben der Handelndenhaftung kann eine Gesellschafterhaftung eintreten, soweit die bei Rdnr. 83 ff. besprochenen Voraussetzungen erfüllt sind. Dann haften die Gesellschafter und die Handelnden als Gesamtschuldner. Gesamtschuldner sind auch mehrere, die gemeinschaftlich i.S.v. Abs. 2 gehandelt haben.

7. Regressansprüche der Handelnden 114

a) Den Handelnden stehen gem. §§ 611, 675, 670 BGB Befreiungs- und Regressansprüche zu, wenn sie pflichtgemäß gehandelt, die Gesellschaft also durch ihr Handeln nicht rechtswidrig geschädigt haben8. Diese Ansprüche richten sich gegen die Gesellschaft9. Sie können auch dann bestehen, wenn die Geschäfts1 Vgl. Ulmer, Rdnr. 136. 2 So OLG Koblenz, ZIP 1998, 1670; anders aber wohl bei einem Kontokorrentkredit. 3 Im Ergebnis richtig deshalb BAG, NZG 1998, 776: Keine Haftung des Geschäftsführers für Verletzung des von ihm geschlossenen Vertrags nach seinem eigenen Ausscheiden. 4 Vgl. LG Hamburg, GmbHR 1996, 763; Theobald, S. 44; eine Haftungsbeschränkung wird erwogen bei Meister, in: FS Werner, S. 553 f. 5 Vgl. LG Hamburg, GmbHR 1996, 763. 6 Vgl. aber Lieb, in: FS Stimpel, S. 405 f.; Beuthien, ZIP 1996, 367. 7 So aber RGZ 72, 401, 406; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 128. 8 BGHZ 86, 122 = NJW 1983, 876 = GmbHR 1983, 46; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 49a; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 34; Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 619 ff. 9 Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 152; Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 620; Klein, S. 84 ff.; wie hier jetzt auch Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 86; Wiedenmann, ZIP 1997, 2035.

676

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

führer zum Handeln im Namen der Vor-GmbH nicht besonders ermächtigt worden sind (zur Wirksamkeit des Geschäfts in diesem Fall vgl. Rdnr. 63 f.), vorausgesetzt das Handeln im Namen der Vor-GmbH entsprach auch ohne besondere Ermächtigung den Geschäftsführerpflichten (vgl. § 43)1. Die Regresshaftung der Gesellschaft ist im Gesetz zwar nicht angelegt (der Gesetzgeber ging von einer ausschließlichen Haftung der Handelnden aus; vgl. Rdnr. 92). Sie entspricht aber der Abstandsnahme vom Vorbelastungsverbot (Rdnr. 37): Vorbelastungen, die rechtmäßig herbeigeführt worden sind, treffen auch im Innenverhältnis die Gesellschaft. b) Ob daneben die Gründer persönlich für den Regressanspruch der Handelnden haften, ist umstritten. Der Streit ist Spiegelbild der umstrittenen Frage, ob die Gründer im Außenverhältnis haften. Die Regresshaftung der Gründer wird von einem Teil der Literatur bejaht2. Erwogen wird auch, dass eine solche Haftung dann besteht, wenn die Geschäftsführer auf Weisung der Gesellschafter gehandelt haben3. Die herkömmliche Auffassung verneinte eine Regresshaftung der Gründer4. Das würde bedeuten, dass der Handelnde ohne Regressmöglichkeit dasteht, wenn eine Regressnahme bei der Gesellschaft scheitert. Die herkömmliche Auffassung beruhte auf der hier schon in den Vorauflagen attackierten Prämisse, dass die Gründer für Schulden der Vor-GmbH nicht über ihre Einlagen hinaus (und dann auch nicht im Regresswege) haften. Um nicht die Geschäftsführer strenger haften zu lassen als die Gesellschafter, musste diese Ansicht mit vertraglichen Befreiungszusagen operieren5. Nach BGHZ 86, 122 = NJW 1983, 876 = GmbHR 1983, 46 kann der haftende Geschäftsführer die Gründer grundsätzlich nur in Höhe der von ihnen versprochenen Einlagen in Regress nehmen. Dieser hier in den Vorauflagen attackierte Standpunkt des BGH beruhte auf der durch BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507 = GmbHR 1997, 405 überholten Rechtsprechung, wonach die Gründer für Schulden der VorGesellschaft nicht über ihre Einlagen hinaus haften sollten (dazu Rdnr. 77 f.). Die Regressproblematik muss nach diesem Urteil von der Rechtsprechung neu durchdacht werden6. Die Lösung setzt deshalb eine Stellungnahme zu der Frage voraus: Besteht über den Regressanspruch des Handelnden gegen die Gesellschaft hinaus keine Regresshaftung, oder haften die Gesellschafter persönlich für den Regress?

1 Für Geschäftsführung ohne Auftrag in diesem Fall Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 86; aber es kommt nur darauf an, ob der Geschäftsführer die Aufwendungen für erforderlich halten darf (§ 670 BGB). 2 Karsten Schmidt, oHG, S. 321 f., 355 ff.; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 88; Flume, NJW 1981, 1755; Meister, in: FS Werner, S. 551 ff.; Lieb, in: FS Stimpel, S. 403 f.; Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 621; Hubert Schmidt, GmbHR 1988, 133. 3 BGHZ 86, 122, 126 = GmbHR 1983, 46; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49a; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27. 4 Vgl. nur Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Ulmer, Rdnr. 151; Dreher, DStR 1992, 36; Heidinger, GmbHR 2003, 191. 5 Vgl. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 129; s. auch Ulmer, Rdnr. 151. 6 Dazu auch Wiedenmann, ZIP 1997, 2029 ff.: Innenhaftungsmodell auch beim Handelndenregress.

Karsten Schmidt

|

677

115

§ 11 116

Rechtszustand vor der Eintragung

c) Stellungnahme: Man muss sich darüber klar sein, dass die Regressproblematik ein Spiegelbild der Haftungsproblematik ist. Das Gesetz, das noch von einer ausschließlichen Haftung der Handelnden ausging (Rdnr. 92), kennt keine persönliche Regresshaftung der Gründer gegenüber den Handelnden1. Sie lässt sich weder auf eine Sonderrechtsbeziehung zwischen dem Gesellschafter und dem Handelnden noch auf eine Anwendung des § 11 Abs. 2 gegenüber den Gesellschaftern2 stützen. Seit eine persönliche Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten anerkannt ist (Rdnr. 77 ff.), stellt sich die Frage neu. Nach dem Binnenhaftungsmodell des BGH (Rdnr. 79 f.) kommt eine Direkthaftung gegenüber dem Geschäftsführer nicht in Betracht. Für die hier befürwortete Außenhaftung (Rdnr. 82) stellt sich die Frage, ob die Regressverbindlichkeit der Gesellschaft eine solche Außenhaftung trägt. Das wurde hier bereits in den Vorauflagen bejaht. Danach haften die Gesellschafter für Regressansprüche der Geschäftsführer3, so, wie sie auch für die Gesellschaftsverbindlichkeiten haften, vorausgesetzt, der Geschäftsführer hat i.S.v. Rdnr. 63 f. pflichtgemäß gehandelt und kann Regress bei der Gesellschaft suchen. Weiterhin sind die Gesellschafter dem Handelnden stets dann zum Regress verpflichtet, wenn sie ihn zu dem rechtsgeschäftlichen Handeln ausdrücklich oder stillschweigend ermächtigt haben (zur Frage, ob dies Wirksamkeitsvoraussetzung für das Handeln im Namen der Vor-GmbH ist, vgl. Rdnr. 63 f.). Weisen ihn die Gesellschafter zum Handeln an, so kann hierin auch eine konkludente Haftungsfreistellung seitens der Gesellschafter zu erblicken sein4.

8. Haftung aus § 179 BGB? 117

Eine Haftung aus § 179 BGB wegen Handelns als Vertreter ohne Vertretungsmacht kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Nach § 179 BGB haftet, wer für eine vorhandene Vor-GmbH ohne Vertretungsmacht (dazu aber Rdnr. 63 ff.) handelt (was eine Haftung nach Abs. 2 nicht ausschließt; vgl. Rdnr. 107a). Entsprechend § 179 BGB haftet auch, wer im Rechtsverkehr als Vertreter einer überhaupt nicht errichteten, also auch nicht als Vor-GmbH existenten GmbH auftritt (Rdnr. 17 ff.)5. Diese Situation kommt im Fall der Vorgesellschaft grundsätzlich nicht vor. Überholt ist die Auffassung6, die ein Handeln im Namen der noch nicht eingetragenen GmbH als Handeln im Namen einer inexistenten Person7 ansah (Rdnr. 92). Handelt der Vertreter unter dem Vorbehalt, dass die

1 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 152. 2 So aber Klein, S. 153: Haftung der Gründer nach § 11 Abs. 2 gegenüber dem Geschäftsführer wegen Abschluss des Gesellschaftsvertrages. 3 Vgl. Karsten Schmidt, oHG, S. 321 f., 355 ff.; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 88; Wulf-Henning Roth, ZGR 1984, 620; s. auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27 (Haftung auf der Grundlage des Außenhaftungskonzepts zu bejahen); a.M. Lutter/Hommelhoff, 15. Aufl., Rdnr. 17; Wiedenmann, ZIP 1997, 2036. 4 Vgl. insofern noch Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 123; dazu jetzt Ulmer, Rdnr. 151. 5 LAG Köln, GmbHR 1988, 341 = DB 1988, 864; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 89. 6 So noch Haberkorn, MDR 1964, 555. 7 Dazu BGHZ 63, 45, 47 = NJW 1974, 1905; Schramm, in: MünchKomm. BGB, § 179 Rdnr. 11.

678

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

künftige GmbH den Vertrag noch genehmigen muss (vgl. Rdnr. 136), so scheidet jede Haftung aus § 179 BGB aus1. Handelt er ohne solchen Vorbehalt im Namen der Vorgesellschaft oder im Namen der künftigen GmbH, so liegt jedenfalls kein Handeln im Namen einer inexistenten Gesellschaft vor2. Zum Handeln im Namen der Vor-GmbH und der GmbH vgl. im Übrigen Rdnr. 59 ff. Es kommt dann darauf an, ob der Vertreter mit oder ohne Vertretungsmacht gehandelt hat. Wie bei Rdnr. 63 f. dargestellt wurde, ist der Umfang der Geschäftsführer-Vertretungsmacht umstritten. Nach der hier vertretenen Auffassung wird ein Handeln eines Geschäftsführers ohne Vertretungsmacht im Außenverhältnis kaum vorkommen3. Ein Handeln ohne Vertretungsmacht kann vorliegen, wenn ein Nichtgeschäftsführer ohne wirksame Bevollmächtigung im Namen der (Vor-)GmbH auftritt4. Im Übrigen kann eine Haftung aus § 179 BGB in Betracht kommen, wenn über die Identität der Gesellschaft getäuscht wird, der Vertreter der Vorgesellschaft also im Namen einer von ihr verschiedenen Gesellschaft handelt5.

9. Das Erlöschen der Haftung a) Die Handelndenhaftung erlischt mit der Eintragung6. Diese automatische Beendigung der Haftung wird allerdings immer wieder bestritten7. Aber der Sicherungszweck dieser Haftung (Rdnr. 93) entfällt in diesem Augenblick, und es besteht kein Grund mehr, von nun an die Altgläubiger aus der Zeit vor der Eintragung besser als die Neugläubiger aus der Zeit nach der Eintragung zu behandeln8. Klarstellend heißt es bei BGHZ 80, 182 = NJW 1981, 1452 = GmbHR 1981, 192: „Die Haftung des Handelnden aus Geschäften, die er mit Ermächtigung aller Gründer im Namen der Gesellschaft abgeschlossen hat, erlischt ohne Rücksicht darauf, ob es sich um eine Sach- oder um eine Bargründung handelt, mit der Eintragung der GmbH“. Die ältere Rechtsprechung, die 1 Karsten Schmidt, NJW 1973, 1597. 2 Unklar BGH, NJW 1973, 798 = GmbHR 1973, 101. 3 Vgl. für die Gegenansicht Ulmer, Rdnr. 128, wo aber § 179 BGB als durch Abs. 2 verdrängt angesehen wird. 4 Wie hier jetzt Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 89. 5 Vgl. BGH, WM 1985, 1364, 1365 = NJW-RR 1986, 115; s. auch LAG Köln, GmbHR 1988, 341 = DB 1988, 864. 6 BGHZ 69, 95, 103 f. = NJW 1977, 1683, 1685 mit Anm. Karsten Schmidt = GmbHR 1977, 246; BGHZ 70, 132, 139 ff. = NJW 1978, 636, 637 f. = GmbHR 1978, 152; BGHZ 76, 320, 323 = NJW 1980, 1630, 1631 = GmbHR 1980, 202; BGHZ 80, 182 = BB 1981, 750 = GmbHR 1981, 192 = NJW 1981, 1452; BAG, ZIP 2005, 350 (AG); LG Düsseldorf, DB 1986, 958, 959 = GmbHR 1986, 235; LG Bonn, MDR 1997, 759; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 4b; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 109; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 130, 140; Ulmer, Rdnr. 146; Karsten Schmidt, oHG, S. 347 ff.; Theobald, S. 44; Fleck, GmbHR 1983, 14; Hüffer, JuS 1983, 168; Dreher, DStR 1992, 37. 7 Vgl. LG Münster, GmbHR 1983, 73 m. krit. Anm. Karsten Schmidt; M. Scholz, S. 156 ff.; Schäfer-Gölz, S. 175 f.; Sudhoff, GmbHR 1965, 109; Schultz, JuS 1982, 738 f.; s. auch OLG Düsseldorf, BB 1987, 1624 = GmbHR 1987, 430, wo aber die Haftung nicht auf § 11 Abs. 2 zu stützen gewesen wäre. 8 Vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 1973, 150.

Karsten Schmidt

|

679

118

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

noch eine befreiende Schuldübernahme seitens der Gesellschaft verlangte1, ist überholt. Überholt ist auch der Meinungsstreit, ob die Haftung aus Dauerschuldverhältnissen fortbesteht2. Die Frage ist klar zu verneinen3. 119

b) Die Handelndenhaftung erlischt allerdings nur, wenn diese nämliche Gesellschaft, für die gehandelt wurde, eingetragen wird. Wer als Geschäftsführer einer Vorgesellschaft haftungsbegründend gehandelt hat, haftet weiter, wenn diese erste GmbH-Gründung gescheitert und eine neue GmbH gegründet und eingetragen worden ist4.

120

c) Die Handelndenhaftung besteht nach einer verbreiteten Auffassung fort, wenn und soweit die später eingetragene GmbH ausnahmsweise nicht verpflichtet wird5. Gedacht wird an Fälle, in denen der Handelnde mangels Vertretungsmacht weder die Vorgesellschaft noch die spätere GmbH verpflichten konnte und diese das Rechtsgeschäft auch nicht genehmigt. Ob es diesen Fall überhaupt gibt, ist zweifelhaft. Folgt man der hier hinsichtlich der Organvertretungsmacht vertretenen Auffassung (Rdnr. 64), so kann der Fall jedenfalls bei einem Handeln eines Geschäftsführers nicht eintreten. Eine Forthaftung auch nach der Eintragung kann in Betracht kommen, wenn ein Nichtgeschäftsführer als Handelnder auftritt (Rdnr. 104). Aber diese fortbestehende Haftung beruht nicht auf Abs. 2. In diesem Fall ist neben Abs. 2 auch § 179 BGB anwendbar (Rdnr. 62 und 117). Die Haftung nach Abs. 2 erlischt. Die Haftung nach § 179 BGB – das Vorliegen ihrer Voraussetzungen unterstellt – erlischt nicht.

VIII. Vorbelastungen der GmbH und ihre Folgen Schrifttum: vgl. Rdnr. 76; außerdem Fleischer, Unterbilanzhaftung und Unternehmensbewertung, GmbHR 1999, 752; Habersack/Lüssow, Vorbelastungshaftung, Vorbelastungsbilanz und Unternehmensbewertung, NZG 1999, 629; Hennrichs, Vorbelastungshaftung und Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode, ZGR 1999, 837; Hüttemann, Vorbelastungshaftung, Vorbelastungsbilanz und Unternehmensbewertung, in: FS Huber, 2006, S. 757; Joost, Vorbelastungshaftung und Leistung der Bareinlage in das Vermögen der Vor-GmbH vor Fälligkeit, ZGR 1989, 554; Lieb, Zum Spannungsverhältnis zwischen Vorbelastungshaftung und Differenzhaftung, in: FS Zöllner, 1998, S. 347; Monhemius, Bilanzrecht, Gründerhaftung und Scheitern der Vor-GmbH, GmbHR 1997, 384; Priester, Vorbelastungshaftung und anschließende Gewinne, in: FS Ulmer, 2003, S. 477; Zöllner, Die sog. Gründerhaftung, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1383.

1. Der Unversehrtheitsgrundsatz 121

a) Verhältnis zum Vorbelastungsverbot. Nach der älteren Rechtsprechung konnte die GmbH vor ihrer Eintragung nur mit satzungsmäßig zugelassenen

1 2 3 4 5

BGH, LM Nr. 2 zu § 11 GmbHG = NJW 1953, 219 = GmbHR 1953, 11. Vgl. dazu noch BGHZ 70, 132, 141 = NJW 1978, 636, 638 = GmbHR 1978, 152. Vgl. schon 6. Aufl. (Winter), Rdnr. 28; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25. Vgl. BGH, ZIP 1983, 299. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Ulmer, Rdnr. 147.

680

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

oder gründungsnotwendigen Verbindlichkeiten belastet werden (Rdnr. 36). Diese Rechtsprechung ist durch das Grundlagenurteil BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 überholt (vgl. Rdnr. 37). Die Folgen sind aber nur teilweise geklärt. Als Grundsatz muss gelten: Das Vorbelastungsverbot ist überholt; nicht überholt ist dagegen der Unversehrtheitsgrundsatz. Es ist dafür zu sorgen, dass das Garantiekapital nicht schon durch Vorbelastungen aus dem Gründungsstadium geschmälert wird. Das Vorbelastungsverbot war eine prohibitive Sanktion des Unversehrtheitsgrundsatzes. An seine Stelle sind als Vorbelastungsrisiko (Rdnr. 37) zwei andere Sanktionen getreten: die Vorbelastungshaftung der Gründer (Rdnr. 124 ff.) und das Eintragungsverbot bei unausgeglichener Unterbilanz (Rdnr. 123). b) Zweifelhaft ist noch der genaue Inhalt des Unversehrtheitsgrundsatzes sowie die Frage, ob der Unversehrtheitsgrundsatz auf den Zeitpunkt der Anmeldung oder auf den Zeitpunkt der Eintragung bezogen werden soll. Die Frage wird vor allem für den Bereich der Vorbelastungshaftung diskutiert (Rdnr. 126), aber sie stellt sich sowohl für das Eintragungsverbot (Rdnr. 123) als auch für die Vorbelastungshaftung (Rdnr. 124 ff.). Nach Auffassung des BGH1 und der h.L.2 entscheidet der Zeitpunkt der Eintragung. In diesem Moment muss das Gesellschaftsvermögen das Stammkapital decken. Diese h.M. basiert auf der Tradition des Unversehrtheitsgrundsatzes und der kaum je überprüften Prämisse, dass die Eintragung der GmbH ein am Eintragungsstichtag ungeschmälertes Vermögen garantiert3. Ihr steht eine Gegenauffassung gegenüber, nach der es auf den Anmeldungszeitpunkt ankommt4. Diese Auffassung wurde hier bereits in der 7. Aufl. vertreten. Sie wurde in der 8. Aufl. modifiziert und neu begründet. Sie versteht die Vorbelastungshaftung der Gründer als Spiegelbild ihres unternehmerischen Haftungsrisikos vor der Eintragung (Rdnr. 82 ff.). Dieses muss zwar nicht mit der Differenzhaftung des Sacheinlegers nach § 9 Abs. 1 koordiniert werden; aus § 9 kann aber entnommen werden, dass das Gesetz eine strikte Vollwertigkeit des Gesellschaftsvermögens nur am Anmeldungsstichtag sicherstellen will5. Das schließt, wie zu zeigen sein wird, eine zusätzliche Vorbelastungshaftung nicht aus. Eine dritte Ansicht stellt hinsichtlich der Vorbelastungshaftung auf den Eintragungszeitpunkt, hinsichtlich des Eintragungshindernisses dagegen auf den Anmeldungszeitpunkt ab, so dass Verluste der Vorgesellschaft die Eintra1 BGHZ 80, 129, 141 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BGHZ 80, 182, 184 = NJW 1981, 1452, 1453 = GmbHR 1981, 192, 193; BGHZ 134, 333, 338 = NJW 1997, 1507, 1508 = GmbHR 1997, 405, 407. 2 Vgl. – z.T. allerdings nur hinsichtlich der Haftung – Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 58; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Ulmer, Rdnr. 103; M. Scholz, S. 132; Theobald, S. 65; Hüffer, JuS 1983, 167. 3 Vgl. nur BGHZ 80, 129, 136 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114, 116; Hachenburg/Ulmer, Rdnr. 81; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Theobald, S. 57 ff.; Fleck, GmbHR 1983, 10; eingehende Kritik bei Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 99 ff. 4 Vgl. hier 7. Aufl.; Priester, ZIP 1982, 1146 ff.; Schultz, JuS 1982, 736 f.; s. auch Karsten Schmidt, NJW 1981, 1346; gegen diese Auffassung vgl. insbesondere die Ausführungen von Ulmer, Rdnr. 104; Stimpel, in: FS Fleck, 1988, S. 357 f. 5 Dazu Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 106.

Karsten Schmidt

|

681

122

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

gung nicht hindern, aber die Vorbelastungshaftung auslösen1. Die Gerichtspraxis wird sich zunächst auf die erste, evtl. auch auf die dritte Ansicht einstellen. Nach dieser dritten Auffassung ist volle Kapitalaufbringung im Eintragungszeitpunkt gesichert, aber diese Kapitalaufbringungsgarantie wird bei Verlusten der Vorgesellschaft nicht durch eine Verweigerung der Eintragung sichergestellt, sondern sie wird nach der Eintragung durch die Vorbelastungshaftung der Gründer sichergestellt. Diese Auffassung ist, was das Eintragungsverfahren anlangt, praktikabel (Rdnr. 123). Haftungsrechtlich geht dieser Unversehrtheitsgrundsatz mit einem doppelten Konzept einher: mit einer strikten Differenzhaftung auf den Anmeldungsstichtag und mit einer Vorbelastungshaftung auf den Eintragungsstichtag (Rdnr. 126)2. Klarheit sollte darüber bestehen, dass nur eine eintragungsreife Anmeldung ausreicht, nicht eine Anmeldung, die unvollständig oder mangelhaft ist. Vorbelastungen, die diesem Zeitpunkt nachfolgen, können eine Vorbelastungshaftung nach Rdnr. 124 ff. begründen, dies aber nur, soweit die Gesellschafter nach Rdnr. 79 ff. auch persönlich haften3.

2. Das Eintragungsverbot 123

Ein Eintragungsverbot wegen Vorbelastungen besteht nach h.M., wenn das Vermögen der Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung bereits durch vorbelastende Rechtsgeschäfte unter den Betrag des Stammkapitals geschmälert ist (dazu oben § 9c Rdnr. 29)4. Ausstehende Einlagen sind dabei dem Aktivvermögen der Gesellschaft zuzurechnen (für etwaige Ausfälle wird nach § 24, nicht im Wege der Unterbilanzhaftung gehaftet). Der Registerrichter kann also die Einforderung aller ausstehenden Einlagen nicht verlangen (dies wäre mit § 7 unvereinbar). Die Unterbilanzhaftung (Rdnr. 124 ff.) soll dagegen nicht ausreichen, um das Eintragungsverbot auszuschalten5. Von den Gründern wird deshalb verlangt, dass sie eine vor der Eintragung bemerkte Unterbilanz alsbald ausgleichen, um die Eintragung zu ermöglichen (über Zweifel an dieser Rechtsprechung s. sogleich im Text). Wegen der Feststellung der Unterbilanz ist auf Rdnr. 124 zu verweisen. Zweifelhaft ist der Stichtag, auf den diese Unterbilanz zu beziehen ist (vgl. Rdnr. 122). Der BGH, der allerdings regelmäßig nur im 1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9c Rdnr. 8, § 11 Rdnr. 58; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32, 34; Ulmer, § 9c Rdnr. 34, § 11 Rdnr. 108; Ulmer, ZGR 1981, 603 f., 606 f. 2 Näher Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 120 ff.; dazu auch Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 98 ff. 3 Vgl. ebd. 4 BGHZ 80, 129, 143 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BGHZ 80, 182, 184 f. = NJW 1981, 1452, 1453 = GmbHR 1981, 192, 193; BayObLG, BB 1991, 2391 = GmbHR 1992, 109 = WM 1992, 695; BayObLG, BB 1998, 2439; OLG Frankfurt, OLGZ 1992, 388 = DNotZ 1992, 744; OLG Hamm, DB 1993, 86 = GmbHR 1993, 95 = NJW-RR 1993, 1381; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1705 = GmbHR 1997, 70; LG Gießen, GmbHR 1986, 163; Meyer-Landrut, § 9 Rdnr. 7 f.; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 9c Rdnr. 30; Theobald, S. 67; Meister, in: FS Werner, S. 526; Schultz, JuS 1982, 733 ff.; Fleck, GmbHR 1983, 11; Gustavus, GmbHR 1988, 52; G. H. Roth, DNotZ 1989, 8 f. 5 Vgl. BGHZ 80, 129, 143 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BayObLG, GmbHR 1992, 109 = WM 1992, 695; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 9c Rdnr. 30.

682

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Rahmen von Haftungsprozessen Inzidentausführungen über das Eintragungsverfahren macht, stellt auf den Eintragungszeitpunkt ab1. Nach einer Gegenansicht kommt es auf den Anmeldungszeitpunkt an. Verluste der Vorgesellschaft rechtfertigen nach dieser Ansicht nicht die Ablehnung der Registereintragung2. Dieser Auffassung hatte sich hier die 7. Aufl., nach der die Unterbilanzhaftung generell auf den Anmeldungsstichtag berechnet werden sollte (Rdnr. 122)3, angeschlossen4. Daran wurde schon in der Voraufl. im Grundsatz festgehalten, wobei zu differenzieren ist5: Eine schon auf den Anmeldungszeitpunkt festgestellte, auf Vorbelastungen beruhende Unterbilanz muss vor der Eintragung durch Zahlung, in den Grenzen des § 7 Abs. 2 auch durch vollwertige Schuldanerkenntnisse der Gesellschafter, ausgeglichen werden6. Spätere, d.h. der Anmeldung nachfolgende, Vorbelastungen stellen grundsätzlich kein Eintragungshindernis dar7. Grundsätzlich genügt, dass der Geschäftsführer die Forderung aus der Vorbelastungshaftung (Rdnr. 124 ff.) einbucht. Die Rechtsprechung verlangt allerdings die Versicherung, dass das Reinvermögen der Gesellschaft (ggf. zuzüglich Gründungskosten) das Stammkapital deckt (§ 9c Rdnr. 28). Daraus sollte indes keine Verpflichtung zum sofortigen Ausgleich der Unterbilanz abgeleitet werden (str.; vgl. § 9c Rdnr. 29)8. Soweit eine Vorbelastungshaftung entstanden ist (Rdnr. 82 ff., 124 ff.), bedarf es keiner Einzahlung vor der Eintragung, denn die Vorbelastungshaftung ist nicht Bestandteil der Einlagepflichten (Rdnr. 124), und eine vollwertige Forderung aus der Vorbelastungshaftung wird dem Aktivvermögen der Gesellschaft hinzugerechnet (str.)9. Für etwaige Ausfälle haften die Mitgesellschafter analog § 24. Der Registerrichter kann auch, wenn die Geltendmachung der Haftungsforderung (also ihre Berücksichtigung in der Bilanz) zweifelhaft ist, eine entsprechende Versicherung von den Geschäftsführern verlangen10. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Haftungsforderung nicht vollwertig ist, so kann er ausnahmsweise den Nachweis der Vollwertigkeit, ggf. sogar einen Barausgleich in der bereits festgestellten 1 BGHZ 80, 129, 141 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; übereinstimmend Fleck, GmbHR 1983, 12. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 9c Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34, § 9c Rdnr. 19; Heyder, in: Michalski, § 9c Rdnr. 27; Ulmer, § 9c Rdnr. 34; Ulmer, ZGR 1981, 603 f. 3 Dazu Priester, ZIP 1982, 1142. 4 Vgl. auch Karsten Schmidt, GmbHR 1987, 86. 5 Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 129. 6 Ausgleich durch Zahlung verlangen Ulmer, § 7 Rdnr. 62; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, § 8 Rdnr. 12. 7 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34, § 8 Rdnr. 12; Heyder, in: Michalski, § 9c Rdnr. 27; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 9c Rdnr. 30; Ulmer, Rdnr. 113, § 9c Rdnr. 34; Priester, ZIP 1982, 1143. 8 So wohl BayObLG, BB 1991, 2391 = GmbHR 1992, 109 = WM 1992, 695; BayObLG, BB 1998, 2439 = DB 1998, 2359 = GmbHR 1998, 1225 = NZG 1999, 27; BayObLG, BB 1999, 971 = DB 1999, 954; OLG Frankfurt, OLGZ 1992, 388 = DNotZ 1992, 744 = GmbHR 1992, 531; OLG Hamm, DB 1993, 86 = GmbHR 1993, 95 = NJW-RR 1993, 1381; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1705 = GmbHR 1997, 70. 9 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Ulmer, Rdnr. 113 ff.; Ulmer, ZGR 1981, 604; a.M. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 9c Rdnr. 30. 10 Vgl. auch BayObLG, GmbHR 1992, 109 = WM 1992, 695; anders wohl Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 8 Rdnr. 12.

Karsten Schmidt

|

683

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Höhe verlangen (a.M. H. Winter/Veil, oben § 9c Rdnr. 13 f.)1. Unabhängig vom Bestand einer Vorbelastungshaftung ist eine Überschuldung stets ein Eintragungshindernis.

3. Die Vorbelastungshaftung (Differenzhaftung, Unterbilanzhaftung) der Gründer 124

a) An die Stelle des Vorbelastungsverbots ist seit BGHZ 80, 129 eine Vorbelastungshaftung (Differenzhaftung; Unterbilanzhaftung) der Gründer getreten. Der Leitsatz des BGH lautet: „Für die Differenz, die sich durch solche Überlastungen zwischen dem Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens zum Zeitpunkt der Eintragung ergibt, haften die Gesellschafter anteilig.“ Dies ist nunmehr ständige Rechtsprechung2. Die Haftung wird im Grundsatz von der h.L. gebilligt3. Sie wurde durch die bei Rdnr. 77 f. dargestellte persönliche Haftung der Gründer stimmig ergänzt. Aus systematischer Sicht erscheint sie als Resultat dieser vom BGH allerdings erst nachträglich anerkannten Gründerhaftung. Der Rechtsprechung und der h.L. ist im Grundsatz zuzustimmen. Die Haftung ist keine heimliche Fortschreibung des überholten Vorbelastungsverbots, sondern sie ist eine sachgerechte Sanktion des fortgeltenden Unversehrtheitsgrundsatzes. Ihrer Rechtsnatur nach wird man die Haftung nicht, wie die Differenzhaftung im Fall des § 9, als Teil oder Ergänzung der Einlagepflichten anzusehen haben4. Sie begründet aber, wie die Haftung aus § 9, Zahlungsansprüche der Gesellschaft. Bedenklich ist allerdings, dass der BGH in seinem Grundsatzurteil § 9 für die Begründung der Haftung herangezogen hat5. Von dieser Vorschrift, die nur das Differenzhaftungsrisiko des Sacheinlegers betrifft, ist die Vorbelastungshaftung gerade zu unterscheiden (Rdnr. 122). Sie ist nicht Bestandteil der Kapitaldeckungspflicht jedes Einlegers, sondern sie ist eine aus der Satzung nicht ableitbare gesetzliche Haftung (Rdnr. 123). Es handelt sich 1 BayObLG, GmbHR 1992, 109 = WM 1992, 695; ähnlich Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 9c Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; s. auch ebd., § 9c Rdnr. 19; Heyder, in: Michalski, § 9c Rdnr. 31; Ulmer, Rdnr. 116. 2 BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114; BGHZ 80, 182 = NJW 1981, 1452 = GmbHR 1981, 192; BGHZ 105, 300, 303 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710, 711 = BB 1989, 169; BGH, NJW 1982, 932 = GmbHR 1982, 183; BGHZ 134, 333, 335 = NJW 1997, 1507 = GmbHR 1997, 405, 406; BGHZ 165, 391 = GmbHR 2006, 482 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390 (Bespr. Luttermann/Linge, NZG 2006, 454). 3 Vgl. nur Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 56; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Meyer-Landrut, Rdnr. 15; Ulmer, Rdnr. 99; M. Scholz, S. 124 ff.; Theobald, S. 53 ff.; Flume, NJW 1981, 1753; Meister, in: FS Werner, S. 538 f.; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1346; Ulmer, ZGR 1981, 593 f.; Hüffer, JuS 1983, 167; Dreher, DStR 1992, 36; Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 394 ff.; im Ergebnis auch Beuthien, ZIP 1996, 363 ff. (Herleitung aus dem insolvenzrechtlichen Gebot der Vorverlustfreiheit); grundlegend schon Ulmer, in: FS Ballerstedt, S. 294 ff.; abl. Schäfer-Gölz, S. 170 ff.; Dreßel, Kapitalaufbringung und -erhaltung in der GmbH, 1988, S. 64; krit. Priester, ZIP 1982, 1141 ff. 4 So noch die 8. Aufl. mit Hinweis auf Meister, in: FS Werner, S. 538; s. auch Fleck, GmbHR 1983, 11. 5 Vgl. die unterschiedliche Kritik bei Schäfer-Gölz, S. 131 ff.; Theobald, S. 58 ff.; Beuthien, ZIP 1996, 360; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1346; Ulmer, ZGR 1981, 603 ff.; John, BB 1982, 510.

684

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

um einen Akt der richterlichen Rechtsfortbildung1. Das Ergebnis dieser Rechtsfortbildung besteht darin, dass das Vorbelastungsverbot durch eine Vorbelastungshaftung ersetzt wird. b) Nur bei der Ersteintragung der GmbH greift die Unterbilanzhaftung ein, nicht bei der Kapitalerhöhung2, und entgegen der herrschenden Meinung nicht bei der Mantelverwertung (zu dieser vgl. § 3 Rdnr. 22 ff., 44 ff.)3, denn die Registereintragung bei der Mantelverwertung dokumentiert als bloße Satzungsänderung nicht ein unversehrtes Stammkapital. Die gegenteilige Rechtsprechungslinie (BGHZ 153, 158 = NJW 2003, 892 = GmbHR 2003, 227; BGHZ 155, 318 = NJW 2003, 3198 = GmbHR 2003, 1125) sollte aufgegeben werden (vgl. Rdnr. 23, 58, 75, 99). Auch bei der Überführung der früher „volkseigenen“ Betriebe in den neuen Bundesländern auf die Rechtsform der GmbH nach dem Treuhandgesetz und bei der Löschung des Firmenzusatzes „im Aufbau“ entstand keine Vorbelastungshaftung (vgl. 8. Aufl., Rdnr. 199). In Fällen der Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz soll dagegen die Ersteintragung der GmbH zur Unterbilanzhaftung führen4.

125

c) Umstritten ist auch in dieser Hinsicht der Stichtag, auf den die Vorbelastung und Unterbilanz zu beziehen ist. Der BGH und die wohl herrschende Ansicht stellen auf den Eintragungsstichtag ab5. Jede auf diesen Stichtag berechnete Unterbilanz ist auszugleichen. Nach einer Gegenansicht ist Haftungsstichtag der Tag, an dem eine eintragungsreife Anmeldung vorgelegen hat. Alle nach diesem Stichtag anfallenden Vorbelastungen gehen nicht mehr auf Kosten der Gründer, sondern der GmbH6. Diesem Standpunkt hatte sich hier die 7. Aufl. angeschlossen. Er ist, wie bei Rdnr. 122 bemerkt wurde, nicht der vorherrschende. Es geht um ein Wertungsprobem: Die h.M. erklärt sich daraus, dass aus dem historischen Ansatz des § 11 Abs. 1 noch der Gedanke herübergerettet wird, wonach am Eintragungsstichtag das satzungsmäßige Garantiekapital vollständig vorhanden sein muss; die Haftung stellt nur dann einen vollen Ersatz für das Vorbelastungsverbot dar, wenn der Eintragungsstichtag den Ausschlag gibt.

126

1 Vgl. nur Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Ulmer, Rdnr. 100; Wank, ZGR 1988, 340 ff. 2 7. Aufl., § 56 Anm. 69 (Priester); Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 56 Rdnr. 17; Karsten Schmidt, AG 1986, 106, 115; Karsten Schmidt, ZGR 1982, 529. 3 Bommert, GmbHR 1983, 212; Priester, DB 1983, 2296; Karsten Schmidt, GesR, § 4 III 3e; Karsten Schmidt, NJW 2004, 1349; Hornstein, GmbHR 1998, 231; a.M. Hachenburg/Ulmer, § 3 Rdnr. 40; Ulmer, BB 1983, 1126; Ahrens, DB 1998, 1073. 4 Vgl. Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 400; zur Frage, ob eine umwandlungsrechtliche Unterbilanzhaftung eingreift, vgl. auch Winter und Joost, in: Lutter, UmwG, § 56 Rdnr. 30, § 220 Rdnr. 22. 5 BGHZ 80, 129, 141 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BGHZ 80, 182, 184 = NJW 1981, 1452, 1453 = GmbHR 1981, 192, 193; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 58; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Ulmer, Rdnr. 103; M. Scholz, S. 132; Theobald, S. 65; Kind, S. 116 ff.; Ulmer, ZGR 1981, 603 f.; Hüffer, JuS 1983, 167; Fleck, GmbHR 1993, 551. 6 So namentlich Fischer, GmbHG, 10. Aufl. 1983, Anm. 4; Priester, ZIP 1982, 1146 ff.; Schultz, JuS 1982, 736 f.; sympathisierend Joost, ZGR 1989, 562.

Karsten Schmidt

|

685

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Sieht man dagegen das Konzept des Abs. 1 als vollends veraltet an (die GmbH entsteht eben nicht erst mit der Eintragung!), so lässt sich eine Unversehrtheitsgarantie am Eintragungsstichtag nicht mehr rechtfertigen1. Das führt zu einer Unterscheidung zwischen der Unterbilanzhaftung und der Vorbelastungshaftung2, die meist nur als verschiedene Begriffsbildungen für dieselbe Haftung verstanden werden. Die Unterbilanzhaftung wird rein bilanziell ermittelt und fragt nicht nach den Ursachen der Unterbilanz; dagegen ist die Vorbelastungshaftung nur die zur Innenhaftung mutierte akkumulierte Haftung der Gründer für Verbindlichkeiten der Gesellschaft (also die nicht durch realisierbare Regressansprüche gedeckte [Rdnr. 87] Außenhaftung vor der Eintragung). Eine strenge Unterbilanzhaftung lässt sich, ebenso wie ein strenges Eintragungsverbot wegen Vorbelastungen (Rdnr. 123), nur für den Anmeldungszeitpunkt rechtfertigen. Vorbelastungen aus der Zeit zwischen der Anmeldung und der Eintragung können eine Vorbelastungshaftung nur rechtfertigen, soweit eine solche Haftung bereits vor der Eintragung entsteht (dazu Rdnr. 79 ff.)3. Die Vorbelastungshaftung beschränkt sich insoweit auf die operativen Verluste durch Verbindlichkeiten der Gesellschaft, während reine Wertverluste des Anlagevermögens aus der Zeit nach der Anmeldung entgegen dem Standpunkt des BGH nicht auszugleichen sind4. Die Innenhaftung nach der Eintragung setzt sich also aus zwei Elementen zusammen: aus einer strengen Unterbilanzhaftung auf den Anmeldungsstichtag und aus einer darüber hinausgehenden Vorbelastungshaftung im Fall der Geschäftstätigkeit zwischen Anmeldung und Eintragung (näher Rdnr. 129)5. 127

d) Die Unterbilanz- bzw. Vorbelastungshaftung begründet einen Anspruch der Gesellschaft gegen die Gesellschafter. Dieser Anspruch entsteht nach der auf das Grundsatzurteil BGHZ 80, 129 = NJW 1991, 1373 = GmbHR 1991, 114 zurückgehenden Praxis und Lehre mit der Eintragung6. Seit dem Grundsatzurteil BGHZ 134, 333, 337 ff. = NJW 1997, 1507, 1508 = GmbHR 1997, 405, 407 wird man den Zusammenhang zwischen der Gesellschafterhaftung im Gründungsstadium (Rdnr. 77 f.) und der Unterbilanzhaftung dahin zu deuten haben, dass am Eintragungsstichtag eine fixierbare Unterbilanzhaftung (Rdnr. 124), im Fall der Eintragungsverweigerung dagegen eine der Höhe nach ungewisse Innen1 Krit. hier schon Winter in der 6. Aufl., Anm. 38; s. seither auch Sandberger, in: FS Fikentscher, S. 394 ff. 2 Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 97, 99, 107 ff., 132; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 4c; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 41 Rdnr. 119; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 98 ff. 3 Näher Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 109, 120 f. 4 Vgl. mit Unterschieden im Detail Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 4c; Ulmer, Rdnr. 107; Koppensteiner, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 37; gegen solche Begrenzung wohl Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33. 5 Dazu Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 125 f.; teilweise übereinstimmend jetzt Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Ulmer, Rdnr. 107; abl. Michalski, Rdnr. 140; Lieb, in: FS Zöllner, S. 353 ff.; Zöllner, in: FS Wiedemann, S. 1399. 6 BGHZ 80, 129, 141 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BGHZ 134, 333 = NJW 1997, 1507 = GmbHR 1997, 405; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Ulmer, Rdnr. 103; Kind, S. 132 ff.

686

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

haftung entsteht (Rdnr. 77 f.). Die Haftungssituation vor der Eintragung oder ihrer Verweigerung ist immer noch offen. Nach der hier vertretenen Ansicht entsteht der Anspruch, soweit er auf Ausgleich einer Unterbilanz auf den Anmeldungsstichtag geht (Rdnr. 126 a.E.), mit der Anmeldung, kann also schon vor der Eintragung gegenüber den Gesellschaftern durchgesetzt werden und dient zugleich der Behebung des Eintragungshindernisses der Vorbelastung (Rdnr. 123). Diese Leistung wird von den Gründern schon während des Eintragungsverfahrens geschuldet1. Ob auch schon vor der Eintragung gezahlt werden muss, ist str. (Rdnr. 123). Hat der Registerrichter Grund zu der Annahme, dass eine die Eintragung hindernde Vorbelastung vorliegt (oben Rdnr. 123), so kann er auf die Beseitigung dieses Eintragungshindernisses mittels einer Zwischenverfügung dringen. Der Geschäftsführer kann den Nachschuss einfordern. Auch soweit die Vorbelastungshaftung die operativen Verluste der Gesellschaft zwischen der Anmeldung und der Eintragung umfasst (Rdnr. 126 a.E.), entsteht sie nicht als neues Haftungsrisiko der Gründer mit der Eintragung, sondern es handelt sich nur darum, dass sich die bisherige Außenhaftung der Gründer in das Innenverhältnis verlagert (Rdnr. 88): Vor der Eintragung kann sich eine Gesellschafter-Außenhaftung (Rdnr. 82) mit Binnenregress gegen das freie Vermögen der Gesellschaft (Rdnr. 87) aufbauen; diese wird mit der Eintragung, soweit sie nicht aus freien Mitteln zu decken ist, als Vorbelastungs-Binnenhaftung endgültig fixiert. e) Zahlungspflichtig sind die Gesellschafter. Die Vorbelastungshaftung trifft die Gesellschafter anteilig nach dem Verhältnis der von ihnen übernommenen Stammeinlagen2. Sie ist weder auf den Betrag des Stammkapitals noch – für die einzelnen Gründer – auf den Betrag der übernommenen Stammeinlagen beschränkt und kann auch zum Ausgleich einer Überschuldung führen3. Die Vorbelastungshaftung ist Bestandteil der strengen Kapitalsicherungsregeln im GmbH-Recht. Sie unterliegt deshalb den strengen Regeln der Kapitalaufbringung, insbesondere denen des § 194. Für Ausfälle bei einzelnen Gesellschaftern haften die Mitgesellschafter anteilig nach § 245. Der Anspruch der Gesellschaft ist in ihrer Jahresbilanz zu aktivieren6. Er unterliegt analog § 9 Abs. 2 einer

1 Insofern wie hier Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; insoweit für den Fall des Scheiterns der Gründung auch Ulmer, Rdnr. 121 (Geschäftsbeginn genüge; vgl. demgegenüber jedoch Rdnr. 103 für die Unterbilanzhaftung). 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; Ulmer, Rdnr. 112; Meister, in: FS Werner, S. 528; a.M. Kind, S. 172 ff. 3 BGH, GmbHR 1982, 235 = WM 1982, 40; BGHZ 105, 300, 303 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710 = BB 1989, 169 = GmbHR 1989, 74; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; SchmidtLeithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Ulmer, Rdnr. 105; Theobald, S. 62; Fleck, GmbHR 1983, 10; Flume, NJW 1981, 1755 ff.; Ulmer, ZGR 1981, 603, Fn. 48. 4 BGHZ 124, 282, 283 = GmbHR 1994, 176 = LM Nr. 36 zu § 11 GmbHG m. Anm. Roth = NJW 1994, 724; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33. 5 BGHZ 80, 129, 141 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; LG Gießen, GmbHR 1986, 163; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; die Beschränkung dieser Ausfallhaftung auf den ausfallenden Einlagebetrag (Karsten Schmidt, BB 1985, 154 f.) versteht sich hier unter Einrechnung der Vorbelastungshaftung. 6 Eingehend Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 544 ff.

Karsten Schmidt

|

687

128

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

fünfjährigen Verjährung, die mit der Eintragung beginnt (Rdnr. 131)1. Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Anspruchs trifft die Gesellschaft als Gläubigerin, im Insolvenzfall den Verwalter2. 129

f) Der Umfang der Haftung (Rdnr. 126, 128) ist bilanziell zu ermitteln3. Die Bilanz ist eine Vermögensbilanz (ein Status)4. Die Aktiven werden, sofern die Gesellschaft am Bewertungsstichtag nicht im Rechtssinne überschuldet, das Unternehmen also nicht fortführungsunfähig war, zu Fortführungswerten angesetzt5. Ist die Fortführungsprognose dagegen negativ, so ist das Gesellschaftsvermögen nicht zu Fortführungs-, sondern zu Veräußerungswerten zu bilanzieren6. Hat die Ingangsetzung der Vorgesellschaft bereits zu einer unternehmerischen Organisationseinheit geführt, so kann diese als ganzes (also einschließlich des sog. Firmenwerts) nach der Ertragswertmethode bewertet werden7. Ein separater Ansatz des Firmenwerts ist dann nicht erforderlich8. Die Ansetzung des Unternehmenswerts als Ertragswert setzt allerdings voraus, dass sich das Unternehmen bereits als Organisationseinheit am Markt etabliert hat9. Auf der Passivseite sind als Verbindlichkeiten auch Gesellschafterdarlehen zu verbuchen10.

1 BGHZ 105, 300, 304 ff. = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710, 711 = GmbHR 1989, 74; bestätigend BGHZ 149, 273, 275 = NJW 2002, 824 f. (Innenhaftung bei der Genossenschaft). 2 BGH, LM Nr. 39 zu § 11 GmbHG = DStR 1997, 1857 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 1145 = NJW 1998, 233 = ZIP 1997, 2008; OLG Köln, BB 1995, 793 = GmbHR 1995, 449 = NJW-RR 1995, 930; OLG Frankfurt, BB 1992, 1082 = GmbHR 1992, 609; OLG Düsseldorf, GmbHR 1993, 587; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Ulmer, Rdnr. 117. 3 Vgl. BGHZ 124, 282 = GmbHR 1994, 176 = LM Nr. 36 zu § 11 GmbHG m. Anm. Roth = NJW 1994, 724; BGHZ 140, 35 = NJW 1999, 283 = NZG 1999, 70 = ZIP 1998, 2151 = GmbHR 1999, 31; BGH, LM Nr. 39 zu § 11 GmbHG = GmbHR 1997, 1115 = NJW 1998, 102 = ZIP 1997, 2008; eingehend Ulmer, Rdnr. 108 ff.; Priester, ZIP 1982, 1142. 4 Ulmer, Rdnr. 108; Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 533 ff., 537; Hüttemann, in: FS Huber, S. 757, 767 (aber auch S. 781). 5 So auch BGHZ 140, 35 = NJW 1999, 283 = NZG 1999, 70 = ZIP 1998, 2151 = GmbHR 1999, 31; Ulmer, Rdnr. 108; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Hüttemann, in: FS Huber, S. 757, 768; gegen einen Vorrang der Ertragswertmethode Habersack/Lüssow, NZG 1999, 633. 6 BGH, LM Nr. 39 zu § 11 GmbHG = DStR 1997, 1857 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 1115 = NJW 1998, 102 = ZIP 1997, 2008; BGH, GmbHR 2006, 482 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390 (Bespr. Luttermann/Linge, NZG 2006, 454); Hüttemann, in: FS Huber, S. 757, 768; weitere Nachweise bei Wilken, EWiR 1998, 34; grundsätzlich für eine vorgezogene Einzelbewertung Fleischer, GmbHR 1999, 755; Habersack/Lüssow, NZG 1999, 632. 7 BGHZ 140, 35 = NJW 1999, 283 = NZG 1999, 70 = ZIP 1998, 2151 = GmbHR 1999, 31; s. auch OLG Frankfurt, DB 1992, 1335, 1336 = GmbHR 1992, 604, 605; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; a.M. Hennrichs, ZGR 1999, 837 ff.; für Einzelbewertung auch Fleischer, GmbHR 1999, 752; Hornstein, GmbHR 1998, 230. 8 Wie hier Hüttemann, in: FS Huber, S. 757, 770; a.M. Fleischer, GmbHR 1999, 752, 755. 9 BGHZ 140, 35 = NJW 1999, 283 = NZG 1999, 70 = ZIP 1998, 2151 = GmbHR 1999, 31; BGH, GmbHR 2006, 482 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390; dazu Luttermann/ Linge, NZG 2006, 454 ff. 10 BGHZ 124, 282 = LM Nr. 36 zu § 11 GmbHG m. Anm. Roth = NJW 1994, 724.

688

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Eine Rangrücktrittsvereinbarung ändert hieran nichts1, denn der bloße Nachrang im Insolvenzfall lässt den Tatbestand der Unterbilanz nicht entfallen. Die für die Überschuldungsfeststellung geltenden Grundsätze (§§ 32a, b Rdnr. 64 und Erl. vor § 64) gelten nicht für die Feststellung der Unterbilanz, weil es hier nicht um die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens, sondern um die Kapitaldeckung geht. Gründungsaufwand schmälert das Gesellschaftsvermögen und darf in der Vorbelastungsbilanz nur dann aktiviert werden, wenn die Gesellschaft ihn durch förmliche Satzungsregelung übernommen hat2. Wertsteigerungen des Aktivvermögens, die vor dem Bewertungsstichtag liegen, kommen den Gesellschaftern haftungsrechtlich zugute, auch wenn sie nicht auf der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft beruhen3. Umstritten ist demgegenüber, welche Vermögenseinbußen haftungserheblich sind. Der Meinungsstreit hängt mit Unsicherheiten und Divergenzen hinsichtlich der Haftungszwecke und Haftungsgrundlagen zusammen. Von der strengsten (vorherrschenden!) Auffassung wird vertreten, dass die Haftung eine echte Unterbilanzhaftung ist und dass deshalb jede irgendwie begründete Differenz zwischen dem Stammkapital und dem Vermögen auszugleichen ist4. Nach einer Gegenansicht begrenzt sich die Haftung auf solche Verluste, die durch einzelne Rechtsgeschäfte (z.B. den Erwerb eines Unternehmens im Fall der Bargründung) oder durch die Vorwegnahme der Geschäftstätigkeit (in Gestalt eines Wertverlusts des Unternehmens) herbeigeführt wurden5. Eine dritte Auffassung will die Ingangsetzungskosten von der Vorbelastungshaftung ausnehmen6. Eine Stellungnahme muss von dem bei Rdnr. 121, 124 dargestellten Normzweck und dem bei Rdnr. 126 entwickelten Haftungsumfang ausgehen. Der Normzweck verbietet es, der dritten Ansicht zu folgen7. Die Ingangsetzungskosten sind gerade ein charakteristischer Haftungsfall. Aus Rdnr. 126, 127 ergibt sich weiter, dass die Haftung aus zwei Elementen besteht: Sie umfasst eine auf den Anmeldungsstichtag zu errechnende Unterbilanz (Unterbilanzhaftung) sowie die sich bis zum Eintragungsstichtag ergebenden Anlaufverluste aus Gesellschaftsverbindlichkeiten, insbesondere aus operativer Tätigkeit der Vorge-

1 Wie hier OLG Naumburg, GmbHR 1999, 665 (LS) = NZG 1999, 316; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; unterschieden insofern BGHZ 124, 282 = LM Nr. 36 zu § 11 GmbHG m. Anm. Roth = NJW 1994, 724; a.M. Priester, ZIP 1994, 417; zweifelnd Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31. 2 BGH, LM Nr. 39 zu § 11 GmbHG = DStR 1997, 1857 m. Anm. Goette = GmbHR 1997, 1115 = NJW 1998, 102 = ZIP 1997, 2008. 3 Ulmer, Rdnr. 109; Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 543; s. aber Messer, in: FS Werner, S. 541. 4 So BGHZ 105, 300, 303 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710 = BB 1989, 169; Flume, JurP, § 5 III 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10–17; Theobald, S. 63 f. 5 So Ulmer, Rdnr. 107; s. auch Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 4c; Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 543; unklar Michalski, Rdnr. 141. 6 Priester, ZIP 1982, 1142 f. 7 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Ulmer, Rdnr. 107; eingehend SchulzeOsterloh, in: FS Goerdeler, S. 540 ff.; Hüttemann, in: FS Huber, S. 757, 761.

Karsten Schmidt

|

689

129a

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

sellschaft (Vorbelastungshaftung)1. Entgegen der h.M. ist nämlich eine Garantiehaftung für jedwede Unterbilanz nur auf den Anmeldungs-, nicht auf den Eintragungsstichtag zu rechtfertigen, daneben tritt die akkumulierte Haftung der Gründer für die Vorbelastung mit Verbindlichkeiten bis zum Eintragungsstichtag. Das bedeutet: Die Unterbilanzhaftung lässt die Gründer ohne Entlastungsmöglichkeit für jede Unterdeckung am Anmeldungsstichtag haften; die Vorbelastungshaftung ist eine die Außenhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten (Rdnr. 83) ablösende Innenhaftung der Gesellschafter für die durch die operative Tätigkeit entstandenen Wertverluste im Gesellschaftsvermögen. 129b

In der Praxis wird – z.B. vom Insolvenzverwalter – allerdings die gesamte Unterbilanz am Eintragungsstichtag geltend gemacht. Das genügt für die schlüssige Darlegung des Anspruchs, und es ist Sache der Gesellschafter, darzulegen, inwieweit die vom Insolvenzverwalter zu beweisende Unterbilanz keine Vorbelastungshaftung auslöst. Die Minderung des Ertragswerts eines bereits eingebrachten oder sonst von der Vor-GmbH erworbenen und von ihr fortgeführten Unternehmens ist haftungsschädlich2. Dagegen ist eine Unterbilanz, die sich ohne unternehmerische Tätigkeit der Vorgesellschaft nach dem Anmeldungszeitpunkt nur aus Wertverlusten im Anlagevermögen ergeben könnte, nicht auszugleichen3. Ein solcher Wertverlust braucht also im Vorbelastungsstatus nicht berücksichtigt zu werden. Zweifelhaft ist, welche Abzüge von dieser Haftung erlaubt sind. Nach der Rechtsprechung sollen nur Vorbelastungen schaden, die sich weder aus dem Gesetz noch aus der Satzung ergeben4. Hieraus wird teilweise gefolgert, dass im Fall einer Sachgründung mit Unternehmenseinbringung die aus der Fortführung des Handelsgeschäfts resultierenden Vorbelastungen nicht ausgeglichen werden müssen5. Dem ist nicht zu folgen6. Allenfalls für den Gründungsaufwand (vgl. § 26 Abs. 2 AktG) kann gelten, dass er – soweit durch Gesetz oder Satzung gedeckt – bei der Feststellung einer Unterbilanz außer Betracht gelassen werden kann7. Die ganze Abgrenzungsproblematik erklärt sich immer noch aus dem überholten Vorbelastungsverbot, das – um nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen zu führen – für gesetzlich oder satzungsgemäß legitimierte Vorbelastungen durchlöchert werden musste. Diese Denkweise sollte nicht auf die Vorbelastungshaftung übertragen werden. Die Rechtsprechung sollte nur noch den satzungsmäßig gedeckten Gründungsauf-

1 Vgl. Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 124 ff.; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 41 Rdnr. 116 ff.; teilweise ähnlich jetzt Ulmer, Rdnr. 107 ff.; ablehnend freilich Michalski, Rdnr. 140; Lieb, in: FS Zöllner, S. 353 ff.; Zöllner, in: FS Wiedemann, S. 1399. 2 Vgl. Ulmer, Rdnr. 107; Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 543. 3 A.M. z.B. Theobald, S. 65; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15 f.; zweifelnd Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 121. 4 BGHZ 80, 129, 137 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116; Meister, in: FS Werner, S. 529. 5 Meister, in: FS Werner, S. 529 f.; s. auch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 30; Fleck, GmbHR 1983, 11; s. auch, für den Zeitraum nach Anmeldung, Kind, S. 159 ff. 6 Vgl. auch Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 121; Hachenburg/Ulmer, 7.II Aufl., Rdnr. 86. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 121.

690

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

wand bei der Feststellung einer Unterbilanz unberücksichtigt lassen1, und auch dies nur, wenn er auch der Höhe nach festgesetzt ist2. Es wird sogar vertreten, alle Gründungskosten seien ausnahmslos den Gründern zusätzlich zum Stammkapital aufzubürden3. Diese Auffassung ist in sich konsequent. Gegen sie spricht allerdings, dass sie die GmbH-Gründer strenger behandelt als die Gründer einer AG. g) Zweifelhaft ist das Verhältnis zwischen der Vorbelastungshaftung und der Differenzhaftung des Sacheinlegers nach § 9, wenn ein Unternehmen oder ein verlustbringender Gegenstand eingebracht wird. Grundsätzlich hat die Haftung nach § 9 Vorrang vor der Vorbelastungshaftung4. Haftet der Sacheinleger nach § 9, so ist die Unterbilanz auf den Anmeldungsstichtag grundsätzlich durch seine Haftung beseitigt; die Mitgesellschafter haften nur subsidiär (§ 24)5. Das gilt insbesondere auch für Verluste, die der Sacheinleger vor der Eintragung eines Unternehmens als Sacheinlage erwirtschaftet hat. Soweit Verluste auszugleichen sind, die zwischen der Anmeldung und der Eintragung zu Stande kommen (Rdnr. 122, 126, 129 ff.), unterliegen diese Verluste von vornherein nicht der Haftung nach § 9. Sie können aber die Vorbelastungshaftung auslösen6. Diese trifft alle Gesellschafter anteilig (Rdnr. 128). Soweit es um Verluste zwischen der Einbringung des Unternehmens und der eintragungsfähigen Anmeldung geht, schulden die Mitgesellschafter dem nach § 9 unbeschränkt nachschusspflichtigen Sacheinleger im Innenverhältnis Ausgleich; der Geschäftsführer wird sie grundsätzlich primär in Anspruch nehmen7. Die Ansicht, § 9 verdränge allgemein die Vorbelastungshaftung8, überzeugt gerade in diesem Fall nicht, denn es geht nur um das richtige Verhältnis zwischen dem Risiko des Einlegers und den gemeinschaftlichen Risiken aller Gründer. In der Regel wollen diese die Gefahr von der Einbringung an gemeinsam tragen. Dann hat im Innenverhältnis die Vorbelastungshaftung Vorrang vor der Sacheinlegerhaftung, nicht umgekehrt.

130

h) Die Eintragung bringt die Vorbelastungshaftung nicht zum Erlöschen (nach der bis 1997 praktizierten Rechtsprechung sogar erst zum Entstehen!). Sie sorgt nur dafür, dass der Umfang der Vorbelastungshaftung endgültig fixiert wird (und dass nach dem hier vertretenen Außenhaftungsmodell aus der gesamtschuldnerischen Außenhaftung der Gründer eine anteilige Vorbelastungs-Innenhaftung wird; vgl. Rdnr. 82). Der Haftungsanspruch verjährt analog § 9 Abs. 2 in fünf Jahren nach der Eintragung9. Diese Verjährung beruht auf dem

131

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. auch Ulmer, Rdnr. 110, § 5 Rdnr. 220; Karsten Schmidt, AG 1986, 115. Vgl. zu diesem Erfordernis OLG Hamm, BB 1984, 87 = GmbHR 1984, 155. So M. Scholz, S. 129 f.; Theobald, S. 63. Insoweit wie hier Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 30. Stimpel, in: FS Fleck, S. 349. A.M. noch Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; Meister, in: FS Werner, S. 529 f. Näher Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 130. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 30; dagegen auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33. BGHZ 105, 300 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710 = BB 1989, 169 = GmbHR 1989, 74; LG Ravensburg, GmbHR 1985, 25; M. Scholz, S. 132; Lutter/Bayer,

Karsten Schmidt

|

691

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Gedanken, dass die Feststellung der Unterbilanz zunehmend schwierig wird1. Wurde die Forderung nicht in die Bilanz aufgenommen (Rdnr. 128 a.E.), so ist die Berufung auf ihre Verjährung deshalb noch nicht arglistig2. Die Geschäftsführer sind verpflichtet, die Haftung geltend zu machen und einen Verjährungseintritt zu verhindern3. Der Eintritt der Verjährung wird dadurch verhindert, dass der Haftungsanspruch in der Bilanz aktiviert wird und jährlich der Bilanzfeststellung unterliegt. Diese hat nach § 212 BGB die Wirkung eines Neubeginns der Verjährung4. Schädigt der Geschäftsführer die Gesellschaft durch Nichtrealisierung oder durch Verjährenlassen der Haftung, so kann er nach § 43 zum Ersatz verpflichtet sein. 131a

i) Der Anspruch der Gesellschaft auf Beseitigung der Unterbilanz wird vom BGH wie ein Einlageanspruch dem Kapitalaufbringungsrecht des § 19 unterstellt5. Das gilt auch für das Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 26. Daraus folgt in den Augen des BGH auch, dass die Haftung nicht durch Beseitigung der Unterbilanz automatisch erlischt7. Im Gegensatz zu der einschlägigen Judikatur zum Anspruch aus § 31 (dazu § 31 Rdnr. 6) ist dies zu bezweifeln8. Der Anspruch ist keine Einlageforderung der Gesellschaft (Rdnr. 124) und unterscheidet sich gerade in dieser Hinsicht von dem Anspruch des § 99. So wie die Gesellschafter wegen der Außenhaftung aus freiem Gesellschaftsvermögen hätten Regress nehmen können (Rdnr. 87), werden sie mit der Beseitigung der Unterbilanz frei. Der Anspruch basiert auf einer Unterbilanz und fällt mit dieser fort. Doch ist dies nicht der Standpunkt des BGH.

IX. Folgen der Eintragung oder ihrer Versagung 1. Folgen der Eintragung für die Gesellschaft 132

a) Mit der Eintragung ins Handelsregister entsteht, wie es Abs. 1 ausdrückt, die GmbH „als solche“. Das bedeutet im Ergebnis: Aus der Vor-GmbH wird eine fertige GmbH, die in jeder Hinsicht dem GmbHG unterliegt. Die Gesellschaft kommt nicht als neuer Rechtsträger zur Entstehung, sondern die Eintragung

1 2 3 4 5 6 7 8 9

in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28 a.E.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; Ulmer, Rdnr. 118; Priester, ZIP 1982, 1143; Fleck, GmbHR 1983, 13. BGHZ 105, 300, 305 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710, 711 = BB 1989, 169 = GmbHR 1989, 74. BGHZ 105, 300, 306 = LM Nr. 35 zu § 11 GmbHG = NJW 1989, 710, 711 = BB 1989, 169 = GmbHR 1989, 74; Ulmer, Rdnr. 118. Joost, ZGR 1989, 562; Priester, ZIP 1982, 1143; Meister, in: FS Werner, S. 539 f. Hachenburg/Ulmer, Rdnr. 94; Schulze-Osterloh, in: FS Goerdeler, S. 457. BGH, GmbHR 2006, 482 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390 mit Hinweis auf BGHZ 124, 282, 286 = GmbHR 1994, 176 = NJW 1994, 724. BGH, GmbHR 2006, 482 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390. BGH, GmbHR 2006, 482, 485 m. Komm. Werner = NZG 2006, 390, 392 mit umfangreichen Nachweisen. So die 9. Aufl., Rdnr. 131a; ebenso Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; Priester, in: FS Ulmer, S. 477 ff. Dazu Karsten Schmidt, GesR, § 37 II 3c.

692

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

führt nur einen Statuswechsel der in ihrer Identität unveränderten Gesellschaft herbei: aus der werdenden juristischen Person wird eine fertige juristische Person (Rdnr. 38). b) Mit der Eintragung der GmbH im Handelsregister sind alle Rechte und Pflichten der Vor-GmbH ohne weiteres Rechte und Pflichten der GmbH1. Die rechtsdogmatische Einordnung des Vorgangs gelingt am besten mit der Rechtsfigur der Identität2. Die Eintragung bewirkt einen Formwechsel des identisch bleibenden Rechtsträgers von der Vor-GmbH zur fertigen GmbH (Rdnr. 25). Vielfach ist immer noch von einem „Übergang“ der Rechte und Pflichten auf die GmbH die Rede3, bisweilen auch von einer „Gesamtrechtsnachfolge“4. Diese Formeln sind Ausdruck eines veralteten, die Identität von Vor-GmbH und Kapitalgesellschaft noch ausschließenden Verständnisses der Vorgesellschaft als Organisation (vgl. Rdnr. 36)5. Geht man von der Identität beider Gesellschaften aus (Rdnr. 25), so bedarf es keines Überganges. Die Kontinuität der Rechtsverhältnisse ist ein Teil dieser Identität. Der Rechtsträger bleibt derselbe; nur sein rechtlicher Status ändert sich6. Firmen und Geschäftsbezeichnungen, die von der Gesellschaft vor und nach ihrer Eintragung geführt werden, behalten ihre zuvor vorhandene Priorität7. Dasselbe gilt für gewerbliche Schutzrechte. Die automatische Fortsetzung von Rechten und Pflichten durch die fertige GmbH setzt keinen Übertragungsakt voraus und ist auch keine gesetzliche Rechtsnachfolge. Insbesondere werden Grundbucheintragungen nur durch Beseitigung des Gründungszusatzes richtig gestellt8. Es fällt auch keine Grunderwerbsteuer an9. War ein Grundstück an die Vor-GmbH aufgelassen, diese aber 1 BGHZ 80, 129, 140 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116 f.; BGHZ 91, 148, 151 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316, 317; BGHZ 120, 103, 107 = GmbHR 1993, 103 = NJW 1993, 459, 460; BGH, GmbHR 1982, 235 = WM 1982, 40; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Ulmer, Rdnr. 90; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 135 ff. 2 Vgl. Flume, JurP, § 5 III 4; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 111; Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2c; Karsten Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 41 Rdnr. 99 f.; krit. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 12; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 135; Hachenburg/Ulmer, Rdnr. 73; unklar jetzt Ulmer, Rdnr. 89 ff. („nicht voll identisch“; „die Vor-GmbH setzt sich mit allen Aktiva und Passiva als GmbH fort“). 3 Vgl. nur BGHZ 80, 129, 140 = NJW 1981, 1373, 1375 = GmbHR 1981, 114, 116 f.; BGHZ 120, 103, 107 = NJW 1993, 459, 460 = GmbHR 1993, 103, 104; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 111; Hachenburg/Ulmer, Rdnr. 74; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; unklar jetzt Ulmer, Rdnr. 90, 158. 4 Vgl. BGH, NJW 1982, 932 = GmbHR 1982, 183, 184; Hachenburg/Ulmer, Rdnr. 71, 74; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Hueck, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 152; Hüffer, JuS 1983, 167; distanziert jetzt Ulmer, Rdnr. 90: Es werde „nach wie vor nicht selten von Gesamtrechtsnachfolge gesprochen“. 5 Ausführlich noch 9. Aufl., Rdnr. 133. 6 Vgl. Büttner, S. 134; Dregger, S. 81; Flume, JurP, § 5 III 4; Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2c, § 34 III 4a; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 135. 7 Vgl. BGHZ 120, 103, 107 = NJW 1993, 459, 460 = GmbHR 1993, 103, 104. 8 Munzig, in: Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, GrundbuchR, 5. Aufl. 1999, § 20 Rdnr. 32, 68; nach Böhringer, Rpfleger 1988, 449 ist dies nicht einmal ein Grundbuchberichtigungsverfahren i.S. des § 22 GBO. 9 BFH, BStBl. III 1957, 28; Ulmer, Rdnr. 158; Henninger, GmbHR 1974, 269.

Karsten Schmidt

|

693

133

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

noch nicht im Grundbuch eingetragen, so wird nunmehr die GmbH ohne Gründungszusatz eingetragen1. Auch in der Zwangsversteigerung kann der GmbH auf Grund eines noch von der Vor-GmbH erklärten Gebots der Zuschlag erteilt werden2. Waren Kommanditanteile in die Vorgesellschaft eingebracht, so ist nunmehr die fertige GmbH Kommanditistin, eine etwa schon erfolgte Registereintragung wird nur berichtigt. 134

c) Auch die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft sind nunmehr Verbindlichkeiten der GmbH3. Das gilt für die gesetzlichen Verbindlichkeiten ebenso wie für die vertraglichen4. Die ältere Rechtsprechung, die einen automatischen „Übergang“ nur bei satzungsgemäßen oder gründungsnotwendigen Geschäften anerkannte5, ist mit der Beseitigung des Vorbelastungsverbots überholt (Rdnr. 37, 121). Jede Haftung der Vorgesellschaft, wann immer sie wirksam begründet wurde, wird im Augenblick der Eintragung zu einer Haftung der fertigen GmbH. Die ältere Rechtsprechung und Lehre verlangte noch eine Genehmigung oder Vertragsübernahme der GmbH, soweit nicht ein satzungsnotwendiges oder gründungsnotwendiges Geschäft in Frage stand. Soweit noch die beschränkte Vertretungsmacht der Geschäftsführer vertreten wird (Rdnr. 63), wird konsequenterweise eine Genehmigung seitens der Gesellschaft verlangt, soweit die Gesellschafter dem Geschäftsbeginn vor der Eintragung nicht zugestimmt hatten (dazu aber Rdnr. 64)6. Heute ist eine Genehmigung nur unter engen Voraussetzungen zu verlangen: entweder wenn ein Vertreter ohne Vertretungsmacht bzw. unter evidentem Missbrauch der Vertretungsmacht für eine Vorgesellschaft tätig gewesen ist, und dies ist ein seltener Fall (vgl. Rdnr. 60 ff., 64, 117), oder wenn „im Namen der künftigen GmbH“ gehandelt oder das Geschäft unter die Bedingung ihrer Zustimmung gestellt wurde (dazu sogleich Rdnr. 135).

135

d) Rechtsgeschäfte, die „im Namen der künftigen GmbH“, d.h. unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung abgeschlossen wurden (vgl. zu diesem Handeln im Namen der künftigen GmbH Rdnr. 60 f.), können automatisch wirksam werden. Sie werden im Rahmen der Vertretungsmacht des für die Gesellschaft Handelnden (Rdnr. 62 ff.) automatisch wirksam, sofern nicht die Genehmigung durch die Gesellschaft beim Geschäftsabschluss vorbehalten wurde. Das Gegenteil entsprach noch vor einem Jahrzehnt der h.M.7. Mit der Aufgabe des Vorbelastungsverbotes dürfte aber auch diese Schranke gefallen sein. Sie wird nach der Rechtsprechung kompensiert durch die strenge Vorbelastungshaftung (Rdnr. 124 ff.). Stellt man hinsichtlich dieser Haftung auf den

1 Vgl. Böhringer, RPfleger 1988, 449. 2 LG München II, NJW-RR 1987, 1519. 3 BGHZ 80, 129, 144 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 118; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 52; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 136; Ostheim, GesRZ 1982, 128. 4 Vgl. Büttner, S. 134. 5 Vgl. RGZ 58, 55, 56; 83, 370, 373; 105, 228, 229 f.; 134, 121, 122; 151, 86, 91; BGHZ 17, 385, 391 f.; BGHZ 20, 281, 287; Scholz, JW 1938, 3152; Fleck, ZGR 1975, 219. 6 Ulmer, Rdnr. 91. 7 Vgl. die Darstellung bei Karsten Schmidt, NJW 1973, 1595 f.

694

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Anmeldungszeitpunkt ab (Rdnr. 126), so greift die Haftung allerdings nur ein, soweit die Geschäfte als aufschiebend bedingte Rechtsgeschäfte bereits vor der Anmeldung abgeschlossen waren und deshalb bereits im Anmeldungszeitpunkt die Gesellschaft mit evtl. Verbindlichkeiten belasteten. Nach wie vor ist es auch möglich, dass Rechtsgeschäfte unter dem Vorbehalt späterer Genehmigung durch die eingetragene GmbH abgeschlossen werden (sog. Potestativbedingung)1. Dann lösen sie weder eine Haftung nach § 11 Abs. 2 noch eine Haftung nach § 179 BGB aus (Rdnr. 109, 117), richtigerweise auch keine Vorbelastungshaftung. e) Die Kontinuität wirkt umfassend und erfasst ganze Rechtsverhältnisse, nicht nur einzelne Ansprüche und Verbindlichkeiten. Der „Übergang“ solcher Rechtsverhältnisse auf die GmbH ist nicht mit §§ 571, 613a BGB, §§ 25 ff. HGB etc. zu begründen, sondern er ergibt sich von selbst aus der Identität der Gesellschaft vor und nach der Eintragung (vgl. Rdnr. 133; rechtsmethodisch Rdnr. 25).

136

f) Prozesse werden automatisch von der GmbH fortgesetzt2. Dies ist kein Parteiwechsel, sondern es ist nur eine Berichtigung des Rubrums erforderlich. Der Rechtsstreit wird auch nicht unterbrochen. Rechtskräftige Urteile, die zu Gunsten oder zu Lasten der Vorgesellschaft ergangen sind, wirken für und gegen die fertige GmbH. Vollstreckungstitel, die gegen die Vor-GmbH erstritten wurden, können ohne eine gemäß § 727 ZPO im Fall eines Rechtsübergangs erforderliche Titelumschreibung für die Vollstreckung gegen die GmbH verwendet werden3. An Stelle des Titelumschreibungsverfahrens genügt eine formlose Änderung des Rubrums im Vollstreckungstitel.

137

2. Folgen der Eintragung für die persönliche Haftung a) Die persönliche Außenhaftung der Gründer und der Handelnden erlischt (vgl. Rdnr. 88 und 118). Der Haftungszweck einer solchen Außenhaftung hat sich erledigt, und es besteht nach der Eintragung kein Anlass mehr, die Altgläubiger, deren Forderungen schon gegen die Vor-GmbH gerichtet waren, gegenüber den Gläubigern der fertigen GmbH zu begünstigen. Die Gründer haften ggf. nach Rdnr. 126 ff. im Innenverhältnis weiter. Haben die Gründer allerdings auf Grund ihrer persönlichen Haftung gezahlt, so kann zweifelhaft sein, ob der Rechtsgrund der Haftung mit der Wirkung des § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB entfällt. Die Frage ist grundsätzlich zu verneinen. Wer vor der Eintragung an einen Gläubiger der Gesellschaft gezahlt hat, hat mit Rechtsgrund gezahlt. Anders verhält es sich grundsätzlich, wenn der Gründer oder der Handelnde lediglich verurteilt ist. Hier kann grundsätzlich geltend gemacht werden, dass die Haftung fortgefallen ist (ggf. § 767 ZPO). Ist gegen einen Gründer allerdings ein Anerkenntnisurteil ergangen, so kann er sich nach Auffassung des LAG Hamm4 nicht im Wege der Vollstreckungsgegenklage auf den Fortfall der Haftung be-

1 2 3 4

Vgl. BGH, NJW 1973, 798; dazu Karsten Schmidt, NJW 1973, 1597. RGZ 85, 256, 259 (für den Vor-e.V.); Ulmer, Rdnr. 90. OLG Stuttgart, NJW-RR 1989, 637. ZIP 1983, 63, 577.

Karsten Schmidt

|

695

138

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

rufen. Dieser Standpunkt ist schon deshalb bedenklich, weil das Anerkenntnis auf § 93 ZPO beruht haben kann. Der Gründer hat eine Klagforderung anerkannt, die im Zeitpunkt des Anerkenntnisses bestand und nachträglich fortgefallen ist. 139

b) Das Erlöschen gilt nur für die auf der fehlenden Eintragung beruhende Außenhaftung. Damit kommt zunächst eine gegenüber der Gesellschaft entstandene Innenhaftung nicht zum Erlöschen. Ein sich aus § 9 oder aus §§ 19 ff. ergebender Anspruch der Gesellschaft gegen die Gründer (insbesondere bei verdeckter Sacheinlage) sowie eine etwa nach Rdnr. 124 ff. entstandene Vorbelastungshaftung bleibt bestehen. Zur Verjährung des Haftungsanspruchs vgl. Rdnr. 131. Nicht zum Erlöschen kommt aber auch eine Außenhaftung, die auf anderer Anspruchsgrundlage beruht, so die Culpa-in-contrahendo-Haftung bei Überschuldung der Vor-GmbH (Rdnr. 30, 60 f. sowie Erl. § 64) oder die bei § 4 Rdnr. 54 f. dargestellte Vertrauenshaftung bei Nicht-Verwendung des warnenden GmbH-Zusatzes (auch dazu vgl. Rdnr. 30, 60)1. Auch eine durch Bürgschaft oder Garantie oder gemeinschaftliche Kontoeröffnung rechtsgeschäftlich begründete Außenhaftung kann fortbestehen2.

3. Folgen der Eintragungsverweigerung 140

a) Eine Ablehnung des Eintragungsantrags kann die Geschäftsführer nach Lage des Falls zur Einlegung von Rechtsmitteln (nach jetzt h.M. im Namen der Gesellschaft, vgl. Rdnr. 32) und die Gesellschafter zur Beseitigung von Eintragungshindernissen verpflichten3. Scheitert die Eintragung endgültig, so ist die Vorgesellschaft aufgelöst4. Die h.M. begründet dies mit der Erwägung, dass die Herbeiführung der Eintragung gemeinsamer Zweck der Vorgesellschaft sei. Diese Begründung trifft zwar nicht zu (Rdnr. 26 f.), aber die Verfehlung der von den Gründern bezweckten Rechtsform bringt die Grundlage des Gesellschaftsverhältnisses in Fortfall (s. auch Rdnr. 55).

141

b) Die aufgelöste Vor-GmbH muss auseinandergesetzt werden. Betreiben die Gesellschafter die Liquidation, so besteht die Gesellschaft nunmehr als Vorgesellschaft in Liquidation fort5. Anders als im Fall der Einpersonengründung (Rdnr. 148) tritt kein automatischer Wegfall der Vor-GmbH als Rechtsträgerin ein, und das Gesellschaftsvermögen fällt auch nicht automatisch den Gründern

1 Vgl. OLG Celle, GmbHR 1990, 398. 2 Vgl. OLG Braunschweig, NZG 2003, 175 (Mithaftung aus Mietvertrag); zu den Grenzen einer solchen Außenhaftung (Kontoeröffnung) vgl. OLG Braunschweig, NZG 2002, 182. 3 Ulmer, Rdnr. 38 f.; vgl. allgemein zu den Gründerpflichten RGZ 151, 86, 91; Flume, JurP, § 5 III 2. 4 Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66; Ulmer, Rdnr. 52. 5 BGHZ 51, 30, 32 = NJW 1969, 509 = GmbHR 1969, 80; BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080; vgl. BGHZ 80, 129, 142 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BayObLG, DB 1986, 106 f. = GmbHR 1986, 118; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 28.

696

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

an1. Die aufgelöste Vor-GmbH unterliegt dem Liquidationsrecht des GmbHG, soweit dieses nicht die Eintragung voraussetzt (Rdnr. 56). Sie bleibt Trägerin von Rechten und Pflichten2. Auch ihre Parteifähigkeit bleibt bestehen3. Insbesondere gilt § 66, wonach im Zweifel die Geschäftsführer als Liquidatoren berufen sind, analog (Rdnr. 56; str.). Nach einer heute überholten Rechtsprechung sollte es dann bei der angeblich beschränkten Haftung der Gründer bleiben (dazu Rdnr. 77 f.)4. Die nunmehr vorherrschende Rechtsprechungslösung (Rdnr. 79 ff.) wirft nicht mehr die Frage auf, ob die Haftung zu bejahen oder zu verneinen ist, sondern die Frage ist nur, ob sich die Gründerhaftung von einer Innenhaftung in eine Außenhaftung verwandelt (Rdnr. 81, 89). Das hier vertretene Außenhaftungskonzept lässt die Frage als einfach erscheinen. Denn danach haften die Gründer schon während des Eintragungsverfahrens unbeschränkt gesamtschuldnerisch (Rdnr. 82), und dies gilt selbstverständlich auch im Fall der Liquidation (Rdnr. 56; str.)5. Im Insolvenzverfahren wird die Haftung dagegen über die Masse abgewickelt. Der Grund besteht allerdings nicht darin, dass die Haftung eine Innenhaftung ist, sondern er liegt in § 93 InsO (dazu Rdnr. 35, 82). c) Zweifelhaft ist, ob die Gesellschafter einander zum Verlustausgleich verpflichtet sind. BGHZ 86, 122 = NJW 1983, 876 = GmbHR 1983, 46 hat dies mit der Begründung verneint, eine allgemeine Nachschuss- und Verlustausgleichspflicht im Auflösungsfall (§ 735 BGB) gebe es nicht, weil die Gründer einer GmbH grundsätzlich kein Risiko über den Verlust der versprochenen Einlagen hinaus eingehen wollen (zum Streitstand vgl. Rdnr. 56). Dem kann nur mit der Einschränkung zugestimmt werden, dass Verluste, die nicht zur persönlichen Haftung der Gründer führen, aus dem Gesellschaftsvermögen beglichen werden müssen (vgl. auch Rdnr. 129 ff.). Soweit dagegen die Gesellschafter im Außenverhältnis unbeschränkt haften (Rdnr. 82), können sie nicht nur nach § 426 BGB untereinander Regress suchen, sondern sie schulden auch Beiträge zur Schuldenabwicklung. § 735 BGB ist dann entsprechend anzuwenden (vgl. Rdnr. 56).

142

4. Fortführung der Vorgesellschaft ohne Eintragungsabsicht (sog. unechte Vorgesellschaft) Von dem Liquidationsverfahren zu unterscheiden ist die Fortführung der Gesellschaft nach Scheitern oder Aufgabe der Eintragungsabsicht. Wird die Gesellschaft ohne Eintragungsabsicht als werbende (nicht Liquidations-)Gesellschaft 1 Im Ansatz unrichtig die Gründe des (in casu aber eine Einpersonengesellschaft betreffenden) Beschlusses des BayObLG, NJW-RR 1987, 812 = GmbHR 1987, 393 m. Anm. Hubert Schmidt; dazu näher Karsten Schmidt, GmbHR 1988, 89 ff.; gleichfalls im Ansatz unrichtig, aber eine Einpersonengesellschaft betreffend und deshalb in casu richtig OLG Köln, GmbHR 1997, 601: Wegfall der Parteifähigkeit. 2 BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080. 3 Fichtelmann, GmbHR 1997, 905 gegen OLG Köln, GmbHR 1997, 601. 4 BGHZ 80, 129, 142 f. = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117. 5 Vgl. Karsten Schmidt, oHG, S. 284; s. auch Theobald, S. 51 f.; Brinkmann, GmbHR 1982, 269 f.

Karsten Schmidt

|

697

143

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

betrieben, so entfallen die Voraussetzungen des Rechts der Vor-GmbH. Vielfach wird dann von einer „unechten Vorgesellschaft“ gesprochen1, was im Hinblick auf die bei Rdnr. 26 f. geschilderte, heute überholte Lehre von der „unechten Vorgesellschaft“ (dazu Rdnr. 29) terminologisch nicht ohne Probleme ist. Die Aufnahme der Unternehmenstätigkeit durch die Vor-GmbH macht diese noch nicht zu einer „unechten Vorgesellschaft“ (Rdnr. 29). Ebenso wenig genügt eine bloße Verzögerung der Liquidation2. Führen die Gründer aber ein in die VorGmbH eingebrachtes oder von ihr in Gang gesetztes Unternehmen fort, ohne die Eintragung oder die Liquidation zu betreiben3, so wird aus der Vorgesellschaft je nach der Art und Umfang des Unternehmens eine oHG (§§ 1, 105 HGB) oder eine unternehmenstragende Gesellschaft bürgerlichen Rechts4. Diese kann nicht mehr als werdende juristische Person (Rdnr. 24) durch schlichte Eintragung in das Stadium der fertigen GmbH überführt werden, ist vielmehr Personengesellschaft und bedürfte, soll aus ihr doch noch eine GmbH werden, der Umwandlung. Eine definitive Aufgabe der Eintragungs- oder Abwicklungsabsicht ist für die Verwandlung in eine „unechte Vorgesellschaft“ nicht erforderlich; ihre nachhaltige Vernachlässigung durch alle Gründer genügt5. Vor allem die bestandskräftige Versagung der Eintragung (Rdnr. 140) zwingt die Gesellschafter zur Liquidation der Vorgesellschaft, wenn sie nicht die Rechtsfolgen der „unechten Vorgesellschaft“ in Kauf nehmen wollen. Die Gesellschafterhaftung bei der „unechten Vorgesellschaft“ ist eine unbeschränkte persönliche Außenhaftung (vgl. § 128 HGB). Für die eine solche Haftung bei der Vor-GmbH verneinende h.M. bringt die Umwandlung in eine Personengesellschaft eine gravierende haftungsrechtliche Veränderung mit sich, deren tatbestandliche Voraussetzungen nicht immer einfach nachzuweisen sind. Die Gesellschafter haften für Altschulden (aus der Zeit vor der Umwand-

1 Vgl. nur BayObLG, DB 1986, 106 f. = GmbHR 1986, 118; BFHE 185, 356 = DStR 1998, 1129 m. Anm. Goette = GmbHR 1998, 854 = NJW 1998, 2926 = ZIP 1998, 1149; OLG Koblenz, WM 2002, 182, 183; FG Hamburg, GmbHR 1990, 189; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 8, 22; Ulmer, Rdnr. 27; s. auch Theobald, S. 50, 133. 2 OLG Celle, GmbHR 1996, 688 = EWiR 1996, 1083 (Veil); nur scheinbar a.M. BGHZ 152, 290 = NJW 2003, 429 (die Entscheidung handelt von der Außenhaftung und basiert auf dem Innenhaftungsmodell des BGH). 3 Zu dieser Abgrenzung vgl. Karsten Schmidt, oHG, S. 358. 4 So im Ergebnis die h.M.; vgl. BGHZ 80, 129, 142 = NJW 1981, 1373, 1376 = GmbHR 1981, 114, 117; BGH, LM Nr. 49 zu § 50 ZPO = NJW 1998, 1079, 1080; BayObLG, NJW 1965, 2254, 2256; BayObLG, DB 1986, 106 f. = ZIP 1985, 1487; OLG Dresden, GmbHR 1998, 186, 188; OLG Jena, GmbHR 1999, 772, 773 = NZG 1999, 461; OLG Koblenz, WM 2002, 182 = GmbHR 2001, 433; LG Dresden, GmbHR 2002, 549; BFH, GmbHR 1988, 404; BFHE 185, 356, 360 = GmbHR 1998, 854, 856 = NJW 1998, 2926, 2928; FG Berlin, GmbHR 2002, 450, 451; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 22; Ulmer, Rdnr. 26; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 17; Theobald, S. 50 f.; Schwarz, ZIP 1996, 2007; unentschieden BGHZ 134, 333, 341 = LM Nr. 38 zu § 11 GmbHG m. Anm. Noack = GmbHR 1997, 405, 407 = NJW 1997, 1507, 1509. 5 Karsten Schmidt, oHG, S. 358; vgl. im Ergebnis auch Fleck, GmbHR 1983, 15; Maulbetsch, DB 1984, 1563; die Gegenansicht muss den inneren Willen aus denselben Indizien erschließen; vgl. Ulmer, Rdnr. 27.

698

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

lung) wie für Neuschulden unbeschränkt1. Folgt man der hier vertretenen Ansicht, so setzt sich die vorläufige Außenhaftung der Vorgesellschafter bei der „unechten Vorgesellschaft“ nur als endgültige Außenhaftung fort. Wer vor der Umwandlung in eine oHG oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus der Vorgesellschaft ausscheidet, unterliegt nach der h.M. überhaupt keiner Außenhaftung2. Nach der hier vertretenen Auffassung entfällt bei einem solchen Gesellschafter nur die Haftung für die nach seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten.

X. Die Einpersonen-Vorgesellschaft Schrifttum (vgl. zunächst die Angaben bei Rdnr. 1, 76): W. Albach, Die Einmanngründung der GmbH, Diss. Bonn 1986; Brinkmann, Begrenzte Haftung der Einmann-GmbH in Gründung?, GmbHR 1982, 269; Bode, Die gescheiterte Gründung der Einmann-GmbH, Diss. Hannover 1994; Fezer, Die Einmanngründung der GmbH, JZ 1981, 608; Flume, Die Gründung der Einmann-GmbH nach der Novelle zum GmbH-Gesetz, DB 1980, 1781; Flume, Die GmbH-Einmanngründung, ZHR 146 (1982), 205; Hüffer, Zuordnungsprobleme und Sicherung der Kapitalaufbringung bei der Einmanngründung der GmbH, ZHR 145 (1981), 521; Hüffer, Vorgesellschaft und Einmanngründung, in: Die Zukunft der GmbH, 1983, S. 167; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, 1986; John, Zur Problematik der Vor-GmbH, insbesondere bei der Einmann-Gründung, BB 1982, 505; John, Die doppelstöckige Einmanngründung, BB 1985, 626; Kleberger, Die rechtliche Behandlung von Sicherungen bei der Gründung der Einmann-GmbH, Diss. Gießen 1986; Koppensteiner, Zur Neuregelung der Einmann-GmbH in Österreich, in: FS Claussen, 1997, S. 213; Kusserow, Die Einmann-GmbH in Gründung, 1986; Petersen, Die fehlgeschlagene Einmanngründung – liquidationsloses Erlöschen oder Fiktion des Fortbestehens?, NZG 2004, 400; Karsten Schmidt, Einmanngründung und Einmann-Vorgesellschaft, ZHR 145 (1981), 540; Karsten Schmidt, Die Rechtslage der gescheiterten Einmann-VorGmbH, GmbHR 1988, 89; Albert Schröder, Die Einmann-Vorgesellschaft, 1990; Ulmer, Die Einmanngründung der GmbH – ein Danaergeschenk?, BB 1980, 1001; Ulmer/Ihrig, Die Rechtsnatur der Einmann-Gründungsorganisation, GmbHR 1988, 373; Winter, Gründungs- und Satzungsprobleme bei der Einmann-GmbH nach der GmbH-Novelle, in: Pro GmbH, 1980, S. 191.

144

1. Grundlagen Nach § 1 kann eine GmbH auch durch einen Gründer als Einpersonen-GmbH geschaffen werden (eingehend § 1 Rdnr. 26 ff.). Dieser einzige Gründer kann eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft sein. Das Errichtungsgeschäft ist dann trotz des ungenauen Wortlauts des § 2 Abs. 1 kein Vertrag, sondern eine einseitige Willenserklärung (§ 1 Rdnr. 31). Die durch das Errichtungsgeschäft geschaffene Rechtslage ist umstritten:

145

a) Meinungsstand: Ein Teil der Literatur nimmt an, dass durch die Einpersonengründung zwar schon die Verfassung der künftigen Einpersonen-Gesell-

146

1 Vgl. nur BAGE 86, 38 = NJW 1998, 628 = GmbHR 1998, 39 = ZIP 1997, 2199; BFHE 185, 356 = NJW 1998, 2926 = GmbHR 1998, 854 = ZIP 1998, 1149; BayObLG, DB 1986, 106 f.; FG Brandenburg, GmbHR 1998, 392; Ulmer, Rdnr. 28; Lutter, JuS 1999, 1077 f. 2 Vgl. OLG Düsseldorf, GmbHR 1995, 823.

Karsten Schmidt

|

699

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

schaft, aber vorerst weder ein Sondervermögen noch ein selbständiger Rechtsträger geschaffen wird1. Andere Stimmen sehen die errichtete, aber noch nicht eingetragene Gesellschaft als ein Sondervermögen des Gründers an, so dass dieser bereits Einlagen leisten kann, indem er Vermögensgegenstände aus seinem Privatvermögen auf das Sondervermögen überführt2. Eine dritte, inzwischen vorherrschende Auffassung erkennt die Einpersonen-Vorgesellschaft als Rechtsträger an3. 147

b) Stellungnahme: Die dritte Auffassung wird in diesem Kommentar seit der 7. Aufl. vertreten4. Indem der Gesetzgeber die Einpersonengründung zugelassen (§ 1) und zugleich vollständige Einlageleistung vor der Eintragung vorgeschrieben hat (§ 7 Abs. 2 Satz 3), hat er die Einpersonen-Vorgesellschaft der Mehrpersonen-Vorgesellschaft in diesem entscheidenden Punkt gleichgestellt. Jede Rechtskonstruktion, die unter Berufung auf angeblich zwingende dogmatische Argumente hinter diesem Konzept zurückbleibt, verstößt gegen das Gesetz. Die vielfach favorisierte Sondervermögenslösung bleibt auf halbem Wege stehen. Sie kann zwar die Rechtslage beim Scheitern der Gründung besser erklären (dazu Rdnr. 148), nicht aber den Status der Vorgesellschaft und die Rechtsfolgen der Eintragung5. Insbesondere zeigt sich dies, wenn ein Einzelunternehmen in die Gesellschaft eingebracht wird (ein Fall, in dem sich freilich die Ausgliederung nach §§ 158 ff. UmwG empfiehlt) oder wenn sonst schon unternehmerische Rechtsgeschäfte mit Dritten abgeschlossen werden. Es gibt kein Unternehmen ohne Unternehmensträger6, und es gibt keinen Unternehmensträger, der nicht fähig wäre, Träger von Rechten und Pflichten zu sein7. Die Einpersonen-Vorgesellschaft als rechtsfähige Organisation (Rdnr. 149) erfüllt diese Voraussetzungen. Die Einpersonen-Vorgesellschaft kann auch bereits als Komplementärin an einer KG-Gründung teilnehmen (Rdnr. 162), oder selbst eine GmbH gründen8. 1 So insbes. Ulmer, BB 1980, 1003 f.; Hüffer, ZHR 145 (1981), 522 f., 532; eingehende Kritik bei Schröder, S. 38 ff. 2 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen Flume, JurP, § 5 IV 2; Flume, DB 1981, 1783; Flume, ZHR 146 (1982), 208; Ulmer, Rdnr. 23 ff.; Fezer, JZ 1981, 615 f.; Fleck, GmbHR 1983, 17; vgl. auch Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 81; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 142, 146 f. 3 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 217 = DZWir 1997, 200, 203 m. Anm. Mutter; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 37; Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rdnr. 87; Raiser, in: Das neue GmbH-Recht in der Diskussion, 1981, S. 38; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 110; Schröder, S. 151 ff.; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Michalski, Rdnr. 74; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 143 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 75 ff.; Karsten Schmidt, GesR, § 40 II 2a; Karsten Schmidt, NJW 1980, 1774 f. und ZHR 145 (1981), 560; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 37 ff.; John, BB 1982, 513; Koppensteiner, in: FS Claussen, S. 215 f.; Winter, in: Pro GmbH, S. 200 f.; Albach, S. 132 ff., 170 f.; Kleberger, S. 189 f. 4 Vgl. ausführlicher in den Vorauflagen; s. auch Karsten Schmidt, GesR, § 40 II 2a; dieser Standpunkt wurde ausführlicher entwickelt bei Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 541 ff. 5 Das wird eingeräumt bei Ulmer, Rdnr. 24. 6 Karsten Schmidt, HandelsR, § 4 IV 2a. 7 Karsten Schmidt, HandelsR, § 5 II 1. 8 Vgl. zur doppelstöckigen Einmann-Gründung ausführlich John, BB 1985, 626 ff.

700

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

c) Eine Schwierigkeit besteht, wenn die GmbH-Gründung scheitert und die Eintragungsabsicht nicht mehr verfolgt wird. Schulmäßig müsste dann der Gründer einen Auflösungsbeschluss fassen und die Gesellschaft abwickeln, indem er die Gläubiger befriedigt und das Restvermögen von seiner Gesellschaft zurückerwirbt. Richtig ist, dass der Gründer die Einpersonen-Vorgesellschaft auflösen kann (Rdnr. 153). Aber dies gibt keinen hinreichenden Schutz gegen schlichte Passivität des Gründers. Man wird aus diesem rechtspolitischen Grund, auch wenn dies rechtsdogmatisch schwer zu erklären ist, annehmen müssen, dass die Einpersonen-Vorgesellschaft in diesem Fall automatisch erlischt und dass alle Rechte und Pflichten wieder dem Gesellschafter – nach der Sondervermögenstheorie: seinem Privatvermögen – zufallen1. Die wirksam errichtete (Vor-)Gesellschaft verliert ihre Rechts- und Parteifähigkeit2. Eine Liquidation findet nicht statt3. Eingebrachte Vermögensgegenstände fallen automatisch dem Gründer im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zu; das gilt auch für im Grundbuch eingetragene Rechte und für vormerkungsgesicherte Forderungen4, während eine Eintragung, die erst für die bereits erloschene Vor-GmbH erfolgt, ins Leere gehen müsste5, sofern man sie nicht als Eintragung für den Gründer als Gesamtrechtsnachfolger aufrechterhält6. Auch Gesellschaftsanteile der Vor-GmbH fallen dem Gründer zu (war er einziger Kommanditist einer Einpersonen-GmbH & Co. in Gründung, so erlischt diese Gesellschaft). Einlageforderungen der Vor-GmbH gegen ihren Gründer erlöschen durch Konfusion; etwa schwebende Prozesse werden vom Gründer als Gesamtrechtsnachfolger fortgeführt7; Titel, die schon gegen die Vorgesellschaft erwirkt worden sind, werden nach § 727 ZPO umgeschrieben8. Hatte ein Gläubiger einen Titel gegen den Gründer erwirkt, so kann er nunmehr aus diesem Titel in das bisherige Gesellschaftsvermögen vollstrecken, ohne dass hiergegen eine Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) gegeben wäre9.

1 BGH, DStR 1999, 943, 944 = NZG 1999, 962 m. Anm. Grießenbeck = ZIP 1999, 489; LG Berlin, GmbHR 1988, 71 = Rpfleger 1987, 460; BFH, BStBl. II 2002, 210 = GmbHR 2002, 223; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Michalski, Rdnr. 76; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 151; eingehend Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 563; Karsten Schmidt, GmbHR 1988, 89 ff.; ausführlich und zustimmend Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 125; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 58 ff.; s. auch Ulmer, Rdnr. 57 (im Ergebnis wie hier); Schröder, S. 151 ff.; Fichtelmann, GmbHR 1997, 996; vgl. aber Albach, S. 112 ff.; Bode, S. 125 ff.; Böhringer, Rpfleger 1988, 450. 2 Insofern richtig, wenn auch im Grundsätzlichen verfehlt, OLG Köln, GmbHR 1997, 601; dazu treffend Fichtelmann, GmbHR 1997, 995 f. 3 Im Ergebnis wie hier Ulmer, Rdnr. 57 (auf der Basis der Sondervermögenslehre); a.M. Bode, S. 142 ff.; Koppensteiner, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 45; Petersen, NZG 2004, 400 f. 4 Karsten Schmidt, GmbHR 1988, 91. 5 Insofern richtig BayObLG, NJW-RR 1987, 812 = GmbHR 1987, 393 m. zu Recht krit. Anm. Hubert Schmidt. 6 Vgl. dazu Karsten Schmidt, GmbHR 1988, 90 f.; s. auch Hubert Schmidt, GmbHR 1987, 394. 7 A.M. OLG Köln, GmbHR 1997, 601: Weder Rubrumsberichtigung noch Parteiwechsel sei möglich; für analoge Anwendung des § 239 ZPO Fichtelmann, GmbHR 1997, 996. 8 Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 563 f. 9 LG Berlin, GmbHR 1988, 71 = Rpfleger 1987, 460.

Karsten Schmidt

|

701

148

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

2. Die Verfassung der Einpersonen-Vor-GmbH 149

a) Die theoretische Rechtsstruktur der Einpersonen-Vor-GmbH ist umstritten und auch dann noch zweifelhaft, wenn man mit der hier vertretenen Ansicht die Vorgesellschaft als Trägerin von Rechten und Pflichten ansieht. Teilweise wird die Mehrpersonen-Vorgesellschaft als Gesamthandsgesellschaft angesehen, woraus dann gefolgert wird, die Einpersonen-Vorgesellschaft könne nicht dieselbe Rechtsnatur haben1. Dem ist nicht zu folgen2. Als Einpersonengesellschaft hat zwar die Einpersonen-Vor-Gesellschaft eine andere Organisationsstruktur als eine Mehrpersonen-Vorgesellschaft, aber ihre Rechtsnatur ist dieselbe (vgl. schon Rdnr. 24)3: Sie ist eine werdende juristische Person4. Die Einpersonen-Vorgesellschaft kann Trägerin von Rechten und Pflichten sein (Rdnr. 147). Wer die Kategorie der Teilrechtsfähigkeit anerkennt (dazu Rdnr. 27), mag sie als teilrechtsfähig bezeichnen5. Sie kann wie eine Mehrpersonen-Vorgesellschaft (Rdnr. 58 ff.) am Rechtsverkehr teilnehmen, kann Inhaberin eines Bankkontos sein, ist grundbuchfähig, wechselrechtsfähig, parteifähig und insolvenzfähig6. Einlageforderungen gegen den Gründer sind Forderungen der Gesellschaft. Aus einem gegen den Gesellschafter gerichteten Titel kann nicht in das Vermögen der Gesellschaft vollstreckt werden und umgekehrt (zum Durchgriff vgl. § 13 Rdnr. 76 ff., 98 ff., 139); dies kann durch Klage nach § 771 ZPO geltend gemacht werden. Der Pfändung unterliegt allerdings die Mitgliedschaft an der Vorgesellschaft7; mittelbar kann so der Gläubiger auf das gesamte Gesellschaftsvermögen zugreifen, wobei die Verwertung durch Auflösung, aber wohl auch durch Erwerb des Anteils8 erfolgen kann.

1 Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 15; Ulmer, Rdnr. 22; Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 374 ff. 2 Nur der Abwehr dieses Arguments diente die vom Verf. vertretene Auffassung, wenn man an der Gesamthandsnatur der Vorgesellschaft festhalte, müsse man sich an die Möglichkeit einer Einpersonen-Gesamthand gewöhnen; vgl. Karsten Schmidt, NJW 1980, 1775; Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 557; vgl. auch John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 35 f.; gegen dieses Argument Winter, in: Pro GmbH, S. 201; Michalski, Rdnr. 74; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 143 f. 3 Von einer unbegründbaren „organisationsrechtlichen Bevorzugung“ der Einmann-VorGmbH (Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 376) kann nur sprechen, wer die GesamthandNatur der Mehrpersonen-Vor-GmbH ungeprüft als Prämisse nimmt. 4 Karsten Schmidt, GesR, § 11 IV 2b; dazu Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 384: „sachlich nicht weiterführender Formelkompromiss“; dieser Einwand wird hier an die Leerformel vom „Sondervermögen“ zurückgegeben, deren „Theoriedefizit“ von Ulmer/Ihrig kritiklos konstatiert wird; diese bezeichnen die hier vertretene Ansicht in problemlosen Fällen als „unschädlich“, in Problemfällen dagegen als „nicht geeignet, Lösungsvorschläge aufzuzeigen“; der Text enthält indes solche Vorschläge. 5 So John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 11 f., 35; John, BB 1982, 508; Kleberger, S. 189 f.; Winter, in: Pro GmbH, S. 201. 6 John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 37, 47; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 39; s. auch Albach, S. 101. 7 Nach der Sondervermögenslehre ist Zugriffsgegenstand „die der Mitgliedschaft bei der Mehrpersonen-Gründung entsprechende Position des Gründers als des gegenüber dem Geschäftsführer der Einmann-Gründungsorganisation weisungsbefugten Inhabers des Sondervermögens“; vgl. Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 383. 8 John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 43 ff.; im Einzelnen noch nicht ausdiskutiert.

702

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

b) Wie eine Mehrpersonen-Vorgesellschaft (Rdnr. 39 ff.) unterliegt die Gesellschaft bereits dem Recht der fertigen GmbH, soweit dieses nicht die Eintragung voraussetzt. Sie muss gemäß § 6 mindestens einen Geschäftsführer haben. Das wird meist der Alleingesellschafter sein, der sich ohne Verstoß gegen §§ 181 BGB, 47 Abs. 4 GmbHG selbst durch Satzung oder Beschluss zum Geschäftsführer bestellen kann. Der Geschäftsführer (auch der Gesellschafter-Geschäftsführer) vertritt die bereits als Rechtssubjekt von dem Gründer gesonderte VorGmbH1. Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer wird auch hier vielfach als beschränkt auf den Gründungszweck angesehen2. Dem ist aus den bei Rdnr. 63 f. genannten Gründen nicht zu folgen. Die organschaftliche Vertretungsmacht ist unbeschränkt. § 35 Abs. 4 ist bereits zu beachten3; anzuwenden ist auch schon § 48 Abs. 34.

150

c) Einlagen erbringt der Gesellschafter durch Leistung an die Vor-GmbH5. Es handelt sich dabei nicht nur um die Überführung der zu leistenden Gegenstände in ein dem Gesellschafter gehörendes Sondervermögen, sondern um regelrechte Übertragungsgeschäfte zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft (Zahlung, Übereignung etc.). Besonders hinzuweisen ist auf § 7 Abs. 2 Satz 3.

151

d) Verfügungen über die Mitgliedschaft (Übertragung, Belastung, Pfändung) sind nach der hier vertretenen Auffassung bereits vor der Eintragung möglich. Nach h.M. geschieht die Übertragung nicht nach § 156. Dem ist aus denselben Gründen wie bei der Mehrpersonengesellschaft (Rdnr. 41) zu widersprechen.

152

e) Die Einpersonen-Vorgesellschaft kann, wie jede Gesellschaft, aufgelöst und liquidiert werden7. Zur Frage, ob das Vermögen beim Scheitern der Gründung automatisch dem Gründer anfallen kann, vgl. Rdnr. 148.

153

3. Haftungsverhältnisse a) Die Einpersonen-Vorgesellschaft kann als Rechtsträgerin auch Schuldnerin sein. Sie kann, vertreten durch ihren Geschäftsführer oder durch Bevollmächtigte, rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten eingehen und gesetzlichen Haftungstatbeständen unterliegen8. Ist im Wege der Sachgründung ein Unterneh-

1 So im Ergebnis auch, jedoch mit Konstruktionsschwierigkeiten, die Sondervermögenslehre; vgl. Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 378. 2 John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 38 m.w.N.; Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 378. 3 Ebenso John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 39; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 39; a.M. Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 148 unter Berufung auf Ekkenga, AG 1985, 45 f. 4 Ebenso Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 148. 5 Albach, S. 22; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 25 ff.; Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 560. 6 John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 50; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 113. 7 John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 62 ff. 8 Eingehend John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 40 f.

Karsten Schmidt

|

703

154

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

men eingebracht worden, so gilt der allgemeine Grundsatz, dass unternehmensbezogene Rechtsgeschäfte den Unternehmensträger verpflichten (vgl. Rdnr. 60), hier also die Einpersonen-Vorgesellschaft. Auch die Haftungszurechnungsregeln für Organverschulden (§ 31 BGB) und für Gehilfenverschulden (§ 278 BGB) finden Anwendung, ebenso § 831 BGB (Rdnr. 68). 155

b) Neben der Vorgesellschaft haftet der Gesellschafter den Gläubigern der Vorgesellschaft unbeschränkt (vgl. sinngemäß Rdnr. 82)1. Das wird auch von den Befürwortern einer Innenhaftung (Rdnr. 79 f.) im Fall der Einpersonengründung anerkannt (Rdnr. 81), insbesondere in dem Urteil BGHZ 134, 333, 341 = NJW 1997, 1507, 1509 = GmbHR 1997, 405, 408. Nur durch Abrede mit dem einzelnen Gläubiger kann diese unbeschränkte Haftung ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dazu genügt nicht ein Auftreten im Namen einer „GmbH i.G.“ oder einer „GmbH“. Die Rechtslage ist ähnlich umstritten wie bei der mehrköpfigen Vorgesellschaft2. Das bei Rdnr. 86 Gesagte gilt sinngemäß. Scheitert die Gründung, so bleibt die zunächst nur vorläufig unbeschränkte Haftung bestehen (nach der bei Rdnr. 77 f. dargestellten Auffassung entsteht erst in diesem Fall eine unbeschränkte Haftung). Wird die Einpersonengesellschaft eingetragen, so erlischt die unbeschränkte Außenhaftung (Rdnr. 158). Zur Vorbelastungshaftung (Unterbilanzhaftung, Differenzhaftung) vgl. Rdnr. 159.

156

c) Unter den in Rdnr. 92 ff. im Einzelnen dargelegten Voraussetzungen tritt auch bei der Einpersonen-Vorgesellschaft eine Handelndenhaftung nach Abs. 2 ein3. Sie trifft i.d.R. nur den Geschäftsführer der Einpersonen-Vor-GmbH (über die Haftung anderer Personen nach Abs. 2 vgl. Rdnr. 104 f.). Ist dies – was der Regelfall ist – der Gründer selbst, so konkurriert die Handelndenhaftung mit der bei Rdnr. 155 besprochenen Haftung des Gesellschafters. Auch die Handelndenhaftung bei der Einpersonen-Vor-GmbH erlischt mit der Eintragung der Gesellschaft (Rdnr. 138). Hatte der Gründer allerdings im Fall einer Sachgründung sein Unternehmen noch nicht in die Gesellschaft eingebracht und hatte er deshalb bei Unternehmensgeschäften im eigenen Namen gehandelt, so beruht seine Haftung weder auf der Gründereigenschaft noch auf der Handelndeneigenschaft nach Abs. 2 und erlischt mangels entsprechender Vereinbarung mit dem Gläubiger nicht4.

1 Vgl. mit Unterschieden im Einzelnen Ulmer, Rdnr. 84; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 68 (gegen Voraufl.); Flume, JurP, § 5 Fn. 78; Flume, DB 1980, 1782; Flume, NJW 1981, 1756; Karsten Schmidt, GesR, § 34 III 3c; Karsten Schmidt, ZHR 145 (1981), 561 f.; Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 122; John, Die Gründung der EinmannGmbH, S. 40 f.; John, BB 1982, 511; Brinkmann, GmbHR 1982, 270 ff.; Ulmer, BB 1980, 1005; Ulmer/Ihrig, GmbHR 1988, 382. 2 Für Haftungsbeschränkung auch bei der Einpersonengründung 6. Aufl. (Winter) Anm. 43; Fleck, GmbHR 1983, 17; im Ergebnis auch Gersch/Herget/Marsch/Stützle, GmbH-Reform, 1980, Rdnr. 146. 3 BGHZ 91, 148, 149 = NJW 1984, 2164 = GmbHR 1984, 316; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 46; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 150; Ulmer, BB 1980, 1004. 4 Im Ergebnis richtig OLG Düsseldorf, BB 1987, 1624 = GmbHR 1987, 430.

704

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

4. Die Eintragung der Einpersonengesellschaft und ihre Folgen a) Mit der Eintragung wird die Einpersonengesellschaft zur juristischen Person. An der Identität der Gesellschaft ändert sich hierdurch nichts (Rdnr. 25). Alle Rechte und Pflichten der Gesellschaft sind nunmehr ohne weiteres Rechte und Pflichten der GmbH, ohne dass man von einem „Übergang“ dieser Rechte und Pflichten1 sprechen sollte (vgl. sinngemäß Rdnr. 133). Es braucht deshalb auch nicht, wie bei der Einpersonen-Umwandlung, eine Liste der übergehenden Vermögensgegenstände eingereicht zu werden2. Die §§ 152 ff. UmwG sind hier ohne Parallele, denn sie regeln den Erwerb in das Gesellschaftsvermögen (Gesamtrechtsnachfolge statt Einzeleinbringung), um den es bei der Eintragung der nach § 1 gegründeten Einpersonen-GmbH nicht mehr geht.

157

b) Die sich aus Rdnr. 155 und 156 ergebende persönliche Außenhaftung des Gesellschafters und der handelnden Geschäftsführer erlischt mit der Eintragung (Rdnr. 138). Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch für die Einpersonengründung3. Er gilt auch hier nicht für etwaige Ansprüche der Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter aus §§ 9, 19 ff. oder für die Vorbelastungshaftung.

158

c) Die bei Rdnr. 124 ff. dargestellte Vorbelastungs- oder Unterbilanzhaftung kann auch bei der Einpersonengesellschaft eintreten4: Deckt das Aktivvermögen im Zeitpunkt der eintragungsfähigen Anmeldung – nach der bisherigen Rechtsprechung: im Zeitpunkt der Eintragung (dazu Rdnr. 126) – nicht mehr das Stammkapital, so muss der Gesellschafter die Differenz in bar nachschießen. Diese Haftung kann vor allem in der Insolvenz der Einpersonengesellschaft eine nicht unbeträchtliche Rolle spielen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist sie auf die operativen Verluste beschränkt (Rdnr. 129 ff.).

159

XI. Gründungsstadien der GmbH & Co. KG Schrifttum (vgl. zunächst die Angaben bei Rdnr. 1 und 76): Beuthien, Systemfragen des Handelsrechts – Gibt es Personengesellschaften?, in: Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935, 1999, S. 39; Binz, Haftungsverhältnisse im Gründungsstadium der GmbH & Co. KG, 1976; Binz, Haftungsverhältnisse bei werbender Tätigkeit der Vor-GmbH & Co. KG, GmbHR 1976, 29; Binz, Zur Handelndenhaftung im Gründungsstadium der GmbH & Co. KG, DB 1982, 1971; Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, 10. Aufl. 2005; Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch der GmbH & Co. KG, 19. Aufl. 2005; Huber, Haftungsprobleme der GmbH & Co. KG im Gründungsstadium, in: FS Hefermehl, 1976, S. 127; Hüffer, Gesellschafterhaftung und Geschäftsführerhaftung in der Vor-GmbH & Co. KG, JuS 1980, 485; Kuhn, Zur werdenden GmbH & Co. KG, in: FS Hefermehl, 1976, S. 159; Schaffner, Die Vorgesellschaft als Gesellschaft sui generis, 2003; Karsten Schmidt, Haftungsverhältnisse bei werbender Tätigkeit in den Gründungsstadien der GmbH & Co., NJW 1975, 665; Karsten Schmidt, Die Vor-GmbH als Unternehmerin und als Komplementärin, NJW 1981, 1345. 1 So aber bei der Einpersonengründung John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 55; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 151; Ulmer, Rdnr. 95; Kleberger, S. 193. 2 A.M. Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 78; vgl. auch noch Ulmer, Rdnr. 95. 3 Ulmer, Rdnr. 95. 4 Ebenso John, Die Gründung der Einmann-GmbH, S. 14; Fleck, GmbHR 1983, 17.

Karsten Schmidt

|

705

160

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

1. Grundlagen 161

a) Auch bei der GmbH & Co. KG treten Vorgesellschaftsprobleme auf. Hier ist die Schwierigkeit eine mehrfache, weil zwei Gesellschaften zu gründen und einzutragen sind: die GmbH und die Kommanditgesellschaft. Die Nichteintragung hat bei beiden Gesellschaften eine sehr unterschiedliche Bedeutung. Eine noch nicht im Handelsregister eingetragene Komplementär-GmbH ist eine VorGmbH (Rdnr. 21 ff.), ggf. auch eine Einpersonen-Vorgesellschaft (Rdnr. 144 ff.). Eine noch nicht im Handelsregister eingetragene KG ist in den Fällen der §§ 2, 3, 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB nur eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, im Fall des § 1 Abs. 2 HGB dagegen bereits eine Handelsgesellschaft (vgl. auch §§ 123, 162 Abs. 2 HGB). Von einer Vorgesellschaft i.S.v. Rdnr. 21 ff. ist hier allerdings nicht zu sprechen1. Die Personengesellschaft ist, sei es bereits als KG (§§ 1, 123 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB), sei es als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 123 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB) „fertige“ Personengesellschaft, nicht Vorgesellschaft. Anders sieht es neuerdings der Gesetzgeber in Österreich. § 123 UGB (Unternehmensgesetzbuch) von 2005 lautet: „(1) Die offene Gesellschaft entsteht mit der Eintragung in das Firmenbuch. (2) Handeln Gesellschafter oder zur Vertretung der Gesellschaft bestellte Personen nach Errichtung, aber vor Entstehung der Gesellschaft in deren Namen, so werden alle Gesellschafter daraus berechtigt und verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn ein handelnder Gesellschafter nicht, nicht allein oder nur beschränkt vertretungsbefugt ist, der Dritte den Mangel der Vertretungsmacht aber weder kannte noch kennen musste. Die Gesellschaft tritt mit Eintragung in das Firmenbuch in die Rechtsverhältnisse ein.“

162

b) Mit dem Urteil BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373 = GmbHR 1981, 114 hat der Bundesgerichtshof anerkannt, dass die Vor-GmbH bereits komplementärfähig ist2. Einwände und Komplikationen, wie sie zuvor vorgetragen worden waren3, haben sich damit erledigt. Entgegen der früher vorherrschenden Auffassung4 kann die Kommanditgesellschaft vor der GmbH in das Handelsregister eingetragen werden5. Die Komplementär-GmbH muss hierfür nur errichtet sein, braucht aber noch nicht eingetragen zu sein. Als Komplementärin ist dann die GmbH in Gründung einzutragen. Diese Eintragung braucht nur be1 So auch Beuthien, in: FS Zivilrechtslehrer, S. 39 ff.; eine kaum weiterführende Diskussion um die „Vor-Partnerschaft“ findet sich bei Schaffner, S. 165 ff. 2 So schon vor dem Urteil des BGH Binz, Haftungsverhältnisse, S. 145 ff., 213; Huber, in: FS Hefermehl, S. 147 ff.; Hachenburg/Ulmer, 7. Aufl., Rdnr. 102; Hüffer, JuS 1980, 487; seit dem Urteil z.B. Binz/Sorg, GmbH & Co., § 3 Rdnr. 49; Lüke, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, § 4 Rdnr. 71; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 167; Ulmer, Rdnr. 160; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1347. 3 Vgl. Kuhn, in: FS Hefermehl, S. 169 f.; Karsten Schmidt, NJW 1975, 665 ff. 4 BayObLG, GmbHR 1967, 9, 10; BayObLG, GmbHR 1969, 22, 23; OLG Hamm, DB 1976, 1859 = GmbHR 1976, 241. 5 BGH, NJW 1985, 736, 737 = BB 1985, 880, 881 m. Anm. Wessel; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 170; Ulmer, Rdnr. 163; Fleck, GmbHR 1983, 16; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1347.

706

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

richtigt zu werden, wenn die Komplementär-GmbH durch ihre Eintragung zur juristischen Person wird. All diese Ausführungen gelten auch für die Einpersonen-GmbH, da die Einpersonen-Vorgesellschaft wie eine Mehrpersonen-Vorgesellschaft Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann (vgl. Rdnr. 147). Da die bisher h.M. Zweck und organschaftliche Vertretungsmacht bei der Vor-GmbH auf die gründungsnotwendigen Geschäfte begrenzt sieht (Rdnr. 63), nimmt sie mit BGHZ 80, 129, 139 = NJW 1981, 1373, 1375 an, dass die Komplementärtätigkeit der GmbH vor der Eintragung nicht ohne entsprechende Ermächtigung seitens der Gesellschafter möglich ist1. Dem ist aus den bei Rdnr. 26 f., 63 f. geschilderten Gründen nicht zu folgen. Die Beteiligung der GmbH als Komplementärin einer KG ist zwar eine strukturelle, der Zustimmung der Gesellschafter und ggf. der Beschlussfassung über den Unternehmensgegenstand vorbehaltene Maßnahme. Die Geschäftsführertätigkeit ist aber hiervon zu unterscheiden. Ob die Geschäftsführer der GmbH vor deren Eintragung schon Komplementäraufgaben wahrnehmen dürfen, ist eine Frage des Innenverhältnisses und hängt von der Lage des Einzelfalls, ggf. von der Zustimmung der Gesellschafter ab (Rdnr. 50); betreibt die KG als Personengesellschaft bereits das Gesellschaftsunternehmen, handelt es sich z.B. um die „Umwandlung“ einer KG in eine GmbH & Co. KG (Rdnr. 167), so bedarf es einer besonderen Zustimmung i.d.R. nicht. Aber diese Differenzierungen betreffen nicht die Vertretungsmacht, sondern nur die Geschäftsführungsbefugnisse der GmbH-Geschäftsführer. Nach außen können sie bereits wirksam handeln. c) Von der Vor-GmbH ist auch hier die sog. Vorgründungsgesellschaft zu unterscheiden (Rdnr. 6 ff.). Diese Gesellschaft – hier jetzt zur Klarstellung als bloßer Gründungsvorvertrag bezeichnet (Rdnr. 9) – ist als bloßer Vorvertrag und als bloße Innengesellschaft keine taugliche Komplementärin. Schließen die Gründer schon vor der Errichtung der GmbH einen KG-Vertrag und werden sie für die noch nicht eingetragene „Kommanditgesellschaft“ tätig, so wird es sich regelmäßig um eine oHG bzw. Gesellschaft bürgerlichen Rechts handeln (was sich nach § 1 Abs. 2 HGB entscheidet) und jedenfalls nicht um eine KG, weil es am Komplementär fehlt; die Gesellschafter haften unbeschränkt, soweit nicht ein anderes mit dem Gläubiger vereinbart ist2. Ist an der Gründung nur ein Kommanditist beteiligt, so kann er in diesem Stadium nur als Einzelperson handeln (eine Gesellschaft, die durch Eintragung KG werden könnte, gibt es noch nicht). Treten mehrere Gründer bereits vor der Errichtung der GmbH und vor der Gründung der KG im Rechtsverkehr gemeinsam auf, so gelten die bei Rdnr. 17 ff. dargestellten Grundsätze sinngemäß: Es haften im Zweifel die Gründer gesamtschuldnerisch (§ 427 BGB), oder es haftet der für sie vollmachtlos Handelnde nach § 179 BGB, doch kann die Haftung durch Vereinbarung mit dem Gläubiger oder durch Information über die Vertretungsverhältnisse beschränkt bzw. ausgeschlossen werden3.

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 172 f.; Lüke, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, § 4 Rdnr. 76. 2 Vgl. Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, § 176 Rdnr. 51. 3 BGH, DStR 1996, 1015 m. Anm. Goette.

Karsten Schmidt

|

707

163

§ 11 164

Rechtszustand vor der Eintragung

d) Die Haftungsverhältnisse bei der nicht eingetragenen GmbH & Co. KG lassen sich danach ordnen, ob es nur an der Eintragung der KG oder nur an der Eintragung der GmbH oder an der Eintragung beider Gesellschaften fehlt.

2. Situation A: Die GmbH ist eingetragen, aber noch nicht die KG 165

a) In diesem Fall ist die Personengesellschaft ihrem Rechtsstatus nach entweder Kommanditgesellschaft (Fall des § 1 HGB) oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Fälle der §§ 2, 3, 105 Abs. 2 HGB; vgl. Rdnr. 161). Sie ist nicht bloß Vorgesellschaft (vgl. demgegenüber zu § 123 des österreichischen UGB Rdnr. 161). Die GmbH ist persönlich haftende Gesellschafterin. Für die Geschäftsführungs- und Vertretungsverhältnisse gilt in jedem Fall bereits das Recht der KG, dies also auch, wenn vorläufig noch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorliegt1.

166

b) Die Haftungsverhältnisse folgen dem Recht der Kommanditgesellschaft, sofern nach §§ 1, 123, 161 HGB trotz fehlender Eintragung bereits eine KG vorliegt. Eine unbeschränkte Kommanditistenhaftung kann gem. § 176 Abs. 1 HGB eintreten2. Aber die Haftung kann vermieden werden, indem die Haftungsverhältnisse durch Verwendung der GmbH & Co. KG-Firma offen gelegt werden3. Erfüllt die Personengesellschaft nicht die Merkmale des § 1 Abs. 2 HGB, so liegt keine Kommanditgesellschaft vor, sondern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Rdnr. 161, 165). Die Rechtsprechung gestattete aber herkömmlich auch hier eine Haftungsbeschränkung zu Gunsten der „Kommanditisten“ durch offen gelegte Beschränkung der „Komplementär“-Vertretungsmacht4, so dass nach ihr ein Auftreten als „GmbH & Co. KG in Gründung“ ausreichen konnte, um die Haftung zu beschränken5. Inzwischen hat der BGH zur Haftungsbeschränkung bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts allerdings ausgesprochen (BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483 = GmbHR 1999, 1134 = ZIP 1999, 1755 m. Anm. Altmeppen): „Für die im Namen einer Gesellschaft bürger-

1 Vgl. zu den Einzelheiten Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, § 176 Rdnr. 55. 2 Die Vorschrift gilt auch für die GmbH & Co. KG; vgl. BGH, NJW 1980, 54 = GmbHR 1979, 223; BGH, BB 1983, 1118 = NJW 1983, 2258 m. Anm. Karsten Schmidt; eingehend Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, § 176 Rdnr. 49 f.; a.M. Priester, BB 1980, 913 f. 3 So für Fälle seit 1981 BGH, BB 1983, 1118 = NJW 1983, 2258 m. Anm. Karsten Schmidt; dieselbe Rechtslage galt auch für ältere Fälle; vgl. LG Ravensburg, ZIP 1984, 1232; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 65; Ulmer, § 11 Rdnr. 171; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, § 176 Rdnr. 50 m.w.N.; eingehend Binz/Sorg, GmbH & Co., § 5 Rdnr. 36 ff.; Lüke, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, § 4 Rdnr. 87; a.M. BGH, NJW 1980, 54 = GmbHR 1979, 223; Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 16 IV 5; Crezelius, BB 1983, 12. 4 BGHZ 72, 267; BGHZ 74, 240 m. Anm. Hommelhoff, JR 1979, 505 und Ulmer, JZ 1980, 354; BGH, NJW 1981, 1213; NJW 1985, 619 = ZIP 1985, 98 = JuS 1985, 643 m. Anm. Karsten Schmidt; eingehend Ulmer, in: FS Rob. Fischer, 1979, S. 785 ff.; krit. Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 16 IV. 5 Vgl. Binz, Haftungsverhältnisse, S. 31 ff.; Binz/Sorg, GmbH & Co., § 5 Rdnr. 16 ff., § 3 Rdnr. 81; Lüke, in; Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, § 4 Rdnr. 94; Hachenburg/ Ulmer, Rdnr. 144; Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, § 176 Rdnr. 50.

708

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

lichen Rechts begründeten Verpflichtungen haften die Gesellschafter kraft Gesetzes auch persönlich. Diese Haftung kann nicht durch einen Namenszusatz oder einen anderen, den Willen, nur beschränkt für diese Verpflichtungen einzustehen, verdeutlichenden Hinweis beschränkt werden, sondern nur durch eine individualvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden.“ Dies gilt allerdings nicht im Bereich des § 176 HGB, womit entgegen früherer Sichtweise aus einer als überzogen geltenden Haftungsnorm1 eine Haftungsprivilegierung geworden ist2. Da dieses Privileg nicht nur auf Gesellschaften passt, die unter § 1 HGB fallen3, wirkt dieses Privileg flächendeckend: Die nicht eingetragene GmbH & Co. KG wirkt bereits haftungsbeschränkend, wenn Geschäftsbriefe gem. § 125a HGB mit Angaben über die GmbH und ihre Geschäftsführer verwendet werden4.

3. Situation B: Die KG ist eingetragen, aber noch nicht die GmbH a) Auf Grund der bei Rdnr. 162 geschilderten Rechtsprechung kann die KG vor der GmbH eingetragen werden. Es liegt dann eine fertige Kommanditgesellschaft vor mit der einzigen Besonderheit, dass die Komplementärin noch eine Vor-GmbH ist. Diese Situation kann nicht nur bei der Neugründung einer GmbH & Co. KG entstehen, sondern auch bei der „Umwandlung“ einer regulären KG (oder sogar oHG) in eine GmbH & Co. KG. Bei dieser tritt der bisherige Komplementär (oder es treten die bisherigen oHG-Gesellschafter) in die Kommanditistenstellung zurück, und es wird eine GmbH als neue Komplementärin aufgenommen5. Dies kann gemäß Rdnr. 162 auch eine noch nicht als GmbH im Teil B des Handelsregisters eingetragene GmbH, also eine Vorgesellschaft, sein.

167

b) Die Haftungsverhältnisse ergeben sich aus dem Recht der KG und der VorGmbH. Die Kommanditisten haften nur nach Maßgabe der §§ 171 ff. HGB. Als Komplementärin haftet die Vor-GmbH. Die im Namen der KG für die VorGmbH als Komplementärin Handelnden – also die Geschäftsführer der Komplementär-Vor-GmbH – haften nach § 11 Abs. 26. Ob daneben sämtliche Gesellschafter der Vor-GmbH haften, bestimmt sich nach deren umstrittenem Haftungsstatus (dazu Rdnr. 77 ff.). Das Binnenhaftungskonzept des BGH führt dazu,

168

1 Vgl. BGHZ 78, 114, 117 = NJW 1981, 175. 2 Vgl. zum Funktionswandel des § 176 HGB Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, § 176 Rdnr. 3; Karsten Schmidt, GmbHR 2002, 341 ff.; Dauner-Lieb, in: FS Lutter, 2000, S. 835. 3 Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, § 176 Rdnr. 7; vgl. auch Karsten Schmidt, GmbHR 2002, 341 ff.; in gleicher Richtung schon Dauner-Lieb, in: FS Lutter, 2000, S. 849; Wagner, NJW 2001, 1112; zust. Ulmer, Rdnr. 94; sehr str. 4 Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, § 176 Rdnr. 50 i.V.m. Rdnr. 7. 5 Dazu vgl. eingehend Lüke, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, § 4 Rdnrn. 94 ff. 6 Für unmittelbare Anwendung Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 16 IV; Huber, in: FS Hefermehl, S. 144, 156; Karsten Schmidt, NJW 1981, 1346 f. (gegen den früher vertretenen Standpunkt); für analoge Anwendung BGHZ 80, 129, 133 = NJW 1981, 1373, 1374 = GmbHR 1981, 114; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Ulmer, Rdnr. 167; gegen die Haftung Lüke, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, § 4 Rdnr. 82 ff.

Karsten Schmidt

|

709

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

dass der Gläubiger einen Titel gegen die sonst haftungsrechtlich minder interessante GmbH erwirken muss, um im Wege der Pfändung die Gesellschafter-Binnenhaftung zu realisieren (zur Kritik vgl. Rdnr. 82). Nach der hier vertretenen Auffassung haften die GmbH-Gründer unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für alle Verbindlichkeiten der schon unternehmerisch tätigen Vor-GmbH, und damit wegen § 128 HGB auch der Kommanditgesellschaft1. Das unternehmerische Handeln im Namen der KG wird auch hier der Komplementärin zugerechnet, die Vor-GmbH wie eine unternehmenstragende Vorgesellschaft behandelt. Diese Außenhaftung endet ebenso wie die Handelndenhaftung2, wenn die Komplementär-GmbH in das Handelsregister eingetragen wird (vgl. Rdnr. 138). Die Außenhaftung der GmbH-Gesellschafter wird dann durch eine VorbelastungsInnenhaftung abgelöst (Rdnr. 138). Schulden der KG können nämlich eine Unterbilanz der für diese Verbindlichkeiten haftenden Komplementär-GmbH herbeiführen. In diesem Fall greift die bei Rdnr. 124 ff. dargestellte Vorbelastungsoder Unterbilanzhaftung der Gründer ein3. Die Leitentscheidung zur Differenzhaftung betraf gerade eine Vor-GmbH & Co. KG (BGHZ 80, 129 = NJW 1981, 1373). Wegen des umstrittenen Umfangs der Vorbelastungshaftung ist auf Rdnr. 128 ff. zu verweisen. Soweit die Vorbelastung auf Verbindlichkeiten der KG beruht, ist die Vorbelastungshaftung durch Leistung an die KG – im Insolvenzfall also: in die Masse des KG-Insolvenzverfahrens – zu begleichen4.

4. Situation C: Beide Gesellschaften sind noch nicht eingetragen 169

a) Da bereits die Vor-GmbH Komplementärin sein kann (Rdnr. 162), kann auch in diesem Fall bereits eine Kommanditgesellschaft bestehen (§§ 1, 123, 161 HGB). Handelt es sich um eine unter § 2 oder § 3 oder § 105 Abs. 2 HGB fallende Gesellschaft, so ist diese allerdings auch hier wieder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Rdnr. 161, 166). Im Fall des § 1 Abs. 2 HGB ist die Gesellschaft bereits KG. Bloße Vorgesellschaft ist sie als Personengesellschaft in keinem Fall (vgl. dagegen zur Neufassung des § 123 UGB in Österreich Rdnr. 161).

170

b) Die Haftung der Kommanditisten ergibt sich im Fall eines unter § 1 Abs. 2 HGB fallenden vollkaufmännischen Gewerbes aus §§ 171 ff. HGB; eine unbeschränkte Haftung gemäß § 176 HGB kann durch den Gebrauch einer GmbH & Co. KG-Firma abgewendet werden (Rdnr. 166). Auch für die Haftung im Fall einer unter § 2 oder § 3 oder § 105 Abs. 2 HGB fallenden Gesellschaft gilt das bei Rdnr. 165, 166 Gesagte sinngemäß.

171

c) Für die Haftung der GmbH-Gründer und der für die Komplementär-GmbH Handelnden gelten die Ausführungen bei Rdnr. 168. 1 Karsten Schmidt, in: MünchKomm. HGB, § 176 Rdnr. 52; zust. Gummert, in: MünchHdb. III, § 16 Rdnr. 120. 2 Zu dieser vgl. bei der GmbH & Co. KG BGHZ 69, 95, 102 ff. = NJW 1977, 1683, 1685 = GmbHR 1977, 246; BGHZ 70, 132, 138 ff. = NJW 1978, 636, 637 f. = GmbHR 1978, 152; BGHZ 76, 320, 323 = NJW 1980, 1630, 1631 = GmbHR 1980, 202. 3 Lüke, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, § 4 Rdnr. 74; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 175; Ulmer, Rdnr. 169. 4 Vgl. Karsten Schmidt, ZHR 156 (1992), 118 f.

710

|

Karsten Schmidt

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

XII. Steuerrecht Schrifttum: Blümich, EStG/KStG, Loseblatt; Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl. 2005; Crezelius, Die werdende Kapitalgesellschaft im Körperschaftsteuerrecht, in: FS Wassermeyer, 2005, S. 15; Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, Loseblatt; Erle/Sauter, KStG, 2003; Ernst & Young, KStG, Loseblatt; Frotscher/Maas, KStG, Loseblatt; Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl. 2002; Gosch, KStG, 2005; Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl. 2005; Schmidt, EStG, 25. Aufl. 2006; Streck, KStG, 6. Aufl. 2003; Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt.

172

1. Grundlagen Für die werdende GmbH ergibt sich die steuerrechtliche Problematik aus dem dualistischen Konzept der Unternehmensbesteuerung. Nach derzeitiger Rechtslage wird danach differenziert, ob es um eine natürliche Person als Steuersubjekt geht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder ob ein Körperschaftsteuersubjekt gegeben ist (§ 1 Abs. 1 KStG). Auch wenn an einem personenrechtlichen Zusammenschluss Kapitalgesellschaften beteiligt sind, ist wegen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Einkommensteuerrecht anwendbar, wenn das Gebilde als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren ist. An die Frage, ob die werdende GmbH dem EStG oder dem KStG unterliegt, knüpfen sich zahlreiche Konsequenzen1: Geht es um Gewinne in der Phase der werdenden GmbH, dann ist zu entscheiden, ob es zu einer Gewinnzurechnung auf den einzelnen Gesellschafter entsprechend dem Konzept des § 15 EStG kommt oder ob allein die Körperschaft Zurechnungssubjekt ist. Ist die Körperschaftsqualität nach § 1 Abs. 1 KStG zu bejahen, dann ist der Anteilseigner nur bei ausgeschütteten Gewinnen berührt, und zwar nach den Grundsätzen des Halbeinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 Satz 1 EStG. Ist der Anteilseigner (wiederum) Körperschaft, dann kommt es insoweit zur Anwendung des § 8b KStG, und zwar mit der Folge, dass von den ausgeschütteten Gewinnen im Ergebnis 95% außer Ansatz bleiben (§ 8b Abs. 1 Satz 1, 5 Satz 1 KStG). Ergeben sich bei der werdenden GmbH Verluste, dann führt das Regime des EStG zur unmittelbaren Verlustzurechnung beim Gesellschafter, demgegenüber bei Anwendung des KStG die Verluste der Gesellschaft allein Verluste auf Körperschaftsebene darstellen. Bei realisierten Verlusten mit der Beteiligung kommt es bei natürlichen Personen als Gesellschafter zur Anwendung des Halbabzugsverfahrens des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG, bei einer Körperschaft als Beteiligter dazu, dass der Verlust unberücksichtigt bleibt (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG). Weitere Probleme der steuerrechtlichen Qualifikation der werdenden GmbH sind u.a. folgende Fragen: Ist der Gewinn der werdenden Kapitalgesellschaft vor Eintragung in das Handelsregister nach den Grundsätzen der verdeckten Gewinnausschüttung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (§ 29 Rdnr. 122 ff.) zu ermitteln? Kann die Gründungsgesellschaft Subjekt einer steuerrechtlichen Organschaft sein? Kommt es dann, wenn die Handelsregistereintragung scheitert, zur Liquidation des bisherigen Gebildes nach den Grundsätzen des § 11 KStG?

1 Vgl. BFH, BStBl. II 1990, 91 = GmbHR 1990, 235.

Crezelius

|

711

173

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

2. Ertragsteuern 174

a) In Anlehnung an die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben bestimmt § 1 Abs. 1 KStG die der Körperschaftsteuer unterliegenden Steuersubjekte abschließend. Die danach gegebene Vorgreiflichkeit des Zivilrechts hat für die Steuersubjektqualität einer Körperschaft zur Folge, dass auch bei der Abgrenzung des EStG vom KStG zwischen der Vorgründungsgesellschaft einerseits und der Vorgesellschaft andererseits zu unterscheiden ist1. Aufgrund dessen ist die Vorgründungsgesellschaft, das Gebilde vor Errichtung der GmbH, als Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft zu beurteilen, wenn denn eine gewerbliche Tätigkeit nach § 15 Abs. 2 EStG ausgeübt wird2. Die Behandlung der Vorgründungsgesellschaft als Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft ist zutreffend, und zwar nicht nur deswegen, weil § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 1 Abs. 1 KStG an das Zivilrecht anknüpfen. Auch steuerrechtlich ist dies gerechtfertigt, denn wenn im Rahmen der Phase vor der Gründung der GmbH Personengesellschaftsrecht Anwendung findet, dann sind die einkommensteuerrechtlichen Elemente der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos gegeben, die den Mitunternehmerbegriff prägen3. Unter Hinweis auf eine ältere Entscheidung des BFH4 wird vertreten, dass auch die Vorgründungsgesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG körperschaftsteuerpflichtig sein könne, wenn sie wegen der großen Zahl der Beteiligten körperschaftlich strukturiert sei5. Dem ist nicht zu folgen, da die Rechtsprechung des BFH6 allen Tendenzen eine Absage erteilt hat, wonach Publikumsgesellschaften als nichtrechtsfähige Vereine und damit als körperschaftsteuerpflichtige Gebilde qualifiziert werden sollen. Das Steuerrecht zieht keine Folgerungen aus dem im Zivilrecht entwickelten Sonderrecht für Publikumsgesellschaften.

175

b) Ist der Gründungsakt der GmbH vollzogen, liegt also zivilrechtlich eine Vorgesellschaft vor, dann liegt es unbestrittenermaßen so, dass ein Körperschaftsteuersubjekt gegeben ist, wenn die Eintragung in das Handelsregister nachfolgt und die Vorgesellschaft nach außen in Erscheinung tritt7. Eine Mindermeinung, die den Katalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nicht erweitern möchte, weil die Vorgesellschaft keine fertige juristische Person sei8, hat sich angesichts der zivilrechtlichen Qualifizierung der Vorgesellschaft nicht durchgesetzt. Gleichwohl

1 BFH, BStBl. II 1990, 91, 92 = GmbHR 1990, 235; BFH, BStBl. II 1990, 468, 469 = GmbHR 1990, 314; Lambrecht, in: Gosch, KStG, § 1 Rdnr. 32 ff. 2 BFH, BStBl. II 1990, 91; Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 1 KStG a.F. Rdnr. 106; Kalbfleisch, in: Ernst & Young, KStG, § 1 Rdnr. 122; Lambrecht, in: Gosch, KStG, § 1 Rdnr. 34. 3 Statt aller Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15 Rdnr. 262 ff. 4 BStBl. III 1952, 172. 5 Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 1 KStG a.F. Rdnr. 106; Lambrecht, in: Gosch, KStG, § 1 Rdnr. 34. 6 GrS, BStBl. II 1984, 751 = GmbHR 1984, 355. 7 BFH, BStBl. II 1973, 568; BFH, BStBl. II 1983, 247 = GmbHR 1983, 129; BFH, BStBl. II 1990, 91 = GmbHR 1990, 235; BFH, BStBl. II 1993, 352 = GmbHR 1993, 171; Erle/ Sauter, KStG, § 1 Rdnr. 79; Kalbfleisch, in: Ernst & Young, KStG, § 1 Rdnr. 123 ff.; Lambrecht, in: Gosch, KStG, § 1 Rdnr. 35; Streck, KStG, § 1 Anm. 8. 8 Z.B. Schuhmann, GmbHR 1981, 196.

712

|

Crezelius

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

sollte beachtet werden, dass die Vorgesellschaft ohne weiteres als steuerrechtliche Körperschaft qualifiziert werden soll, demgegenüber bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft differenziertere Kriterien angelegt werden1. Im Ergebnis ist § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anwendbar, denn wenn sich die Vorgesellschaft von der fertigen GmbH im Wesentlichen dadurch unterscheidet, dass die Eintragung in das Handelsregister fehlt, dann besteht kein Grund, sie nicht wie eine fertige GmbH zu behandeln, wenn sie denn nach außen in Erscheinung tritt. Auch steuerrechtlich wird die Vorgesellschaft nur dann von vornherein nach KStG behandelt, wenn die Eintragung als konstituierendes Merkmal der Rechtsfähigkeit tatsächlich nachfolgt. Infolgedessen macht (auch) steuerrechtlich die gescheiterte/unechte Vorgesellschaft Schwierigkeiten. Während einerseits die Körperschaftsteuerpflicht in dieser Variante generell verneint wird2, wird andererseits danach unterschieden, ob die Gründung ernsthaft beabsichtigt war oder nicht3. Im Einzelnen sollte wie folgt differenziert werden:

176

Hatten die Gesellschafter der werdenden GmbH von Anfang an nicht die Absicht, die Eintragung ernsthaft zu betreiben4, dann handelt es sich nicht um eine im Entstehen begriffene juristische Person, die es rechtfertigt, die Regelungen des KStG anzuwenden. Auf ein derartiges Gebilde sind die Steuernormen anzuwenden, die für die Gesellschaftsform gelten, die tatsächlich betrieben wird, also Personengesellschaftsrecht5. Allerdings dürfte es praktisch schwer nachzuweisen sein, dass die Gesellschafter tatsächlich eine Scheingründung beabsichtigt haben.

177

Scheitert die Eintragung der ernsthaft gegründeten Vorgesellschaft, dann kommt es darauf an, ob von Anfang an ein personengesellschaftsrechtliches Gebilde mit Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG existiert hat oder ob die Regeln der Liquidation, insbesondere des § 11 KStG, anzuwenden sind, so dass vorher zwangsläufig Körperschaftsteuerrecht gilt. Es geht darum, ob das gleiche Regelungssystem wie bei der Vorgründungsgesellschaft auch bei der gescheiterten Vorgesellschaft gelten soll, obwohl die Gesellschafter hier die Kapitalgesellschaft ordnungsgemäß und wirksam gegründet haben. Die Vorgesellschaft hat wirksam existiert, so dass sich der rückwirkend eintretende Charakter der Gesellschaft als steuerrechtliche Mitunternehmerschaft nicht ohne weiteres begründen lässt. Für die rückwirkende Besteuerung als Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft spricht der eher praktische Gesichtspunkt, dass die Beendigung der Eintragungsabsicht als innere Tatsache schwer feststellbar ist6. Steuerrechtlich könnte auch die Auffassung des BGH durchschlagen, dass bei der gescheiterten Vorgesellschaft die Gründer für sämtliche Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft von Anfang an nach personengesellschaftsrechtlichen 1 Vgl. RFH, RStBl. 1930, 444; Erle/Sauter, KStG, § 1 Rdnr. 63 ff. 2 Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 1 KStG a.F. Rdnr. 110; Kalbfleisch, in: Ernst & Young, KStG, § 1 Rdnr. 125; Lambrecht, in: Gosch, KStG, § 1 Rdnr. 35. 3 Blümich/Rengers, KStG, § 1 Rdnr. 183. 4 Vgl. FG Brandenburg, ZIP 2004, 169. 5 FG Brandenburg, ZIP 2004, 169. 6 Lambrecht, in: Gosch, KStG, § 1 Rdnr. 35.

Crezelius

|

713

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Grundsätzen einzustehen haben1. Letztlich ist dies nicht überzeugend. Liegt eine wirksame Vorgesellschaft vor, dann kommt es im Zeitpunkt der nachfolgenden Eintragung zur Rechtsidentität zwischen Vorgesellschaft und fertiger GmbH. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass im Falle des Scheiterns der Gründung zwischen der (gegründeten) Vorgesellschaft und der durch die Gründer fortgesetzten (Personen-)Gesellschaft keine Rechtsidentität bestehen kann2. Nach allem sollte die wirksam gegründete Vorgesellschaft bis zum Zeitpunkt des Scheiterns als Kapitalgesellschaft behandelt werden. Ab diesem Zeitpunkt ist eine Liquidationsbesteuerung vorzunehmen, und in Zukunft gilt das Recht der Mitunternehmerbesteuerung. Die Gründung ist gescheitert, wenn sich aus dem objektiven Sachverhalt ergibt, dass mit der Gründung nicht mehr ernsthaft gerechnet werden kann und die Gründungsgesellschafter diese Umstände kennen; in diesem Zeitpunkt ist die Körperschaftsteuerpflicht beendet. 178

c) Für die in der Praxis der Körperschaftsbesteuerung bedeutsame verdeckte Gewinnausschüttung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (§ 29 Rdnr. 122 ff.), die dazu führen soll, dass der „richtige Gewinn“ eines Körperschaftsteuersubjekts ermittelt wird, gilt Folgendes: Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung setzt nicht voraus, dass die GmbH nach den Maßstäben des Gesellschaftsrechts entstanden ist. Auch die Vorgesellschaft, die mit der später entstandenen Körperschaft identisch ist, fällt in den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG3. Auf die Vorgründungsgesellschaft sind die Regeln der verdeckten Gewinnausschüttung nicht anwendbar, weil sie als Mitunternehmerschaft eingeordnet wird4. Andererseits gelten die Regeln der verdeckten Gewinnausschüttung uneingeschränkt, wenn sich die Körperschaft in Liquidation befindet.

179

d) Die fertige GmbH hat nach § 8 Abs. 2 KStG zwingend gewerbliche Einkünfte, und im Gewerbesteuerrecht (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) hat die Kapitalgesellschaft einen einheitlichen Gewerbebetrieb, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Gesellschaft originär gewerbliche oder vermögensverwaltende Tätigkeiten ausübt. Der gewerbesteuerrechtliche Betrieb der Kapitalgesellschaft entsteht spätestens mit der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister. Tritt allerdings die Vorgesellschaft schon vor diesem Zeitpunkt nach außen auf, so bildet sie mit der später eingetragenen Gesellschaft einen einheitlichen Steuergegenstand5. Das gilt selbst dann, wenn es in der Phase der Vorgesellschaft zu einem Wechsel im Gesellschafterbestand kommt. Entsprechend dem Zweck der Gewerbesteuer muss es sich aber schon in der Vorgesellschaftsphase um ein (gewerbliches) Auftreten nach außen handeln, so dass die alleinige Verwaltung des Stammkapitals durch die Vorgesellschaft die Gewerbesteuerpflicht noch nicht auslöst6. Anders liegt es bei der Vorgründungsgesellschaft, die zivil-

1 2 3 4 5

BGHZ 152, 290 = GmbHR 2003, 97 m. Komm. Karsten Schmidt. Vgl. auch BFH, BStBl. II 2002, 210 = GmbHR 2002, 223. Gosch, KStG, § 8 Rdnr. 203. FG Niedersachsen, EFG 1997, 1048. BFH, BStBl. II 1977, 561 = GmbHR 1977, 162; BFH, BStBl. II 1973, 568; BFH, BStBl. II 1983, 247 = GmbHR 1983, 129; BFH, BStBl. II 1990, 91 = GmbHR 1990, 235; Glanegger/ Güroff, GewStG, § 2 Rdnr. 186. 6 BFH, BStBl. II 1990, 1073 = GmbHR 1991, 129.

714

|

Crezelius

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

rechtlich und steuerrechtlich mit der gegründeten Vorgesellschaft nicht identisch ist. Die Vorgründungsgesellschaft ist also entsprechend ihrer Rechtsform zu behandeln. Die danach regelmäßig gegebene BGB-Gesellschaft tritt (meistens) gewerbesteuerrechtlich mangels werbender Tätigkeit nicht in Erscheinung. Wird demgegenüber schon ein Gewerbebetrieb geführt, dann ist insoweit auch Gewerbesteuerpflicht gegeben. Nimmt man bei der gescheiterten Vorgesellschaft an, dass es zur Liquidationsbesteuerung kommt, dann unterliegt die Gesellschaft auch während der Liquidationsphase der Gewerbesteuer1. e) Wenn die Voraussetzungen der §§ 14 ff. KStG gegeben sind, kommt es körperschaftsteuerrechtlich und gewerbesteuerrechtlich (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) zu einer sog. Organschaft. Zwar kennt das deutsche Steuerrecht keine Konzernbesteuerung, doch besteht die Rechtsfolge der körperschaftsteuerrechtlichen und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft darin, dass das Einkommen einer als Organgesellschaft (Untergesellschaft) auftretenden Kapitalgesellschaft einem anderen Steuersubjekt, dem Organträger (Obergesellschaft), zugerechnet wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob das zugerechnete Einkommen positiv oder negativ ist, so dass es zu einem unmittelbaren Verlustausgleich innerhalb des Organkreises kommt. Seit 2002 ist für die Organschaft eine wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung nicht mehr erforderlich2. Die rechtssystematische Rechtfertigung der Organschaftsbesteuerung ist nicht ganz eindeutig3. Letztlich geht es darum, dass die Leistungsfähigkeit der Organgesellschaft auf Grund des Ergebnisabführungsvertrages (§ 14 Satz 1 Nr. 3 KStG) gemindert wird und im Gegenzug die des Organträgers gesteigert wird. Die dadurch eintretende Beeinflussung der Leistungsfähigkeit führt im Verlustfall dazu, dass der Organträger zum Verlustausgleich verpflichtet ist, sich also seine Leistungsfähigkeit dadurch mindert. Für die werdende GmbH ist zu entscheiden, ob sie Organträger und/oder Organgesellschaft sein kann.

180

Die gegründete GmbH (Vorgesellschaft) ist tauglicher Organträger nach § 14 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG, weil sie mit der später eingetragenen Kapitalgesellschaft identisch ist und als Körperschaftsteuersubjekt des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG angesehen wird. Dies gilt nicht für die Vorgründungsgesellschaft. Sie ist (steuerrechtlich) Personengesellschaft und kann insofern auch als Organträger fungieren. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG muss die Personengesellschaft als Organträger jedoch eine Tätigkeit nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausüben, es muss mithin eine originär gewerbliche Tätigkeit schon in der Vorgründungsphase gegeben sein.

181

Aus §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 17 KStG ergibt sich, dass die Organgesellschaft (Untergesellschaft) eine Kapitalgesellschaft sein muss. Daraus folgt zunächst, dass die Vorgründungsgesellschaft nicht taugliche Organgesellschaft sein kann4. Dies ergibt sich auch daraus, dass aus den von der Vorgründungsgesellschaft vorge-

182

1 2 3 4

BFH, BFH/NV 2001, 816. Vgl. Prinz, FR 2002, 66. Näher und m.w.N. Neumann, in: Gosch, KStG, § 14 Rdnr. 2 ff. Für viele Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rdnr. 194; Neumann, in: Gosch, KStG, § 14 Rdnr. 47.

Crezelius

|

715

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

nommenen Rechtsgeschäften lediglich diese bzw. die Gesellschafter verpflichtet sind, nicht jedoch die später gegründete Kapitalgesellschaft. Soll die Kapitalgesellschaft aus Rechtsgeschäften der Vorgründungsphase verpflichtet werden, dann bedarf es einer besonderen Vereinbarung1. Handelt es sich um eine Vorgesellschaft, dann ist diese bereits körperschaftsteuerpflichtig, also auch taugliche Organgesellschaft nach §§ 14 ff. KStG. Auch für die Organschaftsbesteuerung ist davon auszugehen, dass die Vorgesellschaft mit der eingetragenen GmbH identisch ist und mit ihr einen einheitlichen Steuergegenstand bildet. Ob die unechte/gescheiterte Vorgesellschaft taugliche Organgesellschaft sein kann, hängt wiederum davon ab, ob für sie von Anfang an die Regeln der Vorgründungsgesellschaft gelten (Rdnr. 176 f.). 183

Von der Frage, ob die werdende GmbH Organträger oder Organgesellschaft sein kann, ist die weitere Frage zu trennen, ob die werdende GmbH Vertragspartnerin des Ergebnisabführungsvertrages nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG sein kann. Die Vorgründungsgesellschaft ist als Personengesellschaft nicht tauglicher Partner eines Ergebnisabführungsvertrages. Für die Vorgesellschaft ist die Frage (steuerrechtlich) umstritten2. Wenn die Vorgesellschaft mit der ins Handelsregister eingetragenen GmbH rechtsidentisch ist, dann muss die Vorgesellschaft auch einen Ergebnisabführungsvertrag abschließen können. Dann tritt die aus der Vorgesellschaft hervorgehende GmbH in die von der Vorgesellschaft erworbene Rechtsposition ex lege ein. Daraus folgt auch, dass vor dem Hintergrund des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG keine Unterbrechung bzw. kein Neubeginn der Vertragsbeziehung anzunehmen ist.

3. Umsatzsteuer 184

Für die Umsatzbesteuerung geht es bei der werdenden GmbH darum, ob sie schon als umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG anzusehen ist, ob sie also steuerbare Tatbestände des § 1 UStG erfüllen kann und im Gegenzug dann auch vorsteuerabzugsberechtigt nach § 15 UStG ist. Hinsichtlich der Vorgesellschaft überträgt das Umsatzsteuerrecht die gesellschaftsrechtliche und ertragsteuerrechtliche Rechtslage in den Anwendungsbereich der §§ 2 Abs. 1, 15 UStG3. Die umsatzsteuerrechtliche Unternehmereigenschaft beginnt also mit der Existenz der Vorgesellschaft. Ab diesem Zeitpunkt kann die Vorgesellschaft umsatzsteuerbare Umsätze tätigen, und sie hat im Gegenzug auch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus Leistungsbezügen, die schon die Vorgesellschaft bezogen und in Rechnung gestellt bekommen hat. Kommt es nicht zur Eintragung der GmbH, dann steht der Vorgesellschaft der Vorsteuerabzug für die von ihr für das geplante Unternehmen bezogenen Leistungen nach den zum sog. erfolglosen Unternehmer entwickelten Rechtsgrundsätzen zu4.

1 BFH, BStBl. II 1990, 91, 92 = GmbHR 1990, 235. 2 Näher Frotscher/Maas, KStG, § 14 Rdnr. 177; Neumann, in: Gosch, KStG, § 14 Rdnr. 182. 3 Näher Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, § 2 Rdnr. 81 ff., § 15 Rdnr. 56 ff. 4 Ausführlich und m.w.N. Heidner, in: Bunjes/Geist, UStG, § 15 Rdnr. 56.

716

|

Crezelius

§ 11

Rechtszustand vor der Eintragung

Umstritten ist die Unternehmereigenschaft der Vorgründungsgesellschaft. Der BFH scheint sie annehmen zu wollen und will dabei an die beabsichtigten Umsätze der später entstandenen juristischen Person anknüpfen. Der BFH hat die Frage der Berechtigung der Vorgründungsgesellschaft zum Vorsteuerabzug und damit mittelbar die nach der Unternehmereigenschaft dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt1. Das scheint im Ergebnis zutreffend, weil es vor dem Hintergrund des umsatzsteuerrechtlichen Neutralitätsprinzips zu einem Ausfall von Vorsteuern käme, wenn der Vorgründungsgesellschaft der Vorsteuerabzug für Leistungen versagt würde, die der Vorbereitung des Unternehmens der zu gründenden Kapitalgesellschaft dienen2. Dabei geht der umsatzsteuerrechtliche Streit darum, dass die Vorgründungsgesellschaft keine wirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 4 der 6. EG-Richtlinie ausübe. Liegt es so, dass die Vorgründungsgesellschaft bereits unternehmerisch tätig wird, dann sollte an der Unternehmereigenschaft und der Vorsteuerabzugsberechtigung kein Zweifel bestehen.

185

4. Grunderwerbsteuer Grunderwerbsteuerrechtlich kommt es darauf an, ob die Übertragung von Grundvermögen in die Vorgründungsgesellschaft bzw. in die Vorgesellschaft und später ins Handelsregister eingetragene GmbH einen steuerbaren Tatbestand auslöst3. Die Übertragung eines Grundstücks in die (gesamthänderisch verfasste) Vorgründungsgesellschaft ist ein Fall des § 5 GrEStG, wobei dann aber bei einer eventuellen Übertragung auf die Vorgesellschaft/fertige GmbH § 5 Abs. 3 GrEStG zu beachten ist. Die Übertragung von Grundvermögen von einer Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft ist steuerbar. Das Grunderwerbsteuerrecht überträgt hier die zivilrechtliche Überlegung, dass es zum Übergang der Aktiva und Passiva der Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft der Einzelübertragung bedarf.

186

Bei Übereignung eines Grundstücks auf die Vorgesellschaft handelt es sich um einen steuerbaren Tatbestand; §§ 5, 6 GrEStG sind nicht anwendbar. Was das Verhältnis zwischen Vorgesellschaft und fertiger GmbH angeht, so kommt es mangels Rechtsträgerwechsels zu keiner Änderung des Rechts am Grundvermögen4. Scheitert die Eintragung der Kapitalgesellschaft und geht das Grundstück mit Auflösung der Vorgesellschaft auf den oder die Gründer zurück, dann liegt darin ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang5. In der zitierten BFH-Entscheidung ging es darum, dass eine Einpersonen-GmbH in Gründung von einem Dritten ein Grundstück erworben hatte, es dann nicht zur Eintragung gekommen war und im Zuge der Auflösung der gegründeten GmbH zu einem Rechtsträgerwechsel auf den Gründungsgesellschafter kam.

187

1 2 3 4 5

BFH, UR 2002, 265 = GmbHR 2002, 560. FG Kassel, DStRE 2000, 763. Ausführlich Pahlke/Franz, GrEStG, § 1 Rdnr. 16 ff. Vgl. BFH, BStBl. II 2002, 210 = GmbHR 2002, 223. BFH, BStBl. II 2002, 210 = GmbHR 2002, 223.

Crezelius

|

717

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

5. Erbschaft- und Schenkungsteuer 188

Wird der Anteil an einer werdenden GmbH (unter Lebenden) geschenkt oder wird die Beteiligung vererbt, dann kommt es darauf an, ob die werdende GmbH allein mit den sog. Steuerbilanzwerten nach § 12 Abs. 5 ErbStG, §§ 95 ff. BewG oder nach dem für kapitalgesellschaftsrechtliche Beteiligungen geltenden Stuttgarter Verfahren anzusetzen ist (§ 12 Abs. 2 Satz 1 ErbStG, § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Der Unterschied liegt in der Berücksichtigung von Ertragswertkomponenten allein beim Stuttgarter Verfahren. Weiterhin unterscheiden die erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigungen der §§ 13a, 19a ErbStG zwischen technischem Betriebsvermögen einerseits und einer privat gehaltenen kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung andererseits (§ 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vs. § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG).

189

Geht es um eine Vorgründungsgesellschaft, die zivilrechtlich als Personengesellschaft zu qualifizieren ist, dann findet eine Bewertung nach § 12 Abs. 5 ErbStG und eine Begünstigung nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG statt, sofern die Vorgründungsgesellschaft gewerblich tätig ist und somit über (technisches) Betriebsvermögen verfügt. Handelt es sich um eine Vorgesellschaft, dann folgt auch die erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Betrachtungsweise dem Zivilrecht, so dass ab der formwirksamen Gründung eine Bewertung nach § 12 Abs. 2 ErbStG und eine Privilegierung nach § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG in Betracht kommt. Wird die Vorgesellschaft später nicht eingetragen, dann kommt es (nochmals) (Rdnr. 176 f.) auf die Problematik an, ob die Vorgesellschaft bis zum Zeitpunkt des Scheiterns als Personen- oder Kapitalgesellschaft beurteilt wird. Wenn hier von Anfang an das Besteuerungsregime für Personengesellschaften Anwendung findet, dann muss es konsequenterweise zur Anwendung der §§ 12 Abs. 5, 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kommen. Spricht man sich für die Behandlung als Körperschaft/Kapitalgesellschaft bis zum Zeitpunkt des Scheiterns aus, dann sind bei zwischenzeitlichen steuerbaren Tatbeständen die §§ 12 Abs. 2, 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG anwendbar, doch kann dann die Beendigung der Vorgesellschaft zum Schädlichkeitstatbestand des § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG führen.

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft Bestimmt das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag, dass von der Gesellschaft etwas bekannt zu machen ist, so erfolgt die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger (Gesellschaftsblatt). Daneben kann der Gesellschaftsvertrag andere öffentliche Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen. Vorschrift eingeführt durch Justizkommunikationsgesetz vom 22. 3. 2005 (BGBl. I, 837), frühere Vorschrift zur Zweigniederlassung aufgehoben durch Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie vom 22. 7. 1993 (BGBl. I, 1282).

718

|

Veil

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

5. Erbschaft- und Schenkungsteuer 188

Wird der Anteil an einer werdenden GmbH (unter Lebenden) geschenkt oder wird die Beteiligung vererbt, dann kommt es darauf an, ob die werdende GmbH allein mit den sog. Steuerbilanzwerten nach § 12 Abs. 5 ErbStG, §§ 95 ff. BewG oder nach dem für kapitalgesellschaftsrechtliche Beteiligungen geltenden Stuttgarter Verfahren anzusetzen ist (§ 12 Abs. 2 Satz 1 ErbStG, § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Der Unterschied liegt in der Berücksichtigung von Ertragswertkomponenten allein beim Stuttgarter Verfahren. Weiterhin unterscheiden die erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigungen der §§ 13a, 19a ErbStG zwischen technischem Betriebsvermögen einerseits und einer privat gehaltenen kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung andererseits (§ 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vs. § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG).

189

Geht es um eine Vorgründungsgesellschaft, die zivilrechtlich als Personengesellschaft zu qualifizieren ist, dann findet eine Bewertung nach § 12 Abs. 5 ErbStG und eine Begünstigung nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG statt, sofern die Vorgründungsgesellschaft gewerblich tätig ist und somit über (technisches) Betriebsvermögen verfügt. Handelt es sich um eine Vorgesellschaft, dann folgt auch die erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Betrachtungsweise dem Zivilrecht, so dass ab der formwirksamen Gründung eine Bewertung nach § 12 Abs. 2 ErbStG und eine Privilegierung nach § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG in Betracht kommt. Wird die Vorgesellschaft später nicht eingetragen, dann kommt es (nochmals) (Rdnr. 176 f.) auf die Problematik an, ob die Vorgesellschaft bis zum Zeitpunkt des Scheiterns als Personen- oder Kapitalgesellschaft beurteilt wird. Wenn hier von Anfang an das Besteuerungsregime für Personengesellschaften Anwendung findet, dann muss es konsequenterweise zur Anwendung der §§ 12 Abs. 5, 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kommen. Spricht man sich für die Behandlung als Körperschaft/Kapitalgesellschaft bis zum Zeitpunkt des Scheiterns aus, dann sind bei zwischenzeitlichen steuerbaren Tatbeständen die §§ 12 Abs. 2, 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG anwendbar, doch kann dann die Beendigung der Vorgesellschaft zum Schädlichkeitstatbestand des § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG führen.

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft Bestimmt das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag, dass von der Gesellschaft etwas bekannt zu machen ist, so erfolgt die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger (Gesellschaftsblatt). Daneben kann der Gesellschaftsvertrag andere öffentliche Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen. Vorschrift eingeführt durch Justizkommunikationsgesetz vom 22. 3. 2005 (BGBl. I, 837), frühere Vorschrift zur Zweigniederlassung aufgehoben durch Gesetz zur Durchführung der Elften gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie vom 22. 7. 1993 (BGBl. I, 1282).

718

|

Veil

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

Inhaltsübersicht I. Allgemeines . . . . . . . . . .

1

II. Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger . . . .

5

III. Bekanntmachung in anderen Blättern und Informationsmedien . . . . . . . . . . . . . .

7

IV. Fehlerhafte Bekanntmachung . . 10 Schrifttum: Noack, Pflichtbekanntmachungen bei der GmbH. Neue Regeln durch das Justizkommunikationsgesetz, DB 2005, 599; Noack, Elektronische Publizität im Aktien- und Kapitalmarktrecht in Deutschland und Europa, AG 2003, 537; Stuppi, Bekanntmachungen der GmbH nach § 12 GmbHG, GmbHR 2006, 138.

I. Allgemeines Das Transparenz- und Publizitätsgesetz hat bereits 2002 für Unternehmensmitteilungen einer Aktiengesellschaft den elektronischen Bundesanzeiger eingeführt (§ 25 Satz 1 AktG)1. Er ist aufgrund des Justizkommunikationsgesetzes vom 22. 3. 2005 (BGBl. I, 837) mit Wirkung zum 1. 4. 2005 auch für die GmbH das Gesellschaftsblatt (§ 12 Satz 1). Die vom Gesetz oder vom Gesellschaftsvertrag geforderten Bekanntmachungen der Gesellschaft haben somit zwingend2 im elektronischen Bundesanzeiger zu erfolgen. Daneben kann der Gesellschaftsvertrag noch weitere Gesellschaftsblätter bestimmen (§ 12 Satz 2). In diesem Fall erfolgt die Bekanntmachung auch in dem bezeichneten öffentlichen Blatt oder elektronischen Informationsmedium.

1

Die Vorschrift dient der Vereinheitlichung der Bekanntmachungsvorschriften und deren sprachlichen Angleichung3; folglich ist in § 12 Satz 1 der Begriff des Gesellschaftsblatts festgelegt und in den betreffenden Vorschriften über eine Bekanntmachung der Gesellschaft (s. Rdnr. 5) verwandt. Dass die Publikation nunmehr im elektronischen Bundesanzeiger zu erfolgen hat, liegt im Interesse der Gläubiger4, welche sich ohne nennenswerte Kosten jederzeit informieren können.

2

Der elektronische Bundesanzeiger kann unter https://www.ebundesanzeiger.de abgerufen werden. Herausgeber ist das Bundesministerium der Justiz, Betreiberin die Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH mit Sitz in Köln. Der Zugriff auf den elektronischen Bundesanzeiger ist kostenfrei.

3

Die früher in § 12 geregelte Zweigniederlassung der GmbH ist seit 1993 in den §§ 13 ff. HGB vorzufinden. Auf eine Erläuterung dieser Vorschriften wird hier verzichtet. Statt dessen ist auf das einschlägige Schrifttum zum HGB zu verweisen5.

4

1 2 3 4 5

§ 25 Satz 1 AktG geht auf Art. 1 Nr. 1 TransPuG vom 19. 7. 2002, BGBl. I, 2681, zurück. Vgl. Begr. RegE JKomG, BT-Drucks. 15/4067, S. 56. Vgl. Begr. RegE JKomG, BT-Drucks. 15/4067, S. 56. Ulmer, Rdnr. 1. So bereits Ulmer im Großkomm. GmbHG. Alle anderen Kommentare zum GmbHG präsentieren noch eine kurze Erläuterung der §§ 13 ff. HGB.

Veil

|

719

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

II. Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger 5

Satz 1 der Vorschrift verfügt, dass Bekanntmachungen der Gesellschaft im elektronischen Bundesanzeiger erfolgen. Bekanntmachungen von Eintragungen im Handelsregister sind nicht gemeint1, sondern nur solche der Gesellschaft. Dies sind zum einen Bekanntmachungen, die kraft Gesetzes zu erfolgen haben (§ 30 Abs. 2; § 52 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 40 Nr. 4 AktG; § 52 Abs. 2 Satz 2; 58 Abs. 1 Nr. 1; 65 Abs. 2; 75 Abs. 2 i.V.m. § 246 Abs. 4 AktG; § 73 Abs. 12). Zum anderen sind all jene Bekanntmachungen erfasst, die gesellschaftsvertraglich gefordert sind. Dabei handelt es sich meist um Vorgänge, welche der Information der Gesellschafter dienen. In Betracht kommt beispielsweise, dass die Einberufung der Gesellschafterversammlung und die Mitteilung der Tagesordnung aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Bestimmung im Gesellschaftsblatt bekannt zu machen ist3.

6

Das Gesetz trifft keine Aussage zur Dauer des mindestens zu gewährenden Informationszugangs über den elektronischen Bundesanzeiger. Die Frage ist mit Blick auf den Vorgang zu beurteilen, der von der Gesellschaft bekannt zu machen ist. So ist im Falle der Bekanntmachung des Rückzahlungsbeschlusses nach § 30 Abs. 2 ein Abruf für die Dauer von mindestens drei Monaten zu gewährleisten4. Ist eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erhoben, so ist die Veröffentlichung so lange aufrecht zu erhalten, wie eine Nebenintervention durch einen Gesellschafter möglich ist5.

III. Bekanntmachung in anderen Blättern und Informationsmedien 7

§ 12 Satz 2 stellt klar, dass der Gesellschaftsvertrag wie schon bisher andere öffentliche Blätter (beispielsweise regionale oder überregionale Tageszeitungen) oder elektronische Informationsmedien (beispielsweise Website der Gesellschaft) als Gesellschaftsblätter festlegen kann. Eine solche Bekanntmachung vermag die Bekanntmachung im Bundesanzeiger nicht zu ersetzen. Sie kann vielmehr nur zusätzlich zur Veröffentlichung im Gesellschaftsblatt vorgesehen werden. Angesichts der mit ihr verbundenen Kosten dürfte sie in der Regel wenig sinnvoll sein6.

8

Zweifelhaft ist, wie Bestimmungen in (vor Inkrafttreten des § 12 geschlossenen) Gesellschaftsverträgen auszulegen sind, welche eine Bekanntmachung im Bundesanzeiger verlangen. In diesem Fall könnte zusätzlich eine Veröffentlichung in der gedruckten Ausgabe des Bundesanzeigers notwendig sein. Der Gesetzgeber meinte, bei einer solchen Klausel stehe in der Regel fest, dass allein die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger erfolgen müsse7. Dieser

1 2 3 4 5 6 7

Für diese gilt § 10 HGB. Vgl. Stuppi, GmbHR 2006, 138. Vgl. Ulmer, Rdnr. 5. Ulmer, Rdnr. 7. Ulmer, Rdnr. 7. Eb. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7. Vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 15/4067, S. 56.

720

|

Veil

§ 12

Bekanntmachungen der Gesellschaft

Sichtweise ist grundsätzlich zuzustimmen. Es kann schwerlich angenommen werden, dass die Gesellschafter bei einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelung eine mehrfache Veröffentlichung gewollt haben1. Die Klausel ist daher dynamisch in dem Sinne auszulegen, dass eine Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger gewollt ist. Anders ist es zu beurteilen, wenn der Gesellschaftsvertrag außer dem Bundesanzeiger eine Bekanntmachung in einem weiteren Medium vorsieht2. In solchen Fällen verbietet sich in der Regel eine Auslegung, wonach eine Veröffentlichung nur im elektronischen Bundesanzeiger zu erfolgen hat3. Bezeichnet der Gesellschaftsvertrag andere öffentliche Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter, bestimmt sich der Beginn einer Frist (vgl. § 187 BGB) vorbehaltlich einer anderweitigen gesetzlichen Regelung entsprechend § 10 Abs. 2 HGB nach dem Zeitpunkt, in dem die letzte Veröffentlichung erfolgt4.

9

IV. Fehlerhafte Bekanntmachung Eine fehlerhafte Bekanntmachung entfaltet keine Rechtswirkungen5. Fristen werden durch sie nicht in Gang gesetzt6. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass eine Bekanntmachung auch in einem weiteren Gesellschaftsblatt zu erfolgen hat und entweder diese oder die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger nicht erfolgt ist.

1 Noack, DB 2005, 599, 600; Krafka, MittBayNot 2005, 293, 294; Stuppi, GmbHR 2006, 138, 139; Ulmer, Rdnr. 9; ebenso OLG München, GmbHR 2005, 1492, 1493 bezüglich einer gesellschaftsvertraglichen Bestimmung, wonach Bekanntmachungen „nur im Bundesanzeiger“ erfolgen (sowie mit der weiteren Aussage, das Registergericht dürfe im Eintragungsverfahren auf die Änderung dieser unklaren Bestimmung hinwirken). Ebenso zu entsprechenden Bestimmungen in der Satzung einer AG bereits OLG Köln, BB 2003, 2311; aus dem Schrifttum vgl. Ihrig/Wagner, BB 2002, 789, 792. 2 Zur praktisch kaum relevanten Konstellation, dass ein Gesellschaftsvertrag die Bekanntmachung ausschließlich in einem anderen Medium als dem Bundesanzeiger vorsieht vgl. Stuppi, GmbHR 2006, 138, 139. 3 Noack, DB 2005, 599, 600. A.A. Krafka, MittBayNot 2005, 293, 294. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; Ulmer, Rdnr. 8. Ebenso die h.M. zur aktienrechtlichen Regelung; vgl. Hüffer, AktG, § 25 Rdnr. 5 m.w.N. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; so schon zur aktienrechtlichen Regelung Hüffer, AktG, § 25 Rdnr. 5.

Veil

|

721

10

Zweiter Abschnitt

Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter

§ 13

Juristische Person; Handelsgesellschaft (1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. (2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen. (3) Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs. Text seit 1892 unverändert.

Inhaltsübersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . .

1

II. Rechtspersönlichkeit der GmbH 1. Juristische Person . . . . . . . .

3

2. Beginn und Erlöschen . . . . . . 3. Keinmann-GmbH . . . . . . . .

5 9

4. Rechtsschein-GmbH? . . . . . . 9a III. Umfang der Rechtsfähigkeit . . 10 1. Privatrecht . . . . . . . . . . . . 11 2. Öffentliches Recht . . . . . . . 19 3. Strafrecht . . . . . . . . . . . . 22 4. Prozessrecht . . . . . . . . . . . 23 5. Schiedsgerichte . . . . . . . . . 29 IV. Handelsgesellschaft . . . . . . . 33 V. Treuepflicht 1. Überblick

. . . . . . . . . . . . 36

2. Grundlagen . . . . . . . . . . . 38 3. Anwendungsbereich . . . . . . . 39 4. Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . 39d 5. Fallgruppen . . . . . . . . . . . 40 a) Geschäftsführungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . 41

722

|

Emmerich

b) Sonstige Maßnahmen . . . . c) Insbesondere Stimmpflichten d) Gesellschaft . . . . . . . . . 6. Rechtsfolgen a) Anfechtung . . . . . . . . . b) Schadensersatz . . . . . . . c) Sonstige Rechtsfolgen . . . . 7. Gleichbehandlungsgrundsatz .

43 46 46b

8. Actio pro socio . . . . . . . . . 9. Mitgliedschaftsstreit . . . . . .

53 54

VI. Haftung der Gesellschafter 1. Überblick . . . . . . . . . . . .

55

2. Besondere Verpflichtungsgründe . . . . . . . . . . . . .

47 49 51a 52

61

3. c.i.c. . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zurechnungsdurchgriff . . . . a) § 648 BGB . . . . . . . . . . b) § 652 BGB . . . . . . . . . . c) Wissenszurechnung . . . . . d) Zurechnung von Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . e) Gutgläubiger Erwerb . . . .

64 68 69 70 71 73 74

VII. Haftungsdurchgriff 1. Überblick . . . . . . . . . . . .

76

2. „Durchgriffstheorien“ . . . . .

78

§ 13

Juristische Person

3. Materielle Unterkapitalisierung a) Überblick . . . . . . . . . b) Schrifttum . . . . . . . . . c) Bisherige Rechtsprechung d) Stellungnahme . . . . . . 3. Vermögens- und Sphärenvermischung . . . . . . . . . . . 4. Missbrauch der juristischen Person . . . . . . . . . . . . VIII. Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs . . . . . 1. Geschichte . . . . . . . . . .

81 84 88 93 95 97 98 99

3. Voraussetzungen a) Überblick . . . . . . . . b) Beispiele . . . . . . . . . c) Eingriff . . . . . . . . . d) Kausalität, Verschulden

. . . .

. . . .

. . . .

109 111 114 119

4. Adressaten . . . . . . . . . . . . 121 5. Aktivlegitimation . . . . . . . . 124 6. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . 126 7. Beweislast . . . . . . . . . . . . 129 8. Subsidiarität . . . . . . . . . . . 132 9. Konkurrenzen . . . . . . . . . . 136 IX. Umgekehrter Durchgriff . . . . 139

2. Haftungsgrund . . . . . . . . 104

I. Einleitung Die Vorschrift des § 13 leitet den zweiten Abschnitt des Gesetzes, überschrieben „Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter“ ein. Das Gesetz regelt hier zunächst die wichtigsten Merkmale der GmbH und versucht sodann, durch eine Fülle unterschiedlicher Vorschriften nach Möglichkeit die Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung sicherzustellen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei die Vorschriften der §§ 30 bis 32b. Der an die Spitze dieses Abschnitts gestellte (zwingende) § 13 nennt dagegen die drei in den Augen der Gesetzesverfasser wichtigsten Merkmale der GmbH. Nach Abs. 1 der Vorschrift besitzt die GmbH Rechtsfähigkeit. Abs. 2 fügt hinzu, dass für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet, dass mit anderen Worten eine persönliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (grundsätzlich) ausgeschlossen ist, sofern nicht ein besonderer Rechtsgrund vorliegt. Die Gesellschaft gilt schließlich nach Abs. 3 des § 13 ohne Rücksicht auf ihren konkreten Zweck und Gegenstand sowie auf ihre Größe als Handelsgesellschaft, so dass auf sie in jedem Fall zusätzlich die für die Handelsgesellschaften, d.h. für Kaufleute geltenden Rechtsvorschriften anwendbar sind (s. § 6 HGB). Mit § 13 nahezu wörtlich übereinstimmende Vorschriften finden sich für die Genossenschaft in § 17 GenG sowie für die österreichische GmbH in § 61 öGmbHG. Ebenso lautete ursprünglich die entsprechende Bestimmung für die AG (§ 213 Abs. 1 HGB a.F.), während jetzt § 1 Abs. 1 AktG ausdrücklich bestimmt, dass die AG eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AktG), für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern allein das Gesellschaftsvermögen haftet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG).

1

§ 13 muss vor allem im Zusammenhang mit § 11 Abs. 1 gesehen werden, nach dem die Gesellschaft vor ihrer Eintragung in das Handelsregister „als solche“ nicht besteht. Aus beiden Vorschriften zusammen wird heute allgemein der Schluss gezogen, dass die GmbH (spätestens) ab Eintragung ins Handelsregister eine juristische Person darstellt (unten Rdnr. 3 ff.). Die GmbH verfügt folglich grundsätzlich über dieselbe Rechtsfähigkeit wie natürliche Personen, soweit

1a

Emmerich

|

723

§ 13

Juristische Person

nicht, wie es Art. 53 des schweizerischen ZGB formuliert, Rechte und Pflichten „die natürlichen Eigenschaften des Menschen, wie das Geschlecht, das Alter oder die Verwandtschaft, zur notwendigen Voraussetzung haben“ (s. unten Rdnr. 10 ff.). 2

Aus den Abs. 1 und 2 des § 13 folgt ferner das so genannte Trennungsprinzip. Man bezeichnet damit die durch das positive Recht begründete Notwendigkeit, zwischen Vermögen und Schulden der Gesellschaft und der Gesellschafter zu unterscheiden. Das schließt zwar im Einzelfall einen „Durchgriff“ auf die Gesellschafter nicht aus; angesichts der gesetzlichen Regelung bedarf solcher Durchgriff jedoch in jedem Fall einer besonderen Begründung. Der ganze Fragenkreis hat in der jüngsten Zeit durch die Rechtsprechung des BGH zur Haftung der Gesellschafter für so genannte existenzvernichtende Eingriffe neue Aktualität erlangt (s. unten Rdnr. 55 ff.).

II. Rechtspersönlichkeit der GmbH Schrifttum: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2–11; Binder, Das Problem der juristischen Persönlichkeit, 1907; Brecher, Subjekte und Verband, in: FS A. Hueck, 1959, S. 233; Ehrenberg/Feine, Hdb., § 2 III (S. 47 ff.); Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963; Flume, Allg. Teil Bd. I/2: Die juristische Person, 1983, § 1; O. v. Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. I, 1895/1936; Grünwald, Die deliktsrechtliche Außenhaftung des GmbH-Geschäftsührers für Organisationsdefizite, 1999; B. Grunewald, in: FS Beusch, 1993, S. 301; Haff, Grundlagen einer Körperschaftslehre, 1915; Hölder, Natürliche und juristische Personen, 1905; Hölder, Das Problem der juristischen Persönlichkeit, JherJb 53 (1908), 40; Hönn, Die konstitutive Wirkung der Löschung von Kapitalgesellschaften, ZHR 138 (1974), 50; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2–7; G. Husserl, Rechtssubjekt und Rechtsperson, AcP 127 (1927), 129; U. John, Die organisierte Rechtsperson, 1977; Kirchner, Zur ökonomischen Theorie der juristischen Person, in: FS Th. Raiser, 2005, S. 181; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 3–6, 24–30; Kübler, Rechtsfähigkeit und Verbandsverfassung, 1971; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1–4; Michalski, Rdnr. 1–119; Cl. Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 1–34; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 2–46; Raiser, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Lehre von den juristischen Personen, in: FS Traub, 1994, S. 331; Raiser, Gesamthand und juristische Person im Licht des neuen Umwandlungsrechts, AcP 194 (1994), 495; Raiser, Der Begriff der juristischen Person, AcP 199 (1999), 104; Raiser, Gesamthandsgesellschaft und juristische Person, in: FS Zöllner Bd. I, 1998, S. 469; Raiser, Die Haftungsbeschränkung ist kein Wesensmerkmal der juristischen Person, in: FS Lutter, 2000, S. 637; Raiser, Unternehmensrecht als Gegenstand juristischer Grundlagenforschung, in: FS Potthoff, 1989, S. 331; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §§ 8, 24, 25 (S. 49, 369, 372 ff.); Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 543 ff.; E. Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969; Fr. Rittner, Die werdende juristische Person, 1973; Rohde, Juristische Person und Treuhand, 1932; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 8, 9 (S. 181 ff.); W. Schönfeld, Zur Konstruktion der OHG, JherJb 75 (1925), 333; W. Schönfeld, Rechtsperson und Rechtsgut, in: RGFestg. II, 1929, S. 191; W. Schönfeld, Zur Ehrenrettung der juristischen Person, AcP 136 (1932), 331; Chr. Schubel, Verbandssouveränität und Binnenorganisation der Handelsgesellschaften, 2003; Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 2. Aufl. 1980; Wieacker, Zur Theorie der Juristischen Person im Privatrecht, in: FS E. R. Huber, 1973, S. 339; Wiedemann, GesellschaftsR I, § 4 (S. 188 ff.); J. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981; H. J. Wolff, Organschaft

724

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

und juristische Person, 2 Bde., 1933/1934; weitere Literatur zur Treuepflicht s. unten vor Rdnr. 36, zur actio pro socio s. unten vor Rdnr. 43 sowie zu Haftung und Durchgriff s. unten vor Rdnr. 55.

1. Juristische Person Die GmbH gilt heute allgemein als juristische Person (oben Rdnr. 1a), obwohl das Gesetz dies nicht ausdrücklich sagt, sondern sich in § 13 Abs. 1 Hs. 1 auf die Bestimmung beschränkt, dass die Gesellschaft mit beschränkter Haftung „als solche selbständig ihre Rechte und Pflichten“ hat. Zur weiteren Verdeutlichung fügt das Gesetz aus historischen Gründen noch hinzu, dass die Gesellschaft Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben sowie vor Gericht klagen und verklagt werden kann (§ 13 Abs. 1 Hs. 2). Dasselbe bestimmte ursprünglich das HGB für die AG in § 213 Abs. 1 a.F. und bestimmt noch heute für die Genossenschaft § 17 GenG (s. schon oben Rdnr. 1). Von § 124 Abs. 1 HGB unterscheiden sich alle diese Vorschriften (nur) durch den (wenig aussagekräftigen) Zusatz „als solche selbständig“. Die Gesetzesverfasser wollten mit dieser Formulierung gleichwohl seinerzeit zum Ausdruck bringen, dass die GmbH ab Eintragung ins Handelsregister (s. § 11 Abs. 1) im Gegensatz zur OHG mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist (ebenso heute ausdrücklich § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG)1. Die Gesellschaft ist folglich ein selbständiges, d.h. von ihren Gesellschaftern zu unterscheidendes Zuordnungssubjekt für Rechte und Pflichten, das in seinem Bestand von den Mitgliedern unabhängig ist (§ 15), das durch eigene Organe handeln kann und mit einem eigenen, von dem der Gesellschafter getrennten Vermögen ausgestattet ist (§§ 13 Abs. 2, 35 Abs. 1). Auf der Unabhängigkeit von den Mitgliedern beruht letztlich auch die Möglichkeit von Einpersonengesellschaften, die § 1 jetzt ausdrücklich anerkennt (s. oben § 1 Rdnr. 26 ff.).

3

Die GmbH ist ebenso wie die AG und die Genossenschaft nach der Systematik des deutschen Gesellschaftsrechts nichts anderes als eine besondere Erscheinungsform des bürgerlich-rechtlichen Vereins, so dass die §§ 21 ff. BGB subsidiär auf die GmbH Anwendung finden. Besondere Bedeutung hat dies bekanntlich für die §§ 31, 33 und 35 BGB (s. unten Rdnr. 17). Die GmbH zählt damit zusammen mit den genannten anderen Gesellschaften zu den so genannten Körperschaften, die meistens in einen betonten Gegensatz zu den Personengesellschaften, insbesondere also zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zur OHG und zur KG gerückt werden, die – trotz des § 124 Abs. 1 HGB – nach herkömmlichem Verständnis keine juristischen Personen darstellen, sondern „bloße“ Gesamthandsgemeinschaften bilden (§§ 717, 719 BGB). Bei Lichte besehen sind freilich die Unterschiede zwischen den Körperschaften und den Personengesellschaften nur gering, wie im Grunde bereits aus der Formulierung des § 124 Abs. 1 HGB folgt, angesichts deren die zumindest partielle Rechtsfähigkeit der Personengesellschaften eigentlich niemals ernstlich zweifelhaft sein

3a

1 Vgl. für die AG die Denkschrift zum HGB, S. 118, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum HGB II, 1987, S. 118; anders zuletzt Hölder, Natürliche und juristische Personen, 1905, S. 206 ff.

Emmerich

|

725

§ 13

Juristische Person

konnte1. Selbst der BGB-Außengesellschaft wird deshalb heute wegen ihrer allenfalls graduellen Unterscheidbarkeit von der OHG und der KG allgemein eine (beschränkte) Rechtsfähigkeit beigelegt. Seitdem sich diese Auffassung weitgehend durchgesetzt hat, tatkräftig gefördert durch die Rechtsprechung des BGH2, ist die Diskussion über die Unterschiede oder Gemeinsamkeiten der juristischen Personen und der Gesamthandsgemeinschaften wieder in voller Breite aufgeflammt3. Im vorliegenden Zusammenhang braucht darauf jedoch nicht weiter eingegangen zu werden, weil, wie immer man im Übrigen den Begriff der juristischen Person fassen mag, für die GmbH feststeht, dass sie juristische Person ist, deren Rechtsfähigkeit so weit reicht, wie dies überhaupt bei juristischen Personen (in den Grenzen des Rechts) denkbar ist (§ 13 Abs. 1 GmbHG; § 1 Abs. 1 Satz 1 AktG; s. im Einzelnen unten Rdnr. 10 ff.). 4

Die GmbH hat eigene Organe, mittels derer sie im rechtsgeschäftlichen Verkehr handlungsfähig ist (§§ 35, 46 ff.). Sie ist in ihrem Bestand von ihren Mitgliedern unabhängig (§ 15) und mit einem eigenen Vermögen ausgestattet, das zum Schutze der Gläubiger durch strenge Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften gesichert wird (§§ 13 Abs. 2, 14, 19 ff., 30 ff.). Es sind vor allem diese Merkmale, die man üblicherweise vorrangig im Auge hat, wenn man die GmbH als „Körperschaft“ bezeichnet (oben Rdnr. 3a). Dabei bleibt jedoch zu beachten, dass eigene Rechtspersönlichkeit eines Verbandes und eine spezifische körperschaftliche Verfassung nicht notwendig miteinander verknüpft sind. Nichts hinderte insbesondere den Gesetzgeber, den Gesellschaftern für ihr Innenverhältnis Vertragsfreiheit einzuräumen (s. § 45 GmbHG im Gegensatz zu § 23 AktG und § 18 Satz 2 GenG). Die Gesellschafter können daher auch eine personalistische Verfassung wählen. In der Praxis dürfte dies sogar die Regel sein. Abgrenzend ist in diesem Zusammenhang schließlich noch darauf hinzuweisen, dass von der Frage der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft die Frage zu unterscheiden ist, ob der Gesellschaft auch besondere (eigene) Interessen zugeordnet werden können, die von denen der Gesamtheit der Gesellschafter verschieden sind4. Die Frage ist deshalb zweifelhaft, weil die Gesellschafter jederzeit die Auflösung der Gesellschaft beschließen können (§ 60 Abs. 1 Nr. 2), an die sich dann freilich zwingend die Liquidation der Gesellschaft nach Maßgabe der §§ 66 ff. anzuschließen hat. Beachten die Gesell-

1 S. schon Heymann/Emmerich, HGB, § 124 Rdnr. 4. 2 S. grdlg. BGHZ 142, 315 = NJW 1999, 3483; BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056; BGH, NJW 2002, 1207 = NZG 2002, 322 = NZM 2002, 271; s. dazu K. Schmidt, NJW 2001, 993; Ulmer, ZIP 2001, 585. 3 S. dazu zuletzt Flume, Allg. Teil Bd. I/2, § 1 (S. 1 ff.); U. John, Die organisierte Rechtsperson, 1979; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 151 ff.; Cl. Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 3 Rdnr. 8 ff.; § 8 Rdnr. 1 ff. (S. 9, 37 ff.); Raiser, in: FS Traub, S. 331; Raiser, AcP 194 (1994), 495; Raiser, AcP 199 (1999), 104; Raiser, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 469; Raiser, in: FS Lutter, S. 637; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 (S. 181 ff.). 4 Verneinend BGHZ 119, 257, 262 = NJW 1993, 193 = GmbHR 1993, 38; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 5; Priester, ZGR 1993, 512, 517 ff.; dagegen Wilhelm, Rechtsform, S. 330 ff.; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuepflichten im GmbH-Recht, 1988, S. 190 ff.

726

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

schafter diesen Zusammenhang nicht, so kann dies nach der Vulkan-Doktrin zum Verlust des Haftungsprivilegs führen (s. unten Rdnr. 98 ff.).

2. Beginn und Erlöschen a) Die Gesellschaft erlangt, wie sich aus § 13 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 ergibt, die (volle) eigene Rechtspersönlichkeit erst mit ihrer Eintragung ins Handelsregister. Dies gilt auch für die verschiedenen Fälle der Umwandlung nach dem UmwG von 1994. In der Zeit vor ihrer Eintragung ins Handelsregister besteht dagegen die GmbH „als solche“, d.h. als juristische Person noch nicht (§ 11 Abs. 1). Daraus ergibt sich die Frage nach der Rechtsnatur der Vorgesellschaft in der Zeit zwischen der Errichtung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) und ihre Eintragung ins Handelsregister (§ 11 Abs. 1). Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen an anderer Stelle zu verweisen (s. oben § 11 Rdnr. 24, 27 ff.). Bei der Vorgesellschaft handelt es sich danach um eine „werdende juristische Person“, die mit der späteren Gesellschaft identisch ist. Die Vorgesellschaft besitzt ebenso wie die spätere Gesellschaft Rechtsfähigkeit und kann daher insbesondere bereits Trägerin des aufzubauenden Gesellschaftsvermögens sein (s. oben § 11 Rdnr. 27 ff.). Im neuen Schrifttum wird die Vorgesellschaft mit Rücksicht darauf zum Teil bereits selbst als juristische Person angesehen1.

5

b) Das Erlöschen der Rechtspersönlichkeit der GmbH ist vom Gesetz nicht geregelt. Aus ihm ergibt sich vielmehr lediglich, dass jedenfalls die Auflösung (§§ 60 ff.) und die Eintragung der Nichtigkeitserklärung (§§ 75, 77) diese Folge nicht haben, sondern die Gesellschaft mit verändertem Zweck (Abwicklung) fortbestehen lassen. Denn die Gesellschaft ist jetzt nach den besonderen Vorschriften über das Liquidationsverfahren abzuwickeln (§§ 66 ff., 77), an deren Stelle im Falle der Insolvenz (§§ 60 Abs. 1 Nr. 4, 66 Abs. 1) die Vorschriften der InsO treten. Da die Gesellschaft während des Liquidationsverfahrens (mit verändertem Zweck) fortbesteht, können die Gesellschafter auch jederzeit – nach Beseitigung des jeweiligen Auflösungsgrundes – die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen (s. unten § 60 Rdnr. 79 ff.). Vor allem hieran wird deutlich, dass sorgfältig zwischen der Auflösung und dem Erlöschen der Gesellschaft unterschieden werden muss. Im Schrifttum ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft endgültig erlischt.

6

Im Wesentlichen finden sich drei verschiedene Meinungen: Nach der überwiegenden Meinung führt immer, aber auch nur die (endgültige) Vermögenslosigkeit der GmbH ohne weiteres zu ihrem Erlöschen, während nach anderen diese Wirkung allein der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister zuzubilligen ist2. Nach der hier vertretenen Meinung kommt es dagegen auf beide Umstände gleichermaßen an; nur Vermögenslosigkeit und Eintragung zusammen bewirken also das endgültige Erlöschen der Gesellschaft als Rechtsperson (so genannte Lehre vom Doppeltatbestand)3.

7

1 S. Th. Raiser, AcP 199 (1999), 104, 141 f. 2 So z.B. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9. 3 S. im Einzelnen unten § 74 Rdnr. 12 ff.; ebenso Michalski, Rdnr. 28–32.

Emmerich

|

727

§ 13 8

Juristische Person

Verschmelzung und Umwandlung können ebenfalls zum Erlöschen der Gesellschaft führen (s. die §§ 20 Abs. 1 Nr. 2, 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Wegen der Einzelheiten ist auf die Literatur zum UmwG zu verweisen1.

3. Keinmann-GmbH Schrifttum: Buchwald, GmbHR 1958, 171; Hachenburg, in: FS Cohn, 1915, S. 79; Kreutz, in: FS Stimpel, 1985, S. 379; Mertens, NJW 1966, 1054; Michalski, Rdnr. 19– 21; Michalski/Schulenburg, NZG 1999, 431; Oldenburg, Die Keinmann-GmbH, 1985; Paulick, Die GmbH ohne Gesellschafter, 1979; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, § 33 Rdnr. 26–28; Schuler, GmbHR 1962, 116; Simon, DB 1963, 1210; Winkler, GmbHR 1972, 77.

9

Ein wohl eher theoretisch als praktisch bedeutsamer Grenzfall ist die GmbH ohne Gesellschafter, die sog. Keinmann-GmbH2. Solcher Zustand kann kraft Gesetzes (s. §§ 21, 27 Abs. 3 und 33; s. unten § 27 Rdnr. 5 und § 33 Rdnr. 44) oder durch rechtsgeschäftlichen Erwerb eintreten. Beide Fälle sind zu unterscheiden, da nichts hindert, zumindest den rechtsgeschäftlichen Erwerb des letzten Anteils durch die Gesellschaft als nichtig zu behandeln3. In den verbleibenden Fällen mag die Vereinigung aller Anteile in der Hand der Gesellschaft zwar gelegentlich unvermeidbar sein; dieser Zustand ist aber jedenfalls nicht als Dauerzustand hinnehmbar, weil es die Gesellschafter andernfalls in der Hand hätten, der Sache nach eine private Stiftung ohne die dafür mit gutem Grund vorgesehenen Kautelen (§§ 80 ff. BGB) zu schaffen (s. unten § 33 Rdnr. 44). Umstritten ist deshalb nur, ob im Falle der Vereinigung aller Anteile in der Hand der Gesellschaft die Auflösung sofort eintritt4 oder erst nach einer kurz bemessenen Übergangszeit, vorausgesetzt, dass es den Geschäftsführern nicht gelingt, den eingetretenen Zustand unverzüglich durch die Veräußerung zumindest eines Anteils wieder zu beenden5. Die besseren Gründe sprechen hier wohl für die zuerst genannte Auffassung (anders noch 9. Aufl., Rdnr. 9), weil alle Maßstäbe für die von der zweiten Auffassung favorisierte Übergangszeit fehlen6. Nicht hierher gehört jedoch der Fall des alleinigen Geschäftsanteilsbesitzes der KG bei einer GmbH & Co. KG, weil beide Gesellschaften verschiedene Rechtssubjekte sind7.

1 Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004; Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006; Vallender, NZG 1998, 249. 2 S. aber OLG Stuttgart, NJW-RR 1986, 836 = ZIP 1986, 647; OGH SZ Bd. 71 (1998 II) Nr. 163, S. 303, 309 f. = WiBl. 1999, 275, 276 f. = NZG 1999, 444, 445. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 33 Rdnr. 19; Michalski, Rdnr. 21. 4 S. unten § 60 Rdnr. 65; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 33 Rdnr. 27. 5 S. unten § 33 Rdnr. 44; Michalski, Rdnr. 21. 6 S. unten § 60 Rdnr. 65; anders wohl für die Kaduzierung des einzigen Geschäftsanteils OLG Hamburg, BB 2001, 2182; OGH SZ Bd. 71 (1998) II Nr. 163, S. 303, 309 f. = WiBl. 1999, 275, 276 f. = NZG 1999, 444, 445; s. dazu unten § 21 Rdnr. 29, § 22 Rdnr. 24; Michalski/Schulenburg, NZG 1999, 431, 432 f.; zu dem Sonderfall der Preisgabe alle Anteile durch die Gesellschafter nach § 27 s. noch unten § 27 Rdnr. 5. 7 A.M. Gonella, DB 1965, 1165; Winkler, GmbHR 1972, 80.

728

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

4. Rechtsschein-GmbH? Im Schrifttum wird die Frage erörtert, ob es auch eine so genannte Rechtsschein-GmbH gibt, wobei man offenbar Fälle im Auge hat, in denen Personen unter der unzutreffenden Bezeichnung als GmbH am Geschäftsverkehr teilnehmen. In der Rechtsprechung haben derartige Fälle gelegentlich bei ausländischen Gesellschaften, die im Inland wie eine deutsche GmbH auftraten, eine Rolle gespielt1. Die Sitzverlegung einer ausländischen Gesellschaft ins Inland ändert jedoch heute nach dem Übergang zur Gründungstheorie wohl nichts mehr an ihrer Rechtsfähigkeit, so dass jedenfalls hier der Rückgriff auf Rechtsscheingrundsätze entbehrlich ist2. Tritt die ausländische Gesellschaft dagegen im Inland ohne Sitzverlegung unter einer Bezeichnung auf, die auf eine deutsche GmbH hinweist, so führen bereits die Grundsätze über das unternehmensbezogene Geschäft zur Verpflichtung der ausländischen Gesellschaft3. Neben der Haftung der ausländischen Gesellschaft kommt dann in Ausnahmefällen entsprechend § 179 Abs. 1 BGB auch eine persönliche Haftung des für die Gesellschaft Auftretenden in Betracht, wenn die ausländische Gesellschaft für den deutschen Vertragspartner praktisch nicht erreichbar ist4. Tritt sonst jemand zu Unrecht unter einer Bezeichnung auf, die auf das Vorliegen einer GmbH hindeutet, so ändert dies ebenfalls nichts an seiner persönlichen Haftung (s. oben § 4 Rdnr. 5, 54).

9a

III. Umfang der Rechtsfähigkeit Schrifttum: Fabricius, Rechtsfähigkeit, S. 55, 109 ff.; Michalski, Rdnr. 35–119; Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522, 536; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Personen, 1997; Lutter, GmbHR 1997, 329; T. Neusel, GmbHR 1997, 1129; Ostheim, Zur Rechtsfähigkeit von Verbänden im österreichischen bürgerlichen Recht, 1967; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 8 Rdnr. 4 ff. (S. 38 ff.); Raiser, AcP 199 (1999), 104; Rittner, Juristische Person, S. 219, 271 ff.; H. J. Wolff, Organschaft, S. 202 ff.

Die GmbH ist juristische Person (oben Rdnr. 3). Folglich kann sie grundsätzlich ebenso wie natürliche Personen am Rechtsverkehr teilnehmen, Verträge abschließen sowie Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (§ 13 Abs. 1). Eine völlige Gleichstellung juristischer Personen mit natürlichen Personen verbietet sich jedoch aus in der Natur der Sache liegenden Gründen. Das schweizerische ZGB bestimmt deshalb in Art. 53 ausdrücklich, dass die juristischen Personen aller Rechte und Pflichten fähig sind, „die nicht die natürlichen Eigenschaften des Menschen, wie das Geschlecht, das Alter oder die Verwandtschaft, zur notwendigen Voraussetzung haben“ (vgl. außerdem § 26 öABGB). Dies gilt sinngemäß auch in Deutschland, so dass es in Zweifelsfällen immer 1 S. OLG Nürnberg, WM 1985, 259 f.; LG Karlsruhe, ZIP 1995, 1818, 1819 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7–11; Michalski, Rdnr. 33. 2 S. oben Einl. Rdnr. 120 ff., § 4a Rdnr. 7; anders OLG Nürnberg,WM 1985, 259 f. 3 S. oben § 4 Rdnr. 5; ebenso LG Karlsruhe, ZIP 1995, 1818, 1819 (für eine französische GmbH); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Michalski, Rdnr. 33. 4 S. oben § 4 Rdnr. 54; LG Karlsruhe, ZIP 1995, 1818, 1819; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11.

Emmerich

|

729

10

§ 13

Juristische Person

der Prüfung bedarf, ob sich der Anwendungsbereich einer Rechtsvorschrift nach ihrem Sinn und Zweck auf natürliche Personen beschränkt oder alle oder doch bestimmte juristische Personen umfasst. Dieser Frage ist im Folgenden getrennt für das Privatrecht, das öffentliche Recht, das Strafrecht und das Prozessrecht nachzugehen (unten Rdnr. 11, 19, 22, 23 ff.). Vorwegzuschicken ist lediglich noch, dass die ultra-vires-Lehre des anglo-amerikanischen Rechtskreises dem deutschen Privatrecht unbekannt ist, so dass die Rechtsfähigkeit juristischer Personen nicht durch ihren Zweck oder Gegenstand beschränkt wird (s. §§ 35 Abs. 1, 37 Abs. 2). Verstöße der Geschäftsführer gegen den Zweck oder den Gegenstand der Gesellschaft können nur im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht Relevanz erlangen (§ 37 Abs. 2)1.

1. Privatrecht 11

a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht steht seinem Wesen nach in erster Linie natürlichen Personen zu (Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG). Hierdurch wird es indessen nicht ausgeschlossen, die privatrechtlichen Personenverbände in den Schutzbereich einzelner Ausstrahlungen des Persönlichkeitsrechts einzubeziehen (Art. 19 Abs. 3 GG). Von selbst versteht sich dies zunächst mit Rücksicht auf die gesetzliche Regelung (§ 4 GmbHG; § 12 BGB; §§ 5, 15 MarkenG) für das Namens- und Zeichenrecht (s. oben die Erläuterungen zu § 4). Jenseits dieser eindeutigen Fälle ist die Rechtsprechung jedoch bisher bei der Zubilligung eines Ehrenschutzes für juristische Personen ausgesprochen zurückhaltend2. Indessen ist nicht erkennbar, was eigentlich einem umfassenden Ehren- und Ansehensschutz sowie dem Schutz der Geheimsphäre juristischer Personen über § 823 Abs. 1 BGB entgegenstehen sollte3.

12

b) Die GmbH kann, wie § 13 Abs. 1 Halbs. 2 aus historischen Gründen ausdrücklich hervorhebt, Eigentum und dingliche Rechte an Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten erwerben4. Den Besitz übt die Gesellschaft durch ihre Organe aus5. Die Geschäftsführer sind weder Besitzdiener noch Besitzmittler der Gesellschaft6; vielmehr wird die Gesellschaft, die selbst nicht handlungsfähig ist, auch bei der Besitzausübung durch ihre Organe tätig.

13

c) Der GmbH kann Vollmacht und Handlungsvollmacht, jedoch nicht Prokura erteilt werden (§§ 48, 54 HGB). Außerdem kann sie Handelsvertreter, und zwar gleichermaßen Abschluss- wie Vermittlungsvertreter sein (§ 84 HGB). Über1 S. im Einzelnen unten § 35 Rdnr. 132–139; Michalski, Rdnr. 36–42. 2 S. BGHZ 78, 24, 25 f. = NJW 1980, 2807; BGHZ 98, 94, 97 ff. = NJW 1986, 2951 „BMWBums mal wieder“. 3 Ehmann, JuS 1997, 193, 201 f.; Klippel, JZ 1988, 625; Michalski, Rdnr. 53–58; Raiser/ Veil, Kapitalgesellschaften, § 8 Rdnr. 5–7 (S. 38 f.). 4 Für den Nießbrauch s. die Sonderbestimmungen der §§ 1059a ff. BGB; für ausländische juristische Personen aus Drittstaaten s. Art. 86 EGBGB. 5 BGHZ 56, 73, 77 = NJW 1971, 1358; BGHZ 57, 166, 167 = NJW 1972, 43; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Michalski, Rdnr. 46 f.; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 544. 6 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 III 1/2 (S. 266 ff.); anders für Ausnahmefälle Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4.

730

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

haupt kann sich die GmbH zu beliebigen Dienst- und Werkleistungen verpflichten (§§ 611, 631, 675 Abs. 1 BGB). Darauf beruht auch ihre Möglichkeit, freiberuflich tätig zu werden. Das war schon immer unstreitig für Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatergesellschaften, gilt heute aber ebenso etwa für Anwalts- und Ärztegesellschaften (s. im Einzelnen oben § 1 Rdnr. 14 ff.). Dagegen kann die GmbH nicht Arbeitnehmer und daher auch nicht Handlungsgehilfe oder Lehrling sein (§§ 59 ff. HGB)1. Kommt es auf das Kennen oder Kennenmüssen bestimmter Umstände an, so muss sich die Gesellschaft die Kenntnis ihrer Geschäftsführer zurechnen lassen (§§ 31, 166 BGB; s. unten § 35 Rdnr. 80–88). d) Der GmbH fehlt zwar die Fähigkeit, Erfinder oder Urheber zu sein. Sie kann jedoch gewerbliche Schutzrechte wie Patent- oder Gebrauchsmusterrechte von Dritten erwerben. An Urheberrechten kann sie außerdem Nutzungsrechte erlangen; kraft Erbfolge (unten Rdnr. 15) kann sie sogar Inhaberin des Urheberrechts werden (s. §§ 7, 28 f. UrhG).

14

e) Das Familienrecht bleibt der GmbH im Wesentlichen verschlossen; eine GmbH kann insbesondere (noch) nicht heiraten2. Aus den §§ 1779 Abs. 2 und 1915 Abs. 1 BGB folgt außerdem, dass eine GmbH nicht Vormund oder Pfleger sein kann, weil diese Ämter natürlichen Personen vorbehalten sind. Anders steht es im Erbrecht. Die GmbH kann zwar nichts vererben, sie kann aber, wie sich aus § 2163 Abs. 2 BGB ergibt, sehr wohl erben oder mit einem Vermächtnis bedacht werden. In der Position des Bedachten kann sie außerdem einen Erbvertrag abschließen (§§ 2274, 2275 BGB). Aus den §§ 2210 Satz 3 und 2163 Abs. 2 BGB ergibt sich ferner, dass der GmbH das Amt des Testamentsvollstreckers offen steht. Folgerichtig sollte man die GmbH auch als Nachlasspfleger zulassen (§§ 1960 f. BGB; str.). Dagegen wird ihr überwiegend mit guten Gründen die Fähigkeit abgesprochen, auch Nachlassverwalter zu sein (§§ 1975, 1981 BGB; str.).

15

f) Die GmbH kann sich an jeder anderen in- und ausländischen Gesellschaft beteiligen, mag es sich dabei um eine Personen- oder um eine Kapitalgesellschaft handeln. Ein bekanntes Beispiel ist die GmbH & Co. KG. Die Gesellschaft kann außerdem bei Handelsgesellschaften Liquidator sein3. Ausgeschlossen ist sie dagegen von dem Amt eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds sowie vom Amt des Geschäftsführers bei einer anderen Kapitalgesellschaft (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG; §§ 76 Abs. 3 Satz 1, 100 Abs. 1 Satz 1 AktG; §§ 24, 26 GenG). Nur für den Verein findet sich auch die gegenteilige Auffassung4.

16

g) Ein besonderes Problem stellt die Deliktsfähigkeit der GmbH als juristischer Person dar5. Ausgangspunkt muss auf jeden Fall § 31 BGB sein, der unstreitig

17

1 2 3 4 5

Michalski, Rdnr. 63, 65. S. Art. 53 Schweizerisches ZGB; Michalski, Rdnr. 59. Michalski, Rdnr. 62; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16. S. Palandt/Heinrichs, BGB, § 26 Rdnr. 4. S. dazu insbes. Coing, in: FS R. Fischer, 1979, S. 65; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1979, bes. S. 206 ff.; Lutter, GmbHR 1997, 329; Michalski, Rdnr. 50– 52; Matusche/Beckmann, Das Organisationsverschulden, 2001; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 8 Rdnr. 9, § 32 Rdnr. 101–111 (S. 39, 521 ff.); Raiser, AcP 199 (1999), 104,

Emmerich

|

731

§ 13

Juristische Person

auch für die GmbH gilt (s. oben Rdnr. 3a). Die Gesellschaft haftet danach für den Schaden, den der Geschäftsführer oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung während seiner Tätigkeit als Organ einem Dritten zufügt. In erster Linie ist dabei natürlich an unerlaubte Handlungen im Sinne des BGB und der Nebengesetze einschließlich des UWG zu denken. Seinem Zweck nach bezieht sich § 31 BGB ferner auf die vertragliche Haftung der Gesellschaft, so dass für eine Anwendung des § 278 BGB auf Organmitglieder (oder andere verfassungsmäßig berufene Vertreter der Gesellschaft) daneben kein Raum ist (str.). 17a

Umstritten ist, ob § 31 BGB bedeutet, dass die GmbH selbst deliktsfähig ist1 oder ob eine deliktische Haftung der Gesellschaft immer nur auf dem Weg über eine Zurechnungsnorm, d.h. über § 31 BGB oder § 13 Abs. 4 UWG in Betracht kommt2. Unbestreibar ist auf jeden Fall, dass die GmbH selbst deliktische Pflichten treffen können, so dass ihre Haftung bei einer Verletzung dieser Pflichten durch ihre Organe außer Frage steht (§ 31 BGB). Beispiele sind der weite Bereich der Verkehrs- oder Verkehrssicherungspflichten, die Pflichten der Gesellschaft aus dem UWG und den gleichstehenden anderen Wettbewerbsgesetzen sowie insbesondere der gesamte Bereich der Gefährdungshaftung. Es steht nichts im Wege, die GmbH selbst als Halter eines Kraftfahrzeugs (§ 7 StVG), als Tierhalter (§ 833 Satz 1 BGB) oder als Inhaber einer Anlage im Sinne des § 22 Abs. 2 WHG zu behandeln. Von diesem Fragenkreis zu trennen, ist die andere Frage, ob neben der Gesellschaft auch ihre jeweils tätig gewordenen Geschäftsführer persönlich haften können (s. dazu unten Rdnr. 18). § 31 ist schließlich entsprechend anzuwenden, wenn die Gesellschafter ausnahmsweise wie bei der Bestellung der Geschäftsführer die Gesellschaft vertreten (§ 46 Nr. 5; s. dazu unten § 46 Rdnr. 69 ff., 80) oder wenn sie, etwa über einen schuldlos irrenden Geschäftsführer, eine unerlaubte Handlung gegenüber Dritten begehen (§ 830 BGB).

18

Von der Haftung der Gesellschaft für unerlaubte Handlungen (oben Rdnr. 17 f.) muss die Eigenhaftung der für die Gesellschaft tätig gewordenen Personen, in erster Linie also der Geschäftsführer unterschieden werden3. Diese Frage ist an anderer Stelle behandelt (s. unten § 43 Rdnr. 228 ff., § 64 Rdnr. 37 ff.). Hier genügen deshalb folgende Bemerkungen: In zahlreichen Fällen ist die persönliche Verantwortlichkeit der Geschäftsführer (neben der Gesellschaft, § 31 BGB) ausdrücklich bestimmt und daher unproblematisch. Paradigma sind die §§ 69 und

134 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV (S. 273 ff.); Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001. 1 Bejahend Raiser, AcP 199 (1999), 104, 135. 2 So die ganz h.M., z.B. Michalski, Rdnr. 50; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 1 (S. 273 f.). 3 S. dazu Grünwald, Deliktische Außenhaftung des GmbH-Geschäftsführers für Organisationsdefizite, 1999; Haas, Geschäftsführung und Gläubigerschutz, 1997; Haas, NZG 1999, 373; Kleindiek, Deliktshaftung, S. 368 ff.; Lutter, GmbHR 1997, 329; Neusel, GmbHR 1997, 1129; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 32 Rdnr. 101 ff. (S. 521 ff.).

732

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

34 AO1. Die Geschäftsführer haften außerdem dann selbst persönlich, wenn sie in ihrer Person den Deliktstatbestand erfüllen, z.B. durch die schuldhafte Verletzung eines Schutzgesetzes. Im Wettbewerbsrecht kommt ihre eigene Haftung außerdem unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung in Betracht2. Eigentlich problematisch sind daher nur diejenigen Fälle, in denen die deliktischen Pflichten in erster Linie die Gesellschaft treffen, wie dies etwa für Verkehrs- oder Verkehrssicherungspflichten zutrifft. Die Praxis tendiert auch in diesen Fällen zu einer Ausdehnung der Haftung auf die für die Gesellschaft tätig werdenden Organe, freilich unter Widerspruch eines erheblichen Teils des Schrifttums (s. unten § 43 Rdnr. 229 ff.).

2. Öffentliches Recht a) Die GmbH ist im öffentlichen Recht ebenso wie im Privatrecht als selbständiges Rechtssubjekt anerkannt. Sie kann sich daher auch an Verwaltungsverfahren beteiligen (§ 11 Nr. 1 VwVfG), wobei sie durch ihre Geschäftsführer vertreten wird (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Entsprechendes gilt für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (§§ 61 Nr. 1, 62 Abs. 2 VwGO) und vor dem BVerfG (§ 90 BVerfGG).

19

b) Die GmbH kann öffentlich-rechtliche Rechte und Pflichten haben. Paradigma sind die steuerlichen Pflichten, die die GmbH als juristische Person nach Maßgabe der einzelnen Steuergesetze treffen (§§ 33, 64 AO), wobei insbesondere an das KStG, das UStG und das GewStG zu denken ist. Bei den sonstigen öffentlich-rechtlichen Pflichten kommt es vor allem darauf an, ob die einschlägige Rechtsnorm nach ihrem Sinngehalt überhaupt auf die GmbH (und nicht nur auf natürliche Personen) anwendbar ist. Soweit solche Vorschriften an menschliche Eigenschaften wie z.B. die Zuverlässigkeit anknüpfen, wird meistens auf die Person der Geschäftsführer abgestellt.

20

c) Eine inländische GmbH ist ferner grundrechtsfähig, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3 GG)3. Außer Streit ist dies vor allem für die zentralen wirtschaftlichen Grundrechte der Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 GG. Die Verfahrensgrundrechte sind gleichfalls unbedenklich auf die GmbH anzuwenden (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und 103 Abs. 1 GG).

21

3. Strafrecht Eine Strafbarkeit juristischer Personen ist dem geltenden deutschen Recht fremd4. Nach § 30 OWiG kann jedoch gegen die GmbH eine Geldbuße als Nebenfolge zu einer von ihren Geschäftsführern im inneren Zusammenhang mit ihrer Organstellung begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit festge-

1 2 3 4

S. dazu Neusel, GmbHR 1997, 1129. S. Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 7. Aufl. 2004, § 21 VI (S. 458 ff.). Ausführlich Michalski, Rdnr. 102–111. S. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 5 (S. 281 ff.); Michalski, Rdnr. 114.

Emmerich

|

733

22

§ 13

Juristische Person

setzt werden, wenn durch diese Tat entweder Pflichten, die die Gesellschaft treffen, verletzt worden sind oder die Gesellschaft bereichert werden sollte. Als eine Pflicht i.S. der ersten Alternative des § 30 OWiG ist namentlich die Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen anzusehen (§ 130 OWiG). Steuerstrafen können in diesem Rahmen ebenfalls gegen die GmbH ausgesprochen werden (§§ 33, 377 AO; zu § 890 ZPO s. unten Rdnr. 28).

4. Prozessrecht1 23

a) Die GmbH ist parteifähig (§ 13 Abs. 1 GmbHG; § 50 Abs. 1 ZPO), während ihr die Prozessfähigkeit verbreitet abgesprochen wird2. Dies ist jedoch mit § 52 ZPO schwerlich vereinbar3. Partei- wie Prozessfähigkeit der Gesellschaft enden erst mit dem Erlöschen der Gesellschaft (oben Rdnr. 6 f.); sie sind darüber hinaus für die Dauer des Rechtsstreits als fortbestehend anzunehmen, wenn der einzige (streitbefangene) Vermögensgegenstand der GmbH während des Prozesses veräußert wird4.

24

b) Die GmbH wird im Prozess durch die Geschäftsführer oder Liquidatoren vertreten (§§ 35 Abs. 1, 70 Satz 1, s. unten § 35 Rdnr. 140–145), deren Namen und Anschriften daher in der Klageschrift angegeben werden sollen (§ 130 Nr. 1 ZPO). Auch wenn Gesamtvertretung besteht (§ 35 Abs. 2 Satz 2), können Zustellungen und Ladungen immer an einen von ihnen bewirkt werden (§ 171 Abs. 3 ZPO). Sind keine Geschäftsführer vorhanden, so kann § 57 ZPO (zumindest entsprechend) angewandt werden5.

25

c) Der Geschäftsführer ist, solange er im Amt ist, als Partei zu vernehmen (§§ 445 ff., 455 ZPO), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er unmittelbar am Prozess mitwirkt. Zeuge können dagegen nur die Gesellschafter sein6, und zwar auch der Alleingesellschafter (s. unten § 35 Rdnr. 144).

26

d) Der allgemeine Gerichtsstand der GmbH bestimmt sich nach ihrem satzungsmäßigen Sitz (§ 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO; s. oben § 4a Rdnr. 6); der Gesellschaftsvertrag kann daneben noch einen besonderen Gerichtsstand vorsehen (§ 17 Abs. 3 ZPO). Dieser Gerichtsstand ist auch maßgebend für Klagen der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsverhältnis gegen ihre Mitglieder sowie für Rechtsstreitigkeiten unter den Mitgliedern (§ 22 ZPO)7. Prozesskostenhilfe 1 S. zum Folgenden ausführlich Michalski, Rdnr. 68–90; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 24–28. 2 RGZ 63, 371, 372; 66, 240, 243; ebenso beiläufig BGHZ 38, 71, 75 = NJW 1963, 441; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 28; Thomas/Putzo, ZPO, § 51 Rdnr. 6 f., § 52 Rdnr. 4. 3 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 34; Michalski, Rdnr. 69; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 546; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24. 4 S. OLG Nürnberg, GmbHR 1958, 28. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Michalski, Rdnr. 73; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25. 6 RG, SeuffA 55 (1900) Nr. 119 (S. 239 f.); Recht 1909 Nr. 1698; LZ 1910, 218 Nr. 29. 7 S. im Einzelnen Michalski, Rdnr. 86–89.

734

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

kann die GmbH nach Maßgabe der §§ 114, 116 Nr. 2 ZPO erhalten1. Ein Urteil im Rechtsstreit mit der GmbH wirkt nur für und gegen diese, nicht für und gegen die Gesellschafter (§§ 322, 325 ZPO). e) Das Gesagte (oben Rdnr. 23 ff.) gilt auch für Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, namentlich aus so genannten Drittgeschäften2. Bei Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft und ihren Geschäftsführern ist § 46 Nr. 8 zu beachten (s. im Einzelnen unten § 46 Rdnr. 163 ff.). Die Bestellung eines Vertreters der Gesellschaft ist hier folglich grundsätzlich Sache der Gesellschafter. Eine Ausnahme gilt nur für mitbestimmte Gesellschaften, bei denen § 112 AktG entsprechend anzuwenden ist (s. unten § 46 Rdnr. 165). Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen sind gegen die Gesellschaft, nicht gegen die Mitgesellschafter zu richten (s. unten § 45 Rdnr. 127 ff.).

27

f) Die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil gegen die GmbH kann nur gegen die Gesellschaft erfolgen (§ 750 ZPO). Im Falle des § 890 ZPO ist dabei der Gesellschaft (allein) das Verschulden ihrer Geschäftsführer sowie deren Stellvertreter zuzurechnen (§ 44)3. Die Rechtsfolgen sind ebenso wie im Falle des § 888 ZPO umstritten. Während nach der einen Meinung alle Ordnungsmittel einschließlich der Ordnungshaft allein gegen die für die Gesellschaft handelnden Geschäftsführer festzusetzen sind4, ist nach den anderen zwischen der Zwangs- und der Ordnungshaft auf der einen Seite und dem Zwangs- und Ordnungsgeld auf der anderen Seite zu unterscheiden: Während die Zwangs- und Ordnungshaft allein an den Geschäftsführern vollstreckt werden kann, sollen das Zwangsgeld und das Ordnungsgeld nur gegen die Gesellschaft festgesetzt werden können5. Zu folgen ist der zuerst genannten Meinung, weil die Geschäftsführer die eigentlich handelnden Personen sind (anders noch 9. Aufl. Rdnr. 28; wegen der eidesstattlichen Versicherung s. unten § 35 Rdnr. 143). Die GmbH ist schließlich auch insolvenzfähig (s. § 60 Abs. 1 Nr. 4; § 11 Abs. 1 InsO).

28

5. Schiedsgerichte a) Der Gesellschaftsvertrag kann für Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern sowie zwischen diesen unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts bestimmen. Es handelt sich dann um ein sog. angeordnetes Schiedsge-

1 Wegen der Einzelheiten s. Michalski, Rdnr. 83–85; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Michalski, Rdnr. 73; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 546 f. 3 OLG Karlsruhe, OLGR 1998, 338 = NJW-RR 1998, 1571 = NZG 1998, 779 = GmbHR 1998, 1085. 4 Brehm, NJW 1975, 249, 251; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 7. Aufl. 2003, Rdnr. 1106 (S. 618 f.); Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 890 Rdnr. 27. 5 OLG Braunschweig, JZ 1959, 94; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl. 1997, § 73 II 3 (S. 991); Michalski, Rdnr. 99.

Emmerich

|

735

29

§ 13

Juristische Person

richt i.S. des § 1066 ZPO, dem der Rechtsnachfolger eines Gründungsgesellschafters durch den Erwerb des Geschäftsanteils ohne weiteres unterworfen ist, vorausgesetzt, dass die Einsetzung des Schiedsgerichts zu den sog. körperschaftsrechtlichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages gehört1. Die Formvorschrift des § 1031 ZPO findet in diesem Fall keine Anwendung2. 30

Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn die Einsetzung des Schiedsgerichts Teil der individualrechtlichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages ist. In diesem Fall bleibt es bei der Anwendbarkeit der §§ 1025 ff. ZPO, so dass dann auch die Formvorschrift des § 1031 ZPO n.F. zu beachten ist3.

31

Schiedsgerichte zur Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten auf Grund körperschaftsrechtlicher Bestimmungen der Satzung können auch noch nachträglich durch Satzungsänderung eingeführt werden (§ 53). Mit Rücksicht auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG müssen einer derartigen Satzungsänderung indessen alle Gesellschafter zustimmen4.

32

b) Der Gesellschaftsvertrag kann einem „Schiedsgericht“ ferner die Funktion übertragen, außerhalb der zwingenden Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung unter bestimmten Voraussetzungen an deren Stelle zu entscheiden (§ 45 Abs. 2). Ein derartiges institutionelles Schiedsgericht wird nicht als Gericht, sondern als Gesellschaftsorgan tätig. Folglich gelten für diese besondere Erscheinungsform von „Schiedsgerichten“ nicht die Vorschriften der §§ 1025 ff. ZPO, sondern die des GmbH-Rechts. Der Schiedsspruch eines institutionellen Schiedsgerichts ist daher der Sache nach ein Beschluss, der mit Zugang bei den Beteiligten wirksam wird und mit der Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage angegriffen werden kann5.

IV. Handelsgesellschaft 33

1. Nach § 13 Abs. 3 gilt die GmbH als Handelsgesellschaft i.S. des HGB. Das GmbHG verweist damit auf § 6 Abs. 1 HGB, nach dem die für Kaufleute geltenden Vorschriften auch für Handelsgesellschaften gelten. Die GmbH lebt folglich, selbst wenn sie kein Handelsgewerbe betreibt, sondern z.B. ideelle Zwecke verfolgt, ohne Rücksicht auf ihre Größe (s. § 6 Abs. 2 HGB) ausschließ1 S. oben § 2 Rdnr. 37; RGZ 153, 267, 269 f. (e.V.); 165, 140, 143 f. (nicht rechtsfähiger Verein); RG, DR 1939, 1338; BGHZ 38, 155, 159 f. = NJW 1963, 203 (offen gelassen); BGHZ 48, 35, 43 = NJW 1967, 2057 (für alle juristische Personen); BGH, LM Nr. 1 zu § 199 AktG 1937 = MDR 1951, 674; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 37; Michalski, Rdnr. 91–97; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 547 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29–31; a.A. Kleinmann, BB 1970, 1076; Trotha, DB 1988, 1369; zur Zuständigkeit für die Anfechtung von Beschlüssen s. unten § 45 Rdnr. 150, 159. 2 Michalski, Rdnr. 94; str. 3 BGHZ 38, 155, 159 ff. = NJW 1963, 203; BGHZ 48, 35, 43 = NJW 1967, 2057. 4 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 37; Michalski, Rdnr. 95; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 29. 5 S. unten § 29 Rdnr. 28, 72; BGHZ 43, 261, 264 f. = NJW 1965, 1378 = GmbHR 1965, 111 = WM 1965, 422; Michalski, Rdnr. 96; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31.

736

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

lich nach Handelsrecht1. Voraussetzung ist lediglich die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister (§ 11 Abs. 1). Für die Gesellschafter und Geschäftsführer hat § 13 Abs. 3 dagegen keine Bedeutung; sie sind nicht ebenfalls automatisch Kaufleute. Als Handelsgesellschaft kann die GmbH z.B. Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte bestellen (§§ 48, 54 HGB), während ihre Arbeitnehmer Handlungsgehilfen i.S. der §§ 59 ff. HGB sind, sofern sie kaufmännische Dienste leisten2. Für die Buchführung und Rechnungslegung der Gesellschaft gelten die §§ 238, 263 ff. HGB. Außerdem sind die von ihr vorgenommenen Geschäfte Handelsgeschäfte i.S. der §§ 343 ff. HGB, da die auf natürliche Personen zugeschnittene Unterscheidung zwischen Handelsgeschäften und privaten Geschäften für die GmbH ebenso wie die Vermutung des § 344 HGB gegenstandslos ist3. Die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG ist daher gegeben, wenn der Gegenstand des Rechtsstreits für den anderen Teil gleichfalls ein Handelsgeschäft ist4.

34

2. § 13 Abs. 3 unterstellt die GmbH durch die Verweisung auf § 6 HGB nur dem Handelsrecht des HGB. Deshalb ist es eine Frage des Einzelfalls, ob die GmbH auch i.S. solcher Vorschriften, die außerhalb des HGB an die Kaufmannseigenschaft oder an das Vorliegen eines Handelsgewerbes oder eines Erwerbsgeschäftes Rechtsfolgen knüpfen, als Kaufmann zu behandeln ist5. Für die Mehrzahl der Fälle wird dies heute bejaht6. Ein Beispiel war der frühere § 196 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BGB7. Die GmbH ist ferner Unternehmen i.S. der §§ 14 Abs. 1 und 310 Abs. 1 BGB. Dagegen findet die GewO auf sie nur Anwendung, wenn sie tatsächlich ein Gewerbe betreibt.

35

V. Treuepflicht Schrifttum: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28–59; Baumgärtner, Rechtsformübergreifende Aspekte der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, 1990; Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Bungert, Die Treuepflicht des Minderheitsaktionärs, DB 1995, 1749; Burgard, Die Förder- und Treuepflicht des Alleingesellschafters, ZIP 2002, 827; Burgard, Cash Management, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 45; Dreher, Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht bei der GmbH, DStR 1993, 1632; Dreher, Treuepflichten zwischen Aktionären und Verhaltenspflichten bei der Stimmrechtsbündelung, ZHR 157 (1993), 150; Dreher, Die Schadensersatzhaftung bei Verletzung der aktienrechtlichen Treuepflicht durch Stimmrechtsausübung, ZIP 1993, 332; Fabri1 S. Heymann/Emmerich, HGB, § 6 Rdnr. 3; Michalski, Rdnr. 301–305; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 548; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 32–34. 2 BAGE 3, 321; 10, 76, 81; 18, 104, 108 f. 3 Ebenso für die OHG BGH, LM Nr. 1 zu § 406 HGB (Bl. 1 R) = NJW 1960, 1852, 1853 = WM 1960, 866; Baumbach/Hopt, HGB, § 343 Rdnr. 1; Michalski, Rdnr. 302; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33. 4 Michalski, Rdnr. 302 und Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33. 5 Heymann/Emmerich, HGB, § 6 Rdnr. 4. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Michalski, Rdnr. 305; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 34. 7 BGHZ 66, 48, 49 f. = NJW 1976, 514 „Olympische Spiele München 1972 GmbH“.

Emmerich

|

737

§ 13

Juristische Person

cius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963; Fleck, Missbrauch der Vertretungsmacht oder Treubruch des mit Einverständnis aller Gesellschafter handelnden GmbH-Geschäftsführers aus zivilrechtlicher Sicht, ZGR 1990, 31 ff.; Flume, Allg. Teil Bd. I/2, Die juristische Person, § 8 I (S. 258 ff.); Flume, Die Rechtsprechung des BGH zur Treuepflicht des GmbH-Gesellschafters und des Aktionärs, ZIP 1996, 161; Fillmann, Die Treuepflichten des Aktionärs, 1991; Fries, Familiengesellschaft und Treuepflicht, 1971; C. Götz, Auskunftserteilung durch GmbH-Geschäftsführer im Rahmen der Due Diligence beim Beteiligungserwerb, ZGR 1999, 202; Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997; B. Grunewald, Rechtswidrigkeit und Verschulden bei der Haftung von Aktionären und Personengesellschaftern, in: FS Kropff, 1997, S. 89; Chr. Hartmann, Der Schutz der GmbH vor ihren Gesellschaftern, GmbHR 1999, 1061; Häsemeyer, Obstruktion von Sanierungen und gesellschaftsrechtliche Treuepflichten, ZHR 160 (1996), 109; J. Hennrichs, Treupflichten im Aktienrecht, AcP 195 (1995), 221; Henssler, Die Haftung des Stimmrechtsvertreters, DZWiR 1995, 430; Henze, Die Treuepflicht im Aktienrecht, BB 1996, 489; Henze, Zur Treuepflicht unter Aktionären, in: FS Kellermann, 1991, S. 141; Henze, Treuepflichten im Kapitalgesellschaftsrecht, ZHR 162 (1998), 186; Henze, Treupflichtwidrige Stimmrechtsausübung, in: Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8, 1996, S. 1; Heymann/ Emmerich, HGB, § 109 Rdnr. 5–11; P. Hofmann, Die personalistische Kapitalgesellschaft, ZHR 137 (1973), 416; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26–36; Hüffer, AktG, § 53a Rdnr. 13–22; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Immenga, Bindung von Rechtsmacht durch Treuepflichten, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 189; P. Jabornegg, Die Lehre vom Durchgriff im Recht der Kapitalgesellschaften, WBl. 1989, 43; Jilg, Die Treuepflicht der Aktionäre, 1996; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 8–23; Korehnke, Treuwidrige Stimmen im Personengesellschafts- und GmbH-Recht, 1997; Kort, Zur Treuepflicht des Aktionärs, ZIP 1990, 294; Limbach, Theorie und Wirklichkeit der GmbH, 1966; M. Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 84; M. Lutter, Die Treuepflicht des Aktionärs, ZHR 153 (1989), 446; M. Lutter, Treuepflichten und ihre Anwendungsprobleme, ZHR 162 (1998), 164; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 18–29; Marsch-Barner, Treuepflichten zwischen Aktionären und Verhaltenspflichten bei der Stimmrechtsbündelung, ZHR 157 (1993), 172; Marsch-Barner, Treuepflicht und Sanierung, ZIP 1996, 853; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970; Martens, Die GmbH und der Minderheitenschutz, GmbHR 1984, 265; Martens, Treuepflicht des Aktionärs, in: K. Schmidt (Hrsg.), Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, S. 251; Michalski, Rdnr. 137–188; Th. Möllers, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht contra arbeitnehmerrechtliche Mitbestimmung, NZG 2003, 697; Nehls, Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht im Aktienrecht, 1991; K. Nissing, Eigeninteresse der Gesellschaft oder Liquidation auf kaltem Wege?, 1993; Nodoushani, Die Treuepflicht der Aktionäre und ihrer Stimmrechtsvertreter, 1997; Th. Nonn, Zustimmungspflichten des Kapitalgesellschafters, 1995; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 35–121; Priester, Die eigene GmbH als fremder Dritter, ZGR 1993, 512; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 28 Rdnr. 36–48 (S. 441 ff.); Raiser, Die Treuepflichten im GmbHRecht als Beispiel der Rechtsfortbildung, ZHR 151 (1987), 422; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 358 ff.; E. Rehbinder, Treuepflichten im GmbH-Konzern, ZGR 1976, 386; Rottnauer, Gesellschaftsrechtliche Treuebindungen bei Holdingbildung, NZG 2001, 115; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 12–31 (S. 531 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV (S. 587 ff.); K. Schmidt, Die Behandlung treuwidriger Stimmen in der Gesellschafterversammlung und im Prozess, GmbHR 1992, 9; K. Schmidt, Konzernrecht, Minderheitenschutz und GmbH-Innenrecht, GmbHR 1979, 121; U. H. Schneider/Burgard, Treupflichten im mehrstufigen Unterordnungskonzern, in: FS Ulmer, 2003, S. 579; W. Seidel, Die mangelnde Bedeutung mitgliedschaftlicher Treupflichten im Willensbildungsprozess der GmbH, 1998; Seidel/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, VGR Bd. 7, 2003; Stimpel, Die Rechtsprechung des BGH zur Innenhaftung des herrschenden Unternehmens im

738

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

GmbH-Konzern, AG 1986, 117; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970; Thöni, Zur Verantwortlichkeit des GmbH-Gesellschafters, GesRZ 1987, 82, 126; Timm, Wettbewerbsverbot und „Geschäftschancen“-Lehre im Recht der GmbH, GmbHR 1981, 177; Timm, Treuepflichten im Aktienrecht, WM 1991, 481; T. Tröger, Treuepflicht im Konzernrecht, 2000; Verhoeven, GmbH-Konzern-Innenrecht, 1978; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, VGR Bd. 7, 2003; Vorwerk/Winners, Treuebindung des Mehrheitsgesellschafters, GmbHR 1998, 717; M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, 1999; Werner, Zur Treuepflicht des Kleinaktionärs, in: FS Semler, 1993, S. 419; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970; H. P. Westermann, Schwerpunkte der Fortbildung des GmbHRechts, GmbHR 1979, 217; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten an Handelsgesellschaften, 1965; Wiedemann, GesellschaftsR I, § 8; Wiedemann, Juristische Person und Gesamthand als Sondervermögen, WM 1975 Sonderbeil. 4; S. Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 157 ff.; Chr. Windbichler, Treuepflichtwidrige Stimmrechtsausübung, in: Gesellschaftsrecht 1995, RWS-Forum 8, 1996, S. 23; Winkler, Die Lückenfüllung des GmbHRechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; M. Winter, Eigeninteresse und Treuepflicht bei der Einmann-GmbH, ZGR 1994, 570; L. Wittkowski, Haftung und Haftungsvermeidung beim Management Buy-Out, GmbHR 1990, 544; Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, 1964; Worch, Treuepflichten von Kapitalgesellschaften untereinander und gegenüber der Gesellschaft, 1983; H. Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahmen auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996, S. 75 ff.; Ziemons/Jaeger, Treuepflichten bei der Veräußerung einer Beteiligung, AG 1996, 358; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963; Zöllner, Zur Problematik der aktienrechtlichen Anfechtungsklage, AG 2000, 145; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Anh. Rdnr. 98–106.

1. Überblick Unter dem Stichwort Treuepflicht (oder: Treupflicht) fasst man heute die Vielzahl gegenseitiger Rücksichts- und Loyalitätspflichten zusammen, denen die Gesellschafter in ihrem Verhältnis untereinander und in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft ebenso wie diese in ihrem Verhältnis zu den Gesellschaftern unterworfen sind. Der Sache nach handelt es sich daher bei der „Treuepflicht“ um eine gesellschaftsrechtliche Generalklausel, aus der sich je nach den Umständen des Falles die unterschiedlichsten Pflichten der Gesellschafter wie der Gesellschaft ergeben können. Die Pflichten können von einem Schädigungsverbot und sonstigen Unterlassungspflichten (Paradigma: Wettbewerbsverbot) über Mitwirkungs- und Förderungspflichten bis hin zu Stimmpflichten bei Änderungen des Gesellschaftsvertrages reichen. Die sich aus der Treuepflicht ergebenden Einzelpflichten enden auch nicht etwa automatisch mit Auflösung der Gesellschaft, sondern bestehen, freilich in abgeschwächter Form, während der Liquidationsphase fort.

36

Im Folgenden ist zunächst zu der umstritten Grundlage der heute umfassend verstandenen Generalklausel Treuepflicht Stellung zu nehmen (unten Rdnr. 38 f.). Es folgen Ausführungen zu dem persönlichen und zeitlichen Anwendungsbereich der Treuepflicht (unten Rdnr. 39 f.), zu den allgemeinen Bestimmungsgründen für die einzelnen Ausprägungen der Treuepflicht (unten

37

Emmerich

|

739

§ 13

Juristische Person

Rdnr. 39d ff.) sowie zu den wichtigsten Fallgruppen, in denen heute die Treuepflicht im GmbH-Recht Bedeutung hat (unten Rdnr. 39h ff.). Den Abschluss bilden Ausführungen zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes der Gesellschafter oder der Gesellschaft gegen ihre wechselseitigen Treuepflichten (unten Rdnr. 47 ff.).

2. Grundlagen 38

Bei der Treuepflicht handelt es sich der Sache nach um eine gesellschaftsrechtliche Generalklausel, die heute bei sämtlichen Gesellschaften, von der BGBGesellschaft bis zur AG, das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern und ihrer Gesellschaft steuert und prägt. Darüber besteht im Ergebnis weit gehende Einigkeit. Noch nicht endgültig geklärt sind jedoch die gesetzlichen Grundlagen dieser umfassend zu verstehenden Generalklausel. Die Frage hat Bedeutung vor allem für die Kapitalgesellschaften, weniger dagegen für die Personengesellschaften, bei denen die Frage nach dem Rechtsgrund der Treuepflicht verhältnismäßig leicht unter Hinweis auf den Gesellschaftsvertrag in Verbindung mit den §§ 241, 242 und 705 BGB (§§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB) zu beantworten ist1. Dieselbe Sicht der Dinge bietet sich jedoch auch zwanglos bei der AG und der GmbH an, da nicht zweifelhaft sein kann, dass jedenfalls zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern eine rechtliche Sonderverbindung besteht, in der Raum für die gegebenenfalls „entsprechende“ Anwendung der §§ 241, 242 und 705 BGB ist2. Die Diskussion über den Rechtsgrund der Treuepflicht bei den Kapitalgesellschaftern betrifft daher in erster Linie das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern. (Nur) für dieses ist auch in der Tat bis in die jüngste Zeit immer wieder der Bestand einer rechtlichen Sonderverbindung als Grundlage der Treuepflicht bestritten worden3. Indessen geht das Gesetz in den §§ 24 und 31 Abs. 3 offenkundig selbst von dem Bestand solcher Rechtsbeziehungen aus. Zu Recht wird deshalb bei der GmbH ebenso wie jetzt bei der AG die Existenz schuldrechtlicher Beziehungen zwischen den Gesellschaftern als Grundlage einer Treuepflicht anerkannt4.

38a

Im Schrifttum gibt es zahlreiche weitere Ansätze zur Begründung der Treuepflicht. Vielfach wird insbesondere auf die Mitgliedschaft als Grundlage der Treuepflicht verwiesen oder diese einfach als eine richterrechtliche oder ge1 S. Heymann/Emmerich, HGB, § 109 Rdnr. 5 f. 2 Ebenso im Ergebnis: Burgard, ZIP 2002, 827, 834 f.; Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109, 113 ff.; Hennrichs, AcP 195 (1995), 222, 225 ff.; Henze, BB 1996, 489; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1 (S. 587 ff.); U. H. Schneider/Burgard, in: FS Ulmer, S. 579, 581 f. 3 Vgl. insbes. Flume, Allg. Teil Bd. I/2, § 8 I (S. 258 ff.); Flume, ZIP 1996, 161. 4 Grdlg. BGHZ 103, 184, 194 ff. = NJW 1988, 1579 = AG 1988, 135 „Linotype“; BGHZ 127, 107, 111 ff. = NJW 1994, 3094 = AG 1994, 559 „BMW“; BGHZ 129, 136, 142 ff. = NJW 1995, 1739 = LM Nr. 2 zu § 53a AktG = AG 1995, 368 „Girmes“; insbes. BGHZ 142, 167, 169 ff. = NJW 1999, 3197 = AG 1999, 517 = ZIP 1999, 1444 „Hilgers“; BGH, LM Nr. 23 zu § 13 GmbHG (Bl. 2 R ff.) = NJW 1992, 368 = GmbHR 1992, 104 = ZIP 1991, 1584; LM Nr. 4 zu § 183 AktG = NJW 1992, 3167 = AG 1993, 28, 31 f. = WM 1992, 1812 „IBH/Scheik Kamel“; BGHZ 155, 329 = NJW 2003, 3127 = GmbHR 2003, 1051 m. Komm. Bormann; OLG Düsseldorf, NZG 2005, 633, 635.

740

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

wohnheitsrechtliche Generalklausel bezeichnet, die in Ergänzung des geschriebenen Rechts die vielfältigen Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern prägt und steuert1. Häufig handelt es sich dabei aber nur um unterschiedliche Akzentsetzungen. Fest steht jedenfalls die zentrale Rolle, die den §§ 241, 242 und 705 BGB (notwendigerweise) bei der Konkretisierung der Generalklausel Treuepflicht zukommt. In Österreich bricht sich nach anfänglichem Zögern der Praxis gleichfalls immer mehr der Gedanke Bahn, dass die Gesellschafter nicht allein gegenüber der Gesellschaft, sondern ebenso untereinander zur Rücksichtnahme verpflichtet sind2.

3. Anwendungsbereich Die Gesellschafter unterliegen der Treuepflicht während der gesamten Zeit ihrer Mitgliedschaft und des Bestandes der Gesellschaft. Die Zeitspanne, in der die Treuepflicht zu beachten ist, beginnt folglich (spätestens) mit Gründung der Gesellschaft durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages (§ 2) und dauert über die Auflösung der Gesellschaft hinaus während des Liquidationsstadiums bis zum Erlöschen der Gesellschaft fort (s. oben Rdnr. 6 f.). Wichtig ist vor allem die Geltung der Treuepflicht bereits während des Bestandes der Vorgesellschaft, woraus sich z.B. die Pflicht eines Gesellschafters ergeben kann, an der Beseitigung von Gründungsmängeln durch Änderung des Gesellschaftsvertrages mitzuwirken, wenn anders eine Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nicht möglich ist (§§ 242, 705 BGB)3. Das Ausscheiden eines Gesellschafters, insbesondere im Wege der Veräußerung seines Geschäftsanteils, bedeutet gleichfalls nicht notwendig das Ende seiner Treuepflicht gegenüber seinen (früheren) Mitgesellschaftern und der Gesellschaft; vielmehr kommen hier ebenso wie bei anderen Rechtsverhältnissen durchaus nachwirkende Treuepflichten in Betracht, insbesondere in Gestalt von Geheimhaltungspflichten und Wettbewerbsverboten4.

39

Neuerdings werden ferner so genannte vormitgliedschaftliche Treuebindungen gegenüber den (zukünftigen) Mitgesellschaftern diskutiert5. Es geht dabei um durchaus unterschiedliche Fallgestaltungen. Zunächst ist hier an das Vorgrün-

39a

1 Henze, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 1, 7 ff.; Henze, ZHR 162 (1998), 186, 191; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 166; Michalski, Rdnr. 141; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 28 Rdnr. 36 ff. (S. 441 f.); Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 12 ff. (S. 531 f.); Tröger, Treupflicht, passim; M. Weber, Treubindungen, S. 26 ff. und passim; Windbichler, in: Gesellschaftsrecht, 1995, S. 23, 35 ff. 2 OGH, SZ Bd. 53 (1980) Nr. 172, S. 779, 782 ff. = GesRZ 1981, 44 = GmbHR 1984, 235; SZ Bd. 60 (1987 II) Nr. 285, S. 773, 776 ff.; OGH, WiBl. 1989, 222; JBl. 1989, 253, 255; EvBl. 1992 Nr. 103 = ÖJZ 1992, 447, 451; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 8, 18 ff.; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 358 ff. 3 S. oben § 11 Rdnr. 43; M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, 1999, S. 226 ff. 4 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39, 45; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV 1b (S. 588 f.). 5 S. im Einzelnen Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, 1999; Wittkowski, GmbHR 1990, 545, 549; Ziemons/ Jaeger, AG 1996, 358.

Emmerich

|

741

§ 13

Juristische Person

dungsstadium der Gesellschaft zu denken. Soweit die Parteien einen Vorvertrag, gerichtet auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages für eine GmbH, abgeschlossen haben, versteht es sich von selbst, dass in dieser Beziehung auch § 242 BGB zu beachten ist (s. oben § 2 Rdnr. 78 ff.). Vormitgliedschaftliche Treuepflichten werden außerdem vor allem noch im Zusammenhang mit dem Kontrollwechsel bei der Gesellschaft erörtert. Stichworte sind der Pakethandel, insbesondere also die Veräußerung einer Mehrheitsbeteiligung, feindliche Übernahme und Management Buy-out1. Dahinter steht die Vorstellung, dass in diesen Fällen jenseits des neuen WpÜG von 20012 auch Treuepflichten gegenüber der (zukünftigen) Gesellschaft und den früheren oder zukünftigen Mitgesellschaftern denkbar seien, woraus dann im Einzelnen Informations- und Rücksichtspflichten sowie ein Schädigungsverbot abgeleitet werden. Bedeutung hat von diesen Fällen bei der GmbH in erster Linie der Veräußerung einer Mehrheitsbeteiligung. Die Treuepflicht des Mehrheitsgesellschafters bildet hier die Grundlage für eine durchaus ernstzunehmende Konzernbildungskontrolle3, da sich aus ihr sehr wohl auch die Verpflichtung ergeben kann, von der Veräußerung einer Mehrheitsbeteiligung an einen bestimmten Dritten abzusehen, wenn dadurch die Gefahr begründet wird, dass die Gesellschaft in Abhängigkeit von diesem Dritten gerät. Allein am Maßstab der Treupflicht orientiert sich auch, in welchem Umfang ein Gesellschafter, der seine Beteiligung an einen Dritten veräußern will, diesem gegenüber zur Auskunftserteilung über die Gesellschaft berechtigt ist4. In Konzernsachverhalten kann die Treuepflicht schließlich auch Dritte erfassen, selbst wenn sie nicht unmittelbar an der Gesellschaft beteiligt sind. Paradigma ist die Beziehung zwischen einer Muttergesellschaft und einer Enkelgesellschaft, an der die Mutter nur mittelbar über andere Gesellschaften beteiligt ist5. 39b

Einen Sonderfall bildet die Einpersonengesellschaft. Weil ihr einziger Gesellschafter jederzeit Zweck und Gegenstand der Gesellschaft ändern sowie deren Auflösung beschließen kann (§§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 53, 60 Abs. 1 Nr. 2), wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass den einzigen Gesellschafter gegenüber „seiner“ Gesellschaft keine Treuepflicht treffe, dass er mit anderen Worten bei seinen Maßnahmen keine Rücksicht auf seine Gesellschaft zu nehmen brauche6. Die Frage ist umstritten, weil die Gesellschaft – als juristische Person – nicht mit ihrem Gesellschafter identifiziert werden darf7. Unberührt bleibt auf 1 S. Tröger, Treupflicht, 2000; M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindungen, 1999; Wittkowski, GmbHR 1990, 544; Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358. 2 BGBl. I, 3822. 3 S. unten Anh. § 13 Konzernrecht Rdnr. 41 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 70 ff.; Tröger, Treupflicht, 2000. 4 S. im Einzelnen C. Götze, ZGR 1999, 202, 212 ff. 5 S. Tröger, Treupflicht, S. 37 ff.; U. H. Schneider/Burgard, in: FS Ulmer, S. 579, 582 ff. 6 Insbes. BGHZ 122, 333, 336 = NJW 1993, 1922 = GmbHR 1993, 427 = ZIP 1993, 917; BGHZ 142, 92, 95 = NJW 1999, 2817 = ZIP 1999, 1352 = GmbHR 1999, 921; OLG Brandenburg, GmbHR 1997, 1147; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 28 Rdnr. 38 (S. 442); Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 38; Michalski, Rdnr. 144. 7 S. Burgard, ZIP 2002, 827, bes. 835 ff.; Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1062; Priester, ZGR 1993, 512; Schnauder/Müller-Christmann, JuS 1998, 980; Ulmer, ZHR 148 (1984), 1418; M. Winter, ZGR 1994, 570.

742

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

jeden Fall die Haftung des einzigen Gesellschafters wegen existenzvernichtender Eingriffe nach der Vulkan-Doktrin1. Entsprechend ihrer Grundlage in den §§ 242 und 705 BGB ist die Treuepflicht in ihrem Kern zwingend. Die Ausgestaltung der aus ihr von Fall zu Fall fließenden Rücksichts-, Loyalitäts- und Mitwirkungspflichten unterliegt jedoch der Disposition der Gesellschafter2. Denn im Kern geht es bei der Treuepflicht der Gesellschafter um ihre (an sich selbstverständliche) Bindung an den Zweck und den Gegenstand der Gesellschaft bei allen innergesellschaftlichen Maßnahmen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2)3. Zweck und Gegenstand der Gesellschaft unterliegen jedoch der Disposition der Gesellschafter (§ 33 BGB; § 53 GmbHG), die daher jederzeit zusammen mit dem Zweck oder dem Gegenstand der Gesellschaft auch die daraus abgeleitete Treuepflicht ändern können. Eine unübersteigbare Schranke setzt ihnen lediglich das Verbot existenzgefährender Eingriffe (unten Rdnr. 98 ff.). Anders ist die Rechtslage jedoch soweit es um so genannte punktuelle Vertrags- oder Satzungsdurchbrechungen (Einzelfall) geht. Unter bestimmten Voraussetzungen werden heute derartige Vertragsdurchbrechungen selbst dann zugelassen, wenn nicht alle förmlichen Voraussetzungen für eine Vertragsänderung nach den §§ 53 und 54 erfüllt sind4. Soweit hiernach eine wirksame „Satzungsdurchbrechung“ vorliegt, wird daher durch sie auch der Umfang der Treuepflicht modifiziert5. Schließlich gibt es noch eine Vielzahl von Fällen, in denen für die Befreiung eines Gesellschafters von einer sich aus der Treuepflicht ergebenden Verpflichtung ein einfacher Gesellschafterbeschluss genügt. Beispiele sind die Befreiung von einem Wettbewerbsverbot oder von Geheimhaltungspflichten. Auch bei der Fassung derartiger Beschlüsse bleibt die Mehrheit jedoch zum Schutze der Minderheit an die Treuepflicht gebunden, so dass die Beschlüsse einer Inhaltskontrolle an den Maßstäben der Treuepflicht, insbesondere der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit unterliegen6.

39c

4. Maßstäbe Bei der Treuepflicht handelt es sich im Kern um eine gesellschaftsrechtliche Generalklausel, die heute die gesamten Beziehungen zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft steuert und prägt. Aus ihr können sich mit von Fall zu Fall unterschiedlichem Gewicht sowohl Schranken für die Ausübung gesellschaftlicher Rechte und Befugnisse als auch zusätzliche Pflichten zur Förderung des Gesellschaftszwecks ergeben (§§ 241, 242, 705 BGB), die meistens als 1 S. unten Rdnr. 98 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 14 (S. 531 f.); viel weiter Burgard, ZIP 2002, 827, bes. 835 ff. 2 S. Fleck, ZGR 1990, 31; C. Götze, ZGR 1999, 202, 227 ff.; Hartmann, GmbHR 1999, 1061; Michalski, Rdnr. 147; M. Winter, ZGR 1994, 570, 582 ff. 3 Ebenso Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1062 f.; M. Winter, ZGR 1994, 570, 582 ff. 4 S. unten § 53 Rdnr. 26 ff.; insbes. BGHZ 123, 15, 19 f. = NJW 1993, 2246 = GmbHR 1993, 497; Habersack, ZGR 1994, 354; Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1063 f.; Tieves, ZIP 1994, 1341. 5 Sehr eng Burgard, ZIP 2002, 827, 832 ff., 836 ff. 6 S. dazu C. Götze, ZGR 1999, 202, 227 ff.; Hartmann, GmbHR 1999, 1061, 1063 ff.

Emmerich

|

743

39d

§ 13

Juristische Person

Mitwirkungs- oder Loyalitätspflichten umschrieben werden und im Einzelfall bis zu der Pflicht reichen können, bestimmten Änderungen des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen, wenn nur so die weitere Verfolgung des Gesellschaftszwecks möglich erscheint (s. unten Rdnr. 46 f.). Die genaue Reichweite der sich aus der Treuepflicht ergebenden Schranken und Pflichten kann immer nur im Einzelfall auf Grund einer umfassenden Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen der Gesellschafter und der Gesellschaft bestimmt werden, wobei die unterschiedlichsten Gesichtspunkte Bedeutung erlangen1. Dasselbe gilt umgekehrt für die Bestimmung der sich für die Gesellschaft aus der Treuepflicht gegenüber den Gesellschaftern ergebenden Pflichten; insbesondere an das Gleichbehandlungsgebot ist dabei zu denken (s. § 53a AktG)2. 39e

Fundamental für die Bestimmung der sich aus der Treuepflicht ergebenden Pflichten der Gesellschafter ist zunächst die Unterscheidung zwischen uneigennützigen oder Pflichtrechten der Gesellschafter auf der einen Seite und den eigennützigen Rechten auf der anderen Seite3. Zu den uneigennützigen Rechten gehören insbesondere die Mitverwaltungsrechte der Gesellschafter einschließlich ihres Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung. Bei der Ausübung dieser Rechte haben sich die Gesellschafter ausschließlich von den Interessen der Gesellschaft leiten zu lassen (§ 705 BGB). Geht es um die Abstimmung über Maßnahmen, die in die Rechtsstellung der Mitgesellschafter eingreifen, so müssen außerdem die sich aus der Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern ergebenden Rücksichts- und Loyalitätspflichten beachtet werden4. Die Folge ist, dass selbst bei Maßnahmen, die im Interesse der Gesellschaft dringend geboten sein mögen, allein der in die Rechte der übrigen Mitgesellschafter am wenigstens eingreifende Weg gewählt werden darf. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt hier, anders gewendet, in seiner ganzen Strenge, so dass derartige Maßnahmen nur zulässig sind, wenn sie geeignet und erforderlich sind. Bei einem Verstoß gegen diese Maßstäbe ist der fragliche Gesellschafterbeschluss jedenfalls anfechtbar (§ 243 Abs. 1 AktG; § 242 BGB; s. unten Rdnr. 47 ff.).

39f

Anders ist die Situation dagegen bei den so genannten eigennützigen Rechten oder Befugnissen der Gesellschafter, d.h. bei solchen Rechten, die ihnen in erster Linie in ihrem eigenen Interesse eingeräumt sind. Beispiele sind neben dem Gewinnbezugsrecht (§ 29) ein etwaiges Austritts- oder Kündigungsrecht sowie besondere Mitverwaltungsrechte auf Grund des Gesellschaftsvertrags wie etwa Entsendungs- oder Zustimmungsrechte und sonstige Sonderrechte (§ 35 BGB). Bei der Wahrnehmung dieser Rechte braucht der begünstigte Gesellschaf-

1 S. zum Folgenden insbes. OLG Düsseldorf, NZG 2005, 633, 635 f.; Henze, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 1, 12 ff.; Lutter, ZHR 162 (1998), 164 ff.; Michalski, Rdnr. 146 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 28 Rdnr. 40 ff. (S. 443 f.); Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40 f.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 15 ff. (S. 532 ff.); Windbichler, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 23, 37 ff.; Zöllner, AG 2000, 145, 153 ff.; s. auch 9. Aufl., § 14 Rdnr. 53. 2 S. im Einzelnen unten § 14 Rdnr. 40 ff. 3 S. OLG Düsseldorf, NZG 2005, 633, 635 f., sowie schon Heymann/Emmerich, § 109 Rdnr. 7 m.N. 4 S. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 41, 84; Zöllner, AG 2000, 145, 153 ff.

744

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

ter seine eigenen Interessen grundsätzlich nicht hinter denen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter zurückzustellen, bleibt jedoch im Übrigen an die Treuepflicht gebunden, so dass im Einzelfall eine Abwägung erforderlich werden kann, die bei einem deutlichen Überwiegen der Interessen der Mitgesellschafter oder der Gesellschaft durchaus dazu führen kann, dass der Gesellschafter auf seine Rechte ganz oder partiell, auf Dauer oder vorübergehend verzichten muss, wenn ihm dies zumutbar ist und andernfalls der Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern unverhältnismäßig schwere Nachteile drohten1. Auf außergesellschaftliche Interessen der Mitgesellschafter brauchen die Gesellschafter dagegen bei Wahrnehmung ihrer Rechte in der Gesellschaft generell keine Rücksicht zu nehmen2. Weitere Topoi, die mit von Fall zu Fall unterschiedlichem Gewicht bei der Konkretisierung der Treuepflicht zu berücksichten sind, bilden neben dem Zweck und dem Gegenstand der Gesellschaft (§ 705 BGB) insbesondere noch ihre Realstruktur, die Machtverhältnisse in ihr, die Art der fraglichen Maßnahme sowie deren Bedeutung für die Gesellschaft und die Mitgesellschafter (s. schon oben Rdnr. 39f). Daraus folgt z.B., dass die Treuepflicht eines Gesellschafters um so größer ist, je stärker der personalistische Charakter der Gesellschaft ausgeprägt ist. Die Treuepflicht eines Gesellschafters nimmt außerdem mit dem Maß seines Einflusses in der Gesellschaft zu. Besonders weit gehende Treuepflichten treffen infolgedessen den Mehrheitsgesellschafter, so dass er bei der Einflussnahme auf die Geschäftsführung sowie bei der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung auf die Interessen der Gesellschaft und der Minderheit umfassend Rücksicht nehmen und jeden unnötigen oder übermäßigen Eingriff in deren Rechte vermeiden muss. Das GmbH-Konzernrecht hat nicht zuletzt hier seine Grundlage3. Selbst die Änderung der Struktur einer Gesellschaft findet daher an der Treuepflicht, konkret an den sich aus ihr ergebenden Rücksichtspflichten gegenüber der Minderheit, ihre Schranken4. Aber auch die Minderheitsgesellschafter können Treuepflichten treffen. Sie werden vor allem dann akut, wenn ihre Mitwirkung zur Änderung des Gesellschaftervertrages, zur Abberufung von Geschäftsführern oder zur Sanierung der Gesellschaft dringend nötig ist5. 1 OLG Düsseldorf, NZG 2005, 633, 635 f. 2 BGH, LM Nr. 4 zu § 183 AktG = NJW 1992, 3167 = AG 1993, 28, 31 f. „IBH/Scheik Kamel“. 3 S. unten Anh. § 13 Konzernrecht Rdnr. 71 ff.; insbes. Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 2000. 4 Grdlg. OLG Stuttgart, AG 2000, 229, 230 ff. = NZG 2000, 159 „Breuninger-Gruppe“; Rottnauer, NZG 2001, 115. 5 S. unten Rdnr. 46; grdlg. BGHZ 129, 136, 142 ff. = NJW 1995, 1739 = LM Nr. 2 zu § 53a AktG = AG 1995, 368 „Girmes“; OLG Stuttgart, AG 2000, 229 = NZG 2000, 159 „Breuninger-Gruppe“; s. dazu z.B. Gaiser, GmbHR 1999, 210, 214 f.; Grunewald, in: FS Kropff, S. 89; Dreher, ZHR 157 (1993), 150; Dreher, ZIP 1993, 332; Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 244 ff.; Henssler, DZWiR 1995, 430; Henze, BB 1996, 489; Henze, ZHR 162 (1998), 186, 191 ff.; Henze, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 1; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 170 ff.; Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172; MarschBarner, ZIP 1996, 853; Rottnauer, NZG 2001, 115; Windbichler, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 23; Zöllner, AG 2000, 145, 153 ff.; ablehnend Flume, ZIP 1996, 161.

Emmerich

|

745

39g

§ 13

Juristische Person

5. Fallgruppen1 40

Die möglichen Anwendungsfälle der Treuepflicht, einer letztlich auf § 242 BGB fußenden gesellschaftsrechtlichen Generalklausel, sind nahezu unübersehbar. Die folgenden Ausführungen beschränken sich deshalb auf die wichtigsten Fallgruppen, die sich in der bisherigen Rechtsprechung zur Treuepflicht herausgebildet haben. Dabei empfiehlt sich eine Gliederung in Geschäftsführungsmaßnahmen (unten Rdnr. 41 ff.) und sonstige Maßnahmen (unten Rdnr. 43 f.). Eine besondere Problematik stellen schließlich die aus der Treuepflicht von Fall zu Fall abgeleiteten Stimmpflichten der Gesellschafter dar (unten Rdnr. 46 f.). a) Geschäftsführungsmaßnahmen

41

Die Befugnisse der Gesellschafter zur Mitwirkung an der Geschäftsführung bilden den Kern ihrer so genannten uneigennützigen Rechte. Die Gesellschafter sind daher verpflichtet, sich bei der Ausübung dieser Befugnisse ausschließlich von dem Interesse der Gesellschaft leiten zu lassen2. Daraus ergeben sich vor allem Schranken für die Ausübung der Mehrheitsherrschaft3, so dass die Mehrheit bei der Ausübung ihrer Rechte durchgängig angemessene Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange der Minderheit nehmen und eine unnötige Schädigung der Minderheit vermeiden muss. Ebenso wenig ist es der Mehrheit gestattet, gesellschaftsfremde Sondervorteile für sich oder einen anderen zum Nachteil der Gesellschaft und der anderen Gesellschafter zu verfolgen4. Dagegen verstößt z.B. eine von der Mehrheit beschlossene Auflösung der Gesellschaft allein zu dem Zweck, dem Mehrheitsgesellschafter in der Abwicklung unter Ausschluss anderer Interessenten den Zugriff auf den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft zu ermöglichen oder ihn von lästigen Pflichten gegenüber der Gesellschaft zu befreien5. Die Treuepflicht zieht auch dem Recht der Gesellschafter, Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen, Prokuristen und Handelungsbevollmächtigte zu bestellen oder abzuberufen sowie Aufsichtsratsmitglieder zu entsenden, unübersteigbare Schranken, wenn die Bestellung oder Abberufung mit dem Gesellschaftsinteresse unvereinbar ist oder übermäßig in die Belange des betroffenen Gesellschaftergeschäftsführers eingreift6. Trotz des § 38 Abs. 1 darf daher ein Gesellschaftergeschäftsführer im Regelfall nicht grundlos, sondern nur dann 1 S. zum Folgenden insbes. noch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 43–59; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32–35; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19–25; Michalski, Rdnr. 149–180; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43–92; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 15–29 (S. 532 ff.). 2 Grdlg. BGHZ 65, 15, 19 f. = NJW 1976, 191 = GmbHR 1975, 269 = AG 1976, 16 „ITT“; BGHZ 142, 167, 169 f. = NJW 1999, 3197 = AG 1999, 517 = GmbHR 1999, 921 „Hilgers“; Michalski, Rdnr. 155 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 48, 57. 3 BGHZ 65, 15, 19 f. = NJW 1976, 191 = GmbHR 1975, 269 = AG 1976, 16 „ITT“; BGHZ 142, 167, 169 f. = NJW 1999, 3197 = AG 1999, 517 = GmbHR 1999, 921 „Hilgers“; zum Konzernrecht s. unten Anh. § 13. 4 Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 25 (S. 536). 5 BGHZ 76, 352, 355 ff. = NJW 1980, 1278; BGHZ 103, 184, 193 ff. = NJW 1988, 1579 = AG 1988, 135 „Linotype“. 6 S. Michalski, Rdnr. 56; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 50, 58; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 22 (S. 534).

746

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

abberufen werden, wenn dafür ein sachlicher Grund vorliegt1. Dagegen verstößt z.B. evident die grundlose Abberufung eines Gesellschaftergeschäftsführers nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit, wenn mit ihr nur der Zweck verfolgt wird, den Geschäftsführer und Bruder des anderen Gesellschafters aus der Gesellschaft zu verdrängen2. Dieselben Schranken sind bei der Wahl der Abschlussprüfer3 sowie bei der Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer zu beachten4. Umgekehrt kann sich von Fall zu Fall aus der Treuepflicht aber auch die Verpflichtung der Gesellschafter ergeben, bei der Abberufung untragbarer Geschäftsführer aus wichtigem Grunde oder bei der Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer mitzuwirken5. Die Veranlassung der Geschäftsführer zur Führung aussichtsloser Prozesse stellt gleichfalls einen Verstoß gegen die Treuepflicht dar6. Die Treuepflicht ist ferner zu beachten bei der Feststellung des Jahresabschlusses (§§ 42a Abs. 1 Satz 1, 46 Nr. 1), an der die Gesellschafter daher zumindest mitwirken müssen, sowie bei der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung (§ 29 Abs. 1). Im Gewinnverwendungsbeschluss muss deshalb gleichermaßen angemessene Rücksicht auf die Liquiditätsbedürfnisse der Gesellschaft wie auf die Interessen der Gesellschafter an der Auszahlung des Gewinnes genommen werden. Eine übermäßige Rücklagenbildung verstößt schon aus diesem Grunde gegen die Treuepflicht7. Vor allem aber ergibt sich aus der Treuepflicht ein umfassendes Schädigungsverbot für die Gesellschafter, denen es untersagt ist, ihrem gemeinsamen Unternehmen zum Nachteil der Mitgesellschafter grundlos Schäden zuzufügen, z.B. durch unnötige kreditschädigende Äußerungen8. Der wichtigste Anwendungsfall des Schädigungsverbotes ist heute das Konzernrecht, wo es der Mehrheitsherrschaft die zum Schutze der Minderheit nötigen Schranken zieht (s. im Einzelnen unten Anh. § 13 Konzernrecht Rdnr. 71 ff.). Erweist sich eine Sanierung der Gesellschaft zur Rettung des gemeinsamen Unternehmens als unerlässlich, so sind auch die Minderheitsgesellschafter zur Mitwirkung verpflichtet, soweit ihnen dies zumutbar ist (s. schon oben Rdnr. 39g). Dasselbe gilt in engen Grenzen für sonstige Strukturänderungen9.

1 S. unten § 38 Rdnr. 18; insbes. OLG Zweibrücken, NZG 1998, 385 = GmbHR 1998, 373; NJW-RR 2003, 1398 = GmbHR 2003, 1206. 2 BGH, DStR 1994, 214 m. Anm. Goette; zustimmend Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 168 f. 3 S. BGH, GmbHR 1991, 568, 569. 4 OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175 f.; OLG Frankfurt, GmbHR 1997, 346, 347 f. 5 S. OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 34 f. „Cats“; OLG Frankfurt, GmbHR 1997, 346, 348; OGH SZ Bd. 60 (1987 II) Nr. 285, S. 773, 776 ff.; s. unten § 47 Rdnr. 31, § 53 Rdnr. 37. 6 OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175 f. = ZIP 1994, 619 = DB 1993, 2474. 7 S. unten § 29 Rdnr. 70 ff.; Michalski, Rdnr. 157; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 61. 8 OLG Dresden, NZG 1999, 1220, 1221; Michalski, Rdnr. 160; Burgard, ZIP 2002, 827, 833 ff. 9 S. OLG Stuttgart, AG 2000, 229 = NZG 2000, 159 „Breuninger Gruppe“; OLG Karlsruhe, GmbHR 2003, 1359 = NZG 2003, 429; Michalski, Rdnr. 158; Rottnauer, NZG 2001, 115.

Emmerich

|

747

42

§ 13

Juristische Person

b) Sonstige Maßnahmen 43

Die Treuepflicht ist am stärksten ausgeprägt bei der Ausübung uneingennütziger Rechte der Gesellschafter, insbesondere also bei ihrer Mitwirkung an der Geschäftsführung (oben Rdnr. 41 f.). Hier haben die Interessen der Gesellschaft unbedingten Vorrang. Anders verhält es sich dagegen bei sonstigen Maßnahmen, vor allem bei der Wahrnehmung der ihnen in ihrem Interesse eingeräumten Rechte. Hier besteht keine Verpflichtung, die eigenen Interessen generell hinter denen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter zurückzustellen (oben Rdnr. 39f). Unberührt bleiben jedoch die Geltung des Schädigungsverbotes sowie die Verpflichtung der Gesellschafter, immer angemessene Rücksicht auf die legitimen Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter zu nehmen. Die Folge ist, dass sich im vorliegenden Zusammenhang die genaue Reichweite der Treuepflicht durchweg nur von Fall zu Fall auf Grund einer Interessenabwägung präzisieren lässt. Für die Gesellschafter kann sich in Ausnahmefällen daraus sogar die Verpflichtung ergeben, vorübergehend oder endgültig auf die Durchsetzung von Ansprüchen auf Auszahlung von Gewinnen oder auf Rückzahlung eines Darlehens zu verzichten, sofern von der Auszahlung dieser Beträge der Gesellschaft schwere Schäden drohen und dem Gesellschafter der Verzicht zumutbar ist1. Statt dessen müssen sie dann der nötigen Rücklagebildung zustimmen (s. unten § 29 Rdnr. 71b). Die Treuepflicht zieht ferner einer rücksichtslosen Durchsetzung des Auskunfts- und Einsichtsrechts der Gesellschafter auf Grund des § 51a Schranken, sofern davon unverhältnismäßige Nachteile für die Gesellschaft zu befürchten sind (s. unten § 51a Rdnr. 32 ff., bes. 36 f.)2. Nichts anderes gilt schließlich für die Wahrnehmung gesellschaftsvertraglicher Kündigungs- oder Austrittsrechte wie für die Erhebung der Auflösungsklage (unten Rdnr. 44).

44

Das Gesetz billigt der Minderheit die Auflösungsklage zwar grundsätzlich zu, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§ 61 Abs. 1). Gleichwohl zieht auch hier die Treuepflicht der Befugnis der Minderheit zur Erhebung der Auflösungsklage Schranken (s. unten § 61 Rdnr. 3). Die Klageerhebung ist insbesondere treuwidrig, wenn die Ausschließung des oder der Kläger aus wichtigem Grunde gerechtfertigt ist3 oder wenn ihren Belangen in einer für sie zumutbaren Weise durch eine für die anderen Gesellschafter weniger einschneidende Maßnahme Rechnung getragen werden kann, insbesondere durch Übernahme ihrer Geschäftsanteile zum vollen Wert4. Entsprechendes gilt für die Ausübung eines vertragsmäßigen Kündigungsrechts. Umgekehrt kann die Treuepflicht einem Gesellschafter aber auch gebieten, seinerseits an einem unausweichlich gewordenen Auflösungsbeschluss mitzuwirken, wenn nur so die Investitionen der Gesellschafter wenigstens partiell gerettet werden können (s. unten § 60 Rdnr. 16). Die Ausschließung eines Gesellschafters kommt wegen der gegen1 S. unten Rdnr. 45b, § 29 Rdnr. 71b; OLG Karlsruhe, GmbHR 2003, 1359, 1360 = NZG 2003, 429; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 19 (S. 533). 2 Michalski, Rdnr. 161; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65. 3 BGHZ 80, 346, 348 f. = NJW 1981, 2302. 4 BGH, NJW 1985, 1901 = WM 1985, 916; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 69; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 21 (S. 533 f.).

748

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

seitigen Treuepflicht der Gesellschafter nur als letztes Mittel in Betracht, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen (s. im Einzelnen unten Anh. § 34 Rdnr. 21 ff.). Unter dieser Voraussetzung kann sich jedoch für die übrigen Gesellschafter aus der Treuepflicht auch die Pflicht ergeben, bei der Ausschließung mitzuwirken1. Bedürfen die Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag zur Abtretung von Geschäftsanteilen der Zustimmung der Mitgesellschafter (s. § 15 Abs. 5), so müssen diese bei der Entscheidung über die Zustimmung angemessene Rücksicht auf die legitimen Interessen desjenigen Gesellschafters nehmen, der seinen Geschäftsanteil veräußern will. Sie dürfen daher die Zustimmung z.B. zur Veräußerung eines Geschäftsanteils an einen Angehörigen des Gesellschafters nicht grundlos, willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen verweigern2. Die Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils nach § 34 Abs. 2 oder die Geltendmachung des Erwerbsrechts an einem Geschäftsanteil (s. unten § 15 Rdnr. 51) ist treuwidrig, wenn die Gesellschaftermehrheit oder der Erwerbsberechtigte den dafür nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen Grund treuwidrig selbst herbeigeführt hat (s. § 162 BGB) oder wenn der Mehrheitsgesellschafter oder der Erwerbsberechtigte seinerseits selbst aus wichtigem Grunde ausgeschlossen werden könnte3. Die Erhebung der Anfechtungsklage kann gleichfalls treuwidrig sein, wenn sie aus illoyalen, grob eigennützigen Gründen erfolgt4.

45

Aus der Treuepflicht können sich ferner Aufklärungspflichten gegenüber den Mitgesellschaftern ergeben5. Besonders wichtig ist dies in Konzernbeziehungen, da der Minderheit hier die Wahrnehmung ihrer Rechte von vornherein nur möglich ist, wenn sie über die Beteiligungsverhältnisse und die sich daraus ergebenden Machtverhältnisse von der Mehrheit rechtzeitig und vollständig informiert wird6. Offen gelegt werden müssen außerdem Treuhandverhältnisse7 sowie sonstige Interessenkonflikte, aus denen sich Gefahren für die Gesellschaft und die Mitgesellschafter ergeben können, selbst wenn nicht die Voraussetzungen des § 47 Abs. 4 erfüllt sind. Beabsichtigt ein Gesellschafter die Veräußerung seines Geschäftsanteils, so muss er die Mitgesellschafter zutreffend über die Person des Erwerbers und dessen Verhältnisse informieren, insbesondere, wenn die Zustimmung der Mitgesellschafter erforderlich ist (§ 15 Abs. 5; s. auch oben Rdnr. 45). Entsprechendes gilt, wenn ein Gesellschafter einem Dritten eine Unterbeteiligung an seinem Geschäftsanteil einräumen will.

45a

1 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 69; Michalski, Rdnr. 162. 2 S. unten § 15 Rdnr. 127; OLG Hamm, NZG 2000, 1185, 1186 f.; Michalski, Rdnr. 171; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 27 (S. 537); zur Informationspflicht s. unten Rdnr. 45a. 3 Vgl. für die KG BGHZ 30, 195, 201 f. = NJW 1959, 1683. 4 S. unten § 45 Rdnr. 137; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 66. 5 S. Michalski, Rdnr. 173; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 52. 6 S. unten Anh. § 13 Konzernrecht Rdnr. 40; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, § 20 Rdnr. 12. 7 OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 = DB 1993, 1030 = DB 1993, 1081 = NJW-RR 1993, 868.

Emmerich

|

749

§ 13 45b

Juristische Person

Nur mit deutlichen Einschränken gilt die Treuepflicht dagegen bei so genannten Drittgeschäften, d.h. bei Geschäften zwischen dem Gesellschafter und seiner Gesellschaft auf Grund zusätzlicher Austauschverträge, z.B. bei einem Kaufvertrag über ein Betriebsgrundstück oder bei Gewährung eines Darlehens1. Der Gesellschafter wird daher hier durch die Treuepflicht nicht grundsätzlich daran gehindert, sich auf die etwaige Formnichtigkeit eines Kaufvertrages mit der Gesellschaft zu berufen, selbst wenn die Gesellschaft des Grundstücks als Betriebsgelände bedarf2. Maßgebend sind aber immer die Umstände des Einzelfalls, so dass aus der Treuepflicht im Einzelfall durchaus auch die Verpflichtung folgen kann, von vertraglichen Rechten keinen Gebrauch zu machen, wenn davon der Gesellschaft schwere, vermeidbare Schäden drohen3. Aus der Treuepflicht kann sich schließlich noch von Fall zu Fall ein Wettbewerbsverbot sowie das Verbot für die Gesellschafter ergeben, Geschäftschancen der Gesellschaft auf sich überzuleiten (wegen der Einzelheiten s. schon oben § 3 Rdnr. 88, 92 ff.). c) Insbesondere Stimmpflichten4

46

Wie weiter unten im Einzelnen ausgeführt (s. unten § 45 Rdnr. 113, § 47 Rdnr. 31), kann sich selbst bei den Kapitalgesellschaften aus der Treuepflicht für die Gesellschafter die Verpflichtung ergeben, nicht nur an einem Gesellschafterbeschluss überhaupt mitzuwirken, sondern dabei auch in einem bestimmten Sinne abzustimmen, sofern der Beschluss im Interesse der Gesellschaft und der Mitgesellschafter unabdingbar notwendig und für den betroffenen Gesellschafter zumutbar ist. In der Rechtsprechung ist dies insbesondere wiederholt für unaufschiebbare Anpassungen des Vertrages an Gesetzesänderungen angenommen worden5. Stimmpflichten bestehen indessen nicht nur in derartigen Ausnahmefällen, sondern unter den genannten Voraussetzungen auch sonst6. Dafür sind in der bisherigen Darstellung bereits zahlreiche Beispiele genannt worden. Hervorzuheben sind die Mitwirkung bei Sanierungsmaßnahmen, die im Interesse der Gesellschaft unabdingbar und den Gesellschaftern zumutbar sind (oben Rdnr. 39g, 42), die Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern (oben Rdnr. 41), die Auflösung der Gesellschaft und die Ausschließung von Gesellschaftern aus wichtigem Grunde (oben Rdnr. 44), die Feststellung des Jahresabschlusses (oben Rdnr. 42) sowie die Zustimmung zur von einem Gesellschafter beabsichtigten Veräußerung seines Geschäftsanteils (oben Rdnr. 45).

1 S. Michalski, Rdnr. 164. 2 BGH, LM Nr. 18 zu § 13 GmbHG = NJW 1989, 166, 167; ebenso für die Kündigung eines Pachtvertrages OLG Frankfurt, GmbHR 1993, 659. 3 S. schon oben Rdnr. 43 für die Rückzahlung eines Darlehens. 4 S. zum Folgenden § 47 Rdnr. 26 ff., bes. Rdnr. 31 sowie Michalski, Rdnr. 167–171; Henze, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 1; Th. Nonn, Zustimmungspflichten des Kapitalgesellschafters, 1995; Rottnauer, NZG 2001, 115; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 51, 56; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 23 (S. 534 f.); Windbichler, in: Gesellschaftsrecht, 1995, S. 23; Zöllner, AG 2000, 145. 5 Grldg. BGHZ 98, 276, 279 ff. = NJW 1987, 189 = GmbHR 1986, 426; LM Nr. 4 zu § 1 GmbHG = NJW 1987, 3192 = GmbHR 1987, 349; s. unten § 29 Rdnr. 24. 6 Z.B. BGHZ 105, 206, 212 f. = NJW 1989, 459 = GmbHR 1989, 72.

750

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

Weist der Gesellschaftsvertrag schwer wiegende Mängel auf, ohne deren Behebung eine Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nicht möglich ist (§ 9c) oder ihre Amtslöschung droht (s. § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG i.V.m. § 144a Abs. 4 FGG), so kann sich aus der Treuepflicht ferner die Verpflichtung der Gesellschafter ergeben, an der zur Beseitigung der Mängel nötigen Änderung des Gesellschaftsvertrages mitzuwirken, wenn ihnen dies zumutbar ist, z.B. bei der Änderung einer Bareinlage, bei der es sich um eine verdeckte Sacheinlage handelte, in eine Sacheinlage1. Wie das Beispiel der nachträglichen Anpassung des Stammkapitals an die gesetzliche Erhöhung des Mindestkapitals zeigt (oben Rdnr. 46), kann mit der Stimmpflicht sogar die Verpflichtung zu zusätzlichen Leistungen der Gesellschafter verbunden sein2. Insgesamt wird deutlich, dass man heute selbst bei der Stimmpflicht auf Grund der Treuepflicht nicht mehr von einem seltenen Ausnahmefall sprechen kann3.

46a

d) Gesellschaft Die Treuepflicht obliegt auch der Gesellschaft in ihrem Verhältnis zu den Gesellschaftern. Sie darf daher die Gesellschafter nicht an der ungestörten und sachgemäßen Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte hindern4 oder einzelnen Gesellschaftern zum Schaden der anderen unberechtigte Vorteile zuwenden5. Sämtliche Verstöße der Gesellschaft gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gehören letztlich hierher (s. unten Rdnr. 52).

46b

6. Rechtsfolgen Schrifttum: S. im Einzelnen unten § 45 Rdnr. 107, 178 ff., § 46 Rdnr. 158, § 47 Rdnr. 26, 32 ff. sowie zuletzt Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 40–42, 72 ff.; Henze, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 28; Lutter/Hommelhoff, § 47 Anh. Rdnr. 46; Michalski, Rdnr. 177–188; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 41 f., 77–86; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 28 Rdnr. 48 (S. 444); Schiessl, in: MünchHdb. III, § 32 Rdnr. 30 f. (S. 538); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 19 III, 21 II 3/V (S. 552, 613, 545 ff.); Windbichler, in: Gesellschaftsrecht 1995, S. 23; Zöllner, AG 2000, 145.

a) Anfechtung Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht stellt eine gesetzliche Generalklausel dar, die ihre Grundlage letztlich in den §§ 241, 242 und 705 BGB findet. Infolge ihrer (auch) schrankensetzenden Funktion, wirkt sie unter anderem als gesetz1 Grdlg. BGHZ 155, 329 = NJW 2003, 3127 = NZG 2003, 867 = GmbHR 2003, 1051, 1052 f. 2 S. unten § 29 Rdnr. 24; dagegen 9. Aufl., § 14 Rdnr. 52; Michalski, Rdnr. 169. 3 So noch 9. Aufl., § 14 Rdnr. 60; Michalski, Rdnr. 167 ff.; wegen der Einzelheiten s. im Übrigen unten § 45 Rdnr. 113, § 47 Rdnr. 31. 4 BGHZ 127, 107, 111 = NJW 1994, 3094 = AG 1994, 559 „BMW“; OGH, WiBl. 1989, 222; U. H. Schneider/Burgard, in: FS Ulmer, S. 579, 593 ff. 5 BGH, LM Nr. 23 zu § 13 GmbHG = NJW 1992, 368 = GmbHR 1992, 104 = ZIP 1991, 1584.

Emmerich

|

751

47

§ 13

Juristische Person

liches Verbot (§ 134 BGB). Verstößt ein Gesellschafter mit seiner Stimmabgabe bei der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung gegen seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber den Mitgesellschaftern, so ist die Stimmabgabe folglich nichtig (§ 134 BGB). Für einen Beschluss, der auf der nichtigen Stimme beruht, gilt – mangels der erforderlichen Mehrheit – nichts anderes. Anders verhält es sich freilich im Falle der formellen Feststellung des Beschlusses durch den Versammlungsleiter. In diesem Fall muss der Verstoß gegen die Treuepflicht bei der Stimmabgabe eines oder mehrerer Gesellschafter im Wege der Anfechtungsklage entsprechend § 243 Abs. 1 AktG geltend gemacht werden, während sonst die einfache Feststellungsklage genügt (s. im Einzelnen unten § 45 Rdnr. 107, § 47 Rdnr. 29, 32 ff.). 47a

Besonderheiten gelten im Falle des Verstoßes eines Gesellschafters gegen seine positive Stimmpflicht auf Grund der Treuepflicht (s. oben Rdnr. 46 f.), z.B. im Falle der Verweigerung der Mitwirkung an zum Überleben der Gesellschaft unerlässlichen, strukturändernden Maßnahmen. In diesem Fall muss die Stimmpflicht des betreffenden Gesellschafters notfalls durch Klage durchgesetzt werden (§ 894 ZPO). Statt dessen können die übrigen Gesellschafter aber auch eine positive Beschlussfeststellungsklage erheben, bei der dann der Verstoß des oder der die Mehrheit bildenden Gesellschafter gegen ihre Treuepflicht inzident geprüft wird (s. unten § 45 Rdnr. 113, § 47 Rdnr. 32).

47b

Die sich aus der Treuepflicht ergebenden Verpflichtungen der Gesellschafter bei der Stimmabgabe können unter engen Voraussetzungen ferner durch einstweilige Verfügung durchgesetzt werden1. In erster Linie ist dabei an Verfügungen zu denken, durch die einem Gesellschafter eine drohende treuwidrige Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung untersagt wird, während die Durchsetzung von positiven Stimmpflichten (oben Rdnr. 46 f.) im Wege einer Regelungsverfügung nach § 940 ZPO wohl grundsätzlich ausscheiden dürfte. Ist ein Gesellschafter aus wichtigem Grunde ausgeschlossen worden oder ist sein Anteil nach § 34 Abs. 2 eingezogen worden, so kann ihm außerdem z.B. während des Rechtsstreits, der über die Berechtigung des Ausschlusses oder der Einziehung seines Anteils anhängig ist, die Vornahme bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen oder die Auswechslung der Geschäftsführung untersagt werden2.

48

Eine Anfechtung entsprechend § 243 AktG kommt nur bei treuwidrigen Beschlüssen der Gesellschafterversammlung in Betracht. Bei anderen treuwidrigen Maßnahmen eines Gesellschafters ist die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Treuepflicht schlicht die Unwirksamkeit der betreffenden Maßnahme (§ 134 BGB). Beispiele sind treuwidrige Weisungen an die Geschäftsführer, die treuwidrige Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern, sonstigen Organmitgliedern oder Prokuristen sowie die treuwidrige Ausübung vertraglicher Sonderrechte, z.B. eines Zustimmungs- oder Widerspruchsrechtes3. 1 S. unten § 47 Rdnr. 32 Abs. 2 sowie OLG München, GmbHR 1999, 718 = NZG 1999, 407 m. Anm. Michalski/Schulenburg; Michalski, Rdnr. 180. 2 OLG München, GmbHR 1999, 718 = NZG 1999, 407. 3 OLG Stuttgart, AG 2000, 369, 371 = OLGR 2000, 11 = NZG 2000, 490, 492 = GmbHR 2000, 288 (nur LS) „DASA/Dornier“; s. dazu Rottnauer, NZG 2000, 496 f.

752

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

b) Schadensersatz Die Beachtung der Treuepflicht ist eine „normale“ schuldrechtliche Verpflichtung, die gleichermaßen der Gesellschaft wie den Gesellschaftern in ihren wechselseitigen Beziehungen obliegt. Verstößt die Gesellschaft gegen die Treuepflicht, wobei insbesondere an Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in seinen verschiedenen Ausprägungen zu denken ist (unten Rdnr. 52), so ist sie den dadurch betroffenen Gesellschaftern zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 242, 276, 280 Abs. 1 BGB). Es handelt sich dabei um so genannte Drittansprüche der Gesellschafter, deren Erfüllung die Gesellschaft daher auch nicht unter Berufung auf die Kapitalerhaltungsregeln verweigern kann1. Bei der Durchsetzung solcher Ersatzansprüche der Gesellschafter gegen die Gesellschaft ist jedoch wiederum die Treuepflicht zu beachten, die auch hier, freilich nur in Ausnahmefällen, dem Gesellschafter Zurückhaltung bei der Durchsetzung seiner Ansprüche gebieten kann (s. oben Rdnr. 45b).

49

Ein Gesellschafter, der schuldhaft die ihm gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber den Mitgesellschaftern obliegende Treuepflicht verletzt, ist gleichfalls zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 705, 241, 242, 276 Abs. 1 und 280 Abs. 1 BGB)2. Vorrang hat der Ersatz der der Gesellschaft entstandenen Schäden. Eigene Ersatzansprüche der Gesellschafter neben dem Ersatzanspruch der Gesellschaft kommen nur in Betracht, wenn ihnen ein eigener, über den der Gesellschaft hinausgehender Schaden entstanden ist3. Noch nicht endgültig geklärt ist die Frage, von welchem Verschuldensmaßstab in diesem Zusammenhang auszugehen ist. Richtigerweise ist zu differenzieren: Soweit es sich materiell um Fragen der Geschäftsführung handelt, ist unmittelbar oder entsprechend § 43 Abs. 1 anzuwenden, während sonst der allgemeine Verschuldensmaßstab des § 276 BGB Anwendung finden dürfte. Für eine Haftungsmilderung entsprechend § 708 BGB ist dagegen hier kein Raum, und war schon deshalb nicht, weil auch schon bei den Personengesellschaft § 708 BGB eine durchaus problematische Regelung darstellt, die nicht auf andere Gesellschaften übertragen werden sollte4. Die Verjährung der Ersatzansprüche richtet sich nach den §§ 195 und 199 BGB n.F.

50

Zu beachten bleibt § 46 Nr. 8, nach dem (mangels abweichender Regelungen im Gesellschaftsvertrag) die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsvertrag gegen Gesellschafter der vorherigen Bestimmung durch die Gesellschafter unterliegt, d.h. grundsätzlich einen Beschluss der Gesellschafterversammlung voraussetzt (wegen der Einzelheiten s. unten § 46 Rdnr. 139 ff.). Ergänzend ist in diesem Zusammenhang an die Hilfszuständigkeit der Gesellschafter mittels der actio pro socio zu denken (unten Rdnr. 53). Liegt der Verstoß gegen die Treuepflicht in einem von der Mehrheit

51

1 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 83; str. 2 Burgard, ZIP 2002, 827, 836 f. 3 Im Einzelnen str., s. unten § 46 Rdnr. 158, § 47 Rdnr. 33; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 180 ff.; Michalski, Rdnr. 181 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 84 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III (S. 552 ff.). 4 S. im Einzelnen Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 92 ff.; Burgard, ZIP 2002, 827, 837; Michalski, Rdnr. 184; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 85.

Emmerich

|

753

§ 13

Juristische Person

durchgesetzten, die Minderheit benachteiligenden Beschluss der Gesellschafterversammlung, so ist ferner umstritten, ob die Geltendmachung von Ersatzansprüchen die vorgängige erfolgreiche Anfechtung dieses Beschlusses voraussetzt. Richtigerweise sollte den betroffenen Gesellschaftern gestattet werden, direkt auf Schadensersatz zu klagen, indessen nur innerhalb der Anfechtungsfrist, weil andernfalls diese Frist jederzeit durch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen unterlaufen werden könnte1. c) Sonstige Rechtsfolgen 51a

Die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen eine Generalklausel richten sich nach der Art des Verstoßes. Sie beschränken sich deshalb nicht notwendig auf die Anfechtbarkeit treuwidriger Beschlüsse (oben Rdnr. 47 f.), auf die Nichtigkeit sonstiger Maßnahmen (oben Rdnr. 48) sowie auf Schadensersatzansprüche (oben Rdnr. 49 f.); vielmehr kommen durchaus auch noch andere Rechtsfolgen in Betracht2. So ist bei dem Verstoß eines Gesellschafters gegen das aus der Treuepflicht hergeleitete Wettbewerbsverbot zusätzlich an die Anwendung des Eintrittsrechts des § 113 HGB zu denken (s. oben § 3 Rdnr. 97). Bei besonders schwer wiegenden Verstößen eines Gesellschafters gegen seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern ist außerdem seine Ausschließung aus wichtigem Grunde (s. unten Anh. § 34 Rdnr. 21 ff.) sowie gegebenenfalls die Einziehung seines Geschäftsanteils nach § 34 Abs. 2 möglich, sofern der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht (s. unten § 34 Rdnr. 13 ff.). Solche Maßnahmen stellen jedoch besonders schwer wiegende Eingriffe in die Rechte des betreffenden Gesellschafters dar, so dass sie immer nur als letztes Mittel in Betracht kommen, wenn mildere Mittel wie die Abberufung als Geschäftsführer nicht ausreichen (§ 242 BGB), auch dies ist eine Auswirkung der Treuepflicht in ihrer Ausprägung als Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Als wichtiger Grund reicht es aber z.B. aus, wenn ein Gesellschafter ohne Not in der Öffentlichkeit die drohende Insolvenz der Gesellschaft publik macht3 oder wenn eine GmbH, die an einer anderen Gesellschaft beteiligt ist, ihren Mitgesellschaftern verschweigt, dass ihr Geschäftsführer wegen Anlagebetrugs in Untersuchungshaft genommen wurde4.

7. Gleichbehandlungsgrundsatz 52

Eine besondere Ausprägung der Treuepflicht ist der Gleichbehandlungsgrundsatz, der die willkürliche, d.h. sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Gesellschafter untersagt. Seine gesetzliche Anerkennung hat der Grundsatz mittlerweile für die AG in § 53a AktG von 1978 gefunden; aber auch für die GmbH steht seine Geltung außer Frage5. Die Gesellschafter haben hiernach, soweit der Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes be-

1 2 3 4 5

S. Michalski, Rdnr. 182; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42. S. Michalski, Rdnr. 185 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 81. OLG Dresden, NZG 1999, 1220 f. OLG Brandenburg, NZG 1999, 828, 832. S. BGHZ 116, 359, 372 = NJW 1992, 892 = GmbHR 1992, 257 = ZIP 1992, 237.

754

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

stimmt, einen Anspruch auf gleichmäßige Behandlung gegen die Gesellschaft ebenso wie gegen ihre Mitgesellschafter, sofern diese durch Maßnahmen in der Gesellschaft auf die Rechtsstellung anderer Gesellschafter Einfluss nehmen können (oben Rdnr. 46b). Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen an anderer Stelle zu verweisen (unten § 14 Rdnr. 40 ff.).

8. Actio pro socio Schrifttum: M. Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1998, S. 573 ff.; Chr. Berger, ZHR 149 (1985), 599; Chr. Binge, Gesellschafterklagen gegen Maßnahmen der Gesellschäftsführer in der GmbH, 1994; Eickhoff, Die Gesellschafterklage im GmbH-Recht, 1988; Flume, Allg. Teil Bd. I/2, § 8 V (S. 300 ff.); Gehrlein, ZIP 1993, 1525; v. Gerkan, ZGR 1988, 441; B. Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990; Gutbrod, GmbHR 1995, 551; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996; Hadding, Actio pro socio, 1966; Hadding, JZ 1975, 159; Hadding, GesRZ 1984, 32; Häuser, Unbestimmte Maßstäbe als Begründungselement richterlicher Entscheidungen, 1981; Heymann/Emmerich, HGB, § 109 Rdnr. 17–27; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 283 ff.; Kirchner, GmbHR 1981, 160; Kowalski, ZIP 1995, 1315; Landgrebe, GmbHR 1967, 27; Lutter, AcP 180 (1980), 84; Maatz, GmbHR 1974, 24; Martens, GmbHR 1984, 265; Nitschke, ZHR 128 (1966), 48; I. Saenger, GmbHR 1997, 112; Schanbacher, AG 1999, 21; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 31 Rdnr. 21–28 (S. 523 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV 6 (S. 641 ff.); K. Schmidt, GmbHR 1979, 121; Tries, Die verdeckte Gewinnausschüttung im GmbH-Recht, 1991, S. 268 ff.; Wellkamp, DZWiR 1994, 221; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 272, 453 ff.; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; Zöllner, ZGR 1988, 392.

Nach § 46 Nr. 8 unterliegt die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschafter gegen Gesellschafter aus der Verletzung der Treuepflicht grundsätzlich, d.h. mangels abweichender Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages, der vorherigen Beschlussfassung durch die Gesellschafter (s. dazu schon oben Rdnr. 51 sowie im Einzelnen unten § 46 Rdnr. 139 ff.). Die Folge ist, dass die Minderheit häufig auf nur schwer überwindbare Hindernisse bei der Verfolgung von Ersatzansprüchen wegen Treupflichtverletzungen gegen die Mehrheit stößt. Dies hat Anlass zu der Frage gegeben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch bei der GmbH nach dem Vorbild der Personengesellschaften (s. § 705 BGB) die actio pro socio anzuerkennen ist. Trotz der auf den ersten Blick entgegenstehenden Regelung des § 46 Nr. 8 wird diese Frage heute weithin bejaht, wenn auch nur unter engen Voraussetzungen, um den grundsätzlichen Vorrang der innergesellschaftlichen Zuständigkeitsordnung (§ 46 Nr. 8) nach Möglichkeit zu wahren. Von vergleichbaren Überlegungen lässt sich in der Regel die Rechtsprechung leiten, die ebenfalls in der Mehrzahl der Fälle bisher den Vorrang der innergesellschaftlichen Zuständigkeitsordnung bejaht hat und deshalb Raum für die Anwendung einer Notzuständigkeit der Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt der actio pro socio nur in Ausnahmefällen sieht, gekennzeichnet insbesondere durch eine willkürliche Vorgehensweise der Mehrheit1. Dadurch werden jedoch die Rechte der Minderheiten ohne 1 BGH, LM Nr. 49 zu § 823 (Bf) BGB = NJW 1969, 1712; LM Nr. 163 zu § 256 ZPO = AG 1990, 458 = GmbHR 1990, 343; LM Nr. 38 zu § 667 BGB = NJW 1991, 1884 = GmbHR

Emmerich

|

755

53

§ 13

Juristische Person

Not übermäßig beschränkt1. Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen an anderer Stelle zu verweisen (s. unten § 46 Rdnr. 161 f.).

9. Mitgliedschaftsstreit 54

Ein Gesellschafter kann einen Streit darüber, wer Mitglied der GmbH ist, gleichermaßen in einem Rechtsstreit mit der Gesellschaft wie mit den Mitgesellschaftern austragen2. Die Rechtskraft eines zwischen den Gesellschaftern ergehenden Urteils wirkt aber nicht für und gegen die GmbH3, während ein Urteil im Rechtsstreit mit der Gesellschaft nicht nur deren Organe einschließlich der Gesellschafterversammlung, sondern auch die Mitgesellschafter bindet. Ein rechtliches Interesse kann schließlich von Fall zu Fall noch für die Klage des Gesellschafters oder der Gesellschaft gegen einen Dritten auf Feststellung gegeben sein, dass dieser nicht Mitglied der GmbH ist4.

VI. Haftung der Gesellschafter Schrifttum: 1. Allgemein: Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, 1991; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 68–130; Ballerstedt, 75 Jahre GmbHG, GmbHR 1967, 66; Banerjea, Haftungsfragen in Fällen materieller Unterkapitalisierung, ZIP 1999, 1153; Bauschke, Grenzen der Rechtspersönlichkeit juristischer Personen im englischen Gesellschaftsrecht, 1975; Bauschke, Durchgriff bei juristischen Personen, BB 1975, 1322; Bauschke, Mit dem „Durchgriff“ ins kommende Jahrhundert?, BB 1984, 698; Benne, Haftungsdurchgriff bei der GmbH, insbesondere im Fall der Unterkapitalisierung, 1978; Bernstein, Durchgriff bei juristischen Personen, insbesondere Gesellschaften in Staatshand, in: FS Zweigert, 1981, S. 37; Böckstiegel, Der Durchgriff auf den Staat – Thesen zur funktionellen Identifizierung staatlichen Handelns, 1972; Boujong, Das Trennungsprinzip des § 13 Abs. 2 GmbHG und seine Grenzen in der neueren Judikatur des Bundesgerichtshofs, in: FS Odersky, 1996, S. 739; Brändel, Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 1 Rdnr. 91–140; Bruns, Zur Reichweite der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs, NZG 2004, 409; Buchner, Neue Entwicklungen im GmbH-Recht: Das Ende der Haftungsbeschränkung des Gesellschafters?, DNotZ 1985, 724; Büschgens, Zur Eigenkapitalausstat-

1

2

3 4

1991, 363 = ZIP 1991, 582; BB 1967, 348 = MDR 1967, 480; WM 1982, 928; NJW-RR 1987, 57, 58 = WM 1986, 1201; WM 1998, 925, 926; zusammenfassend BGH v. 29. 11. 2004 – II ZR 14/03, WM 2005, 281 f. = GmbHR 2005, 301 = NZG 2005, 216; OLG Köln, GmbHR 1993, 816 = NJW-RR 1994, 616; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 174 = DB 1993, 2474 = ZIP 1994, 619; OGH SZ Bd. 65 (1992 I) Nr. 60, S. 306, 312 = WiBl. 1992, 263; vgl. in diesem Zusammenhang auch BGHZ 65, 15, 21 = GmbHR 1975, 229 = AG 1976, 16 = NJW 1976, 191 = WM 1975, 1152, 1154 „ITT“ und dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 IV 6c (S. 642 f.). M. Becker, Verwaltungskontrolle, S. 592 ff.; Binge, Gesellschafterklagen, S. 192 ff.; Habersack, Mitgliedschaft, S. 11 ff.; Saenger, GmbHR 1997, 112, 119 ff.; ablehnend aber OGH SZ Bd. 50 (1977) Nr. 51, S. 245, 248 f. RG, Recht 1914 Nr. 1172; SeuffArch 93 (1939) Nr. 107, S. 283, 285 f.; BGH, LM Nr. 5 zu § 13 GmbHG = GmbHR 1963, 7; Michalski, Rdnr. 188; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 121; a.M. Ganßmüller, GmbHR 1963, 7; 1968, 75; OGH SZ Bd. 65 (1992 I) Nr. 60, S. 306, 312 (nur Rechtsstreit mit der Gesellschaft möglich). BGH, LM Nr. 5 zu § 13 GmbHG = GmbHR 1963, 7 = MDR 1962, 374. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 121; a.M. OLG Nürnberg, BB 1971, 1478 für die Gesellschafterklage.

756

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

tung der GmbH und GmbH u. Co. KG, GmbHR 1974, 25, 49; v. Caemmerer, Unterkapitalisierung und Gesellschafterdarlehen, in: FS P. Sanders, 1972, S. 17; Coing, Zum Problem des so genannten Durchgriffs bei juristischen Personen, NJW 1977, 1793; Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung der GmbH-Gesellschafter – ein Vergleich, 1992; Drobnig, Haftungsdurchgriff bei Kapitalgesellschaften, 1959; Eder, Rechtsvergleichende Gedanken zur GmbH-Reform, GmbHR 1966, 135; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998; Ehricke, Zur Begründbarkeit der Durchgriffshaftung, AcP 199 (1999), 257; Th. Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, 2002; Erlinghagen, Haftungsfragen bei einer unterkapitalisierten GmbH, GmbHR 1962, 169; Erman, Zur Frage der Haftung der Hintermänner überschuldeter Gesellschaften, KTS 1959, 129; Fleischer/Empt, Gesellschaftsrechtliche Durchgriffs- und Konzernhaftung und öffentlich rechtliche Altlastenverantwortlichkeit, ZIP 2000, 905; Flume, Die jurisitische Person, Allg. Teil Bd. I/2, § 3 (S. 63 ff.); Frh. v. Franckenstein, Die Haftung der Kommunen für die Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaften, WM 2004, 511; Franzmann, Die so genannten Durchgriffstatbestände im Privatrecht als Problem einer interessengerechten Risikoverteilung, 1984; Franzmann, Die sog. Durchgriffstatbestände im Privatrecht als Problem einer interessengerechten Risikoverteilung, 1984; Geißler, Zukunft, Stillstand oder Geltungsverlust für die Durchgriffshaftung im Recht der GmbH?, GmbHR 1993, 71; Goette, Die GmbH, § 9 (S. 327 ff.); Grossmann, Unterkapitalisierung und Gesellschafterdarlehen – amerikanische Erfahrungen, GmbHR 1978, 77; Hachenburg/P. Ulmer, § 30 Anh.; Haberlandt, Zur Problematik der Durchgriffshaftung – Identität und Durchgriff, BB 1980, 847; Fr. Harrer, Haftungsprobleme bei der GmbH, Wien 1990; Heermann, Materielle Unterkapitalisierung und Haftungsdurchgriff, in: Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, 2002, S. 11; P. Hofmann, Zum „Durchgriffs“-Problem bei der unterkapitalisierten GmbH, NJW 1966, 1941; U. Hübner, Der Durchgriff bei juristischen Personen im europäischen Gesellschaftsund Unternehmensrecht, JZ 1978, 703; H. Honsell, Die GmbH und der Gläubigerschutz, GesRZ 1987, 173; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10–20, § 5 Rdnr. 5 f.; Hüffer, AktG, § 1 Rdnr. 15–29; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Jabornegg, Die Lehre von Durchgriff im Recht der Kapitalgesellschaften, WiBl. 1989, 1, 43; U. Kahler, Die Haftung des Gesellschafters im Falle der Unterkapitalisierung einer GmbH, BB 1985, 1429; Kalter, Einige Gedanken zur unterkapitalisierten GmbH, KTS 1970, 267; Kindler, Die „Aschenputtel“-Limited und andere Fälle der Mehrfachqualifikation, in: FS Jayme, 2004, S. 409; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 31–38; Kowalski, Der Ersatz von Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, 1990; Krause, Die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen bei der GmbH, DB 1988, 96; O. Kuhn, Strohmanngründung bei Kapitalgesellschaften, 1964; G. Kuhn, Haften GmbH-Gesellschafter für Gesellschaftsschulden persönlich?, in: FS R. Fischer, 1979, S. 351; M. Lehmann, Schranken der beschränkten Haftung, GmbHR 1992, 200; M. Lieb, Schadensersatzansprüche von Gesellschaftern bei Folgeschäden im Vermögen der Gesellschaft, in: FS R. Fischer, 1979, S. 385; Löber, Die Durchbrechung der Rechtspersönlichkeit bei Kapitalgesellschaften in den Rechten Österreichs, Deutschlands und der USA, ZRvgl 7 (1966), 61, 145; Lutter, Die Rechtsverhältnisse zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft, in: Probleme der GmbH-Reform, 1970, S. 63; Lutter, Die zivilrechtliche Haftung in der Unternehmensgruppe, ZGR 1982, 244; Lutter, Die Haftung des herrschenden Unternehmens im GmbH-Konzern, ZIP 1985, 1425; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3–16; Lutter/Hommelhoff, Nachrangiges Haftkapital und Unterkapitalisierung in der GmbH, ZGR 1979, 31; Marschall v. Bieberstein, Zum Identitätsproblem bei der Einmanngesellschaft im wechselrechtlichen Verkehrsschutz, JZ 1965, 403; J. Meyer, Haftungsbeschränkung im Recht der Handelsgesellschaften, 2000; Michalski, Rdnr. 314–395; Müller-Freienfels, Zur Lehre vom so genannten „Durchgriff“ bei juristischen Personen im Privatrecht, AcP 156 (1957), 522; Mummenhoff, Zur Alleinhaftung juristischer Personen, in: FS Hyung Bae-Kim, 1995, S. 155; Neflin, Schutz des gutgläubigen Verkehrs vor einem schädigenden Verhalten der hinter einer Kapitalgesellschaft Emmerich

|

757

§ 13

Juristische Person

stehenden Kräfte, GmbHR 1963, 41; Nestele, Grenzen der Rechtsfähigkeit juristischer Personen, 1966; Nirk, Zur Rechtsfolgenseite der Durchgriffshaftung, in: FS Stimpel, 1985, S. 443; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 122–160; Pleyer, Zur Haftung der Gesellschafter einer unterkapitalisierten Strohmann-GmbH, GmbHR 1963, 206; Priester, Die eigene GmbH als fremder Dritter – Eigensphäre der Gesellschaft und Verhaltenspflichten ihrer Gesellschafter, ZGR 1993, 512; Raiser/ Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 (S. 448 ff.); Raiser, Konzernhaftung und Unterkapitalisierungshaftung, ZGR 1995, 156; Raiser, Die Haftungsbeschränkung ist kein Wesensmerkmal der juristischen Person, in: FS Lutter, 2000, S. 637; Raupach, Der Durchgriff im Steuerrecht, 1968; E. Rehbinder, Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, 1969; E. Rehbinder, 10 Jahre Rechtsprechung zum Durchgriff im Gesellschaftsrecht, in: FS R. Fischer, 1979, S. 579; Reinelt, Schadensersatz des Alleingesellschafters und „Durchgriffshaftung“ bei der Einmanngesellschaft, BB 1974, 1145; Reiner, Unternehmerisches Gesellschaftsinteresse und Fremdsteuerung, 1995, S. 258 ff.; R. Reinhardt, Gedanken zum Identitätsproblem bei der Einmanngesellschaft, in: FS H. Lehmann Bd. II, 1956, S. 576; D. Reuter, Durchgriffsprobleme, in: MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2001, Vor § 21 Rdnr. 19–48; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973; G. Roth, Haftungsbeschränkung kontra Gläubigerschutz bei Überschuldung der GmbH, GesRZ 1985, 1; G. Roth, Unterkapitalisierung und persönliche Haftung, ZGR 1993, 170; Schanze, Einmanngesellschaft und Durchgriffshaftung, 1975; Schanze, Durchgriff, Normanwendung oder Organhaftung?, AG 1982, 42; Scheel, Konzerninsolvenzrecht, 1995; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 35 (S. 557 ff.); Schönle, Zur Haftung bei einer Strohmann-GmbH, GmbHR 1960, 63; K. Schmidt, GesellschaftsR, §§ 9, 40 III 4 (S. 217 ff., 1258 ff.); K. Schmidt, Die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen als rechtspolitisches Problem, JZ 1984, 771; K. Schmidt, Zum Haftungsdurchgriff wegen Sphärenvermischung und zur Haftungsverfassung im GmbH-Konzern, BB 1985, 2074; K. Schmidt, Konzernhaftung oder mitgliedschaftliche Haftung des privaten GmbH-Gesellschafters?, ZIP 1986, 146; K. Schmidt, Zur Durchgriffsfestigkeit der GmbH, ZIP 1994, 837; W. Schulte, Rechtsprechungsübersicht zum Trennungsprinzip bei juristischen Personen, WM 1979, Beil. Nr. 1 zu Heft 11; J. Schulze-Osterloh, Gläubiger- und Minderheitenschutz bei der steuerlichen Betriebsaufspaltung, ZGR 1983, 123; Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 2. Aufl. 1980; Serick, Durchgriffsprobleme bei Vertragsstörungen unter Berücksichtigung von Organschafts- und Konzernverhältnissen, 1959; U. Stein, Das faktische Organ, 1984; Stimpel, „Durchgriffshaftung“ bei der GmbH: Tatbestände, Verlustausgleich, Ausfallhaftung, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601; W. Thöni, Zur Verantwortlichkeit des GmbH-Gesellschafters, GesRZ 1987, 82, 126; P. Ulmer, Gesellschafterdarlehen und Unterkapitalisierung bei GmbH und GmbH u. Co. KG, in: FS Duden, 1977, S. 661; P. Ulmer, Konkursantragspflicht bei Überschuldung der GmbH und Haftungsrisiken bei Konkursverschleppung, KTS 1981, 469; P. Ulmer, Die GmbH und der Gläubigerschutz, GmbHR 1984,256; P. Ulmer, Der Gläubigerschutz im faktischen GmbH-Konzern beim Fehlen von Minderheitsgesellschaftern, ZHR 148 (1984), 391; Unger, Unterkapitalisierung in Frankreich und Belgien, 1988; Versteegen, Das TBB-Urteil als Wegbereiter einer allgemeinen Intransparenzhaftung in der GmbH?, DB 1993, 1225; Vonnemann, Haftung der GmbH-Gesellschafter wegen materieller Unterkapitalisierung, GmbHR 1992, 77; Staudinger/Weik, BGB, 1995, Durchgriff, Einl. V. § 21 Rdnr. 37–49; Weitbrecht, Haftung der Gesellschafter bei materieller Unterkapitalisierung der GmbH, 1990; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970; H. P. Westermann, Strukturprobleme des Gesellschaftsrechts, ZvglRW 1973, 176; Wiedemann, Haftungsbeschränkung und Kapitaleinsatz in der GmbH, in: Wiedemann/Bär/Dabin, Die Haftung des Gesellschafters in der GmbH, 1968, S. 5; Wiedemann, Juristische Person und Gesamthand als Sondervermögen, WM 1975 Sonderbeil. Nr. 4; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 217, 565 ff.; Wiesner, Materielle Unterkapitalisierung – Ein überflüssiges Institut?, in: Theobald, Entwicklung zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, 2002, 59; J. Wilhelm, Die Vermö-

758

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

gensbindung bei der AG und der GmbH und das Problem der Unterkapitalisierung, in: FS Flume Bd. II, 1978, S. 337; J. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981; Winkler, Die Haftung der Gesellschafter einer unterkapitalisierten GmbH, BB 1969, 1202; G. Winter, Die Haftung der Gesellschafter im Konkurs der unterkapitalisierten GmbH, 1973; G. Wüst, Gläubigerschutz bei der GmbH, 1966; G. Wüst, Wege des Gläubigerschutzes bei materieller Unterkapitalisierung einer GmbH, DStR 1991, 1388, 1424; G. Wüst, Das Problem des Wirtschaftens mit beschränkter Haftung, JZ 1992, 710; G. Wüst, Die unzureichende Kapitalausstattung bei Beschränkthaftern, JZ 1995, 990; Zaczyk, GmbH-Novelle und Durchgriffshaftung, GmbHR 1977, 175. 2. Speziell zur Vulkan-Problematik – Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffes: Altmeppen, Grundlegend neues zum qualifizierten faktischen Konzern und zum Gläubigerschutz in der Einmann-GmbH, ZIP 2001, 1837; Altmeppen, Gesellschafterhaftung und Konzernhaftung bei der GmbH, NJW 2002, 321; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 72 ff., § 13 Anh. Rdnr. 144–146; Altmeppen, Ausfallund Verhaltenshaftung des Mitgesellschafters in der GmbH, ZIP 2002, 961; Altmeppen, Zur Entwicklung eines neuen Gläubigerschutzkonzeptes in der GmbH, ZIP 2002, 1553; Altmeppen, Schutz vor „europäischen“ Kapitalgesellschaften, NJW 2004, 97; Altmeppen, Existenzvernichtungshaft und Scheinauslandsgesellschaften, in: FS Röhricht, 2005, S. 3; Ammlung/Kaeser, Cash-Managment-Systeme in Konzernen, DStR 2003, S. 655; W. Bayer, Die Gesamtverantwortung der Gesellschafter für die Existenz der GmbH, in: FS Röhricht, 2005, S. 25; G. Bitter, Das TBB-Urteil und das immer noch vergessene GmbH-Vertragskonzernrecht, ZIP 2001, 265; G. Bitter, Der Anfang vom Ende des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns, WM 2001, 2133; Borges, Gläubigerschutz bei ausländischen Gesellschaften, ZIP 2004, 733; Bruns, Existenz- und Gläubigerschutz in der GmbH – das Vulkan Konzept, WM 2003, S. 815; Burgard, Cash-Pooling und Existenzvernichtung, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 45; Burgard, Die Förder- und Treupflicht des Alleingesellschafters einer GmbH, ZIP 2002, 827; Cahn, Verlustübernahme und Einzelausgleich im qualifizierten faktischen Konzern, ZIP 2001, 2159; Cahn, Die Ausfallhaftung des GmbH-Gesellschafters, ZGR 2003, 298; Decher, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern – Bemerkungen aus der Sicht der Praxis, in: P. Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beiheft 70, 2001, S. 25; Decher, in: MünchHdb. III, § 69 (S. 133 ff.); Döser, Der faktische Konzern, AG 2003, 406; Drygala, Abschied vom qualifizierten faktischen Konzern – oder Konzernrecht für alle?, GmbHR 2003, 729; Eberl-Borges, Die Konzernhaftung im Kapitalgesellschaftskonzernrecht, Jura 2002, 761; Th. Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, 2002, S. 327 ff.; Th. Eckhold, Anm., JuS 2005, 181; Emmerich, Anmerkungen zu der Vulkan-Doktrin, AG 2004, 423; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 317 AktG Anh.: Qualifizierte Nachteilszufügung (S. 627 ff.), § 318 AktG Anh.: Die abhängige GmbH und der „faktische“ GmbH-Konzern (S. 649 ff.); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 (S. 425 ff.); Esters, Die GmbH als taugliches Objekt von Konzernfinanzierungen nach „Bremer Vulkan“ und „KBV“?, GmbHR 2004, 105; Fleck, Der Grundsatz der Kapitalerhaltung, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, 391; Fleck, Missbrauch der Vertretungsmacht oder Treuebruch des mit Einverständnis aller Gesellschafter handelnden Geschäftsführers, ZGR 1990, 31; Fleischer, Konzernuntreue zwischen Straf- und Gesellschaftsrecht, NJW 2004, 2867; Freitag, §§ 30, 31 GmbHG, Bremer Vulkan-Urteil und Limitation Language, WM 2003, 805; Gehrlein, Einverständlich verdeckte Gewinnentnahme der Gesellschafter als Untreue, NJW 2000, 1089; Gehrlein, Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs im Einzelfall, BB 2005, 613; Goette, GmbH: Haftung im qualifiziert faktischen Konzern, DStR 2000, 1065; Goette, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern – Rechtsprechungsbericht, in: P. Ulmer (Hrsg.), in: Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beiheft 70, 2001, 11; Goette, Wo steht der BGH nach „Centris“ und „Inspire Art“?, DStR 2005, 197; Hartmann, Der Schutz der GmbH vor ihren Gesellschaftern, GmbHR 1999, Emmerich

|

759

§ 13

Juristische Person

1061; Haas, Die Gesellschafterhaftung wegen Existenzvernichtung, WM 2003, 1929; Henze, Reichweite und Grenzen des aktienrechtilchen Grundsatzes der Vermögensbindung, AG 2004, 405; J. Hoffmann, Das GmbH-Konzernrecht nach dem Bremer Vulkan-Urteil, NZG 2002, 68; Hölzle, Existenzvernichtungshaftung, „Klimapflege“ und Insolvenzanfechtung, ZIP 2003, 1376; Hölzle, Materielle Unterkapitalisierung und Existenzvernichtungshaftung, ZIP 2004, 1729; Jawansky, Die Geltendmachung von Ansprüchen durch den Insolvenzverwalter, DB 2003, 2757; Kessler, Kapitalerhaltung und normativer Gläubigerschutz in der Einpersonen-GmbH – Zum beiläufigen Ende des qualifizierten GmbH-Konzerns, GmbHR 2001, 1095; Kessler, Die Durchgriffshaftung der GmbH-Gesellschafter wegen existenzgefährdender Eingriffe – Zur dogmatischen Konzeption des Gläubigerschutzes in der GmbH, GmbHR 2002, 945; Kessler, Haftungsdurchgriff, GmbHR 2005, 257; Konzen, Der Gläubigerschutz bei Liquidation der masselosen GmbH, in: FS Ulmer, 2003, S. 323; Koppensteiner, Existenzvernichtung der GmbH durch ihren einzigen Gesellschafter, in: FS Honsell, 2002, 607; B. Kramer, Strafbewehrte Vermögensbetreuungspflicht des Aktiengesellschafters?, WM 2004, 305; Lutter/Banerjea, Die Haftung wegen Existenzvernichtung, ZGR 2003,402; Lutter/Banerjea, Die Haftung des Geschäftsführers für existenzvernichtende Eingriffe, ZIP 2003, 2177; Lutter/Hommelhoff, § 13 Rdnr. 15–28; Luttermann, Unternehmensfinanzierung, Geschäftsleiterpflicht und Haftkapital bei Kapitalgesellschaften, BB 2001, 2433; Mansdörfer, Zurechnung und Haftungsdurchgriff im Konzern, WM 2004, 362; Mödl, Pflichten des einzigen Gesellschafters gegenüber seiner GmbH, JuS 2003, 14; Mülbert, Abschied von der TBBHaftungsregel für den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, DStR 2001, 1937; B. Müller-Christmann/Fr. Schnauder, Zum strafrechtlichen Schutz des Gesellschaftsvermögens, JuS 1998, 1080; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 109 ff.; Priester, Die eigene GmbH als fremder Dritter, ZGR 1993, 513; Nissing, Eigeninteresse der Gesellschaft oder Liquidation auf kaltem Wege?, 1993; Th. Raiser, Die Haftung einer Schwestergesellschaft für die Schulden einer anderen Schwester nach dem Urteil Bremer Vulkan-Urteil, in: FS Ulmer, 2003, S. 493; Röhricht, Die GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit ihrer Gesellschafter und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83; Röhricht, Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 3; Röhricht, Insolvenzrechtliche Apsekte im Gesellschaftsrecht, ZIP 2005, 505; G. H. Roth, Gläubigerschutz durch Existenzschutz, NZG 2003, 1080; Römermann/Schröder, Aufgabe des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns, GmbHR 2001, 1015; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 35 Rdnr. 19–23 (S. 563 f.); K. Schmidt, Gesellschafterhaftung und Konzernhaftung bei der GmbH, NJW 2001, 3577; K. Schmidt, Sternförmige GmbH & Co. KG und horizontaler Haftungsdurchgriff, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1199; Fr. Schnauder/B. Müller-Christmann, Der zivilrechtliche Schutz des GmbH-Vermögens, JuS 1998, 980; Schön, Zur „Existenzvernichtung“ der juristischen Person, ZHR 168 (2004), 268; Th. Schulz/A. Israel, Kein existenzvernichtender Eingriff durch typische Finanzierung bei Leveraged Buy-Out, NZG 2005, 329; M. Stobbe, Die Durchsetzung gesellschaftsrechtlicher Ansprüche der GmbH in Insolvenz und masseloser Liquidation, 2001; Tiedemann, Zur Altlastensanierungspflicht des GmbH-Gesellschaters, NZG 2004, 177; Ulmer, Schutz der GmbH gegen Schädigung zu Gunsten ihrer Gesellschafter, in: FS Pfeiffer, 1988, S. 853; Ulmer, ZHR 148 (1984), 416; Ulmer, Von TBB zu Bremer Vulkan – Revolution oder Evolution?, ZIP 2001, 2021; Ulmer, Gesellschafterhaftung im faktischen Einmann-Konzern, in: Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beiheft Bd. 70, 2001, S. 41; Ulmer, Das Recht der GmbH und der GmbH & Co. nach 50 Jahren BGH-Rechtsprechung, in: FG 50 Jahre BGH Bd. II, 2000, S. 273; Ulmer, Gläubigerschutz bei Scheinauslandsgesellschaften, NJW 2004, 1201; J. Vetter, Rechtsfolgen existenzvernichtender Eingriffe, ZIP 2003, 601; J. Vetter, Rechtliche Grenzen und praktische Ausgestaltung von Cash-Management-Systemen, in: Gesellschafsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, 69; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim Konzernweiten

760

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

Cash-Pooling, VGR Bd. 7, 2003; A. Wahl, Die Haftung für „existenzgefährdende Eingriffe“ in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung, GmbHR 2004, 994; A. Wahl, Grenzen der Leistungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001; Wackerbarth, Existenzvernichtungshaftung 2005, ZIP 2005, 877; M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, 2004; H. P. Westermann, Haftungsrisiken eines beherrschenden GmbH-Gesellschafters, NZG 2002, 1129; Wiedemann, Reflexionen zur Durchgriffshaftung, ZGR 2003, 283; Wilhelm, Zurück zur Durchgriffshaftung, NJW 2003, 175; Wilhelmi, Die neue Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter der GmbH, DZWiR 2003, 45; S. Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 200 ff.; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; M. Winter, Eigeninteresse und Treuepflicht bei der Einmann-GmbH, ZGR 1994, 570.

1. Überblick1 Nach § 5 Abs. 1 muss das Stammkapital der Gesellschaft ohne Rücksicht auf ihren Zweck oder Gegenstand lediglich 25 000 Euro betragen. Trotz dieses in der Regel völlig unzureichenden Mindestkapitals bestimmt ergänzend § 13 Abs. 2 des Gesetzes, dass für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern allein das Gesellschaftsvermögen, nicht also auch das Vermögen der Gesellschafter haftet. Mit dieser Regelung, deren Problematik unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes auch den Gesetzesverfassern nicht verborgen geblieben war, wurde seinerzeit bezweckt, den Gesellschaftern ein allemal riskantes wirtschaftliches Engagement mit einem begrenzten Kapitaleinsatz und kalkulierbarem Risiko zu ermöglichen, weil man sich davon insgesamt eine Förderung des wirtschaftlichen Wachstums durch die Gründung neuer Unternehmen versprach2. Die Frage, ob an diesem gesellschafterfreundlichen (und entsprechend gläubigerfeindlichen) Konzept festgehalten werden soll, hat die GmbH buchstäblich seit ihrer „Erfindung“ im Jahre 1892 durch den Reichsgesetzgeber begleitet. Sie stand auch im Mittelpunkt der Reformüberlegungen in den siebziger Jahren, die zu der Novelle von 1980 geführt haben. Trotz zahlreicher in diese Richtung zielender Vorschläge konnten sich jedoch die Gesetzesverfasser nicht dazu entschließen, das herkömmliche Konzept der GmbH grundlegend zu ändern und eine Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter einzuführen. Eine Haftung für Unterkapitalisierung wurde im Gegenteil ausdrücklich, obwohl als „erwägenswert“ angesehen, mit der Begründung abgelehnt, es gebe keine Maßstäbe für eine „angemessene Kapitalausstattung“ einer Gesellschaft, so dass eine Haftung der Gesellschafter für eine Unterkapitalisierung der Gesellschaft mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit unvereinbar sei3.

1 S. zum Folgenden insbes. Banerjea, ZIP 1999, 1153; Ehricke, AcP 199 (1999), 257; Heermann, in: Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 11; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 (S. 448 ff.); Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 (S. 217 ff.). 2 Ebenso seinerzeit schon für die AG die Motive zu dem Entwurf eines ADHGB von 1848, herausgegeben von Baums, Entwurf eines Allgemeinen Handelsgesetzbuchs für Deutschland, ZHR Beiheft 54, 1982, S. 153; Die Denkschrift zum HGB, S. 105 ff.; ebenso für Österreich, H. Honsell, GesRZ 1987, 173 m.N. 3 S. die Begr. RegE, BT-Drucks 8(1977)/1347, S. 38 f.

Emmerich

|

761

55

§ 13

Juristische Person

55a

Den unerlässlichen Schutz der Gläubiger versucht der Gesetzgeber statt dessen auf andere Weise sicherzustellen. Hervorzuheben sind die Maßnahmen zur Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung (s. besonders die §§ 7– 9c, 19–28, 30–32b), wobei durch die Novelle von 1980 besonderes Gewicht auf die neuen §§ 32a und 32b gelegt wurde, durch die in Verbindung mit den so genannten Rechtsprechungsgrundsätzen wenigstens das Problem der formellen Unterkapitalisierung gelöst werden sollte. Auch die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Gesellschaft ist in diesem Zusammenhang zu nennen (§ 64 Abs. 1 Satz 1 und 2), die seit ihrer Anerkennung als Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB) jedenfalls zu Gunsten der Neugläubiger erheblich an Bedeutung gewonnen hat1.

56

Nach der gesetzlichen Ausgangslage wird die Situation der Gläubiger bei der GmbH noch dadurch verschärft, dass die Gesellschafter hier anders als im Aktienrecht (§§ 57, 58, 60, 62 AktG) grundsätzlich auch keine Haftung trifft, wenn sie Vermögen der Gesellschaft untereinander verteilen, vorausgesetzt nur, dass das Vermögen nicht zur Deckung des Stammkapitals benötigt wird (§ 30 Abs. 1)2. Selbst bei einem Verstoß gegen § 30 Abs. 1 besteht zudem – wiederum abweichend vom Aktienrecht (s. § 62 Abs. 2 AktG) – keine Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Für solche Entnahmen haften die Gesellschafter vielmehr ebenso wie für rückständige Stammeinlagen oder eingeforderte Nachschüsse allein der Gesellschaft (s. §§ 19, 24, 26, 31).

56a

Nach einer verbreiteten, jedoch keineswegs unbestrittenen Auffassung weist das geschilderte Haftungskonzept bei der GmbH schwer wiegende, jedenfalls aus rechtspolitischer Sicht so nicht akzeptable Lücken auf, so dass in Literatur und Rechtsprechung schon seit langem versucht wird, diese (vermeintlichen oder tatsächlichen) Lücken im Gläubigerschutz auf unterschiedlichen Wegen zu schließen, in erster Linie natürlich durch die Annahme einer persönlichen Haftung der Gesellschafter in Abweichung von § 13 Abs. 2, nach dem solche Haftung gerade grundsätzlich ausgeschlossen sein soll, woran, wie gezeigt, der Gesetzgeber noch 1980 für die Fälle der materiellen Unterkapitalisierung (im Gegensatz zu den Fällen der formellen Unterkapitalisierung, die ihre Regelung jetzt in erster Linie in den §§ 32a und 32b gefunden hat) festhalten wollte. Für diese Fälle hat sich die Sammelbezeichnung „Durchgriffshaftung“ eingebürgert, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass in ihnen „durch“ die juristische Person hindurch auf die materiell hinter ihr stehenden Gesellschafter persönlich zugegriffen wird, um deren Haftung im Interesse eines umfassenden Gläubigerschutzes zu mobilisieren. Die praktische Bedeutung dieser so genannten Durchgriffshaftung steht freilich im umgekehrten Verhältnis zu dem wissenschaftlichen Interesse, das sie in den letzten Jahrzehnten in Deutschland und Österreich gefunden hat. Tatsächlich spielte die Durchgriffshaftung bis vor kurzem, von einigen eigenartigen Fallgestaltungen abgesehen, in der Praxis nahezu keine Rolle (unten Rdnr. 59). Dies könnte sich erst in jüngster Zeit 1 S. im Einzelnen unten § 64 Rdnr. 37, bes. 39 ff.; BGHZ 126, 181, 196 f. = NJW 1994, 2220 = GmbHR 1994, 359; ebenso OGH SZ Bd. 65 (1992 II) Nr. 150, S. 315, 330 ff. = ZIP 1993, 1871. 2 BGHZ 122, 333, 336 = NJW 1993, 1922 = ZIP 1993, 917 = GmbHR 1993, 427.

762

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

durch die jetzt vom BGH angenommene Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs ändern (s. unten Rdnr. 98 ff.). Bei der Durchgriffshaftung der Gesellschafter handelt es sich nicht um ein einheitliches, fest konturiertes Rechtsinstitut; vielmehr werden unter diesem Sammelbegriff verschiedene Rechtsinstitute zusammengefasst, die tatsächlich nur wenig gemeinsam haben. In einer ganzen Reihe der üblicherweise hierher gerechneten Fällen ist es sogar durchaus zweifelhaft, ob es überhaupt einen Sinn macht, in ihnen noch von Durchgriff oder Durchgriffshaftung zu reden. Eindeutig zu verneinen ist dies in denjenigen Fällen, in denen die persönliche Haftung der Gesellschafter (neben der Gesellschaft) auf einem besonderen Verpflichtungsgrund beruht (unten Rdnr. 61 ff.).

57

Einen nur lockeren Zusammenhang mit der „eigentlichen“ Durchgriffsproblematik weisen außerdem die Fälle des so genannten Zurechnungsdurchgriffs auf. Es geht dabei in erster Linie um die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich die Gesellschaft bestimmte Eigenschaften oder Kenntnisse ihrer Gesellschafter zurechnen lassen muss. Auch die umgekehrte Fallgestaltung ist vorstellbar. Mit Durchgriff durch die juristische Person hat dies tatsächlich nichts zu tun. Es handelt sich hier vielmehr in erster Linie um eine Frage der Auslegung der jeweils einschlägigen Norm mit der Folge, dass der „Zurechnungsdurchgriff“ kein einheitliches Rechtsinstitut darstellt, sondern von Fall zu Fall unterschiedlich zu beurteilen ist (unten Rdnr. 68 ff.).

58

Bei der „echten“ oder „eigentlichen“ Durchgriffshaftung geht es demgegenüber um die (überaus schwierige) Frage, ob im Einzelfall auch die Gesellschafter (neben der Gesellschaft) für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Anspruch genommen werden können, selbst wenn kein besonderer Verpflichtungsgrund (oben Rdnr. 57) vorliegt. Mit Rücksicht auf die gesetzliche Regelung (§ 13 Abs. 2) kann es sich dabei freilich immer nur um besonderer Begründung bedürftige Ausnahmefälle handeln. Folgerichtig ist die (zivilrechtliche) Rechtsprechung in der Anerkennung einer persönlichen Haftung der Gesellschafter neben der der Gesellschaft bisher ausgesprochen zurückhaltend gewesen (s. schon oben Rdnr. 56a). Einschränkend bleibt freilich hinzuzufügen, dass die strafrechtliche Praxis, vom Zivilrecht weitgehend unbeachtet, schon immer zu einem wesentlich weiter gehenden Gläubigerschutz tendierte, wofür als Vehikel durchweg die Annahme umfassender Vermögensfürsorgepflichten der Gesellschafter auch gegenüber „ihrer“ Gesellschaft herhalten musste. Den Strafgerichten wurde es dergestalt möglich, schädigende und insbesondere existenzgefährdende Eingriffe der Gesellschafter in die Vermögenssubstanz der Gesellschaft auch jenseits der §§ 30 und 31 GmbHG über den Untreuetatbestand des § 266 StGB (= § 81a GmbHG a.F.) zu sanktionieren, und dies selbst dann, wenn alle Gesellschafter zugestimmt hatten oder es sich um eine Einpersonengesellschaft handelte1. Die zivilrechtliche Praxis nähert sich dieser Rechtsprechung

59

1 S. im Einzelnen unten Vor §§ 82 ff. Rdnr. 11 ff.; insbes. BGHSt 34, 379 = NJW 1988, 1397; BGHSt. 35, 333 = NJW 1989, 112; BGH, GmbHR 1996, 925 = NJW 1997, 66, 68 f. = MDR 1996, 1279 = NStZ 1996, 540 = wistra 1996, 344; Gehrlein, NJW 2000, 1089; Gribbohn, ZGR 1990, 1; Kohlmann, in: FS Werner, 1984, S. 387; Kohlmann, Die straf-

Emmerich

|

763

§ 13

Juristische Person

der Strafgerichte erst in jüngster Zeit über die Annahme einer Durchgriffshaftung bei existenzvernichtenden Eingriffen an (unten Rdnr. 98 ff.). 60

In Österreich werden unter dem Stichwort Durchgriffshaftung dieselben Fallgestaltungen wie in Deutschland diskutiert1. In der Rechtsprechung hat jedoch diese Diskussion bislang nur spärliche Spuren hinterlassen. Noch 1983 hatte der OGH ausdrücklich betont, dass die Durchgriffshaftung von der österreichischen Rechtsprechung bisher nicht rezipiert sei2. Nicht anders als in Deutschland (oben Rdnr. 59) bleibt dabei freilich zu berücksichtigen, dass die österreichische Praxis zum Ausgleich in großem Umfang bereit ist, den strafrechtlichen Vorschriften zum Schutze des Gesellschaftsvermögens zugleich gläubigerschützende Funktion beizumessen mit der Folge, dass den Gläubigern bei der Verletzung solcher Vorschriften direkte Ansprüche gegen die Gesellschafter oder die Geschäftsführer zugebilligt werden; zu denken ist dabei in erster Linie an § 159 öStGB3. Außerdem hat der OGH in jüngster Zeit in weit reichenden Formulierungen eine generelle Haftung beherrschender Gesellschafter anerkannt, die in sorgfaltswidriger Weise auf ihre Gesellschaft Einfluss nehmen und diese dadurch schädigen4.

2. Besondere Verpflichtungsgründe Literatur: Jabornegg, WiBl. 1989, 43; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 5 ff. (S. 452 ff.); Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 155; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 1 (S. 226 ff.); Schiessl, in: MünchHdb. III, § 35 Rdnr. 4 ff. (S. 559 ff.).

61

Es macht keinen Sinn, von „Durchgriffshaftung“ zu sprechen, wenn die Haftung der Gesellschafter neben der Gesellschaft auf einem besonderen Verpflichtungsgrund beruht. Es versteht sich vielmehr von selbst, dass die Gesellschafter – neben der von ihnen zu trennenden Gesellschaft – durch Vertrag zusätzlich die Haftung für etwaige Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernehmen können (§ 311 Abs. 1 BGB; unten Rdnr. 61a). Eine Haftung der Gesellschafter neben der Gesellschaft kann sich außerdem von Fall zu Fall aus den Regeln über die Haftung bei Vertragsabschluss (c.i.c.) oder aus Rechtsscheingrundsätzen ergeben (§ 311 Abs. 2 und 3 BGB; unten Rdnr. 63, 64 ff.). Schließlich bedarf es keiner Hervorhebung, dass die Gesellschafter persönlich haften müssen, wenn sie in ihrer Person einen Deliktstatbestand erfüllen, wobei insbesondere an § 823

1

2 3 4

rechtliche Verantwortlichkeit des GmbH-Geschäftsführers, 1990; Müller-Christmann/ Fr. Schnauder, JuS 1998, 1080; Nelles, Untreue zum Nachteil von Gesellschaften, 1991; Priester, ZGR 1993, 515; C. Schäfer, GmbHR 1993, 717, 780; Ulmer, in: FS Pfeiffer, 1988, S. 853. S. Harrer, Haftungsprobleme bei der GmbH, S. 121, 162 ff.; H. Honsell, GesRZ 1984, 134, 207; 1987, 173; Jabornegg, WiBl. 1989, 1, 43; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 34 ff.; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 552 ff.; G. Roth, GesRZ 1985, 1; 1988, 119. SZ Bd. 56 (1983) Nr. 101, S. 450 = GesRZ 1983, 156; letztlich offen gelassen auch in OGH SZ Bd. 63 (1990 I) Nr. 124, S. 625, 629 f. = WiBl. 1990, 348, 349. S. OGH SZ Bd. 63 (1990 I) Nr. 124, S. 625, 632 f. = WiBl. 1990, 348, 349 f.; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 34; dagegen H. Honsell, GesRZ 1984, 134, 207; 1987, 173. Grdlg. OGH, WiBl. 2001, 469, 470 f. = AG 2003, 700.

764

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

Abs. 2 BGB i.V.m. den §§ 263 und 266 StGB (oben Rdnr. 59 f.) sowie, und zwar in erster Linie, an § 826 BGB zu denken ist. Es hat deshalb nichts verwunderliches an sich, sondern entspricht der Logik der Dinge, dass die Gerichte in Durchgriffsfällen „nach Möglichkeit“ insbesondere auf die zuletzt genannte Vorschrift ausweichen. a) Da die Gesellschaft und ihre Gesellschafter verschiedene Rechtspersonen sind (sog. Trennungsprinzip), können die Gesellschafter durch besonderen Vertrag die Mithaftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft neben dieser übernehmen (§ 311 Abs. 1 BGB). Als Gestaltungsformen kommen hierfür neben der Bürgschaft (§ 765 BGB) insbesondere noch ein Schuldbeitritt, eine Patronatserklärung oder ein Garantieversprechen in Betracht. Was jeweils vorliegt, ist allein eine Frage der Auslegung der Parteierklärungen1. Irgendwelche Besonderheiten gelten insoweit nicht.

61a

b) Eine andere, ebenfalls allein durch Auslegung zu entscheidende Frage ist, ob und gegebenenfalls inwieweit Leistungs- oder Unterlassungspflichten eines Gesellschafters auf von ihm abhängige Gesellschaften zu „erstrecken“ sind, so dass er sich z.B. einer Vertragsverletzung schuldig macht, wenn er eine persönlich übernommene Verpflichtung auf dem Weg über eine von ihm abhängige GmbH „umgeht“, wenn er z.B. einem persönlich übernommenen Wettbewerbsverbot mittels „seiner“ GmbH zuwiderhandelt. Auf diese Frage gibt es keine einheitliche Antwort; entscheidend ist vielmehr allein, ob nach dem Sinn der Abreden der Parteien derartige „Umgehungsversuche“ von dem Vertrag erfasst seien sollen oder nicht (§§ 133, 157, 242 BGB)2. Daneben kann die Anwendung des § 826 BGB in Betracht kommen, wenn ein Gesellschafter eine GmbH eigens zu dem Zweck gründet, von ihm persönlich übernommene, vertragliche Verpflichtungen zu umgehen3.

62

In den genannten Fällen (oben Rdnr. 62) ändert sich nichts an der Trennung von Gesellschaft und Gesellschaftern. Aus der Haftung des letzteren für die „Umgehung“ seiner Verpflichtungen mittels der GmbH darf daher grundsätzlich nicht auf eine eigene zusätzliche Verpflichtung der von dem Gesellschafter eingeschalteten GmbH gefolgert werden (grundsätzlich kein umgekehrter Durchgriff, s. unten Rdnr. 96). Anders verhält es sich nur, wenn die Gesellschaft ausnahmsweise durch ihre Mitwirkung bei der Vertragsverletzung ihres Gesellschafters selbst einen Haftungstatbestand, z.B. nach § 826 BGB oder nach § 3 UWG, setzt4. Von solchen Fällen abgesehen, ist der Gläubiger jedoch ausreichend durch seine Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche gegen den verpflichteten Gesellschafter geschützt5. Haftet der Gesellschafter aus § 826 BGB

62a

1 S. BGH, LM Nr. 12 zu § 414 BGB = NJW 1986, 580 = WM 1985, 1417; BGH, WM 1977, 74; G. Kuhn, in: FS Fischer, 1979, S. 351; Nirk, in: FS Stimpel, 1985, S. 443, 449 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 236 ff. 2 Vgl. Heymann/Emmerich, HGB, § 128 Rdnr. 24 f. 3 RGZ 114, 68 (70 ff.); E. Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 359 ff. 4 OGH SZ Bd. 34 (1961) Nr. 22, S. 65, 68. 5 S. O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 191 ff.; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 355 ff.; Schulte, Rechtsprechungsübersicht, S. 4; J. Wilhelm, Rechtsform, S. 164, 247 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, I, S. 232.

Emmerich

|

765

§ 13

Juristische Person

(s. oben Rdnr. 62), so kommt außerdem eine eigene Haftung der Gesellschaft als Teilnehmer nach § 830 BGB in Betracht. 63

c) Eine persönliche Haftung eines Gesellschafters neben der GmbH kann sich schließlich noch aus Rechtsscheingrundsätzen ergeben, insbesondere, wenn er durch sein Auftreten im Geschäftsverkehr den Eindruck persönlicher Haftung erweckt. Der wichtigste Fall ist das Auftreten unter der Firma der Gesellschaft ohne den gesetzlich vorgeschriebenen GmbH-Zusatz (s. oben § 4 Rdnr. 53a). Weitere Fallgestaltungen dieser Art sind vorstellbar1.

3. c.i.c. Schrifttum: Brandner, in: FS Werner, 1984, S. 53; Canaris, in: (2.) FS Larenz, 1983, S. 27; Canaris, in: FS Giger, 1989, S. 91; Canaris, JZ 1993, 649; Ebenroth/Kräutter, BB 1990, 569; Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, 2002, S. 139 ff.; Emmerich, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 311 Rdnr. 247 f.; Flume, ZIP 1994, 337; M. Geißler, ZIP 1997, 2184; Grunewald, ZGR 1986, 580; Medicus, in: FS Steindorff, 1990, S. 725; Medicus, GmbHR 1993, 533; P. Müller, ZIP 1993, 1531; Nirk, in: FS Stimpel, 1985, S. 443; Rehbinder, in: FS Fischer, 1979, S. 579; Roth, GmbHR 1985, 137; Roth, JuS 1987, 196; Roth, GesRZ 1985, 1; K. Schmidt, NJW 1993, 2934; Steiniger, Die Haftung des Geschäftsführers oder des Gesellschafter-Geschäftsführers, 1986; Ulmer, GmbHR 1984, 256; Ulmer, NJW 1983, 1577.

64

Nach § 311 Abs. 3 Satz 1 BGB können auch Dritte unter zusätzlichen Voraussetzungen aus c.i.c. haften. Gem. § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB kommt dies insbesondere in Betracht, wenn der fragliche Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst2. Der Gesetzgeber hat damit die herkömmliche Praxis zur so genannten Sachwalterhaftung im BGB verankert. Das ist deshalb wichtig, weil Sachwalter in diesem Sinne auch die an Vertragsverhandlungen maßgeblich beteiligten Gesellschafter, in erster Linie also Gesellschaftergeschäftsführer sein können mit der Folge, dass sie eine persönliche Haftung (neben der GmbH) aus c.i.c. trifft, wenn sie während der Vertragsverhandlungen eine Aufklärungspflicht verletzen (§§ 311 Abs. 3 und 2, 241 Abs. 2, 276, 280 Abs. 1 BGB), indem sie z.B. den Vertragspartner nicht ordnungsgemäß über die mangelnde Kreditwürdigkeit der Gesellschaft informieren. Die Voraussetzungen dieser besonderen Gesellschafterhaftung waren lange Zeit umstritten, da hier bei einer allzu großzügigen Handhabung des § 311 Abs. 3 BGB unverkennbar die Gefahr droht, dass jedenfalls für Gesellschaftergeschäftsführer die persönliche Haftung – entgegen den Wertungen des Gesetzes (§ 13 Abs. 2) – doch zur Regel wird.

65

Die Rechtsprechung hatte gleichwohl eine Zeitlang dahin tendiert, die persönliche Haftung der Gesellschaftergeschäftsführer aus c. i. c. neben der der Gesellschaft immer weiter auszudehnen3. Im Schrifttum war diese Praxis jedoch zu

1 S. BGH, LM Nr. 13 zu § 151 BGB = NJW-RR 1986, 456. 2 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich, Leistungsstörungen, § 7 V (S. 124 ff.). 3 BGHZ 87, 27, 35 ff. = NJW 1983, 1607; BGH, LM Nr. 14 zu § 276 (Fa) BGB = MDR 1963, 301; BGH, LM Nr. 87 zu § 276 (Fa) BGB = NJW 1986, 586.

766

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

Recht auf verbreitete Kritik gestoßen, in der vor allem geltend gemacht wurde, den Gläubiger hindere nichts, auf einer persönlichen Mithaftung des Gesellschaftergeschäftsführers zu bestehen (oben Rdnr. 61); versäume er dies, so dürfe nicht auf dem Umweg über die c. i. c. letztlich derselbe Erfolg doch herbeigeführt werden1. Der BGH kündigte deshalb zunächst in zwei Beschlüssen von 1993 eine grundsätzliche Revision seiner Praxis an2 und kehrte schließlich 1994 zu der früheren restriktiven Praxis zurück3. Für die Bejahung der Eigenhaftung des Gesellschaftergeschäftsführers aus c.i.c. nach § 311 Abs. 3 BGB neben der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigeninteresses reichen seitdem weder eine maßgebliche Beteiligung an der Gesellschaft noch die Stellung von Sicherheiten für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus4. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass der Geschäftsführer gleichsam in eigener Sache tätig geworden ist, während ein bloßes mittelbares, wirtschaftliches Interesse, z.B. an der Erzielung von Gewinnen durch die vertretene Gesellschaft, nicht mehr genügt5. Unberührt bleibt aber seine Haftung aus § 826 BGB, wenn er den anderen Teil geradezu vorsätzlich täuscht6.

66

Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers aus c. i. c. wegen der Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens (§ 311 Abs. 3 Satz 2 BGB) wird heute gleichfalls nur noch bejaht, wenn er „gleichsam im Vorfeld einer Garantiezusage“ ein zusätzliches, von ihm ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen hervorgerufen hat, während es nicht ausreicht, dass er lediglich vorvertragliche Aufklärungspflichten der Gesellschaft verletzt hat7. Voraussetzung der Eigenhaftung des Gesellschaftergeschäftsführers ist außerdem, dass er überhaupt an den Verhandlungen beteiligt war8.

67

4. Zurechnungsdurchgriff9 Von Zurechnungsdurchgriff spricht man, wenn es um die Frage geht, ob in einem Rechtsverhältnis unter Beteiligung einer Gesellschaft auf die hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter in dem Sinne „durchzugreifen“ ist, dass der Gesellschaft die Verhältnisse oder die Erklärungen ihrer Gesellschafter so1 S. M. Geißler, ZIP 1997, 2184. 2 GmbHR 1993, 420 = ZIP 1993, 763; NJW 1993, 2931 = GmbHR 1993, 733 = ZIP 1993, 1543; s. dazu Canaris, JZ 1993, 649; Flume, ZIP 1994, 337; M. Geißler, ZIP 1997, 2184; Medicus, GmbHR 1993, 533; G. Müller, ZIP 1993, 1531; K. Schmidt, NJW 1993, 2934. 3 Grdlg. BGHZ 126, 181, 183 ff. = NJW 1994, 2220 = GmbHR 1994, 539; ebenso sodann BGH, WM 1995, 108 = GmbHR 1995, 130; OLG Köln, WM 1997, 1379, 1380 f. 4 BGHZ 126, 181, 184, 186 ff. = NJW 1994, 2020. 5 S. Emmerich, Leistungsstörungen, § 7 V 3 (S. 129 f.). 6 BGH, LM Nr. 119 zu § 267 (Fa) BGB = NJW-RR 1991, 1312. 7 BGHZ 126, 181, 189 f. = NJW 1994, 2020. 8 OLG Hamm, NJW-RR 1991, 747; OLG Stuttgart, GmbHR 1970, 397. 9 S. zum Folgenden insbes. Jabornegg, WiBl. 1989, 43 ff.; Michalski, Rdnr. 376–392; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 5–18 (S. 452 ff.); Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 146–154; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 9 III 2 (S. 228 ff.).

Emmerich

|

767

68

§ 13

Juristische Person

wie deren Eigenschaften oder Kenntnisse oder umgekehrt dem Gesellschafter bestimmte Verhaltensweisen oder Kenntnisse der Gesellschaft zugerechnet werden (s. oben Rdnr. 59). Diese Frage beurteilt sich allein nach den jeweils in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften. Die Antwort kann daher von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen. Mit einem „echten Durchgriff“ durch die juristische Person hindurch auf die hinter ihr stehenden Gesellschafter hat der Zurechnungsdurchgriff dagegen nichts zu tun1. Dies soll jetzt noch an einer Reihe in diesem Zusammenhang häufig diskutierter Fälle verdeutlicht werden (unten Rdnr. 69 ff.). a) § 648 BGB 69

Bei Abschluss von Bauwerkverträgen mit einer GmbH stellt sich häufig die Frage, ob der Unternehmer nach § 648 BGB die Bestellung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstück auch dann verlangen kann, wenn dieses nicht der verpflichteten Gesellschaft, sondern einem oder mehreren Gesellschaftern gehört2. Diese Frage ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Gesellschafter, sei es auf Grund eines besonderen Verpflichtungsgrundes, sei es im Wege des Durchgriffs, neben der Gesellschaft für die Werklohnforderung des Unternehmers haftet3. In den verbleibenden Fällen handelt es sich um eine Frage der Auslegung des Bestellerbegriffs in § 648 BGB, die nach wie vor umstritten ist4. Dazu genügt hier die Bemerkung, dass nach ganz überwiegender Meinung entsprechend dem Wortlaut des § 648 Abs. 1 Satz 1 BGB der Anspruch des Bauwerkunternehmers auf Einräumung einer Sicherungshypothek grundsätzlich Identität zwischen den Besteller und dem Eigentümer des Baugrundstücks voraussetzt. Eine abweichende Beurteilung kommt nach Treu und Glauben nur unter engen Voraussetzungen bei „wirtschaftlicher“ Identität zwischen Besteller (GmbH) und ihrem Alleingesellschafter in Betracht, vorausgesetzt, dass noch weitere Umstände hinzutreten, die jede andere Entscheidung als treuwidrig erscheinen lassen5. Diese restriktive Haltung der Gerichte rechtfertigt sich schon aus der einfachen Überlegung heraus, dass in Fällen der Auftragserteilung durch eine GmbH den Bauwerkunternehmer nichts hindert, von dem die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter die zusätzliche Übernahme einer persönlichen Haftung zu verlangen. Gelingt ihm dies nicht, so darf dieser Misserfolg nicht nachträglich über § 648 Abs. 1 BGB zu Lasten des Gesellschafters korrigiert werden6.

1 Ebenso ausführlich Jabornegg, WiBl. 1989, 43 ff.; Michalski, Rdnr. 376; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 146; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 2 (S. 228 ff.). 2 S. dazu Rehbinder, in: FS R. Fischer, S. 579, 589 f.; Schulte, Rechtsprechungsübersicht, S. 11 f.; J. Wilhelm, Rechtsform, S. 369 ff. 3 BGHZ 102, 95, 100 ff. = NJW 1988, 255; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 1105. 4 S. Michalski, Rdnr. 382; Palandt/Sprau, BGB, § 648 Rdnr. 3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 2b (S. 229). 5 BGHZ 102, 95, 100 ff.; OLG Naumburg, NJW-RR 2000, 311, 312; noch enger OLG Frankfurt, MDR 2001, 1405 f.; OLG Schleswig, OLGR 2000, 158 = BauR 2000, 1377; Palandt/Sprau, § 648 Rdnr. 3. 6 Ebenso zutreffend OLG Frankfurt, MDR 2001, 1405 f.; OLG Schleswig, OLGR 2000, 158 = BauR 2000, 1377.

768

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

b) § 652 BGB Ein Makler erhält seine Provision dafür, dass er einen Vertrag zwischen dritten Personen vermittelt (§ 652 BGB). Keine Provision wird dagegen fällig, wenn der Makler den Vertrag selbst abschließt. Die Praxis hat hieraus den Schluss gezogen, dass der Makler den Provisionsanspruch nicht verdient hat, wenn der Vertrag mit einer von ihm völlig abhängigen GmbH zu Stande kommt, weil es sich unter diesen Umständen, „wirtschaftlich gesehen“, um einen Abschluss mit dem Makler selbst und nicht mit einem unabhängigen Dritten handele1. Die genaue Abgrenzung dieser Fälle richtet sich allein nach der Auslegung des § 652 BGB, so dass es sich dabei ebenso wenig wie bei der parallelen Problematik bei § 648 BGB (s. oben Rdnr. 69) um ein Durchgriffsproblem handelt. Nichts anderes gilt schließlich für die gleichfalls häufig im vorliegenden Zusammenhang diskutierte Frage, unter welchen Voraussetzungen Stimmverbote wie § 47 Abs. 4 auf Gesellschaften zu erstrecken sind, die einem betroffenen Gesellschafter „nahe stehen“ (s. unten § 47 Rdnr. 154 ff.).

70

c) Wissenszurechnung Der Gesetzgeber geht bei der Regelung eines Lebenssachverhalts idR von natürlichen Personen als Normadressaten aus. Zahlreiche Vorschriften stellen deshalb auf Umstände, Verhältnisse, Kenntnisse und Eigenschaften ab, die als solche nur bei natürlichen Personen, nicht dagegen bei juristischen Personen als bloßen Gedankengebilden vorliegen können. So verhält es sich etwa, wenn die Frage nach der Gut- oder Bösgläubigkeit einer Person oder nach ihren Kenntnissen aufgeworfen wird, weiter, wenn zu prüfen ist, ob eine Person zuverlässig oder unzuverlässig ist, sowie, ob sie Angehörige oder Verwandte hat. Auch bei der Frage, ob und gegebenenfalls mit welchen Modifikationen diese Vorschriften entsprechend auf juristische Personen anwendbar sind, handelt es sich wiederum, wie unmittelbar einleuchtet, nicht um ein „echtes“ Durchgriffsproblem, sondern allein um eine Frage der Normanwendung, d.h. der Auslegung der jeweils einschlägigen Normen2.

71

In einer Reihe von Fällen hat der Gesetzgeber die aufgeworfene Frage (oben Rdnr. 71) schon selbst durch unterschiedliche Zurechnungsnormen geregelt3. Ein Beispiel aus jüngster Zeit ist § 138 Abs. 2 InsO4. Jenseits solcher Sonderregelungen beurteilt sich nach den entsprechend anwendbaren §§ 31 und 166 BGB, inwieweit die Kenntnis oder das Kennenmüssen bestimmter Umstände auf der Seite der Gesellschafter der Gesellschaft zuzurechnen ist. Veranlasst

72

1 BGH, LM Nr. 91 zu § 652 BGB = NJW 1985, 2473; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1996, 629 f.; Jabornegg, WiBl. 1989, 43, 45; Michalski, Rdnr. 383 f.; Palandt/Sprau, BGB, § 652 Rdnr. 29 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 2a (S. 228 f.); Schulte, Rechtsprechungsübersicht, S. 11 f.; J. Wilhelm, Rechtsform, S. 48 ff.; vgl. auch für weitere Fälle OLG Karlsruhe, NJW-RR 1995, 1136 f. 2 S. Flume, Allg. Teil Bd. I/2, § 3 (S. 63 ff.); Michalski, Rdnr. 381; Schulte, Rechtsprechungsübersicht, S. 9 f. m.N.; J. Wilhelm, Rechtsform, S. 38, 259, 274 f. und passim; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 229 ff. 3 S. Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 229 f. 4 S. Michalski, Rdnr. 390.

Emmerich

|

769

§ 13

Juristische Person

z.B. ein Gesellschafter den Geschäftsführer zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder duldet er auch nur die ihm vorher bekannt gewordene Vornahme des Geschäfts, obwohl er es verhindern könnte, so ist nach der Wertung des § 166 Abs. 2 BGB seine Kenntnis oder sein Kennenmüssen der GmbH zuzurechnen. Die Einzelheiten gehören in die Erläuterungen zu § 166 BGB1. d) Zurechnung von Eigenschaften 73

Die Zurechnung persönlicher Eigenschaften und Verhältnisse der Gesellschafter richtet sich gleichfalls nach Sinn und Zweck der jeweils einschlägigen Norm2. So kann z.B. ein Rechtsgeschäft mit der GmbH wegen Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft der Person gem. § 119 Abs. 2 BGB angefochten werden, wenn der ihre Geschicke bestimmende Hauptgesellschafter persönlich unzuverlässig ist3. Dagegen ist bei juristischen Personen kein Raum für eine Anwendung des § 530 BGB über den Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks4. Ebenso sollte bei § 61 VVG entschieden werden, selbst wenn der Versicherungsfall von einem beherrschenden Gesellschafter herbeigeführt wird. Anders mag die Rechtslage nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Einzelfall bei Einpersonengesellschaften im Falle der Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den alleinigen Gesellschafter zu beurteilen sein5. e) Gutgläubiger Erwerb

74

Die zahlreichen Vorschriften in- und außerhalb des BGB über den Schutz des gutgläubigen Erwerbs6 sind nach h.M. nur auf so genannte Verkehrsgeschäfte anwendbar, d.h. auf solche Geschäfte, bei denen nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich ein Rechtsübergang vorliegt, weil an dem Vertrag auf beiden Seiten unterschiedliche Personen beteiligt sind. Daher scheidet ein gutgläubiger Erwerb aus, wenn ein Gegenstand von der Gesellschaft den Gesellschaftern oder umgekehrt von allen Gesellschaftern der Gesellschaft übereignet wird, und zwar ohne Rücksicht auf die Gut- oder Bösgläubigkeit der jeweils für den Erwerber tätig werdenden Personen7. Auch die Gutgläubigkeit eines Fremd1 Grdlg. BGHZ 132, 30 = NJW 1996, 1339; BGHZ 140, 54, 610 = NJW 1999, 284, 286; BGH, LM Nr. 36 zu § 166 BGB = NJW 1997, 1917 = ZIP 1997, 1023; BGH, LM Nr. 43 zu § 166 BGB = NJW 2001, 359 f.; Raiser, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 561; Reischl, JuS 1997, 783; W.-H. Roth, in: FS Gaul, 1997, S. 585. 2 Bauschke, BB 1975, 1324; Dempewolf, DB 1961, 972, 1011; Drobnig, Haftungsdurchgriff, S. 20, 94 ff.; Flume, Allg. Teil Bd. I/2, S. 72 f.; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 558; Schulte, Rechtsprechungsübersicht, S. 9; Stauder, GmbHR 1968, 74. 3 RGZ 143, 431 f.; Jabornegg, WiBl. 1989, 43, 46; Michalski, Rdnr. 380; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 148. 4 OLG Düsseldorf, NJW 1966, 550; anders Jabornegg, WiBl. 1989, 43, 45. 5 S. im Einzelnen Jabornegg, WiBl. 1989, 43, 44 f.; Michalski, Rdnr. 392; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 150; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III 2c (S. 229 f.). 6 §§ 892 und 932 BGB, § 366 HGB; Art. 16 und 17 WG; Art. 21 und 22 ScheckG. 7 Vgl. für § 892 BGB RGZ 117, 257, 264 ff.; 119, 126, 128 f.; 126, 46, 48 f.; 130, 390, 392; 130, 340, 342 f.; BGHZ 78, 318, 325 = NJW 1981, 522; KG, JW 1927, 1431; Flume, Allg. Teil Bd. I/2, § 3 II (S. 69 ff.); Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 96 ff.; Lutter/Hommelhoff,

770

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

geschäftsführers nützt also einem Gesellschafter nichts, wenn er einen ihm nicht gehörenden Gegenstand seiner Gesellschaft „übereignet“. Probleme ergeben sich hier erst, wenn es an der Personenidentität zwischen der Veräußerer- und der Erwerberseite fehlt, wenn z.B. auf der einen oder anderen Seite einzelne Gesellschafter fehlen oder wenn neben den Gesellschaftern noch andere Personen als Erwerber auftreten. In dem zuletzt genannten Falle sollte man einen gutgläubigen Erwerb zulassen, sofern die zusätzlichen Erwerber nicht nur als Strohmänner der Gesellschafter fungieren. Verhält es sich dagegen so, dass auf der Seite des Veräußerers oder des Erwerbers einzelne Gesellschafter fehlen, so bleibt wohl nichts anderes übrig, als danach zu differenzieren, welche Position die beteiligten und die nicht beteiligten Gesellschafter in der Gesellschaft einnehmen1.

74a

Dieselben Regeln gelten im Anwendungsbereich des Wechsel- und Scheckgesetzes. Ein Einwendungsausschluss nach Art. 17 WG scheidet mithin aus, wenn ein Wechsel von dem einzigen Gesellschafter auf die Gesellschaft oder von dieser auf den Einmann übertragen wird oder wenn der Wechselerwerb einen bloßen konzerninternen Vorgang zwischen verbundenen Gesellschaften darstellt2.

75

VII. Haftungsdurchgriff3 1. Überblick Von Haftungsdurchgriff („durch“ die Gesellschaft hindurch auf die Gesellschafter) spricht man in Fällen einer persönlichen Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ohne besonderen Verpflichtungsgrund, d.h. in Abweichung von § 13 Abs. 2. Über die Voraussetzungen, unter denen (ausnahmsweise) solcher Haftungdurchgriff in Betracht kommt, ist bislang keine Einigkeit erzielt worden. Selbst die Berechtigung des ganzen Rechtsinstituts wird immer wieder angezweifelt.

76

Eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter kann in der Tat bisher nur in wenigen Fallgruppen als (einigermaßen) gesichert gelten. Hervorzuheben sind die Fälle der Vermögens- und der Sphärenvermischung sowie des existenzvernichtenden Eingriffs (Stichwort: Vulkan-Doktrin). Im Schrifttum wird daneben eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter (immer neben der Gesellschaft) vor allem noch in den Fällen der qualifizierten materiellen Unterkapitalisierung befürwortet (unten Rdnr. 81 ff.). Dagegen spielen die Fälle der Konzernhaftung im vorliegenden Zusammenhang nur noch ein untergeordnete Rolle, im Vertragskonzern mit Rücksicht auf die dort allgemein anerkannte entsprechende Anwendung der §§ 302 und 303 AktG und im faktischen Konzern wegen der Ersetzung

77

Rdnr. 23; Michalski, Rdnr. 385; kritisch Jabornegg, WiBl. 1989, 43, 44 f.; J. Wilhelm, Rechtsform, S. 259 ff. 1 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 98; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23. 2 OLG Stuttgart, JZ 1965, 415; OLG Hamm, JZ 1965, 416; AG 1977, 268; Schulte, Rechtsprechungsübersicht, S. 14; J. Wilhelm, Rechtsform, S. 274 ff. 3 Schrifttum: S. oben bei Rdnr. 55.

Emmerich

|

771

§ 13

Juristische Person

der Rechtsfigur des qualifizierten faktischen Konzerns durch die allgemeine Haftung der Gesellschafter für existenzvernichtende Eingriffe. Im Folgenden soll zunächst ein kurzer Überblick über die wichtigsten, im vorliegenden Zusammenhang diskutierten, theoretischen Ansätze zur Lösung der Durchgriffsproblematik gegeben werden (unten Rdnr. 78 ff.). Im Anschluss daran wird auf die einzelnen Fallgruppen eingegangen (unten Rdnr. 81 ff.). Den Abschluss bildet nach einem Blick auf die Rechtsfolgen und auf den umgekehrten Durchgriff (unten Rdnr. 96 f.) eine Darstellung der neuen Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs (unten Rdnr. 98 ff.).

2. „Durchgriffstheorien“ Schrifttum: Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 62, 72 ff.; Th. Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, bes. S. 327 ff.; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen, S. 142, 361 ff.; Ehricke, AcP 199 (1999), 257; M. Harrer, Haftungsprobleme bei der GmbH, S. 121, 162 ff.; Honsell, GesRZ 1987, 173; Jabornegg, WiBl. 1989, 43, 47 ff.; Michalski, Rdnr. 323–341; Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 51 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 II (S. 221 ff.); Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 85 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 123–129; Stimpel, in: FS Goerdeler, S. 601 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, § 4 III (S. 217 ff.); J. Wilhelm, Rechtsform; G. Wüst, DStR 1991, 1388, 1422, 1425 ff.

78

Es gibt bisher keine allseits akzeptierte und dogmatisch gefestigte Lehre von der Durchgriffshaftung der Gesellschafter neben (oder anstatt?) der GmbH entgegen § 13 Abs. 2. Im Schrifttum findet sich stattdessen ein bunter Strauß sich vielfältig überschneidender „Theorien“ zur Rechtfertigung einer persönlichen Haftung der Gesellschafter in bestimmten Fallgruppen in Abweichung von § 13 Abs. 2. Diese Theorien unterscheiden sich in den Voraussetzungen, unter denen eine persönliche Haftung der Gesellschafter erwogen wird, ebenso wie hinsichtlich der Rechtsfolgen der einzelnen Durchgriffstatbestände. Zugrunde liegen oft gänzlich entgegengesetzte Vorstellungen über das „Wesen“, genauer: über die gesetzliche Konzeption der juristischen Person GmbH. Scharfe Trennungslinien zwischen den einzelnen theoretischen Erklärungsansätzen wird man trotzdem vergeblich suchen. Meistens handelt es sich um bloße, unterschiedliche Akzentsetzungen, wobei sich im Laufe der Zeit der Schwerpunkt der Diskussion immer wieder geändert hat. Im Augenblick kreist die Diskussion insbesondere um die neue Durchgriffshaftung für existenzvernichtende Eingriffe der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen. Sieht man zunächst einmal von diesen Fällen ab, die weiter unten eingehend gewürdigt werden (unten Rdnr. 98 ff.), so ist zunächst zwischen den verschiedenen subjektiven oder objektiven Missbrauchslehren und den Normzweck- oder Normanwendungslehren zu unterscheiden. Daneben werden noch institutionelle Lehren genannt. Mit keinem dieser Begriffe verbinden sich indessen klar konturierte Erklärungsansätze; vielmehr herrschen deutlich Mischtheorien vor1. Hinzu treten ständig neue Erklärungsansätze, so dass es nicht verwundert, dass neuerdings häufig angesichts des verwirrenden Meinungsbildes in der Literatur auch die Existenzberechtigung des ganzen Rechtsinstituts überhaupt bestritten 1 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 II 1c (S. 224).

772

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

wird1. Im Grunde gehören hierher auch die vielen Stimmen, die die (theoretisch kaum begründbare) Durchgriffshaftung der Gesellschafter durch eine Verschuldenshaftung, sei es entsprechend § 43 Abs. 2 (Stichwort: faktischer Geschäftsführer), sei es wegen Sorgfaltspflichtverletzung (§§ 241 Abs. 2, 276, 280 Abs. 1 BGB) ersetzen wollen, ganz entsprechend der Haftung der Gesellschafter für die Verletzung ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft2. Anders als der BGH (Stichwort: Vulkan-Doktrin) hat sich der österreichische OGH in jüngster Zeit dieser Auffassung ausdrücklich angeschlossen3. a) Die Missbrauchslehren, jedenfalls in ihrer subjektiven Variante, sind vor allem mit dem Namen Serick verknüpft4. Nach ihm kommt wegen der vom Gesetzgeber zu Gunsten der juristischen Person entschiedenen Wertabwägung ein Durchgriff nur ausnahmsweise in Betracht, sofern objektiv und subjektiv ein Missbrauch der Rechtsform der juristischen Person vorliegt. Dies soll grundsätzlich nur anzunehmen sein, wenn mit Hilfe der juristischen Person ein Gesetz oder eine vertragliche Verpflichtung umgangen oder Dritte fraudulös geschädigt werden.

79

Die Thesen Sericks fanden zunächst im Schrifttum verbreitete Zustimmung. Im Laufe der nicht abreißenden Diskussion wurde dabei jedoch in wachsendem Maße Gewicht auf objektive Missbrauchselemente gelegt5; maßgebend sollte mit anderen Worten sein, ob die juristische Person „ordnungswidrig, funktionswidrig oder zweckentfremdet“ verwandt wurde6. Die danach maßgebenden Kriterien sind indessen unklar und unbestimmt geblieben, so dass die Missbrauchslehren in ihren verschiedenen Spielarten mittlerweile überwiegend auf Ablehnung stoßen7. An ihre Stelle sind vor allem die Normzweckund Normanwendungslehren in ihren verschiedenen Spielarten getreten (unten Rdnr. 80 f.).

79a

1 Insbes. Ehricke, AcP 199 (1999), 257; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen, S. 143, 361, 383 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 35 Rdnr. 14 (S. 561 f.); im Grundsatz auch Heermann, in: Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 11; H. Honsell, GesRZ 1987, 173; Wiesner, in: Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 59. 2 S. oben Rdnr. 36 ff., unten Rdnr. 86a f.; grdlg. Wilhelm, Rechtsform; ebenso jetzt insbes. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 72 ff.; Altmeppen, ZIP 2001, 1837; Altmeppen, ZIP 2002, 961; Altmeppen, ZIP 2002, 1553; Altmeppen, NJW 2002, 321; Eckhold, Unterkapitalisierung, S. 27 ff.; Jabornegg, WiBl. 1989, 43, 47 ff.; Michalski, Rdnr. 338; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 9 IV 4c, 18 II 5, 39 III 2c (S. 243, 525, 1221 f.); K. Schmidt, NJW 2001, 3477 u.v.a. 3 Grdlg. OGH, RdW 2001, 469, 470 f. = AG 2003, 700. 4 Rechtsform und Realität juristischer Personen, 2. Aufl. 1980; Durchgriffsprobleme bei Vertragsstörungen, 1959, S. 23 ff. 5 Bauschke, BB 1975, 1324; Dempewolf, DB 1961, 972, 1011; Drobnig, Haftungsdurchgriff, S. 20, 94 ff.; Stauder, GmbHR 1968, 74. 6 S. außer den in der vorigen Fn. Genannten insbesondere noch Erlinghagen, GmbHR 1962, 169; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 405 ff.; O. Kuhn, Strohmanngründung; G. Kuhn, in: FS R. Fischer, 1979, S. 351, 353 f. 7 Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522; Beitzke, JZ 1956, 40, 676; Erman, KTS 1959, 131; Lieberknecht, NJW 1956, 933; Reinhardt, in: FS Lehmann Bd. II, S. 576, 587 f.; Rheinstein, RabelsZ 22 (1957), 371.

Emmerich

|

773

§ 13

Juristische Person

80

b) Kern der Normzwecklehren ist eine teleologische Reduktion des § 13 Abs. 2 in bestimmten Fallgruppen, die durch die Missachtung der gesetzlichen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung oder durch deren zweckwidrigen Gebrauch gekennzeichnet sind1. Zwischen den Vertretern dieser Lehre ist jedoch bis heute umstritten geblieben, unter welchen Voraussetzungen solche teleologische Reduktion des § 13 Abs. 2 tatsächlich in Betracht kommen soll. Die wichtigsten in diesem Zusammenhang diskutierten Fallgruppen sind die (materielle) Unterkapitalisierung (unten Rdnr. 83 ff.), die Vermögens- und die Sphärenvermischung (unten Rdnr. 86 f.) sowie eine Reihe sonstiger Fälle, die (angeblich) durch einen Missbrauch der juristischen Person zu sachfremden Zwecken gekennzeichnet sind.

80a

Von den Normzwecklehren (oben Rdnr. 80) werden häufig noch Normanwendungslehren und institutionelle Lehren unterschieden. Soweit mit dem Begriff „Normanwendungslehre“ zum Ausdruck gebracht werden soll, dass es in den Fällen des so genannten Zurechnungsdurchgriffs lediglich um die sachgerechte Anwendung unterschiedlicher Normen auf den besonderen Tatbestand der juristischen Person geht, ist bereits klargestellt worden, dass es sich dabei überhaupt nicht um eigentliche Durchgriffsfälle, d.h. um eine „Durchbrechung“ des § 13 Abs. 2 zum Nachteil der Gesellschafter, handelt (oben Rdnr. 68 ff.), genausowenig wie es etwas mit „Durchgriffshaftung“ zu tun hat, wenn die Gesellschafter aus einem besonderen, in ihrer Person erfüllten, anderen Haftungstatbestand in Anspruch genommen werden, sei es aus einem von ihnen abgeschlossenen Vertrag, aus c.i.c. oder sei es aus Delikt (oben Rdnr. 61 ff.). Deshalb werden als „Normanwendungstheorie“ neuerdings gelegentlich auch diejenigen Lehren bezeichnet, die die gesamte Durchgriffshaftung zu Gunsten einer Verschuldenshaftung der Gesellschafter auf Grund einer Verletzung ihrer besonderen Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft verabschieden wollen (oben Rdnr. 78). Die Durchgriffshaftung stellt sich aus dieser Sicht im Grunde nur als ein besonderer Anwendungsfall der allgemeinen Haftung der Gesellschaft für die Verletzung ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft dar. Besondere Aktualität haben diese Lehren in jüngster Zeit durch die „neue“ Durchgriffshaftung des BGH wegen existenzvernichtenden Eingriffs erlangt (unten Rdnr. 18 ff.).

80b

Ebenso umstritten wie der Tatbestand der Durchgriffshaftung sind die Rechtsfolgen eines etwaigen „Durchgriffs“. Stichworte sind (unbeschränkte oder beschränkte) Außen- oder Innenhaftung sowie bloße Schadensersatzpflicht der Gesellschafter. Damit ist Folgendes gemeint: Soweit man als Rechtsfolge eines „echten“ Durchgriffstatbestandes eine unbeschränkte Außenhaftung befürwortet, geschieht dies meistens in Analogie zu den §§ 128 und 129 HGB; in diesen Fällen wird mit anderen Worten die GmbH schlicht in eine OHG verwandelt. Zum Teil wird jedoch auch dafür plädiert, diese Außenhaftung der Gesellschaf1 Coing, NJW 1977, 1793; M. Geißler, GmbHR 1993, 71; Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522, 525, 531, 535 ff.; Rehbinder, Konzernaußenrecht, S. 103 ff.; Rehbinder, in: FS R. Fischer, S. 579 ff.; Rittner, Juristische Person, S. 222, 271 ff.; Schanze, Einmanngesellschaft, S. 58, 102 ff.; Schanze, AG 1982, 42; Ulmer, in: FS Duden, S. 661, 678 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 217 ff.; G. Wüst, DStR 1991, 1388, 1424, 1426 f.

774

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

ter, nach welchen Maßstäben immer, zu beschränken. Weiter wird häufig zwischen den Fällen der Insolvenz und einer masselosen Liquidation unterschieden und in dem zuerst genannten Fall die Durchsetzung der Durchgriffshaftung dem Insolvenzverwalter (entsprechend § 93 InsO) zugewiesen. Ähnliche Unterscheidungen finden sich bei den Vertretern einer Innenhaftung, womit gemeint ist, dass die Gesellschafter in Durchgriffsfällen in unterschiedlichem Umfang (nur) zur Auffüllung des nicht mehr ausreichenden Stammkapitals verpflichtet sein sollen. Die Vertreter einer Verschuldenshaftung der Gesellschafter setzen sich dagegen überwiegend dafür ein, die Haftung der Gesellschafter auf eine „bloße“ Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft (oder den Gläubigern?) zu beschränken, wobei freilich wieder offen ist, wie der Schaden zu berechnen sein soll (unten Rdnr. 86a).

3. Materielle Unterkapitalisierung Schrifttum: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 116–123; Altmeppen, ZIP 1999, 881; Banerjea, ZIP 1999, 1153; Bitter, WM 2001, 2133; Boujong, in: FS Odersky, S. 739, 745 f.; Brändel, in: Großkomm. AktG, § 1 Rdnr. 107–113; Burgard, ZIP 2002, 827; Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 96 ff.; Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, 2002; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen, 1998, § 4 (S. 143 ff.); Ehricke, AcP 199 (1999), 257; Geißler, GmbHR 1993, 71, 73 f.; Goette, GmbH, § 9 Rdnr. 45 (S. 346); Goette, DStR 2005, 197; Harrer, Haftungsprobleme, S. 162 ff.; Heermann, in: Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, 2002, S. 11; Hölzle, ZIP 2004, 1729; H. Honsell, GesRZ 1987, 173; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 5 Rdnr. 6; Hüffer, AktG, § 1 Rdnr. 19; Jabornegg, WiBl. 1989, 43, 50 ff.; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 35; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6–9; Michalski, Rdnr. 358–375; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 133–140; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 39 f. (S. 459 f.); Raiser, ZGR 1995, 156, 164 ff.; Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637; G. Reiner, Unternehmerisches Gesellschaftsinteresse, S. 266 ff.; G. Roth, ZGR 1993, 170; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 (S. 240 ff.); K. Schmidt, AG 1994, 190; Stimpel, in: FS Goerdeler, S. 601, 608 ff.; Ulmer, in: FS Duden, 1977, S. 661; Ulmer, GmbHR 1984, 256; Vonnemann, GmbHR 1992, 77; Vonnemann, Haftung der GmbH-Gesellschafter bei materieller Unterkapitalisierung, 1991; Weitbrecht, Haftung der Gesellschafter bei materieller Unterkapitalisierung der GmbH, 1990; G. Wiesner, in: Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, 2002, S. 59; J. Wilhelm, NJW 2003, 175; G. Wüst, JZ 1995, 990, 993 ff.; G. Wüst, DStR 1991, 1388, 1424, 1426 f.

a) Überblick Im Mittelpunkt der Diskussion steht heute das Problem der Gesellschafterhaftung bei materieller Unterkapitalisierung der Gesellschaft. Von materieller Unterkapitalisierung spricht man, wenn der Gesellschaft das zur Betriebsführung erforderliche Kapital nicht mehr zur Verfügung steht, und zwar weder als Eigenkapital noch als Fremdkapital, wenn sie mit anderen Worten nicht mehr kreditfähig ist, so dass ihr „ordentliche Kaufleute“, die ihrer „Finanzierungsverantwortung“ gerecht werden, Eigenkapital zugeführt hätten (§ 32a Abs. 1 Satz 1), die Gesellschafter dies aber tatsächlich weder in Form von Eigen- noch in der Form von Fremdkapital tun. Im Anschluss an P. Ulmer1 ist es dement1 Ulmer, in: FS Duden, S. 661, 676 ff.; Ulmer, GmbHR 1984, 256.

Emmerich

|

775

81

§ 13

Juristische Person

sprechend üblich geworden, die materielle Unterkapitalisierung der Gesellschaft als einen Zustand zu definieren, in dem das Eigenkapital der Gesellschaft nicht mehr ausreicht, um den nach Art und Umfang der angestrebten oder tatsächlichen Geschäftstätigkeit unter Berücksichtigung der Finanzierungsmethoden bestehenden, nicht durch Kredite Dritter zu deckenden, mitteloder langfristigen Finanzbedarf zu befriedigen1. 82

Von der so verstandenen materiellen Unterkapitalisierung muss man zunächst die hier nicht weiter zu behandelnde nominelle Unterkapitalisierung trennen. Gemeint sind damit die Fälle, in denen die Gesellschafter das erforderliche Kapital der Gesellschaft zwar nicht, wie eigentlich geboten, in der Form von Eigenkapital, wohl aber als Darlehen oder in vergleichbarer Form zur Verfügung stellen. Diese Fälle haben ihre Regelung mittlerweile in den §§ 32a und 32b sowie in den ergänzenden Rechtsprechungsgrundsätzen gefunden, so dass sie hier nicht weiter zu berücksichtigen sind. Die folgenden Ausführungen beschränken sich dementsprechend auf die materielle Unterkapitalisierung der Gesellschaft.

83

Innerhalb der materiellen Unterkapitalisierung unterscheidet man im Einzelnen verschiedene Fälle, für die sich die Bezeichnungen anfängliche und nachträgliche sowie einfache und qualifizierte Unterkapitalisierung eingebürgert haben. Von anfänglicher Unterkapitalisierung spricht man, wenn das zur Geschäftsaufnahme „erforderliche“ Eigenkapital von Anfang an fehlt, während ein Fall der nachträglichen Unterkapitalisierung vorliegt, wenn dieser Zustand erst später infolge von Verlusten oder Entnahmen oder infolge einer Geschäftsausweitung eintritt. Einfache und qualifizierte Unterkapitalisierung unterscheiden sich dagegen nach Ausmaß und Evidenz der Unterkapitalisierung. Qualifizierte Unterkapitalisierung liegt vor, wenn die finanzielle Ausstattung der Gesellschaft (ob unter Einschluss von Gesellschafterdarlehen, ist streitig) „eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichend ist“2.

83a

Die große Aufmerksamkeit, die der Fragenkreis der materiellen Unterkapitalisierung speziell bei der GmbH in den letzten Jahren im Schrifttum gefunden hat, findet seine Ursache letztlich in der bekannten Insolvenzanfälligkeit der GmbH, die ihrerseits in der Mehrzahl der Fälle auf die ungenügende Kapitalausstattung der Gesellschaften, sprich auf ihre Unterkapitalisierung, zurückgeführt wird, sicher mitveranlasst durch die überaus gesellschafterfreundliche (und entsprechend gläubigerfeindliche) Regelung über die Mindestkapitalausstattung der GmbH in § 5 Abs. 1 des Gesetzes. Obwohl es sich dabei um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers handelt3, versucht doch ein großer Teil des Schrifttums, diese Entscheidung im Ergebnis über die Annahme einer (ungeschriebenen) Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter für ihre Gesellschaft letztlich wieder rückgängig zu machen. Um dies zu erreichen, sind in 1 S. statt aller Eckhold, Unterkapitalisierung, S. 26 ff. m.N.; Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 276 f.; Michalski, Rdnr. 133; G. Roth, ZGR 1993, 170, 177 ff. 2 So Ulmer, in: FS Duden, S. 661, 679; str. 3 S. die Begr. RegE der GmbH-Novelle, BT-Drucks 8(1977)/1347, S. 38 f.; s. unten Rdnr. 84.

776

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

der Literatur in den letzten Jahren sehr unterschiedliche Haftungsmodelle entwickelt worden, freilich (zunächst) durchweg ohne nachhaltigen Erfolg, da die Rechtsprechung bis vor kurzem mit der Annahme einer Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter ausgesprochen zurückhaltend war und statt dessen, wo immer möglich, auf § 826 BGB auswich. Erst mit der Anerkennung einer Durchgriffshaftung für existenzvernichtende Eingriffe (unten Rdnr. 98 ff.) zeichnet sich hier (möglicherweise) ein partieller Wandel ab. Im Folgenden soll zunächst vor dem Hindergrund der aktuellen Gesetzeslage ein kurzer Überblick über den jetzigen Diskussionsstand zur Unterkapitalisierungshaftung der Gesellschafter gegeben werden (unten Rdnr. 84 ff.). Es folgt ein Blick auf die Entwicklung der Rechtsprechung und die daraus zu ziehenden Schlüsse (unten Rdnr. 88 ff.). Die „neue“ Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtender Eingriffe der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen soll erst im Anschluss daran zusammenfassend diskutiert werden (unten Rdnr. 98 ff.). b) Schrifttum Die Problematik jeder Form einer „echten“ Unterkapitalisierungshaftung der Gesellschafter beruht in erster Linie auf der nun einmal gegebenen Gesetzeslage, die bis heute nur bei wenigen Gesellschaften, im Grunde nur bei Banken und Versicherungen, eine Verpflichtung der Gesellschafter zur Ausstattung ihrer Gesellschaft mit einem „angemessenen Eigenkapital“ kennt (s. § 10 KWG, §§ 53c Abs. 1, 5 Abs. 4 VAG). Eine vergleichbare Regelung fehlt jedoch bei der GmbH, wie § 5 Abs. 1 GmbH mit aller nur wünschenswerter Deutlichkeit zeigt. Dabei handelt es sich auch nicht etwa, wie man vielleicht anzunehmen versucht ist, um ein Versehen des Gesetzgebers, d.h. um eine (unbewusste) Regelungslücke, sondern um eine bewusste Entscheidung des GmbH-Gesetzgebers, der noch anlässlich der GmbH-Novelle von 1980 eine Haftung der Gesellschafter in Fällen materieller Unterkapitalisierung zwar erwogen, letztlich aber doch mit der Begründung verworfen hat, die Einführung einer derartigen Haftung sei nicht durchführbar, weil es keine objektiven Maßstäbe für die Feststellung der materiellen Unterkapitalisierung einer Gesellschaft gebe, so dass eine Haftung der Gesellschafter bei Unterkapitalisierung der Gesellschaft mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit unvereinbar sei1.

84

Angesichts dieser klaren Entscheidung des Gesetzgebers verwundert es nicht, dass eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter entgegen § 13 Abs. 2 in Fällen einer materiellen Unterkapitalisierung im Schrifttum nach wie vor auf verbreitete Skepsis, wenn nicht Ablehnung stößt. Erschwerend kommt hinzu, dass das Problem, von welcher Grenze ab die Unterkapitalisierung einer Gesellschaft angenommen werden soll, im Grunde bis heute nicht gelöst ist, da die Betriebswirtschaftslehre bisher kaum operationale Kriterien für die angemessene Eigenkapitalausstattung einer Gesellschaft entwickelt hat2. Auch die Notwendigkeit

84a

1 So ausdrücklich die Begr. RegE der GmbH-Novelle, BT-Drucks. 8 (1977)/1347, S. 38 f. 2 Ballerstedt, GmbHR 1967, 66, 69; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen, 1998, § 4 (S. 143 ff.); Ehricke, AcP 199 (1999), 257; Flume, Allg. Teil Bd. I/2, § 3 III (S. 79 ff.); Harrer, Haftungsprobleme, S. 167 ff.; Heermann, in: Theobald, Entwicklungen zur

Emmerich

|

777

§ 13

Juristische Person

einer zusätzlichen Haftung der Gesellschafter in Fällen einer (qualifizierten) materiellen Unterkapitalisierung wird verbreitet mit Rücksicht darauf bezweifelt, dass in den kritischen Fällen die gewünschte und sachlich gebotene Haftung der Gesellschafter meistens bereits aus anderen, unproblematischen Tatbeständen hergeleitet werden kann. Hervorzuheben sind die Haftung wegen der Verletzung der Insolvenzantragspflicht, in erster Linie zwar der Geschäftsführer, gegebenenfalls aber auch der Gesellschafter als „faktischer Geschäftsführer“ (§ 64 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB; s. dazu unten § 64 Rdnr. 37 ff.), weiter die von den Strafgerichten immer wieder betonte Verantwortlichkeit der Gesellschafter aus Untreue bei schädigenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen (§ 266 StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB; s. dazu unten Vor §§ 82 ff. Rdnr. 11 ff.), die von den Zivilgerichten hier schon immer befürwortete Haftung der Gesellschafter nach § 826 BGB (s. unten Rdnr. 88 f.) sowie insbesondere die in jüngster Zeit vom BGH entwickelte Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtender Eingriffe (unten Rdnr. 98 ff.). Vor allem angesichts der Durchsetzung dieses neuen Tatbestandes dürfte in der Tat in Zukunft, wenn überhaupt, nur noch in seltenen Fällen ein Bedürfnis für eine zusätzliche Haftung der Gesellschafter wegen Unterkapitalisierung bestehen. 85

Trotz der angedeuteten Bedenken (oben Rdnr. 84 f.) bejaht nach wie vor ein Teil des Schrifttums, nicht zuletzt unter Hinweis auf ausländische Beispiele1, eine generelle Haftung der Gesellschafter für die Unterkapitalisierung ihrer Gesellschafter, also auch im Falle einfacher (anfänglicher oder nachträglicher) materieller Unterkapitalisierung2. Die heute überwiegende Meinung nimmt dagegen eine persönliche Haftung der Gesellschafter erst an, wenn ein Fall der (anfänglichen oder nachträglichen) qualifizierten Unterkapitalisierung vorliegt (s. oben Rdnr. 83), vor allem, weil dann bereits geringfügige Verluste nahezu zwangsläufig zum Nachteil der Gläubiger ausschlagen müssen. Weitere Voraussetzungen der persönlichen Haftung der Gesellschafter sollen in diesem Fall nach h.M. die Insolvenz der Gesellschaft sowie Kausalität zwischen der Unterkapitalisierung und dem Zusammenbruch der Gesellschaft sein. Der Anwendungsbereich der unter diesen Voraussetzungen anzunehmenden persönlichen Haftung der Gesellschafter wird außerdem jedenfalls bei nachträglicher Unterkapitalisierung meistens auf die dafür verantwortlichen (maßgeblichen) Gesellschafter beschränkt. Als Rechtsfolge wird gewöhnlich eine unbeschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter neben der Gesellschaft nach den §§ 128

Durchgriffs- und Konzernhaftung, 2002, S. 11; Hoffmann, NJW 1966, 1941; H. Honsell, GesRZ 1987, 173, 175; Kahler, BB 1985, 1429; Kahler, GmbHR 1985, 296; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 35 Rdnr. 15 (S. 562); Sonnenberger, NJW 1969, 2033; Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 129, 143 ff.; G. Wiesner, in: Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffsund Konzernhaftung, 2002, S. 59; J. Wilhelm, Rechtsform, S. 308 ff. 1 Zum französichem Recht s. Harrer, Haftungsprobleme, S. 177 ff.; Unger, Unterkapitalisierung in Frankreich und Belgien, 1988; zum englischen Recht OGH, JBl. 1982, 257; Bauschke, Grenzen der Rechtspersönlichkeit juristischer Personen im englischen Gesellschaftsrecht, 1975; zum amerikanischen Recht Grossmann, GmbHR 1978, 77; rechtsvergleichend Löber, ZRvgl. 7 (1966), 61, 145; Wiedemann/Bär/Dabin, Haftung. 2 Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 402 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 224, 565 ff.; Winkler, BB 1969, 1202.

778

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

und 129 HGB befürwortet, d.h. die GmbH (mangels weiterer Anwendbarkeit des § 13 Abs. 2) schlicht zur OHG hochstilisiert1. Eine Haftung aller oder doch der maßgeblichen Gesellschafter für eine (qualifizierte) materielle Unterkapitalisierung ihrer Gesellschaft (oben Rdnr. 85) läuft der Sache nach auf eine reine Strukturhaftung hinaus, frei von allen Verschuldenselementen. Die Selbstverständlichkeit, mit der solche Haftung – entgegen der klaren gesetzlichen Regelung (§§ 5 Abs. 1, 13 Abs. 2, 32a und 32b) – vielfach postuliert wird2, verblüfft und lässt sich im Ergebnis nur schwer rechtfertigen. Auf der anderen Seite ist auch richtig, dass die Gläubiger nicht weiter schutzlos der fatalen Konsequenzen der gesetzlichen Regelung ausgeliefert werden dürfen (oben Rdnr. 83a)3.

86

Als Ausweg aus diesem Dilemma (oben Rdnr. 86) wächst im Schrifttum in jüngster Zeit die Bereitschaft, im Anschluss insbesondere an Jan Wilhelm4 auf eine „bloße“ Verschuldenshaftung der Gesellschafter nach dem Modell ihrer Haftung für die Verletzung ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft auszuweichen. Die Haftungskonzepte differieren zwar in den Einzelheiten. Im Kern beruhen sie aber durchweg auf der Annahme besonderer Vermögensfürsorgepflichten der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft, und zwar auch des Alleingesellschafters bei den Einpersonengesellschaften, ganz entsprechend den Vorstellungen, von denen sich die Strafgerichte bei der Anwendung des § 266 StGB im vorliegenden Zusammenhang leiten lassen (s. oben Rdnr. 59, unten Vor §§ 82 ff. Rdnr. 11 ff.). Die Grundvorstellung ist dabei, dass Gesellschaft und Gesellschafter gem. § 13 getrennte Rechtssubjekte sind, so dass die Gesellschafter bei dem Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen dieses als für sie fremdes Vermögen respektieren müssen, entsprechend der Grundregel, dass jeden, der fremdes Vermögen verwaltet, unabdingbar bestimmte Vermögensfürsorge-

86a

1 So insbes. Ulmer, in: FS Duden, S. 661, 676 ff.; Ulmer, GmbHR 1984, 256, 261 f.; Banerjea, ZIP 1999, 1153; M. Geißler, GmbHR 1993, 71, 73 ff.; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 35; Lutter, ZGR 1982, 244, 247 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6– 9; Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31, 57 ff.; G. Kuhn, in: FS R. Fischer, S. 351, 357 ff.; Meyer-Cording, JZ 1978, 11; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 133–140; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 39 ff. (S. 459 f.); Raiser, ZGR 1995, 156, 164 ff.; Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 647 ff.; Rehbinder, in: FS R. Fischer, S. 579, 583; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 558 ff., 562 f.; D. Reuter, DJT Bd. I Teil B, 1984, S. 44 ff.; U. H. Schneider, BB 1981, 249, 254; Stimpel, in: FS Goerdeler, S. 608 f.; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 301; G. Wüst, DStR 1991, 1388, 1424, 1426 f.; G. Wüst, JZ 1995, 990, 993 ff.; ebenso im Ergebnis schon Erlinghagen, GmbHR 1962, 169; Erman, KTS 1959, 129; Reinhardt, in: FS H. Lehmann Bd. II, S. 576, 592. 2 Exemplarisch Banerjea, ZIP 1999, 1153, 1157 ff. 3 Ebenso zutreffend Ehricke, Das abhängige Konzerunternehmen, 1998, S. 143 ff.; Ehrikke, AcP 199 (1999), 257, bes. 273, 283 ff.; Heermann, in: Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 11, bes. 26 ff.; H. Honsell, GesRZ 1987, 173, 175; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 35 Rdnr. 15 (S. 562); G. Wiesner, in: Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 59, bes. 63 f. 4 J. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, passim, bes. S. 285, 335 ff.; J. Wilhelm, in: FS Flume Bd. 2, S. 337, 391 ff.; J. Wilhelm, NJW 2003, 175, 178 ff.

Emmerich

|

779

§ 13

Juristische Person

pflichten treffen (§§ 705, 675 Abs. 1, 662, 241 Abs. 2 und 242 BGB). Hieraus wird sodann der Schluss gezogen, dass die Gesellschafter die genannten Pflichten gegenüber ihrer Gesellschaft verletzten, wenn sie trotz erkennbarer materieller Unterkapitalisierung ihrer Gesellschaft nicht zu der gebotenen Liquidation der Gesellschaft schreiten, sondern die Geschäfte der Gesellschaft unter Inkaufnahme der damit für die Gläubiger notwendigerweise verbundenen Risiken fortführen. Die gesetzliche Zulassung der beschränkten Haftung bei der GmbH trotz ganz niedrigen Stammkapitals (§§ 5 Abs. 1, 13 Abs. 2) ist mit anderen Worten nach dieser Vorstellung überhaupt nur vertretbar, wenn die Gesellschafter bei der Verwaltung des (für sie fremden) Gesellschaftsvermögens im Interesse der Gesellschaft, der Gläubiger und der Allgemeinheit gewisse Mindestregeln kaufmännischen Anstandes beachten, ohne deren Einhaltung das gesetzliche Konzept nicht funktionieren kann1. Nach einer verbreiteten Meinung liegt dieses Haftungsmodell letztlich auch der jetzigen Rechtsprechung des BGH zur Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtender Eingriffe der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen zugrunde2. 87

Der Bestand einer schuldrechtlichen Sonderverbindung zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, aus der sich Pflichten unterschiedlichster Art ergeben können (§§ 241 Abs. 2, 242, 705 BGB), steht seit der Anerkennung der Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft außer Frage (s. oben Rdnr. 36 ff.). Ebenso unbezweifelbar ist im Grundsatz, dass das Gesellschaftsvermögen für die Gesellschafter fremdes Vermögen ist, so dass sie damit, zumal in der Krise nicht nach Belieben, sondern sorgfältig umgehen müssen (§§ 705, 675 Abs. 1, 662, 276, 280 Abs. 1 BGB). Folgerichtig hat sich deshalb jetzt auch der österreichische OGH dieses Haftungskonzept ausdrücklich zu eigen gemacht3. Das Problem ist „nur“, welche Pflichten daraus konkret für die Gesellschafter in der Krise ihrer Gesellschaft abzuleiten sind, und vor allem, welche Rechtsfolgen bei einer Verletzung der so begründeten Pflichten eingreifen sollen, da mit bloßen Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter, die zudem der Disposition der Gesellschafter unterliegen, den Gläubigern in der Regel nicht viel gedient sein dürfte. Darauf wird zurückzukommen sein (unten Rdnr. 93 f.). Zuvor ist jedoch auf die (wenig einheitliche) Rechtsprechung zu dem Fragenkreis einzugehen (unten Rdnr. 88 ff.).

1 So insbes. im Anschluss J. Wilhelm (vorige Fn.) auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 9 IV 4c, 18 II 4/5, 39 III 2 (S. 243, 525, 1220 ff.); K. Schmidt, ZIP 1986, 146, 148 f.; K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 839 f.; K. Schmidt, AG 1994, 190, 194; K. Schmidt, NJW 2001, 3577; sowie Altmeppen, ZIP 1999, 881, 882 f.; Altmeppen, ZIP 2001, 1837; Altmeppen, ZIP 2002, 961; Altmeppen, ZIP 2002, 1553; Altmeppen, NJW 2002, 321; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 118 ff.; Burgard, ZIP 2002, 827; Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, 2002, S. 327 ff.; Jabornegg, WiBl. 1989, 43, 50 f.; Michalski, Rdnr. 338, 371 ff.; G. Roth, ZGR 1993, 130, 198 ff.; Priester, ZGR 1993, 512, 521 ff.; Versteegen, DB 1993, 1225; Versteegen, Konzernverantwortlichkeit und Haftungsprivileg, 1993; Thoeni, GesRZ 1987, 82, 126. 2 S. im Einzelnen unten Rdnr. 98 ff.; insbes. Altmeppen und K. Schmidt (vorige Fn.). 3 Grdlg. OGH, RdW 2001, 469, 470 f. = AG 2003, 700; ebenso zuvor schon OLG Karlsruhe, OLGR 1997, 79, 82.

780

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

c) Bisherige Rechtsprechung1 Generell gilt, dass die Durchgriffshaftung der Gesellschafter bisher in der Rechtsprechung – nach Ausklammerung der Konzernfälle und der neuen Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs (unten Rdnr. 98 ff.) – immer nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Bereits das Reichsgericht hatte letztlich einen Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter nur in wenigen Fällen bejaht2. Daran hat sich der Sache nach bis heute nichts geändert – immer vorbehaltlich der neuen Vulkan-Doktrin. Zwar hatte der BGH zunächst nach dem Krieg unter Berufung auf Durchgriffserwägungen wiederholt eine Aufrechnung gegenüber Forderungen des Reichs oder des Bundes mit Forderungen gegen Kriegsgesellschaften zugelassen3. Dabei handelte es sich indessen offenkundig um kriegsbedingte Sonderfälle, die nicht verallgemeinert werden durften und auch tatsächlich nicht verallgemeinert wurden4.

88

Jenseits der eben erwähnten Kriegsfälle (oben Rdnr. 88) hat der BGH nämlich immer wieder betont, dass über die Rechtsform der juristischen Person nicht leichtfertig oder schrankenlos hinweggegangen werden dürfe, so dass ein Durchgriff nur in Betracht komme, wenn die Rechtsfigur der juristischen Person in einer dem Zweck der Rechtsordnung widersprechenden Weise verwandt wird, d.h., wenn die Rechtsform der juristischen Person missbraucht oder dem Zweck der Rechtsordnung zuwider eingesetzt wird5. Bei ausländischen juristischen Personen beurteilt sich die Frage des Haftungsdurchgriffs nach dem für sie maßgeblichen ausländischen Recht, nicht etwa nach deutschem Recht6.

89

Die sehr allgemeine Haftungsformel des BGH (oben Rdnr. 89) hat bisher einigermaßen klare Konturen allein in dem Fall der Vermögensvermischung erlangt (unten Rdnr. 95 f.), während sie in den Fällen der Unterkapitalisierung bislang im wesentlich folgenlos blieb. Wo immer möglich, greift der BGH statt dessen auf die Deliktshaftung der Gesellschafter zurück (§§ 823 Abs. 2, 826 BGB). Eine

90

1 S. zum Folgenden auch Boujong, in: FS Odersky, 1996, S. 739, 742 ff.; Eckhold, Materielle Unterkapitalisierung, S. 251 ff.; Goette, GmbH, § 9 Rdnr. 40–45 (S. 344 ff.); Heermann, in: Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 11, 38 ff.; Stimpel, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601, 606 ff.; G. Wiesner, in: Theobald, Entwicklungen zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 59, 60 ff. 2 RGZ 99, 234; 103, 66; 104, 128; 119, 128; 126, 46; 129, 54; 130, 343; 134, 431; 156, 277; 169, 247; RG, JW 1938, 862, 864. 3 BGHZ 3, 316 = NJW 1952, 258; BGHZ 10, 205 = NJW 1953, 1425; BGHZ 17, 19, 22 ff. = NJW 1955, 745; BGH, NJW 1952, 817. 4 BGHZ 26, 31, 35 f. = NJW 1958, 98 = GmbHR 1958, 60; BGH, GmbHR 1961, 161. 5 BGHZ 20, 4, 10 ff. = NJW 1956, 785 = GmbHR 1956, 122; BGHZ 22, 226, 229 ff. = NJW 1957, 181 = GmbHR 1957, 28; BGHZ 25, 115, 117 = NJW 1957, 1555; BGHZ 26, 31, 37 = NJW 1958, 35; BGHZ 31, 258, 270 f. = NJW 1960, 285; BGHZ 54, 222, 224 = NJW 1970, 2015; BGHZ 61, 380, 383 f. = NJW 1974, 134 = GmbHR 1974, 9; BGHZ 65, 246, 251 = NJW 1976, 226; BGHZ 68, 312, 314 ff. = NJW 1977, 658; BGHZ 78, 318, 333 ff. = NJW 1981, 525 = ZIP 1981, 32; BGHZ 102, 95, 101 ff. = NJW 1988, 255; BGH, LM Nr. 7 zu § 831 (B) BGB = NJW 1974, 1371; LM Nr. 6 zu § 288 BGB = BB 1975, 481; LM Nr. 1 zu § 3 GeschmMG = MDR 1978, 383. 6 BGHZ 78, 318, 334 = NJW 1981, 522; OGH, JBl. 1982, 257.

Emmerich

|

781

§ 13

Juristische Person

persönliche Haftung der Gesellschafter wegen materieller Unterkapitalisierung ist vom BGH dagegen bisher, soweit ersichtlich, nur ein einziges Mal in einem zudem eigenartig gelagerten Fall bejaht worden1. Grundsätzlich geht der BGH hingegen davon aus, dass sich aus der Verantwortung der Gesellschafter für eine ordnungsmäßige Unternehmensfinanzierung nicht die Pflicht ergibt, in der Krise fehlendes Kapital aus eigenem Vermögen nachzuschießen2. Unberührt blieb jedoch ihre Haftung aus § 826 BGB, wenn sie in sittenwidriger Weise die Gläubiger schädigen, wenn sie z.B. mit eindeutig unzureichendem Stammkapital besonders riskante Geschäfte auf Kosten der Gläubiger betreiben3. Auf derselben Linie liegt bis in jüngster Zeit die Rechtsprechung der OLGe4. Wenn dagegen die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht erfüllt waren, ist bisher gewöhnlich auch ein Durchgriff abgelehnt worden5. 91

Die Anwendung des § 826 BGB kommt vor allem in Betracht, wenn die Gesellschafter die Beziehungen zu ihrer Gesellschaft so einseitig zu deren Nachteil gestalten, dass die Verluste notwendigerweise die Gläubiger treffen müssen, während etwaige Gewinne immer bei den Gesellschaftern anfallen6, oder wenn die nur mit dem Mindestkapital ausgestattete GmbH eindeutig allein den Zweck hat, das Privatvermögen des riskante Geschäfte betreibenden Gesellschafters gegen den Zugriff der Gläubiger abzuschirmen7 oder wenn die Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft zum Schaden der Gläubiger zwecks Befriedigung von Gesellschafterdarlehen Vermögen entziehen8. Noch offen ist, ob auch ein Verstoß gegen die Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften des HGB zur Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern führen kann9. Eine strengere Haltung in der Frage der Unterkapitalisierungshaftung der Gesell-

1 S. für einen Verein, der für seine Mitglieder Land gepachtet hatte und von den Mitgliedern die Pacht einzog, BGHZ 54, 222, 224 ff. = NJW 1970, 2015 = JZ 1970, 687 m. Anm. K. Schmidt. 2 BGHZ 90, 381, 388 ff. = NJW 1984, 1893 = AG 1984, 181 „BuM/WestLB“; beiläufig auch BGHZ 150, 60, 61 = NJW 2002, 1803; BGH, NJW 1997, 66, 69 = GmbHR 1996, 925 = MDR 1996, 1275 = wistra 1996, 344 = NStZ 1996, 540. 3 S. unten Rdnr. 91; Beispiele in RG, JW 1938, 862; 865; BGHZ 31, 258, 270 = NJW 1960, 285; BGH, LM Nr. 11 zu § 13 GmbHG = NJW 1979, 2104; LM Nr. 124 zu § 276 (Fa) BGB (Bl. 2 R f.) = NJW-RR 1992, 1061 = GmbHR 1992, 363 „PS-Bau“; NJW-RR 1988, 1181; NJW 1997, 66, 69 = GmbHR 1996, 925 = MDR 1996, 1279. 4 S. OLG Karlsruhe, BB 1978, 1332 = WM 1978, 962; OLGR 1997, 79, 82 = GmbHR 1998, 235 (nur LS); OLG Oldenburg, OLGR 2000, 171 = NZG 2000, 555, 557 f. m. Anm. Emmerich = GmbHR 2000, 720 (nur Leitsatz); OLG Dresden, AG 2000, 419, 421 = NZG 2000, 598, 601 m. kritischer Anm. Grüner; OLG Jena, GmbHR 2002, 112 = ZIP 2002, 631, 632. 5 BGHZ 68, 312 (314 ff.) = NJW 1977, 1449; OLG Hamm, BB 1984, 873 f.; OLG Köln, AG 1978, 17 f. „Herstatt-Urteil“; OLG München, NJW-RR 1996, 746, 747 = OLGR München 1995, 231; LG Frankfurt, AG 1977, 321 „BCI“. 6 BGH, LM Nr. 11 zu § 13 GmbHG = NJW 1979, 2104; LM Nr. 124 zu § 276 (Fa) BGB (Bl. 2 R f.) = NJW-RR 1992, 1061 = GmbHR 1992, 363 „PS-Bau“. 7 BGH, NJW-RR 1988, 1181, 1182; vgl. außerdem noch BGH, LM Nr. 16 zu § 30 GmbHG = NJW 1984, 1037; LM Nr. 2 zu § 6 GmbHG = NJW 1985, 637 = GmbHR 1985, 149. 8 BGHZ 151, 181, 184 f. = NJW 2002, 3024 = GmbHR 2002, 902 = ZIP 2002, 1578 „KBV“. 9 S. dazu BGHZ 125, 366, 377 ff. = NJW 1994, 1801 = GmbHR 1994, 390 = ZIP 1994, 867; K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 840 ff.

782

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

schafter hat der BGH nur einmal beiläufig angedeutet1. Später ist er darauf nicht mehr zurückgekommen, sondern hat statt dessen das neue Konzept der Durchgriffshaftung der Gesellschafter wegen existenzvernichtenden Eingriffs in das Vermögen der Gesellschaft entwickelt (unten Rdnr. 98 ff.). Dieselbe strenge Haltung hat bisher in der Regel das BAG eingenommen, indem es wiederholt betont hat, aus dem bloßen Tatbestand der Unterkapitalisierung dürfe keine persönliche Haftung der Gesellschafter hergeleitet werden, sofern nicht im Einzelfall zusätzlich die besonderen Voraussetzungen des § 826 BGB oder jetzt der Haftung wegen existenzgefährdenden Eingriffs vorliegen2. Davon abweichend hat das BAG jedoch 1998 ohne weitere Begründung in Fällen einer qualifizierten („offenkundigen und groben“) Unterkapitalisierung einen Haftungsdurchgriff zugelassen, in Fällen der Betriebsaufspaltung sogar zu Lasten von Schwestergesellschaften3. Das BAG folgte insoweit der ursprünglichen Praxis des BSG4, obwohl sich später auch dieses Gericht wieder zunehmend von der Durchgriffshaftung der Gesellschafter unter nachdrücklicher Betonung ihres Ausnahmecharakters distanziert hatte5. In der Praxis anderer Gerichte ist eine „echte“ Unterkapitalisierungshaftung der Gesellschafter nur gelegentlich bejaht worden. Zu erwähnen sind hier im Grunde lediglich zwei Urteile des OLG Hamburg6 und des OLG Naumburg7.

92

d) Stellungnahme Wie schon angedeutet (oben Rdnr. 86 f.), lässt sich seit Anerkennung einer Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft (oben Rdnr. 36 ff.) zumindest in Mehrpersonengesellschaften schwerlich bestreiten, dass zu der Treuepflicht auch die Pflicht gehört, mit dem für die Gesellschafter fremden Vermögen der Gesellschaft sorgfältig umzugehen (§§ 241 Abs. 2, 242, 276, 280 Abs. 1 und 705 BGB), und zwar nicht nur im Interesse der Gläubiger, sondern ebenso im Interesse der Mitgesellschafter. Das aber ist nichts anderes als eine (eingeschränkte) Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter zumindest in

1 BGH, LM Nr. 11 zu § 17 AktG (Bl. 2 R unter 1d) = NJW 1994, 446 = AG 1994, 179, 180 (unter Bezugnahme auf OLG Hamburg, BB 1973, 1231, 1232); s. dazu auch K. Schmidt, AG 1994, 189, 194. 2 Grdlg. BAGE 89, 349, 357 f. = NJW 1999, 740 = AG 1999, 184, 185 = NZG 1999, 116 = GmbHR 1998, 1221 = ZIP 1999, 24 (s. dazu die Kritik von Banerjea, ZIP 1999, 1153); BAG, AP Nr. 6 zu § 13 GmbHG = GmbHR 1999, 655 = NZG 1999, 762 = NJW 1999, 2299 = ZIP 1999, 878 m. kritischer Anm. Altmeppen, S. 881 ff.; BAG, AG 2003, 322, 323 = NJW 2003, 1340 = ZIP 2002, 2137 = NZG 2003, 120. 3 AP Nr. 12 zu § 303 AktG = NJW 1999, 2612 = AG 1999, 376, 377 f. = GmbHR 1999, 658 = ZIP 1999, 723; bestätigt (in derselben Sache) durch BAG, AG 2003, 322, 323 = NJW 2003, 1340 = ZIP 2003, 2137 = NZG 2003, 120. 4 BSGE 56, 76, 83 ff. = NJW 1984, 2117 im Anschluss an BSGE 19, 18 = NJW 1963, 1373; BSGE 45, 279 = NJW 1978, 2527; dagegen z.B. Kahler, GmbHR 1985, 296. 5 BSGE 75, 82, 84 f. = NJW-RR 1995, 730 = GmbHR 1995, 46; BSG, NJW-RR 1997, 94, 95 = GmbHR 1996, 605 = ZIP 1996, 1134. 6 BB 1973, 1231; bestätigt durch BGH, WM 1977, 73. 7 OLG Naumburg, OLGR 2000, 467, 469 f.; vgl. auch noch OLG Düsseldorf, NJW-RR 1989, 748 = GmbHR 1990, 44 für eine Einmanngesellschaft.

Emmerich

|

783

93

§ 13

Juristische Person

dem Sinne, dass sie – zum Schutze der Mitgesellschafter und der Gläubiger –, die Gesellschaft liquidieren müssen und nicht mehr fortführen dürfen, wenn das noch vorhandene Kapital offensichtlich nicht mehr ausreicht, um nach vertretbarer kaufmännischer Beurteilung die Geschäfte unverändert fortzusetzen. Die Praxis der Strafgerichte früher zu § 81a GmbHG a.F. und heute zu § 266 StGB zeigt, dass es hier in der Tat unübersteigbare Schranken gibt. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte zu § 826 BGB weist in dieselbe Richtung. Es mag schwierig, wenn nicht unmöglich sein, von vornherein Kriterien für eine „angemessene“ Kapitalausstattung der Gesellschaft aufzustellen. Aber man weiß sehr wohl, von welchem Zeitpunkt ab die Kapitaldecke so dünn wird, dass eine Fortsetzung der Geschäfte zur Spekulation auf Kosten der Gläubiger wird. Und wenn dies für Mehrpersonengesellschaften gilt, ist nicht zu erkennen, warum für Einpersonengesellschaften in diesem Punkt etwas anderes gelten soll. Die These von der fehlenden Treuepflicht des einzigen Gesellschafters gegenüber „seiner Gesellschaft“ ist nichts anderes als ein unbewiesenes und unbeweisbares Dogma und wird schon durch die neue Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung wegen existenzgefährdenden Eingriffs (die gerade in erster Linie Einpersonengesellschaften betrifft) ebenso wie durch die Rechtsprechung der Strafgerichte zu § 266 StGB widerlegt. Nicht hier liegen also die eigentlichen Probleme, sondern bei den in der Tat intrikaten Folgefragen (unten Rdnr. 94). 94

Der Schadensersatzanspruch steht der Gesellschaft zu (§§ 705, 280 Abs. 1 BGB) und ist deshalb von den Geschäftsführern sowie in der Insolvenz von dem Insolenzverwalter zu verfolgen. Die Gläubiger können den Schadensersatzanspruch jedoch pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen (§§ 829, 835 ZPO). Spätestens im Falle der masselosen Liquidation der Gesellschaft, richtigerweise aber auch sonst, wenn von der Gesellschaft keine Befriedigung mit zumutbarem Aufwand zu erlangen ist, sollte außerdem den Gläubigern entsprechend der aktienrechtlichen Regelung die Aktivlegitimation zugesprochen werden (s. §§ 93 Abs. 5 Satz 1, 117 Abs. 5 Satz 1, 309 Abs. 4 Satz 3, 317 Abs. 4 und 318 Abs. 4 AktG). Ebenso wenig sollte es eine Schwierigkeit bereiten, den Gesellschaftern die Befugnis abzusprechen, mit Wirkung gegenüber den Gläubigern auf die Ersatzansprüche der Gesellschaft zu verzichten (s. § 93 Abs. 5 Satz 3 und 309 Abs. 4 Satz 4 AktG)1 oder sich durch den immer nahe liegenden Einwand zu exkulpieren, die Gesellschaft wäre ohnehin zusammengebrochen; denn es geht ja gerade darum, dem durch die rechtzeitige Liquidation der Gesellschaft zuvor zu kommen. Wirklich problematisch ist daher nur die Schadensberechnung, wenn nämlich in dem maßgeblichen Zeitpunkt die Ansprüche der Gläubiger tatsächlich bereits gefährdet waren, so dass sie in ihrem Wert entsprechend gemindert waren (§§ 249, 252 BGB). Auch dann bleibt aber immer wenigstens ein (großzügig zu schätzender) Teilersatz möglich, wenn man nicht überhaupt zu einer Schadenspauschalisierung entsprechend § 302 AktG greifen will. In diesem Problem liegt zugleich die Rechtfertigung für die zusätzliche „echte“ Durchgriffshaftung der Gesellschafter in besonders schwer wiegenden Fällen (unten Rdnr. 98 ff.). 1 Anders wiederholt Altmeppen, ZIP 2001, 1837; Altmeppen, ZIP 2002, 961; Altmeppen, ZIP 2002, 1553; Altmeppen, NJW 2002, 321.

784

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

3. Vermögens- und Sphärenvermischung Schrifttum: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 112–114; Altmeppen, ZIP 2002, 1553; Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung, S. 80 ff.; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998, S. 361 ff.; Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 292 ff.; Geißler, GmbHR 1993, 71, 75 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Jabornegg, WiBl. 1989, 43, 52; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 36; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10 f.; Michalski, Rdnr. 342–357; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 141 f.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 26 f. (S. 455 f.); Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 644 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 35 Rdnr. 17 f. (S. 563); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 (S. 234 ff.); K. Schmidt, ZIP 1994, 837, 838 f.; G. Wüst, DStR 1991, 1388, 1424.

Die zweite Fallgruppe, in der heute verbreitet eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter erörtert wird, bilden die Fälle der Vermögens- und der Sphärenvermischung. Bei der Vermögensvermischung geht es um Fälle, in denen wegen des Fehlens oder der Mangelhaftigkeit der Buchführung unklar ist, ob bestimmte Vermögensgegenstände überhaupt zum Vermögen der Gesellschaft oder nicht in Wirklichkeit zu dem der Gesellschafter gehören. Bei der Sphärenvermischung hat man dagegen in erster Linie Fälle im Auge, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Gesellschafter bei ihrem Auftreten im Rechtsverkehr nicht mehr deutlich zwischen der Gesellschaft und ihrer eigenen Sphäre oder der Sphäre anderer Gesellschaften unterscheiden, so dass sie es sich dann auch gefallen lassen müssen, dass die von ihnen vorgenommenen Geschäfte ihnen persönlich oder doch allen in Betracht kommenden Gesellschaften zugerechnet werden. In den zuletzt genannten Fällen werden freilich zu diesem Ergebnis (persönliche Haftung) in der Regel schon Rechtsscheingesichtspunkte in Verbindung mit dem Verbot des Rechtsmissbrauchs führen, wovon auch die Gerichte bisher durchweg ausgegangen sind1, so dass als „echte“ Durchgriffsfälle letztlich allein die der Vermögensvermischung übrig bleiben2.

95

In den Fällen der Vermögensvermischung (oben Rdnr. 95) bejaht auch die Rechtsprechung die Durchgriffshaftung der Gesellschafter3. Jedoch begründen bloße Mängel der Buchführung ebensowenig wie einzelne unzulässige Entnahmen der Gesellschafter den „Vorwurf“ der Vermögensvermischung, sondern führen lediglich zur Haftung der Gesellschafter nach den §§ 30 und 314. Die Haftung wegen Vermögensmischung trifft außerdem nur diejenigen Gesellschafter, die für diese Situation verantwortlich sind, nicht dagegen diejenigen, die keinen Einfluss darauf hatten, in erster Linie also den herrschenden Gesellschafter, Minderheitsgesellschafter dagegen nur, wenn sie auf Grund besonderer Umstände die Geschicke der Gesellschaft bestimmen konnten oder wenn sie

96

1 S. BGH, LM Nr. 56 zu § 631 BGB = NJW-RR 1987, 335; BGH, LM Nr. 162 zu § 276 (Fa) BGB (Bl. 4 ff.) = NJW 2001, 2716; OLG Düsseldorf, ZMR 1972, 307. 2 Kritisch auch insoweit Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen, 1998, S. 361 ff.; Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 292 ff. (mit dem nahe liegenden Hinweis auf die Haftung der Geschäftsführer und der Gesellschafter für die Verletzung der einschlägigen Buchführungsvorschriften). 3 S. Boujong, in: FS Odersky, S. 739, 742 ff.; Stimpel, in: FS Goerdeler, S. 601, 608 ff. 4 BGH, ZIP 2006, 467, 469 Tz. 14 ff.

Emmerich

|

785

§ 13

Juristische Person

mit dem Verhalten des Mehrheitsgesellschafters einverstanden waren oder sonst daran mitgewirkt haben (§ 830 BGB)1. Die Haftung der Gesellschafter richtet sich in diesen Fällen nach den §§ 128 und 129 HGB, sobald die Gläubiger von der Gesellschaft keine Befriedigung mehr zu verlangen vermögen2. Auf Einwendungen und Einreden der Gesellschaft, z.B. auf die Einrede der Verjährung, können sich die Gesellschafter daher gem. § 129 Abs. 1 HGB gegenüber ihrer Inanspruchnahme jetzt nur noch berufen, wenn auch die Gesellschaft hierzu (noch) in der Lage ist3.

4. Missbrauch der juristischen Person Schrifttum: Brändel, in: Großkomm. AktG, § 1 Rdnr. 114; Ehricke, AcP 199 (1999), 257, 301 ff.; H. Honsell, GesRZ 1987, 173, 176 f.; Jabornegg, WiBl. 1989, 43, 52; Koppensteiner, öGmbHG, § 61 Rdnr. 37; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 47 (S. 462 f.); Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637, 650; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 III (S. 232 f.).

97

Als weitere Fallgruppe wird gelegentlich noch der Fall des Missbrauchs des Instituts der juristischen Person oder der Organisationsfreiheit genannt, namentlich durch „künstliche Aufspaltung“ eines einheitlichen Unternehmens in zahlreiche Gesellschaften (Stichwort: Haftungssegmentierung, „yellow-cabFälle“), all dies freilich Fallgestaltungen, die sich, wenn sie tatsächlich einmal vorkommen sollten, ohne Mühe bereits nach § 826 BGB lösen lassen, so dass dieser Tatbestand im Grunde entbehrlich ist4. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich. Stattdessen ist im Folgenden zu der neuen Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs Stellung zu nehmen (unten Rdnr. 98 ff.). Wegen der Fälle der Konzernhaftung ist auf die Ausführungen an anderer Stelle zu verweisen (s. unten Anh. § 13 Konzernrecht).

VIII. Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs5 98

Mit dem so genannten (ersten) Bremer-Vulkan-Urteil vom 17. 9. 2001 (II ZR 178/99) hat der II. Zivilsenat des BGH unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung zur Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern einen neuen Tatbestand der Durchgriffshaftung eingeführt6, für den sich mittlerweile im An-

1 BGHZ 95, 330, 333 f. = GmbHR 1986, 78 = NJW 1986, 188 „Autokran“; BGHZ 125, 366, 368 ff. = NJW 1994, 1801 = GmbHR 1994, 390 = ZIP 1994, 867; BGH, LM Nr. 12 zu § 13 GmbHG = NJW 1985, 740 = WM 1985, 54; BAGE 76, 79 = AG 1991, 434 = ZIP 1991, 884 = GmbHR 1991, 413, 415; BSGE 75, 82, 84 f. = NJW-RR 1995, 730 = GmbHR 1995, 46; BSG, NJW-RR 1997, 94, 95 = ZIP 1996, 1134 = GmbHR 1996, 604; BGH, ZIP 2006, 467, 469 Tz. 17 ff.; OLG Jena, GmbHR 2002, 112 = ZIP 2002, 631, 633. 2 Anders für Fälle einer „Ausfallhaftung“ nur BAG, AG 2003, 322, 324 = NJW 2003, 1340 = ZIP 2002, 2137 = NZG 2003, 120. 3 BGHZ 95, 330, 333 f. = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 „Autokran“. 4 Ebenso Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 47 (S. 462 f.). 5 Schrifttum s. oben vor Rdnr. 55. 6 BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 = AG 2002, 43 = GmbHR 2001, 1036 = ZIP 2001, 1874 „Bremer Vulkan I“ (Vorinstanzen: OLG Bremen, NZG 1999, 724 = ZIP 1999, 1671 = AG 1999, 466; LG Bremen, ZIP 1998, 561).

786

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

schluss an zwei Urteile des BGH aus dem Jahre 20021 die Bezeichnung „Haftung für existenzvernichtenden Eingriff“ eingebürgert hat (zur Terminologie s. auch unten Rdnr. 101). Durch ein Urteil vom 20. 9. 2004 (II ZR 302/02)2 und zwei weitere Urteile vom 13. 12. 2004 (II ZR 256/023 und II ZR 206/02)4 hat der BGH mittlerweile diese Praxis weiter präzisiert, so dass sie schon jetzt als fest etabliert gelten darf5. Dem entspricht es, dass inzwischen auch der 5. Strafsenat des BGH die neue Existanzvernichtungshaftung seiner Rechtsprechung zu § 266 StGB zugrunde legt6. Dasselbe gilt für das BAG7 und die anderen Gerichte8. Der neue Durchgriffstatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs hat im Schrifttum ein lebhaftes Echo ausgelöst9. Die Diskussion betrifft gleichermaßen den Haftungsgrund wie den Tatbestand und die Rechtsfolgen einer Haftung der Gesellschafter für einen existenzvernichtenden Eingriff in das Vermögen der Gesellschaft. Darauf wird zurückzukommen sein (unten Rdnr. 104, 109, 126 ff.). Zuvor ist jedoch noch auf ein weiteres schwieriges, durch die neue Rechtsprechung aufgeworfenes Problem hinzuweisen. Gemeint ist die Behandlung so genannter EU-Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland, seit auf Grund der Rechtsprechung des EuGH deren Betätigung im Inland nach den Regeln über die Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union (Art. 43, 48 EG-Vertrag) nicht mehr behindert werden darf (s. schon oben § 4a Rdnr. 7). Hier ist streitig, ob auf solche Gesellschaften – trotz ihrer grundsätzlichen Unterstellung unter ihr Gründungsstatut – zum Schutze der Gläubiger doch die deutschen Regeln über den Haftungsdurchgriff, zumindest bei existenzvernichtenden Eingriffen, angewandt werden können. Die überwiegende Meinung tendiert wohl dahin, diese Frage jenseits eindeutiger Missbrauchsfälle grundsätzlich zu verneinen, – wodurch naturgemäß die praktische Bedeutung des neuen Durchgriffstatbestandes erheblich relativiert werden muss10. 1 BGHZ 150, 61, 67 f. = NJW 2002, 1803 = GmbHR 2002, 549 = ZIP 2002, 848 „LKosmetik“; BGHZ 151, 181, 186 ff. = NJW 2002, 3024 = GmbHR 2002, 902 = ZIP 2002, 1578 = NZG 2002, 914 „Kindl-Backwaren Vertrieb GmbH (KBV)“. 2 NJW 2005, 145 = ZIP 2004, 2138 = GmbHR 2004, 1528 „Klinik W.“ m. Anm. Emmerich, JuS 2005, 180. 3 GmbHR 2005, 299 = ZIP 2005, 250 = NZG 2005, 214 = GmbHR 2005, 299 „Handelsvertreter“. 4 GmbHR 2005, 222 = ZIP 2005, 117 = NZG 2005, 177 = NJW-RR 2005, 335 „BMWVertragshändler“. 5 Zum Stand der Rechtsprechung s. zuletzt Altmeppen, ZIP 2005, 119; Gehrlein, BB 2005, 613; J. Keßler, GmbHR 2005, 257; Wackerbarth, ZIP 2005, 877. 6 Grdlg. BGH, BGHSt 49, 147 = GmbHR 2004, 1010 = NJW 2004, 2248 = AG 2004, 450 = ZIP 2004, 1200 „Bremer Vulkan II“; s. unten Rdnr. 101. 7 BAG, ZIP 2002, 2137 = NJW 2003, 1340 = AG 2003, 322; BAG, ZIP 2005, 1174. 8 OLG Jena, GmbHR 2002, 112 = ZIP 2002, 631 = DZWiR 2003, 82; OLG Rostock, ZIP 2004, 118; OLG München, ZIP 2006, 564, 566 f. = GmbHR 2005, 1486, 1488 f.; LAG Köln, ZIP 2003, 1893; abweichend im Ansatz zuvor OLG Karlsruhe, OLGR 1997, 79 = GmbHR 1998, 235 (nur LS); OGH, RdW 2001, 469 = AG 2003, 700. 9 Nachw. s. oben vor Rdnr. 55. 10 Grdlg. BGH, ZIP 2005, 805 f. (für die Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG); AG Bad Segeberg, ZIP 2005, 812, 813 f.; wegen der Einzelheiten s. Altmeppen, in: FS Röhricht, S. 3, 14 ff. (für uneingeschränkte Anwendbarkeit des deutschen Rechts); zweifelnd dagegen Goette, DStR 2005, 197, 200 f.; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 885 f., alle m.N.; s. auch unten Rdnr. 107.

Emmerich

|

787

98a

§ 13

Juristische Person

1. Geschichte 99

Die erste (und wichtigste) Wurzel der „neuen“ Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen bildet die frühere Rechtsprechung des BGH zur Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern analog den §§ 302 und 303 AktG, die – nach mehreren Wendungen (s. ausführlich 9. Aufl., § 44 Anh. Rdnr. 93 ff.) – ihre abschließende Formulierung in dem TBB-Urteil vom 29. 3. 1993 (II ZR 265/91) gefunden hatte1. Eine Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen Konzern kam danach (nur) in Betracht, wenn das herrschende Unternehmen in nachteiliger Weise auf die abhängige Gesellschaft Einfluss genommen hatte, wenn außerdem diese Nachteilszufügung einen objektiven Missbrauch der Herrschaftsmacht darstellte, weil das herrschende Unternehmen dabei nicht in der gebotenen Weise Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft genommen hatte, und wenn schließlich ein Einzelausgleich der zugefügten Nachteile nicht mehr möglich war2. Bei der Anwendung dieser Doktrin hatte der BGH freilich in der Folgezeit eine derart restriktive Linie verfolgt, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob noch ein Einzelausgleich der schädlichen Folgen des Eingriffs möglich ist, dass die praktische Bedeutung der Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen Konzern analog den §§ 302 und 303 AktG zuletzt nur noch ganz gering war3. Im Schrifttum nahm deshalb die Kritik an dieser Rechtsprechung zuletzt wieder deutlich zu, wobei auch betont in Zweifel gezogen wurde, ob es einer besonderen Konzernhaftung überhaupt bedarf, um zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen, jedenfalls, wenn man, wohin der BGH offenbar immer mehr tendierte, das Gewicht zunehmend auf den Ausgleich von Einzeleingriffen legt4. Zahlreiche weitere Einwände gegen die TBB-Doktrin kamen hinzu. Gewicht hatte vor allem der Hinweis, dass die vom BGH formulierten Voraussetzungen einer Konzernhaftung bei Einpersonengesellschaften im Grunde immer erfüllt sind, so dass, wenn man sie ernst nimmt, bei diesen letztlich die Haftungsbeschränkung (§ 13 Abs. 2) unmittelbar bedroht ist, wie auch das vorausgegangene Video-Urteil vom 23. 9. 1991 (II ZR 135/90) deutlich gezeigt hatte5. 1 BGHZ 122, 123, 129 ff. = NJW 1993, 1200 = AG 1993, 371 = GmbHR 1993, 283 „TBB“. 2 S. 9. Aufl., § 44 Anh. Rdnr. 96 ff.; Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beih. 70, 2002. 3 S. insbes. BGH, LM Nr. 11 zu § 17 AktG = NJW 1994, 446 = AG 1994, 179 „EDVPeripherie“; BGH, LM Nr. 8 zu § 302 AktG = NJW 1994, 3288 = AG 1995, 35 „Freiberufler Konzern I“; BGH, LM Nr. 41 zu § 276 (Fa) BGB = NJW 1995, 1544 = AG 1995, 326 „Freiberufler Konzern II“; BGH, LM Nr. 10 zu § 826 (Gg) BGB = NJW 1996, 1283 = AG 1996, 221; BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = AG 1997, 160; BGH, GmbHR 1998, 87 = DStR 1997, 1937; s. 9. Aufl., § 44 Anh. Rdnr. 95; Goette, in: Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beih. 70, 2002, S. 11, 13 ff. 4 S. insbes. Altmeppen, ZIP 2001, 1837; Altmeppen, NJW 2002, 321; Bitter, ZIP 2001, 265; Bitter, WM 2001, 2133; Goette, DStR 2000, 1065; Goette, in: Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beih. 70, 2002, S. 11, 23 ff.; Mülbert, DStR 2001, 1937; insbes. Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83; positiver dagegen Decher und Ulmer, in: Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beih. 70, 2002, S. 25 und 41, besonders S. 68 ff. 5 BGHZ 115, 187 = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429.

788

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

Die Konzernhaftungsrechtsprechung auf der Basis des TBB-Urteils war infolgedessen, wie sich immer deutlicher abzeichnete, in eine Sackgasse geraten. Im Schrifttum wurde deshalb in den neunziger Jahren wieder vermehrt nach Alternativen Ausschau gehalten1. Der Blick fiel dabei naturgemäß zunächst auf die schon lange anhaltende Diskussion über die Unterkapitalisierungshaftung der Gesellschafter, da es sich bei der Haftung für einen existenzvernichtenden Eingriff, bei Lichte besehen, letztlich nur um einen (besonders qualifizierten) Ausschnitt aus der weiterreichenden Problematik einer allgemeinen Unterkapitalisierungshaftung handelt2. Zu nennen ist hier zunächst (erneut) die schon lange im Schrifttum geforderte Verschuldenshaftung der Gesellschafter für einen unsorgfältigen Umgang mit dem für sie fremden (s. § 13) Vermögen der Gesellschaft, entsprechend der allseits anerkannten Haftung der Gesellschafter für die Verletzung ihrer Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft3. Diese Überlegungen haben auch im vorliegenden Zusammenhang wieder verbreitete Zustimmung gefunden (s. unten Rdnr. 105 ff.), da es einen besonders eklatanten Verstoß der Gesellschafter gegen ihre Treuepflicht oder gegen die daraus abgeleitete Vermögensfürsorgepflicht darstellt, wenn sie durch schwer wiegende Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen die Existenz der Gesellschaft außerhalb des dafür im Gesetz (§§ 60, 64, 66 ff.) vorgesehenen Verfahrens aufs Spiel setzen4.

100

Für diesen Ansatz sprach (und spricht) nicht zuletzt die Praxis der Strafgerichte früher zu § 81a GmbHG a.F. und heute zu § 266 StGB (Untreue), in der die Strafbarkeit jedenfalls existenzgefährdender Eingriffe der Gesellschafter feststeht, wenn es sich um Einpersonengesellschaften handelt oder (bei anderen Gesellschaften) die Gesellschafter zusammenwirken5. Dem entspricht es, dass mittlerweile der 5. Strafsenat des BGH die sachliche Übereinstimmung der Praxis der Strafgerichte zum existenzgefährdenden Eingriff mit dem neuen Haftungsdurchgriff wegen existenzvernichtenden Eingriffs ausdrücklich bestätigt hat. Die unterschiedliche Terminologie bedeute keinen Unterschied in der Sache6. Ein deliktsrechtliches Verständnis des neuen Durchgriffstatbestandes liegt von daher gesehen natürlich nahe (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und insbesondere § 826 BGB; s. Rdnr. 105). Es ist deshalb gewiss kein Zufall, dass der BGH in geeigneten Fällen auch nach wie vor auf § 826 BGB ausweicht, etwa für die Einbeziehung von Schwestergesellschaften in den Haftungsverbund7.

101

1 S. zuletzt Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 1 (S. 428 f.). 2 S. zum Folgenden deshalb auch schon oben Rdnr. 84 ff., 93 f. sowie zuletzt Hölzle, ZIP 2004, 1729. 3 Wegen der Einzelheiten s. oben Rdnr. 36a f., 93 f. m.N. 4 Ebenso schon 1997 OLG Karlsruhe, OLGR 1997, 79, 82 = GmbHR 1998, 235 (nur LS); sowie sodann OGH, RdW 2001, 469, 470 f. = AG 2003, 700. 5 S. oben Rdnr. 59, 98; insbes. BGH, BGHSt. 35, 333 = NJW 1989, 112; BGH, NJW 1997, 66, 69 = GmbHR 1996, 925 = MDR 1996, 1279 = NStZ 1996, 540 = wistra 1996, 344. 6 Grdlg. BGH, BGHSt. 49, 147, 157 ff. = NJW 2004, 2248 = GmbHR 2004, 1010 = AG 2004, 450 „Bremer Vulkan II“. 7 S. unten Rdnr. 123; grdlg. BGH, NJW 2005, 145 = GmbHR 2004, 1528 = ZIP 2004, 2138 „Klinik W.“ m. Anm. Emmerich, JuS 2005, 180 ff.

Emmerich

|

789

§ 13

Juristische Person

102

Hintergrund der Diskussion ist letztlich der Umstand, dass sich der Schutz des Stammkapitals durch die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30 und 31 als unzureichend herausgestellt habe, da er die Gläubiger nur gegen den Entzug des zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens schützt, nicht aber gegen weiter gehende, nicht weniger gefährliche Eingriffe wie den Entzug der Geschäftschancen, die Eingliederung der Gesellschaft in einen Konzern oder die Veranlassung zu übermäßig riskanten Geschäften1. Diesem „Manko“ kann man einmal durch die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der §§ 30 und 31 auf jeden Eingriff in das Gesellschaftsvermögen einschließlich des Entzugs von Geschäftschancen begegnen, der zur Folge hat, dass in absehbarer Zeit auf Grund einer vernünftigen Prognose das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht mehr ausreichen wird2, zum anderen eben durch die Einführung einer Durchgriffshaftung für existenznichtende Eingriffe nach dem Vorbild der Rechtsprechung der Strafgerichte (oben Rdnr. 101). Dahinter steht vor allem die Überlegung, die Vorschriften über die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft zeigten deutlich, dass die Gesellschafter zwar jederzeit das Recht haben, über das Schicksal der Gesellschaft zu disponieren (§ 60 Abs. 1 Nr. 2), dass sie dies jedoch zum Schutze der Gläubiger nur im Rahmen einer ordnungsgemäßen Liquidation tun dürfen (§§ 66, 73), woraus sich das Verbot einer „kalten“ oder „wilden“ Liquidation der Gesellschaft durch Entzug ihrer Vermögenswerte zum Nachteil der Gläubiger ergebe3.

102a

Den zuletzt genannten Überlegungen zur Durchgriffshaftung (Rdnr. 102) schloss sich im Jahre 2000 in einem folgenreichen Beitrag Röhricht an4. Er betonte vor allem den Gedanken, dass die Haftungsbeschränkung bei der GmbH auf Grund des § 13 Abs. 2 nur gerechtfertigt sei, wenn die Gesellschafter die Grundsätze der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in vollem Umfang beachten. Daran fehle es, wenn sie mit dem Vermögen der GmbH willkürlich in einer Weise umgehen, die es der Gesellschaft schließlich unmöglich mache, ihre Schulden noch zu bezahlen. Die Folge müsse sein, dass die Gesellschafter dann nicht mehr das Privileg der Haftungsbeschränkung (§ 13 Abs. 2) in Anspruch nehmen könnten, d.h. persönlich haften müssten.

103

Auf diesen Ausführungen Röhrichts (oben Rdnr. 102a) beruht unmittelbar die neue Rechtsprechung des BGH zur Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtendenden Eingriffs5. Bei Lichte besehen ist mithin die Vulkan-Doktrin nichts wirklich Neues, sondern im Grunde die alte Konzernhaftung im qualifizierten faktischen Konzern in Gestalt der TBB-Doktrin, freilich unter Fortlassung aller

1 S. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 I 1 (S. 426). 2 Grdlg. Ulmer, in: FS Pfeiffer, 1988, S. 853; sowie sodann Fleck, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 391; Fleck, ZGR 1990, 31, 36 ff. m.N. 3 So insbes. M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S. 203 ff.; M. Winter, ZGR 1994, 571; K. Nissing, Eigeninteresse der Gesellschaft oder Liquidation auf kaltem Wege?, 1993; s. Emmerich, AG 2004, 423. 4 S. Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83; Röhricht, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 3, 20 ff.; Röhricht, ZIP 2005, 505, 513 f. 5 Nachw. s. schon oben Rdnr. 98; wegen der Einzelheiten s. unten Rdnr. 109 ff.

790

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

konzernrechtlichen Bezüge1, ganz so, wie es seinerzeit bereits verschiedentlich befürwortet worden war2.

2. Haftungsgrund Schrifttum: S. zum Folgenden insbesondere Altmeppen, ZIP 2001, 1837; ZIP 2002, 961; ZIP 2002, 1553; Altmeppen, NJW 2002, 321; 2004, 97, 101; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 74 ff.; Altmeppen, in: FS Röhricht, S. 3, 9 ff.; Bitter, ZIP 2001, 265; Bitter, WM 2001, 2133; Bruns, WM 2003, 815; Burgard, ZIP 2002, 827; Burgard, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 45; Döser, WM 2003, 406; Drygala, GmbHR 2003, 729; Emmerich, AG 2004, 423; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 I 2 (S. 427 f.); Goette, DStR 2005, 197, 200 f.; Hartmann, GmbHR 1999, 1061; Haas, WM 2003, 1929; Hölzle, ZIP 2004, 1729, 1733 ff.; J. Hoffmann, NZG 2002, 68; Keßler, GmbHR 2001, 1095; 2002, 945; Koppensteiner, in: FS Honsell, 2002, S. 607; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402; Mödl, JuS 2003, 14; Müller-Christmann/Schnauder, JuS 1998, 1080; Raiser, in: FS Lutter, 2000, S. 637; Raiser, in: FS Ulmer, 2003, S. 493; Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83; Röhricht, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 3, 22 ff.; Röhricht, ZIP 2005, 505, 513 f.; Römermann/Schröder, GmbHR 2001, 1015; K. Schmidt, NJW 2001, 3577; G. Roth, NZG 2003, 1081; Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beih. 70, 2002; Ulmer, ZIP 2001, 2021; Ulmer, in: Festgabe 50 Jahre BGH Bd. 2, 2000, S. 273, 301 ff.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, VGR Bd. 7, 2003, S. 69, 77 ff.; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 880 f.; H. P. Westermann, NZG 2002, 1129; Wiedemann, ZGR 2003, 283; J. Wilhelm, NJW 2003, 175; R. Wilhelmi, DZWiR 2003, 45.

Der BGH hat die „neue“ persönliche Haftung der Gesellschafter wegen existenzvernichtender Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen als einen Fall der (herkömmlichen) Durchgriffshaftung auf Grund einer teleologischen Reduktion des § 13 Abs. 2 qualifiziert, gerechtfertigt auf Grund der Missachtung der selbstverständlichen Voraussetzungen des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 durch die Gesellschafter3. Dieses Konzept einer unbeschränkten Außenhaftung der Gesellschafter in den Fällen existenzvernichtender Eingriffe hat im Schrifttum verbreitete Zustimmung, aber auch Kritik erfahren4. In der umfangreichen Diskussion, in der im Grunde die Auseinandersetzung über eine etwaige Unterkapitalisierungshaftung der Gesellschafter fortlebt (s. oben Rdnr. 84 ff., 93), geht es vor allem auch um die Frage, ob nicht einem Konzept der Außenhaftung der Gesellschafter ein solches der Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft (und nicht unmittelbar gegenüber den Gläubigern) vorzuziehen ist. Hinzugetreten sind in jüngster Zeit insolvenzrechtliche Haftungsmodelle. 1 Ebenso ausdrücklich Röhricht, ZIP 2005, 505, 513 f. 2 S. 9. Aufl., § 44 Anh. Rdnr. 98, 122 f.; ebenso Drygala, GmbHR 2003, 729, 732 f., 738; Goette, in: Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHRBeih. 70, 2002, S. 11, 22 ff.; Keßler, GmbHR 2001, 1095 ff.; Koppensteiner, in: FS Honsell, 2002, S. 607, 609; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 413 ff., 440; Ulmer, ZIP 2001, 2021; J. Wilhelmi, NJW 2003, 175, 177. 3 So ausdrücklich BGH, BGHZ 151, 181, 186 ff. = NJW 2002, 3024 = GmbHR 2002, 902 „KBV“ im Anschluss an Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83; weitere Nachw. s. oben Rdnr. 98, 102a. 4 S. zuletzt die Übersicht bei Emmerich, AG 2004, 423; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 I 2 und II 1 (S. 427 ff.); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 408 ff.; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 880 ff.; R. Wilhelmi, DZWiR 2003, 45.

Emmerich

|

791

104

§ 13

Juristische Person

105

Eine Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern in Fällen existenzvernichtender Eingriffe kann – außer über eine teleologische Reduktion des § 13 Abs. 2 – am ehesten noch deliktsrechtlich erklärt werden. Die Nähe der im vorliegenden Zusammenhang in erster Linie relevanten Fallgestaltungen zur Deliktshaftung der Gesellschafter auf Grund des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 StGB und insbesondere des § 826 BGB ist in der Tat unübersehbar1. Es verhält sich insoweit nicht anders als mit der Unterkapitalisierungshaftung der Gesellschafter, bei der die Gerichte gleichfalls, wo immer möglich, auf die Haftung der Gesellschafter nach § 826 BGB ausweichen2. In dieselbe Richtung weist die Rechtsprechung der Strafgerichte zur Verantwortlichkeit der Gesellschafter wegen Untreue (§ 266 StGB) bei existenzgefährdenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen, auch bei Einpersonengesellschaften oder bei Einverständnis sämtlicher Gesellschafter (§ 823 Abs. 2 BGB)3. Das ist deshalb wichtig, weil jedenfalls die etwaige Deliktshaftung der Gesellschafter in den fraglichen Fällen hinter keiner anderen Haftungsgrundlage zurücktritt, so dass sich dann die Frage der Subsidiarität der Gesellschafterhaftung wegen existenzvernichtender Eingriffe von vornherein nicht stellt (unten Rdnr. 132 ff.). Über § 830 BGB erklärt sich unter diesen Voraussetzungen zugleich die vom BGH angenommene, weit gehende Mithaftung solcher Gesellschafter, die sich darauf beschränkt haben, dem Eingriff in das Gesellschaftsvermögen seitens ihrer Mitgesellschafter nicht zu widersprechen.

106

Neben diesen Konzepten einer Außenhaftung der Gesellschafter (Rdnr. 104 f.) werden nach wie vor solche einer Innenhaftung diskutiert, wobei wiederum zwei Lösungsansätze zu unterscheiden sind. Zur Begründung einer Verschuldenshaftung der Gesellschafter für existenzvernichtende Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen gegenüber der Gesellschaft (und nicht unmittelbar gegenüber den Gläubigern), kann man sich entweder auf eine Analogie zu § 43 Abs. 2 und 3 (in Verbindung in erster Linie mit § 93 Abs. 5 AktG)4 oder – mit derselben Wirkung – auf die Annahme einer rechtlichen Sonderverbindung zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern stützen5. Bei der Haftung der Gesell-

1 S. schon Rdnr. 101; statt aller Burgard, ZIP 2002, 827, 829, 833 ff.; Burgard, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 45, 57 ff.; Goette, in: Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beih. 70, 2002, S. 11, 23 f.; Goette, DStR 2005, 197, 199; Haas, WM 2003, 1929, 1940 f.; Röhricht, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 3, 29; Römermann/ Schröder, GmbHR 2001, 1015, 1018 f.; Schröder, GmbHR 2002, 904; H. P. Westermann, NZG 2002, 1129, 1134 f.; R. Wilhelmi, DZWiR 2003, 45, 50, 55 f. 2 Ebenso für die Haftung von Schwestergesellschaften für existenzvernichtende Eingriffe BGH, NJW 2005, 145 = GmbHR 2004, 1518 = ZIP 2004, 2138 „Klinik W.“ m. Anm. Emmerich, JuS 2005, 180 ff. 3 S. Rdnr. 101; grdlg. zuletzt BGH, BGHSt. 49, 147, 157 ff. = NJW 2004, 2248 = GmbHR 2004, 1010 = ZIP 2004, 1200 = AG 2004, 450 „Bremer Vulkan II“; s. Gehrlein, NJW 2000, 1089; Fleck, ZGR 1990, 31; Müller-Christmann/Schnauder, JuS 1998, 1080; Ulmer, in: FS Pfeiffer, 1988, S. 853. 4 So insbes. statt aller Altmeppen und J. Wilhelm (oben Schrifttum vor Rdnr. 104). 5 So K. Schmidt (oben Schrifttum vor Rdnr. 104) sowie z.B. Belling/v. Steinau-Steinrück, Anm. SAE 1996, 253, 258 ff.; Chr. Eberl-Borges, Jura 2002, 761, 765; Burgard, ZIP 2002, 827, 829, 833 ff.; Burgard, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6,

792

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

schafter für existenzvernichtende Eingriffe geht es – bei dieser Sicht der Dinge – letztlich nur um einen besonderen Aspekt der allgemeinen Haftung für die Verletzung der Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft (s. schon oben Rdnr. 86a f.). Zu diesen im Kern bereits aus der Diskussion über die Unterkapitalisierungshaftung der Gesellschafter vertrauten Lösungsansätzen (oben Rdnr. 104–106) hat sich in jüngster Zeit noch ein insolvenzrechtlicher Ansatz hinzugesellt. Dahinter steht die Überlegung, dass es bei der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe letztlich darum geht, in der Krise der Gesellschaft eine ordnungsgemäße Liquidation und Abwicklung, im äußersten Fall in der Insolvenz, sicherzustellen und eine „kalte Liquidation“ der Gesellschaft zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger zu vermeiden. Die Haftung der Gesellschafter für existenzvernichtende Eingriffe ist aus diesem Blickwinkel nichts anderes als ein weiteres Instrument zur Sicherung der ordnungsgemäßen Abwicklung der Gesellschaft in der Krise, vergleichbar insbesondere der Insolvenzanfechtung1. Einen Vorteil dieses Lösungsansatzes sieht man vor allem darin, dass er es ermögliche, auch EU-Auslandsgesellschaften – trotz ihrer grundsätzlichen Unterstellung unter ihr heimatliches Gesellschaftsrecht – mit der deutschen Existenzvernichtungshaftung zu erfassen, eben als Bestandteil des immer anwendbaren deutschen Insolvenzrechts2.

107

Die genannten Haftungsmodelle (Rdnr. 104–107) schließen sich – natürlich – nicht gegenseitig aus, sondern beleuchten lediglich unterschiedliche Aspekte der Problematik. Im Schrifttum ist deshalb bereits mit Recht darauf hingewiesen worden, dass nichts die Vorstellung hindere, die genannten Haftungsmodelle je nach Art und Schwere des Eingriffs zu kombinieren3. Jedenfalls die deliktsrechtlichen Ansprüche der Gläubiger auf Grund der §§ 823 Abs. 2 und 826 BGB greifen in der Tat, sofern nur ihre Voraussetzungen erfüllt sind, immer, gegebenenfalls zusätzlich, ein. Die Mehrzahl der Fälle dürfte sich bereits auf diese Weise ohne weiteres lösen lassen, sofern man nur bei der Handhabung der Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB (i.V.m. § 266 StGB) und insbesondere § 826 BGB entsprechend „großzügig“ verfährt, wofür es in der Tat Ansätze in der Rechtsprechung gibt4. Des Rückgriffs auf die neue Durchgriffshaftung we-

108

1

2

3 4

2003, 45, 57 ff.; Luttermann, BB 2001, 2433; Mödl, JuS 2003, 14; Schnauder/MüllerChristmann, JuS 1998, 980, 984 f.; Ulmer, in: Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beih. 70, 2002, S. 41, 68 ff.; Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2026 f.; kritisch aber U. Haas, WM 2003, 1929, 1939 f.; Koppensteiner, in: FS Honsell, S. 607, 614, 618; Römermann/Schröder, GmbHR 2001, 1015, 1018. Goette, DStR 2005, 197, 200 f.; Wackerbarth, Grenzen der Leistungsmacht, S. 137 ff., 154 f.; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 885 f.; M.-P. Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, 2004; dagegen aber Röhricht, ZIP 2005, 505, 514 f. S. Goette, DStR 2005, 197, 200 f.; Wackerbarth, Grenzen der Leistungsmacht, S. 137 ff., 154 f.; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 885 f.; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, 2004; anders Röhricht, ZIP 2005, 505, 514 f.; s. schon oben Rdnr. 98a. S. Burgard, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 45, 57 ff.; Burgard, ZIP 2002, 827, 831 ff. Ebenso im Ergebnis Röhricht, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 3, 29; Röhricht, ZIP 2005, 505, 513 f.; Goette, in: Ulmer (Hrsg.), Haftung im

Emmerich

|

793

§ 13

Juristische Person

gen existenzvernichtenden Eingriffs bedarf es daneben allein in den wenigen verbleibenden Fällen, in denen sich, obwohl der Sache nach unabweisbar, die Voraussetzungen eine Haftung der Gesellschafter aus Delikt nur schwer nachweisen lassen, z.B. weil sich ein auf einen bestimmten Eingriff zurückgehender Schaden der Gläubiger nicht mehr feststellen lässt. Zu denken ist dabei vor allem an eine Häufung einzelner Eingriffe, die schließlich zum Zusammenbruch der Gesellschaft führen. In solchen Fällen können tatsächlich die Gläubiger nicht auf die Ansprüche der Gesellschaft aus den §§ 30 und 31 oder wegen Treuepflichtverletzung verwiesen werden; vielmehr bleibt dann als angemessene Sanktion allein die Durchgriffshaftung1.

3. Voraussetzungen Schrifttum: S. zum Folgenden insbesondere Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 72 ff.; Altmeppen, in: FS Röhricht, 2005, S. 3; Altmeppen, ZIP 2005, 119; G. Bitter, WM 2001, 2133; Chr. Eberl-Borges, Jura 2002, 761; Bruns, WM 2003, 815; Burgard, ZIP 2002, 827; Burgard, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 45, 53 ff.; Cahn, ZGR 2003, 298, 311 ff.; Drygala, GmbHR 2003, 729; Emmerich, AG 2004, 423; R. Freitag, WM 2003, 805; Gehrlein, BB 2005, 613; Haas, WM 2003, 1929; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, § 318 AktG Anh. Rdnr. 33 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II (S. 428 ff.); J. Hoffmann, NZG 2002, 68; Hölzle, ZIP 2003, 1376; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 17 ff.; Keßler, GmbHR 2001, 1095; 2002, 945; 2005, 257; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 29 Rdnr. 30 ff. (S. 457 ff.); Röhricht, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 3, 22 ff.; Röhricht, ZIP 2005, 505, 513 ff.; G. Roth, NZG 2003, 1081; Schiessl, in: MünchHdb. III, § 69 Rdnr. 11 ff. (S. 1343 ff.); K. Schmidt, NJW 2001, 3577; Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beih. 70, 2002; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 134 ff.; J. Vetter, ZIP 2003, 601; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisikien beim konzernweiten Cash-Pooling, VGR Bd. 7, 2003, S. 69, 77 ff.; A. Wahl, GmbHR 2004, 994; U. Wackerbarth, ZIP 2005, 877; H. P. Westermann, NZG 2002, 1129; Wiedemann, ZGR 2003, 283; R. Wilhelmi, DZWiR 2003, 45.

a) Überblick 109

Die Präzisierung der Tatbestandsmerkmale der Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs bereitet nicht unerhebliche Schwierigkeiten, weil der BGH bisher nicht über sehr allgemeine Formulierungen im Anschluss an das TBB-Urteil hinausgekommen ist2. Sieht man einmal von der heute entfallenen konzernrechtlichen Einkleidung ab, so war nach dem TBB-Urteil letztlich haftungsauslösend der objektive Missbrauch der Gesellschafterstellung des qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beih. 70, 2002, S. 11, 23 f.; Goette, DStR 2005, 197, 199 f.; erwogen auch bei U. Wackerbarth, ZGR 2005, 877, 883. 1 Ebenso im Ergebnis Bruns, WM 2003, 815, 819; Burgard, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 45, 59 f.; Drygala, GmbHR 2003, 729, 736 f.; U. Haas, WM 2003, 1929, 1934 f.; Keßler, GmbHR 2002, 945, 950; noch enger R. Wilhelmi, DZWiR 2003, 45. 2 Ebenso Drygala, GmbHR 2003, 729, 730 f.: „Im Grunde noch alles offen“; G. Roth, NZG 2003, 1081; U. Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 883 (l.Sp. 3. Abs.): „praktisch alles offen“.

794

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

herrschenden Gesellschafters durch fehlende Rücksichtnahme auf die eigenen Belange der von ihm abhängigen Gesellschaft, gemessen an der Insolvenz der Gesellschaft1. Sachlich im Wesentlichen übereinstimmend fordert der BGH nunmehr einen „Eingriff“ des Alleingesellschafters oder der einverständlich handelnden Gesellschafter in das Vermögen der Gesellschaft (einschließlich ihrer Geschäftschancen) unter Außerachtlassung der gebotenen Rücksicht auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens2 oder „ohne angemessene Rücksichtnahme auf die eigenen Belange der Gesellschaft“, verstanden als Fähigkeit zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten3. Weitere Präzisierungen ergeben sich aus dem Urteil vom 20. 9. 2004 (II ZR 302/02)4 sowie aus den beiden Urteilen vom 13. 12. 2004 (II ZR 206/025 und II ZR 256/026). Die Haftung greift danach auch ein, wenn bei dem Eingriff die Gesellschaft bereits überschuldet war, die Überschuldung aber durch den Eingriff vertieft wird, so dass die Gläubiger (noch) schlechter als vor dem Eingriff dastehen7. Erforderlich ist aber immer eine (unmittelbare oder mittelbare) Vermögensverlagerung auf einen oder mehrere Gesellschafter; Eingriffe zu Gunsten Dritter lösen die Existenzvernichtungshaftung nicht aus, können aber sehr wohl zur Haftung nach § 826 BGB führen8. Den unmittelbaren Gesellschaftern stehen dabei Personen gleich, die die Gesellschaft nur mittelbar über andere Gesellschaften beherrschen; auch Eingriffe zu ihren Gunsten lösen daher die Existenzvernichtungshaftung aus9. Dasselbe gilt für Vermögensverlagerungen zu Gunsten anderer, von dem betreffenden Gesellschafter beherrschten Gesellschaften. Bloße Managementfehler begründen dagegen noch keine Haftung; notwendig ist vielmehr – insoweit ganz in Übereinstimmung mit der herkömmlichen TBB-Doktrin – ein missbräuchlicher Eingriff der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen zu ihren Gunsten10. 1 BGH v. 29. 3. 1993 – II ZR 265/91, BGHZ 122, 123, 130 f. = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 = ZIP 1993, 589 = AG 1993, 371; s. 9. Aufl., § 44 Anh. Rdnr. 96, 99 ff.; Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beih. 70, 2002. 2 So BGH, BGHZ 151, 181, 187 = NJW 2002, 3024 = GmbHR 2002, 902 = ZIP 2002, 1578 „KBV“. 3 So BGH, BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 = ZIP 2001, 1874 „Bremer Vulkan I“; BGHZ 150, 61, 67 = NJW 2002, 1803 = GmbHR 2002, 549 = ZIP 2002, 848 „L-Kosmetik“; BGH, BGHSt. 49, 147, 157 ff. = NJW 2004, 2248 = AG 2004, 450 = ZIP 2004, 1200 „Bremer-Vulkan II“; weitere Nachw. s. oben Rdnr. 98; zur Übereinstimmung mit der TBB-Doktrin s. insbes. Röhricht, ZIP 2005, 505, 513: Der neue Haftungstatbestand teilt sich im Wesentlichen Tatbestand als auch Rechtsfolge mit der Haftung nach der TBB-Formel. 4 NJW 2005, 145 = GmbHR 2004, 1528 = ZIP 2004, 2138 „Klinik W.“ m. Anm. Emmerich, JuS 2005, 180. 5 GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 = ZIP 2005, 117 „BMW-Vertragshändler“. 6 GmbHR 2005, 299 = ZIP 2005, 250 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“; s. auch U. Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 882. 7 BGH, NJW 2005, 145 = GmbHR 2004, 1528 = ZIP 2004, 2138 „Klinik W.“. 8 BGH, NJW 2005, 145 = GmbHR 2004, 1528 = ZIP 2004, 2138 „Klinik W.“. 9 BGH, GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 = ZIP 2005, 117 „BMW-Vertragshändler“ und BGH, GmbHR 2005, 299 = ZIP 2005, 250 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“. 10 BGH, GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 = ZIP 2005, 117 „BMW-Vertragshändler“ und BGH, GmbHR 2005, 299 = ZIP 2005, 250 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“; OLG München, GmbHR 2005, 1486, 1489.

Emmerich

|

795

§ 13

Juristische Person

Die Existenzvernichtungshaftung ist aber subsidiär gegenüber dem Einzelausgleich (nur) nach den §§ 30 und 31 (s. dazu unten Rdnr. 132 ff.). 110

Im Grunde beschränkt sich damit der Tatbestand auf einen in bestimmter Weise qualifizierten pflichtwidrigen Eingriff eines oder mehrerer Gesellschafter zu ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Vorteil in das Gesellschaftsvermögen (unter Ausklammerung „bloßer“ Managementfehler) und die dadurch bedingte, ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der Fähigkeit der GmbH zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten, wozu in der Regel die unmittelbar drohende Insolvenz der Gesellschaft erforderlich sein wird1, dies schon deshalb, weil die Gläubiger, solange die Gesellschaft solvent ist, im Allgemeinen wohl wenig Anlass haben werden, die Gesellschafter persönlich in Anspruch zu nehmen (§ 13 Abs. 2). Ebenso wie die Unterkapitalisierungshaftung wird die „neue“Durchgriffshaftung daher in aller Regel frühestens bei drohender Insolvenz der Gesellschaft akut. So erklärt sich zugleich die unübersehbare Nähe des neuen Rechtsinstituts auch zu dem insolvenzrechtlichen Instrumentarium (oben Rdnr. 107). b) Beispiele

111

Die inhaltliche Nähe des neuen Haftungstatbestandes wegen Existenzvernichtung zu der früheren Konzernhaftung auf Grund der TBB-Doktrin (oben Rdnr. 109) erlaubt es, zur weiteren Präzisierung des Tatbestandes auf die Fallgruppen zurückzugreifen, in denen unter der Geltung der TBB-Doktrin vorrangig eine Konzernhaftung diskutiert wurde2. Die wichtigsten Fälle dieser Art waren die Führung von Einmann-Gesellschaften im Konzerninteresse in einer Weise, dass sie ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen können, so dass die Geschäfte im Grunde auf Kosten der Gläubiger betrieben wurden3, die Belastung des Vermögens der abhängigen Gesellschaft mit Haftungsverbindlichkeiten zu Gunsten des Konzerns ohne ordnungsmäßige Buchführung und ohne Bildung der nötigen Rückstellungen4, ferner die Schädigung der abhängigen Gesellschaft zu Gunsten anderer neugegründeter Konzernunternehmen durch die Einstellung oder den Abzug ihrer Aktivitäten (sog. GmbH-Stafetten)5

1 Ebenso G. Roth, NZG 2003, 1081, 1082 f.; Röhricht, ZIP 2005, 505, 513 f.; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 882 ff.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken, VGR Bd. 7, 2003, Rdnr. 134 (S. 80 f.). 2 S. 9. Aufl., § 44 Anh. Rdnr. 100–124; Decher, in: Ulmer, Haftung, S. 25, 36 ff.; Goette, in: Ulmer, Haftung, S. 11, 13 ff.; Ulmer, in: Ulmer, Haftung, S. 41, 54 ff. 3 BGHZ 122, 123, 130 = NJW 1993, 1200 = AG 1993, 371 = GmbHR 1993, 283 „TBB“; BGH, LM Nr. 8 zu § 302 AktG = NJW 1994, 3288 „Freiberufler Konzern I“; BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = AG 1997, 180; BSGE 75, 82, 90 = NJW-RR 1995, 730; BSG, NJW-RR 1997, 94, 96 = GmbHR 1996, 604, 607 = ZIP 1996, 1134; OLG Köln, BB 1997, 169, 170 = GmbHR 1997, 220; OLG Dresden, AG 1997, 330 = GmbHR 1997, 215, 217 ff.; OLG Bamberg, AG 1998, 191, 193 = NJW-RR 1997, 1190; LG Münster, WM 1997, 672, 673 f. = AG 1997, 474. 4 BGHZ 122, 123, 131 f. = NJW 1993, 1200 = AG 1993, 371 = GmbHR 1993, 283 „TBB“. 5 BGH, LM Nr. 10 zu § 826 (Gg) BGB = NJW 1996, 1283; BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = AG 1997, 180 = GmbHR 1997, 258 = WM 1997, 316, 317; OLG Köln, BB 1997, 169, 170 = GmbHR 1997, 220; OLG Dresden, AG 1997, 330 = GmbHR 1997, 215; Wilken, WiB 1997, 453; Goette, DStR 1997, 1937, 1938.

796

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

sowie ihre Schädigung durch die Veranlassung zur Belieferung anderer Konzernunternehmen zu unangemessenen Konzernverrechnungspreisen1, zur Gewährung hoher ungesicherter Kredite2 oder zur Fortführung der Geschäfte mit einer anderen, zahlungsunfähigen Konzerngesellschaft3, immer vorausgesetzt, dass ein Einzelausgleich für die zugefügten Schäden nach den Umständen des Falles nicht mehr möglich erschien. Weitere Beispiele waren die Herbeiführung der Insolvenz der abhängigen Gesellschaft, sobald sich hohe Ansprüche geschädigter Dritter gegen sie abzeichneten4, die systematische Steuerung der abhängigen Gesellschaft in die Verlustzone, um die anderen Gesellschafter zu schädigen5, sowie die Anschaffung zahlreicher Geräte durch ein Unternehmen über von ihm abhängige Gesellschaften, die nicht mit den erforderlichen Mitteln für den Erwerb der Geräte ausgestattet waren6. Hingegen reichte es grundsätzlich nicht aus, wenn eine von vornherein nur für begrenzte Aufgaben gegründete Konzerntochter immer so geführt wird, dass sie gerade noch in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen7, wenn einzelne verlustbringende Tätigkeiten ausgegliedert werden8 sowie, wenn die abhängige Gesellschaft veranlasst wird, einzelne Forderungen an ein anderes Konzernunternehmen zur Sicherung von Forderungen dieses Unternehmens abzutreten9 oder auf einzelne nur schwer durchsetzbare Schadensersatzansprüche, z.B. wegen Patentverletzung, aus Kostengründen zu verzichten10. Die bloße Veräußerung der Anteile an der abhängigen Gesellschaft schon kurze Zeit nach ihrem Erwerb führte gleichfalls nicht automatisch zum Haftungsdurchgriff11. Dasselbe galt schließlich für die einfache Betriebsaufspaltung, jedenfalls, wenn sich die verpachtende Besitzgesellschaft keine besonderen, zusätzlichen Rechte einräumen lässt12. Verluste, die auf einem allgemeinen Konjunktureinbruch beruhen oder sonstige externe Ursachen haben, lösten gleichfalls keinen Haftungsdurchgriff aus13.

112

Ganz entsprechend wird heute eine Durchgriffshaftung wegen existenzgefährdenden Eingriffs gleichfalls in erster Linie erwogen im Falle der Praktizierung

113

1 BAGE 76, 79, 86 ff. = NJW 1994, 3244 = AG 1994, 510; OLG Frankfurt, AG 1998, 193, 194 = NZG 1998, 228 = OLGR Frankfurt 1997, 269; LG Frankfurt, AG 1998, 98, 99 = NJW-RR 1997, 796. 2 BSGE 75, 82, 90 f. = NJW-RR 1995, 730 = AG 1995, 279 = GmbHR 1994, 315. 3 BSGE 75, 82, 90 f. = NJW-RR 1995, 730 = AG 1995, 279 = GmbHR 1994, 315. 4 OLG Bamberg, AG 1998, 191, 193 = NJW-RR 1997, 1190. 5 OLG Frankfurt, OLGR 1997, 269 = AG 1998, 193, 194 = NZG 1998, 228. 6 LG Münster, AG 1997, 474 = WM 1997, 672. 7 BGH, LM Nr. 8 zu § 302 AktG = NJW 1994, 1544 = AG 1995, 326. 8 BAG, AP Nr. 29 zu § 16 BetrAVG = AG 1994, 279. 9 BGH, LM Nr. 141 zu § 276 (Fa) BGB = NJW 1995, 1544 = AG 1995, 326 „Freiberufler Konzern II“. 10 BGH, LM Nr. 11 zu § 17 AktG = NJW 1994, 446 = AG 1994, 179 „EDV-Peripherie“. 11 BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = AG 1997, 180 = GmbHR 1996, 258 = WM 1997, 316, 317. 12 BSG, NJW-RR 1997, 94, 96 = GmbHR 1996, 604, 607 = ZIP 1996, 1134. 13 BGH, LM Nr. 8 zu § 302 AktG = NJW 1994, 3288 = AG 1995, 35, 37 „Freiberufler Konzern I“; BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = GmbHR 1997, 258 = AG 1997, 180 = WM 1997, 316, 317; BGH, DStR 1997, 1937 = GmbHR 1998, 87 (nur LS).

Emmerich

|

797

§ 13

Juristische Person

rigoroser Cash Pooling-Systeme, und zwar auch noch zu einer Zeit, in der die Rückzahlungsansprüche der beteiligten Tochtergesellschaften nicht mehr gesichert sind, so dass der weitere Entzug von Liquidität unmittelbar die Existenz dieser Tochtergesellschaften bedrohen muss1, die „kalte“ oder „wilde“ Liquidation der Gesellschaft durch Entzug ihres Vermögens unter Belassung der Schulden zum evidenten Nachteil der Gläubiger, insbesondere im Rahmen so genannter GmbH-Stafetten2, etwa durch eie Verschiebung des Gesellschaftsvermögens in der Krise auf eine Schwestergesellschaft, um unter deren „Mantel“ die Geschäfte unbehindert von den Gläubigern fortführen zu können3, oder durch Übertragung des Kundenstammes und anderer Vermögenswerte ohne angemessene Gegenleistung auf eine andere, denselben Gesellschaftern gehörende Gesellschaft4, während bloße Managementfehler, Vermögensverlagerungen auf Dritte oder die Unterschlagung von Vertriebsvermögen, das bereits an eine Bank zur Sicherheit übereignet war, nicht zur Begründung der Existenzvernichtungshaftung ausreichen5. Weitere Beispiele sind der Entzug der lebensnotwendigen Liquidität durch überhöhte Mieten für das Betriebsgrundstück im Rahmen der Betriebsaufspaltung6, die Belastung der Gesellschaft mit Verbindlichkeiten ohne Gegenleistung, so dass sie mit Notwendigkeit über kurz oder lang zusammenbrechen wird und die Fortführung der Gesellschaft daher zum offenbaren Nachteil der Gläubiger gereicht7, sowie die Übertragung wichtiger Aufträge auf andere Konzerngesellschaften ohne Gegenleistung oder gegen eine Gegenleistung nicht an die Gesellschaft, sondern an deren Gesellschafter8. 1 Grdlg. BGHZ 149, 10, 16 ff. = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 (Vorinstanz: OLG Bremen, AG 1999, 466) „Bremer Vulkan I“; BGH, BGHSt. 49, 147, 157 ff. = NJW 2004, 2248 = GmbHR 2004, 1010 = AG 2004, 450, 451 f. „Bremer Vulkan II“; s. zu diesen Fällen außerdem Ammelung/Kaeser, DStR 2003, 655; Burgard, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 45; J. Vetter, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 69; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken, VGR Bd. 7, 2003; F. Zeidler, Zentrales Cashmanagement in faktischen Aktienkonzernen, 1999. 2 Grdlg. BGHZ 151, 181, 186 ff. = NJW 2002, 3024 = GmbHR 2002, 902 „KBV“; BGH, NJW 2005, 145 = GmbHR 2004, 1528 = ZIP 2004, 2138 „Klinik W.“ m. Anm. Emmerich, JuS 2005, 180; U. Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 886. 3 BGH, NJW 2005, 145 = GmbHR 2004, 1528 = ZIP 2004, 2138 „Klinik W.“. 4 BGH, GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 = NZG 2005, 177 = ZIP 2005, 117, 118 f. „BMW-Vertragshändler“ m. Anm. Altmeppen und BGH, GmbHR 2005, 299 = ZIP 2005, 250, 252 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“. 5 BGH, GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 = NZG 2005, 177 = ZIP 2005, 117, 118 f. „BMW-Vertragshändler“ m. Anm. Altmeppen und BGH, GmbHR 2005, 299 = ZIP 2005, 250, 252 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“. 6 OLG Karlsruhe, OLGR 1997, 79, 82 = GmbHR 1998, 235 (nur LS). 7 OLG Jena, GmbHR 2002, 112 = ZIP 2002, 631 = DZWiR 2003, 82. 8 LAG Köln, ZIP 2003, 1893; wegen weiterer Fallgruppen s. Altmeppen, in: FS Röhricht, S. 3, 4 ff.; Bruns, WM 2003, 815, 818 f.; Burgard, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 45, 63 ff.; Drygala, GmbHR 2003, 729, 733 ff.; Lutter/ Banerjea, ZGR 2003, 402, 414 f.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 318 AktG Anh. Rdnr. 36; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 3a (S. 430 f.); Gehrlein, BB 2005, 613; Keßler, GmbHR 2005, 257; G. Roth, NZG 2003, 1081, 1082 f.; J. Vetter, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 69, 83, 96 ff.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken, VGR Bd. 7, 2003, Rdnr. 142 ff. (S. 83 ff.); Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 882 ff.; H. P. Westermann, NZG 2002, 1129, 1138; Wiedemann, ZGR 2003, 283, 292 f.

798

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

Auch die Bereitstellung des Gesellschaftvermögens als Sicherheit für riskante Darlehen an die Gesellschafter oder andere verbundene Unternehmen kommt hier in Betracht1. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn sich die fragliche Maßnahme (gerade noch) im Rahmen des weitgespannten unternehmerischen Ermessens der Gesellschafter hält, selbst wenn sich später herausstellt, dass sie – entgegen ihren noch vertretbaren Erwartungen – den Ruin der Gesellschaft zur Folge hat2. Bloße Managementfehler begründen mit anderen Worten noch keine Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe, – wobei man sich über die Schwierigkeit der Grenzziehung keinen Illusionen hingeben darf3. c) Eingriff Den Tatbestand der neuen Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs hat der BGH bisher nur sehr allgemein umschrieben „als Eingriff“ des Alleingesellschafters (dem immer die einverständlich handelnden Gesellschafter einer Mehrpersonengesellschaft gleichstehen) in das Vermögen der Gesellschaft einschließlich ihrer Geschäftschancen „unter Außerachtlassung der gebotenen Rücksicht auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens“4 oder „ohne angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der Gesellschaft“, verstanden als deren Fähigkeit zur Befriedigung ihrer Verbindlichkeiten5.

114

Kern des Tatbestandes ist nach dem Gesagten (Rdnr. 114) die Übertragung von Vermögenswerten der Gesellschaft auf unmittelbare oder mittelbare Gesellschafter oder auf Gesellschaften, an denen die Gesellschafter beteiligt sind, ohne marktgerechte Gegenleistung, sofern es sich um Vermögenswerte handelt, derer die Gesellschaft zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten bedarf6. Es muss sich mit anderen Worten um offene oder verdeckte Entnahmen der Gesellschafter aus dem Gesellschaftsvermögen ohne angemessenen Ausgleich zu Gunsten der Gesellschafter handeln, d.h. um einen gezielten, betriebsfremden Zwecken dienenden Entzug von existensnotwendigen Vermögenswerten7. Erfasst werden alle Verstöße der Gesellschafter bei ihrer Einflussnahme auf die Geschäftsführung zu ihren Gunsten unter Verstoß gegen die Grundsätze der Vermögensbin-

114a

1 OLG Rostock, ZIP 2004, 118, 120 f.; anders wohl noch BGHZ 138, 291, 298 ff. = NJW 1998, 2592; Esten, GmbHR 2004, 105, 107 ff. 2 LAG Köln, ZIP 2003, 1893 m. ablehnender Anm. Hölzle; OGH, RdW 2001, 469, 470 f. = AG 2003, 700; G. Roth, NZG 2003, 1081, 1082 f. 3 Grdlg. BGH, GmbHR 2005, 299 = ZIP 2005, 250, 252 (l.Sp.) = NZG 2005, 214 = WM 2005, 332 „Handelsvertreter“. 4 So BGHZ 151, 181, 187 = NJW 2002, 3024 = GmbHR 2002, 902 = ZIP 2002, 1578 „KBV“. 5 BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 = ZIP 2001, 1874 = AG 2002, 43 „Bremer Vulkan I“; BGHZ 150, 61, 67 = NJW 2002, 1803 = GmbHR 2002, 549 = ZIP 2002, 848; ebenso schon BGH, NJW 1997, 66, 69 = GmbHR 1996, 925 = NStZ 1996, 540 = wistra 1996, 344; sowie sodann BAG, AG 2003, 322, 324 = NJW 2003, 1340 = ZIP 2002, 2137; OLG Rostock, ZIP 2004, 118, 120 f. 6 So BGH, ZIP 2005, 117, 118 (r.Sp. 5. Abs.) = GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 „BMW-Vertragshändler“. 7 BGH, ZIP 2005, 250, 252 (l.Sp.) = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“; s. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 3a (S. 430 f.); U. Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 879 ff.

Emmerich

|

799

§ 13

Juristische Person

dung und Vermögenstrennung, deren Beachtung die unabdingbare Voraussetzung für die Zubilligung des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 ist1. 114b

Zu denken ist hier in erster Linie an den bilanziell nicht erfassbaren Abzug betriebsnotwendiger Liquidität, an sonstige Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen, die über die Kapitalerhaltungsregeln nicht ausreichend sanktioniert werden können, an den Entzug von Geschäftschancen und von Führungspersonal, an die Veranlassung zu spekulativen und mit unangemessenen Risiken versehenen Geschäften sowie an sonstige nachteilige Maßnahmen der Konzernintegration wie den Rückzug vom Markt, die Verlagerung von Geschäftsfeldern und die Einbindung in ein zentrales Cash-Management2. Weiter gehende Anforderungen an Art und Intensität des (wie immer definierten) Eingriffs werden nicht gestellt; entscheidend sind vielmehr die nachteiligen Auswirkungen einer (beliebigen) Einflussnahme der Gesellschafter auf die Geschäftsführung, so dass sich der Tatbestand der existenzvernichtenden Eingriffs im Grunde mit dem der Nachteilszufügung im Sinne des § 311 AktG deckt3.

115

Die Frage der Nachteiligkeit des Eingriffs dürfte gleichfalls nach denselben Maßstäben wie bei § 311 AktG zu beurteilen sein; entscheidend ist mit anderen Worten (entsprechend § 317 Abs. 2 AktG), ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer die fragliche Maßnahme vorgenommen oder unterlassen hätte4. Erfasst werden folglich alle nach vernünftiger kaufmännischer Prognose schlechthin unvertretbaren Formen der Einwirkung (jedenfalls) des Alleingesellschafters oder der einverständlich handelnden Gesellschafter auf die Geschäftsführung, unvertretbar deshalb, weil die fragliche Maßnahme durch die Missachtung der Grundsätze der Vermögensbindung und Vermögenstrennung unmittelbar die Solvenz der Gesellschaft für die nächste Zeit bedroht. (Noch) vertretbare Maßnahmen, die sich im Rahmen des weitgespannten unternehmerischen Ermessens halten, lösen dagegen keine Haftung aus (vgl. die §§ 311, 317 Abs. 2 AktG)5. Insoweit bleibt es vielmehr bei der Regelung des § 13, selbst wenn die umstrittene Maßnahme später – entgegen den (noch) verbretbaren Erwartungen des oder der Gesellschafter – den Zusammenbruch der Gesellschaft zur Folge hat. Dieses Risiko müssen mit anderen Worten weiterhin die Gläubiger tragen6. Nur wenn die Gesellschafter ein weiter gehendes Riskio eingehen, wenn sie, anders gewendet, der Sache nach auf Kosten der Gläubiger spekulieren, greift – im Falle der Insolvenz der Gesellschaft – die Durchgriffs-

1 So insbes. Haas, WM 2003, 1929, 1931 f. 2 S. die Nachw. oben Rdnr. 111 ff. und Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 3a. 3 So zutreffend Drygala, GmbHR 2003, 729, 733 f.; ebenso im Ergebnis Bruns, WM 2003, 815, 818 f.; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 414 ff.; Luttermann, BB 2001, 2433. 4 S. zu § 311 AktG Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rdnr. 39 ff.; ebenso Bruns, WM 2003, 815, 818 f.; Drygala, GmbHR 2003, 729, 733 f.; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 414 ff. 5 Ebenso grdlg. BGH, ZIP 2005, 250, 252 = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“. 6 BGH, ZIP 2005, 250, 252 = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“; OGH, RdW 2001, 469, 470 f. = AG 2003, 700; LAG Köln, ZIP 2003, 1893, 1894 f. mit ablehnender Anm. Hölzle; G. Roth, NZG 2003, 1081, 1082 f.

800

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs ein1. Im selben Sinne verlangt der BGH jetzt für die Begründung der Existenzvernichtungshaftung einen gezielten, betriebsfremden Zwecken dienenden Entzug von Vermögenswerten, welche die Gesellschaft zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten benötigt, und zwar zu Gunsten eines (unmittelbaren oder mittelbaren) Gesellschafters2. Dieser Fall liegt jedenfalls vor, wenn die Gesellschafter in der Krise, d.h. bei Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft, die Gesellschaft einfach „wie bisher“ auf Kosten der Gläubiger fortführen und nicht entweder der Gesellschaft neues Kapital zuführen oder sie ordnungsgemäß liquidieren3. Damit ist zugleich gesagt, dass als Zeitpunkt für die erforderliche Prognose hinsichtlich der Vertretbarkeit der Maßnahme unter dem Gesichtspunkt der fortbestehenden Solvenz der Gesellschaft sinnvollerweise nur der der Vornahme der Maßnahme in Betracht kommen kann4. Jede andere Entscheidung bedeutete, den Gesellschaftern eine schon mit Rücksicht auf § 13 Abs. 2 nicht zu vertretende Erfolgshaftung aufzuerlegen. Dieser Zeitpunkt ist daher z.B. auch dann maßgebend, wenn sich die Frage stellt, ob eine abhängige Gesellschaft veranlasst werden darf, für Kredite an andere Konzernmitglieder Sicherheiten zu bestellen, die später zum Zusammenbruch der Gesellschaft führen5. Noch offen ist jedoch, auf welchen Prognosezeitraum dabei abzustellen ist. Unzumutbares darf aber von den Gesellschaftern auch in dieser Hinsicht nicht verlangt werden. Wegen der prinzipiellen Ungewissheit der Zukunft kann daher der Prognosezeitraum schwerlich länger als ein bis zwei Jahre dauern.

116

Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich, wenn sich die Nachteilszufügung, die im weiteren Verlauf zur Insolvenz der Gesellschaft führt, aus einer Vielzahl von Maßnahmen über einen längeren Zeitraum hinweg zusammensetzt. In solchen Fällen wird eine einheitliche Beurteilung als haftungsauslösender existenzvernichtender Eingriff nur in Betracht kommen, wenn die fraglichen Maßnahmen offenkundig auf einem einheitlichen Plan des oder der Gesellschafter zur Schädigung ihrer Gesellschaft beruhen6. In allen diesen Punkten kann unbedenklich an die früheren Überlegungen zu der TBB-Doktrin im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern angeknüpft werden, wo im Kern dieselben Maßstäbe galten7.

117

Beispiele für hiernach haftungsauslösende Eingriffe bieten die oben erwähnte Fallgruppen (oben Rdnr. 112 f.). Stichworte sind GmbH-Stafetten, die „systema-

118

1 Ebenso ausführlich Hölzle, ZIP 2004, 1729 ff.; G. Roth, NZG 2003, 1081, 1082 f. 2 BGH, ZIP 2005, 250 (252) „Handelsvertreter“; BGH, ZIP 2005, 117, 118 f. m. Anm. Altmeppen = GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 „BMW-Vertragshändler“. 3 BGH, ZIP 2005, 250 (252) „Handelsvertreter“; BGH, ZIP 2005, 117, 118 f. m. Anm. Altmeppen = GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 „BMW-Vertragshändler“; Hölzle, ZIP 2004, 1729 ff. 4 Ebenso Drygala, GmbHR 2003, 729, 734; R. Freitag, WM 2003, 805, 810 f., 813. 5 S. R. Freitag, WM 2003, 805, 810 f., 813. 6 Bruns, WM 2003, 815, 1819; Burgard, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 45, 59 f.; U. Haas, WM 2003, 1929, 1934 f.; ebenso wohl BGH, ZIP 2005, 250, 252 (unter IV) = GmbHR 2005, 299 „Handelsvertreter“. 7 S. 9. Aufl., § 44 Anh. Rdnr. 100 f.

Emmerich

|

801

§ 13

Juristische Person

tische“ Schädigung der abhängigen Gesellschaft bei dem konzerninternen Geschäfts- und Abrechnungsverkehr durch unangemessene Konzernverrechnungspreise oder Konzernumlagen zu Gunsten anderer Konzerngesellschaften, die Veranlassung zur Hingabe ungesicherter Darlehen an die Gesellschafter oder an nicht mehr kreditwürdige andere Unternehmen der Gesellschafter, die Belastung mit Verbindlichkeiten ohne Gegenleistung oder mit Sicherheiten für gefährdete Kredite Dritter an die Gesellschafter oder an andere Konzernunternehmen, ferner der systematische Abzug der Liquidität der Gesellschaft im Rahmen strikter Cash Pooling-Systeme, vor allem, wenn die Rückzahlung der Beträge bereits gefährdet ist1, weiter die Verlagerung von Vermögenswerten auf Schwestergesellschaften (unten Rdnr. 123), der Entzug von Geschäftschancen und der zugehörigen Ressourcen zu Gunsten der Gesellschafter2, nicht aber, wie bereits ausgeführt, „bloße“ Managementfehler, mögen sie auch noch so grob sein (oben Rdnr. 115). d) Kausalität, Verschulden 119

Zwischen dem Eingriff in Gestalt der Nachteilszufügung (oben Rdnr. 114 ff.) und der drohenden Insolvenz der Gesellschaft muss Kausalität bestehen, da sich andernfalls eine persönliche Haftung der Gesellschafter nicht rechtfertigen lässt3. In der Praxis dürfte hier die größte Schwierigkeit liegen, da sich die Gesellschafter gegen ihre persönliche Inanspruchnahme wohl ausnahmslos mit dem Einwand verteidigen werden, es wäre auch ohne die Nachteilszufügung, die ihnen jetzt vorgeworfen wird, mit Sicherheit zum Zusammenbruch der Gesellschaft gekommen (s. unten Rdnr. 129 ff.).

120

Noch ungeklärt ist, ob die Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs Verschulden auf der Seite der Gesellschafter voraussetzt. Soweit die Frage diskutiert wird, überwiegt die Ablehnung, freilich meistens mit dem nahe liegenden Zusatz, dass in den überhaupt nur in Betracht kommenden gravierenden Fallgestaltungen ohnehin immer Vorsatz bei den Akteuren vorliegen dürfte, zumal vielfach oder sogar im Regelfall zugleich der Tatbestand des § 823 Abs. 2 BGB (i.V.m. § 266 StGB) oder des § 826 BGB erfüllt sein wird4. In dieselbe Richtung weist die grundsätzlich deliktsrechtliche Einordnung der Existenzvernichtungshaftung (oben Rdnr. 104 ff.).

1 S. dazu grdlg. die beiden Vulkan-Urteile: BGHZ 149, 10, 18 ff. = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 = AG 2002, 43; BGH, BGHSt. 49, 147, 157 ff. = NJW 2004, 2248 = GmbHR 2004, 1010 = AG 2004, 450, 451 f. 2 BGH, ZIP 2005, 117, 118 f. = NJW-RR 2005, 335 = GmbHR 2005, 225 „BMW-Vertragshändler“; BGH, ZIP 2005, 250, 252 f. = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“. 3 Ebenso J. Hoffmann, NZG 2002, 68, 69; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 418; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 3c (S. 432). 4 S. Bruns, WM 2003, 815, 817; J. Vetter, ZIP 2003, 601, 602; dagegen OLG Rostock, ZIP 2004, 118, 121.

802

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

4. Adressaten a) Die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs trifft jedenfalls diejenigen Gesellschafter, die an dem Eingriff mitgewirkt haben, bei der Einpersonengesellschaft also den einzigen Gesellschafter und bei Mehrpersonengesellschaften die zusammenwirkenden Gesellschafter. Gleich stehen „Gesellschafter von Gesellschaftern“, d.h. mittelbar beteiligte Gesellschafter, jedenfalls, wenn sie über einen beherrschenden Einfluss in der Gesellschaft verfügen, immer vorausgesetzt, dass der Entzug von Vermögenswerten gerade zu ihren Gunsten erfolgt ist1. Der BGH erstreckt die Haftung ferner auf solche Gesellschafter, die zwar nichts empfangen, aber durch ihr Einverständnis an dem fraglichen Eingriff mitgewirkt haben2.

121

Die Haftung erfasst folglich sämtliche Gesellschafter, denen der Eingriff letztlich (im weitesten Sinne) zuzurechnen ist (§ 242 BGB). Minderheitsgesellschafter, die widersprechen, bleiben dagegen von der Haftung verschont (vgl. § 32a Abs. 3 Satz 2). Verfügen sie über keinen Einfluss in der Gesellschaft, so wird man von ihnen billigerweise auch nicht verlangen können, dass sie, etwa mit Unterlassungsklagen, versuchen, als nachteilig erkannte Maßnahmen der Mehrheit zu verhindern3.

122

b) Noch nicht endgültig geklärt ist die Behandlung von Schwestergesellschaften4. In aller Regel dürfte jedoch bei Vermögensverlagerungen auf eine Schwestergesellschaft wenigstens eine mittelbare Begünstigung der an den Schwestergesellschaften gleichermaßen beteiligten beherrschenden Gesellschafter vorliegen, so dass schon dadurch die Existenzvernichtungshaftung des oder der begünstigten Gesellschafter ausgelöst wird5. Der BGH hat die Frage bisher offen gelassen und in einem Fall, der die Verlagerung der gesamten Aktivitäten und Ressourcen einer Gesellschaft auf eine Schwestergesellschaft betraf, um die Gläubiger der ersten Gesellschaft zu schädigen, die Haftung des mittelbar beherrschenden Gesellschafters einfach aus § 826 BGB hergeleitet6. Das entspricht der Nähe der Existenzvernichtungshaftung zu Deliktshaftung.

123

1 Grdlg. BGH, ZIP 2005, 117, 118 (l.Sp.) = GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 „BMW-Vertragshändler“; BGH, ZIP 2005, 250, 251 (r.Sp. unter 2a) = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“; zustimmend W. Bayer, in: FS Röhricht, S. 25, 30; Gehrlein, BB 2005, 613; Keßler, GmbHR 2005, 257, 264; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 2 (S. 429 f.); Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 879 f.; zu Schwestergesellschaften s. unten Rdnr. 123. 2 So BGHZ 150, 61, 67 = NJW 2002, 1803; BGHZ 151, 181, 188 = NJW 2002, 3024 „KBV“. 3 Ebenso Bruns, WM 2003, 815, 823; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 2 (S. 430); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 436 ff. 4 S. dazu insbesondere Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 2 und 3d (S. 430, 433); Gehrlein, BB 2005, 613, 615; Raiser, in: FS Ulmer, 2003, S. 493; K. Schmidt, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1199; J. Vetter, ZIP 2003, 601, 608; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 879 ff. 5 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 2 und 3d (S. 430, 433). 6 Grdlg. BGH, NJW 2005, 145, 146 = ZIP 2004, 2138 = GmbHR 2004, 1528.

Emmerich

|

803

§ 13

Juristische Person

5. Aktivlegitimation 124

Die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs ist nach dem Konzept der Rechtsprechung keine Innen-, sondern Außenhaftung (oben Rdnr. 104 ff.). Dies liegt insbesondere nahe, wenn man die Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe in die Nähe des § 826 BGB rückt. Folgerichtig hat die Rechtsprechung bisher durchweg außerhalb des Insolvenzverfahrens etwaige Ansprüche gegen unmittelbare oder mittelbare Gesellschafter wegen existenzvernichtender Eingriffe direkt den unterschiedlichsten Gläubigern zugebilligt1. während die Vertreter der Innenhaftung die Ansprüche natürlich in erster Linie der Gesellschaft selbst und damit nur mittelbar den Gläubigern zubilligen2.

125

Anders ist die Rechtslage im Insolvenzverfahren. Nach überwiegender Meinung dürfte davon auszugehen sein, dass im Insolvenzverfahren die Ansprüche gegen unmittelbare und mittelbare Gesellschafter wegen existenzvernichtender Eingriffe, jedenfalls in erster Linie, nach § 93 InsO von dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind, während außerhalb eines Insolvenzverfahrens, insbesondere also in den Fällen einer masselosen Liquiditation der Gesellschaft, die Ansprüche meistens unmittelbar den Gläubigern zugebilligt werden3. Davon ist auch der BGH ohne weiteres in den beiden Urteilen vom 13. 12. 20044 ausgegangen, in denen das Insolvenzverfahren gegen die betreffende Gesellschaft jeweils mangels Masse eingestellt worden war, so dass etwaige Ansprüche wegen existenzvernichtender Eingriffe gegen die unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschafter nur von den nicht befriedigten Gläubigern der Gesellschaft verfolgt werden konnten5.

1 S. BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 „Bremer Vulkan I“; BGHZ 151, 181, 187 = NJW 2002, 3024 „KBV“; BGH, ZIP 2005, 117 = GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 „BMW-Vertragshändler“; BGH, ZIP 2005, 250 = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“. 2 In diesem Sinne insbes. Ulmer, ZIP 2001, 2021, 2027; K. Schmidt, NJW 2001, 3577. 3 S. grdlg. BGH, ZIP 2006, 467, 468 Tz. 10; BGH, ZIP 2005, 1734, 1738; BAG, NJW 2005, 2172 = NZG 2005, 628 = ZIP 2005, 1174 sowie Bruns, WM 2003, 815, 818; U. Haas, WM 2003, 1929, 1937; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 III 2 (S. 434); Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 318 AktG Anh. Rdnr. 45; Hölzle, ZIP 2003, 1376; Hölzle, Anm., ZIP 2003, 1897; Jawansky, DB 2003, 2757, 2760; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 430; Koppensteiner, in: FS Honsell, S. 607, 618; J. Vetter, ZIP 2003, 601, 606. 4 BGH, GmbHR 2005, 225 = ZIP 2005, 117 = NJW-RR 2005, 335 „BMW-Vertragshändler“ und BGH, ZIP 2005, 250 = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“; ebenso auch offenbar BGHZ 150, 61, 67 f. = NJW 2002, 1803 sowie BGH und BAG (vorige Fn.); ferner LAG Köln, ZIP 2003, 1893, 1896 f. (mit insoweit zustimmender Anm. Hölzle, S. 1897 ff.) sowie (ohne Begründung) OLG Rostock, ZIP 2004, 118; LG Hildesheim, ZInsO 2001, 474, 475. 5 Ebenso BGH, ZIP 2006, 467, 468 Tz. 10; BGH, ZIP 2005, 1734, 1738 und BAG, NJW 2005, 2172 = NZG 2005, 628 = ZIP 2005, 1174.

804

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

6. Rechtsfolgen1 a) Die Rechtsfolgen eines existenzvernichtenden Eingriffs sind ebenso wie der Haftungstatbestand noch nicht endgültig geklärt. Im Schrifttum werden unterschiedliche Konzepte diskutiert. Es geht dabei vor allem um die Frage, ob aus der vom BGH unter den Voraussetzungen eines existenzvernichtenden Eingriffs gefolgerten Unanwendbarkeit des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 22 der Schluss zu ziehen ist, dass sich fortan die Haftung der Gesellschafter unmittelbar nach den §§ 128 und 129 HGB zu richten hat3. Bejaht man dies, so drängt sich sofort die weitere Frage nach einer Anwendbarkeit des § 130 HGB ebenso wie die nach der Anwendbarkeit des § 160 HGB auf4. Der Sache nach läuft dieses Konzept auf eine unbeschränkte Nachschusspflicht aller alten und neuen unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter in der von ihnen (mit-)zuverantwortenden Krise hinaus.

126

Von anderer Seite wird dagegen mit Rücksicht auf die Wertungen des § 13 Abs. 2 nach wie vor in unterschiedlichem Umfang eine Beschränkung der Haftung verlangt, entweder in Höhe der verhältnismäßigen Beteiligung der Gesellschafter an dem Stammkapital5 oder in Höhe des Schadens, den sie durch ihren Eingriff der Gesellschaft zugefügt haben6. Auf jeden Fall handelt es sich aber außerhalb des Insolvenzverfahrens um eine „bloße“ gesamtschuldnerische Ausfallhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, so dass diese grundsätzlich zunächst die Gesellschaft in Anspruch nehmen müssen, während eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gesellschafter nur in Betracht kommt, wenn die Gesellschaft gelöscht oder ersichtlich vermögenslos ist (vgl. § 773 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 BGB)7.

126a

Im Schrifttum wird ferner diskutiert, ob die Gläubiger ohne Ausnahme in der Haftungsfrage gleichzubehandeln sind oder ob bei einzelnen Gläubigern ein Abschlag vorgenommen werden muss, sofern es nach den Umständen des Falles gerechtfertigt erscheint, sie ganz oder partiell an dem Insolvenzrisiko der Gesellschaft zu beteiligen8. Indessen kommt solche Vorgehensweise wohl nur in Betracht, wenn (ausnahmsweise) in dem Vertragsabschluss mit einer bereits insolvenzgefährdeten Gesellschaft die (partielle) Übernahme des Insolvenzrisikos durch den Gläubiger liegt, der sich dafür wohl immer auch besondere Vor-

127

1 Vgl. zum Folgenden zuletzt W. Bayer, in: FS Röhricht, S. 25, 31 f.; Gehrlein, BB 2005, 613, 615; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 III 1 (S. 433 f.); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 318 AktG Anh. Rdnr. 44; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 881 f. 2 S. grdlg. BGHZ 151, 180, 186 f. = NJW 2002, 3024 „KBV“. 3 Bitter, WM 2001, 2133, 2137 f.; Hölzle, ZIP 2003, 1376, 1381 f.; Jawansky, DB 2003, 2757 f.; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 430; Raiser, in: FS Ulmer, S. 493, 504 ff. 4 S. dazu Jawansky, DB 2003, 2757, 2758 f.; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 881 (l.Sp. unter 2.3). 5 So Bruns, WM 2003, 815, 822. 6 J. Vetter, ZIP 2003, 601, 603 f.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken, VGR Bd. 7, 2003, Rdnr. 137 (S. 81). 7 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 III 1 (S. 433 f.) und Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 318 AktG Anh. Rdnr. 44 m.N. 8 Bejahend Bitter, WM 2001, 2133, 2140; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 431 f.; ablehnend Bruns, WM 2003, 815, 818.

Emmerich

|

805

§ 13

Juristische Person

teile einräumen lassen dürfte (§§ 242, 254 BGB). Jenseits derartiger ersichtlich an der Grenze zu Spekulationsgeschäften liegenden Fallgestaltungen ist eine Differenzierung nach Gläubigergruppen dagegen weder sachlich vertretbar noch überhaupt durchführbar. 128

b) Der BGH geht, wie gezeigt, außerhalb des Insolvenzverfahrens von einer direkten Haftung der verantwortlichen unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter gegenüber den Gläubigern im Falle existenzvernichtender Eingriffe aus (oben Rdnr. 121 ff., 124 f.). Der BGH hat außerdem mittlerweile klargestellt, dass diese Haftung grundsätzlich „unbeschränkt“ ist1. Es gibt jedoch Ausnahmen. Die Haftung ist zunächst subsidiär gegenüber den §§ 30 und 31 (unten Rdnr. 132 ff.). Sie ist außerdem beschränkt, wenn der Gesellschafter nachweist, dass der Gesellschaft im Vergleich zur Vermögenslage bei einem redlichen Verfahren, insbesondere also bei einer ordnungsmäßigen Liquidation der Gesellschaft, nur ein begrenzter – und dann in diesem Umfang auch auszugleichender – Nachteil entstanden ist, wobei der bloße Umstand, dass die Gesellschaft in eine masselose Insolvenz geraten ist, solchen Nachweis nicht generell ausschließen soll, immer vorbehaltlich des § 826 BGB2. Es liegt indessen auf der Hand, dass dieser Nachweis ausgesprochen schwierig zu führen sein dürfte (wobei die Beweislast den Gesellschaftern obliegt), so dass es doch für den Regelfall bei der unbeschränkten Ausfallhaftung bleiben wird3.

7. Beweislast 129

Die Reichweite des neuen Haftungskonzepts hängt letztlich von der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ab. Das war schon unter der Geltung der TBBDoktrin so und ist heute nicht anders, einfach deshalb, weil den Gläubigern als Außenstehenden gewöhnlich die Kenntnis der haftungsbegründenden Gesellschafts- und Konzerninterna abgeht. Deshalb liefe für den Regelfall die Übertragung der vollen Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs auf die Gläubiger auf eine Verneinung der Haftung hinaus.

130

Der BGH war deshalb bereits in dem TBB-Urteil bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast den Gläubigern zumindest ein wenig entgegengekommen4. Das Schrifttum tritt überwiegend dafür ein, von denselben Regeln jetzt hinsichtlich der an die Stelle der TBB-Doktrin getretenen Haftung für existenzvernichtende Eingriffe auszugehen5. Dies bedeutete, dass die Gläubiger grund-

1 BGH, ZIP 2005, 117, 118 (r.Sp. 4. Abs.) = GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 „BMW-Vertragshändler“; BGH, ZIP 2005, 250, 252 (r.Sp. letzter Abs.) = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“. 2 So ausdrücklich BGH, ZIP 2005, 117, 118 (r.Sp. 4. Abs.) = GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 „BMW-Vertragshändler“; BGH, ZIP 2005, 250, 252 (r.Sp. letzter Abs.) = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“. 3 Gehrlein, BB 2005, 613, 615; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 881 f. 4 BGHZ 122, 123, 131 = NJW 1993, 1200 „TBB“. 5 S. Altmeppen, in: FS Röhricht, S. 3, 7; Bruns, WM 2003, 815, 820; Drygala, GmbHR 2003, 729, 737 f.; Keßler, GmbHR 2005, 257, 263; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 417;

806

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

sätzlich zwar die volle Beweislast für die Voraussetzungen der Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs trifft. Beweiserleichterungen kommen jedoch in Betracht, wenn ein Gläubiger Umstände darlegt und gegebenenfalls beweist, die die Annahme nahe legen, dass die in Anspruch genommenen Gesellschafter letztlich die Insolvenz der Gesellschaft durch existenzvernichtende Eingriffe herbeigeführt haben. Die Gesellschafter trifft demgegenüber die Beweislast, wenn sie sich darauf berufen, dass die der Gesellschaft zugefügten Nachteile nach den Regeln der §§ 30 und 31 ausgeglichen werden können oder wenn sie geltend machen, dass der Gesellschaft im Vergleich zu der Vermögenslage bei einem redlichen Verhalten, insbesondere also bei ordnungsmäßiger Liquidation, nur ein begrenzter Nachteil entstanden ist1. Auch wenn man dem grundsätzlich folgt (Rdnr. 130), so wird man doch auch hinsichtlich des Eingriffs an gewisse Beweiserleichterungen für die Gläubiger zu denken haben, so dass es je nach den Umständen des Falles ausreichen kann, wenn sie (als Außenstehende) Indizien für das Vorliegen des Haftungstatbestandes vortragen, so dass es dann Sache der Gesellschafter ist, die Einzelheiten aufzuklären2. Das wird insbesondere in Konzernfällen zu gelten haben (unten Rdnr. 138). Berufen sich demgegenüber die Gesellschafter darauf, dass die Schädigung der Gesellschaft andere Ursachen als gerade ihre Eingriffe habe, dass sie also ohnehin zusammengebrochen wäre oder dass ein Einzelausgleich nach den §§ 30 und 31 möglich und durchgeführt ist, so tragen sie dafür die Beweislast3.

131

8. Subsidiarität4 a) Bereits nach dem TBB-Urteil von 1993 stand die damals noch angenommene Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern entsprechend den §§ 302 und 303 AktG unter dem Vorbehalt der Unmöglichkeit eines Einzelausgleichs, wobei nicht zuletzt an Ersatzansprüche der Gesellschaft nach den §§ 30 und 31 gedacht war5. In der Folgezeit hat der BGH gerade dieses (negative) Tatbestandsmerkmal so sehr betont, dass die Konzernhaftung nach der TBB-Doktrin jede Bedeutung einbüßte.

1

2 3

4

5

J. Vetter, ZIP 2003, 601, 611 f.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken, VGR Bd. 7, 2003, Rdnr. 139 ff. (S. 82 f.); Wahl, GmbHR 2004, 994, 998 f.; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 882. BGH, ZIP 2005, 117, 118 (r.Sp. unten) = GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 „BMWVertragshändler“; BGH, ZIP 2005, 250, 252 (r.Sp. unten) = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“. Altmeppen, in: FS Röhricht, S. 3, 7; Drygala, GmbHR 2003, 729, 737 f.; Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 882. Grdlg. OLG Rostock, ZIP 2004, 118, 121; Keßler, GmbHR 2005, 257, 263; J. Vetter, ZIP 2003, 601, 611 f.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken, VGR Bd. 7, 2003, Rdnr. 139 ff. (S. 82 f.). Vgl. zum Folgenden auch ausführlich Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 3d (S. 432 ff.); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 318 AktG Anh. Rdnr. 42 f. BGHZ 122, 123, 129 ff. = NJW 1993, 1200 = GmHR 1993, 283; wegen der Einzelheiten s. 9. Aufl., § 44 Anh. Rdnr. 106 ff.

Emmerich

|

807

132

§ 13

Juristische Person

133

Bei dem Übergang von der TBB-Doktrin zu der neuen Durchgriffshaftung der Gesellschafter wegen existenzvernichtenden Eingriffs hat der BGH an der Subsidiarität des Haftungstatbestandes festgehalten und den Haftungsdurchgriff deshalb davon abhängig gemacht, dass sich die „Fähigkeit der GmbH zur Befriedigung ihrer Gläubiger nicht schon durch die Rückführung entzogenen Stammkapitals gem. § 31 wiederherstellen lässt“1. Unberührt bleiben dagegen Deliktsansprüche der Gläubiger aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB sowie insbesondere aus § 826 BGB. Sie sind niemals subsidiär gegenüber anderen Ansprüchen; ebenso wenig wie die Eingriffshaftung ihrerseits subsidiär gegenüber den genannten Deliktsansprüchen ist2.

134

b) Der Anspruch wegen einer gegen § 30 verstoßenden Auszahlung des Stammkapitals steht der Gesellschaft, nicht den hier allein interessierenden Gesellschaftsgläubigern zu (§ 31 Abs. 1). Deshalb und mit Rücksicht auf die schlechten Erfahrungen, die mit der Subsidiarität der TBB-Doktrin gemacht wurden, steht das Schrifttum einer Subsidiarität des Haftungsdurchgriffs wegen existenzvernichtender Eingriffe gegenüber den §§ 30 und 31 ausgesprochen skeptisch gegenüber3. Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen zu den §§ 30 und 31 zu verweisen. Hier genügt die Bemerkung, dass man den Ansprüchen der Gläubiger auf Erfüllung ihrer Ansprüche gegen die persönlich haftenden Gesellschafter im Wege der Durchgriffshaftung schwerlich auf ganz anderer Anspruchsgrundlage beruhende Ansprüche der Gesellschaft aus § 31 Abs. 1 entgegenhalten kann4. Das muss auf jeden Fall dann gelten, wenn sich die Gesellschafter weigern, ihren Verpflichtungen aus § 31 Abs. 1 nachzukommen, wenn die Gesellschaft gelöscht oder nicht mehr handlungsfähig ist (Stichwort: masselose Liquidation) oder wenn wegen der Fülle der Eingriffe für die Gläubiger eine Verweisung auf den Einzelausgleich nach § 31 schlicht unzumutbar ist5.

135

Eine abweichende Beurteilung ist nur zu erwägen, wenn die Gesellschafter ihrer Verpflichtung aus § 31 Abs. 1 durch Ausgleich der Entnahmen in das Gesellschaftsvermögen umgehend nachgekommen sind. Aber auch dann macht

1 So BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 „Bremer Vulkan I“; ebenso sodann BGHZ 151, 181, 187 = NJW 2002, 3024 „KBV“; ebenso die beiden Urteile BGH, ZIP 2005, 117, 118 (r.Sp. unten) = GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 und BGH, ZIP 2005, 250, 252 (r. Sp. unten) = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214. 2 BGHZ 151, 181, 185, 186 f. = NJW 2002, 3024 „KBV“; BGH, ZIP 2005, 117, 118 (r.Sp. unten) = GmbHR 2005, 225 = NJW-RR 2005, 335 „BMW-Vertragshändler“; ebenso im Ergebnis BGH, NJW 2005, 145 = ZIP 2004, 2138 = GmbHR 2004, 1528 „Klinik W.“. 3 S. Bruns, WM 2003, 815, 821 f.; Burgard, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 45, 54 f.; Drygala, GmbHR 2003, 729, 736 f.; U. Haas, WM 2003, 1929, 1936; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 318 AktG Anh. Rdnr. 42 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 3d (S. 432 f.); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 420 ff., 429; J. Vetter, ZIP 2003, 601, 605 f.; J. Vetter/Stadler, Haftungsrisiken, VGR Bd. 7, 2003, Rdnr. 136 (S. 181); R. Wilhelmi, DZWiR 2003, 45, 52. 4 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402, 420 ff., 429; Lutter/Banerjea, ZIP 2003, 2177; zustimmend Altmeppen, NJW 2004, 97, 101. 5 S. im Einzelnen Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 318 AktG Anh. Rdnr. 42 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 31 II 3d (S. 432 f.).

808

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

eine Subsidiarität der Durchgriffshaftung bei Lichte besehen keinen Sinn, weil sie gerade die Aufgabe hat, in solchen Fällen die über die Entnahmen hinausgehenden Schäden auszugleichen, die zum Zusammenbruch der Gesellschaft geführt haben. Wenn die Gesellschafter z.B. der Gesellschaft die zum Überleben nötige Liquidität entzogen haben, so dass die Gesellschaft gerade deshalb zusammengebrochen ist, nutzt es den Gläubigern wenig, wenn sie umgehend wenigstens das Stammkapital wieder auffüllen. Denn die Gläubiger gehen dann trotzdem in jedem Fall leer aus.

9. Konkurrenzen a) Wegen der unübersehbaren „Nähe“ der neuen Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs zur Deliktshaftung der Gesellschafter auf Grund des § 823 Abs. 2 BGB und des § 826 BGB (oben Rdnr. 108) wird die Durchgriffshaftung der Gesellschafter häufig mit einer Haftung aus den genannten Deliktstatbeständen zusammentreffen. Eine Subsidiarität der Durchgriffshaftung besteht insoweit nicht (oben Rdnr. 133). Auch parallele Ansprüche der Gesellschaft aus den §§ 30 und 31 sollten – entgegen der Rechtsprechung – keinen Vorrang haben (oben Rdnr. 134 f.). Dasselbe gilt für eine Mithaftung der Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2, die sich pflichtwidrig den existenzvernichtenden Eingriffen von Gesellschaftern nicht widersetzt haben1. Davon zu trennen ist die (noch offene) Frage, ob neben der Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs, zumindest in bestimmten Fallengestaltungen, weiterhin Raum für eine Konzernhaftung im faktischen Konzern bleibt (unten Rdnr. 137 f.).

136

b) Nach der Vorstellung des BGH soll der neue Durchgriffstatbestand offenbar in jeder Hinsicht an die Stelle der (endgültig aufgegebenen) Rechtsfigur des qualifizierten faktischen Konzerns treten2. Der BGH hat ausdrücklich betont, dass nach „Ersetzung“ der Rechtsprechung zur Haftung im qualifizierten faktischen Konzern durch die „Ausfallhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs“ in Konzernfällen (nur noch) die Grundsätze der Haftung aus Treuepflichtverletzung gegenüber den Mitgesellschaftern fortgelten sollten3.

137

Im Schrifttum wird aus diesen Bemerkungen des BGH verbreitet der Schluss gezogen, dass damit die Rechtsfigur des qualifizierten faktischen Konzerns in seiner Funktion als Haftungstatbestand gänzlich durch die neue Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs ersetzt sei, während den Schutz der Minderheit fortan die Regeln über einfache faktische Konzerne übernehmen müssten4.

138

1 S. BGHZ 151, 181, 185 = NJW 2002, 3024 „KBV“. 2 So ausdrücklich BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 „Bremer Vulkan“ (für Einpersonengesellschaften); BGHZ 150, 61, 68 = NJW 2002, 1803 „L. Kosmetik“; BGH, ZIP 2005, 250, 251 (l.Sp. unten) = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214: „Überholte Rechtsprechung ... zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern“. 3 So wörtlich BGHZ 150, 61, 68 = NJW 2002, 1803 (unter 3. unter Bezugnahme auf BGHZ 65, 15 „ITT“) „L. Kosmetik“; BAG, AG 2003, 322, 323 = NJW 2003, 1340 = ZIP 2002, 2137; OLG Jena, GmbHR 2002, 112, 114 = ZIP 2002, 631, 633 = DZWiR 2003, 82. 4 In diesem Sinne insbes. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 144 („Teil der Rechtsgeschichte“); Altmeppen, ZIP 2001, 1387; Altmeppen, NJW 2002, 321; Bitter,

Emmerich

|

809

§ 13

Juristische Person

Dem kann jedoch, wie später zu zeigen sein wird (unten Anh. Rdnr. 120 ff.), in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Sowohl im Rahmen der Darlegungsund Beweislast (s. oben Rdnr. 131) als auch bei dem Schutz der Minderheit behält vielmehr der Tatbestand des qualifizierten faktischen Konzerns eine gewisse, wenngleich stark reduzierte Bedeutung.

IX. Umgekehrter Durchgriff 139

1. Unter dem Stichwort „umgekehrter“ Durchgriff werden verschiedene Fallgestaltungen diskutiert. Zunächst geht es um die Frage, ob in Ausnahmefällen die Gesellschaft auch für Schulden ihrer Gesellschafter haften muss (und nicht etwa die Gesellschafter für Schulden der Gesellschaft; s. oben Rdnr. 76, 98 ff.). Von der Praxis ist dies wiederholt bei Einpersonengesellschaften angenommen worden, so dass der einzige Gesellschafter nicht nach § 771 ZPO widersprechen konnte, wenn aus einem Titel gegen ihn in das Vermögen der Gesellschaft vollstreckt wurde1. Heute wird jedoch ein derartiger „umgekehrter“ Haftungsdurchgriff auf die Gesellschaft, weil mit den Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbHG unvereinbar, zum Schutz der übrigen Gläubiger der Gesellschaft durchweg abgelehnt2. Dasselbe gilt für das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrer Muttergesellschaft sowie für das Verhältnis zu Schwestergesellschaften3. Abweichend ist nur zu entscheiden, wenn der Gesellschafter aus einem besonderen Rechtsgrund selbst persönlich haftet, etwa als Bürge oder für Steuerschulden nach den §§ 34 und 69 AO4. Jenseits dieser Sonderfälle ist dagegen für einen umgekehrten Durchgriff zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger generell kein Raum. Ein Schuldner der Gesellschaft kann sich daher z.B. gegenüber der Inanspruchnahme durch die Gesellschaft nicht auf etwaige Zusagen einzelner Gesellschafter berufen, ihn persönlich nicht in Anspruch zu nehmen5.

140

2. Von dem soeben behandelten Fall (oben Rdnr. 139) ist das Problem des „gesellschafterfreundlichen Durchgriffs“ zu unterscheiden. Es geht dabei um die

1

2

3 4 5

ZIP 2001, 265; Bitter, WM 2001, 2133; Decher, in: MünchHdb. III, § 69 Rdnr. 6 ff.; Döser, AG 2003, 406, 414 („Makulatur“); Goette, in: Ulmer, Der qualifizierte faktische GmbH-Konzern, 2002, S. 11, 22 ff.; Römermann/Schröder, GmbHR 2001, 1015, 1019. RG, Recht 1905 Nr. 743, S. 168; OLG Karlsruhe, DR 1943, 811; OLG Hamm, NJW 1977, 1159 = GmbHR 1978, 13; OLG Düsseldorf, GmbHR 2000, 283, 284 f.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 771 Rdnr. 18; Freese, NW 1956, 283; Geißler, NJW 1985, 1865, 1870; Drobnig, Haftungsdurchgriff, S. 68 ff.; O. Kuhn, Strohmanngründung, S. 189 ff.; Serick, Rechtsform und Realität, S. 32, 79 ff. BGHZ 156, 310 = ZIP 2003, 2247, 2249 = NJW 2004, 217; BGH, LM Nr. 20 zu § 13 GmbHG = NJW-RR 1990, 738 = GmbHR 1990, 295; BGH, DStR 1999, 1822 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 124; Goette, GmbH, § 9 Rdnr. 44 (S. 345 f.); Goette, DStR 1999, 1823; Emde, GmbHR 2000, 285, 286 f.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 58; Michalski, Rdnr. 393; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 156; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 6 (S. 246); Schulte, Rechtsprechungsübersicht, S. 8 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 228; J. Wilhelm, NJW 1977, 1887. BGH, DStR 1999, 1822 f. m. Anm. Goette. LG Düsseldorf, DB 2000, 812. OLG Karlsruhe/BGH, DStR 1996, 974 f. m. Anm. Goette; Goette, GmbH, § 9 Rdnr. 44 (S. 346).

810

|

Emmerich

§ 13

Juristische Person

Frage, ob ein von einem Dritten verletzter Gesellschafter nicht nur für seinen eigenen Schaden, sondern auch für den „seiner“ Gesellschaft Ersatz verlangen kann, den diese, etwa in Form entgangenen Gewinns oder weitergezahlter Geschäftsführervergütungen, erlitten hat. Von der deutschen Rechtsprechung ist dies im Gegensatz zur österreichischen Praxis1 gelegentlich unter Rückgriff auf Durchgriffserwägungen bejaht worden2. Folgt man dem3, so handelt es sich der Sache nach um nichts anderes als um einen weiteren Fall der Drittschadensliquidation, so dass der Gesellschafter jedenfalls Leistung an die Gesellschaft verlangen muss4. In der umgekehrten Konstellation (Schädigung der Gesellschaft) bleibt es dagegen auf jeden Fall bei der gesetzlichen Regelung, dass jeder Betroffene nur seinen eigenen Schaden liquidieren kann, so dass die Gesellschaft nicht etwa befugt ist, auch (zusätzlich) Ersatz für den Schaden ihrer Gesellschafter zu fordern, z.B. im Falle der mangelhaften Beratung von Gesellschaft und Gesellschaftern durch einen Steuerberater5. 3. Schädigungen der Gesellschaft wirken sich zugleich „mittelbar“ im Vermögen der Gesellschafter durch die Beeinträchtigung des Werts ihres Gesellschaftsanteils aus. In Fällen einer deliktischen Schädigung der Gesellschaft kann daher, jedenfalls auf den ersten Blick, mit dem Ersatzanspruch der Gesellschaft ein eigener Anspruch der Gesellschafter aus § 823 Abs. 1 BGB konkurrieren (sog. Reflexschäden). In solchen Fällen ist gleichwohl für eigene Ersatzansprüche der Gesellschafter nur Raum, wenn ihnen ausnahmsweise über den Schaden der Gesellschaft hinaus ein zusätzlicher eigener Schaden entstanden ist, während eigene Ansprüche der Gesellschafter wegen der Entwertung ihres Gesellschaftsanteils ausscheidet, sofern der Wertverlust der Anteile lediglich die Schädigung der Gesellschaft widerspiegelt6.

1 S. OGH, JBl. 1984, 262; GesRZ 1985, 138, 140 m. Anm. Harrer, S. 130; GesRZ 1989, 103, 104. 2 BGHZ 61, 380, 383 f. = NJW 1974, 134 = GmbHR 1974, 9; BGH, VersR 1962, 622; enger BGH, LM Nr. 15 zu § 249 (D) BGB = NJW 1977, 1283. 3 Ablehnend z.B. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 157. 4 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28–31; Flume, Allg. Bd. I/2, § 3 II (S. 77 f.); Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; M. Lieb, in: FS R. Fischer, S. 385; Michalski, Rdnr. 394; Rehbinder, in: FS R. Fischer, S. 592; Schulte, Rechtsprechungsübersicht, S. 19 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 238 ff.; J. Wilhelm, Rechtsform, S. 380 ff. 5 BGH, LM Nr. 93 zu § 249 (A) BGB (Bl. 4) = NJW-RR 1992, 290. 6 BGHZ 105, 121, 130 ff. = NJW 1988, 2794 = AG 1988, 331 „Kerkerbach-Bahn“; BGH, LM Nr. 5 zu § 93 AktG = NJW 1987, 1077; LM Nr. 1 zu § 230 HGB = WM 1987, 1193, 1195; OGH, GesRZ 1989, 103, 104; Kowalski, Der Ersatz von Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, 1990; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16.

Emmerich

|

811

141

Anhang § 13

Konzernrecht

Anhang § 13

GmbH-Konzernrecht Inhaltsübersicht

I. Verbreitung . . . . . . . . . . .

1

III. Konzernbildungskontrolle auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft . . . . . . . . . . .

II. Geschichte . . . . . . . . . . . .

5

IV. Konzernleitungskontrolle

III. Rechtsquellen . . . . . . . . . .

8

A. Einleitung

B. Verbundene Unternehmen . . . 13 I. Unternehmen . . . . . . . . . . 14 II. Mehrheitsbeteiligung 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . 19 III. Abhängigkeit . . . . . . . . . . 22 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . 23

58

. . .

64

I. Überblick . . . . . . . . . . . .

65

D. Faktischer Konzern

II. Schädigungsverbot 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . .

71 76

3. Beispiele . . . . . . . . . . . . .

80

III. Rechtsfolgen 83

2. Gemeinschaftsunternehmen . . 27 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . 29

1. Überblick . . . . . . . . . . . . 2. Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche . . . . . . . . .

IV. Konzern . . . . . . . . . . . . . 30

IV. Gläubigerschutz . . . . . . . . .

88

V. Wechselseitige Beteiligungen . . 34

V. Einpersonengesellschaften . . .

90

1. Einfache wechselseitige Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . 35

E. Qualifizierter faktischer Konzern . . . . . . . . . . . . . . .

91

2. Qualifizierte wechselseitige Beteiligungen . . . . . . . . . . 37

I. Überblick . . . . . . . . . . . .

92

3. Sonstige Fälle . . . . . . . . . . 38 VI. Mitteilungspflichten 1. §§ 20, 21 AktG; § 21 WpHG . . 39 2. Treuepflicht . . . . . . . . . . . 40 C. Konzernbildungskontrolle

85

II. Missbrauch . . . . . . . . . . . 100 III. Beweislast . . . . . . . . . . . . 106 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . 107 2. Indizien, Fallgruppen . . . . . . 109 IV. Rechtsfolgen

. . . . . . . . . . 114

. . . . . . . . . . . . 41

V. Schutz der Minderheit . . . . . 117

II. Konzernbildungskontrolle auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft . . . . . . . . . . . 48 1. Gesellschaftsvertrag . . . . . . . 49

VI. Fortbestehende Bedeutung? 1. Überblick . . . . . . . . . . . . 120

I. Überblick

2. Gläubigerschutz . . . . . . . . . 123 3. Minderheitsschutz . . . . . . . 125

2. Fehlen gesellschaftsvertraglicher Sicherungen . . . . . . . . 54

F. Beherrschungsverträge

3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . 57

I. Überblick . . . . . . . . . . . . 129 II. Begriff, Notwendigkeit . . . . . 134

812

|

Emmerich

Anhang § 13

Konzernrecht

III. Zustandekommen des Vertrages 1. Anwendbarkeit der §§ 53, 54 . 139 2. Zustimmung der Gesellschafter der Obergesellschaft . . . . 148 3. Eintragung ins Handelsregister . . . . . . . . . . . . . 152

VIII. Beendigung des Vertrages . . . 189 1. Kündigung . . . . . . . . . . . 190 2. Vertragsaufhebung . . . . . . . 195 G. Gewinnabführungsvertrag I. Überblick . . . . . . . . . . . 198 II. Abschluss . . . . . . . . . . . 201

4. Ermächtigungsklauseln . . . . 155 5. Abfindung und Ausgleich . . 158

III. Gläubigerschutz . . . . . . . . 203

6. Fehlerhafte Verträge

H. Andere Unternehmensverträge

IV. Weisungsrecht

. . . . . 163

. . . . . . . . 170

I. Überblick . . . . . . . . . . . 207

1. Parteien . . . . . . . . . . . . 171 2. Umfang . . . . . . . . . . . . 174

II. Gewinngemeinschaft . . . . . 210

V. Gläubigerschutz . . . . . . . . 180 VI. Haftung des herrschenden Unternehmens . . . . . . . . 183 VII. Änderung des Vertrages . . . . 185

III. Teilgewinnabführungsvertrag . 213 IV. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . 216 2. Voraussetzungen . . . . . . . 218 3. Umgehungsproblematik

. . . 221

Allgemeines Schrifttum: S. 9. Aufl., S. 1968–1971; weitere Literatur s. vor den einzelnen Abschnitten; Altmeppen, Abschied vom „qualifiziert faktischen Konzern“, 1991; Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998; Assmann, Gläubigerschutz im faktischen GmbH-Konzern durch richterliche Rechtsfortbildung, JZ 1986, 881, 928; Assmann, Der faktische GmbH-Konzern, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 657; Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Bälz, Verbundene Unternehmen, AG 1992, 276 = in: Nörr (Hrsg.), 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland – 40 Jahre Rechtsentwicklung, 1990, S. 177; M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 126 ff.; Beinert, Die Konzernhaftung für die satzungsmäßig abhängig gegründete GmbH, 1995; Beuthien, Konzernbildung und Konzernleitung kraft Satzung, ZIP 1993, 1589; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996; Böcker, Insolvenz im GmbH-Konzern, GmbHR 2004, 1257; Böcker, Insolvenz im GmbH-Konzern, GmbHR 2004, 1257; M. Bouchon, Konzerneingangsschutz im GmbH- und Aktienrecht, 2002; Boujong, Zur Auslegung und Fortbildung des GmbH-Rechts in der neueren Rechtsprechung des BGH, GmbHR 1992, 207; Brezing, Gedanken zur internationalen Konzernumlage, AG 1976, 5; Büscher, Die qualifiziert faktische Konzernierung – eine gelungene Fortbildung des Rechts der GmbH?, 1999; Decher, in: MünchHdb. III, §§ 67–70 (S. 1301–1377); H. Dehmer/St. Hettler, Haftungsfalle GmbH-Konzernhaftung, 1993; B. Deilmann, Die Entstehung des qualifizierten faktischen Konzerns, 1990; K. Denzer, Konzerndimensionale Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführerstellung, 2004, S. 99 ff.; Döser, Der faktische Konzern, AG 2003, 406; Drax, Durchgriffs- und Konzernhaftung der GmbH-Gesellschafter – ein Vergleich, 1992; Drüke, Die Haftung der Mutter- für Schulden der Tochtergesellschaft, 1990; Drygala, Gläubigerschutz bei der typischen Betriebsaufspaltung, 1991; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998; Ehricke, Die Haftung im GmbH-Vertragskonzern nach §§ 302, 303 AktG analog, in: FS Immenga, 204, S. 537; Eickhoff, Die Gesellschafterklage im GmbH-Recht, 1988; Eickhoff, Das GmbH-Konzernrecht, in: Der GmbH-Konzern, 1976, S. 4; Eickhoff, Bestandsschutz im GmbH-Vertragskonzern, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 64; EickEmmerich

|

813

Anhang § 13

Konzernrecht

hoff, Der heutige Stand der Lehre vom GmbH-Konzernrecht, AG 1987, 1; Eickhoff, Nachlese zum Autokran-Urteil des BGH, GmbHR 1987, 213; Eickhoff, Konzernbildungskontrolle, AG 1991, 303; Emmerich, Das GmbH-Konzernrecht, AG 1975, 253, 285; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl. 2005; Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996; T. Fenck, Herkunft und Perspektiven des Eingliederungskonzerns, 2005; Fleck, Die Rechtsprechung des BGH zum Recht der verbundenen Unternehmen, WM 1986, 1205; Fleischer, Konzernvertrauenshaftung, NZG 1999, 685; Flume, Allg. Teil Bd. I/ 2: Juristische Person, 1983, §§ 3 III 3, 4 IV (S. 85, 118 ff.); Gäbelein, Das GmbHKonzernrecht in der Praxis, in: Der GmbH-Konzern, 1976, S. 50; v. Gerkan, Die Gesellschafterklage, ZGR 1988, 441; Goerdeler, Die Rechnungslegung im GmbHKonzern, in: Der GmbH-Konzern, 1976, S. 60; Goette, GmbH, § 9 (S. 327 ff.); Grauer, Konzernbildungskontrolle im GmbH-Recht, 1991; Heinsius, Haftungsfragen im faktischen GmbH-Konzern, AG 1986, 99; Henssler, Minderheitenschutz im faktischen GmbH-Konzern, in: FS Zöllner, 1998, S. 203; Henze, Konzernrecht – höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, 2001; Henze, Treupflichten der Gesellschafter im Kapitalgesellschaftsrecht, ZHR 162 (1998), 186; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986; Holzwarth, Konzernrechtlicher Gläubigerschutz bei der klassischen Betriebsaufspaltung, 1993; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982; Hommelhoff, Eigenkapitalersatz im Konzern und in Beteiligungsverhältnissen, WM 1984, 1105; Hommelhoff, Konzernmodelle und ihre Realisierung im Recht, in: Druey (Hrsg.), Das St. Galler Konzernrechtsgespräch, 1988, S. 107; Hüttche/Halmburger, Konzernrechnungslegung, in: MünchHdb. III, § 71 (S. 1377 ff.); Ihde, Der faktische GmbH-Konzern, 1974; Imhof, Die Verantwortlichkeit der Konzernobergesellschaft als Ausfluss faktischer Organschaft?, 2002; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Chr. Jansen, Konzernbildungskontrolle im faktischen GmbH-Konzern, 1993; Fr. Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH: Die Pflichten des Geschäftsführers, 2000; Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995; Kallmeyer, Der GmbH-Konzern, in: GmbH-Handbuch, Rz. I 852 ff.; J. Keßler (Hrsg.), Handbuch des GmbH-Konzerns, 2004; Kleindiek, Strukturvielfalt im Personengesellschafts-Konzern, 1991; Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986; Kronstein, Die abhängige juristische Person, 1931; Kühn, Die Minderheitsrechte in der GmbH und ihre Reform, 1964; Kropff, Benachteiligungsverbot und Nachteilsausgleich im faktischen Konzern, in: (2.) FS Kastner, 1992, S. 279; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1995; Limmer, Die Haftungsverfassung des faktischen GmbH-Konzerns, 1992; Lutter, Die zivilrechtliche Haftung in der Unternehmensgruppe, ZGR 1982, 244; Lutter, Die Haftung des herrschenden Unternehmens im GmbH-Konzern, ZIP 1985, 1425; Lutter, Das System des deutschen GmbH-Konzernrechts, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 192; Lutter, Stand und Entwicklung des Konzernrechts in Europa, ZGR 1987, 324; Lutter, Haftung aus Konzernvertrauen?, in: Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 1997, S. 229; Lutter, Treupflichten und ihre Anwendungsprobleme, ZHR 162 (1998), 164; Lutter/Timm, Konzernrechtlicher Präventivschutz im GmbH-Recht, NJW 1982, 409; Martens, Mehrheitsund Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970; Martens, Die GmbH und der Minderheitenschutz, GmbHR 1984, 265; Martens, Grundlagen und Entwicklung des Minderheitenschutzes in der GmbH, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 607; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958; Monopolkommission, Die Wettbewerbsordnung erweitern, 7. Hauptgutachten 1986/ 1987, 1988, Rdnr. 858 ff. (S. 304 ff.); J. Mues, Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge mit einer hauptverpflichteten GmbH, RNotZ 2005, 1–35; H.-Fr. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996; Paschke, Die kommunalen Unternehmen im Lichte des GmbH-Konzernrechts, ZHR 152 (1988), 263; Paschke, Rechtsfragen der Durchgriffsproblematik im mehrstufigen Unternehmensverbund, AG 1988, 196; Pentz, Stufenübergreifende Unternehmensverträge, DB 2004, 1543; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §§ 50–57 (S. 713 ff.); Rehbinder, Die GmbH als

814

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Konzernunternehmen, in: GmbH-Reform, 1970, S. 127; Rehbinder, Treuepflichten im GmbH-Konzern, ZGR 1976, 386; Rehbinder, Gesellschaftsrechtliche Probleme mehrstufiger Unternehmensverbindungen, ZGR 1977, 581; Rehbinder, Minderheiten- und Gläubigerschutz im faktischen GmbH-Konzern, AG 1986, 85; Röhricht, Die GmbH im Spannungsfeld mitgliedschaftlicher Dispositionsfreiheit ihrer Gesellschafter und Gläubigerschutz, in: FS BGH, 2000, S. 83; I. Saenger, Minderheitenschutz und innergesellschaftliche Klagen bei der GmbH, GmbHR 1997, 192; Schanze, Konzernspezifischer Gläubigerschutz, in: Mestmäcker/Behrens, Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 473; Schanze/Kern, Sanierungsversuch und Konzernhaftung, AG 1991, 429; Scheel, Konzerninsolvenzrecht, 1995; Schilling, Grundlagen eines GmbH-Konzernrechts, in: FS Hefermehl, 1976, S. 383; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 (S. 1210 ff.); K. Schmidt, Konzernrecht, Minderheitenschutz und GmbH-Innenrecht, GmbHR 1979, 121; K. Schmidt, Zum Haftungsdurchgriff wegen Sphärenvermischung und zur Haftungsverfassung im GmbH-Konzern, BB 1985, 2074; K. Schmidt, Konzernhaftung oder mitgliedschaftliche Haftung des privaten GmbH-Gesellschafters?, ZIP 1986, 146; K. Schmidt, Verlustausgleichspflicht und Konzernleitungshaftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZIP 1989, 545; K. Schmidt, Zum Stand des Konzernhaftungsrechts bei der GmbH, ZIP 1991, 1325; K. Schmidt, Abhängigkeit und faktischer Konzern als Aufgaben der Rechtspolitik, JZ 1992, 856; U. H. Schneider, Das Recht der Konzernfinanzierung, ZGR 1984, 493; U. H. Schneider, Mittelbare verdeckte Gewinnausschüttungen im GmbH-Konzern, ZGR 1985, 279; U. H. Schneider, Die Gründung von faktischen GmbH-Konzernen, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 121; U. H. Schneider, Die vertragliche Ausgestaltung der Konzernverfassung, BB 1986, 1993; U. H. Schneider (Hrsg.), Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989; U. H. Schneider, Der Konzern als Rechtsform für Unternehmen, in: Mestmäcker/Behrens, Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergrleich, 1991, S. 563; Semler, Fehlerhafte Geschäftsführung in der Einmann-GmbH, in: FS Goerdeler, 1987, S. 551; Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976; Sonnenschein, Der Schutz von Minderheitsgesellschaftern und Gläubigern der abhängigen Gesellschaft, in: Mestmäcker/Behrens, Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 49; U. Stein, Das faktische Organ, 1984; Stimpel, Die Rechtsprechung des BGH zur Innenhaftung des herrschenden Unternehmens im GmbH-Konzern, AG 1986, 117; Stimpel, Bestandsschutz im faktischen GmbH-Konzern, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 39; Stimpel, Durchgriffshaftung bei der GmbH, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601; A. Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstands-Doppelmandaten, 1992; Timm, Neuere Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, GmbHR 1992, 213; Timm, Das Recht der faktischen Unternehmensverbindungen im Umbruch, NJW 1992, 2185; Ulmer, Der Gläubigerschutz im faktischen GmbH-Konzern beim Fehlen von Minderheitsgesellschaftern, ZHR 148 (1984), 391; Ulmer, Verlustübernahmepflicht des herrschenden Unternehmens als konzernspezifischer Kapitalerhaltungsschutz, AG 1986, 123; Ulmer, Der Gläubigerschutz im GmbH-Konzern, WPg. 1986, 685; Ulmer, Schutz der GmbH gegen Schädigungen zu Gunsten ihrer Gesellschafter, in: FS Pfeiffer, 1988, S. 853; Unternehmensrechtskommission, Bericht, 1980, Rdnr. 1652 ff. (S. 832 ff.); Verhoeven, GmbH-Konzern-Innenrecht, 1978; Versteegen, Konzernverantwortlichkeit und Haftungsprivileg, 1993; U. Wehlmann, Kompetenzen von Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen bei der Bildung faktischer GmbH-Konzerne, 1996; J. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981; S. Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 148, 295 ff.; Chr. Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 1989; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; Kl. Ziegler, Kapitalersetzende Gebrauchsüberlassungsverhältnisse und Konzernhaftung bei der GmbH, 1989; Kl. Ziegler, Verlustausgleich und Haftungsdurchgriff beim qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, WM 1989, 1041, 1077; Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahmen auf die Emmerich

|

815

Anhang § 13

Konzernrecht

Geschäftsführung der GmbH, 1996; Zöllner, Die sog. Gesellschafterklage im Kapitalgesellschaftsrecht, ZGR 1988, 392; Zöllner, Inhalt und Wirkungen von Beherrschungsverträgen bei der GmbH, ZGR 1992, 173. Kommentierungen zum GmbH-Konzernrecht: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Anh.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Kommentar, 4. Aufl. 2005; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 52 Anh.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 13 Anh.; Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl., § 53 Rdnr. 137–160 und § 77 Anh.; Zeidler, in: Michalski, System. Darstellung 4: Konzernrecht; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, SchlussanhKonzernR; alle genannten Kommentierungen werden im Folgenden nur mit dem Namen des Verfassers zitiert, soweit nicht im Einzelfall, um Missverständnisse zu vermeiden, weitere bibliographische Angaben erforderlich erscheinen.

A. Einleitung I. Verbreitung 1

1. An Unternehmensverbindungen können Unternehmen jeder Rechtsform beteiligt sein. Die GmbH macht insoweit keine Ausnahme. Wegen der weit gehenden Dispositivität des GmbH-Recht (§ 45), der Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführer (§§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 6) sowie des nur verhältnismäßig schwach ausgeprägten Gläubigerschutzes eignet sich die GmbH sogar in besonderem Maße zur Beteiligung an Unternehmensverbindungen, und zwar gleichermaßen in der Rolle des herrschenden wie des abhängigen Unternehmens. In beiden Rollen ist GmbH daher eine vertraute Erscheinung der Praxis der Unternehmensverbindungen – woraus sich zugleich die Notwendigkeit spezieller Regelungen für die GmbH als verbundenes Unternehmen ergibt. Die Gesamtheit dieser Regelungen nennt man – pars pro toto – „GmbH-Konzernrecht“. Seine Hauptaufgabe ist es, den spezifischen Gefahren zu begegnen, die mit Unternehmensverbindungen typischerweise für die Gesellschaft, ihre Gesellschafter und ihre Gläubiger verbunden sind, nicht anders als etwa in dem gesetzlich geregelten Aktienkonzernrecht, das schon deshalb mit Notwendigkeit durchweg als Referenzmodell für die vielen gesetzlich nicht geregelten Fragen des GmbHKonzernrechts dient.

2

Nur eine besondere Erscheinungsform von Unternehmensverbindungen (unter anderen) bilden Konzerne (§ 18 AktG). Gleichwohl haben sie seit jeher im Mittelpunkt des Interesses gestanden und der ganzen Materie daher auch nicht zufällig ihren Namen gegeben. Die GmbH kann an Konzernen sowohl in der Rolle der herrschenden wie der abhängigen Gesellschaft beteiligt sein. Vornehmlich mit Bezug auf den zweiten Fall spricht man auch von „GmbH-Konzernen“. Über die Verbreitung und die Struktur derartiger Konzerne ist bisher nur wenig an die Öffentlichkeit gedrungen1. Jedoch geht man vermutlich nicht fehl in der Annahme, dass bei Großunternehmen in der Rechtsform einer GmbH die Struktur der Konzerne keine wesentlichen Unterschiede zu Aktien1 S. zum Folgenden Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 29 (S. 413 ff.); Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 1 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 1 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1 f.

816

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

konzernen aufweisen wird, so dass man auch hier ebenso wie im Aktienkonzernrecht Vertragskonzerne und faktische Konzerne zu unterscheiden hat. In Vertragskonzernen herrschen offenbar bisher aus steuerlichen Gründen Gewinnabführungs- und Organschaftsverträge vor (s. §§ 14, 17 KStG)1, während reine Beherrschungsverträge selten zu sein scheinen. Außerdem sind Betriebspacht-, Betriebsführungs- und Betriebsüberlassungsverträge sowie Gewinngemeinschaften und andere Formen von Gleichordnungskonzernen unter Beteiligung von Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH bekannt geworden. Bedeutung hat die GmbH ferner als Gemeinschaftsunternehmen, als Betriebsführungsgesellschaft sowie als Holding und als Leitungsorgan in Gleichordnungskonzernen erlangt. Vor allem aber sind Gesellschaften mbH in großer Zahl als nachträglich ausgegründete Tochtergesellschaften zur Erledigung spezieller Aufgaben und zur Haftungsegmentierung in Konzernen anzutreffen, beides Aufgaben, für die sich die GmbH als besonders geeignet erwiesen hat2. 2. Exakte Zahlen über die Verbreitung von GmbH-Konzernen liegen ebenso wenig wie bei Aktienkonzernen vor. Es gibt lediglich vage Schätzungen, nach denen heute rund 30 bis 40% oder (nach Abzug der Komplementärgesellschaften in GmbH & Co. KG) über 50% der Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH in irgendeiner Weise mit anderen Unternehmen konzernverbunden sind3.

3

3. Unternehmensverbindungen unter Beteiligung einer GmbH werfen ebenso wie sonstige Unternehmensverbindungen in erster Linie Fragen des Gläubigerund des Minderheitenschutzes auf. Der Minderheitenschutz ist hier sogar besonders dringlich, weil die Minderheit in GmbH-Konzernen von Vorgängen in ihrer Gesellschaft gewöhnlich stärker als ein ohnehin einflussloser Kleinaktionär in einer AG betroffen wird. Ihre Situation wird vor allem durch die mangelnde Fungibilität der GmbH-Anteile noch weiter verschärft, da Minderheitsgesellschaftern bei der GmbH anders als bei AG infolgedessen in Konzernen noch nicht einmal ein Austritt über die Börse möglich ist4. Aber auch der Gläubigerschutz bedarf hier angesichts der bekannten Insolvenzanfälligkeit der GmbH besonderer Beachtung, zumal bei den zahlreichen Einpersonen-Gesellschaften.

4

1 § 14 KStG in der Fassung des Steuervergünstigungsabbaugesetzes v. 16. 5. 2003 (BGBl. I, 660) verlangt heute jedoch nur noch die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger in Verbindung mit dem Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages, so dass jetzt ein Organschaftsverhältnis ohne weiteres auch ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrages begründet werden kann; dies kann auf die Dauer zu einem merklichen Rückgang der Bedeutung der Vertragskonzerne führen. 2 S. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2. 3 S. MK, 7. Hauptgutachten 1986/87, Rdnr. 858; Hansen, GmbHR 1980, 99; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Decher, in: MünchHdb. III, § 61 Rdnr. 1 (S. 1302: eher noch höher); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 1; Gösling, AG 1993, 538 (546 f.: knapp 50% konzernverbunden). 4 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 29 II (S. 414); Geitzhaus, GmbHR 1989, 397; Goette, GmbH, § 9 Rdnr. 2 ff. (S. 328 f.); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 1 f.; H.-Fr. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, S. 56 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 I 1a (S. 1210 f.).

Emmerich

|

817

Anhang § 13

Konzernrecht

II. Geschichte 5

Das GmbH-Konzernrecht ist keine „Entdeckung“ erst der letzten Jahre1; vielmehr sind (natürlich) GmbH-konzernrechtliche Fragen auch schon früher diskutiert und z.T. sogar, freilich in erster Linie unter steuer- und mitbestimmungsrechtlichen Aspekten, gesetzlich geregelt worden. Seit der Kodifizierung des Aktienkonzernrechts im Jahre 1965 wandte sich indessen das wissenschaftliche Interesse nahezu ausschließlich den Aktienkonzernen zu, so dass darüber die besonderen Probleme von GmbH-Konzernen eine Zeitlang aus dem Blickfeld gerieten.

6

Zu dieser Entwicklung hatte auch der Umstand beigetragen, dass die Bundesregierung nach Abschluss der Aktienrechtsreform im Jahre 1965 zunächst eine Regelung des GmbH-Konzernrechts in enger Anlehnung an das Konzernrecht des AktG von 1965 angestrebt hatte2. Dieser Plan erwies sich jedoch als undurchführbar, weshalb sich die kleine GmbH-Novelle von 1980 schließlich auf wenige Einzelregelungen beschränkte, das Konzernrecht im Übrigen aber aussparte (s. unten Rdnr. 8). Weiter gehende Gesetzgebungspläne bestehen nicht mehr3, zumal auch die Pläne zur Vereinheitlichung des Konzernrechts in Europa (zunächst) gescheitert sind.

7

Diese Abstinenz des deutschen Gesetzgebers hatte zur Folge, dass die Aufgabe, ein GmbH-Konzernrecht zu entwickeln, Rechtsprechung und Wissenschaft zufiel4. Die Führung übernahm alsbald der BGH, der seit Mitte der siebziger Jahre in einer Reihe viel diskutierter Urteile Schritt für Schritt die Grundzüge eines neuen GmbH-Konzernrechts herausarbeitete, wobei er sich im Recht der Vertragskonzerne aus nahe liegenden Gründen weitgehend an dem aktienrechtlichen Vorbild (§§ 291–303 AktG) orientierte, während er im Recht der faktischen Konzerne nach einer eigenständigen Lösung suchte, die in erster Linie an die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander und gegenüber der Gesellschaft anknüpft. Die Entwicklung verlief nicht gradlinig, wie insbesondere die abrupte Aufgabe der Figur des qualifizierten faktischen Konzerns im Jahre 2001 zu Gunsten der neuen Haftung für existenzvernichtende Eingriffe zeigt (s. oben § 13 Rdnr. 98 ff., unten Rdnr. 91 ff.).

7a

Die Besonderheit der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe besteht darin, dass sie nicht konzernspezifisch konzipiert ist, so dass sie gleichermaßen Unternehmens- wie Privatgesellschafter treffen kann. Die umstrittene Grenzziehung zwischen Unternehmens- und Privatgesellschaftern (s. unten Rdnr. 14 f.) hat dadurch jedenfalls im GmbH-Konzernrecht viel von ihrer bisherigen Bri1 Vgl. die grundsätzlichen Überlegungen bei Ballerstedt, Kapital, 1949; Mestmäcker, Verwaltung, 1958; s. zum folgenden ausführlich auch Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 657 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 3 f. 2 Vgl. den RegE eines neuen GmbHG von 1973, BT-Drucks. VI/3088, neu eingebracht 1974 als BT-Drucks. 7/253. 3 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 1. 4 Zur Berechtigung der Gerichte zur Rechtsfortbildung im GmbH-Konzernrecht s. die Kontroverse zwischen Boujong (in: FS Brandner, 1996, S. 23) und Kleinert (in: FS Helmrich, 1994, S. 667).

818

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

sanz verloren. Nicht zu Unrecht wird deshalb im Schrifttum bereits die Frage diskutiert, ob es mit Rücksicht auf diese Entwicklung – jenseits des Rechts der Vertragskonzerne – noch eines besonderen GmbH-Konzernrechts bedarf oder ob nicht die allgemeinen Rechtsinstitute, allen voran Treuepflicht und Gleichbehandlungsgrundsatz, zum Schutze der Minderheit, der abhängigen Gesellschaft und damit mittelbar auch der Gesellschaftsgläubiger ausreichen1. Diese Frage kann nur im Zusammenhang mit der Frage erörtert werden, ob für die Rechtsfigur des qualifizierten faktischen Konzerns heute überhaupt noch Raum ist (dazu unten Rdnr. 91 ff.).

III. Rechtsquellen 1. Gesetzliche Regelungen einzelner Aspekte des GmbH-Konzernrechts finden sich bislang in erster Linie in den allgemeinen Vorschriften des AktG über verbundene Unternehmen (§§ 15 bis 21 AktG) sowie in den §§ 290 ff. HGB über die Konzernrechnungslegung. Weitere Einzelfragen sind an verstreuten Stellen innerhalb und außerhalb des GmbHG geregelt. Zu nennen sind hier aus dem GmbHG vor allem die Vorschriften der §§ 32a und 32b über Gesellschafterdarlehen (s. unten §§ 32a/32b Rdnr. 147 ff.), des § 43a über Organkredite (s. unten § 43a Rdnr. 58 ff.), des § 47 Abs. 4 über Stimmverbote (s. unten § 47 Rdnr. 165 ff.) sowie der §§ 51a und 51b über das Auskunfts- und Einsichtsrecht der Gesellschafter (s. unten § 51a Rdnr. 20).

8

Außerhalb des GmbHG ist vor allem auf § 17 KStG hinzuweisen, nach dem eine GmbH mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland ebenso wie eine AG Organgesellschaft eines anderen Unternehmens sein kann. Der Geltungsbereich des § 17 KStG beschränkt sich freilich auf das Steuerrecht, so dass ihm – trotz des auf den ersten Blick abweichenden Wortlauts – keine gesellschaftsrechtliche Bedeutung zukommt2. Konzernrechtliche Regelungen finden sich schließlich noch in § 1 Abs. 2 des MitbestErgänzungsG von 19563 sowie in § 5 MitbestG von 19764.

9

2. Die Mehrzahl der konzernrechtlichen Vorschriften des AktG ist bereits anwendbar, wenn an der Unternehmensverbindung wenigstens eine AG (oder KGaA) neben anderen Unternehmen beliebiger Rechtsform beteiligt ist, so dass sie durchaus auch auf Unternehmensverbindungen zwischen einer AG und einer GmbH angewandt werden können. In einer Reihe von Fällen wird dabei ferner nicht danach unterschieden, in welcher Rolle die GmbH an der Unternehmensverbindung beteiligt ist. In erster Linie gehören hierher die §§ 19 und 328 AktG über wechselseitige Beteiligungen sowie die §§ 20 und 21 AktG über Mitteilungspflichten. § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG über die Gewinngemeinschaft kann gleichfalls hierher gezählt werden.

10

1 S. Decher, in: MünchHdb. III, § 67 Rdnr. 21, 25 f. (S. 1309 ff.); J. Hoffmann, NZG 2002, 68; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 I 2a (S. 1212 ff.). 2 BGHZ 105, 324, 339 f. = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 = AG 1989, 295 „Supermarkt“; BayObLGZ 1988, 201 = AG 1988, 379 = GmbHR 1988, 389. 3 BGBl. I, 1153. 4 BGBl. I, 1153.

Emmerich

|

819

Anhang § 13

Konzernrecht

11

Die Mehrzahl der einschlägigen Vorschriften des AktG setzt dagegen voraus, dass es im Falle der Beteiligung einer GmbH an einer Unternehmensverbindung neben einer AG gerade die AG ist, die die Rolle der abhängigen oder die vertragstypischen Leistungen erbringenden Gesellschaft einnimmt, während die Rechtsform des anderen Vertragsteils gleich bleibt, so dass es sich dabei auch um eine GmbH handeln kann. So verhält es sich gleichermaßen mit den §§ 291–310 AktG wie mit den §§ 311–318 AktG. Auch § 292 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AktG ist hierher zu rechnen. Er findet daher auf einen Teilgewinnabführungsvertrag oder einen Betriebspachtvertrag zwischen einer AG und einer GmbH unmittelbar nur Anwendung, wenn an der Unternehmensverbindung die AG als gewinnabführende oder ihr Unternehmen verpachtende Gesellschaft beteiligt ist. Wieder anders ist die Situation schließlich bei den §§ 56 Abs. 2, 71d Satz 2 und 136 Abs. 2 Satz 1 AktG, deren Anwendbarkeit jeweils voraussetzt, dass gerade die GmbH in der Unternehmensverbindung die Rolle des verbundenen oder abhängigen Unternehmens einnimmt (s. unten Rdnr. 20 f.).

12

3. Noch der Aktiengesetzgeber von 1965 hatte das Konzernrecht des AktG als Kern eines allgemeinen Unternehmenskonzernrechts verstanden1. Deshalb lag es nach 1965 zunächst nahe, in den vielen nicht geregelten Fragen des GmbHKonzernrechts in erster Linie eine Analogie zum AktG von 1965 ins Auge zu fassen. Wegen der bekannten Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH ist man indessen hiervon später wieder abgekommen2. Nicht analogiefähig sind namentlich die Vorschriften der §§ 311 bis 318 AktG über faktische Konzerne3, die §§ 319 bis 327 AktG über die Eingliederung4 sowie die neuen §§ 327a bis 327f AktG über den Ausschluss von Minderheitsaktionären, deren Anwendungsbereich sich durchweg streng auf Aktiengesellschaften beschränkt. Anders verhält es sich dagegen mit den §§ 15 bis 19 AktG (unten Rdnr. 13 ff.) sowie mit den Vorschriften über Unternehmensverträge. Die §§ 291 ff. AktG sind zwar nicht in jeder Hinsicht, aber doch in wichtigen Punkten auf Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH übertragbar5.

12a

4. Auch wenn man bereit ist, in großem Umfang die §§ 291 ff. AktG auf Vertragskonzerne unter Beteiligung einer GmbH in der Rolle der abhängigen Gesellschaft anzuwenden (oben Rdnr. 12), bleibt doch eine Reihe von Fragen, für die das gesetzte Recht keine Regelung bereithält6. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um zwei große Fragenkreise, einmal um die Fragen, die mit den Stichworten Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle umschrieben zu werden pflegen, zum anderen um den weiten Bereich des Schutzes der abhängi-

1 Begr. RegE, Vorbem. zu § 291, bei Kropff, AktG, S. 374. 2 S. statt aller Decher, in: MünchHdb. III, § 67 Rdnr. 6 (S. 1304); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 6 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 I 2b (S. 1214). 3 Anders Kropff, in: FS Kastner, S. 279, 296 ff.; Rowedder, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 20. 4 Anders zuletzt T. Fenck, Herkunft und Perspektiven des Eingliederungskonzerns, 2005, S. 157 ff. 5 S. unten Rdnr. 125 ff. sowie unten § 53 Rdnr. 164–175; OLG Jena, AG 2005, 405. 6 Übersicht bei Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 29 III 2 (S. 415 ff.).

820

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

gen Gesellschaft, ihrer Gesellschafter und ihrer Gläubiger in faktischen Unternehmensverbindungen, insbesondere also in faktischen Konzernen. Zur Lösung der hier auftauchenden Fragen ist in erster Linie an allgemeine gesellschaftsrechtliche Schutzinstrumente anzuknüpfen, allen voran die Treuepflicht herrschender Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft und ihren Mitgesellschaftern, der Gleichbehandlungsgrundsatz und die actio pro socio. Daneben tritt heute die besondere Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe, die freilich keine konzernspezifischen Besonderheiten mehr aufweist (oben Rdnr. 8 f.), so dass sich insgesamt das GmbH-Konzernrecht – jenseits des Rechts der Vertragskonzerne – deutlich in Richtung auf seine (Wieder-)Eingliederung in allgemeine gesellschaftsrechtliche Institute bewegt. Wieweit diese Entwicklung freilich tatsächlich schon fortgeschritten ist, lässt sich erst nach Betrachtung der besonderen Problematik qualifizierter Unternehmensverbindungen beurteilen (s. im Einzelnen unten Rdnr. 91 ff.).

B. Verbundene Unternehmen Das AktG enthält in den §§ 15 bis 19 verschiedene Definitionen konzernrechtlicher Grundbegriffe, die allgemein auch im GmbH-Konzernrecht zugrundegelegt werden (s. oben Rdnr. 8, 12). Deshalb ist im Folgenden zunächst auf diese Begriffsbestimmungen unter Betonung der GmbH-rechtlichen Besonderheiten einzugehen. Wegen der Einzelheiten ist im Übrigen auf die Kommentierungen der §§ 15 bis 19 AktG zu verweisen1.

13

I. Unternehmen 1. Nach § 15 AktG können an Unternehmensverbindungen im Sinne der konzernrechtlichen Vorschriften des AktG allein rechtlich selbständige „Unternehmen“ im Gegensatz zu Privatgesellschaftern teilnehmen. Hinter dieser Entscheidung des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich jedenfalls des Aktienkonzernrechts auf „Unternehmen“ zu beschränken, steht die Vorstellung der Gesetzesverfasser, dass die typischen konzernrechtlichen Konflikte, deren Regelung die Aufgabe des Konzernrechts ist, allein bei einer Beteiligung von Unternehmensgesellschaftern im Gegensatz zu einer solchen von Privatgesellschaftern auftauchen können2. Diese Wertung des Gesetzgebers, wiewohl immer wieder kritisiert, ist jedenfalls für das Aktienkonzernrecht zu respektieren, woraus sich die Notwendigkeit ergeben hat, operationale Kriterien zur Unterscheidung von Unternehmens- und Privatgesellschaftern zu entwickeln3. Die 1 S. insbesondere Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3–16; Decher, in: MünchHdb. III, § 67 Rdnr. 22 ff. (S. 1310 ff.); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 2–5 (S. 21 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, §§ 15 ff. AktG; Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 5 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 20 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 6 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 17 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 51 (S. 719 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 I 2 (S. 1210 ff.). 2 S. im Einzelnen m.N. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 6 f. 3 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 67 Rdnr. 23 ff. (S. 310 ff.); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 2 II 1 (S. 23 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 8 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Zeid-

Emmerich

|

821

14

Anhang § 13

Konzernrecht

weitere Folge ist, dass sich die Diskussion über den Unternehmensbegriff im Wesentlichen auf herrschende Unternehmen beschränkt, da die Unternehmensqualität abhängiger Gesellschaften eigentlich nie zweifelhaft ist, so dass sich dazu im vorliegenden Zusammenhang weitere Ausführungen erübrigen1. 14a

Das Gewicht der Diskussion um den Unternehmensbegriff darf man für das GmbH-Konzernrecht nicht überschätzen. Denn die Bedeutung des Unternehmensbegriffs, verstanden als Abgrenzungskriterium zwischen dem speziellen Konzernrecht und dem allgemeinen Gesellschaftsrecht, ist im GmbH-Konzernrecht unbestreitbar geringer als im Aktienkonzernrecht, in erster Linie wegen der Ausdehnung der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe auf alle Gesellschafter ohne Unterschied, ob es sich bei ihnen um Unternehmens- oder Privatgesellschafter handelt (oben Rdnr. 7a), zum anderen wegen der betonten Anknüpfung der Schutzinstrumente in faktischen Unternehmensverbindungen an allgemeine gesellschaftsrechtliche Rechtsinstitute, die ihrerseits wiederum gleichermaßen für Unternehmens- wie für Privatgesellschafter gelten. Besonders deutlich ist das bei der Treuepflicht, dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der actio pro socio. Hinzuzufügen ist noch, dass sich auch im Recht der Vertragskonzerne eine vergleichbare Entwicklung abzuzeichnen beginnt2. Diese fortschreitende Relativierung der Bedeutung des Unternehmensbegriffs im GmbH-Konzernrecht darf man bei den folgenden Ausführungen nicht aus den Augen verlieren.

15

2. Unternehmensqualität i.S. des Konzernrechts verleihen nur gesellschaftsrechtlich vermittelte Beziehungen zwischen Unternehmen im Gegensatz zu bloßen tatsächlichen Beziehungen, weil es sich bei dem Konzernrecht – anders als etwa bei dem Kartellrecht – um ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Schutzsystem hat, das folgerichtig auch nur auf gesellschaftsrechtlich vermittelte Unternehmensbeziehungen angewandt werden kann3. Hinzu kommen muss noch, dass der fragliche Gesellschafter auch außerhalb der Gesellschaft unternehmerische Interessen verfolgt, die stark genug sind, um die ernste Besorgnis zu begründen, er könne um ihretwillen seinen Einfluss zum Nachteil der Gesellschaft und dementsprechend zum Vorteil seiner sonstigen unternehmerischen Aktivitäten geltend machen4. Die Rechtsform des Gesellschafters

1 2 3

4

ler, in: Michalski, Rdnr. 17–37; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 7 f.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 20 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11–12. S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 24 f. Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 8–10 m.N. Grdlg. BGHZ 148, 123, 125 ff. = NJW 2001, 2973 = AG 2001, 588 „MLP“; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 13; s. auch unten Rdnr. 26a. Grdlg. BGHZ 69, 334, 337 f. = NJW 1978, 104 „VEBA/Gelsenberg“; zuletzt BGHZ 115, 187, 189 ff. = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 „Video“; BGHZ 117, 8, 18 = NJW 1992, 1702; BGHZ 135, 107, 113 = NJW 1997, 1855 = ZIP 1997, 967 = AG 1997, 374 „VW“; BGHZ 148, 123, 125 ff. = NJW 2001, 2973 = AG 2001, 588 „MLP“; BGH, LM Nr. 13 zu § 302 AktG = NJW 2001, 370 = AG 2001, 133; BayObLGZ 2002, 46, 54 f. = NJW-RR 2002, 974 = AG 2002, 511, 512 f.; KG, AG 2001, 529, 530 = NZG 2001, 80;

822

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

spielt keine Rolle, so dass Unternehmen im Sinne des Konzernrechts insbesondere auch Einzelpersonen sein können, immer vorausgesetzt, dass sie sich zugleich außerhalb der Gesellschaft unternehmerisch betätigen, wofür jede beliebige selbständige wirtschaftliche Tätigkeit einschließlich einer freiberuflichen Betätigung genügt1. Ausreichend ist ferner nach überwiegender Meinung eine maßgebliche Beteiligung an einer anderen Gesellschaft, weil und sofern mit ihr der konzerntypische Interessenkonflikt verbunden sein kann. Dies wird nicht erst angenommen wenn der betreffende Gesellschafter tatsächlich leitend, etwa i.S. des § 18 Abs. 1 AktG, auf das andere Unternehmen einwirkt2; vielmehr reicht bereits eine bloße Beteiligung des Gesellschafters an einer anderen Gesellschaft aus, die so stark ist, dass sie die Möglichkeit solcher Einflussnahme eröffnet3.

16

3. Eine Fülle weiterer Fragen, die die Grenzziehung zwischen Unternehmensund Privatgesellschaftern aufwirft, ist nach wie vor umstritten. Stichworte sind die Behandlung von Holdinggesellschaften, Vereinen, Stiftungen, Stimmrechtskonsortien, Familiengesellschaften und Formkaufleuten. Keine dieser Fragen weist jedoch GmbH-konzernspezifischen Besonderheiten auf, so dass wegen der Einzelheiten auf das aktienkonzernrechtliche Schrifttum verwiesen werden kann, in dem diese Fragen heute ganz im Vordergrund des Interesses stehen, während ihre Bedeutung im GmbH-Konzernrecht aus den bereits mehrfach angesprochenen Gründen kontinuierlich zurückgeht4. Im vorliegenden Zusammenhang genügt deshalb der Hinweis, dass auch die öffentliche Hand im Falle ihrer Beteiligung an einer GmbH Unternehmensqualität besitzt, d.h. den besonderen Schutzmechanismen des Konzernrechts unterworfen wird, wobei es zum Schutze der privaten Minderheit gegen politisch motivierte Einflussnahmen der öffentlichen Hand sogar bereits ausreicht, wenn diese lediglich ein in privater Rechtsform betriebenes Unternehmen beherrscht; anders als bei Einzelpersonen muss hier also nicht noch eine weitere maßgebliche Beteiligung an einer anderen Gesellschaft hinzukommen, um die Anwendbarkeit des Konzernrechts auszulösen5.

16a

1

2 3 4 5

OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 123, 125; OLG Hamburg, AG 2003, 698; weitere Nachw. bei Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 9 ff. BGH, LM Nr. 8 zu § 302 AktG = NJW 1994, 3288 = AG 1995, 35, 36; BGH, LM Nr. 141 zu § 276 (Fa) BGB = NJW 1995, 1544 = AG 1995, 326; LG Münster, WM 1997, 672, 673 = AG 1997, 474. So insbes. Mülbert, ZHR 163 (1999), 1, 33 f. So jetzt grdlg. BGHZ 148, 123, 125 ff. = NJW 2001, 2973 = AG 2001, 588 „MLP“; s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 13 f. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 15–23. Grdlg. BGHZ 135, 107, 113 f. = AG 1997, 374 = NJW 1997, 1855, 1856 „VW“; OLG Celle, GmbHR 2001, 342 = AG 2001, 474, 467; OGH, WuW/E KRInt. 8; Berl.VerfGH, DVBl. 2000, 51; wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 2 III (S. 28 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 26–32.

Emmerich

|

823

Anhang § 13

Konzernrecht

II. Mehrheitsbeteiligung 1. Begriff 17

Die Definition der Mehrheitsbeteiligung richtet sich auch bei der GmbH noch § 16 Abs. 1 AktG. Eine Mehrheitsbeteiligung ist folglich anzunehmen, wenn die Mehrheit der Anteile der Gesellschaft einem anderen Unternehmen gehört oder wenn dem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte bei der Gesellschaft zusteht. Einzelheiten der Berechnung finden sich in den Abs. 2 und 3 der Vorschrift. Umgehungen werden durch die Zurechnungsvorschrift des § 16 Abs. 4 AktG verhindert.

18

Aufgrund der weit gehenden Satzungsautonomie der Gesellschafter einer GmbH (§ 45 Abs. 1) finden sich bei dieser häufiger als bei der AG Abweichungen zwischen der Kapital- und der Stimmbeteiligung; außerdem kommen Differenzierungen von Stimmrechten je nach Beschlussgegenstand vor. In solchen Fällen kann eine „Mehrheitsbeteiligung“ des privilegierten Gesellschafters i.S. des Konzernrechts nur angenommen werden, wenn sich die Stimmrechtsmehrheit gerade auf solche Fragen bezieht, die für das selbständige Auftreten der Gesellschaft am Markt relevant sind, insbesondere also auf die Bestellung der Geschäftsführer, auf die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer in Fragen der Geschäftspolitik oder auf die Ergebnisverwendung. Denn hinter den Vorschriften über die Mehrheitsbeteiligung steht letztlich der Gedanke, dass es vor allem eine derartige Beteiligung ist, die den Einfluss verleiht, dessen Gefahren das Gesetz gerade zu begegnen versucht1. Dies zeigt vor allem die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG (unten Rdnr. 19).

2. Rechtsfolgen 19

a) Die wichtigste Rechtsfolge der Mehrheitsbeteiligung ist die an sie geknüpfte Vermutung der Abhängigkeit (§ 17 Abs. 2 AktG). Diese Vermutung ist zwar außer bei wechselseitigen Beteiligungen (§ 19 Abs. 2 AktG) an sich widerleglich. Indessen ist insoweit bei der GmbH wegen des hier besonders ausgeprägten Primats der Gesellschafterversammlung Zurückhaltung geboten, da für die Bejahung der Abhängigkeit bereits die bloße Möglichkeit eines beherrschenden Einflusses genügt (§ 17 Abs. 1 AktG)2. Eine Widerlegung der Abhängigkeitsvermutung kommt daher bei der GmbH im Falle einer Mehrheitsbeteiligung nur in Betracht, wenn die letztere ausnahmsweise nicht die Möglichkeit verleiht, auf die Bestellung der Geschäftsführer oder sonst auf die Geschäftspolitik Einfluss zu nehmen, insbesondere, weil Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer durch den Gesellschaftsvertrag (§ 45) auf andere Organe verlagert oder zum Sonderrecht eines (anderen) Gesellschafters gemacht sind und der Mehrheitsgesellschafter auf die fraglichen anderen Organe oder auf den begünstigten Gesellschafter keinen Einfluss besitzt3. 1 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 I 1 (S. 32); Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 25. 2 S. B. Richter, AG 1982, 261 mit Beispielen. 3 S. unten Rdnr. 26, 29a; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 35 ff.

824

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

b) Nach § 56 Abs. 2 AktG darf eine im Mehrheitsbesitz einer AG stehende GmbH keine Aktien der AG als Gründer oder Zeichner oder in Ausübung eines bei einer bedingten Kapitalerhöhung eingeräumten Umtausch- oder Bezugsrechts übernehmen (s. unten § 33 Rdnr. 13). Außerdem darf eine solche GmbH Aktien der AG nur erwerben oder als Pfand nehmen, soweit dies der AG selbst nach § 71 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, 7 und 8 und Abs. 2 gestattet wäre (§ 71d Satz 2 AktG)1.

20

Ähnliche Regelungen hatten noch die Entwürfe von 1973 und 1974 für den Fall vorgesehen, dass sich ein anderes Unternehmen im Mehrheitsbesitz einer GmbH befindet (§§ 40 Abs. 2 und 57 Abs. 3 RegE). Obwohl diese Vorschriften nicht Gesetz geworden sind, ist doch davon auszugehen, dass es auch de lege lata einem im Mehrheitsbesitz einer GmbH befindlichen Unternehmen verwehrt ist, bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlage einen neuen Geschäftsanteil der GmbH zu übernehmen, da solche Kapitalerhöhung auf eine mittelbare Einlagenrückgewähr hinausliefe2. Außerdem ist anzunehmen, dass ein im Mehrheitsbesitz einer GmbH stehendes Unternehmen Anteile der GmbH nur erwerben darf, wenn dies der GmbH selbst nach den §§ 30 Abs. 1 und 33 gestattet wäre , also nur, wenn die Stammeinlage auf die Anteile schon vollständig eingezahlt ist und dem Unternehmen, sofern es eine GmbH ist, der Erwerb aus freien Rücklagen möglich ist3.

21

III. Abhängigkeit Schrifttum: P. Bauer, NZG 2001, 742; Bayer, ZGR 2002, 933; Fr. Bayreuther, Wirtschaftlich-existentiell abhängige Unternehmen im Konzern-, Kartell- und Arbeitsrecht, 2001; Cahn, AG 2002, 30; Decher, in: MünchHdb. III, § 67 Rdnr. 27–30 (S. 1314 ff.); Dierdorf, Herrschaft und Abhängigkeit, 1978; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 II (S. 35 ff.); Henze, Konzernrecht, Rdnr. 24 ff. (S. 10 ff.); Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995, S. 164 ff.; Koppensteiner, in: FS Stimpel, 1985, S. 811; Koppensteiner, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, § 52 Anh. Rdnr. 13–16; Krieger, in: MünchHdb. AG, § 68 Rdnr. 37 ff.; Kn. W. Lange, Das Recht der Netzwerke, 1998; Martens, Die existentielle Wirtschaftsabhängigkeit, 1979, S. 53 ff.; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994, S. 87 ff.; Oechsler, ZGR 1997, 464; Peters/Werner, AG 1978, 297; Raupach, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 327; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 II 3b (S. 941 ff.); K. Schmidt, ZGR 1980, 277; K. Schmidt, ZGR 1981, 455; Sura, Fremdeinfluss und Abhängigkeit, 1980; Sura, ZHR 145 (1981), 432; Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 2000, S. 8 ff.; Ulmer, ZGR 1978, 457; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 28–32; H. Werner, Der aktienrechtliche Abhängigkeitstatbestand, 1979; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 38–44; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 21 ff.

1 S. OLG München, AG 1995, 383 = NJW-RR 1995, 1066. 2 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 33 Rdnr. 36; Emmerich, in: FS H. Westermann, 1974, S. 55, 66; Lutter, Kapital, S. 91; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 81 ff.; Verhoeven, GmbHR 1977, 97, 102 f.; H. P. Westermann, in: Der GmbHKonzern, S. 25, 34; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 27; s. im Übrigen unten Rdnr. 35 ff. 3 S. unten § 33 Rdnr. 13; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 33 Rdnr. 33 f.; Lutter, Kapital, S. 197, 462 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 82; H. P. Westermann, in: Der GmbH-Konzern, S. 25, 34; zu dem Sonderfall wechselseitiger Beteiligungen s. unten Rdnr. 35 f.

Emmerich

|

825

Anhang § 13 22

Konzernrecht

Nach § 17 Abs. 1 AktG sind abhängige Unternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auszuüben vermag. Von einem im Mehrheitsbesitz befindlichen Unternehmen wird vermutet, dass es von dem anderen Unternehmen abhängig ist (§ 17 Abs. 2 AktG; s. oben Rdnr. 19). An die Abhängigkeit eines Unternehmens knüpft sich ihrerseits die Vermutung, dass es zusammen mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bildet (§ 18 Abs. 1 Satz 3 AktG). Alle diese Definitionsnormen werden auch auf die GmbH angewandt, bei der zudem das ihnen zugrundeliegende Regelungskonzept wegen des hier viel stärker als bei der AG ausgeprägten Primats der Gesellschafterversammlung besonders sinnfällig ist (s. insbes. die §§ 37 Abs. 1, 45, 46 Nr. 5 und 6).

1. Begriff 23

Das Gesetz knüpft an die Mehrheitsbeteiligung unmittelbar die Vermutung der Abhängigkeit (§ 17 Abs. 2 AktG) und mittelbar die der Bildung eines Konzerns (§ 18 Abs. 1 Satz 3 AktG), weil eine Mehrheitsbeteiligung im Regelfall einen maßgeblichen Einfluss auf die Personalpolitik und damit auch auf die Geschäftspolitik der Beteiligungsgesellschaft verleiht. Das gilt bereits für die AG (s. die §§ 84 und 101 AktG) und in noch größerem Maße für die GmbH (s. §§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 5 und 6 sowie 47). Daraus folgt, dass die Abhängigkeit einer Gesellschaft von einem anderen Unternehmen jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn das letztere auf Grund seiner Herrschaft über die Personalpolitik der Gesellschaft in der Lage ist, deren Geschäftspolitik in entscheidenden Punkten zu beeinflussen1, d.h., wenn es über die gesicherte rechtliche Möglichkeit verfügt, der abhängigen Gesellschaft oder besser: deren Verwaltung Konsequenzen für den Fall anzudrohen, dass sie dem Willen des herrschenden Unternehmens nicht Folge leisten2. Dem entspricht es, wenn das Gesetz in § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages (ebenso wie im Falle der Eingliederung) ohne weiteres von dem Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses (und eines Unterordnungskonzerns) ausgeht (s. §§ 308, 323 AktG).

24

Es ist nicht erforderlich, dass das herrschende Unternehmen von seinen Einflussmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht; zur Begründung der Abhängigkeit genügt vielmehr die bloße Möglichkeit der Herrschaft über die abhängige Gesellschaft3. Ebenso wenig ist eine bestimmte Dauer der Einflussmöglichkeit vorausgesetzt4. Auf der anderen Seite begründet aber auch eine bloße Zufallsmehrheit in der Gesellschafterversammlung noch keine Abhängigkeit; die Mög1 BAGE 53, 187 = AG 1988, 106 = WM 1987, 1551, 1553; OLG Düsseldorf, AG 1994, 36, 37 = ZIP 1993, 1791 „Feno“; OLG München, AG 1995, 383 = NJW-RR 1995, 1066. 2 So BGHZ 121, 137, 146 = NJW 1993, 2114 = AG 1993, 334 „WAZ/IKZ“; OLG Düsseldorf, AG 1994, 36, 37 = ZIP 1993, 1791 „Feno“; KG, AG 2001, 529, 530 = NZG 2001, 680; LG Mosbach, AG 2001, 206, 208 = NZG 2001, 763; LG Mannheim, AG 2003, 216; alle Einzelheiten bei Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 5 ff. 3 BGHZ 62, 193, 201 = NJW 1974, 855 „Seitz“ m. Anm. Emmerich/Gansweit, JuS 1975, 294. 4 OLG Köln, GmbHR 1990, 456 = AG 1991, 140.

826

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

lichkeit der Einflussnahme muss vielmehr beständig, umfassend und gesellschaftsrechtlich vermittelt sein1. Wichtigste Grundlage der Abhängigkeit einer Gesellschaft von einem anderen Unternehmen ist die Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung (§ 47), wie durch die Vermutungen der §§ 17 Abs. 2 und 18 Abs. 1 Satz 3 AktG bestätigt wird. Keine Rolle spielt, worauf die Stimmenmehrheit eines Unternehmensgesellschafters beruht. Selbst wenn er die Mehrheit nur auf Grund der Stimmen anderer Gesellschafter zu erreichen vermag, führt die so gewonnene Mehrheit zur Abhängigkeit der Gesellschaft, vorausgesetzt, dass er über die Stimmen der anderen Gesellschafter, etwa auf Grund von Stimmbindungsverträgen oder Stimmrechtskonsortien, sicher verfügen kann2. Auch eine Minderheitsbeteiligung kann daher zur Begründung der Abhängigkeit ausreichen, sofern sie in Verbindung mit verlässlichen Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art dem beteiligten Unternehmen den nötigen Einfluss auf die Personalpolitik der Beteiligungsgesellschaft sichert3. Zu denken ist hier neben Stimmbindungsverträgen und Stimmrechtskonsortien noch an Treuhandsverhältnisse, ebenso aber auch an beständige familiäre Beziehungen oder personelle Verflechtungen, wobei freilich in jedem Fall hinzukommen muss, dass derjenige Gesellschafter, der infolgedessen über den nötigen Einfluss in der Gesellschaft verfügt, zugleich Unternehmensqualität besitzt. Die Einzelheiten sind umstritten4.

25

Besondere Bedeutung hat das Gesagte mit Rücksicht auf die weit gehende Vertragsfreiheit der Gesellschafter im Innenverhältnis (§ 45) für die GmbH5. Die Folge ist nämlich, dass hier – in weit größerem Ausmaße als bei der AG (s. § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG) – die Position eines Minderheitsgesellschafters durch Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterabsprachen außerhalb des Gesellschaftsvertrages weiter so sehr verstärkt werden kann, dass er einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben vermag (§ 45) –, ebenso wie es auf der anderen Seite auch denkbar ist, dass durch zusätzlichen Abreden die Position eines Mehrheitsgesellschafters so sehr relativiert wird, dass die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG bei ihm ausnahmswei-

26

1 Grdlg. BGHZ 135, 107, 114 = NJW 1997, 1855, 1856 = AG 1997, 374 = ZIP 1997, 967 „VW“. 2 Joussen, GmbHR 1996, 574. 3 BGHZ 69, 334, 347 = NJW 1978, 104 „VEBA/Gelsenberg“; BGHZ 125, 366, 369 = NJW 1994, 1801; BGHZ 135, 107, 114 f. = NJW 1997, 1855, 1856 f. „VW“; BayObLGZ 2002, 46, 55 = AG 2002, 511, 513; OLG Düsseldorf, AG 2000, 365, 366 = NZG 2000, 314, 315; AG 2003, 688 „Veba“; OLG Frankfurt, AG 1998, 193 = OLGR 1997, 269 = NZG 1998, 229; LG Mannheim, AG 2003, 216, 217 f. 4 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 18 ff. 5 S. im Einzelnen Dreher, in: MünchHdb. III, § 67 Rdnr. 28 (S. 1314 f.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 19a ff., 45 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 V (S. 47); Beuthien, ZIP 1993, 1589; Baumann/Reiss, ZGR 1989, 157; Geitzhaus, GmbHR 1989, 397; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 42; Joussen, Gesellschafterabsprachen, S. 164 ff.; Joussen, GmbHR 1996, 574; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 87 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 28.

Emmerich

|

827

Anhang § 13

Konzernrecht

se widerlegt ist (oben Rdnr. 19). Beispiele für Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag mit den geschilderten Konsequenzen für die Abhängigkeit der Gesellschaft von einzelnen Gesellschaftern sind Mehrstimmrechte (s. oben Rdnr. 18) sowie Sonderrechte auf Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer, auf Besetzung des Aufsichtsrats, sofern diesem seinerseits die Bestellung der Geschäftsführer obliegt, sowie auf Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer. Wo immer auf Grund solcher Umstände ein Unternehmensgesellschafter beständig einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft besitzt, liegt Abhängigkeit vor. 26a

Zu beachten bleibt, dass die Abhängigkeit gesellschaftsrechtlich vermittelt sein muss (s. oben Rdnr. 15); eine bloße tatsächliche Abhängigkeit, wie sie sich durchaus auch aus besonders engen Geschäftsbeziehungen ergeben kann, reicht dagegen nach überwiegender Meinung nicht aus, um das besondere konzernrechtliche Schutzinstrumentarium auszulösen, das allein auf gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeiten zugeschnitten ist. Dadurch wird es freilich nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall eine bereits bestehende gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflussmöglichkeit noch durch eine hinzutretende wirtschaftliche Abhängigkeit so sehr verstärkt wird, dass auch in konzernrechtlicher Hinsicht von Abhängigkeit die Rede sein kann. Wo hier genau die Grenze verläuft, ist noch offen. Die Rechtsprechung tendiert offenbar aus nahe liegenden Gründen zu einer restriktiven Haltung1.

2. Gemeinschaftsunternehmen2 27

Gemeinschaftsunternehmen, die häufig die Rechtsform einer GmbH haben, können von mehreren oder von allen Müttern zugleich abhängig sein, so dass dann der eigenartige Fall einer mehrfachen Abhängigkeit vorliegt (Paradigma: 50:50 Gemeinschaftsunternehmen). Voraussetzung ist lediglich, dass die gemeinsame Beherrschung des Gemeinschaftsunternehmens durch die Mütter auf Dauer gesichert ist, wozu nicht unbedingt der Abschluss entsprechender Verträge zwischen den Müttern erforderlich ist; die gemeinsame Herrschaft der Mehrheitsgruppe kann auch auf sonstigen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen beruhen, sofern sie nur auf Dauer eine gemeinsame Interessenverfolgung in der abhängigen Gesellschaft gewährleisten.

28

Als Mittel der gemeinsamen Beherrschung kommen außer der Gründung einer BGB-Gesellschaft der Mütter (als gemeinsamem Beherrschungsorgan) oder der Zusammenfassung der Mütter in einem Gleichordnungskonzern insbesondere noch Konsortial- und Stimmbindungsverträge der Mütter in Betracht, während tatsächliche Verhältnisse hierfür nur ausreichen, sofern sie auf Dauer eine ge1 S. BGHZ 90, 381, 397 = NJW 1984, 1893 = AG 1984, 181 „BuM“; OLG Düsseldorf, AG 1994, 36, 37 = ZIP 1993, 1791 „Feno“; BFHE 95, 215, 218; 145, 165, 169 f.; s. Emmerich/ Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 14–16a m.N. 2 S. zum Folgenden insbes. P. Bauer, NZG 2001, 742; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 17 AktG Rdnr. 28 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 3 III (S. 42 ff.); Gansweid, Gemeinsame Tochtergesellschaften im deutschen Konzern- und Wettbewerbsrecht, 1976; Henze, Konzernrecht, Rdnr. 43 ff. (S. 16 ff.); S. Maul, NZG 2000, 470.

828

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

meinsame Interessenverfolgung der Mütter sicherstellen. Je nach den Umständen des Falles kann danach sogar eine personelle Verflechtung der Mütter oder deren gemeinsame Beherrschung durch dieselbe Familie die Abhängigkeit des Gemeinschaftsunternehmens begründen. Die Einzelheiten sind auch hier wegen der Vielgestaltigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht endgültig geklärt, wobei vor allem die zunehmende Verbreitung von Stimmrechtskonsortien, Familiengesellschaften, Familienstiftungen und vergleichbaren Gebilden, bei denen bereits die Unternehmensqualität häufig zweifelhaft ist1, erhebliche zusätzliche Probleme aufwirft2.

3. Rechtsfolgen Soweit einem im Mehrheitsbesitz einer GmbH befindlichen Unternehmen die Zeichnung oder der Erwerb von Anteilen der GmbH verboten ist (s. oben Rdnr. 20 f.), gilt dies in gleicher Weise für ein von einer GmbH abhängiges Unternehmen; insoweit wird zwischen Mehrheitsbesitz und Abhängigkeit nicht unterschieden3. Nach § 71d Satz 4 i.V.m. § 71b AktG hat eine von einer AG abhängige GmbH außerdem kein Stimmrecht bei ihrer Muttergesellschaft. Dadurch soll der Gefahr unkontrollierbarer Verwaltungsstimmrechte vorgebeugt werden. Dieser Gedanke ist verallgemeinerungsfähig, so dass ein von einer GmbH abhängiges Unternehmen gleichfalls kein Stimmrecht aus Anteilen an der herrschenden GmbH besitzt4.

29

In § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG knüpft das Gesetz an die Abhängigkeit einer Gesellschaft von einem Unternehmen ferner die Vermutung, dass die abhängige Gesellschaft zusammen mit dem herrschenden Unternehmen einen Unterordnungskonzern bildet. Eine Widerlegung dieser Vermutung wird gerade bei der GmbH wegen des Primats der Gesellschafterversammlung (§§ 37 Abs. 1, 45, 46 Nr. 5 und 6) ausgesprochen selten in Betracht kommen, im Grunde wohl nur, wenn auf Grund besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die Einflussmöglichkeiten des Mehrheitsgesellschafters so stark beschnitten sind, dass er weder auf die Zusammensetzung der Geschäftsführung noch auf deren Amtsführung Einfluss nehmen kann (s. schon oben Rdnr. 19, 26). Beispiele für derartige Abreden sind Sonderrechte anderer Gesellschafter auf Bestellung der Geschäftsführer oder auf die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer, sonstige, die Minderheit umfassend schützende Bestimmungen sowie Entherrschungsverträge5.

29a

1 S. dazu Emmerich/Habersack, Kommentar, § 15 AktG Rdnr. 20 ff. 2 S. aus der Rechtsprechung insbes. BGHZ 62, 193, 199 ff. = NJW 1974, 955 „Seitz“; BGHZ 74, 359, 363 ff. = NJW 1979, 2401 „WAZ“; BGHZ 80, 69, 73 = NJW 1981, 1512; BGHZ 90, 330, 349 = NJW 1986, 188; BGHZ 122, 122, 125 f. = NJW 1993, 1200, 1202 „TBB“; BGH, LM Nr. 8 zu § 302 AktG = NJW 1994, 3288 = AG 1995, 35; kritisch Decher, in: MünchHdb. III, § 67 Rdnr. 29 (S. 1315 f.). 3 Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 31 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 81 ff.; anders wohl Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33; zu wechselseitigen Beteiligungen s. unten Rdnr. 35 ff. 4 Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 84. 5 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 AktG Rdnr. 20 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 39.

Emmerich

|

829

Anhang § 13

Konzernrecht

IV. Konzern Schrifttum: Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 39 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13–16; Decher, in: MünchHdb. III, § 67 Rdnr. 31–38 (S. 1317 ff.); Druey (Hrsg.), Das St. Galler Konzernrechtsgespräch, 1988; Druey, ZSR Bd. 121 II (1980), 273; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 (S. 47 ff.); Eschenbruch, Konzernhaftung, 1996; Henze, Konzernrecht, Rdnr. 59 ff. (S. 22 ff.); Hommelhoff, in: Mestmäcker/Behrens (Hrsg.), Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 91; G. v. Hoyningen-Huene, ZGR 1978, 515; R. Jula, Die Bildung besonderer Konzernorgane, 1995; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 17–21; Krieger, in: MünchHdb. AG, § 68 Rdnr. 64 ff., § 69 Rdnr. 1 ff.; M. Lutter (Hrsg.), Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 51 Rdnr. 30 ff. (S. 730 ff.); Raupach, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 327; Scheffler, in: FS Goerdeler, 1987, S. 469; Schluep, in: FS MayerHayoz, 1982, S. 345; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 II 3c (S. 944 ff.); K. Schmidt, in: FS Lutter, 2000, S. 1167; Slongo, Der Begriff der einheitlichen Leitung, Zürich 1980; Strohn, Die Verfassung der AG im faktischen Konzern, 1977; Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 2000, S. 177 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 33–41; H. Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 23 ff.

30

1. Die Konzerndefinition des AktG in § 18 Abs. 1 und Abs. 2 wird allgemein auch auf die GmbH angewandt. Man hat deshalb bei ihr ebenfalls zwei verschiedene Formen von Konzernen zu unterscheiden, für die sich allgemein die Bezeichnungen Unterordnungs- und Gleichordnungskonzern eingebürgert haben1. Wichtigstes Merkmal des Konzerns ist in beiden Fällen die Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung. Unterordnungs- und Gleichordnungskonzerne unterscheiden sich „lediglich“ dadurch, dass im Unterordnungskonzern die unter einheitlicher Leitung zusammengefassten Unternehmen außerdem voneinander im Sinne des § 17 AktG abhängig sind (§ 18 Abs. 1 Satz 1 AktG), während im Gleichordnungskonzern solche Abhängigkeit der verbundenen Unternehmen gerade fehlt (§ 18 Abs. 2 AktG). Ergänzt wird die Regelung durch eine unwiderlegliche und eine widerlegliche Vermutung eines Konzerns. Unwiderleglich ist die Vermutung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG vor allem bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages (§ 291 Abs. 1 Satz 1 AktG), widerleglich dagegen gem. § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG in den sonstigen Fällen der Abhängigkeit (§ 17 Abs. 1 AktG). Innerhalb der so umschriebenen Konzerne unterscheidet man im Anschluss an die aktienrechtliche Regelung weiter zwischen Vertragskonzernen und faktischen Konzernen (s. die §§ 291 f., 308 ff. und 311 ff. AktG) sowie schließlich noch unter einem anderen Gesichtspunkt zwischen einstufigen und mehrstufigen Konzernen. Bis vor kurzem war es ferner üblich, innerhalb der faktischen Konzerne noch auf Grund der früheren Rechtsprechung des BGH zur Konzernhaftung zwischen einfachen und qualifizierten faktischen Konzernen zu trennen2. Mitt1 Zur noch wenig geklärten Behandlung der Gleichordnungskonzerne s. m.N. Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, § 4 IV (S. 57 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 AktG Rdnr. 25 ff. sowie Decher, in: MünchHdb. III, § 67 Rdnr. 32 ff. (S. 1317 ff.); Raiser, in: FS Ulmer, 2003, S. 493; U. H. Schneider, in: FS Großfeld, 1999, S. 1045; Veil, in: Theobald, Entwicklung zur Durchgriffs- und Konzernhaftung, 2002, S. 81. 2 S. Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19 f.

830

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

lerweile ist jedoch offen, ob an dieser Unterscheidung nach der Neuorientierung der Rechtsprechung (Stichwort: Haftung für existenzvernichtende Eingriffe) noch festzuhalten ist (s. unten Rdnr. 91 ff.). 2. Der Konzernbegriff des AktG ist im Einzelnen umstritten1. Im Folgenden ist nur zu dem Zentralbegriff des Konzerntatbestandes des AktG, der einheitlichen Leitung (s. § 18 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AktG), näher Stellung zu nehmen.

31

Im Schrifttum zu § 18 AktG wird üblicherweise zwischen einem engen und einem weiten Konzernbegriff unterschieden. Der enge Konzernbegriff geht von dem (wirtschaftswissenschaftlichen) Vorverständnis des Konzerns als wirtschaftlicher Einheit aus und bejaht folgerichtig das Vorliegen eines Konzerns nur, wenn die Konzernspitze grundsätzlich für alle zentralen unternehmerischen Bereiche eine einheitliche Planung aufstellt und bei den Konzerngliedern ohne Rücksicht auf deren Selbständigkeit durchsetzt. Zu den zentralen unternehmerischen Bereichen in diesem Sinne wird in erster Linie das Finanzwesen gezählt, so dass ein Konzern von den Vertretern dieser Meinung allein dann angenommen wird, wenn für den Konzern einheitlich festgelegt wird, welchen Beitrag jedes Unternehmen zum Konzernerfolg leisten muss, über welche Mittel es verfügen darf und wie diese aufzubringen sind2.

32

Der wohl überwiegend vertretene weite Konzernbegriff stimmt mit dem engen (oben Rdnr. 32) nur im Ausgangspunkt überein. Erfolgt die Finanzplanung zentral für den ganzen Konzern durch die Konzernspitze, so handelt es sich nach jeder Meinung um einen Konzern im Rechtssinne3. Darüber hinaus lässt der weite Konzernbegriff für die Annahme eines Konzerns aber auch eine einheitliche Planung und deren Durchsetzung in einem der anderen zentralen Unternehmensbereiche wie etwa Einkauf, Organisation, Personalwesen und Verkauf genügen, dies freilich nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass die Koordinierung der Unternehmen in dem fraglichen Bereich Rückwirkungen auf das Gesamtunternehmen hat, so dass den Konzernunternehmen eine selbständige Planung letztlich unmöglich gemacht wird. Für diesen weiten Konzernbegriff spricht vor allem, dass es allein auf seinem Boden möglich ist, den wenigen Vorschriften, die an den Konzerntatbestand anknüpfen, einen möglichst großen Anwendungsbereich zu sichern, wobei in erster Linie an die verschiedenen Publizitätsvorschriften zu denken ist (s. besonders § 337 AktG sowie §§ 290 ff. HGB)4.

33

Die Rechtsprechung folgt bisher gleichfalls durchweg einem weiten Verständnis des Konzernbegriffs, ausdrücklich im Bereich des § 5 MitbestG, im Ergebnis aber ebenso in den wenigen Beziehungen, in denen es auf den Konzernbegriff

33a

1 S. dazu Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 AktG Rdnr. 8–24. 2 So insbes. Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18; D. Marchand, Abhängigkeit, S. 89 ff.; Milde, Der Gleichordnungskonzern im Gesellschaftsrecht, 1996, S. 70 ff.; Möhring, in: FS H. Westermann, 1974, S. 427, 439; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 37. 3 Ebenso LG Mainz, AG 1991, 30, 31. 4 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 13–16; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 AktG Rdnr. 13 ff.

Emmerich

|

831

Anhang § 13

Konzernrecht

des § 18 AktG ankommt1. Ein Konzern ist daher z.B. anzunehmen, wenn eine Bank im finanziellen Bereich die Leitung eines anderen Unternehmens vollständig an sich zieht2. Unter dieser Voraussetzung ist ein Konzern auch zwischen branchenfremden Unternehmen möglich, da konzernspezifische Gefährdungen selbst bei ganz unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen der einzelnen Unternehmen denkbar sind3. Vor allem die einheitliche Finanzplanung für die zusammengefassten Unternehmen ist daher in jedem Fall ein wichtiges Indiz für das Vorliegen eines Konzerns4.

V. Wechselseitige Beteiligungen Schrifttum: S. unten § 33 Rdnr. 21 f.; M. Adams, AG 1994, 148; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 33 Rdnr. 32–37; Th. Baums, ZBB 1994, 86; Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, 1998; Cahn, AG 1984, 178; Emmerich, in: FS H. Westermann, 1974, S. 55; Emmerich, NZG 1998, 622; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 5 V (S. 73 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 19 AktG Rdnr. 21–24; Heidinger, in: Michalski, § 30 Rdnr. 61 f.; Hettlage, AG 1967, 259; Hettlage, AG 1981, 92; Hohner, in: Hachenburg, § 33 Rdnr. 71 ff.; Klix, Wechselseitige Beteiligungen, 1981; Koppensteiner, WiBl. 1990, 1; Koppensteiner, öGmbHG, § 81 Rdnr. 14–16; Kort, in: MünchHdb. III, § 27 Rdnr. 46 f. (S. 470); Krieger, in: MünchHdb. AG, § 68 Rdnr. 92 ff.; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung, 1964; Lutter/Hommelhoff, § 33 Rdnr. 21–26; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, 1958; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 33 Rdnr. 60–67; W. Ramming, Wechselseitige Beteiligungen außerhalb des Aktienrechts, 2005; Kerstin Schmidt, Wechselseitige Beteiligungen im Gesellschafts- und Kartellrecht, 1995, S. 80 ff.; Serick, Rechtsform und Realität juristischer Personen, 2. Aufl. 1980, S. 10 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, § 77 Anh. Rdnr. 42–49; Verhoeven, GmbHR 1977, 97; U. Wastl/Fr. Wagner, Das Phänomen der wechselseitigen Beteiligungen aus juristischer Sicht, 1997; U. Wastl/Fr. Wagner, AG 1997, 241.

34

Verbundene Unternehmen sind nach § 15 AktG schließlich noch die wechselseitig beteiligten Unternehmen. Darunter sind nach § 19 Abs. 1 AktG (nur) Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland zu verstehen, die aneinander mit jeweils mehr als 25% beteiligt sind, wobei die Zurechnungsvorschrift des § 16 Abs. 4 AktG zu beachten ist, so dass für die Ermittlung der kritischen Beteiligung von mehr als 25% die Beteiligungen von Mutter- und Tochtergesellschaften zusammenzurechnen sind. Innerhalb der so umschriebenen wechselseitigen Beteiligungen hat man weiter, wie sich aus den §§ 19 Abs. 4 und 328 AktG ergibt, zwischen einfachen und qualifizierten wechselseitigen Beteiligungen zu trennen, je nachdem, ob zwischen den verbundenen Unternehmen Mehrheitsund Abhängigkeitsbeziehungen bestehen oder nicht. In dem zuerst genannten

1 S. insbes. BayObLGZ 1998, 85, 90 f. = AG 1998, 523, 524; BayObLGZ 2002, 46, 50 = AG 2002, 511 = NJW-RR 2002, 974; OLG Stuttgart, AG 1990, 168, 169; OLG Düsseldorf, AG 1979, 318 = WM 1979, 956; LG Mainz, AG 1991, 30, 31; LG Stuttgart, AG 1989, 445, 447; BAG, AP Nr. 1 zu § 242 BGB – Ruhegehalt – Konzern = AG 1974, 404 = DB 1973, 2302; noch weiter für Österreich OHG v. 10. 3. 2003 – 16 Ok 20/02, WuW/E KRInt 8, 9 ff. 2 OLG Stuttgart, AG 1990, 168, 169 und LG Stuttgart, AG 1989, 445, 447. 3 Grdlg. BGHZ 115, 187, 191 = NJW 1991, 3142 = AG 1991, 429 „Video“. 4 LG Oldenburg, ZIP 1992, 1632, 1636 „TBB“.

832

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Fall finden allein die Regeln über Mehrheits- und Abhängigkeitsbeziehungen Anwendung (§ 19 Abs. 4 AktG), während in dem zweiten Fall die Sondervorschrift des § 328 AktG in der Fassung des KonTraG von 19981 zu beachten ist. Von derselben Tatbestandsbildung ist angesichts der allgemeinen Fassung der §§ 19 und 328 AktG im GmbH-Konzernrecht auszugehen. Im Einzelnen muss man deshalb die folgenden Fälle unterscheiden:

1. Einfache wechselseitige Beteiligungen a) Den ersten Fall bilden einfache wechselseitige Beteiligungen im Sinne des § 19 Abs. 1 AktG, zu denen nicht noch eine Mehrheits- oder Abhängigkeitsbeziehung hinzutritt (§ 19 Abs. 2 und 3 AktG). Ist an dieser Unternehmensverbindung wenigstens eine AG (neben einer GmbH) beteiligt, so greift allein § 328 AktG ein (§ 19 Abs. 4 AktG), der unmittelbar auf den Mitteilungspflichten der §§ 20 und 21 AktG aufbaut und im Ergebnis eine Ausübungssperre zu Lasten derjenigen wechselseitig beteiligten Gesellschaft begründet, die erst die wechselseitige Beteiligung begründet hat oder doch verspätet ihrer Mitteilungspflicht nachgekommen ist2. Auf einfache wechselseitige Beteiligungen allein zwischen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH kann diese Regelung dagegen nicht entsprechend angewandt werden3, weil für solche Gesellschaften keine den §§ 20 und 21 AktG entsprechende Mitteilungspflichten bestehen (s. unten Rdnr. 39 f.).

35

Aus der Unanwendbarkeit des § 328 AktG (oben Rdnr. 35) darf nicht der Schluss gezogen werden, dass einfache wechselseitige Beteiligungen zwischen Gesellschaften mbH unbeschränkt zulässig seien; auf diesen Fall ist vielmehr nach heute ganz überwiegender Meinung § 33 Abs. 2 entsprechend anzuwenden, so dass den verbundenen Gesellschaften der weitere Ausbau der wechselseitigen Beteiligung nur unter den in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erlaubt ist. Nach h.M. gilt dies freilich entsprechend einer in dem RegE von 1977 zu der Novelle von 1980 vorgesehenen Regelung nur, wenn die eine Gesellschaft an der anderen mehrheitlich beteiligt ist, d.h., wenn es sich um eine einseitige qualifizierte wechselseitige Beteiligung handelt4. Dabei bleibt jedoch unbeachtet, dass dieser Entwurf gerade nicht Gesetz geworden ist, weil man es für richtiger hielt, die Entscheidung des Fragenkreises der Rechtsprechung zu überlassen5. Unter diesen Umständen steht nichts im Wege, im GmbH-Recht an die Wertungen der §§ 19 Abs. 1 und 328 AktG anzuknüpfen und daher im Interesse der Kapitalerhaltung in einfachen wechselseitigen Beteiligungen § 33 Abs. 2 schon anzuwenden, sobald die 25%-Grenze überschritten wird6. Diese

35a

1 2 3 4

BGBl. I, 786. Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 328 AktG Rdnr. 10 ff. Anders nur Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 45. S. unten § 33 Rdnr. 13, 21 f.; ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 33 Rdnr. 34; Koppensteiner, öGmbHG, § 81 Rdnr. 15; Koppensteiner, WiBl. 1990, 1, 2 f.; Lutter, Kapital, S. 57 f.; Serick, Juristische Person, S. 110 ff.; Verhoeven, GmbHR 1977, 97, 100. 5 S. den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8(1980)/3908, S. 74. 6 S. Emmerich, in: FS Westermann, S. 55, 65 f.; Emmerich, AG 1975, 282, 292; Lutter/ Hommelhoff, § 33 Rdnr. 21 f.; Kort, in: MünchHdb. III, § 27 Rdnr. 46 f. (S. 470 f.); Ram-

Emmerich

|

833

Anhang § 13

Konzernrecht

Auffassung hat zudem den großen Vorzug, auf beide verbundenen Unternehmen anwendbar zu sein1. Dagegen besteht kein Bedürfnis für eine Analogie auch zu § 33 Abs. 12. 36

b) Umstritten ist die Rechtslage außerdem hinsichtlich Kapitalerhöhungen gegen Einlagen (so genannter originärer Erwerb von Anteilen). Überwiegend wird hier § 56 Abs. 2 Satz 1 AktG entsprechend angewandt, so dass sich das Zeichnungsverbot auf die abhängige Gesellschaft in Mehrheits- und Abhängigkeitsbeziehungen beschränkte3. Richtigerweise sollte jedoch im Interesse der Kapitalerhaltung auch hier von der 25%-Grenze ausgegangen werden, so dass bereits in einfachen wechselseitigen Beteiligungen für beide Gesellschaften ein Zeichnungsverbot bei einer Kapitalerhöhung der anderen Gesellschaft besteht4.

2. Qualifizierte wechselseitige Beteiligungen 37

Eine qualifizierte wechselseitige Beteiligung liegt nach § 19 Abs. 2 und 3 AktG vor, wenn zu der wechselseitigen Beteiligung der verbundenen Gesellschaften i.S. des § 19 Abs. 1 AktG einseitige oder beiderseitige Mehrheits- oder Abhängigkeitsbeziehungen hinzutreten. Ist in einem solchen Fall an der Unternehmensverbindung eine AG, und zwar als herrschende oder mit Mehrheit beteiligte Gesellschaft beteiligt, so gelten für die beteiligte GmbH bereits unmittelbar die Vorschriften der §§ 56 Abs. 2, 71d Satz 4 und 71b AktG. Dies bedeutet vor allem, dass der Anteilsbesitz der abhängigen GmbH grundsätzlich auf 10% beschränkt wird (§ 71d Satz 2 i.V.m. § 71 Abs. 2 Satz 1 AktG), dass der weiter gehende Anteilbesitz abgebaut werden muss (§ 71d Satz 4 i.V.m. § 71c Abs. 1 AktG) und dass sämtliche Rechte der abhängigen GmbH aus dem ihr verbleibenden Anteilsbesitz ruhen (§ 71d Satz 4 i.V.m. § 71b AktG)5. Ungeregelt ist dagegen der umgekehrte Fall, d.h. die Beteiligung einer GmbH neben einer AG an einer wechselseitigen Beteiligung als herrschende oder mit Mehrheit beteiligte Gesellschaft, ebenso wie der Fall einer qualifizierten wechselseitigen Beteiligung allein zwischen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH. In beiden Fällen ergibt sich jedoch bereits aus den Ausführungen zu einfachen wechselseitigen Beteiligungen, dass hier auf jeden Fall entsprechend § 33 Abs. 2 anzuwenden ist und dass außerdem ein Zeichnungsverbot für beide Gesellschaften besteht (oben Rdnr. 35 f.). Ergänzend sind noch die zum Teil weiter

1 2 3 4 5

ming, Beteiligungen, S. 74 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 33 Rdnr. 67; Sosnitza, in: Michalski, § 33 Rdnr. 51; Kerstin Schmidt, Wechselseitige Beteiligungen, S. 82 f. Anders wegen des anderen Ausgangspunktes Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 33 Rdnr. 37; s. unten § 33 Rdnr. 13. S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 33 Rdnr. 33; Kerstin Schmidt, Wechselseitige Beteiligungen, S. 85 f.; Verhoeven, GmbHR 1977, 97, 100. LG Berlin, GmbHR 1987, 395, 396 = ZIP 1986, 1564; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 33 Rdnr. 36; Verhoeven, GmbHR 1977, 97, 102. Ebenso Lutter/Hommelhoff, § 33 Rdnr. 22; Ramming, Diss. § 2 III/IV; Kerstin Schmidt, Wechselseitige Beteiligungen, S. 90 f. S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 19 AktG Rdnr. 14 ff.

834

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

gehenden Schutzvorschriften in Mehrheits- und Abhängigkeitsbeziehungen anzuwenden1.

3. Sonstige Fälle Wechselseitige Beteiligungen kommen auch zwischen Kapital- und Personengesellschaften vor. Nach überwiegender Meinung bestehen gegen derartige wechselseitige Beteiligungen grundsätzlich keine Bedenken, weshalb insbesondere das Stimmverbot für abhängige Gesellschaften nicht auf abhängige Personengesellschaften übertragen wird2. Indessen ist ein Grund für diese Privilegierung von Personengesellschaften nur schwer erkennbar3. Deshalb sollten die vorstehend entwickelten Regeln (oben Rdnr. 35 ff.) – entgegen der offenbar h.M. – auch auf wechselseitige Beteiligungen zwischen einer GmbH und einer Personengesellschaft angewandt werden, wie sie insbesondere im Rahmen einer GmbH & Co. KG vorkommen. Das sollte jedenfalls für qualifizierte wechselseitige Beteiligungen mit Personengesellschaften gelten, so dass auch hier die §§ 56 Abs. 2 und 71d Satz 4 i.V.m. den §§ 71b und 71c AktG entsprechend angewandt werden können. Die Folge ist, dass bei einer wechselseitigen Beteiligung zwischen einer GmbH und einer Personengesellschaft die letztere im Falle einer Kapitalerhöhung der GmbH von der Beteiligung ausgeschlossen ist4. Im Übrigen dürfte hier auch Raum für eine entsprechende Anwendung des § 33 Abs. 2 sein5.

38

VI. Mitteilungspflichten 1. §§ 20, 21 AktG; § 21 WpHG Für Beteiligungen einer GmbH an anderen Gesellschaften und für Beteiligungen an einer GmbH bestehen bisher – jenseits des § 40 – keine generellen Mitteilungspflichten auf Grund des GmbHG oder anderer Gesetze. Lediglich in Einzelfällen können sich solche Pflichten aus den §§ 21 ff. WpHG oder aus den §§ 20 und 21 AktG ergeben6. Vorrangig sind die Mitteilungspflichten nach dem WpHG (§§ 20 Abs. 8 und 21 Abs. 5 AktG), die jedoch allein Beteiligungen einer GmbH an einer börsennotierten AG i.S. des § 21 Abs. 2 WpHG erfassen. Die Mitteilungspflicht für Beteiligungen einer GmbH an einer anderen AG richtet sich dagegen nach § 20 AktG, während Beteiligungen einer AG an einer GmbH 1 S. oben Rdnr. 21, 29; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 19 AktG Rdnr. 24; Ramming, Beteiligungen, S. 24, 70 ff. 2 BGHZ 119, 346, 356 f. = NJW 1993, 1265 = AG 1993, 140. 3 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 19 AktG Rdnr. 25; Ramming, Beteiligungen, S. 106 ff. 4 LG Berlin, GmbHR 1987, 395 = ZIP 1986, 1564; LG Hamburg, Hamburger JVBl. 1972, 67; zustimmend Koppensteiner, WiBl. 1990, 1, 6; Lutter/Hommelhoff, § 33 Rdnr. 22; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 48; s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 19 AktG Rdnr. 25; Emmerich, in: FS H. Westermann, S. 55, 62 f.; Ramming, Beteiligungen, S. 110 ff. 5 Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 48. 6 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 20 AktG Rdnr. 9, 12; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 6 (S. 74 ff.).

Emmerich

|

835

39

Anhang § 13

Konzernrecht

nach § 21 AktG mitteilungspflichtig sein können. Eine weitere Mitteilungspflicht für wechselseitige Beteiligungen folgt aus § 328 Abs. 4 AktG. Die zuletzt genannte Vorschrift ist entsprechend auch auf wechselseitige Beteiligungen allein zwischen GmbH oder anderen Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland mit Ausnahme von Aktiengesellschaften anwendbar1. Jenseits dieser Sonderfälle besteht jedoch bisher keine gesetzliche Mitteilungspflicht für Beteiligungen einer GmbH und an einer GmbH. Deshalb muss hier im Interesse der dringend gebotenen Publizität von Beteiligungsverhältnissen nach anderen Rechtsgrundlagen Ausschau gehalten werden (unten Rdnr. 40).

2. Treuepflicht 40

Zumal in faktischen Konzernen ist der Minderheit ein Schutz ihrer Interessen nur möglich, wenn sie überhaupt über die Beziehungen der Mehrheit zu anderen Unternehmen unterrichtet ist. Deshalb ist zumindest in Abhängigkeitsverhältnissen anzunehmen, dass das herrschende Unternehmen auf Grund seiner Treuepflicht zur Offenlegung seines Beteiligungsbesitzes und seiner Beziehungen zu anderen Unternehmen verpflichtet ist (§ 242 BGB), vor allem, wenn es das Unternehmen der Gesellschaft seinen außerhalb der Gesellschaft liegenden Interessen dienstbar machen will (s. oben § 13 Rdnr. 36 ff.). Die Mitteilungspflicht besteht dann nicht nur gegenüber der Gesellschaft (so wohl die h.M.), sondern auch unmittelbar gegenüber den Mitgesellschaftern. Im Ergebnis besteht hierüber heute weit gehende Übereinstimmung2.

C. Konzernbildungskontrolle Schrifttum: Adams, AG 1990, 63; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 115–143; Amstutz, Konzernorganisationsrecht, 1995; Bälz, AG 1992, 277; Baumgartl, Die konzernbeherrschte Personengesellschaft, 1980; M. Becker, Die Behandlung des Konzerns nach allgemeinen Grundsätzen, in: Mestmäcker/Behrens, Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 419; B. Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996; Bouchon, Konzerneingangsschutz im GmbH- und Aktienrecht, 2002; Decher, in: MünchHdb. III, § 68 (S. 1323 ff.); Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, 1990; Deilmann, Die Entstehung des qualifizierten faktischen Konzerns, 1990; Ebenroth, Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle, 1987; Ebenroth, AG 1988, 1; Emmerich, in: FS Stimpel, 1985, S. 743; Emmerich, AG 1987, 1; Emmerich, AG 1991, 303; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 7–9 (S. 87 ff.); Emmerich/ Habersack, Kommentar, Vor § 311 AktG: Konzernbildungskontrolle (S. 482 ff.), § 318 AktG Anh: Die abhängige GmbH (S. 649 ff.); Fleck, WM 1986, 1205; Geiger, Wettbewerbsverbote im Konzernrecht, 1997; W. Grauer, Konzernbildungskontrolle im GmbH-Recht, 1991; W. Groß, AG 1994, 266; W. Groß, AG 1996, 111; Habersack, 1 S. oben Rdnr. 37; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 20 AktG Rdnr. 9, § 328 AktG Rdnr. 24 f.; Hachenburg/P. Ulmer, Rdnr. 227. 2 S. unten Rdnr. 53 sowie Emmerich/Habersack, Kommentar, § 20 AktG Rdnr. 12; Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 171, 202, 227 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 419; Schilling, in: FS Hefermehl, S. 383, 387; K. Schmidt, GmbHR 1979, 121, 132; Hachenburg/ P. Ulmer, Rdnr. 67 f., 227 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 452 f.; wohl auch BGHZ 79, 337, 344 = NJW 1981, 1449.

836

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996; Henze, BB 1996, 489; Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982; Hommelhoff, Konzernmodelle, in: Druey (Hrsg.), Das St. Galler Konzernrechtsgespräch, 1988, S. 107; Chr. Jansen, Konzernbildungskontrolle im faktischen GmbH-Konzern, 1993; H. Kessler, AG 1995, 61, 120; Kleindiek, Strukturvielfalt im Personengesellschafts-Konzern, 1991; Knoll, Die Übernahme von Aktiengesellschaften, 1992; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 31–52; W. Kühn, BB 1992, 291; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1995; Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825; Lutter, Das System des deutschen GmbH-Konzernrechts, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 192; Lutter, in: FS Goerdeler, 1987, S. 327; Lutter, ZHR 151 (1987), 444; Lutter, ZGR 1987, 324; Lutter, in: FS Fleck, 1988, S. 169; Lutter/Timm, NJW 1982, 409; Lutter/ Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 12 ff.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225; Martens, ZHR 147 (1983), 377; Mecke, Konzernbeteiligung und Aktionärsentscheid, 1992; Mertens, AG 1978, 309; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 52 Rdnr. 13 ff. (S. 739 ff.); Frh. v. Rechenberg, Die Hauptversammlung als oberstes Organ der AG, 1986; Rehbinder, in: FS Coing Bd. II, 1982, S. 423; Rehbinder, ZGR 1983, 92; A. Reinisch, Der Ausschluss von Aktionären aus der AG, 1992; J. Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrolltransaktionen, 1991; Schießl, Die beherrschte Personengesellschaft, 1985; U. Schneider, ZGR 1984, 493; U. Schneider, BB 1986, 201 und 1993; Uwe H. Schneider, WM 1986, 181; Uwe H. Schneider, Zur Gründung von faktischen GmbH-Konzernen, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 121; Uwe H. Schneider, AG 1990, 56; Uwe H. Schneider, Der Konzern als Rechtsform für Unternehmen, in: Mestmäcker/Behrens, Das Gesellschaftsrecht der Konzerne im internationalen Vergleich, 1991, S. 563; J. Semler, Leitung und Überwachung der AG, 2. Aufl. 1996; Seydel, Konzernbildungskontrolle bei der AG, 1995; B. Sonntag, Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle bei der GmbH, 1990; Sünner, AG 1983, 169; Tieves, Der Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft, 1998; Timm, Die AG als Konzernspitze, 1980; Ulmer, in: Hachenburg, § 77 Anh. Rdnr. 57–70a; U. Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001; Wahlers, Konzernbildungskontrolle durch die Hauptversammlung der Obergesellschaft, 1995; Warschkow, Schutz der Aktionäre der Konzernobergesellschaft, 1991; Ulrich Wehlmann, Kompetenzen von Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen bei der Bildung faktischer GmbH-Konzerne, 1996; H. Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988; Wiedemann/Hirte, ZGR 1986, 163; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 192 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 93 ff.

I. Überblick 1. Unter Konzerneingangs-, Konzernbildungs- oder Gruppenbildungskontrolle versteht man einen Präventivschutz gegen die Begründung von Abhängigkeitsoder Konzernlagen. Dahinter steht die prinzipiell zutreffende Überlegung, dass das bisher überwiegend als bloßes Schutzrecht für bereits abhängige Gesellschaften konzipierte Konzernrecht häufig zu kurz greift, weil es erst einsetzt, wenn es im Grunde bereits zu spät ist, nämlich erst nach Begründung der Abhängigkeit, während es in Wirklichkeit darauf ankommt, schon vorweg die Entstehung eines Abhängigkeitsverhältnisses der Gesellschaft zu einem anderen Unternehmen oder doch ihre Eingliederung in einen von dem anderen Unternehmen geführten Konzern zu verhindern. Plastisch wird häufig der ZeitEmmerich

|

837

41

Anhang § 13

Konzernrecht

punkt der Abhängigkeitsbegründung oder doch der Konzerneingliederung als der „archimedische“ Punkt des Konzernrechts bezeichnet1. Aus dieser Einsicht ergibt sich nahezu zwangsläufig die Forderung, das Konzernrecht durch eine effektive Kontrolle der Begründung von Abhängigkeits- oder Konzernverhältnissen, d.h. eben durch eine Gruppen- oder Konzernbildungskontrolle zu ergänzen. Dabei wird naturgemäß in erster Linie die abhängige Gesellschaft ins Auge gefasst, weil hier offenkundig die Notwendigkeit eines Schutzes der Minderheit besonders dringend ist (unten Rdnr. 48 ff.). Darüber darf man jedoch nicht übersehen, dass die Bildung weit verzweigter Konzerne auf der Stufe der herrschenden Gesellschaft gleichfalls Probleme des Minderheiten- und Gläubigerschutzes aufwerfen kann, des Minderheitenschutzes etwa dann, wenn die Verwaltung der herrschenden Gesellschaft die Politik einer strikten Gewinnthesaurierung bei den Tochtergesellschaften verfolgt, und des Gläubigerschutzes, wenn Haftungsrisiken aus den Tochtergesellschaften auf die Muttergesellschaft durchzuschlagen drohen (s. die §§ 302 und 303 AktG). Das hat zu der Frage geführt, ob auch auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft, jedenfalls in bestimmten Fallgestaltungen, Raum für eine ergänzende Konzernbildungskontrolle ist (unten Rdnr. 58 ff.). 42

Neben die Forderung nach der Entwicklung einer Konzernbildungskontrolle tritt häufig der Wunsch nach der Entwicklung einer Gruppen- oder Konzernleitungskontrolle. Gemeint ist damit die angemessene Beteiligung der Gesellschafter der Obergesellschaft an der Konzernleitung, in erster Linie, um zu verhindern, dass sich die Verwaltung der Obergesellschaft durch die Verlagerung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Obergesellschaft in die Untergesellschaften einen weithin kontrollfreien Raum verschafft, da die Kontrollrechte der Gesellschafter der Obergesellschaft nur von Fall zu Fall und mit großen Schwierigkeiten in die Untergesellschaften hinein verlängert werden können. Die Konzernbildungskontrolle auf der Ebene der Obergesellschaft (oben Rdnr. 41) und die Konzernleitungskontrolle auf derselben Ebene sind, so gesehen, im Grunde nur die zwei Seiten derselben Medaille.

43

Die Notwendigkeit einer besonderen Konzernbildungs- oder Konzernleitungskontrolle ist ebenso umstritten wie ihre rechtliche Ausgestaltung2. In der ausufernden Diskussion zeichnen sich bisher nur wenige, allseits akzeptierte Lösungen ab (s. unten Rdnr. 46 f.). Es kommt hinzu, dass auch die Rechtsprechung zu dem Fragenkreis bisher nur selten und keineswegs einheitlich Stellung genommen hat (s. Rdnr. 38 f.). Dieser Umstand könnte freilich auch darauf hindeuten, dass die Bedeutung des ganzen Fragenkreises im Schrifttum wohl überschätzt wird, genauer: dass die Gesellschafter in aller Regel selbst schon in der Lage sind, ihnen angemessen erscheinende Lösungen für die mit den Stichworten Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle umschriebenen Probleme zu finden3. Nicht zuletzt deshalb beschränken sich die folgenden Ausführungen

1 Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 411 f.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12. 2 Zusammenfassend Bouchon, Konzerneingangsschutz, 2002 m. zahlr. Nachw.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 7 ff. (S. 87 ff.). 3 In diesem Sinne insbes. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 115 ff.

838

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

auf die Grundzüge der Materie1. Zu beginnen ist mit einem kurzen Blick auf die verstreuten gesetzlichen Regelungen des Fragenkreises sowie auf die Rechtsprechung dazu (unten Rdnr. 44, 46 f.). 2. Gesetzliche Regelungen finden sich bisher nur verstreut an einzelnen Stellen. Hervorzuheben sind die §§ 293, 319 und 320 AktG, die für Aktiengesellschaften eine Mitwirkung der Aktionäre bei dem Abschluss von Unternehmensverträgen sowie bei der Eingliederung auf beiden Ebenen, bei der Muttergesellschaft ebenso wie bei der Tochtergesellschaft vorsehen. Soweit es um den Abschluss von Unternehmensverträgen geht, ist diese Regelung, zumindest partiell, auf die GmbH übertragbar. Dies hat die wichtige Konsequenz, dass zumindest bei dem Abschluss von Unternehmensverträgen in der Mehrzahl der Fälle bei der Mutter- wie bei der Tochtergesellschaft eine Konzernbildungskontrolle, verstanden als Mitwirkung der Gesellschafter bei Strukturentscheidungen im Rahmen des Konzernaufbaus, gewährleistet ist. Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen an anderer Stelle zu verweisen (s. unten Rdnr. 139, 148 ff. sowie § 53 Rdnr. 164 ff.).

44

Eine weitere Teilregelung hat das UmwG von 1994, und zwar insbesondere für bestimmte Fälle der Ausgliederung im Wege der Spaltung gebracht. Die Einzelheiten finden sich in den §§ 123 ff. UmwG2. Hervorzuheben ist die Notwendigkeit einer Zustimmung der Gesellschafter zu der Ausgliederung im Wege der Abspaltung von Vermögensteilen mit qualifizierter Mehrheit (§§ 125, 13 UmwG). Aus § 62 des Gesetzes ergeben sich außerdem Hinweise auf die durchweg zu beachtende Bagatellgrenze, die in den Augen des Gesetzgebers offenbar bei 10% des Vermögens liegt.

45

3. Die Rechtsprechung hat sich in Deutschland ebenso wie etwa in Österreich, soweit ersichtlich, bisher nur gelegentlich mit Fragen der Konzernbildungskontrolle beschäftigt und auch dies nahezu ausschließlich bei der AG, während Entscheidungen zur GmbH und zu den Personengesellschaften selten sind, dies ein weiterer Hinweis darauf, dass der ganze Fragenkreis in der Praxis offenbar bei weitem nicht die Bedeutung hat, die ihm verbreitet in der Literatur beigemessen wird. Soweit ersichtlich, ist das erste einschlägige Urteil des BGH das so genannte Süssen-Urteil vom 16. 2. 1981, das eine GmbH betraf3. Nach diesem Urteil sind Mehrheitsbeschlüsse, die die Gefahr der Abhängigkeit einer Gesellschaft von einem anderen Unternehmen begründen, grundsätzlich rechtswidrig, außer wenn der Beschluss auf Grund besonderer Umstände den Interessen der Gesellschaft entspricht und deshalb sachlich gerechtfertigt erscheint. In dem wenig später folgenden Holzmüller-Urteil vom 25. 2. 19824

46

1 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich, AG 1991, 303; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 7–9 (S. 87 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 8– 21. 2 S. dazu Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 392 ff. 3 BGH II ZR 168/79, BGHZ 80, 69, 74 f. = NJW 1981, 189 = AG 1981, 225 = GmbHR 1981, 189; ebenso schon OGH SZ Bd. 53 (1980) Nr. 172, S. 779, 783 ff. = GesRZ 1981, 44 = GmbHR 1984, 235. 4 BGHZ 83, 122, 131 ff. = NJW 1982, 1703 = AG 1982, 158 = ZIP 1982, 568.

Emmerich

|

839

Anhang § 13

Konzernrecht

erkannte der BGH außerdem für den Fall der Ausgliederung einer 100%igen Tochtergesellschaft aus einer AG, auf die der bei weitem größte Teil des Vermögens der Gesellschaft übertragen werden sollte, ausdrücklich eine Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle auf der Ebene der herrschenden AG an und billigte obendrein den Aktionären der Muttergesellschaft Einzelklagerechte zur Durchsetzung ihrer Rechte zu. Dagegen hat der BGH in einem Urteil vom 15. 6. 1992 jede Form einer Konzernbildungskontrolle bei der die AG ausdrücklich abgelehnt1. 46a

In der Folgezeit ist der BGH auf den Fragenkreis, soweit ersichtlich, erst wieder in den beiden Gelatine-Urteilen vom 26. 4. 2004 zurückgekommen2. In diesen Urteilen hat der BGH die Holzmüller-Doktrin ganz restriktiv interpretiert und auf Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes beschränkt, die an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann3. Dafür genüge nicht die Überschreitung einer Bagattelgrenze von 5 oder 10% des Vermögens; erforderlich seien vielmehr einschneidende Auswirkungen ebenso wie in dem Holzmüller-Fall. Unter diesen Voraussetzungen könnten dann aber nicht nur Ausgliederungen von Tochtergesellschaften, sondern auch Strukturänderungen bei Tochtergesellschaften erfasst werden. Sie bedürften dann außerdem in jedem Fall zwingend einer Zustimmung der Hauptversammlung der Muttergesellschaft mit qualifizierter Mehrheit (s. unten Rdnr. 58 ff.).

47

In der Rechtsprechung der anderen Gerichte hat die Holzmüller-Doktrin bei grundlegenden Strukturentscheidungen in einem Konzern wiederholt Zustimmung gefunden4. Beispiele sind der Erwerb oder die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung, wenn die Maßnahme den Kernbereich der Unternehmenstätigkeit betrifft und die Unternehmensstruktur durch die Maßnahme von Grund auf geändert wird5, sowie die Einbringung des Grundbesitzes, der das wesentliche Vermögen einer Gesellschaft darstellt, in eine Tochtergesellschaft, an der zudem Dritte beteiligt sind6. In der Gesellschaftspraxis werden daher bei der AG tatsächlich gegelentlich etwa Entscheidungen über die Veräußerung wichtiger Tochtergesellschaften den Aktionären zur Entscheidung vorgelegt7.

1 BGHZ 119, 1, 7 = NJW 1992, 2760 = AG 1992, 450 „Asea BBC“; ebenso sodann OLG Stuttgart, AG 2000, 229, 231 f. = NZG 2000, 159 „Breuninger“; LG Mannheim, AG 1991, 29, 30 „SEN“. 2 BGHZ 159, 30 = AG 2004, 384 = NJW 2004, 1860; BGH, NZG 2004, 575. 3 BGHZ 159, 30, 44 ff. (vorige Fn.) „Gelatine I“. 4 S. OLG Köln, AG 1993, 86, 88 = ZIP 1993, 110 „Winterthur/Nordstern“; LG Frankfurt, AG 1993, 287 f.; LG Frankfurt, AG 1998, 45 = ZIP 1997, 1698 = NZG 1998, 113 „Altana/Milupa“: LG Düsseldorf, AG 1999, 94; LG Duisburg, AG 2003, 390 „Babcock Borsig/ HDW I“; LG Duisburg, AG 2004, 159 „Babcock Borsig/HDW II“; OGH, GesRZ 1984, 217; offen gelassen aber in OGH, AG 1996, 382, 383 = JBl. 1996, 728 = GesRZ 1997, 46. 5 LG Duisburg (vorige Fn.); bestätigt durch OLG Düsseldorf, AG 2004, 211 = ZIP 2004, 313. 6 OLG München, AG 1995, 232, 233. 7 Nachw. bei W. Groß, AG 1996, 111; s. auch OLG Frankfurt a.M., AG 1999, 378.

840

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

II. Konzernbildungskontrolle auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft Schrifttum: Insbes. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 115; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 133–282; Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 67, 239 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 3 ff. (S. 1324 ff.); Emmerich, AG 1987, 1; Emmerich, AG 1991, 303; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 8 II (S. 93 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 8 ff. (S. 655 ff.); W. Grauer, Konzernbildungskontrolle im GmbH-Recht, 1991; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 31 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 218–302; Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 1 f.; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 194 ff. (S. 486 ff.); Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 93 ff.

Der Unabhängigkeit einer GmbH können Gefahren aus unterschiedlichen Richtungen drohen1. Der wichtigste Fall dürfte der sein, dass ein Unternehmensgesellschafter nachträglich die Mehrheit der Geschäftsanteile erwirbt, wobei es keine Rolle spielt, ob er schon vorher an der Gesellschaft beteiligt war oder nicht. Auch der Mehrheitserwerb im Zuge einer Kapitalerhöhung gehört hierher. Gleich steht der Fall, dass sich ein privater Mehrheitsgesellschafter nachträglich in einen Unternehmensgesellschafter verwandelt, etwa durch Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit außerhalb der Gesellschaft oder durch die mehrheitliche Beteiligung an einer weiteren Gesellschaft. In die Abhängigkeit der GmbH kann außerdem ein Zusammenschluss mehrerer kleiner Unternehmensgesellschafter führen, mit dem der Zweck verfolgt wird, die Gesellschaft unter ihre Kontrolle zu bringen2. Keiner Berücksichtigung bedarf dagegen im Folgenden der offenbar häufige Fall, dass eine GmbH von vornherein, etwa durch Ausgliederung oder Abspaltung als abhängige Tochtergesellschaft zur Erledigung bestimmter Aufgaben gegründet wird. In den verbleibenden Fällen kommt es vor allem darauf an, ob die Gesellschafter bereits selbst in dem Gesellschaftsvertrag Vorkehrungen zur Sicherung der Unabhängigkeit ihrer Gesellschaft getroffen haben oder nicht. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Etablierung einer wirksamen Konzernbildungskontrolle vornehmlich in dem zweiten Fall (unten Rdnr. 54 ff.).

48

1. Gesellschaftsvertrag a) Nach allgemeiner Meinung ist die Sicherung der Unabhängigkeit der Gesellschaft in erster Linie eine Aufgabe des Gesellschaftsvertrages (§ 45)3. Dafür 1 S. statt aller Emmerich, AG 1987, 1, 2; 1991, 303; Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 2 (S. 1324); Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 194. 2 Vgl. den Fall OLG Saarbrücken, AG 1980, 26 und BGH, AG 1980, 342. 3 Monopolkommission 7. Hauptgutachten, 1986/87, Tz. 860 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 117 ff.; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 143 ff.; Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 66 f.; Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 4 (S. 1324); Doralt, ZGR 1991, 252, 261 ff.; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 72 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 32; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 52 Rdnr. 15 ff. (S. 740 ff.); U. Schneider, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 121 ff.; M. Winter, Treuebindungen, S. 239 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 195; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 93 ff.

Emmerich

|

841

49

Anhang § 13

Konzernrecht

kommen unterschiedliche Regelungen in Betracht1. Als besonders erfolgversprechend gilt allgemein die Vinkulierung der Anteile gem. § 15 Abs. 52. Dabei bleibt freilich zu beachten, dass nach überwiegender Meinung der betroffene Gesellschafter, wenn die Zustimmung zu der Veräußerung der Anteile Sache der Gesellschafter ist, mangels Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 stimmberechtigt ist3, so dass die Vinkulierung der Anteile wirklichen Schutz gegen die nachträgliche Begründung der Mehrheitsherrschaft seitens eines Unternehmensgesellschafters nur bietet, wenn entweder zu der Veräußerung der Anteile die Zustimmung aller Gesellschafter verlangt oder der betroffene Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen wird. 49a

Ähnliche Bedeutung wie der Vinkulierung der Anteile (oben Rdnr. 49) wird verbreitet Wettbewerbsverboten für die Gesellschafter zur Sicherung der Unabhängigkeit der Gesellschaft beigemessen, vor allem, wenn das Wettbewerbsverbot im Sinne eines umfassenden Verbots unternehmerischer Betätigung außerhalb der Gesellschaft formuliert wird4. Daneben ist, gegebenenfalls zusätzlich, an die Einführung von Höchststimmrechten5, an Ankaufs- und Vorkaufsrechte der Gesellschafter hinsichtlich der Anteile der Mitgesellschafter (s. oben § 3 Rdnr. 117) sowie an Ausschlussrechte gegenüber fremden Unternehmensgesellschaftern zu denken. Sollen derartige Schutzmechanismen nachträglich eingeführt werden, so dürfte dafür im Regelfall eine Änderung des Gesellschaftsvertrages mit qualifizierter Mehrheit nach § 53 Abs. 2 genügen6; ein Fall des § 53 Abs. 3 wird nur vorliegen, wenn sich solche Klauseln gezielt gegen einzelne Gesellschafter richten, von denen der Unabhängigkeit der Gesellschaft in besonderem Maße Gefahren drohen. Die Wirksamkeit derartiger Schutzmechanismen ist um so höher einzuschätzen, je enger die Voraussetzungen sind, unter denen jeweils im Einzelfall einem Gesellschafter Befreiung (Dispens) von der fraglichen Beschränkung erteilt werden kann, und umgekehrt (s. unten Rdnr. 50 f.).

50

b) Soll einem Gesellschafter Befreiung (Dispens) von einer der genannten, die Unabhängigkeit der Gesellschaft sichernden gesellschaftsvertraglichen Regelungen erteilt werden (oben Rdnr. 49 f.), so ist danach zu unterscheiden, ob der Gesellschaftsvertrag bereits selbst eine derartige Möglichkeit vorsieht oder nicht. Im zweiten Fall, d.h. bei Fehlen einer gesellschaftsvertraglichen Regelung, ist eine Dispenserteilung nur im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages nach § 53 möglich. Für eine Inhaltskontrolle, wie sie in anderen Fällen der Dispenserteilung erwogen wird (unten Rdnr. 52), dürfte daneben kein 1 S. insbes. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 10 f.; Lutter/ Timm, NJW 1982, 409, 415 f.; K. Schmidt, GmbHR 1979, 121, 132 f.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 196 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 93 ff. 2 S. Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 68 ff. 3 S. unten Rdnr. 51 sowie unten § 47 Rdnr. 117; BGHZ 48, 163, 167 = NJW 1967, 1963; Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 75; Löwenheim, JuS 1969, 260; anders aber Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 199 m.N. 4 S. oben § 3 Rdnr. 89 ff.; Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 79 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 196. 5 Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 78 ff. 6 Im Einzelnen str., s. Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 87 ff.

842

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Raum sein. In Betracht kommt allenfalls eine Missbrauchskontrolle in besonders schwer wiegenden Fällen (§§ 242, 826 BGB). Sieht dagegen bereits der Gesellschaftsvertrag selbst eine Befreiungsmöglichkeit, z.B. von einem Veräußerungs- oder einem Wettbewerbsverbot, vor, so genügt für den Dispens grundsätzlich ein Beschluss der Gesellschafter mit einfacher Mehrheit, sofern nicht der Vertrag selbst eine höhere Mehrheit vorschreibt1. Die zentrale Frage ist in diesen Fällen immer die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 Satz 1. Für den Fall der Zustimmung der Gesellschafter zur Veräußerung von Gesellschaftsanteilen nach § 15 Abs. 5 wird die Frage, wie bereits ausgeführt (oben Rdnr. 49), überwiegend verneint. Anders wird dagegen in der Regel entschieden, soweit es um die Befreiung eines Gesellschafters von einem (vertraglichen oder aus der Treuepflicht abgeleiteten) Wettbewerbsverbot geht2. In zahlreichen weiteren Fällen ist die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 umstritten3. Mit Rücksicht darauf und wegen der bekannten Schwächen von Stimmverboten empfehlen sich deshalb ergänzende Regelungen, insbesondere in Gestalt von Höchststimmrechten oder Stimmrechtsausschlüssen zu Lasten der jeweils betroffenen Gesellschafter.

51

c) Eine verbreitete Meinung tritt wegen der angedeuteten Probleme (oben Rdnr. 51) für eine ergänzende Inhaltskontrolle gegenüber abhängigkeitsbegründenden Beschlüssen der Gesellschafterversammlung ein; Beispiele sind die Zustimmung zur Veräußerung der Anteile oder zur Aufhebung eines Wettbewerbsverbotes4. Die Folge wäre, dass der fragliche Beschluss anfechtbar ist, wenn er nicht (ausnahmsweise) durch die Interessen der Gesellschaft gerechtfertigt ist oder wenn weniger schwer in die Rechte der Mitgesellschafter eingreifende Alternativen zur Verfügung stehen5. Als derartige Alternativen kommen etwa der Erwerb des anderen Unternehmens, in dessen Abhängigkeit die Gesellschaft zu geraten droht, durch die Gesellschaft selbst oder auch treuhänderische Bindungen des neuen herrschenden Unternehmensgesellschafters in Betracht. Die Problematik solcher Inhaltskontrolle liegt in den nur schwer zu konkretisierenden Maßstäben. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass die Inhaltskontrolle bisher – trotz viel versprechender Ansätze in der Rechtsprechung – offenbar keine praktische Bedeutung erlangt hat. Denn es geht hier letztlich um unternehmenspolitische Entscheidungen, deren Kontrolle, von

52

1 BGH, NJW 1981, 1512, 1513 = GmbHR 1981, 190 = AG 1981, 225 (insoweit nicht in BGHZ 80, 69 abgedruckt); Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 73, 83 ff.; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 147 f.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 275 ff. 2 BGH, NJW 1981, 1512, 1513 = GmbHR 1981, 190 = AG 1981, 225; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 173 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 281 ff. 3 Ganz anders Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 120 ff. 4 Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 224 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 4 (S. 1325); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 12 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 8 II 3 (S. 94 f.); Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 76, 82 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33 ff.; Liebscher, S. 281 ff.; skeptisch dagegen Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 120 f.; ganz ablehnend Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 200. 5 BGHZ 80, 69, 74 ff. = NJW 1981, 1512 = GmbHR 1981, 189 = AG 1981, 225 „Süssen“; OGH SZ Bd. 53 (1980) Nr. 172, S. 779, 783 ff. = GesRZ 1981, 44 = GmbHR 1984, 235.

Emmerich

|

843

Anhang § 13

Konzernrecht

evidenten Missbrauchsfällen abgesehen1, kaum den Gerichten übertragen werden kann. 53

d) Sollen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zur Sicherung der Unabhängigkeit der Gesellschaft nachträglich aufgehoben oder geändert werden, so genügt dafür grundsätzlich eine Änderung des Gesellschaftsvertrages mit qualifizierter Mehrheit nach § 53 Abs. 22. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn die darauf hin drohende Konzernierung der Gesellschaft geradezu eine Zweckänderung zur Folge hat (§ 33 BGB). Die Beweislast für das Vorliegen der genannten Voraussetzungen (oben Rdnr. 51 f.) für einen Dispens trifft das herrschende Unternehmen3. Aufgrund seiner Treuepflicht ist der Gesellschafter, der die Gesellschaft in die Abhängigkeit von einem anderen Unternehmen führen will, außerdem zur umfassenden Information seiner Mitgesellschafter verpflichtet (oben Rdnr. 40). Im Schrifttum wird, weit darüber hinaus, zum Teil erwogen, aus der Treuepflicht von Unternehmensgesellschaftern zusätzlich deren Verpflichtung abzuleiten, in weiter gehende Schutzmaßnahmen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Gesellschaft einzuwilligen4. Es ist indessen durchaus zweifelhaft, ob man ohne Anhalt im Gesetz tatsächlich so weit gehen kann5.

2. Fehlen gesellschaftsvertraglicher Sicherungen 54

Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet die Sicherung der Unabhängigkeit der Gesellschaft, wenn der Gesellschaftsvertrag keine Vorsorge für die Erhaltung der Unabhängigkeit der Gesellschaft getroffen hat. In diesen Fällen muss man unterscheiden: In einem Teil der in Betracht kommenden Fallgestaltungen (s. oben Rdnr. 48) geht die Gefahr der Abhängigkeitsbegründung letztlich auf Beschlüsse der Gesellschafter zurück. Paradigmata sind die Zustimmung der Gesellschafter zu der Veräußerung von Geschäftsanteilen an einen unternehmerisch tätigen Mehrheitsgesellschafter (§ 15 Abs. 5) oder zur Aufhebung eines Wettbewerbsverbotes sowie der Ausschluss des Bezugsrechtes der Gesellschafter bei einer Kapitalerhöhung zu Gunsten eines Unternehmensgesellschafters, dem auf diesem Wege die Möglichkeit eröffnet wird, die Mehrheit in der Gesellschaft zu erlangen. In solchen Fällen wird sich in erster Linie die Frage stellen, ob hier zum Schutze der Unabhängigkeit der Gesellschaft Raum für eine ergänzende Inhaltskontrolle ist (unten Rdnr. 55). Nicht alle in Betracht kommenden Fälle lassen sich jedoch auf diesem Wege lösen. Nimmt z.B. ein (bisher) privater Mehrheitsgesellschafter eine unternehmerische Tätigkeit außerhalb der Gesellschaft auf oder erwirbt er an einem anderen Unternehmen eine weitere maßgebliche Beteiligung, so kann offenbar auf dem Weg über eine Inhaltskontrolle von Gesellschafterbeschlüssen, jedenfalls unmittelbar, keine 1 2 3 4 5

Ein Beispiel in OGH (vorige Fn.); s. unten Rdnr. 55. Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37; str. BGHZ 80, 69, 74 ff. = NJW 1981, 1512 = GmbHR 1981, 189 = AG 1981, 225 „Süssen“. Insbes. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 95 f. Ablehnend auch Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 201; s. aber auch unten Rdnr. 56; zu den Rechtsfolgen etwaiger Verstöße gegen die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter s. unten Rdnr. 57.

844

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Abhilfe geschaffen werden. Deshalb ist zu erwägen, in solchen Fällen zusätzliche Schranken aus der Treuepflicht der Gesellschafter abzuleiten. Diskutiert werden in erster Linie ein Wettbewerbsverbot zu Lasten von Mehrheitsgesellschaftern auf Grund der Treuepflicht, jedenfalls bei personalistischen Gesellschaften (unten Rdnr. 55a), sowie eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter zur Begründung der Abhängigkeit der Gesellschaft oder doch zur Eingliederung der Gesellschaft in einen fremden Konzern, wobei wiederum die Mehrheitserfordernisse umstritten sind. a) Wie schon ausgeführt (oben Rdnr. 52), tendiert eine verbreitete Meinung zur Inhaltskontrolle gegenüber Beschlüssen der Gesellschafterversammlung, durch die einem Gesellschafter Befreiung von gesellschaftsvertraglichen Vorkehrungen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Gesellschaft erteilt wird. Beispiele sind die Zustimmung der Gesellschafter zur Veräußerung der Gesellschaftsanteile (§ 15 Abs. 5) oder zur Aufhebung eines vertraglichen Wettbewerbsverbotes. Entsprechende Überlegungen werden häufig angestellt, wenn sich die Notwendigkeit eines derartigen Beschlusses bereits aus dem Gesetz ergibt, wobei insbesondere an den Ausschluss des Bezugsrechtes bei Kapitalerhöhungen zu Gunsten eines Unternehmensgesellschafters zu denken ist1. Die Bedeutung der Inhaltskontrolle in solchen Fällen verdeutlicht ein im Jahre 1980 vom OGH2 entschiedener Fall, in dem die Mehrheit die Gesellschaft dadurch in die Abhängigkeit von einem anderen Unternehmen brachte, dass sie bei einer Kapitalerhöhung nach Ausschluss des Bezugsrechts der Gesellschafter die jungen Anteile einem befreundeten Unternehmen zu einem überaus günstigen Kurs zuschanzte. Jenseits derartiger evidenter Missbrauchsfälle liegt die Problematik jeder Inhaltskontrolle freilich ebenso wie in den bereits besprochenen Fällen (oben Rdnr. 52) in der großen Schwierigkeit einer Konkretisierung der anzuwendenden Maßstäbe, weil die Treuepflicht, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Gleichbehandlungsgrundsatz nur selten klare Aussagen über unternehmenspolitische Entscheidungen der Gesellschafter erlauben.

55

b) In einer Reihe weiterer Fälle wie der Beteiligung eines Unternehmensgesellschafters oder der Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit durch einen Mehrheitsgesellschafter kann der Schutz der Gesellschaft ferner durch ein aus der Treuepflicht abgeleitetes Wettbewerbsverbot für Mehrheitsgesellschafter sichergestellt werden, dessen Anwendungsbereich auch nicht auf personalistische Gesellschaften beschränkt werden sollte (s. im Einzelnen oben § 3 Rdnr. 92 ff.) und von dem die Gesellschafterversammlung dann lediglich von Fall zu Fall, nach manchen sogar nur mit qualifizierter Mehrheit, Befreiung erteilen kann3. Wie bereits aus-

55a

1 Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 85 ff.; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 280 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 283 ff.; Lutter/Hommelhof, Rdnr. 15; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 52 Rdnr. 20 f. (S. 741 f.); Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 58 ff.; ablehnend jedoch gegenüber jeder Inhaltskontrolle Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 120 f.; Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 239, 276, 281 ff.; zum Bezugsrechtsausschluss s. im Übrigen eingehend unten § 55 Rdnr. 52 ff. 2 OGH SZ Bd. 53 (1980) Nr. 172, S. 779, 783 ff. = GesRZ 1981, 44 = GmbHR 1984, 235. 3 Nachw. s. oben § 3 Rdnr. 91, 96 sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 122 ff.; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 192 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 245 ff.; Geiger, Wettbewerbsverbote; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 91 ff.;

Emmerich

|

845

Anhang § 13

Konzernrecht

geführt (oben Rdnr. 51), liegt der Vorteil dieser Lösung darin, dass bei diesem Beschluss der betreffenden Gesellschafter nach § 47 Abs. 4 Satz 1 kein Stimmrecht hat (oben Rdnr. 51). Ein Allheilmittel stellen derartige aus der Treuepflicht abgeleitete Wettbewerbsverbote gleichwohl nicht dar, da sie heute mit Rücksicht auf § 1 GWB und Art. 81 EG-Vertrag nur noch in engen Grenzen anerkannt werden können und da der von ihnen ausgehende Schutz der Unabhängigkeit der Gesellschaft ohnehin versagt, wenn der Gesellschaft von der unternehmerischen Tätigkeit des Mehrheitsgesellschafters keine Konkurrenz droht, ohne dass dadurch indessen die Gefahren der Abhängigkeit verringert würden. 56

c) In den zuletzt genannten Fällen, in denen Abhilfe über die Annahme eines konkludenten Wettbewerbsverbots nicht möglich ist (oben Rdnr. 55a), ist nach einer verbreiteten Meinung aus der Treuepflicht der Gesellschafter die zusätzliche Verpflichtung der Gesellschafter abzuleiten, alles zu unterlassen, was die Selbständigkeit der Gesellschaft beeinträchtigen könnte, weil grundsätzlich jede Abhängigkeit die Gefahr einer nachhaltigen Schädigung der Gesellschaft und schwer wiegender Eingriffe in die Rechte der Mitgesellschafter heraufbeschwört1. Eine verbreitete Meinung leitet daraus die Notwendigkeit der Zustimmung der Gesellschafter zu der Begründung der Abhängigkeit ab, da nur die Gesellschafterversammlung einem Gesellschafter Befreiung von seiner Treuepflicht erteilen könne, jedenfalls, wenn es sich um eine personalistische Gesellschaft handelt. Noch offen ist, ob für derartige Zustimmungsbeschlüsse die einfache Mehrheit der Gesellschafterversammlung genügt oder eine qualifizierte Mehrheit entsprechend § 53 Abs. 2 nötig ist2. Dem ist jedoch, wie schon gezeigt, die jüngste Rechtsprechung ebenso wenig gefolgt wie die heute wohl überwiegende Meinung3. Das Problem liegt wieder in der mangelnden Konkretisierbarkeit der auf derartigen Zustimmungsbeschlüsse anwendbaren Maßstäbe, so dass kaum zu erwarten ist, dass sich die postulierte Notwendigkeit von Zustimmungsbeschlüssen auf die Dauer durchsetzen wird4. Anders verhält es sich nur in Fällen, in denen der Übergang zu Konzernsituationen droht, die früher mit dem Stichwort qualifizierter faktischer Konzern umschrieben wurden. Dass hierzu die Zustimmung der Gesellschafter, und zwar grundsätzlich aller erforderlich ist, folgt schon aus § 33 BGB5. Statt dessen ist

1 2

3

4 5

Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33 f.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 64; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 95. S. oben Rdnr. 53; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 93 ff. S. 9. Aufl., Rdnr. 57 sowie Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 8 ff. (S. 1326 ff.) m.N.; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 192 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Raiser/ Veil, Kapitalgesellschaften, § 52 Rdnr. 21 ff. (S. 742 f.); Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 62. S. oben Rdnr. 46 sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 129 ff.; Bälz, AG 1992, 277, 300; Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 267 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 8 II 5 (S. 96); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 112; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3360 (S. 260); Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 102 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 41; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 207. Anders noch in der Tendenz Emmerich, AG 2001, 303, 308 m.N. Wegen der Einzelheiten s. unten Rdnr. 91 ff. sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 120; Emmerich, AG 2001, 303, 308; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 41; anders auch hier Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 289.

846

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

auch an ein Austrittsrecht der anderen Gesellschafter aus wichtigem Grunde zu denken1.

3. Rechtsfolgen Noch weitgehend ungeklärt sind die Rechtsfolgen, die eingreifen, wenn ein Gesellschafter die Gesellschaft ohne Erfüllung der genannten Voraussetzungen (oben Rdnr. 49 ff.) in Abhängigkeit von einem anderen Unternehmen bringt. In erster Linie ist hier, soweit möglich, an die Anfechtung der betreffenden Gesellschafterbeschlüsse zu denken (oben Rdnr. 51, 55). Soweit dies nicht weiterhilft, ist zu bedenken, dass das Verhalten des betreffenden Gesellschafters einen schwer wiegenden Verstoß gegen seine Treuepflicht gleichermaßen gegenüber der Gesellschaft wie gegenüber den Mitgesellschaftern darstellt, so dass als Rechtsfolge in erster Linie Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche der Gesellschaft in Betracht kommen (§§ 242, 280 Abs. 1, 249 BGB)2. Auch an einen Ausschluss des betreffenden Gesellschafters aus wichtigem Grunde, gegebenenfalls im Wege der Einziehung seines Geschäftsanteils, ist hier zu denken (§ 34). Bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot kommt ferner das Eintrittsrecht der Gesellschaft entsprechend § 113 HGB in Betracht3. Für die Durchsetzung dieser Rechte stehen der Minderheit die Wege der §§ 50 und 51a i.V.m. § 43 und § 46 Nrn. 5, 6 und 8 offen; daneben ist hier vor allem an die actio pro socio zu denken (s. oben § 13 Rdnr. 53).

III. Konzernbildungskontrolle auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft Schrifttum: S. oben § 37 Rdnr. 64 ff.; zum Abschluss von Unternehmensverträgen s. unten Rdnr. 125 ff., § 53 Rdnr. 164 ff. sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 143; Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 13–16 (S. 1329 ff.); Emmerich, AG 1987, 1, 2 f.; Emmerich, AG 1991, 303, 308 f.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 III (S. 104 f.); Emmerich/Habersack, Kommentar, Vor § 311 AktG Rdnr. 31 ff., § 318 AktG Anh. Rdnr. 47–50 (S. 504, 673 ff.); Habersack, AG 2005, 137; Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, 1998, S. 203; Hoffmann/Sauter, GmbHR 1997, 639; Fr. Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 24 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 42, 72 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 160–182; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 f.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 52 Rdnr. 30 ff. (S. 745 ff.); Reichert, AG 2005, 150: U. Schneider, in: Hommelhoff, Entwicklungen, S. 121, 124 ff.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 409 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 69, 94 ff.; U. Wackerbarth, Grenzen der Leistungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001, §§ 16–18 (S. 469 ff.); Weißhaupt, AG 2004, 585; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 202–223; Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, 1991; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 156 ff.

1 S. unten § 15 Rdnr. 114 ff. sowie (mit unterschiedlichen Voraussetzungen) Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 11 (S. 1328 f.); Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; dagegen Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 285, 289. 2 S. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 I 3 (S. 102 f.). 3 S. im Einzelnen Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 12 (S. 1239).

Emmerich

|

847

57

Anhang § 13

Konzernrecht

58

1. Der Aufbau von Unternehmensverbindungen kann nicht nur für die abhängige, sondern auch für die herrschende Gesellschaft und ihre Gesellschafter gravierende Konsequenzen haben1. Für die herrschende Gesellschaft selbst resultieren sie vor allem aus den wachsenden Haftungsrisiken, in erster Linie natürlich in Vertragskonzernen (s. die §§ 302 und 303 AktG), während bei den Gesellschaftern insbesondere die Gefahren ins Auge stechen, die sich daraus ergeben, dass ihre Mitverwaltungsrechte in der Gesellschaft in dem Maße mediatisiert werden, in dem die Verwaltung der Obergesellschaft eines Konzerns deren Aktivitäten in Tochter- und Enkelgesellschaften verlagert, weil die Beteiligungsverwaltung traditionell als Domäne der Verwaltung der Obergesellschaft gilt2. Zugleich droht das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter zur leeren Hülse zu verkümmern, wenn die Verwaltung dazu übergeht, die Gewinne systematisch bei den Tochtergesellschaften zu thesaurieren3. Dass das Recht hier gegensteuern muss, liegt auf der Hand. Die Frage ist nur: wie.

59

Üblicherweise wird zu diesem Zweck auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft zwischen einer Gruppen- oder Konzernbildungs- und einer Gruppenoder Konzernleitungskontrolle unterschieden. Unterscheidungsmerkmal soll sein, ob sich die fragliche Maßnahme auf einen bereits bestehenden Konzern bezieht (dann Gruppen- oder Konzernleitungskontrolle) oder ob es sich um den ersten Akt des Aufbaues eines neuen Konzerns handelt (dann Gruppen- oder Konzernbildungskontrolle); gleich steht der weitere Ausbau eines schon bestehenden Konzerns. Gelegentlich spricht man in diesem Zusammenhang auch von einer Konzernumbildungs- oder Konzernfortbildungskontrolle (unten Rdnr. 63b).

60

Die Unterscheidung zwischen Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle hat sich vor allem deshalb eingebürgert, weil der BGH in dem Holzmüller-Urteil vom 25. 2. 1982 (BGH II ZR 174/80) dahin zu tendieren scheint, für beide Fragenkreise unterschiedliche Kontrollmaßstäbe anzuwenden4. Die sachliche Berechtigung der Unterscheidung ist gleichwohl zweifelhaft, da man den Erwerb oder die Veräußerung wichtiger Beteiligungen schwerlich unterschiedlich beurteilen kann, je nachdem, ob die Gesellschaft bereits andere Tochtergesellschaften besitzt oder nicht5. Zumindest sollten deshalb die Maßstäbe der Kon1 Zu diesen Gefahren s. Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 13 (S. 1329 f.); Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, § 1 III 3c (S. 11); Emmerich/Habersack, Kommentar, Vor § 311 AktG Rdnr. 1 ff., § 318 Rdnr. 41 f.; Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, S. 203; Jungkurth, Konzernleitung, S. 24 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 52 Rdnr. 30 f. (S. 745 f.); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 209. 2 Zur Herabstufung einer Tochter in eine Enkelgesellschaft und zu der damit verbundenen Mediatisierung der Gesellschafterrechte s. zuletzt die beiden Gelatine-Urteile des BGHZ 159, 30 = NJW 2004, 1860 = AG 2004, 384 und II ZR 154/02, NZG 2004, 575. 3 S. zuletzt insbes. Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, S. 208 ff.; U. Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht, § 17 (S. 478 ff.). 4 BGHZ 83, 122, 131, 138 ff. = NJW 1982, 1703 = AG 1982, 158 = ZIP 1982, 568; ebenso sodann LG Köln, AG 1992, 238, 239 f.; OLG Köln, AG 1993, 86 „Winterthur/Nordstern“. 5 Zutreffend Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 463, 471 ff.

848

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

zernbildungs- und der Konzernleitungskontrolle nach Möglichkeit einander angenähert werden (unten Rdnr. 62, 64 f.). Art und Ausmaß der Konzernbildungs- wie der Konzernleitungskontrolle hängen naturgemäß in erster Linie von der Rechtsform der herrschenden Gesellschaft ab. Im Folgenden interessiert allein die GmbH als herrschende Gesellschaft. Wegen der Rechtslage bei der AG und bei Personengesellschaften in der Rolle der herrschenden Gesellschaft ist auf Darstellungen an anderer Stelle zu verweisen1.

61

2. Die Beteiligungsverwaltung ist bei der GmbH an sich Sache der Geschäftsführung (§§ 35 ff.)2. Jedoch müssen die Geschäftsführer dabei die Schranken beachten, die die Grundlagenkompetenz der Gesellschafter sowie Gegenstand und Zweck der Gesellschaft ihrer Geschäftsführungsbefugnis ziehen3. Folglich sind ihnen, vorbehaltlich der §§ 123 ff. UmwG, die Ausgliederung von Tochtergesellschaften ebenso wie der Erwerb von Beteiligungen grundsätzlich nur erlaubt, wenn sie dem Gesellschaftervertrag entsprechen, durch Zweck und Gegenstand der Gesellschaft gedeckt sind und durch diese Vorgänge außerdem nicht in die Zuständigkeit der Gesellschafter für die grundlegenden Entscheidungen über die Geschäftspolitik eingegriffen wird. Andernfalls bedürfen die Geschäftsführer der vorherigen Zustimmung der Gesellschafter, und zwar mit qualifizierter Mehrheit, wenn durch die fraglichen Maßnahmen der Sache nach der Zweck oder der Gegenstand der Gesellschaft geändert wird (§ 53).

62

Über diese Grundsätze besteht heute im Grundsatz Einigkeit4. Zahlreiche Details sind jedoch nach wie vor offen. Hervorzuheben sind die folgenden Punkte: Zunächst geht es um die Frage, ob hier eine Bagatellgrenze anzuerkennen ist, jenseits derer für eine Konzernbildungskontrolle kein Raum mehr ist5. Im Schrifttum wurden dafür eine Zeitlang unterschiedliche Beträge zwischen 5% und 50%, bezogen noch dazu auf unterschiedliche Parameter wie Vermögen, Umsatz und dergleichen mehr genannt. Allen diesen Versuchen letztlich zur Ausdehnung der Holzmüller-Doktrin hat der BGH jedoch mittlerweile in den beiden Gelatine-Urteilen für die AG eine klare Absage erteilt6. Um eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bei der AG annehmen zu können, muss vielmehr die fragliche Maßnahme ungefähr 75 bis 80% des Vermögens der AG betreffen7. Auf die GmbH mit ihrer ganz anderen Struktur und der

62a

1 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 II und IV (S. 103, 105 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, Vor § 311 AktG Rdnr. 1 ff. 2 S. unten § 37 Rdnr. 17, 64 ff.; OLG Koblenz, NJW-RR 1991, 487, 488. 3 S. unten § 37 Rdnr. 5, 10, 65; BGH, LM Nr. 7 zu § 37 GmbHG = NJW 1991, 1681 = GmbHR 1991, 197 = AG 1991, 235, 236; OLG Koblenz, NJW-RR 1991, 487, 488; ausführlich Jungkurth, Konzernleitung, S. 27 ff.; Tieves, Unternehmensgegenstand, S. 268 ff. 4 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 143; Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 14 ff. (S. 1330 f.); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 III 1, IV 1 (S. 104 f.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 42 f.; Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, S. 203, 211 f.; Jungkurth, Konzernleitung, S. 27 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 211 ff. 5 S. Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, S. 203, 213 f.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 212. 6 BGHZ 159, 30, 45 f., 47 = NJW 2004, 1860 = AG 2004, 384; BGH, NZG 2004, 575. 7 S. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 IV 1d (S. 108 ff.).

Emmerich

|

849

Anhang § 13

Konzernrecht

prinzipiellen Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung lässt sich diese Rechtsprechung indessen wohl nicht übertragen; hier bleibt es vielmehr dabei, dass die Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung alle Maßnahmen mit außergewöhnlichem Charakter einschließlich eben solcher der Gruppenbildung und Gruppenumbildung zur Beschlussfassung vorlegen müssen1. 62b

Die zweite nach wie vor nur als ungeklärt zu bezeichnende Frage geht dahin, ob der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter zusätzlich zum Schutze der Minderheit einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen ist2. Der Sache nach kann es dabei aber um nicht mehr als um eine Missbrauchskontrolle gehen, wie sie immer möglich ist3. Hinzuweisen bleibt noch darauf, dass die vorstehend entwickelten Grundsätze (oben Rdnr. 62 f.) auch und gerade für die Gründung von Tochtergesellschaften gelten, soweit nicht die Sonderregelungen des UmwG eingreifen4.

63

3. Wegen der geschilderten Schranken für die Beteiligungsverwaltung der Geschäftsführer (oben Rdnr. 62 f.) setzen sich in der Praxis zunehmend so genannte Ermächtigungs-, Konzernierungs-, Satzungs- oder Konzernklauseln durch. Man versteht darunter Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag, nach denen die Gesellschaft grundsätzlich befugt sein soll, Tochtergesellschaften zu erwerben und Konzerne aufzubauen. In den beiden bereits mehrfach erwähnten Gelatine-Urteilen hat der BGH indessen solchen Klauseln, soweit nach der Holzmüller-Doktrin bei der AG eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung anzunehmen ist, jede Bedeutung abgesprochen; ohne Rücksicht auf die Konzernklausel ist in diesem Bereich vielmehr stets eine Zustimmung der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit erforderlich5. Das Schrifttum tritt überwiegend für eine Übertragung dieses Gedankens auf die GmbH ein – mit der weit reichenden Folge, dass jedenfalls fortan strukturändernde Gruppenbildungs- und Gruppenumbildungsmaßnahmen zur zwingenden Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung gehören, über die die Gesellschafter nur mit qualifizierter Mehrheit beschließen können6. Auf jeden Fall aber sind fortan Konzernklauseln im Lichte der Holzmüller/Gelatine-Doktrin ganz restriktiv zu handhaben, so dass, wie immer im Übrigen die Klausel formuliert sein mag, bei strukturändernden außergewöhnlichen Maßnahmen der Gruppenbildung oder -umbildung die Gesellschafterversammlung mit qualifizierter Mehrheit zustimmen muss (§ 53)7.

1 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 III 1 (S. 104 f.). 2 Dafür Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 47; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 52 Rdnr. 36 (S. 747); dagegen Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 15 (S. 1330); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 216. 3 Ebenso Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 15 (S. 1330). 4 S. statt aller Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 210. 5 BGHZ 159, 30, 45 f. = NJW 2004, 1860 = AG 2004, 384; II ZR 154/02, NZG 2004, 575. 6 In diesem Sinne Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 III 1 (S. 104 f.); Reichert, AG 2005, 150, 159 f. 7 Im Einzelnen str., s. unten § 37 Rdnr. 64 ff.; wie hier in der Tendenz früher auch schon Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, S. 203, 216; Jungkurth, Konzernleitung, S. 42 ff.; Raiser/ Veil, Kapitalgesellschaften, § 68 Rdnr. 35 (S. 746).

850

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Konzernklauseln ändern nichts an den allgemeinen Pflichten der Geschäftsführer. Sie bleiben deshalb selbst bei solchen Maßnahmen, die an sich (ausnahmsweise) durch die Klausel gedeckt sein mögen, verpflichtet, Maßnahmen mit für die betreffende Gesellschaft außergewöhnlichem Charakter den Gesellschaftern zur Beschlussfassung vorzulegen, widrigenfalls sie sich schadensersatzpflichtig machen (§ 43). Die Gesellschafter können solche Vorlegung auch selbst erzwingen (§ 50 Abs. 1) und dann durch entsprechende Weisungsbeschlüsse in die Beteiligungsverwaltung eingreifen. Vor allem in diesem Zusammenhang kommt dem Auskunfts- und Einsichtsrecht der Gesellschafter (§ 51a) zentrale Bedeutung zu.

63a

4. Von der Konzernbildung wird häufig, wie bereits betont (oben Rdnr. 59), die Konzernfortbildung unterschieden. Man versteht darunter Maßnahmen zum Ausbau und zur Vertiefung der bereits bestehenden Unternehmensverbindung. Paradigmata sind die Einbeziehung abhängiger Gesellschaften in einen von der herrschenden Gesellschaft geleiteten Konzern (§ 18 Abs. 1 AktG) sowie der Ausbau dieses Konzerns durch den Abschluss von Unternehmensverträgen (§§ 291 ff. AktG). Ob hier erneut Raum für eine Konzernbildungskontrolle durch Einschaltung der Gesellschafter der herrschenden Gesellschaft ist, ist noch ungeklärt1. Die Tendenz geht heute wohl dahin, die Bildung einfacher faktischer Konzerne keiner zusätzlichen Kontrolle zu unterwerfen, wohl aber den Übergang zu solchen Zuständen, die früher mit dem Stichwort qualifizierter faktischer Konzern umschrieben zu werden pflegten2. Für den Abschluss von Unternehmensverträgen folgt dasselbe bereits aus den entsprechend anwendbaren §§ 291 ff. AktG (unten Rdnr. 125, 139 ff., § 53 Rdnr. 64 ff.).

63b

5. Die vorstehend entwickelten Rechtsinstitute zum Schutze der Minderheit gegen die ihr von einer Konzernbildung auch auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft drohenden Gefahren (oben Rdnr. 62 ff.) finden ihre Grundlage letztlich in der Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern. Für die Rechtsfolgen bei einer Übergehung der Mitwirkungsrechte der Gesellschafter bei Konzernbildungsmaßnahmen folgt daraus, dass die Gesellschafter, solange die Maßnahmen noch nicht endgültig sind, Unterlassung und Beseitigung durch Rückgängigmachung der Maßnahmen verlangen können (§§ 242, 249, 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 1004 BGB)3. Dagegen wird die Wirksamkeit der fraglichen Maßnahmen im Außenverhältnis durch die Verletzung der Zuständigkeit der Gesellschafter grundsätzlich nicht berührt, soweit nicht ein Missbrauch der Vertretungsmacht vorliegt (§ 37 Abs. 2). Hilfsweise kommen Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft sowie auch gegen die Geschäftsführer in Betracht (§ 43 Abs. 1). Zur Durchsetzung ihrer Rechte hat die Minderheit das Auskunftsrecht des § 51a sowie das Recht, die Einberufung der Gesellschafterversammlung zu verlangen (§ 50)4. Von Fall zu Fall sind schließlich auch

63c

1 S. schon Emmerich, AG 1987, 1 ff.; 1991, 303 ff. 2 S. unten Rdnr. 91; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 46, 49 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 220 ff. 3 BGHZ 83, 122, 127 = NJW 1982, 1703 = AG 1982, 158 = ZIP 1982, 568 „Holzmüller“; LG Stuttgart, AG 1992, 236, 237 f. 4 Vgl. für die AG zuletzt LG Duisburg, ZIP 2004, 76, 78 = AG 2004, 159 „Babcock Borsig“; bestätigt durch OLG Düsseldorf, ZIP 2004, 313 = AG 2004, 211.

Emmerich

|

851

Anhang § 13

Konzernrecht

Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Mehrheitsgesellschafter in der herrschenden Gesellschaft denkbar, wenn sie in dem genannten Sinne von ihrem Einfluss auf die Geschäftsführer zum Schaden der Minderheit Gebrauch gemacht haben1.

IV. Konzernleitungskontrolle Schrifttum: S. unten § 37 Rdnr. 66 f.; Emmerich, AG 1987, 1, 3; Emmerich, AG 1991, 303; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 III 2 (S. 105); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 50; Eisenhardt, in: FS Pfeiffer, 1988, S. 839; Fleischer, NJW 2004, 2335; H. Götz, in: FS Selmer, 2004, S. 375; Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, S. 302, 217 f.; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982; Liebscher, ZGR 2005, 1; Fr. Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 51, 118 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 94 ff.; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst.n4 Rdnr. 224–233.

64

1. Bei der Konzernleitungskontrolle hat man in erster Linie Maßnahmen der Verwaltung der herrschenden Gesellschaft im Rahmen bereits bestehender Unternehmensverbindungen im Auge (s. schon oben Rdnr. 59 f.). Beispiele sind die Zusammenfassung abhängiger Gesellschaften in einem von der herrschenden Gesellschaft geführten Konzern (§ 18 Abs. 1 AktG; s. dazu schon oben Rdnr. 63b) sowie insbesondere die Ausübung der der herrschenden Gesellschaft auf Grund ihrer Beteiligung bei den abhängigen Gesellschaften zustehenden Rechte. Besonderes Gewicht haben dabei neben der Veräußerung von Töchtern die Entscheidungen über die Gewinnverwendung, über die Beteiligung Dritter an solchen Gesellschaften, namentlich im Rahmen von Kapitalerhöhungen, sowie über den Abschluss von Unternehmensverträgen auf der Ebene der abhängigen Gesellschaften.

64a

Es besteht heute weit gehende Übereinstimmung darüber, dass die Verwaltung der herrschenden Gesellschaft, bei einer herrschenden GmbH also deren Geschäftsführer, derartige Maßnahmen (oben Rdnr. 64) nicht unkontrolliert durch die Gesellschafter nach eigenem Gutdünken vornehmen dürfen. Sie sind vielmehr, um den Gesellschaftern ihre Kontrollrechte zu ermöglichen, von sich aus verpflichtet, alle außergewöhnlichen Maßnahmen der genannten Art bei den abhängigen Gesellschaften den Gesellschaftern der herrschenden Gesellschaft zur Entscheidung vorzulegen. Denn auch die Billigung von Unternehmensverbindungen durch die Gesellschafter (oben Rdnr. 62 ff.) ändert nichts daran, dass sich die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer grundsätzlich auf die laufenden oder gewöhnlichen Geschäfte beschränkt, während zu darüber hinausgehenden Geschäften die Zustimmung der Gesellschafter erforderlich ist und bleibt (§ 116 HGB analog; s. unten § 37 Rdnr. 12 ff., 66 f.). Dies gilt auch für die Beteiligungsverwaltung2. Dabei beurteilt sich aus der Sicht der Obergesell1 Wegen der Einzelheiten s. Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 16 (S. 1331); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 9 I 3 (S. 102 f.); Henssler, in: FS Zöllner, Bd. I, S. 203, 216; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42, 48; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 218 ff.; M. Winter, Treuebindungen, S. 306 ff. 2 S. unten § 37 Rdnr. 66 f.; BGH, LM Nr. 7 zu § 37 GmbHG = NJW 1991, 1681 = GmbHR 1991, 197 = AG 1991, 235, 236; OLG Frankfurt, AG 1988, 335; Emmerich/Habersack,

852

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

schaft (und nicht aus der der Tochtergesellschaften), ob eine Maßnahme bei den Tochtergesellschaften außergewöhnlichen Charakter trägt (s. unten § 37 Rdnr. 66 f.). Die grundsätzlich zu billigende Folge ist, dass die Gesellschafter (und nicht etwa die Geschäftsführer) über die Grundsätze der Konzernpolitik einschließlich der Gewinnverwendung sowie über sonstige weit reichende Maßnahmen bei den Töchtern entscheiden, jedenfalls, wenn sie aus der Sicht der Obergesellschaft nachhaltig in die Rechte der Gesellschafter eingreifen können. Beispiele sind Kapitalerhöhungen, der Abschluss von Unternehmensverträgen, die Beteiligung Dritter und die Veräußerung wesentlicher Vermögensteile der Töchter1. Soweit nach dem Gesagten Mitwirkungsrecht der Gesellschafter in der herrschenden Gesellschaft bestehen, haben diese Rechte freilich nur gesellschaftsinterne Wirkung, Außenwirkung auf die Ausübung der Beteiligungsrechte in den abhängigen Gesellschaften dagegen nur in dem Sonderfall des Missbrauchs der Vertretungsmacht (§ 37 Abs. 2).

64b

2. Von der Frage der Konzernleitungskontrolle (oben Rdnr. 64 ff.) ist die noch wenig geklärte Frage der Konzernleitungspflicht zu trennen. Man versteht darunter die im Schrifttum gelegentlich befürwortete Verpflichtung der Verwaltung der herrschenden Gesellschaft, von den Rechten der herrschenden Gesellschaft in abhängigen Gesellschaften auch tatsächlich im Sinne einer umfassenden Konzernbildung unter ihrer Leitung Gebrauch zu machen2. Von der überwiegenden Meinung wird bisher solche Konzernleitungspflicht der herrschenden Gesellschaft – mit guten Gründen – abgelehnt. Gegen ihre Befürwortung spricht vor allem der grundsätzlich unerwünschte konzentrationsfördernde Effekt, der von einer derartigen Pflicht mit Notwendigkeit ausginge. Unberührt bleibt die Haftung der Verwaltung der herrschenden Gesellschaft für die ordnungsmäßige Ausübung ihrer Rechte in den abhängigen Gesellschaften (§ 43)3.

64c

D. Faktischer Konzern Schrifttum: S. oben § 13 Rdnr. 98 ff. sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 132 ff.; Altmeppen, Abschied vom „qualifiziert faktischen Konzern“, 1991; M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 126 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 17 ff., § 69 (S. 1331, 1338 ff.); Emmerich, AG 1987, 1; Emmerich, GmbHR 1987, 213; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 (S. 417 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 22 ff. (S. 660 ff.); Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3359 ff. (S. 259 ff.); Goette, GmbHG, § 9 (S. 327 ff.); Fr. Jungkurth, Konzernleitung bei der GmbH, 2000, S. 117 ff.; Kallmeyer, in: GmbH-Hand-

Konzernrecht, § 9 III 2 (S. 105); ausführlich Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 224–233; anders offenbar Henssler, in: FS Zöllner Bd. I, S. 203, 217 f. 1 S. außer den Genannten (vorige Fn.) insbesondere noch Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 f. sowie für die AG LG Frankfurt, AG 1998, 45 = NZG 1998, 113 = ZIP 1997, 1698 „Altana/Milupa“ m. Anm. Zeidler, NZG 1998, 91. 2 Grdlg. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht; Jungkurth, Konzernleitung, S. 51 ff. 3 Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 233; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 159; zu § 309 AktG s. noch Emmerich, in: FS Sonnenschein, 2003, S. 651.

Emmerich

|

853

Anhang § 13

Konzernrecht

buch, Rz. I 851 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 71 ff.; Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 16 ff. (S. 312 ff.); B. Orth, DStR 1994, 250; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 53 Rdnr. 46 ff. (S. 762 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 III (S. 1219 ff.); Tröger, Treupflicht im Konzernrecht, 2000; Ulmer, in: Hachenburg, § 77 Anh. Rdnr. 71–93; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 234 ff. (S. 501 ff.); Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 76 ff.

I. Überblick 65

Die GmbH-Konzerne sind in ihrer Mehrzahl offenbar faktische Konzerne, wobei mit „faktischen Konzernen“ im Folgenden – pars pro toto – durchweg sowohl einfache Abhängigkeitsverhältnisse (§ 17 AktG) als auch „echte“ faktische Konzerne im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG gemeint sein sollen (s. auch § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG und dazu oben Rdnr. 29). Von den „einfachen“ faktischen Konzernen sind zunächst die (früher) so genannten qualifizierten faktischen Konzerne zu unterscheiden (unten Rdnr. 91 ff.). Von einem solchen spricht oder sprach man doch bisher, wenn die abhängige Gesellschaft derart umfassend in den Konzern des herrschenden Unternehmens eingegliedert wird, dass die einzelnen Einflussmaßnahmen des herrschenden Unternehmens nicht mehr isoliert werden können. Von den faktischen Konzernen zu unterscheiden sind ferner die Vertragskonzerne, beruhend auf dem Abschluss eines Beherrschungsvertrages zwischen den verbundenen Unternehmen (§ 291 AktG; s. dazu unten Rdnr. 129 ff.), sowie die eigenartigen Gleichordnungskonzerne des § 18 Abs. 2 AktG, die bisher im GmbH-Konzernrecht kaum Beachtung gefunden haben1.

66

Die Ursache für das Vorwiegen faktischer Konzerne im GmbH-Recht hat man wohl in erster Linie in der von der AG abweichenden Zuständigkeitsordnung der GmbH zu suchen, die zur Folge hat, dass in der GmbH die Mehrheitsherrschaft über die Gesellschafterversammlung (noch) nahezu total ist (§§ 37 Abs. 1, 45, 46)2. Des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages bedarf es zu solcher Herrschaft daher anders als bei der AG (s. § 76 AktG) grundsätzlich nicht. Wenn gleichwohl bis in die heutigen Tage offenbar immer wieder Beherrschungsverträge, meistens in Gestalt eines Organschaftsvertrages, auch mit abhängigen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH abgeschlossen wurden, so wohl vorwiegend aus steuerlichen Gründen, da früher der Abschluss eines Beherrschungsvertrages die Erfüllung der Voraussetzungen der gewerbeund der körperschaftsteuerlichen Organschaft erleichterte, weil dann nämlich ohne weiteres von der erforderlichen wirtschaftlichen Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger auszugehen war (§§ 14, 17 KStG a.F.). Seit der Änderung des § 14 KStG durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz von 20033 ist jedoch die wirtschaftliche Eingliederung als Voraussetzung der Organschaft entfallen, so dass, jedenfalls aus steuerlicher Sicht, der Abschluss von Beherr-

1 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 IV (S. 57 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 18 AktG Rdnr. 25 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 IV (S. 1237 ff.). 2 S. Hommelhoff, ZGR 1978, 119; Konzen, NJW 1989, 2977; Zöllner, ZGR 1977, 319. 3 BGBl. I, 660.

854

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

schungsverträgen nicht mehr nötig oder auch nur sinnvoll ist, um die Vorteile der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft in Anspruch nehmen zu können. Im Schrifttum wird daraus verbreitet der Schluss gezogen, dass in Zukunft die Bedeutung des Beherrschungsvertrages, und zwar auch und gerade im GmbH-Recht, deutlich zurückgehen wird. Sichere Voraussagen sind aber naturgemäß nicht möglich. Über die Notwendigkeit besonderer Schutzvorkehrungen zu Gunsten der Minderheit und der Gläubiger in faktischen GmbH-Konzernen besteht heute weit gehende Einigkeit, wobei die Akzente zum Teil auf den umfassenden Ausbau der gesetzlichen Minderheitsrechte1, zum Teil – zusätzlich – auf die Entwicklung spezifischer konzernrechtlicher Schutzinstrumente gelegt wird (so die wohl überwiegende Meinung). Dabei werden verschiedene Haftungsmodelle diskutiert2. Da diese indessen in der Mehrzahl der Fälle zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangt, genügt im vorliegenden Zusammenhang ein kurzer Überblick (unten Rdnr. 68–70).

67

Nach überwiegender Meinung ist bei der Haftung des herrschenden Unternehmens für eine nachteilige Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft vorrangig an die (gesteigerte) Treuepflicht des ersteren gleichermaßen gegenüber der abhängigen Gesellschaft wie gegenüber den Mitgesellschaftern anzuknüpfen, aus der seine Verpflichtung abgeleitet wird, bei Maßnahmen in der abhängigen Gesellschaft auf den gemeinsamen Zweck sowie die legitimen Interessen der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen (s. §§ 242, 705 BGB). Das herrschende Unternehmen macht sich schadensersatzpflichtig, sobald es auf die abhängige Gesellschaft in einer Weise Einfluss nimmt, durch die diese grundlos geschädigt wird oder durch die die Rechte der Mitgesellschafter ohne Not verkürzt werden. Als Haftungsmaßstab wird dabei meistens § 43 GmbH entsprechend herangezogen3. Die Möglichkeit einer Abwendung der Haftung durch Nachteilsausgleich entsprechend § 311 AktG wird mit Rücksicht auf die abweichende Haftungskonzeption überwiegend abgelehnt4.

68

Prinzipiell in dieselbe Richtung weist die Herleitung der Haftung des herrschenden Unternehmens für nachteilige Einflussnahmen auf die abhängige Ge-

69

1 Insbes. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 133 ff.; Altmeppen, Abschied vom „qualifiziert faktischen Konzern“, 1991. 2 S. Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 657, 676 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 II (S. 417 ff.); Orth, DStR 1994, 250; Limmer, Haftungsverfassung, passim. 3 Monopolkommission, 7. Hauptgutachten, Tz. 864; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 140; Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 17 (S. 1331 f.); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 II 2/III 1 (S. 418 ff.); Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3365 ff. (S. 261 ff.); Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 74 ff.; Orth, DStR 1994, 250; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 53 Rdnr. 46 ff. (S. 762 ff.); Thöni, GesRZ 1987, 92, 126; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 73, 76 ff.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 77 ff.; M. Winter, Treuebindungen, S. 113 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 238, 243. 4 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 III 2 (S. 421); Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 74; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 III 2b (S. 1221); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 241; s. auch unten Rdnr. 75.

Emmerich

|

855

Anhang § 13

Konzernrecht

sellschaft aus einer Sonderrechtsbeziehung zwischen ihm und der abhängigen Gesellschaft (§§ 242, 276, 280 Abs. 1 BGB)1 oder aus der insbesondere von U. H. Schneider2 und M. Lutter3 befürworteten Konzernverschuldenshaftung. Nur noch wenig Anklang hatte dagegen in letzter Zeit die früher häufig diskutierte Organhaftung maßgeblicher Gesellschafter einschließlich des herrschenden Unternehmens analog § 43 Abs. 24 oder die Analogie zu den §§ 311 bis 318 AktG gefunden5, wobei in dem zuletzt genannten Fall neben den bekannten Strukturunterschieden zwischen GmbH und AG wohl auch die fortbestehenden Zweifel an der Effektivität des Schutzsystems der §§ 311 bis 318 AktG eine Rolle spielen. 70

Auf derselben Linie wie die überwiegende Meinung (oben Rdnr. 68) bewegt sich heute, jedenfalls im Kern, die Rechtsprechung, seitdem der BGH in dem so genannten ITT-Urteil vom 5. 6. 19756 erstmals aus der Möglichkeit der Mehrheit, durch Einflussnahme auf die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft die Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, die Pflicht der Mehrheit abgeleitet hatte, dabei auf die Interessen der Minderheit die gebotene Rücksicht zu nehmen. Seitdem hält die Rechtsprechung daran fest, dass Grundlage des Minderheitenschutzes im einfachen faktischen GmbH-Konzern ein umfassendes Schädigungsverbot für die Mehrheit ist, das seine Grundlage in erster Linie in der Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern findet und bei dessen Verletzung die Mehrheit analog § 43 schadensersatzpflichtig ist (s. unten Rdnr. 71 ff.). Dagegen wurde mittlerweile vom BGH die (komplizierte) Rechtsprechung zur Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens analog den §§ 302 und 303 AktG im so genannten qualifizierten faktischen Konzern zu Gunsten der allgemeinen Haftung der Gesellschafter für existenzvernichtende Eingriffe aufgegeben (s. schon oben § 13 Rdnr. 98 ff. und unten Rdnr. 91 ff.). Im Folgenden ist zunächst zur Reichweite des Schädigungsverbotes in einfachen (faktischen) Konzernen Stellung zu nehmen (unten Rdnr. 71 ff.). Besonderer Betrachtung bedürfen die Rechtsfolgen etwaiger Verstöße des herrschenden Unternehmens gegen diese Verbote (unten Rdnr. 82 ff.) sowie die intrikate Problematik des Gläubigerschutzes, zumal in Einpersonengesellschaften (unten Rdnr. 88 f.).

1 Limmer, Haftungsverfassung, S. 64 ff.; ähnlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 III 2c (S. 1222). 2 ZGR 1980, 511 (532). 3 ZGR 1982, 244 (265 ff.); ZIP 1985, 425; ZGR 1987, 324 (362 ff.); in: Gedächtnisschr. Knobbe-Keuk, 1997, S. 229, 242 ff. 4 J. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 1981, S. 253, 326, 352 ff.; J. Wilhelm, DB 1986, 2113; ebenso offenbar Geitzhaus, GmbHR 1989, 397, 403 f.; Konzen, NJW 1989, 2977, 2985 f.; U. Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 155, 183 ff. 5 Dafür Kropff, in: FS Kastner, 1992, S. 279, 296 ff.; Rowedder, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 20 ff. 6 BGHZ 65, 15, 18 ff. = (vollständiger) WM 1975, 1152 = NJW 1976, 191 = AG 1976, 16 = GmbHR 1975, 269.

856

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

II. Schädigungsverbot 1. Inhalt Die gesteigerte Treuepflicht des herrschenden Unternehmens in Abhängigkeitsverhältnissen (oben Rdnr. 68) ist letztlich die Konsequenz der Gefahren, die im Regelfall mit der Abhängigkeit einer Gesellschaft von einem anderen Unternehmen verbunden sind. Aus der Treuepflicht ergibt sich daher hier vor allem ein umfassendes Verbot jeder schädigenden Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft, bei dessen Verletzung als Rechtsfolgen in erster Linie an Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft zu denken ist (§§ 242, 249, 276 Abs. 1, 280 Abs. 1 und 705 BGB; s. unten Rdnr. 85 ff.). Gleichsam „klassische“ Beispiele für derartige Schädigungen sind Konzernumlagen ohne entsprechende Gegenleistungen des herrschenden Unternehmens sowie die Benachteiligung der abhängigen Gesellschaft bei der Festsetzung von Konzernverrechnungspreisen (unten Rdnr. 80 ff.).

71

Nach überwiegender Meinung spielt es keine Rolle, in welcher Form sich die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft vollzieht. Einwirkungen auf die Geschäftsführer im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung über Beschlüsse der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 6)1 unterliegen ebenso wie direkte Weisungen unter Umgehung der Gesellschafterversammlung der besonderen Treuebindung des herrschenden Unternehmens2. Nur wenn sämtliche Mitgesellschafter der fraglichen Maßnahme zustimmen, entfallen die sich aus der Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern ergebenden Schranken, so dass dann nur noch § 30 sowie das Verbot existenzvernichtender Eingriffe als unübersteigbare Hürde für eine schädigende Einflussnahme des herrschenden Unternehmens übrig bleiben3. Ebenso verhält es sich im Ergebnis bei Einpersonengesellschaften (s. unten Rdnr. 89 f.).

72

Für die Frage, wann die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft zu einer Schädigung der letzteren führt, kann an die zu den §§ 311 und 317 AktG entwickelten Maßstäbe angeknüpft werden, weil der Gesetzgeber mit diesen Vorschriften zum Ausdruck gebracht hat, wie eine abhängige Gesellschaft zum Schutze der Gesellschafter und der Gläubiger gegen die Gefahren der Abhängigkeit zu führen ist4. Maßgeblich ist also, ob der

73

1 Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 17 (S. 1332); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 III 2 (S. 420); anders Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 77. 2 BGHZ 65, 15, 18 ff. = GmbHR 1975, 269 = NJW 1976, 191 „ITT“; BGHZ 80, 69, 74 ff. = GmbHR 1981, 189 = AG 1981, 225 = NJW 1981, 1512 „Süssen“; BGHZ 89, 162, 166 ff. = NJW 1984, 1351 = GmbHR 1984, 203 „Heumann/Ogilvy“; BGHZ 95, 330, 340 = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 = AG 1986, 15 „Autokran“; BGHZ 115, 187, 193 = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429 „Video“; BGH, LM Nr. 46 zu § 105 HGB = GmbHR 1979, 246 = AG 1980, 47 = NJW 1980, 231 „Gervais“; OLG Karlsruhe, WM 1984, 656. 3 Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3366 (S. 261 f.); Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 75, 83. 4 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 III 2 (S. 420); Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3366 ff. (S. 261 ff.); Beispiele s. unten Rdnr. 80 ff.

Emmerich

|

857

Anhang § 13

Konzernrecht

pflichtbewusste und ordentliche Geschäftsführer einer unabhängigen Gesellschaft, der sich allein am Interesse der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter orientiert, die fragliche Maßnahme gleichfalls vorgenommen oder wegen ihrer Risiken für die abhängige Gesellschaft unterlassen hätte1. 74

Dasselbe Ergebnis folgt wohl aus der statt dessen überwiegend befürworteten Analogie zu § 432. Auch § 43 Abs. 3 mit seinen besonderen Vorkehrungen zum Schutze des Stammkapitals kann hier angewandt werden (str.). Im Ergebnis darf mithin das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft zu keinen Maßnahmen veranlassen, die nicht mit den sich aus § 43 GmbHG und § 317 AktG ergebenden Maßstäben für die ordentliche Geschäftsführung in einer unabhängigen Gesellschaft vereinbar sind3.

75

Verstößt das herrschende Unternehmen bei seiner Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft gegen die genannten Pflichten insbesondere zur Wahrung der Unabhängigkeit der abhängigen Gesellschaft (oben Rdnr. 73 f.), so greifen als Rechtsfolgen in erster Linie Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft ein (s. im Einzelnen unten Rdnr. 85 ff.). Eine Abwendung der Schadensersatzpflicht durch Nachteilsausgleich entsprechend § 311 AktG kommt grundsätzlich nicht in Betracht (oben Rdnr. 68). Anders kann es sich nur im Einzelfall, insbesondere bei Einpersonengesellschaften, verhalten, wenn das herrschende Unternehmen sofort die mit seiner Einflussnahme verbundenen Schäden ausgleicht, ohne dass dadurch freilich seine Pflicht zum Ersatz jetzt noch nicht absehbarer, späterer Schäden entfiele4.

2. Anwendungsbereich 76

a) Das Schädigungsverbot trifft das herrschende Unternehmen grundsätzlich in jedem Abhängigkeitsverhältnis, solange sich noch einzelne Einflussnahmen und ihre nachteiligen Auswirkungen auf die abhängige Gesellschaft isolieren lassen, daher insbesondere auch in den früher so genannten qualifizierten faktischen Konzernen5. Immer machen das herrschende Unternehmen treuwidrige, isolierbare, schädigende Einzeleingriffe ersatzpflichtig. Ausnahmen gelten lediglich bei Zustimmung aller Gesellschafter (oben Rdnr. 72) sowie in EinmannGesellschaften (unten Rdnr. 89 f.).

1 Grdlg. BGHZ 141, 72, 84 ff. = NJW 1999, 1706 = AG 1999, 372 = GmbHR 1999, 660 (nur LS) = ZIP 1999, 708; wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 AktG Rdnr. 46 ff. 2 Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 77. 3 S. zu § 43 ausführlich zuletzt auch van Venrooy, GmbHR 2004, 237. 4 S. Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 415 f.; K. Schmidt, GmbHR 1979, 121, 128; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 III 2c (S. 1222); enger Koppensteiner, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 74; anders Kropff, in: FS Kastner, 1992, S. 279, 296 ff.; Rowedder, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 20 ff. 5 Cahn, ZIP 2001, 2159; Deilmann, Entstehung, S. 147 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 III 3 (S. 421); Konzen, NJW 1989, 2977, 2986; Stimpel, ZGR 1991, 144, 159 f.; Ziegler, Gebrauchsüberlassungsverhältnisse, S. 211 f.

858

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

b) In mehrstufigen Abhängigkeitsverhältnissen obliegt das Schädigungsverbot der Muttergesellschaft nicht nur gegenüber der Tochtergesellschaft, sondern ebenso gegenüber der Enkelgesellschaft, selbst wenn sie nicht unmittelbar an der letzteren beteiligt ist. Die Begründung bereitet zwar gewisse Schwierigkeiten, wenn man die Treuepflicht aus dem Gesellschaftsvertrag herleitet; das Ergebnis ist indessen außer Streit, und zwar zu Recht, weil die Muttergesellschaft in einer mehrstufigen Unternehmensverbindung schwerlich nur deshalb zusätzliche Rechte gegenüber einer Enkelgesellschaft erwerben kann, weil sie auf eine unmittelbare Beteiligung an der Enkelgesellschaft verzichtet und sich statt dessen der (treuepflichtgebundenen) Einflussmöglichkeiten ihrer Tochter auf die Enkelgesellschaft bedient1.

79

c) In internationalen Unternehmensverbindungen, d.h. bei grenzüberschreitenden Abhängigkeitsverhältnissen, hängt die Anwendbarkeit des deutschen Rechts und damit der oben entwickelten Schutzinstrumente zu Gunsten der abhängigen Gesellschaft in erster Linie davon ab, in welcher Rolle jeweils die deutsche und die ausländische Gesellschaft beteiligt sind2. Für die Anwendung des deutschen Konzernrechts, verstanden als Schutzrecht zu Gunsten der abhängigen Gesellschaft, ist grundsätzlich nur Raum, wenn die deutsche Gesellschaft an der internationalen Unternehmensverbindung gerade in der Rolle der abhängigen Gesellschaft beteiligt ist, während die Nationalität des herrschenden Unternehmens keine Rolle spielt3. An diesen Grundsätzen dürfte zum Schutz von Gesellschaften mit tatsächlichem Sitz in Deutschland auch dann festzuhalten sein, wenn auf der Grundlage der jüngsten Rechtsprechung des EuGH im Übrigen die Gründungstheorie an die Stelle der bisher maßgeblichen Sitztheorie treten sollte4. Unberührt von der Anwendung des deutschen Konzernrechts in den genannten Fällen bleibt das Personalstatut der ausländischen Obergesellschaft, so dass sich die Beziehungen dieser Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern und Gläubigern weiterhin allein nach ihrem Heimatrecht richten.

78

Anders ist die Rechtslage, wenn die deutsche Gesellschaft an der internationalen Unternehmensverbindung in der Rolle des herrschenden Unternehmens

79

1 Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 657, 708 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 III 3 (S. 421 f.); Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3374 (S. 267); Kleindiek, Strukturvielfalt, S. 258 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 76; Limmer, Haftungsverfassung, S. 68 ff.; Rehbinder, ZGR 1977, 581, 637 ff.; Stimpel, AG 1986, 117; Stimpel, in: Hommelhoff, Entwicklungen, S. 39, 41 f.; Tröger, Treupflicht, S. 37 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 74; Wiedemann/Hirte, ZGR 1986, 163, 165; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 258. 2 Zur Nationalität von Gesellschaften s. oben § 4a Rdnr. 7; zum internationalen Konzernrecht s. statt aller Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 194 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 IV (S. 174 ff.); Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 78 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 27 ff. 3 Ebenso (freilich ohne Begründung) BGHZ 65, 15 = NJW 1976, 191 = GmbHR 1975, 269 = AG 1976, 16 „ITT“; BGH, ZIP 2005, 250, 251 (r.Sp. unten) = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214 „Handelsvertreter“; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rz. I 867; Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1971, S. 136, 170, 245 ff. 4 S. oben § 4a Rdnr. 7; ebenso ohne weiteres BGH, ZIP 2005, 250, 251 = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214.

Emmerich

|

859

Anhang § 13

Konzernrecht

beteiligt ist. In diesem Fall finden lediglich diejenigen konzernrechtlichen Regeln Anwendung, die wie etwa § 71b AktG die Verhältnisse inländischer Obergesellschaften regeln1, während sich die Rechtsverhältnisse der ausländischen abhängigen Gesellschaft nach ihrem Personalstatut richten2.

3. Beispiele Schrifttum: Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 22–26 (S. 1334 ff.); Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, § 30 III 4 (S. 421 f.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 AktG Rdnr. 46 ff.; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3367 ff. (S. 262 ff.); Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 77–82.

80

In der Frage, wann die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft zu deren Schädigung führt, ist im GmbH-Konzernrecht grundsätzlich von denselben Maßstäben wie im Aktienkonzernrecht auszugehen (§ 43 GmbHG; § 317 Abs. 2 AktG; s. oben Rdnr. 73). Immer wenn ein Schaden i.S. des § 317 Abs. 2 AktG vorliegt, wird im Zweifel zugleich im GmbH-Konzernrecht von einer Schädigung der abhängigen GmbH auszugehen sein. Wegen der Einzelheiten kann daher auf die Ausführungen zu den §§ 311 und 317 AktG verwiesen werden3. Die wichtigsten Fallgruppen, in denen hiernach typischerweise mit einer Schädigung der abhängigen Gesellschaft zu rechnen ist, sind nachteilige Umsatzgeschäfte, einseitige Maßnahmen der Konzernfinanzierung, Konzernumlagen ohne echte Gegenleistung, organisatorische Maßnahmen und sonstige Strukturveränderungen, die der abhängigen Gesellschaft zum Nachteil gereichen, sowie Wettbewerbsmaßnahmen des herrschenden Unternehmens oder anderer Konzernunternehmen, durch die in den Kundenstamm und die Märkte der abhängigen Gesellschaft eingegriffen wird:

81

Im Vordergrund des Interesses steht die Benachteiligung der abhängigen Gesellschaft bei dem konzerninternen Geschäftsverkehr. Beispiele dafür sind die Berechnung unangemessener Konzernverrechnungspreise4, die Inanspruchnahme von Sachen und Rechten der abhängigen Gesellschaft ohne angemessene Gegenleistung sowie die Abordnung qualifizierten Personals der abhängigen Gesellschaft zum herrschenden Unternehmen ohne Gegenleistung5. Ebenso nachteilig können sich einseitige Maßnahmen der Konzernfinanzierung auswirken, durch die die abhängige Gesellschaft benachteiligt wird. Hierher gehören eine Kreditgewährung an das herrschende Unternehmen oder andere Konzernunternehmen ohne angemessene Gegenleistung oder ohne Sicherheiten6, die Aufnahme überteuerter Kredite bei anderen Konzernunternehmen oder die Verpfändung von Aktien der abhängigen Gesellschaft auf Weisung des herrschenden Unternehmens für ein diesem gewährtes Darlehen7. Gleich stehen schließ1 2 3 4

OLG Frankfurt, AG 1988, 267, 272. OLG Hamburg, MDR 1976, 402 Nr. 54; Schweiz. BGE 80 II (1954), 53, 59 „Shell“. S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 311 AktG Rdnr. 46 ff. Grdlg. BGHZ 124, 111, 118 = NJW 1994, 520 = AG 1994, 124 „Vereinigte Krankenversicherung“. 5 OLG Stuttgart, AG 1979, 200, 202. 6 Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S. 572. 7 LG Düsseldorf, AG 1979, 290, 291 f.; OLG Düsseldorf, AG 1980, 273 f.

860

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

lich verdeckte Gewinnausschüttungen (nur) an das herrschende Unternehmen unter Verstoß gegen § 29 (s. § 29 Rdnr. 45 ff.), insbesondere durch die ungerechtfertigte Belastung der abhängigen Gesellschaft mit so genannten Steuer- oder Konzernumlagen1. Eine weitere häufige Ursache für Schädigungen der abhängigen Gesellschaft zu Gunsten des herrschenden Unternehmens oder anderer Konzernunternehmen sind Strukturveränderungen im Konzern, durch die die abhängige Gesellschaft benachteiligt wird, z.B. die Übertragung des Vertriebs ihrer Produkte auf andere Konzernunternehmen, weil dadurch die abhängige Gesellschaft vom Markt abgeschnitten wird, die Abgabe erfolgversprechender Entwicklungen an andere Konzernunternehmen, die Veranlassung der abhängigen Gesellschaft zu einem nachteiligen Effektenaustausch oder zur Abgabe sonstiger wertvoller Vermögensbestandteile an andere Konzernunternehmen, ihre Veranlassung zu übermäßig riskanten oder spekulativen Geschäften, vor allem, wenn die Vorteile daraus allein dem herrschenden Unternehmen zugute kommen, während die Risiken bei der abhängigen Gesellschaft konzentriert werden, die Sanierung eines anderen Konzernunternehmens auf Kosten der abhängigen Gesellschaft2, die Veräußerung ihres Beteiligungsbesitzes auf Weisung des herrschenden Unternehmens weit unter Wert3, die Übertragung der gesamten Datenverarbeitung der abhängigen Gesellschaft auf ein anderes hierauf spezialisiertes Konzernunternehmen4 sowie schließlich die Auflösung der Gesellschaft und die anschließende Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch das herrschende Unternehmen unter Verdrängung der anderen Gesellschafter (so genannte übertragende Auflösung)5. Eine letzte Fallgruppe bilden schließlich noch Verstöße seitens der herrschenden Gesellschaft oder anderer Konzernunternehmen gegen ein Wettbewerbsverbot zu Gunsten der abhängigen Gesellschaft, z.B. durch die Umlenkung von Geschäftschancen der abhängigen Gesellschaft unter Verletzung der Treuepflicht auf das herrschende Unternehmen6 sowie überhaupt jede nicht durch den Gesellschaftsvertrag gedeckte Konkurrenz seitens des herrschenden Unternehmens7.

1 BGHZ 65, 15, 18 ff. = GmbHR 1975, 69 = AG 1976, 16 = NJW 1976, 191 „ITT“; BGHZ 141, 79, 84 ff. = NJW 1999, 1706 = AG 1999, 372 = ZIP 1999, 708; BGH, NJW-RR 2004, 474 = ZIP 2004, 164 = GmbHR 2004, 258 = AG 2004, 205; s. zu diesen Fällen noch Feddersen, ZGR 2000, 523; Kleindiek, DStR 2000, 559. 2 OGH, GesRZ 1982, 256 f. 3 Lutter, in: FS Steindorff, 1990, S. 125, 135 ff. für den Fall „Deutsche Bank/Feldmühle Nobel AG“. 4 LG Darmstadt, AG 1987, 218, 220; OLG Frankfurt, AG 1988, 109 = DB 1988, 435 „Opel“; Korth, AG 1987, 193; U. Stein, ZGR 1988, 163. 5 Vgl. zu diesen problematischen Fällen BayObLGZ 1998, 211, 214 ff., 219 = NJW-RR 1999, 1559 = AG 1999, 185, 186 ff. = ZIP 1998, 2002 „Magna Media Verlag/WKA“; OLG Stuttgart, AG 1994, 411, 412 f.; 1979, 136, 137 f.; BVerfG, AG 2001, 42 = NJW 2001, 279 = ZIP 2000, 1670, alle zu dem Fall „Motometer/Bosch“; s. dazu auch Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 26 (S. 1337); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 305 AktG Rdnr. 9; Kallmeyer, AG 2000, 59. 6 BGH, LM Nr. 17 zu § 46 GmbHG = GmbHR 1977, 129; BGH, LM Nr. 11 zu § 13 GmbHG = NJW 1979, 2104 = GmbHR 1979, 89; WM 1978, 1205. 7 S. Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 24 (S. 1335 f.).

Emmerich

|

861

82

Anhang § 13

Konzernrecht

III. Rechtsfolgen1 1. Überblick 83

In einem faktischen GmbH-Konzern greifen zunächst sämtliche Rechtsfolgen ein, die die Rechtsordnung an verstreuten Stellen bereits an die Abhängigkeit einer GmbH zu deren Schutz knüpft (s. schon oben Rdnr. 29). Hervorzuheben sind neben der Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG das Verbot der Zeichnung oder des Erwerbs von Anteilen an dem herrschenden Unternehmen (entsprechend den §§ 56 Abs. 2 und 71d Satz 2 AktG), das Verbot der Ausübung des Stimmrechts aus solchen Anteilen (entsprechend den §§ 71b und 71d Satz 4 AktG) sowie insbesondere die Stimmverbote des § 47 Abs. 4 und die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30 bis 32b, die heute durchweg entsprechend ihrem Zweck – über ihren Wortlaut hinaus – konzerndimensional angewandt werden. Die Stimmverbote des § 47 Abs. 4 greifen deshalb auch dann ein, wenn einer der Ausschlusstatbestände zwar nicht in der Person des herrschenden Unternehmens, wohl aber in der einer von ihm gleichfalls kontrollierten Gesellschaft verwirklicht ist (s. unten § 47 Rdnr. 107, 163, 165 ff.). Ebenso gehandhabt werden die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30 bis 32b, so dass nicht nur Leistungen an das herrschende Unternehmen selbst, sondern auch solche an eine von diesem gleichfalls abhängige andere Gesellschaft, insbesondere also an Schwestergesellschaften der abhängigegen Gesellschaft erfasst werden2.

84

Die Position der Minderheit im faktischen GmbH-Konzern wird weiter durch die allgemeinen Minderheitsrechte verstärkt, die ihre zentrale Bedeutung gerade in Abhängigkeitsverhältnissen haben3. Die wichtigsten dieser Rechte sind das Auskunfts- und Einsichtsrecht der Minderheit auf Grund der §§ 51a und 51b, das Recht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung, um dort gegen die Konzernpolitik des herrschenden Unternehmens gerichtete Weisungen an die Geschäftsführer durchzusetzen (§§ 50, 47 Abs. 4, 46 Nr. 6), wodurch, richtig eingesetzt, die Gefahren der Abhängigkeit für die außenstehenden Gesellschafter bereits erheblich reduziert werden können4, das Anfechtungsrecht gegen Beschlüsse der vom herrschenden Unternehmen majorisierten Gesellschafterversammlung (§ 243 AktG)5, die Abberufung der Geschäftsführer aus wichtigem Grunde (s. § 38), das Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen, das Recht auf Gewinnbeteiligung (§ 29) sowie das (gesetzlich nicht geregelte) Austrittsrecht 1 S. zum Folgenden insbes. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 132 ff.; Emmerich/ Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 24, 30 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 72 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 53 Rdnr. 47 ff. (S. 763 ff.); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 242 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 82 ff. 2 S. im Einzelnen § 30 Rdnr. 51 ff. sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 134 ff.; Emmerich, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 64, 85 f.; Hommelhoff, Zur Haftung bei unternehmerischen Beteiligungen, S. 56 ff.; Hommelhoff, WM 1984, 1105. 3 Dazu insbes. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 132 ff.; Altmeppen, Abschied vom „qualifiziert faktischen Konzern“, 1991; Altmeppen, DB 1991, 2225; Immenga, Kapitalgesellschaft, S. 303 ff.; Schilling, in: FS Hefermehl, S. 383, 386 ff. 4 Ausführlich Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 132 ff. 5 Dazu insbes. Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 88.

862

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

aus wichtigem Grunde, das – entgegen der überwiegenden Meinung1 – den Minderheitsgesellschafter nicht erst im qualifizierten faktischen Konzern (dessen Grenzen sich ohnehin nicht exakt bestimmen lassen), sondern allgemein in Abhängigkeitslagen zugebilligt werden sollte, wenn ihnen ein weiteres Verbleiben in der Gesellschaft nicht mehr zuzumuten ist (§§ 242, 314 BGB). Der austretende Gesellschafter hat dann einen Anspruch auf volle Abfindung; gesellschaftsvertragliche Abfindungsbeschränkungen dürften im Zweifel in den hier interessierenden Fallgestaltungen unwirksam sein (§§ 138, 242 BGB)2.

2. Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche a) Verstöße des herrschenden Unternehmens gegen das Schädigungsverbot lösen in erster Linie Schadensersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft nach den §§ 249 bis 252 BGB aus, sofern das herrschende Unternehmen den Verstoß zu vertreten hat (§§ 31, 276, 278, 280 Abs. 1 BGB)3. Hat es z.B. Geschäftschancen unter Verstoß gegen seine Treuepflicht an Stelle der Gesellschaft selbst wahrgenommen, so ist es gem. § 252 BGB zur Herausgabe des dabei erzielten Gewinns verpflichtet4. Dasselbe gilt für zu Unrecht bezogene, verdeckt ausgeschüttete Gewinne. Bei Verstößen gegen das auf der Treuepflicht fußende Wettbewerbsverbot (für das herrschende Unternehmen und die anderen von ihm abhängigen Unternehmen) ist außerdem an die entsprechende Anwendbarkeit des Eintrittsrechts der abhängigen Gesellschaft nach § 113 Abs. 1 HGB zu denken. In besonders gelagerten Einzelfällen können sich daneben noch Ansprüche aus Geschäftsanmaßung seitens des herrschenden Unternehmens auf Grund des § 687 Abs. 2 BGB ergeben5,

85

Die Beweislast für die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Treuepflichtverletzung (oben Rdnr. 85) trifft an sich denjenigen, der den Schadensersatzanspruch geltend macht, d.h. in erster Linie also die abhängige Gesellschaft sowie gegebenenfalls die Mitgesellschafter, wenn sie die Ansprüche der Gesellschaft im Wege der actio pro socio verfolgen (s. unten Rdnr. 87). Es liegt jedoch auf der Hand, dass insbesondere die Minderheitsgesellschafter – trotz ihres Auskunfts- und Einsichtsrechts aus § 51a – in aller Regel überfordert sein dürften, wenn man ihnen in vollem Umfang die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen derartiger Schadensersatzansprüche auferlegte, da

85a

1 H.-Fr. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 56 ff.; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rz. I 864; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 88; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 73; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 250. 2 Monopolkommission, 7. Hauptgutachten, Tz. 866; M. Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 132 ff.; Flume, Allg. Teil Bd. I/2, § 4 IV (S. 126 f., 129); Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, S. 303 ff.; Schilling, in: FS Hefermehl, S. 386 ff.; K. Schmidt, GmbHR 1979, 121, 131 f.; Verhoeven, GmbH-Konzern-Innenrecht, S. 115 ff. 3 Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3393 ff. (S. 273 f.); Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 19 (S. 1333); Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 53 Rdnr. 49 (S. 763); Orth, DStR 1994, 250, 255 f.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 88– 93; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 48 f. (S. 866). 4 BGH, WM 1978, 1205; LM Nr. 17 zu § 46 GmbHG = GmbHR 1977, 129. 5 S. Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 251.

Emmerich

|

863

Anhang § 13

Konzernrecht

sie meistens keinen Einblick in die ihren Augen sorgsam verborgenen Konzerninterna haben. Deswegen besteht Übereinstimmung, dass ihnen mit verschiedenen Beweiserleichterungen zu Hilfe gekommen werden muss. Wurde die abhängige Gesellschaft in einer Weise geschädigt, die in erster Linie dem herrschenden Unternehmen oder anderen Konzernunternehmen zugute kommt, so wird deshalb zunächst die Kausalität zwischen der Schädigung und einem etwaigen sorgfaltswidrigen Eingriff des herrschenden Unternehmens vermutet. Auf jeden Fall spricht dann aber der Beweis des ersten Anscheins für solche Einflussnahme. Ist danach von der Kausalität eines Eingriffs für die Schädigung der abhängigen Gesellschaft auszugehen, so findet außerdem § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG entsprechende Anwendung, so dass vermutet wird, dass das herrschende Unternehmen den Eingriff auch zu vertreten hat (§ 276 BGB); eine Entlastung dürfte in aller Regel nicht möglich sein1. 86

b) Neben Schadensersatzansprüchen (oben Rdnr. 85) kommen nach § 249 BGB ferner Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche der abhängigen Gesellschaft in Betracht, insbesondere auf Widerruf unzulässiger Weisungen oder auf Rückgängigmachung sonstiger schädigender Maßnahmen2. Im Falle der rechtswidrigen Eingliederung der abhängigen Gesellschaft in den Konzern des herrschenden Unternehmens kann sich daraus auch ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Konzerneingliederung ergeben3.

87

c) Die genannten Ansprüche (oben Rdnr. 85 f.) stehen an sich der abhängigen Gesellschaft zu4, so dass ihre Geltendmachung gem. § 46 Nr. 8 grundsätzlich einen dahinzielenden Beschluss der Gesellschafterversammlung voraussetzt, bei dem das herrschende Unternehmen nach § 47 Abs. 4 Satz 2 kein Stimmrecht hat. Gleichwohl dürfte häufig, schon mit Rücksicht auf die Abhängigkeit der Geschäftsführer von dem herrschenden Unternehmen, mit großen Schwierigkeiten bei der Verfolgung von Ansprüchen gegen das herrschende Unternehmen zu rechnen sein. Deshalb ist anerkannt, dass daneben – unter im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen – eine Zuständigkeit der Gesellschafter zur Geltendmachung der Ansprüche besteht, weil ein wirksamer Schutz der Minderheit allein auf diese Weise gewährleistet werden kann (actio pro socio oder besser: societate)5. Die 1 S. im Einzelnen BGH, LM Nr. 46 zu § 105 HGB = NJW 1980, 231 = GmbHR 1979, 246 = AG 1980, 47 „Gervais“; Baumgartl, Die konzernbeherrschte Personengesellschaft, 1986, S. 140 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 IV 1a (S. 422); Kleindiek, Strukturvielfalt, S. 261 ff.; Limmer, Haftungsverfassung, S. 151 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 53 Rdnr. 49 (S. 763); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 252–257 m.N. 2 S. Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 19 (S. 1333); Emmerich, AG 1987, 1, 4; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 IV 1b (S. 423); Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 89; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 247 ff. 3 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 IV 1b (S. 423); Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 415 ff.; Schilling, ZHR 140 (1976), 528, 535; U. Schneider, in: Der GmbH-Konzern, S. 78, 103 f.; U. Schneider, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 121, 129 ff. 4 Zum Vorrang der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft vor derjenigen gegenüber den Mitgesellschaftern s. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 III 1b (S. 420 f.). 5 S. oben § 13 Rdnr. 53; BGHZ 65, 15, 21 = GmbHR 1975, 264 = NJW 1976, 191 „ITT“; BGH, LM Nr. 49 zu § 823 (Bf) BGB = NJW 1969, 1712 = MDR 1969, 909; LM Nr. 163 zu

864

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Gläubiger der Gesellschaft können zudem die Ansprüche der Gesellschaft pfänden und sich überweisen lassen (§§ 829, 835 ZPO). Daneben verfügen sie noch über eine eigene Zuständigkeit auf Grund der entsprechend anwendbaren §§ 317 Abs. 4 und 309 Abs. 4 AktG (unten Rdnr. 88). Auch daraus folgt eine gewisse „Garantie“ für die Durchsetzung der Ansprüche der Gesellschaft. d) Im Schrifttum wird kontrovers diskutiert, ob mit Rücksicht auf den weit gehenden Schutz, den die abhängige Gesellschaft nach dem Gesagten in „faktischen Konzernen“ genießt, überhaupt eine einheitliche Leitung der verbundenen Unternehmen i.S. des § 18 Abs. 1 AktG möglich ist1. Bei Lichte besehen handelt es sich dabei jedoch um eine Frage der Konzernbildungskontrolle, konkret: um die Frage, ob bereits der Übergang von der „bloßen“ Abhängigkeit zum einfachen faktischen Konzern durch Aufnahme der einheitlichen Leitung im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG seitens des herrschenden Unternehmens der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf, wie es im Schrifttum vielfach gefordert wird (s. dazu oben Rdnr. 54 ff., bes. 56).

87a

e) Neben dem herrschenden Unternehmen können sich auch die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft nach § 43 schadensersatzpflichtig machen, wenn sie treuwidrige und damit rechtswidrige Weisungen des herrschenden Unternehmens zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft befolgen. Beruht die Weisungen freilich auf einem Beschluss der Gesellschafterversammlung, so kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn der Beschluss wirksam angefochten wird2. Umstritten ist, ob ferner, wiederum neben der Haftung des herrschenden Unternehmens, eine persönliche Haftung der Organmitglieder des herrschenden Unternehmens in Betracht kommt, die für die rechtswidrige Weisungserteilung verantwortlich sind, etwa entsprechend den §§ 309 Abs. 1 und 317 Abs. 3 AktG. Im Schrifttum wird solche Analogie verschiedentlich bejaht, um den Schutz der abhängigen Gesellschaft zu verstärken3.

87b

§ 256 ZPO = GmbHR 1990, 343 = AG 1990, 458; BB 1967, 348 = MDR 1967, 480; WM 1982, 928 (929); NJW-RR 1987, 57 = WM 1986, 1201; Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 657, 681 f.; M. Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1998, S. 595 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 19 (S. 1333); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 IV 2 (S. 423); Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3393 ff. (S. 273 f.); v. Gerkan, ZGR 1988, 441; Konzen, NJW 1989, 2977, 2984 f.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 79; Limmer, Haftungsverfassung, S. 138 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 89–91; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 244; M. Winter, Treuebindungen, S. 306 ff.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 410 f. 1 S. einerseits ablehnend Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 53 Rdnr. 46 (S. 762 f.); andererseits wesentlich positiver Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 20 (S. 1333 f.); Jungkurth, Konzernleitung, S. 179 ff. 2 S. Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 245 Abs. 2. 3 S. im Einzelnen Th. Abeltshausers, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998, S. 119 ff.; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 4223 f. (S. 374); offen gelassen bei Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 245 Abs. 1; ablehnend die wohl h.M., insbesondere (grdlg.) BGHZ 149, 10, 16 f. = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 = ZIP 2001, 1874 = AG 2002, 43 „Bremer Vulkan I“; Döser, AG 2003, 406, 412; J. Hoffmann, NZG 2002, 68, 74.

Emmerich

|

865

Anhang § 13

Konzernrecht

IV. Gläubigerschutz Schrifttum: S. oben § 13 Rdnr. 98 ff.; Drüke, Die Haftung der Mutter- für Schulden der Tochtergesellschaft, 1990; Emmerich, AG 1987, 1; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 IV/V (S. 422 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 32 ff.; Limmer, Haftungsverfassung, 1992; Mansdörfer, WM 2004, 362; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 53 Rdnr. 51 f. (S. 764 f.); Rehbinder, AG 1986, 85; Semler, in: FS Goerdeler, 1987, S. 551; Stimpel, AG 1986, 117; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 83–87; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391; Ulmer, AG 1986, 123; Ulmer, NJW 1986, 1579; Ulmer, WPg 1986, 685; S. Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004, S. 148 ff.; Ziegler, WM 1989, 1041, 1077; Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahmen auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 99–155.

88

Im einfachen faktischen Konzern stehen der Schutz der abhängigen Gesellschaft und ihrer Minderheitsgesellschafter ganz im Vordergrund des Interesses. Beide müssen deshalb grundsätzlich – auf dem Weg über den Bestandsschutz zu Gunsten der abhängigen Gesellschaft – zugleich den ebenfalls nötigen Gläubigerschutz in Abhängigkeitsbeziehungen mit übernehmen. Die Gläubiger haben zu diesem Zweck die Möglichkeit, etwaige Schadensersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft gegen das herrschende Unternehmen wegen treuwidriger Eingriffe zu pfänden und sich überweisen zu lassen (§§ 829, 835 ZPO). Das Erfordernis eines vorherigen Gesellschafterbeschlusses nach § 46 Nr. 8 entfällt in diesem Fall1. Außerdem ist, wie bereits ausgeführt (oben Rdnr. 87), davon auszugehen, dass die Gläubiger, sofern sie von der abhängigen Gesellschaft, etwa wegen deren Vermögenslosigkeit, keine Befriedigung mehr zu erlangen vermögen, die Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen das herrschende Unternehmen entsprechend den §§ 317 Abs. 4 und 309 Abs. 4 Satz 3 AktG auch selbst verfolgen können, und zwar mit dem Antrag auf Leistung an sich selbst2, indessen nur bis zur Deckung ihrer Forderung gegen die Gesellschaft3. Alle diese Ansprüche der Gläubiger sind freilich mit der Schwäche behaftet, dass sie versagen, wenn die Minderheitsgesellschafter das Vorgehen des herrschenden Unternehmens billigen oder doch nachträglich auf Schadensersatzansprüche verzichten (§ 379 BGB). Dieselben Probleme bestehen in Einpersonengesellschaften (s. dazu unten Rdnr. 90).

89

Eigene, d.h. nicht von der abhängigen Gesellschaft abgeleitete Ansprüche der Gläubiger gegen das herrschende Unternehmen kommen nur in Betracht, wenn ausnahmsweise die Voraussetzungen der Durchgriffshaftung erfüllt sind4 oder wenn das herrschende Unternehmen aus einem anderen Rechtsgrund ihnen unmittelbar ersatzpflichtig ist, wobei heute – neben Deliktsansprüchen (§§ 823 Abs. 2 und 826 BGB) – in erster Linie an Ansprüche wegen existenzvernichten1 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 IV 2 (S. 423 f.). 2 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 309 AktG Rdnr. 51. 3 BGHZ 95, 330, 340 = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 = AG 1986, 15 „Autokran“; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3399 (S. 275); Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rz. I 853; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 79; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 91. 4 S. oben § 13 Rdnr. 76 ff.; Boujong, in: FS Odersky, 1996, S. 739; Th. Raiser, ZGR 1995, 156, 162 ff.; Stimpel, in: FS Goerdeler, 1987, S. 601.

866

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

der Eingriffe zu denken ist (s. oben § 13 Rdnr. 98 ff.). Solche Ersatzansprüche kommen auch und gerade in Betracht, wenn die Gesellschafter einvernehmlich die abhängige Gesellschaft schädigen oder wenn es sich um Einpersonengesellschaften handelt (unten Rdnr. 90 f.). Für eine entsprechende Anwendung der §§ 302 und 303 AktG ist daneben heute kein Raum mehr1. Hinzuweisen ist noch darauf, dass die vorstehenden Ausführungen zur Konzernhaftung in jüngster Zeit insbesondere bei dem Problem der Altlastensanierung auf Grund der eigenartigen Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 4 des Bundesbodenschutzgesetzes von 19982 zusätzliche praktische Bedeutung erlangt haben, wobei in dem umweltrechtlich orientierten Schrifttum unverkennbar die Tendenz zur Ausweitung der Konzernhaftung wächst, insbesondere nach dem amerikanischen Vorbild der Direkthaftung der Muttergesellschaft im Umweltrecht3.

V. Einpersonengesellschaften Schrifttum: S. oben § 13 Rdnr. 98 ff. sowie Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 657, 705 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 68 Rdnr. 27 f. (S. 1337); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 30 V (S. 424 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 33 ff.; Drüke, Haftung S. 122 f.; Fleck, ZHR 149 (1985), 387, 417 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 78; Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 27 ff.; Limmer, Haftungsverfassung, S. 39, 156 ff.; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 417 f.; Ulmer, AG 1986, 123, 127 f.; Ulmer, WPg 1986, 685, 691 f.; Ulmer, in: Ulmer (Hrsg.), GmbH-Konzern, 2002, S. 41; M. Winter, Treuebindungen, S. 191 ff.; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 239 f.; Ziemons, Haftung, S. 108, 113 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 112 ff.

Der Gläubigerschutz knüpft, wie gezeigt (oben Rdnr. 88 f.), in der mehrgliedrigen abhängigen Gesellschaft in erster Linie an die Treuepflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Gesellschaft und den Minderheitsgesellschaftern an. Nach überwiegender Meinung versagt dieses Haftungsmodell jedoch in Einpersonengesellschaften, weil sich hier ein über die §§ 30 und 31 hinausgehender Bestandsschutz der abhängigen Gesellschaft gegenüber ihrem einzigen Gesellschafter nicht konstruieren lasse (s. § 60 Abs. 1 Nr. 2). Gleich stehen Mehrpersonengesellschaften, wenn die Gesellschafter einvernehmlich handeln (oben Rdnr. 88). Deshalb war der Gläubigerschutz in diesen Fällen früher lebhaft umstritten (s. 9. Aufl., Rdnr. 89 f.). Wie schon im Einzelnen ausgeführt (oben § 13 Rdnr. 98 ff.), wird der ganze Fragenkreis heute jedoch nicht mehr konzernspezifisch gelöst. An die Stelle einer etwaigen Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens, insbesondere des einzigen Gesellschafters bei Einpersonengesellschaften, ist statt dessen die allgemeine gesellschaftsrechtliche Haftung für existenzvernichtende Eingriffe getreten.

1 Anders zuvor für Sonderfälle Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, 1990, S. 179 ff. (Analogie zu § 302 AktG jedenfalls bei personellen Verflechtungen); Ziegler, WM 1989, 141, 145. 2 BGBl. I, 502. 3 Wegen der Einzelheiten s. Mansdörfer, WM 2004, 362, 366; Frank Ochsenfeld, Direkthaftung von Konzernobergesellschaften in den USA, 1998, S. 261 ff.; Imke Ossenbühl, Umweltgefährdungshaftung im Konzern, 1999, S. 50, 198 ff.; W. Schmitz-Rode/St. Bank, DB 1999, 417; Schwartmann, DStR 1999, 324; A. Turiaux/D. Knigge, BB 1999, 377.

Emmerich

|

867

90

Anhang § 13

Konzernrecht

E. Qualifizierter faktischer Konzern 91

Schrifttum: S. oben § 13 Rdnr. 55, 98 ff. sowie Abeltshauser, Leitungshaftung im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998, S. 245, 258 ff.; Altmeppen, Abschied vom „qualifizierten faktischen Konzern“, 1991; Altmeppen, Die systematische Einordnung der Rechtsprechung zum qualifizierten faktischen Konzern nach TBB, DB 1994, 1912; Altmeppen, Grundlegend Neues zum qualifizierten faktischen Konzern, ZIP 2001, 1837; Altmeppen, Gesellschafterhaftung und Konzernhaftung bei der GmbH, NJW 2002, 321; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 144–146; Banerjea, ZIP 1999, 1153; Beinert, Die Konzernhaftung für die satzungsmäßig abhängig gegründete GmbH, 1995; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 258 ff.; W. Bitter/G. Bitter, Alles klar im qualifizierten faktischen Konzern?, BB 1996, 2153; G. Bitter, Das TBB-Urteil und das immer noch vergessene GmbH-Vertragskonzernrecht, ZIP 2001, 265; G. Bitter, Der Anfang vom Ende des qualifizierten faktischen Konzerns, WM 2001, 2133; Boujong, Legitime richterliche Rechtsfortbildung im Recht des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns, in: FS Brandner, 1996, S. 23; Boujong, Das Trennungsprinzip des § 13 Abs. 2 GmbHG und seine Grenzen, in: FS Odersky, 1996, S. 739; Cahn, Verlustübernahme und Einzelausgleich im qualifizierten faktischen Konzern, ZIP 2001, 2159; Decher, in: MünchHdb. III, § 69 (S. 1339 ff.); Decher, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, in: P. Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbHKonzern, ZHR Beiheft 70, 2002, S. 25; Dehmer/Hettler, Haftungsfalle GmbH, 1993, Rdnr. 139 ff. (S. 69 ff.); Döser, Der faktische Konzern, AG 2003, 406; Drygala, Betriebsaufspaltung und Haftungsausschluss doch keine Illusion?, NJW 1995, 3237; Drygala, Abschied vom qualifizierten faktischen Konzern – oder Konzernrecht für alle?, GmbHR 2003, 729; Ebenroth, Die qualifiziert faktische Konzernierung und ihre körperschaftsteuerliche Auswirkung, AG 1990, 188; Ebenroth/Wilken, Beweislast und Gesellschafterhaftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZIP 1993, 558; Chr. Eberl-Borges, Die Konzernhaftung im Kapitalgesellschaftskonzernrecht, Jura 2002, 761; Chr. Eberl-Borges, Die Haftung des herrschenden Unternehmens für Schulden einer konzernabhängigen Personengesellschaft, WM 2003, 105; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998; Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, §§ 28, 31 (S. 402, 425 ff.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 317 AktG Anh., § 318 AktG Anh. Rdnr. 33 ff.; Ensthaler/Kreher, Verlustausgleichspflicht im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, BB 1995, 1422; Ensthaler/Kreher, Haftungspotentiale unterschiedlicher Finanzierungsformen im Zusammenhang mit qualifizierten faktischen GmbH-Konzernen, BB 1996, 385; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3424 ff. (S. 282 ff.); Gäbelein, Definition eines qualifizierten faktischen Konzerns, AG 1990, 185; Geuting, Ausgleichs- und Abfindungsansprüche der Minderheitsgesellschafter im qualifzierten faktischen GmbHKonzern, BB 1994, 365; Goette, Haftungsvoraussetzungen im qualifizierten faktischen Konzern, DStR 1993, 568; Goette, Die GmbH, § 9 Rdnr. 10 ff. (S. 330 ff.); Goette, Rechtsprechungsübersicht, in: Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHB Beiheft 70, 2002, S. 11; Gummert, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, WiB 1994, 217; St. Heyder, Der qualifizierte faktische Aktienkonzern, 1997; Hirte (Hrsg.), Der qualifizierte faktische Konzern, 1992; J. Hoffmann, Das GmbH-Konzernrecht nach dem Bremer Vulkan-Urteil, NZG 2002, 68; Hommelhoff, Die qualifizierte faktische Unternehmensverbindung, ZGR 1994, 395; Hommelhoff/Stimpel/Ulmer (Hrsg.), Heidelberger Konzernrechtstage: Der qualifizierte faktische Konzern, 1992; Hüffer, Probleme des Cash Managements, AG 2004, 416; Holzwarth, Konzernrechtlicher Gläubigerschutz bei der klassischen Betriebsaufspaltung, 1993; Jula/Breitbarth, Liquiditätsausgleich im Konzern durch konzerninterne Darlehen, AG 1997, 256; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rz. I 857 ff.; Kiethe/Groeschke, Darlegungs- und Beweislast für die Haftung im qualifizierten faktischen Konzern, BB 1994, 2149; Kiethe/Groeschke, Haftungsverstärkung infolge der so genannten „Ingerenz“ als Anwendungsfall der missbräuchlichen Aus-

868

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

übung der Leitungsmacht im qualifizierten faktischen Konzern, BB 1997, 1957; Kindler, Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen Einmann-GmbH-Konzern, JuS 1992, 636; Kleindiek, Beweiswürdigung und Beweiserleichterung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, GmbHR 1992, 574; Kleindiek, Strukturkonzepte für den qualifizierten faktischen Konzern, ZIP 1991, 1330; Kleinert, Das GmbH-Recht in der Rechtsprechung des BGH, in: FS Helmrich, 1994, S. 667; St. Koch, Rechtliche und ökonomische Aspekte des Schutzes von Gläubigern konzernverbundener GmbH, 1977; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 88– 107; M. Kreher, Konzernleitung im qualifizierten faktischen Konzern, 1996; Krieger, Kann die Praxis mit TBB leben?, ZGR 1994, 375; Kropff, Das TBB-Urteil und das Aktienkonzernrecht, AG 1993, 485; J. Lehmann, Der qualifizierte faktische Konzern, Ein Phantom?, in: FS Beusch, 1993, S. 479; Limmer, Die Haftungsverfassung des faktischen GmbH-Konzerns, 1992; Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 24–46; Michalski/Zeidler, Die Ausgleichshaftung im qualifizierten faktischen Konzern, NJW 1996, 224; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 280, 477 ff.; Mülbert, Abschied von der TBB-Haftungsregel für den qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, DStR 2001, 1937; W. Müller, Ist nach dem TBB-Urteil des BGH eine Verlustübernahmeverpflichtung im qualifizierten faktischen Konzern noch begründbar?, in: FS Rowedder, 1994, S. 277; Mutter, Das TBB-Urteil des BGH, JuS 1993, 299; Priester, Bilanzierung und Besteuerung bei dem qualifizierten faktischen Konzern, StbJb 1993/94, 1994, S. 141; G. Raiser, Betriebsaufspaltung und Haftungsausschluss, eine Illusion?, NJW 1995, 1804; Raiser/ Veil, Kapitalgesellschaften, § 53 Rdnr. 51 ff. (S. 764 ff.); Raiser, Konzernhaftung und Unterkapitalisierungshaftung, ZGR 1995, 156; Röhricht, Die GmbH im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Dispositionsfreiheit ihrer Gesellschafter und Gläubigerschutz, in: FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 83; Röhricht, Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum Gesellschaftsrecht, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2002, VGR Bd. 6, 2003, S. 3; Römermann/Schröder, Aufgabe des qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns, GmbHR 2001, 1015; Scheel, Konzerninsolvenzrecht, 1995, S. 346 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 III 3 (S. 1224 ff.); K. Schmidt, Konzernhaftung nach dem TBB-Urteil, ZIP 1993, 549; K. Schmidt, Konzernhaftung von freiberuflichen Mehrfachgesellschaftern?, ZIP 1994, 1741; K. Schmidt, Gesellschafterhaftung und Konzernhaftung bei der GmbH, NJW 2001, 3577; Schramm, Konzernverantwortung und Haftungsdurchgriff im qualifizierten faktischen GmbHKonzern, 1990; Schulze-Osterloh, Vermeidung der Konzernhaftung nach dem TBBUrteil, ZIP 1993, 1838; Stimpel, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZGR 1991, 144; Stodolkowitz, Die Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern nach der Rechtsprechung des BGH, ZIP 1992, 1517; Ulmer, in: Hachenburg, § 77 Anh. Rdnr. 97–181; Ulmer, Gläubigerschutz im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, NJW 1986, 157; Ulmer, Von TBB zu Bremer Vulkan – Revolution oder Evolution?, ZIP 2001, 2021; Ulmer, Gesellschafterhaftung im faktischen Einmann-Konzern, in: Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbHKonzern, ZHR Beiheft Bd. 70, 2002, S. 41; Ulmer, Das Recht der GmbH und der GmbH & Co nach fünfzig Jahren BGH-Rechtsprechung, in: Festgabe 50 Jahre BGH Bd. II, 2000, S. 273; Versteegen, Konzernverantwortlichkeit und Haftungsprivileg, 1993; Versteegen, Das TBB-Urteil als Wegbereiter einer allgemeinen Intransparenzhaftung in der GmbH, DB 1993, 1225; Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, § 8 (S. 224 ff.); G. Weigl, Die Haftung im (qualifizierten) faktischen Konzern, 1996; W. Werner, Probleme der Anwendung des § 303 AktG im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, in: FS Goerdeler, 1987, S. 677; H. P. Westermann, Weichenstellungen im Recht des „qualifizierten faktischen Konzerns“, DWiR 1992, 197; H. P. Westermann, TBB-Urteil – Ein Neuansatz bei der Haftung wegen qualifizierter faktischer Konzernierung?, ZIP 1993, 554; H. P. Westermann, Haftungsrisiken eines beherrschenden GmbH-Gesellschafters, NZG 2002, 1129; Wiedemann, Spätlese zu Autokran, ZGR 1986, 656; U. P. Wilhelm, Haftung im qualifizierten faktischen Konzern und Europarecht, EuZW 1993, 729; Emmerich

|

869

Anhang § 13

Konzernrecht

Wilken, Qualifizierter faktischer Konzern und Unterkapitalisierung, WiB 1997, 453; S. Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, 2004; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 259–271 (S. 511 ff.); Zeidler, Neues zur Haftung im qualifizierten faktischen Konzern?, GmbHR 1997, 881; Ziegenhain, Der qualifizierte faktische Konzern in der Rechtsprechung des BAG, ZIP 1994, 103; Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahmen auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996, S. 110 ff.; Zöllner, Qualifizierte Konzenierung im Aktienrecht, in: Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, 1997, S. 369; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 116, 132 ff.; – Schrifttum zu der neuen Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs s. oben § 13 vor Rdnr. 55.

I. Überblick 92

Der qualifizierte faktische Konzern stand bis zum Jahre 2001 im Mittelpunkt der konzernrechtlichen Diskussion. Man bezeichnete mit diesem erstmals im Jahre 1972 geprägten Begriff1 (ursprünglich) Abhängigkeitsverhältnisse, in denen das auf Einzeleingriff und Schadensersatz wegen Treuepflichtverletzung aufgebaute Haftungssystem (oben Rdnr. 71 ff.) deshalb nicht mehr funktioniert, weil wegen der Breite und Dichte der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft einzelne Weisungen und deren Auswirkungen nicht mehr isoliert werden können2. Seit dem 1. Bremer VulkanUrteil des BGH vom 17. 9. 20013 wird der Haftungstatbestand des qualifizierten faktischen Konzerns jedoch zunehmend durch die neue Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs verdrängt (s. oben § 13 Rdnr. 98 ff.). Noch offen ist, ob neben diesem neuen Haftungstatbestand, zumindest in besonderen Fallgestaltungen, Raum für das Rechtsinstitut des qualifizierten faktischen GmbHKonzerns bleibt (s. schon oben § 13 Rdnr. 136 ff. sowie unten Rdnr. 120 f.). Mit Rücksicht auf diese unbeklärte Problematik soll im Folgenden die Entwicklung von Literatur und Rechtsprechung zum qualifizierten faktischen Konzern in der gebotenen Kürze skizziert werden4.

93

Die mit dem 1. Bremer Vulkan-Urteil von 2001 wieder aufgegebene (frühere) Rechtsprechung zum qualifizierten faktischen GmbH-Konzern hatte in der Literatur eine zuletzt kaum mehr überschaubare Diskussion ausgelöst, in der es vor allem um die folgenden vier Fragen ging: zunächst um die Abgrenzung des mit dem Schlagwort „qualifizierter faktischer Konzern“ umschriebenen Tatbestandes, sodann um die Frage der Zulässigkeit solcher Konzerne, weiter um die Frage des angemessenen Schutzes etwaiger außenstehender Gesellschafter in ihnen sowie schließlich und vor allem um die Frage der Haftungsverfassung. Gemeint war damit das Problem, unter welchen Voraussetzungen das herrschende Unternehmen der abhängigen Gesellschaft oder deren Gläubigern ersatzpflichtig ist, konkret: ob und wann hier Raum für eine Analogie zu den §§ 302 und 303 AktG war (vgl. auch schon oben § 13 Rdnr. 98 ff.). Kern der 1 S. Arbeitskreis GmbH-Reform, Thesen und Vorschläge zur GmbH-Reform Bd. II, 1972, S. 49 ff. 2 S. Emmerich, GmbHR 1987, 213. 3 II ZR 178/99, BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 = AG 2002, 43 = ZIP 2001, 1874. 4 Wegen aller Einzelheiten vgl. im Übrigen 9. Aufl., Rdnr. 91 ff. m. zahlr. N.

870

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Auseinandersetzung war das Problem, ob der „Haftungsdurchgriff“ auf das herrschende Unternehmen entsprechend den §§ 302 und 303 AktG bereits gerechtfertigt ist, wenn das Haftungssystem für faktische Konzerne (oben Rdnr. 71 ff.) funktionsunfähig wird, weil sich einzelne Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens und die von ihnen ausgehenden Wirkungen nicht mehr isolieren lassen, oder ob noch ein „qualifizierendes“ Element hinzukommen muss, zuletzt meistens im Anschluss an das TBB-Urteil des BGH von 29. 3. 1993 als „objektiver Missbrauch infolge fehlender angemessener Rücksichtnahme auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft“ definiert1. Zulässigkeitsfragen spielten demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle2. Die Rechtsprechung war nicht geradlinig verlaufen, sondern hatte die Akzente einmal mehr auf eine nur wenig eingeschränkte Strukturhaftung, das andere Mal mehr auf eine (modifizierte) Verhaltenshaftung gelegt3. Die wichtigsten Urteile des BGH auf diesem verschlungenen Weg sind unter den Bezeichnungen „Autokran4, Tiefbau5, Video6, Stromlieferung7 und TBB“8 in die Konzernrechtsgeschichte eingegangen. Vor allem das erwähnte Video-Urteil von 19919 hatte wegen seiner weit reichenden Konsequenzen ein regelrechtes „Erdbeben“ ausgelöst, weshalb sich der BGH schon wenig später in dem TBBUrteil vom 29. 3. 199310 zu deutlichen Korrekturen veranlasst sah, bis er schließlich in dem 1. Bremer-Vulkan-Urteil vom 17. 9. 2001 diese Praxis wieder aufgab11.

94

In der Zeit zwischen „TBB“ und „Bremer Vulkan“, d.h. in den Jahren von 1993 bis 2001 verfolgte der BGH in der Frage der Haftungsverfassung im qualifizierten faktischen Konzern offenbar ein Konzept, das im Kern auf eine durch Ele-

95

1 BGH II ZR 265/91, BGHZ 122, 123, 130 = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283. 2 S. Emmerich, AG 1991, 303, 306. 3 S. zuletzt die Übersichten bei Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 144 ff.; Döser, AG 2003, 406; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 317 AktG Anh., § 318 AktG Anh. Rdnr. 33 ff.; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3424 ff. (S. 282 ff.); Goette, DStR 1993, 568; Goette, Die GmbH, § 9 Rdnr. 10 ff. (S. 330 ff.); Goette, in: Ulmer, GmbH-Konzern, S. 9; Decher, in: Ulmer, GmbH-Konzern, S. 25; Decher, in: MünchHdb. III, § 69 Rdnr. 2 ff. (S. 1339 ff.); Gummert, WiB 1994, 217; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 88 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 259 ff. (S. 511 ff.); Michalski/Zeidler, NJW 1996, 224; Mutter, JuS 1993, 999; Schwark, JuS 1987, 443; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 100 ff.; Ulmer, in: Ulmer, GmbH-Konzern, 2002, S. 41. 4 BGHZ 95, 330 = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 = AG 1986, 15. 5 BGHZ 107, 7 = NJW 1989, 1800 = GmbHR 1989, 196 = AG 1989, 243. 6 BGHZ 115, 187 = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429. 7 BGHZ 116, 37 = NJW 1992, 505 = WM 1991, 2137 = AG 1992, 83. 8 BGHZ 122, 123 = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 = AG 1993, 371. 9 BGHZ 115, 187 = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429. 10 BGHZ 122, 123 = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 = AG 1993, 371. 11 BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 „Bremer Vulkan“; BGHZ 150, 61, 68 = NJW 2002, 1803 = GmbHR 2002, 549 = ZIP 2002, 848 „L. Kosmetik“; BGHZ 151, 181, 186 ff. = NJW 2002, 3024 = GmbHR 2002, 902 = ZIP 2002, 1578 „KBV“.

Emmerich

|

871

Anhang § 13

Konzernrecht

mente der Strukturhaftung modifizierte Verhaltenshaftung hinauslief1. Das Ergebnis war eine deutliche Zurückhaltung des BGH bei der Bejahung des „Haftungsdurchgriffs“ auf das herrschende Unternehmen im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern2, während das BAG und das BSG in diesem Punkt offenbar eine etwas großzügigere Haltung einnahmen3. Die übrigen Gerichte folgten im Wesentlichen der durch den BGH vorgezeichneten Linie, so dass Urteile, in denen eine Konzernhaftung im qualifizierten faktischen Konzern bejaht wurde, zuletzt selten geworden waren4, während im Schrifttum zugleich die grundsätzliche Kritik an der Berechtigung des ganzen Rechtsinstituts wieder deutlich zunahm (s. schon oben § 13 Rdnr. 99 m.N.). 96

In der geschilderten Rechtsprechung „nach TBB“ (oben Rdnr. 95) hatten sich zuletzt die folgenden Voraussetzungen für einen Haftungsdurchgriff im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern abgezeichnet: Das herrschende Unternehmen musste in nachteiliger Weise auf die abhängige Gesellschaft Einfluss genommen haben; diese Nachteilszufügung musste einen objektiven Missbrauch der Herrschaftsmacht darstellen, weil das herrschende Unternehmen dabei nicht in der gebotenen Weise Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft genommen hatte; und schließlich musste ein Einzelausgleich der zugefügten Nachteile ausscheiden, wobei in erster Linie an Schadensersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft wegen der Nachteilszufügung zu denken war. „Entkleidet“ man diesen Haftungstatbestand aller konzerrechtlichen Bezüge, so wird sofort die enge Verwandtschaft, wenn nicht Identität mit dem neuen Haftungstatbestand wegen existenzvernichtenden Eingriffs deutlich (s. oben § 13 Rdnr. 98 ff. m.N.).

1 S. BGH, LM Nr. 11 zu § 17 AktG = NJW 1994, 446 = AG 1994, 179 „EDV-Peripherie“; LM Nr. 8 zu § 302 AktG = NJW 1994, 3288 = AG 1995, 35 „Freiberufler-Konzern I“; LM Nr. 41 zu § 276 (Fa) BGB = NJW 1995, 1544 = AG 1995, 326 „Freiberufler-Konzern II“; LM Nr. 10 zu § 826 (Gg) BGB = NJW 1996, 1283 = AG 1996, 221; LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = AG 1997, 180; GmbHR 1998, 87 = DStR 1997, 1937; vgl. außerdem noch BGHZ 117, 8, 16 = NJW 1992, 1702. 2 Ebenso ausdrücklich Goette, in: Ulmer, GmbH-Konzern, S. 9, 12, 21 ff.; Boujong, in: FS Odersky, S. 739, 748 ff.; Raiser, ZGR 1995, 156, 161 f. 3 BAGE 70, 158 = AP Nr. 25 zu § 16 BetrAVG = AG 1993, 380; BAGE 76, 79, 84 ff. = NJW 1994, 3244 = AG 1994, 510; BAG, AP Nr. 21 zu § 113 BetrVG 1972 = NJW 1991, 2923 = AG 1991, 434 „Hettler“; AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG-Konzern = AG 1993, 382 = NJW 1993, 954 „AG Union“; AP Nr. 29 zu § 16 BetrAVG = AG 1994, 279; NJW 1996, 1491 = AG 1996, 222 = GmbHR 1996, 113; GmbHR 1998, 1220, 1223 ff. = AG 1999, 184 = NZG 1999, 116; GmbHR 1999, 655; AG 1999, 376 = NZG 1999, 661 = GmbHR 1999, 658; BSGE 75, 82, 89 ff. = NJW-RR 1995, 730 = AG 1995, 279; BSG, WiB 1997, 26, 27 f. = NJW-RR 1997, 94, 96 = GmbHR 1996, 604, 607 = ZIP 1996, 1134. 4 S. OLG Köln, BB 1997, 169 = GmbHR 1997, 220; OLG Dresden, GmbHR 1997, 215 = WiB 1977, 466 = AG 1997, 330; OLG Bamberg, AG 1998, 191 = NJW-RR 1997, 1190; OLG Frankfurt, AG 1998, 193 = NZG 1998, 228 = OLGR Frankfurt 1997, 269; OLG München, GmbHR 1998, 285 = DB 1998, 614; OLG Oldenburg, GmbHR 1998, 286; OLG Rostock, AG 1999, 279 = NZG 1999, 170; OLG Düsseldorf, AG 1999, 276 = GmbHR 1999, 123; NZG 1999, 502; OLG Bremen, NZG 1999, 724 „Bremer Vulkan“; OLG Celle, NZG 1999, 728; LG Münster, AG 1997, 474 = WM 1997, 672; LG Frankfurt a.M., NJW-RR 1997, 796 = AG 1998, 98.

872

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Ursprünglich hatte der BGH statt dessen zur Begründung der Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern besonderes Gewicht auf die Frage gelegt, ob dieses „dauernd und umfassend“ die Leitung der abhängigen Gesellschaft an sich gezogen hatte1. Das lag vor allem deshalb nahe, weil auslösend für die „Entdeckung“ des qualifizierten faktischen Konzerns die Beobachtung gewesen war, dass in bestimmten Konzernfällen, gekennzeichnet eben durch eine besondere Breite und Tiefe der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens, das gesetzliche Haftungssystem der §§ 311 und 317 AktG nicht mehr funktioniert.

97

Diese Linie wurde jedoch im Grunde bereits mit dem Video-Urteil vom 23. 9. 19912 verlassen, in dem es erstmals hieß, der Umstand, dass das herrschende Unternehmen die Geschäfte der abhängigen Gesellschaft dauernd und umfassend führt, sei lediglich ein Indiz dafür, dass es im Konzerninteresse nicht mehr hinreichend Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft nimmt. Seit dem TBB-Urteil vom 29. 3. 19933 drängte sodann dieses Merkmal der mangelnden Rücksichtnahme auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft alle anderen Haftungsvoraussetzungen nahezu vollständig in den Hintergrund (Stichwort: modifizierte Verhaltenshaftung).

98

Die beiden wichtigsten Voraussetzungen des „Haftungdurchgriffs“ auf das herrschende Unternehmen im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern waren nach dem Gesagten (oben Rdnr. 96) der objektive Missbrauch der herrschenden Gesellschafterstellung in Gestalt der fehlende Rücksichtnahme auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft bei der Einflussnahme auf diese sowie die Unmöglichkeit des Einzelausgleichs des zugefügten Nachteils. Von diesem Tatbestandsmerkmalen interessiert heute wegen der Parallele zu der Diskussion über die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs (oben Rdnr. 96) letztlich nur noch die Frage, wann ein Missbrauch in dem genannten Sinne angenommen wurde (unten Rdnr. 100 ff.). Wegen aller Einzelheiten ist im Übrigen auf die Darstellung in der Vorauflage (Rdnr. 99–119) zu verweisen4.

99

II. Missbrauch Die wichtigste und schwierigste Aufgabe, die die TBB-Doktrin Literatur und Rechtsprechung stellte, war die Entwicklung von Kriterien, anhand derer eine Unterscheidung erlaubter und unerlaubter Einflussnahme des herrschenden 1 BGHZ 95, 330, 344 = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 „Autokran“; BGHZ 107, 7, 17, 19 f. = GmbHR 1989, 196 = NJW 1989, 1800 „Tiefbau“; BGHZ 115, 187, 193 ff. = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 „Video“; ebenso BAGE 70, 158, 162 ff. = AG 1993, 380, 381 = GmbHR 1993, 220; BAG, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG-Konzern = NJW 1993, 954 = AG 1993, 382 = GmbHR 1993, 218 „AG Union“; OLG Saarbrücken, GmbHR 1993, 39 = AG 1993, 183 „Gerken“; OLG Karlsruhe, AG 1993, 89, 92 = WM 1992, 2088 „Schotterkleber“; AG Düsseldorf, AG 1994, 87. 2 BGHZ 115, 187, 193 f. = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429. 3 BGHZ 122, 123, 130 ff. = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 = AG 1993, 371; ebenso OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 123 = AG 1999, 276. 4 S. außerdem Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 28, 31 (S. 432, 461 ff.); Emmerich/ Habersack, Kommentar, § 317 AktG Anh.

Emmerich

|

873

100

Anhang § 13

Konzernrecht

Unternehmens möglich erschien. Diese Aufgabe hatte sich als ausgesprochen schwierig erwiesen, weil die „eigenen Belange“ der abhängigen GmbH, einer juristischen Person (!), naturgemäß nur schwer zu fassen sind1. Sicher war nur, dass man zur Konkretisierung der eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft von dem vertragsmäßigen Gegenstand und dem Zweck der Gesellschaft auszugehen hatte (s. oben § 3 Rdnr. 9 ff.). Das herrschende Unternehmen missbrauchte folglich seine Gesellschafterstellung durch die Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft, wenn die fragliche Maßnahme mit den Belangen der abhängigen Gesellschaft, definiert durch ihren Gegenstand und Zweck, unvereinbar war. 101

Eine weitere Konkretisierung des Missbrauchs erlaubte die (ohnehin nahe liegende) Parallele zu den §§ 311 Abs. 1 und 317 Abs. 2 AktG. Bedeutung hatte dies vor allem für mehrgliedrige Gesellschaftern, in denen bei nüchterner Betrachtungsweise mit den eigenen Belangen der abhängigen Gesellschaft sinnvollerweise nur die legitimen Interessen der übrigen Gesellschafter und der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft gemeint sein konnten, die in aller Regel darauf gerichtet sind, dass die Gesellschaft ihr Unternehmen unabhängig im gemeinsamen Interesse aller Beteiligten (und nicht nur im Interesse eines einzigen, des herrschenden Gesellschafters) betreibt2.

102

Folglich war hier die Beeinträchtigung „der eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft“ letztlich identisch mit einer Nachteilszufügung durch das herrschende Unternehmen in einer Weise, wie sie der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer einer unabhängigen Gesellschaft, der sich allein an den Interessen seiner Gesellschaft und aller ihrer Gesellschafter orientiert, niemals akzeptiert hätte (§ 43 GmbHG; §§ 76, 93, 317 Abs. 2 AktG analog). Jede Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft, die mit diesem Maßstab unvereinbar ist, bedeutete, anders gewendet, einen objektiven Missbrauch durch Unterlassung der gebotenen Rücksichtnahme auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft, definiert durch das legitime Interessen der übrigen Gesellschafter und der Gläubiger an der Führung der abhängigen Gesellschaft als einer unabhängigen in ihrem gemeinsamen Interesse.

103

Anders lag die Situation zunächst, wenn die übrigen Gesellschafter der Einbeziehung der abhängigen Gesellschaft in den Konzern des herrschenden Unternehmens zugestimmt hatten, weil darin, jedenfalls im Regelfall, auch die Ein1 Vgl. Decher, in: Ulmer, GmbH-Konzern, S. 25, 30 ff.; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3433 ff., S. 286 ff.; Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 410 ff.; Kiethe/Groeschke, BB 1997, 1957; Krieger, ZGR 1994, 375, 379 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Michalski/ Zeidler, NJW 1996, 224, 228 f.; Scheel, Konzerninsolvenzrecht, 1995, S. 357 ff.; Ulmer, in: Ulmer, GmbH-Konzern, 2002, S. 41, 54 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 130–139. 2 S. Assmann, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 657, 698 ff.; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 98, 359 ff.; Deilmann, Die Entstehung des qualifizierten faktischen Konzerns, 1990, S. 63 ff.; Emmerich, AG 1987, 1 und Emmerich, GmbHR 1987, 213; Ensthaler/ Kreher, BB 1995, 1422, 1426 ff.; Ensthaler/Kreher, BB 1996, 385; Limmer, Haftungsverfassung, S. 303 ff.; Michalski/Zeidler, NJW 1996, 224, 228 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 487 ff.; Scheel, Konzerninsolvenzrecht, S. 357 ff.; Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 329 ff.; Sonnenschein/Holdorf, JZ 1992, 715, 717 f.

874

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

willigung in eine Nachteilszufügung im Konzerninteresse liegen dürfte (§ 308 Abs. 2 AktG analog). Anders war die Situation außerdem, wenn die abhängige Gesellschaft bereits nach ihrem Gesellschaftsvertrag ganz auf das Konzerninteresse ausgerichtet ist, wenn es sich z.B. um eine von vornherein allein zur Erfüllung bestimmter Konzernaufgaben gegründete Tochtergesellschaft handelte. Es bestand Übereinstimmung, dass bei solchen Gesellschaften auch eine schädigende Einflussnahme im Konzerninteresse so lange unbedenklich ist, wie die Überlebensfähigkeit der abhängigen Gesellschaft und damit namentlich ihre Fähigkeit zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gewährleistet sind1. Auch hier wird die Parallele zu der heutigen Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe deutlich. Ebenso zu beurteilen war die Rechtslage bei Einmann-Gesellschaften. Die Praxis gestattete hier dem herrschenden Unternehmen – in den Grenzen der §§ 30 und 31 – gleichfalls jede Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft, solange sie nur in der Lage blieb, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen2.

104

Weitere Haftungsvoraussetzungen waren, wie bereits angedeutet, die Unmöglichkeit eines Einzelausgleichs (s. 9. Aufl., Rdnr. 106 ff.) sowie Kausalität zwischen den Schäden der abhängigen Gesellschaft und dem objektiv missbräuchlichen Eingriff des herrschenden Unternehmens. Dagegen war kein Raum für die Anwendung der §§ 302 und 303 AktG, wenn dem herrschenden Unternehmen die Verluste der abhängigen Gesellschaft nicht angelastet werden konnten3. Umstritten blieb bis zuletzt, ob die Haftung außerdem Verschulden auf der Seite der Organe des herrschenden Unternehmens sowie überhaupt das Vorliegen eines Konzerns voraussetzte oder ob nicht richtigerweise schon eine bloße Abhängigkeitslage – unter den genannten anderen Voraussetzungen – ausreichte (s. 9. Aufl., Rdnr. 111–113).

105

III. Beweislast Die zentrale Frage unter der Geltung des Haftungsdurchgriffs im qualifizierten faktischen Konzern war letztlich die nach der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zwischen den Parteien, – nicht anders als heute im Rahmen der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe (s. oben § 13 Rdnr. 129 ff.). Deshalb soll hier zu dieser Frage – im Anschluss an frühere Ausführungen (9. Aufl., Rdnr. 114 ff.) – noch Stellung genommen werden:

1 S. LG Frankfurt, AG 1998, 98 = NJW-RR 1997, 796; Beinert, Die Konzernhaftung für die satzungsmäßig abhängig gegründete GmbH, 1995. 2 Grdlg. BGHZ 122, 123, 130 = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 „TBB“; BGH, LM Nr. 8 zu § 302 AktG = NJW 1994, 3288 = AG 1995, 25 „Freiberuflerkonzern I“; BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = NJW 1997, 943 = AG 1997, 180; BSGE 75, 82, 90 = NJW-RR 1995, 730 = AG 1995, 279; BSG, NJW-RR 1997, 94, 96 = GmbHR 1996, 604, 607; OLG Köln, BB 1997, 169, 170 = GmbHR 1997, 220; OLG Dresden, GmbHR 1997, 215, 217 ff. = AG 1997, 330; OLG Bamberg, AG 1998, 191 = NJW-RR 1997, 1190; LG Münster, AG 1997, 474 = WM 1997, 672, 673 f. 3 So insbes. BGH, GmbHR 1998, 87 = DStR 1997, 1937 (nur LS) mit Anm. Goette.

Emmerich

|

875

106

Anhang § 13

Konzernrecht

1. Grundsatz 107

Eine Vermutung für das Vorliegen eines besonderen Abhängigkeitstatbestandes, in dem die Regeln über den qualifizierten faktischen Konzern eingreifen, bestand nicht; § 17 Abs. 2 AktG fand keine Anwendung. Die Beweislast für das Vorliegen des Haftungstatbestandes (oben Rdnr. 99 ff.) traf vielmehr grundsätzlich denjenigen, der, als Gesellschafter oder Gläubiger der abhängigen Gesellschaft, vom herrschenden Unternehmen Schadensersatz oder Verlustausgleich verlangte1.

108

Es war vor allem diese Beweislastverteilung (oben Rdnr. 107) gewesen, die dazu geführt hatte, dass es zuletzt nur noch selten zum Haftungsdurchgriff im qualifizierten faktischen Konzern gekommen war, weil dem Kläger namentlich der Beweis der nachhaltigen Beeinträchtigung des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft (oben Rdnr. 99 ff.), der häufig Dritten sorgsam verborgene Konzerninterna betrifft, in der Regel gar nicht möglich war. Deshalb bestand Übereinstimmung, dass dem Kläger hier, wenn man nicht den Haftungdurchgriff im qualifizierten faktischen Konzern wegen der Unmöglichkeit, seine Vorausetzungen zu beweisen, letztlich leer laufen lassen wollte, mit unterschiedlichen Beweiserleichterungen geholfen werden musste2. Über deren Ausmaß bestand jedoch bis zuletzt Streit, da der BGH3 als Voraussetzung für etwaige Beweiserleichterungen verlangte, dass der Kläger (immerhin) Umstände darlegt und gegebenenfalls beweist, die die Annahme „zumindest nahe legen“, dass bei der Unternehmensführung im Hinblick auf das Konzerninteresse die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft über bestimmte, konkret ausgleichsfähige Einzeleingriffe hinaus beeinträchtigt wurden. Die Folge war, dass in der Praxis schließlich die meisten der auf die §§ 302 und 303 AktG gestützten Klagen bereits an der Unmöglichkeit scheiterten, diese zur Ausfüllung des Haftungstatbestandes erforderlichen Tatsachen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen4.

1 BGHZ 122, 123, 131, 132 f. = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 = AG 1993, 371 „TBB“; BAG, GmbHR 1998, 1220, 1223 f. = AG 1999, 184 = NZG 1999, 116; Decher, in: Ulmer, GmbH-Konzern, S. 25, 34 ff.; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3444 ff. (S. 290 ff.); Krieger, ZGR 1994, 375, 387 ff.; Kiethe/Groeschke, BB 1994, 2149; 1997, 1957; Ulmer, in: Ulmer, GmbH-Konzern, 2002, S. 41, 65 ff.; Versteegen, DB 1993, 1225. 2 S. außer den Genannten (vorige Fn.) noch Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 368 ff.; Ensthaler/Kreher, BB 1995, 1422; Ensthaler/Kreher, BB 1996, 385; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3455–3470 (S. 295 ff.); Krieger, ZGR 1994, 375, 390 ff.; Kropff, AG 1993, 485, 493; Michalski/Zeidler, NJW 1996, 224; P. Oser, WPg 1994, 312; Schulze-Osterloh, ZIP 1993, 1838; Weigl, Haftung, S. 179 ff.; kritisch aber W. Bitter/ G. Bitter, BB 1996, 2153; J. Lehmann, in: FS Beusch, S. 479, 481 ff.; W. Müller, in: FS Rowedder, 1994, S. 277, 288 ff. 3 BGHZ 122, 123, 131 = NJW 1993, 1200 = GmbHR 1993, 283 = AG 1993, 371 „TBB“; OLG Frankfurt, AG 1998, 193, 194 = NZG 1998, 228 = OLGR 1997, 269; LG Frankfurt, AG 1998, 98, 99 = NJW-RR 1997, 796. 4 Ebenso Kiethe/Groeschke, BB 1997, 1957; ein Beispiel in BGH, GmbHR 1998, 87 = DStR 1997, 1937 m. Anm. Goette.

876

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

2. Indizien, Fallgruppen a) Im Schrifttum war als Ausweg aus dem geschilderten Dilemma (oben Rdnr. 107 f.) vor allem die Aufstellung von Indizien diskutiert worden, die mit unterschiedlichem Gewicht je nach den Umständen des Falles auf einen Haftungstatbestand hinweisen sollten, so dass es dann Sache des herrschenden Unternehmens sein sollte, Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die diese Indizien wieder entkräften konnten. An welche Umstände dabei anzuknüpfen sein sollte, blieb jedoch bis zuletzt offen. Die Vorschläge variierten je nach den Vorstellungen von der Realstruktur qualifizierter faktischer GmbH-Konzerne und den Haftungskonzepten. Folgerichtig reichte das Spektrum der als Indizien herangezogenen Umstände von Buchführungsmängeln über schwer wiegende strukturelle Eingriffe bis hin zu bestimmten Erscheinungsformen personeller Verflechtungen und zur Illiquidität der abhängigen Gesellschaft. Der Sache nach bedeutete dies nichts anderes als eine systematische Anknüpfung an die wichtigsten Fallgruppen, in denen nach dem damaligen Stand der Praxis in qualifizierten faktischen Konzernen eine Haftung entsprechend den §§ 302 und 303 AktG überhaupt in Betracht kam1:

109

Eine Haftung des herrschenden Unternehmens entsprechend den §§ 302 und 303 AktG lag in qualifizierten faktischen Konzernen (mit der Folge einer Verlagerung der Darlegungslast partiell auf das herrschende Unternehmen) zumindest „nahe“ bei Insolvenz einer Einmann-Gesellschaft, vor allem, wenn noch andere, in dieselbe Richtung weisende Merkmale wie etwa eine personelle Verflechtung hinzukamen, ebenso in sonstigen Insolvenzfällen, sofern zugleich die Geschäfte mit neugegründeten Gesellschaften oder anderen Konzerngesellschaften fortgeführt wurden (Stichwort: GmbH-Stafetten), ferner bei „systematischer“ Schädigung der abhängigen Gesellschaft im Rahmen des konzerninternen Geschäfts- und Abrechnungsverkehrs durch unangemessene Konzernverrechnungspreise oder durch Konzernumlagen zu Gunsten anderer Konzerngesellschaften, weiter im Falle der Veranlassung der abhängigen Gesellschaft zur Hingabe ungesicherter Darlehen an nicht mehr kreditwürdige, andere Konzernunternehmen, außerdem bei systematischem Abzug der Liquidität der Gesellschaft, insbesondere im Rahmen so genannter Cash-Management-Systeme, so dass die abhängige Gesellschaft im Grunde wie eine bloße Betriebsabteilung geführt wurde, sowie generell in Fällen einer mangelhaften Buchführung oder der Undurchschaubarkeit des gesamten Geschäfts- und Abrechnungsverkehrs zwischen den verbundenen Unternehmen.

110

Einen umstrittenen Grenzfall stellte vor allem die Betriebsaufspaltung dar (s. 9. Aufl., Rdnr. 124). Obwohl zumindest bei der „echten“ Betriebsaufspaltung im Regelfall alles für die Annahme eines qualifizierten faktischen Konzerns sprach, überwog doch die abweichende Sicht der Dinge2. Wenn jedoch zu der

111

1 S. zu diesen Fallgruppen schon ausführlich oben § 13 Rdnr. 111 ff., 9. Aufl., Rdnr. 120– 123 sowie noch Decher, in: Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbHKonzern, 2002, S. 25, 36 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 69 Rdnr. 13–21 (S. 1344 ff.). 2 S. BSG, GmbHR 1996, 604, 607 = ZIP 1996, 1134 = NJW-RR 1997, 94, 96; Drygala, Der Gläubigerschutz bei der typischen Betriebsaufspaltung, 1991, S. 74 ff.; Drygala, NJW

Emmerich

|

877

Anhang § 13

Konzernrecht

Betriebsaufspaltung noch eine personelle Verflechtung der verbundenen Unternehmen hinzukam, war auch der Betriebsaufspaltung richtiger Meinung nach indizielle Wirkung in dem genannten Sinne schwerlich abzusprechen1. 112

b) Die Diskussion über qualifizierte faktische Konzerne hatte ihren Ausgangspunkt seinerzeit bei der Erkenntnis genommen, dass es Situationen gibt, in denen wegen der Breite und Intensität der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens einzelne Eingriffe und ihre Folgen nicht mehr isoliert werden können, so dass ein auf Einzeleingriff und Schadensausgleich abstellendes Haftungssystem notwendigerweise versagen müsste2. Diese Einsicht, die bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat, ist freilich später gegenüber anderen Überlegungen ganz in den Hintergrund getreten. Lediglich in dem Merkmal der fehlenden Ausgleichbarkeit von Einzeleingriffen lebte (und lebt) es in versteckter Form fort. Demgegenüber wäre es wohl richtiger gewesen, sich gerade im vorliegenden Zusammenhang (Stichwort: Indizien) wieder mehr des Ausgangspunkts der ganzen Diskussion zu erinnern und jedenfalls dann an Beweiserleichterungen zu denken, wenn die letztlich vom herrschenden Unternehmen zu verantwortende Situation eine Isolierung von Einzeleingriffen und ihren Folgen praktisch unmöglich machte. Es handelte sich dabei um Fallgestaltungen, die zunächst vor allem unter dem Stichwort: „Führung der abhängigen Gesellschaft wie eine Betriebsabteilung“ diskutiert worden waren3. Gleich standen (und stehen) die Fälle einer gänzlich mangelhaften Buchführung sowie überhaupt der Undurchschaubarkeit des Geschäftsverkehrs (Stichworte: Waschkorblage, Intransparenzhaftung)4.

113

Richtiger Meinung nach gehörten hierher ferner Einmann-Gesellschaften, jedenfalls, wenn ihr einziger Gesellschafter zugleich die Aufgaben des Geschäftsführers übernimmt5, sowie schließlich noch – entgegen der überwiegenden Meinung – bestimmte Formen der Organverflechtung, sofern sie zur Folge

1

2 3

4 5

1995, 3237; Priester, in: Heidelberger Konzernrechtstage, S. 223, 241 ff.; Schulze-Osterloh, ZGR 1983, 123; Ziegler, Kapitalersetzende Gebrauchsüberlassungsverhältnisse und Konzernhaftung bei der GmbH, 1989, S. 193 ff.; s. auch BGH, LM Nr. 21 zu § 30 GmbHG = WM 1986, 1554 = NJW 1987, 1080. Grdlg. BAG, AP Nr. 12 zu § 303 AktG = NJW 1999, 2612 = AG 1999, 376, 377 f. = GmbHR 1999, 658 = NZG 1999, 661; Holzwarth, Konzernrechtlicher Gläubigerschutz bei der klassischen Betriebsaufspaltung, 1994, S. 131, 191 ff.; G. Raiser, NJW 1995, 1804. S. schon Emmerich, GmbHR 1987, 213, 216 f. Vgl. aus der Praxis „vor TBB“ insbes. BGHZ 95, 330, 344 = GmbHR 1986, 78 = AG 1986, 188 = NJW 1986, 188 „Autokran“; BGH, LM Nr. 46 zu § 105 HGB = AG 1980, 47 = NJW 1980, 231 „Gervais“; BAG, AP Nr. 21 zu § 113 BetrVG 1972 = NJW 1991, 2923 = AG 1991, 434, 436 „Hettler“; BAGE 70, 158, 162 ff. = AG 1993, 380 = GmbHR 1993, 220; zuvor auch schon BGHZ 68, 312 = NJW 1977, 1449 „Typenhäuser“; BGH, LM Nr. 124 zu § 276 (Fa) BGB = NJW-RR 1992, 1061 „PS-Bau“; s. Lutter, AG 1990, 179, 182 f. S. dazu P. Oser, WPg 1994, 312; Schulze-Osterloh, ZIP 1993, 1838; Weigl, Haftung, S. 179 ff. BGHZ 115, 187, 195 f. = NJW 1991, 3142 = AG 1991, 429 = GmbHR 1991, 520 „Video“; BAG, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG-Konzern = AG 1993, 382 = NJW 1993, 954 „AG Union“; sehr str., s. zuletzt Ulmer, in: Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbHKonzern, 2002, S. 41.

878

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

hatte, dass die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft von Vertretern des herrschenden Unternehmens majorisiert wird, einfach deshalb, weil dann eine Isolierung einzelner Einflussnahmen und ihrer Wirkungen kaum mehr vorstellbar ist, auch nicht durch entsprechende Dokumentation und Verbuchung bei der abhängigen Gesellschaft1.

IV. Rechtsfolgen 1. Unter den genannten Voraussetzungen (oben Rdnr. 95, 100 ff.) richtete sich die Haftung des herrschenden Unternehmens im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern gegenüber den Gläubigern nach den entsprechend anwendbaren §§ 302 und 303 AktG. Dies bedeutete vor allem, dass die abhängige Gesellschaft von dem herrschenden Unternehmen Übernahme ihrer Verluste verlangen konnte, sobald einmal die Voraussetzungen der Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens erfüllt waren (§ 302 Abs. 1 AktG). Die Verlustübernahmepflicht des herrschenden Unternehmens bestand dann so lange, bis ihre Voraussetzungen wieder entfielen, wofür das herrschende Unternehmen die Beweislast trug. Der Anspruch stand der abhängigen Gesellschaft zu, konnte aber im Wege der actio pro socio (oder societate) auch von den Minderheitsgesellschaftern geltend gemacht werden, während den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft der Zugriff auf den Anspruch im Wege der Zwangsvollstrekkung möglich war; auch an eine Analgoie zu den §§ 317 Abs. 3 und 309 Abs. 4 Satz 3 AktG war hier zu denken (s. oben Rdnr. 88).

114

Auszugleichen war auf dem Weg über § 302 AktG die gesamte bei der abhängigen Gesellschaft eingetretene Überschuldung, also auch eine etwaige Unterbilanz2. Umstritten war lediglich, ob das herrschende Unternehmen befugt war, bei der abhängigen Gesellschaft bestehende Rücklagen aufzulösen, um die eingetretenen Verluste zu decken und so seiner Verlustübernahmepflicht zu entgehen. Für mehrgliedrige Gesellschaften wurde dies zuletzt anders als bei Einmann-Gesellschaften überwiegend verneint (s. 9. Aufl., Rdnr. 129).

115

2. § 303 AktG wurde gleichfalls entsprechend im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern angewandt, wobei hier – mangels Registerpublizität solcher Konzerne – Stichtag der Tag der tatsächlichen Beendigung der Voraussetzungen für die Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens war3. Danach griffen dann lediglich die allgemeinen Verwirkungsregeln ein. War die abhängige Gesellschaft vermögenslos, so verwandelte sich außerdem der Anspruch der Gläubiger auf Sicherheitsleistung in einen direkten Zahlungsanspruch gegen das herrschende Unternehmen, jedenfalls, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft nicht mehr durchgeführt wurde (so ge-

116

1 Ebenso Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 376 ff. 2 BGHZ 107, 7, 16 = NJW 1989, 1600 = GmbHR 1989, 196 = AG 1989, 243 „Tiefbau“; BGHZ 115, 187, 198 = NJW 1991, 3142 = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429 „Video“. 3 BGHZ 95, 330, 347 = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 = AG 1986, 15 „Autokran“; BGHZ 115, 187, 202 = NJW 1991, 3142 = LM Nr. 4 zu § 302 AktG = GmbHR 1991, 520 = AG 1991, 429 „Video“; BGH, LM Nr. 10 zu § 302 AktG = AG 1997, 180 = NJW 1997, 943.

Emmerich

|

879

Anhang § 13

Konzernrecht

nannte Ausfallhaftung). § 322 Abs. 2 und 3 AktG galt entsprechend. In dieser Ausfallhaftung des herrschenden Unternehmens für die Schulden der abhängigen Gesellschaft im Falle ihrer Vermögenslosigkeit dürfte überhaupt der Kern der Konzernhaftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern gelegen haben1. Auch daran wird die enge Verwandtschaft des neuen Rechtsinstituts der Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs mit dem herkömmlichen Haftungstatbestand des qualifizierten faktischen Konzerns deutlich. Denn das Ergebnis ist in jedem Fall dasselbe: eine Durchgriffshaftung des herrschenden Unternehmens unter Zurückdrängung des § 13 Abs. 2.

V. Schutz der Minderheit 117

1. Im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern war der Schutz der Minderheit (natürlich) nicht geringer als in sonstigen „einfachen“ Abhängigkeitslagen (oben Rdnr. 71 ff.). Die Herbeiführung der Voraussetzungen, unter denen es entsprechend den §§ 302 und 303 AktG zu einer Konzernhaftung des herrschenden Unternehmens kam (oben Rdnr. 99 ff.), stellte im Gegenteil eine besonders schwer wiegende Treuepflichtverletzung des herrschenden Unternehmens dar, so dass die übrigen Gesellschafter von dem herrschenden Gesellschafter ebenso wie sonst Unterlassung, Beseitigung durch Rückgängigmachung der fraglichen Eingriffe und Schadensersatz verlangen konnten (§§ 242, 249, 276, 280 Abs. 1, 705 BGB; s. unten Rdnr. 119).

118

Die Minderheitsgesellschafter hatten ferner nach allgemeiner Meinung zu ihrem Schutz ein Austrittsrecht gegen volle Abfindung, und zwar ohne Rücksicht auf etwaige gesellschaftsvertragliche Beschränkungen des Abfindungsanspruchs. Umstritten war lediglich, ob es sich dabei um das allgemeine Austrittsrecht jedes Gesellschafters aus wichtigem Grunde handelt2 oder ob hier § 305 AktG entsprechend anzuwenden war, so dass der austrittswillige Gesellschafter die Abfindung – als Barabfindung – (auch) vom herrschenden Unternehmen verlangen konnte (s. § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG). Die zuletzt genannte Meinung war schon deshalb vorzugswürdig, weil nur sie geeignet erschien, der Minderheit den nötigen Schutz gegen die rechtswidrige Eingliederung ihrer Gesellschaft in einen fremden Konzern zu verschaffen3. Ein Ausgleichsanspruch der Minderheit in Gestalt einer Dividendengarantie entsprechend § 304 AktG wurde dagegen überwiegend abgelehnt, meistens mit der Begründung, zum Schutze der Minderheit reichten Unterlassungs-, Schadensersatz- und Abfindungsansprüche aus4. 1 Ebenso Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 172. 2 Entsprechend den §§ 242, 314, 723 und 738 BGB sowie § 133 HGB. 3 S. Geuting, BB 1994, 365, 367 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 272 f.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 167; enger dagegen Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 261 f.; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3485 (S. 310 f.); J. Hoffmann, NZG 2002, 68, 73; H.-Fr. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 56 ff., bes. 61 f. 4 Deilmann, Entstehung des qualifizierten faktischen Konzerns, 1990, S. 167 f.; Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986, S. 35 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 168; zur Kritik s. 9. Aufl., Rdnr. 134.

880

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

2. Die Begründung eines qualifizierten faktischen Konzerns galt allgemein als rechtswidrig, sofern und solange nicht alle Gesellschafter der Eingliederung der abhängigen Gesellschaft in den Konzern des herrschenden Unternehmens zugestimmt hatten. Folglich konnte sich die Minderheit gegen jede Maßnahme des herrschenden Unternehmens, die auf die Konzerneingliederung der abhängigen Gesellschaft abzielte, mit Rücksicht auf die darin liegende Verletzung der Treuepflicht des herrschenden Unternehmens gegenüber den Mitgesellschaftern mit Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen wehren, in erster Linie gerichtet auf Rückgängigmachung des rechtswidrigen Zustandes (§§ 241 Abs. 2, 242, 249, 276 Abs. 1 und 280 Abs. 1 BGB). Billigte man diese Ansprüche der Gesellschaft zu, so konnten sie von den Mitgesellschaftern jedenfalls mit der actio pro socio verfolgt werden1.

119

VI. Fortbestehende Bedeutung? 1. Überblick Bei dem qualifizierten faktischen Konzern handelte es sich in erster Linie um einen Konzernhaftungstatbestand, gekennzeichnet durch die entsprechende Anwendung der §§ 302 und 303 AktG auf in bestimmter Weise qualifizierte faktische Abhängigkeitsbeziehungen (oben Rdnr. 91, 114 ff.). Die zusätzlichen Rechte, die ergänzend der Minderheit zu ihrem Schutz in derartigen Konzernen zugebilligt wurden, spielten daneben nur eine untergeordnete Rolle, vor allem, weil die Mehrzahl dieser Rechte richtiger Meinung nach bereits in einfachen faktischen Konzernen eingriffen (oben Rdnr. 83, 117 ff.). Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass heute vielfach die weitere Existenzberechtigung des ganzen Rechtsinstituts in Frage gestellt wird, seitdem der BGH die Fälle der Durchgriffshaftung um einen weiteren Fall, nämlich um die Haftung für existenzvernichtende Eingriffe erweitert hat (oben § 13 Rdnr. 98 ff.), der nach seinem mehrfach bekundeten Willen an die Stelle der bisherigen Konzernhaftung im qualifizierten faktischen Konzern (analog den §§ 302 und 303 AktG) treten soll (oben § 13 Rdnr. 137). Bereits in dem ersten einschlägigen Urteil, dem Bremer Vulkan-Urteil vom 17. 9. 2001, heißt es ausdrücklich, der Schutz einer abhängigen GmbH gegenüber Eingriffen ihres Alleingesellschafters „folge nicht dem Haftungssystem des Konzernrechts des AktG (§§ 291 ff. AktG)“, sondern obliege den §§ 30 und 31 GmbHG sowie der Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs2. In dem „L. Kosmetik“-Urteil vom 25. 2. 2002 bekräftigte der BGH erneut diese „Wende“, indem klarstelle, dass er mit dem Bremer Vulkan-Urteil „die Rechtsprechung zur Haftung aus qualifiziert faktischem Konzern aufgegeben“ habe. An ihre Stelle sei die Ausfallhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs getreten. „Im übrigen gelten die Grundsätze der Haftung aus Treupflichtverletzung gegenüber den Mitgesellschaftern 1 S. schon oben Rdnr. 57 ff. sowie Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996, S. 258 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 30 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 166 ff.; J. Hoffmann, NZG 2002, 68, 72 ff. 2 BGHZ 149, 10, 16 = NJW 2001, 3622 = GmbHR 2001, 1036 = ZIP 2001, 1874 = AG 2002, 43.

Emmerich

|

881

120

Anhang § 13

Konzernrecht

(BGHZ 65, 15).“1 In dem Urteil vom 13. 12. 2004 bezeichnete er schließlich die Rechtsprechung zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern ausdrücklich als „überholt“.2 121

Dies kann nur bedeuten, dass die Gerichte unter Führung des BGH den Tatbestand des qualifizierten faktischen Konzerns endgültig „aufgeben“ wollen. An die Stelle dieses Tatbestandes in seiner Funktion als Konzernhaftungstatbestand soll vielmehr fortan – neben den §§ 30 und 31 – die Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs treten, während den Schutz der Minderheit die allgemeinen Regeln über (einfache) faktische Konzerne übernehmen sollen. Ebenso wird im Schrifttum vielfach die neue Rechtslage interpretiert3. Zum Teil wird die bisherige Praxis zum qualifizierten faktischen Konzern bereits geradewegs in die „Rechtsgeschichte“ verwiesen4 oder als „Makulatur“ bezeichnet5.

122

Das Meinungsbild ist aber nicht einheitlich, da von anderer Seite unter unterschiedlichen Vorzeichen dem Rechtsinstitut des qualifizierten faktischen Konzerns nach wie vor eine gewisse, wenn auch deutlich reduzierte Funktion beigemessen wird. Vor allem zu Beginn der Neuorientierung des BGH in der Frage der Konzernhaftung (Stichwort: Bremer Vulkan) fand sich zunächst die – heute wohl überholte – Auffassung, der Anwendungsbereich des neuen Haftungstatbestandes beschränke sich auf die Fälle von Einpersonengesellschaften, denen allenfalls noch solche Fälle gleichgestellt werden könnten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass alle Gesellschafter gemeinsam ihre Gesellschaft schädigen6, während in mehrgliedrigen Gesellschaften mit einer opponierenden Minderheit durchaus noch Raum für die Anwendung des Rechtsinstituts des qualifizierten faktischen Konzerns bleibe, zumindest in Fällen einer extremen Organisationsund Vermögensvermischung7. In dieselbe Richtung weist die Auffassung, in Fällen, in denen die abhängige Gesellschaft wie eine „Betriebsabteilung“ geführt wird, d.h., als ob die Beteiligten einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen hätten, müssten zum Schutze der abhängigen Gesellschaft, ihrer Gesellschafter und ihrer Gläubiger auch die Regeln über den Vertragskonzern, insbesondere die §§ 302 und 305 AktG Anwendung finden8. Schließlich finden sich 1 BGHZ 150, 61, 68 (unter 3) = NJW 2002, 1803 = GmbHR 2002, 549 = ZIP 2002, 848. 2 BGH, ZIP 2005, 250, 251 (l.Sp. unten) = GmbHR 2005, 299 = NZG 2005, 214; ebenso BAG, AG 2003, 322, 323 (unter 1c) = NJW 2003, 1340 = ZIP 2002, 2137; OLG Jena, GmbHR 2002, 112, 114 (unter V) = ZIP 2002, 631, 633 = DZWiR 2003, 82. 3 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 144 ff.; Altmeppen, ZIP 2001, 1387; Altmeppen, NJW 2002, 321; Bitter, ZIP 2001, 265; Bitter, WM 2001, 2133; Decher, in: MünchHdb. III, § 69 Rdnr. 6 ff. (S. 1341 ff.); Döser, AG 2003, 406, 414; Goette, in: Ulmer (Hrsg.), Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, 2002, S. 11, 22 ff.; J. Hoffmann, NZG 2002, 68, 72 f.; Römermann/Schröder, GmbHR 2001, 1015, 1019. 4 So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 144. 5 So Döser, AG 2003, 406, 414. 6 So Cahn, ZIP 2001, 2159, 2160; Chr. Eberl-Borges, WM 2003, 105 f.; Chr. Eberl-Borges, Jura 2002, 761, 765. 7 Cahn, ZIP 2001, 2159, 2160; Chr. Eberl-Borges, WM 2003, 105 f.; Chr. Eberl-Borges, Jura 2002, 761, 765. 8 Insbes. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 III 3 (S. 1224 ff.); K. Schmidt, NJW 2001, 3577, 3580; ebenso im Ansatz offenbar H. P. Westermann, NZG 2002, 1129, 1132 f.; noch wesentlich weiter gehend Ulmer, in: Ulmer, Der qualifizierte faktische GmbH-

882

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

auch zahlreiche vermittelnde Meinungen, die in Fällen einer qualifizierten faktischen Konzernierung zumindest für Beweiserleichterungen im Rahmen des neuen Haftungstatbestandes eintreten1 oder die doch für den Schutz der opponierenden Minderheit an den herkömmlichen Regeln festhalten wollen2. In der Tat ist in der Frage, welche Bedeutung heute noch dem Tatbestand des qualifizierten faktischen Konzerns zukommt, genau zwischen dem Bereich des Gläubigerschutzes (unten Rdnr. 123) und dem des Minderheitenschutzes (unten Rdnr. 125) zu unterscheiden3.

2. Gläubigerschutz Der Gläubigerschutz auf dem Wege über die entsprechende Anwendung der §§ 302 und 303 AktG hat bisher ganz im Mittelpunkt der Praxis zum qualifizierten faktischen Konzern gestanden, demgegenüber der Minderheitenschutz stets deutlich zurücktrat (oben Rdnr. 114, 117 ff.). Von daher gesehen, ist es nur folgerichtig, wenn in den Augen der Gerichte der neue Haftungstatbestand gänzlich an die Stelle des bisherigen Haftungstatbestandes qualifizierter faktischer Konzern (§§ 302 und 303 AktG) treten soll (s. oben Rdnr. 120 f.). Der Anwendungsbereich dieser Vorrangsregel lässt sich auch nicht – entgegen einer im Schrifttum zunächst gelegentlich vertretenen Auffassung (oben Rdnr. 122) – auf Fälle von Einpersonengesellschaften beschränken. Der neue Haftungstatbestand umfasst vielmehr offenkundig auch mehrgliedrige Gesellschaften, bei denen sich lediglich die Frage stellen kann, unter welchen Voraussetzungen Minderheitsgesellschafter als „Mittäter“ entsprechend § 830 BGB in den Haftungsverbund einbezogen werden und wann nicht (s. dazu oben § 13 Rdnr. 121). Dies muss jedoch nicht bedeuten, dass der Haftungstatbestand qualifizierter faktischer Konzern neben dem neuen Tatbestand jede Bedeutung verloren hat; vielmehr bleibt es denkbar, dass der herkömmliche Haftungstatbestand qualifizierter faktischer Konzern zumindest in zwei Beziehungen – im Rahmen des neuen Haftungstatbestandes – eine (reduzierte) Bedeutung behält, nämlich 1. in der Frage der Beweislastverteilung (s. oben § 13 Rdnr. 131, 138) sowie 2. in so genannten Extremfällen, d.h. bei Führung der abhängigen Gesellschaft wie eine Betriebsabteilung sowie in vergleichbaren Fallgestaltungen, wo ohne den Rückgriff auf die Analogie zu den §§ 302 und 303 AktG nicht auszukommen sein dürfte (s. oben Rdnr. 122).

123

Nichts steht in der Tat im Wege, in den typischen Fallgestaltungen, in denen bisher in erster Linie die Annahme eines qualifizierten faktischen Konzerns erwogen wurde (oben Rdnr. 109 f.), den Gläubigern im Rahmen der Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe mit spürbaren Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast zur Hilfe zu kommen, schon, um zu verhindern, dass den neuen Haftungstatbestand alsbald dasselbe Schicksal wie den früheren

124

Konzern, 2002, S. 41, 48 f., 53, 69 f. (generelle Vorzugswürdigkeit des Tatbestandes des qualifizierten faktischen Konzerns). 1 So insbes. Drygala, GmbHR 2003, 729, 737 f.; St. Lampert, JA 2002, 356, 358. 2 Drygala, GmbHR 2003, 729, 737 f.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 318 AktG Anh. Rdnr. 36; insbes. J. Hoffmann, NZG 2002, 68, 72 f. 3 Ebenso ausdrücklich BGHZ 150, 61, 68 = NJW 2002, 1803 „L. Kosmetik“.

Emmerich

|

883

Anhang § 13

Konzernrecht

Haftungstatbestand qualifizierter faktischer Konzern ereilt, nämlich, wegen unüberwindlicher Beweisschwierigkeiten für die Gläubiger letztlich leer zu laufen (oben § 13 Rdnr. 131). Außerdem ist nicht leugnen, dass es die immer wieder angesprochenen „Extremfälle“ gibt, in denen die abhängige Gesellschaft letztlich so geführt wird, als ob das herrschende Unternehmen mit ihr einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen hätte (Stichwort: Führung der abhängigen Gesellschaft wie eine Betriebsabteilung). In solchen Fällen ist die Analogie zu den §§ 302 und 303 AktG nach wie vor sachgerecht (oben Rdnr. 122).

3. Minderheitsschutz 125

Von dem Schutz der Gläubiger durch eine Konzernhaftung entsprechend den §§ 302 und 303 AktG, der bisher ganz im Mittelpunkt der Diskussion über den qualifizierten faktischen Konzern gestanden hatte (oben Rdnr. 123 f.), muss, wie schon betont (oben Rdnr. 122), der Schutz der Minderheit in derartigen Abhängigkeitsverhältnissen unterschieden werden. Nach Meinung des BGH1 soll diesen Schutz fortan die „Haftung aus Treupflichtverletzung“ nach dem Vorbild des ITT-Urteils vom 5. 6. 19752 übernehmen. Gemeint sind damit die Regeln über den einfachen faktischen Konzern (oben Rdnr. 65 ff.), deren Kern in dem Schutz der abhängigen Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter gegen schädigende Eingriffe des herrschenden Unternehmens durch Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche wegen Treuepflichtverletzung besteht (oben Rdnr. 71, 83 ff.). Damit dürfte in der Tat in der Masse der Fälle ein angemessener Schutz der Minderheit zu erreichen sein. Auf der anderen Seite steht jedoch fest, dass es Fallgestaltungen gibt, in denen dieses Schutzsystem versagt, und zwar deshalb versagt, weil wegen der Intensität und der Häufigkeit der Einflussnahme seitens des herrschenden Unternehmens einzelne Eingriffe und deren Wirkungen nicht mehr isoliert werden können. Das aber sind genau diejenigen Fälle, die am Anfang der Diskussion über den qualifizierten faktischen Konzern gestanden haben (oben Rdnr. 91 ff.).

126

Spätestens in diesen Fällen sind zusätzlich zu den in einfachen faktischen Konzernen anerkannten Schutzmechanismen weitere Regeln zum Schutze der Minderheit, d.h. der außenstehenden Gesellschafter erforderlich, deren Kern nach überwiegender Meinung in einem Austrittsrecht gegen volle Abfindung besteht (s. oben Rdnr. 84 m.N.). Folgt man dem, so ergibt sich bereits daraus die Notwendigkeit, zumindest insoweit an dem Tatbestand des qualifizierten faktischen Konzerns festzuhalten. Es steht zudem außer Frage, dass eine derart weit gehende Eingliederung der abhängigen Gesellschaft in den von dem herrschenden Unternehmen kontrollierten Konzern ohne Zustimmung aller Gesellschafter rechtswidrig ist, so dass die übrigen Gesellschafter auch Unterlassung und Schadensersatz durch Rückgängigmachung der Konzerneingliederung verlangen können (oben Rdnr. 85 ff.). Hinzu kommen müssen in diesem Fall Ersatzansprüche der Minderheit wegen des ihnen durch den Verlust der Selbständigkeit der Gesellschaft entgangenen Gewinns (§§ 241 Abs. 2, 242, 252, 1 BGHZ 150, 61, 68 (unter 3) = NJW 2002, 1803 „L. Kosmetik“. 2 BGHZ 65, 15.

884

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

280 Abs. 1, 705 BGB), wobei naturgemäß ohne grobe Schätzungen nicht auszukommen sein wird (§ 287 ZPO). Die Parallele zu den §§ 304 und 305 AktG wird hier deutlich. Nichts hindert freilich richtiger Meinung nach, den Mitgesellschaftern die genannten Rechtsbehelfe, wo immer nötig, bereits in einfachen faktischen Konzernen zuzubilligen (oben Rdnr. 83 ff.). Beschränkt man dagegen ihren Anwendungsbereich in Übereinstimmung mit der jedenfalls bisher überwiegenden Meinung auf Fälle einer qualifizierten faktischen Konzernierung, so ergibt sich daraus zugleich die Notwendigkeit, zumindest in diesem beschränkten Umfang an dem fraglichen Tatbestand festzuhalten, – ebenso wie mit Rücksicht auf die Beweislast, insbesondere im Rahmen der neuen Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs (oben Rdnr. 124).

127

Die schwer wiegenden Abgrenzungsprobleme, die früher mit dem Tatbestand des qualifizierten faktischen Konzerns verbunden waren und die wohl nicht zuletzt zur Aufgabe dieses Rechtsinstituts geführt haben, dürften heute mit der Verlagerung des Gläubigerschutzes auf die Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs weitgehend, wenn nicht ganz entfallen sein. Soweit der Tatbestand des qualifizierten faktischen Konzerns heute nach dem Gesagten (oben Rdnr. 124) überhaupt noch Bedeutung hat, also insbesondere in der Frage der Beweislast im Rahmen der neuen Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe und bei den Rechten der Minderheit, bestehen keine Bedenken, zu den Ursprüngen der ganzen Diskussion zurückzukehren und immer dann von einem qualifizierten faktischen Konzern zu sprechen, wenn sich einzelne Eingriffe des herrschenden Unternehmens und ihre Folgen wegen der Dauer und der Intensität der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens mit zumutbarem Aufwand für die Gläubiger oder die Mitgesellschafter nicht mehr isolieren lassen. Es handelt sich dabei letztlich um eine Grad- und Maßfrage, bei deren Entscheidung ausschlaggebend sein sollte, dass man von den Gläubigern und den Mitgesellschaftern bei dem Nachweis der Voraussetzungen ihrer Ansprüche nichts Unzumutbares verlangen darf, wenn man nicht ihren Schutz bereits an überhöhten Anforderungen an ihre Darlegungs- und Beweislast scheitern lassen will. Das aber wäre um so weniger gerechtfertigt, als die fragliche Beweisproblematik im Grunde (allein) von dem herrschenden Unternehmen zu verantworten ist, so dass diesen Tatbeständen zumindest indizielle Wirkung beigemessen werden darf (oben Rdnr. 109 ff.). Es wird dann Sache des herrschenden Unternehmens sein darzulegen, warum es sich in seinem Fall ausnahmsweise anders verhalten soll.

128

F. Beherrschungsverträge Schrifttum: S. unten § 53 Rdnr. 164–175 sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 17–114; Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998, S. 73 ff.; Altmeppen, Zu Formfragen bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen der GmbH, DB 1994, 1273; Altmeppen, Zum richtigen Verständnis der neuen §§ 293a–293g AktG, ZIP 1998, 1853; Binnewies, Die Konzerneingangskontrolle in der abhängigen Gesellschaft, 1996; G. Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 326 ff.; G. Bitter, Das „TBB-Urteil“ und das immer noch vergessene GmbH-Vertragskonzernrecht, ZIP 2001, 265; Bouchon, KonEmmerich

|

885

Anhang § 13

Konzernrecht

zerneingangsschutz im GmbH- und Aktienrecht, 2002, S. 241 ff.; Brandes, Grundsätze der Kapitalerhaltung im Vertragskonzern, in: FS Kellermann, 1991, S. 25; Bungert, Die Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Konzern, NJW 1995, 1118; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 (S. 1352 ff.); Dilger, Aufhebung eines Unternehmensvertrags im GmbH-Konzernrecht, WM 1993, 935; Ebenroth/A. Müller, Kündigung, Heilung und Mitwirkungspflichten bei fehlerhaften Organschaftsverhältnissen im GmbH-Konzernrecht, BB 1991, 358; Ebenroth/ Wilken, Zur Aufhebung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen mit einer Einmann-GmbH, WM 1993, 1617; Ehlke, Aufhebung von Beherrschungsverträgen – eine schlichte Geschäftsführungsmaßnahme?, ZIP 1995, 355; Ehrike, Das abhängige Unternehmen in der Insolvenz, 1998, S. 430 ff.; Emmerich, Bestandsschutz im GmbH-Vertragskonzern, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbHKonzernrecht, 1986, S. 64; Emmerich, Supermarkt und die Folgen, JuS 1992, 102; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 (S. 435 ff.); Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3170 ff. (S. 233 ff.); C. Führling, Sonstige Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH, 1993; Gäbelein, Unternehmensverträge mit abhängigen GmbH, GmbHR 1989, 502; Gäbelein, Unternehmensverträge bei EinpersonenGmbH, GmbHR 1992, 786; Grüner, Die Beendigung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, 2003; D. Halm, Zweifelsfragen, NZG 2001, 728; Heisterkamp, Die Beendigung des GmbH-Vertragskonzerns, AnwBl. 1994, 487; Henze, Konzernrecht, 2001, Rdnr. 172 ff. (S. 63 ff.); M. Hoffmann-Becking, Gelöste und ungelöste Fragen zum Unternehmensvertrag der GmbH, WiB 1994, 57; U. Huber, Betriebsführungsverträge zwischen konzernverbundenen Unternehmen, ZHR 152 (1988), 123; Humbeck, Die Prüfung der Unternehmensverträge nach neuem Recht, BB 1995, 1893; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rz. I 868 ff.; Kallmeyer, Beendigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen, GmbHR 1995, 578; Kleindiek, Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht, ZIP 1988, 613; Kleinert/ Lehl, Sind Zustimmungsbeschlüsse zwingend zu beurkunden?, GmbHR 2003, 698; R. Koerfer/H. Selzner, Minderheitenschutz beim Abschluss von GmbH-Beherrschungsverträgen, GmbHR 1997, 285; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 53–66, 108–118; Kort, Der Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Recht, 1986; Kort, Bestandsschutz fehlerhafter Strukturänderungen im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; Krieger, Inhalt und Zustandekommen von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im Aktienund GmbH-Recht, DStR 1992, 432; Kropff, Der GmbH-Beherrschungsvertrag: Voraussetzung für den Vorrang von Konzerninteressen?, in: FS Semler, 1993, S. 517; J. Kurz, Der Gewinnabführungsvertrag im GmbH-Recht aus konzernverfassungsrechtlicher Sicht, 1992; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1995; Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 31–75; Lutter/Hommelhoff, Formerfordernisse für Unternehmensverträge im GmbH-Recht, NJW 1988, 1240; J. Mimberg, Konzernexterne Betriebspachtverträge im Recht der GmbH, 2000; J. Mues, Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge mit einer hauptverpflichteten GmbH, RNotZ 2005, 1; Pache, Spätlese – Die Rechtsentwicklung nach dem „Supermarkt“-Beschluss des BGH, GmbHR 1995, 90; Priester, Bildung und Auflösung von GmbH-Vertragskonzernen, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 151; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 54 (S. 768 ff.); E. Rehbinder, Die Abwicklung fehlerhafter Unternehmensverträge beim GmbH-Vertragskonzern, in: FS Fleck, 1988, S. 253; Sauter/ Heuring, Ausgleichszahlungen i.S. des § 16 KStG i.V.m. § 304 AktG und vororganschaftliche Gewinnausschüttungen, GmbHR 2001, 764; Schlögell, Die Beendigung von Unternehmensverträgen im GmbH-Konzern, GmbHR 1995, 401; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 38 III, 39 II (S. 1190, 1214 ff.); U. H. Schneider (Hrsg.), Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989; Selzner/ Sustmann, Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, Konzern 2003, 85; Timm, Der Abschluss des Ergebnisübernahmevertrages im GmbH-Recht, BB 1981, 1491; Timm, Geklärte und offene Fragen im Vertragskonzernrecht der GmbH, GmbHR 1987, 8; Timm, Unternehmensverträge im GmbH-Recht, GmbHR 1989,

886

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

11; Timm, Rechtsfragen der Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen, in: FS Kellermann, 1991, S. 461; Timm/Geuting, Gesellschafterbeteiligung bei der Aufhebung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im einheitlichen GmbH-Konzern, GmbHR 1996, 229; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 140 ff., § 77 Anh. Rdnr. 182 ff.; Ulmer, Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht, BB 1989, 11; Veil, Unternehmensverträge, 2003; E. Vetter, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung beim Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit einer GmbH, BB 1989, 2125; E. Vetter, Die Geltung des § 293 Abs. 2 AktG beim Unternehmensvertrag zwischen herrschender AG und abhängiger GmbH, AG 1993, 168; E. Vetter, Zur Aufhebung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages im GmbH-Recht, ZIP 1995, 345; E. Vetter, Eintragung des Unternehmensvertrags im Handelsregister des herrschenden Unternehmens?, AG 1994, 110; U. Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe, 2001; H. Weber, Ausgleichsanspruch analog § 304 AktG?, GmbHR 2003, 1347; Weigel, Wirksamkeitserfordernisse für den Abschluss von Unternehmensverträgen zwischen GmbH, in: FS Quack, 1991, S. 505; Wrede/Busch, Organschaft, in: MünchHdb. III, § 72 (S. 1392 ff.); Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4, Rdnr. 47 ff. (S. 435 ff.); Zeidler, Ausgewählte Probleme, NZG 1999, 692; Zöllner, Die formellen Anforderungen an Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge bei der GmbH, DB 1989, 913; Zöllner, Inhalt und Wirkungen von Beherrschungsverträgen bei der GmbH, ZGR 1992, 173; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 49 ff.

I. Überblick Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH können sich ebenso wie andere Gesellschaften an Unternehmensverträgen i.S. der §§ 291 und 292 AktG auf beiden Seiten des Vertrages beteiligen. Obwohl über die Verbreitung derartiger Unternehmensverträge mit einer GmbH bislang nur wenig bekannt geworden ist, dürfte man kaum fehl gehen in der Annahme, dass schon aus steuerlichen Gründen (s. §§ 14, 17 KStG) zumindest Gewinnabführungsverträge mit abhängigen GmbH in erheblicher Zahl abgeschlossen werden. Mit solchen Verträgen scheinen außerdem nicht selten Beherrschungsverträge zu Organschaftsverträgen verbunden zu werden, während reine Beherrschungsverträge bisher offenbar selten sind (s. unten § 53 Rdnr. 164). Auch andere Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH sind bereits bekannt geworden. Hervorzuheben sind neben stillen Gesellschaftsverträgen insbesondere Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AktG).

129

Die mit dem Abschluss von Unternehmensverträgen verbundenen Fragen werden in diesem Kommentar zum Teil an anderer Stelle behandelt (s. unten § 53 Rdnr. 164–175). Soweit dies der Fall ist, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf eine kurze Zusammenfassung des Diskussionsstandes. Im Übrigen wird aus der Vielzahl der einschlägigen Probleme nur auf diejenigen eingangen, die einen GmbH-spezifischen Charakter aufweisen. Eine geschlossene Kommentierung der §§ 291 bis 310 AktG unter GmbH-rechtlichen Vorzeichen ist weder möglich noch beabsichtigt. Wegen der Einzelheiten kann unbedenklich auf die Kommentierungen der genannten aktienrechtlichen Vorschriften verwiesen werden1.

130

1 S. insbes. Emmerich/Habersack, Kommentar, §§ 291–310 AktG, wo durchweg auch auf die Besonderheiten der GmbH eingegangen wird.

Emmerich

|

887

Anhang § 13

Konzernrecht

131

Eine gesetzliche Regelung haben die Unternehmensverträge bislang allein im AktG in den §§ 293 bis 310 für Verträge mit abhängigen Aktiengesellschaften gefunden. Gesetzliche Regelungen für derartige Verträge mit abhängigen Gesellschaften in einer anderen Rechtsform finden sich dagegen bislang nur verstreut an abgelegenen Stellen. Hervorzuheben ist im Grunde lediglich die steuerrechtliche Regelung für Gewinnabführungsverträge mit abhängigen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH in den §§ 14 ff., 17 KStG von 1977 i.d.F. von 20031. Der Anwendungsbereich dieser Vorschriften beschränkt sich indessen auf das Steuerrecht. Das Gesellschaftsrecht ist durch sie nicht gehindert, an die Gültigkeit von Gewinnabführungsverträgen mit GmbH andere, und zwar strengere Anforderungen als das Steuerrecht zu stellen2. Dabei wird in erster Linie von einer Analogie zu den §§ 291 bis 310 AktG auszugehen sein, soweit die Situation bei AG und GmbH vergleichbar ist und nicht vorrangige GmbH-rechtliche Wertungen eine abweichende Beurteilung erzwingen3. Es wird sich zeigen, dass diese Voraussetzungen einer Analogie zu den §§ 291 bis 310 AktG in der Tat bei vielen Fragen erfüllt sind.

132

Noch weitgehend ungeklärt ist die Rechtslage lediglich hinsichtlich der neuen, 1994 durch das Umwandlungsrechtbereinigungsgesetz4 in das Gesetz eingefügten Vorschriften der §§ 293a bis 293g AktG, durch die nach dem Vorbild des Verschmelzungsrechts (s. §§ 8 bis 12 UmwG) ein Unternehmensvertragsbericht (§ 293a AktG) und eine Unternehmensvertragsprüfung (§ 293b AktG) eingeführt wurden, über die der Vertragsprüfer berichten muss (§ 293e AktG); beide Berichte, der Vertragsbericht des Vorstandes und der Prüfungsbericht der Vertragsprüfer, werden außerdem den Aktionären zugänglich gemacht (§§ 293f Abs. 1 Nr. 3, 293g Abs. 1 AktG).

133

Die Frage, ob und in welchem Umfang die genannten Vorschriften (oben Rdnr. 132) im GmbH-Konzernrecht entsprechend anwendbar sind, lässt sich nicht einheitlich beantworten5. Kein Bedürfnis für ihre entsprechende Anwendung besteht jedenfalls, wenn und soweit man daran festhält, dass der Abschluss eines Unternehmensvertrages mit einer abhängigen GmbH der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf6. Eine andere Beurteilung kommt dagegen in

1 Wegen der Einzelheiten s. Mues, RNotZ 2005, 1, 5 ff.; Wrede/Busch, in: MünchHdb. III, § 72 (S. 1392 ff.); Spönemann, in: Michalski, Syst. Darst. 3 Rdnr. 367–525 (S. 275 ff.); Rödder, in: Beck'sches Handbuch der AG, 2004, § 11 Rdnr. 130 ff. (S. 832 ff.). 2 Ebenso BGHZ 105, 324, 339 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 „Supermarkt“; BayObLGZ 1988, 201 = AG 1988, 379 = GmbHR 1988, 389; OLG Düsseldorf, AG 1995, 137, 138 = NJW-RR 1995, 233 = GmbHR 1994, 805 „Rüttgerswerke AG“. 3 S. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 I 1 (S. 436 f.); zustimmend Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17. 4 BGBl. I, 3210. 5 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293a AktG Rdnr. 11 ff. 6 S. unten Rdnr. 144 sowie unten § 53 Rdnr. 169b; ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48 f.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 8 (S. 1357 f.); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 I 2 (S. 437); Hüffer, AktG, § 293a Rdnr. 5; Mues, RNotZ 2005, 1, 17 f.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 80; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55; a.A. Humbeck, BB 1995, 1893 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 64, 66; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43 f.; differenzierend Bungert, DB 1995, 1449, 1452 ff.

888

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Betracht, sofern man sich, etwa auf Grund einer entsprechenden Vertragsbestimmung, mit einer qualifizierter Mehrheit für die Zustimmung zu dem Unternehmensvertrag begnügt (unten Rdnr. 145). Eine Analogie zu den §§ 293a ff. AktG ist ferner angebracht, soweit es um die Situation einer herrschenden GmbH geht, die z.B. einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit einer abhängigen AG abschließt. Ebenso ist zu entscheiden, wenn einer herrschenden AG eine GmbH gegenübersteht, und zwar aus der nahe liegenden Überlegung heraus, dass dann das Informationsinteresse der Aktionäre der herrschenden AG nicht geringer ist, als wenn Vertragspartner eine abhängige AG oder KGa.A. ist1. Schließlich hindert auch nichts, die Maßstäbe der §§ 293f und 293g AktG im Rahmen des § 51a GmbHG zur Konkretisierung des Auskunftsund Einsichtsrechts der Gesellschafter heranzuziehen, namentlich, soweit es um die Angelegenheiten des anderen Vertragsteils geht2.

II. Begriff, Notwendigkeit 1. Der Begriff des Beherrschungsvertrages ist im GmbH-Recht grundsätzlich derselbe wie im Aktienrecht (s. §§ 291 Abs. 1, 308 Abs. 1 AktG). Darunter ist folglich ein Vertrag mit einer abhängigen GmbH zu verstehen, durch den sich diese der Leitung eines anderen Unternehmens unterstellt, indem sie diesem ein Weisungsrecht hinsichtlich der Leitung ihres Unternehmens einräumt. Nach Abschluss des Vertrages sind die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft verpflichtet, etwaige Weisungen des herrschenden Unternehmens hinsichtlich der Leitung des Unternehmens der abhängigen Gesellschaft zu befolgen, selbst wenn sie für die Gesellschaft nachteilig sein sollten. Im Ergebnis wird mithin durch den Abschluss einen Beherrschungsvertrages die Geschäftsführungskompetenz der Gesellschafterversammlung (§§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 6) auf das herrschende Unternehmen verlagert.

134

Die Bedeutung des Beherrschungsvertrages ist im GmbH-Konzernrecht infolgedessen kaum geringer als im Aktienkonzernrecht3. Zwar ist an sich bei der GmbH im Gegensatz zur AG (s. § 76 AktG) die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung grundsätzlich auch ohne Abschluss eines Beherrschungsvertrages möglich (vgl. § 37). Direkte (unmittelbare) Weisungen einzelner Gesellschafter an die Geschäftsführer unter Umgehung der Gesellschafterversammlung, der Gesellschaft nachteilige Weisungen sowie Weisungen, durch die die Gesellschaft in den Konzern des herrschenden Unternehmens eingegliedert werden soll, sind jedoch nicht zulässig (oben Rdnr. 71 ff.), so dass solche Weisungen, ohne die ein Vertragskonzern kaum erfolgreich praktiziert werden kann, grundsätzlich nur auf Grund eines Beherrschungsvertrages möglich sind. Daher gilt für die GmbH ebenso wie für die AG, dass in der Regel allein der Abschluss eines Beherrschungsvertrages die Befug-

135

1 S. unten Rdnr. 150 sowie Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293a AktG Rdnr. 12 m.N. 2 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 48. 3 Ebenso Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3172 f. (S. 233); Kropff, in: FS Semler, S. 517, 528 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 50; Zöllner, ZGR 1992, 173, 175 f.

Emmerich

|

889

Anhang § 13

Konzernrecht

nis zur Ausübung einer umfassenden Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Gesellschaft vermittelt1. 136

2. Das Gesagte (oben Rdnr. 134 f.) wird verschiedentlich unter Hinweis auf die Vertragsfreiheit der Gesellschafter im Innenverhältnis bestritten (§ 45). In der Tat sind bei der GmbH anders als bei der AG Gesellschaftsvertragsgestaltungen vorstellbar, die, jedenfalls auf den ersten Blick, den zusätzlichen Abschluss eines Beherrschungsvertrages entbehrlich machen (s. unten § 53 Rdnr. 169a). Beispiele sind die ausdrückliche Übertragung eines Weisungsrechtes an einzelne Gesellschafter oder an die Mehrheit sowie vergleichbare Regelungen. Bei der Würdigung derartiger Vertragsgestaltungen muss man verschiedene Fragen unterscheiden.

137

Auszugehen ist davon, dass § 45 Abs. 1 Vertragsbestimmungen der genannten Art (oben Rdnr. 136) grundsätzlich zulässt2. Soweit jedoch hierdurch einzelnen Gesellschaftern ein (unbeschränktes) Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern eingeräumt wird, ein Weisungsrecht also, das insbesondere auch nachteilige Weisungen umfasst, sollte man ungeachtet des § 45 Abs. 1 zum Schutze der Minderheit jedenfalls in mehrgliedrigen Gesellschaften (s. unten Rdnr. 138) daran festhalten, dass solche Regelungen nur unter denselben Voraussetzungen und Kautelen im Gesellschaftsvertrag getroffen werden dürfen, wie sie sonst für einen Beherrschungsvertrag maßgeblich sind. Dies bedeutet konkret, dass, sofern sich eine derartige Regelung nicht bereits in dem ursprünglichen Gesellschaftsvertrag befindet (dem ohnehin alle Gründer zustimmen müssen, § 2 Abs. 1 Satz 2), eine entsprechende spätere Änderung des Gesellschaftsvertrages der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf; das folgt schon aus § 53 Abs. 33. Auch auf eine Eintragung ins Handelsregister (unten Rdnr. 152) sollte man in diesem Fall nicht verzichten – über § 54 hinaus –, um die nötige Publizität von Vertragskonzernen sicher zu stellen. Zudem greifen dann die §§ 302 und 303 AktG ein (s. unten § 53 Rdnr. 169a), woraus sich gleichfalls die Notwendigkeit einer umfassenden Registerpublizität ergibt.

138

3. Besonderheiten gelten lediglich für Einpersonengesellschaften (s. schon oben Rdnr. 137). Zwar hindert auch den einzigen Gesellschafter nichts, mit seiner Gesellschaft einen Beherrschungsvertrag abzuschließen, für den dann alle Regeln über solche Verträge gelten (s. unten § 53 Rdnr. 168). Ebenso sicher ist aber auf der anderen Seite, dass der einzige Gesellschafter grundsätzlich den Geschäftsführern jederzeit innerhalb oder außerhalb der Gesellschafterversammlung beliebige Weisungen erteilen kann. Die einzigen Schranken ergeben sich

1 Ebenso BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = GmbHR 1992, 253 = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192, 194 „Siemens/NRG“; Zöllner, ZGR 1992, 173, 186 f.; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 50, 64 f. 2 S. unten § 53 Rdnr. 169a; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 38 III, 39 II 1 (S. 1194, 1216); anders Kropff, in: FS Semler, S. 517, 532 ff.; wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 41 ff. 3 Ebenso im Ergebnis Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19–28; Beuthien, ZIP 1993, 1589; Ulmer, in: Hachenburg, § 77 Anh. Rdnr. 186; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 52; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55.

890

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

aus den §§ 30 und 31 sowie aus den Regeln über die Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe, durch die der hier allein gebotene Gläubigerschutz sichergestellt wird1. Ebenso zu behandeln sind wohl Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter übereinstimmend schädigend auf die Gesellschaft einwirken.

III. Zustandekommen des Vertrages 1. Anwendbarkeit der §§ 53, 54 a) Das AktG enthält in den §§ 293 bis 294 eingehende Vorschriften über die bei dem Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen zu beachtenden Förmlichkeiten. Wegen der Besonderheiten der GmbH werden diese Vorschriften jedoch nur subsidiär auf die GmbH angewandt, d.h., nur, soweit nicht bereits den §§ 53 und 54 (unmittelbar oder mittelbar) eine Regelung der hier anstehenden Fragen entnommen werden kann2.

139

Dahinter steht die Erwägung, dass ein Beherrschungsvertrag letztlich den Zweck der Gesellschaft verändert, indem er sie auf die Interessen des herrschenden Unternehmens ausrichtet (§ 33 BGB)3. Er enthält außerdem einen schwer wiegenden Eingriff in die Mitverwaltungsrechte (§§ 37, 46) und in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter (§ 29). Der Sache nach kommt sein Abschluss daher einer Vertragsänderung zumindest so nahe, dass es geboten erscheint, auf ihn die §§ 53 und 54, wenn nicht schon unmittelbar, so doch jedenfalls entsprechend anzuwenden sind4. Daraus wird allgemein gefolgert, dass zu dem Abschluss des Beherrschungsvertrages durch die Geschäftsführer (unten Rdnr. 141) die Zustimmung der Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft (§§ 53, 54; unten Rdnr. 144 ff.) und die der Gesellschafter der herrschenden Gesellschaft (s. § 293 Abs. 2 AktG; unten Rdnr. 148 ff.) sowie die Eintragung ins Handelsregister (unten Rdnr. 152 ff.) als Wirksamkeitsvoraussetzungen hinzutreten müssen.

140

b) Der Beherrschungsvertrag stellt einen Vertrag zwischen der abhängigen Gesellschaft und dem herrschenden Unternehmen dar, so dass für seinen Abschluss bei der abhängigen Gesellschaft nach den §§ 35 und 37 die Geschäftsführer zuständig sind. Keine Anwendung findet jedoch § 37 Abs. 2, da Beherrschungsverträge gesellschaftsrechtliche Verträge sind, für die der Grundsatz der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht nicht gilt. Der Vertrag wird daher erst wirksam, wenn ihm die Gesellschafterversammlungen der abhängigen wie

141

1 S. oben § 13 Rdnr. 98 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 24–28; enger Kropff, in: FS Semler, S. 517, 534 ff. 2 S. unten § 53 Rdnr. 167 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 5 (S. 1355); kritisch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 29 ff. 3 S. unten Rdnr. 144 ff.; anders Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 244 ff.; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 158, 174 ff. 4 S. unten § 53 Rdnr. 167 f.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293 AktG Rdnr. 42 m.N.; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 169, 142; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 52 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 58 ff.; Mues, RNotZ 2005, 1, 15 f.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 5 (S. 1355 f.); Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 54 ff.

Emmerich

|

891

Anhang § 13

Konzernrecht

der herrschenden Gesellschaft mit der jeweils erforderlichen Mehrheit zugestimmt haben1. 142

Auf den Vertrag als solchen finden die Formvorschriften der §§ 53 und 54 keine Anwendung; maßgebend sind vielmehr hier auf Grund des subsidiär eingreifenden Aktienkonzernrechts die §§ 293 Abs. 3 und 294 AktG, so dass für ihn schriftliche Abfassung genügt2. Nur wenn der Vertrag ein Umtausch- oder Abfindungsangebot an die außenstehenden Gesellschafter enthält, dürfte mit Rücksicht auf § 15 Abs. 4 die notarielle Beurkundung des Vertrages erforderlich sein3.

143

c) Zu dem formgerechten Abschluss des Beherrschungsvertrages durch die Geschäftsführer der abhängigen GmbH (oben Rdnr. 141 f.) muss mit Rücksicht auf die (unmittelbar oder doch entsprechend anwendbaren) §§ 53 und 54 zunächst die Zustimmung der Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft mit der nötigen Mehrheit hinzukommen4. Nach § 293 Abs. 1 Satz 2 AktG genügt für die Zustimmung der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft zu einem Beherrschungsvertrag grundsätzlich eine qualifizierte Mehrheit der Aktionäre. Damit stimmt im Kern § 53 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 überein. Dagegen verlangen § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 53 Abs. 3 GmbHG für eine Änderung des Zwecks der Gesellschaft sowie für eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Vertrag obliegenden Leistungen die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. Die Diskussion dreht sich im Kern um die Frage, an welche dieser Regelungen bei der Bestimmung der nötigen Mehrheit für das Zustandekommen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages anzuknüpfen ist.

144

Die wohl überwiegende Meinung betont die Parallele zu § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB und zu § 53 Abs. 3 GmbHG und folgert daraus die Notwendigkeit einer Zustimmung aller Gesellschafter Ein einstimmiger Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung genügt folglich nur, wenn an dieser tatsächlich alle Gesellschafter teilgenommen haben, wobei freilich Stimmenthaltungen dem Zustimmungsbeschluss nicht entgegenstehen dürften. Ist der (einstimmige) Be1 S. unten 144 ff., § 53 Rdnr. 166; BGHZ 105, 324, 332 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 „Supermarkt“; Emmerich, AG 1975, 285, 291; Emmerich, AG 1987, 1, 6; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 164 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 38 III 2a (S. 1191); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 57; unstr. 2 S. unten § 53 Rdnr. 169; BGHZ 105, 324, 342 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 „Supermarkt“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192, 193 = GmbHR 1992, 253 „Siemens/NRG“; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 141. 3 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54. 4 S. unten § 53 Rdnr. 169; BGHZ 105, 324, 331 f., 338 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 „Supermarkt“; BGHZ 116, 37, 43 f. = NJW 1992, 505 = GmbHR 1992, 34 „Hansa Feuerfest/Stromlieferung“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = GmbHR 1992, 253 = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192 „Siemens/NRG“; BayObLGZ 1992, 367 = ZIP 1993, 263 = AG 1993, 177 „BSW“; OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 665 = AG 1999, 328; OLG Oldenburg, NZG 2000, 1138, 1139; OLG Naumburg, OLGR 2003, 480 = AG 2004, 43 = GmbHR 2003, 1277 (nur LS); weitere Nachw. bei Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293 AktG Rdnr. 42 f.; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 59; Halm, NZG 2001, 728, 729.

892

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

schluss der Gesellschafterversammlung nicht unter der Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter zu Stande gekommen, so wird es ferner meistens als ausreichend angesehen, wenn die übrigen Gesellschafter noch nachträglich dem Beschluss über die Billigung des Beherrschungsvertrages zustimmen (s. § 33 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 BGB; § 53 Abs. 2 GmbHG)1. Dabei bleibt freilich zu beachten, dass auch dann, wenn man sich materiell-rechtlich mit der formlosen Zustimmung aller Gesellschafter zu dem mit qualifizierter Mehrheit gefassten Zustimmungsbeschluss begnügt, dem Registergericht die Zustimmung doch in der Form des § 12 HGB nachgewiesen werden muss, da das Gericht ohne solchen Nachweis den Beherrschungsvertrag nicht ins Handelsregister eintragen darf (s. § 294 AktG). Nach der Gegenmeinung genügt dagegen entsprechend § 293 Abs. 1 AktG und § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG auch bei der GmbH die Zustimmung der Gesellschaftersversammlung der abhängigen Gesellschaft mit qualifizierter Mehrheit, vorausgesetzt, dass der Vertrag zugleich durch Abfindungs- und Ausgleichsregelungen entsprechend den §§ 304 oder 305 AktG in der gebotenen Weise auf die Interessen der Minderheit Rücksicht nimmt (s. unten Rdnr. 159 f.). Häufig wird von den Vertretern dieser Meinung zusätzlich noch eine materielle Beschlusskontrolle dahingehend verlangt, ob der Vertrag aus den Interessen der abhängigen Gesellschaft heraus gerechtfertigt ist2. Außerdem dürften dann Berichtsund Prüfungspflichten entsprechend den §§ 293a, 293b und 293e AktG in der Fassung von 1994 in Betracht kommen (s. oben Rdnr. 133).

145

Für die zuletzt genannte Meinung (oben Rdnr. 145), die unverkennbar im Vordringen ist, spricht auf den ersten Blick die Regelung des UmwG für die in

146

1 S. unten § 47 Rdnr. 5, § 53 Rdnr. 171, 183; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 37– 40; Altmeppen, DB 1994, 1273; Binnewies, Konzerneingangskontrolle, S. 265 ff. (mit Ausnahmen); Drüke, Haftung, S. 99; Ebenroth/A. Müller, BB 1991, 358, 359; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 6 (S. 1356); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293 AktG Rdnr. 43a m.N.; Emmerich, AG 1991, 303, 308; Emmerich, JuS 1992, 102, 103; Kleindiek, Strukturvielfalt, S. 77 ff.; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 616; Kort, ZIP 1989, 1309, 1311; Mues, RNotZ 2005, 1, 16 f.; Pache, GmbHR 1995, 90, 92; Priester, in: Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 37, 43; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 54 Rdnr. 26 (S. 777); Schilling, ZHR 140 (1976), 528, 535 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 38 III 2 a (S. 1192 f.); K. Schmidt, GmbHR 1979, 121, 124; U. Schneider, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 7, 12; Timm, GmbHR 1989, 11, 14; Timm, GmbHR 1992, 211, 215; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 145; Ulmer, BB 1989, 10, 13; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 59 ff.; Zöllner, ZGR 1992, 173, 174 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55; wohl auch Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 27 ff.; Krieger, DStR 1992, 432, 435. 2 Bouchon, Konzerneingangsschutz, S. 241 ff.; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3181 ff. (S. 234 f.); Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 168, 189 ff.; Halm, NZG 2001, 728, 729 f.; Heckschen, DB 1989, 29 f.; Henze, Konzernrecht, Rdnr. 219, 223 ff. (S. 80 ff.); Koerfer/Selzner, GmbHR 1997, 285, 287 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 55 f., 58 f.; Koppensteiner, RdW 1985, 170; Koppensteiner, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 101, 111 ff.; Lutter, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 196; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38, 49 ff.; A. Weber, GmbHR 2003, 1347, 1348; wohl auch Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 59 f.; offen gelassen in BGHZ 105, 324, 332 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 „Supermarkt“.

Emmerich

|

893

Anhang § 13

Konzernrecht

mancher Hinsicht vergleichbaren Fälle der Verschmelzung, der Spaltung und des Formwechsels, bei denen sich dieses Gesetz durchweg mit einem Zustimmungsbeschluss der betroffenen Anteilsinhaber (nur) mit qualifizierter Mehrheit begnügt (s. die §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 50 Abs. 1 Satz 1, 125, 193 und 240 UmwG). Entscheidend sollte jedoch sein, dass Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge den Zweck der Gesellschaft verändern und tiefgreifend in die Mitverwaltungs- und Gewinnbezugsrechte der Gesellschafter eingreifen. Deshalb ist daran festzuhalten, dass der Vertrag grundsätzlich nur wirksam wird, wenn ihm alle Gesellschafter zugestimmt haben (s. unten § 47 Rdnr. 5, § 53 Rdnr. 171, 183), zumal es auch allein auf der Grundlage dieser Meinung möglich ist, das herrschende Unternehmen dazu zu veranlassen, auf die Interessen der Minderheit durch angemessene Ausgleichs- und Abfindungsleistungen Rücksicht zu nehmen. Die üblicherweise hiergegen vorgebrachten Einwände überzeugen nicht1. Das gilt auch für die verbreitete Kritik, einzelnen Gesellschaftern werde auf diese Weise ohne Not die Möglichkeit eröffnet, den Abschluss von Unternehmensverträgen aus unsachlichen Gründen zu hintertreiben. Denn nichts hindert die Vorstellung, dass die Gesellschafter in Ausnahmefällen auf Grund ihrer Treuepflicht verpflichtet sind, dem Abschluss eines Unternehmensvertrages zuzustimmen, etwa, wenn allein auf diese Weise das Überleben der abhängigen Gesellschaft gesichert werden kann (s. unten § 53 Rdnr. 171). 147

d) Verlangt man Einstimmigkeit für den Zustimmungsbeschluss (oben Rdnr. 144), so erledigt sich für den Regelfall auch die schwierige Frage, ob das herrschende Unternehmen bei der Abstimmung über den Beherrschungsvertrag das Stimmrecht hat oder ob hier Raum für die Anwendung des § 47 Abs. 4 Satz 2 ist. Die Frage einer Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG ist nur relevant, wenn sich der Gesellschaftsvertrag für den Zustimmungsbeschluss mit einer qualifizierten Mehrheit begnügt (unten Rdnr. 155 f.). Sie dürfte dann entsprechend der aktienrechtlichen Regelung zu verneinen sein2. Man käme sonst zu dem schwer erträglichen Ergebnis, dass über den Abschluss eines Beherrschungsvertrages – infolge des Stimmverbotes für den anderen Vertragsteil – in der Regel allein die Minderheitsgesellschafter zu entscheiden hätten, womit sich der Zweck entsprechender gesellschaftsvertraglicher Regelungen geradezu in sein Gegenteil verkehrte.

2. Zustimmung der Gesellschafter der Obergesellschaft 148

a) Nach § 293 Abs. 2 AktG muss dem Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages mit einer AG die Hauptversammlung der herr1 Ebenso Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 145 f. 2 S. unten § 47 Rdnr. 115, § 53 Rdnr. 166; OLG Stuttgart, AG 1999, 585, 586 f. = NZG 1998, 601, 603 „Dornier“; Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 192 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 54; Kort, Abschluss, S. 105 ff.; Krieger, DStR 1992, 432, 435; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 39 IIa (S. 1216); Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 144; wohl auch BGHZ 105, 324, 332 f. = NJW 1989, 295; anders Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 40; J. Wilhelm, Rechtsform, S. 119 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 56.

894

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

schenden AG gleichfalls mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung vor allem in dem Umstand, dass sich auch für das herrschende Unternehmen aus Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen auf Grund der §§ 302 bis 305 AktG erhebliche Belastungen ergeben können1. Von den genannten Vorschriften sind zumindest die §§ 302 und 303 AktG auch auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit abhängigen GmbHs anwendbar (s. unten Rdnr. 180 ff.). Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass § 293 Abs. 2 AktG im GmbH-Konzernrecht entsprechend anzuwenden ist, auf jeden Fall, wenn die herrschende Gesellschaft eine AG ist, grundsätzlich aber auch sonst, namentlich also im Verhältnis zwischen einer herrschenden GmbH und einer abhängigen GmbH2. Der Zustimmungsbeschluss der herrschenden Gesellschaft (oben Rdnr. 148) bedarf nur dann der notariellen Beurkundung, wenn es sich bei ihr um eine AG handelt (§§ 293 Abs. 2, 130 Abs. 1 AktG)3. Anders hingegen bei Gesellschaften anderer Rechtsform. Auch wenn die Muttergesellschaft eine GmbH ist, genügt für den Zustimmungsbeschluss einfache Schriftform, wobei der Vertrag der Urkunde als Anlage beizufügen ist; für eine entsprechende Anwendung des § 54 Abs. 3 Satz 1 ist hier kein Raum4.

149

b) Das AktG kennt heute bei dem Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen auch für den Zustimmungsbeschluss der Obergesellschaft auf Grund der §§ 293a bis 293g AktG umfangreiche Berichts-, Prüfungs- und Informationspflichten (s. oben Rdnr. 133). Diese Pflichten sollten im Kern bei dem Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages mit einer abhängigen GmbH jedenfalls dann beachtet werden, wenn das herrschende Unternehmen die Rechtsform einer AG hat (oben Rdnr. 133) oder wenn einer GmbH eine abhängige AG gegenübersteht (oben Rdnr. 133), während sich ihre entsprechende Anwendung im Verhältnis einer GmbH zu einer GmbH kaum rechtfertigen lässt, wenn man für die abhängige GmbH gleichfalls die Anwend-

150

1 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293 AktG Rdnr. 2 m.N. 2 S. unten § 53 Rdnr. 173; BGHZ 105, 324, 333 ff. = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 „Supermarkt“; BGHZ 115, 187, 192 = GmbHR 1991, 520 = NJW 1991, 3142 „Video“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = NJW 1992, 1452 = GmbHR 1992, 253 = AG 1992, 192 „Siemens/NRG“; OLG Zweibrücken, GmbHR 1999, 665 = AG 1999, 328; LG Mannheim, AG 1995, 142 = GmbHR 1994, 810 = Rpfl. 1994, 256 „Freudenberg & Co“ (für einen Beherrschungsvertrag zwischen einer KG und einer GmbH); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293 AktG Rdnr. 9, 36, 46; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 44 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 10 ff. (S. 1358 ff.); Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65 f.; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 148; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 65 ff.; Mues, RNotZ 2005, 1, 18 f.; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 57; anders E. Vetter, BB 1989, 2125. 3 BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = NJW 1992, 1452 = GmbHR 1992, 253 = AG 1992, 192 „Siemens/NRG“. 4 S. unten § 53 Rdnr. 173; BGHZ 105, 324, 336 f. = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 „Supermarkt“; Altmeppen, DB 1994, 1273; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 59; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 39, 48; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65; Mues, RNotZ 2005, 1, 19 (l.Sp. 3. Abs.); Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 148; anders Heckschen, DB 1989, 29, 30; U. Schneider, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 7, 15 ff.; Th. Weigel, in: FS Quack, S. 505, 516 f.

Emmerich

|

895

Anhang § 13

Konzernrecht

barkeit der §§ 293a bis 293g AktG deshalb verneint, weil hier Einstimmigkeit erforderlich ist (oben Rdnr. 133). Der ganze Fragenkreis ist jedoch noch nicht endgültig geklärt1. 151

c) Die geschilderten Förmlichkeiten (oben Rdnr. 148 ff.) sind grundsätzlich auch bei dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit 100%igen Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer GmbH zu beachten. In der Gesellschaftspraxis ist dies als übertriebene Förmelei auf verbreitete Kritik gestoßen. Hier wird häufig, etwa nach dem Vorbild des § 62 UmwG, die Einführung einer Bagatellklausel gefordert, für die jedoch das geltende Recht keine ausreichende Grundlage bietet2.

3. Eintragung ins Handelsregister 152

a) Letzte Wirksamkeitsvoraussetzung ist entsprechend § 54 GmbHG und (hilfsweise) § 294 AktG die Eintragung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages in das Handelsregister (jedenfalls) der abhängigen Gesellschaft. Der Anmeldung zum Handelsregister müssen nach § 54 Abs. 1 Satz 2 der Zustimmungsbeschluss und der Unternehmensvertrag als Anlagen beigefügt werden3. In das Handelsregister sind sodann entsprechend § 294 AktG im Interesse der Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Konzernstatus der abhängigen Gesellschaft Bestehen und Art des Vertrages, der Zustimmungsbeschluss, der Name des anderen Vertragsteils sowie das Datum des Zustimmungsbeschlusses und des Vertragsabschlusses einzutragen4. Die Eintragung hat konstitutive Wirkung5. Dies alles gilt auch für Einmann-Gesellschaften 6.

153

b) Umstritten ist, ob der Beherrschungsvertrag auch ins Handelsregister der herrschenden Gesellschaft einzutragen ist. Die Frage wird in diesem Kommen1 S. die unterschiedlichen Positionen bei Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 49; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 10 (S. 1358 f.); Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65 f. 2 S. im Einzelnen Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 11 ff. (S. 1359 f. m.N.). 3 S. unten § 53 Rdnr. 170; BGHZ 105, 324, 342 f. = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 „Supermarkt“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = GmbHR 1992, 253 = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192 „Siemens/NRG“. 4 BGHZ 105, 324, 337, 345 f. = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 „Supermarkt“; OLG Naumburg, OLGR 2003, 480 = AG 2004, 43 = GmbHR 2003, 1277 (nur LS); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 33; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 9 (S. 1358); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293 AktG Rdnr. 45; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 45; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 69 ff.; Mues, RNotZ 2005, 1, 19 f.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 54 Rdnr. 30 (S. 778 f.). 5 BGHZ 105, 324, 341 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 „Supermarkt“; BGHZ 116, 37, 39 = GmbHR 1992, 34 = NJW 1992, 505 „Hansa Feuerfest/Stromlieferung“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = GmbHR 1992, 253 = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192 „Siemens/NRG“; BayObLGZ 2003, 21, 22 = GmbHR 2003, 534 = NJW-RR 2003, 908; BayObLG, NJW-RR 2003, 907 = GmbHR 2003, 476; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 147. 6 S. unten § 53 Rdnr. 168; BGHZ 105, 324 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 „Supermarkt“; BGH, LM Nr. 2 zu § 293 AktG = NJW 1992, 1452 = AG 1992, 192, 194 = GmbHR 1992, 253 „Siemens/NRG“; str., s. oben Rdnr. 138.

896

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

tar aus Gründen der Publizität von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen bejaht1. Im Aktienkonzernrecht wird dagegen § 294 AktG einhellig allein auf die abhängige Gesellschaft bezogen2. Dementsprechend verneint die ganz überwiegende Meinung auch für das GmbH-Konzernrecht eine Eintragungspflicht des Vertrages bei der herrschenden Gesellschaft, mag es sich bei dieser um eine AG oder um eine GmbH handeln3. c) In mitbestimmten Gesellschaften ist außerdem bei der Obergesellschaft § 32 MitbestG zu beachten, der im Ergebnis die Kompetenz zu dem Abschluss von Unternehmensverträgen den Vertretern der Anteilseigner im Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft vorbehält4. Ein fakultativer oder obligatorischer Aufsichtsrat auf der Ebene der abhängigen GmbH hat dagegen wegen des Primats der Gesellschafterversammlung keinen Einfluss auf den Abschluss von Unternehmensverträgen.

154

4. Ermächtigungsklauseln Schrifttum: S. unten § 53 Rdnr. 175; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 14 f. (S. 1360 f.); Emmerich, AG 1991, 303; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 II 4; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293 AktG Rdnr. 44; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3185 f. (S. 236); Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 221 ff.; Grunewald, AG 1990, 133; Henze, Konzernrecht, Rdnr. 233 ff. (S. 84 ff.); Kleinert/Lahl, GmbHR 2003, 698; Kort, ZIP 1989, 1309; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 62; Priester, DB 1989, 1013; U. Schneider, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 7; I. StolzenbergerWolters, Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht, 1990, S. 29 ff.; Ulmer, BB 1989, 10; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 149 ff.; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 61.

Der Praxis sind die vorstehend geschilderten Anforderungen an die Wirksamkeit des Abschlusses eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages häufig lästig (s. schon oben Rdnr. 151). Deshalb werden unter den Stichworten Ermächtigungsklauseln, Satzungs- oder Konzernklauseln verschiedenartige Vertragsgestaltungen diskutiert, mit denen bezweckt wird, den Abschluss der genannten Verträge auf beiden Ebenen zu „erleichtern“5. Die zu diesem Zweck diskutierten Klauseln haben einen unterschiedlichen Charakter. In Betracht kommen insbesondere Klauseln, durch die die Geschäftsführer generell oder im Einzelfall zum Abschluss von Unternehmensverträgen ermächtigt werden, sowie Klauseln, durch die die Mehrheitserfordernisse (oben Rdnr. 139 ff.) herabgesetzt werden. Auch an Bagatellklauseln ist hier zu denken. Die Zulässigkeit 1 S. unten § 53 Rdnr. 173; für fakultative Eintragung auch Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 10 (S. 1359). 2 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 294 AktG Rdnr. 5. 3 AG Duisburg, AG 1994, 568 = GmbHR 1994, 811; AG Erfurt, GmbHR 1997, 75 = AG 1997, 275; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 46; Altmeppen, DB 1994, 1273; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 148; E. Vetter, AG 1994, 110, 113 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57. 4 Wegen der komplizierten Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 4 V 3 (S. 75 f.). 5 Formulierungsvorschläge zuletzt bei Kleinert/Lahl, GmbHR 2003, 698.

Emmerich

|

897

155

Anhang § 13

Konzernrecht

solcher Klauseln lässt sich nicht einheitlich beantworten; man muss vielmehr unterscheiden: 156

Ermächtigungsklauseln, durch die die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft generell oder im Einzelfall zum Abschluss eines Beherrschungsvertrages ermächtigt werden sollen, sind schon deshalb unzulässig, weil sie auf eine mit § 53 unvereinbare Ermächtigung der Geschäftsführer zur Änderung des Gesellschaftsvertrages hinauslaufen (§ 134 BGB) (s. unten § 53 Rdnr. 175). Ebenso wenig angängig ist ferner eine allgemeine Herabsetzung der Mehrheitserfordernisse für den Zustimmungsbeschluss bei der abhängigen Gesellschaft. Insoweit wird man vielmehr den Gedanken des Minderheitenschutzes, der gleichermaßen der Vorschrift des § 33 BGB wie der des § 53 Abs. 3 GmbHG zugrunde liegt, als zwingend anzusehen haben. Eine abweichende Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn sich die Klausel von vornherein auf einen genau bestimmten Vertrag bezieht und zugleich für den nötigen Schutz der Minderheit Sorge getragen ist, namentlich durch einen Verweis auf die §§ 304 und 305 AktG (s. unten § 53 Rdnr. 175). Ist eine derartige Klausel von vornherein im Gesellschaftsvertrag enthalten, so wissen die Gründer, worauf sie sich einlassen, so dass sie keines zusätzlichen Schutzes bedürfen (§ 2 Abs. 1 Satz 2)1. Wenn eine derartige Klausel dagegen erst nachträglich im Wege der Änderung des Gesellschaftsvertrages eingeführt wird, ist zum Schutze der Minderheit § 53 Abs. 3 entsprechend anzuwenden. Eine Untergrenze für derartige Klauseln ergibt sich aus dem zwingenden § 53 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2; geringere Mehrheitserfordernisse als dort genannt können daher in keinem Fall durch den Gesellschaftsvertrag zugelassen werden.

157

Dieselbe Diskussion wie auf der Ebene der abhängigen Gesellschaft (oben Rdnr. 155 f.) findet sich auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft (s. unten § 53 Rdnr. 175). Man wird auch hier unterscheiden müssen: Für eine herrschende AG ist von dem zwingenden Charakter der §§ 293 Abs. 3 und 294 AktG selbst dann auszugehen, wenn die abhängige Gesellschaft die Rechtsform einer GmbH hat. Bei einer herrschenden GmbH sind dagegen Ermächtigungsklauseln für die Geschäftsführer (s. oben Rdnr. 156) – mangels Anwendbarkeit des § 53 – zulässig, wenn sie sich auf konkrete Einzelfälle beziehen, so dass dann ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung nach § 293 Abs. 2 AktG (ausnahmsweise) entbehrlich ist. Bagatellklauseln dürften gleichfalls in engen Grenzen zulässig sein (s. unten § 53 Rdnr. 175). Soweit es jedoch bei der Notwendigkeit eines Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung bleibt, ist auch für die GmbH von dem zwingenden Charakter des § 293 Abs. 2 AktG auszugehen. Der Gesellschaftsvertrag kann daher keine geringere, sondern nur eine höhere Mehrheit als in § 293 Abs. 2 AktG bestimmt für den Zustimmungsbeschluss vorschreiben2.

1 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41. 2 S. unten § 53 Rdnr. 175; Grunewald, AG 1990, 133, 135 f.; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 60; Priester, DB 1989, 1013, 1016 ff.; U. Schneider, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 7, 19 f.; Timm, GmbHR 1989, 11, 18.

898

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

5. Abfindung und Ausgleich a) In Aktienvertragskonzernen dient dem Schutz der außenstehenden Gesellschafter vor allem die Ausgleichs- und Abfindungspflicht des herrschenden Unternehmens nach den §§ 304 und 305 AktG. Eine Analogie zu diesen Vorschriften ist im GmbH-Konzernrecht entbehrlich, wenn und solange man grundsätzlich die Zustimmung aller Gesellschafter zu dem Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages für erforderlich hält (oben Rdnr. 144 ff.), weil dann die außenstehenden Gesellschafter selbst in der Lage sind, ihre Rechte zu wahren1.

158

b) Eine abweichende Beurteilung ist jedoch angebracht, wenn man sich – entgegen der hier vertretenen Meinung (oben Rdnr. 144 f.) – generell mit einer qualifizierten Mehrheit begnügt (oben Rdnr. 145) oder wenn doch solche Mehrheit ausnahmsweise auf Grund entsprechender konkreter Satzungsklauseln ausreichend ist (oben Rdnr. 156). Gleich steht der Fall, dass die außenstehenden Gesellschafter im Einzelfall auf Grund ihrer Treuepflicht zur Zustimmung zu dem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag verpflichtet sind (oben Rdnr. 146). In derartigen Fällen ist eine Analogie zu den §§ 304 und 305 AktG unverzichtbar2.

159

Im Wesentlichen unstreitig ist dies mittlerweile für die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zum Angebot einer Barabfindung entsprechend § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Das den Gesellschaftern der abhängigen Gesellschaft zustehende Austrittsrecht gegen volle Abfindung ist kein Ersatz für das Abfindungsrecht, weil sich (anders als der Abfindungsanspruch nach dem Austritt) der Anspruch auf Barabfindung unmittelbar gegen das herrschende Unternehmen richtet (§ 305 Abs. 1 AktG). Offen ist dagegen bis heute, ob die Gesellschafter der abhängigen GmbH in bestimmten Fällen (s. § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AktG) statt dessen auch einen Anspruch auf Abfindung in Anteilen der herrschenden Gesellschaft haben. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die herrschende Gesellschaft die Rechtsform einer deutschen AG hat3. Bei einer herrschenden Gesellschaft anderer Rechtsform sollte man den außenstehenden Gesellschaf-

160

1 Ebenso Zöllner, ZGR 1992, 173, 193, 199 ff. 2 S. oben Rdnr. 145 und unten § 53 Rdnr. 175 sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 88 f.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 7 f. (S. 1357 f.); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 II 6 (S. 443); Grauer, Konzernbildungskontrolle, S. 202 ff.; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 59 f.; Kleindiek, ZIP 1988, 613, 617 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 58 f.; Kort, Abschluss, S. 135, 157 ff.; Lutter, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 197 f.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 53; Mestmäcker, Verwaltung, S. 352 ff.; Priester, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S. 151, 156 ff.; Stolzenberger-Wolters, Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht, 1990, S. 21 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, § 77 Anh. Rdnr. 211–213; H. Weber, GmbHR 2003, 1347; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 77 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 63; anders nur ohne Begründung BGHZ 105, 324, 335 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 = AG 1989, 91 „Supermarkt“. 3 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 88; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 212; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 59 (a.E.); weiter gehend Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 67.

Emmerich

|

899

Anhang § 13

Konzernrecht

tern zumindest ein Wahlrecht zwischen einer Abfindung in Anteilen und einer Barabfindung einräumen (§ 242 BGB). 161

Eine Ausgleichspflicht der herrschenden Gesellschaft entsprechend § 304 AktG wird bislang wohl überwiegend verneint, meistens mit der Begründung, die Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses bei Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages ohne angemessene Abfindungsleistung für die Minderheitsgesellschafter (unten Rdnr. 162) gewährleiste bereits ausreichend deren Schutz (§ 243 Abs. 1 AktG)1. Diese Überlegung ist nicht zwingend2, da man nicht übersehen darf, dass die Minderheitsgesellschafter in keinem Fall, auch nicht, wenn sie ausnahmsweise auf Grund ihrer Treuepflicht zur Zustimmung zu dem Vertragsabschluss verpflichtet sind (oben Rdnr. 146), gegen ihren Willen zum Ausscheiden aus der abhängigen Gesellschaft gegen Abfindung gezwungen werden können, so dass sie dann einen Ausgleichsanspruch haben müssen.

162

c) Wenn der Beherrschungsvertrag in einem der genannten Fälle (oben Rdnr. 159 ff.) überhaupt kein Ausgleichs- und Abfindungsangebot enthält, sollte man ihn zum Schutze der Minderheit entsprechend § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG als nichtig behandeln3. Ist das Angebot dagegen nicht angemessen, so ist der Zustimmungsbeschluss nach h.M. analog § 243 Abs. 2 AktG anfechtbar. Ob an die Stelle dieses Anfechtungsrechts das Spruchverfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz vom 12. 6. 20034 gesetzt werden kann, ist offen. Das Problem rührt daher, dass die hier interessierenden Fälle in § 1 des genannten Gesetzes nicht ausdrücklich erwähnt sind, auf der anderen Seite mittlerweile aber keine Bedenken mehr bestehen, das SpruchG in vergleichbaren Fallgestaltungen, z.B. bei dem Delisting, entsprechend anzuwenden. Angesichts dieser Entwicklung sollte man nicht zögern, auch der Minderheit in einer GmbH entsprechend § 1 Nrn. 1 und 2 SpruchG den Weg zum Spruchverfahren zu eröffnen, wenn sie die angebotene Abfindungs- oder Ausgleichsleistung des herrschenden Unternehmens nicht für angemessen halten (anders 9. Aufl., Rdnr. 169).

6. Fehlerhafte Verträge Schrifttum: S. unten § 53 Rdnr. 174 sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 104; Autenrieth, GmbHR 1990, 113; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 16–19 (S. 1361 f.); Ebenroth/A. Müller, BB 1991, 358; Emmerich, JuS 1992, 102; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 28–31, 44–46; Kleindiek, ZIP 1988, 613; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 64– 68; Kort, ZIP 1989, 1309; Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 75–79; Priester, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 37; E. Rehbinder, in: FS Fleck, S. 235; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35; I. Stolzenberger-Wolters, Fehlerhafte Unternehmensverträge im GmbH-Recht, 1990; Strobl, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 65; Timm, GmbHR 1989, 11; 1 Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 213. 2 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 89; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 58; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 53. 3 Anders Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 88; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 58. 4 BGBl. I, 838.

900

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

1992, 211; Timm, in: FS Kellermann, 1991, S. 461; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 158 f.; Ulmer, BB 1989, 10; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 175 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 60 f.

Ein Unternehmensvertrag wird als fehlerhaft bezeichnet, wenn er an Mängeln leidet, die seine Wirksamkeit in Frage stellen, sei es, weil bei seinem Abschluss nicht sämtliche gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen beachtet wurden (oben Rdnr. 139 ff.), sei es, weil er inhaltliche Mängel aufweist (§§ 125, 134, 138 BGB). Im Einzelnen hat man zwischen Mängeln des Vertrags und Mängeln der Zustimmungsbeschlüsse zu unterscheiden (§ 53 GmbHG, § 293 Abs. 2 AktG), wobei weiter danach zu trennen ist, ob die Mängel die Nichtigkeit oder lediglich die Anfechtbarkeit des Beschlusses nach sich ziehen (s. §§ 241, 243 AktG). Außerdem kann es einen Unterschied bedeuten, ob der Mangel den Zustimmungsbeschluss der abhängigen Gesellschaft oder den der herrschenden Gesellschaft betrifft1. Sind die genannten Mängel nicht in der Zwischenzeit, etwa durch Zeitablauf oder Nachholung der erforderlichen Beschlüsse geheilt werden (s. § 53 GmbHG; §§ 242, 244, 246 Abs. 1 AktG; § 140 BGB), so stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Vertrag trotz der genannten Mängel vollzogen wurde. Ein Vollzug des Vertrages liegt spätestens vor, wenn der Vertrag (zu Unrecht) ins Handelsregister eingetragen wurde2, ebenso aber auch, wenn das herrschende Unternehmen Verluste der abhängigen Gesellschaft ausgeglichen oder in deren Geschäftsführung eingegriffen hat (vgl. §§ 302 Abs. 1, 308 Abs. 1 AktG).

163

Die aufgeworfenen Fragen hatten sich mit besonderer Dringlichkeit Ende der achtziger Jahre im Steuerrecht für so genannte Altverträge gestellt, die nicht den vom BGH in dem Supermarktsbeschluss vom 24. 10. 19883 entwickelten Wirksamkeitsvoraussetzungen genügten und denen deshalb (mangels zivilrechtlicher Wirksamkeit) nachträglich die Aberkennung der körperschaftsteuerlichen Organschaft drohte (§§ 14, 17 KStG). Die Finanzverwaltung hatte hier mit verschiedenen Übergangsfristen für die Anpassung der Altverträge an die neue Rechtslage geholfen, die jedoch endgültig mit dem 31. 12. 1992 endeten, so dass auf den Fragenkreis hier nicht mehr weiter einzugehen ist4.

164

Im Gesellschaftsrecht tendiert die Praxis heute deutlich dahin, in den genannten Fällen (oben Rdnr. 163) den Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag nach dem Muster fehlerhafter Gesellschaftsverträge trotz seiner Mängel nach seinem Vollzug (oben Rdnr. 163) grundsätzlich als wirksam zu behandeln, vor allem wohl, um nach Möglichlichkeit den Gläubigerschutz auf Grund der §§ 302 und 303 AktG sicherzustellen5. Generell kann dies freilich nicht gelten;

165

1 Wegen der Einzelheiten s. noch Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 IV (S. 172 ff.). 2 Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 176. 3 BGHZ 105, 324 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25. 4 S. ausführlich 9. Aufl. Rdnr. 170 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 44a. 5 S. unten § 53 Rdnr. 174; BGHZ 103, 1, 5 = NJW 1988, 1326 = AG 1988, 133 „Familienheim“; BGHZ 105, 168, 182 = NJW 1988, 3143 = AG 1989, 27 „HSW“; BGHZ 116, 37, 39 ff. = NJW 1992, 505 = AG 1992, 83 = GmbHR 1992, 24 „Stromlieferungen/Hansa

Emmerich

|

901

Anhang § 13

Konzernrecht

vielmehr muss man nach Art und Schwere des Mangels unterscheiden. Darauf deutet auch § 304 Abs. 3 Satz 1 AktG hin. Der schwerwiegendste Mangel ist wohl das Fehlen oder die Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses der abhängigen Gesellschaft. Zumindest in diesem Fall muss es daher bei der Nichtigkeit des Vertrages auch im Falle seines Vollzugs bleiben, weil es den Beteiligten andernfalls mühelos möglich wäre, die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter in der abhängigen Gesellschaft durch simple Praktizierung eines nichtigen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages zu umgehen1. Ob bei Fehlen oder Mängeln des Zustimmungsbeschlusses der herrschenden Gesellschaft ebenso zu verfahren ist, ist umstritten2, sollte aber zum Schutze der Beteiligten gleichfalls bejaht werden. 166

Umstritten ist die Rechtslage ferner in den Fällen der fehlenden Eintragung des Vertrags ins Handelsregister (§ 54 GmbHG; § 294 Abs. 2 AktG). Speziell für die GmbH hat der BGH diesem Umstand wiederholt keine Bedeutung beigemessen und auf den Vertrag nach seinem Vollzug (entsprechend den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft) die Vorschriften über Beherrschungsverträge und damit insbesondere die §§ 302 und 303 AktG angewandt3. Dem ist jedoch nicht zu folgen, weil vor Eintragung des Vertrags ins Handelsregister mit Rücksicht auf die gesetzliche Regelung (§ 54 GmbHG; § 294 Abs. 2 AktG) sinnvollerweise niemand auf den Bestand des Vertrages vertrauen kann und darf4. Die Frage spielt eine Rolle insbesondere bei der Behandlung der zahlreichen stillen Gesellschaftsverträge mit Aktiengesellschaften, bei deren Abschluss die §§ 292 Abs. 1 Nr. 2, 293 und 294 AktG übersehen wurden. Die Problematik hat infolgedessen in erster Linie Bedeutung für die AG und braucht daher hier nicht weiter verfolgt zu werden (s. im Übrigen unten Rdnr. 213 ff.).

167

Lediglich in den restlichen Fällen, vor allem also bei Verstößen gegen Formvorschriften, ist von Fall zu Fall Raum für die Anwendung der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft, so dass der Vertrag nach seinem Vollzug (oben Rdnr. 163) anzuerkennen ist5. Dies bedeutet vor allem, dass es für die bereits abgelaufene Zeit grundsätzlich bei der Anwendbarkeit der §§ 302 und 303 AktG sein Bewenden hat6.

1 2 3

4

5 6

Feuerfest“; BGH, LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG (Bl. 2) (mit Anm. Emmerich) = NJW 2002, 822 = AG 2002, 240 = GmbHR 2002, 62; OLG Koblenz, AG 1991, 142 = WM 1991, 227; OLG München, AG 1991, 358, 361; enger OLG Koblenz, ZIP 2001, 1095, 1098. S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 30a; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 65; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 175 (2. Abs.). Verneinend Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 65 und Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 175 (2. Abs.). BGHZ 116, 37, 39 = NJW 1992, 505 = AG 1992, 83 = GmbHR 1992, 24 „Stromlieferungen/Hansa Feuerfest“; insbes. BGH, LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG (Bl. 2) = NJW 2002, 822 = GmbHR 2002, 62 = AG 2002, 240. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 30, 45; Emmerich, Anm. LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG (Bl. 4); Henze, Konzernrecht, Rdnr. 310 ff. (S. 113 ff.); Hüffer, AktG, § 291 Rdnr. 21; Krieger, ZHR 158 (1994), 35, 41. S. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 11 IV (S. 172 ff.); Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 65. Insbes. BGHZ 116, 37, 45 f. = AG 1992, 83 = NJW 1992, 505 = GmbHR 1992, 34 „Hansa Feuerfest/Stromlieferung“.

902

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Anders ist die Rechtslage dagegen hinsichtlich der Zukunft zu beurteilen: Auch insoweit bleibt es zwar zunächst in den genannten Fällen (oben Rdnr. 167) bei der Maßgeblichkeit des an sich unwirksamen Vertrages. Indessen können sich beide Parteien jederzeit auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen oder doch (so ohne Not die h.M.) durch Kündigung aus wichtigem Grunde die weitere Anwendung des Vertrages beenden (s. unten § 53 Rdnr. 174). Voraussetzung ist lediglich, dass es nicht in der Zwischenzeit zu einer Heilung des Mangels gekommen ist, z.B. durch Nachholung der erforderlichen Form oder durch Wiederholung des mangelhaften Zustimmungsbeschlusses und dessen Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister1.

168

Zuständig für die Beendigung des durch den Vollzug des an sich unwirksamen Vertrags entstandenen Zustandes sind vorrangig die Geschäftsführer (§ 37). Ein Ermessen haben sie insoweit nicht; vielmehr sind sie verpflichtet, gegenüber dem herrschenden Unternehmen die „faktische“ Fortgeltung des Vertrages durch die Berufung auf dessen Nichtigkeit oder (so die h.M.) durch dessen Kündigung aus wichtigem Grunde zu beenden, wenn die Minderheitsgesellschafter die nachträgliche Zustimmung zu dem Unternehmensvertrag ablehnen und auch auf andere Weise eine Heilung des Mangels nicht mehr möglich ist2. Durch die Gesellschafterversammlung können die Geschäftsführer hierzu auch angewiesen werden (§§ 46 Nr. 4, 50). Nach h.M. ist das herrschende Unternehmen bei der Beschlussfassung über eine entsprechende Weisung an die Geschäftsführer nach § 47 Abs. 4 vom Stimmrecht ausgeschlossen.

168a

Werden die Geschäftsführer gleichwohl pflichtwidrig nicht tätig, so bleibt zu beachten, dass der von dem herrschenden Unternehmen geschaffene Zustand mangels Wirksamkeit des Vertrages rechtswidrig ist, so dass die Minderheitsgesellschafter in der abhängigen Gesellschaft von dem herrschenden Unternehmen Schadensersatz verlangen können, hier in erster Linie durch Vertragsaufhebung (§§ 249, 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB). Schließlich ist noch daran zu denken, ihnen eine Notzuständigkeit zur „Kündigung“ einzuräumen, entweder entsprechend den Regeln über die actio pro socio oder (besser) entsprechend § 744 Abs. 2 BGB, so dass sie bei pflichtwidriger Untätigkeit der Geschäftsführer selbst die „Kündigung“ des unwirksamen Unternehmensvertrages aussprechen können3.

169

IV. Weisungsrecht Schrifttum: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 50 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 20–26 (S. 1362 ff.); Emmerich, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 64; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 23, 32 III 1 (S. 336, 445 ff.); S. Fabian, Inhalt und Auswirkungen des Beherr-

1 Grdlg. BFHE 184, 88, 90 f. = BStBl. II 1998, 33 = NZG 1998, 227 = AG 1998, 491; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 29. 2 Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 65. 3 S. Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 65; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 158; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 61.

Emmerich

|

903

Anhang § 13

Konzernrecht

schungsvertrages, 1997, S. 119 ff.; H. Götz, ZGR 1998, 424; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 104 f.; Kropff, in: FS Semler, S. 517; Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 34 f.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 54 Rdnr. 35 ff. (S. 780 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 III 2c (S. 951 ff.); Stützle, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 81; Ulmer, in: Hachenburg, § 77 Anh. Rdnr. 215 ff.; U. Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht, S. 440 ff.; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 85 ff. (S. 451 ff.); Zöllner, ZGR 1992, 173; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 64 ff.

170

Kern des Beherrschungsvertrages ist bei der GmbH nicht anders als bei der AG entsprechend dem § 291 Abs. 1 AktG das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens gegenüber den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft. Die Einzelheiten richten sich nach dem jedenfalls in seinen Grundzügen im GmbH-Konzernrecht entsprechend anwendbaren § 308 AktG (s. unten Rdnr. 171 ff.).

1. Parteien 171

a) Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG berechtigt der wirksame Abschluss eines Beherrschungsvertrages das herrschende Unternehmen, den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft hinsichtlich der Leitung ihrer Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Adressat der Weisungen des herrschenden Unternehmens sind mithin unmittelbar die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft. Vor allem in diesem direkten „Zugriff“ auf die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft liegt der Vorteil eines Beherrschungsvertrages gegenüber der an sich auch ohne ihn möglichen Beherrschung der abhängigen Gesellschaft über die Gesellschafterversammlung. Zugleich sind die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft aber auch die einzigen zulässigen Adressaten von Weisungen des herrschenden Unternehmens, so dass diesem kein Weisungsrecht gegenüber anderen Organen der abhängigen Gesellschaft oder gegenüber deren Mitarbeitern zusteht. Die abhängige Gesellschaft bleibt daher weisungsfrei, soweit die zwingende Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung oder eines etwaigen obligatorischen Aufsichtsrats reicht. Dem Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens entzogen sind insbesondere etwaige Änderungen des Gesellschaftsvertrages (§ 53), Kapitalveränderungen (§§ 55 ff.), die Zustimmung der Gesellschafter zum Abschluss, zur Änderung oder zur Kündigung von Unternehmensverträgen (§ 53 GmbHG, §§ 293 ff. AktG) sowie die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern (§§ 38, 46 Nr. 5) (soweit nicht hierfür nach dem Gesellschaftsvertrag oder nach dem MitbestG der Aufsichtsrat oder ein anderes Organ zuständig ist, s. unten Rdnr. 173).

172

b) Das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens gegenüber den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft (§ 308 Abs. 1 Satz 1 AktG) kann im Einzelfall mit dem Weisungsrecht der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern auf dem Weg über die Gesellschafterversammlung kollidieren (§ 37 Abs. 1). In derartigen Fällen ist davon auszugehen, dass, nachdem einmal die Gesellschafter mit der erforderlichen Mehrheit dem Beherrschungsvertrag zuge904

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

stimmt haben, das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens den Vorrang vor dem Weisungsrecht der Gesellschafter hat1. c) Dieselben Regeln wie für das Verhältnis des herrschenden Unternehmens zur Gesellschafterversammlung (oben Rdnr. 172) gelten als Folge des vertragsändernden Charakters des Beherrschungsvertrages für sein Verhältnis zu einem fakultativen Aufsichtsrat2. Anders ist die Rechtslage dagegen hinsichtlich eines obligatorischen Aufsichtsrats auf Grund der Mitbestimmungsgesetze, da dieser in dem ihm gesetzlich übertragenen Aufgabenbereich, namentlich also hinsichtlich der Bestellung der Geschäftsführer, keinem Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens unterliegt (§ 31 MitbestG; s. oben Rdnr. 171). Das gilt auch für die sich aus § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG i.V.m. § 111 Abs. 4 Satz 2 bis 5 AktG ergebende Befugnis des obligatorischen Aufsichtsrats einer GmbH, bestimmte Arten von Geschäften seiner Zustimmung zu unterwerfen, so dass nichts anderes übrig bleibt, als in diesem Fall zur Lösung etwaiger Konflikte § 308 Abs. 3 AktG entsprechend anzuwenden3.

173

2. Umfang a) Das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens erstreckt sich nach § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG (nur) auf die „Leitung“ der abhängigen Gesellschaft. Darunter ist, wie sich aus dem Zusammenhang des § 308 Abs. 1 AktG mit den §§ 76 bis 78 AktG ergibt, der gesamte weite Bereich der Geschäftsführung und Vertretung der abhängigen Gesellschaft zu verstehen4. Den Gegensatz bilden die so genannten Grundlagengeschäfte, die der Sache nach auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags hinauslaufen, da der Beherrschungsvertrag dem herrschenden Unternehmen keine Befugnis zur einseitigen Änderung des Gesellschaftsvertrages der abhängigen Gesellschaft verleiht (oben Rdnr. 171, unten Rdnr. 177). Dies alles gilt auch für die GmbH, wie unmittelbar aus den §§ 37, 46 Nr. 6 und 53 zu folgern ist. Die Grenzziehung im Einzelnen ist umstritten5. Richtiger Meinung nach sollte wie folgt unterschieden werden: Zur Geschäftsführung (im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsvertrages) gehören grundsätzlich auch solche außergewöhnlichen Maßnahmen, die in der unabhängigen Gesellschaft entsprechend § 116 HGB von den Geschäftsführern vor ihrer Vornahme der Zustimmung der Gesellschafter zu unterbreiten sind, so dass bei Abschluss eines Beherrschungsvertrages das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens selbst derartige außergewöhnlichen Maßnahmen umfasst, so-

1 OLG Stuttgart, AG 1998, 585 = NZG 1998, 601, 602 „Dornier“; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 50; Grauer, Konzerbildungskontrolle, S. 158 ff.; Kort, Abschluss, S. 140 f. 2 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 III 1 (S. 445 f.); Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 221. 3 S. unten § 53 Rdnr. 119; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 61; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 108; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 221; dagegen Kropff, in: FS Semler, S. 517, 529 f.; Zöllner, ZGR 1993, 173, 181. 4 S. im Einzelnen Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 AktG Rdnr. 38 ff. m.N. 5 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 50 f.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 20 f. (S. 1362 f.); Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64 f.

Emmerich

|

905

174

Anhang § 13

Konzernrecht

lange sie nur durch Zweck und Gegenstand der Gesellschaft gedeckt sind (§ 3 Nr. 2) und sich deshalb im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsvertrages halten (unten Rdnr. 177). Dagegen sind Weisungen des herrschenden Unternehmens an die Geschäftsführer zur Überschreitung des Gesellschaftsvertrages unwirksam (§ 134 BGB). 175

b) Aus § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG folgt außerdem die grundsätzliche Zulässigkeit nachteiliger Weisungen. Darunter sind solche Weisungen zu verstehen, die Maßnahmen zum Gegenstand haben, die der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer einer unabhängigen Gesellschaft, der sich ausschließlich an den Interessen seiner Gesellschaft orientiert, wegen der mit ihnen verbundenen Risiken oder Nachteile nicht vorgenommen hätte (§ 43 GmbHG; §§ 76, 93, 311, 317 Abs. 2 AktG)1. Voraussetzung der Zulässigkeit nachteiliger Weisungen ist jedoch, wie aus § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG zu folgern ist, dass die Weisungen wenigstens im Konzerninteresse liegen (unten Rdnr. 176). Weitere Schranken für das (im Prinzip sehr weit gehende) Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens ergeben sich darüber hinaus von Fall zu Fall noch aus den §§ 134 und 138 BGB sowie aus zwingenden gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen2.

176

Erste und wichtigste Voraussetzung der Zulässigkeit nachteiliger Weisungen (oben Rdnr. 175) ist entsprechend § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG, dass die fragliche Weisung den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der abhängigen Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dient, d.h. im Konzerninteresse liegt. Dagegen verstoßen insbesondere solche Weisungen, durch die die abhängige Gesellschaft übermäßig (unverhältnismäßig) geschädigt wird oder die nur im Interesse außenstehender Dritter, z.B. des Mehrheitsgesellschafters liegen3. Derartige Weisungen dürfen von den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft nicht befolgt werden und lösen gegebenenfalls die Haftung des herrschenden Unternehmens aus (s. unten Rdnr. 183 f.).

177

c) Weitere Schranken des Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens folgen aus dem zwingenden Gesetzesrecht (§§ 134, 138 BGB). Die abhängige Gesellschaft darf daher durch eine Weisung des herrschenden Unternehmens z.B. nicht zu Verstößen gegen die §§ 30 und 31 veranlasst werden; für eine entsprechende Anwendung des § 291 Abs. 3 AktG ist im GmbH-Konzernrecht kein Raum. Unzulässig sind ferner existenzvernichtende Weisungen (unten Rdnr. 178) sowie Weisungen, die zu einer faktischen Änderung des Gesellschaftsvertrags der abhängigen Gesellschaft führen, da diese in die ausschließlich Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fällt (§ 53; s. schon oben Rdnr. 171, 174). Die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft bleiben auch nach Abschluss eines Beherrschungsvertrages grundsätzlich an den Gesellschaftsvertrag gebunden, soweit er nicht durch den Beherrschungsvertrag für die Dauer seiner Geltung verdrängt wird. Wichtig ist das vor allem für die 1 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 AktG Rdnr. 45 ff. 2 S. unten Rdnr. 177 ff.; wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 AktG Rdnr. 55 ff. 3 S. im Einzelnen Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 AktG Rdnr. 48 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 68 ff.

906

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Bindung der Geschäftsführer an den Gegenstand der abhängigen Gesellschaft, so dass sich das herrschende Unternehmen darüber auch nicht auf Grund seines Weisungsrechts (§ 308 Abs. 1 AktG) hinwegsetzen darf (§ 3 Abs. 1 Nr. 2)1. Daraus folgt z.B., dass das herrschende Unternehmen die Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft nicht dazu anweisen darf, neue Tätigkeiten außerhalb ihres bisherigen Gegenstandes aufzunehmen oder wichtige derartige Tätigkeitsbereiche einzustellen, ohne dass zuvor der Gesellschaftsvertrag entsprechend geändert wurde. d) Eine letzte Schranke für das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens ergibt sich aus der Überlebensfähigkeit der abhängigen Gesellschaft, die durch Weisungen des herrschenden Unternehmens grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden darf2. Hierher gehört heute auch die Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe (s. oben § 13 Rdnr. 98 ff.), deren zwingender Charakter mithin selbst dem Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens im Vertragskonzern unübersteigbare Schranken zieht3. Die Einzelheiten sind umstritten4. Man muss vor allem zwischen existenzvernichtenden Eingriffen während des Bestandes des Vertrags und solchen unterscheiden, die die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft erst nach Vertragsende bedrohen.

178

Bei den zuerst genannten Weisungen zeigt § 302 AktG (unten Rdnr. 180), dass die Zulässigkeitsgrenze für existenzgefährdende Weisungen im Vertragskonzern exakt entlang der Funktionsfähigkeit des Haftungssystems der §§ 302 und 303 AktG verläuft: Solange auf dem Weg über die Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens die Existenzfähigkeit der abhängigen Gesellschaft sichergestellt ist, bleiben auch existenzgefährdende Weisungen zulässig, während die Zulässigkeitsgrenze überschritten ist, sobald die Zahlungsfähigkeit der abhängigen Gesellschaft, etwa wegen einer drohenden Insolvenz des herrschenden Unternehmens, gefährdet ist. Was sodann die Zulässigkeit von Weisungen angeht, durch die die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft nach Vertragsende bedroht wird, so ist bisher überwiegend angenommen worden, dass dem Gesetz insoweit grundsätzlich keine Zulässigkeitsschranken und insbesondere nicht die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zur Leistung einer Wiederaufbauhilfe zu Gunsten der abhängigen Gesellschaft nach Vertragsende entnommen werden kann5. Es ist nicht auszuschließen, dass die neue Haftung für existenzvernichtende Eingriffe auch insoweit eine Revision des bisherigen Meinungsstandes erzwingen wird. Außerdem folgt aus dem Gesagten noch, dass

179

1 OLG Stuttgart, AG 1998, 585 = NZG 1998, 601, 602 „Dornier“; OLG Düsseldorf, AG 1990, 490, 492; OLG Nürnberg, AG 2000, 228, 229 „WBG“; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 AktG Rdnr. 56 f.; S. Fabian, Inhalt und Grenzen, S. 185 ff. 2 S. im Einzelnen OLG Düsseldorf, AG 1990, 490, 492 „DAB/Hansa“; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 58 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 23–26; Emmerich/ Habersack, Kommentar, § 308 AktG Rdnr. 60 ff.; S. Fabian, Inhalt und Grenzen, S. 227 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 218; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 94 ff. 3 Ebenso Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 23–26. 4 S. insbes. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 58 ff., und Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 AktG Rdnr. 60 ff. 5 S. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 63 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 25 (S. 1364 f.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 AktG Rdnr. 65.

Emmerich

|

907

Anhang § 13

Konzernrecht

heute – anders als früher (s. 9. Aufl. Rdnr. 186) – in allen diesen Fragen nicht mehr zwischen Einpersonen- und Mehrpersonengesellschaften unterschieden werden darf1.

V. Gläubigerschutz Schrifttum: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 72–78; G. Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, 2000, S. 386 ff.; G. Bitter, ZIP 2001, 265; Ehricke, Das abhängige Konzernunternehmen in der Insolvenz, 1998, S. 430 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 302 AktG, bes. Rdnr. 25 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 27–30 (S. 1365 ff.); Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 112 f.; Petersen, GmbHR 2005, 1031; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 110–121 (S. 459 ff.); Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 67, 105 ff.

180

Das AktG gewährleistet im Vertragskonzern den Gläubigerschutz durch die §§ 302 und 303 über die Pflicht des herrschenden Unternehmens, während des Bestandes des Vertrages jeden Jahresfehlbetrag auszugleichen und nach Vertragsende den Gläubigern Sicherheit zu leisten. Dasselbe gilt im GmbH-Vertragskonzern, da die §§ 302 und 303 AktG entsprechend auf einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit einer abhängigen GmbH anzuwenden sind2. Hieran dürfte auch die Einführung der Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe (s. oben § 13 Rdnr. 98 ff.) im Ergebnis nichts geändert haben, weil die §§ 302 und 303 AktG (in entsprechender Anwendung) den Gläubigern im Vertragskonzern einen wesentlich weiter gehenden Schutz als der genannte Durchgriffshaftungstatbestand gewähren3.

181

Die Geltung der §§ 302 und 303 AktG im Vertragskonzern ist zwingendes Recht. Ihre Anwendbarkeit ist daher auch – anders als nach Steuerrecht (§ 17 Satz 2 Nr. 2 KStG) – unabhängig von einer entsprechenden Vereinbarung im Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit der abhängigen Gesellschaft4. Die steuerrechtliche Regelung ist gleichwohl nicht bedeutungslos, weil sie, jedenfalls für alle praktischen Zwecke, zur Folge hat, dass die Verlustausgleichspflicht immer die gesamten Verluste der abhängigen Gesellschaft umfasst und sich nicht etwa, wie vielfach insbesondere bei Einpersonengesellschaften angenommen, auf die Deckung der Stammkapitalziffer beschränken

1 Ebenso Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 24 (S. 1364). 2 BGH, LM Nr. 46 zu § 105 HGB = GmbHR 1979, 246 = NJW 1980, 231 = AG 1980, 47 „Gervais“; BGHZ 95, 330, 345 f. = NJW 1986, 188 = GmbHR 1986, 78 = AG 1986, 15 „Autokran/Heidemann“; BGHZ 105, 168, 182 = GmbHR 1989, 18 = AG 1989, 27 = NJW 1988, 3143 „HSW“; BGHZ 105, 324, 336 = NJW 1989, 295 = GmbHR 1989, 25 = AG 1989, 91 „Supermarkt“; BGHZ 116, 37, 39 = GmbHR 1992, 34 = NJW 1992, 505 = AG 1992, 83 „Stromlieferung/Hansa Feuerfest“; BGH, LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG = NJW 2002, 822 = AG 2002, 240 = GmbHR 2002, 62; BAGE 61, 94 = AP Nr. 22 zu § 16 BetrAVG = AG 1991, 274, 275 = NZA 1989, 844; OLG Jena, AG 2005, 405; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 72 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 222 f., 208 f. 3 Ebenso im Ergebnis Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 27 (S. 1365 f.). 4 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 302 AktG Rdnr. 25a; auch FG Köln, GmbHR 2004, 1404, 1406; s. unten Rdnr. 205.

908

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

lässt1. Nur diese Lösung entspricht im Übrigen dem Wortlaut des § 302 Abs. 1 AktG und den (dringenden) Erfordernissen eines umfassenden Gläubigerschutzes2. Die Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens entfällt nach § 302 Abs. 1 Hs. 2, wenn und soweit der Jahresfehlbetrag dadurch ausgeglichen werden kann, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt wurden. Gleich stehen die Kapitalrücklagen des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB3. Vorvertragliche Rücklagen dürfen dagegen nicht zum Verlustausgleich herangezogen werden (§ 302 Abs. 1 Hs. 2 AktG), auf jeden Fall nicht bei mehrgliedrigen Gesellschaften, weil das herrschende Unternehmen kein Recht hat, die vorvertraglichen Rücklagen der abhängigen Gesellschaft für sich allein in Anspruch zu nehmen, während sich bei Einpersonengesellschaften auch eine abweichende Beurteilung rechtfertigen lässt4.

182

VI. Haftung des herrschenden Unternehmens Schrifttum: Altmeppen, Die Haftung des Managers im Konzern, 1998, S. 73 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 79–85; Emmerich, in: GS Sonnenschein, 2003, S. 651; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 309 AktG, bes. Rdnr. 7; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3192 ff. (S. 238 ff.); Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 60; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 109; Voigt, Haftung aus Einfluss auf die AG, 2004; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 107 (S. 458).

Aus dem Beherrschungsvertrag ergeben sich nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten des herrschenden Unternehmens. Einzelne Pflichten regelt bereits das Gesetz selbst, wobei die §§ 302 und 303 AktG hervorzuheben sind (oben Rdnr. 180 f.). Andere Pflichten ergeben sich aus dem Vertrag in Verb. mit den §§ 241 Abs. 2 und 242 BGB. Beispiele sind die Pflicht, die vertraglichen und gesetzlichen Schranken des Weisungsrechts einzuhalten (oben Rdnr. 177 ff.), sowie die weitere Pflicht, bei der Erteilung von Weisungen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu beachten (s. § 309 Abs. 1 AktG). Das gilt im GmbH-Konzernrecht mit Rücksicht auf die Treuepflicht des herrschenden Unternehmens nicht weniger als im Aktienkonzernrecht, so dass wegen der Einzelheiten auf die Kommentierungen des § 309 AktG verwiesen werden kann5.

183

Bei einer Verletzung dieser Pflichten ist das herrschende Unternehmen der abhängigen Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet (§§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB). Neben ihm haften persönlich entsprechend den §§ 309 Abs. 2 und 310 Abs. 1 AktG die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens sowie

184

1 Ebenso Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 107. 2 Im Ergebnis ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 75 f. (wenn auch von anderem Ausgangspunkt aus); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 111 f. 3 Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 28 (S. 1366); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 115. 4 Im Einzelnen str., s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 302 AktG Rdnr. 25a. 5 S. außerdem Emmerich, in: GS Sonnenschein, 2003, S. 651; Voigt, Haftung.

Emmerich

|

909

Anhang § 13

Konzernrecht

die Geschäftsführer und die Aufsichtsratsmitglieder der abhängigen Gesellschaft, die, insbesondere bei der Prüfung der Weisungen auf ihre Zulässigkeit, ihre Pflichten verletzt haben (§ 43 Abs. 2). Die Ersatzansprüche der abhängigen Gesellschaft können in diesen Fällen außer von den Geschäftsführern der Gesellschaft auch von deren Minderheitsgesellschaftern mit der actio pro socio verfolgt werden. Anwendbar sind ferner die §§ 309 Abs. 4 und 310 Abs. 4 AktG.

VII. Änderung des Vertrages Schrifttum: S. unten § 53 Rdnr. 172a; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 101 ff.; Bungert, NJW 1995, 1118; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 34 f. (S. 1369 f.); Emmerich, JuS 1992, 102; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 18, 32 IV (S. 238, 447 ff.); Dilger, WM 1993, 935; Ebenroth/Wilken, WM 1993, 1617; Ehlke, ZIP 1995, 355; Halm, NZG 2001, 728; Henze, Konzernrecht, Rdnr. 319 ff. (S. 116 ff.); Heisterkamp, AnwBl. 1994, 487; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57; Kallmeyer, GmbHR 1995, 578; Krieger, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989, S. 99; Krieger/Jannot, DStR 1995, 1473; Kropff, in: FS Semler, 1993, S. 517; Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 69; Mues, RNotZ 2005, 1, 21 ff.; Priester, in: Hommelhoff, Entwicklungen im GmbHKonzernrecht, S. 151; Priester, in: FS Peltzer, 2001, S. 327; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 54 Rdnr. 96 ff. (S. 798 ff.); Röhricht, ZHR 162 (1998), 249; Schlögell, GmbHR 1995, 401; Schwarz, MittRhNotK 1994, 49; Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976, S. 401 ff.; Timm, GmbHR 1987, 8; 1989, 11; Timm, in: FS Kellermann, 1991, S. 461; Timm/Geuting, GmbHR 1996, 229; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 153 ff.; E. Vetter, ZIP 1995, 345; G. Wirth, DB 1990, 2105; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 122 ff. (S. 463 ff.); Zeidler, NZG 1999, 692.

185

Unternehmensverträge können wie andere Verträge auch von den Parteien nachträglich durch einen weiteren Vertrag abgeändert werden (§ 311 Abs. 1 BGB). Hierher gehören insbesondere auch der Beitritt einer neuen Partei zu dem Vertrag sowie die Auswechslung einer Vertragspartei im Zusammenwirken aller Beteiligten1. Eine spezielle gesetzliche Regelung für die Abänderung von Unternehmensverträgen findet sich bislang lediglich für Verträge mit einer abhängigen AG in § 295 AktG2. Die entsprechende Anwendbarkeit dieser Vorschriften auf die Änderung von Unternehmensverträgen mit einer abhängigen GmbH liegt zwar nahe, stößt indessen in zahlreichen Punkten auf Schwierigkeiten, in erster Linie wegen der bekannten Unterschiede zwischen der AG und der GmbH.

186

Das AktG verlangt in § 295 für die Änderung eines Unternehmensvertrages durch Verweisung auf die §§ 293 und 294 AktG die Zustimmung gleichermaßen der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft wie der der herrschenden AG mit qualifizierter Mehrheit, einen Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre, sofern die Bestimmungen über Ausgleich und Abfindung geändert werden (§ 295 Abs. 2 AktG), sowie die Eintragung der Änderung ins Handelsregister 1 S. unten § 53 Rdnr. 172a; BGHZ 119, 1, 6 ff. = NJW 1992, 2760 = AG 1992, 450 „Asea/ BBC I“; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 295 AktG Rdnr. 13 ff. m.N. 2 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 18; Emmerich/Habersack, Kommentar, §§ 295 ff. AktG.

910

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

der abhängigen Gesellschaft (§ 294 AktG). Anwendbar sind außerdem (infolge der Verweisung in § 295 Abs. 1 Satz 2 AktG) die 1994 in das Gesetz eingefügten §§ 293a bis 293g AktG über den Vertragsbericht und die Vertragsprüfung. Bei der entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften (oben Rdnr. 186) im GmbH-Konzernrecht stellt sich als erstes die Frage nach der erforderlichen Mehrheit, mit der die Gesellschafter der abhängigen GmbH der Vertragsänderung zustimmen müssen. Zum Teil wird angenommen, entsprechend § 53 Abs. 2 GmbHG und §§ 295 Abs. 1 Satz 2, 293 Abs. 1 Satz 2 AktG genüge eine Zustimmung der Gesellschafter mit qualifizierter Mehrheit, ergänzt freilich durch einen zustimmenden Sonderbeschluss der Minderheitsgesellschafter der abhängigen Gesellschaft, sofern die Bestimmungen des Vertrages über einen etwaigen Ausgleich oder eine Abfindung geändert werden1. Nach anderen gelten dagegen für die Änderung des Vertrages dieselben Voraussetzungen wie für den Vertragsabschluss (§ 311 Abs. 1 BGB), so dass der Vertragsänderung grundsätzlich alle Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft zustimmen müssen, schon, um sonst nahe liegenden Umgehungsmöglichkeiten zum Nachteil der Minderheit zu begegnen2. Das sollte auch für so genannte redaktionelle Änderungen gelten, schon, weil eine Grenzziehung zwischen „bloßen“ redaktionellen und sonstigen Änderungen kaum möglich ist3. In jedem Fall muss zu dem Änderungsbeschluss noch die Eintragung der Vertragsänderung ins Handelsregister hinzukommen, die hier konstitutive Bedeutung hat (§ 54 Abs. 1 GmbHG; §§ 293 Abs. 1 Satz 2, 294 AktG).

187

Umstritten ist ferner, ob entsprechend den §§ 295 Abs. 1 Satz 2 und 293 Abs. 2 AktG außerdem die Zustimmung der Gesellschafter der herrschenden Gesellschaft zu der Vertragsänderung mit qualifizierter Mehrheit erforderlich ist4. Die Frage ist auf jeden Fall zu bejahen, wenn an der Unternehmensverbindung als herrschende Gesellschaft eine AG beteiligt ist, richtiger Meinung nach aber auch, wenn beide Vertragsparteien die Rechtsform einer GmbH haben, da die Gründe, die zur Einführung des Zustimmungserfordernisses der Gesellschafter der herrschenden Gesellschaft geführt haben, letztlich von deren Rechtsform unabhängig sind. Aus denselben Gründen können auf beiden Seiten auch nur in engen Grenzen Ermächtigungsklauseln zu Gunsten der Geschäftsführer für Änderungen des Vertrags anerkannt werden; sie kommen wohl nur für reine Textanpassungen ohne jede materielle Bedeutung in Betracht5.

188

1 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 101; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 118; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 69; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 156. 2 Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 35 (S. 1369); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 32 IV 1 (S. 447); Mues, RNotZ 2005, 1, 23; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 122. 3 Anders Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 34 (S. 1369). 4 Bejahend Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 35 (S. 1369 f.); Krieger, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, S. 99, 101 ff.; Mues, RNotZ 2005, 1, 23; Wirth, DB 1990, 2105; differenzierend Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 62; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 157; dagegen Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 103. 5 Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 80; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62.

Emmerich

|

911

Anhang § 13

Konzernrecht

VIII. Beendigung des Vertrages Schrifttum: S. oben bei Rdnr. 185 sowie unten § 53 Rdnr. 172a, 173; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 90–103; Böcker, Insolvenz im GmbH-Konzern, GmbHR 2004, 1257, 1314; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 37–45 (S. 1370 ff.); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 19, 32 IV 2 (S. 245, 447 ff.); M. Grüner, Die Beendigung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, 2003; Gutheil, Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmensverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte außenstehender Aktionäre, 2001; Halm, NZG 2001, 728; Henze, Konzernrecht, Rdnr. 187 ff. (S. 68 ff.); Lutter/Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 70–75; Mues, RNotZ 2005, 1, 23 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 54 Rdnr. 106 ff. (S. 800 ff.); St. Ulrich, GmbHR 2004, 1001; H. Wilhelm, Die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, 1976; Windbichler, Unternehmensverträge und Zusammenschlusskontrolle, 1977; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 125–174 (S. 464 ff.); Zöllner, in: Baumbach/Hueck, SchlussanhKonzernR Rdnr. 68 ff.

189

Das AktG regelt in den §§ 296 und 297 als Beendigungsgründe für Unternehmensverträge lediglich den Aufhebungsvertrag und die Kündigung (vgl. außerdem noch § 307 AktG). Weitere Beendigungsgründe sind der Zeitablauf bei einem befristeten Unternehmensvertrag (s. die §§ 14 und 17 KStG), Rücktritt und Anfechtung, weiter die Insolvenz einer der Vertragsparteien (str.), die Nichtigkeit oder die erfolgreiche Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses einer der Vertragsparteien (§§ 241, 243 AktG), die Eingliederung einer abhängigen AG in ein drittes Unternehmen sowie je nach den Umständen des Falles die Umwandlung oder die Verschmelzung einer der Parteien mit der anderen oder mit einem dritten Unternehmen1. Es besteht Übereinstimmung, dass die genannten Beendigungsgründe grundsätzlich auch für Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH Bedeutung haben; zahlreiche Einzelheiten sind jedoch ebenso wie im Aktienrecht immer noch ungeklärt2. Im Folgenden ist lediglich auf einige Fragen einzugehen, die speziell mit der (umstrittenen) Anwendbarkeit der §§ 296 und 297 AktG auf Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH zusammenhängen (unten Rdnr. 190 ff.)3.

1. Kündigung 190

Das AktG unterscheidet in § 297 zwischen der ordentlichen und der außerordentlichen Kündigung eines Unternehmensvertrages aus wichtigem Grunde. Dieselbe Unterscheidung empfiehlt sich im GmbH-Konzernrecht.

191

a) Das AktG hat nicht geregelt, unter welchen Voraussetzungen Unternehmensverträge ordentlich gekündigt werden können: es beschränkt sich vielmehr in § 297 Abs. 2 auf die Bestimmung, dass solche Kündigung, wenn sie

1 S. im Einzelnen Emmerich/Habersack, Kommentar, § 296 AktG Rdnr. 2, § 297 AktG Rdnr. 27, 34 ff. 2 S. zuletzt Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 19; M. Grüner, Die Beendigung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, 2003 m.N. 3 Zahlreiche weitere Einzelheiten bei Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 90–102; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 37 ff. (S. 1370 ff.); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 125–174 (S. 125 ff.).

912

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

überhaupt in Betracht kommt, jedenfalls auf der Seite der abhängigen AG zu ihrer Wirksamkeit eines Sonderbeschlusses der außenstehenden Gesellschafter bedarf, sofern der Vertrag Ausgleichs- oder Abfindungsregelungen enthält. Daraus wird überwiegend der Schluss gezogen, dass eine ordentliche Kündigung überhaupt nur möglich ist, wenn sie im Vertrag vorgesehen ist oder wenn sie sich sonst aus der gesetzlichen Regelung für den betreffenden Vertrag ergibt1. Das muss dann auch für die GmbH gelten2. Folgt man dem, so ist es auch unbedenklich, den Parteien Vertragsfreiheit hinsichtlich der Kündigungsgründe und Kündigungsfolgen einzuräumen, wobei zu bedenken ist, dass der Vertrag in der Mehrzahl der Fälle ohnehin der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf. Außerdem ist § 297 Abs. 2 AktG entsprechend anwendbar, wenn der Vertrag (ausnahmsweise) Ausgleichs- oder Abfindungsregelungen zu Gunsten der Minderheit enthält. b) Ein Unternehmensvertrag kann außerdem jederzeit außerordentlich gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§ 297 Abs. 1 Satz 1 AktG). Das folgt bereits aus § 314 BGB, aus dem sich zugleich ergibt, dass ein wichtiger Grund grundsätzlich nur anzunehmen ist, wenn dem kündigenden Teil, im vorliegenden Zusammenhang also in erster Linie der abhängigen GmbH, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann3. Nach § 297 Abs. 1 Satz 2 AktG ist dies insbesondere anzunehmen, wenn der andere Vertragsteil, d.h. das herrschende Unternehmen, voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Ergänzend bestimmt noch § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG, dass eine vorzeitige Beendigung des Organschafts- oder Gewinnabführungsvertrages durch Kündigung unschädlich ist, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt, so dass in diesem Fall trotz vorzeitiger Beendigung des Vertrages die steuerlichen Vorteile der Organschaft nicht verloren gehen.

192

Die außerordentliche Kündigung eines Unternehmensvertrages mit einer abhängigen GmbH kommt nach dem Gesagten (oben Rdnr. 192) in erster Linie in Betracht, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten bei dem herrschenden Unternehmen den von diesem geschuldeten Verlustausgleich (oben Rdnr. 183 f.) gefährden4. Die bloße Veräußerung der Beteiligung durch das herrschende Unternehmen kann dagegen grundsätzlich nicht als wichtiger Grund anerkannt werden, da es das letztere andernfalls in der Hand hätte, nach freiem Belieben einen Kündigungsgrund selbst zu schaffen. Eine Ausnahme ist nur zu erwägen, wenn der Erwerber der Beteiligung dieselben Verpflichtungen gegenüber der abhängigen Gesellschaft und den außenstehenden Gesellschaftern wie der Veräußerer

193

1 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 297 AktG Rdnr. 4–6. 2 Anders Timm, in: FS Kellermann, S. 461, 469 ff. 3 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 297 AktG Rdnr. 19 ff.; M. Grüner, Beendigung, S. 110 ff. 4 LG Bochum, AG 1987, 323 f. = GmbHR 1987, 24; Timm, GmbHR 1987, 8, 13 ff.; weitere Beispiele bei Emmerich/Habersack, Kommentar, § 297 AktG Rdnr. 21–24; M. Grüner, Beendigung, S. 114 ff.

Emmerich

|

913

Anhang § 13

Konzernrecht

übernimmt oder wenn ohne Kündigung des Vertrages die Existenz des Veräußerers unmittelbar gefährdet wäre. Die abweichende „Regelung“ in den Körperschaftsteuerrichtlinien von 2004 (Abschn. 66 Abs. 4, 66 Abs. 6 Satz 2) hat keine Bedeutung für das Gesellschaftsrecht1. 194

Das Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde (§ 297 Abs. 1 AktG; § 314 BGB) ist zwingendes Recht, so dass eine vertragliche Beschränkung des Kündigungsrechts nicht in Betracht kommt. Zulässig ist dagegen eine vertragliche Ausdehnung des Kündigungsrechts aus wichtigem Grunde, insbesondere durch eine Bestimmung, nach der Gründe, die an sich keinen wichtigen Grund i.S. des § 297 AktG und des § 314 BGB darstellen (oben Rdnr. 192 f.), ausnahmsweise doch eine Partei zu solcher Kündigung berechtigen sollen. Das folgt wohl schon daraus, dass die Parteien auch eine ordentliche Kündigung in beliebigem Umfang vertraglich einführen und ausgestalten können2.

2. Vertragsaufhebung 195

Die Aufhebung eines Unternehmensvertrages ist jederzeit durch actus contrarius der Vertragsparteien möglich (§ 311 Abs. 1 BGB). Davon geht auch das AktG aus; es beschränkt sich deshalb in § 296 Abs. 1 Satz 1 auf die ergänzende Bestimmung, dass ein Unternehmensvertrag nur zum Ende des Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden kann. Eine rückwirkende Aufhebung ist unzulässig (§ 296 Abs. 1 Satz 2)3. Der Aufhebungsvertrag bedarf außerdem der schriftlichen Form (§ 296 Abs. 1 Satz 3 AktG). Wenn der Vertrag zu Gunsten der außenstehenden Aktionäre Ausgleichs- oder Abfindungsleistungen vorsieht, ist ferner ein Sonderbeschluss der außenstehenden Aktionäre erforderlich (§ 296 Abs. 2 AktG). Die Eintragung der Aufhebung des Vertrages ins Handelsregister hat hier lediglich deklaratorische Bedeutung (§ 298 AktG).

196

Die geschilderte Regelung (oben Rdnr. 195) zeigt, dass das AktG in dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages grundsätzlich nur einen Akt der Geschäftsführung und Vertretung sieht. Daher rührt der Streit, ob die Regel des § 296 AktG entsprechend im GmbH-Konzernrecht angewandt werden kann4. Verbreitet wird die Fra1 OLG Düsseldorf, AG 1995, 137, 138 „Rüttgerswerke AG“; OLG Oldendburg, NZG 2000, 1138, 1140 = GmbHR 1994, 805 = NJW-RR 1995, 233; LG Dortmund, AG 1994, 85, 86 = DB 1993, 1916 „Guano AG“; LG Frankenthal, AG 1989, 253, 254 f.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 38 (S. 1371); Fleischer/Rentsch, NZG 2000, 1141; Henze, Konzernrecht, Rdnr. 195, 429 (S. 70, 149 f.); Heisterkamp, AnwBl. 1994, 487, 490 f.; Kallmeyer, GmbHR 1995, 578, 580; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 81; Mues, RNotZ 2005, 1, 28 f.; Timm/Geuting, GmbHR 1996, 229, 236 ff.; anders LG Bochum, GmbHR 1987, 24 = AG 1987, 323; Krieger/Jannott, DStR 1995, 1473, 1476; Schlögell, GmbHR 1995, 401, 408 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 140. 2 S. oben Rdnr. 191; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 38 (S. 1371); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 297 AktG Rdnr. 17 m.N. zur Streitfrage. 3 So auch für die GmbH BGH, LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG (Bl. 2 f.) = NJW 2002, 822 = AG 2002, 240 = GmbHR 2002, 62 für die Aufhebung eines Organschaftsvertrages; s. Emmerich, Anm., LM a.a.O., Bl. 3 R f. 4 Übersicht bei Emmerich/Habersack, Kommentar, § 296 AktG Rdnr. 7–7b; Mues, DNotZ 2005, 1, 23 ff.

914

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

ge heute bejaht1. Nach anderen handelt es sich dagegen bei der Aufhebung eines Unternehmensvertrages grundsätzlich um eine außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahme, der die Gesellschafterversammlung deshalb intern (mit einfacher Mehrheit) zustimmen muss, wobei wieder umstritten ist, ob das herrschende Unternehmen dabei ein Stimmrecht hat oder nicht (s. § 47 Abs. 4), während eine Mitwirkung der Gesellschafter auf der Ebene des anderen Vertragsteils grundsätzlich als entbehrlich anzusehen ist2. Nach wieder anderen sind schließlich auf die Aufhebung eines Unternehmensvertrages auf der Seite der abhängigen Gesellschaft die §§ 53 und 54 entsprechend anzuwenden (s. unten § 53 Rdnr. 173). Der zuletzt genannten Meinung (oben Rdnr. 196) ist zu folgen, weil die Aufhebung eines Unternehmensvertrages für die abhängige Gesellschaft in zahlreichen Fällen dieselbe Bedeutung wie dessen Abschluss haben kann; besonders deutlich wird das bei Fortfall der Verlustausgleichspflicht des herrschenden Unternehmens im Falle der Aufhebung eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages. Die Folge kann nämlich sein, dass die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft jetzt unmittelbar bedroht ist. Vor allem diese Überlegung spricht dafür, auf die Aufhebung eines Unternehmensvertrages ebenso wie auf dessen Abschluss auf der Seite der abhängigen Gesellschaft in der Tat die §§ 53 und 54 entsprechend anzuwenden3. Eine andere Beurteilung ist (analaog § 307 AktG) nur für Unternehmensverträge mit 100%igen Tochtergesellschaften angebracht4. Die entsprechende Anwendbarkeit des § 54 GmbHG hat insbesondere zur Folge, dass anders als im Aktienkonzernrecht (s. § 298 AktG) die Eintragung der Aufhebung des Vertrages ins Handelsregister hier konstitutive Bedeutung hat (§ 54 Abs. 3)5. Unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 2 AktG ist außerdem ein Sonderbeschluss der Minderheitsgesellschafter erforderlich6.

1 OLG Frankfurt, AG 1994, 85 = NJW-RR 1994, 296 = GmbHR 1994, 809; OLG Karlsruhe, AG 1995, 38 = NJW-RR 1994, 1062 = GmbHR 1994, 807 „Mannesmann/Kienzle“; LG Essen, AG 1999, 135 = NZG 1998, 860; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 97; Bungert, NJW 1995, 1118; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rdnr. 3189 (S. 237); Halsterkamp, AnwBl. 1994, 487, 491 ff.; Kallmeyer, GmbHR 1995, 578 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 118; E. Vetter, ZIP 1995, 345, 346 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 52c; St. Ulrich, GmbHR 2004, 1000, 1003 f.; offen gelassen aber in BayObLG, GmbHR 2003, 476, 477 = NJW-RR 2003, 907. 2 So M. Grüner, Beendigung, S. 61 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 72. 3 OLG Oldenburg, NZG 2000, 1138, 1139 (aufgehoben durch BGH, LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG = NJW 2002, 822 = GmbHR 2002, 62 = AG 2002, 240 [aus anderen Gründen; s. Emmerich Anm LM a.a.O., Bl. 3 R ff.]); Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 42 (S. 1373); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 296 AktG Rdnr. 7a; Ehlke, ZIP 1995, 355, 357 f.; Ebenroth/Wilken, WM 1993, 1617 ff.; Fleischer/Rentsch, NZG 2000, 1141; Halm, NZG 2001, 728, 736 ff.; Henze, Konzernrecht, Rdnr. 196–199 (S. 71 f.); Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 62 f.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 72; Mues, DNotZ 2005, 1, 25; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 54 Rdnr. 110 (S. 802); Schlögell, GmbHR 1995, 401, 403 ff.; O. Schwarz, DNotZ 1996, 68, 75 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 154. 4 Henze, Konzernrecht, Rdnr. 199 (S. 72). 5 S. unten § 53 Rdnr. 173 (am Ende); Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 43 (S. 1374); Halm, NZG 2001, 728, 737 f.; anders BayObLG, GmbHR 2003, 476, 477 = NJW-RR 2003, 907. 6 Halm, NZG 2001, 728, 737 f.

Emmerich

|

915

197

Anhang § 13

Konzernrecht

G. Gewinnabführungsvertrag Schrifttum: S. unten § 53 Rdnr. 164 ff. sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 105–111; Cahn/Simon, Der Konzern 2003, 1; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 12, 32 V (S. 177, 450 ff.); Hachenburg/P. Ulmer, § 77 Anh. Rdnr. 206–214; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rz. I 868, 873 ff.; Koppensteiner, Zum Gewinnabführungsvertrag der GmbH, öRdW 1985, 170; Mues, DNotZ 2005, 1; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 110–114; Lutter/ Hommelhoff, § 13 Anh. Rdnr. 32 ff.; Philippi/Neveling, BB 2003, 1685; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 54 Rdnr. 127 ff. (S. 807 ff.); Rödder und Liebscher, in: Beck'sches Handbuch der AG, 2004, § 11 Rdnr. 130 ff., § 14 Rdnr. 104, 112a ff. (S. 832, 1188, 1193 ff.); Schaber/Hertstein, Der Konzern 2004, 6; U. Schneider (Hrsg.), Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989; Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976; Spönemann, in: Michalski, Syst. Darst. 3 Rdnr. 397 ff. (S. 282 ff.); St. Ulrich, Gewinnabführungsverträge im GmbH-Konzern, GmbHR 2004, 1000; R. Veil, Unternehmensverträge, 2003, S. 260 ff.; Wrede/Busch, Organschaft, in: MünchHdb. III, § 72 (S. 1392 ff.); Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 181–183 (S. 481).

I. Überblick 198

Ein Gewinnabführungsvertrag ist nach § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG ein Vertrag, durch den sich eine abhängige Gesellschaft verpflichtet, ihren gesamten Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen. Derartige Verträge kommen offenbar auch mit abhängigen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH in größerer Zahl vor, da ihr Abschluss gem. den §§ 14 und 17 KStG Voraussetzung für die Anerkennung der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft ist1. § 17 KStG schreibt zugleich vor, dass Gewinnabführungsverträge mit einer GmbH nur anerkannt werden, wenn in dem Vertrag außerdem die Beachtung der §§ 301 und 302 AktG vorgesehen wird (s. unten Rdnr. 200, 203 ff.). Zu beachten ist, dass nach § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG in der Fassung von 2003 heute auch steuerrechtlich der rückwirkende Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages nur noch für das bei Abschluss des Vertrages laufende Wirtschaftsjahr möglich ist, dagegen nicht mehr wie nach früherem Recht außerdem für das vorausgehende Wirtschaftsjahr2. Zu beachten ist außerdem, dass durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz von 20033 die steuerlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Organschaft deutlich „liberalisiert“ wurden, so dass heute insbesondere neben der finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger, manifestiert durch den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages, die früher zusätzlich geforderte gesellschaftsrechtliche und wirtschaftliche Eingliederung nicht mehr erforderlich sind. Wie schon mehrfach betont, kann dies zur Folge haben, dass in

1 Wegen der Einzelheiten s. Rödder, in: Beck'sches Handbuch der AG, § 11 Rdnr. 130 ff. (S. 832 ff.); Spönemann, in: Michalski, Syst. Darst. 3 Rdnr. 367 ff. (S. 276 ff.); Mues, DNotZ 2005, 1, 5 ff.; Sonnenschein, Organschaft; Wrede/Busch, in: MünchHdb. III, § 72, S. 1392 ff.; ein Beispiel in BAGE 61, 94 = NZA 1989, 844 = AG 1991, 274 = AP Nr. 22 zu § 16 BetrAVG. 2 S. Rödder, in: Beck'sches Handbuch der AG, § 11 Rdnr. 134 Abs. 2 (S. 835 f.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 55. 3 BGBl. I, 660.

916

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

Zukunft die Bedeutung des Beherrschungsvertrages (bei dessen Abschluss immer die wirtschaftliche Eingliederung angenommen wurde), zumal im GmbHRecht, drastisch zurückgehen wird. Die gesellschaftsrechtliche Behandlung der Gewinnabführungsverträge mit einer abhängigen GmbH folgt grundsätzlich den Regeln über Beherrschungsverträge mit einer abhängigen GmbH, da auch das AktG den Gewinnabführungsvertrag durchweg in Parallele zum Beherrschungsvertrag regelt (s. § 291 Abs. 1 AktG)1. In der Praxis werden (bisher jedenfalls) ohnehin häufig beide Verträge zu so genannten Organschaftsverträgen verbunden. Zu unterscheiden ist der Gewinnabführungsvertrag vor allem von dem Teilgewinnabführungsvertrag des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG. Die Abgrenzung zwischen beiden Verträgen richtet sich ganz formal allein danach, ob sich der Vertrag auf die Abführung des gesamten Gewinns der abhängigen Gesellschaft oder „nur“ eines (beliebig großen) Teils davon bezieht2. Einen (praktisch bedeutungslosen) Sonderfall der Gewinnabführungsverträge stellen schließlich noch die in § 291 Abs. 1 Satz 2 AktG erwähnten Geschäftsführungsverträge dar. Ein derartiger Vertrag ist anzunehmen, wenn eine Gesellschaft sich verpflichtet, ihr Unternehmen für Rechnung eines anderen Unternehmens zu führen3.

199

Die Vorschriften des AktG über den Abschluss des Vertrages (§§ 293–299 AktG) sowie über den Schutz der Gläubiger (§§ 302 und 303 AktG) und der außenstehenden Gesellschafter (§§ 304–307 AktG) entsprechen bei dem Gewinnabführungsvertrag mit einer AG in jeder Hinsicht den für den Beherrschungsvertrag geltenden Bestimmungen. Sonderregelungen für Gewinnabführungsverträge finden sich im Grunde nur in dem hier nicht interessierenden § 300 AktG sowie in § 301 AktG, nach dem auf Grund eines Gewinnabführungsvertrages als Gewinn höchstens der ohne die Gewinnabführung entstehende Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr, abgeführt werden darf (s. § 17 KStG und dazu oben Rdnr. 198). Im Folgenden ist nur auf einige Fragen näher einzugehen, die mit dem Abschluss von Gewinnabführungsverträgen (unten Rdnr. 201 f.) sowie mit dem Gläubigerschutz zusammenhängen (unten Rdnr. 203 ff.). Im Übrigen kann auf die Ausführungen zu Beherrschungsverträgen mit einer abhängigen GmbH verwiesen werden (oben Rdnr. 129 ff.).

200

II. Abschluss Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages mit einer GmbH bewirkt eine Änderung des Zwecks der Gesellschaft (§ 33 BGB). Während sie bisher grundsätzlich den Zweck hatte, im gemeinsamen Interesse der Gesellschafter Gewinne zu erzielen (s. oben § 1 Rdnr. 4 ff.), wird ihr Zweck jetzt auf die Gewinnerzielung für das herrschende Unternehmen ausgerichtet. Insofern verhält es sich bei dem Gewinnabführungsvertrag nicht anders als bei dem Abschluss

1 Wegen der Einzelheiten s. deshalb oben Rdnr. 129 ff. 2 Wegen der Einzelheiten s. unten Rdnr. 213 f. sowie Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 23 ff. 3 S. dazu Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 62–72.

Emmerich

|

917

201

Anhang § 13

Konzernrecht

eines Beherrschungsvertrags mit einer abhängigen GmbH. Für den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages mit einer abhängigen GmbH ist daraus der Schluss zu ziehen, dass dafür – über die allein steuerrechtlich bedeutsame Regelung des § 17 KStG hinaus – dieselben Voraussetzungen wie für den Abschluss eines Beherrschungsvertrages mit einer abhängigen GmbH gelten (oben Rdnr. 139 ff.). Folglich ist hier grundsätzlich Raum für die entsprechende Anwendung der §§ 53 und 54, wobei der Zustimmungsbeschluss der abhängigen Gesellschaft mit Rücksicht auf die darin liegende Zweckänderung gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB in aller Regel der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf1. Hinzu kommen muss noch die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der herrschenden Gesellschaft mit qualifizierter Mehrheit (s. im Einzelnen oben Rdnr. 148 ff.). 202

Die Zustimmung aller Gesellschafter der abhängigen (ihren Gewinn abführenden) Gesellschaft (oben Rdnr. 201) ist ebenso wie beim Beherrschungsvertrag nur entbehrlich, wenn der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich für einen konkreten Fall einen Zustimmungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit genügen lässt (oben Rdnr. 153 f.). In diesem Fall sind jedoch Abfindungs- und Ausgleichsleistungen für die Minderheit entsprechend den §§ 304 und 305 AktG unverzichtbar (unten § 53 Rdnr. 175). Für die Barabfindung des § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist dies mittlerweile wohl bereits unstreitig2. Ist das herrschende Unternehmen eine AG, so sollte jedoch auch die Verpflichtung dieser Gesellschaft zur Abfindung der Minderheit in Aktien anerkannt werden (§ 305 Abs. 2 Nr. 1 AktG).

III. Gläubigerschutz 203

1. Um trotz der Abführung des gesamten Gewinns an das herrschende Unternehmen (§ 291 Abs. 1 Satz 1 AktG) der abhängigen Gesellschaft wenigstens ihr bilanzielles Anfangsvermögen zu sichern, beschränkt das AktG in verschiedener Hinsicht die Höhe des abzuführenden Gewinns (§§ 300 und 301); außerdem ist das herrschende Unternehmen kraft Gesetzes (§ 302 AktG) verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag zu übernehmen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen werden kann, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt wurden (s. auch § 301 Satz 2 AktG). Die Vorschriften der §§ 301 und 302 AktG finden grundsätzlich auch im GmbH-Konzernrecht entsprechende Anwendung, zumal die steuerliche Anerkennung der körperschaftund gewerbesteuerlichen Organschaft ohnehin die ausdrückliche Vereinbarung der Geltung der §§ 301 und 302 AktG in dem Gewinnabführungsvertrag voraussetzt (§ 17 Satz 2 Nr. 1 KStG).

204

Aus dem somit entsprechend anwendbaren § 301 Satz 1 AktG (oben Rdnr. 203) folgt zunächst, dass auf Grund eines Gewinnabführungsvertrages nur der um 1 S. oben Rdnr. 139 ff., 144, unten § 53 Rdnr. 168, 171; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 293 AktG Rdnr. 39 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 211 ff.; anders aber Esch, BB 1986, 272; Koppensteiner, öRdW 1985, 170, 173 ff.; Kort, Abschluss, S. 109 ff. 2 S. oben Rdnr. 158 ff.; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 878; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 211 ff.

918

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderte, in einer Vorbilanz ermittelte Jahresüberschuss abgeführt werden darf1. Dies bedeutet zugleich, dass bei der Ermittlung des abzuführenden Jahresüberschusses die Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30 ff. zu beachten sind2. Für eine entsprechende Anwendung des § 291 Abs. 3 AktG ist hier kein Raum. 2.a) Zum Schutze der Gläubiger finden außerdem, wie bereits ausgeführt (oben Rdnr. 180 f.), die Vorschriften der §§ 302 und 303 AktG auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit einer abhängigen GmbH entsprechende Anwendung3. Anders als nach Steuerrecht (s. § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG)4 beruht gesellschaftsrechtlich die Pflicht des herrschenden Unternehmens zur Verlustübernahme und zur Sicherheitsleistung bei Vertragsende bereits unmittelbar auf Gesetz, so dass sie keiner besonderen Erwähnung in dem Vertrag bedarf. Die abweichende steuerrechtliche Regelung ist gesellschaftsrechtlich ohne Belang5.

205

b) Umstritten ist lediglich, ob auch das in § 302 Abs. 1 AktG ausgesprochene Verbot der Auflösung vorvertraglicher Rücklagen zur Deckung eines Jahresfehlbetrags ins GmbH-Konzernrecht übernommen werden kann, wie es § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG für die steuerliche Anerkennung von Gewinnabführungsverträgen mit abhängigen Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH vorschreibt6. Diese Frage lässt sich nicht einheitlich beantworten; man muss vielmehr unterscheiden7: In einer mehrgliedrigen Gesellschaft kommt eine Inanspruchnahme vorvertraglicher Rücklagen durch das herrschende Unternehmen nur in Betracht, wenn dem alle anderen Gesellschafter in dem Vertrag ausdrücklich zugestimmt haben, im Regelfall also nicht, während bei Einpersonen-Gesellschaften keine Bedenken gegen die Auflösung bestehen, da bei solchen Gesellschaften der sonst gebotene Minderheitenschutz keine Rolle spielt, während der hier allein interessierende Gläubigerschutz bereits ausreichend durch die §§ 30 ff. GmbHG, durch die §§ 301 Satz 1 und 302 Abs. 1 AktG (oben Rdnr. 204) sowie durch das Verbot existenzvernichtender Eingriffe gewährleistet wird.

206

1 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 108; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rz. I 876. 2 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 108; Brandes, in: FS Kellermann, S. 25, 32 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 301 AktG Rdnr. 6a; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 110; Sonnenschein, Organschaft, S. 345. 3 S. m.N. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 302 AktG Rdnr. 25 f.; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 877; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 112 f.; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 208; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 105 ff. 4 S. dazu BFHE 132, 285 = GmbHR 1981, 203; FG Köln, GmbHR 2004, 1404, 1406. 5 Ebenso i. Erg. FG Köln, GmbHR 2004, 1404, 1406, für eine bloße privatschriftliche Vereinbarung des § 302 AktG. 6 Bejahend Basten, GmbHR 1990, 442, 447 f.; Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 61; Sonnenschein, Organschaft, S. 344; vermittelnd Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 109 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 110; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 207 f. 7 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 302 AktG Rdnr. 25a.

Emmerich

|

919

Anhang § 13

Konzernrecht

H. Andere Unternehmensverträge Schrifttum: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 112–114; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 46–50 (S. 1375 ff.); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 13 bis 15, 32 VI (S. 184, 451 ff.); Führling, Sonstige Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH, 1993; Mimberg, Konzernexterne Pachtverträge im Recht der GmbH, 2000; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 52 Anh. Rdnr. 115 f.; U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit einer GmbH, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989, S. 7; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 160 f., § 77 Anh. Rdnr. 192–197, 202–205; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 184 ff. (S. 481 ff.).

I. Überblick 207

1. Das AktG unterscheidet innerhalb der Unternehmensverträge deutlich zwischen den Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen des § 291 auf der einen Seite und den verschiedenen in § 292 aufgezählten, so genannten anderen Unternehmensverträgen auf der anderen Seite. Es sind dies der Reihe nach die Gewinngemeinschaft (§ 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG), der Teilgewinnabführungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG) sowie der Betriebspacht- und der Betriebsüberlassungsvertrag (§ 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG), wobei den letzteren in der Regel noch der Betriebsführungsvertrag gleichgestellt wird1. Sonderregelungen für den Teilgewinnabführungsvertrag finden sich in § 292 Abs. 2 und in § 300 Nrn. 2 und 3 AktG sowie für die Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge in den §§ 292 Abs. 3 und 302 Abs. 2 AktG.

208

Mit der Qualifizierung der in § 292 genannten Verträge als Unternehmensverträge verfolgt das AktG in erster Linie den Zweck, ihren Abschluss dem Regime der §§ 293 bis 299 AktG zu unterstellen. Im Übrigen hat das AktG jedoch, von wenigen Ausnahmen abgesehen (s. oben Rdnr. 207), auf besondere Vorschriften für diese „anderen“ Verträge verzichtet. Dahinter steht die Vorstellung der Gesetzesverfasser, es handele sich bei ihnen grundsätzlich um normale schuldrechtliche Austauschverträge zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen, so dass sich weitere Schutzmaßnahmen zu Gunsten der die vertragstypischen Leistungen erbringenden („abhängigen“) Gesellschaft sowie ihrer Gesellschafter und Gläubiger erübrigten2. Dabei ist jedoch übersehen worden, dass sich auch die anderen Unternehmensverträge des § 292 AktG durchaus zum Aufbau von Konzernen eignen. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge dürften sogar überwiegend zwischen voneinander abhängigen Unternehmen abgeschlossen werden und dienen dann als Mittel zur „Eingliederung“ des Unternehmens des Verpächters in den Konzern des Pächters. Das ist bei der GmbH nicht anders als bei der AG.

209

2. Von den anderen Unternehmensverträgen des § 292 AktG werden im Schrifttum neuerdings gelegentlich noch so genannte Konzernverträge unterschieden. Man versteht darunter Vereinbarungen eines herrschenden Unternehmens 1 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 55 ff. 2 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 4.

920

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

nicht etwa mit der abhängigen Gesellschaft, sondern direkt mit den Minderheitsgesellschaftern, in denen die Modalitäten der Herrschaftsausübung seitens des herrschenden Unternehmens in der abhängigen Gesellschaft sowie die Schutzmaßnahmen zu Gunsten der Minderheitsgesellschafter geregelt werden. Die Behandlung solcher Verträge ist offen1. Vom BGH ist eine derartige Vereinbarung bei einer OHG einmal als „Beherrschungsvertrag“ eingestuft worden2. In der Tat stellt sich in derartigen Fällen immer als erstes die (nahe liegende) Frage, ob sich nicht hinter der genannten Vereinbarung in Wirklichkeit (der Sache nach) ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit der abhängigen Gesellschaft selbst verbirgt (§§ 133, 157 BGB).

II. Gewinngemeinschaft Gewinngemeinschaften sind nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG Verträge, durch die sich mehrere Unternehmen verpflichten, ihren Gewinn oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil mit dem Gewinn anderer Unternehmen oder einzelner Betriebe anderer Unternehmen zur Aufteilung eines gemeinschaftlichen Gewinns zusammenzulegen. Ist an dem Vertrag eine AG (oder KGaA) beteiligt, so findet auf ihn das AktG Anwendung, so dass sich keine Probleme ergeben3. Unklar ist die Situation dagegen, wenn an dem Vertrag allein Gesellschaften in anderer Rechtsform beteiligt sind, wobei im vorliegenden Zusammenhang lediglich die Beteiligung von Gesellschaften mbH interessiert4.

210

Bei einer Gewinngemeinschaft handelt es sich wohl durchweg um eine BGBGesellschaft (§ 705 BGB). Deshalb stellt sich hier als erstes die Frage, ob der Abschluss des deshalb erforderlichen Gesellschaftsvertrages von der Vertretungsmacht der Geschäftsführer gedeckt ist (§ 37 Abs. 2 GmbHG) oder ob nach den §§ 53 und 54 und entsprechend den §§ 292 Abs. 1 Nr. 1, 293 und 294 AktG die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der beteiligten GmbH sowie die Eintragung ins Handelsregister hinzukommen müssen. Die Frage ist umstritten. Überwiegend wird jedoch zu Recht eine Erstreckung der Vertretungsmacht der Geschäftsführer auf solche strukturverändernde Verträge abgelehnt5. Dafür spricht bereits die große Gefährlichkeit von Gewinngemeinschaften zumal für eine abhängige GmbH. Davon zu trennen ist die andere Frage, mit welcher Mehrheit die Gesellschafterversammlung dem Vertragsabschluss zustimmen muss6.

211

1 S. Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 50 (S. 1376 f.); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 189. 2 BGH, LM Nr. 46 zu § 105 HGB (Bl. 4 ff.) = NJW 1980, 231 = JZ 1969, 609 = WM 1979, 937 = AG 1980, 47 = GmbHR 1979, 246 „Gervais“. 3 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 8 f., 21. 4 S. dazu Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 21 f. 5 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 21; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 193, 203a; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 184 f.; anders Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 112 f. 6 Für qualifizierte Mehrheit Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 193, 203a; für die Notwendigkeit einer Zustimmung aller Gesellschafter U. Schneider, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, S. 7, 26 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 184 f.

Emmerich

|

921

Anhang § 13 212

Konzernrecht

Die Frage ist noch nicht ausdiskutiert. Man wird unterscheiden müssen: Sind die an der Gewinngemeinschaft beteiligten Unternehmen voneinander unabhängig, so sollte man sich mit einer qualifizierten Mehrheit der Gesellschafterversammlung für die Zustimmung zu dem Vertragsabschluss begnügen, weil die Gesellschaft unter dieser Voraussetzung selbst in der Lage sein dürfte, für einen ihrem Beitrag entsprechenden Anteil an dem vergemeinschafteten Gewinn zu sorgen. Gelingt ihr dies nicht, so läuft der Vertrag ohnehin, wenn die anderen Teilnehmer der Gewinngemeinschaft an der benachteiligten GmbH beteiligt sind, auf eine verdeckte Gewinnausschüttung hinaus, so dass ergänzend die für verdeckte Gewinnausschüttungen im GmbH-Recht entwickelten Schranken zu beachten sind1. Wenn dagegen die benachteiligte Gesellschaft von einem der anderen Teilnehmer an der Gewinngemeinschaft abhängig ist, sollte zusätzlich zu ihrem Schutz die Zustimmung aller Gesellschafter zu dem Vertragsabschluss verlangt werden, weil andernfalls auf dem Weg über eine Gewinngemeinschaft (nahezu) derselbe Erfolg wie mit einem Gewinnabführungsvertrag, aber ohne dessen Kautelen bewirkt werden könnte.

III. Teilgewinnabführungsvertrag Schrifttum: S. oben vor Rdnr. 207 sowie Blaurock, Hdb. der stillen Gesellschaft, 6. Aufl. 2003; Führling, Sonstige Unternehmensverträge, S. 109, 138 ff.; Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, §§ 14, 32 VI 2 (S. 189, 451 ff.); Jebens, BB 1996, 701; K. Mertens, AG 2000, 32; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 57 Rdnr. 10 ff. (S. 824 f.); J. Schmidt-Ott, GmbHR 2001, 183; Chr. Schulze/Th. Waechter, GmbHR 2002, 189; M. Winter, in: FS Peltzer, 2001, S. 645.

213

Ein Teilgewinnabführungsvertrag liegt nach § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG vor, wenn sich eine Gesellschaft verpflichtet, einen Teil ihres Gewinns oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil an einen anderen abzuführen2. Jedenfalls in der Praxis des Aktienrechts spielen diese Verträge heute eine immer größere Rolle, seitdem sich die Auffassung durchgesetzt hat, dass verschiedene, durchaus verbreitete Vertragsgestaltungen im Kern Teilgewinnabführungsverträge darstellen und deshalb (auch) dem Regime der §§ 292 Abs. 1 Nr. 2, 293 ff. und 294 AktG unterliegen. In erster Linie ist hier an stille Gesellschaftsverträge mit einer AG zu denken. Bekanntlich haben sich daraus erhebliche Probleme namentlich hinsichtlich der Eintragung solcher Verträge ins Handelsregister ergeben, auf die der Gesetzgeber im Jahre 2001 durch die Einfügung eines neuen Halbs. 2 in § 294 Abs. 1 Satz 1 AktG reagiert hat3.

214

Für die GmbH ist der Fragenkreis dagegen nach wie vor umstritten. Gegen die unbesehene Übernahme der aktienrechtlichen Wertungen (oben Rdnr. 213) ins GmbH-Recht wird vor allem die große Verschiedenartigkeit stiller Beteiligungen eingewandt, die ihre undifferenzierte Behandlung als Unternehmensverträ-

1 S. unten § 29 Rdnr. 103 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 22; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 185. 2 Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 23 ff. 3 Gesetz über elektronische Register vom 10. 12. 2001, BGBl. I, 3422; s. im Einzelnen Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 29 ff.

922

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

ge jedenfalls im GmbH-Recht verbiete1. Verbreitet findet sich deshalb nach wie vor die Auffassung, jedenfalls bei der GmbH umfasse die Vertretungsmacht der Geschäftsführer (§ 37 Abs. 2) auch den Abschluss solcher Verträge, so dass kein Raum für die Anwendung der §§ 53 und 54 sei, womit zugleich die Notwendigkeit ihrer Eintragung ins Handelsregister (§ 54 GmbHG; § 294 AktG) entfalle2. Es ist indessen kein Grund ersichtlich, stille Gesellschaftsverträge bei einer GmbH anders als bei einer AG zu behandeln. Ebenso wie bei einer AG greifen bei einer GmbH derartige Verträge tiefgreifend in die Struktur der gewinnabführenden Gesellschaft ein, so dass es sich bei ihnen letztlich um Organisationsverträge handelt, auf die sich die unbeschränkte Vertretungsmacht der Geschäftsführer nicht erstreckt. Dafür sprechen vor allem die mit solchen Verträgen verbundenen Eingriffe in das Gewinnbezugsrecht der Gesellschafter (§ 29) und in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 1). Der Vertragsabschluss bedarf daher der Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit qualifizierter Mehrheit nach Maßgabe der §§ 53 und 543. Folgt man dem, so ist es auch nur konsequent, den Beschluss, mit dem die Gesellschafterversammlung dem Vertragsabschluss zustimmt, Außenwirkung beizumessen, so dass der Vertrag entsprechend § 54 GmbHG und § 294 Abs. 2 AktG erst mit seiner Eintragung ins Handelsregister wirksam wird4. Davon zu trennen ist die Frage, ob in bestimmten Fällen oder generell – über die §§ 53 und 54 hinaus (oben Rdnr. 214) – eine Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist. Richtiger Meinung nach ergibt sich die Antwort auf diese Frage aus § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB5. Eine Zustimmung aller Gesellschafter ist deshalb jedenfalls erforderlich, wenn der Teilgewinnabführungsvertrag keine angemessene Gegenleistung für die Gesellschaft vorsieht6 oder wenn die Gesellschaft von dem anderen Vertragsteil abhängig ist7. Denn in diesen Fällen läuft der Vertrag auf eine Zweckänderung hinaus (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nur die hier vertretende Meinung erlaubt zudem eine Lösung der schwierigen Frage nach dem Schicksal stiller Gesellschaftsverträge im Falle der häufigen Umwandlung einer GmbH in eine AG, weil dann nämlich der stille Gesellschafts1 Grdlg. BayObLGZ 2003, 21, 23 ff. = GmbHR 2003, 534 = NJW-RR 2003, 908; LG Darmstadt, AG 2005, 488 = ZIP 2005, 402, 404; s. auch unten § 53 Rdnr. 164. 2 S. unten § 53 Rdnr. 164; grdlg. BayObLGZ 2003, 21, 23 ff. = GmbHR 2003, 534 = NJWRR 2003, 908 und LG Darmstadt, AG 2005, 488 = ZIP 2005, 402, 404; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 112 ff.; Blaurock, Hdb. Stille Gesellschaft, § 7 Rdnr. 32–34 (S. 130 f.); differenzierend Führling, Sonstige Unternehmensverträge, S. 188 ff. 3 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 37; Führling, Sonstige Unternehmensverträge, S. 109, 138 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 48 (S. 1375 f.); K. Mertens, AG 2000, 32; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 184 f.; anders aber BayObLGZ 2003, 21, 23 ff. = GmbHR 2003, 534 = NJW-RR 2003, 908, 909; LG Darmstadt, AG 2005, 488 = ZIP 2005, 402, 404; Jebens, BB 1996, 701; J. Schmitt-Ott, GmbHR 2001, 182, 183 f. 4 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 37; Chr. Schulze/Th. Waechter, GmbHR 2002, 189; anders auch insoweit BayObLGZ 2003, 21, 23 ff. = GmbHR 2003, 534 = NJW-RR 2003, 908, 909. 5 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 37a; anders die wohl überwiegende Meinung. 6 Führling, Sonstige Unternehmensverträge, S. 109, 138 ff. 7 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 57 Rdnr. 13 (S. 825); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 185.

Emmerich

|

923

215

Anhang § 13

Konzernrecht

vertrag bereits die auf jeden Fall bei einer AG erforderlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen (oben Rdnr. 213) erfüllt1.

IV. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag Schrifttum: S. oben vor Rdnr. 207 sowie Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Anh. Rdnr. 112 ff.; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 46 ff. (S. 1375 ff.); Führling, Sonstige Unternehmensverträge, S. 147, 167, 188 ff.; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, §§ 15, 32 VI (S. 195, 452 ff.); Mimberg, Konzernexterne Pachtverträge im Recht der GmbH, 2000; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 57 Rdnr. 16 ff. (S. 826 ff.); U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit einer GmbH, in: U. Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, 1989, S. 7; Zeidler, in: Michalski, Syst. Darst. 4 Rdnr. 186 ff. (S. 482 f.).

1. Begriff 216

Ein Betriebspachtvertrag ist nach § 581 Abs. 1 BGB i.V.m. § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG ein Vertrag, durch den die verpachtende Gesellschaft ihre gesamten betrieblichen Anlagen gegen Entgelt dem Pächter überlässt, der darin fortan den Betrieb im eigenen Namen und für eigene Rechnung weiterführt2. Solche Verträge, die eine GmbH ebenso wie eine AG abschließen kann3, haben zur Folge, dass die Gesellschaft zu einer Rentnergesellschaft herabgestuft wird4.

217

Der in § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG dem Betriebspachtvertrag gleichgestellte Betriebsüberlassungsvertrag unterscheidet sich vom Betriebspachtvertrag im Grunde nur dadurch, dass bei ihm der Übernehmer den Betrieb der überlassenden Gesellschaft zwar für eigene Rechnung, jedoch nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der überlassenden Gesellschaft auf Grund einer entsprechenden Vollmacht führt (§ 54 HGB)5. Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsverträge sind häufig mit anderen Unternehmensverträgen, insbesondere mit Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen verbunden. In diesen Fällen greifen allein die weiter gehenden Schutzvorschriften ein, die bei dem Abschluss von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen zu beachten sind.

2. Voraussetzungen 218

a) Betriebspachtverträge mit einer GmbH sind nur unbedenklich, wenn sie zwischen voneinander unabhängigen Gesellschaften gegen eine angemessene Gegenleistung abgeschlossen werden. Selbst in diesem Fall laufen sie indessen nach dem Gesagten (oben Rdnr. 216 f.) auf eine Vertragsänderung hinaus, so dass die Gesellschafterversammlung der verpachtenden GmbH dem Vertragsabschluss nach den §§ 53 und 54 mit qualifizierter Mehrheit zustimmen 1 S. dazu K. Mertens, AG 2000, 32, 37 f.; M. Winter, in: FS Peltzer, 2001, S. 655, 659 ff. 2 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 38 ff. 3 Beispiele in LG Berlin, AG 1992, 92 = GmbHR 1992, 184 (nur LS) = WM 1992, 22 = ZIP 1991, 1180 „Interhotel“; BFHE 90, 370; 127, 56; 132, 285; vgl. auch LG Potsdam, ZIP 1994, 460. 4 BVerwGE 34, 56, 60; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 161, § 77 Anh. Rdnr. 195. 5 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 43 f.

924

|

Emmerich

Konzernrecht

Anhang § 13

muss1. Die Vertretungsmacht der Geschäftsführer (§ 37 Abs. 2) reicht zum Abschluss derartiger Verträge nicht aus2. Außerdem bedürfen sie entsprechend § 54 GmbHG und § 294 AktG der Eintragung ins Handelsregister3. Wenn die Gegenleistung nicht angemessen ist, ist der Zustimmungsbeschluss zudem anfechtbar (vgl. § 292 Abs. 3 AktG). Außerdem stellt der Vertragsabschluss dann einen Verstoß gegen das aus der Treuepflicht abgeleitete Schädigungsverbot dar, sofern der andere Vertragsteil, der Pächter, an der verpachtenden GmbH (unmittelbar oder mittelbar) beteiligt ist. Auch an die Anwendung der Regeln über die verdeckte Gewinnausschüttung ist in diesem Fall zu denken4. Eine wieder andere Frage ist, ob für den Zustimmungsbeschluss entsprechend § 53 GmbHG und § 293 Abs. 2 AktG eine qualifizierte Mehrheit der Gesellschafterversammlung genügt (so die h.M.) oder ob generell oder doch in bestimmten Fallgestaltungen die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist5. Die Frage lässt sich nicht einheitlich beantworten; entscheidend ist vielmehr, wann nach den Umständen des Falles in dem Vertragsabschluss eine Zweckänderung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB zu sehen ist6. Eine Zustimmung aller Gesellschafter ist danach insbesondere zu fordern, wenn die Gesellschaft keine angemessene Gegenleistung erhält; zu dieser Annahme nötigt bereits die dann in dem Vertragsabschluss liegende Verletzung des Schädigungsverbots7. Ist die verpachtende GmbH von der Pächterin abhängig, so findet außerdem § 302 Abs. 2 AktG entsprechende Anwendung8.

219

b) Noch weitgehend ungeklärt ist die weitere Frage, ob und in welchem Umfang die vorstehend für Betriebspachtverträge entwickelten Regeln (oben Rdnr. 218 f.) auf die den Betriebspachtverträgen in § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG gleichgestellten Betriebsüberlassungsverträge sowie außerdem auf die nicht geregelten Betriebsführungsverträge übertragen werden können. Das Schrifttum neigt überwiegend zu einer differenzierenden Beurteilung dieser Frage, weil gerade bei den zuletzt genannten Verträgen die Interessenlage sehr unterschiedlich sein kann9.

220

1 S. unten § 53 Rdnr. 164; LG Berlin, AG 1992, 91 = WM 1992, 22 = ZIP 1991, 1180 = GmbHR 1992, 184 (nur LS) „Interhotel“; LG Darmstadt, AG 2005, 488 = ZIP 2005, 402, 404; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 48 (S. 1375 f.); Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 53 f.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 278 ff.; Mimberg, Betriebspachtverträge, S. 107 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 116; U. Schneider, in: Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der GmbH, S. 7, 28; Ulmer, in: Hachenburg, Rdnr. 197, 204; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 186 ff.; differenzierend Führling, Sonstige Unternehmensverträge, S. 188 ff. 2 S. unten § 53 Rdnr. 164; LG Berlin, AG 1992, 91 = WM 1992, 22 = ZIP 1991, 1180 = GmbHR 1992, 184 (nur LS) „Interhotel“. 3 LG Berlin, AG 1992, 91 = WM 1992, 22 = ZIP 1991, 1180 = GmbHR 1992, 184 (nur LS) „Interhotel“. 4 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 51 f. 5 Generell in diesem Sinne Führling, Sonstige Unternehmensverträge, S. 167 ff.; Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 86; dagegen J. Mimberg, Betriebspachtverträge, S. 144 ff. 6 Vgl. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 54. 7 Anders Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 49, 63. 8 Emmerich/Habersack, § 302 AktG Rdnr. 25; Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 49 (S. 1376); zweifelnd Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 115. 9 S. Decher, in: MünchHdb. III, § 70 Rdnr. 48 (S. 1376); Zeidler, in: Michalski, Rdnr. 187.

Emmerich

|

925

Anhang § 13

Konzernrecht

3. Umgehungsproblematik 221

Hinter einem Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag kann sich ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag verbergen. Solche Annahme liegt besonders nahe, wenn sich die Pächterin ein Weisungsrecht gegenüber der verpachtenden Gesellschaft ausbedingt oder wenn die vereinbarte „Gegenleistung“ der Pächterin hinter der angemessenen Gegenleistung zurückbleibt. Ebenso verhält es sich z.B. bei einem Betriebsführungsvertrag, wenn der Betriebsführer herrschendes Unternehmen ist und durch den Vertrag die Kontrollund Einflussrechte der Eigentümergesellschaft weitgehend beschnitten werden1. Die Behandlung dieser Fälle ist umstritten2. Nach den §§ 133 und 157 BGB kommt jedoch nur eine Lösung in Betracht, die die Betonung nicht auf die von den Parteien frei gewählte Bezeichnung ihres Vertrages, sondern auf dessen „wirklichen“ Inhalt legt3.

222

Dies bedeutet, dass ein „Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag“, hinter dem sich ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag verbirgt, auch als solcher, d.h. als Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag zu behandeln ist, so dass der Vertrag nur wirksam ist, wenn er zugleich sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen für einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag erfüllt. Speziell bei der AG spricht für solche Lösung der Umgehungsfälle heute auch die sonst leer laufende Berichtspflicht des Vorstands (§ 293a AktG) in Verbindung mit der durch die §§ 293b ff. AktG vorgeschriebenen Prüfung durch Vertragsprüfer, die offenkundig nur Sinn macht, wenn die wirkliche Rechtsnatur des Vertrags von Anfang an offen gelegt wird. Der Vertrag ist folglich nichtig, wenn er nicht alle Wirksamkeitsvoraussetzungen für Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge mit einer abhängigen GmbH erfüllt (oben Rdnr. 125, 198 ff.). Dazu gehört auch die Eintragung des Vertrags ins Handelsregister als solcher (und nicht etwa als Betriebspacht- oder Betriebsüberlassungsvertrag) (§ 54 GmbHG; § 294 AktG), so dass in den meisten Umgehungsfällen der Vertrag schon deshalb nichtig sein dürfte4. Auch für die Anwendung der Regeln über fehlerhafte Unternehmensverträge ist dann mit Rücksicht auf die unrichtige Eintragung des Vertrags im Handelsregister kein Raum5. Der abweichenden Rechtsprechung, in der wiederholt auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge trotz fehlender Eintragung ins Handelsregister die Regeln über fehlerhafte Unternehmensverträge angewandt wurde, ist nicht zu folgen6.

1 S. U. Huber, ZHR 152 (1988), 123, 128, 135 ff. 2 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 292 AktG Rdnr. 61 ff. 3 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 114; Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rz. I 884. 4 Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 116. 5 S. Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 AktG Rdnr. 30, § 292 AktG Rdnr. 64. 6 S. BGHZ 116, 37, 39 = NJW 1992, 505 = GmbHR 1992, 34 „Stromlieferungen/Hansa Feuerfest“; insbes. BGH, LM Nr. 11 zu § 53 GmbHG (Bl. 2) = NJW 2002, 822 = AG 2002, 240 = GmbHR 2002, 62; s. dazu oben Rdnr. 163 ff.; Emmerich/Habersack, Kommentar, § 291 Rdnr. 30; Emmerich, Anm. LM a.a.O. Bl. 3 f.

926

|

Emmerich

§ 14

Geschäftsanteil

§ 14

Geschäftsanteil Der Geschäftsanteil jedes Gesellschafters bestimmt sich nach dem Betrage der von ihm übernommenen Stammeinlage. Text seit 1892 unverändert.

Inhaltsübersicht I. Bedeutung . . . . . . . . . . .

1

II. Der Geschäftsanteil 1. Begriff des Geschäftsanteils . .

2

2. Nennbetrag des Geschäftsanteils . . . . . . . . . . . . .

4

3. Subjektives Recht . . . . . . . 4. Entstehung und Erlöschen . .

7 9

5. Bewertung des Geschäftsanteils a) Privatrechtlich . . . . . . . b) Steuerrechtlich . . . . . . .

10 11 13

III. Rechte und Pflichten der Gesellschafter im Allgemeinen 1. Gesellschaftsrechtliche und schuldrechtliche Rechte und Pflichten a) Gesellschaftsrechtlich . . . b) Schuldrechtlich . . . . . . . c) Gläubigerrechte . . . . . . . 2. Allgemeine Mitgliedschaftsrechte und Sonderrechte (Sonderpflichten) a) Grundlagen . . . . . . . . . b) Sonderrechte aa) Begriff . . . . . . . . . . bb) Begründung und Inhalt . cc) Übergang des Geschäftsanteils . . . . . . . . . . dd) Aufhebung und Änderung . . . . . . . . . . . ee) Folgen von Rechtsverletzungen . . . . . . . . ff) Sonderpflichten . . . . .

c) Unentziehbarkeit allgemeiner Mitgliedschaftsrechte aa) Allgemeines . . . . . . bb) Absolut unentziehbare (unverzichtbare) Mitgliedschaftsrechte . . . cc) Relativ unentziehbare Mitgliedschaftsrechte . d) Gleichmäßige Behandlung aa) Geltung . . . . . . . . . bb) Bedeutung und Inhalt . cc) Verletzungsfolgen . . . e) Treuepflicht aa) Geltung . . . . . . . . . bb) Bedeutung und Inhalt . cc) Verletzungsfolgen . . .

31 32 35 40 42 46 50 51 61

IV. Vorzugsgeschäftsanteile . . . . 63 14 15 17

V. Geschäftsbereichsanteile . . . 63a VI. Anteilscheine . . . . . . . . . 64 VII. Dividendenscheine . . . . . . 66 VIII. Genussrechte (Genussscheine)

18 19 20 24 25 28 29

1. Begriff und Bedeutung . . . . . 67 2. Begründung . . . . . . . . . . 68 3. Rechte der Genussrechtsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . 74 4. Änderung und Aufhebung . . 76 5. Haftung . . . . . . . . . . . . 79 6. Verbriefung und Veräußerlichkeit . . . . . . . . . . . . . 80 IX. Options- und Wandelanleihen

83

I. Bedeutung Das GmbHG verwendet den Begriff des GeschAnteils in zahlreichen Vorschriften (§§ 14 ff., 21 Abs. 2, 23 f., 26 Abs. 2, 27, 29 Abs. 2, 31 Abs. 3, 33 f., 46 Nr. 4, 47 Abs. 2, 50 Abs. 1, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2, 72), gibt aber selbst keine BegriffsbeH. Winter/Seibt

|

927

1

§ 14

Geschäftsanteil

stimmung (s. Rdnr. 2 ff.). Einige wesentliche Aspekte sind der grundlegenden Bestimmung des § 14 zu entnehmen. Jeder Gesellschafter ist danach an der GmbH notwendig mit einem GeschAnteil beteiligt, dessen Entstehen von der Übernahme einer Stammeinlage oder einer anderweitigen Belegung abhängig ist (§§ 3 Abs. 1 Nr. 4, 55 Abs. 1 u. 2; § 57h, 57j) und der sich nach dem Betrag der übernommenen (nicht auch tatsächlich geleisteten) oder anderweitig belegten Stammeinlage bestimmt. Mit dem unklaren Ausdruck „bestimmt“ meint die Vorschrift, dass jeder GeschAnteil mit einem dem Stammeinlagebetrag entsprechenden Nennbetrag bezeichnet wird und dass dieser Betrag zugleich (überwiegend dispositiver) Maßstab für die Beteiligung des Anteilsinhabers an Rechten und Pflichten sein soll (s. Rdnr. 4 ff.); die Betragsangabe sagt dagegen nichts über den Wert des GeschAnteils aus (s. Rdnr. 10 ff.). Aus § 14 i.V.m. § 5 Abs. 2 folgt ferner, dass jeder Gesellschafter bei der Gründung nur einen GeschAnteil erwerben kann; doch besteht nach §§ 15 Abs. 2, 55 Abs. 3, 57h die Möglichkeit des späteren Hinzuerwerbs weiterer selbständiger GeschAnteile.

II. Der Geschäftsanteil Schrifttum: Buchwald, Zum Wesen des GmbH-GeschAnteils, GmbHR 1962, 25; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens, 1948; Neukamp, Die GeschAnteile der GmbH, ZHR 57 (1906), 1; Schefer, Welche Rechte enthält der GeschAnteil eines GmbH-Gesellschafters?, GmbHR 1961, 81; O. Schwarz, Die GeschAnteile und ihre Übertragung bei der GmbH, Diss. Jena 1904; Spitaler, Das Wesen eines GeschAnteils an einer GmbH, GmbHR 1950, 153; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, 1965.

1. Begriff des Geschäftsanteils 2

Das GmbHG enthält keine Begriffsbestimmung des GeschAnteils. Er wird in der Begr. zu Entw. I S. 59, Entw. II S. 47 gekennzeichnet als „die durch Übernahme der Stammeinlage geschaffene Rechtsposition des Gesellschafters“. Genauer ist er in Anlehnung an das Reichsgericht zu bestimmen als die durch die Beteiligungserklärung begründete mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Gesellschafters und der hieraus sich ergebenden Gesamtheit seiner Rechte und Pflichten1. Das Schrifttum stimmt damit weitgehend überein2.

3

Unklarheit besteht aber über die Frage einer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, die im Anschluss an RGZ 82, 167, 169 mit Recht auch im Schrifttum

1 RGZ 82, 167; RGZ 97, 197, 200; BGH, BB 1972, 11; KG, KGJ 35, 175; RJA 13, 218; DR 1943, 1230; OLG Frankfurt, MDR 1958, 108. 2 Vgl. Feine, S. 258 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 1; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, Rdnr. 1; J. Wilhelm, KapGesR, S. 191 f.

928

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

überwiegend bejaht wird1. Der vermögensrechtliche Inhalt des GeschAnteils erschöpft sich nicht in den Rechten auf den Gewinnanteil und auf die Liquidationsquote. Die Vermögensgüter sind dinglich zwar der GmbH als rechtsfähigem Personenverband zugeordnet (s. § 13 Rdnr. 10 ff.), aber das schließt eine Beteiligung der Gesellschafter an der Vermögenssubstanz nicht aus. Es steht ihnen vielmehr als Mitglieder des Personenverbandes rechtlich2 – nicht nur wirtschaftlich – ein Wertanteil an dem veränderlichen Gesellschaftsvermögen zu3, der sich ganz oder teilweise durch die Veräußerung des GeschAnteils oder bei seiner entgeltlichen Einziehung oder bei der Liquidation auch realisieren lässt. Der Umstand, dass der Wert des GeschAnteils noch durch andere Faktoren beinflusst wird (s. Rdnr. 6), steht nicht entgegen, dass er auch einen Wertanteil am Gesellschaftsvermögen vermittelt4.

2. Nennbetrag des Geschäftsanteils Der Nennbetrag des GeschAnteils „bestimmt sich nach dem Betrage der ... übernommenen Stammeinlage“ (§ 14). Nicht auf die geleistete, sondern auf die „übernommene Stammeinlage“ (vgl. dazu § 3 Rdnr. 51 ff., § 5 Rdnr. 22 ff.) kommt es also an5. Der Nennbetrag kann sich später ändern durch die Teilung des GeschAnteils (§ 17), durch die Zusammenlegung zweier GeschAnteile (s. § 15 Rdnr. 45 f.) und durch die KapErhöhung mittels Heraufsetzung des Nennbetrags (s. § 57h Abs. 16, aber die veränderten Nennbeträge sind dann jedenfalls auf entsprechende Stammeinlagebeträge zurückzuführen. Unberührt bleiben dagegen die Nennbeträge der übrigen GeschAnteile in den Fällen der Unwirksamkeit einer Beteiligungserklärung (s. § 2 Rdnr. 66 ff.) oder der Einziehung eines anderen GeschAnteils7; diese Vorgänge bewirken nur, dass die Summe der Nennbeträge aller (verbleibenden) GeschAnteile nicht mehr mit der Stammkapitalziffer übereinstimmt (normalerweise trifft das zumindest anfangs zu; s. § 5 Abs. 3) und dass sich die verhältnismäßige Beteiligung der Gesellschafter an den Rechten und Pflichten verschiebt (s. Rdnr. 6 u. Erl. zu § 34). Eine Anpassung der Nennbeträge wegen des Auseinanderfallens ihrer Summe und der Stammkapitalziffer ist rechtlich nicht notwendig8; sie ist beim Vorlie1 S. Feine, S. 264 ff.; Brodmann, Anm. 1; Vogel, Anm. 2; Würdinger, Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981, S. 48 f.; U. Huber, S. 145 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5. Abw. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 1. 2 RGZ 82, 167, 169; KG, KGJ 34, 91; Würdinger, S. 49; U. Huber, S. 147, 162. 3 Würdinger, S. 48; U. Huber, S. 151 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; offen gelassen in Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. 4 A.M. Wiedemann, S. 36; vgl. dazu U. Huber, S. 147 f. 5 Gl.A. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 4. 6 Auch bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen ist u.U. abweichend von § 55 Abs. 3 eine Aufstockung bestehender Geschäftsanteile möglich; s. BGHZ 63, 116; OLG Hamm, DB 1982, 945; BayObLG, DB 1986, 738; 1989, 1559. Näheres vgl. Erl. zu § 55. 7 Näher dazu Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbHAnteilen, 1982, S. 357 ff. m.w.N.; H. P. Westermann, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 447, 469 f.; a.M. Lutter/Hommelhoff, § 34 Rdnr. 2; Priester, in: FS Kellermann, 1991, S. 337, 347 ff.; unklar Wolany, S. 77. 8 KG, RJA 12, 131.

H. Winter/Seibt

|

929

4

§ 14

Geschäftsanteil

gen dieser Voraussetzung zwar nicht unzulässig1, aber wegen der möglichen Verwirrung über die Identität der GeschAnteile (s. Rdnr. 5) zu vermeiden. Die Kapitalherabsetzung hat grundsätzlich eine automatische Anpassung der Nennbeträge der GeschAnteile an die neue Stammkapitalziffer zur Folge (s. auch §§ 58 Abs. 2 Satz 2, 58a Abs. 3 Satz 1); besondere Bestimmungen darüber muss der Herabsetzungsbeschluss nur enthalten, wenn die Kapitalherabsetzung nicht alle GeschAnteile gleichmäßig betreffen soll oder wenn Maßnahmen zur Einhaltung der Erfordernisse der §§ 5 Abs. 1 u. 3, 58 Abs. 2 Satz 2, 58 Abs. 3 Satz 2 zu treffen sind2. Im Übrigen ist die Änderung der Nennbeträge ausgeschlossen3. Möglich ist auch die Neubildung eines GeschAnteils an Stelle eines eingezogenen (s. § 34 Rdnr. 67). Die Angabe von Quoten an Stelle der Nennbeträge (sog. „Quotengeschäftsanteile“) ist demgegenüber nicht statthaft4. 5

Die Nennbeträge haben die folgenden Funktionen: – Sie dienen als Identitätsbezeichnung der GeschAnteile5. Die Nennbeträge sind also im Gesellschaftsleben und bei Rechtsgeschäften über die GeschAnteile zu deren Bezeichnung zu verwenden. Besitzt ein Gesellschafter infolge Zuerwerbs mehrere GeschAnteile mit demselben Nennbetrag (s. Rdnr. 1 a.E.), so kann es aber, wenn sie unterschiedliche Rechtspositionen gewähren (s. Rdnr. 6), notwendig sein, zwecks Individualisierung zusätzliche Angaben zu machen (vgl. dazu § 15 Rdnr. 89).

6

– Sie sind ferner Beteiligungsmaßstab für Rechte und Pflichten der Gesellschafter und geben insoweit die relative Größe der GeschAnteile an, § 146. Für den Umfang der Beteiligung ist nach dem GmbHG meist das Größenverhältnis der Nominalbeträge der GeschAnteile untereinander maßgebend (§§ 24, 26 Abs. 3, 29 Abs. 3, 31 Abs. 3, 47 Abs. 2, 72). Diese verhältnismäßige Beteiligung ist im Ergebnis auch für das Bestehen der Minderheitenrechte aus §§ 50 Abs. 1, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2 entscheidend, bei denen der Gesetzeswortlaut zwar an das Größenverhältnis der Nominalbeträge zur Stammkapitalziffer anknüpft, aber diese entsprechend dem Gesetzeszweck durch die Nichtberücksichtigung unwirksamer Übernahmen von Stammeinlagen, der eingezogenen GeschAnteile und eigener GeschAnteile der GmbH zu korrigieren ist7. 1 S. auch RGZ 130, 44 f.; BGH, GmbHR 1988, 337, 338 f.; KG, DR 1943, 1230; BayObLG, BB 1991, 2464 f.; Hohner, in: FS Barz, 1974, S. 147, 165; Niemeier, S. 364 ff.; Priester, in: FS Kellermann, 1991, S. 351 f. u. H. P. Westermann, § 34 Rdnr. 67 m.w.N. 2 Vgl. Priester, 9. Aufl., § 58 Rdnr. 35; Ulmer, in: Hachenburg, § 58 Rdnr. 14 ff., 33; Lutter/Hommelhoff, § 58 Rdnr. 6 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 58 Rdnr. 8 f., 13; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 58 Rdnr. 13; Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 58 Rdnr. 9, 16. 3 Zu weitgehend daher LG Hamburg, BB 1953, 8 betr. § 40. 4 Gl.M. Feine, S. 260; Priester, in: FS Kellermann, 1991, S. 348. 5 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2, 4; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4. 6 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Niemeier, S. 361 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 14 Rdnr. 13. 7 Gl.M. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 10; für § 50 Abs. 1 Lutter/Hommelhoff, § 50 Rdnr. 3; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 50 Rdnr. 17; abw. K. Schmidt, 9. Aufl., § 50 Rdnr. 10; für § 61 Ulmer, in: Hachenburg, § 61 Rdnr. 31; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck,

930

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

Der vom GmbHG bestimmte Beteiligungsmaßstab ist für einige Rechte und Pflichten teilweise zwingend (§§ 24, 31 Abs. 3: keine Abschwächung der Haftung zulässig; §§ 50 Abs. 1, 61 Abs. 2, 66 Abs. 2: keine Verschärfung der Voraussetzungen möglich), kann aber im Übrigen (§§ 26 Abs. 3, 29 Abs. 3, 47 Abs. 2, 72) durch den Gesellschaftsvertrag anderweitig festgelegt werden. Es gibt darüber hinaus Gesellschafterrechte und -pflichten, die nicht oder jedenfalls nicht notwendig von einem Beteiligungsmaß abhängen, z.B. Auskunftsund Einsichtsrechte, Sonderrechte und -pflichten1.

3. Subjektives Recht Der GeschAnteil ist Gegenstand eines subjektiven Rechts des Anteilsinhabers2. Das GmbHG ordnet ihm seine Rechtsposition als Gesellschafter mit ihrem vermögens- und personenrechtlichen Gehalt als einen einheitlichen Rechtsgegenstand zu, über den er nach § 15 Abs. 1 als Ganzen verfügen (ihn abtreten oder mit einem Pfand- oder Nießbrauchsrecht belasten; s. § 15 Rdnr. 172 ff., 212 ff.) kann, der als solcher vererblich ist (s. § 15 Rdnr. 24 ff.) und der der Zwangsvollstreckung in Rechte unterliegt (s. § 15 Rdnr. 195 ff.). Der Einwand, der GeschAnteil sei als „Gesamtheit der Rechte und Pflichten“ zu charakterisieren und könne deshalb nicht als übertragbares Recht qualifiziert werden3, beruht auf einem mit den vorstehenden Regelungen unvereinbaren und nicht sachgerechten Verständnis vom Anteilsrecht, da er die mitgliedschaftliche Rechtsposition in die aus ihr sich nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag ergebenden4 aktuellen sowie potentiellen Einzelrechte und -pflichten auflöst und zudem ihren vermögensrechtlichen Gehalt (s. Rdnr. 3) unzureichend berücksichtigt.

7

Das Anteilsrecht ist als sonstiges Recht i.S. des § 823 Abs. 1 BGB gegen Verletzungen durch Dritte geschützt5. Eine zum Schadensersatz verpflichtete Handlung liegt aber nur vor, wenn der GeschAnteil selbst verletzt ist6; es genügt

8

1 2

3 4 5

6

§ 61 Rdnr. 14; abw. K. Schmidt, 9. Aufl., § 61 Rdnr. 8; für § 66 Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, § 66 Rdnr. 19; abw. K. Schmidt, 9. Aufl., § 66 Rdnr. 17. Vgl. Wolany, S. 78 f. BGH, GmbHR 1968, 207; Feine, S. 262 ff.; Wiedemann, S. 39 ff.; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 21 ff.; U. Huber, S. 381; Flume, S. 258; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2, 5; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 13; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 100 ff.; K. Schmidt, GesR, § 19 I 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 1; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 1. Vogel, Anm. 2; Hadding, in: FS Reinhard, 1972, S. 258 Fn. 63; Hadding, in: FS Steindorff, 1990, S. 31, 38. Unberechtigt daher die Kritik von Hadding, in: FS Reinhard, 1972, S. 261 f. RGZ 100, 274, 278; Wiedemann, S. 39; Mertens, in: FS R. Fischer, 1979, S. 461, 468 ff.; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 113 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 18; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 43; Lutter, AcP 180 (1980), 130 f.; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 2; krit. dazu aber Hadding, in: FS Kellermann, 1991, S. 91, 102 ff. Gl.A. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 19; zu Unrecht weiter gehend Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 152 ff.; s. dazu Reuter, AcP 197 (1997), 322 ff.; Hüffer, ZHR 161 (1997), 867 ff.

H. Winter/Seibt

|

931

§ 14

Geschäftsanteil

nicht, dass allein das Vermögen oder der Ertrag der GmbH beeinträchtigt und dadurch mittelbar der Wert des GeschAnteils gemindert wird1. Die Rechtsposition des Gesellschafters wird im Innenverhältnis zur GmbH und zu den anderen Gesellschaftern nicht durch § 823 Abs. 1 BGB, sondern durch die gesellschaftsrechtlichen Normen geschützt2, u.U. greifen aber zusätzlich die Haftungsvorschriften der §§ 823 Abs. 2, 826 BGB ein. Der GeschAnteil steht ferner unter dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG3.

4. Entstehung und Erlöschen 9

Die GeschAnteile entstehen nach bislang h.M. nicht schon mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages, sondern erst mit der Eintragung der Gesellschaft in das HandReg4. Zur Rechtsstellung der Gesellschafter bis zur Eintragung s. Erl. zu § 11, Rdnr. 40 ff.; ein Gesellschafterwechsel kann nach dieser h.M. bis dahin nicht durch Abtretung, sondern nur durch eine mit Zustimmung aller Gesellschafter erfolgende Änderung des Gesellschaftsvertrages vollzogen werden (vgl. dazu § 15 Rdnr. 11 f.). Der GeschAnteil erlischt mit seiner Einziehung (s. Erl. zu § 34) und mit der Vollbeendigung der GmbH (s. § 13 Rdnr. 6 ff.), nicht dagegen bereits mit ihrer Auflösung (s. bei § 69). Der Erwerb eines GeschAnteils durch die GmbH (§ 33) berührt seinen Bestand nicht (s. § 33 Rdnr. 3), aber die personenrechtlichen Befugnisse ruhen (s. § 33 Rdnr. 37), während das für die vermögensmäßigen Rechte und Pflichten nur eingeschränkt gilt (eingehend dazu § 33 Rdnr. 36). Ebenso wenig geht der Anteil durch die Kaduzierung (s. § 21 Rdnr. 25 ff.), durch den Abandon (s. § 27 Rdnr. 18 ff.) und durch den Austritt oder die Ausschließung aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 1 ff., 21 ff.) unter, soweit letztere nicht mittels Einziehung ausgeführt werden.

5. Bewertung des Geschäftsanteils Schrifttum: Bellinger/Vahl, Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis, 2. Aufl. 1992; Braunhofer, Unternehmens- und Anteilsbewertung bei Bemessung von familien- und erbrechtlichen- Ausgleichsansprüchen, 1995; Drucarkczyk, Unternehmensbewertung, 4. Aufl. 2003; Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002; Helbling, Unternehmensbewertung und Steuer, 8. Aufl. 1995; Hülsmann, Gesellschafterabfindung und Unternehmensbewertung

1 RGZ 100, 278; 158, 248. 2 Für einen Vorrang gesellschaftsrechtlicher Schadensersatz- und Abwehransprüche Wiedemann, S. 39; Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 663, 677; Reuter, in: FS Lange, 1992, S. 721 ff.; Zöllner, ZGR 1988, 392, 430; Grunewald, Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der GmbH, 1990, S. 100; J. Wilhelm, KapGesR, S. 193; Lutter/ Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, § 43 Rdnr. 20 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 2; abw. Mertens, in: FS R. Fischer, 1979, S. 461, 469 ff. und in: Hachenburg, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 105 ff.; Raiser/Veil, KapGesR, § 12 Rdnr. 5 ff.; K. Schmidt, JZ 1991, 157 ff.; s. ferner BGHZ 110, 323. 3 Vgl. BVerfGE 4, 26; 14, 276 f.; 50, 290 betr. Aktie. 4 BGH, GmbHR 1997, 405; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1997, 896; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 23 Rdnr. 11; s. aber auch überzeugend Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 2; K. Schmidt, oben § 11 Rdnr. 41 m.w.N.; s. auch § 15 Rdnr. 10.

932

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

nach der Ertragswertmethode im Lichte der Rechtsprechung, ZIP 2001, 450: Hüttemann, Unternehmensbewertung als Rechtsproblem, ZHR 162 (1998), 563; Moxter Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 1983; Neuhaus, Unternehmensbewertung und Abfindung bei freiwilligem Ausscheiden aus der Personengesellschaft, 1990; Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung zum Gesellschafts-, Familien-, Erb-, Schadens- und Enteignungsrecht, 3. Aufl. 1994; Piltz, Rechtspraktische Überlegungen zu Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, BB 1994, 1021; Ränsch, Die Bewertung von Unternehmen als Problem der Rechtswissenschaft, AG 1984, 202; Sieben, Unternehmensbewertung, HWB, 5. Aufl. 1993; Thoennes, Die Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung aus der Sicht der Berufspraxis, in: 50 Jahre Wirtschaftsprüferberuf, 1981, S. 265 ff.; Ulmer, Abfindungsklauseln in Personengesellschafts- und GmbH-Verträgen – Plädoyer für die Ertragswertklausel, in: FS Quack, 1991, S. 477 ff.

Der wirtschaftliche Wert des GeschAnteils, der nicht mit dessen Nennbetrag (über diesen Begriff und seine Funktionen s. Rdnr. 4 ff.) verwechselt werden darf und über oder unter dem Nennbetrag liegen kann, ist in verschiedenen Beziehungen rechtserheblich:

10

a) Privatrechtlich Der Anteilswert ist privatrechtlich vor allem für die Bemessung der Abfindungen oder Ausgleichszahlungen in den Fällen der Ausschließung und des Austritts aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 17, 48), der Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen (§ 34 Abs. 2), beim Abschluss von Beherrschungs- und/ oder Gewinnabführungsverträgen und bei Eingliederungen (analog §§ 304, 305, 320 AktG)1 und des Austritts widersprechender Gesellschafter bei der Umwandlung der GmbH (§§ 29 ff., 125 Satz 1, 176 Abs. 2, 207 ff. UmwG) von Bedeutung. Er ist darüber hinaus insbesondere für die Festlegung des Umtauschverhältnisses bei der Verschmelzung und Spaltung der GmbH (§§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 15 Abs. 1, 126 Abs. 1 Nr. 3, 128 UmwG), für den (niedrigeren) Wertansatz im Jahresabschluss eines beteiligten Unternehmens (§§ 253 Abs. 2 Satz 3, 279 Abs. 1 Satz 2 HGB) und für die Berechnung des Zugewinns beim gesetzlichen Güterstand (§§ 1373, 1376 BGB)2 sowie des Nachlasswerts für den Pflichtteilsanspruch (§ 2311 BGB)3 erheblich. Er kann ferner auch für die Bestimmung des Entgelts bei statutarischen Abtretungs- und Übernahmepflichten (s. § 15 Rdnr. 33, 51 f., 60) und allgemein beim Beteiligungs- oder Unternehmenskauf zur Ermittlung des Kaufpreises maßgeblich sein.

11

Die Anteilsbewertung ist schließlich kostenrechtlich Grundlage für die Ermittlung des Gegenstandswerts der anwaltlichen (§ 23 Abs. 3 RVG, § 39 Abs. 2 KostO) und der notariellen Tätigkeit (§§ 30 Abs. 1, 39 Abs. 2 KostO). Maßgeblich ist der objektive Wert, der nach freiem Ermessen auf der Grundlage einer nach betriebwirtschaftlichen Grundsätzen durchzuführenden Unternehmensbe-

11a

1 Zur Frage der analogen Anwendung des § 305 AktG vgl. Ulmer, in: Hachenburg, Anh. § 77 Rdnr. 211 f. u. Emmerich, Anh. Konzernrecht, Rdnr. 158 ff., jeweils m.w.N. 2 BGHZ 68, 163; BGH, NJW 1987, 321; zu Einzelheiten Braunhofer, Unternehmens- und Anteilsbewertung, S. 107 ff. 3 Zu Einzelheiten Braunhofer, S. 189 ff.

H. Winter/Seibt

|

933

§ 14

Geschäftsanteil

wertung zu schätzen ist1. Wird eine Veräußerung des GeschAnteils unter „normalen“ Bedingungen – insbesondere nicht bewusst „unter Wert“ – durchgeführt, kann der erzielte Kaufpreis als geeignetster Anknüpfungspunkt für die Schätzung als objektiver Wert angesetzt werden2. 12

Über die Ermittlung des (vom Buchwert zu unterscheidenden wirklichen) Anteilswerts fehlen für das Privatrecht ausdrücklich gesetzliche Vorschriften. Es ist deshalb durch Auslegung der jeweils einschlägigen Vorschrift nach Maßgabe des aus ihr sich ergebenden Bewertungszwecks, der in ihr enthaltenen sonstigen bewertungsrelevanten Vorgaben und des Regelungszusammenhangs festzustellen, welche Bewertungsmethode normgerecht ist und welche Bewertungselemente zu berücksichtigen sind3. Die Wertermittlung ist insoweit eine Rechtsfrage4. Der Anteilswert bemisst sich grundsätzlich nach dem dem Beteiligungsverhältnis entsprechenden Anteil am Verkaufswert des Unternehmens als Ganzes (d.i. der volle wirtschaftliche Wert des GeschAnteils)5, der unter Beachtung des rechtlichen Bewertungszwecks und der sonstigen rechtlich maßgebenden Wertfaktoren nach betriebswirtschaftlich anerkannten Bewertungsmethoden zu ermitteln ist. Betriebswirtschaftlich hat sich, soweit nicht dauernd unrentable oder ertragsschwache Unternehmen den Bewertungsgegenstand bilden oder Besonderheiten etwas anderes erfordern (z.B. bei Beschränkung der Unternehmenstätigkeit auf die Beteiligungsverwaltung oder Start upUnternehmen), weitgehend die sog. Ertragswertmethode durchgesetzt, bei der der Substanzwert lediglich für den Wert des hinzuzusetzenden nicht betriebsnotwendigen (neutralen) Vermögens maßgebend ist und im Übrigen allenfalls noch eine kontrollierende und korrigierende Hilfsfunktion hat6. Teilweise wird auch (daneben) die Anwendung der Discounted-Cash-Flow-Methode (Rdnr. 12b), von transaktionsbezogenen Bewertungsmethoden (z.B. Past Trans-

1 Reimann, in: Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl. 2005, § 30 Rdnr. 12; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2006, § 30 KostO Rdnr. 28. 2 Hierzu BGH, NJW 1975, 1417; BayObLG, BB 1985, 7. 3 BayObLG, AG 1996, 127, 128; Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 5 f., 31 ff.; Ränsch, AG 1984, 202, 204; Neuhaus, Unternehmensbewertung und Abfindung, 1990, S. 64 f.; Hüttemann, ZHR 162 (1998), 563 ff.; Braunhofer, S. 8 ff., jeweils m.w.N. 4 Nachw. in der vorherigen Fn. sowie Piltz, Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Aufl. 1994, S. 121 ff.; K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 4 II 2; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 9; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6. 5 BGH, NJW 1967, 1464; WM 1971, 1450; 1979, 432, 433; 1984, 1506; BGHZ 17, 130, 137; 75, 195, 199; 116, 359, 370 f.; OLG Hamm, DB 1963, 446; OLG Köln, GmbHR 1998, 641, 642; Großfeld, JZ 1981, 769; Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung, 4. Aufl. 2002, S 31 f.; Piltz, S. 55, 207; Braunhofer, S. 84 f. 6 Hierzu Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 1983; Bellinger/Vahl, Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis, 2. Aufl. 1992; Helbling, Unternehmensbewertung und Steuern, 8. Aufl. 1995; Drukarczyk, Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 1998; Sieben, Unternehmensbewertung, HWB, 5. Aufl. 1993, Sp. 4315 ff.; Institut der Wirtschaftsprüfer, IDW S 1: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, 18. 10. 2005, WPg 2005, 1303 ff.; vorher: Stellungnahme des Hauptfachausschusses (HFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, WPg 1983, 468 ff.

934

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

actions Comparison Method1) oder kapitalmarktorientierten Vergleichsmethoden (z.B. Common Stock Comparison Method2) befürwortet. Die früher gebräuchlichen Methoden der Unternehmenswertermittlung aus Kombinationen des Substanz-(Reproduktions-) und des Ertragswertes oder nach dem Substanzwert unter Zuschlag eines Geschäftswertes werden dagegen heute nur noch in extremen Einzelfällen vertreten. Die Anwendung einer bestimmten Bewertungsmethode ist rechtlich nicht vorgeschrieben3. Die Rechtsprechung4 hat sich mit der Unternehmensbewertung hauptsächlich im Zusammenhang mit der Abfindung von Aktionären und mit der Zugewinn- und Pflichtteilsberechnung, vereinzelt aber auch mit der Abfindung von Mitgliedern der GmbH5 befasst. Sie hat dabei früher zumeist die Substanzwertmethode unter Berücksichtigung der Ertragskraft durch den zusätzlichen Ansatz eines Firmenwertes oder den good will6, aber auch die Mittelwertmethode angewandt7, in neuerer Zeit indes praktisch ausschließlich die Ertragswertmethode (z.T. mit Einschränkungen) zugrunde gelegt8. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Bewertung haben die Gerichte zu entscheiden, ob die richtige Bewertungsmethode zugrunde gelegt wurde, ob die Methode zutreffend angewandt wurde und ob die einzelnen in die Bewertung eingegangenen Faktoren zutreffend berücksichtigt wurden, wobei diese Fragen auch der revisionsgerichtlichen Nachprüfung zugänglich sind9. Das Ergebnis der Bewertung durch einen Sachverständigen ist vom Gericht nach §§ 286, 287 ZPO tatrichterlich frei zu würdigen10. Soweit es sich dabei um Tatsachenfragen handelt, ist die rechtliche Nachprüfung in der Revisionsinstanz nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen ausgeschlossen11.

1 Mandl/Rabel, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 3. Aufl. 2004, Kap. 1 D Rdnr. 489 f.; Piltz, S. 41 f. 2 Mandl/Rabel, in: Peemöller, Kap. 1 D Rdnr. 486 ff.; Helbling, Unternehmensbewertung und Steuern, 8. Aufl. 1995, S. 129 ff.; Piltz, S. 41. 3 BGH, LM § 2311 BGB Nr. 5, 7; NJW 1973, 509 f.; 1978, 1316, 1319; 1991, 1547, 1548; 1993, 2101, 2103; WM 1977, 782; GmbHR 1985, 18, 19; BGHZ 70, 224, 225; OLG Hamm, DB 1963, 446; KG, WM 1971, 764; OLG Düsseldorf, WM 1977, 797; AG 1984, 216; OLG Celle, DB 1979, 1031; BayObLG, BB 1995, 1759, 1760 u.a. 4 Hierzu Großfeld, S. 44 f.; Piltz, S. 121 ff.; Braunhofer, S. 35 ff.; Thoennes, Die Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung aus der Sicht der Berufspraxis, in: 50 Jahre Wirtschaftsprüferberuf, 1981, S. 265 ff. 5 BGH, WM 1977, 781 betr. Einziehungsentgelt u. BGHZ 116, 359; OLG Köln, GmbHR 1998, 641, 642 betr. Abfindung beim Austritt. 6 Vgl. Piltz, S. 203 ff. 7 BGH, DB 1982, 106 betr. Pflichtteilsberechnung; OLG Saarbrücken, FamRZ 1984, 794. 8 BGH, WM 1979, 432; 1993, 1412, 1413; BB 1984, 2082, 2083; DB 1986, 2427; ZIP 1992, 237, 240; 1995, 1256, 1258 f.; 1998, 1161, 1165; OLG Celle, DB 1979, 1031; OLG Hamburg, DB 1980, 77; OLG Düsseldorf, WM 1984, 732; 1988, 1052; 1995, 756, 761; ZIP 1990, 1333, 1336; AG 1992, 200, 203; OLG Frankfurt, AG 1989, 442; OLG Zweibrücken, WM 1995, 980, 981; BayObLG, BB 1995, 1759, 1760; AG 1996, 127; OLG Köln, GmbHR 1998, 641, 642. 9 BGHZ 150, 319, 323; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 9. 10 BGH, LM § 810 BGB Nr. 6; BGHZ 71, 40; OLG Düsseldorf, WM 1977, 797; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 9. 11 BGHZ 71, 40; BGH, WM 1986, 234, 236; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 9.

H. Winter/Seibt

|

935

12a

§ 14 12b

Geschäftsanteil

Die gesellschaftsrechtliche Praxis folgt bei Unternehmensbewertungen heute im Regelfall einer (ggf. modifizierten) Ertragswertmethode1, daneben auch das hiermit verwandte Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF); im Regelfall wird hierbei IDW Standard „S 1“ – Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1) (Neufassung am 1. 1. 2005 in Kraft getreten) – angewandt2. Zur Bestimmung des Unternehmenswertes sind dem Ertragswert die zu schätzenden Nettoeinzelveräußerungserlöse des nicht betriebsnotwendigen Vermögens hinzuzurechnen und die nicht betriebsbedingten Verbindlichkeiten abzuziehen3. Zur Plausibilisierung werden nicht selten noch transaktionsbezogene oder kapitalmarktorientierte Vergleichsmethoden (Rdnr. 12 a.E.) herangezogen. Für Sonderfälle weicht die Bewertungspraxis aber von Vorstehendem ab. Sie setzt bei vermögenverwaltenden oder mit einem außergewöhnlich hohen Anteil an nicht betriebsnotwendigem Vermögen ausgestatteten Unternehmen deren Substanzwert4 und bei freiberuflichen sowie anderen stark personenbezogenen Unternehmen deren Substanzwert zuzüglich eines eventuellen Goodwill an5. Als Wertuntergrenze wird gesellschaftsrechtlich6 der Liquidationswert des Unternehmens angenommen, sofern seine Abwicklung nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist7. Der anteilige Unternehmenswert, der einem GeschAnteil zuzurechnen ist, richtet sich zunächst nach der durch ihn gewährten Beteiligung an den Rechten und Pflichten, also s. stat., nach dem Verhältnis der Nennbeträge der GeschAnteile (s. Rdnr. 6)8. Sonderrechte und Sonderpflichten (s. Rdnr. 19 ff., 29), soweit sie bewertungsrelevant sind (z.B. ein Veräußerungserlösvorab, erhöhtes Gewinnrecht, Mehrfachstimmrecht, Bestellungsrecht für Geschäftsführer, Pattauslösungsrecht), beeinflussen daher den zuzurechnenden Unternehmenswertanteil. Unabhängig davon können nach dem jeweiligen Bewertungszweck auch andere Umstände es erforderlich machen, die Bewertung des GeschAnteils mit dem quotalen Anteil am

1 Vgl. ferner die Rspr. oben Fn. 8 bei Rdnr. 12a; Piltz, S. 125 ff.; Ulmer, in: FS Quack, 1991, S. 477, 490 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 46 u.a. 2 Aus der Rechtsprechung vgl. OLG Düsseldorf, AG 2003, 329, 333; LG München, AG 2002, 563, 566; BayObLG, AG 2006, 41, 42 f. (alle zur AG). 3 BGH, AG 1978, 196, 199; ZIP 1995, 1256, 1258; OLG Celle, AG 1979, 230, 232; OLG Düsseldorf, ZIP 1984, 586, 588; 1988, 1555, 1556; AG 1990, 387, 401; 1992, 200, 203; BayObLG, BB 1995, 1759, 1760; AG 1996, 127, 130 u.a. 4 BGH, MDR 1993, 854; OLG Düsseldorf, AG 1988, 275, 276; LG Berlin, AG 1983, 135; Piltz, S. 129; Korth, BB 1992 Beil. 19 S. 5. 5 BGH, NJW 1973, 98, 100; FamRZ 1977, 38; 1978, 332; OLG Koblenz, FamRZ 1982, 278; 1988, 950; OLG München, FamRZ 1984, 1096; NJW-RR 1988, 262. Vgl. dazu aber Stellungnahme HFA 6/1997, FN-IdW 1998, 4 ff.; Braunhofer, S. 103 ff. m.w.N. 6 Anders für die Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsberechnung bei Unternehmensfortführung BGH, NJW 1973, 509, 510; 1982, 2441; FamRZ 1986, 776, 779. Krit. dazu Piltz, S. 170 ff.; Braunhofer, S. 167 ff., jeweils m.w.N. 7 BGH, BB 1978, 776, 779; OLG Hamm, AG 1963, 218, 220; BayObLG, BB 1995, 1759, 1760; LG Frankfurt, AG 1985, 310; LG Dortmund, AG 1994, 85; HFA-Grundsätze, WPg 1983, 468, 479; Großfeld, S. 204 ff.; Piltz, S. 30; Braunhofer, S. 79 f.; a.M. OLG Düsseldorf, AG 1988, 275, 276; AG 1990, 397, 399; s. auch BGH, ZIP 1998, 1161, 1166. 8 Vgl. dazu BGHZ 17, 130; 75, 195, 199; BGH, AG 1967, 264; GmbHR 1992, 257, 261.

936

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

Unternehmenswert durch Zu- oder Abschläge zu korrigieren, so z.B. die Größe der Beteiligung und die durch sie vermittelte Einflussmöglichkeit auf die Gesellschaft und andere Unternehmen1, die Beschränkung oder der Ausschluss der Übertragbarkeit der Geschäftsanteile2, statutarische Abfindungsbeschränkungen in Ausscheidensfällen3, besondere Risiken oder steuerliche Folgen (z.B. Wegfall von Verlustvorträgen, § 8 Abs. 4 KStG)4. Der Gesellschaftsvertrag kann eine abweichende Anteilsbewertung für die Zwecke statutarischer Abtretungspflichten oder Erwerbsrechte oder für die Zwangseinziehung nur insoweit wirksam treffen, als der Anspruch, dessen Höhe sich nach ihr bemessen soll, der statutarischen Disposition unterliegt5. Für andere Fälle wird es angesichts der Uneinheitlichkeit der Bewertungsmethoden als zulässig zu erachten sein, dass er mit Wirkung für das Gesellschaftsverhältnis (nicht zwischen Dritten, z.B. dem Gesellschafter-Erben und dem Pflichtteilsberechtigten) in den Grenzen der betriebswirtschaftlich anerkannten Bewertungsmethoden Zweifelsfragen regelt oder Bewertungsspielräume unerheblich einengt. Verweist der Gesellschaftsvertrag für die Anteilsbewertung auf eine (steuer)gesetzliche Norm, ein (steuer)verwaltungsrechtliches Verfahren (z.B. Stuttgarter Verfahren i.S.v. R 96 ff. ErbStR 2003) oder auf berufsständische Verfahren (z.B. Institut der Wirtschaftsprüfer (IdW), Stellungnahme Hauptfachausschuss (HFA) 2/1983 oder Stellungnahme S1), so ist bei fehlender ausdrücklicher Regelung durch Auslegung zu ermitteln, ob die zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung (statische Verweisung) oder die zum Zeitpunkt der Wertermittlung geltenden Vorschriften anzuwenden sind (dynamische Verweisung). Im Regelfall wird die gebotene objektive Auslegung der Satzungsbestimmung für das Verständnis einer dynamischen Verweisung sprechen, wie dies auch die Rechtsprechung bei Gesetzesverweisen in Ruhegehaltsvereinbarungen entschieden hat6. Allerdings können auch bestimmte Umstände oder sonstige Satzungsbestimmungen für eine Auslegung als statische Verweisung streiten, insbesondere wenn es den Gesellschaftern erkennbar um die Heranziehung bestimmter Wertermittlungsvorschriften ging und eine Unterwerfung unter die zufällige Weiterentwicklung dieser Vorschriften erkennbar nicht gewollt war. b) Steuerrechtlich Steuerrechtlich ist für die Erbschaft- und Schenkungsteuer der gemeine Wert des GeschAnteils i.S. der §§ 9, 11 BewG maßgebend, d.h. der Betrag, der als Preis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des GeschAnteils bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 9 Abs. 2 BewG). Der gemeine 1 2 3 4 5

Vgl. Großfeld, S. 229 ff. m.w.N. BGH, NJW 1980, 229; 1987, 321; OLG Oldenburg, GmbHR 1997, 503, 505. BGHZ 75, 195, 201 f. Vgl. dazu Großfeld, S. 229 ff.; Braunhofer, S. 86 ff., jeweils m.w.N. Zur Abtretung oder Einziehung im Erbfall s. § 15 Rdnr. 30, 32; zum Austritt oder zur Ausschließung aus wichtigem Grunde s. Anh. § 34 Rdnr. 19; zur Einziehung bei Anteilspfändung oder Insolvenz des Anteilsinhabers s. § 15 Rdnr. 205. Allgemein zur Einziehung unter Wert vgl. § 34 Rdnr. 55 ff. 6 BGH, MDR 1984, 1019; BGH, NJW 1980, 1741; BGH, NJW 1993, 3193; BAG, ZIP 1983, 104, 106.

H. Winter/Seibt

|

937

13

§ 14

Geschäftsanteil

Wert ist, wenn er sich nicht aus weniger als ein Jahr zurückliegenden Verkäufen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (oder aus der Übernahme neuer GeschAnteile bei Kapitalerhöhungen1) ableiten lässt, unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der GmbH zu schätzen (§ 11 Abs. 2 BewG). Die Schätzung erfolgt in der Praxis der Finanzverwaltung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren (R 96 ff. ErbStR 2003), das trotz Kritik im Schrifttum2 vom BFH in ständiger Rspr. als geeignetes sowie bewährtes Bewertungsverfahren anerkannt und nach ihr der Ermittlung des gemeinen Wertes zugrunde zu legen ist3; eine Abweichung wird im Hinblick auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur zugelassen, wenn es zu nicht tragbaren Schätzungsergebnissen führt4. Das Stuttgarter Verfahren ist eine Variante der so genannten Übergewinnmethode, derzufolge der auf der Basis der Steuerbilanzwerte des Betriebsvermögens zu ermittelnde Vermögenswert des Anteils (ohne Ansatz eines Firmenwertes; R 98 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2003) ist danach durch den angenommenen Mehroder Minderwert zu korrigieren, der sich daraus ergibt, dass das Unternehmen Gewinne über oder unter einer festgelegten Normalverzinsung (z.Zt. 9%; R 100 Abs. 1 Satz 7 u. 8 ErbStR 2003) erzielt. Besonderheiten können Zu- und Abschläge rechtfertigen (z.B. Renditeabschlag, R 100 Abs. 3 ErbStR 2003). Die Anwendung des Stuttgarter Verfahrens führt zu einer systematischen Unterbewertung von Geschäftsanteilen gegenüber ihrem Verkehrswert; als Daumenregeln kann angenommen werden, dass die Bewertung von Geschäftsanteilen renditestarker Unternehmen nur etwa 60% des Verkehrswertes erreicht, bei renditeschwachen Unternehmen sogar eher nur 50% des Verkehrswertes5. Dies ist bei der Gestaltung von statutarischen Abfindungs- und Bewertungsregelungen zu berücksichtigen. Für ertragsteuerliche Zwecke nutzt die Finanzverwaltung nicht mehr das Stuttgarter Verfahren, sondern ein sich am IdW S1 (Rdnr. 12b) orientierendes Ertragswertverfahren, das in einem „Leitfaden zur Ermittlung des Anteilswertes für ertragsteuerliche Zwecke“ zusammengefasst ist6.

III. Rechte und Pflichten der Gesellschafter im Allgemeinen Schrifttum: Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei KapGes., 1949; Baltzer, Die gesellschaftliche Treupflicht im Recht der AG und GmbH, Diss. Freiburg 1967; Baumgärtner, Rechtsformübergreifende Aspekte der gesellschaftlichen Treuepflicht im deutschen und angloamerikanischen Recht, 1990; Bopp, Die Informationsrechte des GmbH-Gesellschafters, 1991; Cohn, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Mitglieder im Verbandsrecht, AcP 132 (1932), 129; Dreher, Die

1 BFH, BStBl. II 1993, 266. 2 Vgl. dazu Gürsching/Stenger, BewG u. VStG, § 11 Rdnr. 177 ff. m.w.N. 3 BFH, BStBl. II 1975, 374; 1976, 238; 1980, 405, 407; 1990, 493; 1993, 268, 269; 1994, 9 st. Rspr. 4 BFH, BStBl. II 1974, 626; 1975, 374; 1976, 238; 1982, 8, 9; 1994, 505, 507. 5 Vgl. Mannek, NWB 2005, 941, 950 = Fach 9, 2787, 2796; vgl. auch Vorlagebeschluss BFH, BStBl. II 2002, 598: Stuttgarter Verfahren erreicht Substanzwert nur zu zwei Drittel. 6 Schreiben OFD Düsseldorf/Münster v. 12. 8. 2004 – S 2177 – 16 – St 13 – K (nicht veröffentlicht); hierzu Brinkmeier, GmbH-StB 2005, 16 ff.

938

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

gesellschaftsrechtliche Treuepflicht bei der GmbH, DStR 1993, 1632; Ebenroth, Die Kontrollrechte der GmbH-Gesellschafter – eine methodische Studie zur GmbH-Reform, 1971; Ebenroth, Die Geschäftsführerkontrolle durch den GmbH-Gesellschafter nach geltendem und künftigem Recht, 1972; Eller, Zu § 35 BGB, insbesondere zum Begriff der Sonderrechte, Diss. Marburg 1929; v. Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft nach dem Recht der KapGes., 1967; Fechner, Die Treubindungen des Aktionärs, 1942; R. Fischer, Die Grenzen bei der Ausübung gesellschaftlicher Mitgliedschaftsrechte, NJW 1954, 777; Flume, Die juristische Person, 1983; Gadow, Die Sonderrechte der Körperschaftsmitglieder, Gruch. 66, 514; Gadow, Das Recht der Körperschaftsmitglieder auf gleichmäßige Behandlung, LZ 1932, 921; Gerlach, Sonderrechte der Vereinsmitglieder, Diss. Göttingen 1932; Grunewald, Einsichts- und Auskunftsrecht des GmbH-Gesellschafters nach neuem Recht, ZHR 146 (1982), 211; Grüter, Gleichbehandlung im Gesellschaftsrecht, Diss. Köln 1959; R. Heinsheimer, Über die Teilhaberschaft, 1930; Henze, Treuepflichten der Gesellschafter im Kapitalgesellschaftsrecht, ZHR 162 (1998), 186; A. Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947; G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung im Privatrecht, 1958; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Kipp, Körperschaftliche Rechtsverhältnisse, IherJ 35, 319; Kipp, Bindung von Rechtsmacht durch Treuepflichten, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 189; Ivens, Das Fördergebot des GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1988, 249; Kühn, Die Minderheitsrechte in der GmbH und ihre Reform, 1964; M. Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, 1970; Less, Der Begriff der Sonderrechte nach § 35 BGB, Diss. Göttingen 1928; Lutter, Rechtsverhältnisse zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft, in: Probleme der GmbH-Reform, 1970, 63; Lutter, Theorie der Mitgliedschaft, AcP 180 (1980), 84; Lutter, Treuepflichten und ihre Anwendungsprobleme, ZHR 162 (1998), 164; Markowitsch, Das Problem der Sonderrechte der Körperschaftsmitglieder, Diss. Berlin 1910; Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970; Martens, Die GmbH und der Minderheitenschutz, GmbHR 1984, 265; Martens, Grundlagen und Entwicklung des Minderheitenschutzes in der GmbH, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 607; Meyerowitz, Das Recht der Aktionäre auf gleichmäßige Behandlung, 1932; Müller-Erzbach, Das private Recht der Mitgliedschaft als Prüfstein eines kausalen Rechtsdenkens, 1948; Obermüller, Die Minderheitsrechte in der GmbH, DB 1967, 1971; Ott, Recht und Realität der Unternehmenskorporation, 1977; Paul, Das Problem der Sonderrechte der Körperschaftsmitglieder und der Begriff der Unterwerfung im inneren Verbandsrecht, Diss. Frankfurt/M. 1930; Paschke, Treuepflichten im Recht der juristischen Person, in: FS R. Serick, 1992, S. 313; Raiser, Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR 111 (1948), 75; Raiser, Das Unternehmen als Organisation, 1969; Raiser, Die Treuepflichten im GmbHRecht als Beispiel der Rechtsfortbildung, ZHR 151 (1987), 422; Regelsberger, Entziehbare und unentziehbare Rechte der Mitglieder einer Corporation, SeuffBl. 60, 1; Roitzsch, Der Minderheitenschutz im Verbandsrecht, 1981; Rücker, Die Entziehung von Sonderrechten eines GmbH-Gesellschafters wegen missbräuchlicher Rechtsausübung, Diss. München 1969; Rückersberg, Minderheitenschutz bei der GmbH, HansGRZ 1940, A, 205; Schäfer, Der stimmrechtslose GmbH-Geschäftsanteil, 1997; Schäfer, Stimmrechtslose Anteile in der GmbH, GmbHR 1998, 113 u. 168; H. M. Schmidt, Die gegenseitige Treupflicht der GmbH-Gesellschafter, GmbHR 1960, 137; U. Schmidt, Die Mitgliedschaft in Verbänden, 1989; F. Scholz, Die Rechte eines Minderheitengesellschafters in der GmbH, GmbHR 1955, 36; A. Schultze, Organschaftsrechte als Sonderrechte, IherJ 75, 455; A. Teichmann, Gestaltungsfreiheit in GesVerträgen, 1970; Teichmann, Rechte des Einzelnen und Befugnisse der Minderheit, in: GmbH-Reform, 1970, S. 59; Waldenberger, Sonderrechte der Gesellschafter einer GmbH – ihre Arten und ihre rechtliche Behandlung, GmbHR 1997, 49; H. Weber, Der Begriff des Sonderrechts in der Lehre von den juristischen Personen, Diss. Göttingen 1911; Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, 1956; Wiedemann, Zu den Treuepflichten im Gesellschaftsrecht, in: FS H. Winter/Seibt

|

939

§ 14

Geschäftsanteil

Heinsius, 1991, S. 949; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967; M. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988; Wolany, Rechte und Pflichten der Gesellschafter einer GmbH, 1964; Wohlleben, Informationsrechte des Gesellschafters, 1989; Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahme auf die Geschäftsführung der GmbH, 1996; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963. Weitere Lit.-Nachw. oben vor Rdnr. 2.

1. Gesellschaftsrechtliche und schuldrechtliche Rechte und Pflichten a) Gesellschaftsrechtlich 14

Gesellschaftsrechtlich sind alle nach Gesetz oder Satzung aus dem Gesellschaftsverhältnis sich ergebenden Rechte und Pflichten der Mitglieder. Die übliche Einteilung in Verwaltungsrechte (z.T. enger Organschafts-, Herrschaftsoder Teilhaberechte genannt) und Vermögensrechte (auch als Wertrechte bezeichnet) erfasst sie nur unvollständig, z.B. lässt sich das statutarische Wettbewerbsverbot oder die statutarische Zustimmungsbefugnis zur Anteilsveräußerung (s. § 15 Rdnr. 126) in keine der beiden Gruppen einordnen. Geeigneter scheint deshalb die Unterscheidung nach der personen- und vermögensrechtlichen Seite der Mitgliedschaft1, die die Mitgliedschaftsrechte im Gegensatz zu anderen Einteilungen umfassend und ohne Überschneidungen erfasst, dabei allerdings eine unzureichende funktionelle Kennzeichnung in Kauf nimmt. Der personenrechtliche Bereich umfasst insbesondere die Mitverwaltungsrechte i.e.S. (z.B. die Rechte auf Einberufung u. Teilnahme an sowie auf Anhörung in Gesellschafterversammlungen, das Stimmrecht, das Anfechtungsrecht, besondere Zustimmungsrechte zu Gesellschaftsangelegenheiten, das Recht auf GeschFühreramt), das Austrittsrecht aus wichtigem Grund (s. Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.), die Informations- und Kontrollrechte (z.B. das Auskunfts- und Einsichtsrecht, das Recht auf Mitgliedschaft im Aufsichtsrat oder zur Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds) sowie die Treuepflichten (Rdnr. 50 ff.) und Wettbewerbsverbote (Rdnr. 59). Vermögensrechtlich sind vor allem die Beitragspflichten (Stammeinlage, Nachschüsse oder sonstige Beitragsleistungen nach § 3 Abs. 2, z.B. eine Darlehensgewährung), das Bezugsrecht (s. § 55 Rdnr. 41 ff.), die Beteiligung am Jahresüberschuss, Haftungspflichten aus §§ 24, 31 Abs. 3, Nebenleistungspflichten gem. § 3 Abs. 2 und die Beteiligung am Liquidationsüberschuss zu nennen. Die gesellschaftlichen Rechte und Pflichten sind Bestandteil der Mitgliedschaft und gehen, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht zulässigerweise eine Ausnahme macht oder diese sich aus der Natur des Rechts oder der Pflicht ergibt (s. § 3 Rdnr. 80; § 15 Rdnr. 16, 32), auf den Anteilserwerber über. Die gesonderte Abtretung einzelner Mitgliedschaftsrechte an Dritte ist nur bei bestimmten Ansprüchen vermögensrechtlicher Art statthaft (s. § 15

1 Wiedemann, S. 32 ff.; jetzt folgend Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 56 f.; ähnlich Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 22. Über weitere Einteilungen vgl. Teichmann, S. 143 f. (Mitverwaltungsrechte u. einfache Mitgliedschaftsrechte), K. Schmidt, GesR, § 19 III 3c (Teilhaberechte, Schutzrechte u. Vermögensrechte), Wolany, S. 155, 162 ff.; Müller-Erzbach, S. 207 ff. (gemeinnützige Mitgliedschaftsrechte, selbstnützige Mitgliedschaftsrechte, Sonderrechte).

940

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

Rdnr. 20 f.). Eine befreiende Schuldübernahme ist für gesellschaftliche Pflichten unzulässig; bei Nebenleistungspflichten vermögensrechtlicher Art aus § 3 Abs. 2 erfordert die Entlassung des Gesellschafter-Schuldners eine Satzungsänderung (über Erlöschungsgründe vgl. § 3 Rdnr. 87). b) Schuldrechtlich Schuldrechtlich sind Rechte und Pflichten, die begründet werden durch Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern persönlich (s. § 3 Rdnr. 114 ff.). Solche Vereinbarungen können den verschiedensten Inhalt haben, z.B.: Einigung über die Bestellung einer bestimmten Person zum GeschFührer oder AufsRatsmitglied; die Verpflichtung, in einer bestimmten Angelegenheit in bestimmtem Sinne zu stimmen; Zusicherung von Büroräumen; Darlehensversprechen usw. (s. dazu § 3 Rdnr. 117). Auch eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts kann für solche Zwecke gegründet werden1. Die Vereinbarungen sind nicht nach GmbH-Recht, sondern nach allgemeinem bürgerlichen Recht zu behandeln. Der Umstand, dass die Beteiligten zugleich Gesellschafter der GmbH sind und die Vereinbarung sich auf diese bezieht, kann zwar für deren Auslegung nach §§ 133, 157 BGB und für die Bewirkung der Leistung nach § 242 BGB bedeutsam sein, ändert aber an ihrem besonderen Charakter nichts. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht aus der Mitgliedschaft in der GmbH ist auf diese Leistungsbeziehung nicht anwendbar; möglich ist u.U. aber, dass die Gesellschafter durch nebenvertragliche Bestimmungen gegen ihre Pflichten in der GmbH verstoßen (über Abreden sog. verdeckter Sacheinlagen vgl. § 5 Rdnr. 76 ff.). Die Verletzung der nebenvertraglichen Pflichten zieht grundsätzlich nur Rechtsfolgen unter den Beteiligten, z.B. Schadensersatzansprüche nach §§ 280 ff. BGB, nicht aber für das Gesellschaftsverhältnis nach sich, bildet also im Allgemeinen auch keinen wichtigen Grund für einen Gesellschafterausschluss (Anh. § 34 Rdnr. 25 ff.). Auch die Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses lässt sich, selbst wenn alle Gesellschafter an der Vereinbarung beteiligt sind2, nicht aus der abredewidrigen Stimmrechtsausübung herleiten (Trennungstheorie)3, sofern sie nicht zugleich die gesellschaftliche Bindung verletzen. Solche Verträge wirken auf die GmbH nur dann ein, wenn sie als Verträge zu Gunsten Dritter, hier der GmbH, i.S. des § 328 BGB anzusprechen sind4, bleiben aber auch dann schuldrechtlicher Art (Rdnr. 16). Die Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung gehen nicht ohne weiteres mit dem GeschAnteil auf den Erwer-

1 Vgl. Baumann/Reiß, ZGR 1989, 157, 200 f.; Joussen, Gesellschafterabsprachen neben Satzung und Gesellschaftsvertrag, 1995, S. 59 ff.; Ulmer, § 3 Rdnr. 112. 2 Abw. insoweit BGH, GmbHR 1983, 196; NJW 1987, 1890, 1891. 3 Vomhof, GmbHR 1984, 181 f.; Ulmer, NJW 1987, 1851, 1852; Ulmer, § 3 Rdnr. 123 ff.; M. Winter, S. 51 f.; M. Winter, ZHR 154 (1990), 259, 268 ff.; Hüffer, in: Hachenburg, § 47 Rdnr. 83 f.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 47 Rdnr. 124; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 8; wie BGH (vorige Fn.) im Erg. aber Happ, ZGR 1984, 168, 175; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rdnr. 79 u. K. Schmidt, unten 9. Aufl., § 45 Rdnr. 116 u. § 47 Rdnr. 53; Noack, Gesellschaftervereinbarungen, 1994, S. 162 ff.; Joussen, S. 146 ff. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall des Rechtsmissbrauchs (vgl. M. Winter, S. 277 f. m.w.N.). 4 BGH, GmbHR 1993, 214, 215. A.M. offenbar OLG Nürnberg, BB 1981, 1293.

H. Winter/Seibt

|

941

15

§ 14

Geschäftsanteil

ber über, sondern bedürfen der besonderen Abtretung bzw. Schuldübernahme (§§ 398, 414 f. BGB), es sei denn, es leigt eine Gesamtrechtsnachfolge des Erwerbers vor1. 16

Nichtgesellschaftsrechtliche Leistungspflichten können auch zwischen der GmbH und ihren Gesellschaftern bestehen. Sie können wie mit einem Dritten durch ein gesondertes Rechtsgeschäft begründet werden, aber auch als sog. unechter Satzungsbestandteil bereits im Gesellschaftsvertrag enthalten sein, wenn dessen Auslegung ergibt, dass die betreffende Bestimmung nicht die Gesellschafterstellung des Berechtigten oder Verpflichteten als solche regeln soll (Näheres zur Abgrenzung vgl. § 3 Rdnr. 102 ff., insbes. 107 f.). Die sog. Drittgeschäfte mit den Gesellschaftern unterliegen grundsätzlich nicht dem Gesellschaftsrecht2, sondern auf sie sind die jeweils einschlägigen allgemeinen Vorschriften anwendbar. Die schuldrechtliche Natur des Rechtsgeschäfts ändert sich nicht schon deswegen, weil die Gesellschafterstellung für sein Zustandekommen oder die vereinbarten Konditionen erheblich war, aber für den Vertragsabschluss gelten dann der Gleichbehandlungsgrundsatz (Rdnr. 40) sowie die gesellschaftliche Treuepflicht (Rdnr. 50)3, und bei der Vertragsabwicklung darf im Rahmen des § 242 BGB die Sonderverbindung zur Gesellschaft nicht unberücksichtigt bleiben. Die Gesellschafter stehen im Übrigen mit ihren Gläubigerforderungen aus besonderen schuldrechtlichen Geschäften grundsätzlich einem Dritten gleich (daher die übliche Bezeichnung als Drittgeschäfte). Die Doppelrolle als Gesellschafter und Gläubiger wird aber ausnahmsweise bei der rechtlichen Behandlung von Darlehensrückgewähransprüchen oder ihnen wirtschaftlich entsprechende Forderungen aus anderen Geschäften, z.B. Kaufpreisforderungen bei ungewöhnlichem Zahlungsziel oder bei Stundung (s. §§ 32a, 32b Rdnr. 85 ff.), oder von Gesellschaftersicherheiten nach §§ 32a, 32b GmbHG, § 135 InsO, § 6 AnfG bedeutsam4. Die in der äußeren Form eines Drittgeschäfts erscheinenden Rechtsgeschäfte können auch in anderen Fällen einen gesellschaftsrechtlichen Gehalt haben, z.B. bei der Vereinbarung einer unverhältnismäßig hohen Gegenleistung der GmbH beim Kauf, die teilweise als verdeckte Gewinnausschüttung oder verbotene Stammkapitalrückzahlung zu werten ist und daher den entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften unterliegt (s. § 29 Rdnr. 74 f., § 30 Rdnr. 32 ff.). Es kann im Einzelfall auch eine Umgehung zwingender gesetzlicher Vorschriften vorliegen, z.B. bei Vereinbarungen über verschleierte Sachgründungen mittels eines Kaufgeschäfts (s. § 5 Rdnr. 76 ff.).

1 Ulmer, § 3 Rdnr. 116 m.w.N. 2 Vgl. BGH, ZIP 1988, 1117, 1118 betr. die gesellschafterliche Treuepflicht. 3 Gl.M. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 8. 4 Entgegen der auch im Ergebnis bedenklichen Entscheidung des OLG Hamburg, ZIP 1985, 1390, 1391 bleibt aber auch ein diesen Vorschriften unterliegender Rückgriffsanspruch eines Gesellschafterbürgen ein Drittgläubigerrecht, da er nur gegenüber Forderungen anderer Drittgläubiger, nicht aber gegenüber Gesellschafteranspüchen zurückgesetzt wird.

942

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

c) Gläubigerrechte Sog. Gläubigerrechte der Gesellschafter nehmen eine Mittelstellung ein zwischen den gesellschaftsrechtlichen und schuldrechtlichen. Sie sind nicht zu verwechseln mit den sog. Drittgläubigerrechten der Gesellschafter, die auf Rechtsgeschäften beruhen, die ein Gesellschafter wie ein Dritter mit der GmbH abgeschlossen hat, z.B. aus Verkauf, Vermietung von Räumen, Darlehenshingabe (falls nicht etwa eine gesellschaftsrechtliche Nebenleistungspflicht i.S. des § 3 Abs. 2 hierzu bestand), und die ihnen deshalb grundsätzlich dieselbe Rechtsstellung gewähren (Rdnr. 16). Dagegen sind Gläubigerrechte der Gesellschafter solche, die aus dem Gesellschaftsverhältnis (Rdnr. 14) entsprungen und zu einem Gläubigerrecht geworden sind, aber ihren gesellschaftsrechtlichen Sinngehalt behalten haben, z.B. dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Rdnr. 40 ff.) und der besonderen Treuebindung des Gesellschafters (Rdnr. 50 ff.) weiter unterliegen, wodurch sie sich von reinen Gläubigerrechten (Drittgläubigerrechten) unterscheiden1. Hierher gehören: Ansprüche der Gesellschafter gegen die GmbH auf Bezahlung der Lieferungen, die in Erfüllung einer gesellschaftsrechtlichen Nebenleistungspflicht (§ 3 Abs. 2) erfolgt waren; das aus dem Gewinnverteilungsbeschluss der Gesellschafter (§ 46 Nr. 1) entspringende Gläubigerrecht des einzelnen Gesellschafters auf die Gewinnquote; Anspruch des einzelnen Gesellschafters auf Anteil am Liquidationserlös (§ 72).

17

2. Allgemeine Mitgliedschaftsrechte und Sonderrechte (Sonderpflichten) a) Grundlagen Allgemeine Mitgliedschaftsrechte sind solche, die allen Gesellschaftern gleichmäßig zustehen; Sonderrechte sind dagegen die einzelnen Gesellschaftern oder Gruppen von Gesellschaftern statutarisch eingeräumten mitgliedschaftlichen Vorrechte (Rdnr. 19). Für Sonderrechte spricht § 35 BGB (den Verein betreffend) den auch für die GmbH geltenden2 Grundsatz aus: „Sonderrechte eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluss der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden.“ Damit ist entgegen einer früher häufig vertretenen Meinung keine Begriffsbestimmung gegeben, sondern nur an das Bestehen eines Sonderrechts eine Rechtsfolge geknüpft. Es gibt daneben auch allgemeine Mitgliedschaftsrechte, auf die jene Rechtsfolge ebenfalls zutrifft oder die darüber hinausgehend selbst mit Zustimmung des Gesellschafters nicht entziehbar sind (Rdnr. 32 ff.). Die Unentziehbarkeit richtet sich in diesen Fällen aber nach anderen, unter sich und im Vergleich mit den Sonderrechten nicht auf einen einheitlichen Regelungsgesichtspunkt zurückzuführende Kriterien3. Verwandt sind die Gründe der Unentziehbarkeit allerdings für Sonderrechte und 1 Vgl. Wiedemann, S. 292 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 40; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 54; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 9. 2 RGZ 80, 389; 159, 281; 170, 368; BGHZ 48, 143; BGH, GmbHR 1962, 212; NJW 1969, 131; WM 1989, 250, 252; Ullrich, ZGR 1985, 235, 242. 3 Vgl. dazu auch Wiedemann, GesR I, S. 357 ff. m.w.N.; unzutr. die an die Sonderrechtsdefinition O. v. Gierkes anknüpfende Erklärung von Feine, S. 273 m.N., dass die Unentziehbarkeit immer aus der Zugehörigkeit des Rechts zur Individualsphäre des Mitglieds folge.

H. Winter/Seibt

|

943

18

§ 14

Geschäftsanteil

für die Gruppe der kraft statutarischer Bestimmung unentziehbaren Mitgliedsrechte (Rdnr. 37) insofern, als die Eingriffsschranke aus dem Gesellschaftsvertrag sich ergibt. Eine relative Grenze für die Entziehung und Verkürzung von Mitgliedschaftsrechten bildet schließlich der Gleichbehandlungsgrundsatz (Rdnr. 40 ff.), der wie auch die gesellschaftliche Treuepflicht (Rdnr. 50 ff.) und die konzernrechtlichen Regelungen (Anh. Konzernrecht, nach § 13) einen Teil der Schutzfunktion übernommen hat, die die erwähnten früheren Lehrmeinungen in den Sonderrechtsbegriff einbezogen hatten1. b) Sonderrechte aa) Begriff 19

Der Begriff des Sonderrechts war lange Zeit im Schrifttum außerordentlich umstritten, was nicht zuletzt auf den immer wieder hervortretenden Bestrebungen beruhte, ihn als konstruktives Mittel für einen allgemeinen Schutz von Mitgliedschaftsrechten gegen Eingriffe durch die Gesellschaftermehrheit einzusetzen. Auch das Reichsgericht nahm keinen einheitlichen Standpunkt ein: Überwiegend verstand es unter einem Sonderrecht zwar das mitgliedschaftliche Vorrecht einzelner Gesellschafter2, verwendete den Begriff aber auch in einem weiteren Sinne3. Die zuerst genannte Auffassung, die schon der Gesetzeswortlaut des § 35 BGB nahelegt, die sich auch auf die Gesetzesmaterialien4 stützen kann und die allein eine befriedigende Abgrenzung dieser Gruppe unentziehbarer Rechte ermöglicht, hat sich heute mit Recht durchgesetzt, d.h. als Sonderrechte sind nur solche Mitgliedschaftsrechte anzusehen, die einzelnen Gesellschaftern oder einer Gruppe von Gesellschaftern eine Vorzugsstellung vor anderen gewährt5. Mit Sonderrechten ausgestattete GeschAnteile werden Vorzugsgeschäftsanteile genannt (Rdnr. 63). Die sog. Gläubigerrechte der Gesellschafter (Rdnr. 17) gehören dagegen nicht zu den mitgliedschaftlichen Sonderrechten. bb) Begründung und Inhalt

20

(1) Ein Sonderrecht kann als dauernde Regelung des Gesellschaftsverhältnisses wirksam nur durch Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag begründet werden6. 1 Unzutr. Reuter, in: MünchKomm. BGB, § 35 Rdnr. 2, wonach die historischen Funktionen des Sonderrechts „so gut wie vollständig“ auf die genannten Institutionen übergegangen sein sollen. Er verengt nicht nur den historischen Ansatz, sondern verkennt auch die gegenwärtige Schutzfunktion des Sonderrechts und übersieht – wie auch Ullrich, ZGR 1985, 235, 243 – die Entwicklung der sonstigen unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte. 2 RGZ 49, 151; 73, 191; 104, 255 f.; 165, 133; 170, 368 u.a. 3 RGZ 49, 198; 57, 174; 68, 212; 76, 156; 136, 190 u.a. 4 Prot. I, 530. 5 BGH, NJW 1969, 131; LM, § 50 ZPO Nr. 23; BGHZ 63, 14, 19; BGH, WM 1989, 250, 252; OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257; Flume, S. 272; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 24 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Wiedemann, GesR I, S. 358 f., 380 f. u.a. 6 RGZ 79, 336; 113, 245; 165, 132; 170, 367; BGH, NJW 1969, 131; GmbHR 1982, 129; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 82; Ullrich, ZGR 1985, 235, 240 ff.

944

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

Möglich ist seine Einführung bei Gründung und auch im Wege der Satzungsänderung (§ 53)1, die dann nach Maßgabe des Grundsatzes der gleichmäßigen Behandlung (der z.B. nicht verletzt ist, sofern alle Gesellschafter ein Bezugsrecht auf Vorzusgeschäftsanteile erhalten) der Zustimmung der nicht bevorrechtigten übrigen Gesellschafter bedarf2; andernfalls ist der satzungsändernde Beschluss anfechtbar (Rdnr. 47). Beeinträchtigt das vorgesehene Recht ein bestehendes unentziehbares, aber verzichtbares Recht eines anderen Gesellschafters, so ist die Satzungsänderung ohne Zustimmung des Rechtsinhabers unwirksam (Rdnr. 28, 39). (2) Der Inhalt der Sonderrechte kann mitgliedschaftliche Bevorrechtigungen der verschiedensten Art betreffen. Die Beteiligten haben bei der GmbH gerade insoweit eine sehr weit gehende Gestaltungsfreiheit3, die freilich – auch abgesehen von den allgemeinen gesetzlichen Verboten (§ 134 BGB) und den Schranken der guten Sitten (§ 138 BGB) – durch einzelne zwingende Vorschriften sowie Gestaltungsprinzipien des GmbH-Rechts begrenzt wird4. Sonderrechte dürfen keinen danach unzulässigen Gegenstand haben (z.B. entgegen § 30 eine Leistung aus dem zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen gewähren; s. Erl. zu § 30), nicht gegen zwingende Kompetenzvorschriften verstoßen (z.B. §§ 26 Abs. 1, 53 Abs. 1, 60 Abs. 1 Nr. 2, 66 Abs. 1 u. 3 GmbHG; §§ 5 f., 8, 12 Montan-MitbestG; §§ 6 f., 13 MitbestErG v. 1956; §§ 6 f., 8, 31 MitbestG; § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1 DrittelbG5) oder absolut unentziehbare Rechte anderer Gesellschafter (Rdnr. 33) verkürzen. Die Sonderrechte können innerhalb dieser Grenzen Vorrechte bei der Mitverwaltung gewähren, z.B. ein erhöhtes Stimmrecht (s. bei § 47), Zustimmungs- oder Einspruchsrechte bei Gesellschafterbeschlüssen6, Weisungsrechte gegenüber der GeschFührung, das Recht zur Versammlungsleitung, ein Entsendungsrecht für Mitglieder des Aufsichtsrates oder eines anderen Kontrollorgans7, das Recht zur Ernennung des GeschFührers (s. § 6 Rdnr. 42) oder zur GeschFührung für sich und/oder seinen Nachfolger8. Das Recht zur Abberufung des Ernannten oder des GeschFührungsberechtigten aus wichtigem Grunde (§ 38 Abs. 2) kann aber nicht abbedungen werden9. Eine solche Abberufung ist durch einfachen Mehrheitsbeschluss möglich, der allerdings zu beurkunden ist10.

1 RGZ 165, 132; RG, DR 1943, 1230; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 28; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 11; s. auch bei § 53. 2 Vgl. die in der vorigen Fn. Zitierten sowie Lutter/Timm, NJW 1982, 418; Waldenberger, S. 50. 3 A.M. Reuter, in: MünchKomm. BGB, § 35 Rdnr. 3, der entgegen der allg.M. zu Unrecht für die sog. Satzungs-GmbH aus dem Sinn der §§ 12, 101, 139 f. AktG die Unzulässigkeit von Sonderorganschaftsrechten herleitet. 4 Vgl. auch Waldenberger, S. 51 f. 5 Zu zulässigen Mitbestimmungsvereinbarungen Seibt, AG 2005, 413 ff. 6 RGZ 169, 81; RG, SeuffA 69 Nr. 129; KG, JW 1926, 598. 7 OLG Stuttgart, GmbHR 1999, 537, 538. 8 RGZ 44, 99; 170, 386; RG, LZ 1908 Sp. 450; 1914 Sp. 1762; 1916 Sp. 809; BGH, GmbHR 1962, 212 f.; NJW 1969, 131; GmbHR 1973, 279; 1982, 129; 1988, 336; WM 1989, 250. – Formulierungsvorschläge bei Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, § 2 Rdnr. 93–101. 9 OLG Nürnberg, GmbHR 2000, 561, 562. 10 OLG Nürnberg, GmbHR 2000, 563, 564.

H. Winter/Seibt

|

945

21

§ 14 22

Geschäftsanteil

Zu beachten ist auch, dass aus der Bestellung zum GeschFührer im Gesellschaftsvertrag (§ 6 Abs. 2) im Zweifel nicht auf das Bestehen eines Sonderrechts geschlossen werden kann (s. dazu § 6 Rdnr. 44) und auch sonst stets zu prüfen ist, ob die Satzungsbestimmung ein Mitgliedschaftsrecht des Betreffenden begründen wollte1. Ebenso kann die Vorzugsstellung vermögensrechtlicher Art sein, z.B. einen höheren Gewinnanteil (s. § 29 Rdnr. 78), eine höhere Liquidationsquote (s. bei § 72), ein Veräußerungserlösvorrecht (sog. Sales Preference), Benutzungsrechte an Vermögensgegenständen oder Einrichtungen der Gesellschaft, Belieferungsoder Abnahmerechte u.ä. einräumen. Schließlich kommen auch sonstige personenrechtliche Befugnisse des Gesellschafters in Betracht, z.B. ein Zustimmungsrecht bei der Übertragung von GeschAnteilen2 (s. § 15 Rdnr. 122), ein Recht zur Übernahme eines anderen GeschAnteils (s. § 15 Rdnr. 51), besondere Auskunfts-, Einsichts- oder Prüfungsrechte u. dgl. Kein Sonderrecht ist dagegen die im Verhältnis zu den übrigen Gesellschaftern erfolgte Verschonung von Nachschuss- oder Nebenleistungspflichten3; gegen eine nachträgliche Belastung schützt aber hier § 53 Abs. 3.

23

Die Sonderrechte können auf die Dauer der Gesellschaft oder mit zeitlicher Begrenzung, für einen bestimmten Gesellschafter oder jeden Anteilsinhaber (Rdnr. 25) begründet werden. Möglich ist auch die Vereinbarung einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung; ein Vorrecht, das nach dem Gesellschaftsvertrag ohne Zustimmung des Berechtigten entzogen werden kann, ist aber kein auflösend bedingtes Sonderrecht, sondern ihm fehlt dessen Rechtsqualität überhaupt4. Von den Sonderrechten zu unterscheiden sind die Gläubigerrechte der Gesellschafter (Rdnr. 17). Erst recht fehl am Platz ist der Ausdruck „Sonderrecht“ für schuldrechtliche Ansprüche einzelner Gesellschafter, auch wenn sie in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen worden sind (s. § 3 Rdnr. 102 f.). Es versteht sich von selbst, dass diese Vertragsrechte nicht durch Mehrheitsbeschlüsse der Gesellschafter beinträchtigt werden dürfen. Hierzu können auch Gründervorteile gehören, die allerdings, auch wenn als persönliche, nicht gesellschaftsrechtliche Rechte gedacht, nach h.M. der Aufnahme in die Satzung bedürfen (dazu § 3 Rdnr. 100). cc) Übergang des Geschäftsanteils

24

Der neue Inhaber erwirbt grundsätzlich auch die Sonderrechte, da sie Bestandteil der Mitgliedschaft sind5. Doch kann der Gesellschaftsvertrag Gegenteiliges vorsehen, insbesondere wird ein Sonderrecht zur GeschFührung im Zweifel als 1 RGZ 170, 358, 368; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 28. – Formulierungsvorschläge bei Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, § 2 Rdnr. 93–101. 2 RGZ 159, 280. 3 Unzutr. Wolany, S. 177. 4 A.M. Wolany, S. 180. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 29; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26, 37; einschr. Wiedemann, Übertragung, S. 74 ff. u. GesR I, S. 381 f. Auf den Einzelfall abstellend Meyer-Landrut, Rdnr. 10; Waldenberger, GmbHR 1997, 52.

946

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

höchstpersönliches Recht gewollt sein und deshalb beim Ausscheiden erlöschen. In anderen Fällen ist das nur anzunehmen, wenn die Satzung ausreichende Anhaltspunkte für eine derartige Beschränkung enthält. Von den an die Mitgliedschaft eines bestimmten Gesellschafters gebundenen Sonderrechten sind die sog. Sondervorteile zu unterscheiden1, die zwar die Zugehörigkeit des Begünstigten zur Gesellschaft bei der Begründung des Rechts durch eine Satzungsbestimmung und durch einen zusätzlichen schuldrechtlichen Vertrag voraussetzen, aber ihm unabhängig von der Mitgliedschaft persönlich zustehen, also ihm auch nach der Übertragung des Geschäftsanteils verbleiben und getrennt von diesem übertragen werden können. dd) Aufhebung und Änderung Erforderlich ist ein satzungsändernder Beschluss, § 53 Abs. 3.

25

(1) Außerdem ist für jede Änderung, die ein Sonderrecht beeinträchtigt (Rdnr. 28), die Zustimmung seines Inhabers erforderlich (§ 35 BGB)2. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn der Beschluss in das Sonderrecht direkt schmälernd eingreift. Es genügt vielmehr, wenn durch ihn notwendig nachteilige Folgen für den Berechtigten zu erwarten sind3. Die Vorschriften des § 37 Abs. 1 und 3 MitbestG, die für die ihm unterliegenden GmbH die vor seinem Inkrafttreten oder vor seiner Anwendbarkeit wirksam begründeten Sonderrechte auf GeschFührung (Rdnr. 20 f.) beseitigen und die darauf beruhenden GeschFührerstellungen jederzeit widerruflich machen, sind mit Art. 12, 14 Abs. 3 GG unvereinbar und daher verfassungswidrig4.

26

(2) Die Zustimmung des Rechtsinhabers ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn ein wichtiger Grund für die Einschränkung oder Entziehung von Sonderrechten vorliegt5, d.h. wenn Umstände gegeben sind, die bei Abwägung der Interessen

27

1 A.M. Ulmer, § 5 Rdnr. 189, 202, der sie unter der zuletzt genannten Bezeichnung zusammenfasst und den personenunabhängigen Vorzugsrechten gegenüberstellt. Wie hier Waldenberger, GmbHR 1997, 53; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 3 Rdnr. 46, § 5 Rdnr. 55, § 14 Rdnr. 17 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21. 2 Vgl. Nachw. Rdnr. 18 sowie Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 30; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 32 und unten bei § 53. 3 RG, WarnRspr. 1918 Nr. 133; Reuter, in: MünchKomm. BGB, § 35 Rdnr. 7; Palandt/ Heinrichs, § 35 BGB Rdnr. 5; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 30; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 87; Waldenberger, GmbHR 1997, 54. 4 Eb. Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 157 f.; Zöllner, ZGR 1977, 320 f.; Raiser, MitbestG, § 37 Rdnr. 2; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 30; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, 1978, § 37 Rdnr. 62; differenzierend Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestG, 2. Aufl. 2006, § 37 Rdnr. 36 f.; a.M. Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, 2. Aufl. 1978, § 37 Rdnr. 35; Fabricius, in: Gemeinschafts-Komm. z. MitbestG, 1976 ff., § 37 Rdnr. 69 ff. 5 OLG Düsseldorf, WM 1990, 265; H. M. Schmidt, GmbHR 1960, 137, 139; Wolany, S. 180 f.; Rücker, S. 90 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 18; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Flume, S. 192; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 35; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 32.

H. Winter/Seibt

|

947

§ 14

Geschäftsanteil

aller Beteiligten das (unveränderte) Bestehen des Sonderrechts für die Gesellschaft auf Dauer unzumutbar erscheinen lassen. Die Nichtzustimmungsbedürftigkeit der Satzungsänderung kann aber nicht, wie teilweise angenommen worden ist1, mit dem Hinweis auf die Zulässigkeit der Ausschließung aus wichtigem Grund (s. Anh. § 34 Rdnr. 21 ff.) gerechtfertigt werden. Die Einschränkung und Entziehung von Sonderrechten sind gegenüber der Ausschließung nicht einfach ein Weniger2 und nicht einmal notwendig ein „milderes Mittel“3, sondern wirken wegen der trotz Wegfall der Vorzugsstellung bestehenbleibenden Bindung des Gesellschafters an die GmbH wesentlich anders und u.U. viel einschneidender als eine Aufhebung der Mitgliedschaft. Die rechtliche Möglichkeit eines derartigen umgestaltenden Eingriffs in das Mitgliedschaftsverhältnis ergibt sich zum einen aus dem allgemeinen Grundsatz der Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund sowie zum anderen aus der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften über die Entziehung der GeschFührungsbefugnis (§ 712 Abs. 1 BGB, § 117 HGB, § 38 Abs. 2 GmbHG), demzufolge der Gesellschafter unter Aufrechterhaltung seiner Bindung selbst den Verlust einer sonst gesicherten wesentlichen mitgliedschaftlichen Einzelbefugnis aus wichtigem Grunde im Interesse der Gesellschaft hinnehmen muss4. Bei der GmbH steht das Sonderrecht auf GeschFührung nach § 38 Abs. 2 überdies stets unter dem Vorbehalt des wichtigen Grundes5. Die Vorschrift ermächtigt die Gesellschafterversammlung zwar nicht zur Aufhebung des Sonderrechts, sondern gestattet nur den keine Satzungsänderung voraussetzenden6 Eingriff durch Abberufung, führt aber, wenn der wichtige Grund nicht nur vorübergehender Natur ist und deshalb eine (Wieder-)Bestellung7 nicht mehr verlangt werden kann, zur Unmöglichkeit des statutarischen Rechts auf GeschFührung; das Zustimmungserfordernis zu der das Sonderrecht streichenden Satzungsänderung entfällt deshalb in diesem Fall auch mangels eines berechtigten Interesses. Für andere Sonderrechte fehlt es zwar an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Rechtsfolgen des Eintritts eines wichtigen Grundes, aber die durch jene Vorschriften eröffnete Möglichkeit der Einschränkung oder Entziehung einer mitgliedschaftlichen Einzelbefugnis muss auf Grund desselben Rechtsgedankens ebenfalls für andere Vorrechte bei der Mitverwaltung (Rdnr. 21), aber auch für solche vermögensrechtlicher Art, insbesondere Abnahme- und Liefe1 So Schilling, in: Hachenburg, 7. Aufl. 1975, Rdnr. 11. 2 So Schilling, in: Hachenburg, 7. Aufl. 1975, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 28. 3 So Rücker, S. 100; Schilling, in: Hachenburg, 7. Aufl. 1975, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28; dagegen mit Recht Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 18; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 88; Waldenberger, S. 54, die zutreffend auf die Umstände des Einzelfalles verweisen. 4 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 31 stützt die Zulässigkeit der Entziehung aus wichtigem Grunde auf eine Rechtsanalogie zu den §§ 712 Abs. 1 BGB, 117, 127, 140 HGB, 38 Abs. 2 GmbHG; ebenso Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 87; Waldenberger, GmbHR 1997, 54 bezieht sich zusätzlich auf die gesellschafterliche Treuepflicht. 5 RGZ 170, 368; RG, LZ 1908, 450; 1914, 1762; 1919, 596, 703; BGH, GmbHR 1962, 212; NJW 1969, 131; GmbHR 1983, 149, 150. 6 Unzutr. OLG Hamburg, GmbHR 1954, 188; wie hier Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 90. 7 Vgl. dazu OLG Frankfurt, GmbHRspr. II R. 11.

948

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

rungsrechte des Mitglieds (Rdnr. 22), gelten, wobei die bei der Zumutbarkeitsprüfung erforderliche Abwägung jeweils die besondere Natur des Rechts und seine Bedeutung sowohl für die GmbH als auch für den Gesellschafter berücksichtigen muss. Sind mildere Mittel als die dauernde oder vollständige Rechtsverkürzung vorhanden, gehen diese in allen Fällen vor (z.B. Verringerung einer Vorzugsdividende). Das kann, wie bereits erwähnt, im Einzelfall auch die Ausschließung sein, die (nur) dann vorgenommen werden darf1. Der wichtige Grund ersetzt im Übrigen nur das Zustimmungserfordernis des Betroffenen, macht aber den satzungsändernden Gesellschafterbeschluss (Rdnr. 25) nicht überflüssig2. Der Berechtigte hat in diesem Fall kein Stimmrecht (§ 47 Abs. 3)3. Ein gerichtliches Gestaltungsurteil ist nicht erforderlich4. ee) Folgen von Rechtsverletzungen Das Sonderrecht eines Gesellschafters kann durch Gesellschafterbeschluss außer beim Vorliegen eines wichtigen Grundes (Rdnr. 27) nur mit seiner Zustimmung beeinträchtigt werden (§ 35 BGB). Ein Gesellschafterbeschluss, der ohne die danach erforderliche Zustimmung ein Sonderrecht verletzt, ist insoweit unwirksam5. Er ist aber nur dem Verletzten gegenüber, also relativ unwirksam6, sofern sich aus dem Beschluss nicht ergibt, dass er seinem Inhalt nach ohne die Geltung für den Zustimmungsberechtigten rechtlich nicht bestehen kann (gegenstandslos oder nicht mehr sinnvoll ist), oder wenn er erkennbar nur für den Fall seiner Beteiligung gewollt ist. Einer Anfechtungsklage gegen den Beschluss bedarf es nicht. Der Sonderberechtigte kann aber erforderlichenfalls nach § 256 ZPO auf Feststellung des Fortbestehens seines Rechts oder der Unwirksamkeit der beschlossenen Rechtsbeeinträchtigung klagen7. Ebenso kann er sonst jederzeit auf die Unwirksamkeit der Beeinträchtigung sich berufen. Der Beschluss kann andererseits nachträglich durch die Genehmigung der Berechtigten wirksam werden (§ 184 BGB), die auch durch schlüssige Handlungen erfolgen kann und so lange möglich ist, wie er seine Ablehnung noch nicht erklärt hat. Bis dahin besteht ein Schwebezustand, den die GmbH analog §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2 BGB durch eine Aufforderung mit angemessener Erklärungsfrist beenden kann8. Äußert er sich nicht fristgemäß, so gilt das als Ablehnung, und der 1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; abw. Reuter, in: MünchKomm. BGB, § 35 Rdnr. 7, der immer auf die Ausschließung verweist, während Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21 ihre Anwendbarkeit generell verneint und dem Gesellschafter, wenn eine Sonderrechtsbeeinträchtigung ihn härter trifft, ein Austrittsrecht aus wichtigem Grunde geben will. 2 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 89; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 32; a.M. Wolany, S. 181; H. M. Schmidt, GmbHR 1960, 137, 139, die einen einfachen Gesellschafterbeschluss genügen lassen. 3 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 89. 4 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 32; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 90; a.M. Rücker, S. 116 ff. 5 RGZ 170, 376; BGHZ 15, 181; 48, 143; BGH, GmbHR 1962, 212; WM 1966, 477; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 33; s. auch bei § 45 und § 53. 6 RGZ 170, 376; BGHZ 15, 181. 7 RG, WarnRspr. 1918 Nr. 133; BGHZ 15, 181; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 33. 8 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 33; Waldenberger, GmbHR 1997, 55.

H. Winter/Seibt

|

949

28

§ 14

Geschäftsanteil

Beschluss ist endgültig unwirksam. Es ist allerdings eine neue Beschlussfassung zulässig, bei der kein Gesellschafter an seine frühere Stimmabgabe gebunden ist1. Die schuldhafte Verletzung ebenso wie die rein tatsächliche Beeinträchtigung eines Sonderrechts begründet einen Schadensersatzanspruch2. ff) Sonderpflichten 29

Sie müssen, wie Sonderrechte, im Gesellschaftsvertrag festgesetzt sein. Hierher gehören: Aufgeld-, Nachschuss- und sonstige Leistungspflichten einzelner Gesellschafter, Wettbewerbsverbot für einzelne, Pflicht zur Übernahme oder Beibehaltung einer Tätigkeit (z.B. als GeschFührer, Buchprüfer, Rechtsberater); allerdings ist zu beachten, dass Dienstleistungen sind erzwingbar sind (§ 888 Abs. 2 ZPO)3. Auch hier ist, trotz Aufnahme in die Satzung, stets zu prüfen, ob die Verpflichtung eine schuldrechtliche und schon deshalb jedem Mehrheitsbeschluss entzogene und nicht an den GeschAnteil geknüpfte ist, oder aber eine gesellschaftsrechtliche. Im letzteren Falle geht sie im Zweifel auf einen Erwerber des GeschAnteils des Verpflichteten über4. Ohne Zustimmung des Betroffenen kann auch durch satzungsändernden Beschluss eine Vermehrung (Erschwerung) der Sonderpflicht nicht erfolgen; ein solcher Beschluss wäre relativ unwirksam i.S. des in Rdnr. 28 Gesagten. Dies folgt schon aus § 53 Abs. 3 (dazu auch § 180 Abs. 1 AktG) und ergibt sich auch durch Umkehrung des in § 35 BGB (Rdnr. 18) enthaltenen Rechtssatzes: Sonderpflichten eines Mitglieds können nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluss der Mitgliederversammlung begründet, vermehrt oder erschwert werden5.

30

Nicht zu verwechseln mit Sonderpflichten im vorstehenden Sinne sind Sonderoder Nebenleistungspflichten i.S. des § 3 Abs. 2. Bei diesen steht die Sonderpflicht im Gegensatz zur allg. Stammeinlagepflicht, nicht als Sonderbelastung einzelner Gesellschafter im Verhältnis zu den anderen. Doch kann auch der letztere Fall vorliegen, wenn nämlich die Nebenleistungspflichten für einzelne Gesellschafter höher bemessen sind. c) Unentziehbarkeit allgemeiner Mitgliedschaftsrechte aa) Allgemeines

31

Ein einheitliches Kriterium, demzufolge sich bestimmen ließe, ob ein allgemeines Mitgliedschaftsrecht der Gesellschafter entzogen oder eingeschränkt werden kann, gibt es nicht6. Ebenso wenig lässt sich eine Vermutung für oder gegen

1 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 33. 2 RG, JW 1930, 3473; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 33 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 92. 3 Zur mangelnden Vollstreckbarkeit der Pflicht zur Geschäftsführung BGHZ 78, 82, 86; vgl. auch Schneider/Schneider, GmbHR 1980, 4, 8. 4 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 66; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 11. 5 Eb. Feine, S. 281; Zöllner, S. 111; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 66; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 11. 6 Vgl. auch Wiedemann, GesR I, S. 363 f.

950

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

eine Entziehbarkeit allgemeiner Mitgliedschaftsrechte begründen, insbesondere sind dahingehende Schlüsse aus § 53 Abs. 1 u. 2 oder aus den Spezialregelungen der §§ 35 BGB, 53 Abs. 3 GmbHG nicht möglich1. Für jedes Mitgliedschaftsrecht ist vielmehr gesondert zu prüfen, ob und inwieweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag seine Entziehung ausschließen2. Nach dem Grund der Unentziehbarkeit sind die folgenden Gruppen zu unterscheiden: bb) Absolut unentziehbare (unverzichtbare) Mitgliedschaftsrechte Es handelt sich dabei um die den Gesellschaftern kraft zwingender Rechtsnormen zustehenden und deshalb weder im ursprünglichen noch im geänderten Gesellschaftsvertrag auszuschließenden oder einzuschränkenden Mitgliedschaftsrechte. Die Unentziehbarkeit beruht bei ihnen also in Wirklichkeit auf die Begrenzung der Satzungsautonomie (inhaltliche Gestaltungsfreiheit). Hierher gehören das Auskunfts- und Einsichtsrecht des Gesellschafters (§ 51a)3, das Minderheitenrecht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung und Aufnahme von Anträgen in die Tagesordnung (§ 50)4, das Recht auf Teilnahme an und Rede in der Gesellschafterversammlung5, die Berechtigung zur Erhebung der Anfechtungsklage bei mangelhaften Gesellschafterbeschlüssen (s. bei § 45), das Preisgaberecht bei unbeschränkter Nachschusspflicht (§ 27 Abs. 4), das Austrittsrecht aus wichtigem Grund6 (s. dazu Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.), die Berechtigung zur Auflösungsklage nach § 61 und das Antragsrecht zur Bestellung oder Abberufung von Liquidatoren nach § 66 Abs. 2 u. 3. Dagegen sind die Rechte auf einen Gewinnanteil (§ 29) sowie auf eine Liquidationsquote (§ 72) und entgegen vereinzelt erhobener Bedenken7 auch das Stimmrecht (§ 47)8 trotz der

1 Abw. Schäfer, Der stimmrechtslose Geschäftsanteil, 1997, S. 171 ff., insbes. S. 176. 2 RGZ 170, 368; OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257, 259; Feine, S. 274; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 16; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3 ff.; Winter, GmbHR 1964, 251, 252; einschränkend auf sog. organschaftliche Mitgliedschaftsrechte RGZ 68, 211 f., was aber auf dem dort verwendeten zu weiten – alle selbstnützigen Mitgliedsbefugnisse umfassenden – Sonderrechtsbegriff beruht; s. dazu Rdnr. 19. 3 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 35; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 60. 4 Heute ganz h.M.; anders noch RGZ 68, 212; RG, JW 1933, 2904; KG, GmbHRspr. I § 50 Nr. 1. Näheres dazu bei § 50. 5 RGZ 167, 73; BGH, GmbHR 1971, 207; 1989, 120, 121; OLG Frankfurt, GmbHR 1984, 99, 100; s. auch bei § 48; einschr. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 48 Rdnr. 3; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 48 Rdnr. 3. Die grundsätzliche Zulässigkeit von sog. Vertreterklauseln wird davon nicht berührt; vgl. dazu RGZ 80, 385, 390 f.; 88, 220, 221; BGH, GmbHR 1989, 120, 121 u. K. Schmidt, unten 9. Aufl., § 48 Rdnr. 13 u. 15 m.w.N. 6 BGHZ 116, 359, 360/369. 7 Brodmann, § 47 Anm. 1a und, soweit die zwingende Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung gegeben ist, Wiedemann, GesR I, S. 369. 8 BGHZ 14, 264, 269 ff.; BGH, GmbHR 1993, 591, 592; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 34; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 64; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17; Schäfer, Der stimmrechtslose Geschäftsanteil, 1997, S. 64 ff., 117 ff.

H. Winter/Seibt

|

951

32

§ 14

Geschäftsanteil

ihnen normalerweise zukommenden Bedeutung für die Mitgliedschaft abdingbar. Unzulässig wäre allerdings der Ausschluss des Stimmrechts aller Gesellschafter, weil dadurch ein notwendiges (§§ 45 Abs. 1, 53 Abs. 1, 60 Abs. 1 Nr. 2, 66 Abs. 1) Beschlussorgan beseitigt würde. Das Zustimmungserfordernis bei Leistungsvermehrungen (§ 53 Abs. 3) kann die Satzung nicht generell ausschließen oder durch eine unbestimmte Klausel einschränken. Der Stimmrechtsausschluss berührt grundsätzlich auch nicht andere Zustimmungserfordernisse. 33

Fraglich ist es, ob der GeschAnteil über die erörterten Einzelrechte hinaus zwingend weitere Mitgliedschaftsrechte gewähren muss, die, jedes für sich genommen, an sich abdingbar sind. Vielfach wird das bejaht und angenommen, dass der Gesellschaftsvertrag einem Gesellschafter nicht zugleich das Stimmrecht, das Gewinnrecht und den Liquidationserlösanteil nehmen könne1. Die Berufung darauf, dass diese Gestaltung mit dem „Wesen der GmbH“ und mit dem „Gesellschafterbegriff“ unvereinbar sei, überzeugt aber nicht; sie begründet nicht, warum überhaupt abdingbare Rechte und erst recht nicht warum gerade sie teilweise bestehen bleiben müssen. Ein Beteiligungsinteresse kann auch ohne sie gegeben sein. Das GmbHG garantiert vielmehr durch die oben dargestellten zwingenden Mitgliedschaftsrechte die Mindestbedingungen einer „Teilnahme am Gesellschaftsleben“2 und gestattet im Übrigen den Gesellschaftern (§ 45 Abs. 2), die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft nach ihrem Bedürfnis zu gestalten3. Nur wenn die Mitgliedschaft im Einzelfall ohne zusätzliche Verwaltungs- oder Vermögensrechte völlig sinnentleert wäre, ist die Ausgestaltung des Geschäftsanteils unzulässig4.

34

Die Gesellschafterbeschlüsse, die unabdingbare Mitgliedschaftsrechte entziehen oder einschränken, sind in sinngemäßer Anwendung des § 241 Nr. 3 AktG nichtig (s. 9. Aufl., § 45 Rdnr. 73)5. Bei dementsprechenden Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag ist Teilnichtigkeit gegeben, die aber nach der Eintragung der GmbH in das Handelsregister, da § 139 BGB nicht mehr gilt, seine Rechtswirksamkeit im Übrigen unberührt lässt. cc) Relativ unentziehbare Mitgliedschaftsrechte

35

Dies sind diejenigen Mitgliedschaftsrechte, die nach Gesetz oder Gesellschaftervertrag nur mit Zustimmung des Rechtsinhabers entzogen oder eingeschränkt werden können.

1 BGHZ 14, 270, 273; Feine, S. 265 f., 523; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; s. auch Priester, unten 9. Aufl., § 53 Rdnr. 45. 2 RGZ 167, 73. 3 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 34; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Wolany, S. 182, 185 f.; Teichmann, S. 145 f., 208 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 33; vgl. im Übrigen Schäfer, Der stimmrechtslose Geschäftsanteil, 1997, S. 130 ff. 4 Zutr. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14. 5 Vgl. Lutter/Hommelhoff, § 47 Anh. Rdnr. 18; Koppensteiner, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, § 47 Rdnr. 107; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Anh. Rdnr. 23; MeyerLandrut, § 47 Rdnr. 71 a.E.; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse und Gesellschafterversammlung, 2. Aufl. 1986, S. 207.

952

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

(1) Gesetzlich ist die relative Unentziehbarkeit nur vereinzelt vorgesehen. Sie gilt vor allem für die Mitgliedschaft selbst1, die – abgesehen von der Kaduzierung (§ 21 Abs. 2) sowie der Ausschließung aus wichtigem Grund (s. Anh. § 34 Rdnr. 21 ff.) – nur mit Zustimmung des Gesellschafters entzogen werden kann; keine Ausnahme, sondern eine vorweggenommene Zustimmung ist bei der sog. Zwangsamortisation auf Grund eines vor dem Anteilserwerb statutarisch festgesetzten Einziehungstatbestandes gegeben (s. Erl. zu § 34). Die nachträgliche Einführung der Einziehungsmöglichkeit erfordert deshalb ebenfalls die Zustimmung der betroffenen Gesellschafter (s. bei § 53). Die Veräußerlichkeit und die Vererblichkeit des GeschAnteils (§ 15 Abs. 1) können nach dem Sinn dieser Vorschrift ohne Zustimmung des Anteilseigners nicht nachträglich ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, sofern der Gesellschaftsvertrag das nicht zulässt2. Unter demselben Vorbehalt gewährt § 72 Satz 1 den Gesellschaftern einen unantastbaren Anspruch auf den anteiligen Liquidationserlös3; das gilt auch bei idealem oder gemeinnützigem Gesellschaftszweck4, da aus der Belassung der Liquidationsquote hervorgeht, dass das verbleibende Vermögen nicht mehr jenen Zwecken gewidmet sein soll, eine abweichende Regelung (§ 72 Satz 2) also gerade nicht gewollt war.

36

(2) Ebenso kann der Gesellschaftsvertrag bestimmen, dass ein Mitgliedschaftsrecht ohne Zustimmung des Gesellschafters nicht entziehbar sein soll. Es ist für jedes Recht durch Auslegung zu ermitteln, ob dies gewollt war5. Für das Gewinnrecht der Gesellschafter (§ 29 Abs. 1 u. 3) ist bei Erwerbsgesellschaften wegen seines die Art des Zusammenschlusses und der Beteiligung grundlegend prägenden Charakters6 in der Regel eine gewillkürte Unentziehbarkeit anzunehmen7, die aber, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht entsprechende weiter gehende Anordnungen trifft, mittelbare Eingriffe durch satzungsändernde Mehrheitsbeschlüsse (§ 53 Abs. 2 Satz 1) innerhalb der Grenzen des Gleichbehandlungsgebots (Rdnr. 40 ff.) und der gesellschaftlichen Treuepflicht (Rdnr. 50 ff.) nicht ausschließt8, z.B. kann, wenn das im Gesellschaftsinteresse erforderlich ist, in einem sachlich vertretbaren Umfange die Bildung von Gewinnrücklagen nachträglich im Statut bindend vorgeschrieben werden, während die Einführung eines dauernden vollständigen Ausschüttungsverbots oder die Änderung des

37

1 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Flume, S. 273 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 382 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 33; abw. Schäfer, Der stimmrechtslose Geschäftsanteil, 1997, S. 185 ff. 2 Im Erg. eb. RGZ 68, 211; RG, Gruch. 60, 142; OLG Hamm, OLG 32, 136; OLG Celle, GmbHR 1959, 113; s. dazu § 15 Rdnr. 81 und bei § 53. 3 KG, JW 1937, 2979; s. bei § 72. 4 Abw. Feine, S. 286 m.w.N. 5 S. RGZ 170, 368; RG, LZ 1914, 571; OLG Karlsruhe, GmbHR 1926, 649; OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257; 1997, 1108. 6 BGH, WM 1976, 661; BayObLG, GmbHR 1988, 102, 103. 7 Feine, S. 282 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 33; M. Winter, S. 138 f.; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 59 u. Priester, unten 9. Aufl., § 53 Rdnr. 47; s. auch Teichmann, S. 152 ff.; Flume, S. 274 f. 8 Vgl. dazu bei § 53 sowie Ulmer, in: Hachenburg, 8. Aufl., § 53 Rdnr. 112 ff.; M. Winter, S. 280 ff.; Flume, S. 276; Immenga, S. 208 f.

H. Winter/Seibt

|

953

§ 14

Geschäftsanteil

bestehenden Gewinnverteilungsschlüssels ohne Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter nicht möglich sind. Für das Stimmrecht ist ebenfalls anzunehmen, dass es als „Grundmitgliedsrecht“ regelmäßig als unentziehbar gewollt ist1; es kann deshalb, auch wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz (Rdnr. 40 ff.) gewahrt ist, nicht ohne seine Zustimmung beseitigt werden, z.B. durch Heraufsetzung des für die Stimme notwendigen Betrages (§ 47 Abs. 2) über den Nennbetrag des GeschAnteils. Andere satzungsändernde Regelungen sind dagegen, s. stat., in den allgemeinen Grenzen ohne sie möglich2. Vorstehendes gilt unabhängig davon, ob die Gründer es bei den dispositiven gesetzlichen Gewinn- und Stimmrechtsregelungen der §§ 29, 47 belassen oder ob sie gleich lautende oder abweichende Bestimmungen in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen haben3. Unentziehbarkeit ist im Zweifel auch gewollt, wenn im Gesellschaftsvertrag die Liquidations- oder Abfindungsquote der Gesellschafter4 oder für den Liquidationsfall die Rückgabe der zur Verwertung nicht benötigten Sacheinlagen bestimmt ist5. Schreibt der Gesellschaftsvertrag für eine bestimmte Maßnahme, die unmittelbar die Stellung der Gesellschafter oder ein grundlegendes Strukturelement der Gesellschaft betrifft, die Zustimmung aller Gesellschafter (also nicht nur einen einstimmigen Beschluss) vor, so ist daraus im Zweifel ebenfalls zu entnehmen, dass das Zustimmungsrecht jedes Gesellschafters nur mit dessen Einverständnis entziehbar oder einschränkbar sein soll6. Weitere Umstände, die bei der Auslegung zu berücksichtigen sind, aber für sich genommen noch nicht ohne weiteres einen Schluss auf die Unentziehbarkeit zulassen, sind z.B. die Bedeutung des Rechts für die Gesellschaft und die einzelnen Gesellschafter, seine mehr oder weniger starke Eigen- oder Fremdnützigkeit7, das Sicherungsinteresse Einzelner oder aller Gesellschafter, der Gesellschaftszweck8 und die Verbandsstruktur9. 37a

Für die Umwandlung (Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel) regeln die §§ 13 Abs. 2, 50 Abs. 2, 125 Satz 1, 193 Abs. 2, 233 Abs. 2, 252 Abs. 2 UmwG die Zustimmungserfordernisse bei der Beeinträchtigung von Sonderrechten und anderen satzungsgemäß relativ unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten in einer übertragenden bzw. formwechselnden GmbH. Die Vorschrift des § 50 Abs. 2

1 Feine, S. 284, 524 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 33; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 59; Priester, unten 9. Aufl., § 53 Rdnr. 47, 158; M. Winter, S. 138 f. 2 Problematisch u.U. aber der Übergang zu einem anderen Stimmrechtsmaßstab (s. Zöllner, S. 123 f.) und die Einführung eines Höchststimmrechts (s. bei § 53). 3 Unzutr. Wolany, S. 187 f. u. offenbar auch RGZ 80, 389 f. 4 Nicht aber die Anfallberechtigung Dritter; vgl. RGZ 169, 65, 82. 5 Über die gesetzliche Liquidationsquote gem. § 72 Satz 1 vgl. oben Rdnr. 36. 6 OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257, 259; Winter, GmbHR 1964, 252; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; weitergehend Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 36 ohne Rücksicht auf die Art der Maßnahme. 7 Feine, S. 274; Winter, GmbHR 1964, 252; auch RGZ 68, 212, aber zu weitgehend. 8 Feine, S. 274. 9 OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257, 259; zu weitgehend Martens, Mehrheits- und Konzernherrschaft in der personalistischen GmbH, 1970, S. 165 ff. in Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 2.

954

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

UmwG erfasst nach ihrem Wortlaut und Zweck in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Grundsatz entgegen der sich auf die missverständliche Gesetzesbegründung1 beziehenden überwiegenden Schrifttumsmeinung2 auch die mitgliedschaftlichen Vermögensrechte (z.B. auf Vorzugsdividende oder auf erhöhten Liquidationserlösanteil u.a.)3. (3) Aus wichtigem Grunde können relativ unentziehbare allgemeine Mitgliedschaftsrechte ohne Zustimmung des Betroffenen durch satzungsändernden Gesellschafterbeschluss (§ 53 Abs. 1) eingeschränkt oder beseitigt werden4. Es gelten im Wesentlichen die oben Rdnr. 27 dargestellten Grundsätze, da es für die Einschränkung der Unentziehbarkeit, wie auch aus den dort u.a. sinngemäß herangezogenen §§ 712 Abs. 1 BGB, 117 HGB und aus § 38 Abs. 2 GmbHG für das GeschFührungsrecht folgt, keinen wertungserheblichen Unterschied macht, ob die Befugnis dem Gesellschafter als Vorrecht eingeräumt ist oder ob sie außer ihm auch den übrigen Gesellschaftern zusteht. Bei mitgliedschaftlichen Vermögensrechten wird es aber im zuletzt genannten Fall der Natur der Sache nach selten so liegen, dass der wichtige Grund nur einem Gesellschafter gegenüber eingreift, z.B. wenn dieser das allen Gesellschaftern zustehende Recht zur Verwertung eines Patents der GmbH5 ständig treuwidrig missbraucht hat. Soweit das nicht zutrifft, ist auch beim Vorliegen eines wichtigen Grundes der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung zu wahren (Rdnr. 41) und darf beim Fehlen von Differenzierungen rechtfertigenden zusätzlichen Umständen nicht nur das Recht eines Gesellschafters beschränkt oder aufgehoben werden; gestattet z.B. die Notlage der GmbH keinerlei Gewinnausschüttung, so ist grundsätzlich das Gewinnrecht aller Gesellschafter zu suspendieren.

38

(4) Gesellschafterbeschlüsse, die ohne wichtigen Grund und ohne Zustimmung des Anteilsberechtigten oder ohne ausdrückliche statutarische Zulassung ein relativ unentziehbares Mitgliedschaftsrecht aufheben oder beschränken, sind insoweit unwirksam6. Wegen der Einzelheiten ist auf die Ausführungen oben Rdnr. 28 zu verweisen.

39

d) Gleichmäßige Behandlung aa) Geltung Der Gesellschaftsvertrag kann, von verhältnismäßig wenigen zwingenden Vorschriften abgesehen, die innergesellschaftlichen Rechtsverhältnisse frei gestalten (§ 45) und dabei auch den Gesellschaftern eine „ungleiche“ Rechtsstellung 1 Abgedr. bei Schaumburg/Rödder, UmwG, UmwStG, 1995, S. 121 f. 2 M. Winter, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 50 Rdnr. 18; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 50 Rdnr. 89. 3 Zutr. Schöne, Die Spaltung unter Beteiligung von GmbH, 1998, S. 183 ff. 4 Rücker, S. 102 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 33; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 59 u. Priester, unten 9. Aufl., § 53 Rdnr. 47 a.E. 5 RGZ 114, 219. 6 BGHZ 15, 181; 48, 143; Schäfer, Der stimmrechtslose Geschäftsanteil, S. 248 ff. m.w.N.; s. auch bei § 53.

H. Winter/Seibt

|

955

40

§ 14

Geschäftsanteil

geben, also bei der Regelung der Mitgliedsrechte und/oder Mitgliedspflichten einzelne von ihnen bevorzugen oder zurücksetzen. Wenn und soweit dies aber nicht geschehen ist und durch Gesetz oder Satzung auch nicht für die betreffende Maßnahme eine Abweichung gestattet wird (Rdnr. 42), gilt mit dem Eintritt der Gemeinschaftsbindung und der dadurch gegebenen Unterwerfung unter die Verbandsmacht der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Gesellschafter. Seine Anwendung auf die GmbH ist von der Rspr.1 und der herrschenden Doktrin2 seit langem anerkannt, aber über seinen Geltungsgrund besteht theoretisch noch immer Unklarheit3. 41

Das GmbHG schreibt ihn nicht ausdrücklich vor (s. dagegen § 53a AktG). Die Vorschriften der §§ 14, 19 Abs. 1, 24, 26 Abs. 2 u. 3, 29 Abs. 3, 31 Abs. 3, 47 Abs. 2, 72, auf die die Gegenmeinung verweist4, enthalten nur einen überwiegend dispositiven Maßstab der verhältnismäßigen Beteiligung der Gesellschafter an bestimmten allgemeinen Mitgliedschaftsrechten und -pflichten, der aber nicht uneingeschränkt gilt (Rdnr. 6 a.E.). Er ist, soweit sein Anwendungsgebiet reicht, im Einzelfall zwar für die Frage des Ob einer unterschiedlichen Behandlung bedeutsam (Rdnr. 45), begründet aber nicht die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und schließt, wie schon die §§ 24 Satz 2, 31 Abs. 3 Satz 2 (nicht anders liegt es für § 19 Abs. 15) zeigen, bei der erforderlichen Abwägung auch nicht die Relevanz anderer Umstände aus (Rdnr. 45). Die Beschränkung der Verbandsautonomie, die der Gleichbehandlungsgrundsatz bewirkt, folgt aus dem gesellschaftlichen Treuegedanken6, mit dem sachlich unbegründete Differenzierungen in der Behandlung der Gesellschafter unvereinbar sind. Das Gleichbehandlungsgebot ist demnach ein spezieller Anwendungsfall der gesellschaftlichen Treuepflicht7. Dies entspricht auch modernen, ökonomischen Begründungsmustern, denenzufolge die Parteien einer „nach vorne offenen“ Rechtsbeziehung erwarten dürfen, gegen die begründete Enttäuschung geschützt zu sein, in vertraglich nicht spezifizierten und im Vorhinein auch nicht

1 RGZ 68, 213; 76, 155; 80, 389; 122, 163; 149, 300; 170, 378; BGHZ 111, 224, 227; 116, 359, 373; BGH, LM § 29 Nr. 2; NJW 1985, 1901, 1902; WM 1990, 182, 185; OLG Hamm, GmbHR 1996, 768; OLG München, GmbHR 1997, 1103; OLG Köln, NZG 1999, 1112. 2 Feine, S. 274 ff.; G. Hueck, S. 48 ff.; Zöllner, S. 301 ff.; Wolany, S. 164 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 102 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 35 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 60 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 15 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 427 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 44; Meyer-Landrut, Rdnr. 19 u.a.; a.M. v. Falkenhausen, S. 30 ff.; Konow, S. 122 f.; s. für die AG auch Wiethölter, S. 103 ff. 3 Vgl. dazu insbesondere G. Hueck, S. 83 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 428 f.; K. Schmidt, GesR, § 16 II 4b, jeweils m.w.N. 4 Feine, S. 261, 275 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 103; Müller-Erzbach, S. 75; G. Hueck, S. 47 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35. 5 S. RGZ 149, 300. 6 OGHZ 4, 73 f.; Ritter, JW 1934, 3025 ff.; Fechner, S. 93 ff.; s. auch G. Hueck, S. 107 ff. m.w.N. 7 Vgl. auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 122 f.; a.M. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 104 m. Fn. 240 (Minderheitenschutz); Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 12 Rdnr. 54 (Minderheitenschutz); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35.

956

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

spezifizierbaren Situationen ohne Grund schlechter gestellt zu werden als vergleichbare Vertragspartner1. bb) Bedeutung und Inhalt (1) Anwendungsbereich. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nur subsidär anwendbar, wenn und soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Bestimmung getroffen hat2. Es ist aber im Zweifel nicht anzunehmen, dass eine ungleiche Behandlung der Gesellschafter gewollt ist. Von der vorgenannten Einschränkung abgesehen, gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz für alle gesellschaftlichen Maßnahmen, die die Gesellschafter als solche betreffen. Seine Geltung für das Gesellschaftsverhältnis kann nicht generell ausgeschlossen werden3.

42

Nicht vom Gleichbehandlungsgrundsatz erfasst sind dagegen Drittgeschäfte zwischen der GmbH und den Gesellschaftern4, es sei denn, dass sie gesellschaftliche Elemente insofern enthalten, als die Gesellschaftereigenschaft des Geschäftspartners für den Abschluss oder für den Inhalt des Geschäfts (mit)bestimmend war5, z.B. die Festsetzung der Höhe der Gegenleistung beeinflusst hat6. Die Verletzung des Gleichbehandlungsgebots kann in derartigen Fällen mit einer unzulässigen verdeckten Gewinnausschüttung zusammentreffen7, ist indes nicht zwingend, da die Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Institute nicht übereinstimmen (Rdnr. 48).

43

Der Gleichbehandlung unterliegen nicht nur die von Gesellschaftsorganen, sondern auch von einzelnen Gesellschaftern ausgehenden Rechtsakte, soweit ihnen durch den Gesellschaftsvertrag die Befugnis zu einem organähnlichen Handeln eingeräumt ist8.

44

(2) Willkürverbot. Der Gleichbehandlungsgrundsatz bedeutet inhaltlich das Verbot einer willkürlichen, d.h. sachlich ungerechtfertigten verschiedenen Behandlung der Gesellschafter9. Für die Beurteilung kommt es nicht darauf an, ob der Urheber des Rechtsaktes (Rdnr. 44) eine willkürliche Ungleichbehandlung

45

1 Vgl. Bachmann, ZHR 170 (2006), 144, 161; Fleischer, ZGR 2001, 1, 5; Janke, Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, 2003, S. 151 ff. 2 Feine, S. 275; Müller-Erzbach, S. 74, 77; G. Hueck, S. 250 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 37; Zöllner, S. 302 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 102; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 61. 3 G. Hueck, S. 267 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 37; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 16. 4 A.M. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 63. 5 BGH, AG 1997, 414; Zöllner, S. 304 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 38; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 18. 6 RG, HRR 1932, 1287; BGHZ 111, 224, 227; BGH, LM § 29 Nr. 2. 7 BGHZ 111, 224, 227; BGH, LM § 29 Nr. 2; Ballerstedt, S. 174 ff.; Flume, S. 286 ff., insbes. 294 ff.; M. Winter, ZHR 148 (1984), 579, 582, 597 ff. u. unten § 29 Rdnr. 95 ff. 8 G. Hueck, S. 226, 229 ff. 9 RG, JW 1938, 1329; BGHZ 33, 186; 70, 120 ff.; 71, 44; 116, 359, 373; 120, 141, 150 f.; BGH, LM § 29 Nr. 2; Bodenheimer, S. 6 ff.; G. Hueck, S. 173 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 12 Rdnr. 54 ff.; Grüter, S. 50 ff., 62 ff. u. 76 ff., jeweils m.w.N.

H. Winter/Seibt

|

957

§ 14

Geschäftsanteil

gewollt oder umgekehrt sein Vorgehen für gerechtfertigt gehalten hat, sondern maßgebend ist der Standpunkt eines objektiven Betrachters1. Bei der praktischen Handhabung sind mehrere Fallgruppen zu unterscheiden2. Bei den jedem Gesellschafter zustehenden unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten (Rdnr. 32) gilt absolute Gleichheit nach Personen. 45a

Ansonsten ist die für das Eingreifen des Gleichbehandlungsgrundsatzes primär erforderliche „verschiedene Behandlung“ gegeben, wenn der nach dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag für den Gegenstand des betreffenden gesellschaftlichen Rechtsaktes geltende Maßstab der Beteiligung der Gesellschafter (z.B. nach der dispositiven gesetzlichen Regel für das Gewinn- oder Stimmrecht die Größe der GeschAnteile; s. oben Rdnr. 6, 41) in ihrem Verhältnis zueinander nicht für alle gewahrt, also der sog. Gleichbehandlungsmaßstab3 nicht eingehalten worden ist. Die Auswirkungen der Maßnahme auf die Gesellschafter sind nach ihrem Inhalt unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des konkreten Gesellschaftsverhältnisses festzustellen, wobei aber von vorübergehenden tatsächlichen Zufälligkeiten abzusehen ist4. Andere Umstände, insbesondere die außergesellschaftlichen persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter und die sich daraus ergebenden Folgen haben i.d.R. außer Betracht zu bleiben5. Eine Ausnahme ist in dieser Hinsicht aber dann zu machen, wenn nach den Gesamtumständen feststeht, dass die gesellschaftliche Maßnahme sich nur gegen einzelne Gesellschafter richten kann und diese benachteiligt werden sollen6; u.U. kann außerdem ein Machtmissbrauch durch die Mehrheit vorliegen7.

45b

Liegt eine „Verschiedenbehandlung“ der Gesellschafter in dem soeben erörterten Sinne vor, so ist das Gleichbehandlungsgebot verletzt, wenn nicht, was von dem Urheber des Rechtsaktes darzulegen und zu beweisen ist, nach Maßgabe des konkreten Gesellschaftsverhältnisses relevante und ausreichende sachliche Gründe die vorgenommene Differenzierung rechtfertigen8. Dabei kann eine Wechselwirkung zwischen der erforderlichen Qualität der sachlichen Rechtfertigung und dem Maß und der Spürbarkeit der Ungleichbehandlung bestehen. Missbraucht z.B. ein Gesellschafter die allen eingeräumte Nutzung eines Patentrechtes der GmbH, so kann ihm dieser Vorteil künftig genommen, den übrigen aber belassen werden. Die Einforderung der Resteinlage verstößt nicht deswegen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 19 Abs. 1), weil ein anderer Gesellschafter zahlungsunfähig ist9. Ebenso wenig trifft das zu, wenn die Satzung den Gesellschaftern einen Abfindungsanspruch beim Ausscheiden ein-

1 2 3 4 5

6 7 8 9

G. Hueck, S. 193 ff.; Zöllner, S. 303; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 105. Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 105 f. G. Hueck, S. 198 ff. RGZ 68, 213. RGZ 68, 213; 80, 385; G. Hueck, S. 54 ff., 190 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 36; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 105; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 16. G. Hueck, S. 191 ff.; abw. Meyer-Landrut, Rdnr. 20. RGZ 88, 220, 222 f. BGHZ 33, 186; 116, 359, 373; BGH, LM § 29 Nr. 2. RGZ 149, 293, 300 f.

958

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

räumt, der sich aus dem Nominalbetrag des GeschAnteils und einem nach Jahren der Gesellschaftszugehörigkeit bemessenen, nach größeren Zeitabschnitten gestaffelten, durch einen Höchstsatz begrenzten Betrag zusammensetzt1. Unzulässig wäre es dagegen, im Falle eines dringenden Rücklagenbedarfs die auf der Kapitalbeteiligung beruhenden Gewinnrechte ungleichmäßig zu kürzen oder bei der Zulassung bisheriger Gesellschafter zu einer Kapitalerhöhung einen Gesellschafter nicht anteilig zu beteiligen, obwohl dem keine im Gesellschaftsinteresse liegenden, seine Mitgliedsinteressen überwiegenden dringenden Gründe entgegenstehen2. Bei mit einfacher Mehrheit zu fassenden Gesellschafterbeschlüssen, z.B. zur Geschäftspolitik, wirkt das Diskriminierungsverbot nur noch durch Verfahrensgerechtigkeit. Jeder Gesellschafter ist berechtigt, am Beschlussverfahren gleichberechtigt beteiligt und mit seinen Argumenten gehört zu werden3. Inhaltlich kann der Gesellschafterbeschluss nur daraufhin überprüft werden, ob er nicht willkürlich ist (d.h. ohne sachliche Rechtfertigung ist) und Gesellschafter diskriminiert werden4.

45c

cc) Verletzungsfolgen Es ist bezüglich der Rechtsfolgen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes danach zu unterscheiden, ob sie durch einen Gesellschafterbeschluss oder ob sie durch andere gesellschaftliche Akte erfolgt ist.

46

(1) Ein Gesellschafterbeschluss, der die Gesellschafter ohne Einverständnis der Benachteiligten sachlich ungerechtfertigt verschieden behandelt, ist anfechtbar (s. bei § 45)5. Die abweichende Auffassung, derzufolge Unwirksamkeit eintrete6, ist unzutreffend, da der Beschluss hier im Gegensatz zu den übrigen Unwirksamkeitsfällen (s. bei § 45) keine der Mehrheitsherrschaft entzogenen Mitgliedschaftsrechte (Rdnr. 28, 39) oder Pflichtenvermehrungen (§ 53 Abs. 3) zum Gegenstande hat, sondern es um eine (keinen Nichtigkeitsgrund bildende; s. bei § 45) Gesetzesverletzung geht und eine Ausdehnung der Unwirksamkeitsfolge mit der Rechtssicherheit unvereinbar ist7. Die den Gesellschafter benachteiligende Regelung bleibt so lange gültiges Verbandsrecht, bis der Beschluss auf eine entsprechende Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig er-

47

1 BGHZ 116, 359, 373 f. 2 Vgl. auch BGHZ 71, 40, 44 ff. betr. AG. 3 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 106; K. Schmidt, GesR, § 16 II 4, 460; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 12 Rdnr. 56, § 28 Rdnr. 57. 4 Vgl. BGHZ 33, 175, 186; BGHZ 70, 117, 120 ff.; BGHZ 71, 40, 44; BGHZ 120, 141, 149 f. (alle zur AG). 5 RGZ 118, 72 f.; RG, JW 1935, 1776; BGHZ 111, 224, 227; 116, 359, 373; G. Hueck, S. 311 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 39; A. Hueck, in: FS Molitor, 1962, S. 403 f.; Zöllner, S. 416; Wolany, S. 164 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 108; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 64; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 20 u.a.; offen gelassen von BGH, LM § 29 Nr. 2. 6 So Feine, S. 276, 578; Fischer, JZ 1956, 363. 7 G. Hueck, S. 311 ff. m.w.N.

H. Winter/Seibt

|

959

§ 14

Geschäftsanteil

klärt worden ist. Er kann vor einer Nichtigerklärung unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz weder einen der beschlossenen Regelung widersprechenden Anspruch gegen die GmbH durchsetzen noch (außer bei treuwidrigem Vorgehen; s. bei § 45) der eigenen Inanspruchnahme aus dem Beschluss einredeweise begegnen; möglich sind aber u.U. die Beschlussausführung betreffende einstweilige Regelungen durch das Gericht (§§ 935 ff. ZPO). Eine Anfechtungsklage ist nicht erforderlich, wenn durch einen Beschluss lediglich der Antrag des benachteiligten Gesellschafters auf Gleichbehandlung abgelehnt wird, da dessen Wirkung sich in dem Verbrauch des Antrags erschöpft, den Anspruch selbst aber unberührt lässt1. Über satzungsändernde Beschlüsse vgl. noch bei § 53. 48

(2) Die Rechtsfolgen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch andere gesellschaftliche Rechtsakte als Gesellschafterbeschlüsse lassen sich wegen der Verschiedenartigkeit der Verletzungsmöglichkeiten und ihrer Begleitumstände nicht einheitlich bestimmen2. Sie richten sich danach, was im Einzelfall erforderlich ist, einen der Gleichbehandlung entsprechenden Zustand herzustellen, ohne mehr als notwendig in die Verbandsautonomie einzugreifen3. Rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen, die einen Gesellschafter willkürlich ungleichmäßig belasten, sind insoweit unwirksam (nicht nichtig4), so z.B. eine ihn benachteiligende Einforderung von Stammeinlagen durch den statutarisch zuständigen GeschFührer (s. § 19 Rdnr. 9 ff.). Die Unwirksamkeitsfolge genügt aber u.U. allein nicht: Verweigert z.B. der GeschFührer unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes die zur Abtretung des GeschAnteils erforderliche Genehmigung (s. § 15 Rdnr. 119 ff.), so ist nicht nur diese Erklärung unwirksam, sondern der Gesellschafter hat einen Anspruch auf Genehmigung (s. § 15 Rdnr. 127). Bei einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz durch Zuwendung vermögenswerter Vorteile ist zu unterscheiden, ob deren Rückforderung rechtlich möglich und den Beteiligten nach den Gesamtumständen zuzumuten ist oder nicht5. Die Gesellschaft ist im ersten Falle zwecks Herstellung eines der Gleichbehandlung entsprechenden Zustandes verpflichtet, entweder den Vermögensvorteil vom Begünstigten zurückzuverlangen oder dem benachteiligten Gesellschafter eine gleichartige Leistung zuzuwenden6. Das Wahlrecht steht der Gesellschaft und nicht dem benachtei1 BGH, LM § 29 Nr. 2; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 108. 2 BGH, LM § 29 Nr. 2; Raiser, Das Unternehmen als Organisation, 1969, S. 95 f.; G. Hueck, S. 295 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 39; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 64; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 20; Martens, GmbHR 1984, 265, 266. 3 G. Hueck, S. 296. 4 So aber Bodenheimer, S. 61 ff. 5 BGH, LM § 29 Nr. 2 = MDR 1972, 933 = BB 1972, 894. 6 BGH, LM § 29 Nr. 2 = MDR 1972, 933 = BB 1972, 894; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 107; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 64; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 20; Martens, S. 266. Für verdeckte Gewinnausschüttungen anders M. Winter, ZHR 148 (1984), 579, 597 ff.: Grundsätzlich nur ein Rückerstattungsanspruch der Gesellschaft, in Ausnahmefällen ein Ausgleichsanspruch der benachteiligten Gesellschafter.

960

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

ligten Gesellschafter zu1; die Vorschriften der §§ 263 ff. BGB sind anwendbar. Bei Unmöglichkeit der Rückgewähr des Vermögensvorteils ist Wertersatz zu leisten. Wenn aus den oben genannten Gründen die Rückforderung ausgeschlossen ist, hat der Benachteiligte gegen die GmbH einen Anspruch auf Zuwendung eines gleichartigen Vermögensvorteils oder, sofern das nicht möglich ist, auf eine Ausgleichsleistung2. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist dagegen kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB3; es kann aber u.U. eine Schadensersatzpflicht auf § 826 BGB gegeben sein.

49

e) Treuepflicht aa) Geltung Die Geltung der gesellschaftlichen Treupflicht für das Gesellschaftsverhältnis der GmbH ist allgemein anerkannt4. Sie hat ihren Ursprung zwar in der Regel des § 242 BGB5, ist aber zu einem weiterreichenden eigenständigen Rechtsinstitut entwickelt worden, das durch die besondere Eigenart der Zusammenschlüsse zu Personenverbänden mit einem gemeinschaftlichen Zweck bestimmt wird. Eine sog. personalistische Gestaltung der GmbH ist nicht Voraussetzung der Treuepflicht6, beeinflusst aber ihren Umfang und ihre Intensität7. Die Treuepflicht gilt sowohl für die werbende GmbH als auch

1 Eb. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 84; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 20; a.M. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 107; Lutter, ZGR 1978, 348, 366 ff.; Ballerstedt, S. 175, der aber zu Unrecht das Gleichbehandlungsproblem mit der Frage der unzulässigen verdeckten Gewinnausschüttung vermengt. 2 BGH, LM § 18 GenG Nr. 2; LM § 29 Nr. 2; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 107; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 20. 3 Bodenheimer, S. 62; G. Hueck, S. 293 f.; a.M. Wolany, S. 164. 4 RGZ 164, 262; 165, 79; 169, 333 f., 338; 170, 373; RG, DR 1941, 1307; BGHZ 9, 163; 14, 38; 65, 18 f.; 76, 352, 355; 80, 346, 349; 98, 276, 279 f.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175; ZIP 1996, 1083, 1087 u.a.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 67 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 21 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, Rdnr. 12 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 35; Zöllner, S. 335 ff.; 366 ff.; Wolany, S. 103 ff.; Immenga, S. 168 ff.; Teichmann, S. 168 ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 102 ff.; M. Winter, S. 43 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 431 ff., jeweils m.w.N. Krit. Flume, ZIP 1996, 161 ff.; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, § 13 Rdnr. 28 f. 5 Vgl. dazu Roth, in: MünchKomm. BGB, § 242 Rdnr. 61, 117; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, § 13 Rdnr. 30; Immenga, S. 190; Häsemeyer, S. 113. 6 Vgl. Wiedemann, GesR I, § 8 II 3; K. Schmidt, GesR, § 20 IV d; Raiser, ZHR 151 (1987), 422, 430 ff.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 70; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 23; Henze, Hdb. z. GmbH-Recht, 2. Aufl. 1997, Rdnr. 832; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 13. – Eindeutig BGH, BGHZ 129, 136 – Girmes (Treuepflichten in AG). 7 BGHZ 9, 163; 14, 38; 65, 18 f.; 98, 276, 279 f.; OLG Hamm, GmbHR 1992, 612; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175 u. Rdnr. 53. Bedenklich BGH, ZIP 1988, 1117, 1118, OLG Nürnberg, GmbHR 1994, 252, 256, wo die personalistische Gestaltung als konstitutives Erfordernis angesehen wird.

H. Winter/Seibt

|

961

50

§ 14

Geschäftsanteil

– unter Berücksichtigung des geänderten Zwecks – für die Liquidationsgesellschaft1. bb) Bedeutung und Inhalt 51

(1) Selbständigkeit der Pflicht und Anwendungsbereich. Die gesellschaftliche Treupflicht ist eine selbständige Pflicht der Gesellschafter und der GmbH, hat also nicht bloß akzessorischen Charakter2. Die Anweisung zu „gesellschaftstreuem“ Verhalten ist inhaltlich zunächst nicht mehr als eine Handlungsmaxime: Gefordert wird ein redliches und loyales Verhalten, wie es von dem Verpflichteten auf Grund seiner Teilhabe an dem zur Verfolgung des statutarischen Zwecks bestehenden Gemeinschaftsverhältnis erwartet werden muss3.

52

Der Anwendungsbereich der gesellschaftlichen Treuepflicht umfasst nicht nur das Verhältnis der Gesellschafter zur GmbH, sondern auch dasjenige der Gesellschafter untereinander4. Sie gilt aber nicht für den Alleingesellschafter einer GmbH, da ihm gegenüber außerhalb des zwingenden gesetzlichen Gläubigerschutzes kein durch eine Treuepflicht zu schützendes gesondertes Eigeninteresse der Gesellschaft anzuerkennen ist5. Die hierdurch entstehende Lücke im Gläubigerschutz ist durch Annahme einer Haftung wegen Existenzvernichtung/-gefährdung (s. § 13 Rdnr. 98 ff.) geschlossen. Auch den ausgeschiedenen Gesellschafter treffen (nachwirkenden) Treuepflichten, insbesondere auf Geheimhaltung von Interna der Gesellschaft oder auf Unterlassung von Wettbewerb (Rdnr. 59). Ausnahmsweise sind auch Nichtgesellschafter an die Treuepflichten gebunden. Dies gilt zunächst für den Treugeber/Hintermann, nach dessen Weisung und auf dessen Rechnung ein Treuhänder/Strohperson den GeschAnteil hält6. Aber auch den Erwerber eines GeschAnteils können bereits vor dem Erwerb Treuepflichten treffen, z.B. wenn er schon einen anderen GeschAnteil der Gesellschaft besitzt oder wenn er mit dem Veräußerer in einer Weise verbunden ist, dass ihm dessen Treupflichten zugerechnet werden7.

1 BGH, GmbHR 1971, 112; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 23; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 71. 2 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 117; M. Winter, S. 63 ff. 3 OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087. 4 H.M.; vgl. RG, DR 1941, 1307; BGHZ 65, 15, 18; 80, 346, 349; BGH, NJW 1985, 1901; 1992, 368, 369; GmbHR 1991, 568, 569; 1992, 104, 105; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087; M. Winter, S. 85 ff., 95 ff., 130 ff. m.w.N.; a.M. Flume, S. 268 ff.; krit. auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 29; Wilhelm, KapGesR, Rdnr. 483 ff., 676 ff. 5 BGHZ 119, 257, 259 f.; 122, 333, 336 (offen gelassen für existenzgefährdende Maßnahmen); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 21; Lutter/Hommelhoff, § 13 Rdnr. 22; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 57 f.; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 14; differenzierend Priester, ZGR 1993, 512, 520 ff.; M. Winter, S. 203 ff. u. ZGR 1994, 570 ff.; a.M. insbes. Ziemons, S. 97 ff. m.w.N. sowie BGH-Strafsenate, vgl. BGH, BGHSt 3, 32, 39 f.; BGH, BGHSt 34, 379 f.; BGH, NStZ 1995, 185. 6 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 77. 7 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 77; vgl. auch M. Weber, Vormitgliedschaftliche Treuebindung, S. 226 ff., 239 ff.

962

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

Schließlich kommt eine Zurechnung von Treuepflichten in Konzernbeziehungen in Frage, und zwar in zwei Richtungen: Das herrschende Unternehmen ist an die Treuepflicht des abhängigen Unternehmens gebunden, wenn es auf dessen Verhalten als Gesellschafter Einfluss nimmt1, und umgekehrt bleibt ein herrschendes Unternehmen an die Beachtung der Treuepflicht gebunden, selbst wenn es gesellschaftsschädigende Handlungen durch ein von ihm abhängiges Unternehmen vornimmt2. Das aus der Treuepflicht sich ergebende allgemeine Verhaltensgebot (Rdnr. 51) überlagert die mitgliedschaftlichen Einzelrechte und -pflichten, kann insofern also ihre Ausübung und Erfüllung näher bestimmen oder modifizieren und hat vor allem eine rechtsbegrenzende Funktion (Rdnr. 54 ff.). Es kann darüber hinausgehend nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls (Rdnr. 53) zusätzliche Unterlassungs- und auch Tätigkeitspflichten der Gesellschafter begründen (Rdnr. 59, 60). Auch Rücksichtnahmepflichten in Bezug auf die mitgliedschaftlichen (nicht die privaten)3 Belange der Mitgesellschafter können aus ihm sich ergeben (Rdnr. 53, 57). Die Konkretisierung des Treuegebots kann nur für den Einzelfall unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände und ihrer Wertung erfolgen, auf die die gegebene Handlungsmaxime (Rdnr. 51) verweist4. Nach Lage des Einzelfalls können als wertungserhebliche Umstände insbesondere von Bedeutung sein: Der Gesellschaftszweck5, die mehr oder weniger starke persönliche Bindung der Gesellschafter untereinander6 oder das durch besondere Maßnahmen geschaffene Vertrauen in ein bestimmtes Verhalten7, der Umfang sowie die Dauer der Beteiligung8, die mehr oder weniger starke Gemeinschaftsnähe des ausgeübten Gesellschafterrechts9, die Eigenart und das Maß der einem Gesellschaftsorgan oder Gesellschaftern eingeräumten Rechtsmacht im Verband10 und die Art der zu beurteilenden gesellschaftlichen Maßnahme sowie ihre Erforderlichkeit und

1 2 3 4 5 6

7 8 9

10

Vgl. BGHZ 89, 162, 165 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 72. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 77. Vgl. BGH, ZIP 1992, 1464, 1470 (AG); Zöllner, S. 349. Dazu Wieacker, S. 13 ff. m.w.N. BGHZ 65, 19. BGHZ 9, 163; 14, 38; 65, 19; 98, 276, 279 f.; BGH, NJW 1989, 166, 167; OLG Hamm, GmbHR 1992, 612; OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175; Lutter, S. 105 ff. u. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 23; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 39; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 69; M. Winter, S. 75 ff., 185 ff.; Wiedemann, GesR I, 434 ua; krit. insow. Zöllner, S. 338 f., 343. RG, DR 1941, 1307. BGHZ 65, 19. Vgl. OLG Hamm, GmbHR 1992, 612; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087; Hueck, Treuegedanke, S. 81, 86, 89 ff.; Zöllner, S. 344 ff.; Immenga, S. 269; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 23; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 78 ff.; Wiedemann, GesR I, S. 434 f., die teilweise in diesem Zusammenhang von Fremdnützigkeit sprechen. RGZ 113, 196; 132, 163; 165, 79; 169, 338; BGHZ 65, 19, 20; 95, 330, 340; Zöllner, S. 342 ff.; Immenga, S. 264 ff., 277 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 23; Lutter, S. 144; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 39; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 13.

H. Winter/Seibt

|

963

53

§ 14

Geschäftsanteil

Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Auswirkung für die Interessen der übrigen Beteiligten1. 54

(2) Schrankenfunktion bei Rechtsausübung. Die gesellschaftliche Treupflicht hat vor allem eine Schrankenfunktion bei der Ausübung von Gesellschafterrechten und von Befugnissen der Gesellschaftsorgane, kann sie also im Einzelfall unzulässig machen2. Sie ist von besonderer Bedeutung für den Minderheitenschutz, insbesondere beim Bestehen oder der Herausbildung gesteigerte Treuepflichten auslösender fester Mehrheitsverhältnisse (Rdnr. 53), geht in ihrer Reichweite aber wesentlich darüber hinaus. Auch die Ausübung von Minderheitenrechten und Individualrechten kann treuwidrig sein (Rdnr. 57, 60)3.

55

Die Gesellschafter haben bei der Wahrnehmung der ihnen als solchen zustehenden Rechte grundsätzlich das Gesellschaftsinteresse zu berücksichtigen, was freilich nicht bedeutet, dass diesem im Interessenwiderstreit allgemein der Vorrang vor ihrem Eigeninteresse zukäme4. Die Bedeutung und damit die Wertigkeit des Gesellschaftsinteresses hängen vielmehr von den Umständen des Falles, vor allem auch von der Art und dem Gegenstand der ausgeübten Rechtsmacht ab.

56

(a) Bei Entscheidungen über Geschäftsführungsangelegenheiten durch Gesellschafterbeschluss (§§ 37 Abs. 1, 45 Abs. 1) haben die Beteiligten sich bei der Ausübung des Stimmrechts uneingeschränkt von den Gesellschaftsinteressen leiten zu lassen und müssen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes verfahren5. Die Gesellschaftermehrheit darf dabei insbesondere keine durch das Gesellschaftsinteresse sachlich nicht legitimierte Konzerninteressen6 und keine gesellschaftsfremden Sondervorteile für sich oder einen anderen zum Nachteil

1 RGZ 132, 163; 169, 338; BGHZ 9, 158; 16, 322; 18, 362; 76, 353 f., 355 f.; 80, 69, 74 f.; 80, 346, 349; BGH, NJW 1985, 1901; GmbHR 1991, 362, 363; s. auch BGHZ 71, 40, 44 betr. AG; Zöllner, S. 351 ff.; Lutter, S. 114; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 25, 27; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 78. 2 RGZ 146, 396; 164, 263; 165, 49; BGHZ 9, 178; 14, 38; 71, 46; 76, 357; 80, 349; BGH, WM 1966, 1137; 1970, 904; NJW 1976, 191; NJW 1985, 1901; ZIP 1988, 22, 24; GmbHR 1991, 62. 3 BGHZ 129, 136; OLG München, GmbHR 1994, 406, 409; Lutter, S. 120 ff.; Immenga, S. 195; K. Schmidt, GesR, § 20 IV 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 36. 4 RGZ 80, 391; BGHZ 14, 38; 98, 276, 280 f.; BGH, GmbHR 1970, 232; 1991, 362; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087; OLG Frankfurt, GmbHR 1993, 659; A. Hueck, Treuegedanke, S. 79; Fischer, NJW 1954, 777 ff.; (s. aber Fischer, in Pro GmbH, 1980, S. 159 f.); Wolany, S. 108 f.; Wiedemann, GesR I, S. 434 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 22, 27 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 36; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 31; zurückhaltend Raiser, ZHR 151 (1987), 422, 435 ff.; abw. RGZ 146, 395; 158, 154. 5 BGHZ 65, 19 f.; OLG Hamm, GmbHR 1992, 612, 613; ZIP 1993, 119, 121; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087; Zöllner, S. 322 ff., 344; Immenga, S. 266 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 27; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 17; Martens, GmbHR 1984, 265, 267; M. Winter, S. 95 ff., 121 ff.; s. auch bei § 45. 6 BGHZ 65, 15, 20 f.; 89, 162; näheres dazu Anh. Konzernrecht (nach § 13).

964

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

der Gesellschaft und der anderen Gesellschafter durchsetzen1. Nichts anderes gilt, wenn die Mehrheit ihren Einfluss auf die GeschFührung ohne Beschluss faktisch durchsetzt2 oder wenn einem (Minderheits-)Gesellschafter in solchen Angelegenheiten statutarisch ein Weisungs- oder ein Widerspruchsrecht zusteht. Auch sonst kann die besondere Gemeinschaftsnähe („Zweckverfolgungsnähe“) eines Rechts, z.B. zur Bestellung oder Abberufung eines GeschFührers3 oder zur Entsendung eines AufsRatsmitglieds, die vorrangige Berücksichtigung des Gesellschaftsinteresses verlangen4. Ebenso gilt das für die Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 46 Nr. 1), über die Wahl des gesetzlichen oder statutarischen Abschlussprüfers5, über die Verwendung des Jahresergebnisses zur Rücklagenbildung (§§ 29 Abs. 2, 46 Nr. 1), über die Einforderung von Stammeinlagezahlungen, die Rückzahlung von Nachschüssen sowie über die Bestellung von Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten (§ 46 Nr. 2, 2 u. 7) oder über die Weisung an den Geschäftsführer zur Führung eines offensichtlich aussichtslosen Prozesses6. Das Gebot einer im Rahmen des Gesellschaftsinteresses möglichen angemessenen Rücksichtnahme auf betroffene schutzwürdige mitgliedschaftliche Belange der Minderheit (Rdnr. 54 a.E.) ist aber auch bei diesen Entscheidungen zu beachten, z.B. ist es unzulässig, nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung unnötige oder unvertretbare hohe Rücklagen aus dem Jahresergebnis zu bilden und dadurch den ausschüttungsfähigen Gewinn übermäßig zu schmälern7 oder den Gesellschafter-Mitgeschäftsführer und Bruder nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit grundlos hinauswerfen8. (b) Bei der Entscheidung über andere Gesellschaftsangelegenheiten durch die Gesellschafter und bei der Ausübung sonstiger Gesellschafterrechte erfordert die gesellschaftliche Treuepflicht im Allgemeinen keine vorrangige Berücksichtigung des Gesellschaftsinteresses. Seine Bedeutung bestimmt sich im Einzelfall nach der Art des Rechts und den jeweils bei seiner Ausübung vorliegenden besonderen Umständen (Rdnr. 53)9. Allgemein gilt hier ebenfalls, dass ein Gesellschafter die GmbH nicht zwecks Erlangung gesellschaftsfremder Vorteile oder durch eine sonstige zweckwidrige Rechtsausübung schädigen darf

1 BGHZ 14, 25, 38; 65, 15, 20; 76, 325, 357; BGH, GmbHR 1977, 43 f.; 1977, 129 ff.; WM 1978, 1205; NJW 1992, 368, 369; ZIP 1989, 986, 987; OLG Hamm, ZIP 1993, 119, 121; OLG Düsseldorf, ZIP 1996, 1083, 1087; OLG Brandenburg, GmbHR 1998, 193, 195. 2 BGHZ 65, 15, 19. 3 Zur Abberufung des GeschFührers aus wichtigem Grunde vgl. BGH, ZIP 1988, 22, 24; GmbHR 1991, 62; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 45, 47. 4 S. RGZ 165, 79; Zöllner, S. 344; Immenga, S. 268 f.; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 22. 5 BGH, GmbHR 1991, 568, 569 betr. Abwahl. 6 OLG Düsseldorf, GmbHR 1994, 172, 175 f. 7 Näheres dazu vgl. § 29 Rdnr. 70 ff.; OLG Hamm, GmbHR 1992, 458, 459; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 28, § 29 Rdnr. 29 ff.; Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Rdnr. 64 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 24; Joost, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 289, 299 ff.; Dreher, DStR 1993, 1632, 1634 m.w.N. 8 BGH, DStR 1994, 214 m. Anm. Goette; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 168 f. 9 Vgl. BGHZ 14, 25, 38; BGH, GmbHR 1991, 362, 363; Zöllner, S. 344 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 28.

H. Winter/Seibt

|

965

57

§ 14

Geschäftsanteil

(Rdnr. 56). Bei den ausschließlich eigennützigen Mitgliedsrechten und bei den Gläubigerrechten (Rdnr. 17) steht im Übrigen das Gesellschaftsinteresse nur ausnahmsweise der Rechtsausübung entgegen, wenn die nachteiligen Auswirkungen für die Gesellschaft durch ein mögliches und zumutbares anderweitiges Vorgehen vermieden werden können oder wenn die Loyalitätspflicht auf Grund außergewöhnlicher Verhältnisse die Einschränkung geboten erscheinen lässt. So ist z.B. unzulässig, den Anspruch auf Gewinnauszahlung1 oder auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens2 ohne Rücksicht darauf durchzusetzen, dass die GmbH dadurch in eine bedrohliche Liquiditätskrise geraten oder andere schwerwiegende Schäden erleiden würde. Das Auskunfts- und Einsichtsrecht (§ 51a) darf nicht in einer die GmbH unnötig beeinträchtigenden Art und Weise geltend gemacht werden3. Die Erklärung einer statutarisch vereinbarten ordentlichen Kündigung bedarf zwar nicht wegen der Auflösungsfolge (s. dazu Erl. zu § 60) einer zusätzlichen sachlichen Rechtfertigung, aber sie kann wegen ihrer besonderen Begleitumstände rechtsmissbräuchlich oder deswegen unzulässig sein, weil die Gesellschaft oder die übrigen Gesellschafter dem Kündigungsberechtigten eine gesicherte Veräußerungsmöglichkeit für seinen Geschäftsanteil zu einem den voraussichtlichen anteiligen Liquidationserlös voll deckenden Preis bieten und ihrer Wahrnehmung nicht andere wesentliche Gründe entgegenstehen. Entsprechendes ist auch für eine Auflösungsklage gem. § 61 anzunehmen4, der mit Rücksicht auf die gesellschaftliche Treuepflicht außerdem dann der Erfolg zu versagen ist, wenn die Ausschließung des Klägers aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 21 ff.) gerechtfertigt5 oder wenn sein Austritt aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.) möglich und zumutbar ist (s. dazu Erl. zu § 61). Die Treuepflicht kann beim Vorliegen eines die Ausschließung eines Gesellschafters eindeutig rechtfertigenden Grundes auch gebieten, die Durchführung dieser Maßnahme zu ermöglichen (s. auch Rdnr. 60)6. Dasselbe wird in besonders gelagerten Ausnahmefällen auch für Satzungsänderungen anzunehmen sein, wenn eine Anpassung an geänderte Verhältnisse im Gesellschaftsinteresse unumgänglich und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist7; eine Leistungsvermehrung darf damit aber nicht verbunden sein (§ 53 Abs. 3). Die Stimmabgabe in anderen als Geschäftsführungsangelegenheiten (darüber Rdnr. 56) verstößt dagegen nicht schon deswegen gegen die gesellschaftliche Treuepflicht, weil der Gesellschafter, ohne dass einen Rechtsmissbrauch begründende Begleitumstände vorliegen, zur 1 Vgl. dazu Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 28; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, § 13 Rdnr. 54; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 19. 2 Vgl. dazu RG, JW 1937, 1986 betr. OHG. Zum zeitweiligen Zinsverzicht auf Grund der Treuepflicht bei einer Publikums-KG s. BGH, WM 1985, 195, 196 (KG); BGHZ 98, 276, 279 f.; OLG Koblenz, WM 1984, 1051. 3 OLG Stuttgart, GmbHR 1983, 242, 243; KG, GmbHR 1988, 221, 223. Vgl. auch Erl. zu § 51a. 4 BGH, NJW 1985, 1901. 5 BGHZ 80, 346, 348 f. 6 Nach BGHZ 98, 276, 279 f. sind die für die Mitwirkungspflicht bei der Ausschließungsklage in der Personengesellschaft entwickelten Rechtsgrundsätze (BGHZ 64, 253, 256 ff.; 68, 81, 82) auf die personalistisch gestaltete GmbH anwendbar. 7 Vgl. BGHZ 98, 276, 279 ff.; BGH, WM 1987, 841, 842 u. M. Winter, S. 178 ff. m.w.N. Näheres s. Erl. zu § 53.

966

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

Wahrung eigener Interessen eine für die GmbH vorteilhafte Maßnahme ablehnt1. (c) Auch den Mitgesellschaftern gegenüber verlangt die gesellschaftliche Treuepflicht bei den vorgenannten Maßnahmen (Rdnr. 57) grundsätzliche keine Zurücksetzung eigener Interessen2, aber sie gebietet eine dem jeweiligen Mitgliedschaftsrecht und den übrigen wertungserheblichen Umständen des Einzelfalls (Rdnr. 53) gemäße angemessene Rücksichtnahme auf ihre schutzwürdigen mitgliedschaftlichen (nicht privaten) Belange3. Es ist danach unzulässig, die Mitgliedschaftsstellung anderer Gesellschafter durch die zweckwidrige Ausübung eines Gesellschaftsrechts4 oder mehr als erforderlich, d.h. nicht in Anwendung eines zur Zweckerreichung geeigneten und zumutbaren schonenderen Mittels5, oder im Hinblick auf das mit der Rechtsausübung angestrebte Ziel unverhältnismäßig6 zu beeinträchtigen oder die Mitgesellschafter als solche in sonstiger Weise illoyal zu schädigen. Die Grundsätze können bei verschiedenartigen Anwendungsfällen wirksam werden. Eine Treuepflichtverletzung kann beispielsweise vorliegen: Bei der Anteilsabtretung durch den Mehrheitsgesellschafter an einen Erwerber, der durch die Erlangung der Mehrheitsmacht erkennbar unredliche oder schädliche Ziele gegenüber den Mitgesellschaftern verfolgt7; bei einer Auflösungskündigung, einer Auflösungsklage (§ 61) oder einem Auflösungsbeschluss (§ 60 Abs. 1 Nr. 2), wenn sie nach den Gesamtumständen zweckwidrig nur als Mittel zur Fortsetzung des Unternehmens unter Ausschluss der Minderheit benutzt werden8, wenn die Ausschließung des Kündigungsberechtigten oder des Auflösungsklägers aus wichtigem Grunde begründet ist9 oder wenn das 1 BGHZ 14, 25, 38; Zöllner, S. 345; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 30. Zur Stimmpflicht in Sonderfällen vgl. aber Rdnr. 60. 2 BGHZ 15, 25, 38; BGH, GmbHR 1991, 362; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 22, 28; Wiedemann, GesR I, S. 434; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 80 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 40; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 37, 54; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 18. 3 RGZ 122, 159, 166 f.; 132, 149, 163 f. (AG); 169, 330, 338; BGHZ 9, 157, 158; 16, 317, 322; 65, 15, 18 ff.; 71, 40, 44 ff. (AG); 76, 352, 355 f.; 80, 346, 349; 83, 319, 321; 98, 276, 279 ff.; 103, 184, 194 f. (AG); 129, 136, 142 ff. (AG); BGH, NJW 1985, 1901; Zöllner, S. 349 ff.; Immenga, S. 274 f.; Lutter, S. 114; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 80 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 22, 25, 27 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 36; Henze, Hdb. z. GmbH-Recht, 2. Aufl. 1997, Rdnr. 834, 847 f.; Martens, GmbHR 1984, 265, 267 ff., jeweils m.w.N. 4 RGZ 122, 159, 166 f.; BGHZ 65, 15, 18; 76, 352, 355 ff.; Zöllner, S. 349 ff. 5 RGZ 132, 149, 163; 169, 330, 338; BGHZ 9, 157, 158; 16, 317, 322; 80, 346, 349; BGH, NJW 1985, 1901; WM 1987, 841, 842; Zöllner, S. 351 f.; Lutter, S. 114; Wiedemann, GesR I, S. 435; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 78; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 27 f.; M. Winter, S. 144 ff. u.a. 6 Zöllner, S. 351; Lutter, S. 114; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 78; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 27 f.; Wiedemann, GesR I, S. 435; M. Winter, S. 144 ff. u.a. 7 Vgl. Wiedemann, GesR I, S. 450 ff. m.w.N., der aber die Rücksichtnahmepflicht des Mehrheitsgesellschafters bei der Anteilsabtretung zu weit ausdehnt. 8 Vgl. BGHZ 76, 352, 355 f.; 103, 184, 193 ff. (AG); Lutter, ZGR 1981, 171, 181 f.; Timm, JZ 1980, 669 f.; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 83 f.; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 25; s. auch unten Erl. zu § 60. 9 BGHZ 80, 346, 349; BGH, GmbHR 1991, 362, 363.

H. Winter/Seibt

|

967

58

§ 14

Geschäftsanteil

Deinvestitionsinteresse unter Erhaltung der Gesellschaft durch andere gesicherte und zumutbare Maßnahmen voll gewahrt werden kann1; beim Ausschluss oder Austritt eines Gesellschafters aus wichtigem Grund, wenn der störende Zustand durch weniger einschneidende geeignete und angemessene Mittel beseitigt werden kann (s. Anh. § 34 Rdnr. 11, 30); bei der Verweigerung einer statutarisch erforderlichen Zustimmung der Gesellschaft oder der Gesellschafter zur Abtretung eines Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 5), wenn sie grundlos, willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen erfolgt ist (s. § 15 Rdnr. 127); bei der Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils (§ 34 Abs. 2) oder der Geltendmachtung des Erwerbsrechts an einem Geschäftsanteil (s. § 15 Rdnr. 51), wenn die Gesellschaftermehrheit oder der Erwerbsberechtigte den erforderlichen Grund treuwidrig selbst herbeigeführt haben2, oder wenn gegen sie ein Ausschließung aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 21 ff.) gerechtfertigt ist. Die Rücksichtnahmepflicht hat besondere Bedeutung bei der Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Stellung der Minderheit durch Mehrheitsbeschlüsse, insbesondere auch solchen über Satzungs- und Strukturänderungen, die nicht nur die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit wahren, sondern auch der Bindung der Beschlusskompetenz an den Gesellschaftszweck und das Gesamtinteresse des Personenverbandes Rechnung tragen müssen, also nicht willkürlich (grundlos oder aus sachfremden Erwägungen) schutzwürdige Minderheitsinteressen übergehen dürfen3. 59

(3) Zusätzliche Handlungspflichten. Das Gebot des gesellschaftstreuen Verhaltens kann auch zusätzliche Handlungspflichten der Gesellschafter begründen (Rdnr. 52)4. Es kommen insoweit vor allem Schutzpflichten auf Unterlassung treuwidriger Schädigungen der GmbH und der Mitgesellschafter in ihrem mitgliedschaftlichen Bereich5 in Betracht. Wie weit sie im Einzelnen reichen, hängt entscheidend von der rechtstatsächlichen Struktur des Gesellschaftsverhältnisses und dem Grad der geschuldeten oder tatsächlich ausgeübten Mitwirkung eines Gesellschafters an der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks ab (Rdnr. 53). Die Gesellschafter einer GmbH, die nicht zugleich Geschäftsführer (s. dazu bei § 43) sind, unterliegen zwar nicht allgemein, wohl aber – auch ohne eine dahin gehende statutarische Nebenleistungsvereinbarung (s. § 3 Rdnr. 88 ff.) – dann einem Wettbewerbsverbot, wenn das Gesellschaftsverhältnis auf eine enge persönliche Bindung und/oder Zusammenarbeit angelegt ist6 oder wenn der betreffende Gesellschafter einen bestimmenden Einfluss auf die 1 BGH, NJW 1985, 1901; s. auch Rdnr. 57. 2 Vgl. dazu RGZ 162, 388, 394 (BGB-Ges.); BGHZ 30, 195, 201 f. (KG). 3 Vgl. RGZ 122, 159, 166 f.; 132, 149, 163 f. (AG); BGHZ 71, 40, 44 ff., (AG); 76, 352, 355 ff.; 80, 69, 74; 101, 113, 116. Näheres dazu s. Erl. zu §§ 45, 53. 4 Vgl. Lutter, S. 110 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16, 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 25, 29 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 43 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 37; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 16 f., 23, 29. 5 BGHZ 65, 15, 18 ff.; BGH, NJW 1992, 368, 369. 6 Timm, GmbHR 1981, 177, 178 f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 112 f.; M. Winter, S. 252; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; abw. OLG Karlsruhe, GmbHR 1999, 539, 540; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 34 Rdnr. 5; Ivens, Das Konkurrenzverbot des GmbH-Gesellschafters, 1987, S. 169 ff. m.w.N.

968

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

Geschäftsführung ausübt oder ausüben kann1 und deshalb eine mögliche Schädigung des gemeinschaftlichen Unternehmens durch eine Konkurrenztätigkeit angesichts des besonderen Vertrauensverhältnisses oder der geschäftsführungsnahen Stellung grundsätzlich als illoyal erscheinen muss2. Unabhängig davon kann die Treuepflicht einem Gesellschafter im Einzelfall auch sonst gebieten, Geschäftschancen der GmbH nicht zu ihrem Nachteil für sich selbst auszunutzen, vor allem wenn er von ihnen als Mitglied Kenntnis erlangt hat, sie an ihn in dieser Eigenschaft herangetragen worden oder sie für die GmbH von besonderer Bedeutung sind3. Eine Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht der Gesellschafter liegt ferner vor, wenn sie vertrauliche Gesellschaftsangelegenheiten, die sie als Mitglied, insbesondere in Ausübung ihres Einsichts- und Auskunftsrechts (§ 51a) erfahren haben, zum Schaden der GmbH weiterverbreiten4. Auch sonstige illoyale Schädigungen der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter als solche, z.B. kreditgefährdende Äußerungen über die GmbH oder die Erwirkung gesellschaftsfremder Sondervorteile, haben sie zu unterlassen5. Aus dem Treuegebot sind im Einzelfall ebenfalls positive Leistungspflichten der Gesellschafter herzuleiten; doch ist insoweit im Hinblick auf die grundsätzliche gesetzliche Wertung des § 53 Abs. 3 und besonders bei vorwiegend kapitalistisch geprägten Beteiligungen äußerste Zurückhaltung erforderlich. Die Gesellschafter können danach im Einzelfall auf Grund ihrer besonderen Stellung in der GmbH oder zwecks Gewährleistung der satzungsmäßigen Beschlussfähigkeit bei wichtigen Entscheidungen zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung in Person oder durch Vertreter verpflichtet sein6. Darüber hinausgehend kann unter Umständen auch eine Pflicht zur Stimmabgabe in einem bestimmten Sinne gegeben sein7. Anders als bei den Personengesellschaften

1 Vgl. dazu auch BGHZ 80, 69, 74; 89, 162, 166; BGH, GmbHR 1988, 334, 335 f.; OLG Köln, GmbHR 1991, 366; OLG Karlsruhe, GmbHR 1999, 539, 540. 2 Vgl. dazu Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Wiedemann/Hirte, ZGR 1986, 163; Ivens, Das Konkurrenzverbot des GmbH-Gesellschafters, S. 139 ff.; M. Winter, S. 248 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 29; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 46; von der Osten, GmbHR 1989, 450, 451; einschr. Mertens/Cahn, in: FS Heinsius, 1991, S. 545, 555 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 34 Rdnr. 6 ff. m.w.N. Differenzierend Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 87. 3 BGH, GmbHR 1977, 129; ZIP 1989, 986, 987; Timm, GmbHR 1981, 177, 178 ff.; Lutter, S. 116; M. Winter, S. 241 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 98; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 44; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 16; Wiedemann, GesR I, S. 443 f. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 29; M. Winter, S. 241; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 16. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 29; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 50; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18. 6 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 30; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 51; Vogel, Gesellschafterbeschlüsse und Gesellschafterversammlung, 2. Aufl. 1986, S. 88 f. 7 Vgl. BGHZ 88, 320, 329; 98, 276, 279 ff.; BGH, WM 1987, 841; GmbHR 1991, 62; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 45, 47; OLG Hamm, GmbHR 1992, 612; Zöllner, S. 353 ff.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rdnr. 76; A. Hueck, ZGR 1972, 237, 252 f.; Lutter, S. 105 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 30; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 52; Raiser, in:

H. Winter/Seibt

|

969

60

§ 14

Geschäftsanteil

besteht für ihre Anerkennung im GmbH-Recht nur selten ein Bedürfnis, da die Gesellschafterbeschlüsse, s. stat., regelmäßig nur die einfache oder qualifizierte Mehrheit der abgegebenen Stimmen voraussetzen (§§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Satz 1) und der Möglichkeit einer treuwidrigen Blockierung wichtiger Entscheidungen auch im Übrigen durch Stimmenthaltung ausreichend begegnet werden kann, die weniger stark in die Mitgliedstellung eingreift und die dem Stimmberechtigten eher zumutbar ist1. Eine positive Stimmpflicht, die die gesetzlich den Gesellschaftern eingeräumte Autonomie zur Stimmrechtsausübung völlig negiert, ist deshalb wertungsmäßig nur vertretbar, wenn die erforderliche Entscheidung ohne die Zustimmung des betreffenden Gesellschafters nicht zu Stande kommen kann, also z.B. die Satzung für bestimmte Angelegenheiten (beispielsweise für die Genehmigung zur Anteilsabtretung) die Einstimmigkeit aller Gesellschafter oder die Kapitalmehrheit aller Geschäftsanteile vorschreibt, oder wenn in Extremfällen jedes andere Verhalten als eine Zustimmung mit der Treuepflicht unvereinbar wäre. Der Umstand, dass es sich um eine stark personalistisch ausgestaltete GmbH handelt, reicht dafür nicht aus2. Weitere gemeinsame Voraussetzungen für die aus dem Treuegebot sich ergebenden Pflichten zur Zustimmung oder zur Stimmenthaltung sind normalerweise, dass die zu beschließende Maßnahme im Gesellschaftsinteresse oder durch die erforderliche Rücksichtnahme auf mitgliedschaftliche Interessen der Mitgesellschafter zwingend geboten und dem betreffenden Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen Interessen zumutbar sein muss; z.B. kann eine derartige Zustimmungspflicht beim Vorliegen der übrigen Erfordernisse für die Abberufung eines untragbar gewordenen Geschäftsführers3 oder für die Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grunde bestehen (Rdnr. 57)4. Grundsätzlich gilt das Vorstehende auch für Satzungs- und Strukturänderungen zur Anpassung an veränderte Umstände5, aber es sind insoweit besonders strenge Anforderungen zu stellen (s. bei § 47 und § 53)6. Die Zustimmung zu einer Vermehrung der Leistungspflichten der Gesellschafter kann nicht mit Hilfe der Treuepflicht erzwungen werden (§ 53 Abs. 3)7. Ebenso wenig rechtfertigt sie die Beeinträchtigung von Sonderrechten (Rdnr. 19 ff.) oder relativ unentziehbaren

1 2 3 4

5

6

7

Ulmer, Rdnr. 85; M. Winter, S. 167 ff.; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 23; s. ferner die Erl. zu §§ 47, 53. BGHZ 129, 136, 152 f. A.M. Zöllner, S. 354; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 53 Rdnr. 47. Vgl. BGH, GmbHR 1991, 62; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 47. Nach BGHZ 98, 276, 279 f. sind für die Mitwirkungspflicht bei der Ausschließungsklage in der Personengesellschaft entwickelten Rechtsgrundsätze (BGHZ 64, 253, 256 ff.; 68, 81, 82) auf die personalistisch gestaltete GmbH anwendbar. Zu Mitwirkungspflichten bei Kapitalveränderungen in Sanierungsfällen vgl. BGHZ 129, 136, 152 f. (AG); K. Schmidt, GesR, § 5 IV 5; Häsemeyer, ZHR 160 (1996), 109 ff., jeweils m.w.N. BGHZ 98, 276, 279 f.; 129, 136, 152 f.; BGH, GmbHR 1987, 349; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 70 f.; Lutter/Hommelhoff, § 53 Rdnr. 32; Zöllner, S. 353 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 53 Rdnr. 47; M. Winter, S. 178 ff.; Henze, ZHR 162 (1998), 186, 191 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 53; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 23; stark zurückhaltend Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 53 Rdnr. 58; Meyer-Landrut, § 53 Rdnr. 8. Vgl. im Übrigen Erl. zu § 53. Bedenklich daher BGH, GmbHR 1987, 349.

970

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

Mitgliedschaftsrechten (Rdnr. 35 ff.)1, wenn dafür nicht ein wichtiger Grund gegeben ist (Rdnr. 27, 38). cc) Verletzungsfolgen Die Verletzungsfolgen bestimmen sich nach der Art der treuwidrigen Handlung. Wird die Treuepflicht durch einen Gesellschafterbeschluss verletzt, so ist dieser anfechtbar2. Treuwidrige Handlungen anderer Gesellschaftsorgane oder die treuwidrige Ausübung von Gesellschafterrechten (Rdnr. 54 f.) sind als Rechtsmissbrauch unbeachtlich3; die treuwidrig abgegebene Stimme ist nichtig und wird bei der Berechnung der für den Beschluss erforderlichen Mehrheit nicht mitgezählt4. Soweit die Treubindung zur Vornahme einer bestimmten Handlung verpflichtet (Rdnr. 59 f.), kann auch auf Erfüllung geklagt werden5. Die Treuepflichtverletzung kann u.U. auch ein wichtiger Grund für die Ausschließung eines Gesellschafters (s. Anh. § 34 Rdnr. 30) oder für die Entziehung von Sonderrechten (Rdnr. 27) oder anderen sonst unentziehbaren Gesellschafterrechten sein (Rdnr. 38).

61

Wird die gesellschaftliche Treuepflicht schuldhaft verletzt, so können sich daraus je nach ihrem Schutzzweck Schadensersatzansprüche der GmbH und/oder einzelner Gesellschafter ergeben, wenn und soweit letztere entweder allein oder über den bei der Gesellschaft eintretenden Schaden hinaus geschädigt worden sind6. Zur Geltendmachung von Gesellschaftsschäden durch Gesellschafterklage vgl. § 13 Rdnr. 53 ff. Der Haftung gegenüber den Mitgesellschaftern steht nicht entgegen, dass die GmbH „kapitalistisch“ ausgestaltet ist7. Besonders in GeschFührungsangelegenheiten kann die Gesellschaftermehrheit, die durch Beschluss die GeschFührer angewiesen (§§ 37 Abs. 1, 45 Abs. 2) oder diese in sonstiger Weise maßgeblich beeinflusst hat, der treuwidrig verletzten Minderheit schadensersatzpflichtig sein, wenn sie nicht die Sorgfalt eines or-

62

1 BGHZ 14, 25, 38; Ulmer, in: Hachenburg, § 53 Rdnr. 71; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 30; M. Winter, S. 179 f. 2 BGHZ 76, 352, 357; 80, 69, 74; 103, 185, 189; BGH, GmbHR 1991, 62; s. auch bei § 45 und § 47. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 31; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 89 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 41. 4 BGH, ZIP 1988, 22, 24. GmbHR 1991, 62; 1993, 579, 581; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 47; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 89; Zöllner, S. 366 ff.; K. Schmidt, GmbHR 1992, 9, 11 f. m.w.N.; a.M. Koppensteiner, ZIP 1994, 1325. 5 BGHZ 48, 163 (Durchsetzung Stimmpflicht); OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43; OLG Hamm, GmbHR 1992, 612; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 90; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 13 Rdnr. 31; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 32 Rdnr. 31. 6 Vgl. BGHZ 65, 15, 18; BGH, ZIP 1985, 1263, 1266; NJW 1992, 368, 369; OLG Karlsruhe, WM 1984, 656; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 91; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 13 Rdnr. 31; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 Rdnr. 41; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 42; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 392 ff., 416 ff.; M. Winter, ZHR 148 (1984), 579, 592 ff.; Ziemons, S. 75 ff., jeweils m.w.N. Krit. Flume, S. 270 f. und – unter Annahme eines deliktischen Gesellschafterschutzes gem. § 823 BGB – Mertens, in: FS R. Fischer, 1979, S. 461 ff. 7 BGH (vorige Fn.); a.M. Zöllner, S. 432.

H. Winter/Seibt

|

971

§ 14

Geschäftsanteil

dentlichen Kaufmannes gewahrt hat1. Desgleichen kann unter diesen Umständen ein Schadensersatzanspruch der GmbH gegeben sein2, der aber, wenn ein inneres Verbandsrecht begründender Gesellschafterbeschluss vorliegt, erst nach dessen Vernichtung auf Grund einer Anfechtungsklage geltend gemacht werden kann. Soweit nicht GeschFührungsangelegenheiten betroffen sind, gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des § 276 BGB3. Die Schadensersatzansprüche wegen Treupflichtverletzung unterliegen im Grundsatz der Regelverjährung, also nach der Schuldrechtsreform § 195 BGB4; soweit daneben Ansprüche aus § 43 in Betracht kommen, sollte einheitlich die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 43 Abs. 4 gelten5.

IV. Vorzugsgeschäftsanteile 63

Vorzugsgeschäftsanteile sind solche Geschäftsanteile, mit denen Vorzugsrechte (Sonderrechte) verknüpft sind6. Mit Übertragung des Geschäftsanteils geht daher das Sonderrecht auf den Anteilserwerber über, es sei denn, dass es, wie z.B. ein Recht auf ein Aufsichtsratsamt, höchstpersönlicher Natur ist oder der Gesellschaftsvertrag sonst einen Übergang ausschließt. GeschAnteile können auch derart gebildet sein, dass sie einerseits Sonderrechte, z.B. im Gewinnbezug, gewähren, andererseits geminderte Rechte tragen, z.B. ein geringeres oder gar kein Stimmrecht (§ 139 AktG). In der Praxis hat man auch solche Anteile Vorzugsgeschäftsanteile genannt7.

V. Geschäftsbereichsanteile 63a

In der Praxis findet sich in Sonderkonstellationen die Regelung von Geschäftsbereichsanteilen, bei denen das Dividenden- und Liquidationserlösrecht der Gesellschafter nicht an das Ergebnis der Gesamtgesellschaft anknüpft, sondern an einen bestimmten abgrenzbaren Geschäftsbereich. Eine derartige spartenbezo1 Für diesen Sorgfaltsmaßstab auch BGH, NJW 1976, 191, 192 (in BGHZ 65, 15 nicht abgedruckt); Immenga, S. 268, 283; Immenga, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 189, 199; Schilling, in: FS Hefermehl, 1976, S. 383, 385; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 13 Rdnr. 31; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 92; Wiedemann, GesR I, S. 455; Blaurock, in: FS Stimpel, 1985, S. 553, 563; Ziemons, S. 164 f. m.w.N.; abw. für Anwendung des § 276 BGB Ulmer, ZHR 148 (1984), 421. Noch stärker einschränkend Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 42. 2 A.M. Wolany, S. 114. 3 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 92; U. Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 181 f.; Martens, GmbHR 1984, 265, 268; a.M. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 13 Rdnr. 85. Näheres zur konzernrechtlichen Problematik vgl. Anh. Konzernrecht. 4 BGH, WM 1978, 1205; BGH, ZIP 1999, 240. 5 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 92 a.E. 6 Terminologisch abweichend Ulmer, § 5 Rdnr. 189 m. Fn. 285, 202; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 10, die einen Vorzugsgeschäftsanteil nur annehmen, wenn das Vorzugsrecht nach der Satzungsregelung auf die jeweiligen oder bestimmte Anteilserwerber übergeht, während sonst trotz Bindung an die Mitgliedschaft ein teilweise abweichend zu behandelnder persönlicher Sondervorteil vorliegen soll. 7 RGZ 167, 65.

972

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

gene Vermögensbeteiligung hat unter dem Schlagwort „Tracking Stocks“ bei börsennotierten Aktiengesellschaften in den USA eine gewisse Verbreitung gefunden und dient dort vor allem dem Abbau des von Mischkonzernen am Kapitalmarkt zu zahlenden sog. Diversifikationsabschlags1. In Deutschland finden sich solche Tracking Stock-Modelle fast ausschließlich bei Gemeinschaftsunternehmen in der Rechtsform der GmbH2, bei denen die Joint Venture-Partner vermögensmäßig ausschließlich an dem von ihnen eingebrachten Unternehmensteil beteiligt bleiben. Eine solchermaßen divisionalisierte Gewinn- und Liquidationserlösbeteiligung ist nach § 29 Abs. 3 Satz 2 sowie § 72 Satz 2 zulässig3 und bedarf zu ihrer steuerlichen Anerkennung einer Satzungsgrundlage. Die Satzungsregelung sollte eine hinreichend bestimmte Definition der „getrackten“ Geschäftsbereiche oder Sparten sowie ein Verfahren zur Neubeschreibung dieser Geschäftsbereiche bei tatsächlichen Entwicklungen, die Aufstellung und Konturierung einer Spartenrechnungslegung, Zustimmungsvorbehalte zu Gunsten der Gesellschafterversammlung bzw. eines anderen Organs (z.B. Aufsichtsrat) bei Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die einen wesentlichen Einfluss auf die Ertragssituation bzw. die langfristige Wertbildung der „getrackten“ Geschäftsbereiche haben sowie zur Verteilung des Gewinns und des Liquidationserlöses umfassen. Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass für die Bestimmung des zu verteilenden Gewinns ungeachtet einer Regelung zur divisionalisierten Gewinnbeteiligung die Bezugsgröße des Jahresergebnisses maßgeblich bleibt und der festgestellte Jahresabschluss die im Rahmen der Gewinnverteilung disponible Masse bindend festlegt. Daher sind präzise Regelungen vor allem für den Fall erforderlich, dass nur einzelne von mehreren Bereichen der Gesellschaft positive Erträge erwirtschaften4.

63b

Die nachträgliche Satzungsregelung von Geschäftsbereichsanteilen setzt die Zustimmung aller Gesellschafter voraus.

63c

VI. Anteilscheine Begrifflich handelt es sich um über GeschAnteile ausgestellte Urkunden. Das Gesetz sieht sie nicht vor (anders das Aktienrecht: §§ 10, 13 AktG). Dass eine GmbH Anteilscheine ausgibt, ist zulässig, in der Praxis bislang indes selten. Insbesondere ausländische Gründer/Anteilserwerber verlangen vor dem Hinter1 Eingehend Tonner, Tracking Stocks – Eine Untersuchung zur Zulässigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten von Geschäftsbereichsaktien nach deutschen Aktiengesetz, 2002; Tonner, IStR 2002, 317 ff.; Thiel, Spartenaktien für deutsche Aktiengesellschaften, 2001; Sieger/Hasselbach, BB 1999, 1277; Sieger/Hasselbach, AG 2001, 391 ff.; Baums, in: FS Boujong, 1996, S. 19 ff.; aus betriebswirtschaftlicher Sicht Natusch, „Tracking Stock“ als Instrument der Beteiligungsfinanzierung diversifizierter Unternehmen, 2. Aufl. 2000, passim. 2 Zu solchen Einsatzmöglichkeiten R. Müller, WiB 1997, 57, 60 f.; Fox/Hüttche/Lechner, GmbHR 2000, 521. 3 R. Müller, WiB 1997, 57, 60; Fox/Hüttche/Lechner, GmbHR 2000, 521, 529; Breuninger/Krüger, in: FS W. Müller, 2001, S. 527, 529. 4 Für Formulierungsvorschläge Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, § 2 Rdnr. 309 f.

H. Winter/Seibt

|

973

64

§ 14

Geschäftsanteil

grund ihrer (nicht anwendbaren) Heimatjurisdiktionen gelegentlich die Ausgabe von Anteilsscheinen. Ein Anpruch des Gesellschafters darauf besteht nur, wenn in der Satzung vorgesehen oder von den Gesellschaftern beschlossen1. Der Schein ist nur eine Beweisurkunde2. Auf den Inhaber oder an Order kann die Urkunde nicht gestellt werden (anders bei der Aktie), sondern muss auf den Namen des Berechtigten lauten. Sie hat außerdem, da anderenfalls der Beweiszweck nicht erreicht wird, zumindest die Gesellschaft und den Nennbetrag des Geschäftsanteils zu bezeichnen sowie Ort und Zeit der Ausstellung zu enthalten3; er kann maschinell unterschrieben sein. Die Ausgabe von Teilanteilscheinen, die nach Art von Aktien auf Stückelungsbeträge gleicher Höhe lauten, ist zwar nicht unzulässig4, aber, da Teilgeschäftsanteile nicht geschaffen werden können (§§ 5 Abs. 2, 17 Abs. 6), rechtlich bedeutungslos und irreführend5. 64a

Da der Anteilschein kein Wertpapier ist, verkörpert er nicht das Anteilsrecht. Dieses wird wirksam übertragen (§ 15 Abs. 3) und gepfändet auch ohne Übergabe des Anteilscheins6. Der Erwerber des Geschäftsanteils wird grundsätzlich analog § 952 BGB Eigentümer des Anteilscheins7 und kann seine Aushändigung nach §§ 985, 402, 413 BGB verlangen. Ein auf die Übergabe des Anteilscheins gestützter gutgläubiger Erwerb eines GeschAnteils ist de lege lata ausgeschlossen8. Der Gesellschaftsvertrag kann freilich die Abtretung des GeschAnteils an die Übergabe des Anteilscheins knüpfen (als „weitere Voraussetzung“ i.S. des § 15 Abs. 5; dazu § 15 Rdnr. 116), auch bestimmen, dass Gewinnanteile nur gegen Vorlage des Anteilscheins oder des Dividendenscheins (Rdnr. 66) bezahlt werden9 oder die Ausübung anderer Mitgliedschaftsrechte (z.B. Stimmrecht) von der Vorlage des Anteilscheins abhängig ist10. Der Anspruch auf Anteilsübertragung kann auch bei Ausstellung von Anteilsscheinen nicht im Urkun-

1 Eb. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 37; einschr. (Satzungsregelung erforderlich) Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; MeyerLandrut, Rdnr. 5. 2 RGZ 57, 415; JW 1901, 521; OLG Köln, GmbHR 1995, 293; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 38. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 23 Rdnr. 4; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 40. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 37; a.M. Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 16 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 37. 6 RGZ 98, 277; RG, GmbHR 1921, 165. 7 Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 16; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 38. 8 Rechtspolitisch für einen Gutglaubenserwerb über die Einführung eines wertpapierrechtlichen Anteilscheins Grunewald/Gehling/Rodewig, ZIP 2006, 685, 689 (Gehling), dort auch Gegenposition (690). 9 RGZ 98, 278; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 15. 10 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 38.

974

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

denprozess geltend gemacht werden, da keine Wertpapiere i.S. des § 592 ZPO Klagegegenstand sind1. Das Aufgebot (Amortisation) von Anteilscheinen ist unstatthaft (§ 946 ZPO). Der Gesellschaftsvertrag kann ein solches Verfahren nicht einführen. Ist nach dem Gesellschaftsvertrag die Übergabe des Anteilscheins zur Übertragung des GeschAnteils erforderlich (§ 15 Abs. 5) oder die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten von der Vorlage des Anteilscheins abhängig (Rdnr. 64a), so ist die GmbH verpflichtet, an Stelle des verlorenen Scheins ohne Amortisation einen anderen auszustellen2; dann muss auch im Falle der Verpfändung des GeschAnteils der Anteilschein mitverpfändet werden3.

65

VII. Dividendenscheine Die Gewinnanteil- oder Dividendenscheine, die die Ansprüche der Gesellschafter auf den festgestellten verteilbaren Jahresüberschuss (§ 29 Abs. 1) verbriefen, sind im GmbHG zwar nicht geregelt, aber unbedenklich zulässig4. Sie können als Beweisurkunden, aber auch als Wertpapiere (Rekta-, Inhaber- oder Orderpapier) ausgestaltet werden. Der Inhabergewinnschein (Inhaberschuldverschreibung), der, weil er nicht auf eine bestimmte Summe lautet, keiner staatlichen Genehmigung bedarf, unterliegt grundsätzlich den §§ 793 ff. BGB5. Als Orderpapier ist er gem. § 363 HGB („Verpflichtungsschein“) zulässig. Da das Gewinnbezugsrecht selbständig übertragbar ist, steht die für die Übertragung der GeschAnteile in § 15 Abs. 3 vorgesehene notarielle Form einer formlosen Abtretung des Rechts auf den Gewinn nicht entgegen, bedarf diese Abtretung nicht einer nach § 15 Abs. 5 erforderlichen Genehmigung, können der GeschAnteil und das Gewinnbezugsrecht verschiedenen Personen zustehen. Die Zerlegung des auf einen GeschAnteil entfallenden Gewinnbezugsrechts in mehrere Teile, denen mehrere Dividendenscheine entsprechen, ist möglich6. Die Übertragung erfolgt durch einfache Abtretung (Zession) oder, wenn der Schein an Order lautet, auch durch Indossament (§ 364 HGB), beim Inhaberschein durch Übereignung des Papiers gem. §§ 929 ff. BGB. Beim Order- oder Inhaberschein sind Einwendungen der GmbH als Ausstellerin nur gem. § 364 HGB, § 796 BGB und aus dem Hauptrecht, d.h. der Mitgliedschaft, zulässig7. Die Gesellschafter1 OLG Köln, GmbHR 1995, 293. 2 Neukamp, ZHR 57 (1906), 30, 48; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 38; Raiser, in: Ulmer, Rdnr. 16; a.M. Brodmann, Anm. 6 zu § 15. 3 RGZ 98, 277. 4 Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Rdnr. 158; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 29 Rdnr. 87; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Meyer-Landrut, Rdnr. 6; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 23 Rdnr. 5. 5 Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Rdnr. 163 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 29 Rdnr. 87. 6 Zust. Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Rdnr. 161; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 119. 7 RGZ 77, 335; 82, 145; KG, DNotZ 1926, 28; Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Rdnr. 165 m.w.N.

H. Winter/Seibt

|

975

66

§ 14

Geschäftsanteil

rechte, z.B. Stimmrecht u. Mitwirkung bei Beschlussfassung über die Gewinnverteilung, stehen nur dem Gesellschafter (GeschAnteilsinhaber), nicht dem Dividendenzessionar zu1. Aufgebotsfähig sind Dividendenscheine nur, wenn sie an Order lauten (§ 365 Abs. 2 HGB; für Inhaberscheine vgl. § 799 BGB).

VIII. Genussrechte (Genussscheine) Schrifttum: Achleitner/von Einem/von Schröder, Private Debt – alternative Finanzierung für den Mittelstand, 2004; Albach, Zur Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Risikokapital, 1983, S. 116 ff.; Buntschuh/Hadding/Schneider (Hrsg.), Recht und Praxis der Genussscheine, 1987; Claussen, Der Genussschein und seine Einsatzmöglichkeiten, in: FS W. Werner, 1984, S. 83; Frantzen, Genussscheine – zugleich eine Analyse der Genussscheinbedingungen deutscher Unternehmen, 1993; Feddersen/Knauth, Eigenkapitalbildung durch Genussscheine, 2. Aufl. 1992; Göhrum, Einsatzmöglichkeiten von Genussrechten bei der notleidenden GmbH oder AG, 1992; Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, Mezzanine-Kapital, BB Spezial 4/2005; Häger/Elkemann/Reusch, Mezzanine Finanzierungsinstrumente, 2004; Hofert/Arends, Mezzanine-Finanzierung der GmbH, GmbHR 2005, 1381; Pougin, Genussrechte, 1987; Rid-Niebler, Genussrechte als Instrument zur Eigenkapitalbeschaffung über den organisierten Kapitalmarkt für die GmbH, 1989; Schaber/Kuhn/ Eichhorn, BB 2004, 315; Sethe, Genussrechte: Rechtliche Rahmenbedingungen und Anlegerschutz, AG 1993, 293 und 351; Vollmer, Der Genussschein – ein Instrument für mittelständische Unternehmen zur Eigenkapitalbeschaffung an der Börse, ZGR 1983, 445; Vollmer, Eigenkapitalbeschaffung für die GmbH durch Börsengang, GmbHR 1984, 329.

1. Begriff und Bedeutung 67

Die sog. Genussrechte (Genussscheine), die bisher für die GmbH nur eine geringe praktische Bedeutung (mit Ausnahme als Venture Capital-Finanzierungselement2 und jüngsten sog. Conduit-Lösungen für bestimmte Mittelstandsunternehmen3) erlangt haben, sind durch den Rechtsverkehr entwickelt worden. Das AktG erwähnt sie in §§ 160 Abs. 3 Nr. 6, 221 Abs. 34, gibt aber selbst keine Begriffsbestimmung5. Es handelt sich um Rechte gegen die GmbH (AG) mit einem vermögensrechtlichen Inhalt, wie ihn typischerweise auch die Gesellschafterrechte gewähren, insbesondere Rechte auf einen Anteil am Gewinn

1 Vgl. RGZ 98, 318; Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Rdnr. 162; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 87; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 120. 2 Z.B. Empfehlung Business Angels Networks Deutschland (BAND) mit Musterverträgen (www.business-angels.de). – Alternativ werden Strukturen mit einer Kombination von Vorzugsgeschäftsanteilen mit Darlehensausreichung oder stillen Beteiligungen gewählt. 3 Bei den Conduit-Lösungen erwerben Einzweckgesellschaften von Kreditinstituten Genussscheine bestimmter Mittelstandsunternehmen, die sich dann ihrerseits am Kapitalmarkt refinanzieren; vgl. Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381. 4 Vgl. auch §§ 5 Abs. 1 Nr. 7, 23, 126 Abs. 1 Nr. 7, 194 Abs. 1 Nr. 5 UmwG. 5 Auch § 10 Abs. 5 KWG legt nur die Voraussetzung fest, unter denen das Genussrechtskapital für die dem Geltungsbereich dieses Gesetzes unterliegenden Kreditinstitute dem haftenden Eigenkapital zuzurechnen ist. Eine darüber hinausgehende Bedeutung hat er nicht; vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 1070, 1075; Rid-Niebler, S. 14 f., 68 f. m.w.N.

976

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

und/oder am Liquidationserlös der Gesellschaft1. Die Genussrechte sind aber keine Mitgliedschaftsrechte, sondern Gläubigerrechte rein schuldrechtlicher Art2. Die früher abweichende Auffassung, die die Genussrechte demgegenüber als „Beteiligung besonderer Art“ charakterisiert hat3, ist abzulehnen. Ebenso wenig liegt normalerweise eine stille Gesellschaft vor4.

2. Begründung Begründet werden die Genussrechte durch Verträge zwischen der GmbH und dem ersten Erwerber5. Übereinstimmendes Merkmal solcher Verträge ist zwar, dass die Gesellschaft einem anderen einen schuldrechtlichen Anspruch mit vermögensrechtlichem Inhalt einräumt, wie ihn typischerweise auch Gesellschafterrechte gewähren (Rdnr. 67), aber der Verpflichtigungsgrund kann ganz unterschiedlicher Art sein und die zugesagten Leistungen können inhaltlich sehr unterschiedlich ausgestaltet werden. Einen verkehrstypischen Genussrechtsvertrag gibt es deshalb nicht6; häufig handelt es sich um einen aus Elementen verschiedener Vertragstypen bestehenden gemischten Vertrag.

68

a) Es ist wegen der Verschiedenartigkeit der Genussrechtsverträge (Rdnr. 68) nicht möglich, allgemein zu bestimmen, ob der GeschFührer rechtswirksam die Genussrechte ohne eine entsprechende Festsetzung im Gesellschaftsvertrag oder ohne Zustimmung der Gesellschafter vereinbaren kann7. Die satzungsmäßige Festsetzung aller wesentlichen Bedingungen des Genussrechts ist erforderlich, wenn es den Gesellschaftern im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses, z.B. als Gründervorteil (s. § 3 Rdnr. 100), als Teilentgelt für eine gemischte

69

1 Vgl. dazu Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 879; Wedel, Der Partizipationsschein als Kapitalbeschaffungsmittel der Aktiengesellschaften, 1969, S. 50 ff.; Rid-Niebler, S. 1 ff.; Sethe, S. 297; K. Schmidt, GesR, § 18 II 2b dd; Schaber/Kuhn/Eichhorn, BB 2004, 315, 316; Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1383. 2 RGZ 83, 297; 97, 199 f.; 105, 239; 115, 230; 132, 206; BGHZ 119, 305, 310; 120, 141, 146 f.; BGH, WM 1959, 434; Feine, S. 292 ff.; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 383 f.; Rid-Niebler, S. 10 ff.; Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB-Spezial 4/2005, 1, 17; Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 88; Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 26, jeweils m.w.N. 3 So Würdinger, Aktien- und Konzernrecht, 4. Aufl. 1981, S. 86; Ernst, Der Genussschein im deutschen und schweizerischen Aktienrecht, 1963, S. 98 ff., 115. 4 Feddersen/Knauth, S. 17 f.; Frantzen, S. 15; Sethe, S. 297; Blaurock, Hdb. d. Stillen Gesellschaft, 6. Aufl. 2003, S. 145 f.; a.M. Meilicke, BB 1989, 465, 466; Schön, JZ 1993, 925, 929 f.; damit sympathisierend auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11. 5 RGZ 132, 199, 206 f.; Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 24; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 88c; Mayer/Vollrath, in: MünchHdb. GesR III, § 50 Rdnr. 38. 6 Zutr. Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 4; Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 44; s. auch BGHZ 119, 305, 309. Die Qualifizierung als Vertrag sui generis (so z.B. Pougin, in: FS Oppenhoff, 1985, S. 275 ff.; Rid-Niebler, S. 82 m.w.N.) ist deshalb verfehlt oder zumindest irreführend. 7 Sethe, S. 313 f.; Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 24; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 91; a.M. Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 45, die § 221 Abs. 1, 3 AktG analog anwenden wollen; s. auch Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 136.

H. Winter/Seibt

|

977

§ 14

Geschäftsanteil

Sacheinbringung (s. § 5 Rdnr. 81 ff.), als Entgelt für die Nebenleistungspflicht eines Gesellschafters (s. § 3 Rdnr. 68 ff., 78) oder für amortisierte Geschäftsanteile gewährt werden soll. Fehlt sie, so ist die entsprechende Ausführungsvereinbarung unwirksam. 70

Andere Genussrechtsverträge bedürfen dagegen grundsätzlich keiner satzungsmäßigen Grundlage1. Sie greifen, wenn sie eine Gewinn- oder Ergebnisbeteiligung gewähren, nicht ohne weiteres in das Gewinnrecht der Gesellschafter (§ 29 Abs. 1) ein. Die Zahlungen an die Genussrechtsinhaber sind, sofern ihnen ein Drittgeschäft (Rdnr. 15 f.) zugrunde liegt, keine Verwendung des den Gesellschaftern zustehenden Jahresüberschusses, sondern stellen einen bei dessen Ermittlung zu berücksichtigenden Aufwand der Gesellschaft dar2. Auch eine mittelbare (wirtschaftliche) Beeinträchtigung der Gewinnrechte kann nur eintreten, wenn der Genussrechtsvertrag unzulässigerweise keine angemessene Gegenleistung vorsieht. Der durch eine solche Gestaltung möglichen Gefährdung der Gesellschafterinteressen wird ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass bedeutsamere Genussrechtsverträge innergesellschaftlich als außergewöhnliche Geschäfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung unterliegen (s. § 37 Rdnr. 12 ff.)3; gegen ungerechtfertigte wirtschaftliche Beeinträchtigungen ihres Gewinnrechts ist die Minderheit dabei durch den Gleichbehandlungsgrundsatz (Rdnr. 40 ff.) und die gesellschaftliche Treuepflicht (Rdnr. 50 ff., 61) geschützt. Die entsprechende Anwendung der §§ 53, 54 (qualifizierte Mehrheit, Formerfordernisse u. Eintragung) auf dem Zustimmungsbeschluss zum schuldrechtlichen Genussrechtsvertrag scheidet demgegenüber ohne das Hinzutreten besonderer Umstände auch dann aus, wenn die Voraussetzungen eines Teilgewinnabführungsvertrages i.S. des § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG vorliegen4; sie kann nicht mit dem Hinweis auf die undifferenzierte aktienrechtliche Regelung der §§ 292 Abs. 1 Nr. 2, 293 f. AktG begründet werden.

71

Der Gesellschaftsvertrag kann nähere Bestimmungen über die Vereinbarung von Genussrechten treffen, aber sie beschränken nur die Geschäftsführungsbefugnis (§ 37), wirken nicht gegenüber Dritten. Eine Ausnahme gilt – auch bei Überschreitung der in Rdnr. 70 erörterten Grenzen – aber beim Missbrauch der Vertretungsmacht (s. § 35 Rdnr. 132 ff.). 1 Eb. Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 24; Meyer-Landrut, § 29 Rdnr. 23; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 436; Sethe, S. 313 f.; Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB-Spezial 4/2005, 1, 17 (aber empfehlenswert); einschr. auf Verträge des laufenden Geschäftsverkehrs Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 91; abw. für Genussrechte mit Eigenkapitalcharakter Rid-Niebler, S. 85 ff. 2 Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 24; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 436. 3 Sethe, S. 314; weitergehend Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 24: „in aller Regel“; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 29 Rdnr. 139. Für einen Gesellschafterbeschluss mit satzungsändernder Mehrheit allgemein Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 45 u. für Finanzierungsgenussrechte Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 91; ähnlich Rid-Niebler, S. 85 ff., 89 ff. 4 Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 24 wollen in diesem Fall „in abgeschwächter Form“ die für Gewinnabführungsverträge geltenden Rechtsprechungsgrundsätze (BGHZ 103, 1, 4 f.; 105, 324, 338 ff.) anwenden.

978

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

b) Ein Bezugsrecht auf Genussrechte steht den Gesellschaftern der GmbH nicht zu1; § 221 Abs. 4 AktG ist nicht analog anwendbar. Die Satzung kann aber ein solches Recht einräumen (Rdnr. 71). Bei der Ausgabe von Genussrechten hat die Gesellschaft im Übrigen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, darf also nicht einzelne Gesellschafter willkürlich vom Bezug ausschließen (Rdnr. 40 ff.).

72

c) Die Genussrechtsbedingungen unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, soweit es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelt (§ 305 Abs. 1 BGB)2. Die Bereichsausnahme für Verträge auf dem Gebiete des Gesellschaftsrechts (§ 310 Abs. 4 BGB) greift bei Genussrechtsverträgen im Allgemeinen nicht ein, da sie schuldrechtliche Regelungen treffen (Rdnr. 67); etwas anderes gilt nur für solche Genussrechte, die auf Grund der Festsetzung in der Satzung im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses an Gesellschafter der GmbH gewährt werden (Rdnr. 69). Die Inhaltskontrolle bezieht sich nach § 307 Abs. 3 BGB nicht auf die Abreden, die den Gegenstand der Hauptleistung und den Preis bestimmen, z.B. bei Genussrechtsverträgen die Art und die Höhe der zugesagten Gewinnbeteiligung; insoweit sind – abgesehen von § 305c BGB – die allgemeinen Vorschriften der §§ 134, 138 BGB maßgebend. Die abweichende Auffassung, die die Inhaltskontrolle auf diese Abreden ausdehnen will3, ist mit dem Gesetz unvereinbar und kann auch nicht mit Besonderheiten der Genussrechtsverträge gerechtfertigt werden. Nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB sind die Bestimmungen der von der Gesellschaft verwendeten Genussrechtsbedingungen unwirksam (s. dazu § 306 BGB), die den Genussberechtigten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, was regelmäßig (Abs. 2: „im Zweifel“) vor allem dann zutrifft, wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbare Abweichungen von ihr enthalten oder aus der Natur des Vertrages sich ergebende wesentliche Rechte oder Pflichten derart einschränken, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Es ist dabei für die Beurteilung der keinem gesetzlichen Vertragstyp entsprechen-

73

1 Zutr. Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 25; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 91; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 438; a.M. Lutter, in: FS Döllerer, 1988, S. 383, 385; Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 27; Rid-Niebler, S. 48 f.; Sethe, S. 315; offen Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1383. 2 BGHZ 119, 305, 312 ff.; OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 1070, 1075 (AG); Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 28; Rid-Niebler, S. 83, 118 ff.; Hammen, BB 1990, 1917, 1918 ff.; Frantzen, S. 23, 100; Sethe, S. 352, 368 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 29 Rdnr. 89; Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 45; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/ Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl. 2006, § 305 BGB Rdnr. 19 u. 113; § 310 BGB Rdnr. 122. Krit. Ekkenga, ZHR 160 (1996), 59 ff. m.w.N. Eine Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB befürwortet Kallrath, Die Inhaltskontrolle der Wertpapierbedingungen von Wandelund Optionsanleihen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten, 1994, S. 63 ff. 3 Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 28; Rid-Niebler, S. 118 f. m.w.N.; wie hier BGHZ 119, 305, 314 ff.; Hammen, BB 1990, 1917, 1918; Sethe, S. 368 f.; Lutter, in: KölnKomm. AktG, § 221 Rdnr. 222; Bürger, Genussrechte als Mittel zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung von Unternehmen, insbes. Kreditinstituten, Diss. Augsburg 1987, S. 262 ff.

H. Winter/Seibt

|

979

§ 14

Geschäftsanteil

den Genussrechtsverträge (Rdnr. 68) besonders zu beachten, dass unter „gesetzlicher Regelung“ im obigen Sinne auch geltende allgemeine Rechtsgrundsätze und durch Analogie oder sonstige Rechtsfortbildung entstandene Rechtssätze zu verstehen sind1. Aus den Vorschriften über stimmrechtslose Vorzugsaktien (§§ 139 ff. AktG), die das Schrifttum teilweise als Beurteilungsmaßstab heranziehen will2, lassen sich jedenfalls für die von einer GmbH gewährten Genussrechte keine geeigneten Angemessenheitskriterien ableiten (s. auch Rdnr. 33, 37)3. Auch die Regelungen über die stille Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB) sind nicht vergleichbar4.

3. Rechte der Genussrechtsgläubiger 74

Die Rechte der Genussrechtsgläubiger bestimmen sich ausschließlich nach dem Vertrag. Mitgliedschaftsrechte stehen ihnen nicht zu und können auch vertraglich nicht eingeräumt werden5, insbesondere können sie einen Gesellschafterbeschluss, der sich auf das Genussrecht auswirkt (Rdnr. 75, 76), nicht anfechten6. Es können ihnen aber mit schuldrechtlicher Wirkung Auskunftsund Kontrollrechte oder (dies aber stets nur auf Grund einer Ermächtigung durch den Gesellschaftsvertrag oder durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss) ein Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung eingeräumt werden7. In der Praxis werden zugunsten des Genussrechtsinhabers – anders als bei atypisch stillen Beteiligungen – nur geringe Informations- und Kontrollrechte vereinbart8. Weitergehende Mitwirkungsrechte, insbesondere eine Anfechtungsbefugnis betreffend die Gesellschafterbeschlüsse, können sie als Nichtmitglieder dagegen selbst dann nicht haben, wenn sie als Gegenleistung eine Eigenkapitaleinzahlung zu erbringen haben9. Die Nichtigkeitsfeststellungsklage gem. § 256 ZPO können sie dagegen beim Vorliegen eines entsprechenden rechtlichen Interesses ohne Vereinbarung wie jeder andere erheben.

75

Den Genussrechtsinhabern, denen ein Gewinnanteil zu gewähren ist, steht nicht deswegen ein Recht zur Mitwirkung an der Aufstellung (§ 264 Abs. 1 HGB) und der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 46 Nr. 1 GmbHG) oder die Befugnis zur Anfechtung eines gesetz- oder satzungswidrigen Festellungsbe1 Bedenklich insoweit OLG Düsseldorf, ZIP 1991, 1070, 1075 f.; krit. dazu mit Recht Hirte, ZIP 1991, 1461, 1464 f. 2 Rid-Niebler, S. 119. 3 Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 28; Sethe, S. 369. 4 BGH, WM 1959, 434. 5 BGHZ 119, 305, 310/316. 6 RGZ 105, 239; BGHZ 119, 305, 316; Feine, S. 239; Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 89; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 880; Rid-Niebler, S. 55 f.; Lutter, ZGR 1993, 291, 294 f.; Sethe, S. 354; abw. Vollmer, ZGR 1983, 445, 463. 7 Zutr. Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 9; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 880; Feddersen/Knauth, S. 80 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 89; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 412. 8 So auch Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB-Spezial 4/2005, 1, 17; Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1384. 9 A.M. Vollmer, ZGR 1983, 445, 463, 468 f.

980

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

schlusses zu (Rdnr. 74)1. Auch die Ausübung von Bilanzierungswahlrechten ist eine Sache der Gesellschaft. Eine gesetzwidrige Ermittlung des Jahresüberschusses durch die Gesellschaft, die den Gewinnanteil schmälert, stellt dagegen zugleich eine zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung des Genussrechtsvertrages dar. Sofern dieser den Anspruch aber an die rechtswirksamen (möglicherweise fehlerhaften) Feststellungsbeschlüsse bindet, gilt das nicht bei treuwidrigen Verkürzungen des Gewinnbezugs2. Entsprechendes ist bei einer nach dem Genussrechtsvertrag zulässigen Vorabverwendung des Jahresergebnisses zur Rücklagenbildung3 anzunehmen, die nicht treuwidrig in einem kaufmännisch unvertretbaren Umfange erfolgen darf4. Die Beeinträchtigung des Jahresergebnisses durch verdeckte Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter brauchen die Genussberechtigten nicht hinzunehmen. Es darf, wenn sie einen Anspruch auf den anteiligen Liquidationserlös haben, auch nicht zur Amortisation eigener Geschäftsanteile verwendet werden5. Besondere Abreden der Vertragsbeteiligten über die Ermittlung des für die Gewinnbeteiligung maßgebenden Jahresüberschusses hindern die Gesellschafter nicht an der Feststellung eines abweichenden Jahresabschlusses, sondern erfordern eine zusätzliche Abrechnung.

4. Änderung und Aufhebung Änderungen der Genussrechte können nur nach Maßgabe des allgemeinen Vertragsrechts erfolgen. Gesellschafterbeschlüsse über derartige Änderungen schaffen nur innergesellschaftliches Recht (u.U. sind sie aber wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig), wirken aber nicht gegenüber den Genussrechtsinhabern6, es sei denn, dass in der mit ihm getroffenen Vereinbarung ein entsprechender Änderungsvorbehalt aufgenommen worden ist7; ein bloßer Satzungsvorbehalt reicht – außer für die den Gesellschaftern im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses gewährten Genussrechte (Rdnr. 69) – nicht aus. Einschränkungen für Änderungsvorbehalte ergeben sich, soweit anwendbar (Rdnr. 73), aus §§ 307, 308 Nr. 4 BGB. Die Ausübung des einseitigen Änderungsrechts unterliegt der Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB8 und muss den Gleichbehandlungsgrundsatz wahren9. 1 Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 9, 12; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 880; Sethe, S. 359; a.M. Vollmer, ZGR 1983, 445, 468 f. 2 Vgl. Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 12; Rid-Niebler, S. 116; Feddersen/Knauth, S. 116 f.; Hammen, BB 1990, 1917, 1919. 3 RGZ 83, 295, 298. 4 Vgl. Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 412. Demgegenüber will Sethe, S. 359 f. die §§ 315 f. BGB analog anwenden. 5 OLG Dresden, ZHR 1935, 244. 6 RGZ 49, 16; 117, 384; 132, 205 f.; BGH, ZIP 1992, 1542, 1543; Feine, S. 293; Goerdeler/ Müller, in: Hachenburg, § 29 Rdnr. 11; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 881 f.; Sethe, S. 358. 7 Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 11; Rid-Niebler, S. 100; Sethe, S. 358. Vgl. auch Lutter, in: KölnKomm. AktG, § 221 Rdnr. 351 m.w.N. 8 Van Look, in: Recht und Praxis der Genussscheine, 1987, S. 98 f.; Rid-Niebler, S. 100; Sethe, S. 358; Lutter, in: KölnKomm. AktG, § 221 Rdnr. 351. 9 Rid-Niebler, S. 83 ff.; Sethe, S. 358.

H. Winter/Seibt

|

981

76

§ 14 77

Geschäftsanteil

Die GmbH ist dagegen grundsätzlich nicht an gesellschaftlichen Maßnahmen gehindert, die nicht direkt in das Genussrecht eingreifen, sondern sich nur mittelbar auf seinen wirtschaftlichen Gehalt auswirken (s. aber Rdnr. 78). Auch diesbezügliche Grundlagenentscheidungen der Gesellschafter (z.B. Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen, Auflösung, Umwandlung, Betriebsverpachtung u.ä.) und ihre wirtschaftlichen Folgen muss der Genussberechtigte regelmäßig hinnehmen1. Der Genussrechtsvertrag kann aber bestimmen, dass das Genussrecht in diesen Fällen an die wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahme anzupassen ist. Fehlt eine dahingehende Vereinbarung, so kommt eine Anpassung im Allgemeinen nur in Betracht, wenn die gesellschaftliche Maßnahme andernfalls zu einer erheblichen Änderung der vereinbarten Gewinn- und/oder Liquidationserlösbeteiligung selbst führen würde. Das Gesetz schreibt dies ausdrücklich durch § 57m Abs. 3 GmbHG, § 216 Abs. 3 AktG zwar nur für die nominelle Kapitalerhöhung vor, aber der diesen Vorschriften zugrunde liegende Rechtsgedanke erfordert ihre entsprechende Anwendung auch auf die Kapitalerhöhung gegen Einlagen bei Festsetzung eines zu niedrigen, d.h. das vorhandene Rücklagekapital nicht berücksichtigenden2 Ausgabekurses3. Aus denselben Gründen hat eine Anpassung der Genussrechtsbedingungen zur Verhinderung der ungerechtfertigten Besserstellung der Gläubiger zu erfolgen, wenn eine Kapitalherabsetzung die erhebliche Änderung der vereinbarten Gewinn- und/oder Liquidationserlösbeteiligung bewirken würde4. Für die Verschmelzung, die Spaltung und den Formwechsel der GmbH bestimmen §§ 23, 125, 204 UmwG, dass den Genussrechtsinhabern in dem übernehmenden oder neuen Rechtsträger bzw. in dem Rechtsträger neuer Form „gleichwertige Rechte“5 zu gewähren sind. Eine Vertragsanpassung ist ferner bei der Ausgabe konkurrierender oder mittelbar vorgehender neuer Genussrechte6 und beim Abschluss eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrages erforderlich7. Ein allgemeiner

1 RGZ 83, 298 f.; BGHZ 28, 277; Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 13 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 29 Rdnr. 134; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 880; Rid-Niebler, S. 101 ff.; differenzierend Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 93; krit. zu Unrecht Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 389. 2 Von anderen Kriterien für die Bemessung des sog. Verwässerungseffekts gehen Koppensteiner, ZHR 139 (1975) 191, 197 ff.; Köhler, AG 1984, 197, 200 ff.; Zöllner, ZGR 1986, 288, 300 ff. aus. 3 Vgl. dazu Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 14; Koppensteiner, ZHR 139 (1975), 191 ff.; Priester, unten 9. Aufl., § 55 Rdnr. 118; Vollmer, ZGR 1983, 445, 464; Köhler, AG 1984, 197, 198 f.; Zöllner, ZGR 1986, 288, 296 ff.; U. H. Schneider, in: FS Goerdeler, 1987, S. 511, 516; Rid-Niebler, S. 107 ff.; Hirte, ZIP 1988, 477, 487; Sethe, S. 364. 4 Eb. Rid-Niebler, S. 111; Vollmer, ZGR 1983, 445, 466; Hirte, ZIP 1991, 1461, 1465; Sethe, S. 365; a.M. A. Hueck, DB 1963, 1349; Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 15 unter Berufung darauf, dass § 57m Abs. 3 (früher § 13 Abs. 3 KapErhG) eine abschließende Regelung zum Schutz der Gläubiger sei. 5 Zum Begriff der „Gleichwertigkeit“ vgl. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 23 Rdnr. 8 ff. 6 Sethe, S. 363 f.; Lutter, in: KölnKomm. AktG, § 221 Rdnr. 395 ff. m.w.N. 7 Vgl. U. H. Schneider, in: FS Goerdeler, 1987, S. 511, 526 ff.; Hirte, ZIP 1988, 477, 488; Frantzen, S. 281 ff.; Sethe, S. 366 f. u.a.

982

|

H. Winter/Seibt

§ 14

Geschäftsanteil

Grundsatz, wonach die Genussrechtsverträge stets so auszulegen oder richterlich anzupassen seien, dass mittelbare wirtschaftliche Auswirkungen gesellschaftlicher Entscheidungen neutralisiert werden1, ist demgegenüber den § 57m Abs. 3 GmbHG, § 216 Abs. 3 AktG nicht zu entnehmen und widerspricht dem Vertragssinn. Vielmehr können diejenigen wirtschaftlichen Auswirkungen, die nicht das vereinbarte Beteiligungsverhältnis selbst betreffen, mit Rücksicht auf das der GmbH vorbehaltene Entscheidungsrecht in Gesellschaftsangelegenheiten nach den maßgebenden Grundsätzen über die Veränderung der Geschäftsgrundlage nur in ganz außergewöhnlichen Fällen eine Vertragsanpassung rechtfertigen. Die Aufhebung des Genussrechts ist grundsätzlich nur durch Vereinbarung mit dem Berechtigten möglich. Der Genussrechtsvertrag kann aber vorsehen, dass sie ablösbar oder auslosbar sind. Da er ein Dauerschuldverhältnis begründet, ist auch die Kündigung aus wichtigem Grunde zwingend zulässig. Ablösungszahlungen an Gesellschafter können, wenn die Genussrechte im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses gewährt worden sind (Rdnr. 69) oder wenn der Rückzahlungsbetrag unangemessen ist, das Auszahlungsverbot des § 30 verletzen; sie unterliegen darüber hinaus den Beschränkungen des §§ 32a, 32b. Auf außenstehende Genussrechtsinhaber sind diese Vorschriften auch dann nicht anwendbar, wenn sog. aktiengleiches Genusskapital vorliegt2.

78

5. Haftung Die Gesellschaft haftet für die Verletzung ihrer Pflichten aus dem Genussrechtsvertrag nach den allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften (§§ 275 ff., 326 BGB). Eine Pflichtverletzung ist auch dann gegeben, wenn sie den wirtschaftlichen Wert des Genussrechts durch Geschäftsführungsmaßnahmen oder andere gesellschaftliche Akte beeinträchtigt, die treu- oder sittenwidrig sind, nicht dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand entsprechen oder kaufmännisch völlig unvertretbar sind3. Eine weiter gehende Haftung für fehlerhafte Geschäftsführung besteht dagegen nicht. Schadensersatzansprüche gegen die GmbH können sich daneben auch aus § 826 BGB ergeben.

79

6. Verbriefung und Veräußerlichkeit Die Genussrechte werden meist verbrieft. Die darüber ausgestellten sog. Genussscheine können auf den Inhaber (§ 793 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder den Namen

1 So zu Unrecht Vollmer, ZGR 1983, 445, 465 f. Bedenklich auch die Verallgemeinerungen bei Hirte, ZIP 1988, 477, 487 u. Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 389 f. 2 Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 21 f.; Wünsch, in: FS Strasser, 1983, S. 871, 882 f.; Rid-Niebler, S. 25 ff.; weitergehend Vollmer, ZGR 1983, 445, 452 f., der die §§ 30, 31 bei sog. aktiengleichem Genusskapital auch auf Dritte anwenden will. 3 BGHZ 119, 305, 317 ff.; Habersack, ZHR 155 (1991), 378, 388 ff.; Lutter, ZGR 1993, 291, 303 ff.; Sethe, S. 354, 360 ff. m.w.N. Zu eng RGZ 105, 236, 240 f., wo eine Nachteilsabsicht verlangt wird.

H. Winter/Seibt

|

983

80

§ 14

Geschäftsanteil

ausgestellt werden, letzterenfalls auch als Orderpapier ausgestaltet sein (§ 363 Abs. 1 Satz 2 HGB)1. Die Voraussetzungen für die Zulassung von Genussscheinen zum Handel an der Börse ergeben sich aus §§ 30 ff. BörsG (amtl. Handel) und aus §§ 49 ff. BörsG (geregelter Markt) i.V.m. §§ 1 ff. BörsZulVO. Derzeit sind nur wenige Genussscheine betreffend Unternehmen in der Rechtsform der GmbH zum Börsenhandel zugelassen2. 81

Die Genussrechte sind, wenn nicht anders vereinbart wird (§§ 399, 413 BGB), frei veräußerlich und vererblich. Stehen sie Gesellschaftern zu, kann vereinbart werden, dass sie nur zusammen mit dem GeschAnteil übertragbar sind.

82

Steuerrechtlich bestehen Sonderbestimmungen für Genussrechte und Genussscheine: §§ 17 Abs. 1, 19a Abs. 3 Nr. 3, 20 Abs. 1 Nr. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 44 Abs. 1 EStG; § 8 Abs. 3 KStG; §§ 11, 12, 110 BewG.

IX. Options- und Wandelanleihen 83

Optionsanleihen sind Schuldverschreibungen, die den Anleihegläubiger berechtigen, bei Fälligkeit einen Geschäftsanteil in bestimmter Höhe an der zu finanzierenden Gesellschaft zu erwerben3. Auch Wandelanleihen sind Schuldverschreibungen, die allerdings dem Anleihegläubiger das Recht verleihen, seinen Anspruch auf die Rückzahlung des von ihm geleisteten Darlehens gegen einen Geschäftsanteil in bestimmter Höhe an der zu finanzierenden Gesellschaft zu wandeln4. In beiden Fällen wird der Darlehensgeber durch die Ausübung des ihm in der Anleihe verliehenen Rechts Gesellschafter der Darlehensnehmerin. Da im Gegensatz zum Aktienrecht (§§ 192 Abs. 1, 193 AktG) das GmbH-Recht de lege lata kein bedingtes Kapital vorsieht, über das neue Geschäftsanteile automatisch mit Ausübung des Options- bzw. Wandlungsrechts zur Entstehung gelangen, müssen diese Finanzierungselemente synthetisch, dh schuldrechtlich, nachempfunden werden5. Hierzu wird in der Regel eine dreiseitige Vereinbarung zwischen dem Darlehensgeber, der Darlehensnehmerin (das ist die zu finanzierende Gesellschaft) sowie sämtlichen Gesellschaftern der Darlehensnehmerin geschlossen und in dieser vorgesehen, dass der Darlehensgeber das Recht hat zu verlangen, dass (i) eine Barkapitalerhöhung mit Übernahme des neuen Geschäftsanteils zum Nennwert (entspricht der Optionsanleihe) oder eine Sachkapitalerhöhung gegen Einbringung des Darlehensrückzahlungsanspruchs (entspricht der Wandelanleihe) durchzuführen ist oder (ii) (Teile von)

1 Vgl. Goerdeler/Müller, in: Hachenburg, § 29 Anh. Rdnr. 24; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 Rdnr. 92. Ausführlich dazu Wedel, Der Partizipationsschein als Kapitalbeschaffungsmittel der Aktiengesellschaften, 1969, S. 54 ff. 2 Z.B. Genussscheine der Edeka Minden/Hannover Holding GmbH (1998). 3 Für AG: Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 221 Rdnr. 6; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 221 Rdnr. 31. 4 Für AG: Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 221 Rdnr. 4; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 221 Rdnr. 30. 5 Vgl. Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1383; von Einem/Schmid, in: Achleitner/von Einem/von Schröder, Private Debt, 2004, S. 162; krit. zur Begründung von Wandelrechten Lutter/Hommelhoff, § 55 Rdnr. 42.

984

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Geschäftsanteilen von den Alt-Gesellschaftern an den Darlehensgeber abzutreten sind1. Entsprechendes kann auch in der Satzung geregelt werden2. Einen unterstützenswerten rechtspolitischen Vorschlag zur Einführung eines bedingten Kapitals im GmbH-Recht enthält das von Vossius/Wachter in 2005 entworfene GmbH-Reformgesetz (dort § 7 Abs. 2)3. Die Zulassung eines bedingten Kapitals für GmbH erleichterte die Mezzanine-Finanzierung (insbesondere die Verankerung sog. Equity-Kicker4).

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen (1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich. (2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit. (3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. (4) Der notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig. (5) Durch den Gesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Text i.d.F. von 1892, doch Abs. 3 von 1898; Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 geändert durch Gesetz vom 28. 8. 1969 (BGBl. I, 1513).

1 Zur Formbedürftigkeit der schuldrechtlichen Vereinbarung bei zweiter Variante Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 154. 2 Musterklausel bei von Einem/Schmid, in: Achleitner/von Einem/von Schröder, Private Debt, 2004, S. 162 f. 3 Vossius/Wachter, (Entwurf eines) Gesetz(es) zur Reform des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Reformgesetz) (GmbHRG), abrufbar unter www. gmbhr.de/volltext.htm (mit Begründung, S. 18). 4 Hierzu Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB Spezial 4/2005, 21 f.; Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1383.

H. Winter/Seibt

|

985

84

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Geschäftsanteilen von den Alt-Gesellschaftern an den Darlehensgeber abzutreten sind1. Entsprechendes kann auch in der Satzung geregelt werden2. Einen unterstützenswerten rechtspolitischen Vorschlag zur Einführung eines bedingten Kapitals im GmbH-Recht enthält das von Vossius/Wachter in 2005 entworfene GmbH-Reformgesetz (dort § 7 Abs. 2)3. Die Zulassung eines bedingten Kapitals für GmbH erleichterte die Mezzanine-Finanzierung (insbesondere die Verankerung sog. Equity-Kicker4).

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen (1) Die Geschäftsanteile sind veräußerlich und vererblich. (2) Erwirbt ein Gesellschafter zu seinem ursprünglichen Geschäftsanteil weitere Geschäftsanteile, so behalten dieselben ihre Selbständigkeit. (3) Zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter bedarf es eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. (4) Der notariellen Form bedarf auch eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Eine ohne diese Form getroffene Vereinbarung wird jedoch durch den nach Maßgabe des vorigen Absatzes geschlossenen Abtretungsvertrag gültig. (5) Durch den Gesellschaftsvertrag kann die Abtretung der Geschäftsanteile an weitere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere von der Genehmigung der Gesellschaft abhängig gemacht werden. Text i.d.F. von 1892, doch Abs. 3 von 1898; Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 geändert durch Gesetz vom 28. 8. 1969 (BGBl. I, 1513).

1 Zur Formbedürftigkeit der schuldrechtlichen Vereinbarung bei zweiter Variante Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 154. 2 Musterklausel bei von Einem/Schmid, in: Achleitner/von Einem/von Schröder, Private Debt, 2004, S. 162 f. 3 Vossius/Wachter, (Entwurf eines) Gesetz(es) zur Reform des Rechts der Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Reformgesetz) (GmbHRG), abrufbar unter www. gmbhr.de/volltext.htm (mit Begründung, S. 18). 4 Hierzu Golland/Gelhaar/Grossmann/Eickhoff-Kley/Jänisch, BB Spezial 4/2005, 21 f.; Hofert/Arends, GmbHR 2005, 1381, 1383.

H. Winter/Seibt

|

985

84

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Inhaltsübersicht I. Grundsatz der freien Veräußerlichkeit und Vererblichkeit des Geschäftsanteils im Normengefüge des GmbHG 1. Grundlinien und Reformbedürftigkeit . . . . . . . . . . .

1

2. Reformbedürftigkeit der Formvorschriften . . . . . . . . . . .

5

II. Veräußerlichkeit und Vererblichkeit des Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 1) 1. Veräußerlichkeit des Geschäftsanteils a) Geschäftsanteil . . . . . . . b) Fremder Geschäftsanteil . . c) Einzelne Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . aa) Mitverwaltungsrechte . bb) Vermögensrechte . . . . 2. Vererblichkeit des Geschäftsanteils a) Grundsatz . . . . . . . . . . b) Abweichende Regelung durch den Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . aa) Ausschluss oder Beschränkung . . . . . . bb) Nachfolgeregelung . . . c) Letztwillige Verfügungen . aa) Vermächtnis- und Teilungsanordnung . . . . . bb) Nacherbfolge . . . . . .

. 10 . 15 . 16 . 17 . 20

. 24 . 26 . 27 . 29 . 35 . 36 . 40

3. Vereinigung von Geschäftsanteilen . . . . . . . . . . . . . 45 III. Vertragliche Verpflichtung zur Abtretung (§ 15 Abs. 4) 1. Verpflichtung . . . . . . . . . . 47 2. Vereinbarung . . . . . . . . . . 48 3. Verpflichtung zur Abtretung a) Verpflichtende Verträge . b) Gesellschaftsvertrag . . . 4. Verpflichtung zur Abnahme

. . . .

. . . .

49 50 51 52

5. Inhalt der Vereinbarung . . . . . 53 6. Vorkaufsrechte, Optionen . . . . 54 7. Gegenstand . . . . . . . . . . . 56 8. Garantieverträge . . . . . . . . . 60 9. Rückgängigmachung . . . . . . 61 a) Rückkaufsvorbehalt . . . . . 62

986

|

H. Winter/Seibt

b) Rückgängigmachung der Sicherungsübertragung . . . c) Rückgängigmachung einer erfolgten dinglichen Übertragung . . . . . . . . . . . 10. Verpflichtung eines „Gesellschafters“ . . . . . . . . . . . 11. Form . . . . . . . . . . . . . .

.

63

.

64

. .

65 66

12. Folge formgerechter Beurkundung . . . . . . . . . . . . . . .

67

13. Folge fehlerhafter Beurkundung oder wesentlicher Verstöße gegen die Beurkundungsform a) Nichtigkeit . . . . . . . . . . b) Heilung der Formnichtigkeit

68 69

IV. Abtretung des Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 3) 1. Abtretung . . . . . . . . . . . .

77

2. Form a) Inlandsbeurkundung . . . . b) Auslandsbeurkundung . . . aa) Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Form . bb) Substitution bei Gleichwertigkeit der ausländischen Form . . . . . . .

. .

80 81

.

82

.

84

3. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis der Abtretung zur Verpflichtung . . . . . . . . . . 5. Rückübertragung . . . . . . . .

89

6. Formfreie Geschäfte . . . . . . a) Anteilsübergang ohne Abtretung . . . . . . . . . . . . . . b) Andere Abtretungsverträge .

92 93 94

7. Vollmacht zur Abtretung . . . . 8. Gesellschafter . . . . . . . . . .

95 97

90 91

9. Folgen formgerechter Beurkundung a) Heilung des Verpflichtungsgeschäfts und Anteilsübergang . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Selbständigkeit der Geschäftsanteile (§ 15 Abs. 2) . . . . . . 99 c) Wirkungen im Verhältnis zur Gesellschaft . . . . . . . 100 d) Kein Gutglaubensschutz . . . 101 e) Nichtigkeit und Willensmängel . . . . . . . . . . . . 103 10. Folge fehlender Beurkundung . 105

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

V. Weitere Voraussetzungen der Abtretung (§ 15 Abs. 5) 1. Schuldrechtlicher Vertrag . . . 106 2. Dingliche Abtretung . . . . . . a) Regelung im Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . b) Beschränkungen bei Abtretung anderer Rechte . . . . . c) Umgehungsgeschäfte und Change of Control-Fälle . . d) Keine Geltung bei Verwertung des Geschäftsanteils durch Zwangsvollstreckung e) Gesetzlicher Übergang des Geschäftsanteils . . . . . . . f) Umwandlung der GmbH . . 3. Einzelne Abtretungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . a) Eigenschaften, Pflichtübernahme, Formerfordernisse . b) Vorkaufs- und Erwerbsvorrechte . . . . . . . . . . . . c) Genehmigung . . . . . . . . aa) Genehmigungspflichtige Abtretungen . . . . . . . bb) Zuständigkeit . . . . . . cc) Versagungsgründe . . . . dd) Erklärung . . . . . . . . ee) Wirkung . . . . . . . . . ff) Nicht genehmigungsbedürftige Abtretungen . d) Ausschluss der Abtretbarkeit VI. Gewährleistung beim Anteilskauf 1. Anwendbares Gewährleistungsrecht . . . . . . . . . . . 2. Gewährleistung beim Anteilskauf nach dem BGB i.d.F. bis zum 1. 1. 2002 a) Haftung für Rechtsmängel . b) Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens aa) Grundatz . . . . . . . . bb) Anteilskauf als Unternehmenskauf . . . . . .

b)

107 108 110 111 112 113 114 115

c) d) e) f)

cc) Beschaffenheit des Anteils . . . . . . . . . Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens aa) Keine Haftung beim reinen Anteilskauf . . . . bb) Anteilskauf als Unternehmenskauf . . . . . . cc) Beschaffenheit des Unternehmens . . . . . Haftung für Garantien und Haftungsausschluss . . Rechtsfolgen bei Rechtsund Sachmängeln . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . Haftung wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung . .

149

151 153 154 160 165 168 171

VII. Verpfändung des Geschäftsanteils

116

1. Wirtschaftlicher Hintergrund und Zulässigkeit . . . . . . . . 172

117 119

2. Form . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Schuldrechtlicher Vertrag . . . 176

120 121 127 128 133

4. Teilverpfändung . . . . . . . . 5. Verwaltungsrechte, Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . 6. Umfang des Pfandrechts a) Nutzungsrechte . . . . . . . b) Pfandrecht am Recht auf die Liquidationsquote . . . c) Andere Kapitalforderungen . d) Kapitalerhöhung, Umwandlung . . . . . . . . . .

134 135

136

137 139 140

3. Gewährleistung beim Anteilskauf nach der Schuldrechtsreform . . . . . . . . . . . . . 143 a) Haftung für Rechtsmängel aa) Rechtsmängel . . . . . . 144 bb) Nichtbestehen des Anteils, Drittinhaberschaft und Vinkulierung 146

177 178 181 184 186 187

7. Rechtsübergang a) Übertragung des Geschäftsanteils . . . . . . . . 188 b) Übergang des Pfandrechts . 189 8. Aufhebung und Beeinträchtigung des Pfandrechts a) Aufhebung . . . . . . . b) Beeinträchtigung . . . . c) Einziehung . . . . . . . 9. Befriedigung des Pfandgläubigers . . . . . . . . . . . .

. . 190 . . 191 . . 193 . . 194

VIII. Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil 1. Pfändung . . . . . . . . . . . . 195 2. Wirkung der Pfändung . . . . 196 3. Befriedigung des Pfandgläubigers . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Überweisung . . . . . . . . 199 H. Winter/Seibt

|

987

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

b) „Veräußerung“ . . . . . . . c) Zwangsverwaltung . . . . . 4. Statutarische Beschränkungen a) Vorkaufsrecht . . . . . . . . b) Abtretungspflicht . . . . . . c) Einziehung . . . . . . . . . 5. Ersteher (Erwerber) . . . . . .

. . . . . . .

XI. Verwaltung nach Familienund Erbrecht 1. Eheliches Güterrecht a) Zugewinngemeinschaft . . 238 b) Vertragliche Güterstände . 241

200 201 202 203 204 205 207

6. Vollstreckung in einzelne Vermögensrechte . . . . . . . . . . 211

2. Elterliche Sorge . . . . . . . . 242 3. Vormund, Pfleger und Betreuer . . . . . . . . . . . . 245 4. Nachlasspfleger . . . . . . . . 248

IX. Nießbrauch am Geschäftsanteil 1. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . 212

5. Nachlassverwalter . . . . . . 249 6. Testamentsvollstrecker . . . . 250

2. Form der Bestellung . . . 3. Inhalt des Nießbrauchs a) Nutzung . . . . . . . . b) Surrogate . . . . . . . c) Mitverwaltungsrechte d) Gesellschafterpflichten

. . . . 213 . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

214 215 217 218

4. Rechtsübergang . . . . . . . . . 219 5. Erlöschen, Aufhebung und Beeinträchtigung des Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . 221

XII. Der Geschäftsanteil im Insolvenzverfahren 1. Insolvenz des Gesellschafters 254 2. Insolvenz der GmbH . . . . . 258 XIII. Steuerrecht 1. Ertragsteuerliche Systematik . 260

X. Unterbeteiligung und Treuhand 1. Unterbeteiligung . . . . . . . . 224

2. Anteilseigner ist Einkommensteuersubjekt . . . . . . . 261 3. Anteilseigner ist Körperschaftsteuersubjekt . . . . . . 268 4. § 8 Abs. 4 KStG . . . . . . . . 269

2. Treuhand . . . . . . . . . . . . . 227

I. Grundsatz der freien Veräußerlichkeit und Vererblichkeit des Geschäftsanteils im Normengefüge des GmbHG 1. Grundlinien und Reformbedürftigkeit 1

Der historische Gesetzgeber hat das Ziel verfolgt, der GmbH eine „Mittelstellung zwischen den strengen individualistischen Gesellschaftsformen und der Aktiengesellschaft zuzuweisen“1. Diesem Leitbild eines in der Mitte zwischen kapital- und personengesellschaftsrechtlichen Strukturen angesiedelten Verbandes2 entspricht auch das gesetzgeberische Regelungskonzept zur Übertragung von Geschäftsanteilen. Dabei nimmt zwar § 15 Abs. 1 mit dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit des GeschAnteils eine Zentralstellung ein, allerdings ist dieses kapitalistische Wesensmerkmal der GmbH in ein komplexes Normengefüge eingebettet, dessen vier Grundlinien sind: (1) Der Umfang der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten eines Gesellschafters bestimmt sich im Grundsatz nach dem Betrag seiner Stammeinlage (§ 14), und der Betrag der Stammeinlage kann für jeden einzelnen Gesellschafter verschieden sein (§ 5

1 Gesetzentwurf betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, in: Verhandlungen des Reichstages, 8. Legislaturperiode, Aktenstück Nr. 660, 3728. 2 Westermann, Einl. Rdnr. 59.

988

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Abs. 3 Satz 1). Dies spiegelt ein kapitalgesellschaftsrechtliches Grundverständnis wider und steht im Gegensatz zu der „Kopfbetrachtung“ im Personengesellschaftsrecht (§ 119 HGB). (2) Die Geschäftsanteile können überdies im Grundsatz frei veräußert und vererbt werden (§ 15 Abs. 1), ein weiteres kapitalgesellschaftsrechtliches Wesensmerkmal der GmbH, das sie von einer Personengesellschaft abhebt1. Im Recht der Personengesellschaft gilt nämlich der – wenngleich dispositive – Grundsatz der Unveräußerlichkeit und Unvererblichkeit der Mitgliedschaft, das allerdings durch ein im Kern nicht abdingbares Austrittsrecht des einzelnen Gesellschafters durch Kündigung kompensiert wird. Dieses Kündigungsmodell wurde vom historischen Gesetzgeber abgelehnt, um im Interesse der Gläubigersicherung und der Erhaltung der finanziellen Grundlagen der Gesellschaft die Auszahlung eines entsprechenden Vermögensanteils zu vermeiden. (3) Die Verkehrsfähigkeit von GeschAnteilen ist eingeschränkt, insbesondere ist eine Verkörperung der Mitgliedschaft in einem (börsenfähigen) Wertpapier und damit der Geschäftsanteil als ein für den Kapitalmarkt geeignetes Finanzierungsmittel ausgeschlossen. Der Erschwerung des „Handels“ von GeschAnteilen dienen das Verbot der Übernahme mehrerer GeschAnteile bei Gründung (§ 5 Abs. 2), die Vorschriften zur Mindestgröße und zur Größenbestimmung von Stammeinlagen (§ 5 Abs. 1 Halbsatz 2, § 5 Abs. 3 Satz 2) sowie die Vorschriften zur Beschränkung späterer Teilung von GeschAnteilen (§ 17). Daneben kann bei der GmbH – anders als bei Inhaberaktien und dem empirischen Normalbefund – die Verkehrsfähigkeit statutarisch beschränkt (oder sogar ausgeschlossen, Rdnr. 127) (§ 15 Abs. 5) und insoweit der Verbandsmitgliedschaft in der Personengesellschaft angenähert werden. Dieses Normenbündel zur Erschwerung der Übertragung von GeschAnteilen sollte bewirken, dass der „Charakter der Mitgliedschaft als eines der Regel nach dauernden Verhältnisses“ möglichst erhalten bleibt2. Die Zulassung statutarischer Vinkulierungen soll es den Gesellschaftern ermöglichen, durch geeignete Satzungsbestimmungen, die eine Einflussnahme auf das Ausscheiden eines Gesellschafters und/oder die Auswahl des neuen Gesellschafters gestatten (Rdnr. 115 ff.), ein stärker personenbezogenes Gesellschaftsverhältnis herzustellen oder eine bestimmte Eigenart der Gesellschaft zu sichern oder negative Einflüsse von der Gesellschaft abzuwehren, z.B. sie vor einer Eingliederung in einen Konzern zu schützen oder einem Finanzinvestor die Bestimmung eines geeigneten Unternehmensverkaufsweges zu ermöglichen. (4) Die Gesellschafterstruktur soll durch Einreichung aktueller Gesellschafterlisten im Handelsregister auch nach außen transparent sein, was eine gewisse Nähe zur Personengesellschaft und die Abgrenzung zur anonymen Aktiengesellschaft ausdrückt und unter anderem dem Gläubigerschutz dient. In ähnlicher Weise der Transparenz, vor allem aber der Rechtssicherheit im Verband verpflichtet ist die Legitimationsfiktion der Anmeldung (§ 16), wobei die Anmeldung nur reflexhaft dem Verkehrsschutz dient und insbesondere keine Rechtscheingrundlage für einen gutgläubigen Erwerb von GeschAnteilen bildet. Die insoweit und weitgehend bereits 1892 festgelegte praktische Konkordanz zwischen den gesetzgeberischen Zielen (i) Fungibilität der GeschAnteile (mit 1 RGZ 73, 429, 432. 2 Entwurf I, 35 ff.

H. Winter/Seibt

|

989

2

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

positiver Rückwirkung auf den Anteilswert), (ii) Finanzierungstauglichkeit von Geschäftsanteilen, (iii) Sicherstellung einer personalistischen Binnenstruktur, (iv) Transparenz und Rechtssicherheit im Hinblick auf die Gesellschafterstruktur, (v) Verkehrsschutz und (vi) Minimierung nicht durch die vorgenannten Ziele notwendig verbundener Transaktionskosten ist neu zu justieren. Das Normengefüge ist reformbedürftig und benötigt eine Akzentverschiebung zugunsten der kapitalgesellschaftsrechtlichen Seite der GmbH. Dies liegt zum einen daran, dass die Bedeutung der personalen Verbundenheit gegenüber dem Grundmodell am Ende des 19. Jahrhunderts abgenommen hat; ein sichtbares Zeugnis hierfür ist die erhebliche Zunahme von Einpersonengesellschaften auf derzeit mehr als 40% sämtlicher GmbH und die Einbindung von GmbH in Kapitalgesellschaftskonzerne. Gleichzeitig hat aufgrund des Zeitablaufes mit Anteilsübertragungen und Erbgängen die Komplexität der Gesellschafter- und auch der GeschAnteilsstruktur bei vielen, historisch gewachsenen Gesellschaften zugenommen und diese Entwicklung wird sich zukünftig exponentiell verstärken, was auch daran liegt, dass die Zahl der GmbH-Gründungen seit Anfang der 60iger Jahre sprunghaft angestiegen ist1 und daher mehr Nachfolgeregelungen als in der Vergangenheit anstehen; darüber hinaus nimmt auch die Bedeutung von Umstrukturierungen unter Einbeziehung von GmbH stark zu. Nachfolgeregelungen, Anteilsübertragungen und Umstrukturierungen sowie deren Finanzierung mit GeschAnteilen als Sicherungsunterlage werden durch das Normengeflecht der § 5 Abs. 1 Halbsatz 2, § 5 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 3 und Abs. 4, § 15 Abs. 5, § 16 und § 17 stärker eingeschränkt als dies bei Wettbewerbsrechtsformen des EU-Auslandes der Fall ist, ohne einen hinreichenden Verkehrsschutz durch Zulassung des gutgläubigen Erwerbs von GeschAnteilen zu ermöglichen. Dabei ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass der durch die gesetzlichen Transparenzvorschriften sowie den Bestimmungen zur Übertragungserschwernis von GeschAnteilen reflexhaft verursachte Gläubigerschutz heute vielmals durch vertragliche Abreden einzelfallbezogen zugunsten von (Groß)Gläubigern geregelt wird (insbesondere durch sog. positive und negative Covenants in Finanzierungsverträgen)2. 3

Diese Einsicht in die notwendige Akzentverschiebung ist zunächst bei der Auslegung der im Wesentlichen seit 1892 unverändert gebliebenen Normen zu berücksichtigen, nämlich durch eine teleologisch-restriktive Auslegung insbesondere von § 17 (§ 17 Rdnr. 12 und 43) und ein umfassendes Schutzverständnis im Rahmen der Legitimationsfiktion des § 16 Abs. 1 (§ 16 Rdnr. 2). Darüber hinaus ist die Änderung einzelner die Übertragung von GeschAnteilen betreffender Normen in jüngster Zeit gefordert worden, insbesondere die Ersetzung der notariellen Beurkundungspflichtigkeit von Geschäftsanteilsübertragungen und den zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäften (Rdnr. 106), die Deregulierung der Größenvorgaben für Stammeinlagen und der Teilbarkeitsbeschrän-

1 Zur Verbreitung der GmbH seit 1950 Ulmer, Einl. A Rdnr. 67 ff. 2 Zu Financial Covenants allg. Wittig, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 3. Aufl. 2003, Rdnr. 148 ff.; Wittig, WM 1996, 1381 ff.; Thiessen, ZBB 1996, 19 ff.; Alberth, WPg 1997, 744 ff.

990

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

kungen1 und die Ermöglichung eines gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen2. Die hier ebenfalls befürwortete Akzentverschiebung wird mit dem BMJ-Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG-RefE)3 nachvollzogen, in dem (i) das Verbot der Übernahme mehrerer Geschäftsanteile bei Gründung (§ 5 Abs. 2) sowie die Mindestgröße und die Größenbestimmungsregelung (§ 5 Abs. 1 Halbsatz 2, § 5 Abs. 2 Satz 2) mit der Maßgabe aufgehoben werden, dass die Stammeinlage mindestens 1,00 Euro und auf einen vollen Eurobetrag lauten muss, (ii) das Verbot der Übertragung mehrerer Teile eines Geschäftsanteils an denselben Erwerber (§ 17 Abs. 5) gestrichen wird, (iii) die Gesellschafterliste anstelle der Anmeldung Grundlage der Legitimationsfunktion innerhalb des Verbandes wird und (iv) der gutgläubige Erwerb auf der Grundlage einer solchen Gesellschafterliste möglich wird (§ 16). Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sind unterstützenswert und sollten alleine ergänzt werden um eine Änderung von § 15 Abs. 4 in der Weise, dass zukünftig für das der Abtretung von Geschäftsanteilen zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft (anders als bei der Abtretung selbst) nur noch Textform i.S.v. § 126 b BGB erforderlich ist (Rdnr. 9); hingegen ist die notarielle Beurkundung der Abtretung von GeschAnteilen (§ 15 Abs. 3) beizubehalten, insbesondere auch um eines der notwendigen Elemente für die Rechtsscheinbasis zu bilden, die für die Zulassung des gutgläubigen Erwerbs notwendig ist (Rdnr. 102).

2. Reformbedürftigkeit der Formvorschriften Schrifttum: Armbrüster, Zur Beurkundungsbedürftigkeit von Treuhandabreden über GmbH-Anteile, DNotZ 1997, 762; Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, 2001; Claussen, Kleine Kapitalgesellschaften und der Zugang zum Kapitalmarkt, ZHR 153 (1989), 216; Dyhr, Das Formgebot bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen, Diss., 1998; Frenz, Einige Anmerkungen zum Verhältnis von Formzweck, Beurkundungsverfahren und Berufsrecht, in: FS Weichler, 1997, S. 175; Hadding, Zum gesetzlich notwendigen Umfang der notariellen Beurkundung der „Vereinbarung“, einen GmbH-Geschäftsanteil zu übertragen, ZIP 2003, 2133; Heidenhain, Zum Umfang der notariellen Beurkundung bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen, NJW 1999, 3073; Heidenhain, Aufgabe des Beurkundungserfordernisses beim Verkauf und der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZIP 2001, 721; Kanzleiter, Der Umfang der Beurkundungsbedürftigkeit bei verbundenen Rechtsgeschäften, DNotZ 1994, 275; Loritz, Rechtsfragen der notariellen Beurkundung bei Verkauf und Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, DNotZ 2000, 90; Lutter, Probleme der GmbH-Reform, 1969, S. 86; Meyer-Cording, Belebung des Kapitalmarktes durch neue Möglichkeiten der Zertifizierung, BB 1982, 896; Schlüter,

1 Vgl. Happ, ZHR 169 (2005), 6, 17 f., 21 f., 32; Vossius/Wachter, §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 22 GmbHRG mit Begründung, S. 14, 18, 24 (www.gmbhr.de/volltexte.htm); BDI/Hengeler Mueller, Rdnr. 140. 2 Grunewald/Gehling/Rodewig, ZIP 2006, 685 ff.; Vossius/Wachter, §§ 24–27 GmbHRG mit Begründung, S. 12 (www.gmbhr.de/volltexte.htm); BDI/Hengeler Mueller, Rdnr. 114, 116. 3 Abrufbar unter www.bmj.de/files/36cadac97153e8f45c30973556948656/1236/refE%20MoMiG.pdf.

H. Winter/Seibt

|

991

4

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Veräußerung und Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen als Formproblem, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 359; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2004; Schwarz, Einige Überlegungen zum Zweck des Beurkundungserfordernisses gem. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, in: Jubiläums-FS des Rheinischen Notariats, 1998, S. 371; Walz/Fembacher, Zweck und Umfang der Beurkundung nach § 15 GmbHG, NZG 2003, 1134; Wicke, Die Bedeutung der öffentlichen Beurkundung im GmbHRecht, ZIP 2006, 977.

5

Das Formerfordernis nach § 15 Abs. 3 und Abs. 4 ist überholt und für das geltende Recht (s. aber unten Rdnr. 9) nicht mehr zu rechtfertigen1. Die mit der notariellen Beurkundungspflicht vom historischen Gesetzgeber von 1892 verfolgten Ziele, die Erschwernis des Handels mit GeschAnteilen2 und die „Verhinderung von Zweifel und Unklarheiten über die Tatsache der Übertragung“3, beruhten auf dem Konzept einer Gesellschaftsform, die eine „Mittelstellung“ einnehmen sollte zwischen den Personengesellschaften, bei denen die Rechtsstellung der Gesellschafter noch als unübertragbar galt4, und der als „äußerste Konsequenz des kapitalistischen Prinzips sich darstellenden Aktiengesellschaft“, bei der Gesellschaftsanteile durch formlose Übertragung zum Gegenstand des Handelsverkehrs gemacht werden können (s. auch oben Rdnr. 1)5. Rechtsprechung und Teile der Literatur haben die historischen Zielvorgaben übernommen6, dabei aber den Grund für die Erschwernis des Handels mit GeschAnteilen teilweise verengt auf die Verhinderung des „spekulativen Handels mit Gesellschaftsbeteiligungen“7. Indes ging es dem Gesetzgeber um die Gewährleistung der Mitgliedschaft „als eines der Regel nach dauernden Verhältnisses“8, mithin darum, den Wechsel von Gesellschaftern möglichst zu begrenzen9. Mit der Anerkennung der Übertragbarkeit von Beteiligungen an Personen-

1 Kritisch bereits Lutter, in: Probleme der GmbH-Reform, 1969, S. 86; Meyer-Cording, BB 1982, 896, 897; Claussen, ZHR 153 (1989), 216, 227. 2 Begründung zum GmbH-Gesetz, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session, 1890/1892, 5. Anlagenband, S. 3724 ff., 3729 ff., 3738. 3 Begründung zum GmbH-Gesetz, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session, 1890/1892, 5. Anlagenband, S. 3729 ff., 3739. 4 Zur Rechtsentwicklung und inzwischen anerkannten Übertragbarkeit der Beteiligungen an Personengesellschaften K. Schmidt, GesR, § 45 III 2, S. 1321 ff. 5 Begründung zum GmbH-Gesetz, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session, 1890/1892, 5. Anlagenband, S. 3728; zu dieser Konzeption des Gesetzgebers Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 359, 360. 6 RGZ 164, 170; BGH, BGHZ 13, 49, 51 f. = DNotZ 1954, 403; BGHZ 75, 352 = DNotZ 1980, 376; BGHZ 127, 129, 135 = NJW 1994, 3227, 3229; OLG München, WM 1995, 670, 671; OLG München, DB 1993, 2477; OLG Hamm, GmbHR 1984, 317 f.; zuletzt wieder OLG Frankfurt, GmbHR 2005, 764, 765 f. unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 1; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 55. 7 Vgl. BGHZ 127, 129, 135 = NJW 1994, 3227, 3229; näher am historischen Zweck z.B. OLG Frankfurt, GmbHR 2005, 764, 765 (§ 15 Abs. 3 und 4 sollen auch „vereiteln, dass GmbH-Geschäftsanteile Gegenstand des freien Handelsverkehrs“ werden). 8 Begründung zum GmbH-Gesetz, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session, 1890/1892, 5. Anlagenband, S. 3729. 9 Heidenhain, ZIP 2001, 721, 722.

992

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

gesellschaften ist aber die „Mittelstellung“ der GmbH aufgehoben1. Die Vorstellung, GmbH-Gesellschafter verblieben aufgrund der Formvorschriften dauerhaft in der Gesellschaft, wird der Realität nicht gerecht2 und durch die heute anerkannten und verbreiteten alternativen Gestaltungsvarianten gerade bei (Publikums-)Personengesellschaften (etwa die wechselseitig beteiligte GmbH & Co. KG), bei denen die Anteile formfrei übertragbar sind, konterkariert3. Auch die zweite Zielsetzung, die Vermeidung von „Zweifeln und Unklarheiten über die Tatsache der Übertragung“, also die Beweisfunktion, ist durch die notarielle Beurkundungspflicht nur in sehr eingeschränktem Maße zu erreichen. Angesichts der Möglichkeit wirksamer Zwischenverfügungen lässt sich selbst durch eine (scheinbar) lückenlose, mit notariellen Urkunden nachgewiesene Erwerbskette nicht mit Sicherheit die Anteilsinhaberschaft feststellen. Der mit der notariellen Urkunde tatsächlich führbare Beweis der Abgabe entsprechender Willenserklärungen kann zudem genauso gut durch Privaturkunde (§ 416 ZPO) geführt werden wie durch die öffentliche Urkunde (§ 415 ZPO)4.

6

In der Literatur sind Ansätze weit verbreitet, das Erfordernis der notariellen Beurkundung mit dem Schutz der Beteiligten vor Übereilung (Warnzweck)5, der Notwendigkeit einer Aufklärung über (Haftungs-)Risiken für die Gesellschafter (vgl. § 17 BeurkG)6 oder allgemeine Anlegerschutzerwägungen7 zu rechtfertigen. Diese Überlegungen überdehnen den Normzweck und werden von der Rechtsprechung nicht geteilt8. Es leuchtet letztlich (und trotz der besonderen Haftungsregelungen in §§ 24, 31) auch nicht ein, warum die Beteiligten beim Handel mit GmbH-Anteilen eines größeren Schutzes bedürfen sollen, als beim Handel mit Aktien, Investmentzertifikaten, Optionsscheinen oder Anteilen an Personengesellschaften (z.B. Kommanditanteilen)9, wobei es gerade bei letzteren wie bei der GmbH nicht den bei Aktien durch § 23 Abs. 5 AktG gewährleisteten Schutz des Erwerbers vor privatautonomen Sondergestaltungen des Innenverhältnisses gibt10. Einer der zentralen Aspekte des deutschen und europäischen Anlegerschutzrechts ist zudem die Erleichterung des Kapitalverkehrs, dem (neben sanktionierten Publizitäts- und Verhaltenspflichten) allenfalls die

7

1 2 3 4 5

6 7 8 9 10

Dazu K. Schmidt, GesR, § 45 III 2, S. 1321 ff. Dazu Heidenhain, ZIP 2001, 721, 722, Fn. 17 m.w.N. Loritz, DNotZ 2000, 90, 95 ff. Heidenhain, ZIP 2001, 721, 725. Kanzleiter, DNotZ 1994, 275, 282; Frenz, in: FS Weichler, 1997, S. 175, 179; Walz/ Fembacher, NZG 2003, 1134, 1135 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 69; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Einl. Rdnr. 26 und § 15 Rdnr. 21; aus der Rechtsprechung OLG Colmar, OLG Rsp. 2, 204, 205; OLG Stuttgart, DB 1989, 1817; OLG München, WM 1995, 670, 671. Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 784 f.; Walz/Fembacher, NZG 2003, 1134, 1135 ff., 1139 ff.; Wicke, ZIP 2006, 977, 980; vgl. auch Loritz, DNotZ 2000, 90, 97 f. Schwarz, in: Jubiläums-Festschrift des Rheinischen Notariats, 1998, S. 371, 378; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Einl. Rdnr. 26. Vgl. etwa BGH, ZIP 1996, 1901, 1902 = NJW 1996, 3338, 3339; RGZ 135, 70, 71. Eb. Heidenhain, ZIP 2001, 721, 724; hiergegen Wicke, ZIP 2006, 977, 981. Zum Zusammenhang von Satzungsfreiheit und Beurkundungspflicht Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 769; Barth, GmbHR 2004, 383, 388; Großfeld/Berndt, RIW 1996, 626, 629.

H. Winter/Seibt

|

993

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Verringerung von Transaktionskosten dienlich ist. Die notarielle Beurkundungspflicht bewirkt aber strukturell das Gegenteil. Auch der Schutz der Beteiligten vor den Risiken des Anteilsbesitzes (insbes. aus §§ 24, 31) kann durch die notarielle Belehrung (§ 17 Abs. 1 BeurkG) nicht effektiv gewährleistet werden: Bei Vertreterlösungen erreicht die Belehrung des Notars die eigentlich Betroffenen häufig nicht und die Heilungsmöglichkeit nach § 15 Abs. 4 Satz 2 ermöglicht eine (auch nachträglich abänderbare) Ausgestaltung des gesamten Geschäfts (z.B. hinsichtlich der Gegenleistung), über deren Konsequenzen der Notar schon mangels Kenntnis nicht umfassend belehren kann. Die inhaltliche Angemessenheit des Geschäfts, des Preises oder der Gewährleistungen kann und muss der Notar ohnehin nicht überprüfen (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG)1. Auch für den Notar ist schließlich häufig nicht ermittelbar, ob der zu übertragende GeschAnteil überhaupt besteht, ob der Veräußerer tatsächlich (noch) Inhaber ist, ob die Einlage geleistet und auch nicht zurückgezahlt wurde und ob keine verdeckte Sacheinlage vorliegt2. Die Belehrung durch den Notar wird daher stets rechtlich-abstrakt bleiben und ist so zum Schutz der Beteiligten häufig ungeeignet3; überdies ist eine zwingende Belehrungsprärogative des Notars gegenüber dem Rechtsanwalt in diesen Fragen nicht begründbar. 8

Ist die Beurkundungspflicht im Ergebnis schon weder durch den historischen Normzweck noch durch die genannten neueren Ansätze zu rechtfertigen, so sprechen überdies die zahlreichen praktischen Schwierigkeiten und die z.T. nicht unerheblichen Kosten4 gegen ihre Aufrechterhaltung. Vor allem die weite Auslegung der Beurkundungspflicht nach § 15 Abs. 4 durch die Rechtsprechung auf alle mit der Abtretungsverpflichtung unmittelbar oder mittelbar zusammenhängenden Vereinbarungen (zu diesem sog. Vollständigkeitsgrundsatz unten Rdnr. 66–66b) führt zu erheblichen Risiken bzw. Risikovermeidungskosten, da bei Nichtbeachtung der Form hinsichtlich nur einer Nebenvereinbarung sämtliche Vereinbarungen nichtig sind5. Dies zwingt in der Beratungspraxis zu einer erheblichen Ausweitung der Beurkundung mit entsprechender Erhöhung der Notarskosten.

9

Die Aufgabe des Beurkundungserfordernisses und ihre Ersetzung durch die Textform i.S.v. § 126b BGB würde den Rechtsverkehr erheblich erleichtern und 1 Zur eingeschränkten Sorgfaltspflicht des Notars in diesem Zusammenhang Loritz, DNotZ 2000, 90, 98; zum Umfang der Belehrungspflicht Litzenburger, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 17 BeurkG Rdnr. 3 ff. 2 Zu den Haftungsrisiken des Erwerbers etwa Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 16 Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 16 Rdnr. 17. 3 Heidenhain, ZIP 2001, 721, 724; in der Analyse so auch Loritz, DNotZ 2000, 90, 97; vgl. zudem Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 359, 361 ff., 365, der der Beurkundungspflicht lediglich Erschwerungsfunktion attestiert. 4 Die Gebühren richten sich nicht nach Aufwand sondern nach dem Gegenstandswert der beurkundeten Vereinbarung. Allerdings sind für die Beurkundung von Verträgen über die Veräußerung von GeschAnteilen inzwischen Höchstgebühren festgelegt (vgl. §§ 141, 38 Abs. 2 Nr. 6 lit. d KostO). – Pointiert a.M. (Wettbewerbsvorteil des deutschen Systems der Notargebühren) Wicke, ZIP 2006, 977, 981. 5 Die Heilung der Anteilsverpflichtung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 bei formgerechter (§ 15 Abs. 3) Anteilsübertragung erstreckt sich allerdings auch auf alle vom Vollständigkeitsgrundsatz erfassten Nebenabreden (dazu unten Rdnr. 74).

994

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

bestehende Rechtsunsicherheiten beseitigen. Für die Fälle, in denen die Gesellschafter einer GmbH ein Interesse daran haben, einen Wechsel von Gesellschaftern zu unterbinden oder zu erschweren, genügt die Möglichkeit einer entsprechende Handelserschwerung in der Satzung (vgl. § 15 Abs. 5), mit der z.B. die notarielle Form bei der Abtretung vorgesehen wird1. Denkbar ist auch umgekehrt eine gesetzliche Vinkulierung mit Opt-out-Möglichkeit in der Satzung wie in der kürzlich beschlossenen Reform des Schweizer GmbH-Rechts2. Eine Aufrechterhaltung des Beurkundungserfordernisses (nur) für die Abtretung von GeschAnteilen wäre allerdings bei Umsetzung der im BMJ-Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG-RefE, dazu bereits oben Rdnr. 4) vorgeschlagenen Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs von GeschAnteilen gerechtfertigt. Denn die einschneidenden Konsequenzen eines Gutglaubenserwerbs für den wahren Berechtigten gebieten eine u.a. durch notarielle Beurkundung verstärkte Richtigkeitsgewähr der als Rechtsscheinträger dienenden Gesellschafterliste (näher unten § 16 Rdnr. 51 f.).

II. Veräußerlichkeit und Vererblichkeit des Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 1) Schrifttum: Behr, Die Abtretung, insbesondere die Teilabtretung der GeschAnteile bei der GmbH, Diss. Erlangen 1926; Eder, Gefahren beim Erwerb von GeschAnteilen, GmbHR 1974, 173; A. Hueck, Die Übertragung von GeschAnteilen, ZHR 83 (1920), 1 ff.; P. Krückmann, Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen, JherJ 74 (1924), 69 ff.; v. Middendorf, Der Kauf von GmbH-GeschAnteilen, Diss. Tübingen 1929; Neukamp, Die GeschAnteile der GmbH, ZHR 57 (1906), 1 ff.; Ruth, Eintritt und Austritt von Mitgliedern, ZHR 88 (1926), 454 ff.; F. Sauter, Die Anwendung der Kaufrechtssätze des Bürgerlichen Gesetzbuches auf den Verkauf von GeschAnteilen einer GmbH, Diss. Tübingen 1927; H. Schumann, Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, RdW 1944, 151; O. Schwarz, Die GeschAnteile und ihre Übertragung bei der GmbH, Diss. Jena 1904; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; E. Zitelmann, Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen, JherJ 73 (1923), 185 ff.

1. Veräußerlichkeit des Geschäftsanteils a) Geschäftsanteil Das Gesetz regelt in § 15 die Übertragung der Geschäftsanteile, die mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister entstehen (s. § 14 Rdnr. 9). Zum Begriff des Geschäftsanteils s. § 14 Rdnr. 2 ff.

10

Die Anwendbarkeit der Vorschrift auf die Gesellschaftsanteile an der VorGmbH wird von der h.M. zutreffend verneint3. Sie schließt ihre Abtretbarkeit

11

1 Vgl. Lutter, in: Probleme der GmbH-Reform, 1970, S. 63, 85 und Diskussionsbeitrag, S. 233. 2 Vgl. Artt. 786 u. 787 OR n.F., Bundesblatt 2005, S. 7289, 7302 f. 3 BGHZ 21, 242, 246; 29, 300, 303; BGH, ZIP 1983, 299; GmbHR 1971, 177; 1997, 405, 406; OLG Frankfurt, GmbHR 1997, 896; Wiedemann, S. 56; Ulmer, § 11 Rdnr. 48; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 13; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/

H. Winter/Seibt

|

995

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

aus und lässt den Gesellschafterwechsel im Gründungsstadium nur durch die Änderung des Gesellschaftsvertrages in der Form des § 2 zu. Die Angabe der Gründungsgesellschafter ist ein wesentlicher Bestandteil des Gesellschaftsvertrages, der die Grundlage für die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bildet (§§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 4, 8 Abs. 1 Nr. 1). Ein Gesellschafterwechsel durch Abtretung und ohne die gründungsrechtlichen Sicherungen (§ 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 8 Abs. 1 Nr. 1) ist damit nicht vereinbar1. Es besteht Übereinstimmung darüber, dass § 15 Abs. 2 u. 5 nicht gelten. 12

Der zukünftige Geschäftsanteil kann dagegen schon vor der Eintragung der GmbH oder einer Kapitalerhöhung abgetreten werden2. Der dingliche Rechtsübergang vollzieht sich dann mit dem Entstehen des GeschAnteils, also mit der Eintragung der GmbH oder der KapErhöhung im HandReg. Das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft und der Abtretungsvertrag unterliegen der Formvorschrift in § 15 Abs. 3, 4 (unstr.). Der abgetretene künftige GeschAnteil muss in der Vertragsurkunde hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar bezeichnet sein. Ist die Abtretung an die Genehmigung der Gesellschaft statutarisch gebunden (§ 15 Abs. 5), so tritt die Rechtswirkung nicht vor der Genehmigung ein3. Die Genehmigung zur Teilung des zukünftigen GeschAnteils kann schon im Voraus im Gründungsstadium der GmbH erfolgen4. Soweit sich aus dem Vertragswortlaut nicht klar ergibt, ob ein satzungsändernder Gesellschafterwechsel in der Vor-GmbH (s. Rdnr. 11) oder die Abtretung des künftigen Geschäftsanteils erfolgen soll, ist im Zweifel letzteres als gewollt anzunehmen5. Die Vorausabtretung aller künftigen GeschAnteile an einen Gesellschafter ist auch im Gründungsstadium zulässig6. Die Sondervorschriften über die Einmanngründung (§ 1) gelten in diesem Fall grundsätzlich nicht; es greift aber § 19 Abs. 4 ein. Die Gesellschaftsgründung ist nicht deshalb als Scheingeschäft oder, ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, als sittenwidrig oder als unzulässige Gesetzesumgehung anzusehen7.

13

Der GeschAnteil bleibt auch während der Liquidation der GmbH nach § 15 Abs. 1 abtretbar8. Der Gesellschaftsvertrag kann die Übertragung aber für diesen Fall von weiteren Voraussetzungen abhängig machen (§ 15 Abs. 5) oder ganz

1

2 3 4 5 6 7 8

Schmidt-Leithoff, § 11 Rdnr. 63; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 34; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 23 Rdnr. 11. A.M. K. Schmidt, GmbHR 1987, 77, 82; 1997, 869 und oben § 11 Rdnr. 41, der die Übertragung der „Vorgeschäftsanteile“ gem. § 15 Abs. 3 u. 4 mit formloser Zustimmung aller Mitgesellschafter für zulässig hält. Zust. Gummert, in: MünchHdb. GesR III, § 16 Rdnr. 23. RGZ 74, 358; 87, 248; RG, LZ 1911, 614; 1913, 221; JW 1911, 111; BGHZ 21, 245; 21, 383; 29, 303; BGH, GmbHR 1995, 119, 120; 1997, 405, 406; 1999, 707, 708 f. Vgl. RG, LZ 1911, 614. RG, JW 1904, 123; LZ 1911, 614. KG, OLG 68, 477; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2. BGHZ 21, 383; KG, GmbHR 1968, 182. Vgl. BGHZ 21, 381; KG, GmbHR 1968, 182 sowie § 2 Rdnr. 56; a.M. OLG Celle, GmbHR 1951, 26. RG, JR 1926 Nr. 1718; OLG Dresden, GmbHRspr. III Nr. 2 zu § 70; KG, GmbHR 1996, 921.

996

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

ausschließen. Zur Gewährleistung s. unten Rdnr. 136 ff. Vgl im Übrigen bei § 69. Über die Abtretung des Teils eines Geschäftsanteils s. bei § 17.

14

b) Fremder Geschäftsanteil Auch der Verkauf eines dem Verkäufer nicht zustehenden GeschAnteils ist zulässig; es bestehen dann bei Nichtleistung nur Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer (§ 437 Abs. 1 BGB)1. Denn ein Nichtgesellschafter kann einen fremden GeschAnteil wirksam abtreten, falls der berechtigte Anteilsinhaber zustimmt2. Die Abtretung bedarf der Form aus § 15 Abs. 3, die Zustimmung des berechtigten Gesellschafters ist formlos gültig (§ 185 Abs. 2 BGB). Ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten ist dagegen nicht möglich (s. Rdnr. 102).

15

c) Einzelne Rechte und Pflichten Diese sind notwendig mit dem GeschAnteil verbunden und gehen daher mit dessen Übertragung auf den Erwerber über. Doch gibt es Ausnahmen, höchstpersönliche Rechte (s. § 3 Rdnr. 80, § 14 Rdnr. 14). Es fragt sich aber, ob einzelne Mitgliedsrechte getrennt übertragen werden können3. Hier ist zu unterscheiden:

16

aa) Mitverwaltungsrechte Mitgliedschaftsrechte personenrechtlicher Art, wie das Recht auf Einberufung der Gesellschafterversammlung oder auf Teilnahme an ihr, das Stimmrecht, die Anfechtungsbefugnis bei fehlerhaften Beschlüssen, das Recht auf Auskunft und Büchereinsicht (s. § 14 Rdnr. 14) können nicht getrennt auf einen anderen übertragen werden4. Sie sind nach der gesetzlichen Wertung mit dem GeschAnteil notwendig verbundene unselbständige Bestandteile der Mitgliedschaft (s. auch § 717 Satz 1 BGB). Eine Abspaltung dieser Rechte ist mit ihrer Funktion als vom Mitgliedschaftsinteresse getragene Steuerungs- und Legitimationsmittel verbandsautonomer Willensbildung und Kontrolle unvereinbar5. Der unzulässi1 RG, LZ 1912, 841; RGZ 109, 297; s. auch BGH, GmbHR 1960, 45 m. Anm. Pleyer. 2 RG, WarnR 5, 105 = LZ 1912, 326. 3 Über die Gründe einer solchen Abspaltung einzelner Mitgliedschaftsrechte vgl. Wiedemann, S. 274 ff. 4 BGHZ 43, 261, 267; BGH, NJW 1968, 396, 397; BGH, BB 1977, 10, 11; NJW 1987, 780; BayObLG, ZIP 1986, 303, 305; OLG Hamburg, ZIP 1989, 298, 300; OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; Wiedemann, S. 276 ff.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 221 ff.; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 42 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 14 Rdnr. 19; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 14; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 14 Rdnr. 25; Meyer-Landrut, § 14 Rdnr. 7; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 29 u.a.; teilw. abw. Fleck, in: FS Rob. Fischer, 1979, S. 107, 118 ff. 5 Zutr. Flume, Allg. Teil des Bürg. Rechts, I/2, 1983, S. 201 ff.; K. Schmidt, GesR, § 19 III 4a; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 42. Vgl. auch die teilweise abweichenden Begründungen von Wiedemann, S. 272 ff. u. GesR I, S. 372 f.; Teichmann, S. 224 f.; Reuter,

H. Winter/Seibt

|

997

17

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

gen getrennten Übertragung wertungsmäßig gleichzustellen sind demgemäß die Ermächtigung einen anderen zur Ausübung der Mitverwaltungsrechte im eigenen Namen (sog. Legitimationszession)1 und die dauernde oder zeitweise unwiderrufliche Bevollmächtigung eines anderen mit den Vollmachtgeber verdrängender Wirkung2 oder mit dessen schuldrechtlichem Verzicht auf eigene Rechtsausübung3, während sonstige – auch nicht frei unwiderrufliche4 – Bevollmächtigungen nicht betroffen und mangels gegenseitiger Satzungsbestimmung zulässig sind (§ 47 Abs. 3). Nicht gegen das Abspaltungsverbot verstößt die durch die Beteiligten vereinbarte oder durch die Satzung vorgeschriebene Gruppenvertretung mehrerer Gesellschafter, wenn der Vertreter weisungsgebunden und abberufbar ist5. 18

Dem Pfandgläubiger und dem Nießbraucher am GeschAnteil, denen gesetzlich keine Mitverwaltungsrechte in der Gesellschaft zustehen, können diese auch nicht durch den Besteller rechtsgeschäftlich übertragen oder in einer vergleichbaren Weise eingeräumt werden (Rdnr. 178 f., 217)6. Die dingliche Berechtigung der Genannten am GeschAnteil rechtfertigt es nicht, von der Unübertragbarkeit unselbständiger Mitgliedsbestandteile abzuweichen und eine funktionswidrige rechtsgeschäftliche Aufteilung der Mitverwaltungsrechte zu gestatten (Rdnr. 17, 178 f., 217). Ebenso wenig können sie im Falle der treuhänderischen Beteiligung dem Treugeber übertragen werden7. Anders als die Vorgenannten ist

1

2 3 4

5

6

7

ZGR 1978, 633 ff. sowie den Überblick bei Fleck, S. 110 ff. u. Schäfer, GmbHR 1998, 113, 116. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 14; K. Schmidt, GesR, § 19 III 4a; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 29. Demgegenüber verneinen Wiedemann, S. 289 f. u. Flume, S. 205 zwar die Gleichstellung, halten aber die sog. Legitimationszession bei der GmbH entgegen RGZ 157, 52, 55 f. aus anderen Erwägungen zutreffend für unzulässig; vgl. Wiedemann, S. 367 f. u. Flume, S. 206. Letzterem zust. auch Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 44; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rdnr. 41; K. Schmidt, unten 9. Aufl., § 47 Rdnr. 21 mit Übersicht über den Streitstand. Dahingestellt von BayObLG, GmbHR 1986, 87; OLG Hamburg, AG 1989, 327, 329. Nach h.M. ist sie auch aus allgemeinen privatrechtlichen Gründen unwirksam; vgl. Schramm, in: MünchKomm. BGB, § 167 Rdnr. 89 m.w.N. BGH, LM § 47 GmbHG Nr. 25; OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465 f.; Wiedemann, S. 362; Teichmann, S. 225; Fleck, S. 117; s. auch OLG Hamburg, AG 1989, 327, 329. Die Widerruflichkeit kann vorübergehend in der Weise eingeschränkt werden, dass sie an die begrenzte Laufzeit eines Kausalverhältnisses gebunden und im Übrigen beim Vorliegen eines wichtigen Grundes stets gegeben ist; vgl. dazu mit Unterschieden in Einzelheiten BGH, GmbHR 1977, 244, 246; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 14; K. Schmidt, unten 9. Aufl., § 47 Rdnr. 83 m.w.N. Enger Flume, Allg. Teil des Bürg. Rechts, I/2, 1983, S. 207 f.; Reuter, ZGR 1978, 633, 642; Hüffer, in: Hachenburg, § 47 Rdnr. 93; weitergehend Wiedemann, S. 361 ff. Vgl. dazu BGHZ 46, 291, 295 f. (KG); BGH, GmbHR 1989, 120, 121; Wiedemann, S. 388 f.; Michalski, Gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Perpetuierung von Unternehmen, 1980, S. 177 ff.; K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 530 ff.; Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 46; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 14. A.M. Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 45 und für den Nießbrauch mit Einschränkungen Fleck, S. 125 f.; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 47 Rdnr. 25; Lutter/ Hommelhoff, § 47 Rdnr. 2. Flume, S. 205; K. Müller, Die Sicherheitsabtretung, S. 31 f.; Beuthien, ZGR 1974, 26, 82 f.; Reuter, ZGR 1978, 633, 642; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 47 Rdnr. 20; Roth/Töni,

998

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

er zwar als wirtschaftlicher Inhaber des GeschAnteils auch Träger des Gesellschafterinteresses, aber eine Ausnahme ist gleichwohl ungerechtfertigt, da gesellschaftsrechtlich nur eine Mitgliedschaft des Treuhänders besteht und die Beteiligten den Konsequenzen der von ihnen gewählten rechtlichen Gestaltung nicht ausweichen können. Keine Abspaltung von Mitverwaltungsrechten liegt in der kraft Amtes erfolgenden Ausübung dieser Rechte durch den Nachlassverwalter (Rdnr. 249), den Testamentsvollstrecker (Rdnr. 250) und den Insolvenzverwalter (Rdnr. 254).

19

bb) Vermögensrechte Die den Bestandteil der Mitgliedschaft bildenden Vermögensstammrechte (s. § 14 Rdnr. 14) sind ebenfalls nicht selbständig abtretbar1. Etwas anderes gilt aber für die aus ihnen hervorgehenden Einzelansprüche, wie auf Anteil am Jahresgewinn, auf eine Abfindung beim Ausscheiden oder auf die Liquidationsquote, auf Gegenleistungen (Vergütung) für Nebenleistungen aus § 3 Abs. 2, für eine Tätigkeit in der Gesellschaft (z.B. als GeschFührer). Sie können mangels gegenseitiger Abrede im Gesellschaftsvertrag (§ 399 BGB) selbständig und formlos abgetreten werden. Der § 15 bezieht sich nur auf Abtretung von GeschAnteilen oder Teilen von solchen, nicht auf Abtretung Einzelner aus dem GeschAnteil fließender Rechte2. Es kann sowohl ein bereits entstandener als auch ein zukünftiger Gewinnanspruch abgetreten werden. Er geht im letzteren Fall mit seinem Entstehen, d.h. mit der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung für das betreffende Geschäftsjahr (s. Erl. zu § 29), auf den Erwerber über3. Entsprechendes gilt für die künftigen Ansprüche auf Abfindung oder auf die Liquidationsquote, die auf ihn übergehen, sobald die gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen ihrer Entstehung verwirklicht sind4.

20

Der Zessionar hat gegenüber der GmbH keine Kontroll- oder Mitwirkungsbefugnisse beim späteren Gewinnfeststellungs- und Verteilungsbeschluss5; diese verbleiben dem Gesellschafter. Er muss auch, soweit nicht im Einzelfall § 826 BGB verwirklicht wird6, Beeinträchtigungen des zukünftigen Gewinnanspruchs durch die Feststellung des Jahresabschlusses oder den Ergebnisverwendungsbe-

21

1

2

3 4 5 6

in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245, 278; a.M. Raiser, in: Ulmer, § 14 Rdnr. 45; Fleck, S. 127; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 47 Rdnr. 25; Lutter/Hommelhoff, § 47 Rdnr. 2 (für „offene“ Treuhand); Ulmer, ZHR 156 (1992), 377, 387. Offen gelassen von BGH, GmbHR 1977, 244. Wiedemann, S. 414 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 14 Rdnr. 19; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 14; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25 u. § 14 Rdnr. 17; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 31. RGZ 82, 167; RG, LZ 1907, 1011; BGH, DB 1983, 2513; PrOVG, GmbHRspr. II § 15 R. 46; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27 a.E.; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 3, 20; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 123; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 124. RGZ 98, 320; krit. Wiedemann, S. 299. BGHZ 88, 205, 206; 104, 351, 353; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 15 Rdnr. 26. RGZ 98, 320; OLG Hamburg, OLG 30, 379. RGZ 98, 322; OLG Hamburg, OLG 30, 379; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 126.

H. Winter/Seibt

|

999

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schluss oder durch Änderungen des Gesellschaftsvertrags hinnehmen1. Andererseits erwirbt der Zessionar schon vor dem Entstehen des Gewinnanspruchs durch den Abtretungsvertrag eine geschützte Rechtsposition insofern, als spätere Verfügungen des Gesellschafters über das Recht (zur Pfandrechts- und Nießbrauchsbestellung s. Rdnr. 172 ff., 212 ff.) unwirksam sind2 und als der zukünftige Gewinnanspruch dem Zugriff der Gläubiger des Gesellschafters in der Zwangsvollstreckung und in der Insolvenz3 entzogen ist. Die Abtretung des GeschAnteils und seine Verwertung durch einen Pfandgläubiger machen dagegen eine Vorausabtretung von künftigen Gewinnansprüchen (auch des Liquidationsguthabens) gegenstandslos4, soweit sie nicht in Wertpapieren verkörpert sind5. Die Vorausabtretung schränkt nicht die Rechtsmacht des Gesellschafters ein, zustimmend an Gesellschafterbeschlüssen mitzuwirken, die den zukünftigen Gewinnanspruch beeinträchtigen. Er macht sich aber gegenüber dem Zessionar schadensersatzpflichtig, wenn er dabei die Verpflichtungen aus dem mit ihm bestehenden Vertragsverhältnis nicht einhält. Fehlt es an einer ausdrücklichen Vertragsbestimmung, so ist im Einzelfall nach Treu und Glauben und gesetzlichen Wertungen (z.B. § 42 GmbHG, § 247 HGB) zu beurteilen, inwieweit er bei einer Stimmabgabe die Interessen des Zessionars zu berücksichtigen hat6. 22

Teilweise wird ein GeschAnteil unter Vorbehalt des Gewinns aus dem laufenden Geschäftsjahr abgetreten. Dann erwirbt der Anteilserwerber, falls angemeldet (§ 16), als nunmehriger Gesellschafter den Gewinnanspruch gegenüber der GmbH, überträgt ihn aber für das laufende Geschäftsjahr sofort an den Veräußerer zurück7.

23

Die Abtretbarkeit des Gewinnanspruchs kann durch die Satzung ausgeschlossen werden (§ 399 BGB). Er kann andererseits durch Dividendenscheine oder durch Genussscheine verbrieft werden (§ 14 Rdnr. 66, 67 ff.).

2. Vererblichkeit des Geschäftsanteils Schrifttum: Becker, Einziehung zwecks Ausschluss der Vererbung an GeschAnteilen, GmbHR 1941, 243; Buchwald, Gesellschaftsanteil und Erbrecht, AcP 154 (1955), 22; Cohn, Der Ausschluss der Vererblichkeit bei den GeschAnteilen der GmbH, Diss. Greifswald 1919; Crezelius, Gestaltungen mit Nachfolgeklauseln, EStB 2000, 15; Däubler, Die Vererbung des GeschAnteils bei der GmbH, 1965;

1 2 3 4

Vgl. Wiedemann, S. 303 ff. BGHZ 104, 351, 353; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 124. Zutr. Wiedemann, S. 299 unter Hinweis auf BGH, NJW 1955, 544. BGHZ 88, 205, 208; 104, 351, 353; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; Schiessl, in: MünchHdb. GesR III, § 31 Rdnr. 31; Armbruster, NJW 1991, 606, 607; krit. dazu aber Marotzke, ZIP 1988, 1509. 5 Wiedemann, S. 299 ff. 6 Vgl. auch RGZ 98, 321; RG, SeuffA 1919 Nr. 6; Wiedemann, S. 306 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 126. 7 RGZ 98, 320; OLG Karlsruhe, GmbHR 1914, 377; OLG Hamburg, OLG 30, 379; s. auch LG Köln, DNotZ 1974, 481. Zu den steuerrechtlichen Folgen s. aber § 20 Abs. 2a EStG u. dazu Gondert/Behrens, GmbHR 1997, 682 ff.

1000

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Däubler, Der Scheinerbe im Recht der GmbH, GmbHR 1963, 181; Dilthey, Unentgeltliche Einziehung von GmbH-Anteilen, Diss. Bonn 1937; Dörrie, Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personenhandelsgesellschaften und der GmbH, 1995; Dörrie, Erbrecht und Gesellschaftsrecht bei Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel, GmbHR 1996, 245; Feller, Zur Vorerbschaft an GmbH-GeschAnteilen, Diss. Mainz 1974; P. Finger, Einziehung des GeschAnteils beim Tode eines Gesellschafters und Nachfolgeregelung, GmbHR 1975, 97; Fleck, Erbrechtliche Anwartschaften und Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH, in: FS Stimpel, 1985, S. 353; Habersack, Die unentgeltliche Einziehung des GeschAnteils beim Tode des GmbH-Gesellschafters, ZIP 1990, 625; Hadding, Zur Rechtsstellung des Vorerben von GmbH-GeschAnteilen, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 75; Haegele, Vererbung von GmbH-GeschAnteilen, DRpfl. 1969, 186; Haegele, Rechtsbeziehungen und Wechselwirkungen zwischen GmbH-Satzung und Gesellschaftertestament, GmbHR 1972, 219; Haegele, Erbrechtsfragen zur GmbH, BWNotZ 1976, 53; Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, 1973; Hilger, Zur Anwendbarkeit statutarischer Vinkulierungsklauseln bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in Ausführung letztwilliger Verfügungen, in: FS Quack, 1991, S. 259; A. Hueck, Gesellschaftsvertrag und Erbrecht, DNotZ 1952, 550; A. Hueck, Der GeschAnteil der GmbH als Gegenstand eines Vermächtnisses, DB 1956, 735; Käppler, Die Steuerung der Gesellschaftererbfolge in der Satzung einer GmbH, ZGR 1978, 542; Kesselmeier, Ausschließungs- und Nachfolgeregelung in der GmbH-Satzung, 1989; U. Koch, Die Zuordnung des vererbten GmbH-GeschAnteils, Diss. Heidelberg 1981; Knur, Die Familiengesellschaft, 1941; Landmann, Zur Regelung der Gesellschafternachfolge in der Satzung einer GmbH, Diss. Bonn 1962; Langner/Heydel, Vererbung von GmbH-GeschAnteilen – Sicherstellung einer familieninternen Nachfolge, GmbHR 2005, 377; Lessmann, Vinkulierungsklauseln bei der Vererbung von GmbH-GeschAnteilen, GmbHR 1986, 409; Lutter, Zur Beschränkung des Vorerben im Gesellschaftsrecht, ZGR 1982, 108; Nagler, Die zweckmäßige Nachfolgeregelung im GmbH-Vertrag, 1998; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982; Petzold, Gesellschaftsvertrag und Erbrecht bei der GmbH und der GmbH & Co. KG, GmbHR 1977, 25; Pinkernelle, Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Erbrecht, Diss. Bonn 1960; Priester, Nachfolgeklauseln im GmbH-Vertrag, GmbHR 1981, 206; Promberger, Auslegung unvollständiger Nachfolgeklauseln in der Satzung einer GmbH, ZHR 150 (1986), 585; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1972; Saenger, Beschränkungen hinsichtlich Veräußerung und Vererbung von GeschAnteilen einer GmbH, RG-Praxis IV, 1929, 17; Schefer, In welcher Weise kann die Satzung einer GmbH den Erwerb von GeschAnteilen durch Erbgang ausschließen oder beschränken?, Diss. Mainz 1960; Schilling, Die Regelung der Gesellschafternachfolge in der Satzung der GmbH, GmbHR 1962, 205; Schneider, Der GmbHAnteil bei der Auseinandersetzung eines Gesamthandsvermögen, insbesondere der Erbengemeinschaft, GmbHR 1964, 157; Scholz, Die Vererbung des GmbH-Anteils, JR 1955, 331; Schulze zur Wiesche, Erbauseinandersetzung eines GmbH-Anteils, GmbHR 1980, 211; Siebel, Die Erbfolge bei dem Einmann-Gesellschafter einer GmbH, GmbHR 1956, 118; Siebel, Die Erbfolge in den Nachlass des verstorbenen Einmann-Gesellschafters einer GmbH, DB 1964, 397; Siegelmann, Die Erbfolge bei dem Einmann-Gesellschafter einer GmbH, GmbHR 1956, 118; Siegelmann, Die Erbfolge in den Nachlass des verstorbenen Einmann-Gesellschafters einer GmbH, DB 1964, 397; Siegmann, Zur Fortbildung des Rechts der Anteilsvererbung – Grundlagen und aktuelle Fragen im Zivil- und Ertragssteuerrecht, NJW 1995, 481; Sommer, Rechtliche Wege zur Bestands- und Nachfolgeregelung von Familiengesellschaften, Diss. Hamburg 1967; Soufleros, Ausschließung und Abfindung eines GmbH-Gesellschafters, 1983; Strickrodt, Die Zukunftssicherung des Unternehmens im Rahmen der GmbH, GmbHR 1955, 157; Sudhoff, Die Vererbung von GmbH-Anteilen, DB 1963, 1109; Töteberg, Die Erbfolge in GeschAnteil und Mitgliedschaft bei der GmbH, Diss. Göttingen 1955; Vins, Kann im Gründungsvertrag einer GmbH unter ZustimH. Winter/Seibt

|

1001

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

mung aller Gesellschafter rechtswirksam vereinbart werden, dass der GeschAnteil eines Gesellschafters mit dessen Tode nicht seinen Erben, sondern Dritten zustehen soll?, ZHR 86 (1923), 325; Vogel, Zur Vererbung eines GeschAnteils, GmbHR 1971, 132; H. P. Westermann, Zum Anwendungsbereich von Vinkulierungsklauseln bei der Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZIP 1985, 1249; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Wiedemann, GmbH-Anteile in der Erbengemeinschaft, GmbHR 1969, 217; K. Winter, Die Vererbung von GmbH-Anteilen im Zivil- und Steuerrecht, 1997; Wittek, Die gesellschaftsrechtliche Behandlung der Familien-GmbH, Diss. Erlangen-Nürnberg, 1969; Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, 1964. Zur Testamentsvollstreckung am GeschAnteil vgl. Nachw. in Rdnr. 250 ff.

a) Grundsatz 24

Kraft der Vererblichkeit geht der GeschAnteil mit dem Tode des Gesellschafters ohne weiteres auf die gesetzlichen oder testamentarischen Erben über (§ 1922 BGB) und kann auch letztwillig einem Dritten vermacht werden, der als Vermächtnisnehmer gegen den oder die Erben ein Forderungsrecht auf formgebundene (§ 15 Abs. 3) (dingliche) Abtretung des GeschAnteils hat (§ 2174 BGB). Miterben steht der ererbte GeschAnteil „ungeteilt“, d.h. zur gesamten Hand der Erbengemeinschaft, zu; vgl. bei § 18 Abs. 1. Wegen Auseinandersetzung unter Erben s. Rdnr. 93. Vermächtnisse (§§ 2147 ff. BGB) und Teilungsanordnungen des Erblassers (§ 2048 BGB) sind dabei aber nur in den satzungsmäßigen Grenzen ausführbar (Rdnr. 36 ff.). Für den Eintritt in die Gesellschafterstellung kommt es gegenüber der Gesellschaft nicht auf eine Anmeldung nach § 16 an1. Der Nachweis der Gesellschafterstellung muss allerdings auf Verlangen durch Vorlage des Erbscheins erbracht werden2. Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, so ist er niemals Gesellschafter geworden (vgl. § 1953 Abs. 1 BGB) und haftet dann in keiner Weise für Verbindlichkeiten aus dem GeschAnteil, insbesondere auch nicht nach § 16 Abs. 3 oder § 223. Für Maßnahmen, die der Erbe vor der Ausschlagung getroffen hat oder die dem Erben gegenüber vor der Ausschlagung getroffen worden sind, gelten – in gleicher Weise wie bei einer späteren Anfechtung der Erbschaftsannahme (§ 1957 Abs. 1 BGB) – die §§ 1959 ff. BGB. Für den Scheinerben gelten die §§ 2366 f. BGB. Für die Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft (Leistung von Einlagen, §§ 19, 55; Rückzahlung nach § 31; Nachschusspflicht nach § 26) haftet der Erbe, es sei denn, er beschränkt seine Erbenhaftung nach den §§ 1975 ff. BGB, wobei diese Haftungsbeschränkung nur auf bis zum Erbfall begründete Verpflichtungen Anwendung findet.

25

Es kann ein Testamentsvollstrecker bestimmt sein, auch lediglich zur Verwaltung des GeschAnteils (Rdnr. 250 ff.). Auch ein Nachlasspfleger kann zu dieser Verwaltung befugt sein (§§ 1960, 2017 BGB; Rdnr. 248).

1 Eb. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 62; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 10. 2 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 7; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 11; Töteberg, Erbfolge, S. 36.

1002

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

b) Abweichende Regelung durch den Gesellschaftsvertrag Der § 15 Abs. 5 sieht Beschränkungen nur für die Abtretung vor, und Vererbung ist keine Abtretung. Das RG1 hatte das Problem nicht erkannt, wenn es ohne weitere Erörterung sagt, aus § 15 Abs. 5 „folgt, dass die Veräußerlichkeit und Vererblichkeit der GeschAnteile durch Gesellschaftsvertrag beschränkt und auch gänzlich ausgeschlossen werden kann (vgl. auch § 17 Abs. 6 GmbHG)“. Die letztgenannte Vorschrift lässt den Ausschluss der Teilung ausdrücklich zu. Eine Vinkulierungsklausel i.S.v. § 15 Abs. 5 erfasst aber nicht die Übertragung des Anteils eines Nachlasses, in dem sich der GeschAnteil befindet (dazu § 18 Rdnr. 9). Ebenso wie bei der Abtretung und zum Teil aus ähnlichen Gründen kann auch bei der Vererbung der GeschAnteile ein vom Erblasserinteresse unabhängiges gesellschaftliches Bedürfnis dafür bestehen, in den Gesellschaftsvertrag bindende Regeln über die Gesellschafternachfolge aufzunehmen. Aber das Recht stellt mit Rücksicht auf die sonst nicht übereinstimmende Interessenlage im Erbfall zur Wahrung dieses Bedürfnisses andere Mittel zur Verfügung.

26

aa) Ausschluss oder Beschränkung Der Ausschluss oder die Beschränkung der Vererblichkeit der GeschAnteile ist nicht möglich2. Die durch die verunglückte Ausdrucksweise des RG (Rdnr. 26) nahe gelegte abweichende Ansicht ist nur vereinzelt früher analog § 38 Satz 1 BGB vertreten worden3. Eine solche Analogie widerspricht jedoch dem GmbHRecht. Wäre der Ausschluss der Vererblichkeit möglich, müsste der GeschAnteil mit dem Tode seines Inhabers erlöschen mit der Folge, dass alle Leistungspflichten des Gesellschafters einschließlich der Stammeinlageschuld (s. § 19) entfielen und die Aufbringung des Stammkapitals (s. § 5 Rdnr. 10 ff.) gefährdet wäre. Dass ein GeschAnteil ohne Einziehung (§ 34) erlöschen könne, ist zudem überhaupt mit dem GmbHG unvereinbar. Eine weitere Meinung kommt auf einem anderen Wege indirekt zur Anerkennung des Ausschlusses der Vererblichkeit, indem sie eine mit dem Eintritt des Todes des Anteilsinhabers automatisch wirkende sog. Einziehung kraft Statuts zulässt4; der GeschAnteil wäre dann ebenfalls nicht Nachlassbestandteil. Sie trägt damit zwar den oben erwähnten Bedenken Rechnung, ist aber aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen, da Ungewissheit über das Vorliegen der für das Wirksamwerden des vorweggenommenen Gestaltungsaktes notwendigen gesetzlichen Einziehungsvoraussetzungen (Volleistung der Einlagen und Möglichkeit zur Entgeltzahlung

1 RGZ 80, 175, 179. 2 Wiedemann, S. 93 f.; Reuter, S. 409; Brodmann, Anm. 7; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9, 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 8; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Meyer-Landrut, Rdnr. 18; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 114. 3 OLG Colmar, Recht 1912, Nr. 484; Feine, S. 370; Vins, S. 328. 4 KG, GmbHRspr. IV § 34 R. 10; LG Frankfurt, GmbHR 1962, 118; Feine, S. 378; Däubler, S. 117 ff.; Haegele, GmbHR 1972, 221; Finger, GmbHR 1975, 97, 98 f.; Sudhoff, DB 1963, 1109.

H. Winter/Seibt

|

1003

27

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

ohne Beeinträchtigung des Stammkapitals) bestünde1. Die Gestaltung ist überdies wegen ihrer Starrheit wenig zweckmäßig. Der gesetzlichen Grundlage entbehrt schließlich die Mittelmeinung von Töteberg2, wonach nicht die Vererblichkeit des GeschAnteils, wohl aber die der Mitgliedschaft ausgeschlossen werden könne (dazu jedoch unten Rdnr. 34). 28

Ebenso wenig kann der Gesellschaftsvertrag die Vererblichkeit des GeschAnteils beschränken, also z.B. seinen Übergang von einer Genehmigung abhängig machen3 oder mit unmittelbarer Wirkung eine Sonderrechtsnachfolge anordnen4. Auch wenn der Gesellschaftsvertrag zugleich die Erfordernisse eines Erbvertrages erfüllen sollte (§§ 2274 ff. BGB), könnte eine derartige Bestimmung nicht getroffen werden (§ 2278 Abs. 2 BGB). Desgleichen ist die in der widersprüchlichen Entscheidung des RG in RGZ 80, 177 f. verwendete Konstruktion eines auf den Todesfall zu Gunsten des Nachfolgers geschlossenen dinglichen Vertrages abzulehnen5; das RG hat diese Ansicht später auch selbst aufgegeben6. Möglich wäre eine Sondernachfolge allerdings derart, dass der GeschAnteil im Gesellschaftsvertrag einem Mitgesellschafter, der GmbH oder einem beim Abschluss des Gesellschaftsvertrags mitwirkenden Dritten7 auf den Todesfall aufschiebend bedingt abgetreten wird, aber dies ist wegen der rechtlichen Bindungen, denen der Gesellschafter sich schon zu Lebzeiten unterwerfen müsste (§§ 160, 161 BGB), im Regelfall kein geeignetes Mittel der Nachfolgeregelung8. Eine sog. qualifizierte Nachfolgeklausel des Statuts kann deshalb im Allgemeinen auch nicht in diesem Sinne ausgelegt werden9. Eine Potestativbedingung dahingehend, dass der Zedent sich eine anderweitige Verfügung zu Lebzeiten vorbehält10, wäre dagegen mangels Bindungswillens unzulässig11. Soll eine am Gesellschaftsvertrag nicht beteiligte Person Nachfolger werden, scheitert die bedingte Übertragung zudem an § 15 Abs. 3 und der unzulässigen Belastung des Dritten mit den Pflichten (unzulässiger Verfügungsvertrag zu1 Wiedemann, S. 79; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 14; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 7; Käppler, S. 569 ff.; Nagler, S. 60 ff. Weitere Nachw. s. bei § 34 Rdnr. 49 f. 2 Töteberg, Erbfolge, S. 86, 95, 141. 3 Däubler, S. 111 f. 4 OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 587; Schilling, S. 206; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 9, 12; Wiedemann, S. 95 f.; Däubler, S. 105 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 9, 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 6, 22; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 31; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 2; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 1066; Käppler, S. 575; Priester, S. 207; Nagler, S. 197 ff.; a.M. Schefer, DB 1961, 59 u. Diss. S. 72 ff.; Finger, S. 102 f.; Kesselmeier, S. 259 ff. 5 Eb. Feine, S. 378; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 12; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 9; Wiedemann, S. 94; Däubler, S. 101 f.; Käppler, S. 575. 6 RG, DR 1943, 812. 7 Priester, GmbHR 1981, 206, 209; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 378. 8 Eb. Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 378 und Fn. 9; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 24. 9 Vgl. Wiedemann, S. 94; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 12 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 24; Priester, S. 209; abw. Däubler, S. 107. 10 Priester, GmbHR 1981, 206, 209 f. 11 Vgl. dazu auch Nagler, S. 171 f.

1004

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

gunsten Dritter)1; die statutarische Regelung kann in Einzelfällen als schuldrechtlicher Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 328, 331 BGB) auszulegen sein2. bb) Nachfolgeregelung Die Uneinschränkbarkeit des Anteilsübergangs auf die Erben schließt es aber nicht aus, eine dem Gesellschaftsverhältnis angepasste Regelung der Gesellschafternachfolge im Gesellschaftsvertrag zu treffen. Es kommen als Mittel dafür vor allem die Abtretungspflicht der Erben (Rdnr. 32), das Einziehungsrecht der Gesellschaft (Rdnr. 30) und die Ermächtigung zur Kaduzierung entsprechend § 21 (s. § 21 Rdnr. 7)3 in Betracht; in der Gestaltungspraxis werden häufig – zulässigerweise – Abtretungspflicht und – ggf. nachgelagert – Einziehungsmöglichkeit kombiniert (Rdnr. 30)4. Zulässig ist daneben auch, die Rechtsstellung des Gesellschafternachfolgers statutarisch einzuschränken (s. Rdnr. 34). Soweit im Gesellschaftsvertrag vom Ausschluss oder von der Beschränkung der Vererbung von GeschAnteilen gesprochen wird, muss nach seinem Gesamtinhalt ermittelt werden, ob damit eine der vorstehend genannten Lösungsmöglichkeiten gewollt war; mangels entsprechender Anhaltspunkte ist die Klausel nichtig (Rdnr. 26 f.). Die statutarische Bestimmung, wonach die GeschAnteile nur an einen darin näher umschriebenen Personenkreis vererbt werden können, ist im Allgemeinen dahingehend auszulegen, dass ein nicht qualifizierter Gesellschaftererbe zur Abtretung an die jenem Personenkreis zuzurechnenden Personen verpflichtet und die Gesellschaft hilfsweise zur Einziehung befugt ist5.

29

aaa) Einziehung Der Gesellschaftsvertrag kann vorsehen, dass beim Tode eines Gesellschafters die Einziehung des GeschAnteils (§ 34) erfolgen darf oder muss6. Geschieht das ohne Einschränkung, so hat die Klausel den Sinn, dass die Gesellschaft nur 1 Eb. Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 378; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 12. 2 Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 28; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 378 Fn. 8. 3 BGH, GmbHR 1984, 74 f.; OLG München, ZIP 1984, 1349, 1350; Kesselmeier, S. 53 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 31; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 15 Rdnr. 119; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 42 ff. 4 Vgl. Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 379 („Königsweg“). 5 Vgl. OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 587; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 116; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 7, 20; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 1076; a.M. Wiedemann, S. 96, der der Gesellschaft ein Wahlrecht gibt; s. auch BGH, WM 1962, 1083. 6 Eb. BGH, BB 1977, 563; OLG München, ZIP 1984, 1349; Feine, S. 377; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 32; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 15 Rdnr. 116; Nagler, S. 52 ff. m.w.N.; Lenz, GmbHR 2000, 928; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 379.

H. Winter/Seibt

|

1005

30

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

durch die überlebenden Gesellschafter fortgesetzt werden oder die Entscheidung über eine Fortsetzung mit den Erben den übrigen Gesellschaftern überlassen sein soll. Die Voraussetzungen der Einziehungsbefugnis können aber auch dahingehend eingeengt werden, dass sie nur beim Tode des Inhabers bestimmter GeschAnteile oder nur dann gegeben sein soll, wenn der GeschAnteil im Wege der Erbfolge auf andere als die im Gesellschaftsvertrag genannten Personen oder Personengruppen, z.B. Familienangehörige1, übergeht. Desgleichen ist es zulässig, das Einziehungsrecht der Gesellschaft mit einer Abtretungspflicht (s. Rdnr. 32) alternativ oder derart zu verbinden, dass es entstehen soll, wenn die Abtretung nicht oder nicht rechtzeitig vorgenommen wird2. Die Einziehungsbefugnis darf die Gesellschaft aber nicht rechtsmissbräuchlich ausüben3. Die Vornahme der Einziehung kann im Gesellschaftsvertrag an eine Frist gebunden werden. Steht sie im Ermessen des zuständigen Organes, so ist auch ohne ausdrückliche Bestimmung dem Sinn der Nachfolgeklausel zu entnehmen, dass die Einziehung, sofern ihr nicht Hindernisse entgegenstehen (z.B. unzureichende freie Mittel für das Einziehungsentgelt; s. dazu Erl. zu § 34), nur innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Tode des Anteilsinhabers vorgenommen werden kann4. Denn ansonsten würde ein unzulässiger Druck auf den neuen Gesellschafter entstehen, der diesem eine freie Ausübung seiner Gesellschafterrechte und -pflichten erschwert („Damokles-Schwert“)5. Die statutarische Festlegung einer Frist von einem Jahr dürfte indes noch zulässig sein6. Die Nichtausübung des Einziehungsrechts kann u.U. auch als Verzicht zu deuten sein7 oder zur Verwirkung des Rechts führen8, nicht aber ohne weiteres einen unabhängigen Zahlungsanspruch begründen9. 31

Die vorstehenden Satzungsbestimmungen regeln die gesellschaftsrechtlichen Folgen des Ausscheidens eines Gesellschafters aus der GmbH durch Tod und haben grundsätzlich keine erbrechtliche Relevanz10. Die statutarische Bestimmung einer den Anteilswert unterschreitenden Abfindung ausscheidender Er-

1 BGH, BB 1977, 563. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 116; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 33. 3 OLG München, ZIP 1984, 1349, 1350; Niemeier, S. 266 ff. 4 BGH, BB 1977, 563; OLG München, ZIP 1984, 1349, 1350; Niemeier, S. 268; Priester, S. 209; Däubler, S. 92 f.; Haegele, S. 221; Nagler, S. 235 ff.; s. auch BGHZ 105, 213, 220 ff. (GmbH & Co. KG). 5 BGHZ 105, 213, 218 ff. (GmbH & Co. KG). 6 So auch Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 382; Grunewald, Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 212; vgl. auch OLG München, ZIP 1984, 1349, 1350 (2 Gesellschafterversammlungen). 7 Priester, GmbHR 1981, 206, 209; Niemeier, S. 269; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 35. 8 BGH, BB 1977, 563; Niemeier, S. 269 m.w.N. 9 Bedenklich OLG Brandenburg, GmbHR 1999, 540; eb. krit. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15 Fn. 36. 10 H.M.; abw. Däubler, S. 89 ff.; Käppler, ZGR 1978, 542, 547 ff.; vgl. auch Reuter, S. 412 ff.

1006

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

ben, die gesellschaftsrechtlich unbedenklich ist1, ändert daran im Allgemeinen nichts. Sie ist rechtlich nicht, wie eine Schrifttumsmeinung annimmt2, als ein Schenkungsversprechen von Todes wegen (§ 2301 BGB) an die Gesellschaft oder die überlebenden Mitgesellschafter zu qualifizieren, denen durch eine Einziehung ohne vollwertige (dem Verkehrswert entsprechende) Abfindung mittelbar ein Vermögensvorteil zuwachsen kann. Der Sinn satzungsmäßiger Abfindungsbeschränkungen (auf den Buchwert, den Substanzwert ohne Berücksichtigung des Good Will, den nach steuerlichen Verwaltungsvorschriften ermittelten gemeinen Wert u.Ä.), die für alle GeschAnteile gleichmäßig gelten sollen, ist es, im gemeinsamen Interesse das Abfindungsverfahren zu vereinfachen und den Gesellschaftsbestand gegen existenzbedrohende Kapitalabflüsse zu sichern3. Regelungstypisch ist daher von den Beteiligten keine gegenseitige schenkweise Zuwendung eines Vermögensvorteils, sondern ausschließlich eine gesellschaftsspezifische inhaltliche Ausgestaltung ihrer Beteiligungsrechte und -pflichten gewollt4. Auch der völlige Ausschluss einer Abfindung für die Einziehung im Todesfall durch die Satzung ist gesellschaftsrechtlich zulässig5. Die Einziehungsregelung hat aber dann im Unterschied zu den obigen Fällen der Abfindungsbeschränkung im Allgemeinen den Charakter einer unentgeltlichen Zuwendung an die begünstigten Mitgesellschafter6. Das gilt unabhängig davon, ob der Abfindungsausschluss bei der Einziehung der GeschAnteile Einzelner oder aller Gesellschafter eingreifen soll7. Anders kann es aber auf Grund einer besonderen Gestaltung des Gesellschaftsverhältnisses im Einzelfall liegen, wenn z.B. der Ausschluss einen dem betreffenden Gesellschafter eingeräumten Sondervorteil ausgleichen8 oder die Verletzung einer entgeltlichen Abtretungspflicht durch die Gesellschaftererben sanktionieren soll9. Auch soweit danach eine unentgeltliche Zuwendung an die Mitgesellschafter vorliegt, stehen der Rechtswirksamkeit der Satzungsbestimmung zwingende erbrechtliche Vor1 BGH, BB 1977, 563. 2 So insbesondere Finger, GmbHR 1975, 97, 99 f.; Käppler, ZGR 1978, 542, 551 ff.; Wank, ZGR 1979, 222, 248 f., jeweils m.w.N.; einschr. Nagler, S. 256 ff. 3 Vgl. auch BGH, BB 1977, 563, 564. 4 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 17; Flume, in: FS Ballerstedt, 1975, S. 207, 215; Priester, GmbHR 1981, 206, 211 ff.; Niemeier, S. 114 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11 und Erl. zu § 34. Teilweise wird im Schrifttum auch eine vollzogene (Teil-)Schenkung i.S. des § 2301 Abs. 2 BGB angenommen; vgl. Heckelmann, S. 87 ff. sowie für die GmbH Däubler, S. 94 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 119. 5 BGH, BB 1977, 563. 6 Zutr. Ulmer, in: Hachenburg, § 34 Rdnr. 97; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 18; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 34; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Däubler, S. 94 f.; Finger, GmbHR 1975, 97, 99 f.; Käppler, ZGR 1978, 542, 547 ff.; Habersack, S. 626 f.; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 1079; Niemeier, S. 105 ff., 112 ff. m.w.N. 7 Eingehend dazu vor allem Heckelmann, S. 45 ff., 77 ff. und Niemeier, S. 112 ff. gegen die früher auch für die GmbH überwiegend vertretene Meinung, die bei allseitigen Abfindungsausschlüssen ein entgeltliches, aleatorisches Geschäft annahm (vgl. Knur, Familiengesellschaft, 1941, S. 111 ff., 114 Fn. 33; Schilling, GmbHR 1962, 205, 206; Sudhoff, DB 1963, 1109, 1110; Wiedemann, S. 96, 188 ff. u.a.). 8 Heckelmann, S. 80, 98; Reinhardt, ZGR 1975, 367, 382; Niemeier, S. 114. 9 Wiedemann, S. 97; Niemeier, S. 112 Fn. 221. Die §§ 339 ff. BGB sind dann zumindest analog anwendbar; vgl. Ulmer, in: Hachenburg, § 34 Rdnr. 99 m.w.N.

H. Winter/Seibt

|

1007

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schriften schon deswegen nicht entgegen, weil die Schenkung mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages regelmäßig bereits aufschiebend bedingt vollzogen ist (§ 2301 Abs. 2 BGB)1. Abkömmlinge als gesetzliche Erben sind mit dem unentgeltlich zugewendeten Anteilswert analog § 2050 Abs. 1 BGB untereinander ausgleichspflichtig, wenn der verstorbene Anteilsinhaber dies nicht ausgeschlossen hat, was formfrei möglich ist; eine Pflicht zur Auszahlung des eventuellen Mehrbetrages besteht mangels einer gegenteiligen testamentarischen Auflage nicht (§ 2056 BGB)2. Die Pflichtteilsberechtigten sind wie bei sonstigen schenkweisen Zuwendungen des Erblassers durch §§ 2316, 2325 ff. BGB geschützt3, wobei entgegen der früheren Rspr. des BGH4 für den Beginn der Zehnjahresfrist (§ 2325 Abs. 3 BGB) nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages, sondern auf den des Todes des Anteilsinhabers abzustellen ist5. Die Nachlassgläubiger können im Falle des Abfindungsausschlusses von den begünstigten Gesellschaftern analog §§ 4, 11 AnfG, §§ 134, 143, 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO Wertersatz in Geld für die infolge der Einziehung erlangte vorteilhafte Rechtsstellung verlangen6. Die Rückgewähr in Natur ist dagegen wegen des Untergangs des Geschäftsanteils ausgeschlossen7. Ansprüche gegen die Gesellschaft bestehen nicht, da sie durch die Einziehung nichts erwirbt. bbb) Abtretungspflicht 32

Eine statutarisch begründete Abtretungspflicht des Gesellschaftererben soll i.d.R. die gesellschaftlichen Beziehungen regeln, d.h. beim Ausscheiden des Anteilsinhabers durch Tod die Zusammensetzung der die Gesellschaft fortzusetzenden Gesellschafter bestimmen. Sie ist demzufolge entweder sog. Nebenleistungspflicht i.S. des § 3 Abs. 28 und/oder gesellschaftliche Pflicht gegenüber einem oder allen Mitgesellschaftern (s. § 2 Rdnr. 11), also kein erbrechtlicher, 1 Eb. Däubler, S. 94 f.; Heckelmann, S. 87 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, § 34 Rdnr. 97a; Niemeier, S. 119 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 73, § 34 Rdnr. 35; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Habersack, S. 629 f. und unten bei § 34; a.M. Wiedemann, S. 186 f.; Finger, GmbHR 1975, 97, 100; Käppler, ZGR 1978, 542, 555 ff.; Wank, ZGR 1979, 222, 248. 2 Zutr. Flume, in: FS Schilling, 1973, S. 42 ff.; abw. die überwiegende Mehrheit für die Personenhandelsgesellschaften, vgl. Ulmer, in: Großkomm. HGB, § 139 Rdnr. 186 ff. 3 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 18; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 34; Nagler, S. 270 f.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 41; weitergehend Däubler, S. 95 f., der die überlebenden Gesellschafter wie Vermächtnisnehmer behandeln will. 4 NJW 1970, 1638; WM 1971, 1338. Der BGH ist für eine andere Fallgestaltung von diesen Entscheidungen ausdrücklich abgewichen (BGHZ 98, 226). 5 Überzeugend Reuter, JuS 1971, 289 ff.; Flume, in: FS Schilling, 1973, S. 59 ff.; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Ulmer, ZGR 1972, 324, 334 f.; vgl. dazu auch Frank, in: MünchKomm. BGB, § 2325 Rdnr. 25 m.w.N. 6 Zust. Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 41. 7 Unzutr. Däubler, S. 97. 8 RGZ 113, 149; 121, 299; BGH, ZIP 1985, 548; vgl. ferner RG, JW 1913, 743; KGJ 38 A 171; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 102; G. Hueck, in: FS Larenz, 1973, S. 749, 756 f.; Nagler, S. 111; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13.

1008

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sondern ein gesellschaftsrechtlicher Tatbestand. Der Gesellschaftsvertrag kann danach z.B. vorsehen, dass der im Wege der Erbfolge übergegangene GeschAnteil durch einen statutarisch nicht nachfolgeberechtigten Erben einem der Miterben, einem anderen Gesellschafter1 oder einem Dritten2, einer von der Gesellschaft3 zu bestimmenden oder ihr genehmen Person oder der Gesellschaft selbst abzutreten ist4. Beim Übergang des Geschäftsanteils auf eine Mehrheit von Erben, die nach dem Gesellschaftsvertrag teils nachfolgeberechtigt und teils nicht nachfolgeberechtigt sind, ist mangels abweichender statutarischer Bestimmung anzunehmen, dass die Abtretungspflicht gegenüber anderen Personen nicht eingreifen soll, wenn er im Wege der Erbauseinandersetzung auf die nachfolgeberechtigten Miterben übertragen wird5. Etwas anderes gilt, wenn dies nicht innerhalb einer angemessenen Zeit geschieht. Die Abtretung muss, auch wenn der Abtretungsempfänger Miterbe ist (Rdnr. 93), in notarieller Form erfolgen (§ 15 Abs. 3); dagegen bedarf es beim Vollzug einer solchen Nachfolgeklausel nicht noch zusätzlich einer für Abtretungen statutarisch vorgeschriebenen Genehmigung i.S. des § 15 Abs. 56. Anspruchsberechtigt aus der gesellschaftlichen Nachfolgeklausel ist, wenn aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes sich ergibt, die Gesellschaft7. Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch auch dem Begünstigten8, Mitgesellschaftern oder den zur Bestimmung des Begünstigten zuständigen Personen (z.B. der Erbengemeinschaft) das Recht einräumen, die Abtretung zu verlangen. Steht es einem Mitgesellschafter zu, so ist das Recht ebenfalls regelmäßig gesellschaftlicher Art. Anderenfalls handelt es sich um einen Anspruch aus einem gesonderten schuldrechtlichen Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 328, 331 BGB), der nur tatsächlich, nicht aber rechtliche Bestandteil des Gesellschaftsvertrages ist9; die in diesem Zusammenhang vielfach angeführte Entscheidung in RGZ 169, 65 (83), wonach die durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Rechte nicht mit unmittelbarer und bindender Wirkung einem Nichtgesellschafter zugute kommen können, steht deshalb nicht entgegen. Das Forderungsrecht des Begünstigten richtet sich, wenn nicht ein abweichender Wille erkennbar ist, gegen den Gesellschaftererben und nicht gegen die Gesellschaft10. Seinem Zweck entsprechend ist es ohne Zustim-

1 BGHZ 92, 386, 390. 2 OLG Celle, GmbHR 1959, 113; OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586. 3 Bestimmungsberechtigt ist dann im Zweifel die Gesellschafterversammlung; s. Nagler, S. 113 f. 4 RG, DR 1943, 812. 5 BGHZ 92, 386, 392 f. 6 OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 587; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 29. 7 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14; Priester, GmbHR 1981, 206, 209; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Nagler, S. 112; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 23. 8 RGZ 80, 179; BGHZ 92, 386, 391; Saenger, S. 35; Däubler, S. 75; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13, 14; Priester, GmbHR 1981, 206, 209; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 23; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 1076. 9 A.M. Däubler, S. 75; s. auch Nagler, S. 126 ff. 10 Eb. BGH, ZIP 1985, 348, 349; Saenger, S. 35; Däubler, S. 76; a.M. Neukirchen, S. 30 ff.

H. Winter/Seibt

|

1009

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

mung der Gesellschaft nur abtretbar, wenn der Erwerber nach dem Gesellschaftsvertrag ebenfalls als Nachfolger des Ausgeschiedenen geeignet ist, §§ 399, 413 BGB1. Die Satzung kann die Gesellschaft auch gem. § 185 BGB ermächtigen, den GeschAnteil des verstorbenen Gesellschafters an einem bestimmten oder zu bestimmenden Erwerber zu übertragen; beim Fehlen einer abweichenden Regelung bedarf die Ausübung der Ermächtigung eines Gesellschafterbeschlusses analog § 46 Nr. 42. 33

Die Satzung kann auch die weiteren Bedingungen der gesellschaftsrechtlichen Abtretungspflicht (Rdnr. 32) festlegen, insbesondere Bestimmungen über die Höhe des Entgelts, seine Fälligkeit und die sonstigen Zahlungsbedingungen treffen3. Schweigt sie darüber, so ist im Zweifel als gewollt anzunehmen, dass die Abtretung gegen Zahlung eines nach dem vollen Wert (Verkehrswert) des Geschäftsanteils (s. § 14 Rdnr. 10 ff.) sich bemessenden und sofort fälligen Entgelts erfolgen soll4. Sie kann andererseits die Methode zur Ermittlung des Anteilswerts näher regeln, seine verbindliche Festsetzung durch einen Schiedsgutachter vorgeben5 und auch das Abtretungsentgelt anderweitig festlegen oder seine Bestimmung nach abweichenden Bemessungskriterien (z.B. dem Buchwert gemäß der Handels- oder Steuerbilanz, dem Substanzwert unter Außerachtlassung eines etwaigen Firmenwertes, dem Erbschaftsteuerwert nach Stuttgarter Verfahren) vorschreiben6. Das statutarische Abtretungsentgelt braucht beim späteren Ausscheiden nicht den vollen Wert des GeschAnteils zu erreichen7. Die Abtretungsbestimmung kann auch bei einer derartigen Beschränkung oder, was ebenfalls zulässig8, in der Praxis allerdings selten ist, bei einem vollständigen Ausschluss des Abtretungsentgelts nicht als ein den erbrechtlichen Vorschriften unterliegendes Schenkungsversprechen von Todes wegen (§ 2301 Abs. 1 BGB) oder als eine letztwillige Verfügung qualifiziert oder behan-

1 Enger Däubler, S. 79. 2 BGH, NJW 1983, 2880 f.; BGH, BB 1977, 563; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 30; Lutter/Hommelhoff, § 34 Rdnr. 8; Ulmer, ZHR 149 (1985), 28, 34 f.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 24; vgl. auch Kesselmeier, S. 45 ff., der § 34 Abs. 2 analog anwenden will. 3 H.M., vgl. Priester, GmbHR 1981, 206, 210; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 17 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 1077; abw. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 120. 4 Eb. BGHZ 116, 359, 370; Lenz, GmbHR 2000, 927, 929; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 384; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 16. 5 Vgl. dazu Soufleros, S. 227 f. m.w.N. 6 Einen Überblick über die gebräuchlichen Abfindungsklauseln geben Seibt, in: MünchHdb. GmbH-Recht, § 2 Rdnr. 254 ff. (Formulierungsvorschläge zur Einziehung); Soufleros, S. 222 ff.; Ulmer, in: FS Quack, 1991, S. 477 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, 8. Aufl., § 34 Rdnr. 77 ff. 7 RG, DR 1943, 812: Nennwert zuzüglich anteiliger offener Reserven. 8 OLG Kiel, SchlHA 1910, 20; BGH, GmbHR 1977, 81, 82 (Wahrung des Charakters einer Familiengesellschaft für alle Zukunft); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 17 f.; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Sudhoff, DB 1963, 1109, 1110; Haegele, Rpfleger 1969, 186, 190 ff.; GmbHR 1972, 219, 220 Fn. 12; Vogel, GmbHR 1971, 132, 133; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 1077; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 384 f.

1010

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

delt werden. Die Gegenmeinung1 wertet die Abfindungsklauseln unzutreffend und kommt deshalb unter Betonung eines vermeintlichen Vorrangs erbrechtlicher Wertungsprinzipien2 zu Ergebnissen3, die der gesellschaftsrechtlichen Interessenlage, in die der vererbte GeschAnteil eingebunden ist, widersprechen. Die angeführten Abfindungsklauseln regeln Modalitäten einer gesellschaftsrechtlichen Nebenleistungspflicht, die den Vollzug der gesellschaftlichen Zwecken dienenden Abtretung (Rdnr. 32) erleichtern und sichern oder überhaupt erst ermöglichen sollen. Mit der Vereinbarung von vertretbaren Abfindungsbeschränkungen, die für alle gleichmäßig gelten oder einzelne nur wegen sachlicher Besonderheiten ihrer Betätigung ausnehmen, wollen die Gesellschafter demzufolge nicht einen bei der späteren Abtretung möglicherweise sich ergebenden Anteilsmehrwert den vorgesehenen Erwerbern unentgeltlich zuwenden, sondern generalisierend ein der speziellen gesellschaftlichen Interessenlage in diesen Ausscheidensfällen gerecht werdendes und deshalb von ihnen als angemessen erachtetes Abtretungsentgelt festsetzen4. Das gilt nicht nur, wenn der GeschAnteil des Verstorbenen an die Gesellschaft oder anteilsmäßig an sämtliche Mitgesellschafter abzutreten ist, sondern trifft auch für statutarische Abtretungspflichten an einzelne Mitgesellschafter und an Dritte (Rdnr. 32) zu5, sofern nach dem Sinn der Nachfolgeregelung die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit den vorgesehenen Erwerbern durch ein gesellschaftliches Interesse oder durch besondere Umstände ihrer bisherigen Gesellschafterstellung sachlich begründet ist6. In anderen Fällen nicht unerheblicher Abfindungsbeschränkungen und allgemein bei einem Abfindungsausschluss wird dagegen, wenn nicht ausnahmsweise andere Vorteile des verstorbenen Anteilsinhabers oder seiner Rechtsvorgänger kompensiert werden sollen (Rdnr. 31), eine unentgeltliche Zuwendung des Anteils(mehr)werts an die Begünstigten anzunehmen sein, die aber durch die satzungsmäßige Nachfolgeregelung als unter Lebenden erfolgt (§ 2301 Abs. 2 BGB) zu werten ist7. Für die Rechtsstellung der Nachlassbeteiligten (Nachlassgläubiger, Pflichtteilsberechtigte und Miterben) ist daher auf die Ausführungen oben Rdnr. 31 zu verweisen.

1 Vgl. Däubler, S. 81 ff.; Käppler, ZGR 1978, 542, 573 ff:, Reuter, S. 411 ff. und mit Einschränkungen Schilling, GmbHR 1962, 205, 206 f.; Wiedemann, S. 97; s. auch Ulmer, in: Hachenburg, § 34 Rdnr. 97 f. 2 Dagegen mit Recht Priester, GmbHR 1981, 206, 212 f. 3 Keine Bindung eines Gesellschafternachfolgers, begrenzte Geltungsdauer durch die Dreißigjahresfrist (§§ 2109, 2162 f., 2210 BGB), Anfechtung nach §§ 2078 ff., 2345 Abs. 1 BGB sowie Widerruf analog § 2294 BGB, Behandlung als bloßes Vermächtnis; vgl. dazu Däubler, S. 81 f.; 84 f.; Käppler, ZGR 1978, 542, 574; Wiedemann, S. 97. 4 Zutr. Priester, GmbHR 1981, 206, 211 f.; Niemeier, S. 116 ff.; Soufleros, S. 263; a.M. Käppler, S. 567. 5 A.M. Wiedemann, S. 97; Soufleros, S. 265. 6 Weitergehend Priester, GmbHR 1981, 206, 208 f., 212. 7 Däubler, S. 83, 111; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 18; Ulmer, in: Hachenburg, § 34 Rdnr. 97a; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 14; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 34; Habersack, ZIP 1990, 625, 629; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 41; a.M. Käppler, ZGR 1978, 542, 573 ff. m.w.N.

H. Winter/Seibt

|

1011

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

ccc) Rechtsbeschränkungen 34

Der Gesellschaftsvertrag kann auch anordnen, dass beim Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod der Inhalt seines Geschäftsanteils sich ändert1. Der Gesellschaftsvertrag kann bestimmen, dass Sonderrechte oder -pflichten nicht auf den Nachfolger übergehen (s. dazu § 3 Rdnr. 80) oder dass einzelne allgemeine Mitgliedschaftsrechte (z.B. das Stimmrecht oder das Gewinnbezugsrecht), soweit sie als solche und gegebenenfalls in der vorgesehenen Kombination abdingbar sind (s. darüber § 14 Rdnr. 31 ff.), mit dem Tode des Anteilsinhabers ganz oder teilweise entfallen sollen. Die erbrechtliche Form ist zur Wirksamkeit derartiger Bestimmungen selbst dann nicht erforderlich, wenn die Rechtsänderung nach den Umständen des Einzelfalls eine mittelbare unentgeltliche Zuwendung des verstorbenen Anteilsinhabers an die übrigen Gesellschafter bewirkt2, aber es gelten dann zu Gunsten der Nachlassgläubiger und der Pflichtteilsberechtigten die Ausführungen in Rdnr. 31 sinngemäß. Ebenfalls kann der Gesellschaftsvertrag vorschreiben, dass mehrere Erben eines Gesellschafters auch nach der Teilung des GeschAnteils (vorher gilt § 18) die abdingbaren Gesellschafterrechte, insbesondere die Stimmrechte, nur gemeinschaftlich durch einen Vertreter ausüben können3; eine unzulässige Rechtsabspaltung liegt darin nicht4. Über die Grenzen einer solchen Gruppenvertretung s. bei § 47. c) Letztwillige Verfügungen

35

eines Gesellschafters über seinen GeschAnteil sind zulässig und können durch den Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen werden (§ 2302 BGB). Er kann ihn zum Gegenstand eines Vermächtnisses (§§ 1939, 2147 ff. BGB) oder einer Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) machen oder die Erben oder Vermächtnisnehmer in Bezug auf ihn mit einer Auflage belasten (§§ 1940, 2192 ff. BGB), z.B. sie zur Abtretung verpflichten oder umgekehrt die Veräußerung zeitweilig verbieten5. Möglich ist auch die Anordnung der Nacherbschaft (Rdnr. 40). Auf eine gesellschaftsrechtlich unmögliche Maßnahme darf die letztwillige Verfügung aber nicht gerichtet sein6, wie auch umgekehrt die Erbfolge in den GeschAnteil nicht durch den Gesellschaftsvertrag als solchen bestimmt werden kann. Die Gesellschafter müssen deshalb die gesellschaftsrechtlichen und die testamentarischen Regelungen aufeinander abstimmen7.

1 Däubler, S. 112 ff.; Sudhoff, DB 1963, 1109, 1110; Haegele, GmbHR 1972, 217, 221 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 121; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 32; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 45 f.; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 379. 2 Eb. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 32; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 65 a.E.; Däubler, S. 114. 3 Schilling, S. 207; Sudhoff, DB 1963, 1109, 1110; Däubler, S. 115; Wiedemann, S. 386; Haegele, GmbHR 1972, 219, 222; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 32. 4 Zutr. Wiedemann, S. 388 ff. 5 Dazu Däubler, S. 36 ff. 6 BGHZ 32, 34, 38 ff.; 92, 386, 390; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 504, 508. 7 Vgl. dazu Haegele, GmbHR 1972, 219, 222 ff.

1012

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

aa) Vermächtnis- und Teilungsanordnung Die Vermächtnis- und die Teilungsanordnung des Erblassers bezüglich des GeschAnteils unterliegt nicht der Form des § 15 Abs. 4 (Rdnr. 66), während für die Abtretung § 15 Abs. 3 einzuhalten ist1. Schließt der Gesellschaftsvertrag die Realteilung von GeschAnteilen aus (§ 17 Abs. 6 Satz 2), so ist eine dahingehende testamentarische Teilungsanordnung oder das Vermächtnis eines TeilgeschAnteils unwirksam (§ 2171 BGB). Dasselbe trifft für das Vermächtnis eines (Teil-) GeschAnteils zu, wenn dessen Veräußerlichkeit statutarisch ausgeschlossen worden ist (Rdnr. 135). Ob eine statutarische Abtretungsbeschränkung (Rdnr. 107 ff.) sich auch auf den Vollzug der vorgenannten letztwilligen Anordnung beziehen soll, ist durch Auslegung (s. § 2 Rdnr. 33 ff.) zu ermitteln. Der Ausdruck „Veräußerung“ in einer derartigen Satzungsklausel erfasst regelmäßig auch diese Geschäfte2. Schränkt der Gesellschaftsvertrag die Nachfolgeberechtigung der Erben eines Gesellschafters aber nicht ein (Rdnr. 30 ff.), so ist im Zweifel anzunehmen, dass sich eine Vinkulierungsklausel (Rdnr. 107 ff.) trotz ihres uneingeschränkten Wortlauts nicht auf die Abtretung eines GeschAnteils im Wege der Erbauseinandersetzung an einen Miterben beziehen soll (teleologische Reduktion)3. Die Ausführung einer dementsprechenden Teilungsanordnung4 und die Erfüllung eines dahingehenden Vermächtnisses zu Gunsten eines Miterben unterliegen dann nicht der Abtretungsbeschränkung. Es kann dagegen ohne zusätzliche Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass auch Vermächtnisse allgemein ausgenommen sein sollen5. Eine nach § 15 Abs. 5 vorgeschriebene Zustimmung zur Anteilsabtretung gilt normalerweise auch für sie6.

36

Die Rechtswirksamkeit einer solchen Vermächtnisanordnung wird aber nicht davon betroffen, dass die nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 15 Abs. 5) oder nach § 17 Abs. 1 erforderliche Genehmigung zur Abtretung verweigert worden ist; eine anfängliche, d.h. zurzeit des Erbfalls bereits eingetretene Unmöglichkeit,

37

1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 21; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 125; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 37. 2 BGHZ 32, 35, 39; OLG Düsseldorf, ZIP 1987, 227, 230; vgl. auch BGH, WM 1977, 192. 3 OLG Düsseldorf (6. Senat), GmbHR 1990, 504, 507 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 36 (Hinweis auf § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB); Meyer-Landrut, Rdnr. 19; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 18; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 383 Fn. 42; a.M. OLG Düsseldorf (7. Senat), ZIP 1987, 227, 231; Wiedemann, S. 94; Däubler, S. 24, 38; Haegele, GmbHR 1972, 219, 222. Vgl. im Übrigen auch Hilger, in: FS Quack, 1991, S. 259 ff. m.w.N. 4 So OLG Düsseldorf (6. Senat), GmbHR 1990, 504, 508; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 36 f.; Meyer-Landrut, Rdnr. 19; Petzold, GmbHR 1977, 25, 27; H. P. Westermann, ZIP 1985, 1249, 1251 f.; Leßmann, GmbHR 1986, 409, 417; a.M. OLG Düsseldorf (7. Senat), ZIP 1987, 227, 231; Wiedemann, S. 94; Däubler, S. 38; Haegele, S. 222. 5 A.M. Petzold, GmbHR 1977, 25, 27; H. P. Westermann, S. 1251 f.; Leßmann, GmbHR 1986, 409, 417; Meyer-Landrut, Rdnr. 19; Hilger, S. 270. 6 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 21; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 37; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 41; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 125; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 54; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 383 Fn. 45.

H. Winter/Seibt

|

1013

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

wie sie § 2171 BGB erfordert, liegt nicht vor1, es sei denn, die Veräußerung oder Teilung des GeschAnteils ist ausnahmsweise vollständig ausgeschlossen und die Gesellschafter sind erkennbar nicht zu einer Satzungsänderung bereit2. Aber auch die Vorschriften des § 275 BGB über die nachträgliche Unmöglichkeit greift in diesem Fall nur unter der Voraussetzung ein, dass die durch die Ablehnung der Genehmigung herbeigeführte Unmöglichkeit3 eine dauernde ist. Das ist zu verneinen, wenn die Vermächtnisforderung abtretbar ist (§ 399 BGB kann entgegenstehen) und den Umständen nach Aussicht besteht, dass der Vermächtnisnehmer sie in angemessener Zeit an einen anderen abtreten kann, der zum Erwerb keiner Genehmigung bedarf4 oder dem diese erteilt wird5. Wird die Erfüllung der Vermächtnisschuld durch die Ablehnung der Genehmigung unmöglich, so kann die letztwillige Verfügung u.U. dahingehend umgedeutet werden, dass der Erbe zur Herausgabe des Gewinns und des Liquidationserlöses oder zur Abtretung der entsprechenden Rechte verpflichtet sein soll6. Die Auslegung des Testaments kann auch ergeben, dass der Erbe dann zum Wertersatz verpflichtet sein soll; im Zweifel ist das aber nicht anzunehmen7. 38

Auf Schadensersatz haften die Erben dem Vermächtnisnehmer nur, wenn sie die Unmöglichkeit zu vertreten (§ 280 Abs. 1, 3, § 283 BGB), also pflichtwidrig das zur Herbeiführung der Genehmigung Nötige nicht getan haben8. Schuldhaftes Handeln ist nicht nur ein Stimmen gegen die Erteilung der Genehmigung, sondern auch Stimmenthaltung. Nachträgliche Unmöglichkeit kann auch durch andere Ereignisse eintreten, z.B. Kaduzierung (§ 21), Preisgabe (§ 27) und Einziehung (§ 34). Kollidiert die Vermächtnisschuld mit einer statutarischen Abtretungspflicht des Erben (Rdnr. 32 f.) und tritt dieser den GeschAnteil an den statutarisch Begünstigten ab, so ist er für sein Unvermögen (§ 275 BGB) dem Vermächtnisnehmer nicht verantwortlich. Sein Verhalten ist nicht rechtswidrig; es lag für ihn eine unvermeidbare Pflichtenkollision vor, bei der überdies die Erfüllung der gesellschaftlichen Pflicht vorrangig ist, da sie zum Inhalt des den Leistungsgegenstand des Vermächtnisses bildenden GeschAnteils gehört und dessen Erwerber ebenfalls binden würde9. Der Erbe wird daher dem Vermächtnisnehmer gegenüber von seiner Leistungspflicht frei (§ 275 BGB), 1 Winter, GmbHR 1960, 89; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Wiedemann, S. 93, 120; Däubler, S. 33; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 55; nicht eindeutig BGHZ 32, 40, wonach „mindestens zunächst“ die Rechtsfolge des § 2171 BGB nicht gilt. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 22. 3 Abw. Däubler, S. 31 f. 4 BGHZ 32, 35, 41 ff. 5 Im Erg. eb. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 22; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 41; Wiedemann, S. 93, 120; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 55 f. u. z.T. auch Däubler, S. 33 f.; s. auch Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 125. 6 Hueck, DB 1956, 735, 736; Wiedemann, S. 93; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 22; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 39; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 125; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 15. 7 Wiedemann, S. 93. 8 Dazu Däubler, S. 29 ff.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 39 f.; Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 384. 9 Eb. Langner/Heydel, GmbHR 2005, 377, 384.

1014

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

muss ihm aber andererseits ein etwaiges Abtretungsentgelt (s. oben Rdnr. 32) herausgeben, §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB. Anders als bei einem Verschaffungsvermächtnis (§ 2170 Abs. 2 Satz 1 BGB) schuldet er auch nicht Wertersatz. Ist formgerecht (§ 15 Abs. 3) an den Vermächtnisnehmer abgetreten, so ist der Erbe (oder die Erbengemeinschaft) Rechtsvorgänger i.S. des § 221.

39

bb) Nacherbfolge Der Gesellschaftsvertrag kann für den Fall der Anordnung der Nacherbfolge bestimmen, dass der Geschäftsanteil beim Tode des Gesellschafters eingezogen werden darf (Rdnr. 30 f.) oder abzutreten ist (Rdnr. 32 f.). Er kann einschränkend auch vorsehen, dass diese Rechte gegeben sein sollen, wenn im Zeitpunkt seines Ausscheidens der Vor- oder Nacherbe nicht zu den statutarisch nachfolgeberechtigten Personen gehört. Fehlt eine Sonderregelung, sind im Grundsatz auf den Vor- und den Nacherbfall die allgemeinen Satzungsbestimmungen über die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit Gesellschaftererben anzuwenden, wobei Berücksichtigung finden kann, dass die Stellung des Vorerbens wirtschaftlich derjenigen eines Nießbrauchers ähnelt2. Die Einziehung oder das Abtretungsverlangen kann im Einzelfall beim Vorliegen besonderer Umstände rechtsmissbräuchlich sein, z.B. wenn nur der Nacherbe, nicht jedoch der Vorerbe statutarisch nachfolgeberechtigt ist3.

40

Der Vorerbe wird Inhaber des GeschAnteils mit allen sich aus ihm ergebenden Rechten und Pflichten, soweit der Übergang nicht durch die höchstpersönliche Natur ausgeschlossen ist oder die Satzung nicht zulässigerweise Änderungen vorsieht (Rdnr. 34). Das gilt auch für Nebenleistungspflichten gem. § 3 Abs. 24. Die Vorschriften über die Beschränkbarkeit der Erbenhaftung gelten auch für mitgliedschaftliche Nachlassverbindlichkeiten5. Das Verfügungsrecht über den GeschAnteil steht dem Vorerben zu, sofern ihm nicht ausnahmsweise die Verwaltung nach § 2129 BGB entzogen ist6. Eine unentgeltliche Verfügung des

41

1 Becker, GmbHR 1937, 250. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 42; Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 124. 3 Enger Fleck, S. 355 (bei Sittenwidrigkeit). Jetzt wie hier auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 124. 4 Däubler, S. 38 will ihm zu Unrecht analog § 139 HGB ein Wahlrecht geben, die Einräumung der Stellung eines nur kapitalmäßig Beteiligten zu verlangen. Dagegen auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 43. 5 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 19 f., 23 a.E.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Däubler, S. 12 f.; Feller, S. 40 ff.; Koch, S. 102 ff.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 15 Rdnr. 122; a.M. Wiedemann, S. 229 ff., 234 ff.; Töteberg, S. 45 ff.; unklar OLG Hamm, OLGZ 1975, 164, 169; s. dazu auch § 18 Rdnr. 26 f. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 24; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 46; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 123. – Abweichend von der Rechtslage bei den Personengesellschaften (s. Rohlff, Nießbrauchsvermächtnis oder Vor- und Nacherbschaft im Unternehmertestament, Diss. Göttingen 1968, S. 132 f.; Paschke, ZIP 1985, 129, 137 f. m.w.N.) ist die Zwangsverwaltung des GeschAnteils zulässig.

H. Winter/Seibt

|

1015

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Vorerben über den GeschAnteil ist aber bei Eintritt der Nacherbenfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde (§ 2113 Abs. 2 BGB). Darunter fallen die Übertragung1, die Belastung und die Zustimmung zur Einziehung (§ 34 Abs. 2) des GeschAnteils ohne ein vollwertiges Entgelt2, der unentgeltliche Verzicht auf Bezugsrechte3, nicht dagegen seine Preisgabe gem. § 27, die Erfüllung einer vorher rechtswirksam begründeten statutarischen Abtretungspflicht und, da es insoweit an einer Verfügung des Vorerben überhaupt fehlt, die Kaduzierung sowie bei Stimmrechtsausschluss des Betroffenen die Zwangsamortisation (§ 34 Abs. 2). Die Kündigung wird durch die Verfügungsbeschränkung erfasst, wenn sie ohne ausreichende sachliche Gründe erfolgt und die statutarische oder vereinbarte Abfindung unangemessen niedrig ist4, nicht jedoch der Austritt aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.). 42

Die Ausübung der Verwaltungsrechte durch den Vorerben ist, auch wenn sie sich rechtlich oder wirtschaftlich nachteilig auf die Beteiligung auswirkt, im Allgemeinen keine unentgeltliche Verfügung i.S. des § 2113 Abs. 2 BGB5; u.U. können dann aber Ersatzansprüche gegeben sein (§ 2131 BGB). Die erforderliche zustimmende Mitwirkung insbesondere an satzungsändernden Beschlüssen, die in seine Mitgliedschaftsrechte unmittelbar rechtsmindernd oder pflichtmehrend eingreifen, ist zwar eine Verfügung über den GeschAnteil6, aber sie ist deswegen nicht ohne weiteres auch unentgeltlich7. Bei vertragsändernden Eingriffen in die Mitgliedschaftsrechte, die alle Gesellschafter gleichmäßig treffen, ist eine Unentgeltlichkeit vielmehr nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn die Rechtsminderung nicht mehr als ein durch das gemeinschaftliche gesellschaftliche Interesse sachlich zu rechtfertigender Beitrag zu werten ist, z.B. ein Abfindungsausschluss oder eine unvertretbare Abfindungsbeschränkung beim Ausscheiden ohne einen wichtigen Grund (Rdnr. 31, 33). Weitergehend ist bei einseitigen Satzungsänderungen zu Lasten des Geschäftsanteils des Vorerben eine Unentgeltlichkeit auch dann gegeben, wenn sie ohne einen anderweitigen zusätzlichen Beitrag der Mitgesellschafter und ohne einen sonstigen Ausgleich erfolgt ist. Der Geltendmachung der Unwirksamkeit solcher unentgeltlichen rechtsmindernden oder pflichtvermehrenden Eingriffe in die Mitgliedschaft

1 Über einen im Zusammenhang mit der Anteilsveräußerung aus Nachlassmitteln gewährten Sanierungszuschuss vgl. BGH, GmbHR 1984, 153. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 46. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26. 4 Vgl. Lutter, ZGR 1982, 108, 116; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 62 (weitgehend). 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 25; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 47; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Fleck, S. 358, 368. 6 Vgl. Faller, S. 190 ff.; Lutter, ZGR 1982, 109, 119 f. m.w.N. 7 Zur Unentgeltlichkeit i.S. des § 2113 Abs. 2 BGB bei vertragsändernden Eingriffen in die Mitgliedschaft bei Personengesellschaften vgl. BGHZ 78, 177, 182 ff.; BGH, NJW 1981, 1560; GmbHR 1985, 18; dazu Lutter, ZGR 1982, 108, 119 f.; Paschke, ZIP 1985, 129; Fleck, S. 370.

1016

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

nach § 2113 Abs. 2 BGB steht allerdings analog § 242 Abs. 2 AktG der Einwand entgegen, dass die Eintragung der Satzungsänderung in das Handelsregister im Zeitpunkt des Nacherbfalls mehr als drei Jahre zurückliegt1. Die Präklusion (vgl. dazu 9. Aufl., § 54 Rdnr. 65 ff.) wäre für den nach Fristablauf eintretenden, vorher durch den Betroffenen rechtlich undurchsetzbaren Unwirksamkeitsgrund nicht wertungsgerecht und würde den Schutzzweck des § 2113 Abs. 2 BGB vereiteln. Die (teilweise) unentgeltliche Abtretung oder Belastung des GeschAnteils ist, sofern der Nacherbe sie nicht genehmigt hat (§ 185 BGB), bei Eintritt des Nacherbfalls unwirksam (§ 2113 Abs. 2 BGB). Ein gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich (Rdnr. 102)2. Für den angemeldeten Erwerber gilt aber im Verhältnis zur GmbH die Vorschrift des § 16. Die Nutzungen aus dem GeschAnteil stehen dem Vorerben im Innenverhältnis zum Nacherben für die Dauer seiner Mitgliedschaft zu (§ 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie bestehen vor allem aus den nach den Ergebnisverwendungsbeschlüssen (s. § 29 Rdnr. 82 f.) auf den GeschAnteil entfallenden anteiligen Gewinnen (§§ 99 Abs. 2, 100 BGB)3. Die Nutzungsberechtigung des Vorerben deckt sich teilweise nicht mit seinem gesellschaftsrechtlichen Gewinnanspruch. Wird nach dem Vorerbfall rechtswirksam über die Ergebnisverwendung für einen vorangehenden Zeitraum beschlossen, erwirbt er zwar einen Gewinnanspruch gegenüber der GmbH, aber der Gewinn gebührt insoweit dem Nachlass. Beim Eintritt des Vorerbfalls während eines Geschäftsjahres ist der Gewinn nach § 101 Nr. 2 BGB zeitanteilig aufzuteilen. Entsprechend hat der Nacherbe umgekehrt einen ihm für den Zeitraum vor dem Eintritt der Nacherbschaft gesellschaftsrechtlich zufallenden Gewinn dem Vorerben zu erstatten (§§ 2111 Abs. 1 Satz 1, 101 Nr. 2 BGB). Der jeweilige Inhaber des ererbten GeschAnteils hat in diesen Fällen bei der Mitwirkung am Beschluss über die Gewinnverwendung auch (aber nicht vorwiegend) die Interessen des erbrechtlichen Nutzungsberechtigten zu berücksichtigen4.

43

Die Surrogate des GeschAnteils fallen dagegen in den Nachlass (§ 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dazu gehören nicht nur das Einziehungs- und Abtretungsentgelt, der Überschuss aus dem Verkauf eines zur Verfügung gestellten GeschAnteils (§ 27 Abs. 2 Satz 3), zurückgezahlte Nachschuss- und Stammeinlagebeträge (§§ 30 Abs. 2, 58 Abs. 2 Satz 2) sowie die Liquidationsquote (§ 72), sondern auch die durch eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 57j, 57m) oder durch eine reguläre Kapitalerhöhung unter Verwendung von Nachlassmitteln

44

1 Lutter, ZGR 1982, 108, 120 ff., der aber eine – für Anteilsnachfolger eingeschränkte – Pflicht der Gesellschafter zur Beseitigung des Eingriffs annimmt; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26 (§ 242 Abs. 2 AktG analog); a.M. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 48; H. Winter, 9. Aufl., Rdnr. 35. – Zur Anwendung von § 242 Abs. 2 AktG im GmbHRecht BGHZ 144, 365, 367 f. 2 Vgl. Lutter, ZGR 1982, 108, 118, 121. 3 Näheres dazu Hadding, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 75, 83 ff.; Hefermehl, in: FS H. Westermann, 1974, S. 223, 228 ff.; Roggendorf, MittRhNotK 1981, 31, 36 ff.; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 27. 4 Vgl. Hadding, in: FS Bartholomeyczik, S. 85 Fn. 22a; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 27.

H. Winter/Seibt

|

1017

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

oder auf Grund eines Bezugsrechts hinzuerworbene GeschAnteile1. Wendet der Vorerbe in dem zuletzt genannten Fall für die Einlage oder für Nebenleistungspflichten (§ 3 Abs. 2) eigene Mittel auf2, kann er nach §§ 2124, 2125 BGB die Erstattung seiner Aufwendungen verlangen3. Ebenfalls Surrogate sind die bei der Verschmelzung und Spaltung an die Stelle des GeschAnteils tretenden Anteile am übernehmenden oder neuen Rechtsträger (§§ 20 Abs. 1 Nr. 3, 131 Abs. 1 Nr. 3 UmwG), während bei der formwechselnden Umwandlung keine Surrogation stattfindet, da die Identität der Beteiligung gewahrt bleibt (§ 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG)4.

3. Vereinigung von Geschäftsanteilen Schrifttum: Loritz, Ausgewählte Rechtsfragen bei der Übertragung und Teilung von GmbH-Anteilen, in: FS Schippel, 1996, S. 437; Priester, Die Zusammenlegung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1976, 130; Priester, Anteilsnennwert und Anteilsneubildung nach Einziehung von Geschäftsanteilen, in: FS Kellermann, 1991, S. 337.

45

Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 ist nicht in der Weise zwingendes Recht, dass eine Zusammenlegung der in einer Hand befindlichen Anteile unzulässig wäre. Vielmehr ist eine Vereinigung mehrerer GeschAnteile eines Gesellschafters zu einem GeschAnteil dann zulässig, wenn die Stammeinlagen voll eingezahlt und eine Nachschusspflicht nicht besteht oder wenn bei Fehlen einer statutarischen Nachschusspflicht ein nach § 23 verwerteter kaduzierter GeschAnteil oder ein nicht voll eingezahlter GeschAnteil verwendet wird, bei dem eine Haftung des Rechtsvorgängers nach § 22 Abs. 3 nicht mehr besteht5. Die zusammenzulegenden GeschAnteile dürfen darüber hinaus keine unterschiedlichen Rechte vermitteln und keine unterschiedlichen Pflichten beinhalten und nicht unterschiedlich mit Rechten Dritter belastet sein6. Demgegenüber hindert der Umstand, dass der Nennbetrag eines Anteils zulässigerweise von § 5 Abs. 1 oder 3 abweicht (vgl. z.B. § 57 h Abs. 1), die Zusammenlegung mit einem anderen GeschAnteil nicht7.

1 Hadding, in: FS Bartholomeyczik, S. 89 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 16; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 28; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 45; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 123. 2 Krit. zur Surrogation Hadding, in: FS Bartholomeyczik, S. 96 f. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 28; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 123. 4 Dazu Hadding, in: FS Bartholomeyczik, S. 97 ff. 5 RGZ 142, 36, 40 ff.; BGHZ 42, 89, 91 ff.; BGHZ 63, 116, 117 f.; KG, GmbHR 1997, 603, 605; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 286; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 43; Priester, GmbHR 1976, 131; weitergehend Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 192 (auch bei gleichmäßigen Teileinzahlungen auf die Stammeinlagepflicht); a.M. RGZ 82, 119; RGZ 130, 43; KG, Recht 1907 Nr. 1331 u. 3347. 6 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 287; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 219. 7 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 287.

1018

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Die Zusammenlegung erfolgt durch Gesellschafterbeschluss1, der zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters bedarf2. Der Beschluss hat keinen satzungsändernden Charakter3, selbst wenn eine bestimmte Stückelung der GeschAnteile in der Satzung enthalten ist, da diese Angaben keine materiellen Satzungsbestandteile sind. Aus gleichen Überlegungen ist eine ausdrückliche Satzungsermächtigung nicht erforderlich4, es sei denn, dass die Vereinigung von GeschAnteilen auch gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters ermöglicht werden soll5. Auch ansonsten kann die Satzungsregelung sinnvoll sein, um die Durchführung der Zusammenlegung im Einzelnen verbindlich zu regeln. Nach Vereinigung von GeschAnteilen zu einem einzigen GeschAnteil gelten für diesen die allgemeinen Bestimmungen. Eine spätere Teilung ist daher nur mit Zustimmung der Gesellschaft gem. § 17 im Rahmen einer Teilveräußerung zulässig6. Zur KapErhöhung durch Heraufsetzung des Nennbetrages der bisherigen GeschAnteile vgl. Erl. zu § 55. Über die Zusammenlegung von GeschAnteilen bei verschiedenen Währungsumstellungen s. 5. Aufl., Rdnr. 55.

III. Vertragliche Verpflichtung zur Abtretung (§ 15 Abs. 4) Schrifftum: Armbrüster, Zur Beurkundungsbedürftigkeit von Treuhandabreden über GmbH-Anteile, DNotZ 1997, 762; Bungert, Der internationale Anwendungsbereich von § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, DZWiR 1993, 494; Depping, Zur Beurkundungspflicht bei der Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, GmbHR 1994, 386; Dyhr, Das Formgebot bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, Diss. 1998; Frenz, in: FS Weichler, 1997, S. 175; Gätsch/Schulte, ZIP 1999, 1909; Häsemeyer, Die gesetzliche Form des Rechtsgeschäfts, 1971; Heidenhain, Zum Umfang der notariellen Beurkundung bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen, NJW 1999, 3073; Heidenhain, Aufgabe des Beurkundungserfordernisses beim Verkauf und der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZIP 2001, 721; Kanzleiter, Der Umfang der Beurkundungsbedürftigkeit bei verbundenen

1 KG, GmbHR 1997, 603, 605; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 43; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 191; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, Rdnr. 220; a.M. Priester, GmbHR 1976, 130, 132; Loritz, in: FS Schippel, S. 445 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 288; Ulmer, in: Hachenburg, 8. Aufl., § 53 Rdnr. 106: Einseitige Erklärung des Inhabers genügend. 2 RGZ 142, 39; KG, GmbHR 1997, 603, 605; Feine, S. 396; Priester, GmbHR 1976, 130, 133; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 288; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 193; a.M. Meyer-Landrut, Rdnr. 24. 3 Vgl. BGH, GmbHR 1988, 337, 338. 4 KG, NZG 2000, 787, 788; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 286 (anders Vorauflage Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 140); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 19; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 191; Ebbing, in Michalski, Rdnr. 175; Priester, GmbHR 1976, 132; Meyer-Landrut, Rdnr. 24; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rdnr. 881; a.M. RGZ 142, 42; Feine, S. 396; H. Winter, 9. Aufl., Rdnr. 105; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 43; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 220. 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 288. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 289; vgl. auch OLG Frankfurt, DB 1977, 2180.

H. Winter/Seibt

|

1019

46

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Rechtsgeschäften, DNotZ 1994, 275; Loritz, Rechtsfragen der notariellen Beurkundung bei Verkauf und Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, DNotZ 2000, 90; Merkt, Vertragsform beim Kauf von Anteilen einer ausländischen Gesellschaft, ZIP 1994, 1417; Petzold, Beurkundungspflicht bei Übertragung von GmbH-Anteilen bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen, GmbHR 1976, 81; Pohlmann, Verzicht auf die aufschiebende Bedingung einer GmbH-Anteilsübertragung, NJW 1999, 190; Schlüter, Veräußerung und Abtretung von GmbH-GeschAnteilen als Formproblem, FS Bartholomeyczik, 1973, 359; Schütze, Die Beurkundung der Übertragung von Geschäftsanteilen einer österreichischen GmbH durch einen deutschen Notar, DB 1992, 1970; Schwarz, Einige Überlegungen zum Zwecke des Beurkundungserfordernisses gemäß § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, in: Jubiläums-FS Rheinisches Notariat, 1998, S. 371; Steindorff, Formvorschriften in Gesellschaftsverträgen, ZHR 129 (1966), 21; Wiesner, Beurkundungspflicht und Heilungswirkung bei Gründung von Personengesellschaften und Unternehmensveräußerungen, NJW 1984, 95; Witt, Formbedürftigkeit und Heilung von Formmängeln bei der gleichzeitigen Einbringung von KG- und GmbH-Anteilen in eine Holding-Gesellschaft, ZIP 2000, 1033; Wolfsteiner, Der Erschwerungsfunktionär, JZ 1977, 108; Wrede, Nochmals: Zur Beurkundungspflicht bei der Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, GmbHR 1995, 365. Weitere Lit.-Nachw. vor Rdnr. 10.

1. Verpflichtung 47

Nicht nur die Abtretung selbst, d.h. der dingliche Abtretungsvertrag, sondern auch ein obligatorischer Vertrag, der eine Verpflichtung zur Abtretung begründet, bedarf zwingend der Form (§ 15 Abs. 4 Satz 1). Auch der Zweck des Formzwanges ist derselbe (Rdnr. 1, 5 ff., 77). Zur Reformbedürftigkeit der Formvorschrift Rdnr. 5 ff. Häufig werden beide Rechtsakte zusammenfallen (Rdnr. 90).

2. Vereinbarung 48

Eine „Vereinbarung“, d.h. ein Vertrag i.S.v. §§ 145 ff. BGB, durch den die Pflicht zur Abtretung begründet wird, bedarf der Form des § 15 Abs. 4. Die Vorschrift regelt damit nur eine Voraussetzung des Formzwangs, besagt aber nichts darüber, wie eine Pflicht zur Abtretung eines GeschAnteils begründet werden kann1. Das bedeutet zweierlei, nämlich zum einen dass der Abtretungspflicht, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist, auch ein anderes Rechtsgeschäft als ein Vertrag zugrunde liegen kann und zum anderen dass jenes Rechtsgeschäft nicht durch § 15 Abs. 4 erfasst wird. Nicht der dort bestimmten (wohl aber auch der für das betreffende Geschäft vorgeschriebenen) Form bedürfen daher z.B. die Begründung der Pflicht zur Abtretung eines GeschAnteils durch Stiftungsgeschäft (§§ 81, 82 BGB), Auslobung (§ 657 BGB), Vermächtnis (§ 2174 BGB), Auflage (§ 1940 BGB) oder einer entsprechenden Teilungsanordnung des Erblassers (§ 2048 BGB)2; außer bei § 82 Satz 2 BGB bedarf aber in den genannten Fällen die Erfüllung, d.h. die Abtretung der Form des § 15 Abs. 3 (s. auch Rdnr. 50). Keine „Vereinbarung“ ist der Auseinandersetzungsplan des Testamentsvoll1 Irreführend BGH, GmbHR 1963, 188. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 44 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 51; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Meyer-Landrut, Rdnr. 30.

1020

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

streckers (§ 2204 Abs. 2 BGB)1, ebensowenig wie ein Liquidationsbeschluss2. War die Abtretungsverpflichtung unter der aufschiebenden Bedingung vereinbart worden, dass der Berechtigte nach dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses, z.B. der Kündigung eines anderen Rechtsverhältnisses, oder nach seinem Belieben die Übernahme erklärt, so unterliegt nur der schuldrechtliche Vertrag (über Ausnahmen s. Rdnr. 50), nicht aber auch die spätere Übernahmeerklärung der Form des § 15 Abs. 43. Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen zunächst nur ein Vertragsangebot beurkundet worden ist; dann muss bei dessen Annahme ebenfalls die Form eingehalten sein4.

3. Verpflichtung zur Abtretung Die Vereinbarung bedarf der Form des § 15 Abs. 4, wenn durch sie die Verpflichtung zur Abtretung begründet wird.

49

a) Verpflichtende Verträge Alle Verträge, die zur Abtretung unmittelbar (s. Rdnr. 53) verpflichten, unterliegen dieser Form. Auch Handelsgeschäfte (§§ 343 ff. HGB) erfasst die Formvorschrift. Es ist unerheblich, ob es sich um einen einseitig oder zweiseitig verpflichtenden Vertrag handelt, oder ob die Abtretungspflicht den Hauptbestandteil bildet oder nur Nebenabrede ist. Hierher gehören deshalb nicht nur Kaufverträge, sondern auch andere Veräußerungsgeschäfte, z.B. die Schenkung5; ferner ein Vergleich, kraft dessen sich ein Gesellschafter zur Abtretung seines GeschAnteils verpflichtet6, wobei aber im Falle des gerichtlichen Vergleichs die Aufnahme der Erklärungen in das nach den Vorschriften der ZPO errichtete Protokoll die notarielle Beurkundung ersetzt (§ 127a BGB); ebenso Gesellschaftsverträge, die zur Einlage eines GeschAnteils7 oder die sonst, z.B. beim Ausscheiden aus der Gesellschaft oder bei ihrer Auseinandersetzung, zur Abtretung verpflichten8. Gleichgültig ist, ob die Verpflichtung auf Abtretung an den Vertragsgegner oder an einen Dritten geht9, z.B. an die Gesellschaft, ob sie 1 BayObLGZ 67, 240; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 44; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 57. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 45; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 57. 3 RGZ 113, 149 f.; BGH, LM § 2 Nr. 7. 4 RG, LZ 1912, 760; BGHZ 21, 242, 247; BGH, GmbHR 1963, 188; offen gelassen von BGH, LM § 2 Nr. 7; a.M. KG, GmbHR 1912, 9. 5 Der Schenkungsvertrag, nicht nur das einseitige Schenkungsversprechen (§ 518 Abs. 1 BGB), bedarf der Form aus § 15 Abs. 4, wenn Gegenstand der Schenkung ein GeschAnteil ist; s. BGH, GmbHR 1963, 188. 6 OLG Königsberg, OLG 38, 191; OLG München, DB 1993, 2477. 7 RGZ 149, 397; KG, DR 1941, 1087; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 51; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 66; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 64. 8 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 55; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 66; Petzoldt, GmbHR 1976, 81; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 64. 9 RGZ 50, 165; 149, 397; OLG Karlsruhe, GmbHR 1991, 19, 20; OLG München, WM 1995, 670, 671; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 48; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 33; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 981.

H. Winter/Seibt

|

1021

50

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

bedingt eingegangen wird1, ob sie nur auf Verlangen zu erfüllen ist, ob sie wahlweise übernommen ist2, ob sie sich auf einen fremden3 oder auf einen zukünftigen GeschAnteil bezieht4. Ebenfalls werden Vorverträge erfasst, die zum Abschluss entsprechender obligatorischer Geschäfte verpflichten sollen5. Desgleichen Verträge, die die bestehende Pflicht erweitern6. Alles dies gilt auch dann, wenn der Vertrag den Teil eines GeschAnteils oder eine dingliche Mitberechtigung i.S. des § 747 Satz 1 BGB7 oder das Bezugsrecht8 betrifft. Nicht unter § 15 Abs. 4 fallen dagegen Verträge, die den Übergang des GeschAnteils oder einer Mitberechtigung an ihm kraft Gesetzes zur Folge haben, so z.B. bei der Verschmelzung (§§ 2 ff. UmwG), der Spaltung (§§ 123 ff. UmwG) oder der Anwachsung bzw. Gesamtrechtsnachfolge analog § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB9 (s. im Übrigen Rdnr. 93). Verträge über die Abtretung des GeschAnteils zwischen zwei personengleichen Gesamthandsgesellschaften fallen dagegen unter § 15 Abs. 410. Formlos gültig ist auch die Verpflichtung, innerhalb bestimmter Zeit oder unter gewissen Bedingungen den GeschAnteil nicht zu veräußern11. Dasselbe gilt für die Pflicht zur Beschaffung eines fremden GeschAnteils12. Das Versprechen einer nicht erfolgsabhängigen Maklerprovision für die Vermittlung von GmbH-Anteilen ist nicht formbedürftig13. Bei Absichtserklärungen (Letter of Intent, Memorandum of Understanding) ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien einen Rechtsbindungswillen für die Verpflichtung zur Übertragung von GeschAnteilen haben; im Zweifel wird dies nicht der Fall sein. b) Gesellschaftsvertrag 51

Auch der Gesellschaftsvertrag der GmbH kann die Verpflichtung zur Abtretung enthalten. Handelt es sich dabei, was durch Auslegung zu ermitteln ist, um 1 BGH, GmbHR 1989, 194; OLG Karlsruhe, GmbHR 1991, 19, 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 47; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 64; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 81; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 981. 2 RG, LZ 1913, 141; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 47; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 64; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 52. 3 RG, LZ 1912, 841; RGZ 149, 397. 4 RGZ 74, 358; 149, 397; RG, LZ 1913, 141; BGHZ 21, 245; 21, 383; 29, 303; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 57; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33. 5 Schlüter, S. 370 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 76; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 64; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29. 6 BGH, WM 1989, 256. 7 RGZ 87, 246; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 58; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6. 8 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 57, 124; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 53. 9 Seibt, in: FS Röhricht, S. 603, 608, 612 f. 10 OLG Karlsruhe, GmbHR 1995, 824, 825; Fischer, DNotZ 1955, 182; Petzoldt, S. 82; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 52; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 25; a.M. Ganßmüller, DNotZ 1955, 172. 11 Eb. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 61. 12 RG, JW 1928, 1562; OLG Hamburg, OLGE, 259. 13 BGH, BB 1997, 1277; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 61.

1022

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

eine gesellschaftliche Pflicht1, so gelten für deren Begründung §§ 2, 3 Abs. 22, während auf eine in den Gesellschaftsvertrag aufgenommene rein schuldrechtliche Abrede § 15 Abs. 4 zwar anwendbar, aber durch die Beurkundung gem. § 2 ebenfalls erfüllt ist. Das gilt allerdings nur, wenn die im Gesellschaftsvertrag festgelegten Veräußerungsbedingungen unverändert maßgebend bleiben sollen3. Eine satzungsmäßige Schiedsgerichtsklausel i.S. des § 1066 ZPO kann jedoch auf die Streitigkeiten über eine solche nicht-gesellschaftliche Abtretungspflicht nicht erstreckt werden4. Können nach dem Gesellschaftsvertrag beide Gesellschafter einer GmbH mit der Folge kündigen, dass der andere Gesellschafter den GeschAnteil des Kündigenden zu bestimmten Bedingungen zu übernehmen befugt ist, so ist damit formgerecht eine Vereinbarung getroffen worden, die eine bedingte Abtretungsverpflichtung (nicht nur ein Vertragsangebot) begründet; weder die Erklärung über die Kündigung noch die über die Ausübung des Übernahmerechts bedarf zusätzlich der Form des § 15 Abs. 45. Die Bedingung, von der das Wirksamwerden der Abtretungsverpflichtung abhängt, darf vom Berechtigten nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise herbeigeführt werden6. Eine Satzungsbestimmung, die einem Gesellschafter das nicht an einschränkende Voraussetzungen geknüpfte Recht gibt, den GeschAnteil eines anderen jederzeit nach freiem Ermessen zu übernehmen oder seine Abtretung zu verlangen, verstößt gegen § 138 BGB, wenn die Klausel nicht wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt ist7; die Vereinbarung eines freien Widerrufsvorbehalts im Schenkungsvertrag über einen GeschAnteil ist dagegen zulässig8. Häufig wird in Gesellschaftsverträgen das Übernahmerecht eines Gesellschafters mit der Vereinbarung verbunden, dass der GeschAnteil im Falle einer beabsichtigten Veräußerung zunächst dem Berechtigten anzubieten ist. Soweit diese Anbietungspflicht, was möglich ist (Rdnr. 117), nicht als weitere Voraussetzung der Abtretung i.S. des § 15 Abs. 5 gewollt war, macht ihre Verletzung die Abtretung an einen Dritten nicht unwirksam; der Beschluss über eine statutarisch erforderliche Genehmigung ist aber, soweit der Gesellschaftsvertrag keine andere Rechtsfolge vorsieht, anfechtbar, wenn er ergangen ist, ohne dass der abtretende Gesellschafter seiner Anbietungspflicht nachgekommen war9.

1 RGZ 113, 149; 121, 299; BGH, BB 1986, 1251; KG, GmbHRspr. I § 3 R. 17; vgl. auch oben § 3 Rdnr. 77. 2 RGZ 113, 149; BGH, BB 1986, 1251; wohl auch OLG Hamm, GmbHR 1979, 59, 60; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 81; abw. BGH, LM § 2 Nr. 7. 3 BGH, BB 1986, 1251. 4 BGHZ 38, 161 f. 5 RGZ 113, 149 f.; BGH, LM § 2 Nr. 5 u. oben Rdnr. 48. 6 BGH, BB 1970, 1191. 7 So BGHZ 112, 103, 107 ff. im Anschluss an die Rspr. zur Unzulässigkeit von Hinauskündigungsklauseln im Recht der Personengesellschaften (BGHZ 68, 212, 215; 81, 263, 266 f.; 105, 213, 216 f.; 107, 351; BGH, WM 1985, 772, 773). 8 Bestr.; vgl. Jülicher, ZGR 1996, 82 ff.; K. Schmidt, GesR, § 50 III 4a, jeweils m.w.N. Zum Widerruf wegen groben Undanks (§ 530 BGB) s. auch BGHZ 112, 40, 48. 9 BGHZ 48, 141, 145 f.

H. Winter/Seibt

|

1023

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

4. Verpflichtung zur Abnahme 52

Die Verpflichtung zur Abnahme eines GeschAnteils erfasst der Wortlaut des § 15 Abs. 4 nicht. Die ständige Rspr.1 nimmt gleichwohl seit langem mit Billigung des Schrifttums2 zutreffend an, dass die Verpflichtung zum Erwerb ohne Rücksicht darauf formbedürftig sei, ob damit zugleich eine (durch das Verlangen auf Abtretung) bedingte Abtretungsverpflichtung begründet oder zumindest ein darauf gerichteter Vertragsantrag gemacht wurde. Das gilt nicht nur für Abnahmepflichten gegenüber Gesellschaftern, sondern auch gegenüber der GmbH und Dritten3. Auch die Erklärung einer Konzernobergesellschaft, für die Annahme eines Abtretungsangebots durch eine Tochtergesellschaft einzustehen, ist nach § 15 Abs. 4 formbedürftig (Rdnr. 60).

5. Inhalt der Vereinbarung 53

Die Verpflichtung zur Abtretung muss selbst Gegenstand der vereinbarten Leistung sein. Dies schließt zwar nicht aus, dass der beurkundete Vertrag daneben und hauptsächlich Vereinbarungen ganz anderen Inhalts enthält, wie z.B. Gesellschaftsverträge (Rdnr. 50, 51). Der Form bedürfen aber nicht Verträge anderen Inhalts deshalb, weil sie mittelbar oder als gesetzliche Folge eine Pflicht zur Abtretung mit sich bringen4. Daher folgt aus dem formlos gültigen Auftrag zum Erwerb eines GeschAnteils ohne weiteres (§ 667 BGB) die Verpflichtung des Beauftragten, den in der Form des § 15 Abs. 3 erworbenen GeschAnteil dem Auftraggeber abzutreten5, wie auch letzterer zur Übernahme und zu Auslagenersatz verpflichtet ist6. Dasselbe gilt für die im Gesellschaftsvertrag einer OHG, KG oder BGB-Gesellschaft getroffene Vereinbarung, dass im Falle der Beendigung ein Gesellschafter das gesamte Gesellschaftsvermögen, zu dem auch ein

1 RGZ 57, 60, 61; 102, 63, 64; 127, 65, 71; 149, 385, 397; OLG München, BB 1995, 427, 428; GmbHR 1996, 607, 608. 2 Neukamp, ZHR 57 (1906), 527; Brodmann, Anm. 3a; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 33; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 65; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 81; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 984; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 46; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 777 f.; a.M. E. Fuchs, JW 1911, 201; Feine, S. 382 f. 3 RGZ 127, 65, 71; OLG München, BB 1995, 427, 428; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 65; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 81; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 46; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 768; Schulz, GmbHR 2001, 282, 284 f. 4 RGZ 50, 45; 82, 354; 124, 376; BGHZ 19, 70; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 70; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 32, 34; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 82; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; gegen das zuerst genannte Abgrenzungsmerkmal Steindorff, S. 21 ff. u. ihm folgend Schlüter, S. 370 ff., die aber in den nachstehenden Fällen jeweils unter Berufung auf den Gesetzeszweck zu demselben Ergebnis gelangen. 5 RGZ 50, 42; 80, 101, 102; 82, 354; 89, 195; RG, LZ 1912, 912; LZ 1919, 866; BGHZ 19, 70; BGH, WM 1962, 1195; 1971, 306 f.; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 368, 369; OLG Hamm, OLGR 1994, 37. Der Auftrag selbst beinhaltet entgegen Schacht, in: BeckHdb. GmbH, § 12 Rdnr. 181 keine formbedürftige Erwerbsverpflichtung. 6 RGZ 124, 372; RG, JW 1930, 2677; OLG Hamm, OLGR 1994, 37.

1024

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

GeschAnteil gehört, übernehmen soll1. Bei der Verkaufskommission ist der Kommittent ohne weiteres (formlos) verpflichtet, den durch den Kommissionär in der Form des § 15 Abs. 3, 4 getätigten Verkauf gutzuheißen oder die dingliche Abtretung zu vollziehen. Bei der Einkaufskommission erwirbt der Kommittent, wenn der Kommissionär den Einkauf des GeschAnteils formgerecht getätigt hat, ohne weiteres den Anspruch auf formgerechte Übertragung2. Der Bürge für eine Schuld, zu deren Sicherheit dem Gläubiger vom Schuldner ein GeschAnteil übertragen ist, erwirbt mit Zahlung gem. §§ 774, 412, 401 BGB ohne weiteres den Anspruch gegen den Gläubiger auf Übertragung des Anteils an sich3.

6. Vorkaufsrechte, Optionen Die Einräumung eines Vorkaufsrechts bedarf der Form aus § 15 Abs. 4, da eine durch den Abschluss eines Kaufvertrages und die Ausübung des Vorkaufsrechts bedingte Abtretungspflicht geschaffen wird4. Die Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts ist formfrei (§ 464 Abs. 1 Satz 2 BGB)5. Entsprechendes gilt für schuldrechtliche Vorerwerbs- oder Ankaufsrechte u.ä.

54

Bei Optionsrechten über den Erwerb oder die Veräußerung von GeschAnteilen hängt das Formerfordernis von der rechtlichen Einordnung und vertraglichen Ausgestaltung der Option ab. Führt die Auslegung zu der Erkenntnis, dass die konkrete Option ein durch die Ausübung des Optionsrechts und ggf. weitere Ereignisse bedingter, möglicherweise zusätzlich befristeter Vertrag ist6, der die Verpflichtung zur Übertragung des GeschAnteils beinhaltet, so bedarf diese Vereinbarung der Form des § 15 Abs. 47. Die Ausübung des Optionsrechts unterliegt dann hingegen keiner Formpflicht8. Der Optionsvertrag ist auch dann nach § 15 Abs. 4 formpflichtig, wenn es sich um ein Optionsrecht des Veräußerers handelt (Put-Option), da die andere Partei dann eine korrespondierende Abnahmepflicht trifft (zur Formbedürftigkeit der Abnahmepflicht Rdnr. 52). Führt die Auslegung der Option hingegen dazu, dass es sich um ein langfristig bindendes Angebot einer Partei handelt9, so muss auch die spätere

55

1 RGZ 136, 97, 99; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 74; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 31, 33; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 70; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 64; s. auch unten Rdnr. 93. 2 RGZ 80, 99, 102. 3 RGZ 89, 193, 195; 91, 277, 279. 4 RG, JW 1916, 575; Feine, S. 382; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 59; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 70; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 981. 5 RGZ 113, 147, 149; BGH, NJW 1969, 2049; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 60; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31. Die Vereinbarung abweichender Bedingungen ist dagegen formbedürftig; vgl. BGH, BB 1969, 1242. 6 BGHZ 47, 387, 391; Palandt/Heinrichs, Einf. Vor § 145 BGB Rdnr. 23. 7 So Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 76; Palandt/Heinrichs, Einf. Vor § 145 BGB Rdnr. 23. 8 BGH, LM § 433 Nr. 16; Palandt/Heinrichs, Einf. Vor § 145 Rdnr. 23; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 76. 9 Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; vgl. auch Kramer, in: MünchKomm. BGB, Vor § 145 Rdnr. 52.

H. Winter/Seibt

|

1025

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Optionsausübung als Annahmeerklärung der Form des § 15 Abs. 4 entsprechen1.

7. Gegenstand 56

Die Verpflichtung zur Abtretung eines GeschAnteils sowie eines Teiles davon (Rdnr. 50) bedarf nach § 15 Abs. 4 der Form. Hieraus folgt:

57

a) Keiner Form bedarf die Verpflichtung zur Abtretung Einzelner mit dem GeschAnteil verknüpften Rechte, z.B. des Anspruchs auf Bilanzgewinn und Liquidationserlös2.

58

b) Nicht der Form des § 15 bedarf in der Regel die Verpflichtung zur Abtretung des schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertragung eines GeschAnteils (Rdnr. 53).

59

c) Keiner Form bedarf die Begründung der Unterbeteiligung an einem GeschAnteil und die Aufhebung der internen rechnerischen Beteiligung (Rdnr. 224). Formbedürftig ist allerdings der Abschluss eines Treuhandvertrages, kraft dessen der Anteilsinhaber künftig nur noch die Stellung des Treuhänders einnehmen soll, da sich dadurch die unbeschränkte Inhaberschaft in eine treuhänderisch gebundene umwandelt und der Anteilsinhaber sich inzident zur Abtretung des GeschAnteils nach der Beendigung des Treuhandverhältnisses verpflichtet (Rdnr. 230).

8. Garantieverträge 60

Streitig ist, ob und inwieweit Verträge mit Garantienatur der Form des § 15 Abs. 4 unterliegen. Geht die Garantie dahin, dass der Garant sich verpflichtet, einem Gesellschafter für dessen Stammeinlage in der Weise aufzukommen, dass er ihm unter gewissen Voraussetzungen den GeschAnteil abnehmen werde, so liegt eine bedingte Verpflichtung zur Abnahme des GeschAnteils vor und ist daher die Form zu fordern (Rdnr. 52)3 trotz ähnlich liegenden Falls, weil eine „primäre“ Haftung für Rückempfang der Bareinlage übernommen sei, woraus die Verpflichtung zur Abnahme des GeschAnteils von selber folge4. Die Garantie der Muttergesellschaft für die Abnahme eines GeschAnteils durch ihre

1 Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 76; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 84; vgl. auch BGH, LM § 433 Nr. 16; Kramer, in: MünchKomm. BGB, Vor § 145 Rdnr. 52; Palandt/Heinrichs, Einf. Vor § 145 BGB Rdnr. 23. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 62, 124; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35 a.E.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25. 3 RG, JW 1905, 92; 1909, 431; anders aber in RGZ 82, 350, 354 f. 4 Gegen dieses Urteil mit Recht Biermann, JW 1913, 1068; ihm entspricht aber das spätere Urteil in GmbHRspr. II § 15 R. 41. Vgl. ferner RGZ 89, 193, 195; RG, JW 1918, 266, wonach es der Form nicht bedarf, wenn es den Vertragsparteien in erster Linie um die Garantie für die Güte des GeschAnteils zu tun ist und die Verpflichtung zur Abnahme nur eine Nebenwirkung der Garantiepflicht bildet.

1026

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Tochtergesellschaft unterliegt der Form des § 15 Abs. 41. Dasselbe gilt für eine Rückkaufsgarantie, aber ein Formmangel wird hier regelmäßig durch die ursprüngliche Abtretung geheilt sein2. Keiner Form bedarf eine Garantie dafür, dass ein anderer Gesellschafter seinen GeschAnteil dem Dritten abtreten werde; denn sie verpflichtet nicht zur Abtretung, sondern zum Schadensersatz; doch kann hierin ein der Schriftform bedürfendes Bürgschaftsversprechen liegen (§ 766 BGB). Keiner Form bedarf die Garantie eines Gewinnanteils.

9. Rückgängigmachung Die Rückgängigmachung eines zur Abtretung verpflichtenden Vertrages, die auch durch konkludentes Verhalten erfolgen kann, bedarf keiner Form3. War jedoch die dingliche Abtretung bereits formgerecht erfüllt, so bedarf die Rückübertragung des GeschAnteils in jedem Falle der Form aus § 15 Abs. 3, da er nicht von selbst zurückfallen kann, während hinsichtlich der Verpflichtung zur Rückübertragung zu unterscheiden ist:

61

a) Rückkaufsvorbehalt War die Verpflichtung in dem ursprünglichen, zur Abtretung an den Erwerber (z.B. Käufer) verpflichtenden Vertrage bereits enthalten, z.B. als Rückkaufsvorbehalt, und war man über die Bedingungen der Rückübertragung einig, so verpflichtet dieser ursprüngliche Vertrag zur Rückübertragung, sobald deren vereinbarte Bedingungen eingetreten sind. Dabei ist es unerheblich, ob dieser ursprüngliche Vertrag oder ein Nachtragsvertrag gem. § 15 Abs. 4 beurkundet war oder nicht, da nach § 15 Abs. 4 Satz 2 auch der nicht beurkundete Verpflichtungsvertrag mit seinen Nebenabreden durch formgerechten dinglichen Abtretungsvertrag gültig wird.

62

b) Rückgängigmachung der Sicherungsübertragung In dieser Weise ist auch eine formlose Verpflichtung zur Rückgängigmachung der Sicherungsübertragung wirksam. Es liegt im Wesen dieser Übertragung, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen, spätestens nach Befriedigung des zu sichernden Gläubigers, rückgängig zu machen ist. Alle diese schuldrechtlichen Abmachungen, mögen sie auch formlos oder selbst stillschweigend getroffen sein, werden vermöge des § 15 Abs. 4 Satz 2 durch die Sicherungsübertragung wirksam und verpflichten zur Rückübertragung nach Eintritt ihrer Voraussetzungen4.

1 OLG München, GmbHR 1996, 607, 608; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 65. 2 RGZ 76, 306, 310. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 69; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 79; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 35; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 75. 4 Zust. K. Müller, Die Sicherungsübertragung von GmbH-Anteilen, 1969, S. 7; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 36, 51; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 61; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 75, 81.

H. Winter/Seibt

|

1027

63

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

c) Rückgängigmachung einer erfolgten dinglichen Übertragung 64

Rückgängigmachung einer erfolgten dinglichen Übertragung kann formlos nur verlangt werden, wenn entweder der Übertragung eine entsprechende, wenn auch stillschweigende Abrede zugrunde lag (§ 15 Abs. 4 Satz 2) oder wenn die Übertragung ohne Rechtsgrund erfolgt war (§ 812 BGB). War vor der Abtretung vereinbart, dass der Veräußerer durch Erklärung bis zu einem bestimmten Termin die Rückübertragung verlangen könne – formlos wirksam nach § 15 Abs. 4 Satz 2 –, so bedarf die Erklärung des Veräußerers keiner Form; sie gilt als zugegangen in dem Zeitpunkt, der aus § 130 BGB und der Verkehrssitte sich ergibt.

10. Verpflichtung eines „Gesellschafters“ 65

Obwohl § 15 Abs. 4 von der Verpflichtung eines „Gesellschafters“ spricht, ist wegen Gleichheit des Grundes auch die obligatorische Verpflichtung der GmbH, eigene GeschAnteile (§ 33) oder kaduzierte und abandonnierte GeschAnteile (§§ 23 Satz 2, 27 Abs. 2 Satz 2) abzutreten, der Form unterworfen1, ebenso wie bei Erwerb durch die GmbH gem. § 33 Abs. 22. War ein GeschAnteil an einen Treuhänder übertragen, so bedarf auch die Verpflichtung zur Abtretung der Rechte des Treugebers, der als solcher nicht mehr „Gesellschafter“ ist, der Form aus § 15 Abs. 4 (Rdnr. 230).

11. Form 66

Das der Abtretung einer GeschAnteile zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft bedarf der „notariellen Form“, d.h. die Anfertigung einer förmlichen Niederschrift über die Abgabe der Willenserklärungen der Parteien (Angebot und Annahme3) durch den Notar und deren Unterzeichnung durch die Beteiligten (§§ 6 ff. BeurkG: notarielle Beurkundung). Über Angebot und Annahme können getrennte Urkunden errichtet werden (§ 128 BGB). Die dem Abwesenden gegenüber abgegebene Erklärung wird mit dem Zugang einer Ausfertigung der Notarurkunde wirksam, sofern nicht von den gesetzlichen Vorschriften (§§ 130, 132 BGB) abweichende Zugangserleichterungen vereinbart worden sind4. Die Vorschrift des § 15 Abs. 4 umfasst nach h.M. alle für das Zustandekommen des Verpflichtungsgeschäfts wesentlichen Teile der Willenserklärungen der Parteien, auch entsprechende Nebenabreden, z.B. die Zusicherung einer Eigenschaft des GeschAnteils (vgl. Rdnr. 149), Abtretungsbedingungen5, Modalitäten der Vertragserfüllung6 oder Regelungen zur Kostentragung, die nach dem

1 RG, JW 1907, 370; DJZ 1909, 828; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 61; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 33; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 81; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 40. 2 RGZ 93, 326; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 61; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30. 3 S. RG, LZ 1912, 670; BGHZ 21, 242, 247; BGH, GmbHR 1963, 188; ZIP 1995, 1089. 4 BGH, ZIP 1995, 1089, 1090. 5 BGH, GmbHR 1989, 194, 195. 6 BGH, ZIP 1996, 1902; s. aber auch OLG Hamm, GmbHR 1979, 59, 60.

1028

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Willen der Parteien Bestandteil des schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäfts sein sollen (Vollständigkeitsgrundsatz)1. Dem Formzwang von § 15 Abs. 4 unterliegen demgegenüber sog. abtrennbare Klauseln, also Vereinbarungsteile, die für sich genommen nicht formbedürftig sind und von denen anzunehmen ist, dass sie nach dem mutmaßlichen Parteiwillen nicht zwingend mit der Verpflichtung zur Anteilsabtretung verbunden sein sollten2, ebenso wenig wie solche Nebenabreden, die mit der Anteilsabtretung in keinem rechtlichen Zusammenhang stehen, wie z.B. eine Vollmachtserteilung, die Genehmigung eines von Nichtberechtigten geschlossenen Abtretungsvertrages (§§ 185 Abs. 2, 182 Abs. 2 BGB)3 oder solche nachgeordneten und unwesentlichen Regelungen, die lediglich eine nähere Auslegung der Haupterklärung beinhalten4.

66a

Die Geltung des Vollständigkeitsgrundsatzes im Rahmen von § 15 Abs. 4 wird zu Recht zunehmend kritisiert5, da er weder den – rechtspolitisch durchaus zweifelhaften – Gesetzeszwecken der Handelserschwerung von GeschAnteilen noch einer Beweisfunktion dient, aber zu erheblicher Rechtsunsicherheit bzw. Risikovermeidungskosten (Rdnr. 8) führt. De lege ferenda ist jedenfalls das Formerfordernis des § 15 Abs. 4 ausschließlich auf die Vereinbarung der Abtretungsverpflichtung zu beschränken, wenn nicht gleich § 15 Abs. 4 in der Weise geändert wird, dass zukünftig für das der Abtretung von GeschAnteilen zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft nur noch Textform i.S.v. § 126b BGB erforderlich ist (Rdnr. 4 und 9).

66b

Spätere Änderungen des Verpflichtungsgeschäfts sind nur dann nach § 15 Abs. 4 zu beurkunden, wenn sie wesentliche Bestandteile des Vertrags betreffen6; Klarstellungen oder sog. Auslegungsvereinbarungen bedürfen der Form des § 15 Abs. 4 ebenso wenig wie Leistungsbestimmungen aufgrund des Verpflichtungsgeschäfts nach bestimmten Richtlinien oder nach beliebigem Ermessen (§ 315 BGB)7.

66c

1 RG, LZ 1920, 652; BGH, LM § 2 Nr. 7; NJW 1983, 1843; GmbHR 1989, 194, 195; ZIP 1996, 1902; OLG München, NJW 1967, 1328; OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668; OLG Karlsruhe, GmbHR 1991, 19, 20; OLG Hamm, GmbHR 1993, 106, 107; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 77; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30. 2 BGH, NJW 1986, 2642, 2643; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 78; Pohlmann, GmbHR 2002, 41, 42 f.; Witt, ZIP 2000, 1033, 1035, 1037 f. 3 BGH, WM 1989, 256, 259; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 78; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 34. 4 BGH, DStR 2000, 1272 f.; OLG München, NJW 1967, 1326, 1328; abweichend allerdings OLG München, BB 1995, 427, 428. 5 Z.B. Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, S. 359, 366 f.; Siegle/Maurer, NJW 1984, 2657, 2658 ff.; Hadding, ZIP 2003, 2133, 2137; Heidenhain, NJW 1999, 3073, 3077; Loritz, DNotZ 2000, 90, 99 f.; Pohlmann, GmbHR 2002, 41, 43; Witt, ZIP 2000, 1033, 1036; jetzt auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 79; anders H. Winter, 9. Aufl., Rdnr. 69. 6 BGH, GmbHR 1989, 194, 195; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 81; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 92. 7 OLG Hamm, GmbHR 1979, 59; OLG München, NJW 1967, 1326, 1328; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 81; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30; Altmeppen, in:

H. Winter/Seibt

|

1029

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Ist auf Grund eines schuldrechtlichen Vertrages die dingliche Abtretung formgerecht erfolgt, so wird ein Formmangel (nicht jedoch ein anderer Mangel) jenes Vertrages geheilt (§ 15 Abs. 4 Satz 2); stellt sich nach der Abtretung heraus, dass der Vertrag materiell rechtsungültig war, so ist ein bestätigender (§ 141 BGB) oder ein inhaltlich neuer obligatorischer Vertrag über dieselbe Veräußerung nicht mehr formbedürftig, weil er die Abtretung nicht erst herbeiführen soll1. Wird aber nach der Abtretung eine Rück- oder Weiterübertragung vereinbart, so muss das in der Form des § 15 Nr. 4 erfolgen2. Die Aufnahme der Parteierklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll ersetzt beim gerichtlichen Vergleich die notarielle Beurkundung (§ 127a BGB).

12. Folge formgerechter Beurkundung 67

Die Folge formgerechter Beurkundung des obligatorischen Vertrags ist die Verpflichtung zur Abtretung und/oder, je nach Art des Vertrages, zur Annahme der Abtretung, d.h. zur Mitwirkung an einem formgerechten, dinglichen Abtretungsvertrag. Der sich weigernde Vertragsbeteiligte kann zur Abgabe der Abtretungs- oder Annahmeerklärung im Prozesswege gezwungen werden. Im Urkundenprozess kann der Übertragungsanspruch auch bei Ausstellung von Anteilsscheinen nicht geltend gemacht werden3. Das rechtskräftige Urteil ersetzt die Abgabe der Willenserklärung (§ 894 ZPO). Ist zur Erklärung der Abtretung rechtskräftig verurteilt, so ist durch das Urteil die Form gewahrt; doch bedarf es dann der formgerechten Erklärung der Annahme dieser Abtretung durch die klagende Partei. Entsprechendes gilt, wenn zur Annahmeerklärung verurteilt ist. Ungeachtet des gültigen Vertrages ist freilich der Veräußerer in der Lage, denselben GeschAnteil an einen Dritten abzutreten. Der erste Erwerber (Käufer) hat dann einen Schadensersatzanspruch gegen den Veräußerer (wegen zu vertretenden nachfolgenden Unvermögens), gegen den Dritterwerber nur unter den Voraussetzungen des § 826 BGB. Trotz formgerechter Beurkundung kann der Vertrag wegen seines Inhalts nichtig oder anfechtbar sein (hierzu Rdnr. 103).

13. Folge fehlerhafter Beurkundung oder wesentlicher Verstöße gegen die Beurkundungsform a) Nichtigkeit 68

Der Formmangel hat grundsätzlich die Nichtigkeit des ganzen Vertrages zur Folge (§ 125 Satz 1 BGB). Eine Ausnahme ist nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB aber für solche abtrennbaren Teile einer Vereinbarung zu machen, die für sich allein genommen nicht nach § 15 Abs. 4 Satz 1 formbedürftig gewesen wären und von denen anzunehmen ist, dass sie nach dem mutmaßlichen Parteiwillen auch ohne die Verpflichtung zur Abtretung des GeschAnteils abgeRoth/Altmeppen, Rdnr. 76; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 92; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 44, 47; vgl. auch BGH, WM 1979, 1258, 1259. 1 RGZ 88, 65; 112, 241; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30. 2 Zust. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 105; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 30. 3 OLG Köln, GmbHR 1995, 293; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 91.

1030

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schlossen worden wären (s. auch Rdnr. 66a)1. Das kann u.U. auch bei einem Verpflichtungsgeschäft über die Abtretung des GeschAnteils und der Kommanditbeteiligung an einer GmbH & Co. KG zutreffen2, wird aber – auch beim Fehlen von gesellschaftsvertraglichen Bindungen – nicht dem Regelfall entsprechen3. Das in Erfüllung des nichtigen Vertrages Hingegebene (die Zahlung des Kaufpreises für den GeschAnteil) kann nach §§ 812 ff. BGB zurückgefordert werden. Nichtigkeit ist von Amts wegen zu beachten; ein Verzicht auf sie ist wirkungslos. Doch ist die Rückforderung des Geleisteten ausgeschlossen, wenn der Leistende (z.B. Käufer des Anteils) wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war (§ 814 BGB), es sei denn, dass er mit einem nachträglichen formgültigen Abschluss noch rechnete. Die Formnichtigkeit des Vertrages kann grundsätzlich auch nicht durch die Berufung auf Treu und Glauben ausgeräumt werden. Die Nichtigkeitsfolgen können aber ausnahmsweise dann entfallen, wenn Umstände gegeben sind, die es als unerträgliche, auf andere Weise nicht auszugleichende Härte erscheinen lassen, dem zur Abtretung des GeschAnteils verpflichtenden Vertrag wegen des Formmangels die Anerkennung zu versagen4. b) Heilung der Formnichtigkeit aa) Allgemeines. Der Formmangel des Verpflichtungsgeschäfts wird gem. § 15 Abs. 4 Satz 2 durch die formgerechte Abtretung des GeschAnteils geheilt5. Das Gesetz macht insoweit eine Ausnahme von § 141 Abs. 1 BGB, der für die Gültigkeit grundsätzlich die förmliche Neuvornahme des Geschäfts verlangt und der neben § 15 Abs. 4 Satz 2 anwendbar ist6. Er will damit den Bestand der formgerecht vollzogenen Abtretung bewirken und eine Rückforderung aus Gründen der Rechtssicherheit ausschließen7. Die Vorschrift kann nicht analog auf den Fall angewandt werden, dass es nach einem formwidrigen Verpflichtungsgeschäft zur Gründung der GmbH in notarieller Form gekommen ist8.

69

bb) Voraussetzung der Heilung ist danach der formgültige (dingliche) Abtretungsvertrag nach § 15 Abs. 3 (Rdnr. 77 ff.). Die Abtretung muss aber wirksam

70

1 Vgl. BGH, GmbHR 1986, 258, 260; WM 1989, 406; OLG Karlsruhe, GmbHR 1991, 19, 20; OLG Hamm, GmbHR 1993, 106, 107; OLG München, BB 1995, 427, 428; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 78, 82. 2 BGH, GmbHR 1986, 258, 259 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 82. 3 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 83; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 73; Binz, Die GmbH & Co., 10. Aufl. 2005, 103 f.; Hannes, in: Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch der GmbH & Co. KG, 19. Aufl. 2005, § 10 Rdnr. 25. 4 Vgl. BGHZ 35, 272, 277; 121, 224, 233; BGH, LM § 2 Nr. 7; ZIP 1995, 1089, 1090 f.; OLG München, BB 1995, 427, 428; GmbHR 1996, 607, 609; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 92; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 100. 5 Dazu Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, 1992; Pohlmann, GmbHR 1995, 412. 6 BGH, WM 1985, 1000. 7 BGHZ 127, 129, 136; Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, S. 91; Pohlmann, GmbHR 1995, 412, 414; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 93. 8 OLG Brandenburg, GmbHR 1995, 895.

H. Winter/Seibt

|

1031

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sein1, insbesondere ist auch die Erfüllung etwaiger weiterer Abtretungsvoraussetzungen i.S. des § 15 Abs. 5 erforderlich. Auch eine aufschiebende Abtretungsbedingung muss deshalb eingetreten oder, soweit möglich, durch Verzicht des Begünstigten (Rdnr. 89) hinfällig geworden sein2. Die abweichende Meinung, die den formgerechten Vertragsabschluss genügen lässt3, ist zwar mit dem Gesetzeswortlaut, nicht aber mit dem Zweck der Vorschrift vereinbar, der einen wirksamen Anteilsübergang voraussetzt (Rdnr. 69)4. Die Abtretung muss im Übrigen, um die Wirkung des § 15 Abs. 4 Satz 2 herbeizuführen, nicht notwendig an den Gläubiger aus dem obligatorischen Vertrag, sondern kann auch an einen Dritten erfolgt sein, wenn der Verpflichtete an ihn leisten durfte und zwecks Vertragserfüllung geleistet hat, z.B. im Falle des Weiterverkaufs des Erstkäufers an den Dritten5. Nicht genügend ist dagegen die Abtretung an einen im Interesse beider Parteien des schuldrechtlichen Vertrages tätigen Treuhänder, der den GeschAnteil beim Eintritt bzw. Nichteintritt bestimmter Voraussetzungen entweder an den Gläubiger übertragen oder aber an den Veräußerer zurückübertragen muss6. Sind mehrere GeschAnteile formungültig verkauft und wird nur einer formgültig abgetreten, so wird nur der hierauf bezügliche Teil des obligatorischen Vertrages geheilt7. Die Wirksamkeit im Übrigen bestimmt sich nach § 139 BGB: Richtete sich das Grundgeschäft einheitlich auf Abtretung mehrerer GeschAnteile, z.B. sämtlicher Anteile an einer Grundstücks-GmbH, so ist die formgerechte dingliche Abtretung nur einzelner Anteile kein Erfüllungsgeschäft, heilt also den Formmangel des obligatorischen Vertrages nicht. Dann ist die dingliche Abtretung, soweit formgerecht erfolgt, zwar wirksam; der Veräußerer kann aber nach §§ 812 ff. BGB Rückübertragung verlangen8. 71

Die Heilung setzt weiter voraus, dass die Willensübereinstimmung der Vertragsparteien über den Inhalt des von ihnen abgeschlossenen formunwirksamen Verpflichtungsgeschäfts noch in dem Zeitpunkt fortbesteht, in dem die Bindung an das Verfügungsgeschäft eingetreten ist9. Bei befristeten und aufschie1 BGH, GmbHR 1989, 194, 195; BGHZ 127, 129, 135; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 94; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 109; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 103. 2 BGH, GmbHR 1989, 194, 195; ZIP 1998, 908, 911; BGHZ 127, 129, 135; Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 84; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 95; Pohlmann, GmbHR 1995, 412 Fn. 2; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 985. 3 M. Wolf, Anm. zu LM § 15 Nr. 28 Bl. 4 f.; Schnorbus, MDR 1995, 679, 681; Moll, MDR 1998, 1041, 1042. 4 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 95; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 111. 5 RGZ 71, 402 f.; BGH, NZG 2001, 940, 941; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 96; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 104. 6 BGH, WM 1962, 1195. 7 RGZ 112, 241; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 97; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 110. 8 KG, JW 1924, 1179; RGZ 112, 236, 241; RG, LZ 1920, 652; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 97 a.E.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 110; a.M. OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668. 9 BGHZ 127, 129, 135; OLG München, GmbHR 1996, 607, 609; Pohlmann, GmbHR 1995, 412, 413 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 99; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/

1032

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

bend bedingten Abtretungen ist daher nicht der Zeitpunkt des Termin- bzw. Bedingungseintritts, sondern der des bindenden Abschlusses des Verfügungsgeschäfts maßgebend1. Entsprechendes gilt für eine nach § 15 Abs. 5 statutarisch genehmigungsbedürftige Abtretung. Das Fortbestehen der Willensübereinstimmung wird unwiderleglich vermutet, wenn keine Partei des Verpflichtungsgeschäfts erkennbar einen abweichenden Willen geäußert hat, was bis zum Eintritt der Bindung an das Verfügungsgeschäft uneingeschränkt möglich ist. Das Verpflichtungsgeschäft kann dagegen bei befristeten, aufschiebend bedingten oder statutarisch genehmigungsbedürftigen Abtretungen während der Schwebezeit nicht mehr einseitig, sondern nur noch einvernehmlich geändert werden (Rdnr. 74)2. Der Abtretungsvertrag kann dem obligatorischen Vertrag nachfolgen oder einheitlich mit ihm beurkundet sein oder ihm vorausgehen. Die heilende Wirkung tritt in jedem der drei Fälle ein3. Dies gilt aber für einen formlosen, der Abtretung nachfolgenden Vertrag, mag er auch als Bestandteil des ursprünglichen Vertrags gemeint sein, dann nicht, wenn der Nachtragsvertrag zur Rück- oder Weiterübertragung verpflichten soll. Formmangel dieser Verpflichtung wird nicht durch die erste Abtretung, sondern erst durch die formgerechte Rückoder Weiterübertragung geheilt (Rdnr. 61). Sonstige nachfolgende Änderungen und Ergänzungen sind formlos gültig4.

72

Die Formnichtigkeit des Verpflichtungsvertrages wird nicht dadurch geheilt, dass die geschuldete Abtretung durch den Abschluss eines Treuhandvertrages zwischen dem Veräußerer als Treuhänder und dem Erwerber als Treugeber „ersetzt“ worden ist5.

73

cc) Folge der Heilung ist das Wirksamwerden des gesamten Inhalts des obligatorischen Vertrags6, auch mit seinen Nebenabreden7, auch mit der Vereinbarung eines Rückkaufsrechts8. Haben die Parteien an Stelle des beurkundeten Kaufpreises in Wirklichkeit einen höheren vereinbart, so wird auch diese Abrede nunmehr gültig9. Haben die Parteien bei einer befristeten, aufschiebend

74

1 2 3

4 5 6

7 8 9

Hueck, Rdnr. 36; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 107; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 105. BGHZ 127, 129, 135 ff.; Pohlmann, GmbHR 1995, 413 f.; jetzt auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 99. Dazu Pohlmann, GmbHR 1995, 414 f., 416 f. Vgl. RGZ 88, 65; 112, 240; BGHZ 127, 129, 132; BGH, NJW 1983, 1843; GmbHR 1989, 194, 195; 1993, 106; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 98; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 36; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 84; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 104; abw. OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668 für den Fall, dass das in einer einheitlichen Urkunde enthaltene Verpflichtungsgeschäft unvollständig ist. RGZ 112, 241; RG, DR 1940, 1292, BGH, LM § 15 Nr. 5; s. auch Rdnr. 69. BGHZ 35, 276 f. BGH, GmbHR 1993, 106; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 102; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 38; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43. RGZ 65, 39; BGH, NJW-RR 1987, 807. RGZ 76, 311; Rdnr. 62. RGZ 112, 239 f.; 168, 296 f.; BGHZ 127, 129, 131; BGH, NJW 1983, 1843; eb. Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 102.

H. Winter/Seibt

|

1033

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

bedingten oder statutarisch genehmigungsbedürftigen Abtretung (§ 15 Abs. 5) während der Schwebezeit einvernehmlich Änderungen des Verpflichtungsgeschäfts vorgenommen (Rdnr. 71), so sind diese zu berücksichtigen1. Wirksam werden auch formlose Zwischenveräußerungen, wenn der Gesellschafter seinen GeschAnteil dem letzten Erwerber zur Erfüllung auch jener Verträge formgerecht abtritt2. Mit der Übertragung des GeschAnteils der Komplementär-GmbH wird auch die im obligatorischen Vertrag enthaltene Verpflichtung zur Abtretung des Kommanditanteils an der GmbH & Co. KG gültig (s. auch Rdnr. 68)3. Dasselbe gilt für die in einem mündlichen Vertrage seitens einer der Parteien übernommene Bürgschaft4, nicht dagegen mündliche Bürgschaft eines Dritten, da deren Unverbindlichkeit (§ 766 BGB) nicht durch ein fremdes Rechtsgeschäft verbindlich werden kann. Nicht geheilt wird ein formloser obligatorischer Vertrag, in dem als wesentlicher Bestandteil, z.B. im Austausch gegen GeschAnteile, die Verpflichtung zur Auflassung eines Grundstücks übernommen ist. Hier muss nach dem Zwecke des § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB Auflassung und Grundbucheintragung zur formgerechten Abtretung hinzukommen, um den ganzen Vertrag wirksam zu machen5. 75

Nur die durch den Formmangel begründete Nichtigkeit des schuldrechtlichen Vertrags wird durch formgültige Abtretung geheilt. Materielle Mängel des obligatorischen Vertrags werden nicht geheilt, aber formloser Neuabschluss ist nunmehr möglich (s. Rdnr. 66). Eine Bestätigung des wegen sonstiger Mängel nichtigen Verpflichtungsgeschäfts i.S. des § 141 BGB kann konkludent auch durch den formgültigen Abtretungsvertrag erfolgt sein6.

76

dd) Zeitpunkt der Heilung. Sie wirkt nicht zurück, sondern erst vom Zeitpunkt der formgerechten Abtretung an „wird die (schuldrechtliche) Vereinbarung gültig (= wirksam)“ (§ 15 Abs. 4 Satz 2)7. Aber in entsprechender Anwendung des § 141 Abs. 2 BGB sind die Vertragsparteien im Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre8. Aus der Wirkung ex nunc folgt, dass vorher vorgenommene Rechtshandlungen, wie Pfändung der Kaufpreisforderung, gegenstandslos sind. Schuldnerverzug tritt durch die formwirksame Anteilsabtretung indes nicht rückwirkend ein9. 1 Vgl. Pohlmann, GmbHR 1995, 412, 417. 2 RGZ 71, 402; RGZ 132, 287, 290; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 103. 3 BGH, GmbHR 1993, 106; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 102; Wiesner, NJW 1984, 95, 99; Sieveking, MDR 1984, 989; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 93; Binz/Sorg, Die GmbH & Co. KG, 10. Aufl. 2005, S. 103 ff.; a.M. Kempermann, NJW 1991, 684; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 110. 4 Gl.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 101; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 106; a.M. OLG Kiel, SchlHA 1912, 267; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 109. 5 Gl.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 101; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43. 6 Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 107. 7 Vgl. BGHZ 138, 195, 203. 8 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 104; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36. 9 BGH, WM 1979, 263; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 104; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 111.

1034

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

IV. Abtretung des Geschäftsanteils (§ 15 Abs. 3) Schrifftum: Armbrüster, Zur Beurkundungsbedürftigkeit von Treuhandabreden über GmbH-Anteile, DNotZ 1997, 762; Bungert, Der internationale Anwendungsbereich von § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, DZWiR 1993, 494; Depping, Zur Beurkundungspflicht bei der Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, GmbHR 1994, 386; Dyhr, Das Formgebot bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, Diss. 1998; Frenz, Einige Anmerkungen zum Verhältnis von Formzweck, Beurkundungsverfahren und Berufsrecht, in: FS Weichler, 1997, S. 175; Gätsch/Schulte, ZIP 1999, 1909; Häsemeyer, Die gesetzliche Form des Rechtsgeschäfts, 1971; Heidenhain, Zum Umfang der notariellen Beurkundung bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen, NJW 1999, 3073; Heidenhain, Aufgabe des Beurkundungserfordernisses beim Verkauf und der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZIP 2001, 721; Kanzleiter, Der Umfang der Beurkundungsbedürftigkeit bei verbundenen Rechtsgeschäften, DNotZ 1994, 275; Loritz, Rechtsfragen der notariellen Beurkundung bei Verkauf und Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen, DNotZ 2000, 90; Merkt, Vertragsform beim Kauf von Anteilen einer ausländischen Gesellschaft, ZIP 1994, 1417; Petzold, Beurkundungspflicht bei Übertragung von GmbH-Anteilen bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen, GmbHR 1976, 81; Pohlmann, Verzicht auf die aufschiebende Bedingung einer GmbH-Anteilsübertragung, NJW 1999, 190; Schlüter, Veräußerung und Abtretung von GmbH-GeschAnteilen als Formproblem, FS Bartholomeyczik, 1973, 359; Schütze, Die Beurkundung der Übertragung von Geschäftsanteilen einer österreichischen GmbH durch einen deutschen Notar, DB 1992, 1970; Schwarz, Einige Überlegungen zum Zweck des Beurkundungserfordernisses gemäß § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, in: Jubiläums-FS Rheinisches Notariat, 1998, S. 371; Steindorff, Formvorschriften in Gesellschaftsverträgen, ZHR 129 (1966), 21; Wiesner, Beurkundungspflicht und Heilungswirkung bei Gründung von Personengesellschaften und Unternehmensveräußerungen, NJW 1984, 95; Witt, Formbedürftigkeit und Heilung von Formmängeln bei der gleichzeitigen Einbringung von KG- und GmbH-Anteilen in eine Holding-Gesellschaft, ZIP 2000, 1033; Wolfsteiner, Der Erschwerungsfunktionär, JZ 1977, 108; Wrede, Nochmals: Zur Beurkundungspflicht bei der Übertragung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft, GmbHR 1995, 365. Weitere Lit.-Nachw. vor Rdnr. 10.

1. Abtretung Das Gesetz schreibt durch § 15 Abs. 3 die notarielle Form für die Abtretung der GeschAnteile vor. Die Abtretung ist ein Vertrag zwischen dem Anteilsinhaber und dem Erwerber, der unmittelbar den Übergang des GeschAnteils auf letzteren im Wege der Einzelnachfolge zum Gegenstand und zur Folge hat1. Sie ist als Verfügungsgeschäft vom schuldrechtlichen Grundgeschäft zu unterscheiden (Rdnr. 90, 47 ff.). Die Formvorschrift ist zwingend2. Sie schränkt die Umlauffähigkeit der GeschAnteile ein, um die Lösung der Gesellschafter aus der Mitgliedschaft und um den Handel mit GeschAnteilen zu erschweren (Rdnr. 10)3. Daneben dient sie der Beweiserleichterung, da die Mitgliedschaft nicht wie die

1 Roth, in: MünchKomm. BGB, § 398 Rdnr. 9. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 21; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 111. 3 RGZ 68, 394, 396; 135, 70, 71; BGHZ 13, 49, 51 f.; 75, 352, 353; 127, 129, 135; BGH, LM § 15 Nr. 5; § 2 Nr. 7; BB 1997, 1277 f.; GmbHR 1999, 707, 709 u.a.

H. Winter/Seibt

|

1035

77

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Aktie verbrieft werden kann1. Anders als § 313 BGB hat sie dagegen keine Warnfunktion2. 78

Die Vorschrift des § 15 Abs. 3 erfasst alle Abtretungen von GeschAnteilen, auch diejenigen an Mitgesellschafter3 oder an oder durch die GmbH selbst (Rdnr. 97). Formbedürftige Abtretungen liegen ebenfalls vor, wenn ein GeschAnteil, der einer Personengemeinschaft gehört, ganz oder real geteilt an einzelne Mitberechtigte (s. § 18 Rdnr. 13) oder an eine personenidentische andere Personengemeinschaft übertragen wird4. Die Abtretung kann mit einer Befristung oder unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung erfolgen (s. auch Rdnr. 91)5. Die Gesellschaft ist in diesen Fällen durch das Anmeldeerfordernis gem. § 16 geschützt6.

79

Der Abtretungsgegenstand muss bei § 15 Abs. 3 der GeschAnteil sein. Das trifft auch für die Abtretung eines realen Teils (§ 17)7 und eines ideellen Bruchteils des GeschAnteils (§ 747 Satz 1 BGB) zu8, während die Begründung oder Übertragung einer Unterbeteiligung nicht darunter fällt (Rdnr. 224). Die Abtretung eines künftigen GeschAnteils unterliegt der Formvorschrift (Rdnr. 12). Sie ist darüber hinaus analog anwendbar auf die Abtretung des Bezugsrechts auf GeschAnteile9, auf die Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses für einen bestehenden GeschAnteil und auf die Übertragung der Treugeberstellung bezüglich eines GeschAnteils (Rdnr. 227 ff.). Die Formvorschrift greift dagegen nicht beim Mitgliederwechsel bei Personengesellschaften oder anderen Gesamthandsgemeinschaften ein, zu deren Vermögen ein GeschAnteil gehört (Rdnr. 93). Ebenso wenig gilt sie für die Abtretung von vermögensrechtlichen Ansprüchen aus dem Gesellschaftsverhältnis (Rdnr. 94).

2. Form a) Inlandsbeurkundung 80

Mit „notarieller“ Form meint § 15 Abs. 3 – wie bei § 15 Abs. 4 (Rdnr. 66) – die notarielle Beurkundung, d.h. die Anfertigung einer förmlichen Niederschrift 1 RGZ 164, 162, 170; BGHZ 13, 49, 52; BGH, LM § 15 Nr. 5; GmbHR 1999, 707, 709; OLG Hamm, GmbHR 1984, 317, 318; OLG München, GmbHR 1994, 250, 251. 2 RGZ 135, 70, 71; BGHZ 13, 49, 51; BGH, BB 1997, 1277, 1278; GmbHR 1996, 607, 608; Schlüter, S. 360 f.; teilw. abw. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 69. 3 OLG München, GmbHR 1994, 251. 4 OLG Karlsruhe, GmbHR 1995, 824, 825; vgl. dazu auch Ulmer, in: MünchKomm. BGB, § 705 Rdnr. 15 m.w.N. 5 RGZ 79, 182, 185; BGH, GmbHR 1989, 194, 195; BGHZ 127, 129, 133; OLG Hamm, GmbHR 1997, 950; KG, GmbHR 1997, 603, 605; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 123; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18. 6 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 123. 7 RGZ 43, 136, 138; 87, 246, 248. Vgl. auch § 17 Rdnr. 10. 8 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 121; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 137. 9 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 124; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 136; Priester, unten 9. Aufl., § 55 Rdnr. 51.

1036

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

über die Abgabe der Willenserklärungen der Parteien durch den Notar und deren Unterzeichnung durch die Beteiligten (§§ 6 ff. BeurkG); die bloße Beglaubigung der Unterschrift genügt nicht1. Der Formzwang bezieht sich auf den Abtretungsvertrag2, also die Abgabe der Abtretungserklärung und ihre Annahme. Es müssen demgemäß in der beurkundeten Verhandlung entweder, was die Regel ist, beide Beteiligte auftreten, Erklärungen abgeben (für den Erwerber genügt die Erklärung, dass er das vom Veräußerer Gesagte „annehme“) und die Niederschrift eigenhändig unterschreiben3, oder es müssen Vertragsangebot und Vertragsannahme gesondert beurkundet werden (§§ 128, 152 BGB)4. Das Vertragsangebot wird im letzteren Falle wirksam, wenn dem Erklärungsempfänger eine Ausfertigung der Notarurkunde zugeht (§§ 130, 132 BGB); die Parteien können aber abweichende Zugangsvoraussetzungen vereinbaren5. Mit fristgerechter Beurkundung der Annahme (§§ 151 Satz 2, 152 Satz 2 BGB) kommt der Vertrag zu Stande, auch wenn die Annahme dem Offerenten vorher nicht zugegangen ist6. Verlängerung der gesetzten Annahmefrist bedarf ebenfalls der Form7. Erklärung durch einen Bevollmächtigten ist zulässig; s. Rdnr. 95. Über die Belehrungspflicht des Notars vgl. §§ 17 ff. BeurkG. Bei einem gerichtlichen Vergleich ersetzt die Aufnahme der Vertragserklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll die in § 15 Abs. 3, 4 vorgeschriebene Form (§ 127a BGB); ebenfalls ein rechtskräftiges Urteil, das zur Abgabe der Abtretungserklärung oder der Abnahme verurteilt (§ 894 ZPO, nicht § 888 ZPO ist anwendbar)8. b) Auslandsbeurkundung Schrifttum: Benecke, Auslandsbeurkundung im GmbH-Recht: Anknüpfung und Substitution, RIW 2002, 280; von Bonin, Die Corporation und die Limited Liability Company nach dem Recht des US-Staates Delaware, in: Hirte/Bücker (Hrsg.), Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl. 2006, § 10; Brück, Rechtsprobleme der Auslandsbeurkundung im Gesellschaftsrecht, DB 2004, 2409; Bungert, Die GmbH im US-amerikanischen Recht: Close Corporation, GmbHR 1993, 478; Bungert, Die GmbH im US-amerikanischen Recht: Close Corporation, 1993; Bungert, Gesellschaftsrecht in den USA, 3. Aufl. 2003; Goette, Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, DStR 1996, 709; Goette, Auslandsbeurkundungen im Kapitalgesellschaftsrecht, in: FS Boujong, 1996, S. 131; Großfeld/Berndt, Die Übertragung von deutschen GmbH-Anteilen im Ausland, RIW 1996, 625; Halm, GmbH-International, GmbHR 1995, 576; Janssen/Robertz, Die Formwirksamkeit des internationalen GmbH-Unternehmenskaufs, GmbHR 2003, 433; Kindler, Neue Offenlegungspflichten für Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften, NJW 1993, 3301; Klein/Theusinger, Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung für Abtretung eines GmbH-Anteils durch Notar des Kantons Basel-Stadt (Anm. zu OLG Frankfurt/M v. 25. 1. 2005, 11 U 8/04), EWiR 2005, 727; Kröll, Beurkundung gesellschaftsrechtlicher

1 2 3 4 5 6 7 8

RG, JW 1901, 521. BGHZ 21, 242, 247. Vgl. OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 742. RGZ 105, 384; OLG München, BB 1996, 1296. BGHZ 130, 71. RGZ 105, 384. RG, GmbHR 1928, 231. KG, JW 1929, 1404.

H. Winter/Seibt

|

1037

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Vorgänge durch einen ausländischen Notar, ZGR 2000, 111; Pilger, Die Unwirksamkeit der Beurkundung der Abtretung von Geschäftsanteilen in der Schweiz, BB 2005, 1285; Reichert/Weller, Geschäftsanteilsübertragung mit Auslandsberührung, DStR 2005, 250 u. 292; Reuter, Keine Auslandsbeurkundung im Gesellschaftsrecht?, BB 1998, 116; Reithmann, Substitution bei Anwendung der Formvorschriften des GmbH-Gesetzes, NJW 2003, 385; Schervier, Beurkundung GmbH-rechtlicher Vorgänge im Ausland, NJW 1992, 593; Weller, Nochmals: Zur formwirksamen GmbHAnteilsabtretung in der Schweiz, BB 2005, 1807; Wright/Holland, Neue Wege im Gesellschaftsrecht der USA: Die Limited Liability-Company (LLC) am Beispiel des Bundesstaates Georgia, NJW 1996, 95.

81

In der Praxis werden GeschAnteile häufig auch im Ausland übertragen. Der Grund hierfür liegt in der Regel in – tatsächlichen oder vermeintlichen – Kostenvorteilen einer Beurkundung im Ausland. Bei der Beurteilung der Formwirksamkeit ist zu unterscheiden zwischen der kollisionsrechtlichen Frage der maßgeblichen Formvorschrift (Rdnr. 82) und der Frage, ob die Vornahme der Rechtshandlung im Ausland die ggf. maßgebliche deutsche Formvorschrift wahrt (Rdnr. 84). aa) Kollisionsrechtliche Anknüpfung der Form

82

Grundsätzlich ist für das Verfügungsgeschäft – die dingliche Übertragung der Anteile – als gesellschaftsrechtlicher Vorgang das Gesellschaftsstatut maßgebend1. Für die Formwirksamkeit der dinglichen Übertragung von Gesellschaftsanteilen2 genügt aber nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB, den die h.M. in Rechtsprechung und Literatur hier zutreffend für anwendbar hält3, neben der Einhaltung 1 OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 721, 724; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntHdlsGesR Rdnr. 586; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR 1998, Rdnr. 341; Brück, DB 2004, 2409, 2410; das (schuldrechtliche) Verpflichtungsgeschäft unterliegt demgegenüber nicht dem Gesellschaftsstatut sondern dem Schuldstatut, BGH, NJW 1996, 54, 55; BGH, NJW 1987, 1141; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR 1998, Rdnr. 258. 2 Für gesellschaftsrechtliche Verfassungsakte (Gründung, Satzungsänderung, Kapitalerhöhung, Verschmelzung, Spaltung und formwechselnde Umwandlung) lehnt die überwiegende Meinung in Rspr. und Lit. eine Anwendung von Art. 11 Abs. 1 EGBGB und damit die Ortsform nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB wegen der besonderen materiellen Bedeutung dieser Akte ab und verlangt die Beurkundung durch einen deutschen Notar, OLG Hamm, NJW 1974, 1057 (Satzungsänderung); LG Augsburg, NJW-RR 1997, 420 (Verschmelzung); LG Kiel, GmbHR 1997, 952 = BB 1998, 120 (Verschmelzung); Goette, DStR 1996, 709; Benecke, RIW 2002, 280, 286; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 2 Rdnr. 9; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 53 Rdnr. 80; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 22; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 135 m.w.N.; Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntHdlsGesR Rdnr. 534 m.w.N.; a.A. OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2200 (Kapitalerhöhung); Heldrich, in: Palandt, Art. 11 EGBGB Rdnr. 1, Rdnr. 13; Spellenberg, in: MünchKomm. BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 131 ff.; vgl. zu dieser Streitfrage näher Einl. Rdnr. 125. 3 BayObLG, BayObLGZ 1977, 242, 244 ff. = NJW 1978, 500; OLG Frankfurt a.M., DB 1981, 1456; OLG München, WM 1984, 260, 261; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 169, 170; OLG München, GmbHR 1998, 46 = BB 1998, 119 = RIW 1998, 147 (bestätigt durch Nichtannahmebeschluss des BGH v. 25. 11. 1998 – VIII ZR 41/98, unveröffentlicht); OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 721, 724; OLG Frankfurt a.M., OLGR Frankfurt 2005, 715 = GmbHR 2005, 764, 765 f. = EWiR § 15 GmbHG 2/05, 727 (Klein/Theusing); H. Winter, in: 9. Aufl., § 15 Rdnr. 39; Goette, in: FS Boujong, 1996, S. 131, 138, 142;

1038

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

des Gesellschaftsstatuts (Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EGBGB, hier also § 15 Abs. 3) gem. Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB auch die Einhaltung der vom ausländischen Recht vorgesehenen Form (Ortsform), es sei denn, das Ortsrecht kennt das betreffende Rechtsgeschäft nicht und hält deshalb hierfür keine Form bereit (zu dieser Ausnahme sogleich unten Rdnr. 83). Der BGH hat über die Anwendbarkeit von Art. 11 Abs. 1 EGBGB auf die Abtretung von Gesellschaftsanteilen bislang nicht entschieden1, neigt aber in einer neueren Entscheidung ausdrücklich der h.M. zu2. Gegen die Anwendung von Art. 11 EGBGB auf die Anteilsübertragung sprechen weder Wortlaut und systematischer Standort noch Art. 37 Satz 1 Nr. 2 EGBGB3. Denn Wortlaut („ein Rechtsgeschäft“) und Abschnittsüberschrift („Recht der natürlichen Personen und der Rechtsgeschäfte“) lassen keine Beschränkung auf bestimmte Arten von Rechtsgeschäften erkennen und Art. 37 Satz 1 Nr. 2 EGBGB bezieht sich ausdrücklich auf einen anderen Unterabschnitt4. Eine Analogie zu Art. 11 Abs. 4 oder Abs. 5 EGBGB mit Verweis auf den Zweck der notariellen Form5 ist verfehlt, da Art. 11 Abs. 1 EGBGB gerade den Grundsatz der Formenalternativität aufstellt und ein Gesellschaftsanteil als Gesamtheit von Rechten und Pflichten weder mit einem Grundstück noch mit einer Sache (§ 90 BGB) vergleichbar ist6. Auch ändert der Normzweck von § 15 Abs. 3 und 4 nichts an ihrem Charakter als Formerfordernis im Sinne von Art. 11 Abs. 1 EGBGB7. Zwar soll die Beurkundungspflicht nicht nur der Beweissicherung dienen, sondern in der Tat auch den freien Handel mit Geschäftsanteilen erschweren8 (zum Normzweck von § 15 Abs. 3 und 4 näher oben Rdnr. 5 ff.). Eine Formvorschrift nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist aber jede Norm, die die Art und Weise der Äußerung einer Willenserklärung regelt9. Das

1 2 3

4 5 6

7 8 9

Goette, DStR 1996, 709, 711; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 90; Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., § 15 Rdnr. 59; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 97; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 137; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 136; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 254; Klein/Theusinger, EWiR 2005, 727 f.; a.A. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR 1998, Rdnr. 467 ff., 492 ff.; Großfeld/Berndt, RIW 1996, 625, 628; sowie (nur) für die GmbH unter Hinweis auf den Normzweck der Formvorschrift (Erschwernis des Handels mit GmbH-Anteilen) Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntHdlsGesR Rdnr. 532 f. Offengelassen in BGH, NJW-RR 1989, 1259, 1261. Nach BGH, GmbHR 2005, 53, 54 = NZG 2005, 41, 42 (obiter) „spricht viel für die Richtigkeit“ dieser Ansicht. Vgl. Goette, in: FS Boujong, 1996, S. 131, 136 f.; Goette, DStR 1996, 709, 710 f., der jedoch aus der Entstehensgeschichte und Gesetzesbegründung zur Neuregelung des IPR vom 25. 7. 1986 (BGBl. I 1142) die Unanwendbarkeit der Vorschrift auf gesellschaftsrechtliche Vorgänge ableiten will; dagegen überzeugend Kröll, ZGR 2000, 111, 115 f. Vgl. Hohloch, in: Erman, Art. 11 EGBGB Rdnr. 3. AG Köln, GmbHR 1990, 171; AG Fürth, GmbHR 1991, 24; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 16. Hohloch, in: Erman, Art. 11 EGBGB Rdnr. 27; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 254; vgl. auch Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 97; gegen jegliche Analogie, d.h. auch bei Verfassungsakten, Spellenberg, in: MünchKomm. BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 131 ff. So aber Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntHdlsGesR Rdnr. 535. Insoweit zutreffend Kindler, in: MünchKomm. BGB, IntHdlsGesR Rdnr. 535. Hierzu etwa Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 20; Hohloch, in: Erman, Art. 11 EGBGB Rdnr. 13.

H. Winter/Seibt

|

1039

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Beurkundungserfordernis für die Abtretungs- bzw. Verpflichtungserklärungen stellt also – unabhängig vom Zweck – ein derartiges Formerfordernis dar1. Die Beeinträchtigung der mit den deutschen Formvorschriften verfolgten Zwecke durch eine leichtere ausländische Ortsform hat der Gesetzgeber bei der Schaffung von Art. 11 Abs. 1 EGBGB bewusst in Kauf genommen2. 83

Fehlt ein vergleichbares Rechtsgeschäft nach dem Ortsrecht und daher auch eine entsprechende Formvorschrift (sog. Normenleere), geht Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB ins Leere, so dass bei der Anteilsübertragung allein das Gesellschaftsstatut gilt3. Für die Frage der Vergleichbarkeit ist darauf abzustellen, ob die ausländische Gesellschaftsform, nach deren Formvorschrift die deutschen GmbHAnteile übertragen werden sollen, die wesentlichen Merkmale einer deutschen GmbH aufweist4. Welche Gesellschaftsformen der EU-Mitgliedstaaten mit der GmbH vergleichbar sind, kann der Zwölften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie betreffend GmbH mit einem einzigen Gesellschafter5 entnommen werden6. Bei der kanadischen Limited (Ltd.)7 sowie bei der Limited Liability Company (LLC) der US-Bundesstaaten8 hat die Rechtsprechung eine Vergleichbarkeit mit der deutschen GmbH abgelehnt9, so dass die Einhaltung der Formvorschriften der Ltd. bzw. LLC bei der Übertragung deutscher GmbH-Anteile im jeweiligen Land nicht ausreichend ist; etwas anderes gilt für die in nahezu allen US-Bundesstaaten existierende Close Corporation10. Besteht keine Formenleere, so genügt nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB gerade auch die leichtere Form für die Abtretung von GmbH-Anteilen, häufig also Schriftlichkeit, wie in Zukunft auch in der Schweiz

1 Vgl. Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 20. 2 So auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 138. 3 RGZ 160, 225, 229; BayObLG, BayObLGZ 1977, 242, 244 ff. = NJW 1978, 500; OLG Frankfurt a.M., DB 1981, 1456; BGH, GmbHR 2005, 53, 54 = NZG 2005, 41, 42 (unter II.2.b); Goette, DStR 1996, 709, 711; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 90; Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 59; H. Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 39; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22 m.w.N.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 138; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 133; s. auch Einl. Rdnr. 126. 4 Aufstellungen nach Ländern finden sich bei Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 12 Rdnr. 11 und Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 177 ff., jeweils m.w.N. 5 89/667/EWG, ABl. EG Nr. L 395 v. 30. 12. 1989, S. 40. 6 Kindler, NJW 1993, 3301, 3304; Winter, in: 9. Aufl., § 12 Rdnr. 41. 7 OLG München, NJW-RR 1993, 998. 8 Für eine (kalifornische) LLC: OLG Stuttgart, NZG 2001, 40, 43. 9 So in der Literatur auch Halm, GmbHR 1995, 576; Wright/Holland, NJW 1996, 95, 96; Bungert, Gesellschaftsrecht in den USA, S. 47ff. und Tabelle S. 61 ff.; typenmäßig ist die LLC vergleichbar mit einer Kommanditgesellschaft ohne persönlich haftenden Komplementär, der Sache nach also mit einer GmbH & Co. KG, vgl. v. Bonin, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl. 2006, § 10 Rdnr. 111 m.w.N.; a.A. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 12 Rdnr. 11 (vergleichbar mit GmbH). 10 Für Vergleichbarkeit Bungert, GmbHR 1993, 478; Bungert, Die GmbH im US-amerikanischen Recht – close corporation, 1993, S. 79 ff.; Ulmer, in: Hachenburg, 8. Aufl., § 12 Rdnr. 33; v. Bonin, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Aufl. 2006, § 10 Rdnr. 6; für Vergleichbarkeit mit der AG hingegen Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 12 Rdnr. 11; Winter, in: 9. Aufl., § 12 Rdnr. 41; offengelassen in OLG Stuttgart, NZG 2001, 40, 43.

1040

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

(s. unten Rdnr. 87); in Frankreich1, Italien2, Spanien3 und Belgien4 ist sogar eine formfreie Einigung über die Übertragung möglich. Keine Frage der Ortsform und deswegen für die Formwirksamkeit der Abtretung von GmbH-Anteilen nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB unerheblich sind die allein aus Beweisgründen vorgenommene notarielle Beurkundung (wie z.B. in Spanien5) oder zusätzliche gesellschaftsrechtliche Publizitätserfordernisse nach dem jeweiligen Landesrecht, wie die Übergabe von Anteilsscheinen6, die Zustimmung der Altgesellschafter oder die Eintragung der Übertragung in einem Anteilsbuch oder Register7 (wie z.B. in Frankreich8, Italien9 und Belgien10), da Formvorschriften kollisionsrecht1 Arlt, in: Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in 14 Rechtsordnungen Europas, S. 89, 97 f. m.w.N. 2 Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 100; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 97. 3 Grechenig, in: Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in 14 Rechtsordnungen Europas, S. 107, 115. 4 Bervoets, in: Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in 14 Rechtsordnungen Europas, S. 141, 148. 5 In Spanien wird die Übertragung von Anteilen der Sociedad de Responsabilidad Limitada in der Regel notariell beurkundet, um gegenüber der Gesellschaft, anderen Gesellschaftern und Dritten die Gesellschafterstellung nachweisen zu können. In der Satzung kann vorgesehen werden, dass ein Erwerber seine Gesellschafterrechte gegenüber der Gesellschaft nur ausüben kann, wenn er den Erwerb der Gesellschafterstellung durch öffentliche Urkunde nachgewiesen hat. Die Wirksamkeit der Übertragung hängt nach h.M. jedoch nicht von der Wahrung einer bestimmten Form ab, vgl. Grechenig, in: Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in 14 Rechtsordnungen Europas, S. 107, 116, 117 m.w.N. 6 So aber OLG Stuttgart, NZG 2001, 40, 43. 7 So aber Pilger, BB 2005, 1285, 1286 (zur Ortsform in der Schweiz). 8 So ist die Schriftform in Frankreich aufgrund bestimmter Publizitätserfordernisse zwar unentbehrlich, weil bei der Société à Responsabilité Limitée (SARL) für die Erlangung der Gesellschafterstellung im Verhältnis zu der Gesellschaft (mindestens) Schriftlichkeit und im Verhältnis zu Dritten die – nur durch Hinterlegung eines schriftlichen Dokuments erzielbare – Eintragung in das Handels- und Gesellschaftsregister erforderlich ist (vgl. Art. L 223-17 i.V.m. Art. L 221-14 Code de Commerce); außerdem kann zwischen Privatleuten der Beweis für die Übertragung eines Geschäftsanteils grundsätzlich nur durch schriftliche Urkunde geführt werden. Die Wirksamkeit der Übertragung zwischen den Parteien setzt gleichwohl nur eine (mündliche) Einigung voraus, vgl. Arlt, in: Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in 14 Rechtsordnungen Europas, S. 89, 97 f. Die genannten Publizitätserfordernisse zählen daher nicht zu den Formvorschriften im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB, vgl. Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 25. 9 Die für die Anteilsübertragung bei der italienischen Società a Responsabilità Limitata vorgesehene notarielle Beglaubigung einer Übertragungsurkunde (vgl. § 2469 Abs. 2 Codice Civile) ist (nur) für die Eintragung des Anteilsübergangs in das Unternehmensregister sowie das Gesellschafterbuch erforderlich, wobei letzteres Voraussetzung dafür ist, dass der Erwerber gegenüber der Gesellschaft als Anteilsinhaber gilt; die Übertragung ist aber auch ohne diese Maßnahmen zwischen den Parteien wirksam, allerdings bei fehlender Unternehmensregistereintragung mit dem Risiko eines gutgläubigen Erwerbs durch einen Dritten behaftet (vgl. § 2470 Abs. 3 Codice Civile). Auch hier handelt es sich wie bei der französischen SARL um Publizitätserfordernisse, die nicht zu den Formvorschriften im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB zählen, vgl. Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 25. 10 Während sich auch in Belgien der Anteilsübergang durch formfreie Willensübereinstimmung vollzieht, ist die Übertragung gegenüber Dritten und der Gesellschaft erst

H. Winter/Seibt

|

1041

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

lich lediglich dann vorliegen, wenn sie im Zusammenhang mit der Art und Weise der Erscheinungsform von Willenserklärungen stehen (z.B. Mündlichkeit, Schriftlichkeit, Beglaubigung, Beurkundung oder persönliche Anwesenheit)1. bb) Substitution bei Gleichwertigkeit der ausländischen Form 84

Eine Anteilsübertragung kann im Ausland auch dann wirksam vorgenommen werden, wenn dabei die deutsche Geschäftsform nach § 15 Abs. 3 beachtet wird. Bis zu einer endgültigen Klärung durch den BGH, ob Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB auf die Anteilsübertragung Anwendung findet (s. oben Rdnr. 82), ist dies der für die Praxis zu empfehlende Weg. Die Wahrung der notariellen Form i.S.d. § 15 Abs. 3 durch eine ausländische Urkundsperson2 (Substitution) setzt Gleichwertigkeit voraus, d.h. die Beurkundungsperson muss nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausüben und beim Beurkundungsvorgang ein Verfahrensrecht beachten, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht3. In personeller Hinsicht erfordert dies eine vergleichbare Ausbildung und ähnliche Haftungsregelungen4. In Bezug auf das Verfahren zu berücksichtigende Faktoren sind, ob bei der ausländischen Beurkundung vergleichbare Prüfungs- und Belehrungspflichten vorgesehen sind, ob die Identität der Beteiligten festzustellen ist, ob eine Verhandlungsniederschrift anzufertigen, vorzulesen und durch die Beteiligten zu genehmigen und zu unterzeichnen ist, sowie ob durch die Urkundsperson zu siegeln und unterzeichnen ist5. Entscheidend ist aber nicht detailgenaue Übereinstimmung der Rechtsfigur und des Verfahrens, sondern Funktionsäquivalenz6.

85

Bei der Übertragung von GmbH-Anteilen bezweckt § 15 Abs. 3 lediglich, den Handel mit Geschäftsanteilen zu erschweren und die Beweisführung zu erleich-

1

2

3

4

5 6

mit der ordnungsgemäßen Eintragung im Anteilsregister wirksam (vgl. Art. 233 Z 3 i.V.m. Art. 250 Code des sociétés/Wetboek van vennootschappen), vgl. Bervoets, in: Kalss, Die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen in 14 Rechtsordnungen Europas, S. 141, 149. Winkler von Mohrenfels, in: Staudinger, EGBGB/IPR 2000, Art. 11 Rdnr. 99, 112; Weller, BB 2005, 1807, 1808; Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 20, 25; näher Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 255. Zwar wäre eine Beurkundung durch einen deutschen Notar im Ausland formwirksam, der Wirkungskreis eines deutschen Notars ist aber auf das deutsche Hoheitsgebiet beschränkt, vgl. Großfeld, in: Staudinger, IntGesR 1998, Rdnr. 471. BGHZ 80, 76, 78 = NJW 1981, 1160; OLG Frankfurt a.M., OLGR Frankfurt 2005, 715 = GmbHR 2005, 764, 765 f. (m. Komm. Werner) = EWiR § 15 GmbHG 2/05, 727 (m. Anm. Klein/Theusing); Heldrich, in: Palandt, EGBGB (IPR) Art. 11 Rdnr. 7 m.w.N.; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 2 Rdnr. 22; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 97 m.w.N.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 141; weitergehend Schervier, NJW 1992, 593, 598. OLG Frankfurt a. M., GmbHR 2005, 764, 766 f.; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 252; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 125; a.A. Reithmann, NJW 2003, 385, 387 (entscheidend nur Gleichwertigkeit des ausländischen Verfahrens). Vgl. BGHZ 80, 76, 78 = NJW 1981, 1160. Vgl. BGHZ 109, 1, 6.

1042

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

tern (dazu oben Rdnr. 5 f.). Die ausländische Beurkundung ist gleichwertig, wenn diese Formzwecke gewährleistet werden1. So kommt es nicht vorrangig auf eine Belehrung durch die Notarsperson (§ 17 BeurkG) oder vertiefte Kenntnisse des deutschen Gesellschaftsrechts an2, da § 15 Abs. 3 – anders als etwa § 311b Abs. 1 BGB – keine Warnfunktion hat (s. oben Rdnr. 77) und § 17 Abs. 1 BeurkG als bloße Sollvorschrift ausgestaltet ist. Die Beteiligten, deren Schutz § 17 BeurkG alleine dient3, bringen durch die Beurkundung im Ausland zum Ausdruck, dass sie den nach dem ausländischen Recht vorgesehenen Belehrungsumfang für ausreichend erachten und auf den Schutz der Belehrung nach § 17 BeurkG verzichten4. Der mit einer Auslandsbeurkundung häufig – aber nicht notwendigerweise (Vertretungslösungen!) – verbundene Reiseaufwand ist indes nicht geeignet, zur Begründung der Gleichwertigkeit bei Anteilsübertragungen herangezogen zu werden5, da dies weder eine Frage der Vorbildung oder Stellung der Notarsperson noch eine Frage des Beurkundungsverfahrens ist. Für die in der Praxis häufig aufgesuchte Schweiz ist die Gleichwertigkeit für den jeweiligen Kanton festzustellen6. Vom BGH anerkannt wurde die Gleichwertigkeit im Kanton Zürich-Altstadt im Falle einer Satzungsänderung7. Gleichwertigkeit wird danach erst Recht für die Anteilsübertragung anzunehmen sein, da mit § 15 Abs. 3 im Gegensatz zu § 53 Abs. 2 kein Übereilungs-

1 OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 721; OLG Frankfurt a.M., GmbHR 2005, 764, 766; Weller, BB 2005, 1807, 1808 f.; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 252; ähnlich Reithmann, NJW 2003, 385, 388. 2 Weller, BB 2005, 1807, 1808 f.; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 252; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 76 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 142; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 136; a.A. OLG Hamburg, EuZW 1993, 612, 613 = NJW-RR 1993, 1317, 1318 f. 3 Kröll, ZGR 2000, 111, 135 ff., 139 ff.; Behrens, in: Ulmer, Einl. B Rdnr. 142. 4 BGHZ 80, 76, 78 = NJW 1981, 1160 = GmbHR 1982, 83; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rdnr. 77; Benecke, RIW 2002, 280, 285; Kröll, ZGR 2000, 111, 131 ff.; Reuter, BB 1998, 116; Goette, DStR 1996, 709, 713, der sich jedoch differenzierend bei Verfassungsakten gegen die Möglichkeit eines Verzichts der Parteien auf Belehrung durch den deutschen Notar ausspricht. 5 So Weller, BB 2005, 1807, 1809 (mit dem Hinweis, dass hierdurch der Handel mit GmbH-Anteilen gleichermaßen erschwert werde). 6 In seiner Allgemeinheit daher nicht überzeugend BGH, NJW-RR 1989, 1259, 1261. 7 BGHZ 80, 76, 78 = NJW 1981, 1160 (Satzungsänderung); zunehmend wird die Gleichwertigkeit dagegen bei statusrelevanten, d.h. in die Verfassung der Gesellschaft eingreifenden Akten (Satzungsänderungen, Umwandlungsvorgänge, etc.), abgelehnt, vgl. OLG Hamm, NJW 1974, 1057, 1058 f. (Satzungsänderung); OLG Karlsruhe, RIW 1979, 567, 568; LG Augsburg, GmbHR 1996, 941 (Verschmelzung); AG Köln, GmbHR 1990, 172 (Zustimmungsbeschluss zu Gewinnabführungsvertrag); dazu Goette, DStR 1996, 709; Goette, in: FS Boujong, 1996, S. 131; nach dem Rundschreiben 3/96 – Sonderrundschreiben vom 30. 7. 1996 – der Notarkammer Frankfurt am Main verweigert das AG Frankfurt am Main die Eintragung von Satzungsänderungen, wenn die Beurkundung durch einen ausländischen Notar vorgenommen worden ist; auch das AG Hamburg hat es mit Schreiben an den Präsidenten der Hamburgischen Notarkammer vom 9. 2. 2005 (Az. 383.0 E2) zu seiner einheitlichen Praxis erklärt, Auslandsbeurkundungen bei Satzungsänderungen und anderen in die Verfassung von Gesellschaften eingreifenden Akten nicht mehr anerkennen und die Handelsregistereintragung daher verweigern zu wollen; vgl. auch § 2 Rdnr. 18 ff. und § 53 Rdnr. 71 ff.

H. Winter/Seibt

|

1043

86

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schutz bezweckt ist1. Bejaht wurde die Gleichwertigkeit außerdem für die Beurkundung von Anteilsabtretungen in Basel-Stadt2. Ältere, die Gleichwertigkeit bejahende Urteile zu Bern3, Luzern4 und Zug5 sind für die Unternehmenspraxis nicht belastbar, da hier die Grundsätze zur Gleichwertigkeit aus BGHZ 80, 76 noch nicht berücksichtigt werden konnten6. Von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurde zudem die Beurkundung in Österreich7 und in den Niederlanden8 für gleichwertig befunden. In der Literatur wird Gleichwertigkeit außerdem angenommen für andere Schweizer Notare (deutschsprachige Kantone) und die Notare des sog. lateinischen Notariats (insbes. Frankreich, Belgien, Italien, Spanien)9. Gleichwertigkeit ist abzulehnen bei einer Beurkundung durch einen US-amerikanischen notary public, da dieser mangels juristischer Kompetenz nicht mit einem deutschen Notar vergleichbar ist10. 87

Keinen Einfluss auf die Beurteilung der Gleichwertigkeit einer Beurkundung durch einen Schweizer Notar hat die Ende 2005 beschlossene Reform des Schweizer GmbH-Rechts11. Die voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2007 in Kraft tretende Änderung des Obligationenrechts gibt das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung für die Abtretung von GmbH-Anteilen (Art. 791 Abs. 4 OR a.F.) auf und sieht stattdessen nur noch Schriftform vor (Art. 785 OR n.F.)12. Änderungen des Notars- und Beurkundungsrechts sind damit allerdings nicht verbunden, so dass Beurkundungsperson und -verfahren wie bisher zu charakterisieren sind. Ob die ausländische Rechtsordnung für die Anteilsübertragung zwingend eine notarielle Beurkundung vorsieht oder ob eine solche lediglich freiwillig erfolgen kann, ist für die Beurteilung der Gleichwertigkeit nach deutschem Recht unerheblich, da es bei Gleichwertigkeit und Substitution um die Wahrung der deutschen Geschäftsform geht; auf die ausländische Geschäftsform kommt es gerade nicht an.

88

Angesichts der verbleibenden Unsicherheiten hinsichtlich der Anerkennung der Gleichwertigkeit sollte auch bei Auslandsbeurkundungen in der Schweiz 1 Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 252 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 135. 2 OLG München, GmbHR 1998, 46; mit ausführlicher Begründung OLG Frankfurt a.M., OLGR Frankfurt 2005, 715 = GmbHR 2005, 764, 767 (m. Anm. Werner) = EWiR § 15 GmbHG 2/05, 727 (mit zustimmender Anm. v. Klein/Theusing). 3 OLG Hamburg, IPRspr 1979, Nr. 9. 4 LG Koblenz, IPRspr 1970, Nr. 144. 5 LG Stuttgart, IPRspr. 1976, Nr. 5a. 6 Hohloch, in: Hohloch, Art. 11 EGBGB Rdnr. 19; Reichert/Weller, DStR 2005, 250, 253. 7 LG Kiel, GmbHR 1997, 952. 8 OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2200, allerdings im Ergebnis offengelassen. 9 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16, § 2 Rdnr. 16; vgl. auch die Nachweise bei Brück, DB 2004, 2409, 2411; Mäsch, in: Bamberger/Roth, BGB, Art. 11 EGBGB Rdnr. 36; Janssen/Robertz, GmbHR 2003, 434, 437. 10 OLG Stuttgart, GmbHR 2000, 721; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR 1998, Rdnr. 472. 11 Beschluss der Bundesversammlung vom 16. Dezember 2005 zur Änderung des Obligationenrechts (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht), Bundesblatt 2005, S. 7289. 12 Vgl. zur Gesetzesbegründung auch Ziffer 2.1.2.1 der Botschaft zur Revision des Obligationenrechts (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht) vom 19. 12. 2001, Bundesblatt 2002, S. 3148, 3184 f.

1044

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

im Hinblick auf die Formulierung in BGHZ 80, 76 (oben Rdnr. 86) sicherheitshalber darauf geachtet und dokumentiert werden, dass die Urkunde verlesen wird, die Haftung des Notars nicht ausgeschlossen wird und nur solche Notare mit der Beurkundung betraut werden, die bereits Erfahrung mit derartigen Rechtsgeschäften haben.

3. Inhalt Inhaltlich bezieht sich der Formzwang des § 15 Abs. 3 auf alle Abreden, die Bestandteil des Abtretungsvertrages sind1. Die Auslegung der beurkundeten Erklärungen muss unzweideutig ergeben, dass der Parteiwille unmittelbar auf den Rechtsübergang abzielt; es brauchen aber weder die Worte „abtreten“ oder „übertragen“ verwendet werden, noch muss das sonst ausdrücklich gesagt sein2. „A verkauft seinen GeschAnteil an B“ ist genügend, falls nicht der sonstige Urkundeninhalt ergibt, dass ein sofortiger Rechtsübergang nicht stattfinden soll. Schuldrechtliches und dingliches Rechtsgeschäft fallen hier zusammen3. Wird zugleich beurkundet, dass der Kaufpreis bezahlt sei, so lässt dies den Schluss zu, dass die Parteien den Verkauf als erfüllt ansehen; die Urkunde enthält dann zugleich die dingliche Abtretung. Die Annahme kann sich ebenso aus den Umständen der Erklärungen ergeben4. Auch „Aufhebung“ eines Abtretungsvertrages bedeutet Übertragung. Gleichgültig ist, ob die Urkunde daneben oder auch in erster Linie für andere Erklärungen bestimmt ist5. Daher kann auch im Gründungsstatut die Einbringung eines GeschAnteils (an einer anderen GmbH) als Sacheinlage mit Abtretungswirkung erklärt werden, wobei der Beurkundungsform aus § 15 Abs. 3 die Form aus § 2 entspricht. Der Rechtsgrund der Abtretung braucht nicht mitbeurkundet zu werden, um die Abtretungswirkung zu erzielen. Es muss zweifelsfrei feststellbar sein, welcher GeschAnteil übergehen soll (Bestimmtheitsgrundsatz). Besitzt der Abtretende mehrere GeschAnteile, indem er neben seinem ursprünglichen andere gem. § 15 oder Teile von Anteilen (§ 17) hinzuerworben hat, so ist demzufolge derjenige Anteil hinreichend genau zu bezeichnen, den er ganz oder teilweise übertragen will. Eine zusammenfassende Bezeichnung bei Abtretung mehrerer GeschAnteile kann genügen, wenn keine ernsthaften Zweifel am Übertragungsgegenstand bestehen6. Unzureichend ist aber eine bloß summenmäßige Angabe, wenn aus ihr nicht hinreichend klar erkennbar ist, welche seiner unterschiedlich großen GeschAnteile der Veräußerer übertragen wollte; unerheblich ist dabei, dass sie verhältnismäßig gleiche Rechtspositionen vermitteln. Mangelt es an der erforderlichen Bestimmtheit des Abtretungsgegenstands, so ist der Vertrag nichtig7. Die Formbe1 Dazu Wiesner, S. 97. 2 RGZ 68, 397; KG, DR 1941, 1087. 3 Vgl. auch RGZ 83, 179; OLG Rostock, OLG 40, 434; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 112; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22. 4 KG, DNotZ 1953, 255. 5 RGZ 68, 397; RG JW 1914, 250; KG, JFG 22, 216. 6 BGH, NJW-RR 1987, 807; KG, GmbHR 1997, 603, 605; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 75 f. 7 RG, JW 1930, 2680; 1932, 1008; GmbHRspr. IV § 15 R. 45; OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668; KG, GmbHR 1997, 603, 605; OLG Brandenburg, GmbHR 1998, 935;

H. Winter/Seibt

|

1045

89

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

dürftigkeit nach § 15 Abs. 3 steht der Wirksamkeit des Abtretungsvertrages nicht entgegen, wenn die Parteien den abgetretenen GeschAnteil, den sie übereinstimmend meinen, nur unrichtig bezeichnet haben1. Die Person des Erwerbers muss im Abtretungsvertrag ebenfalls bestimmt sein2; bloß unrichtige Bezeichnung der von den Parteien gemeinten Person ist auch hier unschädlich3. Auch Nebenabreden der Abtretung (z.B. über Befristungen oder Bedingungen des Übergangs, über die Anmeldung bei der GmbH, über Gewinnansprüche u.a.), die aber von solchen des Verpflichtungsgeschäfts zu unterscheiden sind4, sind formbedürftig5. Die notarielle Urkunde hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich6. Die Auswirkungen der Formrichtigkeit einer Nebenabrede (§ 125 Satz 1 BGB) auf den Abtretungsvertrag beurteilen sich nach § 139 BGB. Änderungen des Abtretungsvertrages unterliegen der Form des § 15 Abs. 37. Bei einer aufschiebend bedingten Abtretung kann der durch die Bedingung Alleinbegünstigte auf sie einseitig durch eine formfreie, empfangsbedürftige Erklärung verzichten8.

4. Verhältnis der Abtretung zur Verpflichtung 90

Das dingliche Abtretungsgeschäft ist vom schuldrechtlichen Grundgeschäft zu unterscheiden, das die Verpflichtung zur Abtretung begründet (s. Rdnr. 47 ff.). Es unterliegt, soweit es sich um einen verpflichtenden Vertrag (Rdnr. 48, 50) handelt, nach § 15 Abs. 4 Satz 1 ebenfalls der notariellen Form. Die gemeinsame Beurkundung beider Verträge kann deshalb in vielen Fällen aus Zeit- und Kostengründen (§ 44 KostO) zweckmäßig sein. Die Gültigkeitsmängel des Grundgeschäfts berühren im Allgemeinen nicht die Rechtswirksamkeit der Abtretung. Vielmehr ist der Erwerber dann nach Bereicherungsrecht (§§ 812, 818 BGB) zur Rückübertragung verpflichtet (Rdnr. 91). Etwas anderes gilt, wenn die Gültigkeitsmängel das Grundgeschäft und die Abtretung gleichermaßen betreffen (z.B. eine arglistige Täuschung) oder wenn die Wirksamkeit des Grundgeschäfts ausdrücklich oder stillschweigend zur Abtretungsbedingung gemacht worden ist oder wenn beide Verträge als einheitliches Geschäft i.S. des § 139 BGB gewollt sind9, was aber auch

1 2 3

4 5

6 7 8 9

Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 22; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19. RG, GmbHRspr. IV § 15 R. 68. RG, JW 1932, 1009. Unrichtig OLG Karlsruhe, Bad. Rspr. 1912, 63 u. Vogel, Anm. 6, die Formnichtigkeit annehmen, wenn in der Vertragsurkunde als Erwerber die Gesellschaft genannt, aber Abtretung an deren Alleingesellschafter gewollt war. RGZ 68, 394, 397. Vgl. RG, LZ 1920, 652; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 75; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 153. OLG München, NJW 1967, 1326, 1328 nimmt zu Unrecht „bloße Einschränkungen der Haupterklärung“ aus. BGH, ZIP 1998, 384, 385. BGH, GmbHR 1989, 194, 195; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 75; einschr. für „unwesentliche Änderungen“ RG, DR 1940, 1292. BGH, GmbHR 1989, 194, 195; KG, NZG 2001, 508; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 123; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 135. RGZ 76, 306, 311; 79, 182, 184 f.; OLG München, BB 1996, 1296, 1297; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 140; gegen diese Möglichkeit grundsätzlich Flume, Das Rechtsgeschäft, 1965, S. 177 ff.; Roth, in: Staudinger, BGB, § 139 Rdnr. 54.

1046

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

bei Aufnahme in dieselbe Urkunde noch nicht ohne weiteres angenommen werden kann1. Eine Besonderheit ergibt sich allerdings bei einem Formmangel des Grundgeschäfts, da dieser nach § 15 Abs. 4 Satz 2 durch die formgerechte und ordnungsgemäße Abtretung geheilt wird (Rdnr. 69 ff.) und daher dessen Wirksamkeit nicht berühren kann2, und zwar auch nicht bei einer gemeinsamen Beurkundung der Geschäfte3.

5. Rückübertragung Die Rückübertragung des GeschAnteils bedarf ebenfalls der Form aus § 15 Abs. 3. Dies gilt z.B., wenn bei einer Veräußerung ein Rückkauf vereinbart war. Aber auch wenn zu Sicherungs- oder Treuhandzwecken übertragen war (Rdnr. 227 ff.), fällt nach Erfüllung des Zwecks und vereinbarter Aufhebung der Treuhänderstellung der GeschAnteil grundsätzlich nicht von selbst an den Übertrager zurück4; anders ist es nur, wenn der GeschAnteil unter einer auflösenden Bedingung, z.B. der Rückzahlung des gesicherten Darlehens, abgetreten worden war5. Zweifelhaft ist jedoch, ob die Verpflichtung zur Rückübertragung gem. § 15 Abs. 4 Satz 1 beurkundet sein muss, um zur Rückübertragung zu zwingen (Rdnr. 61).

91

6. Formfreie Geschäfte Nur der Übergang des GeschAnteils durch Abtretung unterliegt der Form des § 15 Abs. 3. Die Vorschrift ist daher nicht anwendbar auf:

92

a) Anteilsübergang ohne Abtretung Dazu gehört in erster Linie der Erwerb des GeschAnteils im Wege der Gesamtnachfolge, die aber nur in den gesetzlich bestimmten Fällen eintritt. Außer der Erbfolge (§ 1922 BGB) kommen vor allem in Betracht: Der Übergang des Vermögens jedes Ehegatten in das Gesamtgut bei der Gütergemeinschaft (§ 1416 BGB), wobei zu beachten ist, dass auch der später durch einen von ihnen zuerworbene GeschAnteil ohne Übertragung gemeinschaftlich wird, sofern er nicht ausnahmsweise Vorbehaltsgut ist (§ 1418 BGB); soll aber ein GeschAnteil, der zum Vorbehaltsgut gehört, danach in das Gesamtgut überführt werden, so ist seine Abtretung in der Form des § 15 Abs. 3 erforderlich. Ebenso ist Gesamtnachfolge gegeben, wenn bei der Verschmelzung (§§ 2 ff. UmwG), der Spaltung (§§ 123 ff. 1 Entgegen OLG München, BB 1996, 1296, 1297 ist dem auch kein Indiz für einen Einheitswillen zu entnehmen. 2 Anders kann es liegen, wenn im Abtretungszeitpunkt die Willensübereinstimmung bezüglich des Grundgeschäfts nicht mehr bestand; dazu OLG München, BB 1996, 1296, 1297 u. oben Rdnr. 71. 3 BGH, GmbHR 1983, 268; 1989, 194, 195; 1993, 106; BGHZ 127, 129, 132. Weitere Nachw. bei Rdnr. 72. 4 BGHZ 31, 266; BGH, WM 1955, 1447. 5 RGZ 79, 182, 185; KG, GmbHR 1997, 603, 605; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. II, 1, 1965, S. 472; Müller, Die Sicherungsabtretung von GmbHAnteilen, 1969, S. 7 f.; Däubler, S. 246; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57.

H. Winter/Seibt

|

1047

93

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

UmwG) und der Vermögensübertragung (§§ 174 ff. UmwG) das Gesellschaftsvermögen ganz oder teilweise kraft Gesetzes übergeht; nicht hierzu ist der Formwechsel (§§ 190 ff. UmwG) zu rechnen, da sich bei ihr nur die Rechtsform der Gesellschaft ändert, der Vermögensträger aber nicht wechselt1. Zu nennen ist weiter der Erwerb des Geschäftsanteils durch dingliche Surrogation (z.B. nach §§ 718 Abs. 2, 1418 Abs. 2 Nr. 3, 1473, 1638 Abs. 2, 1646, 2019, 2041, 2111 Abs. 1 BGB). Schließlich kommt in Betracht der Übergang einer gesamthänderischen Mitinhaberschaft an den Gegenständen des Sondervermögens durch die Übertragung eines Erbteils (§ 2033 BGB) oder des Gesellschaftsanteils an einer Personengesellschaft2 und durch Anwachsung infolge des Eintritts oder Ausscheidens des Gesellschafters einer Personengesellschaft (§ 738 Abs. 1 Satz 1 BGB, §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB) sowie der Anfall des gesamten Gesellschaftsvermögens einer Personengesellschaft an einen Gesellschafter analog § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB durch Anwachsung3, wenn dieser nach § 142 HGB oder auf Grund des Gesellschafts- oder des Auseinandersetzungsvertrages unter Ausschluss der Liquidation zur Übernahme des „Geschäfts“ mit Aktiven und Passiven berechtigt ist4. Wird dagegen das Gesamthandsvermögen einer Erbengemeinschaft oder einer Personengesellschaft in Natur unter deren Mitglieder verteilt und soll dabei eines von ihnen einen GeschAnteil erhalten, so muss das durch Abtretung in der Form des § 15 Abs. 3 geschehen (Rdnr. 78)5; dasselbe gilt, wenn der GeschAnteil unter die Mitglieder real aufgeteilt werden soll (s. dazu § 17 Rdnr. 8, 31 ff.). Die Übertragung des im Wege der Zwangsvollstreckung versteigerten GeschAnteils erfolgt durch Hoheitsakt des Gerichtsvollziehers, auf den § 15 Abs. 3 nicht anwendbar ist; wohl aber unterliegt der gerichtlich angeordnete freihändige Verkauf der vorgeschriebenen Form6. Die Vorschrift des § 15 Abs. 3 greift ebenfalls nicht ein beim Erwerb eines kaduzierten GeschAnteils nach § 22 Abs. 4 und durch die GmbH bei Unverkäuflichkeit (s. Erl. zu § 23). b) Andere Abtretungsverträge 94

Nicht unter § 15 Abs. 3 fällt die Abtretung von vermögensrechtlichen Ansprüchen des Gesellschafters, die ihm auf Grund seiner Mitgliedschaft gegen die Gesellschaft zustehen7. Entgegen der BGH-Rechtsprechung8 und der nun h.M. 1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 120. 2 BGHZ 44, 229, 231; 81, 82, 84; 98, 48, 50; Wiedemann, S. 51 ff.; Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 349 ff.; Flume, Die Personalgesellschaft, 1977, § 17; Flume, in: FS Larenz, 1973, S. 769 ff.; K. Schmidt, GesR, § 45 III 2. 3 BGHZ 32, 315; 50, 309; hierzu auch ausführlich Seibt, in: FS Röhricht, 2005, S. 603 ff. 4 Zu bejahen auch für die BGB-Gesellschaft; vgl. BGHZ 32, 314 ff.; BGH, LM § 737 BGB Nr. 2; Ulmer, in: MünchKomm. BGB, § 738 Rdnr. 11; Huber, S. 67 ff. m.w.N. 5 Eb. Feine, S. 379; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11, 25; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 115. 6 RGZ 164, 169 ff. u. unten Rdnr. 207. 7 RGZ 82, 170; BGH, ZIP 1983, 1327; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 124; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 27 a.E.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17. Vgl. auch oben Rdnr. 20. 8 BGHZ 75, 352, 354 ff.

1048

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

in der Literatur1 ist die Abtretung des schuldrechtlichen Anspruchs auf Übertragung eines GeschAnteils grundsätzlich formfrei gültig, es sei denn, es liegt eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung in der Weise vor, dass die Abtretung des schuldrechtlichen Übertragungsanspruchs die des GeschAnteils ersetzen soll2. Es ist nicht gerechtfertigt, den Wortlaut von § 15 Abs. 3 unter Hinweis auf den – im Übrigen rechtspolitisch bedenklichen – Gesetzeszweck einer Vermeidung eines spekulativen (und formlosen) Anteilshandels zu ignorieren, und die Mehrheitsmeinung steht auch im Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung, derzufolge sowohl die Abtretung des Rückübertragungsanspruchs des Treugebers an einen neuen Treuhänder3 als auch die Abtretung des Anspruchs auf Auflassung eines Grundstücks nicht formbedürftig sind4. Eine analoge Anwendung von § 15 Abs. 3 entbehrt einer gleichen Wertungsbasis, da die bloße Gläubigerstellung die Anteilsinhaberschaft weder rechtlich noch wirtschaftlich ersetzen kann und deshalb ungeeignet ist, anstelle des GeschAnteils als Handelsobjekt zu dienen.

7. Vollmacht zur Abtretung Die Vollmacht zur Abtretung bedarf, im Gegensatz zu § 2 Abs. 2, nach der Regel des § 167 Abs. 2 BGB nicht der notariellen Form5. Dasselbe gilt für die Genehmigung (§ 182 Abs. 2 BGB) beim Abschluss durch einen vollmachtlosen Vertreter (§ 177 Abs. 1 BGB) oder durch einen Nichtberechtigten (§ 185 BGB)6. Entgegen dem RG7 ist die Ermächtigung zum „Kontrahieren mit sich selbst“ (§ 181 BGB) formlos gültig8. Die Form des Abtretungsvertrages (§ 15 Abs. 3) ist auch dann gewahrt, wenn eine Person als Veräußerer (oder Erwerber) für sich und zugleich für den anderen Vertragsteil die urkundlichen Erklärungen abgibt, ebenso wie auch ein Dritter allein auftreten kann, der sowohl vom Veräußerer wie vom Erwerber bevollmächtigt ist. Dagegen werden formlose Blankovoll-

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 67; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 26; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 30; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 87; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 79; Schlüter, in: FS Bartholomeyczik, S. 359, 362 ff.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 156; Feine, S. 383 f.; Ganßmüller, GmbHR 1956, 44. 2 So auch RGZ 80, 102 f.; RG, JW 1912, 110; RG, Recht 1917 Nr. 84; Brodmann, Anm. 3; Vogel, Anm. 5. 3 BGHZ 19, 71 f.; BGHZ 75, 352, 353; zust. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 197 a.E. 4 RGZ 53, 268; RGZ 111, 298, 300; BGH, WM 1984, 337. 5 RGZ 87, 248; 135, 71; BGHZ 13, 51; 19, 72; 75, 353; BGH, BB 1997, 1277; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 85; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23. 6 BGH, WM 1989, 256, 259; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 86; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 89. Erst recht gilt dies für eine Pflicht zur Genehmigung; s. BGH, GmbHR 1996, 919, 920. 7 RGZ 87, 248; RG, JW 1916, 575; eb. Brodmann, Anm. 1d; Vogel, Anm. 5. 8 So BGHZ 13, 52 f.; 19, 72; Feine, S. 380; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 85; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 89; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21.

H. Winter/Seibt

|

1049

95

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

machten, mögen sie eine Befreiung von § 181 BGB enthalten oder nicht, die zur Umsetzung von GeschAnteilen von Hand zu Hand gehen, als dem Zwecke des § 15 Abs. 3 widersprechend nichtig sein1. Aber selbst dann, wenn die Form eingehalten ist, muss nach dem Gesetzeszweck diese Rechtsfolge eintreten2. 96

Ob die unwiderrufliche Vollmacht zur Abtretung eines GeschAnteils der förmlichen Beurkundung bedarf, ist zwar bestritten3, aber zu verneinen. Denn im Gegensatz zu der gelegentlich in diesem Zusammenhang genannten Formvorschrift des § 313 BGB, die vor übereilten Verpflichtungen schützen soll, ist die Bindung gegenüber dem Bevollmächtigten nach dem Zweck des § 15 Abs. 3 rechtsunerheblich; die „größere Nähe zum Verfügungsgeschäft“, auf die sie außerdem hinweist, ist nicht geeignet, einen Formzwang für die Vollmacht zu begründen.

8. Gesellschafter 97

Der notariellen Form bedarf nach § 15 Abs. 3 die Abtretung „durch Gesellschafter“, also des materiell Berechtigten. „Gesellschafter“ ist diejenige Person, die ursprünglich (bei Gründung oder Kapitalerhöhung) oder kraft Gesetzes (z.B. infolge von Erbschaft oder Verschmelzung von Gesellschaften, s. Rdnr. 24 ff., 93) oder rechtsgeschäftlich einen GeschAnteil erworben hat; unerheblich ist, ob die Person nach § 16 bei der Gesellschaft angemeldet ist. Bei eigenen Anteilen der GmbH unterliegt der Erwerb nach § 33 Abs. 2 ebenso wie eine Weiterabtretung dem Formzwang4. Das gilt auch für einen freihändigen Verkauf durch die GmbH im Kaduzierungsverfahren (§§ 21, 23) und im Abandonfall (§ 27)5. Der Formzwang gilt dagegen nicht bei der Übertragung eines zwangsversteigerten GeschAnteils kraft Hoheitsakts, wohl aber bei der Verwertung durch gerichtlich angeordneten Zwangsverkauf6.

1 BGHZ 13, 53; 19, 72; 75, 353; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 85; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 94; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 89; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. 2 Schilling, JZ 1954, 635 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 85 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 94; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 21; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 89; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 166; Kallmeyer, in: GmbH-Hdb. I Rz. 974; a.M. Trautmann, GmbHR 1985, 78; Meyer-Landrut, Rdnr. 29. 3 Bejahend R. Fischer, GmbHR 1952, 114; s. auch Trautmann, GmbHR 1985, 78 f.; verneinend RGZ 135, 70; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 85; Schlüter, S. 374; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 23; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 89; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 36. 4 RG, JW 1907, 370, RG, DJZ 1909, 828; KG, Recht 1907, 1898; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 129; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 129; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 24 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 80 u. § 23 Rdnr. 10; a.M. RG, JW 1907, 370. Vgl. auch § 23 Rdnr. 9. 6 RGZ 164, 169 ff. sowie RGZ 44, 175, 184.

1050

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

9. Folgen formgerechter Beurkundung a) Heilung des Verpflichtungsgeschäfts und Anteilsübergang Die Folgen formgerechter Beurkundung des Abtretungsvertrages sind (i) Heilung der mangelnden Form eines auf Abtretung gerichteten schuldrechtlichen Vertrags (§ 15 Abs. 4 Satz 2) und (ii) Übergang des GeschAnteils auf den Erwerber im Zeitpunkt der beendeten Beurkundung. Im Falle des § 15 Abs. 5 müssen freilich die „weiteren Voraussetzungen“ erst erfüllt sein. Die Wirkung der Abtretung zeigt sich insbesondere darin, dass, auch ohne erfolgte Anmeldung, der Veräußerer nun nicht mehr an einen Dritten wirksam abtreten kann, und dass überhaupt Dritten gegenüber, ohne Rücksicht auf § 16, der Erwerber Anteilseigner ist. Nur noch der Erwerber kann den Anteil verpfänden, und nur dessen Gläubiger können ihn pfänden. Gerät der Erwerber in Insolvenz, so gehört der GeschAnteil zur Insolvenzmasse, und der Insolvenzverwalter kann ihn veräußern. Nur im Verhältnis zur Gesellschaft gilt § 16. Sind in derselben Urkunde schuldrechtliche Abreden beurkundet und sind diese, z.B. wegen Scheins, nichtig (§ 117 BGB), so ändert dies an der Wirksamkeit der Abtretung nichts; gleichzeitig werden die wirklich gewollten, also die formlos getroffenen, nicht die zum Schein beurkundeten Abreden wirksam1. Entsprechendes ist auch für unvollständig oder unrichtig beurkundete Verpflichtungsgeschäfte anzunehmen2. Aus § 15 Abs. 4 Satz 2 folgt zugleich, dass Änderungen und Ergänzungen des Verpflichtungsgeschäfts, die nach der formgerechten Abtretung des GeschAnteils vereinbart werden, formfrei wirksam sind3. Näheres dazu unten Rdnr. 69 ff.

98

b) Selbständigkeit der Geschäftsanteile (§ 15 Abs. 2) Jeder GeschAnteil behält seine Selbständigkeit, wenn ein Gesellschafter zu seinem bisherigen GeschAnteil weitere hinzuerwirbt; § 15 Abs. 2. Grund dieser Vorschrift ist4, dass bei nicht vollbezahlter Stammeinlage der Rückgriff auf vorhandene Vormänner zulässig sein muss, und dass dem zahlenden Vormann der GeschAnteil zurückgegeben ist (§ 22). Dies trifft auch für den Fall statutarischer Nachschusspflicht zu, falls ein gleicher Rückgriff hier möglich ist (§ 28). Die Vorschrift gilt grundsätzlich für alle Fälle des Hinzuerwerbs, also auch im Falle von KapErhöhung (§ 55 Abs. 3; für die KapErhöhung aus Gesellschaftsmitteln s. jedoch § 57h Abs. 1), durch Erbfolge usw. Die Verschmelzung mehrerer in einer Hand befindlicher GeschAnteile findet demzufolge nicht statt, und jeder Anteil behält seinen Nennbetrag. Dies gilt auch für den Fall, dass ein veräußerter GeschAnteil oder ein gem. § 17 veräußerter Teil eines GeschAnteils an den früheren Inhaber rückübertragen wird (Form aus § 15 Abs. 3, 5

1 RGZ 112, 239 f.; 168, 296; BGH, NJW 1983, 1843; GmbHR 1993, 106; 1994, 869 f.; OLG Hamburg, GmbHR 1953, 90, 91. 2 BGH, WM 1979, 1258, 1259; NJW 1983, 1843; GmbHR 1993, 106; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 98; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 36; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; a.M. OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668. 3 RGZ 88, 65; RG, DR 1940, 1292; BGH, LM § 15 Nr. 5. 4 Begr. I S. 60, 61.

H. Winter/Seibt

|

1051

99

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

erforderlich). Ein Teilgeschäftsanteil wird nach seiner Veräußerung ein selbständiger Anteil und bleibt dies auch, wenn er rückübertragen wird. c) Wirkungen im Verhältnis zur Gesellschaft 100

Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt neben dem § 15 auch § 16. Danach tritt die Wirkung hier erst mit der Anmeldung der Abtretung bei der Gesellschaft ein. d) Kein Gutglaubensschutz Schrifttum: Grau, Lücken im Schutz des gutgläubigen Rechtsverkehrs bei unwirksamer Übertragung von GmbH-Anteilen, in: FS Oberneck, 1929, S. 174; Grunewald/ Gehling/Rodewig, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Anteilen, ZIP 2006, 685; Hohner, Die Bereinigung fehlerhafter GmbH-Anteile, in: FS Barz, 1974, S. 147; Kühn, Gutgläubiger Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen?, GmbHR 1970, 201; Rodewald, Die Legitimation des Veräußerers von Geschäftsanteilen als GmbH-Gesellschafter, GmbHR 1995, 718; Scholz, Formnichtigkeit und Arglisteinrede, NJW 1950, 81.

101

Ein Schutz des guten Glaubens in dem Sinne, dass auf Grund formgerechten Abtretungsvertrags der GeschAnteil auch dann erworben würde, wenn er nicht dem Veräußerer gehörte, dieser z.B. den Anteil vorher an einen anderen abgetreten hatte, oder dass dingliche Rechte am GeschAnteil (Pfandrechte, Nießbrauch) nicht vorhanden seien oder erlöschen, ist nach geltendem Recht nicht gegeben1. Denn die Schutzvorschriften in §§ 932, 936 BGB, § 366 HGB gelten nur für „bewegliche Sachen“, zu denen Mitgliedschaftsrechte, also auch GeschAnteile, nicht gehören. Auch die §§ 404–413 BGB gewähren insoweit keinen Schutz. Der Abtretungsempfänger wird, sofern der Berechtigte den Erwerb nicht später gem. § 185 Abs. 2 BGB genehmigt2, nicht Inhaber des GeschAnteils. Dasselbe gilt, wenn der Anteil vorher kaduziert (§ 21) oder der Gesellschaft zur Verfügung gestellt (abandonniert) war (§ 27). Pfandrechte am GeschAnteil gehen auf den Erwerber über, auch wenn er sie nicht kannte. Ebenso hindert ein schuldrechtlicher Veräußerungsvertrag nicht, dass später an einen Dritten wirksam abgetreten wird (s. Rdnr. 67). Der Umstand, dass ein Anteilschein (§ 14 Rdnr. 64) ausgestellt ist, ändert nichts. § 405 BGB ist nicht anwendbar. Beim Kauf von GeschAnteilen ist daher, wie beim Kauf von Forderungen und anderen „Rechten“, Vorsicht geboten. Die Gesellschaft ihrerseits ist durch § 16 geschützt.

102

Zu Reformvorschlägen zur Gewährleistung eines Gutglaubensschutzes s. Rdnr. 9, § 16 Rdnr. 51 f. e) Nichtigkeit und Willensmängel

103

Während aus dem BGB herzuleitende Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe für die Übernahme einer Einlage bei der Gründung oder einer KapErhöhung nach 1 Dazu Grau, in: FS Oberbeck, 1938, S. 173; Kühn, GmbHR 1970, 201; Hohner, in: FS Barz, 1974, S. 147; Hofmann, GmbHR 1979, 97; Rodewald, GmbHR 1995, 718, jeweils m.w.N. 2 Vgl. BGH, GmbHR 1960, 45.

1052

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

deren Eintragung in das HandReg. nur noch sehr beschränkt gelten, um die Gesellschaft insbes. im Gläubigerinteresse in ihrem Bestand zu schützen (s. § 2 Rdnr. 62d, 66 ff.), gelten für die Anteilsabtretung die allgemeinen Vorschriften des BGB1. Entgegen dieser bisher einhelligen Meinung und ohne Auseinandersetzung mit ihr wandte der BGH in einer vereinzelten Entscheidung2 „jedenfalls“ in den Fällen der Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung (§§ 119 ff. BGB) und der Nichtigkeit wegen Formmangels (§ 125 BGB, § 15 Abs. 3 GmbHG) sowie sittenwidriger Übervorteilung (§ 138 BGB) die Grundsätze über die fehlerhafte Personengesellschaft bei Mängeln eines Gesellschafterwechsels mit der Folge an, dass die Unwirksamkeit einer „vollzogenen Ausscheidungsvereinbarung“ (!) i.d.R. nicht zu einer rückwirkenden Wiedereinsetzung des Gesellschafters führen könne3. Diese Auffassung ist vom BGH zu Recht aufgegeben worden4. Die Annahme, dass die Rechtslage der bei einer fehlerhaften Personengesellschaft entspreche und dass die Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Nichtigkeits- und Anfechtungsvorschriften auf die „vollzogene“ Abtretung mit deren Zweck unvereinbar sei und wegen der Rückwirkung zu „unerträglichen Ergebnissen“ führen könne, ist unzutreffend. Es wird verkannt, dass bezüglich der rechtlichen Behandlung von Vertragsmängeln bei der Abtretung des GeschAnteils an einer GmbH weder eine Gesetzeslücke noch ein gerechtfertigtes Bedürfnis für die Übernahme jener Grundsätze besteht5. Der Bestand der Gesellschaft, dessen Schutz bei der Behandlung von Mängeln der Beteiligungserklärung bei der Gründung sowie KapErhöhung ausschlaggebend (s. § 2 Rdnr. 62 ff.) und auch für die Entwicklung der Grundsätze über die fehlerhafte Personengesellschaft maßgebend war, wird durch die rückwirkende Unwirksamkeit einer mangelhaften Anteilsabtretung nicht berührt6. Auch im Übrigen werden die Gesellschaft und die Mitgesellschafter vor den Auswirkungen der genannten Rechtsfolge auf das Gesellschaftsverhältnis völlig ausreichend durch die aus § 16 sich ergebende Legitimationswirkung der Anmeldung geschützt (s. Erl. zu § 16). Die Rückwirkungsfolge berührt daher keine Interessen der Gesellschaft, sondern betrifft nur die individualrechtlichen Beziehungen zwischen Veräußerer und Erwerber. Es mag sein, dass die notwendig werdende Rückabwicklung dieses Rechtsverhältnisses in Einzelfällen mit Schwie1 RGZ 68, 311 f.; 76, 312 f.; 77, 129; 79, 184; RG, JW 1915, 589; 1932, 1008; 1934, 1412; RG, DR 1943, 801; Feine, S. 392 f.; Knobbe-Keuk, ZIP 1983, 274; Grunewald, ZGR 1991, 452, 457 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 29; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 23; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 37, 38; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 140; Meyer-Landrut, Rdnr. 33; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 194; Lass, ZGR 1997, 401, 403 f. Vgl. im Übrigen auch K. Schmidt, AcP 186 (1986), 438 ff. u. BB 1988, 1053 ff. 2 BGH, WM 1975, 512, 514. 3 Zust. OLG Hamm, GmbHR 1985, 22; OLG Hamburg, AG 1989, 327; Kuhn, WM 1976, 757; Wiesner, NJW 1984, 95, 97 f., mit unterschiedlichen Einschränkungen; s. dazu auch Henze, Handbuch zum GmbH-Recht, 2. Aufl. 1997, Rz. 668 ff. 4 Vgl. BGH, ZIP 1990, 371; ferner BGH, ZIP 1995, 1085, 1086; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 666. 5 Das zeigt auch die spätere Entscheidung in BGHZ 84, 47, 49 ff., die die Frage wieder offenließ und § 16 (sinngemäß) anwendete. Vgl. ferner auch BGH, WM 1989, 256; ZIP 1995, 1085, 1086. 6 Zutr. RGZ 68, 310 ff.; 76, 312 f.

H. Winter/Seibt

|

1053

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

rigkeiten verbunden sein kann, aber das rechtfertigt weder bei der mangelhaften Anteilsabtretung noch in sonstigen Fällen, die bürgerlich-rechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsvorschriften nicht anzuwenden. 104

Der Abtretungsvertrag kann daher, trotz Erfüllung der Formen aus § 15 Abs. 3, 5, nach BGB nichtig oder anfechtbar sein, so bei fehlender Geschäftsfähigkeit eines Vertragsgenossen (§§ 104 ff. BGB), bei mangelnder Bestimmtheit des Abtretungsgegenstandes (Rdnr. 89), bei Verstoß gegen ein Verbotsgesetz1, bei Sittenwidrigkeit2, bei Nichteintritt der aufschiebenden Bedingung der Abtretung oder bei Eintritt der auflösenden Bedingung (§§ 158 ff. BGB)3, nach begründeter Anfechtung (§§ 119, 142 ff. BGB)4. Da im Abtretungsfalle nur der dingliche Vertrag (§ 15 Abs. 3) den Rechtsübergang herbeiführt, kommt es i.d.R. auf Mängel des schuldrechtlichen Vertrages (§ 15 Abs. 4) nicht an. In Ausnahmefällen kann es aber anders liegen (vgl. dazu näher Rdnr. 90).

10. Folge fehlender Beurkundung 105

Die Folge fehlender Beurkundung (oder wesentlicher Verstöße gegen die Beurkundungsform) ist die Nichtigkeit der Abtretung (§ 125 BGB). Die formgerechte Neuvornahme hat keine rückwirkende Kraft. Daran ändert auch ein formgültiger, zur Abtretung verpflichtender Vertrag (§ 15 Abs. 4) nichts, auch nicht ausdrückliche oder stillschweigende Anerkennung des Erwerbers durch die Gesellschaft. War auch der schuldrechtliche Vertrag formungültig, so muss das auf Grund desselben hingegebene Abtretungsentgelt nach den Regeln über ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) zurückgegeben werden. War dagegegen der schuldrechtliche Vertrag formgültig, so kann auf Grund desselben die Mitwirkung bei der Beurkundung eines formgerechten Abtretungsvertrags erzwungen werden (§ 894 ZPO). Die Berufung auf den Formmangel ist nicht ohne weiteres arglistig oder sonstwie unbeachtlich. Der Abtretungsvertrag kann aber in besonderen Ausnahmefällen trotz des Formmangels nachträglich wirksam werden, wenn Umstände vorliegen, die es nach Treu und Glauben als untragbar erscheinen lassen, dem gewollten und tatsächlich vollzogenen Gesellschafterwechsel die Anerkennung zu versagen5. Die Treuepflicht des Gesellschafters schließt die Berufung auf den Formmangel nicht aus6. Zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft vgl. Rdnr. 103. Die Umdeutung der formungültigen Abtretung des GeschAnteils in eine Abtretung des Gewinnbezugsrechts und des Anspruchs auf die Liquidationsquote (§ 140 BGB) kann in Einzelfällen in Betracht kommen7. Die formgerechte Wiederholung einer ursprünglich formungültigen Abtretung gilt im Zweifel als Bestätigung i.S.v. § 141 BGB. 1 2 3 4 5

OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 666. RG, DR 1943, 801; OLG Hamm, GmbHR 1998, 984. RGZ 79, 182. BGH, ZIP 1990, 371. Vgl. BGH, LM § 2 Nr. 7; ZIP 1995, 1089, 1090; OLG München, BB 1996, 1296, 1297; OLG Karlsruhe, WM 1971, 1035; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 69; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 92, 133. 6 BGH, WM 1988, 1367, 1369; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 92 a.E. 7 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 125.

1054

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

V. Weitere Voraussetzungen der Abtretung (§ 15 Abs. 5) Schrifttum: Bunte, Die Abschließung der Kapitalgesellschaft gegen Außenstehende in den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz, 1969; Däubler, Rechtsgeschäftlicher Ausschluss der Veräußerlichkeit von Rechten?, NJW 1968, 1117; Eder, Zustimmung zur Abtretung von GmbH-GeschAnteilen durch den GeschFührer, GmbHR 1966, 279; Ehlke, Vinkulierung bei GmbH-Kapitalerhöhungen und anderen Fällen des Gesellschaftereintritts ohne Anteilsübertragung, DB 1995, 561; Fischer, Das Recht der OHG als ergänzende Rechtsquelle zum GmbHG, GmbHR 1953, 131; Fischer, Die personalistische GmbH als rechtspolitisches Problem, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 117; Gessler, Sicherung der Herrschaftsmacht bei Übertragung von GeschAnteilen, GmbHR 1974, 202; Grothus, Das Vorkaufsrecht an GmbH-Anteilen, GmbHR 1959, 24; Häger/ Wilts, Kontrolle des Übergangs von Geschäftsanteilen auf Dritte bei Familienkapitalgesellschaften, WiB 1995, 409; Hänn, Beschränkung in der Veräußerung von Geschäftsanteilen der GmbH durch den Gesellschaftsvertrag, Diss. Jena 1931; Happ, Die GmbH im Prozess, 1997, S. 205 ff.; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970; G. Hueck, Erwerbsvorrechte im Gesellschaftsrecht, in: FS Larenz, 1973, S. 749; Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970; Knur, Die Familiengesellschaft, eine vergleichende Untersuchung der Unternehmensformen, 1941; Kowalski, Vinkulierte Geschäftsanteile – Übertragungen und Umgehungen, GmbHR 1992, 347; M. Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, 1970; Limbach, Theorie und Wirklichkeit der GmbH, 1966; Lutter/Grunewald, Zur Umgehung von Vinkulierungsklauseln in Satzungen von AG und GmbH, AG 1989, 109; Lutter/Grunewald, Gesellschaften als Inhaber vinkulierter Aktien und GeschAnteile, AG 1989, 409; K. Müller, Die Sicherungsübertragung von GmbH-Anteilen, 1969; Neukamp, Die Geschäftsanteile der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ZHR 57 (1906), 1 ff.; Ohr, Der Ausschluss der Abtretbarkeit von GeschAnteilen im Gesellschaftsvertrag der GmbH, Diss. Mainz 1967; Otto, Gesellschafterstreit und Anteilsfungibilität in der gesellschaftsrechtlichen Vertragspraxis, GmbHR 1996, 16; Pastor/Werner, Die Verbindung von Vorkaufsrecht und Genehmigungsvorbehalt bei der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, BB 1969, 1418; Reichert, Das Zustimmungserfordernis zur Abtretung von Geschäftsanteilen in der GmbH, 1984; Reichert, Folgen der Anteilsvinkulierung für Umstrukturierungen von GmbH und AG nach dem UmwG 1995, GmbHR 1995, 176; Petersen, Die personengesellschaftliche Struktur der GmbH, Diss. Kiel 1954; Saenger, Beschränkungen hinsichtlich Veräußerung und Vererbung von GeschAnteilen einer GmbH, RG-Praxis IV, 1929, 17; Salje, Kompetenzen des Beirats bei der Unternehmensveräußerung, ZIP 1989, 1526; K. Schmidt, Aktionärs- und Gesellschafterzuständigkeiten bei der Freigabe vinkulierter Aktien und Geschäftsanteile, in: FS Beusch, 1993, S. 759; Schneider, Die Sicherung der Familien-GmbH vor dem Eindringen Familienfremder, GmbHR 1964, 219; Triebner, Die Vinkulierung von Aktien und GeschAnteilen der GmbH, Diss. Leipzig 1929; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personengesellschaften, 1967; Wittek, Die gesellschaftsrechtliche Behandlung der Familien-GmbH, Diss. Erlangen–Nürnberg 1969; Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, 1964; K. Zimmermann, Genehmigung des GeschFührers zur Abtretung von GmbH-GeschAnteilen, BB 1966, 1171. Vgl. auch die Schrifttumsnachw. vor Rdnr. 24.

1. Schuldrechtlicher Vertrag Der schuldrechtliche Vertrag auf Abtretung eines GeschAnteils kann durch den Gesellschaftsvertrag nicht an weitere Voraussetzungen geknüpft werden1, und 1 Allg.M.; vgl. RG, JW 1934, 1413; RGZ 159, 281.

H. Winter/Seibt

|

1055

106

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

solche statutarischen Regeln wären unbeachtlich. Zu den Gewährleistungsfolgen bei Veräußerungen entgegen auf § 15 Abs. 5 beruhenden Satzungsbestimmungen s. Rdnr. 148.

2. Dingliche Abtretung 107

Die Abtretung der GeschAnteile kann, über das gesetzliche Formerfordernis hinausgehend, an weitere Voraussetzungen geknüpft werden (§ 15 Abs. 5). a) Regelung im Gesellschaftsvertrag

108

Die Anordnung kann nur durch den Gesellschaftsvertrag getroffen werden, während anderweitige Vereinbarungen über die Abtretbarkeit der GeschAnteile lediglich schuldrechtlich wirken. Es ist zulässig, sie durch Satzungsänderung einzuführen, aber die betreffende Beschränkung bindet dann nur diejenigen Gesellschafter, die ihr zugestimmt haben (bestr., s. 9. Aufl., § 53 Rdnr. 161). Die Aufhebung ist, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt oder das Sonderrecht eines Gesellschafters entgegensteht (s. 9. Aufl., § 53 Rdnr. 162), mit satzungsändernder Mehrheit (§ 53 Abs. 2) möglich.

109

Das zusätzliche Abtretungserfordernis muss wegen des Zwecks der Form aus § 2 hinreichend deutlich aus der Vertragsurkunde ersichtlich sein1. Dafür genügt u.U. auch, dass es in einer primär anderen Zwecken dienenden Vorschrift inzident ausgesprochen ist oder sich aus dem Gesamtzusammenhang der statutarischen Regelung des Gesellschaftsverhältnisses ergibt2. Aus dem Bestehen einer statutarischen Nebenleistungspflicht folgt es aber im Allgemeinen noch nicht3. Ein zusätzliches Abtretungserfordernis lässt sich dagegen nicht, wie Wieland II, 290 u. 325 dies befürwortet hat, allein aus Umständen außerhalb des urkundlich festgelegten Vertragsinhalts herleiten. Andererseits kann aber auch der Rspr.4 nicht gefolgt werden, wonach eine Satzungsbestimmung über weitere Abtretungserfordernisse „eindeutig“ sein müsse und andernfalls „nur zu der denkbar geringsten Anforderung anwendbar“ sei. Die unzutreffende Erwägung, dass sie die in § 15 Abs. 1 dispositiv bestimmte Regel einschränke, rechtfertigt keine inhaltliche Restriktion von Klauseln mit mehrdeutigem oder unklarem Wortlaut. Die Auslegung ist wie auch sonst mit Rücksicht auf die Bedeutung der Satzung für Dritte, insbesondere für Gläubiger und künftige Gesellschafter, allein dadurch begrenzt, dass eine Sinndeutung, die für Außenstehende nicht erkennbar ist, nicht erfolgen darf, muss aber im Übrigen unter Ausschöpfung aller Auslegungsmittel nach Maß-

1 Eb. OLG Köln, OLGR 1992, 178; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 42. 2 Insow. zutr. Fischer, GmbHR 1953, 135; Wiedemann, S. 83; Winkler, S. 56; Limbach, S. 70, die in der Anwendung auf den Einzelfall jedoch z.T. bedenklich weit gehen; s. dazu auch Immenga, S. 82 f. Krit. ferner Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 98. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 133; Ulmer, § 3 Rdnr. 103. 4 BGHZ 48, 144; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 40.

1056

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

gabe der §§ 133, 157 BGB uneingeschränkt den Inhalt der Vereinbarung ermitteln1. b) Beschränkungen bei Abtretung anderer Rechte Die Abtretung anderer Rechte, z.B. des Anspruchs auf den Gewinnanteil oder auf das Liquidationsguthaben, fällt nicht unter § 15 Abs. 52, aber der Gesellschaftsvertrag kann sie nach §§ 399, 413 BGB ausschließen oder einschränken3. Auf ein statutarisches Bezugsrecht ist dagegen § 15 Abs. 5 seinem Zweck nach analog anwendbar; soweit das Statut für die Übertragung des GeschAnteils weitere Voraussetzungen aufstellt, ist im Zweifel anzunehmen, dass diese sich auch auf die Bezugsrechtsabtretung beziehen sollen4. Zur Begründung, Änderung und Aufhebung von Treuhandstrukturen s. Rdnr. 234.

110

c) Umgehungsgeschäfte und Change of Control-Fälle Die statutarischen Abtretungsbeschränkungen erfassen auch Umgehungsgeschäfte5. Es ist nach dem Inhalt und Zweck der betreffenden Klausel zu entscheiden, ob eine Gestaltung als unzulässige Umgehung zu werten ist6. Dazu gehören regelmäßig Treuhandverträge über GeschAnteile, die auch dann, wenn sie nicht mit einer Anteilsübertragung verbunden sind, einem statutarischen Genehmigungserfordernis unterliegen (hierzu Rdnr. 234) und ohne Zulassung der Gesellschafter nicht wirksam mit Dritten geschlossen werden können, die die statutarisch vorgeschriebenen Eigenschaften nicht aufweisen (Rdnr. 229, 116)7. Ebenso sind Stimmbindungsverträge, die den Gesellschafter dauerhaft verpflichten, nach den Interessen und Weisungen eines anderen abzustimmen, im Falle der Vinkulierung der GeschAnteile regelmäßig nur mit Zustimmung des zuständigen Organs (Rdnr. 121 ff.) rechtswirksam, wenn sie mit Personen abgeschlossen werden, für die die Satzung den Anteilserwerb von diesem Erfordernis abhängig macht (s. 9. Aufl., § 47 Rdnr. 42, 48)8. Eine Stimmrechtsvoll-

1 Zutr. RGZ 101, 247; 159, 278; RG, JW 1934, 1412; OLG Stuttgart, GmbHR 1974, 257, 259; differenzierend Reichert, S. 55; Reichert, DB 1985, 1496, 1497. Allgemein zur Auslegungsproblematik vgl. § 2 Rdnr. 33 ff. 2 BGH, DB 1983, 2513. 3 Wiedemann, S. 119; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 188; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25. 4 Zust. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 179. 5 Eingehend dazu Lutter/Grunewald, AG 1989, 109 ff.; Kowalski, GmbHR 1992, 347 ff.; Liebscher, ZIP 2003, 825. 6 Vgl. OLG Köln, GmbHR 1993, 103 betr. eine Kettenübertragung im Familienkreis; krit. dazu Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 54. S. auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 250; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 192. 7 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 251; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 54; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 112; zurückhaltend aber OLG Hamm, GmbHR 1993, 656, 658. 8 So mit Unterschieden in Einzelheiten RGZ 69, 134, 136 f.; Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 111 ff.; Wiedemann, S. 119; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff,

H. Winter/Seibt

|

1057

111

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

macht, die nicht als verdeckte Stimmrechtsabspaltung unzulässig ist (Rdnr. 17), unterliegt dagegen im Allgemeinen nicht der Vinkulierungsklausel, auch wenn sie nicht nur für einzelne Beschlussgegenstände und für eine kurze Dauer erteilt ist1; anders liegt es, wenn sie nach den Gesamtumständen lediglich als Mittel dazu dient, dem Bevollmächtigten wirtschaftlich die Stellung eines Anteilserwerbers zu verschaffen (Rdnr. 106 a.E.)2. Die Umgehung der statutarischen Vinkulierung führt zur schwebenden Unwirksamkeit des Treuhandvertrages, des Stimmbindungsvertrages o.ä.3; Beschlüsse, die mit Stimmen Nichtberechtigter gefasst werden, sind anfechtbar4. 111a

Statutarische Vinkulierungsklauseln können z.B. auch dadurch umgangen werden, dass die Anteile an dem den vinkulierten GeschAnteil innehabenden Gesellschafter veräußert werden (oder ein Dritter durch Kapitalerhöhung an diesem Gesellschafter beteiligt wird) oder – bei Zulässigkeit konzerninterner Anteilsübertragungen – ein Dritter in eine Zwischenholding eintritt, in den der vinkulierte GeschAnteil zunächst zustimmungsfrei übertragen worden ist. Zur Unterbindung solcher Change of Control-Fälle kann im Gesellschaftsvertrag der vinkulierten Gesellschaft kein (dinglich wirkendes) Zustimmungserfordernis für die Abtretung von Anteilen an der beteiligten Gesellschaft vorgesehen werden (arg. § 137 Satz 1 BGB)5. Ein dinglich wirkender Vinkulierungsschutz kann nur in der Satzung der beteiligten Gesellschaft selbst verankert werden, was indes weiterhin voraussetzt, dass der vinkulierten Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern oder einem von diesen eine Beteiligung an dieser Gesellschaft eingeräumt wird6. Allerdings können im Gesellschaftsvertrag der vinkulierten Gesellschaft für den Eintritt eines Change von Control-Falls die Einziehung der betreffenden GeschAnteile, eine Andienungsverpflichtung des betreffenden Gesellschafters, Ankaufsrechte der übrigen Mitgesellschafter oder bedingte Anteilsabtretungen (verlängerte Konzernklauseln) vorgesehen werden; daneben werden häufig auch – rein schuldrechtlich wirkende – Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern der vinkulierten Gesellschaft und den Gesellschafter-Gesellschaftern geschlossen. Ob der Gesellschaftsvertrag die Gesellschaft und ihre Gesellschafter vor dem Eintritt solcher Change of Control-Fälle schützt ist durch Satzungsauslegung zu ermitteln, wobei neben dem Wortlaut der einzelnen Satzungsbestimmungen auch das Normengefüge des Gesellschaftsvertrags zum Gesellschafterbestand insgesamt (z.B. Vinkulierungsklausel, Regelungen zu Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss, Regelungen für den Todesfall, Austritts- und Ausschlussrechte) und die Realstruktur der

1 2 3 4 5 6

§ 47 Rdnr. 30; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 54; Meyer-Landrut, § 47 Rdnr. 19; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 164; Liebscher, ZIP 2003, 825, 826; a.M. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 47 Rdnr. 113 a.E. Zu weitgehend Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 113; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 51. Vgl. RGZ 132, 149, 158 f.; BGH, NJW 1987, 780. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 253; Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 110. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 253 a.E.; Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 114. Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 255; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 113 f.; Lutter/Grunewald, AG 1989, 409, 412; Schmitz, in: FS Wiedemann, S. 1223, 1239. Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 255.

1058

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Gesellschaft zu berücksichtigen sind. Die Abwesenheit ausdrücklicher Satzungsbestimmungen für Change of Control-Fälle spricht in der Regel ebenso für die zustimmungsfreie Zulässigkeit solcher Sachverhalte1 wie auch die Zulassung reiner Holdinggesellschaften zur vinkulierten Gesellschaft, deren gesamtes oder nahezu gesamtes Vermögen aus eben dem vinkulierten GeschAnteil besteht2. Ergibt die Satzungsauslegung, dass die Vinkulierungsbestimmung i.S.v. § 15 Abs. 5 auch in Change of Control-Fällen eingreifen soll, so führt ein Verstoß wegen § 137 Satz 1 BGB i.d.R. nicht zur Unwirksamkeit der Übertragung der Anteile an der beteiligten Gesellschaft, es sei denn, das Umgehungsgeschäft ist nach § 138 BGB als sittenwidrig einzustufen3. Allerdings kann ein Ausschluss des betreffenden Gesellschafters oder eine Einziehung der von ihm gehaltenen GeschAnteile in Betracht kommen, wenn bei Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung vorliegt4. Ansonsten haben die Mitgesellschafter bzw. die vinkulierte Gesellschaft Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche wegen Verletzung (mittelbarer) Treuepflichten. Unterlassungsansprüche können auch im Wege des einstweiligen Rechtschutzes durchgesetzt werden5. d) Keine Geltung bei Verwertung des Geschäftsanteils durch Zwangsvollstreckung Keine Geltung haben die statutarischen Abtretungsbeschränkungen in der Regel bei der Verwertung des GeschAnteils durch Zwangsvollstreckung (Rdnr. 202) und in der Insolvenz (Rdnr. 254). Die Abschließungsinteressen der Gesellschafter können in diesen Fällen aber in anderer Weise geregelt werden (Rdnr. 202 ff., 254).

112

e) Gesetzlicher Übergang des Geschäftsanteils Die statutarischen Abtretungsbeschränkungen hindern im Allgemeinen nicht den gesetzlichen Übergang des Geschäftsanteils im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. §§ 399 Alt. 2, 412, 413 BGB sind insoweit nicht entsprechend anwendbar6. Außer bei der Erbfolge, die in § 15 Abs. 1 besonders hervorgehoben ist (Rdnr. 24 ff.), gilt das insbesondere für den Vermögensübergang nach § 20

1 A.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 257. 2 Eb. OLG Naumburg, NZG 2004, 775, 779; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 257; Lutter/ Grunewald, AG 1989, 409, 410; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 114; Liebscher, ZIP 2003, 825, 829 ff.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 167. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 259; Lutter/Grunewald, AG 1989, 409, 410; weitergehend Liebscher, ZIP 2003, 825, 831 f. (Evidenz des Pflichtverstoßes ist für Unwirksamkeit ausreichend); a.M. Kowalski, GmbHR 1992, 347, 353; H.Winter, 9. Aufl., Rdnr. 83a. 4 Ähnlich Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 261; Lutter/Grundwald, AG 1989, 409, 411. 5 LG München I v. 12. 9. 2002 – 15 K O 15764/02 (nicht veröffentlicht; Kirch Media/Axel Springer); hierzu Liebscher, ZIP 2003, 825, 828; vgl. auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 260; a.M. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 113. 6 Es ist umstritten, ob die §§ 412, 413 BGB überhaupt auf die Gesamtrechtsnachfolge anwendbar sind; vgl. Roth, in: MünchKomm. BGB, § 412 Rdnr. 15 ff. m.w.N.

H. Winter/Seibt

|

1059

113

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Abs. 1 Nr. 1 UmwG bei der Verschmelzung1, nach §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 132 Satz 2 UmwG bei der Aufspaltung2 sowie nach §§ 176 Abs. 3, 177 Abs. 2 UmwG bei der Voll- oder der aufspaltenden Teilübertragung des Vermögens einer Kapitalgesellschaft und für den Anfall des Vermögens einer Personengesellschaft an den letzten verbliebenen Gesellschafter analog § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB durch Anwachsung (Rdnr. 93)3. Die Abtretungsbeschränkungen gem. § 15 Abs. 5 greifen dagegen uneingeschränkt bei der Abspaltung, Ausgliederung und abspaltenden oder ausgliedernden Teilvermögensübertragung ein (§§ 131 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, 132 Satz 1, 177 Abs. 2 Satz 1 UmwG), soweit sie, was durch enge Auslegung der Satzung zu ermitteln ist, auch für diese Fälle gelten sollen4. Die abweichende Meinung, die den Anwendungsbereich der Abtretungsbeschränkungen hier generell gesetzlich durch die Restriktion der zitierten Vorschriften einschränken will5, wird den schutzwürdigen Interessen der Gesellschaft nicht gerecht und räumt dem Übertragungsinteresse der umwandelnden Rechtsträger einen vom Gesetz nicht gewollten ungerechtfertigten Vorrang ein6. Beim ehelichen Güterstand der Gütergemeinschaft greift im Falle des Ausschlusses oder der Beschränkung der Abtretbarkeit des GeschAnteils nicht § 1417 Abs. 2 BGB über das Sondergut ein, sondern er wird ohne Rücksicht darauf nach § 1416 Abs. 2 BGB gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten (Rdnr. 241). Die Erwerbe auf Grund dinglicher Surrogation (§§ 718 Abs. 2, 1418 Abs. 2 Nr. 3, 1473 Abs. 1, 1638 Abs. 2, 1646 Abs. 2, 2019 Abs. 1, 2041, 2111 Abs. 1 BGB) unterliegen den Abtretungsbeschränkungen gem. § 15 Abs. 5 (§§ 399 Alt. 2, 412, 413), werden also erst mit der Erfüllung der statutarischen Voraussetzungen wirksam. Der Gesellschaftsvertrag kann ähnlich wie bei der Erbfolge (Rdnr. 29 ff.) auch in anderen Fällen des gesetzlichen Übergangs des GeschAnteils dessen Einziehung ermöglichen oder eine Pflicht zu seiner Abtretung begründen (Rdnr. 51), wenn der Erwerber zu einem als Gesellschafter unerwünschten Personenkreis gehört.

1 Vgl. Grunewald, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 20 Rdnr. 17; Kübler, in: Semler/ Stengel, UmwG, 2004, § 20 Rdnr. 22; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/ UmwStG, 4. Aufl. 2006, § 20 UmwG Rdnr. 63; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 20 Rdnr. 7; Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Anh. nach § 77 Rdnr. 657; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 45. 2 Vgl. Teichmann, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 131 Rdnr. 2; § 132 Rdnr. 29; Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 132 Rdnr. 15; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 132 Rdnr. 22, 62 u.a. 3 Vgl. BGHZ 50, 307, 310 ff. betr. Vorkaufsrecht. Ausführlich zur Gesamtrechtsnachfolge analog § 738 Abs. 1 BGB Seibt, in: FS Röhricht, S. 603 ff., insbes. 612 f. 4 Rieble, ZIP 1997, 301, 307 ff.; Teichmann, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 132 Rdnr. 29; Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 132 Rdnr. 10; Zimmermann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Anh. nach § 77 Rdnr. 458; Mayer, in: MünchHdb. GesR III, § 76 Rdnr. 173 f. 5 So mit Unterschieden in Einzelheiten Schwedhelm/Streck/Mack, GmbHR 1995, 7, 9 f.; Hennrichs, ZIP 1995, 794, 798 f.; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 4. Aufl. 2006, § 132 UmwG Rdnr. 42; Schröer, in: Semler/Stengel, UmwG, 2004, § 32 Rdnr. 49; Fuhrmann/Simons, AG 2000, 49, 56; Kallmeyer, GmbHR 1996, 242, 243 f.; Mayer, GmbHR 1996, 403, 406 ff. 6 Zutr. Rieble, S. 308 f.

1060

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

f) Umwandlung der GmbH Die statutarischen Abtretungsbeschränkungen sind teilweise auch für die Umwandlung der GmbH (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel) von Bedeutung. Macht der Gesellschaftsvertrag der übertragenden bzw. formwechselnden GmbH die Abtretung der Geschäftsanteile von der Zustimmung Einzelner oder aller Gesellschafter abhängig (s. Rdnr. 122), so bedarf der Umwandlungsbeschluss zu seiner Wirksamkeit ihrer Zustimmung (§§ 13 Abs. 2, 125, 176 f., 193 Abs. 2 UmwG)1. Unerheblich ist hierbei, ob das statutarische Zustimmungserfordernis sich auf alle Abtretungsarten bezieht (Rdnr. 120), ob die Zustimmungsbefugnis personen- oder anteilsgebunden ist2 und ob die Entscheidungsmöglichkeit inhaltlich eingeschränkt ist (Rdnr. 127). Die obigen Vorschriften sind beim Ausschluss der Abtretbarkeit (Rdnr. 135) entsprechend anwendbar, wenn dessen Aufhebung nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 53 Abs. 2 Satz 2) nur mit Zustimmung Einzelner oder aller Gesellschafter möglich ist3. Keine Zustimmungsbedürftigkeit für den Umwandlungsbeschluss besteht dagegen, wenn für die Zustimmung zur Abtretung die Gesellschaft oder ein Gesellschaftsorgan (Gesellschafterversammlung4, Geschäftsführer, Aufsichtsrat u.a.) zuständig ist (Rdnr. 121 ff.). Eine Zustimmung kann außerdem erforderlich sein, wenn Vorkaufs- oder Vorerwerbsrechte (Rdnr. 117), die der Gesellschaftsvertrag einzelnen oder allen Gesellschaftern der übertragenden bzw. formwechselnden GmbH als relativ unentziehbare Mitgliedsrechte (s. § 14 Rdnr. 26, 37) gewährt, durch die Umwandlung beeinträchtigt, d.h. nicht durch gleichwertige Rechte im Statut des übernehmenden bzw. formgewechselten Rechtsträgers ersetzt werden (§§ 50 Abs. 2, 125, 176 f., 241 Abs. 2 UmwG)5. Der Gesellschaftsvertrag kann im Übrigen zur Sicherung der gewollten Gesellschafterzusammensetzung für alle oder einzelne Umwandlungsfälle größere als die gesetzlichen Beschlussmehrheiten vorschreiben und/ oder zusätzliche Erfordernisse, z.B. die Zustimmung bestimmter Gesellschafter festlegen (§§ 50 Abs. 1 Satz 2, 125 Satz 1, 176 f., 233 Abs. 2 Satz 2, 240 Abs. 1 Satz 2 UmwG)6. Bei der Einführung derartiger Regelungen ist aber stets zu 1 Allg.M.; vgl. Reichert, GmbHR 1995, 176, 179 f.; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rdnr. 23; Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, 2004, § 13 Rdnr. 50; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 4. Aufl. 2006, § 13 UmwG Rdnr. 35. 2 Reichert, GmbHR 1995, 179; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 4. Aufl. 2006, § 13 Rdnr. 35. 3 Eb. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rdnr. 27; Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13 Rdnr. 23; a.M. Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, 4. Aufl. 2006, § 13 Rdnr. 36; Reichert, GmbHR 1975, 176, 180 f., der aber zusätzliche Erfordernisse für die Aufhebung der Abtretungsklausel auch beim Umwandlungsbeschluss heranziehen will. 4 Die §§ 13 Abs. 2, 193 Abs. 2 UmwG sind aber analog anwendbar, wenn der Gesellschaftsvertrag einen einstimmigen Beschluss aller Gesellschafter verlangt; vgl. Reichert, GmbHR 1975, 176, 180; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 13 Rdnr. 26; Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13 Rdnr. 23. 5 Reichert, GmbHR 1975, 176, 183 f.; M. Winter, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 50 Rdnr. 18; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 50 Rdnr. 88; Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 50 Rdnr. 21 u.a. 6 Dazu M. Winter, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 50 Rdnr. 6.

H. Winter/Seibt

|

1061

114

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

bedenken, dass die Entwicklungsmöglichkeiten der Gesellschaft nicht unnötig oder übermäßig erschwert werden dürfen.

3. Einzelne Abtretungsbeschränkungen 115

Der Gesellschaftsvertrag ist in der Aufstellung weiterer Abtretungserfordernisse nicht beschränkt. Die Genehmigung der Gesellschaft ist im Gesetz nur als Beispiel erwähnt. Auch die Kombination mehrerer Voraussetzungen ist möglich und für abgewogene Regelungen oft auch notwendig (Rdnr. 117). a) Eigenschaften, Pflichtübernahme, Formerfordernisse

116

Es kann die Abtretbarkeit von bestimmten Eigenschaften oder der Stellung des Erwerbers abhängig gemacht werden, z.B. dem Alter, einer Konfessions-, Familien- oder Berufszugehörigkeit, die Mitgliedschaft in der GmbH oder einer anderen Gesellschaft u.ä.1. Erfüllt der Erwerber die festgesetzte Voraussetzung nicht, ist die Abtretung unwirksam; beim Erwerb durch einen Strohmann oder einen Treuhänder muss sie i.d.R. sowohl bei diesem als auch beim Hintermann gegeben sein2. Die verbleibenden Gesellschafter können den Erwerb trotz Fehlens der Eigenschaft zulassen, durch Mehrheitsentscheidung ohne Satzungsänderung aber nur, wenn der Gesellschaftsvertrag dies erlaubt; andernfalls vermag sie das Abtretungshindernis nicht zu beseitigen. Möglich ist auch, dass das Vorliegen der Eigenschaft nur als Genehmigungsvoraussetzung bestimmt ist3; ein das Erfordernis missachtender Gesellschafterbeschluss kann i.d.R. durch Anfechtungsklage beseitigt werden, während die Genehmigungserklärung (Rdnr. 128 ff.) nach § 119 Abs. 2 BGB anfechtbar ist. Der Gesellschaftsvertrag kann als weiteres Abtretungserfordernis auch die Übernahme bestimmter Verpflichtungen durch den Erwerber vorschreiben4 oder als zusätzliches Formerfordernis die Übergabe des Anteilscheins (s. § 14 Rdnr. 64) verlangen5; alsdann ist die Abtretung erst wirksam, wenn der dingliche Vertrag in der Form des § 15 Abs. 3 vollzogen und der Anteilschein dem Erwerber übergeben ist. Die bloße Übergabe des Scheins genügt niemals6. Hinsichtlich seiner Übereignung gelten die §§ 929 ff. BGB.

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 264; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 108; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 93; Reichert, S. 91 ff. m.w.N. 2 S. RGZ 103, 199; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 575. 3 Vgl. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 265; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 206; Reichert, S. 66. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 264 a.E.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38. 5 RGZ 98, 277; Feine, S. 385; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 262; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 14 Rdnr. 8; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 168; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 108; a.M. Brodmann, Anm. 6. 6 RG, GmbHR 1921, 165; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 262.

1062

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

b) Vorkaufs- und Erwerbsvorrechte Der Gesellschaftsvertrag kann ein Vorkaufsrecht (§§ 463 ff. BGB) oder, wenn auch andere Verpflichtungsgeschäfte als ein Verkauf (z.B. Tausch, Schenkung, Einbringung in eine Gesellschaft) erfasst werden und/oder keine Bindungen an die Bestimmungen des Drittvertrages eintreten sollen1, ein Erwerbsvorrecht der Gesellschaft oder Einzelner oder aller Gesellschafter begründen2. Es sind geeignete Mittel, die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises zu steuern und das Eindringen unerwünschter Personen zu verhüten, zugleich aber jedem Gesellschafter ein Austrittsrecht zu belassen3. Die Vorkaufs- und Erwerbsvorrechtsklauseln können sich auf alle oder nur auf bestimmte Veräußerungsgeschäfte (z.B. Veräußerungen an Nichtgesellschafter) beziehen, miteinander kombiniert werden und geltungsmäßig durch den Vorbehalt eines abweichenden Gesellschafterbeschlusses o.ä. eingeschränkt werden4. Möglich, aber wenig zweckmäßig ist es, die Zulässigkeit der Anteilsabtretungen wegen eines Vorkaufsrechts auf Kaufgeschäfte zu beschränken5. Die Ausübung des Vorkaufsrechts, die durch eine nicht formbedürftige Erklärung erfolgen kann (§ 464 Abs. 1 Satz 2 BGB), setzt den Abschluss eines rechtswirksamen Kaufvertrages zwischen dem Gesellschafter und einem Dritten voraus (§ 463 BGB), während die Berechtigung zur Ausübung des Erwerbsvorrechts auch an andere Ereignisse, z.B. die Kündigung des Gesellschafters, die förmliche Anzeige seiner Veräußerungsabsicht, das Erwerbsangebot u.ä. geknüpft werden kann. Der Gesellschaftsvertrag muss alle Bedingungen des Erwerbs bestimmt oder bestimmbar festlegen, § 15 Abs. 4 (Rdnr. 54, 60). Die Erklärung über die Ausübung des Erwerbsvorrechts ist dagegen nicht formbedürftig, da der Gesellschaftsvertrag in der Regel bereits einen – durch den Eintritt des Ereignisses und dem Erklärungszugang – aufschiebend bedingten Abtretungsanspruch begründen soll6. Die Anteilsübertragung an die Vorkaufs- oder Erwerbsvorberechtigten hat in der Form des § 15 Abs. 3 zu erfolgen.

117

Die Vorkaufs- und Vorerwerbsrechte wirken aber nur persönlich gegen den Gesellschafter, der verkaufen will7. Volle Sicherung des Erwerbsberechtigten ist daher nur dann erreicht, wenn die Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergibt, dass die Abtretbarkeit der GeschAnteile an die Nichtausübung des Vorkaufs-

118

1 Allerdings kann auch im Vorkaufsvertrag vereinbart werden, dass für dessen Parteien im Verkaufsfall vom Drittvertrag abweichende Bestimmungen gelten sollen; vgl. RGZ 67, 42, 43; 104, 122, 123; 118, 1, 6 f. 2 Vgl. dazu G. Hueck, in: FS Larenz, 1973, S. 749 ff.; Reichert, S. 73 ff.; H. P. Westermann/Klingberg, in: FS Quack, 1991, S. 545 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 272; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Kowalski, GmbHR 1992, 347 f., jeweils m.w.N. 3 Vgl. auch Immenga, S. 85 f. m. Hinweis auf die Auslandsrechte; H. P. Westermann/ Klingberg, S. 548 f. Krit. Otto, GmbHR 1996, 16, 18 ff. 4 OLG Stuttgart, GmbHR 1997, 1108. 5 RG, JW 1934, 1412. 6 RGZ 113, 147, 149 f.; BGH, LM § 2 Nr. 7; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 272; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 31. 7 Allg.M.; vgl. Wiedemann, S. 88; G. Hueck, S. 751; Reichert, S. 78; Kowalski, S. 348.

H. Winter/Seibt

|

1063

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

oder Erwerbsvorrechts gebunden ist1 oder von der Genehmigung des Berechtigten abhängt. Schreibt der Gesellschaftsvertrag für die nicht an den Erwerbsberechtigten erfolgenden Abtretungen dagegen die Genehmigung durch andere Personen vor, so soll damit i.d.R. eine Verknüpfung mit dem Vorkaufs- oder Erwerbsvorrecht derart bewirkt werden, dass das Genehmigungsverfahren zugleich die Möglichkeit zur Ausübung und Verwirklichung jenes statutarischen Rechts sichern oder sie zumindest nicht gefährden soll; ein Genehmigungsbeschluss, der sich darüber hinwegsetzt, ist anfechtbar2. Möglich ist andererseits auch, dass die Nichtausübung des Vorkaufs- oder Erwerbsvorrechts Wirksamkeitsbedingung der Genehmigung oder neben dem Genehmigungsvorbehalt selbständiges Abtretungserfordernis sein soll3, aber eine dahingehende Auslegung ist nur gestattet, wenn der Gesellschaftsvertrag ausreichende Anhaltspunkte dafür bietet4. Entsprechendes gilt auch für die Anbietungspflicht eines Gesellschafters, die gleichfalls nicht ohne weiteres dinglich wirkende Voraussetzung der Abtretung ist5, aber sie kann als solche ausgestaltet oder im erörterten Sinne mit einem Genehmigungsvorbehalt verbunden werden. Ebenso wenig hindert eine gesellschaftliche Abtretungspflicht (§ 3 Abs. 2)6 die Übertragung an eine andere Person als den Begünstigten, aber sie trifft je nach Inhalt auch den Erwerber und ist dann durch ihn zu erfüllen7; hat z.B. der Anteilsinhaber das Gesellschaftsverhältnis vertragsgemäß mit der Folge gekündigt, dass er seinen GeschAnteil an die Gesellschaft oder anteilsmäßig an die Gesellschafter abzutreten hat (s. bei § 60), so ist sein Rechtsnachfolger daran gebunden. c) Genehmigung 119

Sie ist der häufigste und wichtigste Fall statutarischer Abtretungsbeschränkungen und schon in § 15 Abs. 5 besonders hervorgehoben. Für die Abtretung von Teilen eines GeschAnteils ist sie sogar gesetzliche Regel (§ 17 Abs. 1, 3). Sie ist darüber hinaus vorgeschrieben für Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (§ 50 Abs. 3 Satz 2 u. 3 StBG, § 28 Abs. 5 Satz 2, 3 WPO). aa) Genehmigungspflichtige Abtretungen

120

Die Art der Abtretungen, die der Genehmigung unterliegen sollen, kann der Gesellschaftsvertrag frei bestimmen8. Der Genehmigungsvorbehalt kann für alle GeschAnteile oder auch nur für gewisse GeschAnteilsarten oder einzelne 1 RG, JW 1934, 1412; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 268, 271; Pastor/Werner, BB 1969, 1418, 1419 f.; G. Hueck, S. 763; Reichert, S. 78; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 42; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 210. 2 BGHZ 48, 145 betr. Anbietungspflicht; vgl. auch OLG Stuttgart, GmbHR 1994, 257, 258; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 271. Für stärkere Differenzierung Kowalski, S. 148. 3 RG, JW 1934, 1412, 1413. 4 RG, JW 1934, 1413 f.; G. Hueck, S. 751; Reichert, S. 78; a.M. Pastor/Werner, S. 1420. 5 BGHZ 48, 145; Bunte, S. 59 ff.; G. Hueck, S. 755 ff.; bedenklich OLG Schleswig, GmbHR 1999, 35. 6 Vgl. dazu § 3 Rdnr. 77 und oben Rdnr. 32 ff. 7 Unzutr. Wiedemann, S. 88. 8 Eine Übersicht über typische Klauseln gibt Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH, § 2 Rdnr. 199 ff.; Reichert, S. 62 ff.

1064

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Anteile gemacht, und ebenso können von der Genehmigungsbedürftigkeit gewisse Anteile oder gewisse Abtretungsfälle, z.B. Abtretung an Mitgesellschafter, befreit sein. Hier bedarf es trotzdem der Genehmigung, wenn zwar an einen Mitgesellschafter abgetreten wird, doch mit der Abrede der Weiterabtretung an einen Nichtgesellschafter und vorläufige Ausübung des Gesellschaftsrechts nur nach dessen Weisungen1. Nimmt der Gesellschaftsvertrag einer Familien-GmbH vom Erfordernis der Genehmigung durch die Gesellschaft und (oder) die Gesellschafter Abtretungen nur für den Sonderfall der Erbteilung aus, so ist im Zweifel eine ausdehnende Anwendung, insbesondere auch auf Abtretungen an die GmbH nicht möglich2. Ausgenommen sind im Allgemeinen auch Abtretungen, die auf Grund einer gesellschaftlichen Pflicht (§ 3 Abs. 2) sowie eines gesellschaftlichen Verkaufs- oder Übernahmerechts an die statutarisch bestimmte oder an die von einem hierzu Ermächtigten benannte Person vorgenommen werden3. Es kann vorgesehen sein, dass nur entgeltliche Abtretungen vom Genehmigungserfordernis erfasst werden. Schreibt der Gesellschaftsvertrag die Genehmigung für den „Verkauf“ von GeschAnteilen vor, so sind darunter im Zweifel auch kaufähnliche Verträge (i.S.v. § 453 Abs. 1 BGB) und Tauschverträge (§ 480 BGB)4 zu verstehen, während unentgeltliche Verfügungen nicht unter die Bestimmung fallen5. Die Abtretung an einen Treuhänder sowie die Rückabtretung durch ihn6 (s. aber auch Rdnr. 233), die Übertragung der Treugeberstellung im Ganzen7 und die Begründung des Treuhandverhältnisses durch Vertrag zwischen dem Anteilsinhaber und einem anderen (s. Rdnr. 110) unterliegen dem Genehmigungserfordernis, wenn es nach dem Gesellschaftsvertrag für die Abtretung des betreffenden GeschAnteils allgemein gilt oder wenn der Vertrag die die Genehmigungspflicht auslösenden speziellen Merkmale aufweist (hierzu Rdnr. 234 ff.). bb) Zuständigkeit Die Zuständigkeit zur Genehmigung regelt das GmbHG nicht. Gleichwohl hielt das RG eine statutarische Bestimmung, die die Genehmigung der Gesellschafterversammlung oder den Gesellschaftern zuweist, nur im Innenverhältnis für bedeutsam und gestand dem GeschFührer zwingend sowie unbeschränkbar die Vertretungsmacht zur Abgabe der Genehmigungserklärung mit der Folge zu, dass die Genehmigung auch ohne oder gegen die Entscheidung jener wirksam erteilt sei8. Folgerichtig müsste das auch gelten, wenn ein anderes Gesell1 RGZ 103, 195; Reichert, S. 64; s. dazu auch Rdnr. 110, 111, 116. 2 BGH, WM 1976, 204. 3 Vgl. auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 216; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 198 und oben Rdnr. 32. 4 Dazu RG, JW 1934, 1412. 5 RGZ 101, 247 f. 6 RGZ 159, 282; RG, JW 1931, 2967; BGH, LM § 15 Nr. 8; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 574. Kritisch Roth/Thöni, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245, 262 ff.; Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 169. 7 RGZ 159, 281 f. 8 RGZ 104, 414 f.; 160, 231; eb. Saenger, S. 26 ff.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 177; K. Zimmermann, BB 1966, 1171; M. Lehmann, S. 76 f.; Fischer, ZHR 130 (1968), 367 unter Aufgabe seiner früheren Ansicht in GmbHR 1953, 136.

H. Winter/Seibt

|

1065

121

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schaftsorgan, z.B. der Aufsichtsrat oder der Beirat, nach dem Gesellschaftsvertrag zuständig ist1. Soweit RGZ 104, 414 f. sich zur Begründung auf §§ 35 Abs. 1, 37 Abs. 2 beruft, unterstellt es rechtsirrig, dass die Genehmigung in den vorgenannten Fällen ein Rechtsakt der Gesellschaft sei und ihrer Rechtsqualität nach stets sein müsse. Keines von beiden trifft aber zu, da sie die Zulassung des Bewerbers als Gesellschafter zum Gegenstand hat und demzufolge ausschließlich die Regelung des internen Gesellschaftsverhältnisses betrifft, auf die die §§ 35 Abs. 1, 37 Abs. 2 nicht anwendbar sind2. Es liegt nicht anders als bei der Zulassung des Beitritts eines Dritten im Falle der KapErhöhung, für die BGHZ 49, 119 f. trotz des Gesetzeswortlauts des § 55 Abs. 2 Satz 1 mit Recht ebenso entschieden hat (vgl. dazu Erl. zu § 55). Die Ansicht des RG ist darüber hinaus mit § 15 Abs. 5 unvereinbar, der es in Übereinstimmung mit den vorstehenden Grundsätzen den Gesellschaftern uneingeschränkt überlässt, durch Bestimmung ihnen geeignet erscheinender Abtretungsvoraussetzungen die Art und Weise der Zulassung neuer Gesellschafter zu regeln3. Die Erwägung, dass die Zwischenschaltung des GeschFührers erforderlich sei, um den Bewerber vor Unklarheiten über die Genehmigung zu schützen4, ist schon deswegen nicht sachgerecht, weil nach dem Gesetzeszweck des § 15 Abs. 5 dessen Interesse dem der Gesellschafter nachrangig5 und er zudem nicht schutzwürdig ist6. Der Bewerber kann sich über die Zuständigkeit aus dem Gesellschaftsvertrag unterrichten und muss, wenn er Gesellschafter werden will, dessen Regelung mit allen Konsequenzen hinnehmen. Die Analogie zu § 68 Abs. 2 Satz 2 AktG, auf die sich die abweichende Meinung z.T. stützt7, ist wegen der Beschränkung der Vinkulierungsmöglichkeiten durch § 68 Abs. 2 Satz 1 (zulässig nur Bindung an die Zustimmung der Gesellschaft) und wegen der Besonderheiten sowohl der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung als auch des Aktienhandels unzulässig8. 122

(1) Der Gesellschaftsvertrag ist danach ausschließlich maßgebend dafür, wer zur Entscheidung über die Genehmigung befugt ist und wer demgemäß die entsprechende Erklärung abzugeben hat (hierzu Rdnr. 128 ff.). Die Zuständigkeit kann der Gesellschaft (als Beispiel in § 15 Abs. 5 genannt), einzelnen oder allen Gesellschaftern, der Gesellschafterversammlung9 den GeschFührern, dem AufsRat10 oder einem anderen Gesellschaftsorgan, z.B. einem Bei1 S. dazu aber RGZ 85, 48 betr. § 17 Abs. 1; dahingestellt in BGHZ 22, 107. 2 Zutr. Brodmann, Anm. 5g; Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 112; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 41 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 105; Feine, S. 386; Wiedemann, S. 99 f.; Winkler, S. 58; Immenga, S. 80 f.; Reichert, S. 69 f.; K. Schmidt, S. 762 ff.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 204; Happ, Die GmbH im Prozess, 1997, S. 212. 3 Vgl. auch OLG Koblenz, GmbHR 1990, 39; Wiedemann, S. 100; Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 112; K. Schmidt, S. 762 ff. 4 RGZ 104, 415. 5 Zutr. Immenga, S. 80. 6 K. Schmidt, S. 765; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 105. 7 Zimmermann, BB 1966, 1171; Fischer, ZHR 130 (1968), 367; M. Lehmann, S. 76 f.; vgl. auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 100. 8 Eb. Eder, GmbHR 1966, 279; Winkler, S. 58 Fn. 322; Bunte, S. 53; Reichert, S. 72. 9 BGH, GmbHR 1989, 327, 329; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; BB 1992, 226. 10 BGHZ 22, 101.

1066

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

rat1 oder einem Gesellschafterausschuss 2 zugewiesen werden. Es kann auch bestimmt werden, dass die Abtretung von der Gesellschaft und von allen (einzelnen) Gesellschaftern genehmigt werden muss3. Von der Genehmigung eines gesellschaftsfremden Dritten (z.B. Kreditgeber) kann die Abtretung dagegen nicht abhängig gemacht werden4. Denn es ist nicht zulässig, einem Dritten ein gesellschaftliches Recht einzuräumen5, und einer Rechtszuweisung bei Vinkulierungsklauseln steht überdies entgegen, dass der Dritte nicht der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht unterliegt. Doch kann sich z.B. die Gesellschaft ihm gegenüber verpflichten, eine satzungsmäßig ihr zustehende Genehmigungsbefugnis nicht ohne Befragen oder ohne Zustimmung auszuüben. (2) Schreibt die Satzung die Genehmigung der „Gesellschaft“ vor, so wird dadurch, wenn nicht ein abweichender Wille aus anderen berücksichtigungsfähigen Umständen (Rdnr. 108) klar hervorgeht, die Zuständigkeit der juristischen Person selbst begründet6. Die Genehmigung obliegt dann den Geschäftsführern in vertretungsberechtigter Zahl, und die von ihnen regelmäßig herbeizuführende Entschließung der Gesellschafter (arg. c § 46 Nr. 4)7 wirkt nur im Innenverhältnis8, es sei denn, dass die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht (s. § 35 Rdnr. 7 ff.) eingreifen9. Der Erklärungsempfänger muss sich den Missbrauch entgegenhalten lassen, wenn er weiß oder sich ihm aufdrängen muss, dass der GeschFührer ohne den vorgeschriebenen Gesellschafterbeschluss gehandelt hat10. Ist der Erklärungsempfänger ein (veräußernder oder er-

1 Vgl. dazu Salje, S. 1526 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 104; Happ, Die GmbH im Prozess, 1997, S. 20. 2 RG, WarnRspr. 1918 Nr. 79. 3 BGH, WM 1976, 204. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 240 (anders Vorauflage Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 115); Brodmann, Anm. 5c; Wiedemann, S. 104 m.w.N.; a.M. KG, DR 1942, 1059; Feine, S. 387; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 152; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 48; Reichert, S. 62; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 202; Lessmann, GmbHR 1985, 185. 5 Dazu allgemein Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 922 ff.; Ulmer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1297 ff. 6 A.M. Immenga, S. 81. 7 BGH, GmbHR 1988, 260, 261; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 609, 610; eb. Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 232; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 46. 8 OGHZ 3, 93; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 233; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 46; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 175, Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 143; Wiedemann, S. 104; Eder, S. 279; Reichert, S. 70 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 97; K. Schmidt, S. 761 ff.; a.M. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, § 35 Rdnr. 92; Meyer-Landrut, Rdnr. 14; Immenga, ZGR 1979, 392, 395 f.; Zimmermann, BB 1966, 1171; offen gelassen von BGH, GmbHR 1988, 260, 261. 9 BGH, GmbHR 1988, 260, 261; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 609, 610; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 233; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 175; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 46; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 98. 10 BGH, GmbHR 1988, 260, 261.

H. Winter/Seibt

|

1067

123

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

werbender) Gesellschafter, wird das regelmäßig zutreffen1. Es ist durch Auslegung des Gesellschaftsvertrages festzustellen, ob ein Gesellschafterbeschluss intern erforderlich ist; ergibt sich aus ihm nichts Gegenteiliges, so ist dies anzunehmen, da die Entscheidung über die Zusammensetzung der Gesellschafter primär deren Sache ist. Der Beschluss bedarf, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 47 Abs. 1)2. Ein am Veräußerungsgeschäft beteiligter Gesellschafter darf, s. stat., mitstimmen3. Fehlt das statutarisch zuständige Gesellschaftsorgan oder ist es handlungsunfähig, so entscheidet, wenn es der Gesellschafterversammlung nachgeordnet ist, diese an seiner Stelle4. 124

Die Insolvenz der Gesellschaft ändert an der Zuständigkeit nichts. Der Insolvenzverwalter ist weder zur Entscheidung über die Genehmigung noch zu deren Erklärung befugt (s. Rdnr. 260).

125

(3) Sieht die Satzung die Genehmigung der Gesellschafterversammlung vor, so ist zunächst durch Auslegung zu klären, ob es sich lediglich um ein innergesellschaftliches Erfordernis handelt (Rdnr. 123) oder ob, was im Zweifel anzunehmen ist5, eine eigenständige Abtretungsvoraussetzung i.S. des § 15 Abs. 5 gewollt ist. Diese Zustimmungszuständigkeit kann auch gemeint sein, wenn die Satzung die Genehmigung „der Gesellschafter“ vorschreibt (Rdnr. 126). Die Entscheidung der Gesellschafterversammlung ist mangels abweichender Regelung durch einen Beschluss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu treffen (§ 47 Abs. 1)6. Der abtretende Gesellschafter und, wenn er der Gesellschaft bereits angehört, auch der Erwerber können mitstimmen (Rdnr. 123). Die Satzung kann andere Bestimmungen treffen, z.B. alternativ die Beschlussfassung außerhalb einer Versammlung genügen lassen7 oder eine größere Mehrheit oder auch Einstimmigkeit vorsehen8. Es muss sich aber immer hinreichend deutlich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, dass eine solche verstärkte Bindung gewollt ist; die personalistische Realstruktur ist hierfür allein nicht aus1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 233; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 99; Reichert, in: Anm. zu OLG Hamburg, WuB II C § 15 GmbHG 2.92; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 211. Zu weitgehend sehen Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 46; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 204 die ohne Genehmigungsbeschluss abgegebene Erklärung generell als unwirksam an. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 234; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 199. 3 BGHZ 48, 163, 167; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; BB 1992, 226; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 234; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 42; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 180; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 100; a.M. Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, 1963, S. 245 ff.; Zöllner, GmbHR 1968, 177. 4 Vgl. BGHZ 22, 108 betr. AufsRat. 5 OLG Koblenz, GmbHR 1990, 39; Reichert, S. 70; K. Schmidt, S. 763 u. GesR, S. 1048. 6 BGHZ 48, 163, 167; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 237; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 43; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 105; Reichert, S. 60 f.; Wiedemann, S. 98; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 177; einschr. Mertens, JR 1967, 462, 463. 7 BayObLG, BB 1992, 226. 8 BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573.

1068

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

reichend1. Die Zustimmungsentscheidung muss dem Veräußerer oder Erwerber des vinkulierten Geschäftsanteils anerklärt werden (Rdnr. 128); ist einer von ihnen bei der Bekanntgabe des Beschlussergebnisses anwesend, so genügt das, wenn kein Vorbehalt gemacht wird (Rdnr. 130 a.E.). Andernfalls muss die Gesellschafterversammlung als Zustimmungsberechtigte den Geschäftsführer oder eine andere Person zur Übermittlung ihrer Entscheidung ermächtigen (Rdnr. 130). (4) Eine Bestimmung, die die Genehmigung „der Gesellschafter“ verlangt, ist mehrdeutig. Auch wenn es heißt „übrige Gesellschafter“, ist damit zwar zweifelsfrei ausgedrückt, dass die Mitwirkung des Abtretenden ausgeschlossen ist (§ 47 Abs. 4 Satz 2 greift andernfalls nicht ein; s. bei § 47), aber es bleibt ebenso wie im ersten Fall offen, ob die Genehmigung jedes Gesellschafters als einzelnen erforderlich sein soll oder ob die Gesellschafter als Beschlussorgan gemeint sind und ob dann gegebenenfalls ein Mehrheitsbeschluss genügt2. Ersteres wird nur beim Vorliegen ausreichender Anhaltspunkte im Gesellschaftsvertrag, z.B. einem entsprechenden Vinkulierungszweck oder der auch in anderen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden besonderen Rücksichtnahme auf die Person jedes Beteiligten, anzunehmen sein, während im Zweifel die zweite Alternative gilt3. Regelt der Gesellschaftsvertrag einen Zustimmungsvorbehalt zugunsten „aller Gesellschafter“, so ist ein von sämtlichen Gesellschaftern (nicht nur von den bei der Beschlussfassung Anwesenden) einstimmig gefasster Gesellschafterbeschluss oder die Zustimmungserklärungen sämtlicher Gesellschafter erforderlich4. Zur Erklärung der Zustimmung vgl. Rdnr. 128, 130.

126

cc) Versagungsgründe Der Gesellschaftsvertrag kann die Versagungsgründe näher regeln, bestimmen, dass die Genehmigung grundlos (aber nicht willkürlich) oder dass sie umgekehrt nur in bestimmten Fällen oder nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes5 verweigert werden darf oder bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen erteilt werden muss. Der veräußernde Gesellschafter (nicht der gesellschaftsfremde Erwerber6, der aber von jenem als seinem Schuldner grundsätzlich ein Tätigwerden verlangen kann) hat ein mittels Klage durchsetzbares Recht auf Genehmigung, wenn der statutarische Versagungsgrund, was von ihm zu be1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 237; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 149; Reichert, S. 60 f.; a.M. Mertens, JR 1967, 462, 463; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 203. 2 Dazu Winter, GmbHR 1964, 252; Reichert, S. 57. 3 Eb. Feine, S. 387; Brodmann, Anm. 5 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 238; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47; K. Schmidt, S. 766; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 213; LG Köln, GmbHR 1993, 109, 110; a.M. Fischer, GmbHR 1953, 153; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 179 u. Immenga, S. 81 f., die i.d.R. Einstimmigkeit fordern. Vgl. auch BGH, DB 1981, 931 u. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 44. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 238. 5 S. RG, JW 1934, 1412. 6 KG, NZG 2001, 508. – Einem Erwerber, der bereits Gesellschafter ist, kann zwar ebenfalls ein Genehmigungsanspruch zustehen, aber notwendig ist das nicht; zu weitgehend daher Reichert, S. 110; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 215, 220.

H. Winter/Seibt

|

1069

127

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

weisen ist, nicht vorliegt1; das zuerkennende Urteil ersetzt dann die Genehmigung (§ 894 ZPO). Passiv legitimiert ist, wenn die Zustimmung durch die Gesellschaft oder ein Gesellschaftsorgan zu erteilen ist, die GmbH2, sonst die jeweiligen Zustimmungsberechtigten (Rdnr. 122)3. Schweigt der Gesellschaftsvertrag über die Ablehnungsgründe, so steht die Entscheidung grundsätzlich im Ermessen des Genehmigungsberechtigten4. Die Ablehnung braucht daher nicht durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt zu sein5. Ebenso wenig kann die Wirksamkeit der Erklärung des Berechtigten mit der Begründung in Frage gestellt werden, dass seine Entscheidung verbands- oder unternehmenspolitisch unzweckmäßig sei6. Die Genehmigungsbefugnis darf aber nicht rechtsmissbräuchlich (§§ 226, 242, 826 BGB), insbesondere nicht zweckwidrig ausgeübt werden, wobei aber zu beachten ist, dass der Vinkulierungszweck auch andere als unternehmensbezogene Interessen betreffen kann7. Wenn die Genehmigung grundlos, willkürlich oder aus sachfremden Gründen8 verweigert wird, stellt dies einen Rechtsmissbrauch9 und zugleich einen Verstoß gegen die gesellschaftliche Treuepflicht dar (s. § 14 Rdnr. 50 ff.)10. Die rechtsmissbräuchliche Ablehnung ist unwirksam, begründet aber nicht ohne weiteres ein Recht auf Genehmigung11. Anders liegt es nur dann, wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz ihre Erteilung erfordert (s. § 14 Rdnr. 48)12 oder wenn die gesellschaftliche Treue1 Eb. Wiedemann, S. 107; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 52; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 101; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 183; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 219 ff., 234 m.w.N. 2 OLG Koblenz, GmbHR 1990, 39, 41; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 205; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 222 f.; weitergehend offenbar Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 41; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 183. 3 Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 205; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 223 f. 4 RGZ 88, 325; RG, JW 1934, 1412; OLG Düsseldorf, GmbHR 1964, 250; Wiedemann, S. 106 f.; Immenga, S. 83 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 241 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 52; MeyerLandrut, Rdnr. 15; Zöllner, GmbHR 1968, 177, 178; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 215 f. Vgl. auch OLG Koblenz, GmbHR 1990, 39, 41. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 241 f.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 182 (anders Vorauflage Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 105); Reichert, S. 222, 229 ff.; Reichert/M. Winter, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 209, 223 f.; a.M. Scholz, SJZ 1949, 6; GmbHR 1949, 72; Neflin, GmbHR 1963, 24. 6 Vgl. auch RGZ 132, 155 betr. AG. 7 Daher kann die Entscheidung des BGH, ZIP 1987, 291, 292 zu § 68 Abs. 2 AktG nicht verallgemeinert werden; s. aber Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 242; Reichert/M. Winter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 217; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 216. 8 OLG Karlsruhe, BB 1984, 2015, 2016. 9 Winter, GmbHR 1964, 252; Wiedemann, S. 106; Immenga, S. 84; a.M. Feine, S. 385; Winkler, S. 59; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 216. 10 Zutr. Reichert, S. 224 ff. u. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 243. 11 Wiedemann, S. 106 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 52; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 216; abw. offenbar Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 205. 12 Wiedemann, S. 106; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 52; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 205; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 214.

1070

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

pflicht ausnahmsweise ein Zustimmungsrecht begründet (s. § 14 Rdnr. 60)1, weil keinerlei nach dem Sinn der Satzungsklausel beachtlicher Verweigerungsgrund gegeben ist (d.h. ein Ermessensspielraum für den Berechtigten völlig fehlt) und die Treuepflicht deshalb die Rücksichtnahme auf die Veräußerungsinteressen des Gesellschafters den Umständen nach gebietet. Möglich ist darüber hinaus ein rechtsgeschäftlicher Anspruch auf Zustimmung2. Umgekehrt kann die gesellschaftliche Treuepflicht auch einer Genehmigung entgegen stehen3. dd) Erklärung Die Genehmigung zur Abtretung bedeutet „Zustimmung“ i.S. der §§ 182 ff. BGB4. Sie erfordert daher eine Willenserklärung gegenüber dem Veräußerer oder dem Erwerber und wird erst mit deren Zugang bei dem Betreffenden wirksam (§§ 130, 182 BGB).

128

(1) Die Erklärung ist durch den Zustimmungsberechtigten abzugeben. Die der Gesellschaft obliegende Genehmigung kann deshalb wirksam nur durch die Geschäftsführer erklärt werden (§ 35 Abs. 1; s. darüber Rdnr. 121 ff.), die dabei in vertretungsberechtigender Zahl handeln müssen5. § 181 ist anwendbar6, hindert aber den GeschFührer nicht, seinem Vertragspartner gegenüber zu genehmigen7. Die bloße Erwähnung eines internen Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafter durch den GeschFührer, die ersichtlich nicht als Genehmigungserklärung gemeint war, genügt ebenso wenig8 wie die Mitteilung über den Beschluss durch einen anderen oder die Anwesenheit der Parteien des Abtretungsvertrages bei der Beschlussfassung, außer wenn auch der GeschFührer zugegen und sein Verhalten als Genehmigung zu deuten war9. Zur konkludenten Zustimmung vgl. im Übrigen Rdnr. 131.

129

Im Falle der Zuständigkeit eines anderen ist die Genehmigung nicht durch den GeschFührer, sondern durch den jeweiligen Zustimmungsberechtigten zu erklären10. Das gilt nicht nur, wenn einzelne Gesellschafter oder alle Gesellschaf-

130

1 Vgl. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 241, 244; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 46; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 101; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 214 f. 2 OLG Düsseldorf, ZIP 1987, 227, 231 f.; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 241. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 244; Lutter/Timm, NJW 1982, 409, 417; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 217 f.; Reichert/M. Winter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 209, 229 ff. 4 RGZ 160, 225, 232; BGHZ 13, 179, 184 f. 5 Unzutr. OLG Frankfurt, GmbHR 1962, 157 betr. § 17; dagegen Winter, GmbHR 1962, 158 u. Wiedemann, S. 104 Fn. 3. Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 231; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 46; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 198. 6 OLG Hamburg, GmbHR 1992, 609, 610. 7 RGZ 85, 51; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 231. 8 OGHZ 3, 90. 9 Vgl. Wiedemann, S. 104; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 226; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; s. auch RGZ 104, 413, 415; BGHZ 22, 101, 108, wo aber noch hinzukam, dass die Beteiligten die Abtretung jahrelang als gültig behandelt hatten. 10 Eb. OLG Koblenz, GmbHR 1990, 39; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 43; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 101; Rei-

H. Winter/Seibt

|

1071

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

ter jeder für sich genehmigungsberechtigt sind, sondern auch bei der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung oder eines sonstigen Gesellschaftsorgans (Rdnr. 122 f.). Eine allgemeine Kompetenz der GeschFührer zur Vertretung eines anderen Gesellschaftsorgans besteht nicht und ein Mitteilungsrecht fließt auch nicht aus der allgemeinen Geschäftsführungskompetenz der GeschFührer1. Wenn der Gesellschaftsvertrag für die Vornahme dieses Sozialaktes keine abweichende Bestimmung nach § 45 Abs. 2 trifft2, muss das zustimmungsberechtigte Gesellschaftsorgan ihn entweder selbst vornehmen oder einen anderen, z.B. eines seiner Mitglieder oder den GeschFührer, ermächtigen; im Regelfall wird bei einer Übermittlung der Zustimmungserklärung durch die GeschFührer eine solche Ermächtigung vorliegen3. Anders als bei der Zuständigkeit der Gesellschaft (Rdnr. 129) muss es deshalb hier auch als ausreichend angesehen werden, wenn das betreffende Gesellschaftsorgan in Anwesenheit der Parteien des Abtretungsvertrages beschließt und ihnen das Beschlussergebnis vorbehaltlos bekanntgibt oder wenn die erforderliche Mehrheit seiner Mitglieder die Abtretung selbst vornimmt4. 131

(2) Eine Form der Genehmigungserklärung verlangt weder das GmbHG (§ 17 Abs. 2 gilt nicht analog) noch folgt sie aus der des Abtretungsvertrages (§ 182 Abs. 2 BGB). Die Genehmigung kann mithin auch durch schlüssiges Verhalten seitens des Berechtigten5, z.B. dadurch erklärt werden, dass er am Abtretungsvertrag selbst mitgewirkt6 oder den Erwerber als Gesellschafter behandelt hat7 oder an der Abtretung widerspruchslos teilnimmt8. Die Eintragung in die Gesellschafterliste und deren Einreichung zum HandReg. (§ 40) sind keine Erklärungen gegenüber dem Veräußerer oder dem Erwerber und reichen deshalb allein nicht aus9. Der Gesellschaftsvertrag kann aber für die Genehmigung eine bestimmte Form vorschreiben, die dann im Zweifel nicht nur bloße Beweisanforderung oder Ordnungsvorschrift10, sondern Wirksamkeitsvoraussetzung ist,

1 2 3

4 5

6 7 8 9 10

chert, S. 69 f.; K. Schmidt, S. 762 f.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 204. Generell in diesem Sinne Meyer-Landrut, Rdnr. 14; a.M. RGZ 104, 413, 414; 160, 225, 231; Fischer, ZHR 130 (1968), 367; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 47; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 177. So Feine, S. 386; Wiedemann, S. 101, 103. Vgl. OLG Hamm, GmbHR 1997, 950, 951. Vgl. BGHZ 49, 117, 120 (zur Kapitalerhöhung); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 43 und Fn. 242; K. Schmidt, in: FS Beusch, S. 759, 764; i.E. ähnlich Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 237. BGHZ 15, 329 f.; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 45; Wiedemann, S. 102. RGZ 160, 232; BGHZ 15, 329; 22, 101, 108; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; OLG Frankfurt, JW 1923, 87; OLG Hamm, GmbHR 1997, 950, 951; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 103. BGHZ 15, 328 f. RGZ 104, 415; 160, 232; BGHZ 15, 329; 22, 108. BGH, WM 1968, 1037; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 579. RGZ 64, 153; 85, 46, 52; RG, JW 1910, 843; a.M. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 45; differenzierend Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 226. So Brodmann, Anm. 5d; vgl. auch OLG Hamm, NZG 1999, 600, 601.

1072

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

§ 125 Satz 2 BGB1. Verlangt der Gesellschaftsvertrag die „schriftliche Genehmigung der Gesellschafterversammlung“, so ist, wenn darüber nichts Näheres bestimmt ist, die Aufzeichnung des gefassten Beschlusses und seine Unterzeichnung durch den Versammlungsleiter oder die Gesellschaftermehrheit notwendig2. Die Schriftform der Erklärung ist gewahrt, wenn die Zustimmung des Berechtigten in der Abtretungsurkunde irgendwie zum Ausdruck kommt, §§ 126 Abs. 3, 127 BGB3. Sie wird dagegen nicht durch einen dem Erwerber mitgeteilten einstimmigen Gesellschafterbeschluss ersetzt4. Doch kann der Formmangel nach Treu und Glauben unbeachtlich und die Erklärung wirksam werden, wenn danach der Erwerber von allen Beteiligten über einen langen Zeitraum hinweg als Gesellschafter behandelt worden ist (s. auch Rdnr. 89, 129). (3) Die Genehmigung kann wirksam vor, bei und nach dem Abschluss des Abtretungsvertrages erteilt werden, §§ 183, 184 BGB5. Unzulässig ist eine BlankoZustimmung zu allen Abtretungen oder zu einzelnen Arten, da das dem Sinn des Satzungserfordernisses widerspräche und da die Genehmigung empfangsbedürftige Willenserklärung ist (Rdnr. 128) und demzufolge nur gegenüber bestimmten Personen, nämlich den Parteien des jeweiligen Abtretungsvertrages, abgegeben werden kann6. Bis zur Entscheidung über die Frage der Genehmigung sind die Vertragsparteien in angemessener Frist gebunden7. Solange nicht nach außen die Genehmigung oder Verweigerung erklärt oder in Erscheinung getreten ist, kann ein interner Genehmigungsbeschluss natürlich geändert werden8. Die erteilte Zustimmung ist selbst dann unwiderruflich, wenn sie vor dem Abschluss des Abtretungsvertrages erklärt worden ist9. Das gilt unabhängig davon, ob der abtretende Gesellschafter ein Recht auf Zustimmung hat (hierzu Rdnr. 127); § 183 BGB ist deswegen unanwendbar, weil die Zustimmung im Falle des § 15 Abs. 5 als Aufgabe einer Rechtsposition zu werten ist, die der Gesellschaftsvertrag dem Ermächtigten zur Wahrung eigener Interessen im Hinblick auf die ihn treffende Folge eines an sich fremden Abtretungsgeschäfts einräumt10. Die Verweigerung 1 OGHZ 3, 94; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 45; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 227 (abw. Vorauflage Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 105); Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 141; Vogel, Anm. 9; Wiedemann, S. 102; offen gelassen in BGHZ 15, 324, 330. 2 Nach BGHZ 48, 144 soll auch die Unterschrift eines einzelnen Gesellschafters genügen. 3 BGHZ 22, 108. 4 Zutr. Wiedemann, S. 102 f.; a.M. BGHZ 15, 324, 330. 5 RGZ 160, 232; BGHZ 13, 184; 48, 166; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 41; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 140. Nach BGH, GmbHR 1965, 155 gilt das auch, wenn die Satzung ausdrücklich die vorherige Zustimmung verlangt. 6 RGZ 132, 155 f. 7 RGZ 64, 154. 8 RGZ 64, 153; 88, 326. 9 A.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 229; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 142; MeyerLandrut, Rdnr. 13, die das nur für die Genehmigung annehmen. Wie hier Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 47; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 50; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 194. 10 Dazu Flume, Das Rechtsgeschäft, 1965, S. 898.

H. Winter/Seibt

|

1073

132

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

der Zustimmung ist dagegen bis zum Abschluss des Abtretungsvertrages widerruflich1, während sie danach ebenfalls nicht mehr widerrufen werden kann, weil sie sich gestaltend auf den Abtretungsvertrag derart ausgewirkt hat, dass dieser endgültig unwirksam geworden ist2. Die Zustimmung und ihre Verweigerung können aber nach Maßgabe der §§ 119 ff. BGB anfechtbar sein3. Zulässig ist auch eine aufschiebend befristete oder bedingte Zustimmung oder Genehmigung, nicht hingegen eine auflösende Bedingung bei der Genehmigung4. ee) Wirkung 133

Der Abtretungsvertrag ist schwebend unwirksam, solange sich der Berechtigte über die Genehmigung noch nicht erklärt hat5. Erteilt er sie, wird die Abtretung wirksam, und zwar, soweit der Abtretungsvertrag nichts anderes bestimmt, mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt von dessen Abschluss, § 184 Abs. 1 BGB6. Im Verhältnis zur GmbH ist jedoch § 16 zu beachten. Verfügungen über den GeschAnteil, die der Veräußerer während der Schwebezeit getroffen hat, sind unwirksam, außer wenn er selbst Genehmigungsberechtigter ist (§ 184 Abs. 2). Zwischenzeitliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Veräußerer in den GeschAnteil bleiben dem Erwerber gegenüber wirksam7. Andererseits werden zwischenzeitliche Verfügungen des Erwerbers nach § 185 Abs. 2 BGB wirksam8. Wird die Genehmigung rechtswirksam verweigert, so ist der Abtretungsvertrag endgültig unwirksam, §§ 399, 413 BGB9. Eine spätere Zustimmung vermag daran auch dann nichts zu ändern, wenn die Parteien des Abtretungsvertrages an der Übertragungsabsicht festhalten10; es ist formgerechte Neuvornahme notwendig. Die Zustimmungs- und die Versagungserklärung können nach §§ 119 ff. BGB angefochten werden11 mit der Folge, dass erneut die schwebende Unwirksamkeit der Abtretung eintritt, es sei denn, dass die Anfechtungserklärung zugleich eine neue Entscheidung über die Zustimmung enthält, was nicht notwendigerweise der Fall sein muss. Über die Auswirkung der Anfechtung bei zwischenzeitlicher Anmeldung des Übergangs s. Erl. zu § 16. Über die Folgen der Unwirksamkeit der Abtretung für das obligatorische Geschäft vgl. Rdnr. 106. 1 BGHZ 48, 166. 2 BGHZ 13, 187; 48, 166; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 229; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 47; Meyer-Landrut, Rdnr. 13. 3 RG, HRR 1933 Nr. 45. 4 Neukamp, ZHR 57 (1906), 521; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 50; a.M. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 142. 5 BGHZ 15, 184 f.; 48, 166; allg.M. 6 OLG München, GmbHR 1937, 749. 7 RGZ 134, 121, 123; Wiedemann, S. 106; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 247; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 47; Reichert, S. 52; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 51; a.M. Schuler, NJW 1956, 691. 8 Die Vorschrift ist analog anwendbar, wenn der Erwerber später den Geschäftsanteil desjenigen erwirbt, dessen Zustimmung noch aussteht; vgl. OLG Hamm, GmbHR 1985, 22. 9 BGHZ 15, 187; 48, 166. 10 BGHZ 48, 163, 166; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 247; Meyer-Landrut, Rdnr. 13. 11 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 248.

1074

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

ff) Nicht genehmigungsbedürftige Abtretungen Nicht genehmigungsbedürftig sind mit Rücksicht auf den Zweck des statutarischen Genehmigungserfordernisses die Abtretung des GeschAnteils durch den Alleingesellschafter einer GmbH1 oder durch den einen Gesellschafter einer zweigliedrigen GmbH an den anderen2. Ob die statutarische Bestimmung entgegen ihrem Wortlaut auch bei anderen Abtretungen nicht eingreifen soll, ist im Einzelfall durch Auslegung festzustellen. Soll das Genehmigungserfordernis nur der Einflussnahme auf den Beitritt neuer Gesellschafter dienen, wird z.B. der Erwerb eigener GeschAnteile durch die Gesellschaft als genehmigungsfrei gelten können; nicht dagegen dann, wenn es daneben noch das Vorkaufsrecht eines Gesellschafters oder andere Interessen der Mitgesellschafter sichern soll3.

134

d) Ausschluss der Abtretbarkeit Ein Ausschluss der Abtretbarkeit durch Gesellschaftsvertrag ist in § 15 Abs. 5 zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, gleichwohl im Grundsatz mit der h.M.4 anzuerkennen. Einwendungen gegen einen Ausschluss können nicht aus § 137 Satz 1 BGB5 hergeleitet werden, da es nicht um die Verfügungsbefugnis des Anteilsinhabers6, sondern um die Abtretbarkeit des GeschAnteils und daher ebenso wie bei den Abtretungsvoraussetzungen gem. § 15 Abs. 5 um eine die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigende Inhaltsbestimmung des Anteilsrechts i.S. der §§ 339, 413 BGB geht, die das GmbH-Recht nicht allgemein verbietet7. Die Vorschriften des § 15 Abs. 1, 5 stehen einem Ausschluss nicht grundsätzlich entgegen, insbesondere ist ihnen nicht zu entnehmen, dass das Statut die Abtretung nur erschweren, nicht aber auch ausschließen dürfe oder dass die Veräußerlichkeit ein unabdingbares Wesensmerkmal „der“ KapGesellschaft sei. Eine Grenze für den statutarischen Ausschluss der Abtretbarkeit ist nur insoweit gegeben, als die Abtretung des GeschAnteils zum Vollzug des Austritts (s. Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.) und der Ausschließung (s. Anh. § 34 Rdnr. 21 ff.) eines Gesellschafters aus wichtigem Grunde notwendig ist8. Auch der Schutz der Gesellschaftergläubiger ist dadurch gewährleistet, dass ihnen der 1 BGH, GmbHR 1991, 311, 312; OLG Dresden u. KG, GmbHRspr. IV § 15 R. 51, 52; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 39; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 96; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41. 2 RFH, JW 1929, 2205. 3 BGH, WM 1976, 204; Kühn, WM 1976, 758; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 41; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 198; zu weitgehend daher Wiedemann, S. 101. 4 RGZ 80, 175, 179 (ob dict.); BayObLG, DB 1989, 214, 215 f.; Feine, S. 370; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 38; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 107; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 42; Wiedemann, S. 76 ff.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 161 f.; Immenga, S. 86 f.; Flume, Jur.Person, 1983, S. 279; Reichert, S. 93 ff. m.w.N.; a.M. Brodmann, Anm. 5a; Vogel, Anm. 2; Saenger, S. 31; Wolany, S. 81. Offen gelassen von RG, JW 1934, 1412, 1413. 5 Auf ihn beruft sich Wolany, S. 81. 6 So unzutr. Wiedemann, S. 77; Winkler, S. 59 Fn. 336; Immenga, S. 87. 7 Zutr. Reichert, S. 97 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 107. 8 Abw. Reuter, Verh. d. 55. DJT, 1984, Bd. I B 63 ff.; s. dazu Anh. § 34 Rdnr. 7.

H. Winter/Seibt

|

1075

135

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Zugriff nach §§ 851 Abs. 2, 857 Abs. 1 ZPO, §§ 35 f. InsO erhalten bleibt (Rdnr. 202 ff., 254).

VI. Gewährleistung beim Anteilskauf Schrifttum: Barnert, Mängelhaftung beim Unternehmensverkauf zwischen Sachgewährleistung und Verschulden bei Vertragsschluss im neuen Schuldrecht, WM 2003, 416; Boerner, Kaufrechtliche Sachmängelhaftung und Schuldrechtsreform, ZIP 2001, 2264; Brüggemeier, Das neue Kaufrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, WM 2002, 1376; Canaris, Die Neuregelung des Leistungsstörungs- und des Kaufrechts – Grundstrukturen und Problemschwerpunkte, in: E. Lorenz, Karlsruher Forum 2002, 2003, S. 5; Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003; Dauner-Lieb/Thiessen, Das neue Leistungsstörungsrecht – Leistungshemmend und störanfällig?, DStR 2002, 809; Dauner-Lieb/Thiessen, Garantiebeschränkungen in Unternehmenskaufverträgen nach der Schuldrechtsreform, ZIP 2002, 108; Dietzel, Haftung des Verkäufers und Unternehmensprüfung (due diligence), in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd. I, 2001, S. 351; Eidenmüller, Die Verjährung beim Rechtskauf, NJW 2002, 1625; Eidenmüller, Rechtskauf und Unternehmenskauf, ZGS 2002, 290; Emmerich, Schuldrecht Besonderer Teil, 10. Aufl. 2003; Faust, Garantie und Haftungsbeschränkung in § 444 BGB, ZGS 2002, 271; Fischer, Die Haftung des Unternehmensverkäufers nach dem neuen Schuldrecht, DStR 2004, 276; Fleischer/Körber, Due diligence und Gewährleistung beim Unternehmenskauf, BB 2001, 841; Gaul, Schuldrechtsmodernisierung und Unternehmenskauf, ZHR 166 (2002), 35; Geldsetzer, Aufklärungspflichten des Verkäufers bei M&A-Transaktionen, M&A Review 2005, 475; Graf v. Westphalen, Ein Stein des Anstoßes – § 444 BGB n.F., ZIP 2001, 2107; Graf v. Westphalen, Nach der Schuldrechtsreform: Neue Grenzen für Haftungsfreizeichnungs- und Haftungsbegrenzungsklauseln, BB 2002, 209; Graf v. Westphalen, „Garantien“ bei Lieferung von Maschinen und Anlagen – Todesstoß für Haftungsbegrenzungen durch §§ 444, 639 BGB?, ZIP 2002, 545; Grigoleit, Reformperspektiven der vorvertraglichen Informationshaftung, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 269; Grigoleit/Herresthal, Grundlagen der Sachmängelhaftung im Kaufrecht, JZ 2003, 118; Grigoleit/Herresthal, Die Beschaffenheitsvereinbarung und ihre Typisierung in § 434 I BGB, JZ 2003, 233; Gronstedt/Jörgens, Die Gewährleistungshaftung bei Unternehmensverkäufen nach dem neuen Schuldrecht, ZIP 2002, 52; Grunewald, Rechts- und Sachmängelhaftung beim Kauf von Unternehmensanteilen, NZG 2003, 372; Heerstraßen/Reinhard, Die Verjährung von Rechtsmängelansprüchen beim Beteiligungskauf nach der Schuldrechtsreform, BB 2002, 1429; Hilgard, Berechnung des Schadens bei Verletzung von Garantien eines Unternehmenskaufvertrages, ZIP 2005, 1813; Hilgard/Kraayvanger, Unternehmenskauf – Rechtsfolgen eines selbstständigen Garantieversprechens nach der Reform, MDR 2002, 678; Hommelhoff, Zur Abgrenzung von Unternehmenskauf und Anteilserwerb, ZGR 1982, 366; U. Huber, Die Praxis des Unternehmenskaufs im System des Kaufrechts, AcP 202 (2002), 179; Jaques, Haftung des Verkäufers für arglistiges Verhalten bei Unternehmenskauf – zugleich eine Stellungnahme zu § 444 BGB n.F., BB 2002, 417; Kindl, Unternehmenskauf und Schuldrechtsmodernisierung, WM 2003, 409; Knott, Unternehmenskauf nach der Schuldrechtsreform, NZG 2002, 249; Larisch, Gewährleistungshaftung beim Unternehmens- und Beteiligungskauf, 2004; Lieb, Gewährleistung beim Unternehmenskauf, in: FS Gernhuber, 1993, S. 259; Lorenz, Der Unternehmenskauf nach der Schuldrechtsreform, in: FS Heldrich, 2005, S. 305; Lorenz, Schadensersatz wegen Pflichtverletzung – ein Beispiel für die Überhastung der Kritik an der Schuldrechtsreform, JZ 2001, 742; Lorenz, Schuldrechtsreform 2002: Problemschwerpunkte drei Jahre danach, NJW 2005, 1889; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 2002; Schellhammer, Das neue Kaufrecht – Rechtsmängelhaftung, Rechtskauf und Verbrauchsgüterkauf, MDR

1076

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

2002, 485; Schinkels, Zur Abgrenzung von zulässiger Beschaffenheitsvereinbarung und Umgehung der Gewährleistung beim Verbrauchsgüterkauf, ZGS 2003, 310; D. Schmidt, Die Beschaffenheit der Kaufsache, BB 2005, 2763; Schröcker, Unternehmenskauf und Anteilskauf nach der Schuldrechtsreform, ZGR 2005, 63; Seibt, Rechtssicherheit beim Unternehmens-, Beteiligungs- und Anlagenverkauf: Analyse der Änderungen bei §§ 444, 639 BGB, NZG 2004, 801; Seibt/Raschke/Reiche, Rechtsfragen der Haftungsbegrenzung bei Garantien (§ 444 BGB n.F.) und M&A Transaktionen, NZG 2002, 256; Seibt/Reiche, Unternehmens- und Beteiligungskauf nach der Schuldrechtsreform, DStR 2003, 1135 u. 1181; Stengel/Scholder, Aufklärungspflichten beim Beteiligungs- und Unternehmenskauf, NJW 1994, 158; Triebel/ Hölzle, Schuldrechtsreform und Unternehmenskaufverträge, BB 2002, 521; Wälzholz, Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf Gesellschaften und Geschäftsanteilsabtretungen, DStR 2002, 500; Weigl, Die Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf den Unternehmenskauf, DNotZ 2005, 246; Weitnauer, Der Unternehmenskauf nach neuem Kaufrecht, NJW 2002, 2511; Wertenbruch, Gewährleistung beim Unternehmenskauf, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 493; Wolf/Kaiser, Die Mängelhaftung beim Unternehmenskauf nach neuem Recht, DB 2002, 411; Ziegler, Gewährleistungsrechtliche Haftung für „öffentliche Äußerungen“ am organisierten Kapitalmarkt, DStR 2005, 873.

1. Anwendbares Gewährleistungsrecht Der Kauf eines Geschäftsanteils ist ein Rechtskauf. Für die Beurteilung der Konsequenzen bei Vorliegen von Mängeln ist zwischen Verträgen, die dem BGB in seiner Fassung bis zum 31. 12. 2001 (vgl. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) unterliegen (unten Rdnr. 137 ff.), und solchen nach dem BGB in seiner durch das am 1. 1. 2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz1 geänderten Fassung zu unterscheiden (unten Rdnr. 143 ff.). Entscheidend für die Anwendung alten Rechts ist, dass Angebot und Annahme bis zum 31. 12. 2001 wirksam geworden sind2. Unerheblich ist, ob etwaige aufschiebende Bedingungen (z.B. Gremienvorbehalte, kartellrechtliche Genehmigung) erst später eingetreten sind3.

136

Die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften sind entsprechend anwendbar auf vertragliche Abreden im Zusammenhang mit der Übernahme neuer Geschäftsanteile, die durch eine Kapitalerhöhung entstehen4.

2. Gewährleistung beim Anteilskauf nach dem BGB i.d.F. bis zum 1. 1. 2002 a) Haftung für Rechtsmängel Für den Anteilskauf nach altem Recht (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) richtete sich die Gewährleistung für Rechtsmängel grundsätzlich nach den §§ 434, 437, 440 Abs. 1, 323 ff. BGB a.F. Hiernach haftete der Veräußerer garantiemäßig für den Bestand des Geschäftsanteils sowie dafür, dass keine Umstände vorliegen, 1 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. 11. 2001 (BGBl. I, 3138). 2 Vgl. BGH v. 15. 6. 2005 – VIII ZR 118/03 (nicht veröffentlicht); Palandt/Heinrichs, Art. 229 § 5 EGBGB Rdnr. 3. 3 Triebel/Hölzle, BB 2002, 521. 4 Ausführlich Seibt/Raschke/Reiche, NZG 2002, 256, 260 ff.

H. Winter/Seibt

|

1077

137

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

die den Geschäftsanteil in seinem Bestand gefährden, wie z.B. die Vernichtbarkeit der Gesellschaft oder ihre Auflösbarkeit, wenn sie sich in der Insolvenz oder Liquidation1 befand2. Nach h.M. zur alten Rechtslage reichte allerdings Insolvenzreife nach § 64 (Überschuldung) nicht aus3. Als in seinem Bestand gefährdet galt der Geschäftsanteil auch, wenn Gründe vorlagen, die eine Kaduzierung oder Einziehung des Geschäftsanteils rechtfertigten4, etwa wenn die Einlage rückständig war5. 138

Eine Rechtsmängelhaftung griff zudem dann, wenn die gewöhnliche oder die vereinbarte rechtliche Beschaffenheit des Geschäftsanteils fehlte, er z.B. nicht die festgelegte Größe hatte, die Gewinn- oder Veräußerungsbeteiligung niedriger war oder zugesagte Stimm- oder Sonderrechte nicht bestanden6. Nach verbreiteter Auffassung haftete der Verkäufer nach § 437 BGB a.F. auch für die Übertragbarkeit des Anteils7. Erforderte die Anteilsübertragung hingegen eine Genehmigung (vgl. § 15 Abs. 5), so hatte der Verkäufer die Nebenpflicht, das Erforderliche zu tun, um die Genehmigung herbeizuführen8. Bei Verweigerung der Genehmigung wurde die Erfüllung der Abtretungspflicht (nachträglich) unmöglich9, sofern der Übertragungsanspruch nicht in angemessener Frist auf einen Erwerber abgetreten werden konnte, im Hinblick auf den es keiner Genehmigung bedurfte bzw. dem diese erteilt wurde10. Die Haftung richtete sich nach §§ 440 Abs. 1, 275 ff., 323, 325 BGB a.F., wobei der Verkäufer die Unmöglichkeit in der Regel zu vertreten hatte, es sei denn, der Käufer kannte die Genehmigungsbedürftigkeit der Abtretung (§ 439 BGB a.F.)11. Nach altem Recht konnte der Käufer in den genannten Fällen zwischen Schadensersatz wegen 1 Zweifelhaft, ob auch dann Rechtsmangel anzunehmen, wenn GmbH i.L. noch werbend tätig ist, dagegen KG, GmbHR 1996, 921. 2 Zu den relevanten Rechtsmängeln näher Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 112 m.w.N. sowie unten Rdnr. 144 f. zum – insoweit unveränderten – neuen Recht seit der Schuldrechtsreform. 3 BGH, NJW 1980, 2408; OLG Naumburg, GmbHR 1995, 378, 379; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; a.A. Winter, in: 9. Aufl., § 15 Rdnr. 112 (aufgrund der konkreten Bestandsgefährdung der Gesellschaft); Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 176a; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 117. 4 Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 112. 5 RGZ 96, 227, 230; OLG Nürnberg, GmbHR 1977, 251 f. 6 Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 112; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 176a. 7 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 437 Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; allgemein zur Haftung nach § 437 BGB a.F. für die Übertragbarkeit des verkauften Rechts auch BGH, NJW 1970, 556; a.A. hingegen Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 79: Unmöglichkeit nach § 306 BGB a.F. 8 RGZ 88, 319, 324 f.; BGHZ 48, 163, 166; BGH, NJW 1965, 1377; Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 79. 9 Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 79; Köhler, in: Staudinger, BGB, § 437 Rdnr. 17; a.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7 (anfängliche Unmöglichkeit mit Folge Garantiehaftung nach § 437 BGB a.F.). 10 Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 79; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 47. 11 RGZ 132, 149, 157; Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 79 m.w.N.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; nach Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7 greift hingegen Garantiehaftung nach § 437 BGB a.F.

1078

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Nichterfüllung und Rücktritt vom Vertrag wählen (§§ 437, 440 Abs. 1, 323 BGB a.F.)1. b) Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens aa) Grundsatz Das Sachmängelgewährleistungsrecht nach §§ 459 ff. BGB a.F. kam neben der Haftung für Rechtsmängel grundsätzlich nicht zur Anwendung2. Eine Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens der GmbH, dessen Anteile erworben wurden, oder der ihr gehörenden Vermögensgegenstände sowie ihre Verbindlichkeiten schied daher im Regelfall genauso aus wie eine Haftung für den Wert des Geschäftsanteils3, es sei denn, es wurde eine – in der Praxis übliche – Garantieabrede unter Wahrung der Form des § 15 Abs. 4 getroffen (s. unten Rdnr. 160 ff.). Der Verkäufer konnte jedoch außerhalb des Gewährleistungsrechts nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) haften, der Käufer den Anteilskaufvertrag bei Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften u.U. nach § 119 Abs. 2 BGB oder bei Täuschung nach § 123 BGB anfechten4.

139

bb) Anteilskauf als Unternehmenskauf Ausnahmsweise wurden nach der früheren Rechtslage die §§ 459 ff. BGB a.F. auf den Anteilskauf analog angewandt, wenn es sich wirtschaftlich um einen Unternehmenskauf handelte (Unternehmenskauf in Gestalt eines Share Deal)5. Dies wurde jedenfalls für den Fall angenommen, dass (nahezu) alle Geschäftsanteile Gegenstand des Kaufvertrages waren6. Im übrigen war die Grenzziehung zwischen Unternehmens- und Anteilskauf höchst umstritten. Der BGH stellte vor allem auf den wirtschaftlichen Vertragszweck und den Umfang der durch den Erwerb vermittelten unternehmerischen Einflussmöglichkeit ab, welche sich durch die Beteiligungsgröße und die gesellschaftsvertragliche Gestaltung bestimme. Ein Share Deal war danach als Unternehmenskauf zu qualifizieren, 1 Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 112. 2 Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113 mit Nachweisen zur h.M.; zur Ausnahme beim Anteilskauf als Unternehmenskauf s. unten Rdnr. 140. 3 BGHZ 65, 246, 248 ff.; BGH, NJW 1980, 2408; OLG München, NJW 1967, 1327; OLG Naumburg, GmbHR 1995, 378, 379; KG, GmbHR 1996, 921; für Aktien: OLG München, NZG 2004, 530 („Börsengängigkeit, der Kurs oder künftige Erträge sind von der Haftung des Verkäufers nicht erfasst“); Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6. 4 BGHZ 65, 246, 248 ff.; BGH, NJW 1980, 2408; Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113. 5 Bei einem Asset Deal hingegen, bei dem Gegenstand des Kaufvertrages nicht die Anteile der Gesellschaft, sondern die Vermögensgegenstände des Unternehmens sind, haftete der Verkäufer für Sachmängel unmittelbar nach §§ 459 ff. BGB a.F.; darüber hinaus kam bei Vorlage fehlerhafter Erfolgs- und Finanzplanungen auch eine Anfechtung nach § 123 BGB oder bei falschen Angaben zu Umsatzzahlen eine Haftung aus culpa in contrahendo in Betracht, vgl. BGH, NJW 1996, 2503. 6 RGZ 98, 289, 292; BGHZ 65, 246, 248 ff.; BGH, NJW 1980, 2408; BGH, NJW 1998, 2360; weitere Nachweise zu dieser h.M. in Rspr. und Lit. bei Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113 und bei Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7.

H. Winter/Seibt

|

1079

140

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

wenn der Parteiwille auf den Erwerb des Unternehmens als Ganzes gerichtet war, sich der Kaufpreis daran orientierte und beim Verkäufer oder einem Dritten nur ein geringfügiger Anteilsbesitz verblieb, der nicht geeignet war, die Verfügungsmacht des Erwerbers über das Unternehmen wesentlich zu beeinträchtigen1. Nicht ausreichend war der Erwerb einer einfachen oder satzungsändernden Mehrheit2. Die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur tendierte wie der BGH zu strengen Anforderungen, so dass nach einer verbreiteten Auffassung die verbleibenden Geschäftsanteile im allgemeinen einen Anteil von 10% nicht überschreiten durften3. 141

Selbst bei Vorliegen eines Unternehmenskaufs wurde den §§ 459 ff. BGB a.F. von der Rechtsprechung nur ein enger Anwendungsbereich eingeräumt. Der BGH argumentierte v.a. mit dem engen traditionellen Fehlerbegriff, wonach als ein Beschaffenheitsmerkmal nur das in Betracht kam, was der Kaufsache für eine gewisse Dauer selbst anhafte4. Danach kam ein Fehler einzelner Gegenstände im Vermögen des verkauften Unternehmens (Mangel des sachlichen Substrats), der sich auf den Wert oder die Funktionstauglichkeit des gesamten Unternehmens auswirkte, als relevanter Mangel des Unternehmens in Betracht5 und auch Umstände, welche die wirtschaftliche Grundlage der unternehmerischen Tätigkeit bzw. die Ertragskraft erschütterten, ohne an einzelnen Gegenständen des Unternehmensvermögens zu haften, wurden als Fehler des Unternehmens i.S.d. § 459 BGB a.F. angesehen6. Gleichermaßen wurden quantitative Abweichungen im Hinblick auf den Vermögensbestand des Unternehmens sowie Rechtsmängel einzelner Vermögensteile als Mängel des Unternehmens in Betracht gezogen, sofern deren Bedeutsamkeit für den Käufer beim Vertragsschluss deutlich zutage trat7. Insbesondere die neuere Rechtsprechung ließ aber für den Käufer unbekannte Schulden des Unternehmens oder unrichtige Bilanzangaben bzw. falsche Angaben des Verkäufers über Umsatz oder Erträge nicht als Fehler zu, da diese Umstände ihren Grund nicht im Kaufgegenstand selbst haben, sondern sich erst aus außerhalb des Unternehmens liegenden Verhältnissen oder Umständen ergeben8. Allerdings kam nach der Rechtsprechung die durch Umsatz- und Ertrags-

1 BGHZ 65, 246, 248 ff.; BGH, NJW 1980, 2408; Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113 m.w.N. 2 BGH, NJW 1980, 2408, 2409. 3 Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113 m.w.N.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7 m.w.N.; weniger streng etwa OLG München, NJW 1967, 1327 (Erwerb von 80%); Hommelhoff, ZGR 1982, 366, 381 (Erwerb von mehr als 50%); weitere Nachweise auch bei Grunewald, NZG 2003, 372 f. 4 Vgl. etwa BGH, NJW 1970, 653, 655; BGH, NJW 1979, 33; gegen diesen Fehlerbegriff z.B. H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 459 Rdnr. 18 und im Zusammenhang mit dem Anteils- und Unternehmenskauf Rdnr. 46 ff. 5 Der Sach- oder Rechtsmangel am einzelnen Vermögensgegenstand des Unternehmens musste so gewichtig sein, dass er auf das Unternehmen durchschlug und dadurch die wirtschaftliche Einheit des Unternehmens erschütterte, vgl. BGH, NJW 1970, 556; BGH, WM 1970, 819, 821; BGH, NJW 1995, 1547, 1549. 6 Vgl. RGZ 67, 86, 90; BGH, NJW 1992, 2564, 2565. 7 Vgl. BGH, NJW 1969, 184. 8 Vgl. etwa BGH, NJW 1999, 1404, 1405 und BGH, NJW 1995, 1547, jew. m.w.N. zur Rechtsprechung; aus den gleichen Gründen lag bei charakterlichen Mängeln von Mitarbeitern des Unternehmens kein Sachmangel vor, vgl. BGH, NJW 1991, 1223, 1224.

1080

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

angaben belegte Ertragsfähigkeit des Unternehmens als zusicherungsfähige Eigenschaften i.S.d. § 459 Abs. 2 BGB a.F. in Betracht1. Eine zusicherungsfähige Eigenschaft wurde jedoch nur dann angenommen, wenn sich die Umsatz- und Ertragsangaben über einen längeren, mehrjährigen Zeitraum erstreckten und deshalb einen verlässlichen Anhalt für die Bewertung der Ertragsfähigkeit und damit für die Ermittlung des Wertes des Unternehmens gaben2. Durch die zurückhaltende Einordnung eines Anteilskaufs als Unternehmenskauf und den engen Fehler- und Eigenschaftsbegriffen wurde zugleich einer Haftung unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten der Weg eröffnet mit der weitaus großzügigeren Verjährungsfrist von dreißig Jahren (§ 195 BGB a.F., vgl. aber jetzt Art. 229 § 6 EGBGB) gegenüber den sechs Monaten nach § 477 BGB a.F. beim Gewährleistungsrecht. Die culpa in contrahendo wurde von der Rechtsprechung insbesondere bei unrichtigen Bilanzangaben und Umsatzzahlen herangezogen3. Gegenüber einer Einordnung als zusicherungsfähige Eigenschaft i.S.d. § 463 BGB a.F. hatte dies aber auch zur Folge, dass bereits einfache Fahrlässigkeit für einen Schadensersatzanspruch ausreichte.

142

3. Gewährleistung beim Anteilskauf nach der Schuldrechtsreform Nach neuem Recht ist der Rechtskauf dem Sachkauf gleichgestellt (§ 453 Abs. 1 BGB), es gelten daher für den Anteilskauf die §§ 433 ff. BGB4. Gem. §§ 453 Abs. 1, 433 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Veräußerer dem Käufer den verkauften Geschäftsanteil zu übertragen.

143

a) Haftung für Rechtsmängel aa) Rechtsmängel Die Haftung für Rechtsmängel beim Anteilsverkauf folgt aus §§ 453 Abs. 1 Alt. 1, 433 Abs. 1 Satz 2, 435 BGB. Die Rechtsfolgen eines Rechtsmangels sind nunmehr in § 437 BGB n.F. denen eines Sachmangels gleichgestellt worden 1 BGH, NJW 1995, 1547, 1548; teilweise wurde jedoch zwischen den Begriffen der Beschaffenheit nach § 459 Abs. 1 und der (zusicherungsfähigen) Eigenschaft nach § 459 Abs. 2 BGB a.F. kein Unterschied (mehr) gesehen, vgl. BGH, NJW 1991, 1223, 1224. 2 Vgl. BGH, NJW 1995, 1547 ff.; BGH, WM 1990, 1344; BGH, NJW 1977, 1536, 1537; gegen die Differenzierung zwischen dem Fehlerbegriff nach § 459 Abs. 1 BGB a.F. und dem Eigenschaftsbegriff nach § 459 Abs. 2 BGB a.F. eine verbreitete Meinung im Schrifttum, welche Umsatz- und Ertragsangaben oder Bilanzen – soweit von den Parteien dem Vertrag zugrunde gelegt – als Beschaffenheitsmerkmale i.S.d. § 459 Abs. 1 BGB a.F. einordnete, vgl. H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 459 Rdnr. 50, 54; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 178 m.w.N. 3 Näher Huber, in: Soergel, BGB, Bd. 3, 12. Aufl. 1991, § 459 Rdnr. 250 ff., 253. 4 Der Gesetzgeber wollte mit den „sonstigen Gegenständen“ (§ 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB) insbesondere auch Unternehmen (als Zusammenfassung von persönlichen und sachlichen Mitteln einschließlich aller zugehörigen Werte und Güter) erfassen, womit für den Asset Deal die Anwendbarkeit der Gewährleistungsregeln des Sachkaufs, §§ 437, 434 ff. BGB, klargestellt werden sollte, vgl. Palandt/Putzo, BGB, § 453 Rdnr. 1, 7; Fischer, DStR 2004, 276.

H. Winter/Seibt

|

1081

144

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

(hierzu Rdnr. 165 ff.), so dass die Abgrenzung zwischen Rechts- und Sachmangel erheblich an Bedeutung verloren hat. Nach dem Wortlaut von §§ 435, 453 BGB liegt ein Rechtsmangel vor, wenn ein Dritter in bezug auf den Geschäftsanteil ein – nicht im Anteilskaufvertrag übernommenes1 – Recht gegen den Käufer geltend machen kann. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Anteil gepfändet, an einen Dritten verpfändet oder mit einem Nießbrauch belastet ist. 145

Ein Rechtsmangel liegt darüber hinaus dann vor, wenn der Anteil in seinem Bestand gefährdet ist, etwa weil die Gesellschaft sich im Insolvenzverfahren oder in Liquidation befindet2. Gleiches gilt, wenn der Anteil mit Einlagerückständen oder Nachschusspflichten belastet und deshalb die Kaduzierung möglich ist3. Dies folgt zwar nicht mehr aus der Verantwortung des Verkäufers für den Bestand des Rechts i.S.d. § 437 BGB a.F., ergibt sich aber daraus, dass ein Drittrecht vorliegt, das sich nach § 16 Abs. 3 gegen den Käufer als Rechtsinhaber richtet (vgl. § 435 BGB) und auf Grund dessen der Entzug der Rechtsstellung des Gesellschafters droht. Für die Entziehung des Anteils ist mit Vorliegen des Tatbestandmerkmals der „verzögerten Einzahlung“ i.S.v. § 21 Abs. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anteilsübertragung eine ausreichende Gefährdungslage geschaffen4. Dass die Einleitung des Kaduzierungsverfahrens im Ermessen der Geschäftsführung liegt, spricht nicht gegen5, sondern vielmehr für die Gefährdungslage, da diese Entscheidung aus Sicht des Erwerbers – de iure unabhängig – von Dritten getroffen wird6. Das reicht für die Annahme eines Rechtsmangels aus, solange das Kaduzierungsverfahren bei der Geltendmachung der Mängelrechte noch eingeleitet werden kann7. Aus den gleichen Gründen muss auch schon bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes (Überschuldung) ein Rechtsmangel angenommen werden8. Damit wird nicht etwa eine Bonitätshaftung eingeführt

1 § 435 Satz 1 BGB spricht missverständlich von im Kaufvertrag „übernommenen Rechten“. Gemeint sind hier die Fälle der §§ 414–416 BGB, wenn der Käufer die mit dem Drittrecht korrespondierende Schuld übernommen hat. Ein Rechtsmangel liegt aber auch dann nicht vor, wenn der Käufer nach dem Kaufvertrag das Drittrecht zu dulden hat, H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 435 Rdnr. 5. 2 Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 453 Rdnr. 11; Palandt/Putzo, BGB, § 453 Rdnr. 23. 3 Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 453 Rdnr. 11; Wälzholz, DStR 2002, 500, 501; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 187 f.; a.A. Grunewald, NZG 2003, 372, 373. 4 RGZ 96, 227, 230; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 117; Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 112; a.A. Grunewald, NZG 2003, 372, 373. 5 Grunewald, NZG 2003, 372, 373. 6 Dies ist auch mit der Lage bei einem verpfändeten Anteil vergleichbar, wo eine tatsächliche Beeinträchtigung durch das Pfandrecht sowohl Pfandreife als auch die Entscheidung des Pfandgläubigers zur Geltendmachung des Rechts voraussetzt. Gleichwohl wird ein Rechtsmangel angenommen (oben Rdnr. 144). 7 Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 112. 8 A.A. die h.M. zum alten Recht, insbesondere BGH, NJW 1980, 2408; für weitere Nachweise zum alten Recht s. oben Rdnr. 137; zum neuen Recht kommen Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 416, im Fall der unabwendbar bevorstehenden Insolvenz im Ergebnis gleichfalls zu einer Mängelhaftung, allerdings über die Annahme einer Haftung für die übliche Beschaffenheit des Unternehmens i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB; für die Einordnung der Überschuldung als Mangel des Unternehmens auch Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 188 f.; wie hier Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 117.

1082

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

(s. unten Rdnr. 152), sondern vielmehr dem Umstand Rechnung getragen, dass aufgrund der Insolvenzantragspflicht (§§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 1 Nr. 2) der Bestand des Anteils konkret gefährdet ist (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 4). bb) Nichtbestehen des Anteils, Drittinhaberschaft und Vinkulierung Kein Rechtsmangel ist nach neuem Recht das Nichtbestehen des Anteils. Vielmehr haftet der Veräußerer wegen Nichterfüllung seiner Verschaffenspflicht i.S.d. § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den allgemeinen Regeln (d.h. nach §§ 311a, 280 Abs. 1 und 3, 281, 283 BGB)1. Die gegenteilige Auffassung2 verkennt, dass das neue Recht nicht mehr die verschuldensunabhängige Einstandspflicht des Verkäufers für den Bestand des Rechts wie nach § 437 BGB a.F. kennt. Zudem ist der Anwendungsbereich der §§ 437 ff. BGB grundsätzlich erst mit Übergabe der Kaufsache bzw. Übertragung des Rechts an den Käufer eröffnet (vgl. §§ 446, 453 Abs. 1 und 3 BGB), wozu es bei Nichtexistenz eines Rechts gar nicht kommen kann. Insbesondere die mit dem Gefahrenübergang verbundene Vorstellung einer Überprüfbarkeit der Mängelfreiheit greift bei einem nicht existenten Recht nicht. Dementsprechend passen die Rechtsfolgen nach § 437 BGB n.F. auf einen solchen Fall auch nicht (insbesondere §§ 439, 441 BGB)3. Bei Nichtbestehen der GmbH, des aus einer Teilung zur Anteilsübertragung oder einer Kapitalerhöhung vermeintlich hervorgegangenen GmbH-Anteils hat der Veräußerer den Anteil also im Prinzip nach §§ 433 Abs. 1 Satz 1, 453 BGB zu verschaffen und zur Entstehung zu bringen4, sofern die Leistungspflicht des Verkäufers nicht nach § 275 BGB (ggf. i.V.m. § 311a Abs. 2 BGB) wegen echter (§ 275 Abs. 1 BGB) oder normativer (§ 275 Abs. 2 oder 3 BGB) Unmöglichkeit entfällt. Werden Anteile einer bestimmten, in Wahrheit aber nicht bzw. nach Abschluss der Liquidation (Vollbeendigung) oder infolge Verschmelzung o.ä. nicht mehr bestehenden GmbH verkauft, so besteht objektive Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB), da ein Spezieskauf vorliegt. Ist ein aus einer Kapitalerhöhung vermeintlich entstandener Anteil in Wahrheit nicht entstanden, so kann die nach § 275 Abs. 2 bzw. Abs. 3 BGB vorzunehmende Abwägung im Einzelfall ergeben, dass der Verkäufer nicht von der Leistungspflicht befreit ist, sondern als Gesellschafter der GmbH das Erforderliche tun muss, um den Anteil zum Entstehen zu bringen und übertragen zu können. Ist die Verschaffenspflicht des Veräußerers nach § 275 BGB ausgeschlossen, so haftet dieser nach § 311a Abs. 2 bzw. § 281 BGB auf Schadensersatz statt der Leistung oder Aufwendungsersatz (§ 284 BGB), sofern er sich nicht entlastet (§§ 311a Abs. 2 Satz 2, 280 Abs. 1 1 Grunewald, NZG 2003, 372, 373; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626; Grunewald, in: Erman, BGB, § 453 Rdnr. 7; Huber, in: Soergel, BGB, Bd. 3, 12. Aufl. 1991, § 437 Rdnr. 14; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 453 Rdnr. 12, 16; Larisch, Gewährleistungskauf, S. 182 ff. 2 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 177 a.E., der pauschal auf die alte Rechtslage verweist; Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1430; Schellhammer, MDR 2002, 485, 488; Palandt/Putzo, BGB, § 453 Rdnr. 23 konkret beim Anteilserwerb (Rechtsmangel, wenn Gesellschaft nicht besteht), anders jedoch zum Nichtbestehen von Rechten im Allgemeinen Palandt/Putzo, BGB, § 453 Rdnr. 19. 3 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 435 Rdnr. 9. 4 Vgl. Palandt/Putzo, BGB, § 453 Rdnr. 19.

H. Winter/Seibt

|

1083

146

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Satz 2 BGB). Das Gleiche gilt bei fehlerhaften Teilungen von Geschäftsanteilen. Aus der Aufhebung von § 437 BGB a.F. folgt auch, dass beim Rechtskauf nicht allgemein eine (konkludente) Übernahme des Risikos für den Bestand des Rechts angenommen werden kann1. Beim Verkauf eines Geschäftsanteils kann sich aus den Umständen freilich etwas anderes ergeben (§§ 133, 157 BGB), insbesondere ist dies denkbar, wenn der Verkäufer zur Untermauerung seiner Rechtsinhaberschaft die Entstehungs- oder Erwerbsgeschichte des Geschäftsanteils bei den Vertragsverhandlungen darlegt. 147

Ist ein Dritter Inhaber des Anteils gilt das soeben Gesagte entsprechend. Der Veräußerer haftet für diese subjektive Unmöglichkeit nach §§ 311a, 281 BGB, sofern er den Anteil nicht vom Dritten beschaffen kann2. Ein Rechtsmangel liegt nicht vor, da der Dritte kein Recht gegen den Käufer geltend machen muss, denn – anders als beim Sachkauf – erhält dieser nichts gegen das der Rechtsinhaber vorgehen müsste3.

148

Die allgemeinen Regeln gelten auch für den Fall mangelnder Übertragbarkeit4, etwa wenn nach § 15 Abs. 5 bestehende Zustimmungserfordernisse endgültig verweigert werden oder die Abtretbarkeit des GmbH-Anteils vollständig ausgeschlossen ist (§§ 399, 413 BGB; s. dazu oben Rdnr. 135; zur Pflicht, eine erforderliche Zustimmung herbeizuführen, Rdnr. 138). cc) Beschaffenheit des Anteils

149

Obwohl ein Recht keinen Sachmangel aufweisen kann, kann man die übrigen als Rechtsmängel einzuordnenden Umstände (oben Rdnr. 144 f.) nunmehr entsprechend § 434 BGB, der unmittelbar den Sachmangel regelt, als Abweichungen von der geschuldeten Beschaffenheit erfassen5. Dabei geht es zunächst um die Beschaffenheit des Rechts; ob beim Anteilskauf auch die Beschaffenheit des Unternehmens eine Rolle spielt, ist eine andere Frage (dazu unten Rdnr. 151 f.). Der Veräußerer eines Geschäftsanteils haftet jedenfalls für die ausdrücklich

1 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 293; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 10. 2 Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 453 Rdnr. 12, 16; Palandt/Putzo, BGB, § 453 Rdnr. 20; Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 186 f.; a.A. Wälzholz, DStR 2002, 500, 503; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 293, der zur Anwendung von § 437 BGB tendiert, da keine Gründe bestünden, zwischen anfänglich-subjektiver Unmöglichkeit aufgrund der Rechtsinhaberschaft eines Dritten beim Sachkauf (Fall des Rechtsmangels nach §§ 437, 438 Abs. 1 Nr. 1a BGB) und beim Rechtskauf zu differenzieren. Jedenfalls verjährungsrechtlich soll der Fall (anfänglicher) subjektiver Unmöglichkeit beim Rechtskauf wie beim Sachkauf nach § 438 Abs. 1 Nr. 1a BGB behandelt werden, Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626. 3 Insoweit auch Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626. 4 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 453 Rdnr. 12, 16; Wälzholz, DStR 2002, 500, 504; unklar Palandt/Putzo, BGB, § 453 Rdnr. 20. 5 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 291; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 11 und 20; Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 188; insoweit auch Ziegler, DStR 2005, 873, 874 f. (§ 453 Abs. 1 BGB als Rechtsgrundverweisung (auch) auf § 434 BGB).

1084

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

oder konkludent im Kaufvertrag vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB), ansonsten für die übliche Beschaffenheit eines derartigen Anteils (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB), die sich insbesondere nach dem dispositiven Recht des GmbHG richtet (z.B. § 3 Abs. 2, § 29 Abs. 3 und § 47 Abs. 2). Mit Ausnahme der Vorschrift des § 434 Abs. 2 BGB dürften in Einzelfällen auch die übrigen Vorschriften zum Sachmangel (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 sowie Abs. 3) für eine „entsprechende Anwendung“ i.S.v. § 453 Abs. 1 BGB beim GmbH-Anteilskauf in Betracht kommen1. Zur Beschaffenheit des Rechts gehören solche Eigenschaften, die seine Struktur bzw. Gestalt prägen2. Beim Anteilskauf können daher bestimmte Gewinnbeteiligungs-, Veräußerungsbeteiligungs-3, Stimm- oder Sonderrechte des Anteils als Beschaffenheitsmerkmale i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbart werden. Ohne Vereinbarung müssen sie die übliche Größe haben, also der Größe des verkauften Geschäftsanteils entsprechen (vgl. § 29 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 2, § 72). Ein Rechtmangel liegt auch dann vor, wenn die Größe des Geschäftsanteils von der vereinbarten abweicht, wobei eine Vereinbarung über die Größe eines GmbH-Anteils in der Regel schon durch die Bestimmung des zu veräußernden Anteils getroffen wird.

150

b) Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens aa) Keine Haftung beim reinen Anteilskauf Auch nach neuem Recht kommt beim Anteilskauf eine Sachmängelhaftung für die Beschaffenheit des Unternehmens grundsätzlich nur in Betracht, wenn wirtschaftlich ein Unternehmenskauf vorliegt. Die Verweisung von § 453 Abs. 1 BGB auf die §§ 434 ff. BGB erfasst zwar nach der Gesetzesbegründung auch Unternehmen und Unternehmensteile als „sonstige Gegenstände“4, allerdings ist hiermit zunächst nur die Anwendung der §§ 434 ff. BGB für den Asset Deal eröffnet. Ob und inwieweit bei einem Anteilskauf (§ 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB) auch eine Mängelhaftung für das Unternehmen greift (Frage nach der einfachen oder doppelten „Entsprechung“ nach § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB), ist damit nicht beantwortet. Richtigerweise ist wie nach altem Recht zu unterscheiden zwischen dem reinen Anteilskauf (Beteiligungserwerb) und dem Anteilskauf, der wirtschaftlich einem Unternehmenskauf gleichsteht.

1 Vgl. Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 453 Rdnr. 10; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 291. Das rein objektive Verständnis in der Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6040, S. 218, bezieht sich erkennbar nicht auf die hier behandelte entsprechende Anwendung von § 434 BGB beim Kauf eines Rechts, sondern auf Rechtsmängel i.S.v. § 435 BGB beim Sachkauf. 2 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 291; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 27. 3 Damit sind die insbes. zugunsten von Finanzinvestoren typischerweise eingeräumten Rechte gemeint, denenzufolge der Finanzinvestor die geleistete Einlage zzgl. Verzinsung bei Veräußerung von Einzelrechtsgütern (z.B. Patente) oder Anteilen vorab erhält, bevor die Regeldividendenberechtigung eingreift. 4 Begründung RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 242.

H. Winter/Seibt

|

1085

151

§ 15 152

Übertragung von Geschäftsanteilen

Beim Beteiligungserwerb kommt eine Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens nach Sachmängelrecht nicht in Betracht1. Diese Annahme ist allerdings umstritten und nicht zweifelsfrei. Denn aus der Entsprechensverweisung in § 453 Abs. 1 BGB könnte gefolgert werden, dass beim reinen Anteilskauf Beschaffenheiten des Unternehmens als Beschaffenheiten i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbart werden können oder als nach dem Verwendungszweck erforderliche oder übliche Beschaffenheiten i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. 2 BGB in Betracht kommen (These der doppelten „Entsprechung“)2. Nach einer etwas strengeren Auffassung soll zwar die Anwendung von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB ausscheiden, eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB über das durch den Anteil vermittelte unternehmensbezogene Vermögen aber möglich sein3. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auf Fälle derartiger „Mängel“ des Unternehmens beim Beteiligungserwerb insbesondere der Nacherfüllungsanspruch und das Recht zur zweiten Andienung nicht passen, da der Erwerber, der keinen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen erlangt hat, nicht in der Lage ist, über die sinnvolle Art der Nacherfüllung (vgl. § 439 Abs. 1 BGB) zu entscheiden4. Auch spricht die Gesetzesbegründung5 eher gegen die Annahme, dass ein Paradigmenwechsel vollzogen und entgegen dem hergebrachten Grundsatz eine Haftung für die Werthaltigkeit (Bonität) eines verkauften Rechts eingeführt werden sollte6. Aus einem Umkehrschluss zu § 453 Abs. 3 BGB folgt vielmehr, dass im Grundsatz keine Haftung für die Beschaffenheit der vom verkauften Recht betroffenen Sache besteht7. bb) Anteilskauf als Unternehmenskauf

153

Eine Ausnahme kommt – wie nach altem Recht – nur in Betracht, wenn so viele Anteile erworben werden, dass dies wirtschaftlich dem Kauf des gesamten

1 Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1627; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 294; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 319 f.; Palandt/Putzo, BGB, § 453 Rdnr. 23; U. Huber, AcP 202 (2002), 223 ff.; Wälzholz, DStR 2002, 500, 503; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 21; weitere Nachweise bei Fischer, DStR 2004, 276, 279. 2 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1137; Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 39 (allerdings in sich nicht schlüssig, da Gaul von der Identität des Fehlerbegriffs i.S.d. § 459 Abs. 1 BGB a.F. mit dem Beschaffenheitsbegriff i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB ausgeht und vernachlässigt, dass fehlerbegründende Umstände bzw. Beschaffenheiten des Unternehmens dem allein kaufgegenständlichen Anteil nicht unmittelbar anhaften); Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 417; Ziegler, DStR 2005, 873, 875; Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 193 ff. (Frage der Auslegung des Kaufvertrags). 3 Gronstedt/Jörgens, ZIP 2002, 52, 55; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 523 f. und 525 (§ 434 Abs. 1 Satz 2 BGB nur bei Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung); Grunewald, NZG 2003, 372, 373. 4 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 21; Wertenbruch, in: DaunerLieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 509. 5 Begründung RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 242. 6 Fischer, DStR 2004, 276, 280; ausdrücklich für einen solchen Paradigmenwechsel hingegen Ziegler, DStR 2005, 873, 875. 7 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 294; Grunewald, NZG 2003, 372, 373.

1086

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Unternehmens1 gleich kommt. Eine qualitative Änderung der Rechtslage hat sich insofern nicht ergeben2. Ab welcher Schwelle eine Gleichstellung bejaht werden kann, ist vom BGH auch zum alten Recht nicht entschieden worden (Rdnr. 140). Jedenfalls dann, wenn alle oder nahezu alle Anteile einer Gesellschaft übertragen werden und dem Erwerber dadurch umfassende Leitungsmacht verschafft wird, greift Sachmängelrecht beim Anteilserwerb auch in bezug auf das Unternehmen3. Ansonsten kommt eine Gleichstellung nicht unterhalb der Schwelle einer satzungsändernden Mehrheit von 75% des Geschäftskapitals in Betracht4, so dass der Erwerb einer einfachen Mehrheit keinesfalls ausreicht5. Entscheidend ist, dass der Wille der Vertragsparteien auf den Verkauf des Unternehmens gerichtet ist und der Käufer mit dem Erwerb der Anteile die unternehmerisch beherrschende Stellung in diesem Unternehmen erlangt und daher ohne entscheidende Einschränkungen über das Unternehmen verfügen kann, selbst wenn formell die GmbH Trägerin des Unternehmens und Eigentümerin der Sachwerte bleibt6. Da Minderheitsbefugnisse nach §§ 50 Abs. 1, 61 Abs. 2 Satz 2 erst ab der Schwelle von 10% der GmbH-Anteile greifen und auch nach jüngster Gesetzgebung Anteilsinhaber mit einer Beteiligungsquote von weniger als 10% als bloße Finanzinvestoren qualifiziert werden (vgl. § 32a Abs. 3 Satz 2), ist jedenfalls bei einem Anteilsrest von 10% (oder weniger) in der Regel ein Unternehmenskauf anzunehmen7. Es kommt jedoch auf die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse im Einzelfall an. So dürfen Gesellschaftsanteile, die bereits dem Erwerber gehören, nicht mitgezählt werden8. Erwirbt ein bereits maßgeblich beteiligter Gesellschafter weitere Anteile hinzu, so dass er danach die unternehmerische Herrschaft innehat, wird es jedenfalls auf der Seite des Veräußerers an dem auf den Verkauf des Unternehmens gerichteten Willen fehlen, da dieser in der Regel keinen Einblick in das Unternehmen hat, der über denjenigen des Erwerbers hinausgeht. Ein Unternehmenskauf liegt dann nicht vor9.

1 Ein Unternehmenskauf liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn nicht nur einzelne Wirtschaftsgüter, sondern ein Inbegriff von Sachen, Rechten und sonstigen Vermögenswerten als selbstständige Organisationseinheit übertragen und der Erwerber dadurch in die Lage versetzt wird, das Unternehmen als solches weiterzuführen, etwa BGH, NJW 2002, 1042, 1043; Schröcker, ZGR 2005, 63, 65. 2 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 294; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 21. 3 BGHZ 65, 246, 251 = NJW 1976, 236, 237; ein Rest von 0,25% ist als quantité négligeable in jedem Fall unbeachtlich, BGH, WM 1970, 819; vgl. auch Schröcker, ZGR 2005, 63, 64, der eine Ausnahme für den Fall machen will, dass die Satzung dem Alleingesellschafter (oder „Fast-Alleingesellschafter“) lediglich die Rolle eines Anlagegesellschafters beimisst. 4 BGH, NJW 1980, 2408, 2409. 5 BGHZ 65, 246, 251 = NJW 1976, 236, 237; BGH, NJW 2001, 2163; a.A. Hommelhoff, ZGR 1982, 366, 378 f., 384; Schröcker, ZGR 2005, 63, 65. 6 BGHZ 65, 246, 251 = NJW 1976, 236, 237. 7 Vgl. Winter, in: 9. Aufl., Rdnr. 113, m.w.N.; BGHZ 65, 246, 252 = NJW 1976, 236, 237. 8 OLG Naumburg, GmbHR 1995, 378, 379. 9 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 24.

H. Winter/Seibt

|

1087

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

cc) Beschaffenheit des Unternehmens aaa) Vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) 154

Vorrangig kommt es für die Gewährleistungshaftung darauf an, welche Beschaffenheit die Vertragspartien vereinbart haben (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Anwendungsbereich des Sachmängelrechts beim Unternehmenskauf ist aber nur dann eröffnet, wenn die fraglichen Umstände eine Beschaffenheit des Unternehmens darstellen können, andernfalls greifen die allgemeinen Regeln, insbesondere die Haftung für die Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten (§§ 280 ff., 311a BGB). Der Beschaffenheitsbegriff ist zentrales Tatbestandsmerkmal im neuen Recht, durch die Schuldrechtsreform allerdings nicht definiert worden. Der Gesetzgeber hat vielmehr ganz bewusst offengelassen, ob der Begriff „Beschaffenheit“ nur Eigenschaften umfasst, die der Kaufsache unmittelbar physisch anhaften, oder ob auch außerhalb der Sache selbst liegende Umstände einzubeziehen sind1. Die Frage ist daher, insbesondere im Zusammenhang mit dem Unternehmenskauf, umstritten. Nach einer Auffassung soll der Begriff neben der Beschaffenheit nach altem Recht nunmehr auch die frühere zusicherungsfähige Eigenschaft (§ 459 Abs. 2 BGB a.F.) umfassen, wobei die Umstände, die dem Kaufgegenstand nicht ohnehin dauerhaft physisch anhaften, sondern Beziehungen zu seiner Umwelt darstellen, zumindest ihren Grund im Zustand der Sache selbst haben müssen2. Das OLG Hamm hat in einer Entscheidung zu einem Autokauf verlangt, dass der Umstand in der Beschaffenheit der Kaufsache wurzelt und ihr „unmittelbar (physisch) auf eine gewisse Dauer anhaftet“; der Gesetzgeber habe bei der Schuldrechtsreform den bisherigen Beschaffenheitsbegriff nicht ändern wollen3.

155

Jedoch sollte nach der Gesetzesbegründung jedenfalls eine Festlegung auf ein solches enges Verständnis und den alten Fehlerbegriff vermieden werden4, was von der – vor allem im weiteren Gesetzgebungsverfahren erkennbaren5 – Tendenz her also für eine Ausweitung des Begriffs spricht. Richtigerweise ist der Beschaffenheitsbegriff gegenüber dem Verständnis nach altem Recht auszudehnen6. Einzubeziehen sind jedenfalls solche Umstände, die von der Rechtspre-

1 Begründung RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 213. 2 Kindl, WM 2003, 409; Palandt/Putzo, BGB, § 434 Rdnr. 10 ff.; noch restriktiver U. Huber, AcP 202 (2002), 179, 224 ff., der die Beschaffenheit mit dem Begriff aus § 459 Abs. 1 BGB a.F. gleichsetzt, ohne die frühere zusicherungsfähige Eigenschaft einzubeziehen. 3 OLG Hamm, NJW-RR 2003, 1360, 1361 (Kauf eines PKW, der sich als Importfahrzeug herausstellte); kritisch dazu Schröcker, ZGR 2005, 63, 76. 4 Vgl. Begründung RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 213 („insbesondere soll nicht entschieden werden, ob ...“). 5 Dazu D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2764. 6 Boerner, ZIP 2001, 2264, 2266 f.; Brüggemeier, WM 2002, 1376, 1377 ff.; Emmerich, SchuldR Bes. Teil, 10. Aufl. 2003, § 4 Rdnr. 13 ff. (S. 27 ff.); Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, 2003, § 434 Rdnr. 19 ff.; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 120 ff.; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 233; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 2002, S. 37 ff.; Palandt/Putzo, BGB, § 434 Rdnr. 10 ff.; Schinkels, ZGS 2003, 310; konkret zum Unternehmenskauf: Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1138 f.; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 317 („Begradigung“ des Beschaffenheitsbegriffs); Gaul, ZHR 166 (2002), 35; Gronstedt/Jörgens, ZIP 2002, 52, 54 f.;

1088

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

chung nach altem Recht als zusicherungsfähige Eigenschaften i.S.d. § 459 Abs. 2 BGB a.F. eingeordnet wurden1. Umfasst sind aber auch die Beziehungen der Sache zur Umwelt, sofern irgendein Zusammenhang mit dem Zustand der Kaufsache besteht. Nur vom Zustand der Kaufsache vollständig unabhängige Umstände zählen nicht zur Beschaffenheit2, da die Wortlautgrenze des Begriffs einen gewissen Bezug zum objektiven Zustand des Kaufgegenstandes verlangt3. Überlässt man den Begriff völlig der Definitionsgewalt der Privatautonomie gibt man ihn – auch außerhalb des Unternehmenskaufs – der Konturlosigkeit Preis4. Beim Unternehmenskauf scheiden daher nur gänzlich außerhalb des Unternehmens liegende Umstände und Anforderungen, die sich (nur) auf Dritte beziehen, aus, wie z.B. die Eröffnung eines Konkurrenzunternehmens durch die Ehefrau des Veräußerers5 oder allgemeine Marktgegebenheiten6. Allerdings ist beim Unternehmenskauf zu berücksichtigen, dass eine Beschaffenheit auch dort vorliegen kann, wo ein Umstand den Organismus „Unternehmen“ als solchen betrifft, ohne dass er auf eine konkrete Sache, ein einzelnes Recht oder sonstigen Gegenstand aus dem Unternehmen zurückzuführen ist7. Entscheidend ist jedoch nicht mehr (wie nach altem Recht), dass die Umstände dem Unternehmen auf gewisse Dauer anhaften8. Ausreichend, aber auch erforderlich, ist vielmehr, dass der Umstand gegenwärtig ist, d.h. zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs vorliegt (vgl. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB)9. Beim Unternehmenskauf können deshalb nunmehr gegenwärtige Unternehmenskennzahlen, z.B. aktueller Vermögens- und Schuldenstand oder unternehmensspezifische Kennziffern, als Beschaffenheit vereinbart werden10. Für vergangenheitsbezogene Ertrags- und

1

2 3 4 5 6 7

8

9 10

Wolf/Kaiser, DB 2002, 411; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 525; Knott, NZG 2002, 249, 251; D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2764 f.; Schröcker, ZGR 2005, 63, 76 f., 80 (soweit ausdrücklich vereinbart); Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2513 f. (soweit ausdrücklich vereinbart). Vgl. Begründung RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 212 f.; s. etwa Grigoleit/Herrestahl, JZ 2003, 118, 122; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2513 f.; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Kindl, WM 2003, 409, 411; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 316 f.; a.A. U. Huber, AcP 202 (2002), 179, 224 ff. Grigoleit/Herrestahl, JZ 2003, 118, 124; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 434 Rdnr. 22. Vgl. Grigoleit, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 269, 293 f. Zur Gefahr der Konturlosigkeit auch Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 321. Vgl. BGH, NJW 1987, 909, 910. Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295 f.; vgl. auch D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2766. Dies folgt für den Asset Deal schon aus der Verweisung in § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB auf §§ 434 ff. BGB und gilt nach dem oben (Rdnr. 151 f.) Gesagten gleichermaßen beim Unternehmenskauf in Gestalt des Share Deal. Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 51; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 525; Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 412; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 434 Rdnr. 24; D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2766 f.; a.A. U. Huber, AcP 202 (2002), 179, 228; Jaques, BB 2002, 417, 418; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514 (jedenfalls für vergangenheitsbezogene Abschlussangaben). Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 434 Rdnr. 25; Fischer, DStR 2004, 276, 278. Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 46 f., 49 f.; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Fischer, DStR 2004, 276, 278.

H. Winter/Seibt

|

1089

156

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Umsatzzahlen, d.h. solche, die aus einer früheren Rechnungslegungsperiode stammen, gilt dies nur dann, wenn sie dergestalt dauernde Wirkung haben, dass sie sich auf den Zustand des Unternehmens zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs auswirken und eine Aussage über die Ertragsfähigkeit des Unternehmens zulassen1. Dafür kann auf die bisherige Rechtsprechung2 zu zusicherungsfähigen Eigenschaften zurückgegriffen werden, derzufolge sich die Umsatz- und Ertragsangaben über einen längeren, mehrjährigen Zeitraum erstrecken und dadurch einen verlässlichen Anhalt für die Bewertung der Ertragsfähigkeit und damit für die Ermittlung des Wertes des Unternehmens abgeben müssen3. Sofern in entsprechenden Angaben aus vergangenen Perioden nicht zugleich eine Angabe über die gegenwärtige Beschaffenheit liegt (was auch vereinbart werden kann), sind dies typische Fälle einer culpa-Haftung (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB) für die Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten4, bei denen die Rechtsfolgen des § 437 BGB nicht passen würden5. So kommen etwa unzutreffende Unternehmensdaten hinsichtlich abgeschlossener wirtschaftlicher Bewertungsperioden für eine „Nachbesserung“ nicht in Betracht6. Angaben über zukünftige Umsätze oder Erträge sind – soweit sie nicht aus aktuell vorhandenen Umständen abgeleitet werden7 – einer Beschaffenheitsvereinbarung nicht zugänglich, da sie zum maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht vorliegen und zudem regelmäßig außerhalb des Einflussbereichs des Verkäufers liegen werden8. bbb) Typisierte Soll-Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 BGB) 157

Besteht keine Beschaffenheitsvereinbarung haftet der Veräußerer u.U. nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB. Er hat gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung des Unternehmens einzustehen, in Ermangelung einer solchen nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB für die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung und die übliche Beschaffenheit. Auch bei einem Unternehmen kann bis zu einem gewissen Grade von einer insoweit relevanten

1 Tendenziell großzügiger D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2767, der bei entsprechender Vereinbarung auch vergangene Umstände, wie bestimmte Ertrags- oder Umsatzzahlen, als Beschaffenheitsmerkmale zulassen will, die allerdings dann ausscheiden, wenn „keine Auswirkungen auf die Beschaffenheit zum Gefahrübergang, und zwar auch im Sinne einer Risikoerhöhung“ festgestellt werden können, so dass im Ergebnis eine Beweislastumkehr zu Lasten des Verkäufers eintrete. 2 Vgl. BGH, WM 1990, 1344; BGH, NJW 1977, 1536, 1537. 3 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 317 f.; Canaris, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2002, S. 5, 60; Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 46 ff.; Kindl, WM 2003, 409, 411; Gronstedt/Jörgens, ZIP 2002, 54 f.; a.A. Schröcker, ZGR 2005, 63, 78, 80. 4 Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 125 f.; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 434 Rdnr. 25, 26; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 317 f. 5 Wertenbruch, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 504, H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 31. 6 Barnert, WM 2003, 416, 422. 7 Vgl. insoweit H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 34, tendenziell aber weitergehend; ähnlich D. Schmidt, BB 2005, 2763, 2767. 8 Schröcker, ZGR 2005, 63, 78, 80; Fischer, DStR 2004, 276, 278.

1090

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Normbeschaffenheit gesprochen werden1. So liegt beim Unternehmenskauf die gewöhnliche Verwendung im Betrieb des Unternehmens, d.h. der Ausübung des Unternehmensgegenstandes2. Eine abweichende Verwendung kann in Ausnahmefällen vorausgesetzt sein, z.B. wenn das Unternehmen (bzw. die Anteile hieran) zum Zwecke der Weiterveräußerung in Teileinheiten erworben wird. Soweit es um Abschlussangaben und sonstige wirtschaftliche Kennzahlen geht, kommt eine Haftung nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 1 BGB aber in der Regel nicht in Betracht, da diese Zahlen den Verwendungszweck nicht beeinflussen, soweit der Unternehmensgegenstand betrieben werden kann3. Von den Fällen der Abweichung von der typisierten Soll-Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB werden in Ermangelung einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung auch Mängel am Sachsubstrat, d.h. an einzelnen zum Unternehmensvermögen gehörenden Sachen, Rechten oder unkörperlichen Werten, erfasst4. Diese werden aber wie nach § 459 BGB a.F. nur dann zu einem relevanten Mangel des Unternehmens, wenn sie auf das Unternehmen durchschlagen5. In allen Fällen muss sich der Mangel auf die Funktionstauglichkeit des Unternehmens als solches auswirken. Insoweit kann im Grundsatz auf die Rechtsprechung zum alten Recht zurückgegriffen werden6 (oben Rdnr. 141). Allerdings wird der Fortfall des Erheblichkeitskriteriums (§ 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.) und damit der „Gesamterheblichkeitstheorie“ in gewisser Weise zu berücksichtigen sein, wenngleich ein Mangel an einem einzelnen Gegenstand, der nicht „durchschlägt“, eben kein Mangel des Unternehmens ist, weil er die Eignung zur vorausgesetzten bzw. gewöhnlichen Verwendung nicht beeinträchtigt7. Erfasst werden sowohl Quantitäts- als auch Qualitätsabweichungen. An der Eignung zur gewöhnlichen Verwendung, d.h. zur Ausübung des Unternehmensgegenstandes, kann es fehlen, wenn der Betrieb des Unternehmens ausgeschlossen ist, etwa weil nicht genügend Material oder Arbeitsmittel zur Aufrechterhaltung der Produktion vorhanden sind8 oder das entwickelte Verkaufsprodukt nicht brauchbar und kaufmännisch verwertbar ist9. Auch Umstände, die nicht an einzelnen Gegenständen des Unternehmensvermögens haften, son1 Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 321; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 295; Lieb, in: FS Gernhuber, 1993, S. 259, 264 ff.; a.A. U. Huber, AcP 202 (2002), 179, 212 f., der nur bei Gebrauchsgütern mit Standardbeschaffenheit eine „übliche Beschaffenheit“ anerkennt; Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 48; Kindl, WM 2003, 409, 412; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514. 2 Das gilt bei konsequenter analoger Anwendung des § 434 BGB auch beim Unternehmenskauf in Gestalt des Share Deal, auch wenn nicht der Erwerber sondern die Gesellschaft, deren Anteile erworben werden, das Unternehmen betreibt. 3 Schröcker, ZGR 2005, 63, 80, 81; Fischer, DStR 2004, 276, 278; Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514. 4 Vgl. Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 321 mit Fn. 89. 5 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 27; Schröcker, ZGR 2005, 63, 79; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521 ff. 6 RGZ 98, 289; BGH, WM 1970, 819, 821; vgl. auch Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 525; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 27, beide m.w.N. 7 Vgl. Schröcker, ZGR 2005, 63, 79; zum Wegfall der Gesamterheblichkeitstheorie Seibt/ Reiche, DStR 2002, 1135, 1140. 8 BGH, WM 1979, 102 ff. (zu geringer Bestand an Gerüsten beim Gerüstbauunternehmen). 9 BGH, WM 1978, 59.

H. Winter/Seibt

|

1091

158

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

dern sich aus dem ungenügendenden Funktionieren und Zusammenwirken der im Unternehmen gebündelten Sachen, Personen, Ideen und Finanzierungsmaßnahmen ergeben, können die Beschaffenheit des Unternehmens beeinflussen, wenn sie die wirtschaftliche Grundlage der unternehmerischen Tätigkeit erschüttern, wie etwa ein negativer Ruf der hergestellten Produkte1, ein unzureichender Auftragsbestand2 oder das Fehlen bestimmter Charaktereigenschaften eines wichtigen Mitarbeiters3. Die Insolvenz des Unternehmens ist hingegen Rechtsmangel (s. oben Rdnr. 145)4, was aber für die Rechtsfolgen keine Rolle spielt (vgl. § 437 BGB). ccc) Öffentliche Äußerungen (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB) 159

Die geschuldete Beschaffenheit des Unternehmens kann durch öffentliche Äußerungen des Verkäufers ausgedehnt werden. In Betracht kommen hier Äußerungen bei Pressekonferenzen, in Unternehmenspräsentationen oder in einem Informationsmemorandum eines vom Verkäufer eingeschalteten Finanzberaters (z.B. einer Investmentbank) im Rahmen eines – nicht auf wenige interessierte Parteien begrenzten – Auktionsverfahrens5. In der Praxis des Unternehmenskaufs wird dies aber häufig an der mangelnden Öffentlichkeit der Äußerung scheitern, da die Äußerung auch von nicht am Kaufvertrag beteiligten Dritten (in im Grundsatz unbeschränkter Zahl) wahrnehmbar sein muss. Äußerungen beauftragter Dritter (z.B. Berater) können zugerechnet werden, ohne dass diese auch Vertreter sein müssen6. Durch sorgfältige, einzelfallbezogene Hinweise bei derartigen öffentlichen Äußerungen, mit der die Verkäuferhaftung wegen unzutreffender Äußerungen ausgeschlossen wird, insbesondere bei entsprechenden Disclaimers im Informationsmemorandum, kann die Beeinflussung der Kaufentscheidung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Var. 3 BGB jedoch verhindert werden7. Erfolgt der Unternehmenskauf im Anschluss an eine in der Praxis häufige Käufer-Due Diligence, so wird es in der Regel ebenfalls an der erforderlichen Beeinflussung der Kaufentscheidung fehlen. c) Haftung für Garantien und Haftungsausschluss

160

Sowohl beim Anteils- als auch beim Unternehmenskauf wurde in der Praxis schon vor der Schuldrechtsreform das gesetzliche Gewährleistungsrecht aufgrund der unpassenden Rechtsfolgen, der zu kurzen Verjährung und der Abgrenzungsschwierigkeiten zur vorvertraglichen Informationshaftung vertraglich ausgeschlossen und durch ein eigenständiges Haftungsregime aus Garantiever1 Vgl. RGZ 67, 86, 90 (Pension als Absteigequartier). 2 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 24, 27 f.; Schröcker, ZGR 2005, 63, 79. 3 BGH, NJW 1991, 1223. 4 A.A. Weitnauer, NJW 2002, 2511, 2514 (Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB); Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 416 (Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB); Larisch, Gewährleistungshaftung, S. 188. 5 Hierzu näher Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139; mit Blick auf öffentliche Äußerungen beim Erwerb über den organisierten Kapitalmarkt Ziegler, DStR 2005, 873, 876 ff. 6 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139. 7 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139.

1092

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

einbarungen über die (Nicht-)Existenz und Werthaltigkeit bestimmter Faktoren oder das Nichtvorhandensein bestimmter wertmindernder Einflüsse ersetzt. Hieran sollte in der Praxis festgehalten werden, da es die oben (Rdnr. 154 ff.) beschriebenen Unsicherheiten hinsichtlich der Reichweite des Beschaffenheitsbegriffs und dem davon abhängigen Anwendungsbereich des gesetzlichen Gewährleistungsrechts gibt, die Anknüpfung der Verjährung in manchen Punkten unklar ist (s. Rdnr. 168 f.), und schließlich nach wie vor manche Rechtsfolgen der gesetzlichen Gewährleistung (Nacherfüllungsrecht, Rücktritt) beim Unternehmenskauf i.d.R. unerwünscht bzw. unpassend sind1. Der Begriff der Garantie wird im Gesetz an verschiedenen Stellen verwendet (vgl. §§ 276 Abs. 1, 442, 443 Abs. 1, 444 BGB), jedoch nicht definiert. Neben der einfachen Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB (oben Rdnr. 154 ff.), welche die gesetzlichen Gewährleistungsregeln auslöst (d.h. Schadensersatz kommt nur bei Verschulden in Betracht), ist eine Garantie i.S.d. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB denkbar, bei der eine Haftung auf Schadensersatz für Pflichtverletzungen (insb., aber nicht nur, für Mängel i.S.d. §§ 434 ff. BGB) unabhängig von einem Verschulden vereinbart wird. Von derartigen unselbstständigen Garantien sind selbstständige Garantien (vgl. § 311 Abs. 1 BGB) zu unterscheiden, die ein eigenes, selbstständiges Haftungsregime über die vertragsgemäße Erfüllung hinaus mit eigenständiger Verjährung unabhängig von bzw. neben den Ansprüchen aus § 437 BGB schaffen sollen2.

161

Werden Garantien beim Anteilserwerb eingeräumt, so sind deren Bedeutung, Inhalt und Reichweite durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Wird hinsichtlich bestimmter Beschaffenheitsmerkmale die verschuldensunabhängige Haftung i.S.d. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB übernommen, so liegt eine Beschaffenheitsgarantie vor, welche jedenfalls die ursprüngliche Eigenschaftszusicherung nach altem Recht umfasst, die lediglich die gesetzlichen Mängelrechte des Käufers modifiziert bzw. erweitert3. Die Auslegung kann jedoch auch ergeben, dass die Beschaffenheitsgarantien selbstständige Garantien darstellen sollen, die neben die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften oder – wie häufig – an deren Stelle treten. Von § 442 Abs. 1 Halbs. 2 und § 443 BGB werden jedoch nur unselbstständige Beschaffenheitsgarantien erfasst. Das folgt aus der Gesetzesbegründung4.

162

Die nach der Schuldrechtsreform zunächst diskutierte Frage, ob die in der Praxis beim Anteils- und Unternehmenskaufvertrag typischen Garantien, die zugleich betragsmäßige (de minimis-, basket- oder cap-Klauseln), zeitliche oder rechtsfolgenbezogene (z.B. Ausschluss des Rücktritts) Einschränkungen vorsehen5, wegen § 444 BGB wirkungslos sind6, hat sich spätestens durch die Ge-

163

1 2 3 4 5

Hierzu ausführlich Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1140. Zur selbstständigen Garantie z.B. BGHZ 104, 82, 86. Schröcker, ZGR 2005, 63, 91. Begründung RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 132, 236, 240. Eine Aufzählung typischer Garantien beim Unternehmenskauf findet sich u.a. bei Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 528. 6 So insbesondere Graf v. Westphalen, ZIP 2001, 2107; Graf v. Westphalen, BB 2002, 209; Graf v. Westphalen, ZIP 2002, 545 f.

H. Winter/Seibt

|

1093

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

setzesklarstellung1 erledigt2. Im Einklang mit der schon davor ganz überwiegenden Auffassung3 wurde mit der Gesetzesänderung klargestellt, dass § 444 Alt. 2 BGB nach Sinn und Zweck widersprüchliches Verhalten des Verkäufers verhindern soll, in dem etwa eine zunächst übernommene Garantie an anderer Stelle in überraschender oder intransparenter Weise ausgeschlossen oder beschränkt wird (Rechtsgrundsatz des venire contra factum proprium)4. Die Reichweite einer Garantie richtet sich daher allein nach der privatautonom getroffenen Vereinbarung. Haftungsausschlüsse und -beschränkungen in bezug auf die Beschaffenheit der Kaufsache sind nach § 444 Alt. 2 BGB nur insoweit unwirksam, als sie mit einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Garantie in Widerspruch stehen5. Soweit die Garantie Umstände betrifft, die nicht als Beschaffenheit des Unternehmens einzuordnen sind (s. oben Rdnr. 154 ff.) ist § 444 Alt. 2 BGB aber schon vom Wortlaut her nicht einschlägig6. 164

Kenntnis des Käufers vom Mangel führt zum Ausschluss der Haftung des Verkäufers, grob fahrlässige Unkenntnis nur dann, wenn der Verkäufer nicht eine Beschaffenheitsgarantie übernommen oder einen Mangel arglistig verschwiegen bzw. eine bestimmte Beschaffenheit arglistig vorgespiegelt hat, § 442 Abs. 1 BGB. Das Nichtdurchführen einer Due Diligence (d.h. einer Unternehmensuntersuchung) führt nicht ohne weiteres zu einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Käufers, da den Käufer keine entsprechende Obliegenheit zur Durchführung einer Due Diligence trifft7. Nach der gesetzlichen Risikoverteilung ist der Käufer ohne konkrete Anhaltspunkte gerade nicht gehalten, Nachforschungen über den Zustand der Kaufsache anzustellen. Übersieht der Käufer trotz Durchführung einer Due Diligence einen Mangel, so hängt es vom Einzelfall ab, ob grob fahrlässige Unkenntnis anzunehmen ist. Im Grundsatz ist der Wunsch des Käufers, eine Due Diligence durchzuführen, Ausdruck eines gesteigerten Aufklärungsinteresses, nicht der Bereitschaft, seine Rechtspositionen zu ver-

1 Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen v. 2. 12. 2004 (BGBl. I, 3102), in Kraft getreten am 8. 12. 2004, hat in § 444 BGB sowie in § 639 BGB das Wort „wenn“ durch das Wort „soweit“ ersetzt. 2 Hierzu näher Seibt, NZG 2004, 801 ff.; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1895. 3 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1181; Seibt/Raschke/Reiche, NZG 2002, 256, 259; Canaris, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2002, S. 5, 85 f.; Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 296; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 324, 326; Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 63; Jaques, BB 2002, 417, 418; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 530 f.; Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 419; Knott, NZG 2002, 249; 255; Hilgard/Kraayvanger, MDR 2002, 678, 679 ff.; Dauner-Lieb/ Thiessen, ZIP 2002, 108; Schröcker, ZGR 2005, 63, 94 f.; anders Faust, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 444 Rdnr. 19 f., der in § 444 Alt. 2 BGB eine Auslegungsregel sieht, nach der sich im Zweifel eine Garantie gegenüber einer Haftungsbeschränkung durchsetzt; ebenso Faust, ZGS 2002, 271, 272. 4 Seibt, NZG 2004, 801, 802, dort auch näher zur Entstehens- und Gesetzgebungsgeschichte der Klarstellung des § 444 BGB; Lorenz, in: FS Heldrich, 2005, S. 305, 324. 5 Seibt, NZG 2004, 801, 802; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1895. 6 Eidenmüller, ZGS 2002, 290, 296. 7 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 60; Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 844 ff.; Dietzel, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd. I, 2001, S. 351; Stengel/Scholder, NJW 1994, 158, 164.

1094

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

schlechtern1. Auch ist die Erkenntnismöglichkeit des Käufers bei der Due Diligence stets durch Art und Umfang des zur Verfügung gestellten Materials und die Bereitschaft des Verkäufers zur Darlegung von Unternehmensinterna begrenzt. Der Vorwurf der grobfahrlässigen Unkenntnis ist dem Käufer daher in der Regel nur dann zu machen, wenn er den Fehler auch ohne nähere Untersuchung hätte erkennen können2. Allerdings ist dem Käufer je nach Sachlage und Komplexität des Unternehmenskaufs zuzumuten, die Prüfung des Unternehmens in adäquater Breite und Tiefe, evtl. mit Hilfe qualifizierter Berater, vorzunehmen und gewisse Standards zu verfolgen, um keine erfahrungsgemäß wesentlichen Punkte zu übersehen3. d) Rechtsfolgen bei Rechts- und Sachmängeln Bei Mangelhaftigkeit veräußerter Geschäftsanteile bzw. des Unternehmens beim Unternehmenskauf stehen dem Käufer die Rechte aus § 437 BGB n.F. zu: Danach kann er zunächst Nacherfüllung durch Mängelbeseitigung verlangen (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB), wobei der Unterfall der Nachlieferung (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) aufgrund der Besonderheit und Individualität des Kaufgegenstandes „Geschäftsanteil“ bzw. „Unternehmen“ grundsätzlich wegen Unmöglichkeit ausscheidet. Nacherfüllung wird jedoch in Betracht kommen zum einen bei auf das Unternehmen durchschlagenden Mängeln am Sachsubstrat (s. oben Rdnr. 158) durch Lieferung einwandfreier Sachen oder Übertragung von Rechten der geschuldeten Art4, zum anderen hinsichtlich unerkannter Verbindlichkeiten im Wege der Übernahme durch den Verkäufer5. Beim Anteils- bzw. Unternehmenskauf wird der gesetzliche Nacherfüllungsanspruch häufig ausgeschlossen und durch ein privatautonomes Haftungsregime (s. Rdnr. 160 ff.) ersetzt. Denn das zugleich bestehende Nachbesserungsrecht des Verkäufers6 und die damit einhergehende erneute Einflussnahme auf das kaufgegenständliche Unternehmen nach Abwicklung der Transaktion sind in der Regel nicht erwünscht und die Ausschlussgründe der Unverhältnismäßigkeit bzw. Unzumutbarkeit der Nacherfüllung nach § 275 Abs. 2 und 3 BGB bringen häufig erhebliche Zweifelsfragen mit sich7.

165

Der Käufer kann aber auch den Kaufpreis mindern, was anders als beim Schadensersatz ohne Verschulden möglich ist und nur eine – u.U. entbehrliche – Nachfristsetzung erfordert (§§ 437 Nr. 2, 441, 440 BGB). Das Rücktrittsrecht nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB wird häufig vertraglich ausgeschlossen, da es beim Anteils- oder Unternehmenskauf aufgrund der möglichen Rückabwicklungsschwierigkeiten und des u.U. bestehenden Wertersatzan-

166

1 Stengel/Scholder, NJW 1994, 158, 164. 2 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 848; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 59. 3 Näher H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 59. 4 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 44. 5 Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 526; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 45. 6 Vgl. Lorenz, JZ 2001, 742, 743; Dauner-Lieb/Thiessen, DStR 2002, 809, 811. 7 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1140.

H. Winter/Seibt

|

1095

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

spruchs des Verkäufers bei Unmöglichkeit der Rückgewähr (§ 346 Abs. 2 BGB) in der Regel nicht interessengerecht ist1. Beim reinen Anteilskauf als Rechtskauf werden solche Rückabwicklungsschwierigkeiten jedoch selten bestehen. Der Rücktritt kann aber auch schon nach den gesetzlichen Vorschriften ausgeschlossen sein, wenn der Mangel unerheblich ist (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB). Ob darüber hinaus ein Rücktritt (nicht nur die Rückgabe an sich, § 346 Abs. 2 BGB) auch ohne vertragliche Regelung aufgrund der besonderen Konstellation beim Unternehmenskauf ausgeschlossen sein kann, erscheint zweifelhaft2. 167

Bei Fehlschlagen der Nacherfüllung oder ihrer Unzumutbarkeit kann der Käufer schon bei einfacher Fahrlässigkeit (nicht mehr nur bei Arglist oder Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft) Schadensersatz verlangen (§§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281, 283, 284, 311a BGB). Der Schaden liegt im geringeren Wert des Unternehmens, in den Einbußen, die der Käufer durch die Mangelhaftigkeit des Unternehmens sonst erlitten hat und in den frustrierten Vertragskosten3. Der Käufer kann zwischen kleinem und großem Schadensersatz wählen, wobei der kleine Schadensersatz im wesentlichen auf eine Minderung hinausläuft und der große Schadensersatz grundsätzlich die Rückgabe der Anteile bzw. des Unternehmens erfordert (§ 281 Abs. 5 BGB). Statt des (großen oder kleinen) Schadensersatzes kann für den Käufer auch der Aufwendungsersatz nach § 284 BGB von Interesse sein, etwa hinsichtlich im Vertrauen auf die Gültigkeit des Anteils- bzw. Unternehmenskaufs getätigte Investitionen oder veräußerte Unternehmensteile4. e) Verjährung

168

Für Mängelrechte aus § 437 BGB gilt grundsätzlich die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Die Divergenz zur Haftung nach allgemeinem Schuldrecht ist durch die Schuldrechtsreform gemildert aber nicht vollständig beseitigt worden5. Für die Haftung aus culpa in contrahendo beim Anteils- und Unternehmenskauf gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) ab Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis der Anspruchsvoraussetzungen und der Person des Schuldners (§ 199 Abs. 1 BGB). Die Verjährung beim Rechtskauf, insbesondere beim Anteilskauf, ist allerdings umstritten6. Ist der Anteil mit dem Recht eines Dritten belastet, so ist bei solchen Drittrechten, durch welche dem Käufer die Nutzung des Anteilsrechts entzogen werden kann (Pfandrecht, Nießbrauch), eine Vergleichbarkeit mit entsprechenden Drittrechten beim Sachkauf gegeben und § 438 Abs. 1 Nr. 1 a BGB analog heranzuziehen7.

1 Vgl. Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 56; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 527; s. aber auch H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 47 f. 2 Kritisch zu entsprechenden Ansätzen H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 48. 3 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 50; zur Schadensberechnung bei der Verletzung von Garantien beim Unternehmenskauf jüngst Hilgard, ZIP 2005, 1813. 4 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 52 ff. 5 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1183. 6 Vgl. etwa Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 438 Rdnr. 17 f. m.w.N. 7 Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1434; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 438 Rdnr. 17; für eine generelle Analogie Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626.

1096

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Gleiches gilt für den Fall einer offenen Einlageschuld oder bestehenden Nachschusspflicht1. Die Ansprüche wegen anderer Rechtsmängel (z.B. fehlendes Stimmrecht, fehlende vereinbarte Gewinn- oder Veräußerungserlösbeteiligung) verjähren dagegen nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB2. Steht der veräußerte Anteil nicht dem Verkäufer sondern einem Dritten zu (Drittinhaberschaft), ist ein Gleichlauf zum Fall der Drittberechtigung beim Sachkauf zu befürworten und § 438 Abs. 1 Nr. 1 a BGB analog anzuwenden3. Zwar liegt hierin kein Rechtsmangel sondern Unmöglichkeit (s. oben Rdnr. 147), so dass an sich die Regelverjährung von §§ 195, 199 BGB eingreifen müsste4. Eine analoge Anwendung von § 438 Abs. 1 Nr. 1 a BGB ist aber geboten, da eine längere Verjährungsfrist (insb. angesichts der Höchstfristen nach § 199 Abs. 3 BGB) beim Rechtskauf, wo der Käufer im Gegensatz zum Sachkauf gar nichts erhält, erst recht zur Feststellung des „Mangels“ erforderlich sein kann. Konsequenterweise gilt § 438 Abs. 1 Nr. 1 a BGB auch dann, wenn der verkaufte Anteil nicht existiert5. Im Unterschied zum Sachkauf, wo für diesen Fall der anfänglichen Unmöglichkeit (Nichtexistenz des Kaufgegenstandes) §§ 195, 199 BGB gilt, ist die Nichtexistenz eines Rechts für den Käufer genauso schlecht zu erkennen wie die Drittinhaberschaft. Für den Verjährungsbeginn hinsichtlich dieser Rechtsmängel und der analog zu behandelnden Fälle der Nichtexistenz bzw. Drittinhaberschaft ist der Zeitpunkt der (vermeintlichen) Übertragung des Rechts maßgeblich, beim Anteilskauf also des (geplanten) Wirksamwerdens der Abtretung6. Auf den Betriebsübergang7 bzw. die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an den Betriebsmitteln8 kann beim reinen Anteilskauf hingegen nicht abgestellt werden, da ein solcher Zeitpunkt nicht existiert. Auf Grund der (geringen) erworbenen Beteiligungsquote erhält der Käufer keine unternehmerische Leitungsmacht, so dass von einem Betriebs- oder Besitzübergang nicht gesprochen werden kann9. Ist der Anteilskauf wirtschaftlich ein Unternehmenskauf (oben Rdnr. 153), so gelten für die Mängel an der Beschaffenheit des Unternehmens (oben Rdnr. 154 ff.) die Verjährungsregeln des § 438 BGB. Insbesondere greift bei von der 1 A.A. Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1434 (Anwendung von § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB); zur Einordnung der offenen Einlageschuld und Nachschusspflicht als Rechtsmangel s. aber oben Rdnr. 145. 2 Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 438 Rdnr. 17; Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1434; a.A. Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626. 3 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 10, 13; Faust, in: Bamberger/ Roth, BGB, § 453 Rdnr. 18; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626; Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1430 ff.; a.A. Grunewald, NZG 2003, 372, 374; Grunewald, in: Erman, BGB, § 453 Rdnr. 8. 4 So Weigl, DNotZ 2005, 246, 251. 5 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 438 Rdnr. 7; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 453 Rdnr. 18; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626; Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1433 f. 6 Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1435; H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 438 Rdnr. 8, § 446 Rdnr. 4; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 446 Rdnr. 5; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1626; offen noch Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1138. 7 Vgl. Begründung RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 227. 8 Vgl. Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 67. 9 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1138.

H. Winter/Seibt

|

1097

169

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Beschaffenheit abweichenden betriebswirtschaftlichen Daten, etwa zur Ertragsfähigkeit, § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB mit der zweijährigen Verjährungsfrist ein1. § 438 BGB gilt auch bei auf das Unternehmen durchschlagenden Mängeln am Sachsubstrat (vgl. oben Rdnr. 158). Verjährungsbeginn in Bezug auf Rechtsmängel der Anteile ist beim Anteilskauf auch im Falle des Unternehmenskaufs der Zeitpunkt des (vermeintlichen oder tatsächlichen) Anteilsübergangs2. Hinsichtlich Mängel an der Beschaffenheit des Unternehmens, die beim reinen Anteilskauf nicht in Betracht kommen (oben Rdnr. 152), ist maßgeblicher Zeitpunkt hingegen die Betriebsübergabe3. Dies entspricht der Vorstellung des Gesetzgebers4, folgt aber auch aus der Anwendung von § 434 BGB auf derartige Mängel, so dass konsequenterweise auch § 438 Abs. 2 BGB eingreift. Dies kann zwar beim Zusammenfallen von Rechtsmängeln der Anteile und Beschaffenheitsabweichungen des Unternehmens zu unterschiedlichen Zeitpunkten für den Verjährungsbeginn führen (Anteilsübertragung bzw. Betriebsübergang)5, was aber sachgerecht ist, da Beschaffenheitsmängel des Unternehmens – anders als Rechtsmängel an den Anteilen – schon bzw. erst mit der faktischen Kontrolle über den Betrieb für den Käufer erkennbar werden. Dieser Gedanke liegt auch dem direkten Fall des § 438 Abs. 2 BGB zugrunde, der als Vorschrift des Sachkaufs beim wirtschaftlich als Unternehmenskauf einzuordnenden Anteilskauf hinsichtlich der Beschaffenheit des Unternehmens entsprechende Anwendung findet. Jedoch wird es in der Praxis in vielen Fällen schon zu keiner Abweichung vom Verjährungsbeginn für Rechtsmängel an den Anteilen kommen. Ist nämlich wie häufig ein Closing (d.h. ein nach dem Kaufvertragsschluss liegender Stichtag für den dinglichen Vollzug der Anteilsübertragung und der Übertragung von weiteren Rechtsgütern, z.B. Grundstücke, für den Übergang der tatsächlichen Sachherrschaft über das Unternehmen sowie ggf. für weitere Erfüllungshandlungen) vorgesehen, so fallen Betriebsübergabe und Zeitpunkt der Anteilsübertragung bzw. deren Wirksamkeit regelmäßig zusammen. 170

Angesichts der verbleibenden Zweifelsfragen ist beim Anteils- bzw. Unternehmenskauf in der Praxis allerdings die auch nach früherem Recht übliche vertragliche Regelung von Verjährungsfrist und Verjährungsbeginn, ggf. differenziert nach Art der Mängel6, zu empfehlen (vgl. § 202 Abs. 2 BGB)7. Soweit die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen und durch selbstständige Garantieversprechen ersetzt werden, greift typischerweise zugleich ein vertragliches Verjährungsregime. Bei selbstständigen Garantieversprechen ohne eigene

1 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 56; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1627. 2 Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1627; Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1435. 3 Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1627; wohl auch H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 56; a.A. Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1435, allerdings nur im Zusammenhang mit Rechtsmängeln und ohne zwischen diesen und Beschaffenheitsmängeln des Unternehmens zu differenzieren. 4 Begründung RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 227, wenn auch undifferenziert für Ansprüche „wegen Mangels eines verkauften Unternehmens“. 5 Vgl. Heerstraßen/Reinhard, BB 2002, 1429, 1435. 6 H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, § 453 Rdnr. 56. 7 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1183 mit Formulierungsvorschlag.

1098

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Verjährungsregelung verjähren hierdurch begründeten Erfüllungsansprüche nach §§ 195, 199 BGB ab dem Schluss des Jahres, in dem der Vertrag geschlossen wurde, hieraus entstehende Sekundäransprüche nach §§ 195, 199 BGB ab dem Schluss des Jahres, in welchem die anspruchsbegründenden Umstände dem Käufer bekannt wurden oder nur durch grobe Fahrlässigkeit unbekannt blieben. Zu beachten sind die Höchstgrenzen nach § 199 Abs. 3 und 4 BGB. f) Haftung wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung Auch nach der Schuldrechtsreform verbleibt beim Anteils- und Unternehmenskauf Raum für die Haftung des Verkäufers aus vorvertraglicher Pflichtverletzung (culpa in contrahendo, §§ 311 Abs. 2, 280 BGB). Da beim reinen Anteilskauf (Beteiligungserwerb) eine Haftung für die Beschaffenheit des Unternehmens grundsätzlich nicht in Betracht kommt (oben Rdnr. 152), hat der Verkäufer nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo für unrichtige bzw. – bei entsprechender Aufklärungspflicht1 – unterlassene Angaben einzustehen. Beim Anteilskauf als Unternehmenskauf ist neben den Fällen allgemeiner Geheimhaltungs- und Aufklärungspflichtverletzung eine culpa-Haftung dort möglich, wo die Grenzen des Beschaffenheitsbegriffs überschritten werden (oben Rdnr. 156). Insbesondere bei unrichtigen Angaben über Erträge oder Umsätze, die nicht als Vereinbarung über die Ertragsfähigkeit des Unternehmens angesehen werden können (oben Rdnr. 156), haftet der Veräußerer für fahrlässig falsche Angaben nach §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB auf das negative Interesse. Soweit das Haftungsregime der §§ 434 ff. BGB aber eingreift, ist ein generelles Nebeneinander mit einer culpa-Haftung2 abzulehnen, da andernfalls die dort in ihrem Anwendungsbereich abschließend geregelten Verjährungsfristen (§ 438 BGB), Ausschlussgründe (§ 442 BGB) und Anspruchsinhalte (§ 437 BGB) umgangen würden3. Etwas anderes gilt wie nach altem Recht4 nur in Fällen der Arglist des Verkäufers, bei denen dem Käufer der Anspruch auf das negative Interesse nicht genommen werden darf5. Der Anspruch aus culpa in contrahendo verjährt nicht mehr nach dreißig Jahren wie nach altem Recht, sondern nunmehr in der Regelzeit von drei Jahren ab (grob fahrlässiger Un-)Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände (§§ 195, 199 BGB).

VII. Verpfändung des Geschäftsanteils Schrifttum: Becker, Das vertragliche Pfandrecht am GeschAnteil, GmbHR 1928, 405; Becker, Das Stimmrecht bei Sicherungsübertragung, Nießbrauch, Verpfändung, Pfändung, Miete, Pacht, Leihe eines GeschAnteils und im Konkurs- und Vergleichsverfahren, GmbHR 1935, 803; Buchwald, Verpfändung und Pfändung von GmbHAnteilen, GmbHR 1959, 254; 1960, 5; Ch. Büchner, Verpfändung von Anteilen einer

1 Zu Aufklärungspflichten beim Unternehmenskauf zuletzt etwa Geldsetzer, M&A Review 2005, 475. 2 So Barnert, WM 2003, 416. 3 Schröcker, ZGR 2005, 63, 89. 4 Aus der Rechtsprechung etwa BGH, NJW 1992, 2565. 5 Schröcker, ZGR 2005, 63, 89 f.; Palandt/Putzo, BGB, § 437 Rdnr. 51b; a.A. noch Palandt/Putzo, BGB, 62. Aufl., § 437 Rdnr. 51.

H. Winter/Seibt

|

1099

171

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

GmbH, 1989; Ewald, GmbH-Anteile (Anteilscheine) als Pfandstücke, ZHR 92 (1928), 96; J. Fackenheim, Das vertragliche Pfandrecht bei GeschAnteilen einer GmbH, 1910; Heidenhain, Umfang der Beurkundungspflicht bei der Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 1996, 275; Kerbusch, Zur Erstreckung des Pfandrechts an einem GmbH-GeschAnteil auf den durch Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln erhöhten oder neu gebildeten GeschAnteil, GmbHR 1990, 156; Klemann, Begründungen und Wirkungen eines Pfandrechts an einem GeschAnteil in einer GmbH, Diss. Erlangen 1908; Kolkmann, Die Verpfändung von Geschäftsanteilen und die Sicherung des Pfandrechts, MittRhNotK 1992, 1; Külbs, Pfändung, Verpfändung und Zwangsvollstreckung in den GeschAnteil einer GmbH, Diss. Köln 1938; Mertens, Typische Probleme bei der Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1998, 1787; Mühl, in: Hadding/Schneider, Gesellschaftsanteile als Kreditsicherheit, 1979, S. 155; K. Müller, Die Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1969, 4, 34 u. 57; Rodewald, Überlegungen im Zusammenhang mit der Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1995, 418; Roth, Pfändung und Verpfändung von Geschäftsanteilen, ZGR 2000, 213; Schuler, Die Verpfändung von GmbH-Anteilen, NJW 1956, 689; Sieger/Hasselbach, Praktische Probleme der Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 1999, 633; Vogel, Die Verpfändung von GmbHAnteilen, DB 1954, 208; Walbeck, Pfandrecht an dem GeschAnteil einer GmbH, Diss. Erlangen 1909; Wenz, Pfandrecht am GeschAnteil und an Gewinnbezugsrechten der GmbH, Diss. Straßburg 1914; Widder, Die Aufhebung der Verpfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 2002, 898; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965.

1. Wirtschaftlicher Hintergrund und Zulässigkeit 172

Die Verpfändung von GeschAnteilen hat in der Finanzierungspraxis größte Bedeutung. Dabei dient das Pfandrecht am GeschAnteil in erster Linie der Sicherung von Forderungen, die gegen den Anteilsinhaber (oder eine ihm nahestehende Person) bestehen, häufig sichert die Pfandrechtsbestellung aber auch eine Kreditgewährung an die Gesellschaft oder die Finanzierung des Anteilserwerbs selbst. Die Unternehmenspraxis nutzt die Verpfändung in deutlich größerem Umfang als die Sicherungsabtretung, aus Sicht der Sicherungsnehmer deshalb, damit er nicht Gesellschafter mit allen mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten wird, aus Sicht des Sicherungsgebers weil er Gesellschafter bleiben kann. Durch schuldrechtliche Vereinbarung (insbesondere durch sog. financial covenants) erhält der Sicherungsnehmer häufig allerdings eine gesellschafterähnliche Position. Die Anteilsverpfändung ist im GmbHG nicht erwähnt, was historisch daran liegt, dass das Pfandrecht 1892 noch nicht reichsgesetzlich geordnet war1. Dennoch ist die Verpfändung eines GeschAnteils ohne Zweifel zulässig2. Es handelt sich um die Verpfändung eines Rechts; sie ist soweit zulässig, als die Abtretung zulässig ist (§ 1274 Abs. 2 BGB). Es kann daher auch ein zukünftiger GeschAnteil, vor Eintragung der GmbH oder vor Durchführung einer beschlossenen Kapitalerhöhung, wirksam verpfändet werden (Rdnr. 11); mit dem Entstehen des GeschAnteils tritt dann das Pfandrecht in Wirksamkeit. Ist die Abtretung statutarisch an bestimmte Voraussetzungen, z.B. an die Genehmigung der Gesellschaft oder an die Übergabe des Anteilscheins (Rdnr. 116), geknüpft (§ 15 Abs. 5), so ist 1 Begr. I S. 62, II 50. 2 RGZ 53, 108; 58, 224; 100, 274.

1100

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

auch die Verpfändung ohne diese Voraussetzungen unwirksam1. Ist die Abtretung statutarisch ausgeschlossen (Rdnr. 135), so ist Verpfändung unzulässig (§ 1274 Abs. 2 BGB). Auch unabhängig von der vereinbarten Abtretungsregelung kann der Gesellschaftsvertrag die Verpfändung an einschränkende Voraussetzungen knüpfen oder sie ausschließen2, umgekehrt freilich auch erleichtern3.

2. Form Die Form der Verpfändung ist die notarielle Beurkundung (§ 15 Abs. 3 GmbHG; § 1274 Abs. 1 BGB)4. Die Übergabe des Anteilscheins, wo ein solcher ausgestellt, ist nur da zur Verpfändung erforderlich, wo das Statut die Übergabe als Voraussetzung der Abtretung gem. § 15 Abs. 5 vorschreibt (oben Rdnr. 116); denn statutarisch weitere Voraussetzungen der Abtretung (§ 15 Abs. 5) gelten auch für die Verpfändung (§ 1274 Abs. 1 Satz 2 BGB); vgl. Rdnr. 172.

173

Der Formzwang gilt für alle Abreden, die ein Bestandteil des Pfandrechtsvertrages sind (zur schuldrechtlichen Verpflichtung s. Rdnr. 176). Die beurkundeten Erklärungen müssen den verpfändeten GeschAnteil hinreichend genau bezeichnen und unzweideutig ergeben, dass ein Pfandrecht an ihm bestellt wird. Soweit ihnen kein abweichender Wille zu entnehmen ist, handelt es sich um ein einfaches Pfandrecht und nicht um ein Nutzungspfand, §§ 1273 Abs. 2, 1213 Abs. 1 BGB (Rdnr. 181). Sie müssen außerdem ausreichend bestimmt die Forderung angeben, die durch das Pfandrecht gesichert werden soll5. Formbedürftig sind auch Nebenabreden, z.B. über die Ausübung von Gesellschafterrechten (Rdnr. 176), über die Verwertung (Rdnr. 194), über das Erlöschen des Pfandrechts u.ä. Nicht notwendig ist dagegen, dass die der Forderung zugrunde liegenden Vereinbarungen wiedergegeben werden6. Dies gilt – nach dem begrenzten Formzweck des § 15 Abs. 3 (!) – auch für solche Darlehensverträge, Anteilskaufverträge u.ä., auf die im Verpfändungsvertrag verwiesen wird7.

174

1 OLG Karlsruhe, OLG 3, 263; Brodmann, Anm. 2; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 156; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 56; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 88. 2 Zutr. Müller, GmbHR 1969, 5; Schuler, NJW 1969, 690; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 156; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 56; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 168; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 82, 88. 3 Schuler, NJW 1969, 690; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 156; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 88; a.M. offenbar K. Müller, NJW 1956, 689, 5. 4 RGZ 53, 107; 58, 224; 100, 274; 157, 52; allg.M. 5 Vgl. Heidenhain, GmbHR 1996, 275 unter Hinweis auf RGZ 136, 422, 424 (betr. Grundschuldverpfändung); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 154; abw. Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 54. 6 Heidenhain, GmbHR 1996, 275; s. auch Mertens, GmbHR 1998, 1787, 1788; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 154. 7 Eb. gegen Beurkundungserfordernis Heidenhain, GmbHR 1996, 275, 276 f.; wohl auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 154; a.M. Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633, 634 f.; vgl. auch B. Martens, ZIP 1998, 1787, 1788.

H. Winter/Seibt

|

1101

§ 15 175

Übertragung von Geschäftsanteilen

Eine Anzeige der Verpfändung gegenüber der Gesellschaft nach § 1280 BGB ist nicht erforderlich, da diese Vorschrift nur Forderungen und keine Mitgliedschaftsrechte betrifft1. Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Verpfändung sich auf bereits entstandene Gläubigerrechte des Gesellschafters beziehen soll2. Bei der Frage nach der Erforderlichkeit einer Anmeldung nach § 16 Abs. 1 ist zu differenzieren: Weder die Wirksamkeit der Abtretung noch die der Verpfändung ist von der Anmeldung abhängig, sondern beides ist im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien und zu Dritten auch ohne Anmeldung wirksam3. Demgegenüber streitet die Gleichstellung der Verpfändung mit der Abtretung (vgl. § 1247 BGB) dafür, für die Wirksamkeit der Verpfändung gegenüber der Gesellschaft die in § 16 Abs. 1 vorgeschriebene Anmeldung entsprechend zu fordern4. Dies hat insbesondere für das Nutzungspfand (Rdnr. 181) Bedeutung. Eine Anmeldung der Verpfändung i.S.v. § 16 Abs. 1 liegt i.d.R. darin, dass der Pfandgläubiger die Rechte aus der Verpfändung gegenüber der Gesellschaft geltend macht5. Hieraus folgt allerdings auch, dass der Pfandgläubiger die Anmeldung solange unterlassen kann, wie er keine Ansprüche gegenüber der GmbH erheben kann oder möchte.

3. Schuldrechtlicher Vertrag 176

Ein schuldrechtlicher Vertrag, der zur dinglichen Pfandbestellung verpflichtet, bedarf keiner Form. Denn ein dem § 1274 BGB entsprechender Satz gilt hier nicht; § 15 Abs. 4 ist nicht (analog) anwendbar6. Aus einem solchen formlosen Vertrage kann daher auf Verpfändung geklagt werden. Ist die Verpfändung formlos erfolgt, so ist sie zwar als solche unwirksam; regelmäßig wird aber ein solcher unwirksamer dinglicher in einen bundenden schuldrechtlichen Vertrag umgedeutet (§ 140 BGB) werden können, der zur Nachholung formgerechter Verpfändung verpflichtet7. Das auf Abgabe der Verpfändungserklärung lautende rechtskräftige Urteil ersetzt die formgerechte Verpfändungserklärung. Aber erst

1 RGZ 57, 414, 415; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 157; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 86; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 220; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633, 634. 2 Zutr. Wiedemann, S. 425; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 157 Fn. 419 a.E. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 157; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 66; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 87; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 220; a.M. Neukamp, ZHR 55 (1906), 567. 4 Wiedemann, S. 425; Feine, S. 405; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 157; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 56; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 49; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 87; Schuler, NJW 1956, 690. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 157 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 220. 6 RGZ 53, 107; 58, 225; RG, JW 1937, 2118; Neukamp, ZHR 57 (1906), 524; K. Müller, GmbHR 1969, 6 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 155; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 49; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 82; Staudinger/Wiegand, § 1274 BGB Rdnr. 55; Soergel/Habersack, § 1274 BGB Rdnr. 36; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633, 634; a.M. Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 56; Leuering/Simon, NJW-Spezial 2005, 171. 7 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 155.

1102

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

mit formgerechter Annahme dieser Erklärung (vor oder nach dem Urteil) wird die (dingliche) Verpfändung wirksam.

4. Teilverpfändung Die Verpfändung des Teils eines GeschAnteils ist zulässig1. Näher hierzu § 17 Rdnr. 35.

177

5. Verwaltungsrechte, Stimmrecht Der Pfandgläubiger hat als solcher nur das Recht, sich aus dem Pfande zu befriedigen (§§ 1204, 1273 BGB; über das Nutzungspfand s. Rdnr. 181). Bis zum Pfandverkauf bleibt der Verpfänder Gesellschafter und damit Träger der Mitgliedschaftsrechte und -pflichten2. Das gilt auch dann, wenn die Stimmrechtsausübung zur Beseitigung des Anteils führt3. Vorbehaltlich schuldrechtlicher Abmachungen mit seinem Pfandgläubiger und der sich daraus bei Zuwiderhandlung ergebenden persönlichen Schadensersatzpflicht kann der Verpfänder den verpfändeten GeschAnteil verkaufen (das Pfandrecht geht auf den Erwerber über; Rdnr. 188), es zur Kaduzierung (§ 21) des Anteils kommen lassen, ihn gem. § 27 preisgeben (abandonnieren)4 (in beiden Fällen erlöschen die dinglichen Rechte), einer Einziehung des verpfändeten Anteils zustimmen (§ 34 Abs. 2), die Umwandlung der Gesellschaft mit beschließen (vgl. dazu Rdnr. 187)5, die Auflösung der GmbH gem. §§ 60, 61 herbeiführen6, den Austritt aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.) erklären7 usw. Näheres vgl. Rdnr. 192. Er allein übt die mit dem GeschAnteil verbundenen Mitverwaltungsrechte aus8. 1 Ewald, ZHR 92 (1928), 116 ff.; Wiedemann, S. 423 ff.; Feine, S. 406; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 153 u. § 17 Rdnr. 42; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 17 Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 17 Rdnr. 23; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 85; a.M. Brodmann, Anm. 2 an § 17 Anm. 1. 2 H.M.; vgl. RGZ 139, 224, 226 f.; 157, 52, 55; BGHZ 119, 191, 195 f.; LG Mannheim, WM 1990, 762. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 160; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50; K. Müller, GmbHR 1969, 7 f.; Rodewald, GmbHR 1995, 419; einschr. Wiedemann, S. 430 f. 4 Wiedemann, S. 430; K. Müller, GmbHR 1969, 7; Zutt, in: Hachenburg, Anh. § 15 Rdnr. 44; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 170; a.M. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 95; Becker, GmbHR 1935, 806. Dem Pfandgläubiger steht aber analog § 268 BGB ein Ablösungsrecht zu; der Gesellschafter kann der Nachschussleistung durch ihn nicht wirksam widersprechen; zutr. Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 64 m.w.N. 5 Allg.M.; vgl. Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13 Rdnr. 35 m.w.N. 6 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 160; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62; Rodewald, GmbHR 1995, 419; einschr. Wiedemann, S. 430 für die kapitalistisch organisierte GmbH. 7 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 160; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 34 Anh. Rdnr. 24; Becker, Der Austritt aus der GmbH, 1985, S. 190 f.; H. F. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 89 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 170. 8 Entgegen Wiedemann, S. 432 steht dem Pfandgläubiger gegenüber der Gesellschaft auch kein auf die Sicherung des Pfandrechts beschränkter Auskunftsanspruch zu.

H. Winter/Seibt

|

1103

178

§ 15 179

Übertragung von Geschäftsanteilen

Die Verwaltungsrechte, insbesondere auch das Stimmrecht, werden danach zwar von der Verpfändung nicht erfasst1, aber die Parteien des Pfandvertrages können, wenn der Gesellschaftsvertrag das nicht ausschließt, in den Grenzen des GmbH-Rechts Abreden über ihre Ausübung treffen2. Sie können im Rahmen der gesellschaftlichen Treuepflicht mit Wirkung für das Innenverhältnis eine Rücksichtnahme oder Abstimmung für die Mitwirkung an besonders wichtigen oder die Interessen des Pfandgläubigers erheblich berührenden Entscheidungen festlegen, in diesen Fällen außer bei strukturändernden Beschlüssen der Gesellschafter3 eine Stimmbindung zu Gunsten des Pfandgläubigers vereinbaren, unter Beachtung bestehender Verschwiegenheitspflichten des Gesellschafters interne Auskunftsansprüche vorsehen und darüber hinaus auch die Ausübung des Stimmrechts durch den Pfandgläubiger als Bevollmächtigten ermöglichen. Während der Verpfänder dem Pfandgläubiger eine Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts (§ 47 Abs. 3) nicht ausnahmsweise höchstpersönlich wahrzunehmender Rechte erteilen kann, ist eine Übertragung von Verwaltungsrechten oder eine Einräumung der Verwaltungsrechte zu eigenem Recht unzulässig4. Diese Beschränkung der Rechte des Pfandgläubigers sind dadurch gerechtfertigt, dass diesem eben kein dingliches Nutzungsrecht am GeschAnteil zusteht, sondern lediglich ein Verwertungsrecht und der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern nicht zugemutet werden kann, die Mitwirkung eines Nichtgesellschafters mit gesellschaftsrechtlich nicht legitimierter (und nicht durch die verbandsrechtliche Treuepflicht begrenzte) eigener Kompetenz bei Ausübung der Verwaltungsrechte zu dulden. Die gleichen Überlegungen gelten auch für eine unwiderrufliche verdrängende Vollmacht zugunsten des Pfandgläubigers; sie ist ebenfalls unzulässig5. Wird das Pfandrecht zur Sicherung einer Schuld der Gesellschaft bestellt, darf dem Pfandgläubiger aber durch Nebenabreden keine Position eingeräumt werden, die im wirtschaftlichen Ergebnis der Stellung eines Gesellschafters nahekommt, wenn er nicht gem. § 32a Abs. 3 wie dieser den Vorschriften über eigenkapitalersetzende Gesellschafter-

1 RGZ 139, 224, 227 ff.; 157, 52, 55; BGHZ 119, 191, 195 f.; LG Mannheim, WM 1990, 762. 2 Dazu K. Müller, GmbHR 1969, 9 ff.; Rodewald, GmbHR 1995, 419 f.; Kolkmann, MittRhNotK 1992, 1 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 163. 3 Bestr.; vgl. Priester, in: FS Werner, 1984, S. 657 ff.; K. Schmidt, unten 9. Aufl., § 47 Rdnr. 42 m.w.N. 4 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 162 (anders Vorauflage Zutt, in: Hachenburg, Anh. § 15 Rdnr. 40); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 60; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 47 Rdnr. 25; K. Müller, GmbHR 1969, 4, 9; B. Mertens, ZIP 1998, 1787, 1789; a.M. RGZ 157, 52, 55 f.; Wiedemann, S. 429; H. Lehmann, GmbHR 1953, 143; Becker, GmbHR 1935, 805; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 91. – Zur Übertragung von Verwaltungsrechten bei Treuhand und Nießbrauch OLG Köln, BB 1996, 2058 f. sowie Rdnr. 227 f., 217. 5 Brodmann, Anm. 2a; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 163; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 66; Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 225 f.; vgl. auch OLG Frankfurt, JW 1933, 131; Feine, S. 406.

1104

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

darlehen unterliegen will (§§ 30 f., 32a f. GmbHG, §§ 135, 143 InsO, §§ 6, 11 AnfG)1. Einstweilen frei.

180

6. Umfang des Pfandrechts a) Nutzungsrechte Das Pfandrecht gewährt grundsätzlich nur ein Recht auf Befriedigung aus dem Pfande und erstreckt sich nicht – z.B. analog § 1289 BGB – ohne weiteres auf den Gewinnanspruch2. Doch kann das Pfand auch als Nutzungspfand bestellt werden (§§ 1273, 1213 Abs. 1 BGB). Im letzteren Fall ist der Pfandgläubiger nach gehöriger Anmeldung des Pfandrechts bei der Gesellschaft (§ 16 Abs. 1; Rdnr. 175) auch der Gesellschaft unmittelbar gegenüber zum Gewinnbezug befugt. Mit dem Verpfänder hat er abzurechnen; die Nutzungen sind, falls nicht anders vereinbart, zunächst auf Zinsen und Kosten, dann auf die Hauptforderung des Pfandgläubigers anzurechnen (§ 1214 BGB).

181

Vom Nutzungspfand abgesehen, kann auch der Gewinnbezug allein, ohne den GeschAnteil verpfändet werden, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag die Abtretung oder die Verpfändung des Gewinnanspruchs ausschließt. Diese Pfandbestellung ist formlos gültig (ebenso wie die Abtretung; Rdnr. 20). Sie wird erst durch die Anzeige des Verpfänders gem. § 1280 BGB wirksam. Zur Geltendmachung des Pfandrechts unmittelbar der GmbH gegenüber bedarf es aber der Anmeldung durch den Verpfänder oder Pfandgläubiger mit Nachweis (§ 16 Abs. 1 entsprechend). Sind Dividendenscheine ausgestellt (§ 14 Rdnr. 66), so erfolgt ihre Verpfändung, falls sie auf den Inhaber lauten, nach § 1293 BGB (Einigung und Übergabe des Scheins), falls sie an Order lauten, nach § 1292 BGB3. Hier bedarf es keiner Anmeldung, denn der Pfandgläubiger an diesem Wertpapier weist sich durch dessen Besitz aus (§§ 1292, 1293 BGB).

182

Hat ein Gesellschafter, der seinen GeschAnteil verpfändet hat, den ihm zustehenden, durch Gewinnverteilungsbeschluss der Gesellschafter unbedingt und fällig gewordenen Anspruch auf die Jahresgewinnquote an einen Dritten abgetreten, sei es vor oder nach der Anteilsverpfändung, so erlangt im Falle der

183

1 BGHZ 119, 191, 195 f.; Dreher, ZGR 1994, 144 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 32a Rdnr. 21; Lutter/Hommelhoff, §§ 32a/b Rdnr. 52; Rowedder/Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 32a Rdnr. 173; K. Schmidt, unten §§ 32a, 32b Rdnr. 156; Mertens, GmbHR 1998, 1789; Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 60; a.M. Altmeppen, ZIP 1993, 1677 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 32a Rdnr. 179; MaierReimer, in: FS Rowedder, 1994, S. 259 ff. 2 BGHZ 119, 191, 194; Feine, S. 405 f.; Schuler, NJW 1960, 1424; K. Müller, GmbHR 1969, 57; Brodmann, Anm. 2; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 158; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 223; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 91; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 170; Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 53 m.w.N.; a.M. Ewald, ZHR 92 (1928), 143; Wiedemann, S. 426; Roth, ZGR 2000, 187, 219; offen Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 89. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 168.

H. Winter/Seibt

|

1105

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Zwangsversteigerung des GeschAnteils der Zuschlagsempfänger den GeschAnteil ohne den Anspruch auf jene Gewinnquote, und ebenso liegt es, wenn die Gewinnforderung dem Gesellschafter verblieben ist. Denn diese Forderung ist ein reines Gläubigerrecht des bisherigen Gesellschafters und geht auf den Anteilserwerber nicht über, wenn es ihm nicht besonders abgetreten wird. Ebenso verbleibt dem Anteilsverpfänder auch der Anspruch auf zukünftige Jahresgewinnanteile. Auch diesen Anspruch kann er formlos abtreten oder verpfänden. Dies hat aber nur Wirkung für diejenigen Gewinnansprüche, die als Gläubigerrecht entstehen während der Zeit, in welcher der Gesellschafter, der abgetreten oder verpfändet hat, den GeschAnteil noch als eigenen besitzt. Tritt er ihn ab, so erwirbt der Anteilserwerber als pfandfreies Recht die Gewinnforderung, die während seiner Gesellschaftereigenschaft als Gläubigerrecht entsteht; eine Ausnahme gilt aber dann, wenn der Gewinnanspruch in einem Wertpapier verkörpert ist (Rdnr. 20). Entsprechend verbleiben, wenn der GeschAnteil verpfändet ist und die Gewinnbezugsrechte einem Dritten abgetreten sind, nach Zwangsversteigerung des GeschAnteils die bis zum Zuschlag als Gläubigerrechte entstandenen Gewinnforderungen dem Abtretungsempfänger (Dividendenzessionar), während die nach dem Zuschlag als Gläubigerrechte entstehenden dem Zuschlagsempfänger gebühren. Sind sowohl der GeschAnteil als auch die Gewinnbezugsrechte demselben Gläubiger verpfändet, so kann der Pfandgläubiger, wenn sowohl seine pfandgesicherte Forderung wie eine Gewinnforderung fällig sind, die Gewinnforderung für sich geltend machen, soweit es zu seiner Befriedigung erforderlich ist (§ 1282 BGB). Ist die pfandgesicherte Forderung noch nicht fällig, so gilt für Auszahlung der fälligen Gewinnforderung der § 1281 BGB. Wird der zukünftige Jahresgewinnanspruch zunächst abgetreten und danach vom Anteilsinhaber an eine andere Person verpfändet, so erwirbt der Abtretungsempfänger mit dem Gewinnverteilungsbeschluss eine unbelastete Gewinnforderung; die Verpfändung ist unwirksam (Rdnr. 20). Im umgekehrten Falle erwirbt er eine mit dem Pfandrecht belastete Forderung. b) Pfandrecht am Recht auf die Liquidationsquote 184

Im Auflösungsstadium der Gesellschaft bleiben zwar die GeschAnteile bestehen, aber ihr vermögensrechtlicher Inhalt wandelt sich um vom bisherigen Anspruch auf einen Teil des Jahresgewinns in den Anspruch auf einen Anteil am Liquidationserlös. Da der Zweck des Pfandrechts ist, den Gläubiger durch den Vermögenswert des Pfandes zu sichern, und da es auch den Gewinnanspruch erfasst, freilich kraft besonderer Vorschrift nur bei entsprechender Abrede (§§ 1213, 1273 Abs. 2 BGB), muss da, wo der Vermögenswert im Anspruch auf die Liquidationsquote in aller Regel sich erschöpft, das Pfandrecht am GeschAnteil ohne weiteres den Anspruch auf Liquidationserlös erfassen (analog § 1287 BGB)1.

185

Das Recht auf die künftige Liquidationsquote kann auch selbständig abgetreten (Rdnr. 20) und verpfändet werden, und zwar formlos. Zur Wirksamkeit ist aber 1 So Becker, GmbHR 1940, 186; K. Müller, GmbHR 1969, 36; Schuler, NJW 1956, 690; Feine, S. 405 f.; Brodmann, Anm. 2; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 165; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59 mit unterschiedlicher Begründung.

1106

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

die Anzeige des Verpfänders gem. § 1280 BGB erforderlich. War vor der Entstehung der Forderung auf den anteiligen Liquidationserlösüberschuss auch der GeschAnteil verpfändet worden, so erwirbt der Abtretungsempfänger die Quotenforderung, belastet mit dem Pfandrecht (Rdnr. 21)1. c) Andere Kapitalforderungen Ebenso wie die Forderung auf die Liquidationsquote ohne weiteres vom Anteilspfandrecht erfasst wird, erstreckt sich das Pfandrecht auf andere „Surrogate“ des GeschAnteils wie Forderungen auf das Einziehungsentgelt (Rdnr. 192), Forderungen des Gesellschafters auf den Überschuss aus Verkauf des preisgegebenen GeschAnteils (§ 27) sowie Abfindungsansprüche in den Fällen des Austritts (s. Anh. § 34 Rdnr. 17) und der Ausschließung (s. Anh. § 34 Rdnr. 48). Man wird auch nicht anders behandeln können die Forderungen auf Nachschussrückzahlung (§ 30 Abs. 2) und auf Stammeinlagerückzahlung im Falle von Kapitalherabsetzung (§ 58 Abs. 2), da diese verselbständigte Vermögenswerte der Anteilsubstanz sind2.

186

d) Kapitalerhöhung, Umwandlung Das Pfandrecht erstreckt sich bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ohne besonderen Bestellungsakt auf das erhöhte oder neu gebildete Anteilsrecht3. Es erfasst bei der Verschmelzung, der Aufspaltung und der Abspaltung im Wege der dinglichen Surrogation ohne weiteres auch die an die Stelle des bisherigen GeschAnteils tretenden Anteile an dem übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger (§§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, 36 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, 135 Abs. 1 UmwG). Dasselbe gilt analog § 1287 BGB für die Ansprüche auf bare Zuzahlung zwecks Spitzenausgleichs oder Verbesserung des Umtauschverhältnisses (§§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 15, 36 Abs. 1, 125, 126 Abs. 1 Nr. 3, 135 f. UmwG) und auf Abfindung der wegen der Umwandlung austretenden Gesellschafter (§§ 29 ff., 36 Abs. 1, 125, 135 UmwG). Soweit durch die Umwandlung GeschAnteile ersatzlos wegfallen (§§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Hbs. 2, 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Hbs. 2 UmwG), erlischt das Pfandrecht; der Pfandgläubiger kann u.U. aber Ansprüche aus dem Kausalverhältnis geltend machen (Rdnr. 176)4. Bei einem Formwechsel besteht das Pfandrecht an dem an die Stelle des belasteten GeschAnteils tretenden Anteil am Rechtsträger neuer Rechtsform weiter (§ 202 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UmwG). Im Falle des umwandlungsbedingten Austritts des Gesellschafters wird statt dessen analog § 1287 BGB der Abfindungsanspruch (§§ 207 ff. UmwG) erfasst. 1 BGHZ 104, 351, 353 ff. 2 Feine, S. 406; Wiedemann, S. 427; K. Müller, GmbHR 1969, 37; Schuler, NJW 1956, 690; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 165; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633, 638; Kerbusch, GmbHR 1990, 156, 158; abw. bezüglich des Anspruchs auf Nachschussrückzahlung Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 64 unter Hinweis auf die Fiktion des § 30 Abs. 2 Satz 4. 3 H.M.; s. Priester, unten 9. Aufl., § 57m Rdnr. 24 m.w.N.; abw. Kerbusch, GmbHR 1990, 156, 159 f., u. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 91. 4 Vgl. Grunewald, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 20 Rdnr. 65.

H. Winter/Seibt

|

1107

187

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

7. Rechtsübergang a) Übertragung des Geschäftsanteils 188

Mit dem Übergang des verpfändeten GeschAnteils auf einen Erwerber geht das Pfandrecht als dingliche Last auf diesen über. Der Erwerber ist durch guten Glauben an eine Pfandfreiheit nicht geschützt (§ 936 BGB gilt nicht für Übertragung von „Rechten“). Doch haftet ihm der Verkäufer wegen Lastenfreiheit nach §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 435 BGB. b) Übergang des Pfandrechts

189

Eine Übertragung des Pfandrechts (am GeschAnteil, an der Gewinnforderung, am Liquidationsguthaben) kann nur erfolgen durch Übertragung der Forderung, zu deren Sicherheit es dient. Mit der Forderungsübertragung geht es von selbst auf den neuen Gläubiger über (§§ 1273, 1250 Abs. 1 BGB). Wird der Übergang des Pfandrechts bei der Forderungsabtretung ausgeschlossen, so erlischt es (§§ 1273, 1250 Abs. 2 BGB). Befriedigt der Bürge den Pfandgläubiger, so erwirbt er ohne weiteres das Pfand (§§ 774, 1250 BGB).

8. Aufhebung und Beeinträchtigung des Pfandrechts a) Aufhebung 190

Die Aufhebung des Pfandrechts erfolgt durch formfreie Einigung zwischen Verpfänder und Pfandgläubiger (§ 1276 BGB). b) Beeinträchtigung

191

Gegen Veränderungen und Verschlechterungen des Pfandobjekts (GeschAnteils) durch Gesellschafterbeschlüsse ist der Pfandgläubiger grundsätzlich nicht geschützt (Rdnr. 178). Nichtig ist ein Beschluss aber, wenn er die sittenwidrige Schädigung des Pfandgläubigers bezweckt; es können dann außerdem Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB gegeben sein. Die Mitwirkung des Pfandschuldner-Gesellschafters an den erwähnten Beschlüssen fällt nicht unter § 1276 BGB. Er kann ohne Beteiligung des Pfandgläubigers auch solchen Satzungsänderungen wirksam zustimmen, die Sonderrechte oder andere nur einverständlich entziehbare Mitgliedschaftsrechte verkürzen oder die i.S. des § 53 Abs. 3 die Leistungen des Gesellschafters vermehren1. Verletzt er dabei eine Vereinbarung des Verpfändungsvertrages, so berührt das i.d.R. nicht die Wirksamkeit der Stimmabgabe oder der Zustimmung, wohl aber macht er sich schadensersatzpflichtig. Der Verpfändungsvertrag verpflichtet den Gesellschafter nicht, ohne Rücksicht auf die Belange der Gesellschaft und eigene Belange sein Stimmrecht ausschließlich im Interesse des Pfandgläubigers auszuüben; nur deren angemessene Berücksichtigung im Rahmen der Gesamtumstände ist im Allgemeinen 1 RGZ 139, 228 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 95 und Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60; teilw. abw. Wiedemann, S. 431 f. und Fischer, GmbHR 1961, 26 betr. die Schmälerung des Gewinnbezugsrechts und des Rechts auf die Liquidationsquote; noch weitergehend Schuler, NJW 1960, 1428.

1108

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

erforderlich1. Auch eine ausdrückliche Abstimmungsvereinbarung findet ihre Grenze in der Treupflicht gegenüber der Gesellschaft2. Auch die rechtsgestaltende Akte der GmbH, die den Untergang des GeschAnteils oder jedenfalls den Verlust des Pfandrechts zur Folge haben (z.B. die Kaduzierung; s. § 21 Rdnr. 28), unterliegen nicht § 1276 BGB. Fraglich ist aber, ob eine möglicherweise notwendige Einverständniserklärung des Gesellschafters mit derartigen Maßnahmen (z.B. bei der Einziehung gem. § 34 Abs. 2) oder die entsprechenden rechtsgestaltenden Akte des Gesellschafters zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des nach § 16 Abs. 1 angemeldeten Pfandgläubigers bedürfen. Verneint wird das mit Recht für die Ausübung des Preisgaberechts gem. § 273; nach dem Eintritt der Pfandreife steht dem Pfandgläubiger aber bei der Zustimmung zu einer anderweitigen Verwertung i.S. des § 27 Abs. 2 Satz 2 ein Mitspracherecht zu4. Die Auflösungsklage (§ 61) und das Austrittsrecht aus wichtigem Grunde (s. Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.) können schon wegen ihres besonderen Zwecks, dem Gesellschafter bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses die vorzeitige Lösung der gesellschaftlichen Bindung zu ermöglichen, nicht von der Zustimmung eines Dritten abhängig gemacht und daher § 1276 BGB nicht unterworfen werden5; eine abweichende Beurteilung ist auch nicht für die sog. kapitalistisch organisierte GmbH zu rechtfertigen6. Vorstehendes gilt entsprechend auch für den umwandlungsbedingten Austritt des Gesellschafters gem. §§ 29 ff., 125 Satz 1, 207 ff. UmwG (Rdnr. 187). Für die Ausübung eines dem Gesellschafter statutarisch eingeräumten ordentlichen Kündigungsrechts wird im Schrifttum überwiegend die Zustimmungsbedürftigkeit durch den angemeldeten Pfandgläubiger bejaht7. Dabei wird jedoch ebenso wie von der ablehnenden Meinung8 übersehen, dass eine einheitliche Lösung des Problems nicht möglich ist, sondern nach der statutarischen Folge des Kündigungsrechts unterschieden werden muss. Nicht einschlägig ist § 1276 BGB, 1 Dazu K. Müller, GmbHR 1969, 7, 34; Rodewald, GmbHR 1995, 420; krit. Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 60. 2 S. K. Müller, GmbHR 1969, 7, 34. 3 Feine, S. 406; Vogel, DB 1954, 208; Wiedemann, S. 430; K. Müller, GmbHR 1969, 7 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 160; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 170; Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 64; a.M. Becker, GmbHR 1935, 806; offen Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 95. 4 Eb. Wiedemann, S. 431. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 160; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 34 Anh. Rdnr. 24; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 63; Becker, GmbHR 1940, 186, 191; H. F. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 89 f.; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 170; Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 62. 6 A.M. Wiedemann, S. 430. 7 Feine, S. 405; Becker, GmbHR 1937, 573; Teichmann, ZGR 1972, 16; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 161; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 170; auch Wiedemann, S. 430, der aber im Widerspruch dazu dieselbe Frage für den Nießbrauch anders beantwortet. Vgl. dazu auch Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 188 ff. 8 OLG Hamm, GmbHR 1971, 57, 59 f.; Fischer, GmbHR 1961, 27; K. Müller, GmbHR 1969, 8; Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 63.

H. Winter/Seibt

|

1109

192

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

wenn sie in der Pflicht zur Abnahme des GeschAnteils durch die Gesellschaft oder durch die anderen Gesellschafter besteht (s. Erl. zu § 60): Der GeschAnteil bleibt dann unverändert und geht pfandbelastet auf den Nachfolger über. Stellt die Kündigung nach dem Gesellschaftsvertrag einen Auflösungsgrund (§ 60 Abs. 2) dar, so ist sie zwar eine rechtsändernde Verfügung i.S. des § 1276 Abs. 2 BGB, aber es fehlt i.d.R. an der weiteren Voraussetzung, dass die eingetretene Rechtsänderung selbst schon das Pfandrecht beeinträchtigt. Vor allem aber spricht gegen die Anwendung der genannten Vorschrift, dass es hier um eine Entscheidung über das Schicksal der Gesellschaft geht, die nicht an die Mitwirkung eines außerhalb des Personenverbandes stehenden Dritten gebunden werden kann. Eine rechtsändernde Verfügung i.S. des § 1276 Abs. 2 BGB beinhaltet die Kündigung auch dann, wenn sie statutarische Einziehungsvoraussetzung (§ 34 Abs. 2) ist; sie ist in diesem Fall wertungsmäßig wie die Zustimmung zur Einziehung zu behandeln und ist daher zustimmungsbedürftig (Rdnr. 193)1. c) Einziehung 193

Die Verpfändung berührt nicht die Einziehungsbefugnis der GmbH aus § 34 Abs. 1. Die Einziehung erfolgt durch einen einseitigen rechtsgestaltenden Akt der Gesellschaft (s. Erl. zu § 34), so dass insoweit eine Anwendung des § 1276 BGB ausscheidet. Mit Recht nimmt die h.M. aber an, dass eine nach § 34 Abs. 2 erforderliche Zustimmung des Anteilsinhabers zur Einziehung nach der Anmeldung des Pfandgläubigers (§ 16 Abs. 1) wirksam nur mit dessen Zustimmung (Einwilligung oder Genehmigung) erteilt werden kann2. Die Zustimmung zur Einziehung ist zwar keine rechtsgeschäftliche Verfügung des Verpfänders über den GeschAnteil, sondern nur Rechtswirksamkeitsbedingung des einseitigen Einziehungsaktes der Gesellschaft, aber § 1276 BGB ist jedenfalls entsprechend anzuwenden3. Nicht überzeugend ist der Einwand, dass die Zustimmung zur Einziehung aus gesellschaftlichen Gründen nicht von der Mitwirkung des Pfandgläubigers als einem Verbandsfremden abhängig sein könne4. Die Zustimmung gem. § 34 Abs. 2 unterscheidet sich wesentlich von den in Rdnr. 178 behandelten Mitverwaltungsrechten; sie hat keinen Sozialcharakter, sondern bedeutet das Einverständnis mit dem von der Gesellschaft erklärten Ausschluss aus dem Verband durch Vernichtung des GeschAnteils. Das schutzwürdige Interesse des Pfandgläubigers an der Mitwirkung bei der Zustimmung nach § 34 Abs. 2 kann auch nicht, wie Fischer5 meint, mit der Erwägung verneint werden,

1 Wie hier Rodewald, GmbHR 1995, 419 Fn. 19 und wohl auch Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 62. 2 Feine, S. 405; Wiedemann, S. 430 f.; Teichmann, ZGR 1972, 16; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 188 ff.; Brodmann, Anm. 2d u. § 34 Anm. 3d; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 50; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 161; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62; Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 80; a.M. K. Müller, GmbHR 1969, 8 f. 3 Zutr. Schuler, NJW 1956, 689; 1960, 1424; s. aber auch Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 190 (Zustimmung habe selbst verfügenden Charakter). 4 So K. Müller, GmbHR 1969, 8. 5 GmbHR 1961, 23, 27.

1110

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

dass entspr. § 1287 BGB kraft dinglicher Surrogation ein Pfandrecht am Einziehungsentgelt entsteht1. Abgesehen davon, dass das Zustimmungserfordernis u.a. auch den Einfluss des Anteilsinhabers auf die Bestimmung des Einziehungsentgelts sichern soll, ändert die Möglichkeit der Surrogation weder etwas an der eintretenden Beeinträchtigung des Pfandrechts noch an der Gefährdung der Vermögensinteressen des Pfandgläubigers2. Das Einverständnis des Pfandgläubigers gem. § 1276 BGB ist aber nur für die nach seiner Anmeldung bei der Gesellschaft erteilte Zustimmung zur Einziehung erforderlich (analog § 16 Abs. 2; Rdnr. 173). Die Wirksamkeit einer vorher erklärten Einwilligung des Gesellschafters (s. Erl. zu § 34) bleibt unberührt, auch wenn die Einziehung selbst im Zeitpunkt der Anmeldung noch nicht vollzogen war3; er muss dann ebenfalls hinnehmen, dass der Gesellschafter der Unentgeltlichkeit der Einziehung zugestimmt hat.

9. Befriedigung des Pfandgläubigers Die Befriedigung der Pfandgläubiger erfolgt auf Grund eines vollstreckbaren Titels im Wege der Zwangsvollstreckung (§ 1277 BGB). Vor dem Eintritt der Verkaufsberechtigung kann auf die öffentliche Versteigerung des Geschäftsanteils sowie auf die öffentliche Bekanntmachung des Orts und der Zeit der Versteigerung nicht verzichtet (§§ 1277 Satz 2, 1245 Abs. 2, 1235, 1237 Satz 1 BGB) und auch keine Verfallklausel vereinbart werden (§§ 1277 Satz 2, 1229 BGB)4. Möglich (und aus Pfandgläubigersicht unbedingt zu empfehlen) sind dagegen sonstige Vereinbarungen zwischen dem Anteilsinhaber und dem Pfandgläubiger, die die Verwertung abweichend vom Gesetz regeln (§§ 1277 Satz 1, 1273 Abs. 2, 1245 Abs. 1 BGB), z.B. auf das Erfordernis eines vollstreckbaren Titels verzichten (§ 1277 Satz 1 BGB), die Versteigerungsbedingungen oder das Mitbieten von Anteilsinhaber und Pfandgläubiger anderweitig festlegen (§§ 1238, 1239 BGB) usw.5. Die gerichtlich angeordnete Versteigerung in der Zwangsvollstreckung (§ 1277 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 844, 857 Abs. 5 ZPO) überträgt den Geschäftsanteil durch Zuschlag als Hoheitsakt; hier bedarf es nicht der Formen des § 15 Abs. 3–5 (Rdnr. 198 f.). Anderes gilt, wenn der Geschäftsanteil durch einen gerichtlich angeordneten oder vom Anteilsinhaber und dem Pfandgläubiger nach Eintritt der Pfandreife zulässigerweise vereinbarten freihändigen Verkauf verwertet wird; in beiden Fällen muss die durch § 15 Abs. 3 u. 4 vorgeschriebene notarielle Form eingehalten werden (Rdnr. 200)6. Bei dem in Abweichung von

1 RGZ 142, 378 f. u. oben Rdnr. 186. 2 Dazu Wiedemann, S. 431; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 191. 3 Vgl. Schuler, NJW 1961, 2282; Winter, GmbHR 1967, 204. 4 RGZ 100, 274, 276; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 166; Rodewald, GmbHR 1995, 418, 421; zu weitgehend Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 90. 5 Vgl. Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633, 636; Rodewald, GmbHR 1995, 418, 421; B. Mertens, ZIP 1998, 1787, 1790. 6 Vgl. RGZ 164, 162, 169 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 166; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60; a.M. Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 69 für den gerichtl. angeordneten freihändigen Verkauf.

H. Winter/Seibt

|

1111

194

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

§ 1277 Satz 1 BGB erfolgenden Pfandverkauf durch privatrechtliche öffentliche Versteigerung (§§ 1273 Abs. 2, 1235 Abs. 1, 383 Abs. 3 BGB) muss die Abtretung des GeschAnteils unter Einhaltung der Form des § 15 Abs. 3 erfolgen. Auch Abtretungsbeschränkungen aus § 15 Abs. 5 werden beim vereinbarten freihändigen Verkauf und bei der privatrechtlichen öffentlichen Versteigerung zu beachten sein, da Veräußerung ohne Mitwirkung der Vollstreckungsorgane noch im Rahmen privatrechtsgeschäftl. Verkehrs liegt und die Zulassung der Verpfändung nicht ohne weiteres (Auslegungsfrage) diese Verwertungsart einschließt1. Beim Nutzungspfand (Rdnr. 181) kann auch Zwangsverwaltung (§ 857 Abs. 4 ZPO) in Frage kommen.

VIII. Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil Schrifttum: Becker, Welche Sicherungsmöglichkeiten können im Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden für den Fall der Zwangsvollstreckung in einem GeschAnteil und für den Fall des Konkurses eines Gesellschafters, GmbHR 1930, 567, 661 u. 742; Becker, Unentgeltliche Einziehung von GeschAnteilen für den Fall der Pfändung oder des Konkurses eines Gesellschafters, GmbHR 1934, 425; Behr, Pfändung des GmbH-Geschäftsanteils, JurBüro 1995, 286; Bischoff, Zur pfändungs- und konkursbedingten Einziehung von GeschAnteilen, GmbHR 1984, 61; Bokelmann, Die Einziehung von GmbH-Anteilen im Falle der Pfändung und des Konkurses, BB 1970, 1235; Buchwald, Verpfändung und Pfändung von GmbH-Anteilen, GmbHR 1959, 254; 1960, 5; Bunte, Die Abschließung der Kapitalgesellschaft gegen Außenstehende in den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz, 1969; Dilthey, Unentgeltliche Einziehung von GmbH-Anteilen, Diss. Bonn 1937; Döring, Gesellschafterschutzbestimmungen und Zwangsvollstreckung, BWNotZ 1980, 152; Ewald, GmbH-Anteile (Anteilscheine) als Pfandstücke, ZHR 92, (1928), 96; R. Fischer, Die Pfändung und Verwertung eines GmbH-GeschAnteils, GmbHR 1961, 21; Happ, Die GmbH im Prozess, 1997; Heckelmann, Vollstreckungszugriff und GmbH-Statut, ZZP 92 (1979), 28; Heuer, Der GmbH-Anteil in der Zwangsvollstreckung, ZIP 1998, 405; Kalbfleisch, Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil einer GmbH, Diss. Gießen 1989; Külbs, Pfändung, Verpfändung und Zwangsvollstreckung in den GeschAnteil einer GmbH, Diss. Köln 1938; Liebscher/Lübke, Die zwangsweise Verwertung vinkulierter Anteile – Zur angeblich vinkulierungsfreien Pfand- und Insolvenzverwertung, ZIP 2004, 241; Marotzke, Zwangsvollstreckung in Gesellschaftsanteile und Abspaltung der Vermögensansprüche, ZIP 1988, 1509; Michalski, Die Zwangseinziehung eines GmbH-Anteils im Falle der Anteilspfändung, ZIP 1991, 147; Neukamp, Die Zwangsvollstreckung in GeschAnteile einer GmbH, DJZ 1904, 231; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982; Noack, Aktuelle Fragen der Zwangsvollstreckung gegen die GmbH, insbesondere in den GmbH-Anteil, DB 1969, 471; Noack, Die Versteigerung von Rechten (§ 844 ZPO), insbesondere eines GmbH-Anteils, MDR 1970, 890; A. Paulick, Einziehungsklausel in der Satzung der GmbH, GmbHR 1978, 122; Pfaff, Zur Pfändung des GmbH-Anteils, GmbHR 1964, 92; Pleyer, Einziehung von GmbH-Anteilen durch Satzungsbestimmung, GmbHR 1960, 124; Priester, Grundsatzregelung, Wertmaßstäbe und Zahlungsmodalitäten des Einziehungsentgelts für GmbH-Anteile bei Pfändung oder Konkurs, GmbHR 1976, 5; Reichert, Das Zustimmungserfordernis 1 OLG Hamburg, NJW 1960, 870, 871; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60; Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 69; Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 247; a.M. Wiedemann, S. 433; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 167; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 51; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 235; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 66; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 93.

1112

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

zur Abtretung von GeschAnteilen in der GmbH, 1984; H. Reuter, Einziehung von GmbH-GeschAnteilen gegen wirtschaftlich nicht vollwertiges Entgelt, NJW 1973, 22; Roth, Pfändung und Verpfändung von Geschäftsanteilen, ZGR 2000, 213; Sachs, Zur Einziehung von GeschAnteilen wegen Pfändung, GmbHR 1974, 84; Sachs, Das Entgelt bei der Anteilseinziehung wegen Pfändung, GmbHR 1976, 60; K. Schmidt, Stimmrecht beim Anteilsnießbrauch, ZGR 1999, 601; Schuler, Die Pfändung von GmbH-Anteilen und die miterfassten Ersatzansprüche, NJW 1960, 1423; Schuler, Einziehung gepfändeter GmbH-Anteile, NJW 1961, 2281; Seydel, Zwangsvollstreckung in den GeschAnteil der GmbH, GmbHR 1950, 135; Sieber-Meyer zu Hage, Die Zwangsvollstreckung in GmbH-Anteile, Diss. Jena 1933; Simon, Einziehung eines gepfändeten GeschAnteils nur gegen vollwertiges Entgelt?, GmbHR 1961, 137; Soufleros, Ausschließung und Abfindung eines GmbH-Gesellschafters, 1983; Tiedau, Zur Wirksamkeit gesellschaftsrechtlicher Abfindungsklauseln gegenüber Vollstreckungsmaßnahmen, DNotZ 1964, 94; Ulmer, Die Sicherung der GmbH gegen das Überfremdungsrisiko in der Insolvenz eines Gesellschafters, ZHR 149 (1985), 28; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Winkler, Die Lückenausfüllung des GmbH-Rechts durch das Recht der Personalgesellschaften, 1967; H. Winter, Die Einziehung gepfändeter GeschAnteile auf Grund statutarischer Ermächtigung, GmbHR 1967, 201; Wolany, Rechte und Pflichten des Gesellschafters einer GmbH, 1964; Wolany, Bedingte Einziehbarkeit gepfändeter GmbH-GeschAnteile, in: FS H. C. Nipperdey, Bd. I, 1965, S. 975.

1. Pfändung Die Pfändung des GeschAnteils erfolgt nach § 857 ZPO durch Beschluss des Vollstreckungsgerichts1. Sie ist nach §§ 857 Abs. 1, 829 Abs. 3 ZPO mit der Zustellung an die GmbH als bewirkt anzusehen, da der Begriff „Drittschuldner“ i.S.v. § 829 Abs. 3 ZPO auch die GmbH erfasst2. Eine Anmeldung bei der Gesellschaft (§ 16 Abs. 1) ist im Regelfall überflüssig, aber nicht unzulässig und kann im Einzelfall geboten sein, z.B. bei Ersatzzustellung zur Vermeidung von Nachteilen (s. § 16 Rdnr. 34). Auch ein Teil eines GeschAnteils kann gepfändet werden3, denn anderenfalls müsste wegen geringfügiger Forderung trotz § 803 Abs. 1 Satz 1 ZPO ein ganzer, werthaltiger GeschAnteil gepfändet werden. Bei der Verwertung gilt allerdings § 17 Abs. 1, allerdings ist § 17 Abs. 6 teleologisch zu reduzieren (s. § 17 Rdnr. 12–14). Wegen Arrestes und seiner Vollziehung durch Pfändung s. §§ 916 ff., 928 ff. ZPO.

1 Zur Wirksamkeit einer im Ausland vorgenommenen Pfändung s. OLG Oldenburg, OLGR 1995, 295. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 290; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 60; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 134; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 65; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 236; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 859 Rdnr. 20; Smid, in: MünchKomm. ZPO, § 859 Rdnr. 27; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 859 Rdnr. 13; Wiedemann, S. 425 f.; Roth, ZGR 2000, 187, 213; a.M. die frühere Rechtsprechung RGZ 54, 415; RG, GmbHR 1916, 217; OLG Köln, OLGR 13, 206; OLG Hamm, GmbHR 1916, 65; Brodmann, Anm. 2d, NJW 1960, 1423. 3 Feine, S. 407; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 304; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 48; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 140; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 237; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 859 Rdnr. 20; Happ, Die GmbH im Prozess, § 9 Rdnr. 26; Schuler, NJW 1960, 1423, 1425.

H. Winter/Seibt

|

1113

195

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

2. Wirkung der Pfändung 196

Mit der Pfändung entsteht ein Pfändungspfandrecht zu Gunsten des Vollstreckungsgläubigers (§§ 857 Abs. 1, 804 ZPO), das sich auch auf alle Surrogate des GeschAnteils (wie bei der Verpfändung; s. Rdnr. 184 ff.) erstreckt1. Doch muss der Schuldner in dem Zeitpunkt, in dem der Pfändungsbeschluss der Gesellschaft zugestellt ist (Rdnr. 195), Anteilsinhaber sein. Hatte er den Anteil vorher abgetreten, so fällt der Beschluss ins Leere und erzeugt kein Pfandrecht2. Einer vorausgehenden Abtretung, Verpfändung oder Pfändung des Anspruchs auf Abfindung oder auf die Liquidationsquote geht die Anteilspfändung dagegen vor (Rdnr. 21 u. 211)3.

197

Nach Zustellung des Beschlusses hat der Schuldner „sich jeder Verfügung über das Recht zu enthalten“ (§§ 857 Abs. 1, 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Trotz dieses Gesetzeswortlauts ist man weitgehend darüber einig, dass, da dieses Verbot nur den Schutz des Pfändungsgläubigers bezweckt (§§ 135, 136 BGB), der Schuldner nach wie vor den gepfändeten GeschAnteil veräußern kann4, denn das Pfandrecht als dingliches Recht belastet den GeschAnteil auch in der Hand des Erwerbers und wird durch die Übertragung rechtlich in keiner Weise verändert (Rdnr. 188); ein gutgläubiger Erwerb zur Lastenfreiheit ist de lege lata nicht möglich5. Verboten sind nur die das Recht des Gläubigers beeinträchtigenden Verfügungen6. Die Verwaltungsrechte, inbes. das Stimmrecht, verbleiben dem Pfändungsschuldner als Gesellschafter7; sie können auch nicht Gegenstand besonderer Pfändung sein, da sie kein „Vermögensrecht“ (§ 857 Abs. 1 ZPO) sind8. Auch das Erfordernis einer Zustimmung des Pfandgläubigers zur Stimmabgabe des Gesellschafters ist aus §§ 857 Abs. 1, 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht herzuleiten9, da diese keine Verfügung über den GeschAnteil darstellt, ein Zustim-

1 BGH, BB 1972, 10; BGHZ 104, 351, 354 f.; OLG Hamburg, DB 1982, 2344 f.; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 291; Wiedemann, S. 426 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 62; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 136; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 859 Rdnr. 1623; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 859 Rdnr. 21. 2 Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO durch den wirklichen Anteilsinhaber ist gleichwohl möglich. 3 Zutr. BGHZ 104, 351, 354; Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., § 15 Anh. Rdnr. 79; Stein/ Jonas/Brehm, ZPO, § 859 Rdnr. 21; a.M. Schuler, NJW 1960, 1423, 1426; Marotzke, S. 1510 ff. m.w.N. zum Streitstand. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 296; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55; Wiedemann, S. 429, 439; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62; Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 135; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 65; Reichert, S. 85; a.M. Schuler, NJW 1960, 1423, 1426; Heuer, ZIP 1998, 405, 408. 5 Zur rechtspolitischen Forderung eines Gutglaubenschutzes bei Anteilsbelastungen Grunewald/Gehling/Rodeweg, ZIP 2006, 685 ff. 6 Vgl. Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 829 Rdnr. 92; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 829 Rdnr. 18. 7 BGH, NJW 1967, 1963; KG, JW 1932, 757; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 296; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60, 65; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 135, 146; s. auch oben Rdnr. 178. 8 KG, JW 1932, 757; LG Köln, RPfleger 1989, 511; vgl. auch RGZ 95, 231. 9 Unzutr. Heuer, ZIP 1998, 405, 409; s. auch Kalbfleisch, S. 90.

1114

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

mungserfordernis dem Sinn des Mitgliedschaftsrechts widerspricht und die Gewährung einer Einflussmöglichkeit auf Gesellschafterentscheidungen die berechtigten Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter unvertretbar beeinträchtigt. Der Pfandschuldner kann auch einem Auflösungsbeschluss (§ 60 Abs. 1 Nr. 2) oder einer Satzungsänderung zustimmen, selbst wenn sie die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen vermehrt (§ 53 Abs. 3) oder ohne seinen Willen nicht entziehbare Rechte verkürzt (bestr., s. dazu Rdnr. 191 f.). Ebenso kann er seinen GeschAnteil preisgeben (Rdnr. 192)1, Auflösungsklage erheben (Rdnr. 192) und aus wichtigem Grunde aus der Gesellschaft austreten (Rdnr. 192)2, da die Entscheidung über die Lösung von einer unzumutbar gewordenen Mitgliedschaft ausschließlich dem Betroffenen vorbehalten bleiben muss. Dagegen kann der Gesellschafter nicht ohne Mitwirkung des Pfändungspfandgläubigers mit Einziehungsfolge ordentlich kündigen (Rdnr. 192) oder der Einziehung zustimmen (Rdnr. 193)3. Kann nach dem Gesellschaftsvertrag der GeschAnteil gem. § 34 Abs. 2 ohne Zustimmung des Gesellschafters eingezogen werden, so schließt die Pfändung, da das Verfügungsverbot sich nur gegen den Schuldner richtet und nicht in die Rechte der GmbH eingreift, die einseitige Einziehung durch die Gesellschaft nicht aus (s. Rdnr. 205 f.)4. Grundsätzlich steht dem auch nicht entgegen, dass sie entsprechend dem Gesellschaftsvertrag ganz oder teilweise gegen eine nicht vollwertige Abfindung erfolgt5; über den Ausnahmefall der Einziehung wegen der Pfändung oder Gesellschafterinsolvenz s. unten Rdnr. 205. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob der statutarische Einziehungsgrund vor oder nach der Pfändung eingetreten ist6. Darauf kommt es nur an, wenn eine Verfügungshandlung iwS des Schuldner-Gesellschafters7 zu den Einziehungsvoraussetzungen gehört8; wird sie erst nach der Pfändung vorgenommen, so bedarf die Einziehung unabhängig von der Frage des Entgelts der Zustimmung des Pfändungspfandgläubigers. Die mit der Gesellschafterstellung verbundenen, höchstpersönlichen Auskunfts- und Einsichtsrechte nach § 51a verbleiben beim Vollstreckungsschuldner und kommen daneben nicht dem Vollstreckungsgläubiger zu9. Allerdings

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 296; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62, 65; Stein/Jonas/Brehm, ZPO § 859 Rdnr. 19; Wiedemann, S. 430 f., jedoch mit Einschr. für kapital. GmbH; a.M. Schuler, NJW 1960, 1427; Heuer, ZIP 1998, 405, 409. 2 Fischer, GmbHR 1961, 21, 26; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 296; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62, 65; weitergehend Wiedemann, S. 430 f.; a.M. Heuer, ZIP 1998, 405, 409. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 296; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 240; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62, 65; Wiedemann, S. 430 f.; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 859 Rdnr. 20, 22; Heuer, ZIP 1998, 405, 409. 4 A.M. Wolany, Rechte und Pflichten, S. 145 u. in: FS Nipperdey, S. 975. 5 RGZ 142, 377; BGHZ 32, 156; Schuler, NJW 1960, 1293; 1961, 2282; H. Winter, GmbHR 1967, 208; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 311. 6 RGZ 142, 377; Schuler, NJW 1960, 1293, 1961, 2282; H. Winter, GmbHR 1967, 208; a.M. BGHZ 32, 157; Fischer, GmbHR 1961, 25. 7 Vgl. dazu Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 829 Rdnr. 92. 8 S. Winter, GmbHR 1967, 208. 9 BayObLG, GmbHR 1989, 201, 203; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 297; Heuer, ZIP 1998, 405, 411; K. Schmidt, unten 9. Aufl., § 51a Rdnr. 12; a.M. Kalbfleisch, S. 93.

H. Winter/Seibt

|

1115

197a

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

hat der Pfandgläubiger eine Informationsanspruch aus § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO gegen den Schuldner, der diesen verpflichtet, die zur Verwertung nötigen Auskünfte zu erteilen und vorhandene Urkunden herauszugeben. Dabei gelten im Rahmen § 836 Abs. 3 ZPO die Geheimhaltungspflichten des Gesellschafters entsprechend § 51a, so dass bei Ausübung des Informationsrechts das Informationsinteresse des Vollstreckungsgläubigers mit dem gebotenen Vertraulichkeitsinteresse der Gesellschaft und ihrer Mitgesellschafter in Ausgleich zu bringen ist1.

3. Befriedigung des Pfandgläubigers 198

Maßgebend sind die §§ 857, 835, 844 ZPO.

199

a) Eine Überweisung des GeschAnteils zur Einziehung oder an Zahlungs Statt zum Nennwert (§ 835 ZPO) oder zum Schätzwert ist unzulässig2. Eine Ausnahme ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Schuldner zur Kündigung der Gesellschaft oder seiner Beteiligung berechtigt ist oder wenn die regelmäßige Veräußerung des GeschAnteils nach §§ 857 Abs. 1, 5, 844 ZPO (Rdnr. 200) ausscheidet3. Möglich ist die Überweisung zur Einziehung dagegen für die Forderungen auf den Gewinnanteil, auf die Abfindung beim Ausscheiden und auf das Liquidationsguthaben (Rdnr. 211).

200

b) Die „Verwertung“ (§ 844 Abs. 1) durch vom Gericht angeordnete „Veräußerung“ (§ 857 Abs. 1, 5) des GeschAnteils ist das regelmäßig einzige und allgemein anerkannte Befriedigungsmittel. Das Gericht hat im Verfahren nach § 844 ZPO dann den Bestand des gepfändeten GeschAnteils zu überprüfen, wenn ein Beteiligter schlüssige Einwendungen erhebt4 oder sonst erhebliche Zweifel bestehen. Die Veräußerung erfolgt i.d.R. in der Form der öffentlichen Versteigerung, nach besonderer gerichtlicher Anordnung auch durch freihändigen Verkauf5. Frühere Pfändungen (Vorpfändungen) stehen dem Zwangsverkauf zu Gunsten des nachstehenden Pfandgläubigers nicht entgegen (§ 827 ZPO)6. Während der versteigerte GeschAnteil ohne Beobachtung der Form aus § 15 Abs. 3 auf den Ersteher durch Zuschlag übergeht, muss die Form beim gerichtlich

1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 297 a.E.; vgl. LG Essen, RPfleger 1973, 410; Smid, in: MünchKomm. ZPO, § 836 Rdnr. 10; Roth, ZGR 2000, 187, 213 f. 2 KG, OLG 10, 392; LG Berlin, MDR 1987, 592; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 298; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 241; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 63; Heuer, ZIP 1998, 405, 406; K. Schmidt, GesR, § 35 II 2; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 859 Rdnr. 13; abw. Kalbfleisch, S. 115 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 30 Rdnr. 34. 3 A.M. Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 859 Rdnr. 20; Smid, in: MünchKomm. ZPO, § 859 Rdnr. 28. 4 OLG Frankfurt, BB 1976, 1147, 1148. 5 BGH, NJW 1989, 458; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 300; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 63; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 142; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 108 f.; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 859 Rdnr. 21; Smid, in: MünchKomm. ZPO, § 857 Rdnr. 50; Stöber, in: Zöller, ZPO, § 859 Rdnr. 1625 ff.; Heuer, ZIP 1998, 405, 406. 6 RGZ 164, 169.

1116

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

angeordneten freihändigen Verkauf eingehalten werden (s. auch Rdnr. 194)1. Zu statutarischen Abtretungsbeschränkungen s. Rdnr. 202. Der Erwerber kann keine Gewährleistungsansprüche wegen Rechts- oder Sachmängel geltend machen (§ 806 ZPO)2. c) Ob das Gericht auch „eine andere Art der Verwertung“ (§ 844) anordnen kann, etwa eine Zwangsverwaltung (§ 857 Abs. 4), ist zweifelhaft, aber, abgesehen vom Nutzungspfand (Rdnr. 194 a.E.), mit der h.M. zu verneinen3. Vgl. dazu noch Rdnr. 203.

201

4. Statutarische Beschränkungen Der Pfändbarkeit eines GeschAnteils steht nicht entgegen, dass der Gesellschaftsvertrag seine Abtretung ausschließt (§§ 857 Abs. 1, 851 Abs. 2 ZPO). Auch die statutarisch begründeten weiteren Voraussetzungen der Abtretung i.S. des § 15 Abs. 5 (s. Rdnr. 107 ff.) gelten nach diesen Bestimmungen nicht bei der Pfändung und bei der Zwangsverwertung des GeschAnteils4. Die Regelung soll zwar nur verhindern, dass der Schuldner durch Vereinbarung von Übertragungsbeschränkungen einen eigenen Vermögenswert dem Zugriff seiner Gläubiger entziehen kann, aber sie hat die unvermeidliche Nebenwirkung, dass die Gesellschaft, obwohl Dritte, ihr rechtlich geschütztes Interesse am Fernhalten unerwünschter Personen als Gesellschafter auf diesem Wege nicht durchsetzen kann. Ein darüber hinausgehender Vorrang des Gläubiger- vor dem Gesellschaftsinteresse, wie er gelegentlich angenommen wird5, ist dagegen den §§ 857 Abs. 1, 851 ZPO nicht zu entnehmen6. Die allgemeine Rücksetzung der Gesellschaftsinteressen wäre wertungsmäßig unvertretbar; wie schon der Differenzierungsversuch der §§ 851, 857 Abs. 3, 4 ZPO, mehr aber noch der früher für Personenhandelsgesellschaften geltende § 141 a.F. HGB zeigte, ist sie ersichtlich nicht gewollt. Eine angemessene Lösung des bezeichneten Interessenkonflikts zwischen Pfändungspfandgläubiger und Gesellschaft mit anderen Mit-

1 RGZ 164, 170 f.; Feine, S. 408; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 300; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55; Rowedder/ Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 142; a.M. Damrau, in: MünchKomm. BGB, § 1274 Rdnr. 69. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 300; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 144; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 242. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 298 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 241; abw. Kalbfleisch, S. 115 ff.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 30 Rdnr. 34. 4 RGZ 70, 64; 142, 376; RG, LZ 1909, 235; GmbHR 1928, 689; DR 1944, 83; BGHZ 32, 155, 65, 24 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 300, 306; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 61; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 65; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 134, 141; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 859 Anh. Rdnr. 3; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 857 Rdnr. 14, § 859 Rdnr. 18 u.a.; Roth, ZGR 2000, 187, 212 f.; a.M. OLG (Hamburg) 16, 312: Pfändung zur Ausübung; s. für die Verwertung auch unten Rdnr. 207. 5 RGZ 142, 376; Wolany, Rechte und Pflichten, S. 143 ff.; Wiedemann, S. 434; s. auch Heuer, ZIP 1998, 405, 409 ff. 6 BGHZ 65, 24 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 307.

H. Winter/Seibt

|

1117

202

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

teln (z.B. Einziehungs- und Erwerbsrechte, Ausschluss aus wichtigem Grund) schließt jene Regelung also nicht aus1. a) Vorkaufsrecht 203

Ein Vorkaufsrecht zu Gunsten der Gesellschaft oder der Gesellschafter (Rdnr. 117) scheidet als Mittel zur Wahrung des Gesellschaftsinteresses aus, da es für den Verkauf des GeschAnteils im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch den Insolvenzverwalter nicht wirksam vereinbart werden kann (§ 471 BGB)2. Das Schrifttum hat in Anlehnung an einige Auslandsrechte (§ 76 Abs. 4 öGmbHG; Art. 794 Abs. 1 Nr. 3 revOR; § 2480 Abs. 3 Cod.civ.) ergänzende Lösungsvorschläge entwickelt, um durch eine Art von Vorrechtsstellung ein Abschließungsinteresse der Gesellschaft bei der Verwertung zu verwirklichen. So soll das Vollstreckungsgericht (der Rechtspfleger; vgl. § 20 Nr. 17 RpflG) bei einem vinkulierten GeschAnteil die Gesellschaft nach §§ 857, 844 ZPO vor einer anderweitigen Verwertung zur Benennung eines Käufers ermächtigen können, der innerhalb einer bestimmten Frist den gerichtlich festgesetzten Schätzwert zu zahlen hat und dem der Anteil sodann zu übertragen ist3. Teilweise abweichend wird auch eine Anordnung des Vollstreckungsgerichts für zulässig gehalten, wonach bei der Versteigerung eines solchen GeschAnteils der Zuschlag unter der Bedingung zu erteilen sei, dass die Gesellschaft das Recht habe, binnen einer zu bestimmenden Frist einen Übernehmer zu stellen, der den Höchstgebotspreis zahlt4. Beide Vorschläge laufen indessen darauf hinaus, dem Vollstreckungsgericht die Begründung einer neuen Art quasidinglichen Vorkaufsrechts zu gestatten, was durch die dafür herangezogenen §§ 857, 844 ZPO nicht mehr gedeckt und mit dem Zweck des § 512 BGB unvereinbar ist. Sie zeigen ferner deswegen keinen befriedigenden Ausweg, weil der Erlass entsprechender Anordnungen im Ermessen des Vollstreckungsgerichts stünde5 und zudem, wenn die Gesellschaft keinen ihr genehmen Erwerber findet, ein Erwerb bei nicht voll eingezahlten GeschAnteilen an § 33 Abs. 1 und im Übrigen an dem Kapitalentzug zwecks Aufbringung des u.U. beträchtlichen Schätz- oder Versteigerungspreises wirtschaftlich scheitern kann6. Auch der Möglichkeit, die Zwangsversteigerung durch eine Befriedigung des Pfandgläubigers nach § 267 Abs. 1 BGB abzuwenden, der der Gesellschafter auf Grund eines vorweggenommenen Verzichts in der Satzung oder seiner gesellschaftlichen Treuepflicht nicht widersprechen kann7, kommt nur begrenzte Bedeutung in den Fällen zu,

1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 308; s. auch Rdnr. 204 ff. 2 Feine, S. 408; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 309; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55; Soufleros, S. 288; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 141. 3 Wiedemann, S. 439 f.; ähnlich auch Fischer, GmbHR 1961, 24 f., der aber allein ein entsprechendes Angebot der Gesellschaft zur Abwendung der Zwangsversteigerung genügen lässt. 4 Wolany, Rechte und Pflichten, S. 141 f. 5 Winter, GmbHR 1967, 205; Soufleros, S. 289. 6 Soufleros, S. 289. 7 Vgl. Hueck, DB 1957, 38; Schuler, NJW 1961, 2281, 2282; Wiedemann, S. 440.

1118

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

in denen die Zahlung nach § 30 möglich und die Schuld im Verhältnis zum Anteilswert nicht zu hoch ist. b) Abtretungspflicht Der Gesellschaftsvertrag kann für den Pfändungsfall rechtswirksam eine Pflicht zur Abtretung des Geschäftsanteils an die Gesellschaft oder an die übrigen Gesellschafter oder an einen (eventuell erst noch zu bestimmenden) Gesellschafter oder Dritten begründen1. Der Erwerber erwirbt den GeschAnteil dann aber pfandrechtsbelastet. Die abweichende Meinung, die sich demgegenüber auf den mit der Verfallerklärung bei der Kaduzierung eintretenden Untergang der dinglichen Rechte Dritter am GeschAnteil beruft2, verkennt dabei, dass es sich um ein gesetzliches Zwangsverwertungsrecht der Gesellschaft zwecks Sicherung der Stammkapitalaufbringung handelt und seine Ausübung beim Fortbestehen von Anteilsbelastungen vereitelt oder doch schwerwiegend beeinträchtigt würde. Eine statutarische Abtretungspflicht ist damit nicht vergleichbar und kann nach der gesetzlichen Wertung (Rdnr. 202) auch keinen Anteilsübergang unter Wegfall eines Pfändungspfandrechts bewirken3. Dem Erwerber des GeschAnteils steht vielmehr nur analog §§ 268, 1273 Abs. 2, 1223 Abs. 2 BGB ein Ablösungsrecht zu, das aber im vorliegenden Problemzusammenhang (Rdnr. 202) nicht weiterführt, wenn die Gläubigerforderung den Anteilswert übersteigt.

204

c) Einziehung Die Einziehung des Geschäftsanteils für den Fall seiner Pfändung oder der Insolvenz des Anteilsinhabers (Rdnr. 254) kann die Satzung nach § 34 Abs. 2 vorsehen mit der Folge, dass er mit dem Zugang des Beschlusses oder, soweit erforderlich, der gesonderten Einziehungserklärung (s. bei § 34) beim Anteilsinhaber untergeht und das Pfandrecht sich am Einziehungsentgelt (Rdnr. 206) als Surrogat fortsetzt (Rdnr. 186, 196). Weitere Voraussetzungen für die Einziehung sind allerdings, dass es sich um einen voll eingezahlten Geschäftsanteil handelt (s. bei § 34) und dass das Einziehungsentgelt aus dem nicht zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Gesellschaftsvermögen gezahlt werden kann (§ 34 Abs. 3). Einer Mitwirkung des Pfandgläubigers bedarf es zur Rechtswirksamkeit einer nach der Satzung ohne Zustimmung des Gesellschafters zulässigen Einziehung dagegen nicht (Rdnr. 197). Die Satzungsbestimmung enthält keine ihm gegenüber nach § 137 Satz 1 BGB, §§ 851 Abs. 2, 857 Abs. 1, 3 ZPO 1 Dazu KG, GmbHR 1930, 431; Wiedemann, S. 439; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 116; Reichert, S. 85 sowie betr. statutarischer Erwerbsrechte Ulmer, ZHR 149 (1985), 37 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 309; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 245; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 57; Michalski, ZIP 1991, 147, 148 f.; abl. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 141. 2 Soufleros, S. 290 ff.; Ulmer, ZHR 149 (1985), 38. 3 Abw. Ulmer, ZHR 149 (1985), 38 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 309; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 56, die aber nicht begründen, inwiefern die Satzungsautonomie dazu berechtigen könnte, den Untergang von dinglichen Rechten Dritter vorzusehen und in Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unmittelbar einzugreifen.

H. Winter/Seibt

|

1119

205

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

unwirksame Verfügungsbeschränkung1. Sie kann auch nicht deswegen, weil sie ein den Verkehrswert des Anteils unterschreitendes Entgelt festsetzt, als eine Umgehung des Beeinträchtigungsverbots des Pfandrechts (Rdnr. 197) qualifiziert werden2, es sei denn, jene Bewertung ist ausschließlich für den Fall der Pfändung und der Insolvenz (und nicht für andere Fälle des zwangsweise Ausscheidens) geregelt (Rdnr. 206). Es kann im Einzelfall aber ein Anfechtungsrecht (§ 3 AnfG, § 133 InsO) gegeben sein. 206

Ein Einziehungsentgelt muss die Satzung entgegen einer früher verbreiteten Ansicht3 nicht notwendig bestimmen. Schweigt sie darüber, so ist im Zweifel anzunehmen, dass ein nach dem vollen Wert des GeschAnteils zu bemessendes und sofort fälliges Entgelt zu leisten ist4. Die Warnfunktion des § 34 Abs. 2 ist insoweit gegenstandslos. Nach RGZ 142, 373 und BGHZ 32, 151 waren abweichende statutarische Abfindungsklauseln, die für die pfändungs- oder insolvenzbedingten Einziehungen ein den vollen Anteilswert unterschreitendes Entgelt festsetzen, generell als nichtig anzusehen5. Entsprechendes wurde auch für Vereinbarungen erheblich abweichender Zahlungsbedingungen angenommen6. Die h.M. geht dagegen im Anschluss an BGHZ 65, 22 zutreffend davon aus, dass derartige Entgeltbeschränkungen grundsätzlich zulässig sind, wenn sie den Anspruchsberechtigten nicht schlechter stellen als in anderen vergleichbaren Fällen des zwangsweisen Ausscheidens des Gesellschafters, also nicht eigens darauf angelegt sind, das Pfändungspfandrecht eines Vollstreckungsgläubigers oder das Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters zu vereiteln7. Die Begrün1 BGHZ 65, 22, 25; OLG Frankfurt, BB 1976, 1147, 1148; OLG Hamburg, ZIP 1996, 962, 963; Heckelmann, ZZP 92 (1979), 28, 32, 44 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 311; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 61; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 65, 116; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 141; abw. noch RGZ 142, 373, 376; BGHZ 32, 151, 155 f. Weitgehende Einschränkungen der Wirksamkeit entsprechender Einziehungsklauseln leiten aber Bischoff, GmbHR 1984, 61, 64 u. Grunewald, Der Ausschluss aus Gesellschaft und Verein, 1987, S. 208 aus § 138 BGB her. 2 A.M. Heuer, ZIP 1998, 405, 412 f.; Roth, ZGR 2000, 187, 215. 3 So noch OLG Hamburg, NJW 1957, 1033; Paulick, GmbHR 1978, 121. Über Nachw. des älteren Schrifttums vgl. Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 101 ff. 4 Vgl. BGHZ 116, 359, 375 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 311; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 61; Lutter/Hommelhoff, § 34 Rdnr. 49; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, § 34 Rdnr. 44; Niemeier, Rechtstatsachen und Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 101 ff., 232 ff.; Sachs, GmbHR 1978, 169, 171; vgl. auch unten § 34 Rdnr. 23 ff. 5 Eingehend dazu Wiedemann, S. 435 ff. 6 BGHZ 32, 151, 158. 7 OLG Frankfurt, GmbHR 1978 170; OLG Hamburg, DB 1982, 2344; OLG Celle, ZIP 1985, 1392; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 311; Ulmer, in: Hachenburg, § 34 Rdnr. 90 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 61 u. § 34 Rdnr. 30; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55 u. § 34 Rdnr. 52, 62; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 118 f.; Meyer-Landrut, Rdnr. 54 u. § 34 Rdnr. 9; Soufleros, S. 278 ff.; a.M. Heckelmann, ZZP 92 (1979), 28 ff.; Bischoff, GmbHR 1984, 61 ff.; Engel, NJW 1986, 345, 347; Heuer, ZIP 1998, 405, 412 f.; Roth, ZGR 2000, 187, 215; krit. auch Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 859 Rdnr. 23; unklar Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 147 f.

1120

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

dung, dass die Entgeltbeschränkung als innere Vorbelastung des GeschAnteils hinzuzunehmen sei, überzeugt freilich nicht, da sie die entscheidende Frage nach den zum Schutze der Privatgläubiger der Gesellschaft gebotenen Grenzen der Satzungsautonomie gerade ausklammert1. Die rechtliche Wertung dieses vom Gesetzgeber nicht bedachten Konflikts darf aber nicht einseitig auf das Befriedigungsinteresse des Privatgläubigers abstellen, sondern muss vor allem die gesellschaftliche Bindung des Pfandgegenstandes beachten und deshalb berücksichtigen, dass bei der Bestimmung der Abfindung wie auch in anderen gleichartigen Fällen des Ausscheidens aus in der Gesellschaftersphäre liegenden Gründen schutzwürdige Interessen der Gesellschaft an der Sicherung gegen u.U. bestandsgefährdende Kapitalabflüsse und gegen schwierige sowie zeitraubende Auseinandersetzungen um seine Höhe bestehen2. Satzungsrechtliche Regelungen, die in einem vertretbaren Umfange solchen schutzwürdigen Gesellschaftsinteressen Rechnung tragen, sind deshalb nicht zu beanstanden. Der BGH hat eine Satzungsbestimmung, die die Berechnung des Entgelts nach den wahren Vermögenswerten der Gesellschaft, aber ohne Ansatz des Firmenwertes vorschrieb, unter der Voraussetzung einer entsprechenden (keiner besseren) Entschädigungsregelung für den vergleichbaren Fall der Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grunde gebilligt, aber die Zulässigkeit noch weitergehender Einschränkungen offen gelassen3. Es sind in der Rechtsprechung aber darüber hinausgehend Abfindungsklauseln anerkannt worden, die die Bemessung nach dem letzten handels- oder steuerrechtlichen Jahresabschluss, also unter Ausschluss des Firmenwertes und der stillen Reserven4, und sogar nach dem Nennwert des Geschäftsanteils5 vorsehen. Eine Beschränkung des Entgelts bis zum Buchwert wird im Allgemeinen noch als vertretbar angesehen werden können6, während ein niedrigeres Entgelt nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann. Die Abfindungsklausel ist aber nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn die Abfindung unter Berücksichtigung des Ausscheidensgrundes und der bei ihrer Einführung gegebenen Umstände grob unbillig, d.h. willkürlich und ohne jede sachliche Berechtigung ist7. Entsteht auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft später eine Lage, die die statutarisch bestimmte Abfindung als grob unbillig erscheinen lässt, so ist sie im Einzelfall durch ergänzende Vertragsauslegung angemessen anzupassen8. 1 Darauf weist mit Recht schon RGZ 142, 373, 376 f. („petitio principii“) hin; vgl. auch H. Winter, GmbHR 1967, 201, 205; Heckelmann, ZZP 92 (1979), 33; Bischoff, GmbHR 1984, 65. 2 BGHZ 65, 22, 27. 3 BGHZ 65, 22, 27 f. 4 OLG Frankfurt, GmbHR 1978, 170; OLG Hamburg, DB 1982, 2344. 5 OLG Celle, ZIP 1985, 1392; die Entscheidung ist problematisch; vgl. dazu BGHZ 116, 359, 368 f., 375 f. 6 Eb. Priester, GmbHR 1976, 8 f.; Ulmer, in: Hachenburg, § 34 Rdnr. 91; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 34 Rdnr. 35; Piltz, BB 1994, 1021, 1025; K. Schmidt, GesR, § 50 IV 2c; Meyer-Landrut, § 34 Rdnr. 9; Hartmann, Der ausscheidende Gesellschafter, S. 150; a.M. Bischoff, GmbHR 1984, 67; Heuer, ZIP 1998, 405, 412 f. Bedenken gegen eine Buchwertklausel auch OLG München, GmbHR 1988, 216, 217. 7 BGHZ 116, 359, 368 f., 376. 8 BGHZ 116, 359, 371; s. auch Anh. § 34 Rdnr. 19.

H. Winter/Seibt

|

1121

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Vorstehendes gilt sinngemäß auch für Satzungsbestimmungen über die Zahlungsmodalitäten, insbesondere die Vereinbarung angemessener Ratenzahlungen1, deren Zulässigkeit aber im Zusammenhang mit der Einschränkung der Entgelthöhe und der Verzinsung zu beurteilen ist. Näheres zu statutarischen Abfindungsklauseln s. Erl. zu § 34.

5. Ersteher (Erwerber) 207

Der Ersteher (Erwerber) im Zwangsvollstreckungsverfahren erwirbt den GeschAnteil mit dem Zuschlag durch den Gerichtsvollzieher oder, bei gerichtlich angeordnetem freihändigen Verkauf, durch dingliche Abtretung, die der Form nach § 15 Abs. 3 bedarf (Rdnr. 200). Erstehen kann auch die GmbH den Anteil gem. § 33, ebenso wie Schuldner und Gläubiger (§ 816 Abs. 4 ZPO, § 1239 BGB). Der Erlös gebührt dem die Vollstreckung betreibenden Gläubiger, soweit zu seiner Befriedigung erforderlich. Der Erwerber hat zwar keinen Gewährleistungsanspruch (§ 806 ZPO), erwirbt aber den GeschAnteil frei vom Pfandrecht. Denn mit Veräußerung im Vollstreckungswege erlöschen alle dinglichen Rechte am GeschAnteil (§§ 1242, 1247 BGB entsprechend). Alle Pfandrechte an demselben GeschAnteil haben Anspruch auf den Erlös, die älteren mit Vorrang vor den jüngeren. Daher kann es kommen, dass der Vollstreckungsgläubiger ausfällt (§ 805 ZPO).

208

Da Abtretungsbeschränkungen aus § 15 Abs. 5 im Vollstreckungsverfahren nicht gelten (Rdnr. 202)2, bedarf es weder bei der Pfändung noch beim Zwangsverkauf der Übergabe eines etwa ausgestellten Anteilscheins3. Der Erwerber kann aber vom Vollstreckungsschuldner Herausgabe dieser Urkunde, falls ausgestellt, gem. §§ 402, 413 BGB verlangen; sie können vom Gerichtsvollzieher im Wege der Hilfevollstreckung weggenommen werden (§ 836 Abs. 3 ZPO analog).

209

Mit dem Erwerb wird der Erwerber an Stelle des Vollstreckungsschuldners Gesellschafter. Der GeschAnteil geht mit allen Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis über. Für sein Verhältnis zur GmbH gilt aber der § 16, insbesondere auch dessen Abs. 3 betr. rückständiger Leistungen4.

210

Die gesonderten Abtretungen und Verpfändungen der künftigen Ansprüche auf den Gewinnanteil, die Abfindung beim Ausscheiden oder die Liquidationsquote durch den bisherigen Gesellschafter sowie die Pfändung dieser Ansprüche durch seine Gläubiger (Rdnr. 211) werden mit dem Übergang des GeschAnteils 1 BGH, NJW 1989, 2685, 2686; Priester, GmbHR 1976, 9. Generell für bedenklich halten Ulmer, in: Hachenburg, § 34 Rdnr. 88; Kort, in: MünchHdb. GesR III, § 28 Rdnr. 34 über einen Zeitraum von fünf Jahren hinausgehende Stundungs- oder Ratenvereinbarungen, aber dies ist zu eng; vgl. BGH, NJW 1989, 2685, 2686; BayObLG, DB 1983, 99; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 34 Rdnr. 38. 2 A.M. zu Unrecht OLG Hamburg, NJW 1960, 870 für den freihändigen Verkauf. 3 OLG Köln, GmbHR 1911, 372; OLG Bamberg, GmbHR 1914, 212; Feine, S. 408; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 305; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 63. 4 Feine, S. 408; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 303; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55.

1122

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

auf den Ersteher (Erwerber) wirkungslos (Rdnr. 21)1. Die Verfügungen bzw. Vollstreckungsmaßnahmen gehen ins Leere, da die genannten Ansprüche nicht mehr in der Person des bisherigen Gesellschafters entstehen können.

6. Vollstreckung in einzelne Vermögensrechte Die aus der Mitgliedschaft fließenden Forderungen auf den Gewinnanteil, die Abfindung beim Ausscheiden und die Liquidationsquote (nicht aber Verwaltungsrechte, wie das Stimmrecht) sind, wie selbständig abtretbar (Rdnr. 20) und verpfändbar (Rdnr. 181 ff.), so auch pfändbar. Da es sich hier um Pfändung einer Forderung handelt, muss der Pfändungsbeschluss der GmbH als Drittschuldnerin zugestellt werden (§ 829 ZPO). Ist der GeschAnteil gepfändet und vorher oder nachher zu Gunsten eines Dritten auch die Gewinnforderung, so kann nach deren Fälligkeit bis zur Anteilsverwertung (Rdnr. 210) der Dritte vollstrecken (§ 835 ZPO), ohne dass der Anteilspfandgläubiger widersprechen könnte (anders wäre es naturgemäß im letzten Fall, wenn die Anteilspfändung, wie teilweise angenommen wird2, die zukünftigen Gewinnansprüche ohne weiteres ergreifen würde; s. dazu jedoch oben Rdnr. 181). Andererseits wird die Forderung auf die Abfindung und die Liquidationsquote vom Pfandrecht am GeschAnteil umfasst (Rdnr. 184 f.). War diese künftige Forderung vorher zu Gunsten eines Dritten gepfändet, so erwirbt er sie im späteren Entstehensfall wegen der Priorität des Anteilspfandrechts mit dieser Belastung3.

IX. Nießbrauch am Geschäftsanteil Schrifttum: Adamkiewicz, Der Nießbrauch am Bruchteil, BürgA 31, 20; Becker, Der rechtsgeschäftliche Nießbrauch an einem GeschAnteil der GmbH, GmbHR 1928, 46, 115; Becker, Das Stimmrecht bei Sicherungsübertragung, Nießbrauch, Verpfändung, Pfändung, Miete, Pacht, Leihe eines GeschAnteils und im Konkurs und Vergleichsverfahren eines Gesellschafters, GmbHR 1935, 803; Brandi/Mühlmeier, Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Wege vorweggenommener Erbfolge und Vorbehaltsnießbrauch, GmbHR 1997, 734; v. Godin, Nutzungsrechte an Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen, 1949; Goertzen, Nießbrauch und dauernde Lasten im Zusammenhang mit Vermögensübertragungen im Rahmen vorweggenommener Erbfolge, DStR 1994, 1553; Grunsky, Probleme des Nießbrauchs an einem Unternehmen, BB 1972, 585; Hesselmann, Nießbrauch an GmbH-Anteilen, GmbHR 1959, 21; Hoyer, Der Nießbrauch an einem Gesellschaftsanteil, BB 1978, 1459; Janssen/Nickel, Unternehmensnießbrauch, 1998; Körting, Die Ausübung des Stimmrechts bei der GmbH im Falle der Nießbrauchsbestellung am GeschAnteil, JW 1934, 1452; Lohr, Der Nießbrauch an Unternehmen und Unternehmensanteilen, Diss. Köln, 1989; Meilicke, Zivilrecht und Steuerrecht des Nießbrauchs und Nutzungsanspruchs an Grundstücken sowie an Anteilen an Kapital- und Kommanditgesellschaften, StbJb. 1972/73, 375; Mühl, in: Hadding/Schneider, Gesellschaftsanteile 1 Vgl. BGHZ 88, 205, 207 f.; 104, 351, 353; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28 u. die Nachw. oben Fn. 31; a.M. Marotzke, ZIP 1988, 1514 ff. 2 Brodmann, Anm. 2d; Fischer, GmbHR 1961, 22; Wiedemann, S. 426; dagegen mit Recht Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 293; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 62 a.E.; Noack, DB 1969, 471; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 138; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59, 65. 3 BGHZ 104, 351, 353 ff. und oben Rdnr. 196.

H. Winter/Seibt

|

1123

211

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

als Kreditsicherheit, 1979, S. 158 ff.; Murray, Der Nießbrauch am GmbH-Anteil, Diss. Köln 1965; Petzoldt, Zum Nießbrauch an dem „Gewinnstammrecht“, GmbHR 1980, 197; Petzoldt, Nießbrauch an Kommanditanteilen und GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 1987, 381 u. 433; Reichert/Schlitt, Nießbrauch an GmbHGeschAnteilen, in: FS Flick, 1997, S. 217; Reichert/Schlitt/Düll, Die gesellschaftsund steuerrechtliche Gestaltung des Nießbrauchs am GmbH-Anteil, GmbHR 1998, 545; v. Schilling, Das Nießbrauchsrecht an einer Beteiligung, DB 1954, 561; Schlodtmann, Nießbrauch und Nutznießung an GeschAnteilen einer GmbH, Diss. Rostock 1932; Schön, Der Nießbrauch am Gesellschaftsanteil, ZHR 158 (1994), 229; Spieß, Nießbrauch an Aktien und GmbH-GeschAnteilen, MittRhNotK 1969, 752; Sudhoff, Der Nießbrauch am GeschAnteil einer GmbH, GmbHR 1971, 53; Sudhoff, Nochmals: Das Nießbrauchsrecht am Gesellschaftsanteil, NJW 1974, 2205; Superczynski, Das Stimmrecht beim Nießbrauch an Aktien und GmbH-GeschAnteilen, Diss. Köln 1963; Teichmann, Der Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen, ZGR 1972, 1 (gesellschaftsrechtlicher Teil), 1973, 24 (Probleme der praktischen Gestaltung); Tüffers, Der Nießbrauch an GeschAnteilen der GmbH, Diss. Köln 1930; Wachter, Vorbehaltsnießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen, GmbH-StB 1999, 172; M. Weber, Der Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen (steuerrechtliche Behandlung), ZGR 1972, 24; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965.

1. Zulässigkeit 212

Die Nießbrauchsbestellung an GmbH-GeschAnteilen ist zulässig. Denn nach § 1068 BGB kann auch ein „Recht“ Gegenstand des Nießbrauchs sein, also auch der GeschAnteil und entsprechend dem oben Rdnr. 177 Ausgeführten der Teil eines GeschAnteils1. Doch muss das Recht, an dem der Nießbrauch bestellt wird, selber übertragbar sein (§ 1069 BGB). Schließt der Gesellschaftsvertrag die Übertragbarkeit des GeschAnteils aus (Rdnr. 135), so ist die Bestellung des Nießbrauchs im Zweifel auch unzulässig2. Für seine Begründung gelten im Grundsatz ebenfalls die statutarischen Abtretungsbeschränkungen (Rdnr. 107 ff.)3. Das Statut kann ferner die Nießbrauchsbestellung selbst einschränken oder ausschließen.

2. Form der Bestellung 213

Nach § 1069 Abs. 1 BGB sind die Abtretungsformen zu wahren. Also gilt für die dingliche Bestellung des Nießbrauchs § 15 Abs. 3, 54, nicht allerdings § 15 Abs. 4 für das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft. Ist Übergabe eines Anteilscheines satzungsmäßige Voraussetzung der Abtretung (§ 15 Abs. 5), so

1 Eb. Feine, S. 408 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 171; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 62; a.M. Becker, GmbHR 1928, 48; Brodmann, Anm. 2a. 2 OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 171. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 171; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 52; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 70; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 62; Staudinger/Frank, Anh. §§ 1068, 1069 BGB Rdnr. 94; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 221; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67; unklar Schön, ZHR 158 (1994), 239. 4 OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465.

1124

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

wird (analog § 1081 Abs. 2 BGB) mindestens der Mitbesitz an der Urkunde einzuräumen sein1. Sind Dividendenscheine (§ 14) als Wertpapiere ausgestellt, so gebührt ihr Besitz dem Nießbraucher, der Erneuerungsschein (Talon) beiden gemeinschaftlich (§ 1081 BGB entsprechend). Zur Geltendmachung des Nießbrauchs gegenüber der GmbH (nicht zur Wirksamkeit der Bestellung!) bedarf es der Anzeige an die GmbH (§§ 1070, 407, 409 BGB; § 16 GmbHG analog; s. dort Rdnr. 44)2; sind Dividendenscheine ausgestellt, so bedarf es der Vorlage des ggf. indossierten Papieres. Ist der Nießbrauch durch Testament vermacht, sind die Erben als Anteilseigner (§ 15) kraft des Testaments verpflichtet, dem Vermächtnisnehmer den Nießbrauch unter Beachtung von § 15 Abs. 3, 5 zu bestellen und dies gem. § 16 Abs. 1 anzumelden.

3. Inhalt des Nießbrauchs a) Nutzung „Die Nutzungen der Sache zu ziehen“, ist der Nießbraucher berechtigt (§§ 1030, 1068, 100 BGB). Er kann also, solange der Nießbrauch besteht, die auf den GeschAnteil entfallenden Gewinnanteile i.S. des § 29 beziehen3, und zwar kann er, kraft der Dinglichkeit seines Rechts, sie unmittelbar von der GmbH erheben, sobald diese die Ergebnisverwendung beschlossen hat (§§ 29 Abs. 1, 46 Nr. 1). Doch setzt dies die Anmeldung des Nießbrauchers gem. § 16 voraus, falls nicht Dividendenscheine ausgestellt sind (Rdnr. 182). Wird der Nießbrauch im Laufe eines Geschäftsjahres bestellt oder aufgehoben, so gebührt dem Nießbraucher im Zweifel ein der Zeitdauer entsprechender Gewinnanteil (§ 101 BGB)4. An den während der Dauer des Nießbrauchs in die Rücklage eingestellten Gewinnen oder in dieser Zeit erwirtschafteten stillen Reserven partizipiert der Nießbraucher nicht, es sei denn, sie werden als Gewinn ausgeschüttet; denn sie stellen ansonsten keine Nutzung des GeschAnteils dar5. Werden umgekehrt Gewinnvorträge während der Zeit des Nießbrauchs ausgeschüttet oder freie Rücklagen aufgelöst, so hat der Nießbraucher hierauf auch dann einen Anspruch, wenn sie in der Zeit vor der Nießbrauchsbestellung gebildet worden sind6. Im Innenverhältnis können die Parteien abweichende vertragliche Rege-

1 Feine, S. 409; Becker, S. 17; Wiedemann, S. 399; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 171; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 70. 2 RG, JW 1934, 976, 977; Wiedemann, S. 399; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 171; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 52; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 54. 3 RGZ 87, 383, 386; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 172; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 194; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 59; Wiedemann, S. 404 f.; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 62; Staudinger/Frank, Anh. §§ 1068, 1069 BGB Rdnr. 103; Soergel/Stürner, § 1068 BGB Rdnr. 8; Pohlmann, in: MünchKomm. BGB, § 1068 Rdnr. 62; teilw. abw. Schön, ZHR 158 (1994), 241 ff. 4 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 172 a.E. 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 173; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 62; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 231; Teichmann, ZGR 1972, 1, 17. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 173; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 234 f.

H. Winter/Seibt

|

1125

214

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

lungen treffen1; in Einzelfällen können sich auch Ausgleichsansprüche analog §§ 1039, 1049 Abs. 1 BGB ergeben2. Nicht zu den Nutzungen gehören Vergütungen für besondere Leistungen des Gesellschafters, z.B. für Nebenleistungen i.S. des § 3 Abs. 2 oder für die GeschFührertätigkeit3. Ebenso wenig rechnet das Bezugsrecht (s. Erl. zu § 65) dazu, das nicht Ertrag des GeschAnteils, sondern eine dem Gesellschafter vorbehaltene Befugnis zur Bestimmung des Beteiligungsumfangs ist4. Desgleichen gebühren GeschAnteile aus einer KapErhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht dem Nießbraucher, da durch diesen Vorgang nur die dem Stammkapital zukommende Bindungswirkung auf vorhandenes Beteiligungsvermögen ausgedehnt wird und deshalb eine Nutzung nicht gegeben ist (zur Erstreckung des Nießbrauchs auf diese GeschAnteile s. jedoch Rdnr. 215). b) Surrogate 215

Dem Nießbrauchsrecht unterliegen auch die Surrogate des GeschAnteils, soweit sie Gegenstand eines Nießbrauchs sein können (entspr. § 1075 Abs. 1 BGB). Soweit sie in Forderungen auf Kapitalleistungen bestehen, sind auf sie die §§ 1077, 1079 BGB entsprechend anzuwenden5; hierher gehören die Forderungen auf die Liquidationsquote (§ 72), das Einziehungsentgelt (§ 34), die Abfindung bei anderweitigem Ausscheiden, der Überschuss aus dem Verkauf des abandonnierten GeschAnteils (§ 27), die Barabfindung bei der Umwandlung (§§ 29 ff, 125, 207 ff. UmwG), die Rückzahlung von Nachschüssen (§ 30 Abs. 2) und die Teilrückzahlung der Stammeinlage im Falle des § 58 Abs. 26. Sie sind keine Nutzungen des GeschAnteils i.S. der §§ 1030, 1068 BGB7. Die Zahlung hat in diesen Fällen, sofern der Nießbraucher bei der Gesellschaft angemeldet ist (Rdnr. 213), an ihn und den Anteilsinhaber gemeinsam zu erfolgen (entspr.

1 Hierzu Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 235. 2 Gl.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 173; weitergehend Schön, ZHR 158 (1994), 229, 242 ff. 3 RGZ 170, 309; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 173 a.E.; Soergel/Stürner, § 1068 BGB Rdnr. 86. 4 BGHZ 58, 316, 319 betr. KG; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 176; Teichmann, ZGR 1972, 18; Wiedemann, S. 405 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 389; Pohlmann, in: MünchKomm. BGB, § 1068 Rdnr. 63; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67; Staudinger/Frank, §§ 1068 f. Anh. Rdnr. 105; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 236. 5 Feine, S. 409; Becker, GmbHR 1928, 49; Wiedemann, S. 403; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 174 (abw. Vorauflage Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 59: nur schuldrechtlicher Anspruch); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 388; Mühl, S. 160; Brandi/Mühlmeier, GmbHR 1997, 735; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 73; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 235 f. 6 Eb. Feine, S. 409; Becker, GmbHR 1928, 49; Hesselmann, GmbHR 1959, 22; Wiedemann, S. 403; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 174; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 54; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 73. 7 A.M. Schön, ZHR 158 (1994), 229, 246 f. für Wertsteigerungen infolge unterbliebener Gewinnausschüttungen.

1126

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

§ 1077 Abs. 1 BGB)1. Die Kapitalien sind von ihnen auf dessen Namen erneut nutzbringend anzulegen, wobei der Nießbraucher die Art der Neuanlage bestimmen und daran den Nießbrauch beanspruchen kann (entspr. § 1079 BGB)2. Das Nießbrauchsrecht erfasst bei der Verschmelzung, der Aufspaltung und der Abspaltung auf Grund dinglicher Surrogation automatisch die an die Stelle des bisherigen Geschäftsanteils tretenden Anteile oder Mitgliedschaften der übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger (§§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, 36 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, 135 Abs. 1 UmwG). Zum Formwechsel vgl. § 202 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UmwG. An einem neuen GeschAnteil, der dem Inhaber des belasteten Anteils bei einer KapErhöhung aus Gesellschaftsmitteln zufällt (§ 57j), erwirbt der Nießbraucher ohne weiteres den Nießbrauch3. Steht dem Anteilsinhaber bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen ein Bezugsrecht zu, so stellt sich ähnlich wie im Aktienrecht4 auch für die GmbH die Frage, ob der Nießbrauch sich an dem neuen GeschAnteil dann fortsetzt, wenn die vom bezugsberechtigten Übernehmer zu erbringende (u.U. ein Aufgeld einschließende) Beitragsleistung den inneren Wert des Anteilsrechts unterschreitet. Das Bezugsrecht vermittelt dann, damit zugleich den am alten Anteilsrecht eintretenden Wertverlust ausgleichend, in Höhe jener Differenz einen Teil des Substanzwerts des neuen GeschAnteils. Da das Bezugsrecht aber nur ein abgespaltener Bestandteil des nießbrauchsbelasteten Rechts ist, muss dem Nießbraucher ein schuldrechtlicher Anspruch auf Bestellung des Nießbrauchs an einem entsprechenden Bruchteil des neuen Anteilsrechts gewährt werden5. Entsprechendes gilt, soweit zulässig, beim Verkauf des Bezugsrechts (s. oben Rdnr. 11 u. Erl. zu § 55) für den Verkauferlös.

216

c) Mitverwaltungsrechte Mitverwaltungsrechte werden vom Nießbrauch nicht erfasst, sondern verbleiben im vollen Umfang dem Gesellschafter6. Einigkeit besteht darüber, dass dies 1 Wiedemann, S. 403; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 174; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 73. 2 Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 388; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 174; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 73; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 196; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217; einschr. Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, Einl. vor § 335 Rdnr. 21. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 176; Teichmann, ZGR 1972, 16 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 73; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 74; s. auch Priester, 9. Aufl., § 57m Rdnr. 24. 4 Über den dortigen Streitstand vgl. Wiedemann, S. 406 ff.; Teichmann, ZGR 1972, 18 ff. u. Lutter, in: KölnKomm. AktG, § 186 Rdnr. 20 m.w.N. 5 Vgl. Wiedemann, S. 405, 407 f.; Teichmann, ZGR 1972, 20; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 67; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 176; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 54; Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 389; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 74; Staudinger/Frank, Anh. §§ 1068, 1069 BGB Rdnr. 114; Soergel/ Stürner, § 1068 BGB Rdnr. 8, 9b; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 73 f.; a.M. Murray, S. 61 ff. 6 OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; Teichmann, ZGR 1972, 9 ff.; Mühl, S. 160; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 1981, S. 142 ff.; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67;

H. Winter/Seibt

|

1127

217

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

für die mit dem Anteilsrecht verbundene GeschFührungsbefugnis oder das Mitwirkungsrecht im AufsRat oder in einem Beirat gilt1. Abweichend von der h.M. wird dagegen für die in RG, JW 1934, 974 offengelassene Frage2 des Stimmrechts verschiedentlich die Ansicht vertreten, dass es dem Nießbraucher allein und umfassend3 oder partiell (Aufspaltungslösung)4 oder ihm gemeinsam mit dem Gesellschafter (Vergemeinschaftungslösung)5 zustehe. Man beruft sich auf die Verwaltungsbefugnis beim Nießbrauch an Sachen, insbesondere am Miteigentumsanteil (§ 1066 BGB), verkennt dabei aber, dass eine analoge Anwendung nach § 1068 Abs. 2 BGB auf das mitgliedschaftliche Stimmrecht ausscheidet, weil es sich um einen ganz anders gearteten Sachverhalt handelt6. Die Mitverwaltungsrechte an der Gesellschaft haben überhaupt nicht den Nießbrauchsgegenstand, den GeschAnteil, zum Objekt, sondern sind aus ihm sich ergebende Mitgliedschaftsrechte in einem Personenverband. Ansatzpunkt für eine Beteiligung des Nießbrauchs an den Mitverwaltungsrechten könnte deshalb allenfalls die durch die Nießbrauchsbestellung begründete partielle Rechtsgemeinschaft zwischen ihm und dem Anteilsinhaber sein, aber auch aus ihr lässt sich keine alleinige oder anteilige Stimmrechtsbefugnis des Nießbrauchers herleiten7. Auch der Funktion des mitgliedschaftlichen Stimmrechts steht entgegen, es einem Nichtgesellschafter, der die Sonderinteressen aus seiner eingeschränkten, nicht auf Dauer angelegten dinglichen Berechtigung am GeschAnteil verfolgt, als eigenes Recht zuzubilligen (s. auch Rdnr. 178)8. Eine andere, zu bejahende Frage ist, dass der Gesellschafter, wenn ein Beschluss nur die Interessen des Nießbrauchers betrifft, in den Grenzen seiner gesellschaftlichen Treuepflicht nach dessen Weisung und in anderen Angelegenheiten unter Berücksichtigung seiner Interessen abstimmen muss9. Nichts anderes kann für das Recht zur Teilnahme an Gesellschaftsversammlungen 10 oder zur Anfech-

1 2

3 4 5 6 7 8 9

10

Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 76; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 76; Reichert/ Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 225 ff.; K. Schmidt, ZGR 1999, 601, 607 ff.; offen Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 178 f. (unklare gesetzliche Regelung; anders Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Anh. § 15 Rdnr. 61). RGZ 170, 369. Auch der BGH hat sich bisher nicht festgelegt. Seine Bemerkung in BGHZ 108, 187, 199 ist nicht dahingehend zu verstehen, dass er tendenziell für eine Berechtigung des Nießbrauchers eintrete. Superczinski, S. 77; Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 387 f.; Ulmer, in: FS Fleck, 1988, S. 353, 389; Sudhoff, NJW 1974, 2207. Fleck, in: FS R. Fischer, 1979, S. 106, 125 f.; Sudhoff, GmbHR 1971, 74. Ewald, ZHR 92 (1928), 149; Brodmann, GmbHR 1938, 11; Schön, ZHR 158 (1994), 229, 260 ff. OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; Wiedemann, S. 411 f. Zutr. Wiedemann, S. 412 ff. Zutr. OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; Teichmann, ZGR 1972, 10 f.; abw. Fleck, S. 125; Schön, ZHR 158 (1994), 229, 258 f. Vgl. OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 182; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 76; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 60; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 79. Teichmann, ZGR 1972, 13; Murray, S. 112; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 66.

1128

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

tung von Gesellschafterbeschlüssen gelten1. Desgleichen stehen dem Nießbraucher nicht die mitgliedschaftlichen Kontrollrechte (Auskunfts- und Einsichtsrechte) zu2; er hat gegenüber der GmbH lediglich ein sich auf die Gewinnverteilung beschränkendes Auskunftsrecht aus § 242 BGB. Unzulässig ist auch die rechtsgeschäftliche Übertragung von Verwaltungsrechten, insbesondere des Stimmrechts (Rdnr. 17)3; möglich ist dagegen wie beim Pfandrecht (Rdnr. 179) die Erteilung einer – außer im Falle des Vorliegens eines wichtigen Grundes unwiderruflichen – Stimmrechtsvollmacht. Über Beeinträchtigungen des Nießbrauchs durch Verfügungen des Anteilsinhabers s. Rdnr. 223. d) Gesellschafterpflichten Die Pflichten aus dem GeschAnteil hat weiterhin der Gesellschafter zu erfüllen4. Er muss daher fällig werdende Einlageraten oder Nachschüsse zahlen oder Nebenleistungen erbringen. Auch ständig wiederkehrende Nebenleistungen, die im Zusammenhang mit den Nutzungen des GeschAnteils stehen, schuldet der Gesellschafter und nicht der Nießbraucher5; im Innenverhältnis zwischen beiden können sie aber u.U. analog §§ 1068 Abs. 2, 1047 BGB letzterem zur Last fallen6. Ein unmittelbarer Anspruch der Gesellschaft gegen den Nießbraucher kann sich aber aus § 31 ergeben (s. Erl. zu § 31). Er kann bei der Gewährung kapitalersetzender Darlehen nur in besonderen Fällen nach § 32a Abs. 3 Satz 1 einem Gesellschafter gleichgestellt werden (s. §§ 32a, 32b Rdnr. 151)7.

218

4. Rechtsübergang Mit dem Übergang des GeschAnteils auf einen Erwerber geht der Nießbrauch als dingliche Last auf ihn über (hierzu Rdnr. 188).

1 Feine, S. 410; Hesselmann, GmbHR 1959, 22; Teichmann, ZGR 1972, 13; K. Schmidt, 9. Aufl., § 45 Rdnr. 128; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 47 Rdnr. 154; Raiser, in: Hachenburg, § 47 Anh. Rdnr. 154; a.M. Wiedemann, S. 420; Murray, S. 106 ff.; Schön, ZHR 158 (1994), 229, 263. 2 Teichmann, ZGR 1972, 13; Lutter/Hommelhoff, § 51a Rdnr. 16; Zöllner, in: Baumbach/ Hueck, § 51a Rdnr. 6; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 51a Rdnr. 14; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 51a Rdnr. 4; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 66; a.M. Wiedemann, S. 419; Murray, S. 111 f.; Schön, ZHR 158 (1994), 229, 263 f.; offen Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 180 (§ 51a oder § 242 BGB). 3 H.M.; vgl. OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 465; abw. Fleck, in: FS R. Fischer, 1979, S. 106, 107, 125 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 181; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 67; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 76, 77; Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 74 Rdnr. 25; K. Schmidt, ZGR 1999, 601, 610 f.; Reichert/Schlitt, in: FS Flick, S. 217, 228 f. mit im Einzelnen unterschiedlichen Beschränkungen. 4 Feine, S. 409; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 177; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 53; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 203. Teilw. abw. bezüglich der Haftung des Nießbrauchers zu Unrecht Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 389. 5 Abw. Teichmann, ZGR 1972, 13 f.; unklar Feine, S. 409. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 177; Petzoldt, GmbHR 1987, 381, 389. 7 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 177 a.E.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53 a.E.; abw. Schön, ZHR 148 (1994), 229, 256.

H. Winter/Seibt

|

1129

219

§ 15 220

Übertragung von Geschäftsanteilen

Das Nießbrauchsrecht als solches ist grundsätzlich unübertragbar. Dagegen kann die Ausübung des Nießbrauchs durch formlosen Vertrag (keine Wirkung gegenüber der GmbH) einem Dritten überlassen werden (§ 1059 BGB). Wird „Abtretung“ des Nießbrauchs vereinbart, so kann dies als Überlassung der Ausübung umgedeutet werden1. Eine Ausnahme von der Unübertragbarkeit macht § 1059a BGB für nießbrauchsberechtigte juristische Personen, wenn deren Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen anderen übergeht und der Übergang des Nießbrauchs nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird oder wenn das von ihr betriebene Unternehmen oder ein Teil davon auf einen anderen übertragen wird und der Nießbrauch deren Zwecken zu dienen geeignet ist. Die Voraussetzungen der zweiten Alternative müssen auch bei der sog. partiellen Gesamtrechtsnachfolge in den Fällen der Spaltung gegeben sein (§§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 132 UmwG)2.

5. Erlöschen, Aufhebung und Beeinträchtigung des Nießbrauchs 221

a) Der Nießbrauch erlischt mit dem Tode des Nießbrauchers. Steht er einer juristischen Person oder einer OHG oder KG zu, so erlischt er mit dieser (§§ 1061, 1068 BGB), soweit nicht die in Rdnr. 220 genannten §§ 1059a ff. BGB Ausnahmen machen. Das Erlöschen der juristischen Person oder Gesellschaft erfolgt erst mit Beendigung der Liquidation. Der Nießbrauch erlischt ferner, wenn der Nießbraucher den belasteten GeschAnteil erwirbt (§§ 1063, 1072 BGB).

222

b) Aufhebung des Nießbrauchs erfolgt durch formlosen Vertrag zwischen Besteller und Nießbraucher. Doch genügt auch einseitige Aufhebungserklärung des Nießbrauchers an den Besteller oder Anteilseigner (§§ 1064, 1072 BGB). Eine Anmeldung nach § 16 Abs. 1 ist gegenüber der GmbH erforderlich.

223

c) Beeinträchtigung. Der hiervon handelnde § 1071 BGB entspricht bei der Verpfändung dem § 1276 BGB. Das hierzu in Rdnr. 178 f., 191 ff. über die Stimmrechtsausübung sowie über Zustimmungserklärungen bei Satzungsänderungen, den Austritt aus wichtigem Grunde, die Abandonnierung, die Kündigung der Beteiligung3, die Auflösung und über Einziehung des GeschAnteils Gesagte gilt daher für den Nießbrauch entsprechend.

X. Unterbeteiligung und Treuhand 1. Unterbeteiligung Schrifttum: Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 1981; Blaurock/Berninger, Unterbeteiligung an GmbH-Anteilen, GmbHR 1990, 11, 87; Böttcher/Zartmann/Faut, Stille Gesellschaft und Unterbeteiligung, 3. Aufl. 1978; Henn, Die Unterbeteiligung in der GmbH, 1996; Herzfeld, Die Unterbeteili1 RG, JW 1910, 801. 2 Rieble, ZIP 1997, 301, 306; Teichmann, in: Lutter, UmwG, 3. Aufl. 2004, § 132 Rdnr. 27; Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 132 Rdnr. 7. 3 Dazu OLG Hamm, GmbHR 1971, 57; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 183; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 53; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 62; Schön, ZHR 158 (1994), 229, 267 f. und dazu oben Rdnr. 191.

1130

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

gung, AcP 137 (1933), 270; Hesselmann, Die Unterbeteiligung an GmbH-Anteilen, GmbHR 1964, 26; Meyer, Die Unterbeteiligung an Handelsgesellschaftsanteilen, Diss. Münster 1971; Paulick, Die Unterbeteiligung in gesellschaftsrechtlicher u. steuerrechtlicher Sicht, ZGR 1974, 253; Post, Die stille Beteiligung am Unternehmen der KapGes., 1975; Roth/Thöni, Treuhand und Unterbeteiligung, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, 245; Schulze zur Wiesche, Unterbeteiligung an einem GmbHAnteil, GmbHR 1986, 236; Steckhan, Die Innengesellschaft, 1966; Wendelstein, Die Unterbeteiligung als zweckmäßige Erbfolgeregelung, BB 1970, 735; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an GmbH-Anteilen, 2000; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit u. Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, S. 190 ff.; Zapp, Unterbeteiligung an mittelständischen Unternehmen, 1990.

Der Vertrag über die Unterbeteiligung an einem GeschAnteil bedarf nicht der Form des § 15 Abs. 3, 4 und kann ohne die nach dem Gesellschaftsvertrag für die Abtretung erforderliche Genehmigung (§ 15 Abs. 5) geschlossen werden1. Besteht ein statutarisches Verbot von Unterbeteiligungen, kann dessen Verletzung aber Schadensersatzansprüche auslösen und einen wichtigen Grund zum Ausschluss bilden (s. Anh. § 34 Rdnr. 26 ff.). Ist das Unterbeteiligungsverhältnis mit der Treuhandschaft am GeschAnteil verknüpft2, so sind die für letztere geltenden Regeln (Rdnr. 227 ff.) anzuwenden3. Die Schenkung einer Unterbeteiligung durch bloße „Einbuchung“ bedarf der notariellen Beurkundung gem. § 518 Abs. 1 BGB, da hierin noch kein Schenkungsvollzug (§ 518 Abs. 2 BGB) zu sehen ist4; anders liegt es bei einer unentgeltlichen Abtretung (Rdnr. 225 a.E.). Der Unterbeteiligte tritt durch den Vertragsabschluss nicht in Rechtsbeziehung zur GmbH5. Dieser gegenüber bleibt vielmehr der Anteilsinhaber vollberechtigter und -verpflichteter Gesellschafter6.

224

Es besteht zwischen ihm (Hauptgesellschafter) und dem Unterbeteiligten i.d.R. eine bürgerlich-rechtliche Innengesellschaft7, durch die letzterer mit schuldrechtlicher Wirkung am Ertrag und an der Substanz des GeschAnteils oder an

225

1 Vgl. RG, LZ 1907, 224; 1915, 1011; OLG Königsberg, GmbHR 1918, 18; OLG Frankfurt, GmbHR 1987, 57; 1992, 668; OLG Schleswig, GmbHR 2002, 652, 654; Blaurock/Berninger, GmbHR 1990, 14; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 207; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 68, 115; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 69; einschr. Schlegelberger/K. Schmidt, § 230 HGB Rdnr. 207. 2 Entgegen der früheren Lehre (Wiedemann, S. 387; Böttcher/Zartmann/Faut, S. 58 f. u.a.) kann beides zusammen treffen; vgl. BGH, ZIP 1994, 1180, 1181; K. Schmidt, GesR, S. 1865 f.; v. Gerkan, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 2. Aufl. 2001, § 230 Rdnr. 101 ff., jeweils m.w.N. 3 OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; s. auch Roth/Thöni, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 262 ff., 273 ff. 4 BGH, WM 1967, 685. Bestr., vgl. die Nachw. bei Blaurock/Berninger, GmbHR 1990, 14 u. Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 106 ff. 5 Vgl. auch BGHZ 50, 324; BGH, WM 1959, 595, 596; OLG Frankfurt, GmbHR 1987, 57. 6 RG, LZ 1915, 1011; OLG Frankfurt, LZ 1929, 793; h.M. 7 RG, LZ 1915, 1011; BGHZ 50, 320; BGH, WM 1959, 595, 596; OLG Frankfurt, GmbHR 1987, 57; Paulick, ZGR 1974, 259 ff.; BGHZ 50, 316, 321; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 206; Ulmer, in: MünchKomm. BGB, Vor § 705 Rdnr. 82; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; v. Gerkan, in: Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 2. Aufl. 2001, § 230 Rdnr. 92.

H. Winter/Seibt

|

1131

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

einem von beiden beteiligt wird. Für die Unterbeteiligungsgesellschaft gelten mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag unter teleologischer Reduktion der Regelungen in §§ 705 ff. BGB nach Maßgabe der Besonderheiten des Unterbeteiligungsverhältnisses die §§ 230 ff. HGB analog1. Die Geschäftsführungsbefugnis steht dem Hauptgesellschafter zu; der Gesellschaftsvertrag kann dem Unterbeteiligten aber im Innenverhältnis Mitwirkungsrechte geben2. Der Unterbeteiligte hat hinsichtlich der Geschäftsvorgänge der Unterbeteiligungsgesellschaft die in dem entsprechend anwendbaren § 233 Abs. 1 HGB3 bestimmten Kontrollrechte4. Die Einsicht in den Jahresabschluss der GmbH kann er dagegen nur verlangen, wenn dies im Gesellschaftsvertrag vorgesehen und ohne Verletzung der Treuepflicht des Hauptgesellschafters gegenüber der GmbH möglich ist5. Auch im Übrigen ist die Informationspflicht über Angelegenheiten der Hauptgesellschaft durch die ihr gegenüber bestehende Verschwiegenheitspflicht begrenzt6. Die Unterbeteiligung ist nur übertragbar, wenn der Gesellschaftsvertrag dies zulässt oder der Hauptgesellschafter nachträglich zustimmt. 226

Die Unterbeteiligungsgesellschaft wird aufgelöst durch Zeitablauf, Beendigung der Mitgliedschaft des Hauptgesellschafters in der GmbH, Kündigung (§§ 723, 724 BGB sind anwendbar)7, Tod des Hauptgesellschafters8 und Insolvenz eines Gesellschafters. Der Tod des Unterbeteiligten führt analog § 234 Abs. 2 HGB nicht zur Auflösung9. Auf die Auseinandersetzung sind im Allgemeinen die für die stille Gesellschaft geltenden Regeln entsprechend anzuwenden10. Der GeschAnteil verbleibt i.d.R. auch dann dem Hauptgesellschafter, wenn die Unterbeteiligung sich auf die Substanz des GeschAnteils bezieht. Der Unterbeteiligte hat normalerweise keinen Anspruch auf Verwertung des GeschAnteils,

1 Vgl. BGHZ 50, 316, 321; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 206; Ulmer, in: MünchKomm. BGB, Vor § 705 Rdnr. 62 ff. m.w.N. 2 RG, LZ 1915, 1011. 3 BGHZ 50, 316, 323. 4 BGHZ 50, 316, 323; BGH, NJW-RR 1995, 165; OLG Frankfurt, GmbHR 1987, 57, 59; Paulick, ZGR 1974, 271; Ulmer, in: MünchKomm. BGB, Vor § 705 Rdnr. 99 m.w.N.; a.M. Blaurock, S. 183 f. 5 BGHZ 50, 316, 324 f.; Roth/Thöni, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 277. Das Schrifttum lässt überwiegend genügen, dass die Weitergabe dem Hauptgesellschafter gestattet ist; vgl. Schlegelberger/K. Schmidt, § 338 a.F. HGB Rdnr. 21; Zutt, in: Großkomm. HGB, § 233 Rdnr. 18; Baumbach/Hopt, § 233 HGB Rdnr. 13. 6 OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668. 7 Vgl. dazu BGHZ 50, 316, 320 ff. Für die Kündigungsfristen gelten aber abweichend von §§ 723 Abs. 1 Satz 1, 725 BGB die Bestimmungen der §§ 234 Abs. 1, 132, 135 HGB entsprechend; vgl. Ulmer, in: MünchKomm., Vor § 705 BGB Rdnr. 69; Schlegelberger/ K. Schmidt, § 339 HGB Rdnr. 67 m.w.N.; abw. Blaurock, S. 163; Blaurock/Berninger, GmbHR 1990, 15. 8 Verbleiben seine Erben in der GmbH (s. Rdnr. 18 ff.), wird es aber regelmäßig dem Parteiwillen entsprechen, die Unterbeteiligungsgesellschaft mit ihnen fortzusetzen; vgl. Blaurock, S. 165 f. m.w.N. 9 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 209. 10 Sehr bestr.; vgl. die Nachw. bei Blaurock, S. 174 ff., der selbst eine differenzierende Lösung vertritt.

1132

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

sondern kann nur Abfindung in Geld beanspruchen1. Die Aufhebung der internen rechnerischen Beteiligung fällt nicht unter § 15 Abs. 32. Aus dem Gesellschaftsvertrag der Unterbeteiligungsgesellschaft kann sich eine andere Art der Auseinandersetzung ergeben, insbesondere kann vereinbart sein, dass eine Realteilung des GeschAnteils erfolgen soll. Der Gesellschaftsvertrag bedarf aber in diesem Fall der Form des § 15 Abs. 43, was auch für die Vereinbarung in einem Unterbeteiligungsvertrag gilt, derzufolge der Unterbeteiligte nach Ablauf eines Jahres die Übertragung der Hälfte des GeschAnteils fordern kann.

2. Treuhand Schrifttum: Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften; 2001; Armbrüster, Zur Beurkundungsbedürftigkeit von Treuhandabreden über GmbH-Anteile, DNotZ 1997, 762; Armbrüster, Treuhänderische GmbH-Beteiligungen, GmbHR 2001, 941 und 1021; Beuthien, Treuhand an GeschAnteilen, ZGR 1974, 26; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 1981; Däubler, Die treuhänderische Abtretung des GmbH-GeschAnteils, GmbHR 1966, 243; Beuthin, Treuhand an GeschAnteilen, ZGR 1974, 26; Ebermann, Die Verwaltungstreuhand an GmbH-Anteilen, Diss. Köln 1970; Ebermann, Beendigung der Verwaltungstreuhand bei der GmbH, GmbHR 1971, 32; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, 1981; Ehlke, Zur Behandlung von Treugeber und Treuhänder an einem GmbH-Anteil, DB 1985, 795; H. Emmerich, Treuhand an GmbHAnteilen, GmbHR 1931, Sp. 153 u. 241; Flore/Lewinski, Einsatzmöglichkeiten der Treuhänderschaft an GmbH-Geschäftsanteilen, GmbH-StB 1999, 258; Geyrhalter, Grenzüberschreitende Treuhandvereinbarungen bei GmbH-Beteiligungen, ZIP 1999, 647; Gruber, Treuhandbeteiligung an Gesellschaften, 2001; Heining, Treuhand an GmbH-Anteilen, GmbHR 1954, 98; Herfs, Einwirkung Dritter auf den Willensbildungsprozess der GmbH, 1994; Köhl, Die Ausfallhaftung von Hintermännern bzw. Treugebern für nicht geleistete Stammeinlagen, GmbHR 1998, 119; Kötz, Trust und Treuhand, 1964; M. Lehmann, Sicherungsabtretung von GeschAnteilen, GmbHR 1953, 143; Michalski, Zustimmungserfordernisse bei der Sicherungsabtretung eines Teilgeschäftsanteils, GmbHR 1991, 89; K. Müller, Die Sicherungsübertragung von GmbH-Anteilen, 1969; Roth/Thöni, Treuhand und Unterbeteiligung, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 245; Schaub, Treuhand an GmbH-Anteilen, DStR 1995, 1634, DStR 1996, 65; Scheuermann, Zur Sicherungsübertragung von GmbH-Anteilen, Diss. Heidelberg 1965; Schmitz, Treuhand an GmbH-Anteilen, in: Freundesgabe W. Weichler, 1997, S. 129; Schulz, Zur Formbedürftigkeit von Vereinbarungs- und Erwerbstreuhand an GmbH-Geschäftsanteilen, GmbHR 2001, 282; Seidl, Die Haftung des fremdnützigen Treuhänders als Gründungsgesellschafter einer GmbH und Möglichkeiten der Risikoabgrenzung, DStR 1998, 1220; Serick, Sicherungsabtretung von GmbH-Anteilen und andere Kreditsicherungsmöglichkeiten im Bereiche der GmbH, GmbHR 1967, 133; Siebert, Das rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnis, 1933; Sieverking/Technau, Das Problem sogenannter „disponibler Stimmrechte“ zur Umgehung der Vinkulierung von Namensaktien, AG 1989, 17; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand an GmbH-Anteilen, 2000; Ulmer, Rechts- und Steuerfragen zur Treuhand an GmbH-Anteilen, WPg 1963, 345; Ulmer, Zur Treuhand an 1 RGZ 166, 164 f.; BGH, WM 1955, 298 f.; 1960, 1121 f.; 1961, 574 f. 2 BGH, WM 1966, 472. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 207; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 59; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 68; Sommer, in: MünchHdb. GesR III, § 26 Rdnr. 125; Blaurock/Berninger, GmbHR 1990, 14; a.M. RG, LZ 1915, 1011 mit der nicht tragfähigen Begründung, dass jene Verpflichtung zur Teilabtretung aus einem Vertrag anderen Inhalts kraft Gesetzes folge.

H. Winter/Seibt

|

1133

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

GmbH-Anteilen: Haftung des Treugebers für Einlageansprüche der GmbH?, ZHR 156 (1992), 377; Ulmer, Zur Treuhand an GmbH-Anteilen, in: FS Odersky, 1996, S. 873; Vossius, Sicherungsgeschäfte bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen, BB 1988 Beil. 5 zu H. 13.

227

Unter dem Rechtsinstitut der Treuhand fasst man die Fälle der Wahrnehmung (auch) fremder Interessen bezogen auf ein bestimmtes Vermögensrecht zusammen, über das der Treuhänder zwar die volle Rechtsmacht bzw. Verfügungsmacht innehat und das von ihm im eigenen Namen ausgeübt wird, das wirtschaftlich indes dem Treugeber zusteht. Typisierendes Merkmal der Treuhand ist das Auseinanderfallen von rechtlicher und wirtschaftlicher Zuordnung des Rechts. Treuhandstrukturen werden zur Erreichung vielfältiger Zwecke genutzt1: Der Treuhand kann eine Verwaltungs- oder Bündelungsfunktion dadurch zukommen, dass der Treuhänder die Mitgliedschaftsrechte einer Personenmehrheit (z.B. Mitarbeiter, Familienangehörige, Mitberechtigte i.S.v. § 18, Kleinstbeteiligte) wahrnehmen soll. Die Treuhand kann überdies auch eine Entlastungsfunktion für den wirtschaftlich Berechtigten erfüllen, und zwar aus persönlichen (z.B. Nähe zur Gesellschaft und Unternehmensausübung, Alter und Gesundheit) oder sachlichen Gründen (z.B. Fachnähe). Schließlich werden Treuhandstrukturen auch zur Verdeckung wirtschaftlicher Sachverhalte oder zur Umgehung (gesellschafts)vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten genutzt. Die Zulässigkeit der Treuhandschaft an Geschäftsanteilen ist allgemein anerkannt2. Dies gilt im Grundsatz auch beim Einsatz der Treuhand zur Umgehung (gesellschafts)vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen, es sei denn, die betroffene Norm oder Vorschrift selbst oder deren Auslegung ergibt im Einzelfall die Unzulässigkeit der Treuhand3.

228

Der Treuhänder ist vollberechtigter und vollverpflichteter Gesellschafter, dem demgemäß alle Mitgliedschaftsrechte aus dem GeschAnteil zustehen und den auch alle Pflichten aus den GeschAnteil treffen4. Dies betrifft sowohl das Verhältnis zur Gesellschaft als auch zu den Mitgesellschaftern. Die schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen Treuhänder und Treugeber schlagen nicht auf das Außenverhältnis des Treuhänders zu der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern durch5. Der Rechte- und Pflichtenübergang auf den Treuhänder ist im 1 Hierzu Armbrüster, Die treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S. 49 ff.; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 69 ff.; Ebermann, Verwaltungstreuhand an GmbH-Anteilen, S. 1 ff.; Tebben, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 33 ff.; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 875 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 188. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 189; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 58; Armbrüster, GmbHR 2001, 941. 3 Z.B. bestimmt § 59e Abs. 4 BRAO ausdrücklich die Unzulässigkeit einer treuhänderischen Beteiligung an einer Rechtsanwalts-GmbH. 4 RG, JW 1934, 2906; RGZ 138, 108; RGZ 153, 352 f.; BGHZ 21, 382; BGHZ 31, 263; BGH, WM 1971, 307; BGH, WM 1976, 736; BGH, WM 1977, 75; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 574; Feine, S. 398; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 55; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 58; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 46; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 14 Rdnr. 27; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 216. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 47; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand, S. 128 ff.

1134

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Fall der Sicherungstreuhand nicht anders zu beurteilen, selbst wenn die GmbH an dem Sicherungsvertrag beteiligt ist und den zugrunde liegenden Kredit erhalten hat1. Wenngleich die Vermögensrechte aus dem Geschäftsanteil (z.B. Gewinnanspruch, Anspruch auf den Liquidationserlös, Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben) alleine dem Treuhänder zustehen, können solche Ansprüche auch in ihrer Gesamtheit vom Treuhänder an den Treugeber abgetreten werden; der Treugeber kann auf diese Rechte auch im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Treuhänder zugreifen2. Bei den Verwaltungsrechten kann der Treugeber mittelbar auf die Willensbildung der Gesellschaft Einfluss nehmen, indem er sein Weisungsrecht aus dem Treuhandvertrag gegenüber dem Treuhänder ausübt. Aber auch hier schlagen die treuhandvertraglichen Bindungen nicht auf das Verhältnis zwischen Treuhänder zur Gesellschaft und den Mitgesellschaftern durch, so dass die weisungswidrige Ausübung von Verwaltungsrechten deren Wirksamkeit unberührt lässt3. Präventiv kann der Treugeber gegen eine weisungswidrige Ausübung von Stimmrechten im Wege einer einstweiligen Verfügung vorgehen oder das Treuhandverhältnis kündigen. Eine Legitimationszession betreffend die mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte oder eine generelle Übertragung des Stimmrechts auf den Treugeber ist als Verstoß gegen das Abspaltungsverbot unzulässig4. Verletzt der Treuhänder seine Treuepflichten aus dem Treuhandvertrag oder missbraucht er ansonsten seine Treuhänderstellung, so ist der Treugeber grundsätzlich auf Schadensersatzansprüche gegen den Treuhänder verwiesen. Ansprüche gegen die Gesellschaft bzw. die Mitgesellschafter können sich aus § 826 BGB oder nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht herleiten. Das Treuhandverhältnis kann sich, soweit der Sinn einzelner gesetzlicher oder gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen dies erfordert, auf die Rechtstellung des Treuhänder-Gesellschafters modifizierend auswirken (vgl. § 2 Rdnr. 58 ff.). Statutarisch geforderte Gesellschaftereigenschaften müssen regelmäßig beim Treuhänder und Treugeber vorliegen (Rdnr. 116). Die Mitgesellschafter können bei einer verdeckten Treuhandschaft jedenfalls im Falle des Bestehens statutarischer Abtretungsbeschränkungen vom Treuhandgesellschafter Auskunft über die Person des Treugebers verlangen5.

229

Bei der Frage nach der Formbedürftigkeit von Treuhandverträgen gem. § 15 Abs. 3 und Abs. 4 sind fünf Fälle zu unterscheiden: Bei der Erwerbstreuhand

230

1 Eb. Flechtheim, JW 1931, 1963; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203; a.M. RGZ 131, 147 ff.; Serick, GmbHR 1967, 133, 136; einschränkend K. Müller, Sicherungsübertragung, S. 23. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203; Armbrüster, S. 224 ff.; Beuthien, ZGR 1974, 26, 81. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203; Armbrüster, S. 229 ff.; Henssler, AcP 196 (1996), 37, 79. 4 BGH, DB 1960, 352; BayObLG, WM 1986, 226, 227; Beuthien, ZGR 1974, 26, 82; a.M. Armbrüster, GmbHR 2001, 1021, 1025. 5 OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 203 a.E.; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 54; Roth/Altmeppen, Rdnr. 112; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 216; Armbrüster, S. 371 f.

H. Winter/Seibt

|

1135

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

verpflichtet sich der Treuhänder gegenüber dem Treugeber, einen GeschAnteil durch Teilnahme an der Gesellschaftsgründung bzw. an einer Kapitalerhöhung oder von einem Dritten zu erwerben. Hier greift die Beurkundungspflichtigkeit nach § 15 Abs. 4 nicht ein, da sich einerseits die Abtretungsverpflichtung des Treuhänders gegenüber dem Treugeber aus der gesetzlichen Herausgabepflicht (§ 667 BGB) ergibt1, und zum anderen weil die Vorschrift nach ihrem Normzweck (Verhinderung eines Anteilshandels) nicht betroffen ist2. Allerdings kann sich auch bei der Erwerbstreuhand die Beurkundungspflichtigkeit nach § 15 Abs. 4 ergeben, wenn der Treuhänder sich gegenüber dem Treugeber verpflichtet, einen bereits bestehenden oder in Entstehung befindlichen GeschAnteil von einem Dritten zu erwerben3. Demgegenüber ist die Übertragungstreuhand, bei der ein Treuhänder den GeschAnteil vom Treugeber erwirbt, nach § 15 Abs. 4 beurkundungspflichtig, da hier eine Abtretungsverpflichtung des Treugebers gegenüber dem Treuhänder begründet wird4. Auch die Vereinbarungstreuhand, derzufolge ein Gesellschafter den von ihm gehaltenen GeschAnteil künftig für einen Dritten (Treugeber) treuhänderisch hält, unterliegt der notariellen Beurkundungspflichtigkeit nach § 15 Abs. 45. Die Vereinbarung zum Treugeberwechsel ist nach § 15 Abs. 4 beurkundungspflichtig, denn mit der Übertragung der Treugeberstellung wird der Anspruch gegen den Treuhänder auf Rückabtretung des GeschAnteils nach Ende des Treuhandverhältnisses abgetreten. Die dingliche Abtretung des Anspruchs auf Übertragung eines GeschAnteils bedarf grundsätzlich der Form des § 15 Abs. 36. Grund für die über den Wortlaut hinausgehende Anwendung von § 15 Abs. 3 und 4 ist deren Zweck, einen formlosen Handel mit GeschAnteilen zu verhindern, denn die Übertragung der Treugeberstellung steht wirtschaftlich der Anteilsabtretung gleich. Auch eine Vereinbarung mit dem Treuhänder, wonach dieser den GeschAnteil zukünftig für einen anderen Treugeber innehalten soll, ist deshalb gem. § 15 Abs. 3 beurkundungspflichtig7. Aus dem Zweck der Formvorschrift folgt zugleich, dass Verein1 So RGZ 124, 371, 376; BGHZ 19, 69, 70; OLG Bamberg, NZG 2001, 509, 511; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 34; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 59; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 208. 2 So Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 765 ff.; ihm folgend Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 195. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 196; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 208; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 779. 4 BayObLG, GmbHR 1991, 572, 574; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 56; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 56; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 209; Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 890; abweichend (teleologische Reduktion des § 15 Abs. 4) Armbrüster, S. 104; Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 779 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 197. 5 RGZ 124, 371, 377; BGHZ 141, 207, 213; OLG Bamberg, NZG 2001, 509, 510; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 61; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 56; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 209; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 195 (anders Vorauflage Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 52); Armbrüster, DNotZ 1997, 762, 782 ff.; a.M. Beuthien, ZGR 1974, 26, 177. 6 BGH, NJW 1980, 1100, 1101; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 63. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; a.A. Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Anh. § 15 Rdnr. 53.

1136

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

barungen zum Treuhänderwechsel keiner Beurkundungspflicht unterliegen. Entsprechend wird auch § 15 Abs. 3 auf die dingliche Abtretung des Anspruchs auf Übertragung eines GeschAnteils ausnahmsweise dann nicht angewendet, wenn sie dazu dient, den Abtretungsempfänger zum neuen Treuhänder zu machen1. Die Anteilsabtretung selbst unterliegt auch im Rahmen von Treuhandverhältnissen stets dem Beurkundungsbedürfnis nach § 15 Abs. 3. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Verpflichtung zur Abtretung formfrei begründet wurde und für Anteilsabtretungen zwischen alten und neuen Treuhändern2.

231

Der Gesellschaftsvertrag kann speziell einzelne oder alle Formen der Treuhandübertragung von GeschAnteilen ausschließen3. Sieht der Gesellschaftsvertrag ein allgemeines Zustimmungserfordernis bei der Abtretung von GeschAnteilen vor, so hängt – in Ermangelung einer ausdrücklichen statutarischen Regelung – die Frage nach dem Eingreifen dieser Bestimmung bei Treuhandabtretungen von der Art der Treuhand ab: Ist mit der Begründung des Treuhandverhältnisses eine Abtretung des GeschAnteils verbunden (Fälle der Übertragungstreuhand oder Erwerbstreuhand), so gelten hier auch allgemeine Vinkulierungsklauseln nach § 15 Abs. 54. Bei der Vereinbarungstreuhand (ohne Anteilsübertragung) ist im Rahmen einer Satzungsauslegung die Reichweite der Vinkulierungsklausel zu ermitteln, wenngleich im Zweifel wegen des regelmäßig mit Vinkulierungsklauseln verfolgten Zweckes ebenfalls von der Zustimmungsbedürftigkeit solcher Treuhandabreden auszugehen ist5. Auch bei der Abtretung von Treugeberrechten an einen Dritten (Treugeberwechsel) ist eine Satzungsauslegung vorzunehmen, die im Zweifel aus gleichen Gründen zum Eingreifen des statutarischen Zustimmungserfordernisses führen wird6.

232

Bei der Rückübertragung des GeschAnteils an den Treugeber sind ebenfalls die statutarisch vorgeschriebenen Abtretungsvoraussetzungen i.S. des § 15 Abs. 5, insbesondere ein Genehmigungserfordernis zu beachten7. War aber die Treu-

233

1 BGH, NJW 1954, 1157; BGH, NJW 1980, 1100, 1101; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 58; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 63. 2 BGH, NJW 1965, 1376, 1377. 3 Zutr. K. Müller, Sicherungsübertragung, S. 5 f. 4 RG, JW 1931, 2967; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 574; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 199; Armbrüster, S. 94 ff.; Däubler, GmbHR 1966, 243, 244. 5 Vgl. RGZ 69, 134, 137; RGZ 103, 195, 199; RGZ 159, 272, 280 ff.; OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 f.; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 200; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 215; a.M. OLG Hamm, GmbHR 1993, 656, 658; Beuthien, ZGR 1974, 26, 77 f.; Sieveking/Technau, AG 1989, 17, 19. 6 RGZ 159, 272, 280 f.; OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 201; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 57 f.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 213; Däubler, GmbHR 1966, 243, 246; a.M. Beuthien, ZGR 1974, 26, 39. 7 RG, JW 1931, 2967; BGH, LM § 15 Nr. 8; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 574; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 201; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 61; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 51.

H. Winter/Seibt

|

1137

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

handabtretung in Kenntnis dieser Besonderheit oder war danach die Übertragung der Treugeberstellung genehmigt worden, so umfasst die Genehmigung regelmäßig zugleich auch die Rückübertragung des GeschAnteils an den betreffenden Treugeber1, nicht dagegen diejenige auf einen sonstigen Erwerber des Rückübertragungsanspruchs. Die Zustimmung zur Rückübertragung ist mangels gegenteiligen Vorbehalts unwiderruflich. 234

Die Beantwortung der Frage, ob die Schaffung, Änderung oder Beendigung einer Treuhandstruktur einer statutarischen Vinkulierungsklausel i.S.v. § 15 Abs. 5 unterfällt, hängt in erster Linie von der betreffenden Satzungsbestimmung und ihrer Auslegung selbst ab (Schutzzweck), in der z.B. ausdrücklich ein Zustimmungserfordernis vor Begründung, Änderung oder Beendigung der Treuhandstruktur oder ein bestimmtes Verfahren geregelt sein kann, umgekehrt aber auch eine ausdrückliche Freistellung für die ansonsten erforderliche Zustimmung2. Ansonsten sind insbesondere zu berücksichtigen (i) sonstige Satzungsbestimmungen zur Schutzzweckbestimmung (z.B. Überfremdungsschutz oder Sicherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder spezifischer Fachkenntnisse des Gesellschafterkreises, (ii) die Realstruktur der Gesellschaft (z.B. kleiner und familiengebundener Gesellschafterkreis einerseits oder großer, personell nicht verbundener Gesellschafterkreis mit ausschließlichen Finanzinteressen andererseits), (iii) der Treuhandzweck (z.B. Sicherungs- oder Verwaltungstreuhand) und (iv) die Kenntnis und Praxis der Gesellschafter bei der Eingehung und Änderung von Treuhandverhältnissen3.

235

In Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte wird im Zweifel bei einem unspezifischen Zustimmungsvorbehalt bei rechtsgeschäftlichen Verfügungen zwischen folgenden Fällen zu unterscheiden sein: Die Anteilsübertragung auf einen Dritten, der diesen Anteil nicht für eigene Rechnung erwirbt, sondern für einen Treugeber (Erwerbstreuhand), unterfällt – eben wegen der Anteilsübertragung – der Vinkulierung4. Das Gleiche gilt für den Fall der Übertragungstreuhand, bei der ein Treuhänder den GeschAnteil vom Treugeber erwirbt, da die Gesellschafterstellung und somit die Rechtsausübungs- und Kontaktperson zu den übrigen Gesellschaftern auf den Treuhänder übergeht5. Die konkrete Person des (formal-juristischen) Gesellschafters und damit die Rechtsausübungsperson (z.B. Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen, Stimmrecht und 1 BGH, LM § 15 Nr. 8; BGHZ 77, 392, 396 f. (Kommanditanteil); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 201; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67, 119; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 10 Rdnr. 61; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 51; einschr. Roth/Thöni, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 263. 2 Für einen Formulierungsvorschlag zur ausdrücklichen Einbeziehung von Treuhandstrukturen s. Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, § 2 Rdnr. 201. 3 Zur konkludenten Erteilung einer Zustimmung der Gesellschafterversammlung durch entsprechende Behandlung jüngst BGH, ZIP 2006, 1343. 4 Vgl. RG, JW 1931, 2967; BayObLG, DB 1991, 1270, 1272; OLG Hamburg, DB 1993, 1081, 1082; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 199; Armbrüster, S. 94 ff.; Däubler, GmbHR 1966, 243, 244. 5 Vgl. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 199; Armbrüster, S. 96; offen Ulmer, in: FS Odersky, S. 873, 882.

1138

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4, Einsichts- und Auskunftsrecht nach § 51a) ist trotz der regelmäßigen Weisungsunterworfenheit des Treuhänders im Zweifel für die übrigen Gesellschafter von erheblichem Belang. Das Gleiche gilt beim Treuhänderwechsel1. Bei der Vereinbarungstreuhand, bei der ein Gesellschafter den von ihm gehaltenen GeschAnteil künftig für einen Dritten (Treugeber) treuhänderisch hält, findet zwar keine Anteilsübertragung statt, der Sinngehalt der Vinkulierungsklausel (Überfremdungsschutz des rechtlich und wirtschaftlich interessierten Gesellschafterkreises) verlangt aber auch hier die Zustimmungspflicht2. Aus dem gleichen Grund wird im Zweifel auch der Treugeberwechsel von der Vinkulierungsklausel erfasst3. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Auflösung der Treuhandstruktur mit Rückübertragung des GeschAnteils auf den Treugeber dann zustimmungsfrei ist (aber auch nur dann), wenn die Begründung der Treuhandstruktur gegenüber dem Entscheidungsgremium offen gelegt und entsprechend der statutarischen Vinkulierungsklausel behandelt wurde; die hierbei erfolgte Zustimmung impliziert nämlich im Regelfall auch die unwiderrufliche Zustimmung zur Aufhebung und Rückabwicklung der Treuhandstruktur4. Erfolgt die Anteilsabtretung auf den Treuhänder auflösend bedingt, so bedarf der Rückfall des GeschAnteils an den Treugeber im Regelfall keiner Zustimmung i.S.v. § 15 Abs. 55.

236

Bei Bestehen einer statutarischen Vinkulierung i.S.v. § 15 Abs. 5 haben die betroffenen Mitgesellschafter gegen den Treuhänder ein schutzwürdiges Interesse und einen materiellen Anspruch auf Benennung seines Hintermanns (Treugebers)6.

237

1 Huech/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 215. 2 Eb. RGZ 69, 134, 137; RGZ 103, 195, 199; RGZ 159, 272, 280 ff.; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668 (ob. dic.); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 200; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 215; Blaurock, S. 153 f.; Schaub, DStR 1995, 1634, 1637; a.M. OLG Hamm, GmbHR 1993, 656, 658 (im Rahmen der Prüfung des Ausschlusses des Gesellschafters = Treuhänders aus wichtigem Grund wegen Verstoßes gegen Vinkulierung); Beuthien, ZGR 1974, 26, 77 f.; Sieveking/Technau, AG 1989, 17, 19. 3 OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 200; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 215; Blaurock, S. 153 f.; Däubler, GmbHR 1966, 243, 246; a.M. für die verdeckte Treuhand Beuthien, ZGR 1974, 26, 34; Ulmer, in: Großkomm. HGB, § 105 Rdnr. 103; abw. bei Schutzzweck Sicherung der Leistungsfähigkeit des Gesellschafterkreises OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 668 (zur Unterbeteiligung). 4 BGH, NJW 1965, 1376, 1377 = GmbHR 1965, 155 m. abl. Anm. Gottschling; BGH, NJW 1980, 2708 f. (zur KG); BayObLG, DB 1991, 1270, 1272; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 200; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 58; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 67; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 215; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 53. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 200; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 62; vgl. auch KG, GmbHR 1997, 603, 605. 6 OLG Hamburg, GmbHR 1993, 507 f.

H. Winter/Seibt

|

1139

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

XI. Verwaltung nach Familien- und Erbrecht Schrifttum: Beitzke, Gesellschaftsvertrag und güterrechtliche Verfügungsbeschränkung, DB 1961, 21; Biddermann, Der minderjährige Gesellschafter, 1965; Biddermann, Zur Rechtsstellung des minderjährigen GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1966, 4; Braunhofer, Unternehmens- und Anteilsbewertung zur Bemessung von familien- und erbrechtlichen Ausgleichsansprüchen, 1995; v. Burchard, Die Befugnisse eines Testamentsvollstreckers in einer GmbH, GmbHR 1954, 150; Däubler, Die Vererbung des GeschAnteils bei der GmbH, 1965; Dörrie, Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personenhandelsgesellschaften und der GmbH, 1995; Dörrie, Erbrecht und Gesellschaftsrecht bei Verschmelzung, Spaltung und Formwechsel, GmbHR 1996, 245; Eiselt, Die Bedeutung des § 1365 BGB für Gesellschaftsverträge, JZ 1960, 562; Emmerich, Die Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsanteilen, ZHR 132 (1969), 297; Fischer, Kollision zwischen Gesellschaftsrecht und ehelichem Güterrecht, NJW 1960, 937; Goroney, Gesellschaftsrechtliche Probleme der Zugewinngemeinschaft unter bes. Berücksichtigung der Bewertungsfragen, Diss. Bonn 1965; Haegele, GmbH und Verfügungsbeschränkungen der Zugewinngemeinschaft, GmbHR 1965, 187; Haegele, GmbH und Zugewinnausgleich, GmbHR 1966, 24; Haegele, Vertragliche Güterrechte und GmbH, GmbHR 1968, 69, 95, 138, 159; Haegele, Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige im GmbH-Recht, GmbHR 1971, 198; Knopp, Über die Genehmigungsbedürftigkeit von Änderungen eines Gesellschaftsvertrages bei Beteiligung von Minderjährigen oder Mündeln, BB 1962, 939; Lenzen, Der Zugewinnausgleich bei Gesellschaftsbeteiligungen, BB 1974, 1050; Model/Haegele, Testament und Güterstand des Unternehmers, 1966; Moses, Über unwirksamen Beitritt zu einer GmbH, JherJ 52 (1908), 395; W. Müller, Zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bei GmbH-Beteiligungen von Minderjährigen, Mündeln und Pfleglingen, JR 1961, 326; Nagel, Familiengesellschaft und elterliche Gewalt, 1966; Ollig, Die Auslegung des § 1365 Abs. 1 BGB und sein Einfluss auf das Gesellschaftsrecht, Diss. Frankfurt 1964; Priester, Testamentsvollstreckung am GmbH-Anteil, in: FS Stimpel, 1985, S. 463; Rehmann, Testamentsvollstreckung an Gesellschaftsanteilen, BB 1985, 297; Reinicke, Verwaltungsbeschränkungen im Güterstand der Zugewinngemeinschaft und Gesellschaftsrecht, BB 1960, 1002; Ronkel, Einzelfragen zur Ehegatten- und Familien-GmbH, GmbHR 1968, 26; Rosenau, Beteiligung Minderjähriger an gesellschaftsrechtlichen Unternehmensformen, BB 1965, 1393; Rittner, Handelsrecht und Zugewinngemeinschaft (SonderNr. aus FamRZ), 1962; Schilling, Zur Ausübung fremder Gesellschafterrechte im eigenen Namen, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 208; Sommer, Der Testamentsvollstrecker im Handelsrecht, DNotZ 1936, 937; Sudhoff, Die Familien-GmbH, GmbHR 1973, 193; Tiedau, Zur Problematik des § 1365 BGB unter besonderer Berücksichtigung des Gesellschaftsrechts, MDR 1961, 721; Tiedau, Gesellschaftsrechtliche und erbrechtliche Probleme der Zugewinngemeinschaft, Dtsch. Notartag 1961, 97; Töteberg, Die Erbfolge in GeschAnteil und Mitgliedschaft bei der GmbH, Diss. Göttingen 1955; Tubbesing, Zur Auswirkung der Zugewinngemeinschaft auf die Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften, BB 1966, 829; Waldmann, Zur Frage der Notwendigkeit der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bei den Kapitalgesellschaften, ZAkDR 1943, 250; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Winkler, Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zu gesellschaftsrechtlichen Akten bei Beteiligung Minderjähriger, ZGR 1973, 177; Winkler, Der Testamentsvollstrecker, 17. Aufl. 2005; Winkler, Erwerb von GmbH-Anteilen durch Minderjährige und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung, ZGR 1990, 131; Zelz, Der Minderjährige in der GmbH, GmbHR 1959, 91. Zum Erbrecht vgl. auch Lit.-Ang. vor Rdnr. 24.

1140

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

1. Eheliches Güterrecht a) Zugewinngemeinschaft Beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB) steht jedem Ehegatten das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über sein Vermögen, also auch über einen ihm gehörenden GeschAnteil grundsätzlich allein zu (§ 1364 BGB). Eine Einschränkung gilt aber für Verfügungen des Ehegatten über sein Vermögen im Ganzen und für die entsprechenden Verpflichtungsgeschäfte, die nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten wirksam sind (§§ 1365 ff. BGB: absolute Veräußerungsverbote). Sie umfasst auch entgeltliche Verfügungen. Nach h.M. greift die Verfügungsbeschränkung auch dann ein, wenn über einen einzelnen Vermögensgegenstand, der das ganze oder doch nahezu das ganze Vermögen des Ehegatten bildet, verfügt wird und der beteiligte Dritte dies weiß oder jedenfalls die für die Beurteilung maßgeblichen Verhältnisse kennt1. Unter den genannten Voraussetzungen kann daher der Erwerb und die Veräußerung eines GeschAnteils wirksam nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten vorgenommen werden2, die formlos erteilt werden kann (§§ 182 ff. BGB). Fehlt die Zustimmung, ist das Rechtsgeschäft nichtig. Nach § 1365 Abs. 2 BGB kann das Vormundschaftsgericht die fehlende Zustimmung des Ehegatten ersetzen, wenn das Rechtsgeschäft den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht und die Zustimmung entweder ohne zureichenden Grund verweigert wurde oder nicht oder nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Die sich aus der Unwirksamkeit der Verfügung ergebenden Rechte kann auch der andere Ehegatte gegen den Dritten gerichtlich geltend machen (§ 1368 BGB). Die Verfügungsbeschränkung wirkt sich aber noch in anderen Beziehungen auf die Rechtsstellung des Anteilsinhabers aus, so dass u.U. ihr Ausschluss durch Ehevertrag gem. § 1408 BGB ratsam ist3.

238

Als eine Verfügung i.S.v. § 1365 BGB gilt auch die Vermögensübertragung an eine Gesamthand oder an eine juristische Person, an welcher der verfügende Ehegatte beteiligt ist4, und zwar unabhängig von der Gestaltung des betreffenden Gesellschaftsvertrages und die Beteiligungshöhe des Ehegatten. Die Zustimmung zur Einziehung (§ 34 Abs. 2) und die ordentliche Kündigung mit Einziehungs- oder Abtretungsfolge (s. Erl. zu § 60) sind nur rechtsgültig, wenn der andere Ehegatte darin eingewilligt hat (§§ 1365 Abs. 1, 1367 BGB)5. Für die

238a

1 BGHZ 35, 143 ff.; 43, 174 ff.; 64, 246, 247; 77, 293, 295; 123, 93, 95; BGH, ZIP 1996, 834, 835; st. Rspr. 2 Dasselbe gilt für die Abtretung des Anwartschaftsrechts auf den GeschAnteil; vgl. BGH, ZIP 1996, 834, 835 f. 3 Zur Zulässigkeit auch eines nur einseitigen Ausschusses BGH, NJW 1964, 1795; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 149. Die ehevertragliche Befreiung kann sich auf Verfügungen über den GeschAnteil beschränken; s. Staudinger/Thiele, § 1363 BGB Rdnr. 21. 4 BGHZ 35, 135, 144 f.; BGHZ 43, 174, 176; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; Staudinger/Thiele, § 1365 BGB Rdnr. 69 f.; a.M. Reinecke, BB 1960, 1003; Fischer, NJW 1960, 938 ff. 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 103. Für die Kündigung bestritten; vgl. dazu Soergel/Lange, Rdnr. 56; Staudinger/Thiele, Rdnr. 67; Koch, in: MünchKomm. BGB, Rdnr. 75, jeweils zu § 1365 BGB u. m.w.N.

H. Winter/Seibt

|

1141

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Preisgabe des GeschAnteils (§ 27) und den Austritt aus wichtigem Grund (s. Anh. § 34 Rdnr. 1 ff.) ist dies dagegen nicht anzunehmen1. Die Entscheidung über Nachschussleistungen aus eigenem Vermögen oder über die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses bei Unzumutbarkeit kann nicht an die Zustimmung eines anderen gebunden werden; mit dem Hinweis der ablehnenden Meinung2 auf die Möglichkeit, die verweigerte Einwilligung des Ehegatten nach § 1365 Abs. 2 BGB durch das Vormundschaftsgericht ersetzen zu lassen, wird das Problem nicht gelöst, sondern nur verlagert und zudem die Wirksamkeit der Preisgabe- bzw. Austrittserklärung wiederum von der zumindest teilweise nach anderen Gesichtspunkten zu treffenden Entscheidung eines anderen abhängig gemacht. Nicht anders liegt es bei der Auflösungsklage (§ 61), die überdies ebenso wie auch die zur Auflösung der Gesellschaft führende Kündigung (s. Erl. zu § 60) keine Verfügung über den GeschAnteil ist, sondern sich nur mittelbar auf ihn auswirkt3; die zweifache Analogie, wie sie die Befürworter der Anwendung des Verfügungsverbots auf diese Fälle4 voraussetzen, lässt sich nicht rechtfertigen. 239

Keine Verfügung über den GeschAnteil, sondern Ausübung eines sich aus ihm ergebenden Mitgliedschaftsrechts ist die Stimmabgabe (Rdnr. 178, 217). Die Mitwirkung des Ehegatten-Gesellschafters an einem Auflösungsbeschluss nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 oder einer Satzungsänderung fällt schon deswegen nicht unter §§ 1365, 1367 BGB5. Auch soweit zu einer Satzungsänderung die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erforderlich ist (s. Erl. zu § 53), bedarf diese grundsätzlich nicht der Einwilligung des anderen Ehegatten. Eine Ausnahme ist nach dem Zweck des § 1365 Abs. 1 BGB aber dann zu machen, wenn durch die Satzungsänderung der Anspruch auf den anteiligen Liquidationsüberschuss (s. Erl. zu § 72) oder der Abfindungsanspruch in den Ausscheidensfällen (bei Einziehung ohne Zustimmung oder bei Abtretungspflichten) ganz oder doch nahezu ganz ausgeschlossen werden soll6. Auch der Sicherungsübertragung und Pfandrechtsbestellung sind unter den oben genannten Voraussetzun-

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; Fischer, NJW 1960, 938, 942; Reinicke, BB 1960, 1002, 1005; H. F. Müller, Das Austrittsrecht des GmbH-Gesellschafters, 1996, S. 90 f.; Koch, in: MünchKomm. BGB, § 1365 Rdnr. 75; a.M. Haegele, GmbHR 1965, 190; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 103; Soergel/Lange, § 1365 BGB Rdnr. 56; Staudinger/Thiele, § 1365 BGB Rdnr. 67. 2 So z.B. Wiedemann, S. 264. 3 Eb. Fischer, NJW 1960, 942; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; s. auch Rdnr. 192. 4 So z.B. Beitzke, DB 1961, 24; Eiselt, JZ 1960, 564; Wiedemann, S. 263 f. für die Personengesellschaft; abw. Soergel/Lange, § 1365 Rdnr. 56; Staudinger/Thiele, § 1365 Rdnr. 67. 5 Im Erg. eb. Haegele, GmbHR 1965, 190 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 104; abw. für Auflösungsbeschluss Soergel/Lange, § 1365 BGB Rdnr. 56; Staudinger/Thiele, § 1365 BGB Rdnr. 67 m.w.N. 6 Vgl. dazu Soergel/Lange, § 1365 BGB Rdnr. 53; Staudinger/Thiele, § 1365 BGB Rdnr. 63; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; einschränkend Fischer, NJW 1960, 942 und Wiedemann, S. 262, die erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigungen genügen lassen; weitergehend Eiselt, JZ 1960, 563.

1142

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

gen unter § 1365 BGB fallende Verfügungen1, nicht aber die Nießbrauchsbestellung2. Es kann durch Ehevertrag gem. §§ 1408, 1410 BGB bestimmt werden, dass der einem Ehegatten gehörende Geschäftsanteil nicht dem Zugewinnausgleich unterliegt3.

240

b) Vertragliche Güterstände Keine gesellschaftsrechtlichen Probleme ergeben sich bei der Gütertrennung (§ 1414 BGB): Jeder Ehegatte ist ohne Einschränkung berechtigt, einen ihm gehörenden GeschAnteil zu verwalten und über ihn allein zu verfügen. Beim Bestehen der Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) kommt es demgegenüber für diese Fragen darauf an, zu welcher Vermögensmasse der GeschAnteil gehört (über die Formfrage beim Erwerb und bei der Auseinandersetzung vgl. Rdnr. 93). Sondergut wird er auch dann nicht, wenn seine Übertragbarkeit statutarisch ausgeschlossen ist (Rdnr. 135), da § 1417 Abs. 2 BGB insoweit nicht eingreift4. Wohl aber kann der GeschAnteil insbesondere durch ehevertragliche Vereinbarung oder durch Bestimmung des Erblassers oder des unentgeltlich Zuwendenden Vorbehaltsgut eines Ehegatten sein (§ 1418 Abs. 2 BGB). Dieser ist dann alleiniger Rechtsinhaber und kann den Anteil für eigene Rechnung verwalten sowie uneingeschränkt über ihn verfügen (§ 1418 Abs. 3 BGB). Gehört der GeschAnteil aber entsprechend dem gesetzlichen Regelfall zum Gesamtgut (§ 1416 BGB), so ist er, wenn der Ehevertrag nichts anderes vorsieht, von den Ehegatten gemeinschaftlich zu verwalten (§ 1421 BGB); im Verhältnis zur GmbH gilt § 18. Steht die Verwaltung des Gesamtguts dagegen nach dem Ehevertrag einem der Ehegatten zu, so übt dieser die Gesellschaftsrechte aus und ist über den GeschAnteil verfügungsberechtigt; der andere ist grundsätzlich von der Verwaltung ausgeschlossen (Ausnahmen: §§ 1423 ff., 1428 ff. BGB); § 18 ist nicht anwendbar5. Schenkungen kann der Verwaltungsberechtigte ohne Einwilligung des anderen nicht vornehmen (§ 1425 BGB); darunter wird nach dem Schutzzweck der Bestimmung z.B. auch die Zustimmung zu einer unentgeltlichen Einziehung zu verstehen sein. Erforderlich ist die Einwilligung ferner vor allem für Verpflichtungen zur Verfügung „über das Gesamtgut im Ganzen“ und, wenn sie nicht eingeholt war, für die entsprechenden Ausführungsgeschäfte (§ 1423 BGB); das oben Rdnr. 238 zu § 1365 BGB Ausgeführte gilt hier sinngemäß. Bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft (§§ 1483 ff. BGB) steht die Verwaltung des Gesamtguts (§ 1485 BGB) dem überlebenden Ehegatten zu, doch greifen die erwähnten Verfügungsbeschränkungen der §§ 1423, 1425 BGB ebenfalls ein (§ 1487 BGB). 1 BayObLG, FamRZ 1967, 338; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 146; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 103. 2 BGH, FamRZ 1966, 22. 3 BGH, ZIP 1997, 1287; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 151. 4 A.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 150; vgl. dazu Lutter, AcP 161 (1962), 163; Haegele, GmbHR 1968, 98. Zum Streitstand über die Geltung des § 1417 Abs. 2 BGB bei rechtsgeschäftlichem Ausschluss der Übertragbarkeit s. im Übrigen Kanzleiter, in: MünchKomm. BGB, § 1417 Rdnr. 3 f. m.w.N. 5 Haegele, GmbHR 1968, 98.

H. Winter/Seibt

|

1143

241

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

2. Elterliche Sorge 242

Zur Verwaltung des GeschAnteils, der einem unter elterlicher Sorge stehenden ehelichen Kinder gehört, sind grundsätzlich beide Eltern berechtigt und verpflichtet (§§ 1626, 1629 ff. BGB). Den bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheirateten Eltern steht die elterliche Sorge gemeinsam zu, wenn sie eine dementsprechende Sorgeerklärung abgeben oder wenn sie einander heiraten; andernfalls ist nur die Mutter sorgeberechtigt (§ 1626a BGB). Die gemeinsame elterliche Sorge ist einvernehmlich (aber nicht notwendig gemeinschaftlich) auszuüben (§ 1627 BGB). Können sich die Eltern nicht einigen, so kann das Vormundschaftsgericht, wenn die Regelung der Angelegenheit von erheblicher Bedeutung ist, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil – auch unter Beschränkungen oder Auflagen – übertragen (§ 1628 BGB). Die Vertretung des Kindes erfolgt durch beide Eltern gemeinsam (§ 1629 Abs. 1 BGB). Bei Willenserklärungen, die gegenüber dem Kind abzugeben sind, genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ausnahmsweise kann die elterliche Sorge oder deren Ausübung auch nur einem Elternteil zustehen (§§ 1671 f., 1678 ff. BGB). Die Inhaber der elterlichen Sorge üben in sowie gegenüber der GmbH die Rechte aus dem GeschAnteil des Minderjährigen aus und sind über ihn verfügungsberechtigt. Sie haben ein Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen (die Ladung muss ihnen zugehen) und sind zur Stimmabgabe befugt. Das gilt auch dann, wenn sie bei Beschlüssen über Geschäftsführungsmaßnahmen oder sonstigen, sich in den Grenzen des Gesellschaftsvertrages haltenden gemeinsamen Angelegenheiten an der Abstimmung zugleich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten teilnehmen; § 181 BGB ist insoweit nicht anwendbar1. Anders liegt es bei Entscheidungen über die Gesellschaftsgrundlagen, insbesondere bei Satzungsänderungen2, und über die den gesetzlichen Vertreter persönlich betreffenden Rechtsverhältnisse3. Ebenso kann nach § 181 BGB außerhalb der Beschlussfassung ihre Vertretungsmacht ausgeschlossen sein. Entsprechendes ist für die Fälle der §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB anzunehmen. Erforderlich ist daher in diesen Fällen zur wirksamen Vertretung der Minderjährigen die Bestellung eines Ergänzungspflegers gem. § 1909 BGB (Rdnr. 246); soweit es sich wie z.B. bei Satzungsänderungen um die Regelung des Rechtsverhältnisses unter mehreren als Gesellschafter beteiligten Minderjährigen handelt, muss für jeden von ihnen ein besonderer Pfleger vorhanden sein. Die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern mit Wirkung für das Kind begründet haben, beschränkt sich auf den Bestand seines bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens (§ 1629a BGB).

243

Der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfen die Inhaber der elterlichen Sorge in den Grenzen des § 1643 BGB. Die Zustimmung zu einer Satzungsänderung ist nicht (wie das von einigen für Personengesellschaften ange1 BGHZ 65, 93, 96 ff. 2 BGHZ 65, 93, 95 f. (KG); BGH, GmbHR 1988, 337, 338 (GmbH). Vgl. im Übrigen 9. Aufl., § 47 Rdnr. 180, § 53 Rdnr. 101 f., 103; Ulmer, in: Hachenburg, 8. Aufl., § 53 Rdnr. 54 f. m.w.N. 3 Näheres dazu 9. Aufl., § 47 Rdnr. 181 m.w.N. Zur Geschäftsführerbestellung des Vertreters BGHZ 51, 209, 214 f.; 108, 21, 24 f.; BGH, ZIP 1991, 25, 26 (GbR).

1144

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

nommen wird) schon deswegen genehmigungspflichtig, weil es die Beteiligung an der Gründung oder der Erwerb des GeschAnteils (s. unten) war (s. 9. Aufl., § 53 Rdnr. 104)1, sondern maßgebend für die Erforderlichkeit der Genehmigung kann immer nur die jeweilige Änderung sein, so z.B. wenn ihr Gegenstand die Begründung einer Nebenleistungspflicht des Minderjährigen i.S. der §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 5 oder 10 BGB ist (wegen der Übernahme von Einlagen bei der KapErhöhung s. 9. Aufl., § 55 Rdnr. 105 f.). Der entgeltliche Erwerb und die Veräußerung (bei Unentgeltlichkeit ist § 1641 BGB zu beachten) eines GeschAnteils fällt grundsätzlich nicht unter das Genehmigungserfordernis der §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 3 BGB, auch wenn die GmbH „ein Erwerbsgeschäft“ betreibt2; anders ist i.d.R.3 beim Erwerb und bei der Veräußerung (nahezu) aller GeschAnteile zu entscheiden, während die überwiegend befürwortete Ausdehnung auf eine den Umständen des Einzelfalls nach wirtschaftlich dem Unternehmensbesitz gleichkommende erhebliche Beteiligung4 nicht mit dem Gesetzeszweck des § 1822 Nr. 3, Alt 1. u. 2 BGB vereinbar ist und überdies die Rechtssicherheit gefährdet5. Der Erwerb eines GeschAnteils ist aber nach § 1822 Nr. 10 BGB dann genehmigungspflichtig, wenn der Minderjährige dabei eine Verbindlichkeit übernimmt, für die im Innenverhältnis zu ihm der bisherige Schuldner haftet und ersatzpflichtig ist. Das trifft zu, wenn eine Haftung des Minderjährigen für rückständige Leistungen seines Rechtsvorgängers auf den GeschAnteil (§ 16 Abs. 3), für ausstehende Einlageleistungen anderer Gesellschafter (§ 24) oder für bestehende Erstattungsforderungen wegen gegen § 30 verstoßender Zahlungen (§ 31 Abs. 3) in Betracht kommt und ihm nach dem Veräußerungsgeschäft bei einer Inanspruchnahme durch eine Gesellschaft die rechtliche Möglichkeit zum Regress verbleiben soll6. Das Genehmigungserfordernis greift dagegen nicht schon deswegen ein, 1 Überzeugend dazu Winkler, ZGR 1973, 193 ff. 2 BGHZ 107, 24, 28 ff.; KG, KGJ 34 A 89; JW 1927, 2578; NJW 1976, 1946 f.; Winter/ Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 275; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 24; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 111 f.; Wagenitz, in: MünchKomm. BGB, § 1822 Rdnr. 17; abw. für den Erwerb Meyer-Landrut, Rdnr. 7. 3 Zum Treuhanderwerb RGZ 133, 12. 4 KG, JW 1926, 600; 1927, 2578; NJW 1976, 1946 f.; OLG Hamm, WM 1984, 1314; Feine, S. 66 Fn. 7; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 111 f.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 215; Soergel/Zimmermann, § 1822 BGB Rdnr. 17 (75%); Staudinger/Engler, §§ 1821, 1822 BGB Rdnr. 69; Wagenitz, in: MünchKomm. BGB, § 1822 Rdnr. 17; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 276, die aber bei der Annahme eines solchen Tatbestandes Zurückhaltung für geboten halten. 5 Hachenburg, JW 1926, 600; Zelz, GmbHR 1959, 92; Müller, JR 1961, 329; Wiedemann, S. 247 f.; Winkler, ZGR 1973, 186 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 24; krit. auch Damrau, Rpfleger 1985, 62 ff. m.w.N.; offen gelassen von BayObLG, BB 1985, 1149. 6 BGHZ 107, 24, 28 ff.; KG, NJW 1962, 55; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 277; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 112; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 216; Soergel/Zimmermann, § 1822 BGB Rdnr. 42. Einschr. auf die Haftung für Mitgesellschafter nach §§ 24, 31 Abs. 3 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Meyer-Landrut, Rdnr. 8, wäh-

H. Winter/Seibt

|

1145

244

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

weil es theoretisch möglich ist, dass ein Gesellschafter erst nach der Anteilsübertragung unter Verstoß gegen § 30 Leistungen erhielt und nicht nach § 31 erstatten kann1. Bildet der GeschAnteil das ganze oder doch nahezu das ganze Vermögen des Minderjährigen, so ist zur Veräußerung auch bei Kenntnis des Erwerbers keine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich, da nach der nicht unbedenklichen h.M.2 das Erfordernis einer Verpflichtung zur Verfügung über das Vermögen im Ganzen für § 1822 Nr. 1 BGB enger ausgelegt wird als für §§ 1365, 1423 BGB (Rdnr. 238, 241). Keine Veräußerung i.S. des § 1822 Nr. 1, 3 BGB sind die Stimmabgabe für einen Auflösungsbeschluss3, die Erhebung der Auflösungsklage (§ 61) oder die die Auflösung bewirkende Kündigung (s. Erl. zu § 60); die Sollvorschrift des § 1823 BGB betrifft nur den Vormund, nicht die Eltern. Ob für die Kündigung mit Ausscheidungsfolge oder für die Zustimmung zur Einziehung etwas anderes anzunehmen ist, mag offenbleiben, da eine Genehmigungspflicht jedenfalls nach dem oben Gesagten praktisch nicht in Betracht kommt.

3. Vormund, Pfleger und Betreuer 245

Für den Vormund über einen Minderjährigen (§§ 1793 ff. BGB) gelten die Ausführungen in Rdnr. 242 ff. mit der Maßgabe entsprechend, dass der Kreis der genehmigungspflichtigen Geschäfte erweitert ist. Von Bedeutung ist im vorliegenden Zusammenhang vor allem, dass dazu auch der Erbteilungsvertrag (§ 1822 Nr. 2 BGB), d.h. also die Zuteilung eines GeschAnteils aus einem Nachlass an einen Erben gehört (zur Form s. Rdnr. 93).

246

Die Befugnisse des Pflegers ergeben sich aus seiner vormundschaftsgerichtlichen Bestellung. In Frage kommt: Fürsorge und gesetzliche Vertretung in Angelegenheiten, an deren Besorgung der Sorgeberechtigte oder Vormund verhindert ist, z.B. bei der Stimmabgabe im Falle von Satzungsänderungen infolge Verhinderung nach § 181 BGB (Rdnr. 242), bei Abtretung des GeschAnteils des Minderjährigen an die Eltern (Vormund; vgl. § 181 BGB) oder Verwaltung des GeschAnteils durch den Pfleger, wenn den Eltern oder dem Vormund die Verwaltung nicht zusteht (§§ 1630, 1638, 1795, 1796, 1909 BGB). Im Rahmen dieser Verwaltung steht der Pfleger völlig an Stelle des Anteilseigners (Pfleglings). Dagegen kommt es bei der Abwesenheitspflegschaft (§ 1911) für einen volljährigen Gesellschafter ganz auf den Geschäftsumfang an, den das Vormundschaftsgericht der Pflegschaft zugewiesen hat. Ist der Volljährige geschäftsfähig, so ist sein Pfleger nur ein staatlich bestellter Bevollmächtigter4; ist jener ganz oder beschränkt geschäftsunfähig, so ist der Pfleger im Rahmen seines Aufgabenbereichs gesetzlicher Vertreter5.

1 2 3 4 5

rend Wiedemann, S. 248; Winkler, ZGR 1973, 188 die Anwendbarkeit des § 1822 Nr. 10 BGB überhaupt verneinen. BGHZ 107, 24, 28 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 277; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 4; a.M. KGJ 44 A 145; KG, JW 1927, 2578. RGZ 69, 420; 94, 314; BGH, LM § 1643 BGB Nr. 2. BGHZ 52, 319, 202 ff. KG, HRR 1929, 1651; a.M. OLG Celle, FamRZ 1963, 465. KG, HRR 1929, 1651.

1146

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Der Aufgabenkreis eines Betreuers (§§ 1896 ff. BGB) wird in der vormundschaftsgerichtlichen Bestellung festgelegt. Er kann entsprechend der Betreuungsnotwendigkeit umfassend sein oder sich auf bestimmte Angelegenheiten, z.B. die Vermögenssorge oder auch nur die Verwaltung des Geschäftsanteils beschränken (§ 1896 Abs. 2 BGB). Der Betreuer vertritt den Betreuten in seinem Aufgabenkreis gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB); er hat dabei die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Die Geschäftsfähigkeit eines Betreuten wird durch die Bestellung nicht berührt, aber soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für seine Person oder sein Vermögen erforderlich ist, ordnet das Vormundschaftsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf; ausgenommen sind rechtlich lediglich vorteilhafte Willenserklärungen (§ 1903 Abs. 1 u. 3 BGB). Ein geschäftsunfähiger Betreuter kann dagegen nur durch den Betreuer als gesetzlichen Vertreter am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilnehmen (§§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB). Auf die Betreuung sind die in § 1908i BGB genannten vormundschaftsrechtlichen Vorschriften sinngemäß anzuwenden, insbesondere gilt das auch für den Ausschluss der Vertretungsmacht gem. §§ 1795 f. BGB und für die vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen gem. § 1822 BGB (Rdnr. 242 ff., 245). Der Gesellschaftsvertrag kann die Ausübung der Gesellschafterrechte durch den Betreuer nicht ausschließen oder beschränken1.

247

4. Nachlasspfleger Dieser ist vom Nachlassgericht im Bedarfsfalle zu bestellen zur Vertretung des noch unbekannten Erben, insbes. wenn Nachlassforderungen geltend gemacht werden sollen (§§ 1960 ff. BGB). Gehört also zum Nachlass ein GeschAnteil, so verwaltet der Nachlasspfleger diesen nach Maßgabe seiner Bestallung. Alle Rechtshandlungen zwischen der GmbH und dem (noch unbekannten) Anteilseigner sind im Verhältnis zwischen GmbH und Nachlasspfleger abzuwickeln; dieser ist im Rahmen seiner Aufgaben gesetzl. Vertreter des noch ungewissen Erben2.

248

5. Nachlassverwalter Nachlassverwalter werden vom Nachlassgericht auf Antrag des Erben oder eines Nachlassgläubigers zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger eingesetzt (§ 1975, 1981 BGB). Zur Verwaltung des Nachlasses und zur Verfügung über ihn ist nur der Nachlassverwalter befugt (§§ 1984 f. BGB). Er verfügt also über einen zum Nachlass gehörenden GeschAnteil. Da er die Nachlassgläubiger aus dem Nachlass (nicht aus anderem Vermögen) zu befriedigen oder sicherzustellen hat, kann er auch den GeschAnteil veräußern, ist dabei aber an etwaige statutarische Abtretungsvoraussetzungen (Rdnr. 107 ff.) gebunden3. Bis dahin übt er die mit dem Anteil verknüpften Rechte aus; höchstpersönliche 1 BGHZ 44, 98, 100 ff. zu § 1910 a.F. BGB. 2 RGZ 76, 125; BGH, LM § 1960 BGB Nr. 3. 3 Abw. Däubler, S. 15 f.

H. Winter/Seibt

|

1147

249

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Rechte, wie z.B. die mit dem GeschAnteil verbundene GeschFührungsbefugnis, stehen ihm nicht zu. Forderungen der GmbH, soweit vor dem Erbfall, wenn auch bedingt oder betagt, entstanden (Nachlassforderungen), sind nur ihm gegenüber geltend zu machen und nur aus dem Nachlass zu befriedigen. Der Erbe haftet nach Beendigung der Nachlasspflegschaft nur „beschränkt“, d.h. nur mit dem etwa noch vorhandenen Nachlassvermögen (§§ 1975, 1990 BGB). Nach dem Erbfall entstandene Forderungen der GmbH sind keine Nachlassforderungen; für diese haftet der Erbe als Gesellschafter unbeschränkt.

6. Testamentsvollstrecker 250

Die Testamentsvollstreckung am GeschAnteil ist gesellschaftsrechtlich ohne Rücksicht darauf zulässig, ob sie zwecks Abwicklung (§§ 2203 ff. BGB) oder Verwaltung (§ 2204 BGB) angeordnet ist1. Die personalistische Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses steht ihr nicht entgegen. Der Gesellschaftsvertrag kann aber die Ausübung der Mitverwaltungsrechte aus dem GeschAnteil durch den Testamentsvollstrecker ausschließen, von dessen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Personenkreis abhängig machen oder sonst sachlich einschränken2. Statutarische Beschränkungen der Vertretung bei der Ausübung von Mitgliedschaftsrechten gelten trotz der besonderen Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers im Zweifel auch für ihn3. Soweit der Testamentsvollstrecker durch den Gesellschaftsvertrag an der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte verhindert ist, steht sie dem Erben zu4. Ob die vermögensrechtlichen Ansprüche aus dem GeschAnteil (auf Gewinn, Abfindung, Liquidationserlösquote u.a.) auch bei zeitweiser Undurchführbarkeit der testamentarischen Anordnung der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegen sollen, ist durch Auslegung des Erblasserwillens festzustellen. Der Ausschluss oder die Beschränkung der Abtretbarkeit des GeschAnteils (Rdnr. 107 ff.) sind grundsätzlich ohne Einfluss auf die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung.

251

Der Aufgabenkreis des Testamentsvollstreckers kann sehr verschieden sein, da hier der Wille des Erblassers maßgebend ist, den er zu vollstrecken hat (§§ 2203, 2208, 2209 BGB). Mangels testamentarischer Einschränkung hat er, unter Ausschluss des (der) Erben (§§ 2205, 2211 BGB), den gesamten Nachlass 1 BGHZ 108, 21, 23; BGH, NJW 1959, 1820; GmbHR 1977, 244, 246; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 574 f.; Priester, in: FS Stimpel, 1985, S. 463; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 13; Wiedemann, S. 338; Nagler, Die zweckmäßige Nachfolgeregelung im GmbH-Vertrag, 1998, S. 220 ff.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 71; einschr. für die Verwaltungsvollstreckung Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 130. 2 BGH, NJW 1959, 1820; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 53; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Nagler, Die zweckmäßige Nachfolgeregelung im GmbH-Vertrag, S. 222 ff.; a.M. Wiedemann, S. 398; Petzoldt, GmbHR 1977, 28; Priester, in: FS Stimpel, S. 463, 471. 3 Vgl. Schilling, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 208, 217; Priester, in: FS Stimpel, S. 471 f. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 29; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 53.

1148

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

zu verwalten und kann über ihn verfügen (§§ 2205 f. BGB), doch nicht unentgeltlich (§ 2205 Satz 3 BGB); die Verwaltung und Verfügung kann auch auf einzelne Nachlassgegenstände, z.B. auf den zum Nachlass gehörenden GeschAnteil, beschränkt sein (§§ 2205, 2208 BGB). Unzulässig ist dagegen die auf ein selbständig nicht übertragbares Mitgliedschaftsrecht beschränkte Testamentsvollstreckung, so z.B. die bloße Einräumung des Stimmrechts1. Im Übrigen kann aber auch bei der Verwaltung eines GeschAnteils der Umfang letztwillig bestimmt werden, § 2208 BGB2. War ohne Einschränkung die Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker angeordnet, so ist dieser unter Ausschluss der Gesellschaftererben berechtigt und verpflichtet, grundsätzlich alle sich aus dem GeschAnteil ergebenden Rechte, insbesondere auch – vorbehaltlich etwaiger Beschränkungen des Gesellschaftsvertrages (Rdnr. 250) – die Mitverwaltungsrechte wahrzunehmen3. Ausgenommen sind jedoch höchstpersönliche Gesellschafterrechte, z.B. ein dem Gesellschafternachfolger statutarisch eingeräumtes persönliches Geschäftsführungsrecht4. Insichgeschäfte kann er analog § 181 BGB grundsätzlich nur dann rechtswirksam vornehmen, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung oder die Erben dies gestattet haben5; zur Anwendung der Stimmverbote aus § 47 Abs. 4 s. die dortigen Erl. Die Informationsund Kontrollrechte stehen dem Testamentsvollstrecker zu und sind durch ihn pflichtgemäß (§ 2216 Abs. 1 BGB) wahrzunehmen6. Er hat, soweit seine Verwaltungsbefugnis reicht, auch das Recht zur Anfechtung der Gesellschafterbeschlüsse7. Rechtshandlungen der GmbH haben ihm gegenüber zu erfolgen8. Der Testamentsvollstrecker kann an satzungsändernden Beschlüssen (§ 53) mitwirken und auch, wenn dies der letztwilligen Verfügung entspricht, ohne Einwilligung der Erben eine zusätzlich erforderliche Zustimmung zur Satzungsänderung wegen Eingriffs in Sonderrechte oder relativ unentziehbare Mitgliedschaftsrechte, Leistungsvermehrung oder Abweichung vom Gleichbehandlungs1 Schilling, in: FS W. Schmidt, S. 217; Vogel, GmbHR 1971, 132, 137; Priester, in: FS Stimpel, S. 468; Koch, Die Zuordnung des vererbten GmbH-GeschAnteils, Diss. Heidelberg 1981, Fn. 8; Nagler, Die zweckmäßige Nachfolgeregelung im GmbH-Vertrag, S. 224; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 72; Groß, GmbHR 1994, 596, 597 Fn. 5; a.M. OLG Hamm, BB 1956, 511; Wiedemann, S. 338; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 29 a.E.; Haegele, Rpfleger 1969, 186, 187. 2 H.M.; abw. v. Burchard, GmbHR 1954, 151; Schilling, in: FS W. Schmidt, S. 217. 3 BGH, GmbHR 1959, 256; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 575; v. Burchard, GmbHR 1954, 150 ff.; Däubler, S. 39 ff.; Schilling, in: FS W. Schmidt, S. 217; Wiedemann, S. 338; Priester, in: FS Stimpel, S. 472 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 30; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 50; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 76. 4 Schilling, in: FS W. Schmidt, S. 217; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 78. Anders liegt es, wenn das Geschäftsführungsrecht zwar als Anteilsbestandteil gewollt, aber nicht personengebunden ist; vgl. Priester, in: FS Stimpel, S. 472; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 31; Koch, Die Zuordnung des vererbten GmbH-GeschAnteils, S. 194. 5 BGHZ 30, 67, 69 ff.; 51, 209, 214 f.; 108, 21, 24 f.; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 30. 6 BGH, NJW 1959, 1820, 1821 f. 7 BGHZ 108, 21, 23; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 446; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 30. 8 Priester, in: FS Stimpel, S. 472 f.

H. Winter/Seibt

|

1149

252

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

grundsatz erteilen1. Es ist nicht sinn- und wertungsgerecht, den gesellschaftsrechtlichen Kernbereichsschutz, den die Gegenmeinung heranzieht, auf das völlig anders geartete Rechtsverhältnis zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben zu übertragen2. Eine Zustimmung ist dagegen erforderlich, wenn seine Erklärungen (Stimmabgabe und/oder Zustimmung) als eine das Anteilsrecht inhaltlich umgestaltende unentgeltliche Verfügung i.S. des § 2205 Satz 3 BGB zu qualifizieren sind; es gelten hierfür dieselben Beurteilungsmaßstäbe wie für entsprechende Verfügungen des Vorerben (Rdnr. 41)3. Neue Gesellschafterpflichten darf er im Rahmen der §§ 2206, 2207 BGB ohne Zustimmung der Erben unter der Voraussetzung begründen, dass ihre Erfüllung aus dem Nachlass gesichert oder die Haftung auf ihn beschränkt ist4; seine Zustimmungsbefugnis gem. § 53 Abs. 3 ist insoweit eingeschränkt. Einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen darf er deshalb im Hinblick auf § 24 auch ohne eigene Beteiligung nur zustimmen, wenn die sofortige Einlageleistung der Übernehmer festgelegt und gewährleistet ist oder wenn der Nachlass für die Ausfallhaftung ausreicht5. Er selbst ist zur Übernahme einer Stammeinlage nur befugt, wenn sie sofort fällig und aus Nachlassmitteln zu erbringen ist6. Auch bei Umwandlungen kann aus den vorgenannten Gründen im Einzelfall eine Zustimmung erforderlich sein7. Die Mitwirkung an einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist dagegen uneingeschränkt zulässig. Zum Rückerwerb eines Treuhandanteils vgl. BayObLG, GmbHR 1991, 572, 575. 253

Unentgeltliche Verfügungen über den GeschAnteil oder über die aus ihm sich ergebenden Vermögensansprüche sind dem Testamentsvollstrecker nicht gestattet (§ 2205 Satz 3 BGB). Nicht darunter fallen Abtretungen oder Belastungen, die er in Vollzug einer Teilungsanordnung des Erblassers8 oder in Erfüllung von Vermächtnissen oder testamentarischen Auflagen9 vorgenommen hat. Eine 1 Lorz, in: FS Boujong, 1996, S. 319 ff.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 87 ff.; a.M. Priester, in: FS Stimpel, S. 481 ff.; K. Schmidt, GesR, § 35 II 3c; Heinemann, GmbHR 1985, 349; Ulmer, NJW 1990, 73, 79 ff.; s. auch Wiedemann, S. 338. BGHZ 108, 187, 198 ff. hat die ähnliche Frage für Kommanditanteile offen gelassen. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32; Brandner, in: FS Kellermann, 1991, S. 37, 44 f.; Lorz, in: FS Boujong, S. 319 ff.; Rowedder, in: FS Goerdeler, 1987, S. 445, 464 f.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 88; Hehemann, BB 1995, 1301, 1309 f.; abw. Ulmer, ZHR 146 (1982), 555, 564 ff.; NJW 1990, 73, 79/80 f.; Priester, in: FS Stimpel, S. 481 ff.; Nagler, Die zweckmäßige Nachfolgeregelung im GmbH-Vertrag, S. 221; Raddatz, Die Nachlasszugehörigkeit vererbter Personengesellschaftsanteile, 1991, S. 173 ff. 3 Priester, in: FS Stimpel, S. 475 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 77 ff. 4 Däubler, S. 41; Priester, in: FS Stimpel, S. 479; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 81 ff.; a.M. v. Burchard, GmbHR 1954, 152 f.; Wiedemann, S. 338. 5 Groß, GmbHR 1994, 598; Priester, in: FS Stimpel, S. 479; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 83; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32. 6 Priester, in: FS Stimpel, S. 478; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32; Groß, GmbHR 1994, 598. 7 Vgl. dazu Dörrie, GmbHR 1996, 245 ff.; weitergehend Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl. 2006, § 13 Rdnr. 34, die zu Unrecht generell eine Zustimmung verlangen. 8 OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 504, 507. 9 RGZ 105, 246, 248; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 504, 507.

1150

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

unentgeltliche Verfügung des Testamentsvollstreckers ist im Übrigen anzunehmen, wenn er damit aus der Erbmasse ein Opfer ohne gleichwertige Gegenleistung erbringt und er dies weiß oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung erkennen müsste1; bei Verfügungen im Rahmen der Auseinandersetzung unter Miterben (§ 2204 BGB) kommt es auf den Wert der weggefallenen Gesamthandsbeteiligung an2. Die angeführten Beurteilungskriterien gelten nicht nur für die Veräußerung und Belastung des GeschAnteils, sondern auch für Verfügungen des Testamentsvollstreckers durch die Zustimmung zur Einziehung (§ 34 Abs. 2) oder durch Ausscheidenskündigung; die für die Abfindung maßgebende statutarische Bewertungsklausel kann in diesen Fällen zu einer teilweisen unentgeltlichen Verfügung führen3. Über Besonderheiten bei Verfügungen über den GeschAnteil durch die Mitwirkung an Satzungsänderungen vgl. oben Rdnr. 252. Der Testamentsvollstrecker haftet gem. §§ 2216, 2219 BGB für die ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses.

XII. Der Geschäftsanteil im Insolvenzverfahren 1. Insolvenz des Gesellschafters Die Insolvenz des Gesellschafters bewirkt, dass dessen GeschAnteil mit dem Zeitpunkte der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehört (§ 35 InsO), gleichviel ob die Satzung für den Fall der Anteilsabtretung oder des Insolvenzverfahrens usw. Beschränkungen (§ 15 Abs. 5) vorsieht. Das für den Fall der Pfändung eines GeschAnteils in Rdnr. 202 ff. Gesagte, auch soweit es unentgeltliche Einziehung des Anteils betrifft, gilt grundsätzlich auch für das Insolvenzverfahren4, eine Abweichung besteht jedoch entsprechend den in Rdnr. 196 a.E. behandelten Einziehungsfällen insofern, als ein Einziehungsrecht, dessen statutarische Voraussetzungen ganz oder teilweise erst nach der Beschlagnahme erfüllt worden sind, den Insolvenzgläubigern gegenüber auch dann nicht wirksam erworben ist, wenn der Erwerb nicht auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruht5. Der Insolvenzverwalter, als staatlich eingesetzte Amtsperson, übt die Verwaltungsrechte, also auch das Stimmrecht, aus dem zur Insolvenzmasse gehörigen GeschAnteil aus (§ 80 InsO), auch wenn die Satzung Vertretung bei der Abstimmung nicht zulässt; sie kann aber dessen Ruhen für den Insolvenzfall anordnen6. Höchstpersönliche Gesellschafterrechte kann er nicht wahrnehmen, wohl aber mit dem GeschAnteil verbundene Rech-

1 RGZ 105, 246, 248; BGHZ 57, 84, 89 f.; BGH, NJW 1963, 1613, 1614; KG, Rpfleger 1972, 58; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 504, 507; vgl. dazu auch Zimmermann, in: MünchKomm. BGB, § 2205 Rdnr. 72; Soergel/Damrau, § 2205 BGB Rdnr. 75, jeweils m.w.N. 2 BGH, NJW 1963, 1613, 1615; OLG Düsseldorf, GmbHR 1990, 504, 507. 3 Näher dazu Priester, in: FS Stimpel, S. 474 f. m.w.N. 4 RGZ 70, 64, 67; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 55. 5 Wolany, Rechte und Pflichten der Gesellschafter einer GmbH, 1964, S. 145; H. Winter, GmbHR 1967, 208. 6 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 316; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; a.M. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 151.

H. Winter/Seibt

|

1151

254

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

te zur Bestellung des Geschäftsführers oder zur Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds1. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Anteilsinhabers bleibt jedoch bestehen, wenn das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung der Insolvenzmasse angeordnet hat (§§ 270 f. InsO); die Anteilsrechte werden dann weiter durch ihn unter Aufsicht und, soweit besonders angeordnet, mit Zustimmung eines Sachwalters ausgeübt (§§ 270, 274 f.; 277 InsO); der Sachwalter ist an der Gesellschafterversammlung teilnahmeberechtigt. 255

Pfändungen des Geschäftsanteils (Zwangsvollstreckungen und Arreste; Rdnr. 195) seitens eines Insolvenzgläubigers sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens unzulässig (§ 89 Abs. 1 InsO); früher begründete Pfandrechte bleiben bestehen, soweit sie nicht anfechtbar sind (§§ 129 ff. InsO), und können zu abgesonderter Befriedigung führen (§ 50 InsO). Das Insolvenzgericht kann auf Antrag des Verwalters und nach Anhörung des Gläubigers eine Frist zur Verwertung durch ihn bestimmen; nach Fristablauf ist der Verwalter zur Verwertung berechtigt (§ 173 InsO). Der Insolvenzplan kann die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger abweichend regeln, insbesondere auch ihre Rechte kürzen (§§ 217, 221, 223 InsO).

256

Der Insolvenzverwalter oder, wenn die Eigenverwaltung angeordnet ist (Rdnr. 254), der Gesellschafter kann den GeschAnteil verkaufen, und zwar, da es sich um einen Akt der Zwangsvollstreckung handelt, ohne Rücksicht auf satzungsmäßige Abtretungsbeschränkungen i.S.v. § 15 Abs. 5 (Rdnr. 202)2; allderings greift bei einer provozierten Insolvenz der Einwand des Rechtsmissbrauchs. Die freihändige Veräußerung des GeschAnteils bedarf allerdings der Form des § 15 Abs. 3 und Abs. 43. Insolvenzverwalter bzw. Gesellschafter haben für die Veräußerung die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen (§§ 160 Abs. 1 u. 2 Nr. 1, 276 InsO); ein Verstoß hiergegen berührt ihre Wirksamkeit aber nicht (§§ 164, 276 InsO). Enthält der rechtskräftig bestätigte Insolvenzplan die Willenserklärung eines Beteiligten über die Abtretung des GeschAnteils oder über die Verpflichtung hierzu, so ersetzt er insoweit die Formen der Abs. 3 und/oder 4 (§ 254 Abs. 1 InsO). Für den Erwerb gilt im Verhältnis zur GmbH der § 16 (Rdnr. 209). Weiteres über die Gesellschafterinsolvenz s. bei § 16 Rdnr. 47 u. bei § 64. Aufgelöst wird die GmbH durch das Insolvenzverfahren nur dann, wenn dies im Gesellschaftsvertrag als Auflösungsgrund vorgesehen ist (§ 60 Abs. 2).

257

In der Insolvenz des Treugebers kann der Insolvenzverwalter bei der echten uneigennützigen Treuhand (Verwaltungstreuhand) von dem Treuhänder Her-

1 Zutr. Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 151. 2 BGHZ 65, 22, 24 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 316; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 67; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 251; a.M. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 57; Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 251. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 316; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 64; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 251; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 67; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 57; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 153.

1152

|

H. Winter/Seibt

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

ausgabe des GeschAnteils verlangen; hier ist der GeschAnteil haftungsrechtlich nämlich dem Treugeber zugeordnet1. Bei der eigennützigen Treuhand (Sicherungstreuhand) hat der Treuhänder nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 51 Nr. 1 InsO2. In der Insolvenz des Treuhänders hat der Treugeber sowohl bei der echten uneigennützigen Treuhand (Verwaltungstreuhand) als auch bei der Sicherungstreuhand ein Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO3. Dabei ist es unerheblich, in welche Weise der Treuhänder das Treugut erworben hat4. Allerdings steht das Aussonderungsrecht bei den eigennützigen Treuhand unter der Voraussetzung, dass der Treugeber die gesicherte Forderung tilgt, da ansonsten der Sicherungsfall noch eintreten könnte. Bei der uneigennützigen Treuhand (Verwaltungstreuhand) wird in der Unternehmenspraxis das Treugut unter der auflösenden Bedingung der Insolvenz des Treuhänders übertragen.

2. Insolvenz der GmbH Hierüber s. § 64. Jeder Gesellschafter kann, ohne Rücksicht auf das Insolvenzverfahren, seinen GeschAnteil nach den Regeln des § 15 veräußern und verpfänden5. Eine erforderliche Genehmigung dazu (§ 15 Abs. 5; § 17 Abs. 1) beschließt die Gesellschafterversammlung oder ein nach § 45 Abs. 2 zuständiges anderes Gesellschaftsorgan; sie wird erforderlichenfalls vom GeschFührer erklärt (Rdnr. 129 f.), nicht dagegen vom Insolvenzverwalter6. Aber die Gesellschaftsorgane bleiben bestehen. Der § 16 (Anmeldung des Anteilserwerbers und Haftungsfragen) gilt unverändert; die Anmeldung erfolgt an den GeschFührer, nicht an den Insolvenzverwalter7. Das Vorliegen eines Insolvenzgrundes stellt einen Rechtsmangel des GeschAnteils dar; der Verkäufer kann dem Käufer gegenüber schadensersatzpflichtig sein, wenn er dies oder die bevorstehende Eröffnung des Insolvenzverfahrens verschwiegen hatte8. Zwangsvollstreckungen in GeschAnteile werden durch das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH nicht berührt.

1 BGH, DB 1975, 300; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 320; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 157; Lwowski, in: MünchKomm. InsO, § 35 Rdnr. 125; Ganter, in: MünchKomm. InsO, § 47 Rdnr. 371. 2 BGH, WM 1987, 74, 76; BGH, WM 1965, 84; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 320; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 157; Ganter, in: MünchKomm. InsO, § 47 Rdnr. 381. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 319. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 319; a.M. kein Aussonderungsrecht bei Erwerbstreuhand Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 158; Lwowski, in: MünchKomm. InsO, § 35 Rdnr. 117, 122; Ganter, in: MünchKomm. InsO, § 47 Rdnr. 375. 5 RGZ 64, 153; eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 321; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 252. 6 RG, GmbHR 1918, 99; OLG Rostock, GmbHRspr. II § 17 R. 3; Wiedemann, Übertragung, S. 98; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 321; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 159; zweifelnd RGZ 64, 154 u. OLG München, GmbHRspr. II § 16 R. 10; a.M. Brodmann, Anm. 5c; anscheinend auch OLG Hamburg, GmbHR 1914, 383 = GmbHRspr. II § 17 R. 18. 7 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 321; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 159. 8 RGZ 143, 22; hierzu ausführlich Rdnr. 144 f.

H. Winter/Seibt

|

1153

258

§ 15 259

Übertragung von Geschäftsanteilen

Besitzt die GmbH eigene GeschAnteile (§ 33), so verfügt der Insolvenzverwalter oder, wenn Eigenverwaltung angeordnet ist (Rdnr. 254), der Geschäftsführer über diese1. Für Verkauf gilt das in Rdnr. 258 Gesagte entsprechend. Verwaltungsrechte, insbes. Stimmrecht, aus den eigenen GeschAnteilen ruhen (s. bei § 33).

XIII. Steuerrecht Schrifttum: Crezelius, Dogmatische Grundstrukturen der Unternehmenssteuerreform, DB 2001, 221; Gosch, KStG, 2005; Schmidt, EStG, 25. Aufl. 2006; Schön, Die Abzugsschranken des § 3c EStG zwischen Verfassungs- und Europarecht, FR 2001, 381.

1. Ertragsteuerrechtliche Systematik 260

Wird ein GmbH-Geschäftsanteil auf ein anderes Rechtssubjekt übertragen, dann kommt es (auch) steuerrechtlich darauf an, ob dem eine entgeltliche oder unentgeltliche causa zugrunde liegt. Die ertragsteuerrechtlichen Gewinnrealisierungstatbestände sind nur bei (entgeltlichen) Veräußerungstatbeständen einschlägig. Vor dem Hintergrund der dualistischen Unternehmensbesteuerung – EStG einerseits, KStG andererseits – ist zudem danach zu differenzieren, ob es sich um eine Veräußerung durch ein Einkommensteuersubjekt, eine natürliche Person oder durch ein Körperschaftsteuersubjekt handelt. Geht es um ein Einkommensteuersubjekt oder um eine transparent besteuerte Personengesellschaft, dann kommt es auch bei Veräußerungsvorgängen zur Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens2. Das in § 3 Nr. 40 EStG geregelte Halbeinkünfteverfahren will die Doppelbelastung mit Körperschaftsteuer der GmbH und Einkommensteuer des Anteilseigners dadurch abmildern, dass auf der Ebene des Anteilseigners nur der halbe Veräußerungserlös Steuersubstrat wird. Kombiniert ist das Halbeinkünfteverfahren mit einem Halbabzugsverfahren (§ 3c Abs. 2 EStG). Da Erträge aus kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligungen nur hälftig erfasst werden, sollen nach der Idee des Gesetzes auch Betriebsvermögensminderungen, Anschaffungskosten, Betriebsausgaben und Werbungskosten, die mit der kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung zusammenhängen, nur hälftig gegengerechnet werden. Das ist wenig einsichtig, weil die hälftige Abziehbarkeit mit der Idee des Halbeinkünfteverfahrens nichts zu tun hat3. Ist der Inhaber des GmbH-Geschäftsanteils Körperschaftsteuersubjekt, dann ist dies der Anwendungsbereich des § 8b KStG.

2. Anteilseigner ist Einkommensteuersubjekt 261

a) Wird ein GmbH-Geschäftsanteil entgeltlich durch eine natürliche Person übertragen und ist diese natürliche Person mit weniger als 1% (arg. § 17 Abs. 1

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 321 a.E.; Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 159 a.E. 2 Näher Crezelius, DB 2001, 221. 3 Kritisch Schön, FR 2001, 381.

1154

|

Crezelius

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Satz 1 EStG) an der Gesellschaft beteiligt, dann ist der Vorgang nicht steuerbar, wenn denn nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen eines Spekulationsgeschäfts nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gegeben sind. In dieser Variante – kein Spekulationsgeschäft – sind Gewinne und Verluste steuerrechtlich unerheblich. Handelt es sich um eine privat gehaltene Beteiligung und ist der Anteilseigner zu mindestens 1% an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt, dann führt dies nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG kommt es zum Halbeinkünfteverfahren und zum Ansatz nur des hälftigen Veräußerungspreises; die Anschaffungskosten und die Veräußerungskosten sind gleichfalls nur hälftig abzugsfähig (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Einordnung des Vorgangs zu den gewerblichen Einkünften führt dazu, dass der Besteuerungszeitpunkt nicht vom Zufluss abhängig ist, vielmehr kommt es auf den Zeitpunkt des Veräußerungsvorgangs an1. Obwohl es sich um Privatvermögen handelt, meint die Rechtsprechung, dass es sich bei § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG um eine Gewinnermittlungsvorschrift eigener Art handle2, so dass der zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu rechnende Veräußerungsgewinn oder Veräußerungsverlust ereignisbezogen zu ermitteln sei. Bei teilentgeltlichen Übertragungen von Geschäftsanteilen, beispielsweise im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge, gilt die sog. Trennungstheorie. Die Übertragung wird in einen entgeltlichen und unentgeltlichen Teil aufgespalten. Nur soweit eine entgeltliche Übertragung vorliegt, handelt es sich um eine nach § 17 EStG steuerbare Veräußerung3.

262

Wird der Geschäftsanteil innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angeschafft und veräußert, dann tritt nach dieser Norm Steuerbarkeit ein, und zwar auch dann, wenn die Beteiligungsgrenze des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG überschritten ist (§ 23 Abs. 2 Satz 2 EStG). Der Vorrang des § 23 EStG ist deshalb von Bedeutung, weil § 23 Abs. 3 Satz 8, 9 EStG ein eigenes Verlustbegrenzungssystem enthält. Im Ergebnis kommt es auch hier zur Anwendung des Halbeinkünfte- und des Halbabzugsverfahrens (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG).

263

Hat der GmbH-Geschäftsanteil seine Ursache in einer Umstrukturierung, die steuerrechtlich unter §§ 20 ff. UmwStG zu subsumieren war, und ist im Zuge der Einbringung des ehemaligen Personenunternehmens ein Geschäftsanteil ausgegeben worden, ohne dass bei dem Vorgang die stillen Reserven vollständig aufgedeckt worden sind, dann ist dieser Anteil einbringungsgeboren nach § 21 UmwStG. Die nachfolgende Veräußerung führt nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG zu einem Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG, der prinzipiell dem Halbeinkünfteverfahren unterliegt (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. b EStG). Zu beachten sind hier aber die Sonderregeln in § 3 Nr. 40 Sätze 3, 4 EStG. Das Halbeinkünfteverfahren ist nur anzuwenden, wenn die einbringungsgeborenen Anteile später als sieben Jahre nach der Einbringung veräußert werden oder wenn ein

264

1 BFH, BStBl. II 1994, 287; Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 17 Rdnr. 131. 2 BFH, BFH/NV 1999, 33. 3 BFH, BStBl. II 1981, 11; Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, § 17 Rdnr. 105.

Crezelius

|

1155

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

Entstrickungsantrag nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG gestellt worden ist. Das führt zu der wenig überzeugenden Konsequenz, dass ein Steuersubjekt, welches sich in den Anwendungsbereich des Körperschaftsteuerrechts und der daraus folgenden Anteilseignerbesteuerung begeben hat, innerhalb der Behaltefrist in der Weise benachteiligt ist, dass weder § 34 EStG (vgl. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG) noch das Halbeinkünfteverfahren angewendet wird. Hier sollte an eine teleologische Reduktion des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG gedacht werden. 265

b) Befindet sich der GmbH-Geschäftsanteil im Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens oder einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, dann gelten die Regeln der betrieblichen Einkunftsermittlung, die Vorrang vor §§ 17, 23 EStG haben. Auch hier kommt es grundsätzlich zur Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a, b EStG). Es kommt zu einem begünstigten Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn die veräußerte Beteiligung das gesamte Nennkapital umfasst und die gesamte Beteiligung an einen Erwerber veräußert wird, oder zu einem begünstigten Aufgabegewinn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG, wenn die Beteiligung das gesamte Nennkapital umfasst und die gesamte Beteiligung in einem einheitlichen Vorgang ins Privatvermögen überführt oder an verschiedene Erwerber veräußert wird1. Bei einer Veräußerung aus einer Personengesellschaft, einer steuerrechtlichen Mitunternehmerschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, ist ebenfalls das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG). Das Halbeinkünfteverfahren gilt nach § 7 Satz 4 GewStG auch für die Gewerbesteuer. Zu beachten ist, dass die einheitliche und gesonderte Feststellung die gemeinschaftliche Einkunftserzielung der Personengesellschafter vor Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens erfolgt, weil über die persönlichen Steuerbefreiungen von Mitunternehmern erst im Rahmen der Veranlagung zu entscheiden ist.

266

c) Wird der GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich übertragen, dann ist wie folgt zu unterscheiden: Handelt es sich in der Person des Abgebenden um eine Beteiligung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, dann ist der Vorgang zunächst erfolgsneutral, doch hat der Zuwendungsempfänger die erweiterte Steuerpflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG zu beachten. Ohne dass die nominelle Beteiligungsschwelle des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erreicht wird, kommt es zur Steuerbarkeit nach § 17 EStG, wenn der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat und sein unmittelbarer Rechtsvorgänger nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG relevant beteiligt gewesen ist. Ist § 23 EStG anwendbar, dann ist nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG dem unentgeltlichen Rechtsnachfolger die Anschaffung des Vorgängers zuzurechnen, so dass insoweit die Spekulationsfrist in der Person des Empfängers weiterläuft. Ist der unentgeltlich übertragene Anteil einbringungsgeboren nach § 21 UmwStG, dann wird diese steuerrechtliche Qualität beim unentgeltlichen Rechtsnachfolger ohne zeitliche Begrenzung fortgesetzt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG).

267

d) Erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich wird der GmbH-Geschäftsanteil als nicht börsennotierte Beteiligung nach §§ 12 Abs. 2 Satz 1, 11 Abs. 2 Satz 2 1 BFH, BStBl. II 1982, 751.

1156

|

Crezelius

§ 15

Übertragung von Geschäftsanteilen

BewG nach dem sog. Stuttgarter Verfahren1 bewertet. Maßgebend sind in einem ersten Schritt die Steuerbilanzwerte der Gesellschaft. In einem zweiten Schritt wird die Ertragskraft der Gesellschaft, deren Anteile übertragen werden, berücksichtigt. Die erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigungen des § 13a ErbStG sind anzuwenden, wenn es sich um eine Beteiligung handelt, mit welcher der Erblasser oder der Schenker zu mehr als einem Viertel unmittelbar beteiligt war. Dabei macht das Gesetz die erbschaftsteuerrechtliche Begünstigung davon abhängig, dass die Gesellschaft Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat. Das dürfte den europarechtlichen Vorhaben nicht entsprechen2.

3. Anteilseigner ist Körperschaftsteuersubjekt Liegt der entgeltlich übertragene Geschäftsanteil im Betriebsvermögen einer anderen Kapitalgesellschaft bzw. ist er einer Körperschaft zuzuordnen, dann bleibt der Gewinn nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG außer Ansatz. Dabei liegt die Idee des Steuergesetzgebers darin, dass es zu einer mehrfachen Belastung von körperschaftsteuerpflichtigem Gewinn mit Ertragsteuern eines anderen Steuersubjekts erst kommen soll, wenn der schon körperschaftsversteuerte Gewinn den Körperschaftsteuerkreis verlässt, mithin bei einem Anteilseigner entsteht, der Einkommensteuersubjekt ist. Zu beachten ist aber § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG, wonach von diesem nach § 8b Abs. 2 Satz 1 EStG außer Ansatz bleibenden Gewinn 5% nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gelten. Im Ergebnis sind also nur 95% des Gewinns steuerbefreit. In Parallele zu § 3c Abs. 2 EStG bleiben Gewinnminderungen/Verluste, die eine Körperschaft mit einer kapitalgesellschaftsrechtlichen Beteiligung realisiert, unberücksichtigt (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG). Auch das ist steuersystematisch wenig einsichtig (Rdnr. 260), insbesondere deshalb, weil es nach derzeitiger Rechtslage nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG nicht mehr zu einer vollständigen Freistellung kommt.

268

4. § 8 Abs. 4 KStG Wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG gegeben sind, kommt es nach Anteilsübertragungen zu einem Verlust des Verlustabzugs der GmbH, obwohl der Anteilseignerwechsel an der rechtlichen Identität der Gesellschaft nichts ändert3. § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG formuliert einen allgemeinen Grundsatz (wirtschaftliche Betrachtungsweise?), wonach es Voraussetzung für den Verlustabzug bei einer Kapitalgesellschaft ist, dass diese nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. In § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG wird dann ein Regelbeispiel formuliert, wonach die wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vorliegen soll, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen wird und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt und wieder aufnimmt. Im potentiellen Anwendungsbereich

1 R 96 ff. ErbStR. 2 Vgl. Vorlagebeschluss des BFH an den EuGH, DB 2006, 1414. 3 Vgl. BFH, BStBl. II 1987, 308, 310.

Crezelius

|

1157

269

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

des § 8 Abs. 4 KStG ist so gut wie alles umstritten1. Schon der Rechtscharakter der Norm ist zweifelhaft, wobei es praktisch darum geht, ob es sich um eine kodifizierte Missbrauchsnorm handelt, ob also § 42 AO neben § 8 Abs. 4 KStG angewendet werden kann2. Unklar ist auch das Verhältnis zwischen dem Grundsatz des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG und dem Regelbeispiel nach § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG3. Es geht darum, ob auch dann, wenn die Regelbeispielsvoraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG nicht gegeben sind, immer noch auf den Grundsatz des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG zurückgegriffen werden kann. 270

Das praktische Hauptproblem des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG liegt darin, wann und unter welchen Voraussetzungen die nach dem Anteilseignerwechsel vorgenommene Zuführung von neuem Betriebsvermögen schädlich nach § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG ist. Die neuere Rechtsprechung des BFH lässt hier eine restriktive Tendenz erkennen, stellt auf den einzelnen, konkreten Sachverhalt ab und lehnt es insbesondere ab, dass bei einem relativ engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Anteilsübertragung und der Zuführung neuen Betriebsvermögens (anderthalb Jahre) die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG zu unterstellen sind4. Der BFH stellt deutlich heraus, dass der Verlust der wirtschaftlichen Identität einer Kapitalgesellschaft voraussetzt, dass zwischen der Übertragung der Anteile und der Zuführung neuen Betriebsvermögens ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Der BFH will offenbar durch dieses nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut ableitbare Element eine uferlose Anwendung der Mantelkaufsnorm verhindern.

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber (1) Der Gesellschaft gegenüber gilt im Fall der Veräußerung des Geschäftsanteils nur derjenige als Erwerber, dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. (2) Die vor der Anmeldung von der Gesellschaft gegenüber dem Veräußerer oder von dem letzteren gegenüber der Gesellschaft in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommenen Rechtshandlungen muss der Erwerber gegen sich gelten lassen. (3) Für die zur Zeit der Anmeldung auf den Geschäftsanteil rückständigen Leistungen ist der Erwerber neben dem Veräußerer verhaftet. Text seit 1892 unverändert.

1 Vgl. z.B. BMF, BStBl. I 1999, 455; Roser, in: Gosch, KStG, § 8 Rdnr. 1390 ff. 2 BFH, BStBl. II 2001, 520. 3 Vgl. BFH, BFH/NV 2003, 348; BMF, BStBl. I 1999, 455 Tz. 25 f.; Roser, in: Gosch, KStG, § 8 Rdnr. 1408 ff. 4 BFH, DB 2006, 1349 gegen BMF, BStBl. I 1999, 455 Tz. 12, 33; auch schon BFH, BStBl. II 2004, 1085; 2005, 528.

1158

|

Crezelius

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

des § 8 Abs. 4 KStG ist so gut wie alles umstritten1. Schon der Rechtscharakter der Norm ist zweifelhaft, wobei es praktisch darum geht, ob es sich um eine kodifizierte Missbrauchsnorm handelt, ob also § 42 AO neben § 8 Abs. 4 KStG angewendet werden kann2. Unklar ist auch das Verhältnis zwischen dem Grundsatz des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG und dem Regelbeispiel nach § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG3. Es geht darum, ob auch dann, wenn die Regelbeispielsvoraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG nicht gegeben sind, immer noch auf den Grundsatz des § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG zurückgegriffen werden kann. 270

Das praktische Hauptproblem des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG liegt darin, wann und unter welchen Voraussetzungen die nach dem Anteilseignerwechsel vorgenommene Zuführung von neuem Betriebsvermögen schädlich nach § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG ist. Die neuere Rechtsprechung des BFH lässt hier eine restriktive Tendenz erkennen, stellt auf den einzelnen, konkreten Sachverhalt ab und lehnt es insbesondere ab, dass bei einem relativ engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Anteilsübertragung und der Zuführung neuen Betriebsvermögens (anderthalb Jahre) die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG zu unterstellen sind4. Der BFH stellt deutlich heraus, dass der Verlust der wirtschaftlichen Identität einer Kapitalgesellschaft voraussetzt, dass zwischen der Übertragung der Anteile und der Zuführung neuen Betriebsvermögens ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Der BFH will offenbar durch dieses nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut ableitbare Element eine uferlose Anwendung der Mantelkaufsnorm verhindern.

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber (1) Der Gesellschaft gegenüber gilt im Fall der Veräußerung des Geschäftsanteils nur derjenige als Erwerber, dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. (2) Die vor der Anmeldung von der Gesellschaft gegenüber dem Veräußerer oder von dem letzteren gegenüber der Gesellschaft in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommenen Rechtshandlungen muss der Erwerber gegen sich gelten lassen. (3) Für die zur Zeit der Anmeldung auf den Geschäftsanteil rückständigen Leistungen ist der Erwerber neben dem Veräußerer verhaftet. Text seit 1892 unverändert.

1 Vgl. z.B. BMF, BStBl. I 1999, 455; Roser, in: Gosch, KStG, § 8 Rdnr. 1390 ff. 2 BFH, BStBl. II 2001, 520. 3 Vgl. BFH, BFH/NV 2003, 348; BMF, BStBl. I 1999, 455 Tz. 25 f.; Roser, in: Gosch, KStG, § 8 Rdnr. 1408 ff. 4 BFH, DB 2006, 1349 gegen BMF, BStBl. I 1999, 455 Tz. 12, 33; auch schon BFH, BStBl. II 2004, 1085; 2005, 528.

1158

|

Crezelius

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

Inhaltsübersicht I. Allgemeine Bedeutung der Anmeldung 1. Anteilsübergang und Anmeldung a) Rechtsübergang . . . . . . b) Anmeldung . . . . . . . . c) Dritte . . . . . . . . . . . 2. Rechtshandlung der GmbH .

. . . .

1 2 3 4

3. Recht auf Anmeldung . . . . . 4. Der nicht-angemeldete Veräußerer . . . . . . . . . . . . .

5 7 8 9

III. Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber und zu Dritten bis zur Anmeldung 1. Veräußerer – Erwerber . . . . . 2. Veräußerer – Dritte . . . . . . IV. Anmeldung 1. Rechtsnatur, Form . . . . . . .

V. Voraussetzungen der Anmeldung 1. Geschäftsanteil . . . . . . . . 27 2. Veräußerung . . . . . . . . . . 28

II. Rechtslage der GmbH bis zur Anmeldung 1. Rechte und Pflichten der Gesellschaft und der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtshandlungen . . . . . . .

5. Nichtigkeit und Anfechtbarkeit a) Mängel des Abtretungsvertrages . . . . . . . . . . . . 22 b) Mängel der Anmeldung . . 24

10 13 14

VI. Rechtswirkungen der Anmeldung 1. Rechtsstellung des Erwerbers . 32 2. Gesellschafterrechte . . . . . . 3. Gesellschafterpflichten a) Grundsätze . . . . . . . . . b) Haftung des Veräußerers für rückständige Leistungen . . c) Haftung des Erwerbers für rückständige Leistungen . . d) Befreiung des Veräußerers .

34 37 40 42 43

VII. Nießbrauch, Verpfändung, Pfändung, Ersteigerung . . . . 44 VIII. Insolvenzverfahren 1. GmbH im Insolvenzverfahren

46

2. Anmeldungsbefugnis . . . . . 3. Nachweis des Übergangs . . .

17 18

2. Gesellschafter im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . 47

4. Zeitpunkt der Anmeldung . . .

21

IX. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) . . . . . . . . . 50

Schrifttum: Fembacher/Walz, Mehr Haftung als Haftungsbeschränkung? Eine Gesamtschau zu den Risiken der GmbH-Anteilsabtretung, BB 2004, 680; Geck, Rechtsprobleme bei der Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH, insbesondere die Haftung von Veräußerer und Erwerber, DStR 1996, 627; Grunewald, Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei der Übertragung von GmbH-GeschAnteilen, ZGR 1991, 452; Hohner, Die Bereinigung fehlerhafter GmbH-Anteile, in: FS Barz, 1974, S. 147; Knobbe-Keuk, Inanspruchnahme des arglistig getäuschten Erwerbers eines noch nicht eingezahlten GmbH-GeschAnteils, ZIP 1983, 274; Knur, Fragen der GmbH-Reform, DNotZ 1961, 299; Kremer/Laux, Die Rechtsstellung des vermeintlichen Erben in der GmbH, BB 1992, 159; Lass, Ausschlachtung der GmbH nach mangelbehafteter Übernahme, ZGR 1997, 401; Limmer, Haftung beim Erwerb von GmbH-Geschäftsanteilen, ZIP 1993, 412; Michalski, Zustimmung bei Sicherungsübertragung eines Teilgeschäftsanteils, GmbHR 1991, 89; Ruth, Eintritt und Austritt von Mitgliedern, ZHR 88 (1926), 454 ff.; K. J. Müller, Haftung des Erwerbers von GmbH-Geschäftsanteilen und Schutz bei anfechtbarer Übertragung, 1996; K. J. Müller, Beseitigung der Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG bei fehlerhafter Anteilsübertragung, GmbHR 1996, 641; K. J. Müller, Haftung des Erwerbers von GmbHGeschäftsanteilen nach Anfechtung der Abtretung, GmbHR 1996, 881; K. J. Müller, H. Winter/Seibt

|

1159

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG bei Anteilsübertragungen unter Beteiligung des GmbH-Geschäftsführers, INF 1997, 52; K. J. Müller, Anmeldung des Erwerbs von GmbH-Geschäftsanteilen, DStR 1998, 296; Noack, Zur Bindung des Erwerbers eines Geschäftsanteils an Beschlusslagen bei der GmbH, GmbHR 1994, 349; Pentz, Anmeldung und Anfechtung des Geschäftsanteilserwerbs, DStR 2006, 855; Rodewald, Die Legitimation des Veräußerers von Geschäftsanteilen als GmbH-Gesellschafter, GmbHR 1995, 718; K. Schmidt, Die fehlerhafte Anteilsübertragung, BB 1988, 1053; Schnorbus, Die Teilnahme des Scheingesellschafters an Strukturmaßnahmen in der GmbH, ZGR 2004, 126; F. Scholz, Die Anmeldung des Erwerbers eines Geschäftsanteils, GmbHR 1927, 43 ff., 127 ff., 181 ff., 242 ff.; E. Scholz, Die Rechtsnatur der Abtretungsanzeige bei der Übertragung von Geschäftsanteilen, Diss. Bonn 1928; Schothöfer, Die Folgewirkungen des fehlerhaften Ausscheidens eines GmbH-Gesellschafters, GmbHR 2003, 1321; Stein, Zweifelsfragen der nominellen Kapitalerhöhung durch den GmbH-Scheingesellschafter, in: FS P. Ulmer, 2002, S. 643; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten an Handelsgesellschaften, 1965; Zeilinger, Das Verhältnis der Parteien zur GmbH und ihren Gesellschaftern bei der fehlerhaften rechtsgeschäftlichen Übertragung eines GmbH-GeschAnteils, NZG 2001, 871; Zutt, Rechtsfragen der Anmeldung gemäß § 16 GmbHG, in: FS W. Oppenhoff, 1985, S. 555.

I. Allgemeine Bedeutung der Anmeldung 1. Anteilsübergang und Anmeldung a) Rechtsübergang 1

Der Rechtsübergang des GeschAnteils vollzieht sich durch Abtretung nach Maßgabe von § 15 Abs. 3. Das GmbHG legt der Anmeldung insoweit keine rechtsbegründende Bedeutung bei. Sie ist weder Bestandteil der Abtretung noch, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes nach § 15 Abs. 5 bestimmt (Rdnr. 4), Bedingung des Anteilsübergangs noch „Beitrittserklärung“ des Erwerbers1, sondern nur, wie schon der Gesetzeswortlaut (Anmeldung „unter Nachweis des Übergangs“) ergibt, eine Mitteilung an die Gesellschaft über den erfolgten Rechtsübergang2. Der GeschAnteil gehört also unabhängig von der Anmeldung zum Vermögen des Zessionars: Nur er kann, soweit nicht § 16 einschränkt (Rdnr. 2), über den GeschAnteil verfügen, d.h. ihn abtreten oder belasten; nur seine Gläubiger und nicht die des Zedenten können ihn pfänden (zur Insolvenz vgl. auch Rdnr. 47). Andererseits werden Mängel des Abtretungsvertrages durch die Anmeldung nicht berührt (Rdnr. 22). b) Anmeldung

2

Die Anmeldung legitimiert den Angemeldeten gegenüber der GmbH, erschöpft sich aber nicht in dieser Wirkung3. Ohne Rücksicht auf seine materielle Be1 So Ruth, S. 487 ff.; Feine, S. 370 ff., 387, die zwischen individualrechtlichem Übertragungsakt und sozialrechtlichem Beitrittsakt unterscheiden. 2 RGZ 127, 236, 240 f.; 157, 57, 59; BGH, GmbHR 1960, 65; BB 1990, 872, 873; OLG Hamm, BB 1995, 1815, 1816; Wiedemann, S. 145 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 2; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 3. 3 Zu eng daher RGZ 127, 236, 240.

1160

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

rechtigung gilt beim Erwerb durch Veräußerung (Rdnr. 28, 29) im Verhältnis zur Gesellschaft nur der Angemeldete als Gesellschafter (§ 16 Abs. 1). Die vom Gesetz an die Anmeldung geknüpfte Fiktion1 bezweckt den Schutz sowohl der GmbH vor den Unsicherheiten eines Gesellschafterwechsels als auch des Angemeldeten und des Veräußerers in ihrer Stellung gegenüber der GmbH2; sie ist damit eine besondere Ausprägung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft und verdrängt diese. Eine anderweitige Kenntnis der Anteilsveräußerung als durch Anmeldung darf die GmbH deshalb auch nicht beachten3. Ebenso ergibt sich aus dem Wortlaut und Zweck des § 16, dass die Rechtswirkungen der Anmeldung sich auf die rechtlichen Verhältnisse der GmbH zum Angemeldeten, einem vorher Angemeldeten und zum wirklichen Anteilsinhaber beschränken, nicht aber auch deren Rechtsbeziehungen untereinander erfassen. c) Dritte Dritte werden durch die Anmeldung gem. § 16 grundsätzlich nicht geschützt4, insbesondere kann sie nicht Grundlage eines gutgläubigen Erwerbs eines GeschAnteils sein (s. § 15 Rdnr. 102). Nur als Reflex des Gesellschaftsschutzes können die Rechtswirkungen auch ihnen zugute kommen, so z.B. wenn der Scheingesellschafter an einem ausnahmsweise nach außen wirkenden Gesellschafterbeschluss (über Bestellung und Anstellung des Fremdgeschäftsführers, über die Zustimmung zu einem Gewinnabführungsvertrag, über die Genehmigung der Anteilsabtretung nach § 15 Abs. 5 u.ä.) mitgewirkt hat. Das gilt auch für Gesellschafter als Drittgläubiger.

1 BGHZ 84, 47, 49; 112, 103, 113; BGH, GmbHR 1960, 65; 1991, 311; 1997, 165, 166; LM § 16 Nr. 3; BayObLG, BB 1990, 85, 86; OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 588; OLG Düsseldorf, GmbHG 1996, 443, 445; OLG Hamm, ZIP 2001, 1918, 1920; Stein, in: FS Ulmer, S. 643; Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 556; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 1; Limmer, ZIP 1993, 416; abw. (unwiderlegliche Vermutung) Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 7 (anders Vorauflage, s. oben Zutt, in: Hachenburg); Wiedemann, S. 137; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; K. J. Müller, Haftung, S. 32 ff.; K. J. Müller, GmbHR 1996, 641, 642 Fn. 8; Lass, ZGR 1997, 401, 403; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 2; Pentz, DStR 2006, 855, 857. 2 BGHZ 84, 47, 49; 112, 103, 113; BGH, LM § 16 Nr. 3; GmbHR 1991, 311, 312; 1997, 165, 166; OLG München, LZ 1930, 1125; BayObLG, BB 1990, 85, 86, OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 588; OLG Dresden, GmbHR 1999, 709, 710; Wiedemann, S. 132 ff.; Vogel, Anm. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 1; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; K. J. Müller, DStR 1998, 296, 301; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 1; nur oder vor allem den Schutz der GmbH betonen Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 666. 3 BGH, GmbHR 1991, 311, 312; 1997, 165, 166; BayOblG, BB 1990, 85, 86; OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 588; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 34. 4 Limmer, ZIP 1993, 416; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 225; a.M. Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 51.

H. Winter/Seibt

|

1161

3

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

2. Rechtshandlung der GmbH 4

Einer Rechtshandlung der GmbH bedarf es nicht, weder zum Rechtsübergang, soweit nicht die Satzung hier Besonderes vorsieht (§ 15 Abs. 5), noch zur „Anmeldung“1. Es steht jedoch nichts entgegen, dass die Satzung eine Bestätigung der Anmeldung durch die Gesellschaft oder die Eintragung in ein „Anteilbuch“ verlangt, das bei Gesellschaften mit zahlreichen Gesellschaftern teilweise geführt wird. Denn die Satzung kann die Anforderungen des § 16 zwar nicht erleichtern, wohl aber verschärfen2. Es bedarf jedoch der Auslegung im Einzelfall, ob die Satzung mit einer solchen Bestimmung wirklich weiter gehende Rechtswirkungen auslösen wollte, als § 16 an die Anmeldung knüpft; im Zweifel ist das nicht anzunehmen.

II. Rechtslage der GmbH bis zur Anmeldung 1. Rechte und Pflichten der Gesellschaft und der Gesellschafter 5

Der zuletzt angemeldete oder, soweit beim Erwerb eine Anmeldung nicht erforderlich war3, der sonst legitimierte frühere Anteilsinhaber gilt nach § 16 Abs. 1 bis zur Anmeldung der Veräußerung der GmbH gegenüber als Gesellschafter4. Das muss nicht der Veräußerer sein, da dieser nicht angemeldet gewesen zu sein braucht; § 16 Abs. 2 ist insoweit missverständlich (Rdnr. 9). Die Gesellschaft ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, den Genannten weiter als Gesellschafter zu behandeln5. Die Vorschrift dient auch dem Schutz des Legitimierten und des Erwerbers (Rdnr. 2). Die Gesellschaft muss sich deshalb auch bei einer anderweitig erlangten Kenntnis von der Veräußerung des Geschäftsanteils an sie halten (Rdnr. 2), andernfalls kann sie sich den Beteiligten gegenüber schadensersatzpflichtig machen6. Die §§ 407, 413 BGB gelten hier nicht, sind vielmehr durch § 16 ersetzt, der es grundsätzlich den Beteilig-

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; K. G. Müller, Haftung, S. 25 ff.; a.M. Wiedemann, S. 140; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 560 ff.; Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 17, die zu Unrecht die „Annahme durch die Gesellschaft“ fordern; offen gelassen von BGH, GmbHR 1991, 311, 312; vgl. dazu noch unten Rdnr. 18. 2 Zutr. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 62 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Meyer-Landrut, Rdnr. 3; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 573; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 225. 3 Das trifft für den originären Erwerb bei Gründung und Kapitalerhöhung sowie für die in Rdnr. 29 ff. erörterten Fälle zu; s. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10. 4 BGHZ 84, 47, 49; BGH, LM § 16 Nr. 3; BayObLG, BB 1990, 85, 86; OLG Hamm, GmbHR 1993, 660, 661; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 446; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 24; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12. 5 BGHZ 84, 47, 49; BGH, LM § 16 Nr. 3; BayObLG, BB 1990, 85; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 24; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12. 6 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 16 Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12.

1162

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

ten überlässt, ob1 und wann sie die Abtretung gegenüber der Gesellschaft zur Geltung bringen wollen (Rdnr. 8)2. Der bisher gegenüber der GmbH Legitimierte kann danach vor der Anmeldung des Erwerbers die Gesellschafterrechte wahrnehmen und haftet für die bis dahin fällig werdenden Gesellschafterpflichten allein (Rdnr. 5)3. Er kann an der Gesellschafterversammlung teilnehmen4, Informationen gem. § 51a einholen, das Stimmrecht ausüben5, erforderliche Zustimmungen erteilen, Anfechtungsund Nichtigkeitsklagen gegen Gesellschafterbeschlüsse erheben6, eine statutarisch zulässige Kündigung erklären (§ 60 Abs. 2), aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft austreten (s. Anh. § 34 Rdnr. 13), die Auflösungsklage erheben usw. Umgekehrt können auch Rechtshandlungen der Gesellschaft wirksam nur ihm gegenüber vorgenommen werden, z.B. die befreiende Leistung von Dividendenzahlungen7, die Ladung zu Gesellschafterversammlungen8, die Einziehung des Geschäftsanteils aus einem in seiner Person liegenden wichtigen Grund9, die Einforderung von Stammeinlagen und Nachschüssen, die Kaduzierung des Geschäftsanteils u.a.

6

2. Rechtshandlungen Der nicht angemeldete Erwerber kann dagegen keine Gesellschafterrechte ausüben und haftet grundsätzlich auch nicht für Pflichten aus dem Geschäftsanteil (Rdnr. 5)10. Er muss nach § 16 Abs. 2 alle Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen, die vor seiner Anmeldung von der Gesellschaft gegenüber dem bisher Legitimierten und von diesem gegenüber der Gesellschaft in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommen worden sind (Rdnr. 6)11. Er kann u.U. aber durch Anmeldung in das Gesellschaftsverhältnis eingreifen (Rdnr. 17), z.B. dadurch ein Ausschließungsverfahren hinfällig werden lassen (s. Anh. § 34 Rdnr. 26, 37) oder einen Anfechtungsrechtsstreit an sich ziehen12. Möglich sind wegen der Rechtsausübung des Veräußerers vor der Anmeldung auch Schadens1 RG, JW 1934, 2907. 2 BGH, LM § 16 Nr. 3; GmbHR 1991, 311, 312; BayObLG, BB 1990, 85, 86; OLG Nürnberg, GmbHR 1990, 166, 168; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12. 3 Dazu Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 24; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 11; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 234. 4 BayObLG, BB 1990, 85, 86; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 446. 5 BGHZ 15, 324, 331; BayObLG, BB 1990, 85, 86; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 446. 6 BGH, LM § 16 Nr. 3; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 445. 7 OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 446. 8 BayObLG, BB 1990, 85, 86. 9 OLG Hamm, GmbHR 1993, 660, 661. 10 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 25; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 234 f. 11 Zur Bindung an Gesellschafterbeschlüsse vgl. Noack, GmbHR 1994, 349. 12 BGH, LM § 16 Nr. 3.

H. Winter/Seibt

|

1163

7

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

ersatzansprüche aus dem Verpflichtungsgeschäft (s. Rdnr. 10). Der Erwerber wird im Übrigen schon vor der Anmeldung dinglicher Inhaber des GeschAnteils und kann, soweit es sich nicht um die Ausübung von Gesellschafterrechten gegenüber der GmbH handelt, über ihn verfügen (Rdnr. 13).

3. Recht auf Anmeldung 8

Ein Recht auf die Anmeldung können Veräußerer und Erwerber aus Gesellschaftsvertrag oder Veräußerungsgeschäft haben (Rdnr. 5, 10), aber nicht die Gesellschaft1. Sie kann weder auf Bewirkung der Anmeldung noch auf Feststellung des Überganges des GeschAnteils klagen, noch die Anmeldung tatsächlich – z.B. durch Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten – erzwingen2. Das gilt auch bei vinkulierten GeschAnteilen. Nur wenn streitig ist, ob eine wirksame Anmeldung erfolgt oder ob die ihr zugrundeliegende Abtretung rechtsgültig ist, wird man der Gesellschaft ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung (§ 256 ZPO) zuerkennen müssen. Im Übrigen muss sie den Anteilsübergang, auch wenn sie von ihm Kenntnis hat, bis zur ordnungsgemäßen Anmeldung ignorieren (Rdnr. 2, 5).

4. Der nicht-angemeldete Veräußerer 9

Die Anmeldung nach § 16 Abs. 1 kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Veräußerer angemeldet oder von der Gesellschaft ohne Anmeldung als Gesellschafter zu behandeln war3. Da vielmehr der Rechtsübergang sich durch den formgerechten Abtretungsvertrag (§ 15) vollzieht (Rdnr. 1) und § 16 über die Notwendigkeit der Anmeldung nichts sagt, besteht Einstimmigkeit darüber, dass der Erwerb sich nicht nur von einem angemeldeten Veräußerer herzuleiten braucht, dass vielmehr eine Kette rechtsgültiger Abtretungen ohne Anmeldungen vorausgegangen sein kann. Dann erlangt Gesellschafterrechte gegenüber der Gesellschaft nur derjenige, der angemeldet wird, auch wenn sein unmittelbarer Vormann nicht angemeldet war. Es genügt, dass die Kette der Abtretungen auf einen Angemeldeten (oder auf einen Gründer, Anteilsübernehmer bei Kapitalerhöhung oder einen sonstigen nicht Anmeldepflichtigen (Rdnr. 29 ff.) zurückgeht4. Der Wortlaut des § 16 Abs. 2 ist in solchen Fällen ungenau, insoweit dort vom „Veräußerer“ gesprochen wird; es kommt auf denjenigen Anteilsinhaber an, der zuletzt ordnungsgemäß gegenüber der Gesellschaft legitimiert war (Rdnr. 5). 1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Vogel, Anm. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Meyer-Landrut, Rdnr. 11; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 557 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 34; einschr. Wiedemann, S. 139, der für vinkulierte GeschAnteile anders entscheidet. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23. 3 BGHZ 84, 47, 49; BGH, LM § 16 Nr. 3; BayObLG, BB 1990, 85; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 24; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12. 4 Vgl. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 20; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 16 Rdnr. 7; Rodewald, GmbHR 1995, 718.

1164

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

III. Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber und zu Dritten bis zur Anmeldung 1. Veräußerer – Erwerber Das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber beurteilt sich nach dem der (dinglichen) Abtretung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis (Kaufvertrag, Schenkung usw.). Schreibt der Gesellschaftsvertrag vor, dass die Abtretung erst durch vom Veräußerer erfolgende schriftliche Anmeldung wirksam wird (Rdnr. 2), so ist es im Zweifel Vertragspflicht des Verkäufers, die schriftliche Anmeldung zu bewirken. Ist im Gesellschaftsvertrag zwar die Wirksamkeit der Abtretung an die Anmeldung geknüpft, aber hinsichtlich der Anmeldung gesagt, dass diese, wenn sie wirksam erfolgen soll, durch den Erwerber oder durch Veräußerer und Erwerber zu bewirken sei, so kann die Auslegung des Kaufvertrages dahin führen, dass der Käufer dem Verkäufer gegenüber zur Anmeldung verpflichtet ist. Dies ist z.B. dann von Bedeutung, wenn die Stammeinlage noch nicht voll bezahlt ist oder wenn eine Nachschusspflicht besteht, der Verkäufer also ein Interesse daran hat, von später fällig werdenden Zahlungen befreit zu werden, für die er nach § 16 Abs. 3 haftet, soweit sie bis zur Anmeldung fällig werden. Besteht eine vertragliche Anmeldungspflicht, so kann sie vom Vertragsgegner – nicht von der Gesellschaft (Rdnr. 8) – durch Klage erzwungen werden. Streitig war früher, ob im Kaufvertrag vereinbart werden kann, dass die Anmeldung nicht erfolgen solle. Ist die Wirksamkeit der Abtretung statutarisch an die Anmeldung geknüpft, so würde durch die Vereinbarung der Nichtanmeldung die Abtretung möglich sein. Dann ist der Kaufvertrag nichtig. Andernfalls ist aber die Vereinbarung zulässig1. Zweifellos kann schuldrechtlich vereinbart werden, es solle der Veräußerer so gestellt werden, als habe er noch die Rechte und Pflichten des Gesellschafters. Dieser Fall liegt vor, wenn der GeschAnteil verkauft und abgetreten und Nichtanmeldung vereinbart ist2. Die Gegenmeinung, welche hier die Abtretung als nichtig behandelt3, übersieht, dass jederzeit formlos die Anmeldung vereinbart und bewirkt werden kann; dann bedarf es doch keiner erneuten Abtretung. Es kann auch keinen Unterschied machen, ob Nichtanmeldung vereinbart ist oder Nichtanmeldung binnen kürzerer oder längerer Frist oder aber bis auf weiteres. Entgegen Wiedemann4 ist ebenfalls keine Einschränkung für vinkulierte GeschAnteile zu machen, da die Interessen der Gesellschaft im Genehmigungsverfahren nach § 15 Abs. 5 gewahrt werden können.

10

Ist im Kaufvertrag vereinbart, dass Nutzungen und Lasten mit dem Kaufabschluss oder einem früheren oder späteren Termin auf den Erwerber übergehen, so muss zwar der Erwerber der Gesellschaft gegenüber alle zwischen ihr und

11

1 RG, JW 1934, 2906 f.; BGH, LM § 16 Nr. 3; GmbHR 1991, 311, 312; OLG Hamm, GmbHR 1925, 22; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 9. 2 Vgl. auch RG, JW 1934, 2907, wo aber zu Unrecht eine Übertragung zur Legitimation angenommen worden ist. 3 RG, Holdh. 1900, 16, 36; Brodmann, Anm. 3c. 4 Wiedemann, S. 139, 368.

H. Winter/Seibt

|

1165

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

dem Veräußerer bis zur Anmeldung vorgenommenen Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen (§ 16 Abs. 2). Der Veräußerer hat aber den auf den GeschAnteil von ihm bezogenen und von der Gesellschaft nur an ihn auszuzahlenden Gewinn an den Erwerber weiter abzuführen1. Umgekehrt muss der Erwerber den Veräußerer für alle Lasten, die letzterer im Verhältnis zur Gesellschaft zu tragen hat, schadlos halten, soweit diese Lasten nach dem vereinbarten Stichtage fällig werden. Bis zur Anmeldung hat auch der Veräußerer das Stimmrecht in der Gesellschaft auszuüben; er muss es aber kaufvertraglich im Interesse des Erwerbers ausüben, falls die Wahrnehmung dieses Interesses nicht der gegenüber der Gesellschaft fortbestehenden Treupflicht widerspricht (s. hierzu § 14 Rdnr. 50 ff.). 12

Der Veräußerer, wenn er angemeldet war, hat ein dringendes Interesse an alsbaldiger Anmeldung seines Nachmanns. Dies ergibt sich daraus, dass er für alle bis zur Anmeldung auf den GeschAnteil fällig werdenden Leistungen als Gesamtschuldner mit dem Erwerber haftet (§ 16 Abs. 3), und dass er auch dann, wenn ein späterer (angemeldeter) Nachmann mit dem GeschAnteil kaduziert wird, als Rechtsvorgänger bei Nichtanmeldung seines Nachmanns entsprechend länger haftet (§ 22 Abs. 3). Letzteres wird oft übersehen.

2. Veräußerer – Dritte 13

Im Verhältnis zu Dritten (außer der Gesellschaft) ist der GeschAnteil mit der formgerechten Abtretung (§ 15 Abs. 3, 5) übergegangen, auch wenn die Anmeldung nicht erfolgt ist (Rdnr. 7). Der GeschAnteil gehört von der Abtretung an zum Vermögen des Erwerbers, nicht des Veräußerers. Nur die Gläubiger des Erwerbers, nicht des Veräußerers, können den Anteil nun pfänden; nur der Erwerber kann ihn verpfänden oder weiterabtreten. Er gehört zur Insolvenzmasse des Erwerbers, nicht des Veräußerers (s. auch Rdnr. 1, 3).

IV. Anmeldung 1. Rechtsnatur, Form 14

Die Anmeldung ist keine Willenserklärung, sondern eine rechtsgeschäftsähnliche Mitteilung2, die einem der GeschFührer gegenüber abzugeben ist (§ 35 Abs. 2 Satz 3 entsprechend). Die Rechtsfolgen des § 16 treten nicht deswegen ein, weil sie vom Anmeldenden gewollt sind, sondern weil das Gesetz sie beim Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Anmeldung zum Schutze der Gesellschaft

1 Für die ertragsteuerrechtliche Behandlung ist aber § 20 Abs. 2a EStG zu beachten; hierzu Seibt, in: MünchAnwHdb. GmbH-Recht, § 2 Rdnr. 304 ff. 2 Vgl. RGZ 127, 236, 240; BGH, BB 1990, 872, 873; BayObLG, BB 1990, 85, 86; OLG Dresden, GmbHR 1999, 709, 710; OLG Schleswig, NZG 2000, 318, 319; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Wiedemann, S. 139; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 7 (anders Vorauflage, s. Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 7); Limmer, ZIP 1993, 412, 416 f.; Geck, DStR 1996, 627, 631; a.M. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; K. J. Müller, Haftung, S. 15 f.: Willenserklärung.

1166

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

und der Beteiligten (Rdnr. 2) zwingend anordnet. Die Anmeldung kann frühestens bei Veräußerung des GeschAnteils erfolgen und darf nicht mit einer Bedingung (§ 158 BGB) versehen sein1. Eine Befristung derart, dass die Anmeldung erst ab einem bestimmten oder der Gesellschaft erkennbaren Zeitpunkt eintreten soll, ist dagegen möglich2. Die Anmeldung einer aufschiebend bedingten oder befristeten Abtretung ist schon vor dem Bedingungseintritt bzw. dem Fristablauf zulässig3. Waren die Einschränkungen der GmbH bei der Anmeldung nicht erkennbar, ist diese sofort wirksam; andernfalls wird sie erst dann wirksam, wenn die Bedingung eingetreten oder die Frist abgelaufen ist und, soweit erforderlich, diese Umstände der GmbH nachgewiesen sind4. Die Rücknahme einer wirksamen Anmeldung ist nicht möglich5. Die Vorschriften über Willenserklärungen sind auf sie grundsätzlich entsprechend anwendbar6. Sie muss durch eine geschäftsfähige Person erfolgen7. Eine Form ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die Anmeldung kann daher schriftlich wie mündlich geschehen. Erfolgt sie schriftlich, so muss sie gem. § 130 BGB der Gesellschaft zugegangen sein, um wirksam zu werden. Die Mitteilung muss durch einen Anmeldebefugten (Rdnr. 17) erfolgen; eine anderweitig erlangte Kenntnis genügt nicht. Auch durch ein konkludentes Handeln kann „angemeldet“ werden8. Das ist z.B. dann der Fall, wenn der GeschFührer den Erwerber mit dessen zum Ausdruck gekommenen Willen unzweideutig als Gesellschafter behandelt9; doch ist der Zeitpunkt der Anmeldung (Rdnr. 21) in solchem Falle unklar. Nach früherer Rechtsprechung sollte auch genügen, dass der GeschFührer selbst veräußert oder erwirbt, sei es für sich im eigenen Na-

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14; Meyer-Landrut, Rdnr. 2; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; a.M. Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 229; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 38. 2 Generell gegen die Zulässigkeit einer Befristung zu Unrecht Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 12; Meyer-Landrut, Rdnr. 2. Wie hier (jetzt) Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 20; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 229. 3 BGH, GmbHR 1991, 311, 313; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 229. 4 BGH, GmbHR 1991, 311, 313; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 20. 5 Einschr. Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 11, der die Rücknahme bis zur Annahme durch die Gesellschaft für zulässig hält; jetzt wie hier Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 21; vgl. weiter Rdnr. 5, 18. 6 Gl.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Wiedemann, S. 139; a.M. Brodmann, Anm. 3a. 7 Wiedemann, S. 138; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 560. Vgl. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10. 8 BGH, GmbHR 1991, 311, 312; 1997, 165, 166; BB 1991, 713, 714; BGH, ZIP 2001, 513, 514; OLG Hamm, GmbHR 1985, 22; 1998, 138; BB 1995, 1815, 1816; BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; OLG Nürnberg, GmbHR 1990, 166, 168; OLG Schleswig, NZG 2000, 318, 319; OLG Schleswig, GmbHR 2004, 1583, 1584; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8. 9 BayObLG, GmbHR 1991, 572, 573; OLG Hamm, GmbHR 1998, 138; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8.

H. Winter/Seibt

|

1167

15

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

men, sei es als Vertreter der Gesellschaft1. Dem ist nur mit Einschränkungen zu folgen, da aus der durch den beteiligten GeschFührer vermittelten Kenntnis der GmbH von der Abtretung nicht generell geschlossen werden kann, dass sie ihr gegenüber ebenfalls sofort gelten soll (Rdnr. 5 f., 10). Eine konkludente Anmeldung ist in diesen Fällen aber im Zweifel ohne zusätzliche Mitteilung jedenfalls dann anzunehmen, wenn sich aus den Vereinbarungen der Vertragsparteien nichts dafür ergibt, dass sie mit Wirkung gegenüber der GmbH einen anderen Zeitpunkt des Anteilswechsels bestimmen wollten2. Es wäre dann ein bloßer Formalismus, eine zusätzliche Mitteilung des dazu befugten GeschFührers (Rdnr. 17) an sich selbst zu verlangen. Ebenso liegt eine Anmeldung darin, dass ein Abtretungsbeteiligter bei oder nach der Abtretung (nicht vorher) die Genehmigung der Gesellschaft gem. § 15 Abs. 5 oder § 17 Abs. 1 nachsucht3, oder dass der bei Beurkundung des Abtretungsvertrages mitanwesende GeschFührer namens der Gesellschaft genehmigt4, nicht jedoch schon darin, dass der GeschFührer zufällig von der Abtretung erfährt oder zu dieser nur als Auskunftsperson oder Sachverständiger zugezogen worden ist. 16

Die Satzung kann von den Vorschriften des § 16, als Schutzvorschriften zu Gunsten der Gesellschaft, nicht befreien. Sie kann aber den Schutz verstärken und daher z.B. eine Form für die Anmeldung vorschreiben (Schriftlichkeit, Anmeldung im eingeschriebenen Brief, Anmeldung durch Veräußerer und Erwerber, usw.)5 oder regeln, dass die Gesellschafterrechte aus dem betreffenden Anteil bis zum Empfang der Anmeldung ruhen (Rdnr. 31). Demgegenüber können die am Veräußerungsvorgang Beteiligten alleine durch eine Bestimmung in der Abtretungsurkunde keine zusätzlichen (Form)Erfordernisse aufstellen, da dies den die Zielgesellschaft einschließenden Schutzzweck von § 16 entgegenliefe6.

2. Anmeldungsbefugnis 17

Befugt zur Anmeldung sind sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber, Anmeldung durch einen der beiden (nicht allerdings eines Dritten) genügt nach

1 RGZ 127, 236, 241; 131, 146, 148; 157, 52, 59. 2 Vgl. BGH, GmbHR 1991, 311, 312; BB 1991, 713, 714; OLG Nürnberg, GmbHR 1990, 166, 168 (im Ergebnis bedenklich; zutr. Michalski, GmbHR 1991, 92); OLG Hamm, BB 1995, 1815, 1816; OLG Dresden, GmbHR 1999, 233; OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 588; OLG Schleswig, GmbHR 2004, 1583, 1585 (obiter dictum); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3. 3 OLG Rostock, OLGR 32, 139; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 8, 14; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 23; Michalski, GmbHR 1991, 89, 92 f.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 228. 4 BayObLG, GmbHR 1991, 572, 575; OLG Dresden, GmbHR 1999, 233; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8. 5 Vgl. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 63; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 555, 572 f.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1, 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6, 9; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 225. 6 Entgegen OLG Schleswig, NZG 2000, 318, 319; wie hier de Vries, NZG 2000, 319, 320 (Urteilsanm.); Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 22 Fn. 61.

1168

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

§ 16 Abs. 11. Vorausgesetzt ist im zuerst genannten Fall aber, dass der Veräußerer der GmbH gegenüber selbst durch Anmeldung oder in anderer Weise (Rdnr. 28 ff.) legitimiert war (Rdnr. 9). Andererseits kann der am Veräußerungsgeschäft unbeteiligte bisherige Angemeldete nicht anmelden2. Der Gesellschaftsvertrag kann vorschreiben, dass Veräußerer und Erwerber anmelden müssen; dann wirkt die Anmeldung erst mit Bewirkung der zuletzt ergehenden der beiden Anzeigen. Allerdings ist die Bevollmächtigung zulässig, aber der die Abtretung beurkundende Notar hat keine vermutete Vollmacht nach § 129 FGG, und auch der den GeschAnteil versteigernde Gerichtsvollzieher kann den Ersteher nicht ohne Vollmacht anmelden (§ 822 ZPO ist unanwendbar)3. Denn der Sinn des § 16 Abs. 1 ist der, dass nicht eine irgendwie erlangte Kenntnis der Gesellschaft von der Veräußerung genügt, sondern dass eine besondere Erklärung seitens eines an der Veräußerung Beteiligten ergehen muss, um die Wirkungen des § 16 auszulösen (Rdnr. 2, 5 ff.). Auf die Vertretung bei der Anmeldung sind §§ 174, 180 f. BGB analog anwendbar4. Soweit der Nachlasspfleger, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker über einen zum Nachlass gehörenden GeschAnteil verfügen kann (§ 15 Rdnr. 248 ff.), kann er ihn auch abtreten und den Erwerber anmelden. Die Anmeldung kann bei einem im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Gesellschafter ohne Einwilligung seines Ehegatten erfolgen; sie ist, auch wenn die Abtretung die Voraussetzungen des § 1365 BGB erfüllt (s. § 15 Rdnr. 238 ff.), kein einseitiges Rechtsgeschäft i.S. des § 1367 BGB5. Gehört der GeschAnteil zum Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft, so kann sie der allein verwaltende Ehegatte (§ 1421 BGB) ebenfalls selbst dann ohne Mitwirkung des anderen vornehmen, wenn die Abtretung seiner Zustimmung bedarf (s. § 15 Rdnr. 241)6. Zur Anmeldung im Insolvenzfall vgl. Rdnr. 48 f.

3. Nachweis des Übergangs „Unter Nachweis des Übergangs“ ist anzumelden (§ 16 Abs. 1). In welcher Form dieser Nachweis zu führen ist, schreibt das Gesetz nicht vor. Es genügt, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, jede überzeugende Unterrichtung der Gesellschaft7. Der Nachweis wird regelmäßig durch Vorlegung der formge1 BayObLG, BB 1990, 85, 86; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 9; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 25; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 9; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 557; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 228; a.M. Ruth, S. 496, der nur den Erwerber für befugt erachtet, während Wiedemann, S. 138 f. umgekehrt immer die Zustimmung des bisher Angemeldeten verlangt. 2 Hachenburg/Zutt, Rdnr. 9; a.M. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12. 3 Vgl. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 11; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6. 4 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 11. 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, 11 a.E. 7 BGH, GmbHR 1960, 65; 1991, 311, 312; 1997, 165, 166; OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 588; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 445; OLG Dresden, GmbHR 1999, 709, 710; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6;

H. Winter/Seibt

|

1169

18

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

rechten Abtretungsurkunde (§ 15 Abs. 3) erbracht1, im Falle der Versteigerung des GeschAnteils durch Vorlegung des Versteigerungsprotokolls. Auch eine Kette von Abtretungsurkunden kann erforderlich sein, wenn nämlich der Veräußerer oder weitere Vormänner des anzumeldenden Erwerbers selber nicht angemeldet waren (Rdnr. 9)2. Ist nach bürgerlichem Recht zur Wirksamkeit der Abtretung die Genehmigung des Vormunds usw. erforderlich, oder sind für die Abtretung „weitere Voraussetzungen“ (§ 15 Abs. 5) statutarisch vorgeschrieben, so sind erforderlichenfalls auch diese Nachweisungen (Vorlegungen) zu erfüllen3. Dasselbe gilt bei einer aufschiebend bedingten Abtretung für den Eintritt der Bedingung (Rdnr. 14). Doch wird beim Fehlen einer Teilungsgenehmigung (§ 17 Abs. 1) oder einer statutarisch vorgeschriebenen Abtretungsgenehmigung der Gesellschaft (§ 15 Abs. 5) die Anmeldung zugleich als ein Ersuchen um Genehmigung aufzufassen sein. Die Anmeldung wird solchenfalls nur und erst dann wirksam, wenn die Genehmigung der Abtretung erfolgt ist (Rdnr. 14)4; im Gegensatz zum Verfügungsgeschäft (§ 15 Rdnr. 133) ist eine Rückwirkung aber bezüglich der Rechtsfolgen des § 16 ausgeschlossen. 19

Der GeschFührer als gesetzlicher Vertreter der GmbH kann im Rahmen der vorstehend angegebenen Grenzen (also auch vorbehaltlich statutarischer Bestimmungen) einen strengeren oder weniger strengen Nachweis verlangen. Er entscheidet darüber nach pflichtgemäßem Ermessen5, das vollständig gerichtlich nach einer ex ante-Betrachtung überprüfbar ist6. Ist der Anmeldende (Veräußerer oder Erwerber) ihm als zuverlässig und rechtskundig bekannt, so braucht er nicht auf Beweisen zu bestehen; er kann dessen Angaben als glaubwürdig behandeln und daher auf Nachweise (nicht aber auf die Anmeldung selbst) verzichten7. Ein stillschweigender Verzicht wird im Allgemeinen anzunehmen sein, wenn er den Erwerber als neuen Gesellschafter anerkennt und behandelt8

1 2 3

4 5

6 7

8

Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10. Schwärzungen können sie u.U. ungeeignet machen; vgl. OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 445. OLG Dresden, GmbHR 1999, 709, 710. BGH, GmbHR 1991, 311, 312; 1995, 119, 120; 1997, 165, 166; OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 588; OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 445; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 17; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10. OLG Rostock, OLG 32, 139; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14; Michalski, GmbHR 1991, 89, 92. BGHZ 112, 103, 114; BGH, GmbHR 1991, 311, 312; 1997, 165, 166; OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 588; OLG Dresden, GmbHR 1999, 709, 710 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 17; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13. OLG Dresden, GmbHR 1999, 709, 711. BGH, WM 1967, 24; GmbHR 1991, 311, 312; OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 588; OLG Dresden, GmbHR 1999, 709, 710 f.; Feine, S. 390; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 19; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 17; Vogel, Anm. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; a.M. Brodmann, Anm. 3c. BGH, GmbHR 1991, 311, 312; BayObLG, GmbHR 1991, 572; OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 588.

1170

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

oder wenn er innerhalb angemessener Frist (in der Regel eine Woche) keine (weiteren) Nachweise verlangt hat1. Eine Gewähr für rechtsgültige Abtretung ist aber auch bei urkundlichem Nachweis nicht gegeben, da Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe immer vorliegen können. Nach diesen zu forschen, ist der GeschFührer keinesfalls verpflichtet, berechtigt dazu nur in Verdachtsfällen. Regelmäßig darf er sich mit einem Urkundenbeweis begnügen. Er ist zwar nicht den Abtretungsbeteiligten, wohl aber der GmbH gegenüber verantwortlich (§ 43). Die Zurückweisung der Anmeldung durch den GeschFührer ist wirkungslos, wenn bei objektiver Betrachtung die erbrachten Nachweise ausreichend sind; der Annahme durch die Gesellschaft bedarf es nicht2. Die abweichende Auffassung3 findet keine Stütze im Gesetz, das die Rechtsfolge nur an die wirksame Anmeldung und eben nicht an eine Entscheidung der Gesellschaft knüpft. Es ist auch unzutreffend, wenn sie einwendet, dass sich der Zeitpunkt der Anmeldungswirkung (Rdnr. 21) nicht nach der objektiven Sachlage beurteilen lasse und es deshalb einer Annahme bedürfe; die Möglichkeit eines – zu erklärenden – Verzichts auf Nachweise (Rdnr. 19) steht nicht entgegen. Ein zusätzliches Annahmeerfordernis dient auch nicht der Rechtssicherheit, da es die gesetzlich geforderte wirksame Anmeldung nicht ersetzen kann. Der Angemeldete kann bei Zurückweisung durch eine gegen die GmbH, nicht gegen den GeschFührer, zu erhebende Feststellungsklage oder Leistungsklage (z.B. auf Auszahlung des fälligen Gewinnanteils) sein vermeintliches Recht wahren.

20

4. Zeitpunkt der Anmeldung Der Zeitpunkt der Anmeldung ist nach § 16 Abs. 2, 3 von erheblicher Bedeutung, denn erst wenn angemeldet und der Nachweis erbracht ist, treten die Wirkungen aus § 16 ein4. Die Prüfung des Nachweises des Rechtsübergangs kann sich aber u.U. lange hinziehen, z.B. wenn der Veräußerer und andere Vormänner nicht angemeldet waren oder wenn die Abtretung der Genehmigung durch sämtliche Gesellschafter bedurfte (§ 15 Abs. 5). Grundsätzlich tritt die Wirkung aus § 16 mit der Beibringung des letzten, vom GeschFührer pflichtmäßig erforderten Nachweises ein, und zwar auch dann, wenn die Gesellschaft den Empfang vorbehaltlich des Nachweises bestätigt hat. Ein weiteres späteres Nachweisverlangen kann dagegen den Zeitpunkt der Wirkung 1 BGH, ZIP 2001, 513, 514; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 19; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 29; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14; Rodewald, GmbHR 1995, 718, 719; wohl auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6. 2 Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 21 (anders Vorauflage); Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 34; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 230; K. J. Müller, Haftung, S. 25 ff. und wohl auch Meyer-Landrut, Rdnr. 8; offen gelassen von BGH, GmbHR 1991, 311, 313; vgl. auch Rdnr. 4. 3 Wiedemann, S. 140; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 560 ff.; Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 17. 4 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Meyer-Landrut, Rdnr. 8.

H. Winter/Seibt

|

1171

21

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

nicht mehr hinausschieben. Die Unsicherheiten solcher Rechtslagen können nur durch Feststellungsurteil oder durch besonders vereinbarten Schiedsspruch behoben werden. Ein in der Satzung vorgesehenes Schiedsgericht wäre, falls nicht die Abtretung an einen Mitgesellschafter erfolgt war, unzuständig, da es nur die Gesellschafter bindet, hier aber, von jenem Fall abgesehen, der Streit gerade dahin geht, welcher der Beteiligten der Gesellschaft gegenüber jetzt als Gesellschafter gilt.

5. Nichtigkeit und Anfechtbarkeit a) Mängel des Abtretungsvertrages 22

aa) Die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Abtretungsvertrages wird durch die Anmeldung des Erwerbers nicht geheilt. Auch die Regeln über den vollzogenen fehlerhaften Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften sind auf die Abtretung des GeschAnteils an einer GmbH nicht anwendbar (vgl. § 15 Rdnr. 103 m.w.N.). Die Nichtigkeit und die Anfechtung des Abtretungsvertrags haben vielmehr auch nach erfolgter Anmeldung grundsätzlich rückwirkende Kraft. Nur im Verhältnis zur GmbH ergeben sich aus § 16 Einschränkungen1: Rechtshandlungen (Rdnr. 32 ff.), die sie gegenüber dem angemeldeten Scheingesellschafter oder er gegenüber der Gesellschaft vorgenommen hat, bleiben rechtswirksam (§ 16 Abs. 2). Die bei Anmeldung rückständigen (§ 16 Abs. 3) und die bis zu ihrem rechtswirksamem Widerruf (Rdnr. 23a) fällig gewordenen Leistungen auf den GeschAnteil hat er der GmbH gegenüber als Schuldner erbracht und können von ihm nicht zurückgefordert werden2. Nach dem Sinn des § 16 haftet er der Gesellschaft darüber hinaus auch nach dem Widerruf grundsätzlich für die Einlageansprüche u.ä. weiter, die bis zu dessen Wirksamkeit fällig geworden, aber noch nicht erfüllt worden sind3. Der Einwand der Gegenmeinung4, dass damit die Fiktionswirkung überspannt werde, kann nicht überzeugen5. Im Übrigen tritt aber auch im Verhältnis zur Gesellschaft die Rückwirkung ein, sobald die Anmeldung beseitigt ist (Rdnr. 23). Die Schutzzwecke des § 16 rechtfertigen es nicht, den Schuldner auch danach noch für fällig werdende Leistungen haften zu lassen und ihn als Rechtsvorgänger des

1 Über die Unterschiede dieses Ansatzes im Einzelnen vgl. Grunewald, ZGR 1991, 452, 460 ff. 2 Vgl. RGZ 157, 52, 59; BGHZ 84, 47, 49; BGH, ZIP 1990, 371, 374. 3 BGHZ 84, 47, 50 f.; BGH, ZIP 1990, 371, 374; GmbHR 1991, 311, 312 f.; OLG Hamm, GmbHR 1985, 22, 23; OLG Hamburg, BB 1998, 658, 659; OLG Celle, NZG 2000, 1034, 1035; K. Schmidt, BB 1988, 1053, 1058 f.; Grunewald, ZGR 1991, 452, 461 f.; MeyerLandrut, Rdnr. 15; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 41; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 30 Rdnr. 24; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 241; Limmer, ZIP 1993, 412, 418; Geck, DStR 1996, 627, 632. 4 Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 568 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 56; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 61; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 26 ff.; K. J. Müller, Haftung, S. 192 ff.; K. J. Müller, GmbHR 1996, 881, 884 ff.; krit. auch Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; vgl. auch jüngst OLG Hamm, GmbHR 2006, 252 n.rkr. m. Komm. K. J. Müller (krit. hierzu Pentz, DStR 2006, 855 ff.). 5 Zutr. K. Schmidt, BB 1988, 1053, 1058; Grunewald, ZGR 1991, 461 f.

1172

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

Zedenten i.S. des § 22 zu behandeln1. Uneingeschränkt gilt die Rückwirkung dagegen im Verhältnis der Parteien des Abtretungsvertrages untereinander und zu Dritten (Rdnr. 1, 3). Der GeschAnteil gehört nach wie vor zum Vermögen des Veräußerers; Verfügungen des Scheingesellschafters (mit Ausnahme solcher aus § 16 Abs. 2) über den GeschAnteil oder dessen Pfändung durch seinen Gläubiger sind unwirksam: Leistungen der Gesellschaft (Gewinnanteile, Einziehungsentgelte usw.) hat er dem Anteilsinhaber gegenüber als Nichtberechtigter erhalten2. Umgekehrt sind auch seine Leistungen auf ein GeschAnteil und sonstige Vermögensnachteile, die adäquat kausal auf dem rechtsgrundlosen Erwerb beruhen, nach den §§ 812 ff. BGB auszugleichen3. bb) Die Nichtigkeit des Abtretungsvertrages erfasst also nicht die Anmeldung4. Es ist mit den Zwecken des § 16 (Rdnr. 2) nicht zu vereinbaren, wenn die frühere Rspr.5 dem angemeldeten Scheingesellschafter gestattet, sich bei einer Inanspruchnahme durch die GmbH wegen mitgliedschaftlicher Pflichten auf die Nichtigkeit des Erwerbsgeschäfts zu berufen6, soweit die Anforderung nicht ausnahmsweise wegen kollusivem Zusammenwirken mit Veräußerer oder Erwerber oder wegen der Kenntnis der Gesellschaft von dem Vertragsmangel bei (nicht nach!) der Anmeldung als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen ist7. Eine Ausnahme ist nur bei Unwirksamkeit wegen fehlender Geschäftsfähigkeit des Veräußerers oder Erwerbers und bei Nichtigkeit des Erwerbs der GmbH gem. § 33 Abs. 1 berechtigt8. Das Gleiche gilt, wenn die Anteilsübertragung dem Betroffenen nicht zugerechnet werden kann (z.B. vis absoluta, Handeln des tabus procurator)9. Dagegen bleibt es auch bei Verstößen des Abtretungsvertra1 Wiedemann, S. 144; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 567; Grunewald, ZGR 1991, 462; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 56; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 26; Meyer-Landrut, Rdnr. 15. 2 Zu den Ersatz- und Bereicherungsansprüchen bei der „Ausschlachtung“ der GmbH durch einen Scheingesellschafter vgl. Lass, ZGR 1997, 406 ff. 3 BGH, ZIP 1990, 371, 374; Grunewald, ZGR 1991, 464 f. 4 BGH, ZIP 1990, 371, 374; GmbHR 1991, 311; 1997, 165, 166; OLG Koblenz, GmbHR 1995, 586, 588; Wiedemann, S. 136 f., 140 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 49 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 42. 5 RG, JW 1915, 588; GmbHRspr. IV § 16 R. 10; OLG München, GmbHRspr. II § 16 R. 10; folgend Brodmann, Anm. 1b. 6 Nachw. oben Rdnr. 22 Fn. 3. Vgl. dazu auch Wiedemann, S. 136, der zutreffend auf die mögliche Beeinträchtigung der geschützten Interessen des Veräußerers hinweist. 7 Vgl. OLG Hamburg, BB 1998, 658, 659; Wiedemann, S. 133; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 563 f.; Knobbe-Keuk, ZIP 1983, 275 f.; K. Schmidt, BB 1988, 1059; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 50; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 43; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Meyer-Landrut, Rdnr. 15; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 16 Rdnr. 15 mit im Einzelnen unterschiedlichen Anforderungen; krit. Grunewald, ZGR 1991, 463. 8 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 51; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 43; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 16 und bezüglich fehlender Geschäftsfähigkeit auch Wiedemann, S. 138; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 10. 9 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 51; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 43; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4.

H. Winter/Seibt

|

1173

23

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

ges gegen ein gesetzliches Verbot, z.B. gegen § 1 GWB bei der angeführten Regel1. 23a

Die an die Anmeldung durch § 16 geknüpften Rechtswirkungen können in anderen Fällen nur durch einen Widerruf2 gegenüber der Gesellschaft für die Zukunft entfallen3, zu dessen Vornahme die Anmeldeberechtigten des Veräußerungsgeschäfts auf Grund seiner Fehlerhaftigkeit befugt und u.U. untereinander verpflichtet sind. Der Widerruf hat analog § 16 Abs. 1 unter Nachweis der Unwirksamkeit des Rechtsübergangs zu erfolgen4; die Ausführungen oben Rdnr. 14 ff. gelten hier sinngemäß. Jeder Anmeldeberechtigte kann ohne Mitwirkung des anderen widerrufen5. Sind aber die Parteien des Abtretungsvertrages über seine Unwirksamkeit einig und teilen das der Gesellschaft übereinstimmend mit, so ist regelmäßig der Nachweis als erbracht anzusehen6. Die abweichende Meinung, wonach der GeschFührer den Widerruf gleichwohl zurückweisen könne, solange aus dem GeschAnteil noch Pflichten entstehen können oder Leistungen rückständig sind oder die Abtretung der Zustimmung der Gesellschafter unterliegt7, ist abzulehnen, da die Gesellschaft kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des der materiellen Rechtslage widersprechenden Scheins hat; anders liegt es nur dann, wenn begründete Zweifel dahingehend bestehen, dass die Beteiligten die Unwirksamkeit nur vorschieben, in Wahrheit jedoch eine wirksame Anteilsübertragung nur rückgängig machen wollen. Streiten dagegen die Parteien des Abtetungsvertrages über dessen Wirksamkeit, so hat der GeschFührer, sofern der Unwirksamkeitsmangel nicht ausnahmsweise anderweitig zweifelsfrei belegbar ist (z.B. beim 1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 16; a.M. OLG Frankfurt, GmbHR 1992, 666; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 232. 2 Die Terminologie ist uneinheitlich. Manche sprechen ebenfalls von „Anmeldung“ (RGZ 157, 52, 59), von Meldung der Anfechtung (BGH, GmbHR 1990, 164) oder von „Abmeldung“ (K. G. Müller, GmbHR 1996, 641, 647; jetzt auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 52 ff.). 3 OLG Dresden, GmbHR 1999, 709, 711; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 52, 55; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 14 Rdnr. 17; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 566; Grunewald, ZGR 1991, 462; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 40. BGHZ 84, 47, 51; BGH, GmbHR 1991, 311, 312 lassen offen, in welcher Weise die Rechtswirkungen der Anmeldung bei fehlerhaftem Anteilserwerb zu beseitigen sind. 4 Zutr. OLG Dresden, GmbHR 1999, 709, 711; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 53; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 14 Rdnr. 17; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 40; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 44. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 53; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 566; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; K. J. Müller, GmbHR 1996, 641, 647 f. Einvernehmlichen Widerruf verlangen Wiedemann, S. 142 f.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17. 6 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11; s. auch Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 43; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17. 7 Wiedemann, S. 140 f.; Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 44; K. J. Müller, GmbHR 1996, 641, 649; unentschieden BGHZ 84, 47, 51.

1174

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

Fehlen einer Genehmigung nach § 15 Abs. 5, die fehlende Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten u.ä.), die Austragung des Streits im Klagewege den Beteiligten zu überlassen und bis zur rechtskräftigen Entscheidung bzw. zum abschließenden Vergleich nach der erfolgten Anmeldung sich zu richten. Auch der Veräußerer kann während dieser Zeit nicht verlangen, dass die Gesellschaft ihn anerkennt1. Ein Ruhen der Mitgliedschaftsrechte bis zur Klärung ist nur anzunehmen, wenn der Gesellschaftsvertrag das vorsieht. b) Mängel der Anmeldung Auch die Anmeldung selbst kann, da sie den Vorschriften über Willenserklärungen unterliegt (Rdnr. 15), nichtig oder anfechtbar sein2. Die Anfechtung hat gegenüber der Gesellschaft zu erfolgen (§ 143 Abs. 3 BGB analog). Das Anfechtungsrecht steht demjenigen zu, der die Anmeldung vorgenommen hat. War der Anteilsübergang durch den Veräußerer und den Erwerber angemeldet worden, so kann jeder für sich anfechten3; allerdings bleibt die Anfechtung wirkungslos, wenn die Anmeldung auch nur von einem Beteiligten rechtswirksam erfolgt ist4. Kein Anfechtungsgrund ist die Unkenntnis der Rechtsfolgen der Anmeldung5. Die Unwirksamkeit der Anmeldung kann durch sie bestätigende konkludente Rechtshandlungen des Erwerbers behoben (§ 141 Abs. 1 BGB) und die Anfechtung kann aus denselben Gründen ausgeschlossen sein, § 144 BGB6. Die Anfechtung ist als Rechtsmissbrauch unbeachtlich, wenn die Anteilsübertragung rechtswirksam ist und andere schutzwürdige Interessen an der Rückgängigmachung der Anmeldung nicht bestehen7. Die Unwirksamkeit der Anmeldung kann nur in einem Rechtsstreit gegen die Gesellschaft für diese verbindlich festgestellt werden8.

24

Bezüglich der Rechtsfolgen der mangelhaften Anmeldung ist zu unterscheiden: aa) Sie ist wirkungslos, wenn sie nicht durch ein einem Anmeldeberechtigten (Rdnr. 17) zurechenbares Verhalten verursacht, z.B. durch vis absoluta oder Fälschung herbeigeführt oder durch einen vollmachtlosen Vertreter oder einen Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen vorgenommen worden ist9. Ebenso ist zu entscheiden, wenn die Anmeldung im Einverständnis mit 1 Wiedemann, S. 143; a.M. wohl BGH, WM 1964, 265. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 58; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 231; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43; einschr. Wiedemann, S. 139; a.M. Brodmann, Anm. 3a; Feine, S. 388. 3 A.M. RG, WarnR 1943 Nr. 24 (zwingende Anfechtung durch beide Parteien); krit. dazu Wiedemann, S. 138. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 58 a.E., 59; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 47. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 59 a.E.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 47. 6 RGZ 157, 52, 60. 7 Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 571 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19. 8 Das übersieht Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 50, der irrig annimmt, dass ein Streit über die Unwirksamkeit der Anmeldung zwischen dem Veräußerer und Erwerber auszutragen sei. 9 Wiedemann, S. 138; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 60; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in:

H. Winter/Seibt

|

1175

25

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

der Gesellschaft nur zum Schein erfolgt ist (§ 117 Abs. 1 BGB)1 oder wenn diese die Unwirksamkeit der Anmeldung positiv kannte2. Die Fiktionswirkung des § 16 Abs. 1 tritt nicht ein; Rechtshandlungen des „Angemeldeten“ gegenüber der Gesellschaft und umgekehrt sind nicht wirksam. 26

bb) Nur mit Wirkung für die Zukunft können dagegen andere als die in Rdnr. 25 erörterten Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe geltend gemacht werden3. Bestreitet die Gesellschaft die Unwirksamkeit, muss sie auf Feststellung verklagt werden (Rdnr. 24 a.E.). Bis zur rechtskräftigen Entscheidung bleiben die Rechtswirkungen des § 16 Abs. 2 u. 3 bestehen, es sei denn, dass die Gesellschaft den Unwirksamkeits- oder den Anfechtungsgrund kannte. Trifft letzteres zu, so ist der Zeitpunkt des Bekanntwerdens, bei Anfechtbarkeit jedoch frühestens derjenige des Zugangs der Anfechtungserklärung maßgebend. Rechtshandlungen der Gesellschaft, die vorher vorgenommen worden sind, können aber u.U. rechtsmissbräuchlich sein4.

V. Voraussetzungen der Anmeldung 1. Geschäftsanteil 27

Es muss sich um die Veräußerung eines GeschAnteils (§ 14) handeln. Auch die Veräußerung des Teils eines GeschAnteils (§ 17) oder einer Mitberechtigung nach Bruchteilen (§§ 741, 747 Satz 1 BGB) fällt unter § 16, während der Wechsel einer gesamthänderischen Mitberechtigung keine rechtsgeschäftliche Übertragung des zu ihrem Vermögen gehörenden GeschAnteils darstellt (Rdnr. 28)5. Dagegen unterliegt die Abtretung einzelner, aus dem GeschAnteil fließender Vermögensrechte (Dividenden, Liquidationsguthaben usw.) weder der Form und den Beschränkungen aus § 15 Abs. 3, 4, 5 noch der Anmeldepflicht. Sie richtet sich lediglich nach den §§ 398 ff. BGB. Hinsichtlich der Kenntnis der GmbH von der Abtretung dieser Vermögensrechte kommen die §§ 407, 408, hinsichtlich einer Anzeige an sie § 409 BGB in Betracht6. Bei Gesellschafterwechseln in der VorGmbH ist § 16 Abs. 1 nicht anwendbar, da sich dort ein Gesellschafterwechsel

1 2 3

4

5

6

Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Meyer-Landrut, Rdnr. 14; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 44; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 232. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 60; Meyer-Landrut, Rdnr. 14; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 44. Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 231; teilw. weitergehend Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44. Eb. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 61; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 231. S. Wiedemann, S. 133, 138 f.; Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 49; Knobbe-Keuk, ZIP 1983, 274, 275 f.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 16 Rdnr. 19; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 6, Fn. 10, die aber mit Recht anders entscheiden, wenn sich die Gesamthand auf das Halten und Verwalten von GeschAnteilen in der Gesellschaft beschränkt; hierzu auch K. Schmidt, BB 1983, 1697, 1700. Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 6.

1176

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

durch Änderung des Gesellschaftsvertrages und nicht durch Anteilsübertragung (analog) § 15; bei einer Vertragsänderung besteht indes kein vergleichbares Risiko der Rechtsunsicherheit, dem § 16 Abs. 1 entgegenwirken müsste1.

2. Veräußerung Die Veräußerung eines GeschAnteils muss erfolgt sein. Unter „Veräußerung“ ist nicht ein obligatorischer Vertrag (§ 15 Abs. 4), sondern ein dinglicher Rechtsübergang zu verstehen. Dieser muss ein rechtsgeschäftlicher sein2; ein Übergang kraft Gesetzes ist keine Veräußerung3. Daher ist Veräußerung dasselbe wie Abtretung i.S. des § 15 (§ 15 Rdnr. 77). Dazu gehört auch die Auseinandersetzung unter Miterben oder anderen Teilhabern zur gesamten Hand dergestalt, dass der einzelne Miterbe oder Teilhaber den GeschAnteil allein erwirbt, auch wenn der Erwerb sich analog § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB durch Anwachsung vollzieht4; ebenso unterliegt § 16 auch die Realteilung eines gemeinschaftlichen GeschAnteils. Im Falle der Versteigerung eines GeschAnteils (oder Teilanteils: § 17) bewirkt der Zuschlag an den Ersteher den dinglichen Rechtsübergang, so dass dann § 16 anwendbar ist (Rdnr. 17)5.

28

Keine Veräußerung sind der Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge, insbesondere durch Erbfall, eheliche Gütergemeinschaft und Verschmelzung von Rechtsträgern. Dasselbe gilt grundsätzlich für sonstige Anteilsübergänge kraft Gesetzes (s. § 15 Rdnr. 93). Ausnahmen sind aber außer in dem in Rdnr. 28 behandelten Fall auch für den Anteilserwerb durch partielle Gesamtrechtsnachfolge bei der Spaltung von Rechtsträgern zu machen; sie unterliegen wegen der gewillkürten Zuordnung des GeschAnteils zu dem Vermögen der übernehmenden oder neuen Rechtsträger (§§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 135 Abs. 1 UmwG) dem Anmeldeerfordernis.

29

Eine Veräußerung liegt zwar auch vor, wenn die GmbH ihrerseits GeschAnteile umsetzt, sei es im Kaduzierungs- und im Abandonverfahren (§§ 23, 27), sei es bei der Veräußerung oder dem Erwerb eigener Anteile (§ 33). Hier wird die Anmeldung aber regelmäßig entbehrlich sein, soweit sich nicht aus der Abtretungsvereinbarung ergibt, dass sie zu einem vom dinglichen Anteilsübergang abweichenden Zeitpunkt erfolgen soll6.

30

1 Gl.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 6; a.M. (wohl) BGH, NJW-RR 2005, 469. 2 BayObLG, BB 1990, 85, 86. 3 LG Berlin, BB 1985, 1752, 1753; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 7; Däubler, GmbHR 1963, 182; Geck, DStR 1996, 627, 628. 4 K. Schmidt, BB 1983, 1967, 1700; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 3; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 226; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 5; abw. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 226. 6 Ähnlich Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 558; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 5; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 227. Die h.M. hält sie dagegen generell für entbehrlich;

H. Winter/Seibt

|

1177

§ 16 31

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

Soweit nach dem Gesagten keine Veräußerung eines GeschAnteils vorliegt, ist § 16 unanwendbar1; auch die entsprechende Anwendung ist ausgeschlossen2. Doch kann der nunmehr Berechtigte, z.B. im Erbfall der Erbe, seinen Erbschaftserwerb bei der Gesellschaft anmelden, und er muss dies tun, um sich als Berechtigten auszuweisen. Diese Anmeldung hat dann aber nicht die aus § 16 sich ergebende Bedeutung, sondern nur den Sinn, dass die Gesellschaft vom Rechtsübergang Kenntnis erhält, der ihr natürlich auch hier nachgewiesen werden muss. Im Übrigen sind hier, vermöge des § 413 BGB, die §§ 404 ff. BGB maßgebend. Doch kann der Gesellschaftsvertrag für alle Übergangsfälle, auch die gesetzlichen, vorschreiben, dass bis zur Anmeldung und Nachweisung des Erwerbs die Rechte aus dem GeschAnteil ruhen3.

VI. Rechtswirkungen der Anmeldung 1. Rechtsstellung des Erwerbers 32

Der Erwerber erlangt mit der Anmeldung gegenüber der GmbH die Gesellschafterstellung, im Wortlaut des § 16 Abs. 1: Er „gilt als Erwerber“. Die Gesellschaft ist dabei nicht nur berechtigt, die angemeldete Person als legitimen Gesellschafter zu behandeln, sondern auch hierzu verpflichtet4. Während vor der Anmeldung zwischen dem Veräußerer und der GmbH vorgenommene Rechtshandlungen der Erwerber gegen sich gelten lassen muss (§ 16 Abs. 2), darf die GmbH nach der Anmeldung den Veräußerer nicht mehr als Gesellschafter behandeln. Ladungen, rechtsgeschäftliche Erklärungen usw., erfolgen rechtswirksam nur an den angemeldeten Erwerber.

33

Solche gesellschaftsrechtlichen Ansprüche, die vor der Anmeldung bereits als selbstständige Gläubigerrechte (s. § 14 Rdnr. 17) in der Person des Veräußerers entstanden waren, z.B. also der Anspruch auf Gewinnauszahlung nach Maßgabe des bereits vor der Anmeldung gefassten Ergebnisverwendungsbeschlusses, verbleiben in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 3 beim Veräußerer5. Denn aus der Regelung des Pflichtenübergangs in § 16 Abs. 3 (Rdnr. 40) ergibt

1 2

3

4 5

vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 21; K. J. Müller, Haftung, S. 16. A.M. KG, GmbHR 1960, 47 betr. Erbfolge. LG Berlin, BB 1985, 1752, 1753; Pleyer, GmbHR 1960, 47; Däubler, GmbHR 1963, 182; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; a.M. Wiedemann, GmbHR 1969, 251; Priester, GmbHR 1984, 193, 195 ff.; Kremer/Laux, BB 1992, 159 ff. betr. Erbfolge. Vgl. auch LG Berlin, BB 1985, 1752, 1753; Neukamp, ZHR 57 (1906), 541 ff.; Däubler, GmbHR 1963, 182 u. Die Vererbung des GeschAnteils bei der GmbH, 1965, S. 48 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 63; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2; Zutt, in: FS Oppenhoff, S. 574. BGH, LM § 16 Nr. 3; Wiedemann, S. 135; K. Schmidt, BB 1988, 1053, 1058; Priester, GmbHR 1984, 193; vgl. auch Rdnr. 5. Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumach/Hueck, Rdnr. 11; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 49; Wiedemann, S. 135; Meyer-Landrut, Rdnr. 9; Feine, S. 494; Brodmann, Anm. 5g.

1178

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

sich, dass die Pflicht zur rückständigen Leistung beim Veräußerer verbleibt und der Erwerber hier lediglich mithaftet; § 16 Abs. 3 ist keine Sondervorschrift, sondern verallgemeinerungsfähig. Darüber hinaus kann sich der Veräußerer Ansprüche vorbehalten, z.B. auf einen Gewinnanteil oder aus der Erfüllung von Nebenleistungspflichten i.S.v. § 3 Abs. 2, die erst nach der Anmeldung fällig werden. Dies kann rein schuldrechtlich geschehen, so dass der Erwerber zwar gegenüber der GmbH bezugs- bzw. forderungsberechtigt ist, den Gewinn bzw. die Zahlung aber dem Veräußerer auszukehren hat, aber auch mit (dinglicher) Wirkung der GmbH gegenüber, sei es durch (formlose, Rdnr. 27) Abtretung des Gewinnbezugsrechts bzw. der Forderung seitens des Erwerbers nach der Anmeldung, sei es bei Abtretung des GeschAnteils des in diesem Zeitpunkt (vor der Anmeldung) befugten bisherigen Gesellschafters, und Anzeige der Abtretung (§ 409 BGB) an die GmbH1.

2. Gesellschafterrechte Aus § 16 Abs. 1 folgt, dass von der Anmeldung an alle mit dem GeschAnteil verbundenen Mitgliedschaftsrechte nur noch dem Erwerber zustehen und von diesem geltend gemacht werden können. Zu diesen gehören nicht solche, die selbständig abgetreten waren (Rdnr. 32).

34

Solange die Anmeldung wirksam ist, können von keiner Person, auch nicht vom Veräußerer oder anderen Gesellschaftern, wegen dessen Ausübung von Mitgliedschaftsrechten Rechtsfolgen hergeleitet werden, durch welche die unter Mitwirkung des legitimierten Erwerbers zu Stande gekommenen Rechtsakte beeinträchtigt werden. So sind Gesellschafterbeschlüsse nicht wegen seiner Mitwirkung anfechtbar, Dividendenzahlungen an ihn wirksam und nicht ohne Rechtsgrund geleistet etc.2. Diese Grundsätze gelten – wenngleich mit einigen Besonderheiten – auch bei Kapital- und Strukturbeschlüssen (Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen, Verschmelzungen, Spaltungen, Formwechsel, andere Umstrukturierungsmaßnahmen) 3: Auch Strukturmaßnahmen können wegen der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 mit den Stimmen eines zu Unrecht angemeldeten Erwerbers (Scheingesellschafter) und ohne Beteiligung des tatsächlichen Anteilsinhabers beschlossen werden. Die Geschäftsführung ist gehalten, den Gesellschafterbeschluss auszuführen, um die betreffende Strukturmaßnahme umzusetzen, es sei denn, sie hat positive Kenntnis von der materiellen Nichtberechtigung des legitimierten Erwerbers4. Im gleichen Umfang ist auch das Registergericht an die Wirkung des § 16 Abs. 1 gebunden und hat die Strukturmaßnahme einzutragen5. Mit Eintragung werden Kapitalbeschlüsse und Umwandlungen (§ 1 UmwG) wirksam und etwaige Män-

35

1 2 3 4 5

Zu Einzelheiten bei Gewinnverteilungsabreden Loritz, DStR 1998, 84 ff. Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 30. Hierzu ausführlich Schnorbus, ZGR 2004, 126, 133 ff. Ähnlich Schnorbus, ZGR 2004, 126, 133; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 31. OLG Hamm, ZIP 2001, 1918, 1920; Schnorbus, ZGR 2004, 126, 133; Stein, in: FS Ulmer, S. 642, 646; Boujong, NZG 2003, 497, 501; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 31; a.M. wohl OLG Köln, Rpfleger 1989, 287, 288; OLG Köln, GmbHR 1990, 82, 83.

H. Winter/Seibt

|

1179

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

gel (bei Kapitalbeschlüssen ggf. nach Ablauf einer 3-Jahresfrist analog § 242 Abs. 2 AktG) geheilt. 36

Für die Frage, welche Auswirkungen eine Strukturmaßnahme unter Teilnahme eines Scheingesellschafters auf die Rechtsposition des materiell berechtigen Gesellschafters hat, ist mit Schnorbus zu unterscheiden, ob ihr Vollzug rechtsgeschäftlich oder kraft Gesetzes eintritt. Übernimmt der Scheingesellschafter im Rahmen einer effektiven Kapitalerhöhung mit Übernahmeerklärung einen Geschäftsanteil, so wird nur er und nicht der materiell Berechtigte mit Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister Inhaber des neu entstandenen GeschAnteils1. Dem materiell berechtigten Gesellschafter können gegenüber dem Scheingesellschafter ggf. Schadensersatzansprüche zustehen, wobei ein Schaden nur beim materiell Berechtigten eintritt, wenn die Einlage nicht dem wahren Wert des neuen Geschäftsanteils entspricht und nicht alle Gesellschafter ihr Bezugsrecht ausgeübt haben oder wenn eine Forderung des materiell berechtigten Gesellschafters aus einem Gewinnausschüttungsbeschluss als Sacheinlage eingebracht wird. Treten die Rechtsfolgen dagegen wie bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln kraft Gesetzes ein, so vollzieht sich die Strukturmaßnahme nach Maßgabe der wahren Rechtslage, ohne dass es auf die aktive Teilnahme oder Kenntnis des materiell berechtigten Gesellschafters ankäme. Inhaber des neuen GeschAnteils wird daher der materiell berechtigte Anteilsinhaber2. Gleiches gilt in den Fällen der Verschmelzung, der Spaltung oder des Formwechsels3. Der materiell berechtigte Anteilsinhaber erhält bei der Verschmelzung oder Spaltung Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger und bleibt Anteilsinhaber der neuen Rechtsform bei einem Formwechsel; allerdings gilt im Verhältnis zur Gesellschaft der bislang legitimierte Scheingesellschafter auch weiterhin als Anteilsinhaber bzw. Inhaber des neuen GeschAnteils4.

3. Gesellschafterpflichten a) Grundsätze 37

Der Erwerber hat von der Anmeldung an gegenüber der GmbH und gegenüber seinen Mitgesellschaftern5 grundsätzlich alle mit dem GeschAnteil unmittelbar verknüpften Pflichten zu erfüllen. Nicht erfasst werden dagegen Schadensersatzpflichten, die durch ein schuldhaftes Verhalten des Veräußerers entstanden sind; 1 Schnorbus, ZGR 2004, 126, 136; ihm folgend Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 31; zur Kapitalerhöhung durch Aufstockung der Nennbeträge Schothöfer, GmbHR 2003, 1321, 1324. 2 Stein, in: FS Ulmer, S. 643, 647 f.; Schnorbus, ZGR 2004, 126, 137 ff. (hier auch zum Problem der namentlichen Zuweisung des neuen oder erhöhten Geschäftsanteils im Erhöhungsbeschluss); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 31. 3 Hierzu Schnorbus, ZGR 2004, 126, 144 ff.; vgl. auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 31; a.A. Schothöfer, GmbHR 2003, 1321, 1326 f. 4 Schnorbus, ZGR 2004, 126, 153 f.; Stein, in: FS Ulmer, S. 643, 650 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 31. 5 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 24 Rdnr. 13; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 38 (anders Vorauflage, Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 32); Geck, DStR 1996, 627, 630; Limmer, ZIP 1993, 412, 415 f.; a.M. Meyer-Landrut, Rdnr. 9.

1180

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

für sie haftet er allein weiter1. Von nun an fällige Stammeinlageraten, fällig werdende Nachschussbeträge oder Nebenleistungspflichten (§ 3 Abs. 2) hat der Erwerber zu tragen; der Veräußerer schuldet sie nicht (s. aber Rdnr. 40). Im Innenverhältnis zwischen den Abtretungsparteien kann natürlich Gegenteiliges oder Abweichendes vereinbart sein2. Das gilt auch für einen solchen Erwerber, der nur zu Sicherungszwecken oder als Treuhänder den Anteil erworben hat; denn der GmbH gegenüber gilt er als vollberechtigter und vollverpflichteter Gesellschafter (s. § 15 Rdnr. 228)3. Die Haftung aus § 16 Abs. 3 für rückständige Einlageverpflichtungen und für Rückerstattungspflichten gem. § 31 (Rdnr. 40) lässt sich auch im Einverständnis mit der Gesellschaft nicht ausschließen; bei anderen Verpflichtungen ist es aber unter Umständen möglich. Zur Rechtslage bei der Abtretung eines Teilgeschäftsanteils vgl. § 17 Rdnr. 40 f. Die mit dem GeschAnteil verknüpften Pflichten gehen auf den Erwerber über, auch wenn er sie nicht kannte. Er ist lediglich auf Gewährleistungsansprüche an seinen Vormann, den Verkäufer des Anteils, verwiesen. Für nicht übernommene rückständige Einlagen haftet der Verkäufer nach §§ 453 Abs. 1 Alt. 1, 433 Abs. 1 Satz 2, 435 BGB (s. § 15 Rdnr. 145). Ein statutarisches Wettbewerbsverbot trifft, wenn die Satzung keine Einschränkung ergibt, jeden Anteilserwerber, selbst wenn er schon beim Erwerb ein Konkurrenzgeschäft betreibt. Dies gilt auch dann, wenn die GmbH selber gem. §§ 23, 27 Abs. 2 den GeschAnteil öffentlich versteigern lässt oder einen eigenen GeschAnteil (§ 33) veräußert. Die mit dem Anteil verknüpften Pflichten ergeben sich aus der Satzung und, folglich, aus dem HandReg. (§§ 7, 8, 54 Abs. 3 GmbHG; §§ 9 ff. HGB). Es ist Sache des Erwerbers, vor dem Erwerb das HandReg. einzusehen und bei dem Veräußerer oder bei der Geschäftsführung der GmbH über die Pflichtenlage sich zu erkundigen. Eine Auskunft des Veräußerers steht unter § 242 BGB (Treu und Glauben). Sie muss aber wahrheitsgemäß erteilt werden. Der Veräußerer ist zwar nicht allgemein verpflichtet, den Erwerber ohne Befragen über die mit dem GeschAnteil sich ergebenden Gesellschafterpflichten aufzuklären4, aber aus den besonderen Umständen des Einzelfalls kann sich etwas anderes ergeben. Eine Garantie der Gesellschaft, dass die Stammeinlagen voll geleistet seien, entbindet den Erwerber nicht; sie wäre nach § 19 Abs. 2 nichtig.

38

Der Pflichtenübergang findet nur statt, wenn die Pflicht nach Gesetz oder Satzung mit dem GeschAnteil verknüpft ist, während schuldrechtliche Verpflichtungen durch den Anteilsübergang und seine Anmeldung unberührt bleiben5. Sie können nur im Wege der Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) auf den Erwerber übergehen.

39

1 Limmer, ZIP 1993, 412, 413 f.; Buchholz, MittRhNotK 1991, 1, 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 36; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 56; K. J. Müller, Haftung, S. 52 ff.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 241. 2 BGHZ 68, 191, 197 f.; OLG Hamm, GmbHR 1979, 18. 3 A.M. RGZ 131, 146 (keine Haftung des Sicherungsnehmers für Stammeinlagereste bei Sicherungsabtretung). 4 RG, JW 1931, 2975 = GmbHRspr. IV § 16 R. 9. 5 Dazu K. J. Müller, Haftung, S. 43 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 35; Geck, DStR 1996, 627, 629 f.

H. Winter/Seibt

|

1181

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

b) Haftung des Veräußerers für rückständige Leistungen 40

Für die zurzeit der Anmeldung auf den GeschAnteil rückständigen Leistungen haftet der Veräußerer gesamtschuldnerisch weiter. Dies sagt § 16 Abs. 3, der sich auch auf die Haftung für Stammeinlagepflichten oder Rückzahlungspflichten eines anderen Gesellschafters nach §§ 24, 31 Abs. 3 bezieht1. „Rückständig“ ist eine Leistung, wenn sie fällig geworden und nicht bewirkt ist2, auf Verzug kommt es nicht an3, auch nicht darauf, ob die Leistungen während der Besitzzeit des Veräußerers fällig geworden, oder ob der Rückstand schon aus der Zeit eines Vorbesitzers stammt und ungetilgt geblieben ist. Fällig ist eine Leistung, wenn der Anspruch auf sie geltend gemacht werden kann. Die Fälligkeit kann, je nach Statut oder Gesellschafterbeschluss, ohne besondere Aufforderung eintreten; wo sich dies nicht ergibt, ist eine Anforderung durch den GeschFührer erforderlich4. Wenn daher das in § 7 vorgeschriebene Viertel der Stammeinlage bezahlt und Einforderung weiterer Einzahlungen nicht beschlossen ist (§ 46 Nr. 2), so ist insoweit kein Rückstand vorhanden5. Schreibt die Satzung „Barzahlung“ der Stammeinlagen vor, so ist damit noch nicht ausgesprochen, dass sie sofort zahlbar (fällig) seien6. Die ergänzende Geldeinlagepflicht des Gründungsgesellschafters wegen der Überbewertung der Sacheinlage (s. § 9) und der Anspruch auf Ausgleich der Vorbelastungen (s. § 11 Rdnr. 124 ff.) sind rückständige Leistungen i.S. des § 16 Abs. 37. Entsprechendes gilt, wenn und soweit eine Geldeinlagepflicht an die ursprüngliche Sacheinlageschuld getreten ist (s. § 5 Rdnr. 62 ff., 94 ff., 109) oder wenn eine verdeckte Sacheinlage vorliegt (s. § 5 Rdnr. 76 ff.). Der Veräußerer haftet allein weiter für Schadensersatzpflichten, die durch sein schuldhaftes Verhalten entstanden sind (Rdnr. 37); das gilt auch für die verschuldensunabhängige Gründerhaftung aus § 9a8.

41

Als haftender „Veräußerer“ gilt aber nur ein solcher Anteilsinhaber, der selber angemeldet oder kraft Gesetzes, z.B. Erbgangs, ohne Anmeldung Gesellschafter geworden war9. Ein Zwischenzessionar, auf den dies nicht zutrifft, hat weder Rechte noch Pflichten gegen die GmbH erlangt (§ 16 Abs. 1). Vielmehr haftet im Falle einer Kette von Abtretungen als Veräußerer i.S. des § 16 Abs. 3 derjeni1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 33 f.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Limmer, ZIP 1993, 412, 415. 2 BGH, GmbHR 1961, 144; 1996, 283, 284. 3 Begr. II S. 25; RGZ 84, 77. 4 RG, LZ 1915, 910 = GmbHRspr. II § 16 R. 12; BGH, GmbHR 1961, 144, 145; OLG München, GmbHR 1985, 56, 57. 5 RG, WarnR 7, 168 = GmbHRspr. II § 16 R. 6. 6 OLG Dresden v. 22. 1. 32 u. RG v. 18. 10. 32, GmbHRspr. IV § 16 R. 8; BGH, GmbHR 1961, 144. 7 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16 f.; Meyer-Landrut, Rdnr. 16; Buchholz, MittRhNotK 1991, 1, 7; Limmer, ZIP 1993, 412, 414; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 240. Vgl. zum früheren Recht BGHZ 68, 191, 196 f. 8 Limmer, ZIP 1993, 412, 415; K. J. Müller, Haftung, S. 88 ff.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 36; a.M. Geck, DStR 1996, 627, 629. 9 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 39; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21.

1182

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

ge, der zuletzt angemeldet war, auch wenn er nicht der unmittelbare Vormann und Vertragsgenosse des nunmehr angemeldeten Erwerbers ist (Rdnr. 9). Er haftet also für Leistungen, die erst zurzeit der Anteilsinhaberschaft eines nicht angemeldeten Nachmanns fällig und rückständig geworden sind. Insoweit hat er ein starkes Interesse daran, die Anmeldung seines Nachmanns zu bewirken. c) Haftung des Erwerbers für rückständige Leistungen Für die auf den Geschäftsanteil rückständigen Leistungen (Rdnr. 40) haftet neben (nicht subsidiär!) dem Veräußerer der angemeldete Erwerber (§ 16 Abs. 3). Er haftet also sowohl für die zurzeit seiner Anmeldung rückständigen wie für die nunmehr fällig werdenden (Rdnr. 37 f.) Leistungen und wird von den letzteren erst befreit, wenn ein Nachmann angemeldet ist und Leistungen bis dahin nicht rückständig sind. Während er aber für die nach seiner Anmeldung als Erwerber fällig werdenden Leistungen allein haftet (als Leistungsschuldner), haftet er für Rückstände neben dem Veräußerer. Er ist also hier Gesamtschuldner nach §§ 421 ff. BGB1 und hat u.U. gegen den Veräußerer einen Ausgleichsanspruch (§ 426 BGB). Danach haften Veräußerer und Erwerber im Grundsatz (Abweichungen werden sich häufig aus den Regelungen zur Risikotragung/Garantien im Anteilskaufvertrag ergeben) je zur Hälfte2. Die Mithaft kann durch die Satzung nicht ausgeschlossen werden3. Aus der Mithaft folgt, dass der Verzug des Veräußerers beim angemeldeten Erwerber sich ohne weiteres fortsetzt, und dass er bei gesellschaftlichen Lieferungspflichten (Nebenleistungen) für Ansprüche der Gesellschaft mit aufzukommen hat, die gegen die Veräußerer aus Gewährleistung oder auf Verzugszinsen (auch aus § 20) entstanden und fällig geworden waren. Beim Erwerb durch Minderjährige greift die Haftungsbeschränkung aus § 1629a BGB ein.

42

d) Befreiung des Veräußerers Der Veräußerer wird von Leistungspflichten befreit, die nach der Anmeldung des Erwerbers fällig werden4. Ausnahmsweise bleibt der Veräußerer aber subsidiär haftbar für Einzahlungen auf die Stammeinlage und beschränkten Nachschuss (§§ 22, 28), selbst wenn zurzeit der Anmeldung noch nichts eingefordert war. Je früher die Anmeldung des Erwerbers bewirkt wird, um so früher erlischt diese Haftung (§ 22 Abs. 3). Nach Versteigerung des GeschAnteils gemäß § 23 haften die Rechtsvorgänge (§ 22) nicht mehr5.

1 RGZ 93, 326, 329; BGHZ 68, 191, 197; BGH, BB 1991, 713, 714; GmbHR 1995, 119; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 44; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 30; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 54; Geck, DStR 1996, 627. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 46. 3 Gl.M. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 54, 58; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 37. 4 Feine, S. 394; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 40; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 12; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 51. 5 RGZ 85, 237.

H. Winter/Seibt

|

1183

43

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

VII. Nießbrauch, Verpfändung, Pfändung, Ersteigerung 44

Bei der Bestellung eines Nießbrauch- oder eines Pfandrechts fehlt es an einem Mitgliedschaftswechsel, so dass § 16 für sie nicht unmittelbar gilt1. Auch sonst ist die Wirksamkeit dieser Verfügungsgeschäfte nicht von einer Anzeige an die Gesellschaft abhängig; § 1280 BGB ist nicht anwendbar (s. § 15 Rdnr. 175). Es besteht aber ein entsprechendes Schutzbedürfnis der Gesellschaft wie bei einem Mitgliedschaftswechsel, soweit die Gesellschaft Leistungen erbringt, die dem Nießbraucher oder Pfandgläubiger auf Grund seines Rechts am GeschAnteil zustehen, oder soweit der Anteilsinhaber der Gesellschaft gegenüber ohne Zustimmung des Nießbrauchers oder des Pfandgläubigers Handlungen vornimmt, die deren Rechte beeinträchtigen (z.B. Zustimmung zur Einziehung; s. darüber § 15 Rdnr. 193). Die Vorschrift des § 16 Abs. 2 ist insoweit sinngemäß anzuwenden; solange also das Nießbrauch- oder das Pfandrecht nicht unter Nachweis seiner Bestellung bei der Gesellschaft angemeldet ist, muss der Rechtsinhaber alle Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen, die von der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter oder von diesem gegenüber der Gesellschaft vorgenommen worden sind2.

45

Eine besondere Anmeldung der Pfändung des GeschAnteils ist jedoch entbehrlich3, da entgegen der früher h.M. die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die GmbH notwendig ist (vgl. dazu § 15 Rdnr. 195). Auf den Erwerb des GeschAnteils in der Zwangsversteigerung ist § 16 unmittelbar anwendbar (Rdnr. 17, 28).

VIII. Insolvenzverfahren 1. GmbH im Insolvenzverfahren 46

Zur GmbH im Insolvenzverfahren s. § 15 Rdnr. 258 f.

2. Gesellschafter im Insolvenzverfahren (vgl. § 15 Rdnr. 254 ff.) 47

a) Hatte der Gesellschafter seinen GeschAnteil vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgetreten, so war dieser bereits, auch wenn die Veräußerung nicht angemeldet war, aus seinem Vermögen ausgeschieden. Der Insolvenzverwalter kann ihn nicht zur Masse ziehen, es sei denn, dass eine insolvenzmäßige Anfechtung der Veräußerung (§§ 129 ff. InsO) begründet ist, oder dass die Veräußerung nichtig ist. Nach der Insolvenzeröffnung kann der Schuldner den GeschAnteil mit Wirkung auf die Insolvenzgläubiger nicht mehr abtreten. Das Verfügungsrecht steht dem Insolvenzverwalter zu (§§ 35, 80 InsO), außer wenn das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung angeordnet hat (§ 270 InsO). 1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 64. 2 Im Ergebnis weitgehend übereinstimmend Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 64; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2; widersprüchlich Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 58, 144. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 65; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2; abw. offenbar Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22.

1184

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

War der GeschAnteil vor der Insolvenzeröffnung abgetreten, der Erwerber aber nicht angemeldet, so fragt sich, wer zur Anmeldung befugt ist. Überwiegend wird angenommen, dass dies der Insolvenzverwalter sei1. Dem steht aber entgegen, dass sich sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners beschränkt (§ 80 InsO). Der GeschAnteil ist aber nicht mehr in die Insolvenzmasse gefallen (Rdnr. 47); lediglich der Gesellschaft gegenüber gilt der Veräußerer, jetzige Insolvenzschuldner, mangels erfolgter Anmeldung des Erwerbers noch als Gesellschafter. Diese Rechtsposition bildet aber keinen zur Insolvenzmasse gehörenden pfändbaren Vermögensgegenstand (§§ 35 f. InsO)2. Die Anmeldung ist eine Rechtshandlung, die nur die Legitimationswirkung des § 16 für den Erwerber auslöst, aber die Vermögenszuordnung zwischen Veräußerer und Erwerber nicht berührt (Rdnr. 1). Anmeldebefugt beleibt daher der Veräußerer.

48

b) Umgekehrt ist zu entscheiden, wenn der Erwerber des GeschAnteils vor der Anmeldung in Insolvenz geraten ist und nun sein Insolvenzverwalter, um die mit dem GeschAnteil verbundenen Mitgliedsrechte gegenüber der GmbH ausüben zu können, seinerseits anmelden will, während Erwerber und Veräußerer die Anmeldung verweigern. Hier gehört der GeschAnteil zur Insolvenzmasse des Erwerbers und unterliegt daher der Verfügung des Insolvenzverwalters. Dieser ist befugt, die Rechte des Erwerbers wahrzunehmen, nach der Anmeldung durch Ausübung der Gesellschafterrechte, vor der Anmeldung durch Bewirkung der Anmeldung. Eine Anmeldung durch den Erwerber persönlich ist gem. § 81 InsO unwirksam. Letzteres gilt auch von einer nachträglichen Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber über Nichtanmeldung. War dagegen vor der Insolvenzeröffnung, bei der Abtretung, die Nichtanmeldung vereinbart, was zulässig ist (Rdnr. 10), so hindert dies zwar nicht, dass durch trotzdem vom Insolvenzverwalter bewirkte Anmeldung die Wirkung des § 16 ausgelöst wird. Der Insolvenzverwalter wird aber verantwortlich. Die Schadensersatzforderung des Veräußerers ist Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

49

IX. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) Der BMJ-Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG-RefE) (§ 15 Rdnr. 4) sieht eine Neufassung von § 16 mit folgendem Wortlaut vor: „§ 16 Rechtsstellung bei der Übertragung von Geschäftsanteilen (1) Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Gesellschafter nur, wer als solcher in der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste eingetragen ist. Die Änderung der Liste durch die Geschäftsführer erfolgt auf Mitteilung und Nachweis. (2) Für die zurzeit der Einreichung der Gesellschafterliste zum Handelsregister (§ 40 Abs. 1 Satz 1) rückständigen Leistung auf den Geschäftsanteil haftet der Erwerber neben dem Veräußerer. 1 OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 446; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 46; Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 10; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 65. 2 Unzutr. OLG Düsseldorf, GmbHR 1996, 443, 446.

H. Winter/Seibt

|

1185

50

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

(3) Zugunsten desjenigen, der einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran durch Rechtsgeschäft erwirbt, gilt der Inhalt der Gesellschafterliste insoweit als richtig, als die den Geschäftsanteil betreffende Eintragung im Zeitpunkt des Erwerbs seit mindestens drei Jahren unrichtig in der Gesellschafterliste enthalten und kein Widerspruch zum Handelsregister eingereicht worden ist. Dies gilt nicht, wenn dem Erwerber die Unrichtigkeit bekannt ist.“

51

Mit der Neuregelung von § 16 werden zwei Hauptziele verfolgt. (1) Zukünftig ist nicht mehr die Anmeldung der Anteilsabtretung die Grundlage für die Legitimationsfiktion zu Gunsten des hierin legitimierten Erwerbers, sondern die zum Handelsregister eingereichte Gesellschafterliste. Gleichzeitig fällt die Anmeldung als Transparenz- und Legitimationsmedium weg. Die Vorschrift des § 16 GmbHG i.d.F. MoMiG-RefE lehnt sich dabei an das Regelungsmuster des § 67 Abs. 2 AktG für Namensaktien an. Die Konzentration der Transparenzund Legitimationsmedien auf die Gesellschafterliste bedeutet allerdings nicht, dass die Eintragung in die Gesellschafterliste oder die Einreichung der Gesellschafterliste zum Handelsregister Wirksamkeitsvoraussetzung für die Übertragung von GeschAnteilen würde1. Vielmehr erfolgt die Anteilsübertragung weiterhin ausschließlich durch und nach Maßgabe des Abtretungsvertrages (§ 15 Abs. 3). Die Eintragung des Erwerbers in die Gesellschafterliste und die Einreichung dieser Gesellschafterliste zum Handelsregister ist nunmehr Voraussetzung, dass der Erwerber seine Mitgliedschaftsrechte ausüben kann. (2) Die zum Handelsregister eingereichte Gesellschafterliste soll zukünftig unter bestimmten Voraussetzungen der Rechtsscheinträger sein, der den gutgläubigen Erwerb von GeschAnteilen ermöglicht. Dabei ist problematisch, dass der MoMiG-RefE keine explizite und umfassende Prüfung der Gesellschafterliste auf die Übereinstimmung mit der materiellen Rechtslage vorsieht (z.B. durch das Registergericht in Nachbildung von § 892 BGB oder durch den Notar als mit der Überprüfung Beliehener2). Der Gesetzgebungsvorschlag will die Zuverlässigkeit der Gesellschafterliste für die zutreffende Darstellung des Gesellschafter- und Geschäftsanteilsbestandes allerdings durch Folgendes sicherstellen: Die Abtretung der GeschAnteile bleibt beurkundungspflichtig (§ 15 Abs. 3). Es gibt vor Änderung der Gesellschafterliste eine Prüfungspflicht, nämlich für die Geschäftsführer anhand geeigneter Unterlagen (in der Regel Anteilsabtretungsvertrag bzw. beim Übergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Erbscheine, Handelsregistereintragung etc.) und – bei „Mitwirkung eines Notars“ an dem Anteilsübergang bzw. an der Anteilsentstehung (also insbesondere Beurkundung des Anteilsabtretungsvertrages, Beurkundung des Kapitalerhöhungsbeschlusses, Beglaubigung der Übernahmeerklärung und Beglaubigung der Handelsregisteranmeldung, Beurkundung eines Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrages, der dazugehörenden Zustimmungsbeschlüsse der Anteilseignerversammlungen und Beglaubigung der entsprechenden Handelsregisteranmeldungen) – für den mitwirkenden Notar, der die Gesellschafterliste kraft Amtspflicht (die Gesetzesformulierung „in Vertretung der Geschäftsführer“ ist missverständlich) zum Handelsregister einzureichen und hierbei eine haftungsbewährte (§ 19 BNotO) 1 So Regelungsvorschlag BDI/Hengeler Mueller, Rdnr. 114–115. 2 So Vossius/Wachter, §§ 24–27 GmbHRG, abrufbar unter www.gmbhr.de/volltext/voll_ in.htm.

1186

|

H. Winter/Seibt

§ 16

Rechtsstellung von Veräußerer und Erwerber

Bescheinigung über bestimmte Umstände der Gesellschafterliste abzugeben hat. Schließlich muss die betreffende Eintragung in der Gesellschafterliste mindestens drei Jahre ohne Widerspruch geblieben sein1. Da im Regelfall ein Notar an der Änderung von für den Inhalt der Gesellschafterliste relevanten Daten mitwirken wird, kommt der neu in § 40 Abs. 1 Satz 3 GmbHG i.d.F. MoMiG-RefE geregelten Bescheinigung erhebliche Bedeutung für die Rechtsscheinbasis zu. Diese Notarbescheinigung hat keine gesetzliche Vorgängerregelung, aber eine gewisse Nähe zu sonstigen in der Praxis entwickelten Notarbestätigungen (Maßnahmen der Rechtsbetreuung nach § 24 BNotO) wie Fälligkeitsbestätigungen sowie Bestätigungen über Eintragungshindernisse und Rangfragen im Grundbuchverkehr. Mit diesem Dokument muss der Notar bescheinigen, dass (i) er an einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung mitgewirkt und (ii) die – von ihm entsprechend – geänderte Liste den Geschäftsführern übermittelt hat sowie (iii) die übrigen (dh die nicht wegen seiner Mitwirkung geänderten) Eintragungen mit dem Inhalt des bisherigen Gesellschafterliste übereinstimmen und (iv) aus den ihm vorliegenden Unterlagen nichts ersichtlich ist, was die Richtigkeit der Gesellschafterliste in Frage stellt. Für die Bescheinigung der letzteren Aussage wird den Notar nicht nur eine Prüfungs-, sondern auch eine beschränkte Nachprüfungs- oder Untersuchungspflicht treffen, nämlich im Hinblick auf erkennbare Implausibilitäten oder Lücken im Verhältnis zu früheren Gesellschafterlisten. Die Geschäftsführer bleiben im Übrigen trotz der notariellen Bescheinigung verpflichtet, die ihnen vom Notar übermittelte Gesellschafterliste in der geänderten Form zu überprüfen und etwaige Anmerkungen dem Notar (und den von der Änderung der Gesellschafterliste betroffenen Personen) zu melden. Die durch die im Regelfall bestehende parallele Prüfungspflicht der Geschäftsführung sowie des mitwirkenden Notars erreichte Richtigkeitsgewähr der Gesellschafterliste wird durch die mindestens dreijährige Widerspruchsfreiheit des konkreten Datums in der Gesellschafterliste erhöht. Die Einreichung eines Widerspruchs zum Handelsregister zerstört den für den gutgläubigen Erwerb notwendigen Rechtsschein, unabhängig davon, ob der Widerspruch materiell berechtigt ist. Das Handelsregister prüft den Widerspruch nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit und wird dementsprechend auch nicht eingetragen und bekannt gemacht, allerdings in den Registerordner aufgenommen und der Gesellschafterliste zugeordnet, so dass diese über das elektronische Handelsregister für jeden einsehbar ist. Die materielle Berechtigung an einem Geschäftsanteil, die Verpflichtung der Geschäftsführer zur Änderung der Gesellschafterliste oder des Drittens auf Rücknahme des von ihm eingereichten Widerspruchs sind in Zivilverfahren geltend zu machen2. Die hierdurch insgesamt erreichte Richtigkeitsgewähr der Gesellschafterliste ist eine ausreichende Rechtsscheinbasis für den gutgläubigen Erwerb, und die Neuregelung ist eine verfassungsrechtlich unbedenkliche, verhältnismäßige Inhaltsausgestaltung des Anteilseigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zum Schutz des Allgemeininteresses3. 1 Dieses Modell einer Rechtsscheinbasis entspricht dem Vorschlag von Grunewald, abgedruckt in Grunewald/Gehling/Rodewig, ZIP 2002, 685, 686 ff. 2 Begründung, S. 52. 3 Vgl. Leuschner, AcP 205 (2005), 205 ff. (zu §§ 932 ff. BGB).

H. Winter/Seibt

|

1187

52

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils (1) Die Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils kann nur mit Genehmigung der Gesellschaft stattfinden. (2) Die Genehmigung bedarf der schriftlichen Form; sie muss die Person des Erwerbers und den Betrag bezeichnen, welcher von der Stammeinlage des ungeteilten Geschäftsanteils auf jeden der durch die Teilung entstehenden Geschäftsanteile entfällt. (3) Im Gesellschaftsvertrag kann bestimmt werden, dass für die Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils an andere Gesellschafter, sowie für die Teilung von Geschäftsanteilen verstorbener Gesellschafter unter deren Erben eine Genehmigung der Gesellschaft nicht erforderlich ist. (4) Die Bestimmungen in § 5 Abs. 1 und 3 über den Betrag der Stammeinlagen finden bei der Teilung von Geschäftsanteilen entsprechende Anwendung. (5) Eine gleichzeitige Übertragung mehrerer Teile von Geschäftsanteilen eines Gesellschafters an denselben Erwerber ist unzulässig. (6) Außer dem Fall der Veräußerung und Vererbung findet eine Teilung von Geschäftsanteilen nicht statt. Sie kann im Gesellschaftsvertrage auch für diese Fälle ausgeschlossen werden. Text seit 1892 unverändert.

Inhaltsübersicht I. Teilung von Geschäftsanteilen 1. Allgemeines . . . . . . . . . . .

1

2. Teilung . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Teilung . . . . . . . . . .

2 4

c) d) e) f) g)

Erteilung der Genehmigung . Form . . . . . . . . . . . . . Inhalt . . . . . . . . . . . . . Versagung der Genehmigung Befreiung vom Genehmigungserfordernis . . . . . . .

19 22 26 27

5. Statutarische Regelungen . . . .

33 35

II. Zulässigkeit der Teilung 1. Allgemeines . . . . . . . . . . .

6

2. Zulässigkeit bei Veräußerung . . 3. Zulässigkeit bei Vererbung . . .

7 8

IV. Verpfändung, Nießbrauch, Zwangsvollstreckung . . . . . .

4. Statutarische Regelungen . . . .

9

V. Wirkungen der Teilveräußerung

III. Voraussetzungen zulässiger Teilung 1. Beurkundungsform . . . . . . . 10 2. Mindestbeträge (§ 17 Abs. 4) . 3. Verbot gleichzeitiger Übertragung . . . . . . . . . . . . . . 4. Genehmigung (§ 17 Abs. 1–3) a) Abtretung von Teilanteilen b) Genehmigung . . . . . . . .

1188

|

H. Winter/Seibt

. 11 . 12 . 16 . 18

1. Selbständigkeit der Teilanteile 2. Geltung des § 16 . . . . . . . a) Mitgliedschaftsrechte . . . b) § 16 Abs. 2 . . . . . . . . . c) Gesellschaftliche Pflichten 3. Unwirksamkeit der Teilabtretung . . . . . . . . . . . . . .

28

. . . . .

36 37 38 39 40

.

42

VI. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) . . . . . . . . . .

43

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

Schrifttum: Koob/Seefeldt, Die Teilung von GeschAnteilen, GmbHR 1961, 140; Leuschner, Die Teilverpfändung von GmbH-Anteilen, WM 2005, 2161; Liese, Die Rechtsfolgen fehlerhafter Teilungserklärungen nach § 17 Abs. 2 GmbHG, GmbHR 2005, 1460; Meissner, Die Veräußerung von Teilen eines GmbH-GeschAnteils in Erfüllung von Earn-Out-Klauseln, GmbHR 2005, 752; Michalski, Zustimmung bei Sicherungsabtretung eines Teilgeschäftsanteils, GmbHR 1991, 89; Neukamp, Die GeschAnteile der GmbH, ZHR 57 (1906), 541; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965. Weitere Lit.Ang. bei § 15 vor Rdnr. 10.

I. Teilung von Geschäftsanteilen 1. Allgemeines Das GmbHG sucht den Mitgliedschaftswechsel zu erschweren. Der GeschAnteil, als Träger der Mitgliedschaft, soll nicht, wie die Aktie, zum Gegenstand des Handelsverkehrs werden. Eine engere persönliche Bindung der Gesellschafter ist bei der GmbH gewollt. Bei der Gründung kann deswegen jeder Gesellschafter nur einen Anteil übernehmen (§ 5 Abs. 2). Die Anteile der Gesellschafter können verschiedene Größen haben, auch nicht in Wertpapieren verkörpert werden, damit ein Handel mit ihnen erschwert wird. Die Übertragung ist an strengere Formen gebunden (§ 15 Abs. 3–5). Auch dadurch, dass der GeschAnteil regelmäßig teilbar ist, die Aktie dagegen stets unteilbar (§ 8 Abs. 4 AktG), die Teilung aber an noch strengere Voraussetzungen geknüpft ist als die Übertragung des ganzen Anteils, wird ein Anteilsverkehr gehemmt, während andererseits mit Rücksicht auf die oft sehr großen Ursprungsgeschäftsanteile eine Anteilsverkleinerung den Gesellschaftern nicht grundsätzlich verwehrt werden soll1.

1

2. Teilung Die Teilung ist die reale Zerlegung des GeschAnteils in mehrere selbständige Stücke dergestalt, dass jeder Teil nach einem Nennbetrag bezeichnet wird und die Summe der Nennbeträge der Teile dem Nennbetrage des ursprünglichen GeschAnteils entspricht, dass dieser aber verschwindet und die Teile nunmehr die Rechtseigenschaft von (selbstständigen) GeschAnteilen annehmen. Daraus folgt die Unzulässigkeit einer Teilung derart, dass nur der bezahlte oder nicht bezahlte Teil des GeschAnteils (§ 7 Abs. 2), oder nur der durch Barzahlung oder der durch Sacheinlagen gedeckte Teil (§ 5) abgetreten werde2. Auch eine Teilung nach Berechtigungen in der Weise, dass der eine das Stimmrecht und der andere die übrigen Gesellschafterrechte (und Pflichten) erhält, ist unmöglich3.

1 BGHZ 14, 25, 34; OLG Hamm, DB 1976, 907, 908; OLG Frankfurt/M., WM 1978, 23. 2 Feine, S. 402; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 4; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 2; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 4; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 8. 3 RG, GmbHRspr. IV § 15 R. 61; RG, JW 1934, 2906, 2907; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Pentz, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Rdnr. 2; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 8.

H. Winter/Seibt

|

1189

2

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

Allerdings sind in beiden Fällen Umdeutungen nach § 140 BGB in entsprechende schuldrechtliche Abreden zwischen den Beteiligten möglich1. 3

Soweit eine Teilung nach § 17 zulässig ist, kommt es auf ihren Zweck nicht an. Gültig ist auch die Teilung zur Sicherungsübereignung eines Teils. Wird nach Erledigung des Sicherungszweckes der Teil rückübertragen, so behält er seine Selbständigkeit (§ 15 Abs. 2), aber die Zusammenlegung ist u.U. möglich (s. § 15 Rdnr. 45 f.).

3. Keine Teilung 4

Keine Teilung ist die Abtretung des GeschAnteils im ganzen an mehrere Personen, mag es sich um eine Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) oder um eine Gemeinschaft zur gesamten Hand handeln; dasselbe gilt für die Begründung einer derartigen Gemeinschaft durch den Gesellschafter und andere2 und für die Umwandlung von Bruchteils- in Gesamthandseigentum oder umgekehrt3. In diesen Gemeinschaftsfällen ist nicht § 17, wohl aber § 18 anwendbar. Doch kann die Gemeinschaft gelöst werden; geschieht dies derart, dass mehreren Teilhabern einzelne Teile des GeschAnteils zugeteilt werden, so liegt eine Veräußerung von Teilen vor und § 17 wird anwendbar (Rdnr. 7, 8). Keine Teilung ist auch die interne, rein rechnerische Aufteilung eines GeschAnteils unter mehrere Personen4.

5

Die Veräußerung einzelner, aus der Mitgliedschaft fließender vermögensrechtlicher Ansprüche (auf Dividende, auf das Liquidationsguthaben usw.), mag sie auch in Teilen erfolgt sein, fällt ebenfalls nicht unter § 175. Denn dadurch bleibt der GeschAnteil ungeteilt. Diese Ansprüche sind selbständig und nach den Regeln des BGB veräußerlich (§ 15 Rdnr. 20, 94). Die mit dem GeschAnteil verbundenen Mitverwaltungsrechte können von ihm überhaupt nicht getrennt werden (s. § 15 Rdnr. 17 ff.).

II. Zulässigkeit der Teilung 1. Allgemeines 6

„Außer dem Falle der Veräußerung und Vererbung findet eine Teilung von GeschAnteilen nicht statt“ (§ 17 Abs. 6 Satz 1). Dies bedeutet: Bei der Beschaffung von GeschAnteilen, sei es bei der Gründung oder KapErhöhung, kann jeder Gesellschafter nur eine Stammeinlage übernehmen (§ 5 Abs. 2; § 55 Abs. 4)6. Eine Teilung ist hier begrifflich unzulässig. Ebenso wenig ist später 1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 4. 2 RGZ 135, 70, 74; Feine, S. 400; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 3 ff.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 9. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 5; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 9. 4 Dazu BGH, WM 1962, 415; 1966, 472. 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 6. 6 Ausnahmen bestehen für die Umwandlung; s. § 5 Rdnr. 5.

1190

|

H. Winter/Seibt

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

eine sog. Vorratsteilung gestattet. Ein Gesellschafter kann aber auch nicht für sich selbst, durch einseitigen Vorgang, seinen GeschAnteil teilen. Ein solcher Monolog wäre bis zur Veräußerung von Teilen bedeutungslos (§ 17 Abs. 6 Satz 1)1. Eine Satzungsvorschrift, die die Zerlegung von Geschäftsanteilen in einer Hand gestattet, ist nichtig2. Nur bei einer Veräußerung – und hierzu rechnet der § 17 auch die Auseinandersetzung unter Miterben in Natur (vgl. § 17 Abs. 3 2. Alt.) – ist Teilung möglich. Eine Ausnahme von § 17 Abs. 6 Satz 1 enthält § 241 Abs. 1 Satz 2 UmwG für den Rechtsformwechsel einer GmbH in eine AG oder eine KGaA. In Übereinstimmung mit dem Gesetzeszweck des § 17 lässt die Vorschrift auch die Teilung des GeschAnteils zu, die sich beim Rechtsformwechsel aus der vom Nennbetrag des GeschAnteils abweichenden niedrigeren Festsetzung der Aktiennennbeträge ergibt.

6a

Die Teilung eines GeschAnteils bleibt auch während der Liquidation der Gesellschaft zulässig3.

6b

2. Zulässigkeit bei Veräußerung Der Begriff der „Veräußerung“ ist zwar derselbe wie in § 16 (dort Rdnr. 28 ff.). Doch liegt nicht bei jeder Veräußerung unter Schaffung einer Mitbeteiligung eine Teilung vor, so bei der Einräumung eines ideellen Anteils (§§ 741 ff. BGB) am GeschAnteil, bei der Einbringung des GeschAnteils in eine Gemeinschaft, bei der Umwandlung von Gesamthandseigentum in Bruchteilseigentum, und umgekehrt. Der GeschAnteil wird dadurch nicht geteilt (Rdnr. 4). Eine Teilung kann erst durch Auflösung der Gemeinschaft und reale Teilung erfolgen. Die „Gemeinschaft nach Bruchteilen“ in §§ 741 ff. BGB bedeutet Gemeinschaft zu ideellen Teilen, ein ungeteiltes Recht. Auf die Bruchteilsgemeinschaft ist nicht § 17, sondern § 18 anwendbar4. Dagegen bedeutet die Auseinandersetzung über einen gemeinschaftlichen GeschAnteil Teilung (§ 18 Rdnr. 24).

7

3. Zulässigkeit bei Vererbung Die Fassung des § 17 Abs. 6 Satz 1 ist insoweit verunglückt, als durch die Vererbung keine Teilung erfolgt: Der zum Nachlass gehörige GeschAnteil fällt vielmehr in die Gesamthandsgemeinschaft der Miterben. Jene aus 1892 stammende, also ein einheitliches Zivilrecht nicht voraussetzende Fassung kann nur die Realteilung meinen, die bei Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erfolgt, mögen an Miterben, Vermächtnisnehmer oder auch an Dritte reelle Teile

1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16; Meyer-Landrut, Rdnr. 3. 2 OLG Frankfurt/M., WM 1978, 23; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 9. 3 KG, GmbHR 1996, 921. 4 RGZ 135, 70; 145, 99.

H. Winter/Seibt

|

1191

8

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

des GeschAnteils zugeteilt werden1. Die Zuteilung eines Teils an einen Miterben, Vermächtnisnehmer oder an Dritte ist eine „Veräußerung“. Ebenso die Aufteilung unter Miterben. Der § 17 begreift alle Aufteilungsfälle unter „Veräußerung“, wie Abs. 3 („unter deren Erben“) i.V.m. Abs. 1 ergibt. Daher sind die Worte „und Vererbung“ in § 17 Abs. 6 Satz 1 überflüssig. Immerhin liegt darin ein Fingerzeig, dass die Aufteilung gemeinschaftlicher GeschAnteile (über die Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften hinaus) unter § 17 fällt2.

4. Statutarische Regelungen 9

Im Gesellschaftsvertrag kann die Teilung ausgeschlossen werden (§ 17 Abs. 6 Satz 2). Dies kann für alle oder für einzelne GeschAnteile oder für gewisse Erwerbsfälle geschehen, indem z.B. nur für Erbteilungsfälle die Teilung zugelassen wird. Die spätere Aufhebung des Teilungsverbots kann jederzeit durch Satzungsänderung nach §§ 53, 54 erfolgen (Rdnr. 34). Kann aber die Teilung durch die Satzung ausgeschlossen werden, so kann sie auch, unter Belassung ihrer Zulässigkeit an sich, durch weitere als die gesetzlichen Voraussetzungen erschwert werden3, z.B. durch Abhängigmachen von einstimmigem Gesellschafterbeschluss in jedem Einzelfall (Rdnr. 33) oder von einem Aufsichtsratsbeschluss4 oder dadurch, dass die aus der Teilung entstehenden Anteile bestimmte Mindestnennbeträge (Rdnr. 10) haben müssen oder kein Stimmrecht haben5. Bei völligem statutarischem Teilungsverbot ist eine rechtswirksame Teilung durch die Gesellschaft nach Abs. 1 nicht möglich6. Miterben können dann z.B. im Erbteilungswege den GeschAnteil nur einem Mitbeteiligten ganz zuweisen oder ihn ganz verkaufen, sonst unterliegen sie weiterhin der Rechtslage nach § 18. Bei der Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung sind die eine nach § 17 Abs. 6 Satz 1 zulässige Teilung ausschließenden oder erschwerenden Satzungsbestimmungen nicht anwendbar, soweit zu ihrer Durchführung Geschäftsanteile der übernehmenden Gesellschaft geteilt werden müssen, um sie den Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers gewähren zu können (§§ 54 Abs. 3, 125 UmwG).

III. Voraussetzungen zulässiger Teilung 1. Beurkundungsform 10

Die Beurkundungsform aus § 15 Abs. 3 ist für die Abtretung des Teilgeschäftsanteils erforderlich; für einen voraufgehenden schuldrechtlichen Vertrag auf 1 Vgl. BGHZ 32, 39; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 6. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 8; a.M. Brodmann, Anm. 1. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27; Meyer-Landrut, Rdnr. 3; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 38; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 18. 4 RGZ 88, 323. 5 RG, DR 1944, 775, 777. 6 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 35; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 17.

1192

|

H. Winter/Seibt

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

Abtretung eines Teilanteils gilt § 15 Abs. 41. Ein formloser obligatorischer Vertrag wird durch formgerechte dingliche Abtretung rechtsgültig (§ 15 Abs. 4); dies gilt im Falle der Teilabtretung nur dann, wenn auch § 17 beachtet ist. Bedarf die Abtretung nach § 15 Abs. 5 statutarisch weiterer Erfordernisse, so müssen bei der Teilabtretung auch diese erfüllt sein. Nur wenn nach § 15 Abs. 5 zur Wirksamkeit der Abtretung die Übergabe des Anteilscheins erforderlich ist, bedarf es der Übergabe auch bei der Teilabtretung, ansonsten nicht. Doch kann der Erwerber in jedem Fall die Aushändigung einer (schlichten) Beweisurkunde, falls ausgestellt, verlangen (§§ 413, 402 BGB). Betrifft der Anteilschein nur den ganzen bisherigen GeschAnteil, so wird im Falle der §§ 413, 402 die Übergabe einer beglaubigten Abschrift (mit Hinweis auf den Nennbetrag des veräußerten TeilGeschAnteils) genügen (Nebenpflicht aus § 433 Abs. 1 BGB bzw. §§ 453 Abs. 1, 433 Abs. 1 BGB); doch kann, wenn die Satzung ausdrücklich die Teilabtretung an die Übergabe knüpft, die Abtretung nur nach Ausstellung eines Teilanteilscheines durch die GmbH wirksam erfolgen2.

2. Mindestbeträge (§ 17 Abs. 4) Auch der TeilgeschAnteil wird, da er nunmehr als selbständiger GeschAnteil in den Verkehr tritt, mit einem Nennbetrag bezeichnet, der sich nach der übernommenen Stammeinlage bestimmt (§ 14). Er darf nicht auf einen niedrigeren Betrag als den gesetzlichen Mindestbetrag einer jeden Stammeinlage lauten und muss die vorgeschriebene Teilbarkeit einhalten (Rdnr. 11a). Die Satzung kann den Mindestbetrag für die Anteilsteilung höher festsetzen (Rdnr. 9), nicht aber ermäßigen. Im Übrigen können die Teile verschieden groß sein; die Summe ihrer Nennbeträge muss aber mit dem des GeschAnteils, so wie er vor dieser Teilung bestand, übereinstimmen. Die Abtretung eines TeilgeschAnteils ist nach § 134 BGB nichtig, wenn dieser und der verbleibende Restteil die vorstehenden Erfordernisse nicht erfüllen3; trotz § 139 BGB wird das Kausalgeschäft in der Regel hiervon nicht erfasst4. Ein unter dem gesetzlich bestimmten Nennbetrag liegender (Teil)GeschAnteil kann in der Weise veräußert werden, dass er in einem einheitlichen Beurkundungsvorgang mit anderen Anteilen zu einem dem Mindestnennbetrag entsprechenden oder übersteigenden GeschAnteil zusammengelegt wird5. Dies ergibt eine teleologische Auslegung der § 17 Abs. 4, § 5 Abs. 3, da gerade dieses Verfahren den Gesetzeszweck fördert, eine Vervielfältigung der Gesellschafterzahl durch Bildung und Abtretung von Kleinstgeschäftsanteilen zu verhindern.

1 RGZ 43, 136, 138; 87, 246, 248. 2 Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 13; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 41; weitergehend (Ausstellung Teilanteilschein in jedem Fall) Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 45. 3 BGHZ 14, 25, 33; OLG Schleswig, NJW-RR 1995, 554; KG, GmbHR 2001, 520, 521. 4 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; a.M. OLG Schleswig, NJW-RR 1995, 554. 5 KG, GmbHR 2001, 520, 521; Stürwald, EWiR 2001, 869, 870; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 14; a.M. Rombach, DNotZ 2001, 892 f.

H. Winter/Seibt

|

1193

11

§ 17 11a

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

Die Nennbeträge der gebildeten Teilgeschäftsanteile müssen danach mindestens 100 Euro betragen und durch 50 teilbar sein (§§ 5 Abs. 1 u. 3, 17 Abs. 4), d.h. GeschAnteile mit einem geringeren Nennbetrag als 200 Euro sind de lege lata nicht teilbar. Diese Mindestnennbeträge und Teilbarkeitsziffern gelten auch für die Geschäftsanteile, die bei der Euro-Umstellung (§ 86 Abs. 1 Satz 4) oder einer früheren Währungsumstellung (z.B. § 44 Abs. 4 DMBilG), einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§ 57h Abs. 1 Satz 2), einer Kapitalherabsetzung zum Zwecke des Verlustausgleichs (§ 58a Abs. 3 Satz 2) oder einer Umwandlung (§§ 46 Abs. 1 Satz 3, 55 Abs. 1 Satz 2, 139 Satz 1, 243 Abs. 3 Satz 2, 258 Abs. 2 UmwG) auf Grund von Vorschriften festgesetzt worden sind, die einen Mindestnennbetrag von 50 DM bzw. Euro und die Teilbarkeit durch 10 vorschreiben. Die Vorschriften sind auf eine Teilung von GeschAnteilen nach § 17 nicht anwendbar. Eine Schwierigkeit hinsichtlich der Teilbarkeitsziffer ergibt sich aber dann, wenn der zu teilende GeschAnteil auf Grund der zitierten Bestimmungen auf einen nicht durch 50 bzw. 100 teilbaren Betrag, z.B. 1040 Euro bzw. DM, festgesetzt worden war. In diesen Fällen ist es als unvermeidliche Konsequenz der Ausnahmevorschriften erlaubt, dass der Nennbetrag eines der TeilgeschAnteile die Teilbarkeitsziffern nicht einhält1. Dabei gibt es keinen Rechtssatz, demzufolge der nicht den allgemeinen Teilbarkeitsregeln entsprechende (Teil-)GeschAnteil zwingend beim Veräußerer bleiben müsse2.

3. Verbot gleichzeitiger Übertragung 12

Eine gleichzeitige Übertragung mehrerer Teile von GeschAnteilen eines Gesellschafters an denselben Erwerber ist unzulässig (§ 17 Abs. 5) und nichtig. Auch eine statutarische Bestimmung kann hiervon nicht abweichen3, und ein Verstoß gegen § 17 Abs. 5 kann weder durch einen Gesellschafterbeschluss noch gar durch eine Genehmigung der Geschäftsführer geheilt werden4. Teilwirksamkeit nur bezüglich eines Teilanteils nach § 139 BGB scheidet in der Regel aus5. Allerdings kann eine Umdeutung des Rechtsgeschäfts nach § 140 BGB dahingehend in Betracht kommen, dass der Erwerber einen ungeteilten GeschAnteil erwirbt6. Die Vorschrift des § 17 Abs. 5 soll das in § 17 Abs. 6 Satz 1 geregelte Verbot der Vorratsteilung ergänzen: Ist eine Anteilsteilung auf Vorrat unzulässig, so darf dasselbe Ergebnis nicht durch Teilung und Übertragung des geteilten GeschAnteils auf denselben Erwerber möglich sein. Beide Vorschrif1 Wie hier (jetzt) Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 36; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 10; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 16. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13; a.M. Rowedder, 3. Aufl., Rdnr. 3; Heidinger, DNotZ 2000, 329, 331. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 11. 4 OLG Braunschweig, OLGR 16, 115, 116; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 34. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 11; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8 a.E.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 34; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19; abw. Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 12. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 11.

1194

|

H. Winter/Seibt

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

ten dienen dazu, eine willkürliche Vervielfältigung von GeschAnteilen zu verhindern1. Vor dem Hintergrund der rechtspolitischen Bedenken (Rdnr. 43) und der rigiden Rechtsfolgen der Nichtbeachtung von § 17 Abs. 5 (unheilbare Nichtigkeit) ist die Norm teleologisch-restriktiv in der Weise auszulegen, dass die Übertragung mehrerer Teile eines GeschAnteils nur dann unzulässig ist, wenn es hierfür keinen sachlich gerechtfertigten, rechtlichen oder wirtschaftlichen Grund gibt2. Dies bedeutet Folgendes: Ein Gesellschafter kann mehrere GeschAnteile zwar nicht ursprünglich übernehmen (Rdnr. 6), aber infolge späteren Zuerwerbs besitzen. Er kann seine GeschAnteile sämtlich oder einige von ihnen an mehrere oder an denselben Erwerber übertragen, und zwar auch gleichzeitig (§ 15). Er kann auch nacheinander oder auch gleichzeitig den einen GeschAnteil ganz und von dem anderen einen Teil oder von jedem GeschAnteil je einen Teil an denselben Erwerber gleichzeitig übertragen3. Verboten nach § 17 Abs. 5 ist nur die gleichzeitige Übertragung mehrerer Teile desselben GeschAnteils an denselben Erwerber. Dabei kommt es auf die Abspaltung von dem GeschAnteil des Veräußerers an, gleichviel ob dieser noch die ursprüngliche Höhe hat oder seinerseits ein Teilanteil war. War daher ein Ursprungsanteil geteilt, so kann jeder Teilanteilsinhaber von seinem Teil, der ja ein selbständiger Anteil geworden ist, gleichzeitig mit dem anderen Anteilsinhaber einen Teil von seinem Anteil an denselben Erwerber abtreten. – Hat der Veräußerer mehrere Anteile, so muss erkennbar sein, von welchem derselben ein Teil abgetreten wird. Sonst ist die Abtretung nichtig (§ 15 Rdnr. 29); doch kann aus der schriftlichen Genehmigungserklärung der Gesellschaft (§ 17 Abs. 2) u.U. der Mangel geheilt werden4.

13

Bei der Frage, in welcher Weise die Verbotsvoraussetzung einer „gleichzeitigen Übertragung“ der Teilgeschäftsanteile auszulegen ist, werden im Wesentlichen vier Auffassungen vertreten: Eine formal-objektive Ansicht sieht die Voraussetzungen (nur) dann als gegeben an, wenn die mehreren Teilübertragungen in einem Akt und in ein und derselben notariellen Urkunde vollzogen werden5. Die Gleichsetzung der Gesetzesbegrifflichkeit „gleichzeitige Übertragung“ mit „Übertragung in einem Notariatsakt“ verfehlt potenziell den Gesetzeszweck, eine „willkürliche Vervielfältigung der GeschAnteile in den Händen der Gesellschafter“ zu verhindern (Rdnr. 1), da insoweit nur eine bestimmte Maßnahme

14

1 Amtliche Begründung zum Entwurf des GmbHG, S. 65; vgl. auch BGHZ 11, 124, 126; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 9. 2 BGHZ 11, 124, 127; BGH, NJW 1967, 2159, 2161; OLG Schleswig, NZG 2000, 318 f. m. Anm. de Vries; ähnlich LG Mosbach, GmbHR 1987, 61, 62; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 9; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 38; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 37; Goette, GmbH, § 5 Rdnr. 58; Meissner, GmbHR 2005, 752, 755. 3 Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 25; Rowedder, Rdnr. 15; a.M. Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 10; unklar Meyer-Landrut, Rdnr. 8. 4 RGZ 85, 46; RG, GmbHRspr. III § 17 R. 1. 5 KG, OLG 27, 371; Feine, S. 403; Meyer-Landrut, Rdnr. 8; Vogel, Anm. 5; Koob/Seefeldt, GmbHR 1961, 140, 141; Wolany, Rechte und Pflichten, S. 127 f.

H. Winter/Seibt

|

1195

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

(Veräußerung in einem Notaratsakt) unterbunden wäre. Eine rein subjektive Auffassung stellt bei der Auslegung einer „gleichzeitigen Übertragung“ darauf ab, ob die Teilveräußerung auf einem einheitlichen Beschluss beruht, mag auch die Ausführung allmählich und in mehreren Urkunden erfolgen1. Diese Meinung löst sich vom Gesetzeswortlaut und gibt dem Verbot eine Ausdehnung, die ersichtlich nicht gewollt war und rechtspolitisch verfehlt wäre. Weiterhin ist vertreten worden, das Tatbestandsmerkmal der „gleichzeitigen Übertragung“ dahingehend zu deuten, dass darunter alle Teilveräußerungen fallen, die in einem gewissen zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, ohne Rücksicht darauf, ob sie in einer oder in mehreren Urkunden vollzogen werden2. Hieran ist zutreffend, dass die Normauslegung material-objektiv auszulegen ist, allerdings berücksichtigt sie den begrenzten Normzweck, die „willkürliche“ Vervielfältigung von Geschäftsanteilen zu verhindern, nicht ausreichend. Es kommt eben entscheidend darauf an, ob die Aufteilung des GeschAnteils rechtlich oder wirtschaftlich gerechtfertigt ist oder ob sie nur Selbstzweck ist. Dabei ist es unerheblich, ob die Abtretung dem äußeren Geschehen nach in einem oder in mehreren, nacheinander folgenden Akten vorgenommen wird. Daher ist z.B. eine sog. Earn out-Regelung zulässig und nicht als Verstoß gegen § 17 Abs. 5 zu werten, bei der ein zu veräußernder GeschAnteil aufgeteilt und ein Teilanteil mit sofortiger Wirkung und die anderen Teilanteile aufschiebend befristet oder unter bestimmten Bedingungen an denselben Erwerber abgetreten werden3. 15

Das Verbot gleichzeitiger Übertragung richtet sich nicht gegen das Kausalgeschäft. Unter Geltung des alten Schuldrechts (das für Altverträge fortgilt, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) kann es aber nach § 306 BGB a.F. nichtig sein, da die Verpflichtung beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 Abs. 5 auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet ist4.

4. Genehmigung (§ 17 Abs. 1–3) a) Abtretung von Teilanteilen 16

Jede Abtretung eines Teils eines GeschAnteils bedarf der Genehmigung (Ausnahme: § 17 Abs. 3). Eine Abtretung „von Teilen“ (§ 17 Abs. 1) liegt auch bei Abtretung nur eines Teils vor. Der beim Veräußerer verbleibende Restteil und der ausgeschiedene Teil sind beide die „durch die Teilung entstehenden GeschAnteile“ nach § 17 Abs. 25. Wird ein TeilgeschAnteil veräußert und zeitlich danach der Restanteil an einen anderen Erwerber abgegeben, so fällt der spätere Erwerbsvorgang selbst dann nicht unter § 17, wenn die Übertragungsangebote in einer Urkunde abgegeben worden sind6.

1 2 3 4

Brodmann, Anm. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 18. Winter, in: Scholz, 9. Aufl., Rdnr. 15. Eb. Meissner, GmbHR 2005, 752, 755 f.; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 10 a.E. BGHZ 11, 124, 126; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 16; vgl. auch Rdnr. 17 und 42. 5 RGZ 64, 152; JW 1906, 177; RG, GmbHRspr. II § 17 R. 21. 6 OLG Hamm, WM 1976, 1153.

1196

|

H. Winter/Seibt

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

Die Begründung der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Übertragung eines TeilgeschAnteils ist dagegen ohne Genehmigung der Gesellschaft wirksam1. Ebenso die Abtretung des schuldrechtlichen Anspruchs. Auch der Gesellschaftsvertrag kann dafür keine Genehmigungspflicht einführen. Versagt die Gesellschaft die Genehmigung zur Teilveräußerung, so ist die Erfüllung nachträglich unmöglich geworden mit der Folge, dass der Veräußerer nach § 275 Abs. 1 BGB von der Leistungspflicht befreit ist oder, wenn ein Verschulden gegeben ist2, nach §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB Schadensersatz zu leisten hat (vgl. § 15 Rdnr. 143 ff.). Ebenso liegt es bei der Übernahme einer Garantie. Eine andere Meinung vertritt der BGH3 für den Fall, dass die Satzung vom Genehmigungserfordernis gem. § 17 Abs. 3 die Teilveräußerung an andere Gesellschafter ausgenommen hat, weil dann die Erfüllung nur an der persönlichen Eigenschaft des Gläubigers als Nichtgesellschafter scheitere und die Erfüllbarkeit durch Abtretung an einen Gesellschafter herbeigeführt werden könne4. Dem ist nur mit Einschränkungen zuzustimmen (s. darüber § 15 Rdnr. 106). Schließt der Gesellschaftsvertrag die Teilung aus und ist mit einer Satzungsänderung erkennbar nicht zu rechnen (Rdnr. 9), so ist nach altem Recht (das für Altverträge fortgilt, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) der schuldrechtliche Vertrag nach § 306 BGB a.F. nichtig. Dasselbe gilt für eine nach § 17 Abs. 5 unzulässige Teilveräußerung (Rdnr. 15). Ein Schadensersatzanspruch aus § 307 BGB a.F. wird regelmäßig an der Erkennbarkeit des Mangels für beide Vertragsteile scheitern. Nach neuem Schuldrecht lässt die anfängliche objektive Unmöglichkeit der Übertragung die Wirksamkeit des Anteilskaufvertrags unberührt. Der Verkäufer ist zwar nicht zur Übertragung des GeschAnteils verpflichtet, dem Käufer steht aber ein Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer zu (§§ 437, 440, 280, 281, 283, 311a BGB)5.

17

b) Genehmigung Zur Rechtsnatur der Genehmigung oben § 15 Rdnr. 128 ff. Während bei der Abtretung von GeschAnteilen die Genehmigung statutarisch vorgeschrieben werden kann (§ 15 Abs. 5), wird sie bei der Abtretung von Teilanteilen gesetzlich gefordert. Die GmbH, die ein engeres Band als die AG um ihre Mitglieder hat, soll nach der historischen Intention gegen unangemessenes Anwachsen der Mitgliederzahl geschützt werden6. § 17 Abs. 1 ist zwingendes Recht insofern, als die Teilabtretung, soweit sie nicht durch das Statut überhaupt ausgeschlossen ist (Rdnr. 9), kraft Gesetzes der Genehmigung bedarf, wovon das Statut nur in den Fällen des § 17 Abs. 3 eine Ausnahme machen kann (unten Rdnr. 28). 1 Vgl. auch Rdnr. 15; RGZ 130, 47; BGHZ 32, 39 f. = GmbHR 1960, 88; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 33; Liese, GmbHR 2005, 1460. 2 Wie hier (jetzt) Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 33; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9 a.E.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 23; a.A. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 49 (Haftung nach §§ 453, 435, 437 ff. BGB). 3 BGHZ 32, 35, 41. 4 Eb. Däubler, Die Vererbung des GeschAnteils, 1965, S. 31 ff. 5 Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 35. 6 RGZ 105, 154.

H. Winter/Seibt

|

1197

18

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

Eine Satzungsbestimmung, die hiergegen verstößt, ist nichtig und nicht eintragungsfähig. Das gilt sowohl für statutarische Befreiungen vom Genehmigungserfordernis, die über § 17 Abs. 3 hinausgehen, als auch für gleichzustellende statutarische Regelungen, die im voraus alle oder nicht individuell bestimmbare zukünftige Teilungsfälle für alle oder einzelne GeschAnteile oder für einzelne Erwerbergruppen genehmigen1. Auch im Gesellschaftsvertrag kann deshalb außerhalb der Befreiungsmöglichkeiten des § 17 Abs. 3 (Rdnr. 28 ff.) eine vorherige Genehmigung nur für eine konkrete Teilveräußerung unter Angabe der in § 17 Abs. 2 zwingend vorgeschriebenen Umstände (Rdnr. 26) rechtswirksam erteilt werden. Eine Genehmigungsklausel der Satzung, die dem nicht entspricht, ist nichtig; der übrige Satzungsinhalt wird davon nicht berührt2. Doch ist ein Abtretungsvertrag mit der Abrede, dass die Genehmigung nicht nachgesucht werden solle, nichtig, da die Abtretung hier objektiv unmöglich ist3. Unter Umständen kann aber eine bloße interne rechnerische Aufteilung des GeschAnteils (Rdnr. 4) gewollt sein4. c) Erteilung der Genehmigung 19

Die Genehmigung der Gesellschaft ist erforderlich. Weitere Erfordernisse kann der Gesellschaftsvertrag aufstellen (Rdnr. 33). Die Genehmigung muss, als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, entweder dem Veräußerer oder dem Erwerber zugehen (§ 130 BGB) und namens der Gesellschaft erklärt werden5. Zur Abgabe der Erklärung nach außen, d.h. dem Veräußerer oder Erwerber gegenüber, ist nur der GeschFührer (im Liquidationsfalle der Liquidator6; im Insolvenzverfahren der GmbH der GeschFührer, nicht der Insolvenzverwalter; vgl. § 15 Rdnr. 259) zuständig7. Sind mehrere GeschFührer vorhanden, so müssen sie an der Genehmigungserklärung in vertretungsberechtigter Anzahl mitwirken8. Die Beteiligung eines gesamtvertretungsberechtigten Prokuristen (analog § 78 Abs. 4 Satz 1 AktG) genügt nicht.

1 OLG Hamburg, OLGR 37, 3; OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 466; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 28; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 19; Happ, Die GmbH im Prozess, 1997, S. 255. 2 RG, DJZ 1908, 594; ferner Erl. bei § 75. 3 RG, JW 1900, 161. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 23. 5 RGZ 85, 47; 105, 153; RG, Recht 1919 Nr. 581; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 27; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Meyer-Landrut, Rdnr. 5; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 28; Liese, GmbHR 2005, 1460. 6 Vgl. OLG Dresden, GmbHR 1921, 239. 7 RGZ 64, 151; RG, Holdh. 24, (1915), 157; RG, SeuffA 84 Nr. 29; BGHZ 14, 31; Wiedemann, S. 100 m.w.N. in Fn. 1. 8 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 27; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Meyer-Landrut, Rdnr. 4, 5; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 28; Liese, GmbHR 2005, 1460. Entgegen OLG Frankfurt, GmbHR 1962, 157 reicht auch bei einem einstimmigen Genehmigungsbeschluss

1198

|

H. Winter/Seibt

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

Die Genehmigung zur Teilung von GeschAnteilen erfordert, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, einen Beschluss der Gesellschafter (§ 46 Nr. 4). Die Wirksamkeit der von der Gesellschaft erklärten Genehmigung (Rdnr. 19) hängt aber nicht davon ab, dass ihr ein dementsprechender gültiger Gesellschafterbeschluss zugrunde lag1. Das gilt auch – ganz abgesehen von den Schwierigkeiten einer praktikablen Abgrenzung – für die sog. personalistische GmbH2. Das Gesetz weist die Zuständigkeit zur Genehmigung der Teilveräußerung ausdrücklich der Gesellschaft selbst zu, während die Entscheidung der Gesellschafterversammlung, die überdies sogar statutarisch abbedungen werden kann3, Bedeutung nur für das Innenverhältnis haben soll. Anders als bei der statutarisch vorgeschriebenen Genehmigung der Gesellschafter zur Anteilsabtretung gem. § 15 Abs. 5 (s. § 15 Rdnr. 126) besteht auch nach der relevanten Interessenlage kein Anlass, im Außenverhältnis – der Erwerber, dem gegenüber die Genehmigung ebenfalls erklärt werden kann, ist ebenfalls Betroffener – die Wirksamkeit der Erklärung des GeschFührers an die des Gesellschafterbeschlusses zu binden. Ebenso spricht die Verkehrssicherheit dagegen. Die Unwirksamkeit der Genehmigungserklärung der GeschFührer wegen des Fehlens eines Gesellschafterbeschlusses kann demgemäß nur beim Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen eines beachtlichen Missbrauchs der Vertretungsbefugnis (s. § 35 Rdnr. 132 ff.) angenommen werden4.

20

Die Satzung kann die Zuständigkeit zur Erteilung der Teilungsgenehmigung (§ 17 Abs. 1) auch nicht einem anderen Gesellschaftsorgan als den GeschFührern übertragen5, wohl aber, da das Gesetz Erschwerungen der Teilbarkeit bis zu ihrem Ausschluss zulässt (§ 17 Abs. 6 Satz 2), die Wirksamkeit der Teilung zusätzlich von der Zustimmung eines anderen Gesellschaftsorgans (Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat, Beirat) oder der Gesellschafter abhängig machen6. Ebenso ist es möglich, die innergesellschaftliche Zuständigkeit abweichend von § 46 Nr. 5 zu regeln (§ 45 Abs. 2). Über zulässige Satzungsbestimmungen s. Rdnr. 33.

21

1

2

3 4

5 6

der Gesellschafter (Rdnr. 20) die Erklärung nur eines von mehreren gesamtvertretungsberechtigten GeschFührern nicht aus; vgl. dazu Winter, GmbHR 1962, 157, 158. Vgl. RGZ 64, 151; BGHZ 14, 31; OLG Frankfurt, GmbHR 1962, 157; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 28; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 14; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 29; krit. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10 unter Hinweis auf die allg. Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht; a.M. Brodmann, Anm. 2c. Unzutr. insoweit OLG Nürnberg, GmbHR 1990, 166, 168; dagegen mit Recht Michalski, GmbHR 1991, 90; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8. BGHZ 14, 25, 31 hat offen gelassen, ob für eine personalistisch gestaltete Gesellschaft eine Ausnahme zu machen ist. § 45 Abs. 2; dazu RG, Recht 1907, 318. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 28; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 29. RGZ 85, 46, 47 f.; OLG Hamburg, OLGR 28, 359; Meyer-Landrut, Rdnr. 5. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 28, 36; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Jasper, in: MünchHdb. GesR II, § 24 Rdnr. 18.

H. Winter/Seibt

|

1199

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

Über den Fall, dass der GeschFührer selber Veräußerer oder Erwerber ist, s. Rdnr. 24. d) Form 22

Die Genehmigung bedarf zwingend der schriftlichen Form (§ 17 Abs. 2), d.h. einfacher Schriftlichkeit nach § 126 BGB. Es genügt ein vom GeschFührer eigenhändig unterzeichnetes Schreiben1, ebenso die Unterzeichnung durch einen von ihm Bevollmächtigten im Namen der Gesellschaft2. Zeitangabe ist nicht erforderlich3.

23

Die Genehmigung kann vor oder nach der Abtretung erfolgen (§ 15 Rdnr. 132), auch noch nach Einreichung einer Klage aus § 16 Abs. 34 oder während des Schwebens eines Prozesses über den Anteilsverkauf; auch in einer Klageschrift oder in sonstigem Prozessschriftsatz5; doch genügt es nicht, wenn auf die Teilveräußerung lediglich als auf eine Tatsache hingewiesen wird, die stillschweigend gebilligt wird6.

24

Die Genehmigung kann nach § 17 Abs. 2 nicht mündlich, stillschweigend oder durch schlüssige Handlungen erfolgen7 und – nach der sehr strengen Rechtsprechung –, auch nicht dadurch ersetzt werden, dass ein Teilanteilschein für den Erwerber ausgefertigt und ihm ausgehändigt wird8 oder dass der Reststammeinlageanspruch gegen den Erwerber abgetreten wird9 oder dass der Erwerber in die Mitgliederliste aufgenommen und diese zum HandReg. eingereicht wird10 oder dass der Erwerber zur Gesellschafterversammlung geladen wird11. Es bedarf jedenfalls eine unzweideutiger schriftlicher Erklärung, denn der Zweck des § 17, ebenso wie des § 15, ist eine Erschwerung der Veräußerung12. Als ausreichend ist es dabei regelmäßig anzusehen, wenn der GeschFührer von seinem Anteil selbst einen Teil abtritt, da in der Abtretungsurkunde (§ 15 Abs. 3) i.V.m. § 126 Abs. 3 BGB die schriftliche Genehmigung des GeschFührers liegt, die er nach außen zu erklären befugt ist (Rdnr. 19)13. Die Rechtsprechung hat 1 JW 1906, 777; Recht 1913 Nr. 1815. 2 RGZ 130, 39, 47; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11. 3 OLG München, GmbHR 1915, 142; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26. 4 OLG München, GmbHR 1915, 142. 5 RGZ 130, 39, 46. 6 RG, LZ 1915, 356; 1916, 60. 7 OLG Hamburg, OLG 28, 359; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 24; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; MeyerLandrut, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; großzügiger Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 25. 8 RGZ 64, 152. 9 OLG Dresden, BauersZ 18, 133. 10 RGZ 64, 149; 85, 51; 105, 154. 11 RGZ 105, 152. 12 RGZ 85, 46; 105, 154; RG, GmbHR 1926, 547; BGHZ 14, 34; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 12. 13 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 29; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Meyer-Landrut, Rdnr. 4.

1200

|

H. Winter/Seibt

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

verschiedentlich zu Recht im Sinne der Motive (S. 51, 52) dahin entschieden, es sei eine „Überspannung der Form“, wenn man da, wo kein Zweifel bestehen kann, noch eine schriftliche Genehmigung verlangen wollte1. Allerdings lassen sich einige dieser Entscheidungen auch damit begründen, dass auf Grund der langjährigen Behandlung und Betätigung des Erwerbers als Gesellschafter der ursprüngliche Formmangel nicht mehr als Nichtigkeitsgrund gelten konnte2. Die Schriftform wird durch notarielle Beurkundung ersetzt (§ 126 Abs. 3 BGB). Beglaubigung der Unterschrift ist natürlich zulässig, kann darüber hinausgehend durch die Satzung auch als Wirksamkeitserfordernis vorgeschrieben werden3.

25

e) Inhalt Die Genehmigung bedarf eines bestimmten Inhalts (§ 17 Abs. 2), der sich entweder aus der Genehmigungsurkunde selbst oder einer von ihr in Bezug genommenen Urkunde ergeben muss4; nicht ausreichend ist dagegen die Ergänzung des Inhalts aus anderen Umständen5. Es müssen zwar nicht ausdrücklich, wohl aber deutlich erkennbar6 die Person des Erwerbers des abgetretenen Teilanteils und der Betrag der auf jeden Teil entfallenden Stammeinlage angegeben sein. Hat der Veräußerer mehrere GeschAnteile, so muss der GeschAnteil bezeichnet werden, von dem die Abtretung erfolgt ist (Rdnr. 12). Entgegen der zum Teil formalistischen älteren Rechtsprechung7 genügt jedoch die Angabe des Betrages des ursprünglichen GeschAnteils und des davon abgetretenen Teilanteils, da durch Subtraktion ohne weiteres der beim Veräußerer verbleibende Restbestand sich ergibt8. Die Angaben sind bei zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Abtretungen eines TeilgeschAnteils und des Restanteils an verschiedene Erwerber nur beim ersten, nicht dagegen auch beim späteren Erwerbsvorgang notwendig, auch wenn die beiden Abtretungsangebote in einer Urkunde enthalten sind9; bei gleichzeitiger Veräußerung von mehreren Teilanteilen an mehrere Erwerber sind sämtliche Erwerber und Teilanteile anzugeben. Die bedingte Zustimmung ist als zulässig anzusehen10.

1 So RG, JW 1904, 123; RGZ 130, 45; 142, 37; BGH, GmbHR 1988, 337, 339. 2 Vgl. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 34 a.E.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 33; weitergehend Fritze, GmbHR 1955, 68 (keine Einhaltung der Formvorschrift bei „völlig klaren Verhältnissen“ notwendig). 3 Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 18. 4 BGHZ 14, 32; KG, GmbHR 1997, 603, 605. 5 RGZ 85, 49. 6 OLG München, GmbHR 1915, 142; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 25; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; Meyer-Landrut, Rdnr. 4. 7 Z.B. OLG Hamm, Recht 1906, 387; OLG Kassel, Recht 1907, 70. 8 BGHZ 14, 25, 32 = GmbHR 1954, 122; vgl. auch bereits RGZ 85, 46, 49; RG, HoldheimsMS 23, 156; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26. 9 OLG Hamm, WM 1976, 1153; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 25. 10 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 30; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11 a.E.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 24.

H. Winter/Seibt

|

1201

26

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

f) Versagung der Genehmigung 27

Die Entscheidung über die Zustimmung steht im Ermessen der Gesellschaft1. Sie darf aber nicht willkürlich, aus sachfremden Erwägungen, sonst treuwidrig oder unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot verweigert werden2. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es der grundsätzlichen gesetzlichen Wertung entspricht, Teilungen nicht beliebig und als „Selbstzweck“ zuzulassen. Einen Anspruch auf Genehmigung kann die Satzung nur für einen konkreten Teilungsfall (mit den nach § 17 Abs. 2 erforderlichen Angaben), aber nicht darüber hinausgehend begründen (Rdnr. 18)3. Zulässig ist es dagegen, in der Satzung nähere Voraussetzungen zu bestimmen, bei deren Vorliegen die Teilungsgenehmigung nicht erteilt werden darf oder soll (Rdnr. 33)4. Zu den Rechtsfolgen einer gesetzwidrigen Verweigerung § 15 Rdnr. 127. Der veräußerungswillige Gesellschafter hat einen Anspruch darauf, dass der Geschäftsführer eine Entscheidung des zuständigen Gesellschaftsorgans (Rdnr. 20 f.) in angemessener Zeit herbeiführt5. g) Befreiung vom Genehmigungserfordernis

28

Eine Befreiung vom Genehmigungserfordernis kann die Satzung nur bei der Teilveräußerung an andere Gesellschafter und bei der Teilung von GeschAnteilen verstorbener Gesellschafter unter deren Erben vorsehen (§ 17 Abs. 3). Die Auffassung des BGH, dass die Vorschrift entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht zwei Ausnahmen vom Genehmigungserfordernis ermögliche, sondern dass die beiden Fälle sich in Wirklichkeit decken bzw. letztere nur ein Unterfall der zuerst genannten Ausnahme sei6, ist nicht richtig. Er geht dabei von der irrigen Annahme aus, dass jeder Miterbe selbst Gesellschafter, die Aufteilung des ererbten GeschAnteils auf die Miterben also eine „Veräußerung an einen anderen Gesellschafter“ sei (Rdnr. 30)7, und berücksichtigt zudem nicht, dass der Vermächtnisnehmer, der nicht an der Miterbengemeinschaft beteiligt ist, ebenfalls zu den privilegierten Personen i.S. der zweiten Alternative des § 17 Abs. 3 gehört (Rdnr. 31).

29

Die Befreiung vom Genehmigungserfordernis braucht der Gesellschaftsvertrag nicht ausdrücklich zu bestimmen, sondern sie kann sich auch durch Auslegung 1 Vgl. RGZ 88, 319, 325; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 254 ff.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 31 mit Unterschieden in Einzelheiten. 2 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 31. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32; Happ, Die GmbH im Prozess, S. 255; ähnlich auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 17 f. 5 Vgl. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11. 6 BGHZ 32, 38 f. = GmbHR 1960, 88; eb. OLG Frankfurt, WM 1978, 23; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 17 Rdnr. 28. 7 Däubler, Die Vererbung des GeschAnteils, 1965, S. 35.

1202

|

H. Winter/Seibt

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

aus anderweitigen Regelungen ergeben, z.B. über die Nachfolge im Todesfall eines Gesellschafters (s. § 15 Rdnr. 26 ff.). Aus der Zulassung mehrerer nachfolgeberechtigter Erben folgt aber noch nicht zwingend, dass sie den ererbten GeschAnteil auch ohne Genehmigung nach § 17 Abs. 1 unter sich real aufteilen dürfen. Ebenso wenig ist einer für Gesellschafter geltenden Befreiung ohne weiteres zu entnehmen, dass sie auch für Mitglieder einer Erbengemeinschaft eingreifen soll (Rdnr. 30)1. Aus einer Bestimmung, die die Abtretung der GeschAnteile aller oder einiger Gesellschafter von statutarischen Abtretungsbeschränkungen (§ 15 Abs. 5) ausnimmt, ergibt sich regelmäßig noch keine Befreiung vom Genehmigungserfordernis des § 17 Abs. 12. Statutarische Regelungen, die über den Rahmen des § 17 Abs. 3 hinaus von der Genehmigung befreien, sind nichtig3 und nicht eintragungsfähig. Nichtigkeit der eingetragenen GmbH folgt daraus nicht (Rdnr. 6)4. aa) „Andere Gesellschafter“ sind nur diejenigen, die diese Rechtsstellung bereits im Zeitpunkt der dinglichen Teilabtretung haben und bei der Gesellschaft als solche angemeldet waren (§ 16). Dem angemeldeten Gesellschafter steht auch hier derjenige gleich, auf den der GeschAnteil kraft Gesetzes übergegangen ist. Gehört der GeschAnteil einer Handelsgesellschaft (s. bei § 2), so ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform nur diese „anderer Gesellschafter“, nicht dagegen sind es die einzelnen an ihr beteiligten Personen; das gilt auch für die Gesellschafter einer Außen-GbR, OHG, Partnerschaftsgesellschaft, EWIV oder KG (s. auch § 18 Rdnr. 2). Abweichend entscheidet die h.M. aber für die Beteiligten an anderen Gesamthands- oder Bruchteilsgemeinschaften, da jeder einzelne Mitberechtigte danach Gesellschafter i.S. des § 17 Abs. 3 sein soll5. Der Ansicht kann nicht zugestimmt werden6, weil sie dem Sinn der Ausnahmevorschrift des § 17 Abs. 3 widerspricht. Sie will nicht so sehr die Mitgesellschafter als solche begünstigen, sondern rechtfertigt sich daraus, dass die Gründe für die Genehmigungspflicht gem. § 17 Abs. 1 in diesem Fall nicht zutreffen, nämlich insoweit nicht, als sie bezweckt, die GmbH gegen ein unangemessenes, ihrem Willen widersprechendes Anwachsen der Gesellschafterzahl zu schützen7. Eben

1 Zutr. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 22; a.M. BGHZ 32, 35, 39; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, § 17 Rdnr. 28. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 21. 3 OLG Koblenz, GmbHR 1992, 464, 466; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 28; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 38; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 19. 4 RG, JW 1908, 310. 5 Brodmann, Anm. 3; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Meyer-Landrut, Rdnr. 6 (beide mit Ausnahme von OHG u. KG); für die Erbengemeinschaft auch BGHZ 32, 39; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 28, während Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 18 nur die Bruchteilsberechtigten einbeziehen. 6 Eb. Feine, S. 404; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 21 f. u. für Mitglieder von Gesamthandsgemeinschaften auch Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 18 (Frage der Satzungsauslegung); unentschieden Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 28. 7 RGZ 105, 154; Winter, GmbHR 1960, 90; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 21 f. u. oben Rdnr. 18.

H. Winter/Seibt

|

1203

30

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

das ist aber der Sache nach gegeben, wenn neben die Gemeinschaft, die die Rechte aus dem GeschAnteil nur gemeinschaftlich ausüben kann (§ 18), ein Mitberechtigter mit einem davon abgeteilten oder von einem anderen Gesellschafter erworbenen TeilgeschAnteil treten würde oder wenn alle oder mehrere Gesellschafter je mit einem TeilgeschAnteil an die Stelle der Gemeinschaft treten würden. Dafür, dass die Vorschrift auch die Teilung von Anteilsgemeinschaften begünstigen wollte, fehlt jeder Anhaltspunkt. Die h.M. hat überdies die mit § 17 Abs. 1 u. 2 unvereinbare Folge, dass das Genehmigungserfordernis ohne Schwierigkeit durch die vorherige Begründung einer Rechtsgemeinschaft am GeschAnteil (Rdnr. 4) ausgeschaltet werden könnte. 31

bb) „Teilung von GeschAnteilen verstorbener Gesellschafter unter den Erben“ bedeutet wie für den Gesamtbereich des § 17 Realteilung, also nicht die Aufstellung eines Teilungsplans, sondern die dingliche Übertragung einzelner Teile auf die Miterben (Rdnr. 8). Auch diese Teilübertragung erfordert die Beurkundungsform aus § 15 Abs. 3. Die Vergünstigung statutarischer Genehmigungsfreiheit besteht nur bei Teilung „unter den Erben“. Dies ist dann gegeben, wenn einzelnen Miterben Teile zugeteilt werden, aber auch wenn ein Teilanteil einem Vermächtnisnehmer vermacht ist und das Vermächtnis durch die Erben erfüllt wird1. Das Gesetz wollte mit der zweiten Ausnahme des § 17 Abs. 3 den Erbgang begünstigen. Dass letztwillige Verfügungen nicht privilegiert sein sollen, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Es müssten andernfalls auch testamentarische Miterben als potentielle Erwerber augeschlossen werden, was aber dem Gesetz offensichtlich zuwiderlaufen würde. Warum aber, wenn der Erblasser die Begünstigten testamentarisch bestimmen kann, nicht auch Vermächtnisnehmer dazugehören sollen, ist schwer einzusehen. Auch der mögliche Einwand, dass nur die Miterben, nicht jedoch der Vermächtnisnehmer der von Gesetzes wegen entstehenden Gemeinschaft am GeschAnteil angehören, könnte nicht als ausreichendes Gegenargument angesehen werden (vgl. Rdnr. 30). Ob die Teilabtretungen durch die Erben selbst oder durch einen Testamentsvollstrecker (§§ 2203, 2204 BGB) vorgenommen werden, macht für die statutarische Befreiung vom Genehmigungserfordernis keinen Unterschied.

32

cc) Sonstige Fälle genehmigungsfreier Teilabtretung können in Einzelfällen aus besonderen Gründen sich ergeben2. So bedarf es keiner besonderen Genehmigungserklärung, wenn der Alleingesellschafter Teile seines GeschAnteils abtritt3 oder wenn bei einer Zweimanngesellschaft der eine Gesellschafter dem 1 Becker, GmbHR 1937, 250; Winter, GmbHR 1960, 88, 89; Däubler, Die Vererbung des Geschäftsanteils, 1965, S. 35; Brodmann, Anm. 3; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 20; Meyer-Landrut, Rdnr. 7; Rowedder, 3. Aufl., Rdnr. 1, 14; a.M. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 13; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 32; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 27; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; wohl auch BGHZ 32, 38 f. 2 Vgl. dazu Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11; teilw. krit. Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 32. 3 RGZ 142, 36, 37; BGH, GmbHR 1988, 337, 339; 1991, 311, 313; KG, GmbHR 1996, 921; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 10; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11.

1204

|

H. Winter/Seibt

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

anderen einen Teilgeschäftsanteil überträgt1. Auch bei Mitwirkung aller Gesellschafter und vertretungsberechtigter GeschFührer an der Abtretung liegt darin zugleich die Genehmigung2.

5. Statutarische Regelungen Der Gesellschaftsvertrag kann die Teilabtretung noch an weitere Voraussetzungen knüpfen, was sich schon daraus ergibt, dass sie durch den Gesellschaftsvertrag in allen Fällen ganz ausgeschlossen werden kann (§ 17 Abs. 6). So kann z.B. der Mindestbetrag der Teile höher festgesetzt werden als der gesetzliche (Rdnr. 11). Das Erfordernis der Genehmigung durch die Gesellschaft kann nur in den Fällen des § 17 Abs. 3 ausgeschlossen oder eingeschränkt, kann aber in allen Fällen, auch in denen des § 17 Abs. 3, durch das Statut durch weitere Erfordernisse (Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, Genehmigung auch durch den Aufsichtsrat u.a.; s. auch oben Rdnr. 21) verstärkt werden. Zur Aushändigung der Anteilscheine Rdnr. 10.

33

Durch Satzungsänderung kann eine Erleichterung in der Teilabtretung (Fall des § 17 Abs. 3) mit der aus § 53 ersichtlichen Mehrheit eingeführt werden; sofern die bestehende Regelung ein relativ unentziehbares Mitgliedschaftsrecht (s. § 14 Rdnr. 37) für andere Gesellschafter begründet, bedarf ihre Aufhebung allerdings deren Zustimmung. Die spätere Einführung von Erschwerungen der Abtretbarkeit oder gar ihres völligen Ausschlusses (Fall des § 17 Abs. 6 Satz 2) setzt die Zustimmung aller davon betroffenen Gesellschafter voraus (s. bei § 53)3.

34

IV. Verpfändung, Nießbrauch, Zwangsvollstreckung Die Verpfändung eines Teils eines GeschAnteils ist zulässig, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag hat die Teilung von GeschAnteilen gänzlich ausgeschlossen4. Hierbei sperrt § 17 Abs. 6 Satz 1 nicht, demzufolge eine Teilung außer bei Veräußerung und Vererbung nicht stattfindet. Dabei gibt es zwei Begründungsstränge, die sich im Ausgangspunkt in der Annahme unterscheiden, ob bereits mit der Verpfändung eines TeilgeschAnteils eine Teilung des GeschAnteils erfolgt5 oder erst bei der möglicherweise stattfindenden Verwertung6. Die erste 1 Entsprechendes hat BGH, GmbHR 1988, 337, 339 für einen Einzelfall angenommen, wenn der veräußernde Gesellschafter mit Stimmrechtsvollmacht des einzigen Mitgesellschafters den erforderlichen Beschluss allein gefasst hat und er sich nach der Satzung jederzeit als GeschFührer zur Einzelvertretung ermächtigen konnte. RGZ 130, 39, 45. 2 BGHZ 15, 329. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 37. 4 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 42; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Wiedemann, S. 423; Schuler, NJW 1956, 689, 691; a.M. Brodmann, Anm. 1 und § 15 Anm. 2A. 5 Schuler, NJW 1956, 689, 691; Leuschner, WM 2005, 2161 ff. 6 H.M., Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 42, 45; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 22; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 51; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 43 f. und § 15 Rdnr. 221; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Rodewald, GmbHR 1995, 418; Sieger/Hasselbach, GmbHR 1999, 633, 636; Roth, ZGR 2000, 187, 219.

H. Winter/Seibt

|

1205

35

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

Meinung verweist in erster Linie auf Praktikabilitäts- und Gläubigerschutzgedanken mit den Hinweisen, dass nur bei Annahme einer Geschäftsanteilsteilung bereits mit Verpfändung der Sicherungsnehmer bis zur Verwertung vor Zwischenverfügungen geschützt ist und sich in der Insolvenz des Sicherungsgebers auf eine zur bevorzugten Befriedigung berechtigten Rechtsposition berufen kann1. Der dann an sich eingreifende § 17 Abs. 6 Satz 1 sei teleologisch zu reduzieren und auf den Fall der Verpfändung von Teilgeschäftsanteilen nicht anzuwenden, da hier keine „Selbstzweck-Teilung“ oder „willkürliche“ Vervielfältigung von GeschAnteilen vorliege, sondern vielmehr ein erheblicher wirtschaftlicher Grund bestehe2. Wenngleich die Interessen des Sicherungsnehmers anzuerkennen sind, so ist mit der h.M. festzuhalten, dass die Verpfändung als solche noch keine Teilung des GeschAnteils bewirkt. Wird das Pfandrecht aufgehoben, so bleibt der GeschAnteil in seinem ursprünglichen Umfang bestehen. Erst mit der Verwertung des Pfandes kommt es zur Veräußerung, damit zur Abspaltung des gepfändeten Teilanteils und damit wiederum zur Teilung des GeschAnteils. Die Finanzierungspraxis behilft sich in Anerkennung dieser Rechtslage häufig damit, dass in einem ersten Schritt durch Hin- und Herübertragen ein TeilgeschAnteil gebildet wird, der dann Gegenstand des Pfandrechts wird3. 35a

Bei der Bestellung eines Pfandrechts an einem TeilgeschAnteil sind sämtliche für die Veräußerung geltenden Bestimmungen zu beachten (§ 1274 Abs. 1 BGB). Es bedarf daher einer Genehmigung der Gesellschaft, die im Grundsatz in Form und Inhalt § 17 Abs. 2 entspricht, allerdings ist als „Person des Erwerbers“ der Sicherungsnehmer anzugeben4; zum Zeitpunkt der Verpfändungserklärung steht nämlich noch nicht fest, ob und ggf. wer den verpfändeten TeilgeschAnteil im Rahmen einer möglichen Verwertung erwerben wird. In der Finanzierungspraxis wird häufig zusätzlich eine Verpflichtung der Zielgesellschaft vereinbart, die Genehmigung im Rahmen der Verwertung noch einmal zu wiederholen und dann dort die „Person des Erwerbers“ aufzunehmen. Erschwert der Gesellschaftsvertrag die Veräußerung von Teilanteilen über § 17 hinaus, so gelten diese Beschränkungen auch für die Verpfändung von TeilgeschAnteilen; ebenso sind die allgemeinen Veräußerungsbeschränkungen des Gesellschaftsvertrages (§ 15 Abs. 5) zu beachten5.

35b

Entsprechendes gilt für die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Teil eines GeschAnteils6. 1 Leuschner, WM 2005, 2161, 2164 f. 2 Leuschner, WM 2005, 2161, 2166 f. 3 Hierzu Fiedler, Teilverpfändung von GmbH-Anteilen, 2003, S. 190; Regmann, DNotZ 2005, 425, 447; Heidenhain/Meister, in: Münchener Vertragshandbuch, 5. Aufl. 2003, IV § 68 Anm. 4; krit. Leuschner, WM 2005, 2161, 2162. 4 So auch (allerdings von einem anderen Ausgangspunkt her) Leuschner, WM 2005, 2161, 2168; Schuler, NJW 1956, 689, 691. – Anders Winter, in: Scholz, 9. Aufl., § 15 Rdnr. 157 (aufschiebend bedingte Erteilung der Genehmigungserklärung); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6 (Erteilung der Teilungsgenehmigung erst im Fall der Verwertung). 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 43. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 44; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 53; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 45.

1206

|

H. Winter/Seibt

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

Auch die Pfändung eines TeilgeschAnteils ist zulässig (vgl. §§ 851, 857 ZPO)1. Schließt der Gesellschaftsvertrag die Teilung vollständig aus, so wirkt dies gegenüber dem Pfändungsgläubiger nicht. Es handelt sich bei der statutarischen Bestimmung um ein rechtsgeschäftliches Veräußerungsverbot, das der Zwangsvollstreckung nicht entgegenstehen kann2. Die Verwertung des Pfändungspfandrechts erfolgt dadurch, dass der gepfändete TeilgeschAnteil im Wege der Versteigerung veräußert wird, wodurch die Anteilsteilung i.S.v. § 17 bewirkt wird. Die Zustimmung der Gesellschaft bleibt bei der Verwertung wegen der gesetzlichen Bestimmung des § 17 Abs. 1 erforderlich3. Daher wird in der Finanzierungspraxis häufig bereits bei der Verpfändung eine Verpflichtung der Gesellschaft vereinbart, die bei der Verwertung erforderliche Zustimmung zu erteilen.

35c

V. Wirkungen der Teilveräußerung 1. Selbständigkeit der Teilanteile Durch genehmigte (oder genehmigungsbefreite, § 17 Abs. 3) Abtretung eines Teils entstehen aus dem bisherigen GeschAnteil zwei selbständige GeschAnteile4. Deren Selbständigkeit geht auch nicht verloren durch Zurückerwerb des abgespalteten Teils5 oder durch Vereinigung sämtlicher Teile in einer Hand (über die Möglichkeit einer späteren Zusammenlegung s. § 15 Rdnr. 45 f.). Dies folgt aus § 15 Abs. 2 und der Erwägung, dass ein TeilgeschAnteil mit der Teilung die rechtliche Natur eines GeschAnteils erlangt. Der Rechtsübergang tritt im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber und zu Dritten mit der formgerechten dinglichen Teilabtretung ein, wenn die Genehmigung, falls erforderlich, erteilt worden ist.

36

2. Geltung des § 16 Der § 16 gilt entsprechend. Denn aus der Teilabtretung entstehen selbständige GeschAnteile. Es bedarf also, um dem Teilerwerber die Gesellschafterstellung der GmbH gegenüber zu verschaffen, der Anmeldung des Erwerbers unter Nachweis des Rechtsübergangs (§ 16 Abs. 1). Bis zur Anmeldung des Teilerwerbers gilt der Veräußerer der GmbH gegenüber als Gesellschafter ungekürzten Rechts6. Der Anmeldung bedarf es nicht, weil bedeutungslos, wenn nach formgerechter Teilabtretung die Genehmigung nachgesucht wird; hierin

1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 46; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 15 Rdnr. 59; Schuler, NJW 1960, 1423, 1425; a.M. Brodmann, Anm. 1. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 46; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 23; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 43. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 47. 4 Eb. RGZ 85, 50; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 38. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 39; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 42. 6 Entgegen Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19 hängt dagegen die Wirksamkeit des Übergangs des TeilgeschAnteils auf den Erwerber nicht von der Anmeldung ab (s. dazu § 16 Rdnr. 1).

H. Winter/Seibt

|

1207

37

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

liegt regelmäßig zugleich die Anmeldung (s. § 16 Rdnr. 15)1. Im Übrigen gilt Folgendes: 38

a) Der Erwerber erwirbt mit der Anmeldung die Mitgliedschaftsrechte des Vormanns zu einem entsprechenden Teile. Dies gilt nicht nur von den Ansprüchen auf Gewinnanteil und Liquidationsguthaben, die auf jeden der nun selbständig gewordenen GeschAnteile zu verteilen sind, sondern auch von den Verwaltungsrechten. Sowohl der Inhaber des Restanteils als auch der des abgetrennten Anteils haben das Stimmrecht, jeder zu einem Teile. Unteilbare allgemeine Mitgliedschaftsrechte, z.B. das Auskunftsrecht (§ 51a), das Teilnahme- das Rederecht an/bei Gesellschafterversammlungen, die Anfechtungsbefugnis bei fehlerhaften Gesellschafterbeschlüssen u.ä., stehen jedem Teilanteilsinhaber ganz zu2. Bei sonstigen statutarischen Rechten, die, wie z.B. das der Entsendung von Organmitgliedern (GeschFührern, Aufsichtsratsmitgliedern) oder der Benutzung von gemeinschaftlichen Einrichtungen (Laboratorien, Zoologischer Garten usw.) der Gesellschaft, bei Ausübung durch beide Anteilsinhaber zu einer ungerechtfertigten Beeinträchtigung der Rechte anderer Gesellschafter oder zu einer Mehrbelastung der Gesellschaft führen können, kann die Satzung eine Regelung treffen, z.B. gemeinschaftliche Ausübung nach Art des § 18 Abs. 1. Wo dies nicht geschehen ist3, ist jeder Teilanteilsinhaber gleichberechtigter Gesellschafter. Dagegen kann nicht angenommen werden, dass in solchem Falle die Mitgliedschaftsrechte, s. stat., nur dem Veräußerer für seinen Restanteil zustünden4. Mit sämtlichen Teilen, welches auch ihr Nennbetrag sei, sind qualitativ alle Mitgliedsrechte verknüpft. Ein Vorrecht des Veräußerers lässt sich nicht begründen. Andernfalls würden zwei Klassen von GeschAnteilen für alle Folgezeit entstehen, solche mit vollem und solche mit minderem Recht, und ohne dass dies aus dem HandReg. zu ersehen wäre, eine Folge, die, wenn später weitere Unterteilungen erfolgen, zur größten Rechtsunsicherheit führen müsste. Anderseits darf eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung der Rechte anderer Gesellschafter oder eine Mehrbelastung der Gesellschaft nicht eintreten. Man kann daher aus der gesetzlichen Wertung des § 18 Abs. 1, 3 schließen, dass, s. stat. und mangels Einigung mit der Gesellschaft, die Mitberechtigten einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen haben, der namens aller Teilinhaber die Rechte wahrnimmt, oder dass in bestimmter Reihenfolge einer der Beteiligten für die anderen auftritt5. Anders liegt es bei höchstpersönlichen Rechten, die stets dem Veräußerer verbleiben. 1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15, 38, 40; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 35. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 40; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 37. 3 Eine Vereinbarung im Abtretungsvertrag, die von Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21 befürwortet wird, reicht der Gesellschaft gegenüber nicht aus, da sie sachlich eine – mangels Einhaltung der §§ 53 f. unwirksame – Satzungsänderung beinhalten würde; dazu auch Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 39. 4 Eb. Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 39. 5 Ähnlich Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 40; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 47; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 39 u. wohl auch Meyer-Landrut, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 43.

1208

|

H. Winter/Seibt

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

b) Für § 16 Abs. 2 gilt bei der Teilveräußerung nichts Besonderes.

39

c) Die gesellschaftlichen Pflichten gehen, soweit sie nach der Anmeldung fällig werden, verhältnismäßig auf den Teilerwerber über, während der Veräußerer für seinen Teil verhältnismäßig pflichtig bleibt. Eine Einlageleistung, die der Erwerber des TeilgeschAnteils nach der Abtretung und Anmeldung erbringt, wird nur auf seine anteilige Stammeinlagepflicht angerechnet1. Dasselbe gilt auch für die Sonderpflichten nach § 3 Abs. 2, soweit sie, wie z.B. Lieferungspflichten, nicht an die Person des Veräußerers gebunden sind. Höchstpersönliche Pflichten dagegen, wie die zur Ausübung des GeschFühreramts, können nicht übergehen und verbleiben daher beim Veräußerer. Bei unteilbaren, aber nicht höchstpersönlichen Pflichten wird zwischen dem Inhaber des Restanteils und dem des neuen Teils, bei gleichzeitiger Abtretung sämtlicher Teile zwischen den Teilerwerbern, ein Gesamtschuldverhältnis nach § 431 BGB anzunehmen sein2. Ein satzungsmäßiges Wettbewerbsverbot trifft jeden der Teilungsbeteiligten selbständig3.

40

Für die zur Zeit der Anmeldung rückständigen Leistungen ist der Teilerwerber in Analogie des § 16 Abs. 3 auch nur zu einem entsprechenden Teile verhaftet. Denn bezüglich des beim Veräußerer verbleibenden Restteils ist eine Rechtsänderung überhaupt nicht erfolgt; hierfür kann der Teilerwerber nicht haften. Leistungen des Erwerbers sind deshalb auch nur auf die Stammeinlage seines abgeteilten GeschAnteils anzurechnen4. Der Veräußerer haftet dagegen für rückständige Leistungen, deren Schuldner er ja auch vor der Teilveräußerung war, ungekürzt nach § 16 Abs. 3.

41

3. Unwirksamkeit der Teilabtretung Die Teilabtretung ist nichtig, wenn sie gesetzlich oder statutarisch unzulässig ist (Rdnr. 6 ff.), die Voraussetzungen (Rdnr. 10 ff.) nicht erfüllt sind, z.B. die Genehmigung endgültig versagt ist5, oder die Abtretung nach bürgerlichem Recht nichtig ist (wegen fehlender Geschäftsfähigkeit, erfolgreicher Anfechtung usw.). Folge der Nichtigkeit ist, dass die Teilabtretung als nicht erfolgt gilt, also ein neuer selbständiger GeschAnteil nicht entstanden ist6. Anfechtbarkeit nach dem AnfechtungsG und nach §§ 129 ff. InsO hat diese Wirkung nicht; hier bleibt die Teilabtretung im Übrigen wirksam; nur kann der Gläubiger (oder

1 RG, DJZ 1913, 867. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 41; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 48; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 21; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 4; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 40; a.M. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 44. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 41. 4 RG, DJZ 1913, 867; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 41; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 38. 5 RGZ 105, 133. 6 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 39; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4. Zu Unrecht will Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18 dasselbe für die Unwirksamkeit des Grundgeschäfts annehmen.

H. Winter/Seibt

|

1209

42

§ 17

Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils

Insolvenzverwalter) des Veräußerers auch in den abgetretenen Teil vollstrecken1. Auch ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 17 Abs. 2 (Form und Inhalt der Genehmigung) machen zwar die Genehmigungserklärung selbst nichtig, nicht hingegen die GeschAnteil-Übertragung oder das ihr zugrunde liegende Kausalgeschäft2; vielmehr ist der dingliche Anteilsübertragungsvertrag solange schwebend unwirksam, bis die Geschäftsführung die Anteilsteilung entweder formwirksam genehmigen oder als Ergebnis eines ordnungsgemäßen verbandsinternen Willensbildungsprozesses endgültig verweigern3. Die Nichtigkeit der Teilungserklärung (§ 125 Satz 1 BGB, § 17 Abs. 2) erstreckt sich nicht auf das Verfügungsgeschäft, da insofern kein einheitliches Rechtsgeschäft i.S.v. § 139 BGB vorliegt4.

VI. GmbH-Reform (Referentenentwurf 2006) 43

Der BMJ-Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG-RefE) (§ 15 Rdnr. 4) sieht eine Neufassung von § 17 Abs. 4 („Bei der Teilung von Geschäftsanteilen des § 5 Abs. 2 entsprechend anzuwenden“) und eine Aufhebung von § 17 Abs. 5 vor. Da nach der Neufassung von § 5 GmbHG i.d.F. MoMiG-RefE Stammeinlagen zukünftig auf einen beliebigen vollen Euro-Betrag lauten können, mindestens allerdings 1,00 Euro, die Gesellschafter mehrere Stammeinlagen bei Gründung übernehmen können und auf eine Teilbarkeit der Stammeinlagen durch 50 verzichtet werden soll, ist es konsequent, auch eine freie Teilung von GeschAnteilen zuzulassen, sofern die durch die Teilung entstehenden GeschAnteile auf einen vollen Euro-Betrag und mindestens 1,00 Euro betragen. Da die Übernahme mehrerer GeschAnteile bei der Gründung zulässig ist, ist es ebenso folgerichtig, auch die Teilung und Übertragung aus dieser Teilung entstehender Teilgeschäftsanteile an denselben Erwerber zuzulassen und so den derivativen mit dem originären Anteilserwerb gleichzustellen. Die Gesellschafter können allerdings durch statutarische Regelung die Teilbarkeit von GeschAnteilen weiter einschränken5. Die vorgeschlagenen Änderungen sind unterstützenswert und bereinigen die bestehenden Rechtsunsicherheiten insbesondere im Hinblick auf die Auslegung von § 17 Abs. 5 (Rdnr. 12 ff.).

1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 39. 2 Zum alten Schuldrecht a.M. BGH, GmbHR 2005, 1494 (Nichtigkeit nach § 306 a.F. BGB); zum neuen Schuldrecht wie hier Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 33; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 34 f.; Liese, GmbHR 2005, 1460 f. 3 Eb. Liese, GmbHR 2005, 1460, 1461, 1462 ff.; a.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 33; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 31. 4 Liese, GmbHR 2005, 1460, 1462 f.; a.M. OLG Hamm, Recht 1906, 388. 5 Begründung, S. 53.

1210

|

H. Winter/Seibt

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil (1) Steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu, so können sie die Rechte aus demselben nur gemeinschaftlich ausüben. (2) Für die auf den Geschäftsanteil zu bewirkenden Leistungen haften sie der Gesellschaft solidarisch. (3) Rechtshandlungen, welche die Gesellschaft gegenüber dem Inhaber des Anteils vorzunehmen hat, sind, sofern nicht ein gemeinsamer Vertreter der Mitberechtigten vorhanden ist, wirksam, wenn sie auch nur gegenüber einem Mitberechtigten vorgenommen werden. Gegenüber mehreren Erben eines Gesellschafters findet diese Bestimmung nur in Bezug auf Rechtshandlungen Anwendung, welche nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft vorgenommen werden. Text seit 1892 unverändert.

Inhaltsübersicht I. Zweck der Regelung . . . . . .

1

II. Mitberechtigung am Geschäftsanteil 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . a) Bruchteilsgemeinschaft . . . b) Gesamthandsgemeinschaft .

3 5 6

2. Mitberechtigte als Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . .

12

3. Beendigung der Mitberechtigung . . . . . . . . . . . . . .

13

4. Keine Mitberechtigung . . . .

16

III. Rechtsausübung der Mitberechtigten 1. Gemeinschaftliche Ausübung .

17

2. Durchführung . . . . . . . . . 3. Rechte aus dem Geschäftsanteil

20 23

4. Verhältnis zur Gesellschaft . .

24

IV. Haftung der Mitberechtigten 1. Gesamtschuldner . . . . . . . . 25 a) Erbengemeinschaft . . . . . . 26 b) Eheliche Gütergemeinschaft . 30 2. Die auf den Geschäftsanteil „zu bewirkenden Leistungen“ . 31 3. Haftung im Innenverhältnis . . 32 V. Rechtshandlungen der GmbH gegenüber den Mitberechtigten 1. Zweck des § 18 Abs. 3 . . . . . 33 2. Rechtshandlungen . . . . . . . . 34 3. Gemeinsamer Vertreter . . . . . 35 4. Erbengemeinschaft . . . . . . . 36 VI. Gemeinschaftlicher Besitz aller Geschäftsanteile . . . . . . . . . 39

Schrifttum: Däubler, Die Vererbung des GeschAnteils bei der GmbH, 1965; Hohner, Zur Beteiligung von Personengesellschaften an Gesellschaften, NJW 1975, 718; Koch, Die Zuordnung des vererbten GmbH-Geschäftsanteils, 1981; Koch, Die Beteiligung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts an der GmbH-Gründung, ZHR 146 (1982), 118; Malberg, Übernahme einer Stammeinlage durch eine Erbengemeinschaft bei Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH, BB 1975, 2419; Neukamp, Die GeschAnteile der GmbH, ZHR 57 (1906), 541; Ropeter, Die Beteiligung als Bruchteilsgemeinschaft, 1980; K. Schmidt, Die obligatorische Gruppenvertretung im Recht der Personengesellschaften und der GmbH, ZHR 146 (1982), 525; K. Schmidt, H. Winter/Seibt

|

1211

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

Die GmbH-Beteiligung von Gesellschaftern bürgerlichen Rechts als Publizitätsproblem, BB 1983, 1697; Timm/Schöne, Zwingende gesamtschuldnerische Haftung der Mitglieder eines Übernahme-Konsortiums?, ZGR 1994, 113; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965; Wiedemann, GmbH-Anteile in der Erbengemeinschaft, GmbHR 1969, 247. Weitere Lit.-Nachw. vor Rdnr. 40 zu § 2 und vor Rdnr. 1, 10 zu § 15.

I. Zweck der Regelung 1

Die Vorschriften des § 18 bezwecken den Schutz der GmbH, sollen sicherstellen, dass die Stellung der Gesellschaft durch die Mitinhaberschaft mehrerer an einem GeschAnteil nicht verschlechtert und erschwert wird. Die Mitinhaber können deshalb ohne Rücksicht auf die Art ihrer Rechtsgemeinschaft die Mitgliedschaftsrechte aus dem GeschAnteil nur gemeinschaftlich ausüben (Rdnr. 17 ff.) und haften der Gesellschaft für die auf den GeschAnteil zu erbringenden Leistungen als Gesamtschuldner (Rdnr. 25 ff.). Rechtshandlungen der Gesellschaft können, wenn ein gemeinschaftlicher Vertreter der Rechtsgemeinschaft nicht bestellt ist, mit Wirkung gegen alle gegenüber einem Mitinhaber vorgenommen werden (Rdnr. 33 ff.).

2

Eine weiter gehende Bedeutung hat die Vorschrift nicht. Sie regelt ausschließlich das Verhältnis zur Gesellschaft. Die Rechtsbeziehungen der Mitinhaber untereinander (Rdnr. 24, 32) und zu Dritten bleiben unberührt, soweit sich aus ihr nicht Reflexwirkungen ergeben. Über die in § 18 geregelten Angelegenheiten hinausgehend, lassen sich aus der Anwendbarkeit der Vorschrift auch nicht ohne weiteres Folgerungen für die sonstige gesellschaftliche Stellung der Mitinhaber ziehen (Rdnr. 12). Schließlich ist ihr auch nichts über die Entstehung (zur Beteiligung von Rechtsgemeinschaften als Gründungsgesellschafter vgl. § 2 Rdnr. 50 ff.) oder über die Beendigung der Mitinhaberschaft zu entnehmen (Rdnr. 13).

II. Mitberechtigung am Geschäftsanteil 1. Begriff 3

Der GeschAnteil muss „mehreren Mitberechtigten ungeteilt“ zustehen (§ 16 Abs. 1). Die Terminologie entstammt der Zeit vor dem Inkrafttreten des BGB und ist ihm nicht angepasst worden. „Mitberechtigung“ i.S. des § 18 liegt vor, wenn mehrere natürliche oder juristische Personen oder auch mehrere Personengemeinschaften Inhaber eines GeschAnteils sind, er ihnen also gemeinschaftlich gehört. Unter die Vorschrift fallen demnach nur Bruchteils- und mit Ausnahmen Gesamthandsgemeinschaften am GeschAnteil (Rdnr. 16). Unterbeteiligungen am GeschAnteil werden ebensowenig erfasst wie Nießbraucher und Pfandgläubiger (s. § 15 Rdnr. 224 ff. und unten Rdnr. 16).

3a

Auf juristische Personen (AG, GmbH, rechtsfähige Vereine, Stiftungen des privaten und öffentlichen Rechts) findet § 18 keine Anwendung. Sie besitzen eigene Rechtspersönlichkeit und ihre Mitglieder sind an dem von der juristischen Person gehaltenen GeschAnteil nicht mitberechtigt. Auch auf Personengesell1212

|

H. Winter/Seibt

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

schaften ist § 18 nicht anwendbar1, obwohl der Gesetzeswortlaut auf den ersten Blick sämtliche gesamthänderischen Mitberechtigten erfassen könnte. Das allgemeine restriktive Verständnis rechtfertigt sich daraus, dass der Gesetzeszweck (Rdnr. 1) ihre Einbeziehung nicht erfordert, da sie im Rechtsverkehr als Einheit zu behandeln sind (§ 124 Abs. 1 HGB) und sie durch ihre im Handelsregister verlautbarten persönlich haftenden Gesellschafter gesetzlich vertreten sind (§§ 125, 170 HGB). Es ist überdies zu berücksichtigen, dass ansonsten durch § 18 Abs. 2 eine für die Beteiligung einer KG an einer GmbH eine mit ihrer Rechtsform unvereinbare Haftungsregelung (§§ 171 ff. HGB) entstehen würde. Auch die EWIV und die Partnerschaftsgesellschaft, die in den maßgeblichen Beziehungen entsprechend geregelt sind (Art. 1, 20, 24 EGVO v. 25. 7. 1985, § 1 EWIVG, §§ 7, 8, 17 PartGG), unterfallen nicht der Vorschrift des § 182. Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) ist zwischen den unternehmenstragenden Außen-GbR, die wegen ihrer rechtlichen Verselbständigung gegenüber ihren Mitgliedern den Personengesellschaften gleichgestellt werden, und den Innen-GbR zu unterscheiden. Nur die Innen-GbR unterfällt § 18 (Rdnr. 7a). Mit der allgemein anerkannten Rechtsfähigkeit der unternehmenstragenden Außen-GbR sprechen nun die besseren Gründe dafür, auch auf den nichtrechtsfähigen Verein (§ 54 BGB) § 18 nicht anzuwenden3. Auch der nichtrechtsfähige Verein ist durch seine körperschaftliche Struktur geprägt, ist vom Bestand seiner Mitglieder weitgehend unabhängig und wird nach außen durch die Vereinsorgane vertreten; trotz des Verweises in § 54 BGB auf die §§ 705 ff. BGB gilt für die Organisation des nichtrechtsfähigen Vereins im Wesentlichen Vereinsrecht. Die fehlende Registerpublizität zwingt weder bei der Außen-GbR noch beim nichtrechtsfähigen Verein zur Anwendung des § 184. Das weitere Merkmal in § 18 Abs. 1, dass den Mitberechtigten der GeschAnteil „ungeteilt“ zustehen müsse, ist überflüssig, da nach erfolgter Teilung mehrere selbständige Anteile entstehen (s. § 17 Rdnr. 36) und, sofern nicht einer von ihnen wiederum mehreren Personen übertragen wird, auch keine Mitberechtigung mehr besteht5.

4

a) Bruchteilsgemeinschaft Eine Bruchteilsgemeinschaft am GeschAnteil (§§ 741 ff. BGB) kann dadurch entstehen, dass mehrere, ohne eine Gesamthandsgemeinschaft zu bilden, bei 1 BGHZ 78, 311, 316 (obiter dictum); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 12; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 10; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 3; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 1; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Feine, S. 399; a.M. Schwichtenberg, DB 1976, 375. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 12; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; für § 69 AktG Lutter, in: KölnKomm. AktG, § 69 Rdnr. 7; a.M. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 32; Winter, in: Scholz, 9. Aufl., Rdnr. 3a, 6. 4 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 13; a.M. Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 32; Winter, in: Scholz, 9. Aufl., Rdnr. 3a. 5 Brodmann, Anm. 1; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 2.

H. Winter/Seibt

|

1213

5

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

der Gründung oder bei einer Kapitalerhöhung gemeinschaftlich eine Stammeinlage übernehmen oder den Anteil als Teilhaber durch Abtretung erwerben. Die Abtretung an die Bruchteilsgemeinschaft unterliegt nicht § 17 (s. dort Rdnr. 4). Die Möglichkeit zur Verfügung über den ideellen Anteil vom GeschAnteil (§ 747 Satz 1 BGB) steht der Annahme der Mitberechtigung i.S. des § 18 nicht entgegen1. Die Abtretung des ideellen Anteils ist ebenfalls keine Teilung nach § 17, sondern ist gesellschaftsrechtlich wie die Übertragung des ganzen GeschAnteils zu behandeln, unterliegt also der Form aus § 15 Abs. 3 u. 4, bedarf einer statutarisch vorgeschriebenen Genehmigung nach § 15 Abs. 5 und ist gem. § 16 anzumelden2. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen GeschAnteils regeln §§ 744, 745 BGB; soweit die Rechtsausübung gegenüber der GmbH betroffen ist, geht aber die spezielle Regelung des § 18 Abs. 1 vor (Rdnr. 17 ff., 33 ff.). b) Gesamthandsgemeinschaft 6

Auch die Gesamthandsgemeinschaften, die unter § 18 zu subsumieren sind (Innen-GbR, eheliche Gütergemeinschaft, Erbengemeinschaft), können den GeschAnteil durch Übernahme einer Stammeinlage bei der Gründung (s. § 2 Rdnr. 51 ff.) oder bei einer Kapitalerhöhung3, durch rechtsgeschäftliche Übertragung oder durch gesetzlichen Übergang erwerben. Der einzelne Mitbeteiligte an diesen Gemeinschaften kann nicht über einen Anteil an dem zum gesamthänderischen Sondervermögen gehörenden GeschAnteil verfügen (§§ 719 Abs. 1, 1419 Abs. 1, 2033 Abs. 2 BGB); eine entsprechende Pfändung durch seinen Gläubiger ist unzulässig (§§ 859, 860 ZPO). Für die Verpflichtung aus dem GeschAnteil haften die Mitbeteiligten mit dem Gesamthandsvermögen; zur Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen der Innen-GbR (§ 736 ZPO), in den Nachlass (§ 747 ZPO; bei Testamentsvollstreckung s. aber § 748 ZPO) und, wenn es von beiden Ehegatten verwaltet wird, in das Gesamtgut der ehelichen Gütergemeinschaft (§ 740 Abs. 2 ZPO; bei Einzelverwaltung s. § 740 Abs. 1 ZPO) ist ein gegen alle Mitbeteiligten ergangenes Urteil notwendig ist. Über eine weiter gehende Haftung mit dem sonstigen Privatvermögen vgl. Rdnr. 25 ff. Bei den einzelnen Gesamthandsgemeinschaften ist im vorliegenden Zusammenhang noch Folgendes von Bedeutung:

7

aa) Seit der Grundsatzentscheidung des BGH („Weißes Ross“)4 ist allgemein anerkannt, dass die unternehmenstragende Außen-GbR trotz Fehlens einer gesetzlichen Vorschrift nach Art des § 124 Abs. 2 HGB ein eigenständiges Zuordnungsobjekt des Gesellschaftsvermögens und der Gesellschaftsschulden ist5. 1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 4; K. Schmidt, BB 1983, 1697, 1700. 2 Feine, S. 399; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 28. 3 OLG Hamm, GmbHR 1975, 83. 4 BGHZ 146, 341. 5 Hierzu z.B. Ulmer, in: MünchKomm. BGB, § 705 Rdnr. 209 ff., 303 ff.; Habermeier, in: Staudinger, BGB, § 705 Rdnr. 14; Timm/Schöne, in: Bamberger/Roth, BGB, § 705 Rdnr. 133; Palandt/Sprau, BGB, § 705 Rdnr. 23 ff., § 714 Rdnr. 7 ff.

1214

|

H. Winter/Seibt

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

Bei der unternehmenstragenden Außen-GbR ist daher eine uneinheitliche Rechtsausübung, der § 18 Abs. 1 vorbeugen will, von vornherein nicht möglich. Vor dem Hintergrund der Organstruktur der Außen-GbR und des Vorhandenseins eines für die Gesamthand zuständigen Geschäftsführungsorgans bedarf es auch keiner analogen Anwendung von § 18 Abs. 1 und Abs. 3. Auch für eine analoge Anwendung von § 18 Abs. 2 besteht kein Bedürfnis, da die zwingende gesamtschuldnerische Haftung aller GbR-Gesellschafter für die Einlageschuld der Außen-GbR bereits aus der Anerkennung der Akzessorietätstheorie in Analogie zu § 128 HGB folgt1. Für die Innen-GbR bleibt allerdings § 18 in vollem Umfang anwendbar. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird im Zweifel durch die zur GeschFührung befugten Gesellschafter in dem im Gesellschaftsvertrag bestimmten Umfange als Bevollmächtigte der Mitgesellschafter vertreten (§ 714 BGB); gegenüber der GmbH greift § 18 Abs. 1, 3 ein (Rdnr. 3a, 17 ff., 33 ff.). Der Rechtsübergang an dem zum Gesellschaftsvermögen gehörenden GeschAnteil vollzieht sich beim Ausscheiden eines Gesellschafters, beim Eintritt eines neuen Gesellschafters und bei einem (gesellschaftsvertraglich zugelassenen oder mit Zustimmung aller Mitgesellschafter erfolgenden) Gesellschafterwechsel durch Übertragung des Gesellschaftsanteils2 in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB durch Anwachsung. Es liegt keine der Formvorschrift des § 15 Abs. 3 u. 4 unterliegende Abtretung vor (s. § 15 Rdnr. 93). Der Gesellschaftsvertrag der GmbH kann den Erwerb der gesamthänderischen Rechtszuständigkeit durch Anwachsung auch nicht an eine „weitere Voraussetzung“ i.S. des § 15 Abs. 5 knüpfen. Er kann aber, auch konkludent, für den Fall des Wechsels Einzelner oder aller Gesellschafter der an der GmbH beteiligten Innen-GbR die Einziehung des GeschAnteils gestatten (§ 34 Abs. 2) oder zu dessen Abtretung verpflichten (s. § 15 Rdnr. 51). Möglich ist ferner, dass der Gesellschafterwechsel einen die Ausschließung rechtfertigenden wichtigen Grund darstellt (s. Anh. § 34 Rdnr. 25 ff.).

7a

bb) Miterben können über den zum Nachlass gehörenden GeschAnteil nur gemeinschaftlich verfügen, § 2040 Abs. 1 BGB3, d.h. ihn übertragen, belasten, abandonnieren (§ 27), seiner Einziehung zustimmen (§ 34) oder in die unmittelbare Änderung seines Rechtsinhalts (Verkürzung der Rechte oder Vermehrung der Pflichten) einwilligen. Ebenso sind sie gemeinschaftlich zuständig zur Begründung von Pflichten gegenüber der GmbH oder Dritten (z.B. Bürgschaftsübernahme für Gesellschaftsschulden) und Vornahme den GeschAnteil betreffender sonstiger Rechtshandlungen. Eine dem Anteilsrecht entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung kann aber auch durch einen Mehrheitsbeschluss der Miterben (§§ 2038 Abs. 2, 745 BGB) geregelt werden mit der Wirkung, dass die Mehrheit zur Ausführung der erforderlichen Rechtshandlungen (mit Ausnahme von Verfügungen) im Außenverhältnis ermächtigt ist4. Die Bestellung eines

8

1 2 3 4

Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 6. BGHZ 13, 184, 187; 44, 229, 231; BGH, NJW 1975, 166 u.a. Einschr. Wiedemann, GmbHR 1969, 248 f. m.w.N. H.M., vgl. BGHZ 56, 47, 49 ff.; BGH, LM § 2038 BGB Nr. 1; OLG Karlsruhe, GmbHR 1995, 824, 826. Näheres dazu Dütz, in: MünchKomm. BGB, § 2038 Rdnr. 51 ff. m.w.N.

H. Winter/Seibt

|

1215

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

gemeinsamen Vertreters gehört zu den Maßnahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung1. Zur Erhaltung des Nachlassgegenstandes notwendige Maßregeln kann darüber hinaus jeder Miterbe mit Außenwirkung treffen (§ 2038 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BGB). Schließlich kann jeder Miterbe zum Nachlass gehörende Ansprüche geltend machen (§ 2039 BGB). Für die Ausübung der Anteilsrechte gegenüber der GmbH gilt das Vorstehende nur mit den aus § 18 Abs. 1, 3 sich ergebenden Einschränkungen und Modifikationen (Rdnr. 17 ff., 33 ff.). Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Miterben können im Übrigen auch durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung (§ 2205 BGB) oder der Nachlassverwaltung (§ 1984 BGB) oder durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 80 InsO) ausgeschaltet sein (s. § 15 Rdnr. 248 ff.). 9

Jeder Miterbe kann über seinen Anteil am Nachlass verfügen (§ 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Form der Übertragung bestimmt sich, auch wenn ein GeschAnteil zum Nachlass gehört, nicht nach § 15 Abs. 3, sondern nach § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB2, der allerdings ebenfalls die notarielle Beurkundung vorschreibt. Allenfalls in extremen Einzelfällen können Vinkulierungsklauseln i.S.v. § 15 Abs. 5 unter Umgehungsschutzgesichtspunkten eingreifen, z.B. bei der nahezu vollständigen Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Miterben außer dem GeschAnteil und der anschließenden Übertragung des Nachlasses auf einen Dritten3. Der Erwerb der gesamthänderischen Rechtszuständigkeit am GeschAnteil erfolgt analog § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB durch Anwachsung (Rdnr. 7). Der Rechtsübergang kann deshalb nicht statutarisch von „weiteren Voraussetzungen“ i.S. des § 15 Abs. 5 abhängig gemacht werden4. Unzulässig ist es auch, die Befugnis des Miterben zur Verfügung über den Nachlassanteil im Gesellschaftsvertrag zu beschränken. Die abweichende Meinung, die darauf die statutarischen Abtretungserfordernisse für GeschAnteile anwenden will5, verkennt, dass der Anteil an dem (überdies meist nicht auf den GeschAnteil beschränkten) Nachlass nicht der gesellschaftlichen Bindung unterworfen werden kann und eine vom Gesellschaftsvertrag für ihn vorgesehene Verfügungsbeschränkung nach § 137 Satz 1 BGB nichtig ist. Das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft unterliegt der jeweiligen Formvorschrift (z.B. § 518 Abs. 1 BGB), nicht aber § 15 Abs. 4, denn die Verpflichtung bezieht sich nicht auf die Übertragung des GeschAnteils, sondern auf die Übertragung des Nachlassanteils. Entsprechend kommt eine Heilung durch die (formwirksame) Übertragung nur

1 2

3 4

5

Eb. für Not- und Eilfälle BGHZ 49, 183, 192 f., wo jedoch im Übrigen Bedenken geäußert werden. BGHZ 49, 183, 192 f. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 7 u. § 15 Anh. Rdnr. 36; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 15 Rdnr. 11; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 15 Rdnr. 15, § 16 Rdnr. 3; Ebbing, in: Michalski, § 15 Rdnr. 14 f.; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 27. Eb. K. Schmidt, GesR, § 35 II 3, S. 1052 (mit weiteren Beispielen); zust. Winter/Löbbe, in: Ulmer, § 15 Rdnr. 36; Ebbing, in: Michalski, § 15 Rdnr. 16. BGHZ 92, 386, 393; Winter/Löbbe, in: Ulmer, § 15 Rdnr. 36; Meyer-Landrut, § 15 Rdnr. 19; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 15 Rdnr. 11; Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 9; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 25 Rdnr. 27; Vogel, GmbHR 1971, 134 f. Feine, S. 377; Däubler, S. 23; Priester, GmbHR 1981, 206, 207 m.w.N.

1216

|

H. Winter/Seibt

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

in Betracht, wenn das Gesetz wie bei § 518 Abs. 2 BGB, eine solche Heilungsmöglichkeit vorsieht; § 15 Abs. 4 Satz 2 greift nicht. Vorkehrungen gegen die Beteiligung unerwünschter Personen lassen sich daher auch bei der Erbengemeinschaft nur in der in Rdnr. 7 beschriebenen Art treffen. Der Erblasser kann die Verfügung über den Nachlassanteil ebenfalls nicht beschränken (§ 137 Satz 1 BGB). cc) Das Gesamtgut der ehelichen Gütergemeinschaft wird, wenn der Ehevertrag nichts anderes bestimmt, durch die Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet, § 1421 BGB (s. § 15 Rdnr. 241). Gehört zum Gesamtgut ein GeschAnteil, so sind für das Verhältnis zur GmbH die Vorschriften des § 18 Abs. 1, 3 maßgebend1. Die Verwaltung kann durch den Ehevertrag auch einem Ehegatten übertragen sein (§ 1421 Satz 1 BGB), der dann gegenüber der GmbH allein zur Vertretung berechtigt ist; für einzelne Geschäfte bedarf er jedoch der Zustimmung des anderen Ehegatten (s. § 15 Rdnr. 241).

10

Der Anteil eines Ehegatten am Gesamtgut kann auch mit Zustimmung des anderen nicht abgetreten werden (§ 1419 Abs. 1 BGB). Erwirbt ein Ehegatte während des Bestehens der ehelichen Gütergemeinschaft einen GeschAnteil, so geht er ohne besonderen Übertragungsakt grundsätzlich in das Gesamtgut über (§ 1416 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 2 BGB); statutarische Abtretungsbeschränkungen ändern nichts (s. § 15 Rdnr. 241). Er kann jedoch auch Vorbehaltsgut sein, § 1418 Abs. 2 BGB (s. § 15 Rdnr. 241). Die Überführung von einer Vermögensmasse in die andere hat unter Beachtung der Form des § 15 Abs. 3 zu erfolgen (s. § 15 Rdnr. 93) und kann statutarisch von „weiteren Voraussetzungen“ i.S. des § 15 Abs. 5 abhängig gemacht werden.

11

2. Mitberechtigte als Gesellschafter Nach dem Wortlaut von § 18 Abs. 1 „steht ein Geschäftsanteil mehreren Mitberechtigten ungeteilt zu“, was darauf hindeuten könnte, dass der Gesetzgeber davon ausging, Träger der Mitgliedschaftsrechte seien sämtliche Mitberechtigte und jeder für sich habe selbst die Gesellschaftereigenschaft2. Der Wortlaut von § 18 Abs. 1 ist aber auch in diesem Punkt (s. bereits Rdnr. 3) sprachlich nicht eindeutig. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Bruchteilsgemeinschaft oder Gesamthandsgemeinschaft dank rechtlicher Verselbständigung Zuordnungssubjekt der Gesellschaftereigenschaft sein kann3. Dies ist aber weder bei Bruchteilsgemeinschaften noch bei den Gesamthandsgemeinschaften der Fall, die § 18 unterliegen (also bei der Innen-GbR, der ehelichen Gütergemeinschaft und

1 Feine, S. 399; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 8; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 2, 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6 f.; einschr. Haegele, GmbHR 1968, 98; Ulmer, § 2 Rdnr. 82; a.M. Brodmann, Anm. 1, jedoch ohne Begründung. 2 So BGHZ 78, 311 ff.; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5; Brodmann, Anm. 3; Fischer, ZGR 1979, 251, 256; wohl auch Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3 und § 17 Rdnr. 16. 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 9.

H. Winter/Seibt

|

1217

12

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

der Erbengemeinschaft). Daher sind die Mitberechtigten i.S.v. § 18 Gesellschafter1, allerdings eben verpflichtet, die Mitgliedschaftsrechte, also insbesondere das Stimmrecht, die Informationsrechte, das Recht zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen, die Befugnis zur Einberufung von Gesellschafterversammlungen und zur Stellung von Anträgen etc. (Rdnr. 23) nur gemeinschaftlich und einheitlich auszuüben (vgl. § 18 Abs. 1). Den einzelnen Mitberechtigen kann allerdings das Teilnahmerecht bei Gesellschafterversammlungen zustehen, wenn die Bruchteilsgemeinschaft oder Gesamthandsgemeinschaft keinen gemeinsamen Vertreter bestellt hat. Von der Frage, ob die Mitberechtigten i.S.v. § 18 als Gesellschafter der GmbH, und damit als Träger der Mitgliedschaftsrechte anzusehen sind, ist die Frage zu trennen, ob sie im Hinblick auf § 17 Abs. 3 („Veräußerung von Teilen eines Geschäftsanteils andere Gesellschafter“) sowie auf Vinkulierungsklauseln i.S.v. § 15 Abs. 5, die Anteilsübertragung an Mitgesellschafter privilegieren, als „Gesellschafter“ gelten. Das ist aus dem Gesetzeszweck von § 17 Abs. 3 bzw. bei der statutarischen Vinkulierung durch Satzungsauslegung zu ermitteln. So fällt die Abtretung eines Teilgeschäftsanteils an den Mitberechtigten nicht unter die Befreiung vom Genehmigungserfordernis gem. § 17 Abs. 3 für „die Veräußerung an andere Gesellschafter“ (s. § 17 Rdnr. 30), und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Personenhandelsgesellschaft, eine andere Gesamthandsgemeinschaft oder eine Bruchteilsgemeinschaft handelt2. Auch bei einer statutarischen Vinkulierung gibt es keine Auslegungsregel dahingehend, dass die Mitberechtigten i.S. des § 18 im Zweifel zum Gesellschafterkreis dazugehören, die Gesellschafter einer Außen-GbR, OHG oder KG aber nicht. Die Mitberechtigten sind als solche mit ihrer Stammeinlage in der Gesellschafterliste gem. § 40 anzugeben3.

3. Beendigung der Mitberechtigung 13

Die Mitberechtigung endet, wenn bei der Auseinandersetzung der Gemeinschaft (§§ 731 ff., 752 ff., 1471 ff., 2042 ff. BGB) oder auch vorher der GeschAnteil an einen Mitberechtigten oder einen Dritten übertragen wird oder wenn Teilgeschäftsanteile gebildet und diese übertragen werden. Die vorgenannten Übertragungen bedürfen alle der Form des § 15 Abs. 3 (s. § 15 Rdnr. 93). Zur realen Teilung des GeschAnteils ist die Genehmigung der Gesellschaft auch dann erforderlich, wenn der Gesellschaftsvertrag die Veräußerung von Teilen eines GeschAnteils an andere Gesellschafter zulässt (Rdnr. 12 u. § 17 Rdnr. 30). Ist die Teilung nicht möglich und wird außerdem die statutarisch vorgeschriebene Genehmigung zur Abtretung (§ 15 Abs. 5) des ganzen GeschAnteils verweigert, so

1 So Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 9; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5; Brodmann, Anm. 3; Fischer, ZGR 1979, 251, 256; wohl auch Lutter/Bayer, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 3 und § 17 Rdnr. 16; a.M. Winter, in: Scholz, 9. Aufl., Rdnr. 12. 2 Eb. Feine, S. 404; Jasper, in: MünchHdb. GesR III, § 24 Rdnr. 21. Nach Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 10 ist zwischen Bruchteils- und Gesamthandsgemeinschaft zu unterscheiden, während die h.M. die Gesellschaftereigenschaft lediglich für Mitglieder einer Personenhandelsgesellschaft verneint (vgl. Nachw. bei § 17 Rdnr. 30). 3 OLG Hamm, BB 1975, 292, 293 (zur Erbengemeinschaft); Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 10 a.E.

1218

|

H. Winter/Seibt

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

kann die Aufhebung der Gemeinschaft nur durch Versteigerung unter den Teilhabern erfolgen, die durch die Satzung nicht ausgeschlossen werden kann (§ 753 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der GmbH gegenüber hat die Auseinandersetzung nur dann Wirkung, wenn sie gem. § 16 angemeldet ist (s. § 16 Rdnr. 28). Auch ohne Übertragung kann die Mitberechtigung enden, wenn bei einer Personenhandelsgesellschaft oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch das Ausscheiden der übrigen Gesellschafter und bei einer Erbengemeinschaft durch die Veräußerung der Anteile am Nachlass dem verbleibenden Mitberechtigten die alleinige Inhaberschaft am GeschAnteil zuwächst1. Der Anteilserwerb ist auch in diesem Falle gem. § 16 anzumelden (s. § 16 Rdnr. 28)2.

14

Im Falle des rechtsgeschäftlichen Übergangs des (ganzen oder geteilten) GeschAnteils ist die (bisherige) Gemeinschaft Rechtsvorgängerin des Erwerbers, die bis zu dessen Anmeldung (§ 16) der GmbH gegenüber als berechtigte und verpflichtete (§ 18 Abs. 2) Gesellschafterin gilt, nach Anmeldung des Erwerbers aber für die auf den GeschAnteil rückständigen Leistungen weiter pflichtig bleibt (§ 16 Abs. 3), auch in einem gegen den Erwerber etwa eingeleiteten Kaduzierungsverfahren als Rechtsvorgängerin gem. §§ 22, 18 Abs. 2 rückgriffspflichtig ist.

15

4. Keine Mitberechtigung Eine Mitberechtigung i.S.v. § 18 liegt nicht vor, wenn eine juristische Person, eine Personenhandelsgesellschaft, eine EWIV, eine Partnerschaftsgesellschaft, eine Außen-GbR oder ein nichtrechtsfähiger Verein (Rdnr. 3a) Anteilsinhaberin ist. Ebenso wenig stellen die Unterbeteiligung am GeschAnteil (s. § 15 Rdnr. 224) und der Nießbrauch oder das Pfandrecht eine solche Mitberechtigung dar3.

16

III. Rechtsausübung der Mitberechtigten 1. Gemeinschaftliche Ausübung Die Mitberechtigten können die Rechte aus dem GeschAnteil nur gemeinschaftlich ausüben (§ 18 Abs. 1). Das Gesetz will damit die einheitliche Ausübung der Gesellschafterrechte sicherstellen4, die Gesellschaft vor Streitigkeiten unter den Mitberechtigten schützen und damit zugleich Rechtsklarheit für die Gesellschaft gewährleisten5. Kann nach dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht nur eine bestimmte Person mit Wirkung für die Mitberechtigten handeln, so bewendet es dabei. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Testa1 Vgl. BGHZ 32, 307, 314 ff.; BGH, NJW 1966, 827 (zur GbR). 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 15; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 36. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 2; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 7; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 2; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 4. 4 Vgl. BGHZ 49, 183, 191; 108, 21, 31; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12, die sich aber zu Unrecht auf diesen Aspekt beschränken. 5 OLG Karlsruhe, GmbHR 1995, 824, 826; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 17; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1.

H. Winter/Seibt

|

1219

17

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

mentsvollstreckers, Nachlassverwalters und Nachlassinsolvenzverwalters schließen, soweit sie reichen (s. § 15 Rdnr. 248 ff.), eine Mitwirkung der Miterben an der Rechtsausübung aus (§§ 1984 Abs. 1, 2211 Abs. 1 BGB, §§ 80 f. InsO). Entsprechendes gilt für die eheliche Gütergemeinschaft, wenn die Verwaltung des Gesamtguts durch den Ehevertrag einem Ehegatten übertragen worden ist, § 1421 Satz 1 BGB1. Ebenso liegt es, wenn in einer Innen-GbR einem Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss die Geschäftsführung und Vertretung übertragen worden ist (§§ 710, 714 BGB; zur Legitimation s. Rdnr. 21). 18

Bei einer Mitberechtigung derselben Personen an mehreren GeschAnteilen ist § 18 für jeden gesondert anzuwenden2. Die Formen der gemeinschaftlichen Rechtsausübung (Rdnr. 20) brauchen nicht übereinzustimmen. Auch eine uneinheitliche Abstimmung mit den verschiedenen GeschAnteilen ist zulässig (s. bei § 47).

19

Die Vorschrift des § 18 Abs. 1 ist nicht zwingend3. Der Gesellschaftsvertrag kann abweichende Bestimmungen über die Rechtsausübung gegenüber der GmbH treffen, insbesondere, was zur Vermeidung von Unklarheiten und Beeinträchtigungen des Gesellschaftslebens im Interesse der GmbH zweckmäßig ist, die Notwendigkeit der Rechtsausübung durch einen gemeinsamen Vertreter vorschreiben und nähere Bestimmungen über seine Person (z.B. Beschränkung auf Mitberechtigte) treffen4. Die internen Rechtsverhältnisse der Gemeinschaft und, soweit es nicht um die Einschränkung oder den Ausschluss der Abtretbarkeit des GeschAnteils (s. § 15 Rdnr. 107 ff.) oder um dessen Teilung (§ 17) geht, ihr Verhältnis zu Dritten kann er dagegen nicht regeln5.

2. Durchführung 20

Die gemeinschaftliche Ausübung der Rechte aus dem GeschAnteil kann nach § 18 Abs. 1 entweder so erfolgen, dass alle Beteiligten durch übereinstimmendes Handeln unmittelbar mitwirken, oder so, dass sie einen gemeinsamen Vertreter bestellen und durch ihn handeln6. Vorbehaltlich einer abweichenden Regelung im Gesellschaftsvertrag (Rdnr. 19) kann letzteres aber durch die GmbH 1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 2. 3 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 18; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 38; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1 a.E., 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5; Meyer-Landrut, Rdnr. 4. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5; s. auch BGH, GmbHR 1989, 120, 121 u. K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 526 ff. 5 S. auch Wiedemann, GmbHR 1969, 247, 250; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 18; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; weiter einschr. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14. 6 BGHZ 49, 183, 191; BayObLG, BB 1997, 2546, 2547; Feine, S. 400; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 16; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11.

1220

|

H. Winter/Seibt

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

nicht verlangt werden; eine Ausnahme gilt bei Unzumutbarkeit der Mitwirkung aller. Die Rechtsausübung durch eine Mehrheit der Mitberechtigten oder durch einzelne Mitberechtigte ist dagegen, auch wenn das einschlägige Gemeinschaftsrecht sie zulässt (§§ 744 Abs. 2, 745 Abs. 1 Satz 1, 2038 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 u. Abs. 2, 2039 BGB; vgl. dazu Rdnr. 5, 8), nach § 18 Abs. 1 gegenüber der GmbH unwirksam, es sei denn, dass die übrigen Mitberechtigten die Maßnahme als eine solche der Gemeinschaft billigen1 oder, soweit möglich (§§ 174, 180 BGB), später genehmigen (§ 184 BGB). Die abweichende Auffassung, die die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte durch einen Teil der Mitberechtigten in diesen Fällen gestatten will2, ist mit dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes unvereinbar, da sie die Gesellschaft u.U. beträchtlichen Unsicherheiten über die Berechtigung und Wirksamkeit des Handelns sowie erheblichen Behinderungen ihrer Tätigkeit aussetzt, die die Vorschrift des § 18 Abs. 1 gerade verhindern soll (Rdnr. 1, 17). Der gemeinsame Vertreter, der ein Mitberechtigter oder ein Dritter sein kann, wird nach Maßgabe des einschlägigen Gemeinschaftsrechts bestellt. Hierfür kann also auch ein Mehrheitsbeschluss genügen, wenn er Vertretungsmacht für alle Mitberechtigten begründet3. Die Bestellung ist, wenn das Gemeinschaftsrecht nichts anderes vorsieht, formlos möglich4; für die Stimmrechtsvollmacht gilt aber § 47 Abs. 3 (s. bei § 47). Die Vertretungsmacht braucht nicht umfassend zu sein, sondern kann in gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht beschränkt sein5. Auch Gesamtvertretungsmacht mehrerer ist zulässig6. Der Gesellschaftsvertrag kann besondere Anforderungen oder Qualifikationen an die Person des Vertreters stellen; auch kann der Gesellschaftsvertrag bestimmte Personen(kreise) als gemeinsamer Vertreter ausschließen (z.B. Wettbewerber, Arbeitnehmer, Kunden, Kreditgeber)7. Nach dem Schutzzweck des § 18 Abs. 1 (Rdnr. 1) ist anzunehmen, dass die Vertreterbestellung der GmbH gegenüber nur wirkt, wenn der Vertreter sich ausreichend als solcher legitimieren kann oder wenn die Mitberechtigten sie (§ 16 analog) angemeldet haben8. Das Vorhandensein eines gemeinsamen Vertreters schließt die unmittelbare gemeinsame Rechtsausübung 1 Zutt, in: Hachenburg, Rdnr. 20 f.; Brodmann, Anm. 2; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4. 2 BGHZ 108, 21, 31; OLG Karlsruhe, GmbHR 1995, 824, 826; Wiedemann, GmbHR 1969, 247, 249; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 12; K. Schmidt, in: MünchKomm. BGB, §§ 744, 745 Rdnr. 8. 3 BGHZ 49, 183, 191 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13. 4 Vogel, Anm. 2; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 24; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 51; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14. 5 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 25; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11. 6 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 25; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5. 7 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 23. 8 Feine, S. 400; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 18 Rdnr. 8; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 51; a.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 24; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 5; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 14; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 13, die grundsätzlich allg. Vollmachtsrecht, insbesondere auch § 173 BGB anwenden wollen.

H. Winter/Seibt

|

1221

21

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

durch die Mitberechtigten nur aus, wenn das einschlägige Gemeinschaftsrecht oder der Gesellschaftsvertrag dies bestimmt1. Für den Widerruf der Bestellung gelten die vorstehenden Grundsätze sinngemäß; auch er ist der Gesellschaft in hinreichender Form bekanntzumachen oder (§ 16 analog) anzumelden. 22

Die Klage nur eines Mitberechtigten ist unbegründet2. Klagen sie sämtlich, so sind sie notwendige Streitgenossen nach § 62 ZPO. Gibt jedoch einer der Mitberechtigten zugleich für die übrigen eine Willenserklärung ab, ohne Vollmacht von ihnen zu haben, so wird seine Erklärung durch nachfolgende Genehmigung seitens der übrigen wirksam, und zwar rückwirkend auf den Zeitpunkt, in dem die Willenserklärung abgegeben wurde (§ 184 BGB)3. Bei einseitigen Rechtsgeschäften oder rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen ist § 180 BGB anwendbar. Ist kein Vertreter bestellt und erfolgt keine Einigung, so kann das gemeinschaftliche Recht nicht ausgeübt werden; dies gilt z.B. vom Stimmrecht, wenn die Teilhaber über einheitliche Abstimmung sich nicht einigen können (zur Unzulässigkeit einer uneinheitlichen Stimmabgabe s. bei § 47).

3. Rechte aus dem Geschäftsanteil 23

„Rechte aus dem GeschAnteil“ sind sowohl die gesellschaftlichen Mitverwaltungsrechte (Ausübung des Stimmrechts, Ausübung von Informationsrechten, Anfechtung gefasster Gesellschafterbeschlüsse, Befugnis zur Einberufung von Gesellschafterversammlungen und zur Stellung von Anträgen usw.), ferner besondere statutarische Rechte oder Sonderrechte (z.B. auf Ernennung eines Gewschäftsführers oder Aufsichtsratsmitglieds) und die reinen Vermögensrechte (auf Auszahlung des Gewinnanteils und der Liquidationsquote)4. Auch die Kündigung der Mitgliedschaft, der Austritt, die Zustimmung zur Einziehung u.ä. werden erfasst; soweit ein gemeinsamer Vertreter bestellt ist, kann in diesen Fällen wie auch bei verfügungsähnlich wirkenden Stimmabgaben eine Zustimmung der übrigen Mitberechtigten erforderlich sein (z.B. nach §§ 1423, 1425 BGB).

4. Verhältnis zur Gesellschaft 24

Der § 18 regelt nur das Verhältnis zur Gesellschaft5. Die Rechte der Mitberechtigten untereinander und ihre Rechtsausübung den anderen Gesellschaftern und Dritten gegenüber berührt die Vorschrift dagegen nicht (Rdnr. 2, 5 ff.). 1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 26; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8. Weitergehend Brodmann, Anm. 4. 2 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6 f.; abw. BGHZ 108, 21, 30 unter unzutreffender Berufung auf § 2038 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BGB (s. dazu Rdnr. 20). 3 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 22; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 11; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3. 4 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 19; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 6. 5 BGHZ 49, 183, 191; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 17; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 3; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 42.

1222

|

H. Winter/Seibt

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

IV. Haftung der Mitberechtigten 1. Gesamtschuldner Die Mitberechtigten haften der GmbH solidarisch, d.h. als Gesamtschuldner nach § 421 BGB. Das gilt für alle dem § 18 unterliegenden Gemeinschaftsverhältnisse (Rdnr. 3 ff.), auch für die Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB)1, kraft zwingenden Rechts. Die Haftung kann deshalb auch weder durch die Satzung der GmbH noch durch rechtsgeschäftliche Regelung der Mitberechtigten untereinander, z.B. durch eine Beschränkung der Vertretungsmacht der Geschäftsführer einer BGB-Gesellschaft (§ 714 BGB), auf das Gesamthandsvermögen oder in sonstiger Weise beschränkt werden, soweit es sich um unabdingbare Verpflichtungen gegenüber der GmbH handelt2.

25

a) Erbengemeinschaft Die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben, die grundsätzlich auch erbrechtlich angeordnet ist (§ 2058 BGB), gilt nach § 18 Abs. 2 gegenüber der GmbH für Pflichten aus dem gemeinschaftlichen GeschAnteil uneingeschränkt. Die erbrechtlichen Ausnahmen der §§ 2060, 2061 BGB sind insoweit unanwendbar3.

26

Jeder Miterbe kann aber, wenn er erbrechtlich noch nicht unbeschränkbar haftet, bis zur Nachlassteilung die Einrede der beschränkten Erbenhaftung gem. § 2059 Abs. 1 Satz 2 erheben4. Der Einwand, dass der Miterbe mit dem Erbfall in die GmbH „eintrete“ und deshalb als Gesellschafter unbeschränkbar für die rückständigen Einlage- und Nachschussleistungen haften müsse5, überzeugt nicht. Es ist nicht eine Besonderheit des Anteilsübergangs, sondern Grundlage und Voraussetzung der Haftungsregelung des BGB, dass die Erben als Gesamtrechtsnachfolger in die vererblichen Rechtsstellungen des Erblassers „eintreten“ und deshalb für die Verbindlichkeiten haften. Eine bevorzugte Behandlung

27

1 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 27; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Meyer-Landrut, Rdnr. 6; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19. 2 Vgl. BGHZ 78, 311, 316 f.; OLG Hamm, GmbHR 1996, 363, 364; Flume, in: FS Raiser, S. 27, 38; Hohner, NJW 1975, 718, 720; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 28; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 19; a.M. Koch, ZHR 146 (1982), 118, 227 ff.; Ulmer, § 2 Rdnr. 809 ff. 3 Feine, S. 400; Wiedemann, Übertragung, S. 239; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 28; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 4; Meyer-Landrut, Rdnr. 7; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24; Däubler, S. 21 m.w.N. 4 Wiedemann, Übertragung, S. 239; Däubler, S. 21; Feine, S. 400; Brodmann, Anm. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 15; Winter/Löbbe, in: Ulmer, § 15 Rdnr. 19; Ebbing, in: Michalski, § 15 Rdnr. 29; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Meyer-Landrut, Rdnr. 7; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24 und Rowedder/Bergmann, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, § 15 Rdnr. 122. 5 So früher Schilling/Zutt, in: Hachenburg, 7. Aufl., Rdnr. 26 u. § 15 Anh. Rdnr. 103.

H. Winter/Seibt

|

1223

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

der Pflichten aus dem GeschAnteil gegenüber anderen Nachlassverbindlichkeiten lässt sich daher mit der angeführten Erwägung nicht rechtfertigen. Die Gründe, die für die Beschränkbarkeit der Miterbenhaftung maßgebend sind, treffen vielmehr auch für die Nachlassverbindlichkeiten aus dem GeschAnteil solange zu, wie er von den Miterben gemeinschaftlich zum Zwecke der Nachlassabwicklung gehalten wird. Die Beschränkbarkeit der Miterbenhaftung berührt selbstverständlich nicht das Recht der GmbH, den zum Nachlass (dem haftenden Vermögen) gehörenden GeschAnteil wegen rückständiger Einlagen (§ 21) und, wenn der Gesellschaftsvertrag das bestimmt, wegen rückständiger Nachschüsse (§ 28 Abs. 2) zu kaduzieren oder den Abandon zu fingieren (§ 27 Abs. 1 Satz 2). 28

Mit der Nachlassteilung hört i.d.R. die Rechtsgemeinschaft der Miterben an dem GeschAnteil auf. Entweder wird er real unter ihnen geteilt (§ 17) oder er wird einem Miterben ganz übertragen oder an einen Dritten veräußert (§ 2042 Abs. 2, §§ 752 ff. BGB). Nach der Anmeldung des Erwerbers oder Teilerwerbers (§ 16) haftet dieser für die zukünftig fällig werdenden Leistungen allein. Für die rückständigen Leistungen haftet er solidarisch mit den Miterben (§ 16 Abs. 3), diese jedoch u.U. nur beschränkt (§§ 1974 ff., 2063 BGB). Als Erwerber haftet der Miterbe dagegen wie jeder andere Rechtsnachfolger. Nehmen die Miterben den GeschAnteil von der Nachlassteilung aus, so haften sie ab diesem Zeitpunkt unbeschränkt gesamtschuldnerisch1.

29

Keine Beschränkbarkeit der Haftung ist möglich, wenn die Erbengemeinschaft nach dem Erbfall einen GeschAnteil durch Übernahme einer Stammeinlage oder durch Abtretung erwirbt (§ 16 Abs. 3). b) Eheliche Gütergemeinschaft

30

Auch bei der ehelichen Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) haften die Ehegatten nach § 18 Abs. 2 der GmbH stets gesamtschuldnerisch für die aus dem gemeinschaftlichen GeschAnteil sich ergebenden Pflichten. Der Ehegatte, der das Gesamtgut nicht verwaltet, haftet also nicht nur dann persönlich (d.h. über das gesamthänderische Vermögen hinaus mit seinem Sonder- und Vorbehaltsgut) als Gesamtschuldner, wenn er gemeinschaftlich mit dem anderen oder mit dessen Zustimmung (vgl. ferner §§ 1429, 1431 BGB) eine Stammeinlage übernommen oder einen GeschAnteil übertragen erhalten hat, sondern in Abweichung vom bürgerlichen Recht (erg. §§ 1437 Abs. 2 Satz 1, 1480 BGB) auch dann, wenn das seitens des Gesamtgutsverwalters geschehen ist2. Ebenso wenig ist die Vorschrift des § 1437 Abs. 2 Satz 2 BGB über das Erlöschen der persönlichen gesamtschuldnerischen Haftung des das Gesamtgut verwaltenden Ehegatten anwendbar; seine Haftung aus § 18 Abs. 2 erlischt auch in dem von § 1437 Abs. 2 Satz 2 BGB erfassten Fall, dass die Verbindlichkeit im Verhältnis der Ehegatten zueinander dem anderen Ehegatten zur Last fällt, nicht mit der Beendigung der Gütergemeinschaft, sondern sie besteht nach § 16 Abs. 3 fort für

1 Eb. Wiedemann, S. 239. 2 A.M. Ulmer, § 2 Rdnr. 82.

1224

|

H. Winter/Seibt

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

die auf den GeschAnteil zu erbringenden Leistungen, die zurzeit der Anmeldung der bei der Auseinandersetzung (§§ 1471 ff. BGB) erfolgten Abtretung des GeschAnteils oder der Teilgeschäftsanteile rückständig sind.

2. Die auf den Geschäftsanteil „zu bewirkenden Leistungen“ Die Gesamthaftung besteht für „die auf den GeschAnteil zu bewirkenden Leistungen“, also für rückständige und während der Besitzzeit der Gemeinschaft fällig werdende (§ 16 Abs. 3), z.B. für etwa noch rückständige Stammeinlagen, für später einzufordernde Einlageraten, für Verpflichtung zu Nachschüssen, für die ergänzende Geldeinlagepflicht bei der Überbewertung von Sacheinlagen (§ 9), für die Haftung für andere Gesellschafter nach §§ 24, 31 Abs. 3, für die gesellschaftlichen Nebenleistungspflichten nach § 3 Abs. 2. Dem einzelnen Mitberechtigten kann auch nicht in entsprechender Anwendung des § 139 HGB ein Recht zur Kündigung der Nebenleistungspflicht für seine Person zugestanden werden1. Rein obligatorische Verpflichtungen, die ein Gesellschafter für sich gegenüber der GmbH übernommen hat, oder solche gesellschaftlichen Pflichten nach § 3 Abs. 2, die an die Person eines Verpflichteten gebunden sind (z.B. Verpflichtungen zur Geschäftsführung), fallen dagegen nicht unter § 18 Abs. 22. Es gilt das zu § 16 Gesagte mit dem Unterschied, dass als GeschAnteilsinhaber dort eine Person vorausgesetzt wurde, an deren Stelle hier eine Gemeinschaft als Gesamtschuldnerschaft steht3.

31

3. Haftung im Innenverhältnis Die Haftung im Innenverhältnis, d.h. zwischen den Mitberechtigten, wird durch § 18 nicht geregelt. Es entscheidet ausschließlich das BGB. Nach § 426 BGB sind die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht aus Gesetz oder Vertrag, auch konkludent, ein anderes sich ergibt, was bei den unter § 18 fallenden Rechtsgemeinschaften (Rdnr. 3 ff.) häufig der Fall ist.

32

V. Rechtshandlungen der GmbH gegenüber den Mitberechtigten 1. Zweck des § 18 Abs. 3 Der Zweck des § 18 Abs. 3 ist eine Erleichterung für die GmbH im Verkehr mit den Mitberechtigten (Rdnr. 1). Sie soll, wenn sie mit dem Inhaber des GeschAnteils zu verkehren hat, im Falle der Mitberechtigung, z.B. im Falle der Beerbung, die im Rahmen ihrer Verwaltung erforderlichen Erklärungen gegenüber einem der angemeldeten oder ihr gegenüber sonst legitimierten Mitberechtigten mit Wirkung für die GeschAnteilsgemeinschaft vornehmen können. Während die Gemeinschaft nur gemeinsam handeln kann, gilt im Verkehr ihr gegenüber eine Art Einzelvertretungsbefugnis, wenn nicht ein gemeinsamer Ver-

1 A.M. Däubler, S. 22 betr. Miterben. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 27; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7. 3 Becker, GmbHR 1937, 218 betr. Erbengemeinschaft.

H. Winter/Seibt

|

1225

33

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

treter vorhanden ist (Rdnr. 35). Entsprechend anwendbar ist § 18 Abs. 3 bei Gesamtvertretung der Gemeinschaft1; für die eheliche Gütergemeinschaft vgl. auch § 1450 Abs. 2 BGB. Doch hat die GmbH nur das Recht, mit Wirkung für die Gemeinschaft sich an einen der Gemeinschafter zu wenden. Sie kann auch mehreren von ihnen und allen gegenüber mit gleicher Wirkung handeln. Letzteres ist auch beim Vorhandensein eines gemeinsamen Vertreters möglich, sofern das Gesetz dies für die betreffende Gemeinschaft nicht ausschließt. Doch muss derjenige, dem gegenüber sie eine Erklärung abgibt, bei ihr angemeldet oder sonst ausreichend legitimiert sein (Rdnr. 21). Der Gesellschaftsvertrag kann eine von § 18 Abs. 3 abweichende Regelung treffen2.

2. Rechtshandlungen 34

Aus dem Zweck (nicht unbedingt aus dem Wortlaut) folgt, dass der Begriff „Rechtshandlungen“ nur einseitige Rechtsgeschäfte und rechtsgeschäftsähnliche Handlungen, nicht auch zweiseitige umfasst3. Es gehören hierher z.B.: Mahnungen, Kündigungen, Einladungen zu Gesellschafterversammlungen, Aufforderungen zu Einzahlungen, Mängelrügen bei Sacheinlagen, Kaduzierung von GeschAnteilen, prozessuale Zustellungen usw., dagegen nicht Zahlungen und der Abschluss anderer Verträge4. Bei anderer Auslegung wäre eine Abgrenzung zwischen Abs. 1 und Abs. 3 des § 18 nicht zu finden. Ansprüche auf Anteil am Jahresgewinn können die Gemeinschafter nach § 18 Abs. 1 nur gemeinschaftlich geltend machen; es kann daher nicht mit Berufung auf § 18 Abs. 3 die Auszahlung mit befreiender Wirkung an einen von ihnen erfolgen. – Aus § 18 Abs. 3 folgt, dass, wenn z.B. ein Mitbeteiligter durch Mahnung in Verzug gesetzt oder die Verjährung ihm gegenüber unterbrochen wird, dies für die ganze Anteilsgemeinschaft wirkt (§ 425 BGB ist insoweit ausgeschaltet)5. Es kann daher das Kaduzierungsverfahren (§§ 21 ff.) jenem einen gegenüber mit Wirkung auf den gemeinschaftlichen GeschAnteil durchgeführt werden. Doch kann ein anderer Mitbeteiligter durch Zahlung das weitere Verfahren abwenden. In diesem Verfahren kann die GmbH sogar in der Person des in Anspruch genommenen Mitbeteiligten wechseln; doch kann dies eine unzulässige Rechtsausübung sein6. Ebenso wirkt Kenntnis oder Bösgläubigkeit eines Mitberechtigten (z.B. bei § 32) gegen alle Mitberechtigten7. Ein Mitberechtigter, der zugleich Inhaber eines weiteren GeschAnteils oder an einem solchen mitbe-

1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 30; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 73. 2 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 31 a.E.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1 a.E. 3 Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 76; a.M. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 32. 4 Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 9; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 17. 5 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 34; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26. 6 Brodmann, Anm. 4; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 34. 7 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 35; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 77.

1226

|

H. Winter/Seibt

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

rechtigt ist, muss erkennbar in beiden Beziehungen angesprochen werden, wenn die Rechtshandlung für beide Beteiligungen wirken soll1.

3. Gemeinsamer Vertreter Wenn ein „gemeinsamer Vertreter“ vorhanden ist, können einseitige Rechtsgeschäfte seitens der GmbH nicht gegenüber einem Mitbeteiligten vorgenommen werden (§ 18 Abs. 3 Satz 1). „Vorhanden“ i.S. des Abs. 3 ist der Vertreter nur dann, wenn er der GmbH gegenüber ausreichend legitimiert oder angezeigt ist (analog § 16 Abs. 1), sei es seitens der Mitberechtigten oder seitens des Vertreters selbst, der aber seine Vertretungsmacht nachweisen muss. Ist dies nicht geschehen, so kann die GmbH wirksam durch Erklärung an einen der Mitberechtigten handeln, auch wenn ein Vertreter im Übrigen ernannt ist und die Gesellschaft auf sonstigem Wege zufällig hiervon erfahren hat2. Der in § 16 zum Ausdruck gekommene bevorzugte Verkehrsschutz der Gesellschaft im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern muss erst recht gelten, wenn es um die Frage der gewillkürten Vertretung einer Gesellschaftergemeinschaft geht. Ist ein Vertreter vorhanden und angemeldet, so kann die Rechtshandlung ihm gegenüber mit Wirkung für die Gemeinschaft vorgenommen werden. Ob aber nur ihm gegenüber, nicht auch gegenüber allen Mitbeteiligten, sagt § 18 Abs. 3 Satz 1 nicht. Die Vorschrift will nur zu Gunsten der GmbH eine Erleichterung geben, und man wird daher Rechtshandlungen, die gegenüber allen Beteiligten vorgenommen sind, als wirksam ansehen müssen3. – Der Verwaltende bei der ehelichen Gütergemeinschaft, Eltern, Vormund, Pfleger einer Rechtsgemeinschaft, der verwaltende Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter sind in der Aktiv- wie in der Passivrolle allein legitimiert.

35

4. Erbengemeinschaft Im Falle der Erbengemeinschaft gilt nach § 18 Abs. 3 Satz 2 die Besonderheit, dass die Erleichterung für die GmbH, im Falle nicht erfolgter Anzeige eines Vertreters (Rdnr. 27) einseitige Erklärungen gegenüber auch nur einem Beteiligten mit Wirkung für die Gemeinschaft abgeben zu können, erst „nach Ablauf eines Monats seit dem Anfalle der Erbschaft“ in Kraft tritt. Der Zweck dieser Regelung ist eine Schonfrist für die Erben, damit sie über Annahme der Erbschaft und Bestellung eines gemeinsamen Vertreters sich schlüssig werden können (ähnliche Schonfristen in §§ 1958, 2014 ff. BGB). Die Worte „Anfall der Erbschaft“ in § 18 Abs. 3 Satz 2 sind nicht im technischen Sinne der §§ 1942, 1 BGHZ 49, 183; 189, Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 35; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 11. 2 Feine, S. 400; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; a.M. Brodmann, Anm. 4; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5, 10; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; a.M. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 30 (anders noch Zutt, in: Hachenburg, 8. Aufl., Rdnr. 28). 3 So Brodmann, Anm. 4; Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 31; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 10; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Meyer-Landrut, Rdnr. 9; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 26; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; a.M. Feine, S. 400.

H. Winter/Seibt

|

1227

36

§ 18

Mitberechtigung am Geschäftsanteil

1953, 2139 BGB zu verstehen, da § 18 aus dem Jahr 1892 stammt und bei der Anpassung des GmbHG an das BGB unberührt geblieben ist (§ 11 EinfG z. HGB; RGBl. 1897, 444). Gemeint ist der „Erbfall“, d.h. der Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§§ 1922, 1946 BGB)1. Die Ausschlagung der Erbschaft (§§ 1942 ff. BGB) setzt keine neue Frist nach § 18 Abs. 3 Satz 2 in Lauf2. Zurückbeziehung auf den Todestag gilt auch sonst: §§ 1923 Abs. 2, 1953 Abs. 2, 2344 Abs. 2 BGB. Wenngleich die Ausschlagungsfrist sechs Wochen beträgt und von ungewissen Ereignissen (Kenntniserlangung; § 1944) abhängig ist, so können doch einseitige, nicht zivilprozessuale Rechtshandlungen der GmbH schon vor einer Erbschaftsannahme wirksam erfolgen (§§ 1958, 1959 Abs. 3 BGB); freilich kommt der Erbe vor der Annahme mit einer Leistungspflicht nicht in Verzug3. Es genügt, dass die eine Person, der gegenüber die Erklärung der GmbH erfolgt, Miterbe ist, mögen auch die Personen und die Zahl der übrigen noch ungewiss sein. 37

Im Falle der Einsetzung von Nacherben (§§ 2100 ff. BGB) gilt der § 18 Abs. 2 Satz 2 zunächst für die Vorerben. Der Eintritt des Falles der Nacherbfolge (§§ 2100 ff., 2106) gilt i.S. des § 18 Abs. 3 Satz 2 als neuer Erbfall (§ 2139).

38

Vor wie nach Ablauf der Monatsfrist können Erklärungen der GmbH, die gegenüber den Erben wirken sollen, an einen verwaltenden Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter erfolgen.

VI. Gemeinschaftlicher Besitz aller Geschäftsanteile 39

Auch wenn alle GeschAnteile der GmbH derselben Rechtsgemeinschaft gehören, ist auf sie § 18 anzuwenden4. Der Alleinbesitz durch eine Rechtsgemeinschaft kann es erforderlich machen, die GmbH in einzelnen Beziehungen dem Sonderrecht der Einmann-GmbH zu unterstellen (s. bei § 13). Das Innenverhältnis der Mitberechtigten bestimmt sich, wie auch sonst, nach dem jeweiligen Gemeinschaftsrecht (§§ 741 ff., 2038 ff. BGB). Die Auffassung von Wiedemann5, dass auf eine Erbengemeinschaft, die sämtliche GeschAnteile besitzt, an Stelle der erbrechtlichen Organisationsregeln weitgehend die §§ 45 ff. anzuwenden seien, ist mit der gesetzlichen Wertung unvereinbar und führt zu interessewidrigen Ergebnissen6. Dasselbe gilt für die Bruchteilsgemeinschaft (Rdnr. 5) und für die eheliche Gütergemeinschaft (Rdnr. 10). Einschränkungen sind dagegen für eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts dann zu machen, wenn sie von 1 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 37; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Meyer-Landrut, Rdnr. 10; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19; Däubler, S. 20; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 31 f.; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 81; wohl a.M. Brodmann, Anm. 5. 2 Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 37; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 11; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 19. 3 RGZ 79, 203. 4 Eb. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 38; Meyer-Landrut, Rdnr. 11; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18; a.M. Wiedemann, GmbHR 1969, 247, 252 f. betr. Erbengemeinschaft. 5 Wiedemann, GmbHR 1969, 247, 252 f. 6 Zutr. Winter/Löbbe, in: Ulmer, Rdnr. 38; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 18; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 83.

1228

|

H. Winter/Seibt

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

den Gesellschaftern der GmbH zum Zwecke der gemeinschaftlichen Verwaltung aller GeschAnteile gegründet worden ist1. Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag einer solchen Verwaltungsgesellschaft, durch die zwingendes GmbH-Recht (z.B. das Mehrheitserfordernis für Satzungsänderungen gem. § 53 Abs. 2 Satz 1) umgangen wird, sind nichtig.

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage (1) Die Einzahlungen auf die Stammeinlagen sind nach dem Verhältnis der Geldeinlagen zu leisten. (2) Von der Verpflichtung zur Leistung der Einlagen können die Gesellschafter nicht befreit werden. Gegen den Anspruch der Gesellschaft ist die Aufrechnung nicht zulässig. An dem Gegenstand einer Sacheinlage kann wegen Forderungen, welche sich nicht auf den Gegenstand beziehen, kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden. (3) Durch eine Kapitalherabsetzung können die Gesellschafter von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen höchstens in Höhe des Betrags befreit werden, um den das Stammkapital herabgesetzt worden ist. (4) Vereinigen sich innerhalb von drei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister alle Geschäftsanteile in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft, so hat der Gesellschafter innerhalb von drei Monaten seit der Vereinigung der Geschäftsanteile alle Geldeinlagen voll einzuzahlen oder der Gesellschaft für die Zahlung der noch ausstehenden Beträge eine Sicherung zu bestellen oder einen Teil der Geschäftsanteile an einen Dritten zu übertragen. (5) Eine Leistung auf die Stammeinlage, welche nicht in Geld besteht oder welche durch Aufrechnung einer für die Überlassung von Vermögensgegenständen zu gewährenden Vergütung bewirkt wird, befreit den Gesellschafter von seiner Verpflichtung nur, soweit sie in Ausführung einer nach § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen Bestimmung erfolgt. (6) Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein. Text i.d.F. der GmbH-Novelle vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836). Abs. 4 Satz 2 wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Zwölften Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter vom 18. 12. 1991 (BGBl. I, 2206) aufgehoben. Abs. 6 wurde eingefügt durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. 12. 2004 (BGBl. I, 3214).

1 Vgl. den Fall in BGH, LM § 705 BGB Nr. 21.

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

|

1229

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

den Gesellschaftern der GmbH zum Zwecke der gemeinschaftlichen Verwaltung aller GeschAnteile gegründet worden ist1. Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag einer solchen Verwaltungsgesellschaft, durch die zwingendes GmbH-Recht (z.B. das Mehrheitserfordernis für Satzungsänderungen gem. § 53 Abs. 2 Satz 1) umgangen wird, sind nichtig.

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage (1) Die Einzahlungen auf die Stammeinlagen sind nach dem Verhältnis der Geldeinlagen zu leisten. (2) Von der Verpflichtung zur Leistung der Einlagen können die Gesellschafter nicht befreit werden. Gegen den Anspruch der Gesellschaft ist die Aufrechnung nicht zulässig. An dem Gegenstand einer Sacheinlage kann wegen Forderungen, welche sich nicht auf den Gegenstand beziehen, kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden. (3) Durch eine Kapitalherabsetzung können die Gesellschafter von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen höchstens in Höhe des Betrags befreit werden, um den das Stammkapital herabgesetzt worden ist. (4) Vereinigen sich innerhalb von drei Jahren nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister alle Geschäftsanteile in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft, so hat der Gesellschafter innerhalb von drei Monaten seit der Vereinigung der Geschäftsanteile alle Geldeinlagen voll einzuzahlen oder der Gesellschaft für die Zahlung der noch ausstehenden Beträge eine Sicherung zu bestellen oder einen Teil der Geschäftsanteile an einen Dritten zu übertragen. (5) Eine Leistung auf die Stammeinlage, welche nicht in Geld besteht oder welche durch Aufrechnung einer für die Überlassung von Vermögensgegenständen zu gewährenden Vergütung bewirkt wird, befreit den Gesellschafter von seiner Verpflichtung nur, soweit sie in Ausführung einer nach § 5 Abs. 4 Satz 1 getroffenen Bestimmung erfolgt. (6) Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein. Text i.d.F. der GmbH-Novelle vom 4. 7. 1980 (BGBl. I, 836). Abs. 4 Satz 2 wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Zwölften Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter vom 18. 12. 1991 (BGBl. I, 2206) aufgehoben. Abs. 6 wurde eingefügt durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. 12. 2004 (BGBl. I, 3214).

1 Vgl. den Fall in BGH, LM § 705 BGB Nr. 21.

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

|

1229

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

Inhaltsübersicht I. Allgemeines 1. Der Inhalt der Vorschrift . . . .

1

2. Bar- und Sacheinlagen . . . . . .

5

b) Aufrechnung durch Gesellschaft aa) Voraussetzungen zulässiger Aufrechnung . . . . . bb) Rechtsfolgen . . . . . . . c) Verrechnungsvertrag . . . . . d) Vertretung der Gesellschaft . e) Zurückbehaltungsrecht . . .

61 68 69 74 75

V. Kapitalsicherung bei nachträglicher Einmann-GmbH (§ 19 Abs. 4) 1. Regelungsinhalt . . . . . . . . .

79

II. Zahlungspflicht und Fälligkeit 1. Die Pflicht zur Leistung der Resteinlage . . . . . . . . . . . .

7

2. Der Grundsatz der Liquiditätsaufbringung a) Einforderung und Anforderung . . . . . . . . . . . . . . 9 b) Zwingende Einforderung . . . 11 c) Verjährung der Einlageforderung . . . . . . . . . . . . . . 13 III. Verhältnismäßige Einzahlungen auf die Stammeinlagen 1. Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung . . . . . . . . . 15 2. Vertragsfreiheit . . . . . . . . . 20 3. Nur Geldeinlagen . . . . . . . . 21 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . 23 5. Einzelzwangsvollstreckung, Insolvenz und Liquidation . . . 26 IV. Keine Befreiung von der Leistung zur Stammeinlage 1. Der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . 29 2. Der Umfang des Befreiungsverbots und die Möglichkeit befreiender Leistung . . . . . . . . 3. Erlass a) Jedes rechtsgeschäftliche Aufgeben . . . . . . . . . . . b) Keine Finanzierung der Stammeinlage durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . d) Mittelbare verdeckte Finanzierungen durch beherrschte Konzernunternehmen . . . . e) Erlassverbot bei Kapitalherabsetzung (§ 19 Abs. 3) . . . . . 4. Stundung . . . . . . . . . . . . .

30

37 38 41 42 43 44

5. Vergleich . . . . . . . . . . . . . 49 6. Aufrechnung a) Aufrechnung durch Gesellschafter . . . . . . . . . . . . 53

1230

|

2. Voraussetzungen . . . . . . . 3. Pflichten des Gesellschafters . a) Einzahlung der Einlagen . . b) Bestellung einer Sicherheit c) Zeitlicher Spielraum . . . . 4. Rechtsfolgen der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . .

. . . . .

81 84 85 86 87

.

88

VI. Die Sicherung der Vorschriften über Sacheinlagen (§ 19 Abs. 5) 1. Regelungszweck und Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . 2. Keine Leistung an Erfüllungs statt a) Sicherung der Verpflichtung zur Bareinlage . . . . . . . . b) Unbare Zahlung . . . . . . . c) Gewährleistungshaftung des Kreditinstituts und Aufrechnungsverbot . . . . . . . . . 3. Zahlung an Dritte a) Schuldrechtliche Verwendungsverpflichtungen . . . . b) Zahlung an Dritte . . . . . . c) Rechtslage im Konzern . . . 4. Beiderseitiges Aufrechnungsverbot a) Regelungszweck und Regelungsinhalt . . . . . . . . . . b) Aufrechnungsverbot für Neuforderungen aa) Überlassung von Vermögensgegenständen . . . . bb) Subjektive Merkmale? . . cc) Zeitpunkt . . . . . . . . . dd) Praktische Hauptfalle . . ee) Ausnahme für Umsatzgeschäfte? . . . . . . . . .

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

90

92 96 100

102 103 105

106

108 110 112 116 117

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

c) Aufrechnungsverbot mit Altforderungen . . . . . . . 119 d) Ausnahmen von dem beiderseitigen Aufrechnungsverbot . . . . . . . . . . . . 121 5. Verdeckte Sacheinlagen . . . . 124 6. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . 125 7. Erwerber eines Geschäftsanteils 128

VII. Abtretung, Verpfändung und Pfändung der Einlageforderung 1. Zulässigkeit . . . . . . . . . . 129 2. Vollwertige Gegenleistungen . 132 3. Fälligkeit . . . . . . . . . . . . 136 4. Einreden, Aufrechnung, Erlass, Kaduzierung . . . . . . . . . . 137

Schrifttum: Allerkamp, Verrechnungsbefugnis der Kreditinstitute bei Stammeinlagezahlung auf debitorisches Konto der Gesellschaft, WM 1988, 521; Ballerstedt, Kapital, Gewinn und Ausschüttung bei Kapitalgesellschaften, 1949; Bayer, Unwirksame Leistungen auf die Stammeinlage und nachträgliche Erfüllung, GmbHR 2004, 445; Bayer, Abtretung und Pfändung der GmbH-Stammeinlageforderung, ZIP 1989, 8; Beise, Die Einlageforderung vor, in und nach dem Konkurs der GmbH, GmbHR 1978, 101; Benecke/Geldsetzer, Wann verjähren Einlageforderungen von Kapitalgesellschaften?, NZG 2006, 7; Berger, Das „Vollwertigkeitsprinzip“ als Voraussetzung der Pfändung von Einlageforderungen bei Kapitalgesellschaften, ZZP 107 (1994), 29; Bergmann, Die verschleierte Sacheinlage bei AG und GmbH, AG 1987, 57; Buscher/ Klusmann, Die Nutzungsüberlassung durch Gesellschafter an die GmbH, ZIP 1991, 10; Butzke, Die Bedeutung anderweitiger Auffüllung des Stammkapitals für Einlageoder Erstattungsansprüche der GmbH gegen ihre Gesellschafter, ZHR 154 (1990), 357; Crezelius, Zivilrechtliche Aspekte des Schütt-aus-hol-zurück-Verfahrens, ZIP 1991, 499; Döllerer, Überhöhter Gewinnanteil der GmbH in einer GmbH & Co. KG als verdeckte Einlage, DStR 1991, 1033; Dreßel, Kapitalaufbringung und -erhaltung in der GmbH, 1988; Finken, Die verdeckte Sacheinlage im Kapitalgesellschaftsrecht, DStR 1992, 359; Fleck, Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung und Insolvenzprobleme in der GmbH, 1982; Fleck, Neuere Entwicklungen im GmbH-Recht, GmbHR 1993, 550; Goette, Kapitalaufbringung und Kapitalschutz in der GmbH, 2004; Groß, Die Lehre von der verdeckten Sacheinlage, AG 1991, 217; Henze, Zur Problematik der „verdeckten (verschleierten) Sacheinlage“ im Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 154 (1990), 105; Hommelhoff/Kleindiek, Schuldrechtliche Verwendungspflichten und „freie Verfügung“ bei der Barkapitalerhöhung, ZIP 1987, 477; Ihrig, Die endgültig freie Verfügung über die Einlage von Kapitalgesellschaften, 1991; John, Die Gründung der Einmann-GmbH, 1986; Kutzer, Die Tilgung der Bareinlageschuld durch den GmbH-Gesellschafter, GmbHR 1987, 297; Langenfeld, Verschleierte Sacheinlage bei der GmbH, GmbHR 1981, 53; Lempenau, Begründet die Verpflichtung zur Rückzahlung einer verdeckten Gewinnausschüttung eine Einlage?, BB 1991, 1095; Lutter, Kapital, Sicherung der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in den Aktien- und GmbH-Rechten der EWG, 1964; Lutter, Verdeckte Leistungen und Kapitalschutz, in: FS Stiefel, 1987, S. 505; Lutter/Gehling, Verdeckte Sacheinlagen, WM 1989, 1445; Mansel/Budzikiewicz, Verjährungsanpassungsgesetz: Neue Verjährungsfristen, insbesondere für die Anwaltshaftung und im Gesellschaftsrecht, NJW 2005, 321; Mayer, Ein Beitrag zur „Entschleierung“ der verschleierten Sacheinlage im Recht der GmbH, NJW 1990, 2593; Mülbert, Das „Magische Dreieck der Barkapitalaufbringung“, ZHR 154 (1990), 145; K. Müller, Zur Abtretung der Einlageforderung der GmbH, GmbHR 1970, 57; W. Müller, Die Verwendung von Gesellschafterforderungen zur Erfüllung von Einlagenverpflichtungen bei Gründung und von Übernahmeverpflichtungen bei Erhöhung des Stammkapitals, WPg 1968, 173; Niemann, Zu dem Aufrechnungsverbot nach § 19 Abs. 5 GmbHG und zu dem Problem der verdeckten Sacheinlage, DB 1988, 1531; Preuß, Grundsätze der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung in der GmbH, JuS 1999, 342; Priester, Die Verwendung von Gesellschafterforderungen zur Kapitalerhöhung bei der GmbH, DB 1976, 1801; Priester, Stammeinlagezahlungen auf debitorisches Bankkonto der GmbH, DB 1987, 1743; Priester, Die Erhöhung des Stammkapitals mit kapitalersetzenden GesellschafterUwe H. Schneider/H. P. Westermann

|

1231

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

darlehen, in: FS Döllerer, 1988, S. 475; Priester, Voreinzahlung auf Stammeinlagen bei sanierender Kapitalerhöhung, in: FS Fleck, 1988, S. 231; Priester, Verdeckte Sacheinlagen: Tatbestand, Rechtsfolgen, Heilungsmöglichkeiten, DStR 1990, 770; Priester, Kapitalaufbringung bei korrespondierenden Zahlungsvorgängen, ZIP 1991, 345; Reuter, Probleme der Vollwertigkeit von Gesellschafterforderungen im Zusammenhang mit deren Verwendung zur Kapitalerhöhung bei der GmbH, BB 1978, 1195; Roth, „Schütt aus – hol zurück“ als verdeckte Sacheinlage, NJW 1991, 1913; Schick, Probleme der Einstellung der Einlageforderung einer GmbH in ein Kontokorrent im Hinblick auf das Gebot der Leistung zur freien Verfügbarkeit, GmbHR 1997, 1048; Karsten Schmidt, Barkapitalaufbringung und „freie Verfügung“ bei der Aktiengesellschaft und der GmbH, AG 1986, 106; Karsten Schmidt, Die Übertragung, Pfändung und Verwertung von Einlageforderungen, ZHR 157 (1993), 291; Uwe H. Schneider, Kredite der GmbH an ihre Geschäftsführer, GmbHR 1982, 197; Uwe H. Schneider, Die Gründung von faktischen GmbH-Konzernen – Zuständigkeiten und Finanzierung –, in: Hommelhoff/Semler/Doralt/Roth (Hrsg.), Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, 1986, S. 121; Schön, Aufrechnung und Kapitalaufbringung im Recht der GmbH, Diss. Hamburg, 1988; Skibbe, Dienstleistungen als Sacheinlage bei der GmbH, GmbHR 1980, 73; Volmer, Die Pfändbarkeit der Stammeinlageforderung eines GmbH-Gesellschafters, GmbHR 1998, 579; H. P. Westermann, Kapitalersetzende Darlehen eines GmbH-Gesellschafters als Gegenstand von Verrechnungsabreden, in: FS Oppenhoff, 1985, S. 534; Wiedemann, Die Erfüllung der Geldeinlagepflicht bei Kapitalerhöhungen im Aktienrecht, ZIP 1991, 1257; Wilhelm, Kapitalaufbringung und Handlungsfreiheit der Gesellschaft nach Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 152 (1988), 333; Wimmer, Gefahren bei der Einzahlung von Leistungen auf Stammeinlagen bei der GmbH, GmbHR 1997, 827. S. auch die Schrifttumsverzeichnisse zu § 5 vor Rdnr. 36 und 76.

I. Allgemeines 1. Der Inhalt der Vorschrift 1

§ 19 leitet die §§ 19–25 ein, die von der Einzahlung auf die Stammeinlagen handeln (Grundsatz der realen Kapitalaufbringung)1. Die Vorschrift ist zugleich im Zusammenhang mit § 7 Abs. 2 und 3, § 8 Abs. 2, § 9a, § 9b, § 46 Nr. 2 und §§ 55–57 zu lesen und bringt zusammen mit diesen Bestimmungen das im Gesetz nicht ausdrücklich niedergelegte Prinzip zum Ausdruck und zeigt auch, dass die Einlagenleistung eine rechtsgeschäftliche Pflicht der Gesellschafter ist2. Es geht einerseits um die Zahlung vor der Entstehung der GmbH. Zu leisten sind mindestens 25% der Bareinlagen, § 7 Abs. 2, und alle Sacheinlagen, § 7 Abs. 3. Es geht andererseits um die Zahlung der Resteinlagen nach der Entstehung der Gesellschaft.

2

Abs. 1 bezieht sich nur auf das Innenverhältnis. Geregelt wird, dass auch für die Einforderung der Geldeinlagen der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Gesellschafter gilt. Die Vorschrift ist dispositiv3. 1 Überblick über die höchstrichterliche Rechtsprechung bei Henze, Handbuch zum GmbH-Recht, Rdnr. 256 ff. und bei Goette, Kapitalaufbringung und Kapitalschutz in der GmbH, 2004. 2 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; Ulmer, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 1. 3 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 5.

1232

|

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

Die Absätze 2–5 dienen dagegen dem Gläubigerschutz. Zusammen mit § 30 werden sie als „das Kernstück des GmbH-Rechts“ bezeichnet, das keine Aushöhlung vertrage1. Insoweit ist § 19 grundsätzlich zwingend. Die Rechtsprechung neigt mit Recht dazu, die Vorschrift eng auszulegen2. Der erstrebte Gläubigerschutz gebietet es auch, strenge Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast zu stellen, wenn die Aufbringung des Stammkapitals streitig ist, zur Beweislast s. Rdnr. 8.

3

§ 19 Abs. 2 verbietet, die Gesellschafter von der Einlage zu befreien (Erlassverbot), er verbietet die Aufrechnung (Aufrechnungsverbot) und die Zurückbehaltung von Sacheinlagen (Zurückbehaltungsverbot). § 19 Abs. 3 schränkt das Erlassverbot für den Fall der Kapitalherabsetzung ein. § 19 Abs. 4 handelt von der Kapitalsicherung bei der nachträglichen Entstehung einer EinmannGmbH. Die in § 19 Abs. 4 Satz 2 vormals enthaltene Anzeigepflicht wurde durch das Gesetz zur Durchführung der 12. gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie vom 18. 12. 19913 aufgehoben. § 19 Abs. 5 will nicht nur die Umgehung der Sachgründungsvorschriften verhindern, sondern erstreckt die Sicherung der Kapitalaufbringung bis zum Zeitpunkt der letzten Einzahlung. § 19 Abs. 6 ist zur Klärung der schon immer streitigen Frage um die Verjährung des Einlagenanspruchs und zur Anpassung an die neuen Verjährungsregeln des BGB nach der Schuldrechtsmodernisierung geschaffen worden (näher zum Inhalt Rdnr. 13, 14).

4

2. Bar- und Sacheinlagen § 19 Abs. 1 handelt nur von den Bareinlagen, was praktisch vor allem bedeutet, dass die Schuldner einer Sacheinlage, die gem. § 7 Abs. 3 vor Anmeldung der GmbH ihre Leistung voll zu erbringen haben, wegen eines Ausbleibens der entsprechenden Volleinzahlung durch die Geldeinleger kein Leistungsverweigerungsrecht haben, es sei denn, die Satzung schreibt auch für diese Einleger Volleinzahlung vor der Anmeldung vor4, s. aber auch Rdnr. 21. Auch außerhalb der Anwendung des § 19 Abs. 1 kann allerdings aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung im Einzelfall folgen, dass zwar die Schuldner einer Geldeinlage nicht wie die Sacheinleger bis zur Anmeldung voll geleistet haben müssen, bei erheblich späterer Einforderung und Zahlung aber gegenüber dem Sacheinleger Abstriche bei der Gewinnverteilung hinnehmen müssen5. Im Übrigen beziehen sich Abs. 2 bis Abs. 5 des § 19 auf die Bar- als auch auf die Sacheinlagen, unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Eintragung im Handelsregister geleistet werden und ob sie auf dem Gründungsvertrag oder einer Kapitalerhöhung be1 BGHZ 28, 77, 78; s. zuletzt auch BGHZ 105, 302. 2 BGHZ 15, 57; 113, 335, 340 f.; OLG Köln, WM 1984, 740, 742; OLG Hamm, GmbHR 1985, 326; ebenso Lutter/Bayer, in Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 1; R. Fischer, in: Pro GmbH, 1980, S. 137 ff. 3 BGBl. I, 2206. 4 Ulmer, Rdnr. 25; zur Unanwendbarkeit des § 19 Abs. 1 auf Sacheinlagen RGZ 149, 293, 301; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5. 5 Ulmer, Rdnr. 26

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

|

1233

5

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

ruhen. Abs. 2 bis Abs. 5 sind auch anwendbar für Ansprüche auf Grund der Differenzhaftung nach § 9 und nach § 11 sowie für Ansprüche aufgrund einer Ausfall- oder Rechtsvorgängerhaftung1 (s. weiter bei Rdnr. 30 ff.). Bei den Ansprüchen gegen einen Sacheinleger, die sich aus den Gesichtspunkten von Unmöglichkeit oder Mangelhaftigkeit seiner Erfüllungsleistung ergeben (§ 5 Rdnr. 62 ff.) und die hauptsächlich in einem Aufleben der Geldeinlagepflicht bestehen, liegt es nahe, auch den mittelbar aus § 19 Abs. 1 im Vergleich zu § 7 Abs. 3 abzuleitenden Grundsatz der Volleinzahlung vor Anmeldung anzuwenden, so dass der Sacheinleger – soweit die Störung vor Anmeldung ersichtlich wird – auch hier vorzuleisten hat2. 6

Ob § 19 auch für die Nebenleistung nach § 3 Abs. 2, für Verzugszinsen nach § 20 und für ein festgesetztes Agio (Aufgeld) gilt, ist streitig (s. dazu bei § 3 bzw. bei § 20 sowie bei Rdnr. 31, dort auch zur Verjährung derartiger Ansprüche).

II. Zahlungspflicht und Fälligkeit 1. Die Pflicht zur Leistung der Resteinlage 7

§ 19 sichert die Erfüllung von rechtsgeschäftlich begründeten Pflichten der Gesellschafter zur Leistung ihrer Einlage. Vor der Eintragung der GmbH sind nach § 7 Abs. 2 auf jede Stammeinlage, soweit nicht Sacheinlagen vereinbart sind, ein Viertel einzuzahlen. Sacheinlagen sind bereits voll zu erbringen, § 7 Abs. 3. § 19 handelt daher zum einen von den Pflichten zur Zahlung der „Resteinlage“ nach der Eintragung. § 19 ist zum anderen aber auch schon in der Vorgesellschaft anwendbar, soweit die Gesellschafter- und die Gläubigerinteressen dies verlangen (s. auch Rdnr. 34 f.). Für § 19 Abs. 5 folgt dies schon aus dem Regelungsgegenstand. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und damit § 19 Abs. 1 gilt als allgemeiner Grundsatz auch in der Vorgesellschaft.

8

Im Zuge der strikten Durchführung des Grundsatzes der Kapitalaufbringung sind auch die Anforderungen an den Beweis der vom Inferenten erbrachten Leistung streng. Grundsätzlich hat diesen Beweis der Gesellschafter zu erbringen3, auch dann, wenn zwischen der Gründung der Gesellschaft und dem Zeitpunkt der angeblichen Erbringung der Einlage geraume Zeit verstrichen ist4. Notfalls kann ein Anscheinsbeweis helfen, der auch in einer vom Geschäftsführer nach § 8 Abs. 2 abgegebenen Versicherung liegen kann5. Das gilt auch, wenn streitig ist, ob eine bestimmte Leistung des Gesellschafters als Darlehen 1 RGZ 98, 277; 123, 9; ebenso für Ansprüche aus Differenzhaftung Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 22; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Ulmer, Rdnr. 22; anders dort für Ansprüche aus § 9, soweit die Anwendung des Abs. 1 in Rede steht. 2 Ulmer, Rdnr. 22. 3 OLG Hamm , GmbHR 1984, 317; OLG Köln, ZIP 1998, 176. 4 OLG Frankfurt, NZG 2005, 898 = NJW-RR 2005, 1627; OLG Koblenz, NZG 2002, 821 f.; KG, GmbHR 1991, 64 f.; KG, NZG 2005, 40; anders aber OLG Frankfurt, NJWRR 2001, 402 f.; Vossen, DStR 2004, 1299, 1303; Ulmer, Rdnr. 12. 5 Dazu KG, NZG 2005, 46; Ulmer, Rdnr. 12; zur „sekundären Behauptungslast“ auch BGH, DStR 2004, 2112.

1234

|

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

oder als Einlage erbracht ist1. Die nicht selten erhebliche Verzögerung einer Geldeinlage führt auch zu Problemen um die Verjährung der Einlageforderung2, (dazu Rdnr. 13, 14).

2. Der Grundsatz der Liquiditätsaufbringung a) Einforderung und Anforderung Die Pflicht zur Zahlung der Resteinlage wird mit dem Zeitpunkt fällig, der in der Satzung angegeben ist (fester Zahlungstermin)3. Mit der Fälligkeit entsteht die Pflicht zur Verzinsung, § 20. Eines besonderen Einforderungsbeschlusses durch die Gesellschafter und/oder einer Anforderung durch die Geschäftsführer bedarf es nicht4. Das gilt namentlich für die Einzahlung vor der Eintragung, die der Geschäftsführer ohne Gesellschafterbeschluss einfordern muss (s. auch § 20 Rdnr. 8).

9

Fehlt für die Resteinlage in der Satzung ein fester Zahlungstermin (offener Zahlungstermin), so wird der Anspruch nicht automatisch mit der Eintragung der Gesellschaft fällig. In der Regel ist vielmehr erstens die Einforderung durch einen besonderen Gesellschafterbeschluss, § 46 Nr. 2, Voraussetzung. Der betroffene Gesellschafter unterliegt dabei keinem Stimmverbot5. Fehlt es an einem Gesellschafterbeschluss, so können die Geschäftsführer nicht wirksam einfordern6. Der Gesellschafterbeschluss bestimmt den Leistungsort, die Höhe und die Zeit, in der die Einlagepflicht zu erfüllen ist (s. bei § 46). Der Gesellschafterbeschluss führt aber nach herrschender Meinung noch nicht zur Fälligkeit. Voraussetzung hierfür ist vielmehr zweitens die Anforderung, also die Mitteilung des Gesellschafterbeschlusses durch den Geschäftsführer an den Gesellschafter7. Die Mitteilung des Gesellschafterbeschlusses durch den Geschäftsführer erübrigt sich jedoch, wenn der verpflichtete Gesellschafter bei der Beschlussfassung anwesend war8. Dann tritt die Fälligkeit mit der Feststellung des Beschlussergebnisses ein. War der Gesellschafter nicht anwesend, so wird die Einzahlungspflicht erst fällig, wenn dem Gesellschafter der Gesellschafterbeschluss durch den Geschäftsführer ordnungsgemäß mitgeteilt wird9. Dem sollte die Mitteilung durch den Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung gleichstehen.

10

1 2 3 4

5 6 7 8 9

OLG Stuttgart, NJW 1987, 1032. So auch Goette, DStR 2004, 2113. RGZ 65, 432; 76, 438; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 6. BGH, ZIP 1991, 724, 726, dazu Kurzkomm. v. Gerkan, EWiR 1991, 679; OLG Zweibrücken, GmbHR 1996, 122; OLG Brandenburg, NZG 2001, 366; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 20 Rdnr. 4; Welf Müller, in: Ulmer, § 20 Rdnr. 35. BGH, NJW 1991, 172 mit Anm. van Look, NJW 1991, 152. BGH, BB 1961, 953; OLG München, GmbHR 1985, 56. Zur Fälligkeit bei Pfändung und in der Insolvenz s. Rdnr. 26 ff. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8. Die Zahlungsaufforderung steht einer Klage gleich, OLG Dresden, GmbHR 1998, 886. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 46 Rdnr. 15; OLG Dresden, GmbHR 1999, 233. OLG München, GmbHR 1985, 56.

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

|

1235

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

b) Zwingende Einforderung 11

Zu welchem Zeitpunkt die Gesellschafter den Einforderungsbeschluss fassen und damit die Fälligkeit herbeiführen, liegt im unternehmerischen Ermessen der Gesellschafter1. Unterlassen die Gesellschafter einen entsprechenden Beschluss, so soll darin keine verbotene Stundung liegen2 (s. Rdnr. 44, 46). Dies kann jedoch nicht ohne Ausnahme gelten. Das hätte nämlich zunächst zur Folge, dass die Mitgesellschafter und die Gläubiger das Risiko tragen, dass der verpflichtete Gesellschafter in dieser Zeit vermögenslos oder zahlungsunfähig wird, also nicht mehr in der Lage ist, die Resteinlage zu erbringen. Dagegen bestehen im Regelfall zwar keine Bedenken. Auch können für die einzelnen Gesellschafter unterschiedliche Zahlungstermine vereinbart werden (s. Rdnr. 20). Wenn es aber heißt, dass auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, etwa bei dringendem Kapitalbedarf, keine von der Satzungsregelung abweichende vorzeitige Fälligkeit eintritt3, weil sonst ein einfacher Gesellschafterbeschluss eine Abweichung von der Satzung erreichen würde, so zwänge dies die Gesellschafter zu einer Satzungsänderung und notfalls sogar zu einer Klage gegen den einer Vorverlegung der Fälligkeit widersprechenden Gesellschafter mit dem Ziel einer Zustimmung zu einer Satzungsänderung4; daher liegt es nahe, in solchen dringenden Fällen dem Gesellschafter die Berufung auf die die Fälligkeit hinausschiebende Satzungsbestimmung zu versagen. Ein Gesellschafterbeschluss ist aber allemal erforderlich.

12

Werden die Einlagen nicht innerhalb des gegebenen Zeitraums eingefordert, so sind die ausstehenden Beträge durch den verpflichteten Gesellschafter nach Marktsätzen zu verzinsen; zur Verzinsung eingefordeter Einlagen § 20. Zur Fälligkeit bei Abtretung, Verpfändung und Pfändung s. Rdnr. 136. c) Verjährung der Einlageforderung

13

Die jetzt in § 19 Abs. 6 enthaltene Lösung des Verjährungsproblems, die im Wesentlichen in § 31 Abs. 5 wiederkehrt (s. dort Rdnr. 33 ff.), hat eine wechselvolle Vorgeschichte. Da der Einlageanspruch häufig nicht mit der Gründung der Gesellschaft geltend gemacht wird, sondern als eine Art Garantie für die Gläubiger empfunden wird, die erst bei besonderer Notwendigkeit realisiert werden soll, kann es vorkommen, dass bei offenem Zahlungstermin (Rdnr. 10) zwischen der Gründung und einer Einforderung der Einlage lange Zeit vergeht. Da auf der anderen Seite die Gesellschaft nur selten ohne die Einlagen der Gesellschafter ihre Geschäfte aufnehmen kann, stellt sich das Verjährungsproblem häufig bei einverständlich zurückgestellten Teilen der Einlageschuld, auch in 1 BFHE 93, 414: daher unterlassene Einforderung auch keine verdeckte Gewinnausschüttung. 2 Ulmer, Rdnr. 59; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 18; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 15; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 11 f.; zweifelnd Roth, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 23. 3 Ulmer, Rdnr. 59; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 10; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8. 4 So in der Tat Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 10.

1236

|

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

der Weise, dass sich später herausstellt, dass die Solidarschuld der Mitgesellschafter (§ 24) geltend gemacht werden muss. Dies und Fälle der Rechtsnachfolge zeigen auch, dass es vorkommen kann, dass sich ein Einlageschuldner nicht zu jedem Zeitpunkt nach der Gründung der Gesellschaft der noch bestehenden Einlageschuld bewusst ist, so dass er sich auf Verjährung berufen möchte, auch wenn die Frist dafür erst mit Fälligkeit begonnen haben kann. Dies liegt bei der Geltendmachung der Ansprüche aus Kapitalerhaltung (§ 31 Rdnr. 33) auch im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen gut- und bösgläubigen Empfängern (§ 31 Rdnr. 36, 37) anders. Vor der Schaffung des § 19 Abs. 6 fehlte eine gesetzliche Regelung, so dass nach h.M. die dreißigjährige Regelverjährung des BGB (§§ 195, 189 a.F.) anzuwenden war1. Die außerordentliche Länge dieser Frist und andererseits der Umstand, dass die Schuldner sich eigentlich niemals darauf verlassen können, nicht mehr zahlen zu müssen, führte aber auch zu anderen Lösungsvorschlägen2. Eine kurze Verjährung beeinträchtigt den Gläubigerschutz, da die Gläubiger vom Ausstehen fälliger Einlagen i.d.R. erst in Krise oder Insolvenz der Gesellschaft erfahren. Deshalb erschien die mit dem 1. 1. 2002 aufgrund der Schuldrechtsmodernisierung auch diese Ansprüche ergreifende dreijährige Regelverjährung zu kurz, dies auch deshalb, weil nach BGB die Verjährung nicht nur Entstehung des Anspruchs, sondern Kenntnis des Gläubigers (unter Einschluss der ultimo-Regelung des § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB) hiervon voraussetzt3. Da aber eine gesetzliche Lösung fehlte und Art. 229 § 5 Abs. 5 Abs. 1 Satz EGBGB das neue Recht auf ab dem 1. 1. 2002 entstehende Ansprüche anwendbar machte, und für bereits entstandene Ansprüche die neue – kürzere – Frist ab dem 1. 1. 2002 berechnet werden sollte4, wenn nicht – die längere – „alte“ Verjährungsfrist früher endete, konnte es geschehen, dass eine Verjährung von Ansprüchen eintrat, obwohl die Gesellschaft (und ihre Gläubiger) hiermit nicht gerechnet hatten. Das ergab auch einen Wertungswiderspruch zu der fünfjährigen Verjährung der Ansprüche aus Differenzhaftung (§ 9 Abs. 2) und der Haftung wegen Einlagenrückgewähr (§ 31 Abs. 5 Satz 2)5. Deshalb reagierte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an die Schuldrechtsmodernisierung vom 9. 12. 2004, in Kraft getreten am 15. 12. 20046, dahin, dass nach § 19 Abs. 6 der Einlageanspruch in 10 Jahren nach seiner Entstehung und im Fall der Insolvenz, wenn nicht zu diesem Zeitpunkt schon Verjährung eingetreten war, nicht vor Ablauf von 6 Monaten seit der Eröffnung verjährt (Ablaufhemmung)7. Das 1 BGH, NZG 2000, 1226, 1228; Altmeppen, DB 2002, 514 ff.; Schockenhoff/Fiege, ZIP 2002, 917 ff.; Pentz, GmbHR 2004, 225 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12. 2 Gegen jede Verjährbarkeit Sernetz, ZIP 1991, 173, 176; gegen eine entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 2 (Frist von fünf Jahren) BGHZ 118, 83, 101; 105, 300, 304. 3 Zur Kritik Sontheimer, DStR 2005, 834; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27; s. auch Mansel/Budzikiewicz, NJW 2005, 321, 327. 4 Dies war übrigens im damaligen Schrifttum nicht unstreitig. 5 Dazu Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 13. 6 BGBl. I, 3214. 7 Zur Entstehung der Norm im Einzelnen Thiessen, ZHR 168 (2004), 503, 515; Benecke/ Geldsetzer, NZG 2006, 7, 8 ff.

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

|

1237

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

ist mit der bürgerlich-rechtlichen Maximalverjährung gem. § 195 Abs. 4 BGB sowie mit anderen Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts (§ 55 Abs. 4 GmbHG, § 54 Abs. 4 AktG) vereinbar. Die Übergangsregel des Art. 229 § 12 Abs. 2 Satz 2 EGBGB besagt jetzt, dass die Frist gem. dem neuen § 19 Abs. 6 auch für bestehende Ansprüche gilt, allerdings mit der Maßgabe, dass der Zeitraum, der für einen solchen Anspruch vor dem 15. 12. 2004 abgelaufen ist, in die Verjährungsfrist eingerechnet wird, also die verlängerte Frist nicht zu dem bereits verstrichenen Zeitraum hinzutreten soll1. Dies kann allerdings dazu führen, dass eine bei Inkrafttreten des neuen Rechts bereits seit 10 Jahren fällige Einlageforderung plötzlich verjährt ist. Das wäre noch misslicher, wenn – dem Wortlaut des § 19 Abs. 6 gemäß – Verjährungsbeginn die Entstehung des Anspruchs wäre, also etwa die Gründung der Gesellschaft; die h.M. legt die Regelung aber so aus, dass es auf die Fälligkeit (kraft Satzung oder Gesellschafterbeschluss) ankommt2. Das ist sinnvoll, weil eine Geltendmachung durch Gläubiger bei offenem Zahlungstermin nicht ohne die die Fälligkeit herbeiführende Beschlussfassung möglich ist. Die Ablaufhemmung bei Insolvenz gibt dem Insolvenzverwalter die praktische Möglichkeit einer Prüfung der Rechtslage und gegebenenfalls zu einem die Verjährung unterbrechenden Vorgehen. 14

Die Übergangsregelung würde die Möglichkeit einer rückwirkenden Verkürzung der dreißigjährigen Verjährung auf nunmehr zehn Jahre nicht nach sich ziehen, wenn sie sich lediglich auf die Fälle bezöge, die eine mögliche Verjährung nach den durch die Schuldrechtsmodernisierung anwendbaren „neuen“ BGB-Vorschriften betrafen3. Ganz sicher ist das aber nicht. So wird vertreten, das Gesetz habe die Unklarheiten bezüglich der Zeit zwischen dem Inkrafttreten der „neuen“ BGB-Regeln und dem des neuen § 19 Abs. 6 klären wollen und die neue Rechnung gelte auch in „Altfällen“. Dann läuft eine am 15. 12. 2004 noch nicht abgelaufene Verjährung nunmehr nach neuem Recht weiter, endet also am 14. 12. 2014, was aber eine am 15. 12. 2004 bereits abgelaufene Verjährung nicht erfassen soll4. Des Weiteren ist entschieden worden, bei einem Auslaufen der 30-jährigen Verjährungsfrist vor der mit dem 1. 1. 2002 in Lauf gesetzten 10-Jahresfrist sei die Rückrechnung auf den 1. 1. 2002 zu beginnen, was zur Folge hat, dass die Einlageansprüche erst am 31. 12. 2011 verjähren5. Eine Beschränkung der Geltung der Übergangsregelung auf den Zeitraum seit dem 1. 1. 2002 ist allerdings dem Gesetzestext nicht zu entnehmen, weshalb auch angenommen wird, das neue Recht habe – ähnlich wie die Übergangsregelung der Schuldrechtsmodernisierung – alle vor seinem Inkrafttreten lau1 Begr. RegE, BT-Drucks. 15/3653, S. 16. 2 Thiessen, ZHR 168 (2004), 503, 519 f.; Ulmer, Rdnr. 14; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 12; s. auch die Begr. RegE, BT-Drucks. 15/3653, S. 20; auf Entstehung abstellend Undritz/Nissen, Kurzkomm. zu OLG Düsseldorf, BB 2006, 741, EWiR § 19 GmbHG 2/06. 3 So Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 12 im Anschluss an Thiessen, NJW 2005, 2120. 4 In diesem Sinne Mansel/Budzikiewicz, NJW 2005, 329; dem folgend Ulmer, Rdnr. 15; ähnlich Wagner, ZIP 2005, 558, 564. 5 OLG Düsseldorf, BB 2006, 741; AG Hildesheim, ZInsO 2006, 334; zust. Undritz/Nissen, Kurzkomm. EWiR § 19 GmbHG 2/06; ähnlich Thiessen, NJW 2005, 2112.

1238

|

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

fenden Verjährungen erfassen wollen, diese also jetzt der zehnjährigen Verjährung unterwerfen wollen, auch soweit es sich um Ansprüche aus der Zeit vor der Schuldrechtsmodernisierung handelt. Das mache dann allerdings eine verfassungskonforme Einschränkung nötig, mit der Folge, dass für alle „Altfälle“ die 10-Jahresfrist mit der Maßgabe gilt, dass vor dem 31. 12. 2004 keine Verjährung eintritt, auf welchen Termin („ultimo“) sich alle Gläubiger einstellen mussten1. Eine Verallgemeinerung der 10-Jahresfrist, die durchweg für angemessen gehalten wird, wäre praktikabel, ein Gläubigerschutz dahin, auch nach längeren Zeiträumen noch zugreifen zu können, erscheint angesichts der Beweisschwierigkeiten ohnehin nicht sinnvoll2. Dennoch ist die auch für § 31 Abs. 6 geltende Voraussage3 realistisch, dass die Regelung der Praxis noch erhebliche Probleme bereiten wird4.

III. Verhältnismäßige Einzahlungen auf die Stammeinlagen 1. Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung § 19 Abs. 1 regelt im Innenverhältnis der Gesellschaft zu den Gesellschaftern den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Gesellschafter bei der Einforderung der Geldeinlage durch die Gesellschaft5. Der Grundsatz gilt nicht nur für die nach der Entstehung der GmbH zu leistenden Bareinzahlungen, sondern auch für die erforderlichen Leistungen auf die Mindesteinzahlung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 vor der Eintragung. Ohne Bedeutung ist es auch, ob die Einlagepflicht durch den Gründungsvertrag oder durch eine Kapitalerhöhung begründet wurde. Im Fall der Kapitalerhöhung werden neue Geschäftsanteile geschaffen (§ 55). Auf diese bezieht sich § 19 ebenfalls6. Dass auf die neuen Bareinlagen mindestens ein Viertel sogleich zu zahlen ist und die Sacheinlagen vollständig vor der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister zu bewirken sind, folgt aus § 56a und § 57 Abs. 2. Da § 19 Abs. 1 eine besondere Ausformung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung enthält, gilt das Entsprechende für alle den Gesellschaftern gleichmäßig auferlegten Leistungspflichten wie etwa für Aufgelder, für solche, die an Stelle einer unwirksamen oder unerfüllbaren Sacheinlage7 oder in Ergänzung einer überbewerteten Sacheinlage (§ 9)

1 So Benecke/Geldsetzer, NZG 2006, 7, 8 ff. mit ausführlicher Begründung. Eine rückwirkend am 1. 1. 2002 beginnende und am 31. 12. 2001 ablaufende 10-Jahresfrist befürwortet aus denselben Gründen der Verfassungskonformität Wagner, ZIP 2005, 560 f. 2 So auch Benecke/Geldsetzer, NZG 2006, 7, 10. 3 Ulmer, Rdnr. 15. 4 Lösungen des Inhalts (Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 27), dass ein Anspruch nach dem Stichtag überhaupt keiner Verjährung mehr unterliegt, sind gegenüber einer zehnjährigen Verjährung mit der Ablaufhemmung im Insolvenzfall nicht (mehr) angebracht. 5 RGZ 65, 432, 434; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 5; Ulmer, Rdnr. 17; s. auch Begr. RegE 1977, BT-Drucks. 8/1347, S. 38. 6 RGZ 62, 426; RG, JW 1938, 1400; Ulmer, Rdnr. 20; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 3. 7 S. dazu BGHZ 45, 345.

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

|

1239

15

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

bestehen, sowie ferner für die Zahlungspflicht auf Grund der Differenzhaftung (§ 11) und auf Grund der Ausfallhaftung (§ 24)1. Das Gleichbehandlungsprinzip gilt grundsätzlich auch für Nebenleistungspflichten wie das – besonders bei Kapitalerhöhungen – nicht selten neben der Einlage vereinbarte Agio, bei dem allerdings häufig spezielle Vereinbarungen – auch bezüglich des Verhältnisses zu den anderen Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft – bestehen werden. Demgegenüber passen die Regeln über die Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft, die auf einer Abstimmung der Interessen einerseits der Gläubiger und andererseits des Vertrauens der Gesellschafter auf den Zeitablauf seit der Fälligkeit des Anspruchs beruhen, auf Nebenleistungspflichten wie die zur (zusätzlichen) Finanzierung der Gesellschaft durch die Leistung eines Agio nicht, so dass insoweit die BGB-Regeln über die Verjährung eingreifen. 16

Der Grundsatz der Gleichbehandlung bezieht sich auf die Höhe der Einforderung und auf das Verfahren der Einzahlung. Auch in Bezug auf die Leistungszeit muss die Heranziehung gleichmäßig sein2; sonst könnte aus der Sicht der später herangezogenen Gesellschafter eine nach § 19 Abs. 2 verbotene Stundung vorliegen (s. auch Rdnr. 44).

17

Maßstab für die gleichmäßige Behandlung ist der Nominalbetrag der Bareinlage. Auch bei der gemischten Sacheinlage kommt es im Hinblick auf § 7 Abs. 3 nur auf den nominellen Bareinlageteil für die Beurteilung der gleichmäßigen Behandlung an.

18

§ 19 Abs. 1 ist unterschiedslos auf alle Geschäftsanteile anzuwenden. Die Satzung kann vorsehen, dass nach Abdeckung der Mindestbeträge die weiteren Einzahlungen zunächst auf die früheren Einlagen zu erbringen sind. Fehlt eine abweichende Regelung, so ist bei Übernahme durch die bisherigen Gesellschafter bei einem unveränderten Beteiligungsverhältnis anzunehmen, dass zuerst die ursprünglichen Einlageverpflichtungen erfüllt werden3.

19

Ist ein Gesellschafter leistungsunfähig oder -unwillig, so steht dies der Heranziehung der übrigen Gesellschafter nicht entgegen4. Dies folgt aus dem vorrangigen Grundsatz der realen Kapitalaufbringung im Interesse der Gläubiger5. Im Blick auf § 21 sollte der Zahlungsunfähige aber zur Leistung durch Einforderungsbeschluss aufgefordert werden. Auch um Zweifeln oder Irrtümern über die Zahlungsfähigkeit vorzubeugen und um anderen Gesellschaftern den sonst vielleicht gegebenen Einwand der ungleichmäßigen Behandlung zu nehmen, müssen die Einlagen bei jedem Gesellschafter angefordert werden.

1 Ulmer, Rdnr. 22; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 12, 13. 2 RGZ 132, 336; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Ulmer, Rdnr. 17; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 5. 3 Ulmer, Rdnr. 18; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 4. 4 RGZ 149, 300; OLG München, BB 1954, 758. 5 So auch Ulmer, Rdnr. 22; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 22.

1240

|

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

2. Vertragsfreiheit § 19 Abs. 1 ist nicht zwingendes Recht. Die Gesellschafter können im Gesellschaftsvertrag oder im Einforderungsbeschluss unterschiedliche Quoten für die einzelnen Gesellschafter und eine Zahlung zu unterschiedlichen Zeitpunkten bestimmen1. Auch durch vertraglich vorgesehenen Mehrheitsbeschluss kann von der gesetzlichen Regel abgewichen werden. Es bedarf aber aus Gründen des Gesellschafterschutzes der Zustimmung des durch die Abweichung benachteiligten Gesellschafters2. Ein Verzicht auf gleichmäßige Behandlung kann bei nachträglicher Änderung der Leistungspflicht für den begünstigten Gesellschafter aber eine unzulässige Stundung nach § 19 Abs. 2 bedeuten (vgl. Rdnr. 45). Dagegen verletzt eine Abweichung von der gesetzlichen Regel in der Gründungssatzung oder in einem Beschluss über die Kapitalerhöhung als eine lediglich das Innenverhältnis berührende Verpflichtung das Interesse der Gesellschaftsgläubiger nicht.

20

3. Nur Geldeinlagen § 19 Abs. 1 bezieht sich ausdrücklich nur auf Geldeinlagen (so auch die h.M. zu § 19 Abs. 1 a.F.). Sacheinlagen werden von § 19 Abs. 1 nicht erfasst. Sie sind vor Anmeldung der GmbH vollständig zu leisten (§ 7 Abs. 3). Wandelt sich jedoch eine Pflicht zur Sacheinlage in eine Pflicht zur Kapitaleinlage, so ist § 19 Abs. 1 wieder anzuwenden. Bei „gemischten“ Sacheinlagen (Sacheinlagen und Geldeinlagen) wird nur der Geldanteil von § 19 Abs. 1 erfasst.

21

§ 19 ist auch anwendbar auf die in Rdnr. 15 erwähnten Zahlungspflichten, streitig ist dies nur für die Ansprüche aus § 9 (s. Rdnr. 15). Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt an sich auch für Nebenleistungspflichten i.S. des § 3 Abs. 2, für die freilich die Satzung Abweichendes bestimmen kann3. Individuelle Verhältnisse sind demgegenüber maßgebend für Verpflichtungen zu Zinszahlungen sowie für Vertragsstrafen4. Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Einlagepflichten gilt auch, wenn zu einem Zeitpunkt, in dem noch Einlagen offen sind, im Zuge einer Kapitalerhöhung neue Einlagepflichten begründet werden. Eine Vorleistungspflicht bezüglich „älterer“ Einlagen kann aber im Beschluss über die Kapitalerhöhung begründet werden. Für eine schlüssige Vereinbarung diesen Inhalts kann es sprechen, wenn die neuen Geschäftsanteile neu beitretenden Partnern angeboten werden sollen, denen man nicht zumuten will, einer Gesellschaft mit erheblichen ausstehenden Einlagen beizutreten, es sei denn, durch die Einlagen der neuen Gesellschafter sollen gerade diese Lücken ge-

22

1 § 46 Nr. 2; h.M., vgl. RGZ 149, 300; Ulmer, Rdnr. 37; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 5; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; a.A. noch Brodmann, § 19 Anm. 1c. 2 Vgl. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 20; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Ulmer, Rdnr. 37. 3 Ulmer, Rdnr. 23; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 15; a.M. (§ 19 gelte gar nicht) Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 7. 4 Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 14; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 2.

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

|

1241

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

schlossen werden. Auch mit einer Kapitalerhöhung, die nur von den bisherigen Gesellschaftern übernommen werden soll, und die die Beteiligungsverhältnisse nicht verschieben soll, kann die konkludente Vereinbarung verbunden sein, dass Zahlungspflichten auf die neuen Anteile erst entstehen, wenn offene Einlageforderungen erfüllt sind1.

4. Rechtsfolgen 23

Es bedarf eines Einforderungsbeschlusses (Rdnr. 10). Liegt ein solcher nicht vor und fehlt im Gesellschaftsvertrag eine gleichwertige Vereinbarung, so ist eine Anforderung durch den Geschäftsführer unwirksam. Die Satzung kann aber die Geschäftsführer zur Einforderung ermächtigen. Dabei hat der Geschäftsführer ein unternehmerisches Ermessen, muss aber das Gleichbehandlungsprinzip beachten2.

24

Verstößt der Beschluss gegen § 19 Abs. 1, etwa durch Verletzung der Gleichbehandlung, so ist der Beschluss zwar wirksam. Der betroffene Gesellschafter kann daher die Einzahlungen nicht verweigern. Er hat auch dann zu zahlen, wenn der entsprechende Betrag von den anderen Gesellschaftern nicht eingefordert wurde, oder wenn andere Gesellschafter zahlungsunfähig sind3. Der unverhältnismäßig stark herangezogene Gesellschafter kann aber den Beschluss anfechten, wenn er den Einwand der Ungleichbehandlung erheben will4. Ficht er nicht an, muss er den Beschluss gegen sich gelten lassen (Nachw. § 20 Rdnr. 14) (über Anfechtung durch Klage vgl. bei § 45). Wurde der Betrag von anderen Gesellschaftern nicht angefordert, also der Beschluss ihnen nicht mitgeteilt, und fehlt es damit an der Fälligkeit, so hat der andere Gesellschafter ein zeitlich begrenztes Leistungsverweigerungsrecht und gerät mit seiner eigenen Leistung nicht in Verzug5, es sei denn, die Einforderung wurde wegen Insolvenz des Schuldners unterlassen; auch ein Vorgehen nach §§ 20, 21 scheidet aus. Der herangezogene Gesellschafter kann Auskunft darüber verlangen, welche Zahlungen und zu welcher Zeit bei den übrigen Gesellschaftern angefordert werden, wenn er keine Klarheit hat6. Bis zur Auskunftserteilung darf er die Zahlung verweigern7.

25

Zahlt ein Gesellschafter nach der Eintragung der Gesellschaft freiwillig mehr als den fälligen Betrag oder ist ihm die Unverhältnismäßigkeit der Einforderung (Vorauszahlung) nicht bewusst, so kann er das Gezahlte nicht zurückfordern. 1 Ähnlich Ulmer, Rdnr. 21; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 18. 2 S. dazu BGH, BB 1961, 953; OLG München, GmbHR 1985, 56; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 11, 21; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Ulmer, Rdnr. 33. 3 Zum Letzteren: RGZ 149, 300; OLG München, BB 1954, 758; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5; Pentz, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Rdnr. 25. 4 Ulmer, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 7; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5. 5 Ulmer, Rdnr. 32; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8. 6 RGZ 49, 149; 65, 435; Ulmer, Rdnr. 34. 7 RGZ 65, 533; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7.

1242

|

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

Dies entspricht zwar der ganz h.M.1, ist aber nicht allein mit dem Hinweis darauf zu begründen, es handle sich lediglich um einen Motivirrtum, sondern muss auf eine entsprechende Anwendung des § 813 Abs. 2 1. Altern. BGB gestützt werden. Allerdings muss eine Überzahlung auf eine spätere Einforderung angerechnet werden2. Wer aber kraft statutarischer Pflicht mehr einzuzahlen hatte, wollte und sollte vorbelastet werden. Er wird dann bei der nächsten Rate in gleicher Weise wie die übrigen, also nach Verhältnis der nominellen Bareinlage, herangezogen.

5. Einzelzwangsvollstreckung, Insolvenz und Liquidation Der Grundsatz der Gleichbehandlung wirkt nur intern. Das Gläubigerinteresse geht dem Grundsatz der Gleichbehandlung vor. Pfändet ein Gläubiger der Gesellschaft die Einlageforderung, so wird sie sofort auch ohne Einforderungsbeschluss fällig (s. Rdnr. 129, 136). Der Gläubiger braucht sich den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht entgegenhalten zu lassen, weil er sonst praktisch gezwungen wäre, gegen alle Schuldner noch offener Einlageforderungen unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (und etwaiger einzelfallbezogener Durchbrechungen) mit Klage und Zwangsvollstreckung vorzugehen3. Der betroffene Gesellschafter kann aber Ausgleich von seinen Mitgesellschaftern verlangen.

26

Anders ist die Lage in der Insolvenz der Gesellschaft4 und im Liquidationsstadium. Der Insolvenzverwalter oder Liquidator ist legitimiert, die Einzahlung auch ohne Gesellschafterbeschluss einzufordern5. Dabei ist er zwar an den Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden; die Gesellschafter können aber, was sich aus § 24 schließen lässt, ihre Leistung nicht wegen der Insolvenz eines Mitgesellschafters verweigern. Der Insolvenzverwalter und der Liquidator haben sich allerdings im Rahmen des Insolvenz- oder Liquidationszwecks zu halten6.

27

An die im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss bestimmten Fälligkeitstermine sind der Insolvenzverwalter und der Liquidator aus Gründen des Gläubigerschutzes nicht gebunden7. Die Bareinlagepflicht wird vielmehr

28

1 Ulmer, Rdnr. 36; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 7; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 5. 2 Ulmer, Rdnr. 36; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 24; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 8. 3 BGH, NJW 1980, 22253 = ZIP 1980, 551; OLG Köln, ZIP 1989, 174; Ulmer, Rdnr. 39; Henze, Handbuch zum GmbH-Recht, Rdnr. 335; Fleck, ZIP 1986, 272; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 16; a.A. RGZ 76, 434; 133, 81; zur Pfändung des Anspruchs einer bereits gelöschten GmbH auf Zahlung der Stammeinlage s. OLG Hamm, DB 1991, 1925. 4 RG, DR 1943, 811; Ulmer, Rdnr. 28; zur Fälligkeit bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vgl. OLG Hamm, GmbHR 1985, 326. 5 BGHZ 84, 47, 48; Henze, Handbuch zum GmbH-Recht, Rdnr. 302. 6 RGZ 131, 147; 149, 301; LG Hamburg, WM 1985, 1526; s. auch bei § 69. 7 Ulmer, Rdnr. 29; a.M. Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 8.

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

|

1243

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in voller Höhe fällig1. Da die Gesellschaft bei Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liquidiert wird, § 60 Abs. 1 Nr. 5, gelten auch für diesen Fall die Fälligkeitstermine nicht.

IV. Keine Befreiung von der Leistung zur Stammeinlage 1. Der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung 29

§ 19 Abs. 2 normiert den Grundpfeiler des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung. Danach ist jede rechtsgeschäftliche Beeinträchtigung der Pflicht zur Leistung der Stammeinlage unzulässig, also der Erlass, die Stundung, die Aufrechnung durch den Gesellschafter usw. Zugleich wird ein Zurückbehaltungsrecht am Gegenstand der Sacheinlage eingeschränkt. Die Vorschrift dient dem Gläubigerschutz. Sie ist daher zwingend und entsprechend weit auszulegen.

2. Der Umfang des Befreiungsverbots und die Möglichkeit befreiender Leistung 30

Das Befreiungsverbot erstreckt sich auf Bar- und Sacheinlagen und die damit verknüpften Verpflichtungen2.

31

Das Befreiungsverbot erstreckt sich auch auf alle mit der Einlagepflicht verbundenen Neben- und Folgeansprüche, soweit dies die Aufbringung des gebundenen Vermögens zur Sicherung der Gläubiger erfordert. Dazu gehören Ausfallhaftungsansprüche (§§ 21 Abs. 3, 24)3, Ansprüche aus der Rechtsvorgängerhaftung (§ 22), aus der Differenzhaftung (§ 11)4 und die Schadensersatz- und Gewährleistungspflichten von Gesellschaftern, die eine Sacheinlage übernommen haben5. Nicht erfasst aber werden sonstige, neben der Stammeinlage zu bewirkende Leistungen, mögen sie rein obligatorischer oder auch gesellschaftsrechtlicher Natur sein, wie Verzugszinsen, Vertragsstrafen, Nebenleistungen nach § 3 Abs. 26, Nachschüsse (§§ 26–28)7. Bezüglich dieser Verpflichtungen sind Befreiungen zulässig8. Es gelten nur die sich aus § 30 Abs. 1 ergebenden Beschränkungen. Das Verbot der Schmälerung gilt auch nicht für ein vereinbartes Agio (Aufgeld)9. Andererseits folgen dem Schicksal der Stammeinlage auch deren der Aufbringung des Stammkapitals dienende Folgeverbindlichkeiten, z.B. bei der 1 OLG Hamm, GmbHR 1985, 326, 327; vgl. auch RGZ 138, 106. 2 Begr. RegE 1977, BT-Drucks. 8/1347, S. 38; RG, JW 1902, 259; BGHZ 29, 304 f.; LG Hamburg, WM 1985, 1525; Ulmer, Rdnr. 39; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 33. 3 Ulmer, Rdnr. 40. 4 So zur „Unterbilanzhaftung“ nach § 11 BGH, ZIP 2006, 668 mit Anm. Gehrlein, BB 2006, 910 und Goette, DStR 2006, 714; schon früher dazu BGHZ 124, 282, 286; s. ferner Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Ulmer, Rdnr. 40. 5 Ulmer, Rdnr. 40. 6 RGZ 87, 179; Ulmer, Rdnr. 41. 7 RG, JW 1931, 3653. 8 H.M.; RGZ 79, 274; 87, 179; RG, JW 1912, 760. 9 Ulmer, Rdnr. 41; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 3; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 34.

1244

|

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

Einbringung eines Handelsgeschäfts die Haftung des Inferenten für die Außenstände1. Diese Haftung kann nicht erlassen werden. Die Unkenntnis des gesetzlichen Verbots ist unbeachtlich2. Bei Überbewertung einer Sacheinlage unterliegt der entstehende Zuzahlungsanspruch gem. § 9 Abs. 1 dem Befreiungsverbot (str., s. bei § 9). Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob die Verpflichtung auf dem Gründungsvertrag oder auf einer Kapitalerhöhung beruht. Freilich muss die Einlageverpflichtung bereits bestehen, eine Kapitalerhöhung muss also eingetragen sein. Das gilt für die Gesellschaft nach ihrer Eintragung im Handelsregister, während der Liquidation jedoch nur, soweit noch Drittforderungen gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden3. Insofern wird das Schmälerungsverbot durch den Zweck der Liquidation, nämlich die Gläubiger zu befriedigen und das Geschäftsvermögen aufzuteilen, beschränkt.

32

In der Vorgründungsgesellschaft ist § 19 Abs. 2 nicht anwendbar; denn dabei handelt es sich um eine eigenständige Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Personenhandelsgesellschaft4.

33

Ob § 19 Abs. 2 in der Vorgesellschaft unmittelbar und uneingeschränkt anwendbar ist, ist streitig5, aber zu bejahen, weil die Kapitalaufbringung gerade im Gründungsstadium gefordert wird. Auch besteht die Pflicht zu einer Geldeinlage bereits mit dem Vertragsschluss. Die Gesellschafter können aber nach Abschluss des notariellen Vertrags bis zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister den Umfang der Kapitalausstattung oder auch Zahlungstermine durch Gesellschaftsvertrag jederzeit ändern6. § 19 Abs. 2 steht jedenfalls dieser Änderung nicht entgegen, auch nicht solchen Vereinbarungen, die nur die Eintragung in das Handelsregister hinausschieben.

34

Auch ein Insolvenzverwalter ist in der Insolvenz der Gesellschaft an das Verbot des § 19 Abs. 2 Satz 1 gebunden7.

35

Die Befreiung des Gesellschafters von seiner Einlagepflicht setzt Zahlungen mit Erfüllungswirkung voraus. Bezüglich dieser Erfüllungswirkung bestehen Unterschiede zwischen den verschiedenen Stadien der Existenz der Gesellschaft. Die Mindesteinlage, die vor der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister erbracht sein muss (§ 7 Abs. 3), entspricht diesem Erfordernis nur, wenn sie zur „endgültig freien Verfügung“ der Geschäftsführung gestanden hat (näher dazu § 8 Abs. 2). Das soll im Stadium der Vorgründungsgesellschaft noch nicht mit

36

1 RGZ 79, 273. 2 RG, LZ 1907, 603. 3 RGZ 149, 297; BGH, WM 1968, 83 = DB 1968, 166; BGH, BB 1976, 852 bezüglich mehrerer Einlageschuldner; Ulmer, Rdnr. 46; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 61. 4 BGH, WM 1984, 929; s. auch bei § 11. 5 Dagegen: wohl BGHZ 80, 129 = WM 1981, 401; BGH, WM 1980, 955 zu 2c; dafür Ulmer, Rdnr. 44; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 35. 6 RG, Recht 1923, Nr. 1257. 7 BayObLG, ZIP 1985, 33; Ulmer, Rdnr. 46; Ebbing, in: Michalski, Rdnr. 35.

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

|

1245

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

Wirkung für die einzutragende Gesellschaft geschehen können, weil der Rechtsträger, in dessen Vermögen der Betrag gelangen sollte, noch nicht vorhanden ist1. Das ist allerdings eine rein formale Betrachtungsweise. Der im Vorgründungsstadium gezahlte und für die (noch nicht existierende) GmbH verbuchte Betrag kann ins Vermögen der Vor-GmbH gelangen, und die Geschäftsführer können, wenn der Betrag bei Anmeldung noch vorhanden ist, die Versicherung gem. § 8 Abs. 2 abgeben; entschiede man anders, müsste der Einlager den im Vorgründungsstadium gezahlten Betrag zurückerhalten, um ihn dann nochmals einzuzahlen, auf die Gefahr einer Vorbelastungshaftung hin2. Es handelt sich um ein Problem der Vorgesellschaft und vor allem der Kapitalerhöhung. Wenn nach Eintragung der Gesellschaft noch Einlagen offen sind, gilt zwar das Erfordernis der freien Verfügbarkeit nicht mehr, der Gesellschafter muss den Betrag aber aus seinem Vermögen ausgesondert und einen effektiven Wert ins Gesellschaftsvermögen eingebracht haben3. Leistet der Gesellschafter eine Zahlung, deren Verwendung zunächst in der Schwebe bleibt, so kann er noch nachträglich als Leistungszweck die Einlageschuld bezeichnen, ohne dass § 19 Abs. 2 entgegensteht4. Voraussetzung ist freilich, dass der gezahlte Betrag der Gesellschaft noch voll zur Verfügung steht5. Das ist bei einigen Finanzierungspraktiken, besonders bei Einschaltung der Gesellschaft über die bloße Entgegennahme des Geldes hinaus, nicht der Fall, näher Rdnr. 38.

3. Erlass a) Jedes rechtsgeschäftliche Aufgeben 37

§ 19 Abs. 2 i.d.F. vor der Novelle 1980 untersagte ausdrücklich den Erlass der Stammeinlagen („Die Stammeinlagen können . . . weder erlassen noch gestundet werden“). Die Neufassung des Abs. 2 durch die GmbH-Novelle 1980 enthält insoweit lediglich eine Klarstellung6. Bereits nach der früheren Fassung war anerkannt, dass die Vorschrift über den Wortlaut hinaus jedes rechtsgeschäftliche Aufgeben des Zahlungsanspruchs erfasst. Unzulässig ist daher auch ein negatives Schuldanerkenntnis, die Novation, der Verzicht der Gesellschaft auf andere Forderungen gegen den Gesellschafter, z.B. den Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens, damit der Gesellschafter die Bareinlage bewirken kann7, die Annahme einer fehlerhaften Sacheinlage als Erfüllung und die tatsächliche

1 Ehlke, ZGR 1995, 426, 454 ff.; zust. Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39. 2 Ähnlich zur Vorleistung auf eine künftige Kapitalerhöhung OLG Celle, DB 2006, 41. 3 OLG Düsseldorf, BB 1988, 2126; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 869; OLG Dresden, ZIP 1999, 1885; OLG Hamm, ZIP 2000, 385; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 39; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18; a.M. aber Frey, Einlagen in Kapitalgesellschaften, 1990, S. 187 f. 4 BGHZ 51, 157, 162; BGH, NJW 1992, 2292 f.; OLG Hamburg, BB 1994, 1240; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 68; a.M. OLG Oldenburg, ZIP 1996, 2026; OLG Schleswig, EWiR 1998, 1035 mit Kurzkomm. v. Gerkan. 5 BGH, NJW 1992, 2029 f.; OLG Hamburg, BB 1994, 1240 = ZIP 1994, 948. 6 Begr. RegE 1977, BT-Drucks. 8/1347, S. 38. 7 OLG Hamburg, NJW-RR 1986, 118; OLG Köln, NJW-RR 1989, 354; s. auch Ulmer, Rdnr. 48, 50.

1246

|

Uwe H. Schneider/H. P. Westermann

§ 19

Einzahlungen auf die Stammeinlage

Nichteinforderung der Einlage usw. Das Verbot betrifft den Erlass der ganzen oder auch eines Teils der rückständigen Einlageschuld. b) Keine Finanzierung der Stammeinlage durch die Gesellschaft Ein verbotener Erlass kann nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ vorliegen. Letzteres ist anzunehmen, wenn zwar die Forderung in der alten Höhe weiterbesteht, aber nicht in der strengen Form der Einlageforderung (deren Verletzung z.B. die Kaduzierung nach sich zieht, § 21), sondern eine Umschaffung (Novation) in eine andere (z.B. eine Darlehensforderung) erfolgt (verdeckte Finanzierung)1. Dies steht einem verbotenen Erlass gleich. Aus dem Zweck des Verbots, nämlich die Sicherung der Aufbringung des Stammkapitals durch die Gesellschafter folgt daher, dass die Einlage nicht befreiend geleistet ist,

38

– wenn die Gesellschaft dem Gesellschafter oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen ein Darlehen gewährt hat, damit er seine Einlage bezahlen kann2; – wenn die Gesellschaft dem Gesellschafter oder einen mit diesem verbundenen Unternehmen den Beitrag zugleich als Darlehen zurückgewährt3; – wenn die Gesellschaft zusammen mit dem Gesellschafter oder mit einem mit dem Gesellschafter verbundenen Unternehmen bei einem Dritten ein Darlehen aufnimmt, und mit der Darlehensvaluta die Einlagepflicht des Gesellschafters erfüllt wird4; – wenn die Gesellschaft einem Dritten Sicherheiten stellt, damit der Dritte dem Gesellschafter oder einem mit dem Gesellschafter verbundenen Unternehmen zum Zwecke der Einzahlung ein Darlehen gewährt5 und – wenn die Gesellschaft in Verbindung mit der Einzahlung zugleich eine weitere Forderung gegen den Gesellschafter oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen erlässt6. Die Tilgung der Einlageschuld kann aber in allen diesen Fällen mit der Tilgung des Darlehens durch den Gesellschafter erfolgen7.

39

Unzulässig ist die Annahme einer Leistung an Erfüllung statt, soweit hierdurch die Pflichten aus einer Geldeinlage erfüllt werden sollen; dies folgt aus § 19 Abs. 5 (näher Rdnr. 92 ff.). Zu einer (unbedenklichen) erfüllungshalber auf eine

40

1 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 17; Ulmer, Rdnr. 50; Roth, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 22; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14. 2 RGZ 47, 180, 185; RGZ 98, 276, 277; BGHZ 28, 77 f.; BGH, WM 1958, 936; OLG Köln, WM 1984, 740, 741; Ulmer, Rdnr. 51; Pentz, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Rdnr. 51; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14. 3 OLG Hamm, GmbHR 1994, 472; Ulmer, Rdnr. 51. 4 RGZ 47, 180, 185; OLG Köln, WM 1984,