Kirche in revolutionärer Zeit: Die Staatskirche in Schleswig Und Holstein 1789-1851
 3110264153, 9783110264159

Table of contents :
Vorwort
EINLEITUNG. Fragestellungen, kirchengeschichtlicher Forschungsstand, Zielsetzung und Vorgehensweise
1. Gegner der Revolution und Teilnehmer der Erhebung: Der Weg der schleswig-holsteinischen Geistlichen in der Auseinandersetzung um die Staatsgewalt zwischen 1789 und 1851
2. Verlauf und Stand des bisherigen kirchengeschichtlichen Interesses an der Positionierung der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit im 1789 einsetzenden und 1851 endenden Diskurs um die Staatsgewalt
3. Zielsetzung und Vorgehen
KAPITEL I. Der Ausgangspunkt 1789: Revolution im Umfeld eines kirchenkritischen Politikszenarios
1. Die Revolution in Frankreich
2. Reaktionen auf die revolutionären Ereignisse in Deutschland
3. Zwischenfazit: Weltanschauliche Auswirkungen der Revolution
4. Aufgeklärter Absolutismus in den Territorien des Dänischen Gesamtstaates
KAPITEL II. Obrigkeitsgehorsam in revolutionärer Zeit: Auswirkungen der Französischen Revolution und die auf diese gerichtete Reaktion in den Herzogtümern Schleswig und Holstein sowie im Fürstbistum Lübeck
1. „Volkes Stimme“ in den Herzogtümern
2. Verbündete der Revolution: Norddeutsche Jakobiner
3. Vertriebene der Revolution: Französische Emigranten
4. Widerstand gegen Aristokraten: Der demokratische Monarchist August Hennings und der Kreis Plöner Rationalisten
5. Aristokratischer Widerstand: Emkendorf
6. Aufklärung und Reaktion: Die Kieler Universität und das Schullehrerseminar
7. Aufklärungstheologie als Reaktion: Die Staatskirche in den Herzogtümern
8. Aristokratie und Reaktion versus Bürgertum und Aufklärung: Eutin und seine beiden Protagonisten Friedrich Leopold Graf zu Stolberg und Johann Heinrich Voß
KAPITEL III. Erstarken der Monarchie, Bedeutungsverlust der Aristokratie, erwachendes Bürgertum
1. Der dänische Gesamtstaat nach dem Tode Andreas Peter Bernstorffs 1797 bis zum Ende seiner Neutralität 1807
2. Die Kriegsjahre und ihre Auswirkungen auf das staatsbürgerliche Bewußtsein
3. Die Not der Herzogtümer im Spiegel schleswig-holsteinischer Predigten
4. Eine politische Predigt zum Friedensschluß: Claus Harms am Sonntag Sexagesimä 1814: „Der Krieg nach dem Kriege“
5. Eine unpolitische Friedenspredigt: Detlev Lorenz Lübker am Sonntag Septuagesimae 1814
KAPITEL IV. Die Verfassungszusage der Bundesakte und die Auswirkungen universitärer Ausbildung als von der Staatskirche ignorierte Katalysatoren des gesellschaftlichen Diskurses
1. Die Ausgangslage nach dem Kieler Frieden
2. Politischer Impuls I: Das durch die Bundesakte legitimierte Verfassungspostulat
3. Politischer Impuls II: Kieler Studenten an deutschen Universitäten außerhalb des Gesamtstaates im Kontext von Wartburgfest und Burschenschaft
4. Politische Indifferenz I: Das Reformationsjubiläum 1817. Staatskirche zwischen „Reformation“ und „Jubiläum“
5. Politische Indifferenz II: Akzente der kirchlichen Predigt in den Herzogtümern 1817–1830
KAPITEL V Auswirkungen der Julirevolution
1. Die Ausgangslage im Sommer des Jahres 1830
2. Stimulierendes Postulat: Uwe Jens Lornsen und sein „Verfassungswerk“
3. „Kontrarevolutionäre Arznei“: Schleswig-holsteinische Predigten
KAPITEL VI. Der Diskurs über demokratische Freiheit, nationale Einheit, soziale Gerechtigkeit und die Staatskirche im Spiegel des seit 1830 erscheinenden Kieler Correspondenzblattes bis zum Jahr 1848
1. Theodor Olshausen und das von ihm begründete Kieler Correspondenzblatt
2. Der Diskurs über die Frage der Volkssouveränität: Eine Antithese zur überlieferten und von staatskirchlicher Seite mitverantworteten Sozialordnung
2.1 Die Reflexion des Treueeides und der aus ihm resultierenden Bindung an das dänische Königshaus
2.2 Zwischen „Landesprivilegien“ und „Archivplunder“: Der Diskurs über das Historische Recht
2.3 Die Entwicklung des Freiheitsbegriffes aus dem Gedanken der Volkssouveränität
3. Der Diskurs über das „deutsche Vaterland“: Eine Antithese zur staatsrechtlichen Bindung der Herzogtümer an das Königreich Dänemark
3.1 Zwischen kultureller Heimat und politischem „Vaterland“: Suchbewegung in eine deutsche Zukunft
3.2 Zwischen „Brudervolk“ und dem „Kampf zwischen uns und Dänemark“: Fluchtbewegung aus dem dänischen Gesamtstaat
3.3 Eine neue Zielbewegung in Nationalerziehung und Nationalbewußtsein
4. Der Diskurs über die soziale Frage: Eine Antithese zur „christlichen Mildthätigkeit“
5. Der Diskurs über die Verortung der Kirche im Staat: Eine Antithese zur traditionellen Staatskirche
5.1 Die Problematisierung des Verhältnisses von Staat und Kirche vor dem Hintergrund einer sich wandelnden gesellschaftlichen Wirklichkeit
5.2 Die Debatte um das Verhältnis zwischen Kirche und Schule vor dem Hintergrund des fortschreitenden emanzipativen Bemühens der Lehrerschaft
5.3 Die Darstellung freireligiöser Bewegungen vor dem Hintergrund ihrer Heranbildung zu freien deutschen Religionsgesellschaften
6. Die Ausblendung des freiheitlichen, nationalen und sozialen Diskurses: Akzente der vormärzlichen Predigt in den Herzogtümern
KAPITEL VII. Revolutionäres Verhalten ohne revolutionäres Bewußtsein: Die „Unfreiheit des Landesherrn“ als Legitimierung und Motivation der Erhebung gegen die Staatsgewalt
1. Die schleswig-holsteinische Erhebung 1848–1851
2. Das Verhalten der Geistlichen während der Erhebung
Thesen
Abkürzungsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister
Ortsregister
Bibelstellen

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Klaus Lemke-Paetznick Kirche in revolutionärer Zeit

Arbeiten zur Kirchengeschichte Begründet von

Karl Holl † und Hans Lietzmann † herausgegeben von

Christian Albrecht und Christoph Markschies Band 117

De Gruyter

Klaus Lemke-Paetznick

Kirche in revolutionärer Zeit Die Staatskirche in Schleswig und Holstein 1789-1851

De Gruyter

ISBN 978-3-11-026415-9 e-ISBN 978-3-11-026416-6 ISSN 1861-5996 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Lemke-Paetznick, Klaus. Kirche in revolutionärer Zeit : die Staatskirche in Schleswig und Holstein 1789-1851 / Klaus Lemke-Paetznick. p. cm. - (Arbeiten zur Kirchengeschichte, ISSN 1861-5996 ; Bd. 117) Includes bibliographical references and indexes. ISBN 978-3-11-026415-9 (hardcover : alk. paper) 1. Church and state - Schleswig (Germany and Denmark) - History. 2. Schleswig (Germany and Denmark) - Church history. 3. Church and state - Germany - Holstein - History. 4. Holstein - Church history. 5. France - History - Revolution, 1789-1799 - Influence. 6. Germany - History - Revolution, 1848-1849 - Religious aspects Lutheran Church. I. Title. BX8022.S35L46 2012 284.114351209034-dc23 2011032627

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH und Co. KG, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung Fragestellungen, kirchengeschichtlicher Forschungsstand, Zielsetzung und Vorgehensweise 1. Gegner der Revolution und Teilnehmer der Erhebung: Der Weg der schleswig-holsteinischen Geistlichen in der Auseinandersetzung um die Staatsgewalt zwischen 1789 und 1851 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlauf und Stand des bisherigen kirchengeschichtlichen Interesses an der Positionierung der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit im 1789 einsetzenden und 1851 endenden Diskurs um die Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zielsetzung und Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel I Der Ausgangspunkt 1789: Revolution im Umfeld eines kirchenkritischen Politikszenarios 1. 2. 3. 4.

Die Revolution in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionen auf die revolutionren Ereignisse in Deutschland . . Zwischenfazit: Weltanschauliche Auswirkungen der Revolution Aufgeklrter Absolutismus in den Territorien des Dnischen Gesamtstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel II Obrigkeitsgehorsam in revolutionrer Zeit: Auswirkungen der Franzçsischen Revolution und die auf diese gerichtete Reaktion in den Herzogtmern Schleswig und Holstein sowie im Frstbistum Lbeck 1. „Volkes Stimme“ in den Herzogtmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Verbndete der Revolution: Norddeutsche Jakobiner . . . . . . . . 129 3. Vertriebene der Revolution: Franzçsische Emigranten . . . . . . . . 170

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Inhalt

4. Widerstand gegen Aristokraten: Der demokratische Monarchist August Hennings und der Kreis Plçner Rationalisten . . . . . . . . 5. Aristokratischer Widerstand: Emkendorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Aufklrung und Reaktion: Die Kieler Universitt und das Schullehrerseminar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Aufklrungstheologie als Reaktion: Die Staatskirche in den Herzogtmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Aristokratie und Reaktion versus Brgertum und Aufklrung: Eutin und seine beiden Protagonisten Friedrich Leopold Graf zu Stolberg und Johann Heinrich Voß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

182 215 237 303 328

Kapitel III Erstarken der Monarchie, Bedeutungsverlust der Aristokratie, erwachendes Brgertum 1. Der dnische Gesamtstaat nach dem Tode Andreas Peter Bernstorffs 1797 bis zum Ende seiner Neutralitt 1807 . . . . . . 2. Die Kriegsjahre und ihre Auswirkungen auf das staatsbrgerliche Bewußtsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Not der Herzogtmer im Spiegel schleswig-holsteinischer Predigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eine politische Predigt zum Friedensschluß: Claus Harms am Sonntag Sexagesim 1814: „Der Krieg nach dem Kriege“ . . . . 5. Eine unpolitische Friedenspredigt: Detlev Lorenz Lbker am Sonntag Septuagesimae 1814 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

354 378 389 394 398

Kapitel IV Die Verfassungszusage der Bundesakte und die Auswirkungen universitrer Ausbildung als von der Staatskirche ignorierte Katalysatoren des gesellschaftlichen Diskurses 1. Die Ausgangslage nach dem Kieler Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Politischer Impuls I: Das durch die Bundesakte legitimierte Verfassungspostulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Politischer Impuls II: Kieler Studenten an deutschen Universitten außerhalb des Gesamtstaates im Kontext von Wartburgfest und Burschenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Politische Indifferenz I: Das Reformationsjubilum 1817. Staatskirche zwischen „Reformation“ und „Jubilum“ . . . . . . . .

401 403 419 437

Inhalt

VII

5. Politische Indifferenz II: Akzente der kirchlichen Predigt in den Herzogtmern 1817 – 1830 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 Kapitel V Auswirkungen der Julirevolution 1. Die Ausgangslage im Sommer des Jahres 1830 . . . . . . . . . . . . . 480 2. Stimulierendes Postulat: Uwe Jens Lornsen und sein „Verfassungswerk“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 3. „Kontrarevolutionre Arznei“: Schleswig-holsteinische Predigten 486 Kapitel VI Der Diskurs ber demokratische Freiheit, nationale Einheit, soziale Gerechtigkeit und die Staatskirche im Spiegel des seit 1830 erscheinenden Kieler Correspondenzblattes bis zum Jahr 1848 1. Theodor Olshausen und das von ihm begrndete Kieler Correspondenzblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Diskurs ber die Frage der Volkssouvernitt: Eine Antithese zur berlieferten und von staatskirchlicher Seite mitverantworteten Sozialordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Reflexion des Treueeides und der aus ihm resultierenden Bindung an das dnische Kçnigshaus . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zwischen „Landesprivilegien“ und „Archivplunder“: Der Diskurs ber das Historische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Entwicklung des Freiheitsbegriffes aus dem Gedanken der Volkssouvernitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Diskurs ber das „deutsche Vaterland“: Eine Antithese zur staatsrechtlichen Bindung der Herzogtmer an das Kçnigreich Dnemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Zwischen kultureller Heimat und politischem „Vaterland“: Suchbewegung in eine deutsche Zukunft . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Zwischen „Brudervolk“ und dem „Kampf zwischen uns und Dnemark“: Fluchtbewegung aus dem dnischen Gesamtstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Eine neue Zielbewegung in Nationalerziehung und Nationalbewußtsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Diskurs ber die soziale Frage: Eine Antithese zur „christlichen Mildthtigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

496 501 501 511 518 530 530 535 540 545

VIII

Inhalt

5. Der Diskurs ber die Verortung der Kirche im Staat: Eine Antithese zur traditionellen Staatskirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Die Problematisierung des Verhltnisses von Staat und Kirche vor dem Hintergrund einer sich wandelnden gesellschaftlichen Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Die Debatte um das Verhltnis zwischen Kirche und Schule vor dem Hintergrund des fortschreitenden emanzipativen Bemhens der Lehrerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Die Darstellung freireligiçser Bewegungen vor dem Hintergrund ihrer Heranbildung zu freien deutschen Religionsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Ausblendung des freiheitlichen, nationalen und sozialen Diskurses: Akzente der vormrzlichen Predigt in den Herzogtmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel VII Revolutionres Verhalten ohne revolutionres Bewußtsein: Die „Unfreiheit des Landesherrn“ als Legitimierung und Motivation der Erhebung gegen die Staatsgewalt 1. Die schleswig-holsteinische Erhebung 1848 – 1851 . . . . . . . . . . 593 2. Das Verhalten der Geistlichen whrend der Erhebung . . . . . . . 619 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 Abkrzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 658 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765

Vorwort Bei der hier vorgelegten Arbeit handelt es sich um die leicht berarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich im Mrz 2010 an der Theologischen Fakultt der Universitt Hamburg eingereicht habe. Ursprnglich war sie berschrieben mit einem dem Kieler Correspondenzblatt in dessen 1848er Jahrgang entlehnten programmatischen Bekenntnis: „Wir kçnnen nicht ruhig, die Hnde im Schooß, erwarten, bis die Freiheit einmal als Geschenk vom Himmel fllt“: Studien zur Auseinandersetzung um die Staatsgewalt als kirchliche Herausforderung in den Herzogtmern Schleswig und Holstein zwischen 1789 und 1851“. Fr die Drucklegung whlte ich nunmehr einen krzeren Titel. Thematisches Interesse und der Reflektionsgang meiner Studien verdanken sich zwei inspirierenden Persçnlichkeiten: Meinem Schulfreund Dr. Joachim Reppmann, Flensburg / Northfield, Minnesota, und meinem Doktorvater Prof. Dr. Johann Anselm Steiger. Beide begleiteten ber Jahre hinweg den Fortschritt meiner Untersuchung mit zuneigungsvoller Anteilnahme; beiden gilt dafr mein herzlicher Dank. Auch jenseits meiner Bemhungen um eine besondere historische kirchliche Herausforderung habe ich den kooperativ-freiheitlichen Geist der Betreuung durch Herrn Prof. Dr. Steiger außerordentlich schtzen gelernt. Dank sage ich ebenso Frau Prof. Dr. Barbara Mller fr die Erstellung der Zweitbegutachtung. Herr Prof. Dr. Christian Albrecht (Mnchen) und Herr Prof. Dr. Christoph Markschies (Berlin) haben die Untersuchung in die Reihe der „Arbeiten zur Kirchengeschichte“ aufgenommen. Dafr sei Ihnen freudig gedankt. Herr Dr. Albrecht Dçhnert, Frau Dr. Sabine Krmer und Frau Sabina Dabrowski vom Verlagshaus de Gruyter waren mir hinsichtlich der Drucklegung in allen Fragen freundliche und verlßliche Ansprechpartner. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank. Keinesfalls mçchte ich die wertvolle Hilfeleistung vergessen, die mir in Bibliotheken und Archiven zuteil wurde. Stellvertretend nenne ich die immer weiterhelfenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel, des Landesarchivs Schleswig-Holstein in Schleswig, der Dansk Centralbibliotek for Sydslesvig in Flensburg sowie Herrn Dipl.-Bibliothekar Gerd

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Vorwort

Witte vom Oberkirchenrat Oldenburg. Sie und viele andere ließen die wissenschaftliche Recherche zu einem dankenswerten Erlebnis werden. Wohl mein allerherzlichster Dank gilt jedoch meiner Familie, meiner Frau Claudia und unserem Sohn Cedric: Ihr Elan, mich neben meinem Beruf als Pastor in weiten Teilen meiner Freizeit fr Recherchierung und Abfassung dieser Studien freizugeben, ließ niemals nach. Ihnen sei die Arbeit daher auch gewidmet. Wilhelmshaven, im April 2011

Klaus Lemke-Paetznick

Einleitung Fragestellungen, kirchengeschichtlicher Forschungsstand, Zielsetzung und Vorgehensweise 1. Gegner der Revolution und Teilnehmer der Erhebung: Der Weg der schleswig-holsteinischen Geistlichen in der Auseinandersetzung um die Staatsgewalt zwischen 1789 und 1851 Wenige Wochen nach dem Ausbruch der franzçsischen Februarrevolution lehnten sich die Herzogtmer Schleswig und Holstein offen gegen den dnischen Kçnig als legitimen Reprsentanten der Staatsgewalt auf. Seit Jahrhunderten gehçrten die beiden Elbherzogtmer zum dnischen Gesamtstaat, dessen jeweiliger Monarch sie als Kçnig von Dnemark zugleich als ihr Herzog regierte. Im Mrz 1848 hatten Volksunruhen in Kopenhagen zur Aufhebung des seit 1660 in Dnemark gesetzlich festgeschriebenen Absolutismus gefhrt. Damit verband sich das Diktat eines vom dnischen Brgertum seit langem vorbereiteten politischen Konzeptes: Der Inkorporierung des nicht zum Deutschen Bund gehçrigen Herzogtums Schleswig in den dnischen Staat. Die brgerliche politische Fhrung Schleswig-Holsteins wertete diese Vorgnge in ihrer Widerstandserklrung vom 24. Mrz 1848 als Resultat revolutionrer Geschehnisse, erklrte den Landesherrn fr unfrei und entledigte ihn vorlufig seiner die Herzogtmer betreffenden Funktionen. Die nunmehrige „provisorische Regierung“ forderte die Beibehaltung der Zusammengehçrigkeit der Herzogtmer gemß den Zusagen des Ripener Privilegs von 1460; außerdem sollten beide Staatsgebilde die Mçglichkeit erhalten, sich den deutschen Einheitsbestrebungen anzuschließen. Dieser gravierende Angriff auf den Besitzstand der dnischen Krone war nicht durch republikanisch-demokratische, sondern durch exklusiv nationalpolitische Intentionen motiviert. Im Kontext der deutschen Revolution von 1848 kennt diese Offensive gegen den Reprsentanten einer legitim ber die Ausbung der Staatsgewalt verfgenden Dynastie keine Analogie. Zwar existierte jenes Konstrukt des „unfreien Landesherrn“, das revolutionres Handeln legitimieren sollte,

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Einleitung

auch anderenorts; doch blieb es ein Einzelphnomen im weiten Kontext der 1848er Ereignisse, wenn in den Herzogtmern drei Jahre lang ohne bzw. gegen den rechtmßigen Landesherrn regiert wurde. Der zum Krieg fhrende, sich in der „Erhebung“ manifestierende Ausbruch der nationalen Leidenschaften in Schleswig-Holstein bedeutete zugleich eine außerordentliche Herausforderung der protestantischen Kirche in den Herzogtmern. Zunchst stellte sich den schleswig-holsteinischen Geistlichen als Angehçrigen einer Staatskirche die Frage nach der jeweiligen Rechtmßigkeit der sich ihnen nunmehr aktuell prsentierenden obrigkeitlichen Alternativen; auch konnte es fr das Wirken der Geistlichen in den Herzogtmern nicht belanglos sein, wie sich ihre Gemeinden angesichts der machtvoll in den Vordergrund drngenden politischen Sachfragen entschieden. Da schien es hilfreich, daß die neue politische Fhrung der Herzogtmer fr sich beanspruchte, im Kontext einer legitimen „Erhebung“ zu regieren, whrend sie jeden Verdacht eines revolutionren Handelns strikt zurckwies. Machte sich die neu inszenierte Obrigkeit damit als provisorische Regierung adaptionsfhig fr die im berlieferten protestantischen Obrigkeitsdenken verwurzelte Geistlichkeit der Herzogtmer? Eine weitere Anfrage ergab sich aus dem Selbstverstndnis der neuen Obrigkeit. Diese mit Hilfe des Konstruktes vom unfreien Landesherrn agierende Regierungsgewalt sah sich als Exponentin des freien Volkswillens der Schleswig-Holsteiner: Tat sich hier etwa eine fr die Geistlichen bedenkliche Nhe zum Gedankengut jener Franzçsischen Revolution auf, die mit ihrem Bekenntnis zum Allgemeinen Willen bereits seit dem Jahr 1789 die Gemter auch nçrdlich der Elbe erregt hatte? Sollten der Erhebung jedoch jenseits ihres Bekenntnisses zur Wahrung der Rechte des unfreien Landesherrn tatschlich wesentliche Zge einer sich in ihr abbildenden Volkssouvernitt innewohnen, dann mußte eine Geistlichkeit, die sich nicht zuletzt von der reformatorischen berlieferung her an den Gedanken des Gottesgnadentums der Kçnige gewiesen sah, sich entweder der Erhebung widersetzen oder die berlieferten staatskirchlichen Grundlagen aufgeben. Wie hatte sich die evangelische Predigt in den Herzogtmern seit der Franzçsischen Revolution von 1789 zur Frage des Gottesgnadentums verhalten? Hatten die Prediger einen Ort gefunden im Prozeßgeschehen eines sich dem Gedanken der Volkssouvernitt zunehmend çffnenden Brgertums1, das geneigt schien, die historischen Fun1

Selbstverstndlich stellt die Begrifflichkeit des „Brgertums“ fr den im Folgenden untersuchten Zeitraum eine wesentlich prozessuale Grçße dar. Ungeachtet seiner im einzelnen differenzierbaren Ausprgungen wird „Brgertum“ hier verwendet als

1. Gegner der Revolution und Teilnehmer der Erhebung

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damente des Staatsaufbaus zunehmend zur Disposition zu stellen? berhaupt gilt es zu klren: Wie wandelte sich die weltanschauliche und politische Ausrichtung des Brgertums unter dem geistigen Einfluß dreier franzçsischer Revolutionen, die nicht nur die Herzogtmer, sondern den gesamten europischen Kontinent in nachhaltigen Eruptionen erschtterten? Stellten die Geistlichen der Herzogtmer sich der revolutionren Anfrage in deren Kontext eines anfangs spezifisch demokratischen, spter auch nationalen und sozialen Diskurses? Stand die kirchliche Predigt mçglicherweise einflußlos neben den gesellschaftlichen Entwicklungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts, der Zeit der Befreiungskriege und des Vormrzes? Reduzierte sich der kirchliche Einfluß whrend des hier umrissenen Zeitraumes? Wie die inhaltliche Spannung zwischen der Vorstellung vom Gottesgnadentum der Kçnige und dem Gedanken der Volkssouvernitt zeigt, mußten die schleswig-holsteinischen Geistlichen mit dem Jahr 1848 zu verantwortlichen Entscheidungen gelangen zwischen staatskirchlichen Verpflichtungen und gemeindlichen Erwartungen und Bedrfnissen. Welche grundstzliche Bedeutung die protestantischen deutschen Kirchen diesen sich nçrdlich der Elbe machtvoll stellenden Fragen vor dem allgemeinen Hintergrund der Ereignisse nach der Februarrevolution beimaßen, zeigte sich whrend des 3. Deutschen Kirchentages, der im September 1850 in Stuttgart abgehalten wurde. Die Versammlung befaßte sich mit der Frage nach dem rechten „Verhalten des Christen, insbesondere des Geistlichen, in Bezug auf die politischen Dinge“. Hier zeigte sich, wie bedeutsam die tatschlich praktizierte Teilhabe der Geistlichen an der schleswig-holsteinischen Erhebung in den Kirchengemeinschaften der einzelnen deutschen Staaten eingeschtzt wurde. Das Einleitungsreferat hielt – ausgehend von Rçm 13,1 – 72 – der Bonner Theologieprofessor

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Sammelbegriff jener im weitesten Sinne greifbaren sozialen Gruppierungen, die zu entscheidenden Trgern strukturell emanzipativer Intentionen wurden; vgl. in diesem Zusammenhang Manfred Riedel, Art. „Brger, Staatsbrger, Brgertum“, in: Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Kossollek, Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. I, Stuttgart 1979, S. 672 – 725, bes. S. 683 – 719; Werner Conze, Art. „Brgertum. II. Neuzeit“, in: TRE VII, Berlin – New York 1981, S. 346 – 354. In diesem Abschnitt handelt Paulus V. 1 – 4 von der christlichen Gehorsamspflicht gegen die Obrigkeit und V. 5 – 7 ber das Verhltnis der Christen zum Staat.

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Einleitung

Isaak August Dorner3. Dieser hatte wenige Jahre zuvor an der Kieler Christian-Albrechts-Universitt gelehrt und wußte sich von daher vielen an der Erhebung teilnehmenden Pastoren persçnlich verbunden. Dorner postulierte die Bindung aller Obrigkeit an das Recht und formulierte unter gewissen Umstnden ein Recht auf Gehorsamsverweigerung und Widerstand – etwa dann, „wenn ein Volk willenlos und ohne Gegenwehr sich durch ein fremdes Volk seine bisherige Volksexistenz zerschlagen [ …] lßt“4. Als Delegierter der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit legte anschließend der Schleswiger Generalsuperintendent Nicolai Johannes Ernst Nielsen die Gewissensnot der nordelbischen Pastoren dar und bat die Anwesenden instndig um eine Klrung, „wie der Christ und insbesondere der Geistliche sich zu verhalten habe in politischen Dingen“5 – dies kçnne „in nchster Zeit die Frage werden, welche durch ganze Lnder und Vçlker kreiset“6. Die diesbezgliche Diskussion erbrachte keine abschließende Klrung der Frage; vielmehr brachen krasse Meinungsverschiedenheiten ber die sachgemße Auslegung von Rçm 13 auf, hinter denen alternative politisch-ideologische Positionen standen, die nicht nur im zeitgençssischen Kontext von außerordentlicher Brisanz waren: Hier die historisch junge Solidaritt der Nation, dort die althergebrachte Autoritt des Staates. Durch den von ihnen abgeforderten Homagialeid waren die Geistlichen Schleswigs und Holsteins Beamte des dnischen Kçnigs in dessen Eigenschaft als jeweiliger Herzog. Der Monarch fungierte innerhalb der nach reformatorischen Prinzipien konzipierten Staatskirche zugleich als summus episcopus, war als defensor fidei also in weltlichen und geistlichen Fragen hçchste Instanz sowie verantwortungsethischer Bezugspunkt kirchlichen Handelns. Diese Gegebenheiten legen die Vermutung nahe, daß die Vorstellung von der Nation den Geistlichen der Herzogtmer im ausgehenden 18. Jahrhundert und whrend der ersten Hlfte des 19. Jahrhunderts fremder geblieben sein kçnnte als die Idee eines christlich orientierten dnischen Gesamtstaates mit einem absoluten Monarchen an seiner Spitze. Ohnehin sperrte – und sperrt – sich der Gedanke einer letztlich alle Verschiedenheit vereinenden global ausgerichteten christli3 4 5 6

berliefert durch G.[otthard] V.[iktor] Lechler, Hg., Die Verhandlungen der dritten Versammlung fr Grndung eines Deutschen evangelischen Kirchenbundes zu Stuttgart im September 1850, Berlin 1850, S. 32 – 44. Zit. n. G.[otthard] V.[iktor] Lechler, Hg., Die Verhandlungen der dritten Versammlung fr Grndung eines Deutschen evangelischen Kirchenbundes zu Stuttgart im September 1850, S. 42. Zit. n. Lechler, a.a.O., S. 45. Ebd. S. 47.

1. Gegner der Revolution und Teilnehmer der Erhebung

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chen Gemeinschaft gegen jeden Nationalismus, der dieses Ideal notwendig aufzubrechen und jegliche interkulturelle Gemeinschaft zu parzellieren droht. Es wird im Folgenden zu klren sein, wann die gemeinschaftliche staatliche und mçglicherweise auch kulturelle Identitt zwischen den Bewohnern des Kçnigreiches und der Herzogtmer zerbrach, welche Einflsse hierfr verantwortlich waren und welche historischen Persçnlichkeiten an diesem jahrzehntelangen Prozeß aktiven Anteil hatten, der in der Erhebung gegen Dnemark gipfelte. Wo standen diese Persçnlichkeiten weltanschaulich, wie sah ihr Bildungsweg aus und welche Universitten wurden fr sie maßgeblich? Insbesondere fr die vormrzliche Zeitspanne lßt sich ein Auseinanderdriften von Kirche und Brgertum als dem zunehmenden Trger der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung vermuten. Insofern kann die Beschftigung mit den zunehmend kirchlich distanzierten Deutungsaktivisten gesellschaftlicher und sozialer Prozesse auch einen Beitrag zu einer historischen Betrachtung der schleswig-holsteinischen Landeskirche „von außen“ leisten. In einer nachhaltig wirkenden, wenngleich nicht unumstritten gebliebenen These hat Gerhard Ebeling 1947 geußert: „Kirchengeschichte ist die Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift“7. Die lang anhaltende Diskussion dieser Auffassung8 veranlaßte Ebelingzu einer Erweiterung des Auslegungsbegriffs, indem er betonte: „Gerade die so genannten nicht-theologischen Faktoren der Kirchengeschichte sind dabei wichtig, um sowohl die entsprechenden nichttheologischen Faktoren in der eigenen kirchlichen und theologischen Situation als auch die notwendige gegenseitige Durchdringung des Geistlichen und Weltlichen und die darin in besonderem Maße akut werdende Problematik der Auslegung zu erkennen“9. Insoweit stellt die oben anvisierte theologische Auseinandersetzung 7 8

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Gerhard Ebeling, Kirchengeschichte als Auslegung der Heiligen Schrift, Tbingen 1947; erneut abgedruckt in: Ders., Wort Gottes und Tradition. Studien zu einer Hermeneutik der Konfessionen, Gçttingen 1964, S. 9 – 27, hier S. 9. Hierzu als berblick: Friedrich de Boor, Kirchengeschichte oder Auslegungsgeschichte, ThLZ 97 / 1972, S. 401 – 414, bes. S. 412, sowie Eckehart Stçve, Art. „Kirchengeschichtsschreibung“, in: TRE Bd. XVIII, Berlin / New York 1989, S. 535 – 560, hier S. 553. Gerhard Ebeling, Diskussionsthesen fr eine Vorlesung zur Einfhrung in das Studium der Theologie, in: Ders., Wort und Glaube, 1. Aufl. Tbingen 1960, 3. Aufl. Tbingen 1967, S. 447 – 457, hier S. 454. Mit dieser im Verlauf der Diskussion seiner These erheblich ausgeweiteten Konzeption von Auslegungsgeschichte intendiert Ebeling einen Interpretationshorizont, unter dem profangeschichtliche und theologische Aspekte in ihrer gegenseitigen Durchdringung und Beeinflussung in den Blick kommen. Ungeachtet der vom Ansatz her zur Aus-

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des Stuttgarter Kirchentages ber die Frage nach der sachgemßen Auslegung des christlichen Obrigkeitsverstndnisses nach Rçm 13 qualitativ ein Stck Kirchengeschichte dar. Doch sind mit diesem sicher nicht unwesentlichen Stck Kirchengeschichte nicht auch eben diejenigen Entscheidungen und Nçte jener Geistlichen als weiterer Teil einer regionalen Kirchengeschichte untrennbar verbunden, die zum Anlaß jener in Stuttgart gefhrten Erçrterungen geworden waren? Gewiß hatten die Geistlichen der Herzogtmer vor ihrer Teilnahme an der Erhebung sowohl die Schrift als auch ihr Gewissen befragt. Auch sie hatten damit die Schrift ausgelegt und gestalteten daraufhin einen regionalen Teil der gesamten Kirchengeschichte. Unter welchen Bedingungen aber trafen die zuletzt sogar in existentielle Not geratenen Geistlichen der Herzogtmer ihre Entscheidungen fr ihr kirchliches, staatsbrgerliches und letztlich auch politisches Handeln? Welche außerkirchlich gewonnenen geistigen und geschichtlichen Krfte und Entwicklungen waren es berhaupt, die mit dem Jahr 1848 die in der engen Region auf der Landbrcke zwischen deutschem und skandinavischem Kulturraum agierenden Geistlichen geradezu zwangen, ihre spezifische kirchliche Position in einem zum Krieg werdenden Konflikt einzunehmen? Und wann hatten diese Krfte begonnen, sich zu entfalten? Alexander Scharff hat die rhythmische Identitt zwischen der Auseinandersetzung um die Herzogtmer, insbesondere um Schleswig, und uferung neigenden Betrachtungsweise fragt eine in dieser Weise orientierte Kirchengeschichte in ihrem Kern nach der jeweiligen Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Zustimmung erfuhr Ebelings Ansatz in neuerer Zeit etwa von Rainer Lachmann, Religionsunterricht – Orientierung fr das Lehramt, Gçttingen 2006, S. 175; ferner von G.[odehard] Ruppert, J.[çrg] Thierfelder, H.[erbert] Gutschera und R.[ainer] Lachmann, Kirchengeschichte im Religionsunterricht, in: Rainer Lachmann, Herbert Gutschera und Jçrg Thierfelder, Kirchengeschichtliche Grundthemen. Historisch-systematisch-didaktisch, 2. Aufl Gçttingen 2008, S. 12 – 42. Ebd. S. 15 arbeiten die Autoren ein kirchengeschichtliches Konzept unter den aufeinander bezogenen Intentionen „der erinnernden Rckbindung an die biblische Tradition“ und des Anstoßes eines „existentiellen Fragens und Verstehens“ heraus. Auch den hier vorliegenden Studien liegt ein sehr weitgefaßtes Verstndnis von Auslegungsgeschichte zugrunde: Smtliche ins Blickfeld geratenden historischen Phnomene und ußerungen, die sich direkt und aufgrund ihres Selbstverstndnisses, jedoch auch indirekt, ohne unmittelbares Bewußtsein eines Ereigniszusammenhanges, als Auswirkungen der biblischen berlieferung und deren Auslegung verstehen lassen, sind Gegenstnde der Kirchengeschichte. Eine solche Auffassung harmoniert nicht zuletzt mit der traditionellen Begrifflichkeit der „Historischen Theologie“.

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der allgemeinen europischen Entwicklung hervorgehoben10. Was bedeutet vor dem Hintergrund dieser Einschtzung die Tatsache, daß Ludwig Philipp von Orlans, der sich mit revolutionrem Namen Louis Philippe galit genannt hatte, als girondistischer Flchtling wenige Jahre nach der Revolution von 1789 als Hauslehrer im Herzogtum Schleswig in Friedrichstadt ttig ist und durch die Revolution von 1830 als franzçsischer Brgerkçnig eben jenen Thron besteigt, den er zu Beginn der Revolution von 1848 wieder verliert? Welche Auswirkungen hatte etwa die Anwesenheit des Marquis Marie Joseph Motier de Lafayette in den Herzogtmern, der immerhin Verfasser der Menschenrechtserklrung war und whrend der amerikanischen Revolution bis zu deren Ende an der Seite George Washingtons gelebt und gekmpft hatte? Importierten franzçsische Revolutionsflchtlinge in ihren Revolutionsschilderungen neben der Schilderung des revolutionren Terrors auch Gehalt und Drohung der revolutionren Dechristianisierungsideologie von 1789? Die Trias aufeinander folgender franzçsischer Revolutionen11, ihre jeweiligen Auswirkungen im gesamteuropischen Umfeld und das langjhrige und sich in seinen Haushaltsdefiziten bis in den Vormrz folgenreich auswirkende Bndnis des dnischen Gesamtstaates mit Napoleon als dem gekrçnten Erben der Revolution legen es nahe, die Grundlagen der schleswig-holsteinischen Erhebung in der auch nçrdlich der Elbe seit der ersten Franzçsischen Revolution gefhrten Auseinandersetzung um die Staatsgewalt zu suchen. Diese Auseinandersetzung wurde unter den Bedingungen der Zensur mehr oder minder offen vor den Kirchentren ausgetragen. Hinter 10 Vgl. dens., Schleswig-Holstein in der europischen und nordischen Geschichte, in: Ders., Schleswig-Holstein in der deutschen und nordeuropischen Geschichte. Gesammelte Aufstze, Stuttgart 1969, S. 31 f.: Fr den Historiker sei es „ein fast dramatisch anmutendes Erlebnis […] zu beobachten, wie die Auseinandersetzung um die Herzogtmer, um Schleswig im gleichen Rhythmus fortschreitet wie die allgemeine europische Entwicklung. 1830: das Jahr der franzçsischen Julirevolution, der Grndung des belgischen Staates, des polnischen Freiheitskampfes, ist zugleich das Jahr des Auftretens Lornsens und der durch ihn und um ihn entfachten Erregung im dnischen Gesamtstaat – Ereignisse, die zu weittragenden Entschlssen in Kopenhagen fhren […] 1848: […] eine europische Revolution, eine gesamtdeutsche Revolution, auch in Kopenhagen eine Mrzrevolution, und in den Herzogtmern eine Erhebung in hçchst eigentmlichen Sonderformen“. 11 Die wirkungsgeschichtliche Kohrenz der franzçsischen Revolutionen zwischen 1789 und 1848 betont a. Michael Salewski, 1848: Dimensionen einer Revolution, in: ZSHG 123 / 1998, S. 7 – 26, hier S. 11: „Die Revolution von 1789 und die Februarrevolution in Paris von 1848 waren das große Menetekel der deutschen Revolution von 1848“.

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den Kirchentren blieb es zumeist recht still. Doch erwies sich die Auseinandersetzung um die Staatsgewalt bis in die Erhebungszeit hinein als anhaltende Herausforderung der staatskirchlichen Geistlichkeit in den Herzogtmern.

2. Verlauf und Stand des bisherigen kirchengeschichtlichen Interesses an der Positionierung der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit im 1789 einsetzenden und 1851 endenden Diskurs um die Staatsgewalt Das theologische Interesse an der Positionierung der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit gegenber den Kontexten von Revolution und Erhebung zeigt sich zur Mitte des 19. Jahrhunderts erheblich strker ausgeprgt als whrend der Folgezeit. Damals beteiligten sich die Pastoren der Herzogtmer an konkreten revolutionren Geschehnissen und boten unmittelbar Anlaß zu einer Thematisierung ihrer Haltung im Kontext eines gesamtdeutschen Kirchentags, die in Nicolai Johannes Ernst Nielsens – vielleicht nicht nur damals ungeklrt gebliebener – Frage gipfelte, „wie der Christ und insbesondere der Geistliche sich zu verhalten habe in politischen Dingen“. Vordergrndig schien diese Frage mit der nach 1851 restaurierten Staatskirche – bis 1864 dnischen, nach 1864 und 1866 bis 1918 zunehmend preußischen Geprges – nach berlieferten Mustern beantwortet zu sein. Es ist keine allzu gewagte Vermutung, in dieser ber ein halbes Jahrhundert whrenden staatskirchlichen Verfaßtheit der schleswig-holsteinischen Landeskirche die Ursache eines Rckgangs verschriftlichter Besinnung auf das Verhltnis von Kirche und Erhebung, mithin auf das hier historisch zutage getretene Verhltnis von Christ und Politik jenseits reiner nationalistischer Betrachtung zu sehen. Die Frage nach Erhebung und Revolution stellte sich der Landeskirche erneut erst im Jahre 1918 und erhielt ihre Antwort innerhalb der Weimarer Verfassung. Mit der Aussetzung dieser Verfassung in den Jahren nach 1934 wurde Nielsens 1850 ausgesprochene Frage vor dem Hintergrund einer menschenverachtenden „Obrigkeit“ erneut virulent: Nunmehr jedoch im Kontext eines Kirchenkampfes. Entgegen der historisch anhaltenden Aktualitt der Fragestellung nach der Beziehung zwischen Christen und Staatsgewalt existiert bislang kein ausgiebiger auf die Herzogtmer bezogener berblick ber das Verhltnis der Geistlichen zur Frage nach der Staatsgewalt im Zeitraum zwischen Franzçsischer Revolution von 1789 und dem Ende der Erhebung 1851.

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Bezogen auf den in diesen Zeitraum eingeschlossenen Vormrz gilt die grundstzliche Einschtzung Alexa Geisthçvels, Schleswig-Holstein gehçre „nicht eben zu den Favoriten der deutschen Vormrzforschung“12, mutatis mutandis eben auch im Hinblick auf die kirchengeschichtliche Auswertung des Verhltnisses von Kirche und Vormrz in den beiden Herzogtmern. Ohnehin konstatierte Wolfgang Hardtwig jenseits einer solchen regionalen Fokussierung noch vor etwas mehr als einem Jahrzehnt das generelle „Defizit der Forschung zur Revolution 1848/49, […] daß sie die Bedeutung der Religiositt und die Rolle der Kirchen fr die Wahrnehmung und Interpretation der revolutionren Geschehnisse […] lange weitgehend vernachlssigt hat“13. Vor dem Hintergrund solch grundstzlicher Wahrnehmungen ist es kaum verwunderlich, daß die Anzahl bislang publizierter Beitrge zur Frage nach der Geistlichkeit im Vorfeld sowie im Kontext der schleswig-holsteinischen Erhebung recht berschaubar ist. Wie oben bereits angedeutet, existieren immerhin zahlreiche Quellen zumeist apologetischen Gehalts, die bis in die frhen 60er Jahre des 19. Jahrhunderts von einzelnen schleswig-holsteinischen Pastoren im Hinblick auf ihr Verhalten whrend der Erhebung verçffentlicht wurden14. Bemerkenswerterweise ordnet sich damit ein Teil der jngeren Quellen selbst in die forschungsgeschichtliche Bearbeitung der im Folgenden anvisierten Fragestellung ein. Dabei geht es in diesen zeitgençssischen Publikationen durchgngig um den soeben konkret durchlebten Konflikt, dem sich die schleswig-holsteinischen Geistlichen als Staatsbeamte wie auch als Exe12 Alexa Geisthçvel, Eigentmlichkeit und Macht. Deutscher Nationalismus 1830 – 1851: Der Fall Schleswig-Holstein, Stuttgart 2003, S. 22. 13 Wolfgang Hardtwig, Die Kirchen in der Revolution 1848/49. Religiçs-politische Mobilisierung und Parteienbildung, in: Ders., Hg., Revolution in Deutschland und Europa 1848/49, Gçttingen 1998, S. 79 – 108, hier S. 79. 14 Vgl. diesbezglich etwa N.[icolai Johannes Ernst], Materialien zu einer Appellation fr Schleswig-Holstein und dessen Geistlichkeit; unter Mittheilung von Acten an alle, in Dnnemark nicht weniger als in Deutschland, die Gott frchten und Recht thun, Schleswig 1849; E.[rnst Friedrich] Versmann, Schleswig-Holstein und seine Verklger, 2. Aufl. Kiel 1850; [Christian] A.[ugust Hinrich] Decker, Die Revolution in Schleswig-Holstein. Eine Zuschrift an alle ernste Christen unter Deutschen und Dnen, die Gottes Wort lieben und hçren, Hamburg 1850; Gustav Schumacher, Leiden und Erquickungen eines von den Dnen in Gefangenschaft gehaltenen und aus der Heimath vertriebenen Schleswig’schen Geistlichen, Barmen 1861; ders., Der gerechtfertigte Schleswig-Holsteinismus. Letztes Wort ber und gegen die verleumderischen „Actenmßigen Beitrge“ und „Neuen actenmßigen Beitrge“ eines Dnenfreundes zu Schumachers Buch: „Leiden und Erquickungen.“, Barmen 1862.

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geten der biblischen Obrigkeitslehre zu stellen hatten. Vorrangig thematisiert sich in diesen Publikationen die bewahrte Treue der Geistlichkeit gegenber der provisorischen Regierung bzw. im weiteren Verlauf der Erhebung gegenber der sog. Statthalterschaft – beides eben die obrigkeitlichen Alternativen zum dnischen „Kçnig-Herzog“. Diese Treue der Pastoren zur Alternativregierung der schleswig-holsteinischen Erhebung zeigte sich in zwei extrem çffentlichkeitswirksamen Aspekten: Einerseits in ihrer Verweigerung der Verlesung kçniglicher Gesetze im Zuge der gebotenen Kanzelpublikation, andererseits im Kontext des sonntglichen Frbittengebetes, dessen berlieferung die gemeindliche Bitte fr den Kçnig als des Landesherrn von jeher zur wçchentlichen Pflicht gemacht hatte. Eben dieses Gebet fr den Kçnig vermieden die Geistlichen whrend der Erhebungszeit; stattdessen folgten sie dem durch die provisorische Regierung vorgeschriebenen Gebetsformular, demzufolge in der sonntglichen Frbitte des „Frsten“ gedacht wurde. Solche Entscheidungen grndeten die Geistlichen auf die Voraussetzung einer aktuell unbedingten Unfreiheit des Landesherrn; die betreffenden Publikationen werden nicht mde, sich auf dieses Kriterium der Legitimitt zu berufen. Problematisch erscheint jedoch die pauschale Stigmatisierung eines ganzen Volkes, wenn etwa der Wesenberger Pastor Christian August Decker nchtern erklrt: „Das Dnenvolk ist unser Feind“15. An dieser Stelle zeigt sich deutlich die eklatante Schwchung des der Kirche gebotenen Versçhnungsauftrages in der Folge einer gemeindeorientierten Parteinahme der Geistlichen16. Jenseits jener Autoren, die sich im dargestellten Sinne als direkt Betroffene mit dem Problem der sich historisch wandelnden Staatsgewalt auseinandersetzen, publiziert Karl Jansen im Jahre 1891 seinen Vortrag ber „Die Haltung der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit in der schleswig-holsteinischen Erhebung“17. Nationalreligiçses Pathos skularisiert den christlichen Erlçsungsbegriff im Sinne der zwischenzeitlich 1871 vollzogenen „Wiedergeburt desjenigen Volkes, welches eine hçhere Hand, so glauben wir, nicht ohne Absicht in die Mitte unseres Weltteils gefhrt 15 [Christian] A.[ugust Hinrich] Decker, Die Revolution in Schleswig-Holstein. Eine Zuschrift an alle ernste Christen unter Deutschen und Dnen, die Gottes Wort lieben und hçren, S. 73. 16 Im Titel seiner Publikation reflektiert Decker diesen Aspekt noch, wendet er sich doch differenzierend „an alle ernsten Christen unter Deutschen und Dnen“. 17 Ders., Die Haltung der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit in der schleswigholsteinischen Erhebung, Im Lutherhaus gehaltener Vortrag vom 12. November 1890, erschienen im Folgejahr in Kiel.

2. Verlauf und Stand des bisherigen kirchengeschichtlichen Interesses

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hat“18. Insofern zeigen sich die Herzogtmer und ihre Erhebung Jansen als Teil jener umfassenden Freiheitsgeschichte, in deren Vollzug sich Deutschland in der Parallelitt von Reformationsereignis und nationaler Wiedergeburt jeder „Fremdherrschaft“ entledigen konnte. Dabei greift der Autor auf die Franzçsische Revolution und deren „Sohn“ Napoleon Bonaparte zurck, die er als auslçsende Krfte fr den Untergang des Alten Reiches und die Entstehung des neuen Kaiserreiches ansieht19. Die Erhebungsgeschichte solcherart als Teil einer deutschen Freiheitsgeschichte begreifend, wrdigt Jansen zunchst regionale historische Deutungsaktivisten wie Friedrich Christoph Dahlmann und Uwe Jens Lornsen. Der von diesen ausgelçste und mit ihnen verbundene Prozeß deutscher Identittsfindung der Herzogtmer habe im weiteren geschichtlichen Verlauf seinen Ausdruck gefunden im Ereignis der Erhebung20. Indem die schleswig-holsteinische Geistlichkeit dieser beigetreten sei, habe sie sich direkt in Luthers Nachfolge begeben: „Hat nicht Luther uns außer der Kindschaft im Himmel auch ein Vaterland auf Erden wiedererstritten? Eine wie mchtige Stimme hat dieser Doktor der heiligen Schrift in den Hndeln dieser Erde, im Rate seiner Frsten gefhrt, sobald das Evangelium und das Gewissen in Frage kamen“21. Solche Betonung der „skularen Seite“ Luthers wird zur Grundlage fr Jansens anschließende positive Wrdigung der Haltung der Geistlichen whrend der Erhebungszeit; dabei zeigt er die historischen Gegebenheiten bis zum Kriegsende chronologisch auf und wertet den verlorenen Krieg der Schleswig-Holsteiner als Resultat der durch Intervention der europischen Großmchte siegreich gewordenen Restauration22. Zum fnfzigsten Jahrestag der Erhebung erscheint 1898 eine Publikation des Vereins fr Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte23. Deren Autor, der Hostruper Pastor J.H. Weiland24, schildert die Geistlichkeit der 18 19 20 21 22 23

Ebd. S. 5. Ebd. Hierzu ebd. S. 6 – 11. Ebd. S. 11. Ebd. S. 12 – 27. J.H. Weiland, Die Geistlichkeit Schleswig-Holsteins whrend der Erhebung, in: Beitrge und Mitteilungen des Vereins fr schleswig-holsteinische Kirchengeschichte, II. Reihe. 3. Heft, Kiel 1898, S. 1 – 94. 24 Bemerkenswerterweise erscheint dieser in Nordschleswig amtierende Pastor nicht im von Otto Fr. Arends herausgegebenen Verzeichnis der „Gejstligheden i Slesvig og Holsten fra Reformationen til 1864. Personal-historiske Undersøgelser“ Band I – III, København 1932; dies lßt den Schluß zu, daß Weiland sich nicht selbst an der Erhebung als aktiver, bereits bestallter Pastor beteiligt haben kann.

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Herzogtmer eingangs seines „historischen Rckblicks“ als „wesentlichen Faktor“ der Erhebung, indem sie, „wie es ihrem Amt gebhrte, fr das erkannte Recht und die Wahrheit freies Zeugnis“ abgelegt habe und zu einem „Vorbild“ fr „Opferwilligkeit und Vaterlandsliebe“ geworden sei25. Gegen den von dnischer Seite erhobenen Vorwurf einer „trben Vermischung des Nationalen und Religiçsen, des Kirchlichen und Politischen“ nimmt Weiland die in der Erhebung agierenden Geistlichen der Herzogtmer nachhaltig in Schutz26 : „Wie htten […] die Pastoren, die doch mit ihrem Volk lebten, dachten und fhlten und mehr als andre durch ihr Amt mit dem Volk in all seinen Schichten verbunden waren, in khlem Indifferentismus abseits stehen kçnnen?“27. So erscheint Weiland die bewahrte seelsorgerliche Nhe der Geistlichen zu ihren Gemeinden als ein entscheidender kirchlicher Aspekt whrend der Erhebungszeit. Inwieweit die Pastoren der Herzogtmer solche Gemeindenhe whrend der vormrzlichen Zeitspanne nach 1830 und der postrevolutionren Zeit nach 1789 praktizierten, thematisiert der Autor nicht. Dagegen schildert Weiland das Verhltnis der Herzogtmer zu Dnemark in einer breit angelegten historischen Betrachtung28 und hebt dabei eingangs das 1460 durch Christian I. als erstem Oldenburger auf dem dnischen Thron bewilligte Ripener Privileg hervor, demzufolge die beiden „Lande“ Schleswig und Holstein „up ewig ungedeelt“ bleiben sollten. Innerhalb seines Darstellungsteils zur Erhebung und zur Stellung der Geistlichen gegenber dieser29 greift Weiland jene originalen Publikationen der zeitgençssischen Pastoren auf, die bereits oben Erwhnung fanden. Den hier ausgewerteten Publikationen fgt er Entlassungsstatistiken an, die er dem SchleswigHolsteinischen Kirchen- und Schulblatt der Jahrgnge 1850/51 entnimmt, und exzerpiert die apologetischen Stellungnahmen einzelner an der Erhebung beteiligter Geistlicher gegenber der aus Rçm 13 in berlieferter staatskirchlicher Praxis postulierten und realisierten Pflicht zur Untertanentreue30. Dem historischen Vorwurf nicht eingehaltener Untertanentreue begegnet Weiland abschließend mit der Aufnahme des historischen Legitimierungskonzeptes vom unfreien Landesherrn und wrdigt die

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J.H. Weiland, Die Geistlichkeit Schleswig-Holsteins whrend der Erhebung, S. 4. Ebd. S. 5 f. Ebd. S. 6. Ebd. S. 7 – 15. Ebd. S. 15 – 80. Ebd. S. 80 – 87.

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Geistlichen der Erhebungszeit als Wahrer der „geistigen und religiçsen Gter des Volkes“31. Stellt Weiland die bewahrte Verbundenheit zwischen Pastoren und Gemeinden als ein zur Teilnahme an der Erhebung fhrendes Motiv der schleswig-holsteinischen Geistlichen in den Vordergrund, so erkennt Walter Gçbell in seinem 1979 verçffentlichten Essay „Kirche und Geistlichkeit zwischen Revolution und Legitimitt in der schleswig-holsteinischen Erhebung 1848/1849“32 insgesamt drei handlungs- und verhaltensleitende Hauptmotive. Hierzu rechnet der Kieler Kirchengeschichtler zunchst das „Motiv der landesrechtlichen Legitimitt, orientiert am historischen Rechtsbegriff“33, das angesichts des historisch bevorstehenden Aussterbens mnnlicher Erben im oldenburgschen Kçnigshaus in der ungeklrten Erbfolgefrage gewurzelt habe; ein weiteres Motiv erblickt der Autor im „liberalen Nationalstaatsgedanken“, hervorgehend aus der „berzeugung, daß Schleswig-Holstein aus nationalen Grnden zu Deutschland gehçre“34. Ein drittes, insbesondere die Protagonisten der Erhebungsgeistlichen betreffendes Motiv sieht Gçbell im „mißtrauenden Widerstreben“ gegen die eine Inkorporation Schleswigs intendierende dnische „Eiderpolitik“35. Erbrechtliche, deutschnationale und antidnische Motive macht Walter Gçbell also fr die an der Erhebung beteiligten Geistlichen geltend. Klar hebt er hervor, daß deren Widerstand „nicht von den Ideen der Franzçsischen Revolution bestimmt“ gewesen sei, da „der Grundzug vielmehr eine auf die alten Landesrechte ausgerichtete Haltung, die vom deutschen Nationalgefhl bestimmt war“, gewesen sei36. Dabei htten die Pastoren nur die Wahl zwischen der „nationalen Sache“ und ihrem Amtseid gehabt, wodurch die politischen Fragen nicht nur zu „Gewissensfragen“

31 Ebd. S. 66 f. 32 Walter Gçbell, Kirche und Geistlichkeit zwischen Revolution und Legitimitt in der schleswig-holsteinischen Erhebung 1848/1849, Sonderdruck aus: Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus, hg. von Martin Brecht u. a., Band 5: Die evangelischen Kirchen und die Revolution von 1848, Gçttingen 1979, S. 84 – 104. 33 Ebd. S. 88 f. 34 Walter Gçbell, Kirche und Geistlichkeit zwischen Revolution und Legitimitt in der schleswig-holsteinischen Erhebung 1848/1849, S. 90. 35 Ebd. 36 Ebd. S. 90 – 95.

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geworden seien, sondern fr die Geistlichkeit auch „einen religiçsen Charakter“ angenommen htten37. Mit Lorenz Hein ußert sich 1989 ein weiterer Kieler Kirchengeschichtler zum Verhltnis der schleswig-holsteinischen Geistlichen gegenber der Erhebung38. Hein arbeitet zunchst unter Hinweis auf die Bundesakte vom 8. Juni 1815 den unterschiedlichen rechtlichen Status Schleswigs und Holsteins heraus; auf Grund der Stellung Holsteins als der eines deutschen Bundesstaats war „die Amtsttigkeit […] der holsteinischen Pastoren […] trotz der schwierigen politischen Verhltnisse weniger gefhrdet“39. Chronologisch den Gang der Ereignisse aufzeigend, spricht Hein im Hinblick auf die Beteiligung der Geistlichen an der Erhebung ausdrcklich von einem „Kirchenkampf“40, in dessen theologischer Kontroverse es um „die Frage nach dem Verhltnis von Macht und Recht“ gegangen sei: „Wie muß ein Christ sich verhalten, wenn Macht Recht bricht. Wo liegt die Grenze der Loyalitt dem Staat gegenber, wenn es um mehr geht als nur um das monarchische Prinzip oder die Volkssouvernitt, wenn vielmehr das Gewissen des einzelnen Brgers getroffen ist […] Wer war eidbrchig? Der Kçnig, der sich dem Druck der Eiderdnen beugte und sich ber verbriefte Rechte der Herzogtmer hinwegsetzte (so die Schleswig-Holsteiner) oder jene Pastoren und Beamten, die immerhin dem Souvern einen Eid geleistet hatten (so die dnische Seite)?“41

Gewiß hebt Hein damit die in der theologischen Kontroverse virulent gewordenen Alternativen angemessen heraus. Dennoch scheint seine Verwendung der Begrifflichkeit der durch konkrete Geschehnisse des 20. Jahrhunderts besetzten Vorstellung des „Kirchenkampfes“ fragwrdig. Immerhin gehçrte zu den elementaren Voraussetzungen der spteren Auseinandersetzungen der christlichen Kirchen mit dem Nationalsozialismus dessen bereits frh ausgeprgte antichristliche Grundhaltung, die alternativ ein germanisch-vçlkisches Staatskirchentum intendierte. Die einander befehdenden schleswig-holsteinischen und dnischen Aktivisten 37 Ebd. S. 104. 38 Lorenz Hein, Die Kirche zur Zeit der Stndeversammlungen und der Herauslçsung der Herzogtmer aus dem dnischen Gesamtstaat (Kirche und Staat vor 1864), in: Verein fr Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte. Hans Joachim Ramm u. a., Hg., Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte. Band 5: Kirche im Umbruch, Neumnster 1989, S. 125 – 161. 39 Ebd. S. 156 [Anmerkungsteil]. 40 Ebd. S. 142 f. 41 Ebd. S. 144 f.

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der Jahre 1848 bis 1851 beriefen sich hingegen bei unterschiedlichen exegetischen Resultaten auf die gleiche christliche berlieferung. Es war nicht die Herausforderung des kirchlichen Bekenntnisses, die die Pastoren der Herzogtmer zum Widerstand veranlaßte; es war die Frage, inwieweit ein vormals absoluter Monarch, der seine Funktion und Position im christlichen berlieferungszusammenhang auf den gçttlichen Willen hatte zurckfhren kçnnen, nunmehr als konstitutioneller Monarch einen Gesinnungswandel vollziehen durfte, in dessen Folge ein viele Jahrhunderte altes weltliches Recht aufgehoben wurde. Das Konstrukt vom „unfreien Landesherrn“ basierte letztlich also auf berlieferten absolutistischen Implikationen; von vornherein mußte es sich gegenber dem im dnischen Gesamtstaat 1848 neu etablierten Konstitutionalismus sperren. Insofern kçnnte allenfalls die Vorstellung des Gottesgnadentums als integraler Bestandteil einer bekenntnisorientiert gefhrten Auseinandersetzung der schleswig-holsteinischen Pastoren geltend gemacht werden. Damit stellt sich die Frage nach dem kryptischen Absolutismus der an der Erhebung beteiligten Geistlichen, der seinerseits bei einem erfolgreichen Ausgang der schleswig-holsteinischen Interessen frher oder spter htte offenbar werden mssen, um sich dann mçglicherweise auf einen alternativen Monarchen zu richten. Dies jedoch htte den Schulterschluß zwischen Pastoren und Gemeinden durchaus beeintrchtigen kçnnen. Insofern ist Lorenz Hein nicht recht zu geben, wenn er den obrigkeitlichen Konflikt der im Sinn der Erhebung wirkenden Geistlichen als einen Kirchenkampf auffaßt. Zwar ist ihm zuzustimmen, wenn er betont, daß „fhrende und konfessionell orientierte Theologen der Erhebung“ keinem „blinden Staatsservilismus, wie er dem Luthertum nachgesagt wird“, gehuldigt htten42. Doch daß die Geistlichen der Herzogtmer nun gerade zu „einer kritischen Bewußtseinsbildung gegenber der Obrigkeit beigetragen“43 htten, wird durch deren Berufung auf eine postulierte Unfreiheit des Landesherrn deutlich konterkariert. Implizit pldierten die Geistlichen whrend der Erhebung fr die Bewahrung berlieferter politischer Strukturen. Deswegen unterschieden sie sich intentional grundlegend von jenen prorevolutionren gesellschaftlichen Krften, die die Erhebung der Herzogtmer initiiert und durchgefhrt hatten. Diese erhebliche Differenz, die auf der Seite der Geistlichen neoorthodoxes 42 Lorenz Hein, Die Kirche zur Zeit der Stndeversammlungen und der Herauslçsung der Herzogtmer aus dem dnischen Gesamtstaat (Kirche und Staat vor 1864), S. 146. 43 Ebd.

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Luthertum und Erhebungsteilnahme miteinander verbunden sein ließ, gilt es in den vorliegenden Studien deutlicher herauszuarbeiten. Liegen somit vier kurze Monographien bzw. essayistische Arbeiten zum Verhalten der schleswig-holsteinischen Theologen whrend der von 1848 bis 1851 whrenden Erhebung vor44, so fehlen entsprechende Studien sowohl fr die vormrzliche als auch postrevolutionre Zeitspanne jenseits von 1789. Hinsichtlich des zuletzt genannten Zeitraumes hat Johann Anselm Steiger den „Rationalismus ,im engeren Sinne‘“ als Bezeichnung jener „kirchen- und theologiegesch.[ichtlichen, L.-P.] Bewegung der Sptaufklrungszeit (seit ca. 1790)“45 hervorgehoben, die „smtliche der ratio nicht faßbaren Lehren (insbes.[ondere, L.-P.] Trinittsdogma, ZweiNaturen-Lehre, Versçhnungslehre sowie Eschatologie) der Dogmenkritik unterzogen“ habe46. Stattdessen seien whrend dieser Zeitspanne „die allen Menschen a priori und ohne Intervention einer bernatrlichen Offenbarung inhrierenden und einsehbaren Inhalte natrlich-vernnftigen 44 Die Sinnhaftigkeit einer grundstzlichen Beschftigung mit der Frage nach dem Verhltnis von Kirche und prorevolutionrer 1848er Bewegung und darber hinausgehend auch mit dem Verhltnis der einzelnen Landeskirchen zur revolutionren Frage im Gefolge der Franzçsischen Revolution an sich verdeutlicht der Umstand, daß hinsichtlich manch anderer Region bereits entsprechende Studien existieren; vgl. etwa fr Bayern: Alfred Roth, Der Einfluss der Revolution auf das landesherrliche Kirchenregiment in Bayern rechts des Rheins, masch.-schr. Diss., Wrzburg 1920; Ferdinand Magen, Protestantische Kirche und Politik in Bayern. Mçglichkeiten und Grenzen in der Zeit von Revolution und Reaktion 1848 – 1859, Kçln / Wien 1986; fr Wrttemberg: Gerhard Schfer, Die evangelische Kirche in Wrttemberg und die Revolution 1848/49, in: Pietismus und Neuzeit, Band 5, hg. im Auftrag der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus, Gçttingen 1979, S. 39 – 65; Stefan J. Dietrich, Die christlichen Kirchen Wrttembergs in Revolution und Reaktion (1848 – 1852), Tbingen 1993; fr Baden: Bettina Katharina Dannenmann, Die evangelische Kirche in Baden im Vormrz und whrend der Revolution 1848/49, Frankfurt/M. 1996; Friedrich Ebinger und Karl-Heinz Dubronner, Evangelische Kirche und badische Revolution, Karlsruhe 1998; fr die Pfalz: Erich Schunk, Franzçsische Revolution und pflzischer Protestantismus, St. Ingbert 1992; fr die Rheinprovinz: Klaus Schmidt, Kanzel, Thron und Demokraten: Die Protestanten und die Revolution 1848/49 in der preußischen Rheinprovinz, Kçln 1998; fr Berlin-Brandenburg: Rdiger Hachtmann, Vormrz und Revolution von 1848 in Berlin und Brandenburg. Von protestantischer Geistlichkeit, brgerlicher Moderne und sozialer Not, Berlin 1998. 45 Johann Anselm Steiger, Art. „Rationalismus. II. Religionsphilosophisch. III. Kirchengeschichtlich: Rationalismus und Supranaturalismus. IV. Dogmatisch“, in: RGG 4 Bd. 7, Sp. 48 – 54, hier Sp. 49. 46 Ebd.

2. Verlauf und Stand des bisherigen kirchengeschichtlichen Interesses

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Glaubens, allen voran Gott, Freiheit und Unsterblichkeit (der Seele)“ ins Zentrum des Interesses gerckt47, „was mit einer starken Konzentration auf den ersten Glaubensartikel (Schçpfung, Vorsehung)“48 einhergegangen sei. Von diesen geistesgeschichtlichen Voraussetzungen her werden fr die Frage nach dem Verhltnis von Revolution und Geistlichkeit whrend der postrevolutionren Phase die zeitgençssischen Predigten relevant. Hier setzen bereits verschiedene Arbeiten Wichmann von Medings an49, die aufzeigen, wie sich in einer Zeit voller emanzipativer Tendenzen des durch die Revolution erweckten Brgertums der Blick kirchlicherseits in die Richtung einer wiedererweckten Neoorthodoxie wendet, die in den Herzogtmern vorrangig mit dem Namen von Claus Harms verbunden ist. In der innerkirchlichen Auseinandersetzung gerade um die Zwei-NaturenLehre, die Versçhnungslehre und damit eben um den zweiten Glaubensartikel zeigt sich in den dabei verhandelten Alternativen zwischen exklusiv gçttlichem Heilshandeln und dem Anspruch menschlicher Perfektibilitt mçglicherweise ein stellvertretender Diskurs ber den hybride anmutenden Anspruch des revolutionren Menschen. Daß sich die Geistlichen nçrdlich der Elbe in der Folge der Befreiungskriege manchen postrevolutionren Tendenzen grundstzlich verweigerten, arbeitet Wichmann von Meding an der hier geltenden Auffassung Luthers heraus: Der „deutsche Luther“ des Jahres 1817 wurde in den Herzogtmern „religiçs verstanden“50, hier ging es erkennbar „um die Sache der Bibel“51. Den Fortgang dieser Sache aber betrieben ber den Vormrz hinaus bis in die Erhebungszeit hinein Claus Harms und der Kreis seiner Schler und Anhnger. Insofern gehçrt auch jene umfangreiche Forschungsliteratur in den Gesichtskreis der vorliegenden Studien, die mit dem holsteinischen Pastor und Propsten Claus Harms den im Absolutismus und der Staatskirche

47 Ebd. 48 Ebd. 49 Wichmann von Meding, Hg., Predigten von protestantischen Gottesgelehrten der Aufklrungzeit, Nachdruck der Original-Ausgabe Berlin 1799, Darmstadt 1989; ders., Zwischen Altona und Kiel. Die Predigt des Evangeliums in den dnischdeutschen Herzogtmern beim Reformationsjublium von 1817, in: SSHKG II. Reihe, 38 / 1982, S. 49 – 61; ders., Kirchenverbesserung. Die deutschen Reformationspredigten des Jahres 1817, Bielefeld 1986. 50 Wichmann von Meding, Kirchenverbesserung. Die deutschen Reformationspredigten des Jahres 1817, S. 156. 51 Ders., ,,Zwischen Altona und Kiel“, S. 54.

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Einleitung

verwurzelten Protagonisten der neoorthodoxen Erweckung und Entwicklung in den Herzogtmern in den Blick nimmt52.

3. Zielsetzung und Vorgehen Die Auswirkungen der Franzçsischen Revolution trafen im von der Sptaufklrung beeinflußten Zeitraum auf ein Brgertum, das die berlieferten gesellschaftlichen Parameter nicht mehr fraglos hinzunehmen bereit war. Die in der Revolution machtvoll demonstrierten antifeudalen Tendenzen weckten ungeachtet des berwiegend abgelehnten revolutionren Terrors Fragen und Interessen des aufgeklrten Brgertums, die sich in anwachsenden emanzipativen Bedrfnissen des sog. Dritten Standes europaweit artikulierten. Die Benennung und regionale Durchsetzung brgerlicher Interessen bedeuteten Angriffe auf tradierte staatliche Verfaßtheiten, die nicht zuletzt vor dem Hintergrund der sich in der Franzçsischen Revolution inszenierenden Dechristianisierungsideologie zu einer gravierenden Herausforderung jener Staatskirchen anwuchsen, die sich ihrerseits mit der berlieferten Gesellschaftsordnung identifizierten. In den vorliegenden Studien richtet sich das Interesse auf die staatskirchlichen Geistlichen der Herzogtmer Schleswig und Holstein und die Art und Weise, wie sie der revolutionren Frage im historischen Kontext von 1789 bis zum Ende der whrend der Jahre 1848 bis 1851 zum Krieg gewordenen Erhebung gegen Dnemark begegneten. Es ist also vorrangig ein regional fokussiertes kirchengeschichtliches Interesse, das die folgenden Untersuchungen motiviert. Zugleich gilt es jedoch zu bedenken, daß Schleswig und Holstein whrend des anvisierten Zeitraumes Teilstaaten eines multiethnischen Konglomeratstaates waren. Intensiviert durch die geographische Beschaffenheit als Landbrcke zwischen Nordeuropa und den sdlich gelegenen deutschen Staaten stellten sich in dem territorial engen Raum der Herzogtmer mit besonderem 52 Dazu rechnen sich etwa Michael Baumgarten, Ein Denkmal fr Claus Harms, Braunschweig 1855; C.[arsten] E.[rich] Carstens, Zur Geschichte des Harms’schen Thesenstreites, in: ZSHG 20 / 1890, S. 269 – 281; Friedrich Wintzer, Claus Harms. Predigt und Theologie, Flensburg 1965; Kurt Jrgensen, „Das nennen sie Rebellion, wir nicht also… So sind die Herzogtmer fr ihr nationales Recht aufgestanden“: Claus Harms und die Erçffnung der Schleswig-Holsteinischen Landesversammlung am 15. August 1848 in Kiel, in: Adel – Geistlichkeit – Militr. Festschrift fr Eckardt Opitz zum 60. Geburtstag, hg. von Michael Busch und Jçrg Hillmann, Bochum 1999, S. 45 – 57.

3. Zielsetzung und Vorgehen

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Nachdruck Anfragen nach deren kultureller und zuletzt nationaler Identitt, die im Verlauf der ersten Hlfte des 19. Jahrhunderts zunchst ihre Brisanz und schließlich politische Sprengkraft entfalteten. Zeitgleich mit der sich vorbereitenden Ablçsung der althergebrachten Gemeinschaftsformen des dnischen Gesamtstaates durch den modernen Gedanken einer dnischen und deutschen Nation vollzog sich jener Skularisierungsprozeß53, der das Lebensgefhl des aufsteigenden Brgertums begleitete und jenen auf sich selbst gestellten Menschen voraussetzte, der das Evangelium zunehmend von der Ethik her verstehen wollte. Hier waltete ber die Jahrzehnte hinweg eine prozessuale Dynamik, der die Kirche der Herzogtmer mit bloßer Besinnung auf die Tradition nicht dauerhaft ohne die Hinnahme innerlicher und ußerlicher Distanzierung ihrer brgerlichen Gemeindeglieder zu begegnen vermochte. Wie fand Kirche als Staatskirche unter diesen Bedingungen zu einer Antwort auf die Frage nach der legitimen Obrigkeit? Und welche Nhe zum emanzipativ gesinnten politisierten Brgertum konnte diese Kirche bewahren? Unter solchen Blickwinkeln tritt neben das regionale kirchengeschichtliche Interesse dasjenige einer Fallstudie, die – zugespitzt formuliert – historisches kirchliches Handeln zwischen berlieferungstreue und Gemeindenhe in den Blick nimmt. Im Folgenden gilt das Interesse des Eingangskapitels zunchst der Franzçsischen Revolution von 1789 in deren Verlauf sowie deren ideengeschichtlichen Voraussetzungen. Anschließend soll nach der Vermittlung der revolutionren Intentionen in Richtung des dnischen Gesamtstaates gefragt werden; einer kurzen Betrachtung des revolutionren Rezeptionsprozesses in den zwischen Frankreich und dem dnischen Gesamtstaat gelegenen deutschen Staaten folgt ein Blick auf die verfassungsspezifischen historischen Gegebenheiten Dnemarks und der Herzogtmer. Das zweite Kapitel wird sich anschließend mit den auf die Revolution gerichteten konkreten Reaktionen in den Herzogtmern – und darber hinaus in dem von Holstein umschlossenen eigenstndigen Eutin – befassen. Meinungsbilder eines Querschnitts gesellschaftlicher Reprsen53 Als Prozeßkategorie wohnt dem Skularisierungsbegriff notwendigerweise eine gewisse Unschrfe inne; es fragt sich, inwieweit diese Begrifflichkeit mit einem Rckgang oder einer Reformation religiçser Gehalte einhergeht. Daß „Skularisierung“ je und je beide Wirkungen zeitigte, gilt es im Folgenden darzutun; vgl. hierzu a. Kaspar von Geyertz, Religion und Kultur. Europa 1500 – 1800, Gçttingen 2000, S. 343 – 345; Hartmut Lehmann, Skularisierung. Der europische Sonderweg in Sachen Religion, Gçttingen 2004, passim.

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Einleitung

tanten der Herzogtmer werden neben ußerungen aus der Staatskirche in Predigt und Literatur zur Darstellung gelangen. Dem Folgekapitel wird daran gelegen sein, sich dem unter den geistigen Auswirkungen der Revolution politisch zunehmend regenden Brgertum zuzuwenden. Diese Betrachtung bettet sich ein in die historischen Kontexte einer zunchst bewahrten Friedenszeit, eines anschließend viele Jahre andauernden Krieges und einer aus diesem hervorgehenden sozialen Notlage, die insbesondere die Herzogtmer als sdliche Territorien des Gesamtstaates berhrt. Zeitgençssische Predigten werden befragt nach ihrer seelsorgerlichen und politischen Positionierung innerhalb der eingetretenen historischen Katastrophe. Das Verfassungspostulat der auf dem Wiener Kongreß zur Geltung gebrachten Bundesakte sowie die durch das Wartburgfest und burschenschaftliche Bestebungen inspirierten studentischen Heimkehrer werden jene Mittelpunkte der Betrachtung im vierten Kapitel, die zunchst mit Predigten des Reformationsjahres 1817 kontrastiert werden. Den letztlich staatstragenden Weg der um ein Pro oder Contra gegenber der Neoorthodoxie ringenden Predigt in den Herzogtmern zeigt anschließend eine kurze Untersuchung von Predigten auf, die in den Herzogtmern zwischen 1817 und 1830 gehalten wurden. Erstes sich konkretisierendes brgerliches Erwachen, strukturell sich in der Petitionsbewegung abbildend, genuin mit dem Namen Uwe Jens Lornsens verknpft, und kontrarevolutionre Arznei in Gestalt schleswigholsteinischer Predigten bilden als Auswirkungen der Julirevolution 1830 den Gehalt des fnften Kapitels. Das anschließende Kapitel reflektiert als Folge eines Quellenstudiums smtlicher Jahrgnge des 1830 gegrndeten Kieler Correspondenzblattes bis zum Jahre 184854 den unter den Bedingungen der Zensur erschwerten, sich jedoch zunehmend deutlicher artikulierenden vormrzlichen Diskurs ber demokratische Freiheit, nationale Einheit, soziale Gerechtigkeit sowie ber die Position der Kirche innerhalb des Staates. Auch hier wird eine Betrachtung zeitgençssischer schleswig-holsteinischer Predigten anschließen unter der Fragestellung, inwieweit sich in ihnen vormrzliche Intentionen des Brgertums spiegeln. Das letzte siebente Kapitel fhrt mit der anhand von Quellen nachvollzogenen Darstellung der Erhebung in Beginn und Verlauf zur Erçr54 Dieses von Theodor Olshausen begrndete und bis 1848 auch herausgegebene politische Journal wurde zur entscheidenden Plattform vormrzlicher demokratischer Theoriebildung in den Herzogtmern

3. Zielsetzung und Vorgehen

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terung des Verhaltens der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit whrend des von dnischer Seite so genannten „Dreijahreskrieges“ von 1848 bis 1851. Dabei geht es darum aufzuzeigen, wie die Pastoren als Gegner der Revolution zu teilnehmenden Aktivisten einer „Erhebung“ werden konnten, deren Niederlage sie der Nhe zu ihren Gemeinden beraubte und ihnen hufig eine ungewisse Zukunft im Exil anwies. Mit ihrem Fortgang taten sich innerhalb des kirchlichen Gefges Lcken auf, die durch die alsbald zwangsweise in diese einrckenden dnischen Geistlichen kaum geschlossen werden konnten. Wer es will, mag diese Tragçdie mehr oder minder als eine Sptfolge jener Franzçsischen Revolution und ihrer Dechristianisierungsintentionen ansehen, die sogleich als Ausgangspunkt der vorliegenden Studien in den Blick kommen soll.

Kapitel I Der Ausgangspunkt 1789: Revolution im Umfeld eines kirchenkritischen Politikszenarios 1. Die Revolution in Frankreich Ihre wirkungsgeschichtliche Dynamik gewann die Franzçsische Revolution1 aus ihrer eindrucksvoll inszenierten gesellschaftlichen Leitvorstellung: Der Einforderung politischer Freiheit und Gleichheit aller Brger 1

Zur Franzçsischen Revolution allgemein: Alexis de Tocqueville, L’Ancien Rgime et la Rvolution, Paris 1856; Neuaufl. 1952, in deutscher bersetzung: Der Alte Staat und die Revolution, Reinbek 1969; Karl Griewank, Der neuzeitliche Revolutionsbegriff. Entstehung und Entwicklung, 2. Aufl. Frankfurt/M. 1969; ders., Die Franzçsische Revolution 1789 – 1799, 4. Aufl., Kçln / Wien 1972; Walter Grab, Hg., Die Debatte um die Franzçsische Revolution, Mnchen 1975, vgl. hier a. S. 9 – 28 den forschungsgeschichtlichen berblick; Eberhard Schmitt, Einfhrung in die Geschichte der Franzçsischen Revolution, 2. Aufl., Mnchen 1980; Michel Vovelle, Die Franzçsische Revolution. Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitten, Frankfurt/M. 1985, hier bes. a. S. 58 – 79 der forschungsgeschichtliche berblick; Helmut Reinalter, Die Franzçsische Revolution: Forschung – Geschichte – Wirkung, Frankfurt/M. 1991; George Rud, Revolutionary Europe 1783 – 1815, Second Edition, Oxford / Malden 2000, S. 1 – 171; Helmut Reinalter und Anton Pelinka Hg., Die Franzçsische Revolution und das Projekt der Moderne, Wien 2002; Wolfgang Kruse, Die Franzçsische Revolution, Paderborn 2005. Zu den deutschen Reaktionen auf die Revolution: Alfred Stern, Der Einfluß der Franzçsischen Revolution auf das deutsche Geistesleben, Stuttgart/ Berlin 1928; Jacques Droz, L’Allemagne et la Rvolution Francaise, Paris 1949; Hedwig Voegt, Die deutsche jakobinische Literatur und Publizistik 1789 – 1800, Berlin 1955; Walter Grab, Demokratische Strçmungen in Hamburg und Schleswig-Holstein zur Zeit der ersten franzçsischen Republik, Hamburg 1966; ders., Norddeutsche Jakobiner. Demokratische Bestrebungen zur Zeit der franzçsischen Revolution, Frankfurt/M. 1967; ders., Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, Stuttgart 1973; ders., Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern. Zur Geschichte der deutschen Jakobiner, Frankfurt/M. / Wien 1984; Jrgen Voss, Hg., Deutschland und die Franzçsische Revolution, Mnchen 1983; Thomas P. Saine, Von der Kopernikanischen bis zur Franzçsischen Revolution. Die Auseinandersetzung der deutschen Frhaufklrung mit der neuen Zeit, Berlin 1987, hier: S. 256 – 270; Shulamit Volkov und Frank Stern, Hg, Tel Aviver Jahrbuch fr

1. Die Revolution in Frankreich

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innerhalb eines republikanischen Staatswesens, in dem der politische Wille aus dem Willen aller hervorgeht. Nach Tocqueville sah die Revolution ihr ursprngliches Ziel darin, die berlieferten Formen der Gesellschaft ganzheitlich abzuschaffen2. Faktisch wurde sie so zum „Beginn der modernen, brgerlichen, kapitalistischen Gesellschaft“3 ; ihre unmittelbaren Voraussetzungen machten traditionelle Statusparameter wie Herkunft, Besitz und Amt de facto zumindest zweitrangig, ideell sogar obsolet. Die berlieferte Privilegienordnung fiel unter der neuen Losung „Freiheit, Gleichheit, Brderlichkeit!“ totaler chtung anheim, der gesellschaftliche Willensentscheid ging aus der Masse des Volkes hervor. Damit erzielte die Revolution grenzberschreitende Durchschlagskraft: Die Intention der egalitren Prinzipien verpflichteten Volkssouvernitt zerstçrte in den Auswirkungen der spteren jakobinischen Diktatur nicht nur „die Ver-

2 3

deutsche Geschichte Band XVIII: Die Franzçsische Revolution und Deutschland – Rezeption und Historiographie, Tel Aviv 1989; Friedrich Eberle und Theo Stammen. Hg., Die Franzçsische Revolution in Deutschland. Zeitgençssische Texte deutscher Autoren, Stuttgart 1989; Ernst Schulin, Die Franzçsische Revolution, 2. Aufl. Mnchen 1989; Holger Bçning, Hg., Franzçsische Revolution und deutsche ffentlichkeit. Wandlungen in Presse und Alltagskultur am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, Mnchen / London / New York / Paris 1992; Ulrike Mçllney, Norddeutsche Presse um 1800: Zeitschriften und Zeitungen in Flensburg, Braunschweig, Hannover und Schaumburg-Lippe im Zeitalter der Franzçsischen Revolution, Bielefeld 1996; Michael Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Alten Reich bis Weimar (1495 – 1934), Berlin / Heidelberg 2008, hier S. 213 – 225. Zur Rezeption der Franzçsischen Revolution im dnischen Gesamtstaat: Thorkild Kjærgaard, Danmark og den Franske Revolution. Le Danemark et la Revolution Francaise, En udstilling arrangeret af Det kongelige Bibliotek, København 1989. Zur Reaktion auf die Revolution in den Elbherzogtmern: Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, Neumnster 1969. Zum Verhltnis der Franzçsischen Revolution gegenber Kirche und Religion: Eva Schleich, Kirche, Klerus, Religion, in: Rolf Reichardt, Hg., Ploetz. Die Franzçsische Revolution, Freiburg/Br. / Wrzburg 1988, S. 206 – 222; zum sich erst in der Moderne herausbildenden Verhltnis von Theologie und Revolution: Trutz Rendtorff und Heinz Eduard Tçdt, Theologie der Revolution. Analysen und Materialien, Frankfurt/M. 1968, hier bes. S. 123 – 139; Ernst Feil und Rudolf Werth, Hg., Theologie der Revolution, Mnchen 1969; Christian Walther, Christenheit im Angriff. Zur Theologie der Revolution, Gtersloh 1969; Manfred Marquardt, Art. „Revolution. II. Theologisch-ethisch“, in: TRE Bd. XXIX, Berlin / New York 1998, S. 126 – 131. Vgl. Alexis de Tocqueville, Der Alte Staat und die Revolution, S. 20. Albert Soboul, Die Franzçsische Revolution in der Geschichte unserer Welt, in: Walter Grab, Hg., Die Debatte um die Franzçsische Revolution, S. 87 – 103, hier S. 87.

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Kapitel I

fassungshomogenitt des Kontinents“4 ; durch den Gedanken der Volkssouvernitt vermochte die Revolution zu jener „Kulturrevolution“ werden, die mit anfnglich europischem5, spter zunehmend globalem Ausmaß eine „Transformation der Wertvorstellungen“ wie auch der „Weltbilder“ nach sich zog6. Mit alldem markierte die Revolution in Frankreich eine herausragende geschichtliche Zsur. In ihrem anfnglichen Selbstverstndnis mußten die revolutionren Akteure diesen Einschnitt als gnzlich neuartigen und geradezu teleologischen Zustand empfinden7, verband sich doch mit der bertragung der „Autoritt und Befugnisse des Monarchen auf die Nation“ ein neues kollektives „Staatsbewußtsein, eine patriotische und volksverbundene Begeisterung fr die Ideen der brgerlichen Revolution“8. Jenseits der konstitutionellen Revolutionsphase mit ihrem in dieser Weise eher „statischen“ Revolutionsbegriff 9 wich allerdings der ursprnglich „verbale Finalismus“ whrend der Schlußphase der Revolution, beginnend mit den Jahren 1795/96, zunehmend einer wesentlich dynamischen und beweglichen Revolutionsauffassung10. Revolution wird vom eruptiven Ereignis zur Ereignisfolge. Ihre Geschichtlichkeit wird damit zur Geschichte, die sich fortan immer von neuem der Wirkungsgeschichte dieser Franzçsischen Revolution zu stellen hat11. 4 Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I, 2. Aufl., Stuttgart / Berlin / Kçln / Mainz 1957, S. 16. 5 Hartmut Kaelble, Wege zur Demokratie. Von der Franzçsischen Revolution zur Europischen Union, Mnchen 2001, sieht die Franzçsische Revolution S. 21 als „europischen Wendepunkt“, da sie „strker als die Englischen Revolutionen von 1642/48 und 1689 auch ein europisches Ereignis“ war, ebd. S. 24. 6 Michel Vovelle, Die Franzçsische Revolution. Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitten, S. 151. 7 Hierzu Karl Griewank, Der neuzeitliche Revolutionsbegriff. Entstehung und Entwicklung, S. 191 – 194. 8 Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 9. 9 Gad Arnsberg, Zur Semantik der Franzçsischen Revolution im Aktionsfeld des Deutschen Vormrz, S. 87 – 108, in: Shulamit Volkov und Frank Stern, Hg., Tel Aviver Jahrbuch fr deutsche Geschichte Band XVIII, hier: S. 88. 10 Karl Griewank, Der neuzeitliche Revolutionsbegriff. Entstehung und Entwicklung, S. 195 – 207. 11 Reinhard Koselleck, Revolution, Rebellion, Aufruhr, Brgerkrieg, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5, Stuttgart 1984, S. 653 – 788, hier: S. 653: „Der Revolutionsbegriff ist neuzeitlich […] Der Begriff, wie er heute verstanden und verwendet wird, ist streng genommen erst seit der Franzçsischen Revolution blich geworden. Seitdem sind bestimmte Erfahrungen von einem Grundbegriff zusammengefaßt worden, die einzeln auch schon vorher unter ,Revolution‘ begriffen,

1. Die Revolution in Frankreich

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Die Revolutionsmaxime von der Freiheit und Gleichheit aller Menschen verdankt sich entscheidend der aus den naturrechtlichen Auffassungen Jean-Jacques Rousseaus abgeleiteten staatsrechtlichen Theorie12. aber in ihrer Vielfalt und Komplexitt erst seit 1789 gebndelt wurden“. Dabei bestreitet Alfred Cobban den Klassencharakter der Franzçsischen Revolution und sieht in ihren sukzessiven Fhrungseliten eher mißvergngte Intellektuelle und auswechselbare Akteure als etwa die Reprsentanten einer aufstrebenden Bourgeoisie; auch sieht er die „Revolution“ als Verkettung revolutionrer Phasen, als eine „Reihe von Revolutionen […] die letzte Fronde des Adels und der Parlamente: die Revolution des tiers tat, die Bauernerhebung, der republikanische Aufstand, die Revolte der Sansculotten, der neunte Thermidor und verschiedene Staatsstreiche unter dem Direktorium bis zu dem des 18. Brumaire. Franzçsische Revolution ist in der Tat ein Name, den wir einer langen Reihe von Ereignissen geben“, ders., Der Mythos der Franzçsischen Revolution, in: Walter Grab, Hg., Die Debatte um die Franzçsische Revolution, S. 57 – 72, hier S. 58. Auch Martin Gçhring interpretiert den Sturz des Feudalsystems in Frankreich nicht als jhen Umbruch, sondern als langwierigen prozessualen Ablauf, der Jahrzehnte vor dem Jahr 1789 seinen Anfang genommen habe und im Bastillesturm und den auf diesen folgenden Ereignissen kulminiert sei, vgl. dens., Die Feudalitt in Frankreich vor und in der großen Revolution, Berlin 1934; zum grundstzlich prozessualen Verstndnis der Revolution neuerdings a. Andrea Link, Die Rckkehr zur brgerlichen Revolution in Paris und Bordeaux (1793 – 1794): Die prthermidorale Reaktion als Indiz fr politische Grundberzeugungen, Hamburg 2009. Ungeachtet der revolutionren Kausalitten gilt es jedoch, die in ihren Ereignissen zum Ausdruck kommende Dynamik mitsamt ihrer sozialgeschichtlichen Auswirkungen in den Blick zu nehmen; hierzu Georges Lefebvre, Der Mythos der Franzçsischen Revolution (Kritik), in: Walter Grab, Hg., Die Debatte um die Franzçsische Revolution, S. 72 – 79. Auch Michel Vovelle, Die Franzçsische Revolution. Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitten, orientiert S. 51 seine Bilanz der revolutionren Ereignisse an deren wirkungsgeschichtlicher Effizienz: „Innerhalb von zehn Jahren markiert die Franzçsische Revolution eine entscheidende und im wesentlichen irreversible Wende nicht nur in der Geschichte Frankreichs, sondern auch der Welt; und zwar nicht nur durch das, was sie zerstçrt, sondern auch durch das, was sie aufbaut oder ankndigt“. In diesem Sinn wrdigt Hartmut Kaelble, Wege zur Demokratie. Von der Franzçsischen Revolution zur Europischen Union, S. 31 f. die grundstzliche Bedeutung der Franzçsischen Revolution fr den gesamteuropischen Demokratisierungsprozeß des 19. und 20. Jahrhunderts. 12 Hierzu Max Imboden, Rousseau und die Demokratie, Tbingen 1963; Alfred Cobban, Rousseau and the modern state, London 2. Aufl. 1964; Joan McDonald, Rousseau and the French Revolution 1762 – 1791, London 1965; Marcel Morabito et Daniel Bourmaud, Histoire constitutionelle et politique de la France (1789 – 1958), 4e dition, Paris 1996, S. 20 – 22; Alfred Cobban, Die politischen Ideen Robespierres whrend der Konventsperiode, in: Walter Grab, Hg., Die Debatte um die Franzçsische Revolution, S. 137 – 159, hier: S. 139 – 142; Jrgen Grimm u. a., Hg., Franzçsische Literaturgeschichte, Stuttgart 1989, S. 209 f.; vgl.

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Kapitel I

Diese bindet die Gesetzmßigkeit aller Macht an deren Legitimation durch den Konsens aller Glieder des zu dieser Macht gehçrenden Gemeinwesens. Damit will Rousseau den Einzelwillen zur „Volont gnerale“, zum Gesamtwillen aller, erheben. Der Mensch erscheint ihm grundstzlich als a. Claus Sssenberger, Rousseau im Urteil der deutschen Publizistik bis zum Ende der Franzçsischen Revolution. Ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte, Bern / Frankfurt/M.1974; Nathalie-Barbara Robisco, Jean-Jacques Rousseau et la Rvolution francaise: Une esthtique de la politique 1792 – 1799, Paris 1998. – In einem von dem Kopenhagener Rechtsgelehrten Christian Ulrich Detlev Freiherr von Eggers herausgegebenen Aufklrungsmagazin preist unmittelbar nach Ausbruch der Franzçsischen Revolution ein anonymer Verfasser deren geistigen Wegbereiter: „Rousseaus Schriften haben vorzglich den Saamen ausgestreut, der itzt anfngt so herliche Frchte hervorzubringen“, Betrachtungen ber die jezzige Ghrung in Frankreich, in: Deutsches gemeinnziges Magazin, 3 / 1789, S. 79 – 98, hier: S. 79; der dnische Dichter Jens Immanuel Baggesen vergleicht in seinem autobiographischen Zeugnis einer 1789 unternommenen Reise den Revolutionsort Paris mit einer Mutter, die den geistigen Vtern Rousseau und Voltaire das „Kind Revolution“ aus dem Geist der Aufklrung geboren habe: Ders., Labyrinthen, Tredie Deel. Danske Værker, Bd. X, udgivne af Forfattarens Sønner og C.F. Boye, Kjøbenhavn 1830, S. 328. Der angehende Nordschleswiger Pastor Lorenz Nissen erhielt Rousseaus Werke aus der Hand der augustenburgischen Kronprinzessin; er erinnert sich: „Ich hatte ein kleines Gedicht an Ihre Kçnigl. Hoheit, damahlige Kronprinzesse Louise Augusta bergeben […] so ward dies Veranlassung, daß Ihre Kçnigliche Hoheit mir die smmtlichen Werke des Schweizerischen Philosophen bersenden ließen. Ein mir hçchst angenehmes Geschenk, in Rcksicht des innern Werthes der Schriften dieses genialen und originellen Verfassers. Kein franz. Schriftsteller hat mich mehr an sich gezogen, als der einst so verschriene Genfer“, ders., Meine Wege und Umwege zur Kirche. Eine autobiographische Erzhlung, Altona 1826, S. 86. Noch zu Beginn des neuen Jahrhunderts beurteilt der wegen seiner Revolutionssympathien aus dem Dienst an der Kieler Universitt entlassene Carl Friedrich Cramer die Schrift ber den Contrat social als eine „Wgung der Rechte der Menschheit, die Revolutionen bereitet“, ders., Tagebuch aus Paris, Paris 1800, S. 123. Vgl. zur Rezeption Rousseaus im dnischen Gesamtstaat des ausgehenden 18. Jahrhunderts a. den Rckblick bei Tine Damsholt, Fædrelandetskærlighed og Borgerdyd. Patriotiske Diskurs og Militære Reformer i Danmark i sidste del af 1700-tallet, København 2000, S. 80 – 82. Die Auseinandersetzung mit Rousseau blieb im dnischen Gesellschaftsdiskurs auf lange Zeit eine „afgørende Problematik“, ebd. S. 81, die jedoch unter den spezifisch liberalen Anschauungen der dnischen Monarchie auf landestypische Versuche einer Adaption traf, die darauf ausgingen, Krone und Allgemeinwillen im dnischen Gesamtstaat – und damit auch in Schleswig und Holstein – in einem stetig vorangetriebenen Reformprozeß miteinander zu harmonisieren; hierzu Damsholt, a.a.O., S. 204 – 219 und 230 – 241, sowie u. S. 118 Anm. 303 der Gedanke einer hilfreich entfalteten dnischen „Konsensuskultur“ im Kontext des aufgeklrten Absolutismus.

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„Prozeßwesen“13 ; das prozessuale Geschehen menschlicher Subjektwerdung und Befreiung differenziert er in unterschiedliche „Komplexittsstufen“, wobei nach der „Versprachlichung“ die „Verrechtlichung“ zum wichtigsten Einschnitt wird14. Im Jahre 1749 hatte die Akademie von Dijon die Preisfrage zur Beantwortung gestellt, „ob die Wiederherstellung der Knste und Wissenschaften (seit der Renaissance) zur Verbesserung und Hebung der Sittlichkeit beigetragen habe“15. Rousseau antwortete 1750 mit seiner preisgekrçnten „Abhandlung ber die Wissenschaften und Knste“16, in der er jener Frage die Wendung gab, ob sich Knste und Wissenschaften berhaupt fr Sittlichkeit und menschliches Glck als fçrderlich erwiesen htten. Dies negiert er entschieden; ebenso verneint er grundstzlich jede historisch ausweisbare Aufwrtsentwicklung der Menschheit. Von dieser Position aus erçrtert Rousseau konsequent den Wert der Kultur und hinterfragt grundlegend deren Auswirkungen, die den Menschen ihrerseits nichts weiter als Elend und sklavische Abhngigkeit gebracht htten. Kultur und Technik htten den Menschen Verderbnis gebracht, htten sie ihrer ursprnglichen Gte, Kraft und Instinktsicherheit entledigt und sie zu vielerlei Fehlentwicklungen veranlaßt, von denen die ungetrbte, sich selbst berlassene Natur nichts wßte. Knste und Wissenschaft erscheinen Rousseau daher nicht lnger als Denkmale des Fortschritts; ausgehend von ihren Wirkungen betrachtet er sie nunmehr als Quellgrund des Verfalls. berall in der Geschichte konstatiert er eine Kohrenz von Geistesbildung und Absinken der Sittlichkeit; von diesem Urteil ausgehend, formuliert er jene gerade im deutschen Sprachraum begeistert aufgenommene Forderung nach einem „Zurck zur Natur“. Unter diesem Postulat stellt er nunmehr eben jene Vçlker als leuchtende Vorbilder heraus, denen es gelungen sei, im Naturzustand zu verbleiben und sich auf 13 Paul Geyer, Zur Dialektik der Aufklrung in der Anthropologie Montesquieus und Rousseaus, in: Paul Geyer, Hg., Das 18. Jahrhundert. Aufklrung, Regensburg 1995, S. 125 – 171, hier S. 163. 14 Paul Geyer, a.a.O., S. 163. 15 Zit. n. Hans Joachim Stçrig, Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Mnchen / Zrich 1963, S. 322. 16 Jean-Jacques Rousseau, Abhandlung, welche bey der Akademie zu Dijon im Jahr 1750 den Preis ber folgende von der Akademie vorgelegte Frage davon getragen hat: ob die Wiederherstellung der Wissenschaften und Knste etwas zur Luterung der Sitten beygetragen hat?: In der ersten deutschen bersetzung von Johann Daniel Tietz neu hg. von Ralf Konersmann und Gesine Mrtens, St. Ingbert 1997; hierzu Jrgen Grimm, u. a., Hg., Franzçsische Literaturgeschichte, S. 207 – 209.

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diese Weise von aller Ansteckung mit „eitlen Kenntnissen“ freizuhalten, um alternativ „ihr Glck durch ihre Tugenden“ zu begrnden17. So gelangt er zu dem Ausruf: „Allmchtiger Gott, befreie uns von der Erleuchtung unserer Vter: fhre uns zurck zur Einfalt, Unschuld und Armut, den einzigen Gtern, welche unser Glck befçrdern.“18

Rousseaus Preisschrift und die daran anknpfende rege Diskussion veranlassen die Akademie zu einer weiteren Preisfrage: „Wie entstand die Ungleichheit unter den Menschen, und ist sie durch das natrliche Recht begrndet?“19. Als Antwort auf diese Frage erschien etwas mehr als drei Jahrzehnte vor Ausbruch der Franzçsischen Revolution Rousseaus Werk „ber den Ursprung und die Ungleichheit unter den Menschen“20, in dem er seine Gesellschafts- und Geschichtskritik weiter ausfhrt. Erscheint die Geschichte der Menschheit selbst als deutungsfhiger evolutionrer Prozeß, so bringt Rousseau als grundstzliche Voraussetzung seines Denkens immer von neuem den Aspekt ein, die gesamte Zivilisationsgeschichte als 17 Das Vorbild des „edlen Wilden“ und damit verbunden ein idealisierter „Urstand der Primitivitt“ finden sich auch bei Rousseaus Zeitgenossen Adam Ferguson in seinem Essay on the history of civil society, London 1767. Die Frage einer historischen Ausweisbarkeit dieses von Rousseau idealisierten genuinen Naturzustandes beantwortet Ernst Cassirer, An Essay on Man. An introduction to a Philosophy of human Culture, New Haven 1948, S. 62: „Rousseaus description of the state of nature was not intended as a historical narrative of the past. It was a symbolic construct designed to portray and to bring into being a new future for mankind“. Doch auch, wenn es Rousseau in diesem Sinne nicht um ein „Wovonher“, sondern um das „Woraufhin“ ging, rckten seine prozessual-evolutiven Prmissen das genuine „symbolische Konstrukt“ im Kontext der zeitgençssischen Rezeption zwangslufig in die Nhe einer Auffassung qualitativer und genuiner Realitt. 18 Zit. n. Friedrich Jodl, Geschichte der neueren Philosophie, Wien / Mnchen / Leipzig 1924, S. 464. 19 Hierzu Hans Joachim, Kleine Weltgeschichte der Philosophie, S. 322; Egon Reiche, Rousseau und das Naturrecht, Berlin 1935. 20 Jean-Jacques Rousseau, Discours sur l‘origine et les fondements de l‘ingalit parmi les hommes, 1755, im gleichen Jahre von Gotthold Ephraim Lessing in der „Berlinischen privilegierten Zeitung“ (Vossische Zeitung) besprochen; in deutscher bersetzung von Moses Mendelssohn 1756 in Berlin publiziert: Hierzu Franklin Kopitzsch, Deutschland am Vorabend der Franzçsischen Revolution, in: Deutschland und die Franzçsische Revolution, hg. von Franz Dumont u. a., Stuttgart 1989, S. 19 – 34, hier: S. 33; deutsche Neuausgabe der Schrift als „Diskurs ber die Ungleichheit“, hg. von Heinrich Meier, 5. Aufl., Paderborn 2001.

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Abfall von einem idealisierten genuinen Naturzustand auffassen zu wollen. Das Naturrecht versteht er dabei als sekundres Produkt einer außerordentlich langen historischen Entwicklung; damit verliert es die Qualitt einer ursprnglichen, aus der Schçpfungsordnung bzw. der vernnftigen Weltordnung ableitbaren Setzung. Betrachtet Rousseau den Menschen des einstigen Naturzustandes kaum anders als ein Tier, so unterscheidet er Mensch und Tier in deren vorfindlicher Realitt nicht mehr durch das berlieferte Kriterium des Vernunftaspektes, sondern durch das entwicklungsleitend gewordene Defizit fehlender Instinktgebundenheit im Gefge des menschlichen Wesens. Der Mensch erscheint auf diese Weise weder als Krone der Schçpfung noch als ein unter den Bedingungen seiner Historie zu irgendeiner Vollendung gereiftes Wesen. Gerade im dynamischen Prozeß seiner Geschichte ist der Mensch zu jenem Wesen geworden, das sich vorrangig durch seine ihm sekundr zugeflossenen Defizite determiniert sieht. Mit dieser Anschauung werden Entwicklung und Zukunft der Welt und des in ihr lebenden Menschen zu Grçßen spezifisch menschlicher Verantwortung; hinsichtlich der Ausbung dieser Verantwortung macht Rousseau in der Folge einen grundlegenden voluntaristischen Aspekt geltend, der in kritischer Spannung zur christlichen Erbsndenauffassung das Postulat der menschlichen Willensfreiheit nach sich zieht. Diese Willensfreiheit qualifiziert sich buchstblich als jene Freiheit, die den Menschen gegen seine ihm innewohnende Triebnatur entscheiden lßt. In der Folge wird die Willensfreiheit letztendlich zum Ausgangspunkt einer normativen Gesellschaftstheorie. Im Vorfeld dieser Gesellschaftstheorie macht Rousseau vorrangig die Arbeitsteilung und den Privatbesitz fr die keineswegs natrliche Ungleichheit der Menschen am derzeitigen Ende der historischen Entwicklung verantwortlich. Diese beiden Faktoren seien qualitativ nunmehr entscheidende integrale Momente subjektiver Identitt geworden, da das menschliche Selbstbewußtsein den einzelnen immer auch nach Anerkennung seiner Differenz suchen lasse. Verbrge ein Zugewinn an Eigentum und damit einhergehender Macht einen scheinbaren Zugewinn an Freiheit, resultiere aus dieser geschichtlichen Entwicklung anfnglich die unheilvolle Einfhrung einer Obrigkeit, am Ende jedoch nichts anderes als die heillose Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft:

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„Der Mensch, der frher frei und unabhngig war, ist jetzt seinen Mitmenschen untertan, zu deren Sklave er in gewissem Sinne wird, selbst wenn er zu ihrem Herrn wird.“21

Dem genannten „Discours“ lßt Rousseau die großen, den individuellen Rationalismus berwindenden Hauptwerke folgen. Dies sind neben den „Lettres de deux amans“22 der Erziehungsroman „mile ou De l‘ducation“23 sowie die wirkungsgeschichtlich außerordentlich bedeutsame 21 Jean-Jacques Rousseau, Diskurs ber die Ungleichheit, S. 206. 22 Erschienen 1761 in Genf und Amsterdam unter dem Titel „Lettres de deux amans, habitans d’une petite ville au pied des alpes“; drei Jahre spter vierteilig in Neuchatel und Paris publiziert unter dem Titel „La Nouvelle Hloise“, deutsch in vier Teilen zwischen 1761 – 66; deutsche Neuausgabe als „Julie oder die neue Heloise: Briefe zweier Liebenden aus einer kleinen Stadt am Fuße der Alpen“, hg. von Reinhold Wolff, Mnchen 1988; hierzu Jrgen Grimm u. a., Hg., Franzçsische Literaturgeschichte, S. 214 f. 23 Erschienen 1762, im gleichen Jahr erstmalig in deutscher Sprache von einem anonymen bersetzer in Berlin, Frankfurt sowie Leipzig verçffentlicht; spter in Carl Friedrich Cramers in Kiel abgefaßter und in Berlin 1791 erschienener deutscher bersetzung. – Das Werk gehçrt in den bergreifenden Kontext einer zunehmenden Infragestellung der berlieferten stndischen Organisationsstrukturen der Gesellschaften des 18. Jahrhunderts; eine wesentliche Antwort auf diese Hinterfragung artikuliert sich unter dem Aspekt der „Education“ und damit eben im Kontext einer Indienstnahme der Pdagogik. Aus Rousseaus Annahme, daß der Mensch gut aus den Hnden der Natur komme und erst durch die Gesellschaft verdorben werde, ergibt sich mit zwingender Konsequenz, daß der menschlichen Erziehung besonderer Wert beigemessen werden muß. Der „mile“ spiegelt Rousseaus didaktische Theorien wider; es handelt es sich hier um einen Roman, der erzieherische Einwirkung auf der Grundlage von Natur und Empfindung ohne irgendeine Deformation der Persçnlichkeit intendiert. Rousseau will den heranwachsenden Menschen schlicht fernhalten von allen verbildenden Einflssen, um die grundstzlich in jedem einzelnen vorgegebene gute Naturanlage auf natrliche Weise heranreifen zu lassen. Die erzieherische Aufgabe qualifiziert sich in einem solchen Kontext primr durch eine protektorische Funktion, orientiert sie sich doch an der Intention einer Vermeidung aller gesellschaftlichen Einflsse, die diesen Prozeß belasten kçnnten. Als Erziehungsziele postuliert Rousseau im „mile“ Selbstfindung sowie Mndigkeit. Zur Rezeption dieses Werkes im Dnischen Gesamtstaat u. S. 193; 229; 261 f.; zu Wirkung und Verarbeitung des „mile“ im Umfeld der zeitgençssischen Pdagogik Franz Obermeier, Carl Friedrich Cramer als bersetzer. Ein Beitrag zu den deutsch-franzçsischen Kulturbeziehungen am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, in: Carl Friedrich Cramer – Revolutionr, Professor und Buchhndler, hg. von Petra Blçdorn-Meyer, Michael Mahn und Rdiger Schtt Nordhausen 2002, S. 418 – 438, hier S. 423 – 426. Wie nachhaltig der Roman die gesellschaftliche Diskussion bis weit in den Vormrz herausforderte, zeigt seine Rolle in der emanzipativen

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Schrift ber den „Gesellschaftsvertrag“: „Du contrat social ou principes du droit politique“24. Whrend im „mile“ der Mensch als grundstzlich formbares Wesen dargestellt und dabei unter freiheitlich orientierte pdagogische Prmissen gerckt wird, beabsichtigt Rousseau im „Gesellschaftsvertrag“ eine Untersuchung darber, „ob es in der brgerlichen Verfassung irgendeinen gerechten und sicheren Grundsatz der Verwaltung geben kann, wenn man die Menschen nimmt, wie sie sind, und die Gesetze, wie sie sein kçnnen.“25

Das Instrument zur Erreichung dieses Zieles wird die Realisierung des gesellschaftlichen Gesamtwillens, der den eben nicht mehr individuellen, sondern nunmehr kollektiven Entschluß zur Voraussetzung hat, Recht und Gesetz setzen zu wollen. Dabei gilt, daß durch „das gnzliche Aufgehen jedes Gesellschaftsgliedes mit allen seinen Rechten in der Gesamtheit […] niemand ein Interesse daran [hat, L.-P.], es den anderen drckend zu machen […] jeder von uns stellt gemeinschaftlich seine Person und seine ganze Kraft unter die oberste Leitung des allgemeinen Willens.“26

Rousseau sieht von daher im Staat eine politische Organisation, die auf einem von seinen Brgern untereinander geschlossenen Vertrag beruht. Deshalb fordert er von jedem einzelnen, das ihm angeborene natrliche Recht auf Freiheit und Gleichheit in der Umsetzung dieses Staatsvertrages Auseinandersetzung des schleswig-holsteinischen Schullehrerpersonals mit der kirchlichen Schulaufsicht; hierzu u. S. 561. 24 Jean-Jacques Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundstze des Staatsrechtes, in der verbesserten bersetzung von Hermann Denhardt hg.von Heinrich Weinstock, Stuttgart 1971; das franzçsische Original „Du contrat social; ou principes du droit publique“ entstand 1754, eine berarbeitete Fassung folgte 1758, deren Erstdruck erschien 1762 in Amsterdam. Ihm folgte bereits 1763 die erste deutsche, in Marburg verlegte und von C. F. Geiger ausgearbeitete bersetzung unter dem Titel „Gedanken von dem gesellschaftlichen Leben der Menschen oder Staatsrecht“. Rousseaus Werke wurden vom franzçsischen Parlament, also dem Obergericht des vorrevolutionren Frankreich, wie auch vom Pariser Erzbischof verurteilt; dem Verfasser drohte deswegen ein Haftbefehl. Im Herzogtum Holstein ergriff daraufhin Graf Hans von Rantzau-Ascheberg Maßnahmen fr ein Asyl Rousseaus auf seinem Gut Ascheberg; vgl. hierzu Paul von Hedemann- Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, Kiel 1926, S. 487; Peter Hirschfeld, Herrenhuser und Schlçsser in Schleswig-Holstein, 2. Aufl., o. O. 1959, S. 119; Sven Cedergreen Bech, Oplysning og Tolerance 1721 – 1784, Danmarks Historie Bind 9, Kopenhagen 1965, S. 338 f. 25 Jean-Jacques Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundstze des Staatsrechtes, Erstes Buch, S. 33. 26 A.a.O. S. 45 f.; S. 47.

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in das politische Ganze einzubringen, um es anschließend als Glied des Ganzen in neuer Gestalt, nmlich als Recht zur Teilhabe an der Bildung des Gesamtwillens, zurckzuerhalten. So entwickelt sich eine ganz neuartige Freiheit und Gleichheit, die der einzelne als partikularer Teil und damit als individuelle voluntas des gesamtheitlichen Gemeinwillens gewinnt. Faktisch postuliert Rousseau so die strikte Erarbeitung wie auch Einhaltung politischer Konformitt i. S. einer Identitt von Regierenden und Regierten. Allerdings lehrte die weitere Historie nur zu deutlich, daß sich der Geltungsbereich dieses wesentlich idealistisch konzipierten Gemeinwillens27 beschrnkt sah durch die dem individuellen Staat gesetzten Grenzen. Daher konnte aus der Forderung der Volkssouvernitt und der fr diese reklamierten Allmacht hinsichtlich der Gestaltung der gesellschaftlichen Verhltnisse letztlich nichts anderes als die egalitre Homogenitt der Nation eben als Nation28 resultieren. So fhrte die Rezeption Rousseaus zum einen dazu, daß der nationaldemokratische Staatsgedanke bewegendes und bestimmendes Prinzip der Staatenbildung werden konnte; zum anderen prgte die egalitre Homogenitt der Nation zwingend einen Staat, „in dem das angeblich unentziehbare Recht der Einzelnen auf Freiheit, Eigentum und Sicherheit in Wahrheit durch das allesbezwingende Interesse des nationalen Ganzen ausgelçscht war“29. Damit glaubte die sich von Rousseau her begrndende Demokratie an die hçhere Vernunft der Gesamtheit gegenber der Individualvernunft. Als deren Exponent trat im 27 Uwe Backes, Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese, Dsseldorf 2000, versteht die Unumschrnktheit der Volkssouvernitt als das „,gnzliche Aufgehen jedes Gesellschaftsgliedes mit all seinen Rechten in der Gesamtheit‘“ unter der Voraussetzung, daß vom einzelnen Brger nichts verlangt werde, „was dem ,allgemeinen Willen‘ und damit den Gesetzen der Vernunft und der Natur widerspricht“, a.a.O., S. 211. Rousseau selbst habe daher „der demokratischen Republik kaum Realisierungschancen eingerumt“, ders., ebd. S. 226. 28 Zur revolutionren Interpretation des Nationenbegriffes vgl. Emmanuel Joseph Comte Siey s, Qu’estce que le tiers tat?, Paris, Januar 1789, zit. n. Walter Grab, Die Franzçsische Revolution. Eine Dokumentation, Mnchen 1973, S. 24 – 30, hier: S. 27 f.: „Was ist eine Nation? Ein Kçrper, dessen Mitglieder unter einem gemeinsamen Gesetz leben und durch eine und dieselbe gesetzgebende Versammlung vertreten sind […] Der dritte Stand umfasst […] alles, was zur Nation gehçrt. Und alles, was nicht dritter Stand ist, kann sich nicht als Bestandteil der Nation betrachten“. Zum Begriff der Nation a. Marcel Morabito et Daniel Bourmaud, Histoire constitutionelle et politique de la France (1789 – 1958), S. 30 – 33; vgl. a. Theo Stammen, Emmanuel Joseph Sieyes (1748 – 1836), in: Politische Theorien des 19. Jahrhunderts, hg. von Bernd Heidenreich, Berlin 2002, S. 239 – 263, hier bes. S. 252 – 257. 29 Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I, S. 11.

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genuinen zeitgençssischen Kontext primr der Monarch in den Blick, sekundr in einem fundamentalen Sinne jedes Individuum an sich. Mit der Rezeption des Entwurfs des naturrechtlich30 determinierten Rousseauschen Gesellschaftsvertrages verband sich eine grundstzlich positive Einschtzung der notwendig zum Guten drngenden und in kollektiver Hinsicht daher zur Harmonie befhigten Naturbeschaffenheit des Menschen31; auf Grund dieser Voraussetzung schien die objektivierbare Differenzerfahrung zwischen dem Interesse des einzelnen und dem der Gesamtheit bersprungen zu sein32. Zum anderen erkannte Rousseau dem kollektiven 30 Zum Begriff des Naturrechts und zu seinem Verhltnis gegenber dem demokratischen Gedanken im Aufklrungskontext Wolfgang Trillhaas, Ethik, 3. Aufl. Berlin 1970, S. 451 – 453; vgl. a. die historische Darstellung bei Oliver Lamprecht, Das Streben nach Demokratie, Volkssouvernitt und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin 2001, S. 27 f. – Zur naturrechtlichen Problematik ferner Erik Wolf, Das Problem der Naturrechtslehre, 3. Auflage Karlsruhe 1964; „die dem Naturrecht immer schon inhrente revolutionre Komponente“ hebt Michael Stolleis, Geschichte des çffentlichen Rechts in Deutschland. Bd. 1: Reichspublizistik und Policeywissenschaft 1600 – 1800, Mnchen 1988, S. 270 deutlich hervor. 31 Zum Menschenbild Rousseaus Iring Fetscher, Rousseaus politische Philosophie, Neuwied 1960, S. 47 – 89. Der Gedanke grundstzlicher Perfektibilitt des Menschen korrespondiert jener Leitfrage der Aufklrung, „wie die Menschen glcklicher und ntzlicher gemacht werden kçnnten“, was „unweigerlich auf eine voluntaristische Politik hinauslief, die sich zum Ziel setzte, die Sonderinteressen im Rahmen eines vernnftigen Gemeinwesens zu harmonisieren und die Grenzen der Zivilisation durch die Verbreitung der Aufklrung hinauszuschieben. So erklrt sich auch die Schlsselrolle der Pdagogik in diesem Zusammenhang“, Michel Vovelle, Der Mensch in der Wahrnehmung der Aufklrung, in: Ders., Hg., Der Mensch der Aufklrung, S. 8 – 41, hier: S. 14 f. – Wolfgang Philipp, Das Werden der Aufklrung in theologiegeschichtlicher Sicht, Gçttingen 1957, kritisiert S. 142 f. Rousseaus „anthropologischen Optimismus und das tçdlich gefhrliche Dogma von der vollkommenen Gte des Menschen […] Fern dem Wissen um die Dmonie des Menschen […] vollzieht er die anthropologische Perversion und entflammt die Geister fr jene humanistische Ideologie, die von der franzçsischen Revolution bis zum 20. Jahrhundert ihre gefhrliche Tragkraft zunehmend offenbart“. 32 Das Problem, dieses durchaus idealisierende demokratische Postulat einer „Identitt von Regierenden und Regierten“ – so Uwe Backes, Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese, S. 229 – zu realisieren, zeigte sich im fortgeschrittenen Verlauf der Franzçsischen Revolution, als sich „der Allgemeine Wille aus einem Synonym in ein Substitut der Volkssouvernitt [wandelte, L.-P.]. Wenn der Allgemeine Wille zu etwas wurde, das dem Volk mittels des Apparats der Klubs, Ausschsse und Tribunale aufgezwungen werden konnte […], dann war die von Robespierre erstrebte Herrschaft der republikanischen Tugend unvereinbar mit der

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Generalwillen eine absolute und exklusive Qualitt im Hinblick auf die Gestaltung einer wohlgeordneten gesellschaftlichen Wirklichkeit zu33. Volkssouvernitt und wurde im Endergebnis eine Rechtfertigung einer Minderheitsregierung“, Alfred Cobban, Die politischen Ideen Robespierres whrend der Konventsperiode, in: Walter Grab, Hg., Die Debatte um die Franzçsische Revolution, S. 137 – 159, hier: S. 153 f. 33 Rousseaus naturrechtliche Auffassungen stellen traditionsgeschichtlich durchaus eine Mischform zweier berlieferter Alternativauffassungen dar, die sich zum einem durch Gottfried Wilhelm Leibniz, zum anderen durch Thomas Hobbes reprsentiert sehen. Leibniz lßt durch die harmonisch geordnete Schçpfung den in ihr existierenden Subjekten jene Orte und Handlungsweisen zukommen, die nur um den Preis der Selbstverfehlung zu verlassen sind. Dabei ertrgt die im Plan der Schçpfung wohleingerichtete „beste aller Welten“ derartige Selbstverfehlungen des Menschen: Auch die Stçrung wirkt letztlich stabilisierend auf die Welt ein und offenbart so die Tatsache einer fundamentalen Ordnung der Schçpfung; hierzu Gottfried Wilhelm Leibniz, Essays de Thodice sur la bont de Dieu, la libert de l’homme et l’origine du mal, Amsterdam 1710, Neudruck in: Ders., Philosophische Schriften Band 2, Die Theodizee von der Gte Gottes, der Freiheit des Menschen und dem Ursprung des bels, hg. von Herbert Herring, Frankfurt/M. 1986; ferner Leibniz, Principes de la nature et de la gr ce fonds en raison, 1714, Neudruck als „Vernunftprinzipien der Natur und der Gnade“, hg. von Herbert Herring, Hamburg 1969; hierzu die Referate bei J.[ohannes] Rehmke und F.[riedrich] Schneider, Geschichte der Philosophie, Wiesbaden o. J., S. 174 – 182, und Wolfgang Gericke, Theologie und Kirche im Zeitalter der Aufklrung, Berlin 1989, S. 70 – 73. – Von gnzlich anderer Weltsicht ausgehend hatte Hobbes demgegenber gerade aus dem von ihm postulierten Chaos des genuinen Naturzustandes die Begrndung allen gesellschaftlichen Rechtes durch eine mit Zwangsmitteln ausgestattete Monarchie abgeleitet; der Staat habe der menschlichen Selbstsucht die notwendigen Grenzen zu setzen, um den im Naturzustand um sich greifenden Krieg aller gegen aller durch Vertrag der einzelnen Menschen zu berwinden; hierzu Thomas Hobbes, Elements of law, natural and political, London 1640, bersetzt als „Naturrecht und allgemeines Staatsrecht in den Anfangsgrnden“, hg. von Ferdinand Tçennies und Arthur Kaufmann, Darmstadt 1983; Hobbes, Leviathan, or the matter, form and power of a commonwealth ecclesiastical and civil, London 1651, deutscher Neudruck: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und brgerlichen Staates, hg. von Iring Fetscher, Frankfurt/M. 2002; cf. Bernard Willms, Die Antwort des Leviathan. Thomas Hobbes’ politische Theorie, Neuwied / Berlin 1970; Ulrich Weiss, Das philosophische System von Thomas Hobbes, Stuttgart / Bad Cannstatt 1980; Wolfgang Kersting, Hg., Thomas Hobbes, Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines brgerlichen und kirchlichen Staates, Berlin 1996. – Erscheint das Naturrecht bei Leibniz als konsekutiver Reflex auf den guten und letztlich unverlierbaren Urzustand der Schçpfung Gottes, so begrndet Hobbes angesichts des Unvermçgens der in ihrem Naturzustand belassenen freien Subjekte den naturrechtlichen Charakter der Grundnormen menschlicher Koexistenz durch das Erfordernis vertraglicher Organisierung; hierzu Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Ein

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So ging aus den vom Gesellschaftsvertrag abgeleiteten Forderungen zunchst der historische Prozeß einer stetig intendierten ganzheitlichen Demokratisierung hervor34, dem jede Teilinstitution der berlieferten Feudalordnung als berflssig erscheinen mußte und der sich in den revolutionren Geschehnissen nicht nur realisierte, sondern zunehmend auch radikalisierte35. Die Achtung vor Tradition und historisch gewachsener Ordnung wich in direktem Umbruch dem Willen zur Reform und zur Etablierung einer natrlichen Gleichheit aller Menschen. Die damit geoffenbarten emanzipativen Tendenzen36 wie auch der durch keine kritische Reflexion gebrochene Glaube an die menschliche Vernunft37 jenseits

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Beitrag zur Pathogenese der brgerlichen Welt, Freiburg / Mnchen 1959, S. 18 – 32. Insofern geht Rousseaus Gedanke des Sozialvertrags eine Synthese mit der grundstzlich positiven Einschtzung der menschlichen Naturbeschaffenheit ein. Daraus entwickelt sich im prrevolutionren Kontext jener Typus des Naturrechts, der zunehmend gegen die stndisch strukturierte Verfaßtheit der Gesellschaft opponiert; hierzu a. Karl Mannheim, Konservativismus. Ein Beitrag zur Soziologie des Wissens, hg. von David Kettler, Frankfurt/M. 2003. Bereits am 17. Juni 1789 hatte die aus den franzçsischen Generalstnden hervorgangene Nationalversammlung die nationale Regeneration sowie die Erarbeitung einer Verfassung als ihre erste Aufgabe bezeichnet; zugleich erklrte sie alle nicht von ihr beschlossenen Steuern fr ungesetzlich. Darin zeigte sich als erster revolutionrer Akt „ein Bruch des geltenden Verfassungsrechtes aus einem neuen politischen Prinzip heraus: Die Nationalversammlung […] machte sich aus dem Prinzip der Volkssouvernitt […] eigenmchtig zur Gestalterin der Verfassung Frankreichs“, Karl Griewank, Die Franzçsische Revolution, S. 34. Diese Radikalisierung verbindet sich nicht zuletzt mit dem Namen Maximilian Robespierres, der gut ein Jahrzehnt vor dem Ausbruch der Revolution als schchterner Verehrer von Rousseau in Ermenonville empfangen worden war. Hierzu Hans Joachim Stçrig, Kleine Weltgeschichte der Philosophie, S. 327; Martin Gçhring, Robespierre, in: Walter Grab, Hg., Die Debatte um die Franzçsische Revolution, S. 122 – 136, hier: S. 124, vgl. S. 129; zu Robespierre ferner sein zeitgençssischer Gegner Marie Jean Antoine Condorcet, Robespierre, in: Minerva 1 / 1794, S. 8 – 12; Jean Massin, Robespierre, Berlin 1976. Das Bedrfnis nach Emanzipation des entrechteten Einzelnen aus jeder nur denkbaren Bevormundung begrndete die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen um Standesprivilegien und zunftgebundene Vorrechte. Die Auseinandersetzungen fhrten immer wieder neu zum Kampf um nachmalige integrale Bestandteile der Grundrechte wie die Presse-, Glaubens- und Gewissensfreiheit. Zum engen Verhltnis von Vernunft und menschlicher Autonomie im Denken Jean-Jaques Rousseaus vgl. dens., Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundstze des Staatsrechtes, S. 34: Sobald der Mensch „zu dem Alter der Vernunft gekommen, ist er allein Richter ber die zu seiner Erhaltung geeigneten Mittel und wird dadurch sein eigener Herr“.

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des genuinen Naturzustandes mußten in der Folge jedoch auf breiten Widerstand treffen. Dabei polarisierten sich bereits im Bereich der Anthropologie markante alternative Positionen. Auf der einen Seite verbreitete sich eine idealisierende Auffassung vom Menschen, die diesem grundstzlich wie auch in Wahrnehmung der konkreten gesellschaftlichen Zustnde auf evolutivem Wege die Befhigung zur Perfektibilitt zumessen wollte. Diese Auffassung rekurrierte notwendig auf immanente Mçglichkeiten hinsichtlich der Gestaltung von Mensch und Welt und nahm dabei die von Rousseau vermittelte Einsicht einer grundstzlichen und unverfgbaren vorstaatlichen Wrde des Menschen konstitutiv auf. Auf der anderen Seite blieb das tradierte christliche Menschenbild, das sich an der Auffassung eines grundstzlich gefallenen und damit sndhaften, nur im Kontext der ihm von Gott geschenkten Erlçsung zum Guten befhigten Menschen orientiert und sich von hier aus gerade auf die transzendente Grundlage seiner Hoffnungen angewiesen sieht. Historisch mit dieser Sicht verbunden, nahm die ber Jahrhunderte gewachsene zeitgençssische stndische Gliederung der Gesellschaft fr sich eine Herleitung aus gçttlicher Ordnung in Anspruch38. Nun aber forderte die Revolution in kritischer Auseinandersetzung mit dieser staatskirchlich legitimierten Auffassung39 ein grundstzliches Widerstandsrecht der Beherrschten gegenber den Herrschenden ein; von diesem Postulat ausgehend gab sie in der Folge ihre deutlichen Antworten zum Problemkreis des Verhltnisses von staatlicher Autoritt und Gehorsamspflicht. Dabei zeigte sich jedoch mehr und mehr das fundamentale Erfordernis einer Begrenzung der staatlichen Macht, denn einerseits drohte die Revolution den Einzelwillen im Gesamtwillen 38 Vgl. Karl Griewank, Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, S. 47; Andreas Pawlas, Freiheit, Bielefeld 1991, hebt S. 71 hervor, daß Rousseau die individuelle Freiheit des Individuums „im Kollektiv und seinem Willen erfllt werden [ließ, L.-P.]), wobei dieser an das Gemeinwohl gebundene Willen ,bestndig der richtige‘ oder ,unzerstçrbar‘, ,unwandelbar und lauter‘ sei. Nicht nur dieser quasireligiçse Anspruch und die Forderung nach einer neuen ,brgerlichen Religion‘ signalisierte einen nahezu alle Bereiche umgreifenden Umbruch der ethischen Grundlagen von Staat und Gesellschaft, der in der franzçsischen Revolution kulminierte. Denn weder um den Freiheitsbegriff mit Inhalt zu fllen noch zur allgemeinen Begrndung ethischer Normen und Werte meint man nunmehr Gott oder in Ableitung den absoluten Frsten bemhen zu mssen, sondern allein das, was ,naturgemß‘ oder ,natrlich‘ ist, wie das auch immer zu przisieren wre“. 39 Alexis de Tocqueville, Der Alte Staat und die Revolution, hlt eingangs S. 18 fest: „Es war einer der ersten Schritte der Franzçsischen Revolution, die Kirche anzugreifen“.

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faktisch aufzulçsen, und andererseits vermochte sie auch ein demokratisches Zustandekommen dieses Gemeinwillens selbst nicht mehr angemessen nach außen zu vermitteln. Unter solchen Umbrchen und Auswirkungen mußte sich jede Auseinandersetzung um die Franzçsische Revolution von vornherein einem breit angelegten Disput stellen. Dieser Disput ber Rechtmßigkeit und Sinn des franzçsischen Umsturzes findet seinen frhen Ausdruck im revolutionserfahrenen angelschsischen Bereich. Die literarische Debatte zwischen den beiden englischsprachigen Staatstheoretikern Edmund Burke40 und Thomas Paine41 40 Edmund Burke, Reflections on the Revolution in France, London 1790, neu hg. von Jonathan C.D. Clark, Stanford, CA 2001. Eine erste deutsche zweibndige bersetzung der Reflections von Friedrich Gentz erschien im Jahre 1793 in Berlin; in Wien waren bereits 1791 die „Bemerkungen ber die franzçsische Revoluzion und das Betragen einiger Gesellschaften in London bey diesen Ereignissen“, bersetzt nach der englischen vierten Ausgabe, ohne Angabe eines Herausgebers erschienen. Zur konservativen zeitgençssischen Aufnahme der „Reflections“ in Deutschland vgl. August Wilhelm Rehberg, Rezension von Edmund Burkes „Reflections on the Revolution in France“ (1791), in: Die Franzçsische Revolution in Deutschland. Zeitgençssische Texte deutscher Autoren, hg. von Friedrich Eberle und Theo Stammen, Stuttgart 1989, S. 170 – 177; vgl. ebd. S. 193 – 195: Friedrich Gentz, Anmerkungen zu Edmund Burkes „Betrachtungen ber die Franzçsische Revolution“. – Als deutsche bersetzung in neuerer Zeit vgl. die „Betrachtungen ber die Franzçsische Revolution“, eingel. von Dieter Henrich, in Frankfurt/M. 1967. Nach George Rud, Revolutionary Europe 1783 – 1815, Second Edition, Oxford und Malden 2000, S. 141 wurden die Reflections „the almost unchallenged Bible of counter-revolution in every European country“. Burkes Werk fand innerhalb von etwas mehr als einem Jahr 30000 Abnehmer und wurde in diesem Zeitraum in elf Auflagen publiziert. Zu Burke a. Jrgen Angelow, Edmund Burke und die Franzçsische Revolution. Von konservativer Kritik zur Idee des modernen Weltanschauungskrieges, in: ZRGG 52 / 2000, S. 97 – 114; Heinz-Joachim Mllenbrock, Edmund Burke (1729 – 1797), in: Politische Theorien des 19. Jahrhunderts, hg. von Bernd Heidenreich, 2. Aufl., Berlin 2002, S. 71 – 80. 41 Thomas Paine, The rights of man, erstmals in deutscher bersetzung mit einer Vorrede Georg Forsters 1791; nach Schwierigkeiten mit der Reichszensur erschienen zwei weitere Auflagen ab 1793 in Kopenhagen; neu hg. von Theo Stemmler, Die Rechte des Menschen, Frankfurt/M. 1973. „The book was badly received by the English propertied classes […] but it was eagerly read by reformers, Protestant dissenters, democrats, London craftsmen and the skilled factory hands of the new industrial north: its sales were prodigious and may have reached a million copies“, Rud, a.a.O., S. 142. In Leipzig war im Jahre 1791 in deutscher bersetzung ein „Kurzer Abriss der Entstehung der franzçsischen Revolution“ von „Thomas Payne, einem Amerikaner“ publiziert worden. Paines Gedanken fanden rasche Verbreitung auch in eher provinziellen Regionen; so wurde im Flensburgschen Wochenblat fr Jederman am 2. Mrz 1796 S. 283 ebenso der „Ge-

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offenbart unterschiedliche revolutionskritische Anstze von geradezu klassischem Charakter. So geht der Revolutionsgegner Burke42 von einer exklusiv empiristischen Grundposition aus, whrend Paine als Befrworter der Revolution aus einer naturrechtlich gegrndeten Sicht argumentiert43. Burke stilisiert die historisch bedingten Maximen der stndischen Privilegiengesellschaft und ihre Voraussetzung einer natrlichen Ungleichheit der Menschen zu einem ewigen und unabnderlichen Naturgesetz; er wird zum Vorkmpfer der Idee einer „organischen Entwicklung“ und eines „allgemeinen geschichtlichen Wachstums“ und daher zum „Anwalt der ,Evolution‘ – das Wort taucht seit 1790 vielfach auf – gegen die verderbliche und uferlose ,Revolution‘“44. Diese Anschauungen verbinden sich mit einer Konspirationsthese, deren Prmisse die grundstzliche Entbehrlichkeit der Revolution ist, da das Ancien Rgime durchaus noch selber ber die Kraft zu eigenstndigen Reformen verfgt habe. Auch sei sunde Menschenverstand, v. Paine“ beworben wie auch die „Beantwortung der Paineschen Schrift: von den Rechten des Menschen, v. Adams“. Die Zeitung brachte am 6. Juli 1797 S. 16 eine erneute Werbung des çrtlichen Buchhandels fr „Paines Rechte der Menschen“; die dreibndige 1793er Ausgabe erscheint in der 1794er Auflistung des Buchbestandes einer Flensburger Lesegesellschaft, vgl. O.J.P. Diguemann, Systematisches Verzeichnis der Bcher und Schriften der drei deutschen Lesegesellschaften in Flensburg, Flensburg 1794, S. 11. 42 Zu diesem Karl Mannheim, Konservativismus. Ein Beitrag zur Soziologie des Wissens, hg. von David Kettler, Frankfurt/M. 2003, S. 154: „Die Bedeutung Burkes besteht darin, daß er die frheste eindrucksvolle Reaktion auf die franzçsische Revolution darstellt, daß er als erster die Reihe der antirevolutionren Konservativismen erçffnet und dadurch diesen seine Prgung verleiht. Irgendwie steht jeder Konservativismus, der auf die franzçsische Revolution reagiert, unter dem Einfluß Burkes. Seine Einstellung zu dem großen Ereignis seiner Zeit beeinflußt bis zu einem bestimmten Grade alle revolutionsfeindlichen Einstellungen“. 43 Hierzu Richard Blunck, Thomas Paine, 2. Aufl., Mnchen 1947, S. 114 – 118; Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der brgerlichen Welt, S. 152. 44 Karl Griewank, Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, S. 200. George Rud fokussiert a.a.O. S. 50 Burkes Einschtzung der revolutionren Kausalitten auf die individuellen Intentionen einzelner Gruppierungen: „The Revolution […] could not in his opinion be the outcome of a genuine and widespread feeling for reform, but rather of the evil machinations of selfish and socially disruptive groups. He instanced, in particular, the clique of literary men and philosophes, who had long been sniping at the established Church, and the jumped-up moneyed interest, eager to settle accounts with the traditional aristocracy. In the wake of these influences, he argued, followed the poor benighted ,mob‘, or ,swinish multitude‘, owning little or no property and incapable of political thinking or discernment“.

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die Revolution nicht von den Massen, sondern nur von einer geringen Anzahl von Verschwçrern inauguriert worden, deren Tun lediglich durch das Streben nach eigener Vorteilsnahme – und damit durch die „defizite Natur des Menschen“45 – motiviert worden sei. Der Nordamerikaner Paine sieht dagegen in den berlieferten gesellschaftlichen Normen und Dogmen nichts anderes als den „Ausdruck bestimmter und durchschaubarer Interessen der Machttrger“ zur „Aufrechterhaltung bestehender Herrschaftsund Besitzverhltnisse“46. Daher intendiert er die auf der Gewaltenteilung errichtete Republik, deren gesetzgebende Institution aus allgemeinen und gleichen Wahlen hervorzugehen habe. Im Kontext dieser wirkungsvollen publizistischen Auseinandersetzung erschien die Revolution ihrem Anklger als gravierender Bruch einer jahrhundertelang gewachsenen Entwicklung, whrend ihr Verteidiger gerade den aktuellen status quo jener historischen Entwicklung vehement zugunsten einer wesentlich demokratischen Gesellschaftsform befehdete. Ein nationenbergreifender, dabei grundstzlich stndischen Interessen verhafteter Widerstand erwuchs den Krften der Franzçsischen Revolution jedoch im Sinne der „Reaktion“ aus der Anhngerschaft der berlieferten Sozialordnung. Diese Gegnerschaft griff nunmehr zurck auf die europische mittelalterlich-frhneuzeitliche berlieferung, die ihrerseits einen Revolutionsbegriff anbot, demzufolge „Re“-volution stets die Rckbesinnung und Umkehr zu einer von christlichen Dogmen und Anschauungen bestimmten Gesellschaft und damit zu einem biblisch fundamentierten Recht bedeutete47. Verantwortungsethischer Bezugspunkt und Maß allen Tun und Lassens war und blieb in diesem Denken direkt und indirekt der stets aus der Heiligen Schrift erschlossene Gotteswille. Die interimsweise immer wieder depravierte, in der Umkehr zu ihrem Ursprung jedoch stndig neu aufzurichtende Weltordnung wurde dabei durchaus als gçttlich begrndet aufgefaßt, denn die „gottesbestimmte Ordnung konnte nur im engen Rahmen einer wieder zurechtgerckten Gesellschaft verndert werden, war aber grundstzlich nicht 45 Heinz-Joachim Mllenbrock, Edmund Burke, S. 76, der ebd. fr Burke eine „christliche Anthropologie als Wegweiserin der Politik“ reklamiert. 46 Walter Grab, Die Franzçsische Revolution im Spiegel der historischen Forschung, in: Ders., Die Debatte um die Franzçsische Revolution, S. 9 – 30, hier S. 10. 47 Karl Griewank, a.a.O., S. 18. Fr den Kontext der „Re“-formation lßt sich in diesem Zusammenhang etwa an die programmatischen Intentionen „ad fontes“ sowie „sola scriptura“ denken. Zum Ganzen a. Friedrich Delekat, Reformation, Revolution und Restauration, drei Grundbegriffe der Geschichte, in: ZThK 49 / 1952, S. 85 – 120.

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wandelbar“48. Dementsprechend orientierte sich im Kontext dieser berlieferten Auffassung das Selbstverstndnis der frstlichen Machttrger an einem Gottesgnadentum, das seine Wurzeln auf eine sakralrechtlich legitimierte Herrschaftsideologie zurckfhren wollte. Diese Ideologie hatte der kçnigliche Hofstaat gerade in Frankreich ostentativ als „semiotisches Universum“49 inszeniert. Entsprechend deklarierte das zeremonialisierte Hofleben „als Erbe des traditionellen großen Staatszeremoniells, das die Sakralitt monarchischer Herrschaft bei Gelegenheit der frstlichen rites de passage vorgefhrt hatte“, den Herrscher „zur alleinigen Quelle politischer Macht und sozialen Prestiges“ und bezeugte damit nichts anderes als „die sakrale Grundlage seiner Regierung“50. Dem Ausdruck jener sakralen Aura diente nicht zuletzt der Gebrauch der Ritualsprache im beiderseitigen Kontext der hçfischen wie auch der religiçsen Sphre; aus dieser Analogie erschloß sich unmittelbar die quasigçttliche Verehrung des im zeremonialen Zentrum befindlichen Kçnigs. Etikette wurde auf diese Weise „zum funktionalen quivalent der christlichen Liturgie“51. In bewußter Distanzierung von diesem sakralrechtlichen Kontext macht Ludwig XIV. jedoch eine Ausnahme und verzichtet auf einen Großteil gerade jener traditionellen Rituale und Zeremonien, die zuvor dem franzçsischen Kçnig in seiner Akzentuierung als Roi trs chr tien besonderen sakralen Ausdruck verliehen hatten52. Der Roi soleil visualisiert seine Staatsmacht auf eine entschieden skularisierte Weise: Durch seinen 48 Gad Arnsberg, Zur Semantik der Franzçsischen Revolution im Aktionsfeld des deutschen Vormrz, S. 88. 49 Dirk Schmer, Der Hçfling. Eine semiotische Existenz, in: Journal fr Geschichte 1990, S. 15 – 23, hier: S. 16. Zur Bedeutung des Hofes als Reprsentationszentrum, Herrschaftsinstrument und Wirkungskreis der Frsten vgl. Norbert Elias, Die hçfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Kçnigtums und der hçfischen Aristokratie, Darmstadt und Neuwied 1977; Peter C. Hartmann, Kulturgeschichte des Heiligen Rçmischen Reiches 1648 bis 1806, Wien / Kçln / Graz 2001, S. 283 – 326; zur herausragenden Bedeutung vestimentrer Kommunikation innerhalb des zeremoniellen Verhaltens und der stndischen Etikette vgl. Ren Kçnig, Menschheit auf dem Laufsteg. Die Mode im Zivilisationsprozeß, Frankfurt/M. / Berlin 1988, S. 191 – 195. 50 Volker Bauer, Hofçkonomie. Der Diskurs ber den Frstenhof in Zeremonialwissenschaft, Hausvterliteratur und Kameralismus, Wien / Kçln / Weimar 1997, S. 35 f. 51 Ebd., S. 36. 52 Hierzu Percy Ernst Schramm, Der Kçnig von Frankreich, Band 1 und 2, 2. Aufl. Weimar 1960; Marc Bloch, Die wunderttigen Kçnige, Mnchen 2001.

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von der Hauptstadt distanzierten, die Exklusivitt der Eliten unterstreichenden Hof. Strukturell bernimmt das hçfische Zeremoniell dabei auch Teile des sakralen Erbes des franzçsischen Kçnigtums, verleiht diesen jedoch eine strker immanent-skularisiert orientierte Konnotation53. Um so bemerkenswerter zeigt sich dann anderthalb Jahrzehnte vor Ausbruch der Revolution noch einmal deutlich, wie lebendig der Gedanke einer sakralrechtlich verstandenen Monarchie bis ins spte 18. Jahrhundert dennoch geblieben ist. Als dem neunzehnjhrigen Thronerben Ludwig XVI. unter Hinweis auf den desolaten Staatshaushalt der Vorschlag gemacht wird, seine Krçnungszeremonie entgegen der Tradition nicht in Reims, sondern vor Ort in Paris vorzunehmen, verwahrt er sich gegen die Argumente der konomie. Der knftige Kçnig besteht auf dem historisch berlieferten Ort der Krçnung seiner Vorgnger, an den er die Visualisierung seines im Gottesgnadentum begrndeten Herrschaftsanspruches gebunden sehen will54. Das Monopol dieses zeremoniellen Staatskultes aber liegt in den Hnden der gallikanischen Kirche, die sich in der Durchfhrung dieses Krçnungsaktes einmal mehr als integraler Teil des Ancien Rgime55 erweist. Aufklrerisches Denken und nicht zuletzt der Rousseausche Gesellschaftsvertrag sowie die mit diesem naturrechtlich begrndeten Postulate der Freiheit und Gleichheit aller Menschen56 ließen jedoch gerade die Vorstellung des Gottesgnadentums als lediglich ideologisches Instrument 53 Vgl. Ralph E. Giesey, Crmonial et puissance souveraine, Paris 1987, S. 72 – 75. 54 Hierzu Hermann Weber, Das Sacre Ludwigs XVI. vom 11. Juni 1775 und die Krise des Ancien Rgime, S. 539 – 565, in: Ernst Hinrichs, Eberhard Schmitt und Rudolf Vierhaus, Hg., Vom Ancien Rgime zur Franzçsischen Revolution. Forschungen und Perspektiven, Gçttingen 1978, hier insbes. S. 540 – 56. – Auf dem Rckweg von seiner in Reims vollzogenen Krçnung begegnete dem jungen Kçnig aus Anlaß eines Schulbesuches der junge Maximilian Robespierre, der Ludwig XVI. durch die Gunst seiner Lehrer im Namen seiner Mitschler eine lateinische Ansprache halten durfte, vgl. Martin Gçhring, Robespierre, S. 122 – 136, in: Walter Grab, Hg., Die Debatte um die Franzçsische Revolution, hier S. 124. Jenseits der Franzçsischen Revolution beanspruchte im September 1824 mit Karl X. auch der letzte Bourbonenherrscher zu Beginn seiner glcklosen Regentschaft Reims als Ort seiner Krçnung; hierzu u. S. 480. 55 Hierzu Albert Mathiez, Die Krise des Ancien Rgime, in: Walter Grab, Hg., Die Debatte um die Franzçsische Revolution, S. 31 – 37; vgl. a. Eva Schleich. Kirche, Klerus und Religion, in: Rolf Reichardt, Hg., Ploetz. Die Franzçsische Revolution, S. 206 – 222, hier S. 208 – 212. Der Katholizismus war seit dem Konkordat von 1516 franzçsische Staatsreligion, bis die Revolution dieser Verklammerung ein Ende setzte. 56 Vgl. Karl Griewank, Die Franzçsische Revolution, S. 24 f.

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zur Erhaltung des Privilegiensystems und zur Bewahrung der bestehenden politischen Ordnung erscheinen. Die christliche Religion als ganze wurde damit verdchtig57; eine grundstzliche, dabei intellektuell bedingte Distanz zu Religion und Kirche auf seiten der Revolutionsanhnger war von daher nur die konsequente Folge58. Praktisch fhrte diese Sachlage whrend 57 Diesbezglich fllte bereits Jean-Jacques Rousseau ein hçchst kritisches Urteil, vgl. dens., Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundstze des Staatsrechtes, S. 178: „Ich irre mich indessen, wenn ich von einer christlichen Republik rede, jedes dieser beiden Worte schließt das andere aus. Das Christentum predigt nur Knechtschaft und Unterwrfigkeit. Sein Geist ist der Tyrannei zu gnstig, als daß sie nicht immer suchen sollte, daraus Gewinn zu ziehen. Die aufrichtigen Christen sind dazu geschaffen, Sklaven zu sein“. In bereinstimmung mit dem Geist dieser Anschauungen rhmt denn auch ein unmittelbarer deutscher Beobachter der Ereignisse des Jahres 1789, Rousseau bestreite „religiçse Vorurtheile, die sicherste Stzze aller Despotie, der geistlichen und der weltlichen. An deren Stat lehrt er dem Menschen wahre Religion; reine, erhabene Moral“, Anonymer Verfasser, Betrachtungen ber die jezzige Ghrung in Frankreich, in: Deutsches gemeinnziges Magazin 3 / 1789, S. 79 – 98, hier: S. 80. 58 Die ußerungen der amerikanischen Menschenrechtserklrungen seit der Virginia Bill of Rights von 1776 spiegeln noch den geistigen Hintergrund einer „christlichen Aufklrung“, vgl. Fritz Hartung und Ernst Schraepler, Hg., Die Entwicklung der Menschen- und Brgerrechte von 1776 bis zur Gegenwart, Quellensammlung zur Kulturgeschichte Band 1, 4. Auflage Gçttingen / Berlin / Frankfurt/M. 1972, passim. Innerhalb der Ereignisfolge der Franzçsischen Revolution werden jedoch deren menschen- und brgerrechtliche Postulate Teil eines Revolutionsprogramms, das den spezifisch christlichen Hintergrund des Menschenrechtsgedankens verwirft. Die sich zunehmend ausbildende Dechristianisierungsideologie zeigt sich deutlich in der Berufung der revolutionren Aktivisten auf die „Gegenwart des hçchsten Wesens“ anstelle des tradierten trinitarischen Gottesbildes. Der antikirchlichen Tendenz der Revolution leistete jedoch auch ein anhaltender kirchlicher Widerstand gegen die berwindung einer stndisch gegliederten Gesellschaft Vorschub. Dieser formierte sich im katholischen Anspruch auf die Lehrgewalt des Amtes sowie in der moraltheologischen Interpretation der Freiheitslehre; protestantischerseits machte sich der entsprechende Diskurs primr an der radikal-demokratischen Lehre der Volont Gnrale fest, die die natrliche Bçsartigkeit des Menschen und das Erfordernis einer staatlichen Ordnungsmacht prinzipiell ignoriert habe. Vgl. fr den vorliegenden Kontext auch: Gerhard Stuby, Der Universalittsanspruch der Menschenrechtserklrung von 1789 und seine Bedeutung fr heute, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 2, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, Hamburg 1989, S. 811 – 841, hier bes. S. 817 – 819.830; La dclaration des droits de l’homme et du citoyen de 1789: histoire, analyse et commentaires, sous la direction de Grard Conac, Marc Debene et Grard Teboul, Paris 1993; Marcel Morabito et Daniel Bourmaud, Histoire constitutionelle et politique de la France (1789 – 1958), S. 45 – 50; Jçrg Baur, Hg.,

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der Revolution zur Meinungsfreiheit59, zur Religionsfreiheit60 und zur Abschaffung der franzçsischen Staatskirche61. Diesen bereits frh als „Revolution gegen die Kirche“62 gerichteten Maßnahmen schloß sich eine Reform der franzçsischen Kirche an, die durchaus entscheidend fr die Abschaffung des adligen Herrschaftssystems wurde63. Die kirchlichen Reformen fçrderten eine kontroverse Diskussion

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Zum Thema Menschenrechte. Theologische Versuche und Entwrfe, Stuttgart 1977. Vgl. Art. 10 der „Droits de l’homme et du citoyen“, der ausschließlich die individuelle Religions- und Meinungsfreiheit, keinesfalls aber das Kultusmonopol der katholischen gallikanischen Kirche garantiert und dabei offenlßt, inwieweit das Staatskirchentum preisgegeben und die Trennung von Staat und Kirche geboten und faktisch zu vollziehen sei. Damit war der tradierten staatskirchenrechtlichen Einbindung des Katholizismus in die franzçsische Nation die Grundlage entzogen, whrend Mçglichkeiten weiterer knftiger gesellschaftlicher Vernderungen zu Lasten der Kirche durchaus zu legitimen Optionen wurden. Diese erkannte die Revolution mit der Schaffung des Zivilstandes bereits am 20. September 1792 an. Bereits am 2. November 1789 erklrte die Nationalversammlung das gesamte Kirchengut zum Nationaleigentum, vgl. Walter Grab, Die Franzçsische Revolution. Eine Dokumentation, Mnchen 1973, S. 43. Am 13. Februar 1790 folgte die Auflçsung aller Klçster und geistlichen Orden. Mit der Zivilkonstitution des Klerus vom 12. Juli 1790 sah sich nicht nur die hierarchische Gliederung Frankreichs zerstçrt, sondern auch die Eigenstndigkeit der kirchlichen Verwaltung, die nunmehr zu einem Teil der staatlichen Administration wurde. Die Wahl der Geistlichen erfolgte fortan durch smtliche Wahlberechtigte eines jeden Kantons unter Einschluß der Protestanten und Juden; die Geistlichen mußten ihrerseits den Eid auf die staatliche Verfassung ablegen. Dies fhrte im Jahr 1792 zu mehr als 40000 eidverweigernden Priestern, whrend nur 7 von 130 Bischçfen den geforderten Eid ablegten; zum Wortlaut dieses Eides vgl. Grab, a.a.O., S. 48. Die Mehrzahl der eidverweigernden Geistlichen suchte anschließend Aufnahme im europischen Ausland; hierzu Karl Griewank, Die Franzçsische Revolution, S. 50 f.; Michel Vovelle, Die Franzçsische Revolution. Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitten, S. 23 f.56. Ein Gesetz vom 25. November 1793 verfgte die Schließung aller Kirchen; daraufhin wurde die Pariser Kathedrale Notre-Dame bis zum 11. August 1795 ein „Tempel des Hçchsten Wesens“. Zu diesem religiçsen Gegenkult der Revolution und seinem Scheitern Hans Maier, Revolution und Kirche. Zur Frhgeschichte der christlichen Demokratie, 3. Aufl. Mnchen 1973, S. 125 – 141. So die programmatische Formulierung Michel Vovelles, La Rvolution contre l’glise. De la raison Þtre suprÞme, Lausanne 1989. Dieser Wandel der kirchlichen Verhltnisse in Frankreich konnte in Deutschland zunchst als ausschließlich religiçser und sittlicher Prozeß interpretiert werden, erschien doch vieles „dem analog, was in den protestantischen Lndern im Laufe des 16. Jahrhunderts vorgegangen war – die franzçsischen Kirchenreformen waren

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um Sinn und Beibehalt der Monarchie; getragen von einem angewachsenen politischen Selbstbewußtsein erhoben die vom Geist einer offensiven Aufklrung geleiteten Vertreter des franzçsischen Dritten Standes seit dem Sommer 1789 im dynamischen Prozeß einer immer weitergehenden Entrechtung des Kçnigtums jene politischen Forderungen, deren Verwirklichung sie anfangs zu Teilhabern, spter zu Inhabern der Staatsmacht werden ließ. Radikale franzçsische Aufklrer wandten sich daher schon rasch nach Einberufung der Nationalversammlung von dem Gedanken einer wie auch immer gearteten Reform der Monarchie ab. Diese politische Richtung gewann als Jakobinertum nach 1791 zunehmend an Bedeutung64. Dagegen ging die franzçsische Verfassung aus dem Jahr 179165 also soweit durchaus mit der deutschen Reformation vergleichbar. Daß solche Reformen nçtig waren, setzte voraus, daß die franzçsische Kirche den Anschluß an die moderne Zeit verpaßt hatte und daß 1789 annhernd so schlimme Verhltnisse herrschten wie in Deutschland zu Luthers Zeit“, Thomas P. Saine, Von der Kopernikanischen bis zur Franzçsischen Revolution, S. 265. ber den kirchlichen Bezugsrahmen hinausgehend sieht sich die formale Analogie eines hierarchischen Hegemoniewechsels in der Reformation und eines politischen Hegemoniewechsels in der Revolution im weiteren Verlauf der deutschen Auseinandersetzung mit der Franzçsischen Revolution stets von neuem artikuliert; das Ereignis der Reformation gewinnt dabei eindeutig den Charakter einer Legitimationsinstanz fr die Revolution. Nicht zuletzt aber reflektiert sich innerhalb dieses Kontextes auch das Bedrfnis, fr Deutschland eine quivalente historische Erfahrung nachweisen zu kçnnen. Hierzu a. Wolfgang Beutin, Eine „zweite Reformation, eine umfassendere und eigentmlichere“? – Die Franzçsische Revolution im Medium des Vergleichs mit der Reformation, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 2, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, Hamburg 1989, hier: S. 515 – 533. 64 Die Jakobiner verdankten ihre Bezeichnung der Rue St. Jaques in Paris und dem hier befindlichen dominikanischen Hauptkloster; seit dem Dezember 1789 trat die „Gesellschaft der Revolution“ in den Rumlichkeiten des Klosters zusammen. Zu Beginn des Jahres 1791 hatte die Vereinigung, die sich mittlerweile „Gesellschaft fr Verfassungsfreunde“ nannte, bereits mehr als 1000 Mitglieder, die berwiegend dem wohlsituierten Bildungsbrgertum entstammten, vgl. Crane Brinton, Europa im Zeitalter der Franzçsischen Revolution, 2. Aufl. Wien 1948, S. 68 f. Zum bergreifenden Kontext a. Karl Griewank, Die Franzçsische Revolution, S. 54 – 56; Albert S. Manfred, Das Wesen der Jakobinermacht, in: Walter Grab, Die Debatte um die Franzçsische Revolution, S. 173 – 184; Ernst Schulin, Die Franzçsische Revolution, S. 88 f.; ebd. S. 88 nennt Schulin die Jakobiner eine „politische Aktionskçrperschaft“. – Im Folgenden wird der Begriff „Jakobiner“ in Entsprechung zum Wortgebrauch der Revolutionsepoche gleichgesetzt mit dem der „revolutionren Demokraten“. 65 Hierbei handelte es sich um die Constitution Francaise, presentee au roi le 3 Sept. 1791, et acceptee par sa Majste, le 14dn meme mois, publiziert in Dijon im

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zunchst noch einen Mittelweg zwischen gemßigten und radikalen Auffassungen. Sie intendierte die kompromißhafte Koexistenz einer konstitutionellen Monarchie mit den nicht aufgebbaren Maximen der unbertragbaren Volkssouvernitt. So kodifizierte sie die parlamentarische Monarchie mit klar eingegrenzten Einspruchsrechten des Kçnigs und sah neben der Gewaltenteilung ein geordnetes Rechtsverfahren fr jeden Brger sowie ein sich am privaten Vermçgen orientierendes abgestuftes Wahlrecht vor. Der Kçnig war nach dem Wortlaut dieser Verfassung fortan nicht mehr „von Gottes Gnaden Kçnig von Frankreich und Navarra“; bedingt durch die vollstndige Abschaffung aller stndischen Bezeichnungen und Titulaturen66 spiegelte sich die Entledigung seines Gottesgnadentums fortan sehr deutlich im Kontext der Publikation aktuell beschlossener Gesetze: selben Jahr; Neudruck in: Jean-Baptiste Duvergier, Collection compl te des lois, dcrets, ordonnances, rglements, avis du conseil d’tat, Band III, S. 239 – 255, 2. Aufl., Paris 1834; in deutscher bersetzung in Auswahl bei Walter Grab, Hg., Die Franzçsische Revolution. Eine Dokumentation, Mnchen 1973, S. 60 – 93. Zu dieser Verfassung Karl Griewank, Die Franzçsische Revolution, S. 46 – 48; Leon Duguit, H. Monnier et Roger Bonnard, Les constitutions et les principales lois politiques de la France depuis 1789, 7. Ed., Paris 1952; Yves Mny, Textes constitutionnels et documents politiques, Paris 1989; Marcel Morabito et Daniel Bourmaud, Histoire constitutionelle et politique de la France (1789 – 1958), S. 54 – 66. Die genannte Verfassung war die erste geschriebene Verfassung in der franzçsischen Geschichte. Am 3. des Monats in der Nationalversammlung beschlossen, wurde sie am 13. September vom Kçnig akzeptiert. Die Annahme durch den franzçsischen Kçnig entsprach auch den Zielen der zunchst auf den Ausgleich mit Frankreich bedachten diplomatischen Bemhungen sterreichs und Preußens, die von militrischer Intervention anfnglich bewußt Abstand nehmen wollten, vgl. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band 1, S. 23 f. Dennoch wuchsen sich die spter gefhrten Revolutionskriege zu einem europischen Krieg aus, der erst mit dem Wiener Kongreß 1815 seinen endgltigen Abschluß fand; im Hinblick auf die Auswirkungen auf das Deutsche Reich vgl. hierzu Franz Dumont und Jrgen Voss, Der Revolutionskrieg in Deutschland 1792 – 1801, in: Deutschland und die Franzçsische Revolution 1789/1989, hg. von Franz Dumont u. a., Stuttgart 1989, S. 59 – 81. Unter den europischen Monarchien gab es immerhin eine, deren Regierung die 1791er Verfassung des revolutionren Frankreichs anerkannte: Dies war die dnische, zu deren Staatsgebiet neben Norwegen, Island und den Frçern auch die Elbherzogmer Schleswig und Holstein gehçrten; hierzu Ole Feldbæk, Revolutionskriege und Gesamtstaat: das Ende der Neutralittspolitik, in: ZSHG 116 / 1991, S. 107 – 123, hier S. 110. 66 Vgl. die Prambel der Verfassung bei Walter Grab, Hg., Die Franzçsische Revolution. Eine Dokumentation, S. 60.

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„N.N., von Gottes Gnaden und durch das Verfassungsgesetz des Staates Kçnig der Franzosen, allen Gegenwrtigen und Knftigen Heil. Die Nationalversammlung hat beschlossen und wir wollen und befehlen das folgende […].“67

Nicht mehr Frankreich in seiner Eigenschaft als historische Vereinigung von Lndern, sondern die Vereinigung aller Franzosen bildete damit die Nation dieses konstitutionell gewordenen Kçnigtums, das seinerseits erst durch das Verfassungsgesetz legitimiert wurde. Der Kçnig war nicht mehr legibus absolutus: Er hatte nunmehr seinen Treueid zu leisten auf Nation und Verfassung68. Die Souvernitt lag damit allein beim Volk: „Die Souvernitt ist einheitlich, unteilbar, unverußerlich und unverjhrbar. Sie gehçrt der Nation. Kein Teil des Volkes und keine einzelne Person kann sich ihre Ausbung aneignen. Die Nation, von der allein alle Gewalten ihren Ursprung haben, kann sie nur durch bertragung ausben. Die franzçsische Verfassung ist eine Repsentativverfassung, ihre Reprsentanten sind die gesetzgebende Kçrperschaft und der Kçnig.“69

Die neue Verfassung ließ alle staatliche Macht kontrolliert sein durch sich gegenseitig hemmende Gewalten70. Dabei kodifizierte sie als einen fundamentalen Wendepunkt gesellschaftlicher Gestaltung eine bedeutsame Neuerung: Die amtlichen Verantwortungstrger innerhalb der Nation wurden fortan whlbar gemacht; diese Whlbarkeit korrespondierte ihrerseits elementar der Auffassung des aus dem „Gesellschaftsvertrag“ rezipierten Gemeinwillens. Nun hatte jedoch Rousseau selbst in seiner breit angelegten Darstellung dieser Volont Gnrale jede Unterwerfung eines einzelnen unter einen kçniglichen Eigenwillen fr illegitim erklrt: Der „herrschende Wille des Frsten [ist, L.-P.] nichts anderes oder soll wenigstens nichts anderes sein als der allgemeine Wille oder das Gesetz; seine Gewalt ist nur die in ihm vereinte Staatsgewalt; sobald er aus eigener Kraft irgendeinen willkrlichen und unabhngigen Akt vornehmen will, beginnt das Band des Ganzen sich zu lockern. Trte endlich der Fall ein, daß der Frst einen be67 Kap. IV, Abschnitt I, Art. 3, zit. n. Walter Grab, a.a.O., S. 82. 68 Kap. II, Abschnitt I, Art. 4, zit. n. Grab, a.a.O., S. 70. 69 Titel III der Verfassung, Art. 1 und 2, zit. n. Walter Grab, Hg., Die Franzçsische Revolution. Eine Dokumentation, S. 64. 70 Den Gedanken der Gewaltenteilung hatte maßgeblich Charles de Secondat Baron de Montesquieu formuliert, vgl. dens., Vom Geist der Gesetze. Eingeleitet, ausgewhlt und bersetzt von K. Weigand, Stuttgart 1965, hier S. 212 f.; zu Montesquieus bereits 1748 erschienener Schrift L’Esprit des lois auch Marcel Morabito et Daniel Bourmaud, Histoire constitutionelle et politique de la France (1789 – 1958), S. 19 f.

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sonderen Willen htte, der ttiger als der des Staatsoberhauptes wre, und er die in seinen Hnden ruhende Staatsgewalt anwendete, um diesem besonderen Willen Gehorsam zu verschaffen, so daß man gleichsam zwei Oberhupter htte, eins dem Rechte und das andere der Tat nach, so wrde sofort die gesellschaftliche Vereinigung aufgehoben und der politische Kçrper aufgelçst sein.“71

Eine radikal gedachte Volkssouvernitt bedarf jedoch nicht einmal einer konstitutionellen Monarchie; und so standen im geistigen Hintergrund der Verfassung aus dem Jahr 1791 auch die gewichtigen Interessengegenstze zwischen Besitzbrgern und besitzlosen Brgern72, zwischen großbrgerlicher liberaler Gironde73 und den kleinbrgerlichen, radikaldemokratischen Jakobinern74. Wnschte die Gironde die Beibehaltung des Kçnigtums, um sich seiner weiterhin als Bastion gegen allzu radikale politische und soziale Forderungen der Jakobiner und der hinter diesen stehenden besitzlosen Unterklassen zu bedienen, so verlangte der Jakobinismus nunmehr die endgltige Vernichtung aller feudalen Reststrukturen75. Entsprechend faßten die radikaldemokratischen Krfte unter Auswertung der ersten drei Jahre nach Revolutionsausbruch den Entschluß, daß nur eine konsequente Beendigung der Monarchie in enger Bindung an die besitzlosen Schichten zur Verwirklichung der Volkssouvernitt fhren kçnnte76. Durch den von ihnen betriebenen Sturz des Kçnigs im August 1792 kam es vollends zum Bruch unter den Reprsentanten des dritten Standes, denn mit der politischen Erledigung der Monarchie hatte der 71 Jean-Jacques Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundstze des Staatsrechtes, S. 93. 72 Zu den Klassengegenstzen innerhalb des Dritten Standes vgl. Heinrich Cunow, Das Regiment des liberalen Brgertums, in: Walter Grab, a.a.O. (Anm. 69), S. 53 – 57, hier: S. 54 – 57. 73 Hierzu Karl Griewank, Die Franzçsische Revolution, S. 58. 74 Hierzu Karl Griewank, a.a.O., S. 58 – 64. 75 Zu den erst seit dem 19. Jahrhundert zunehmend gebruchlichen Begrifflichkeiten „liberal“ und „demokratisch“ vgl. Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, II. Bd., 2. Aufl., Freiburg 1949, S. 90 f. und S. 96 – 102; ferner auch Uwe Backes, Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese, S. 15 f., der ebd. S. 15 den „breitesten Konsens“ beider Etikettierungen anhand des Begriffes des „Liberalismus“ auslegt: Dieser „wird als Bezeichnung fr eine gegen Absolutismus und Stndestaat gleichermaßen gerichtete Verfassungsbewegung verstanden, die – vom Leitbild des autonomen Subjekts ausgehend – nach Grundrechtssicherung und brgerlicher Teilhabe am politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß strebt“. 76 Zum bergreifenden Kontext: Marcel Morabito et Daniel Bourmaud, Histoire constitutionelle et politique de la France (1789 – 1958), S. 76 – 124.

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Kapitel I

Antifeudalismus seinen entscheidenden, seine Krfte bis dato notwendig einigenden Gegner verloren. Um so deutlicher zeigten sich nun die Interessengegenstze innerhalb des dritten Standes: Das Besitzbrgertum wollte die Revolution zum Ende fhren, deren politischen und çkonomischen Erfolg fr sich in Anspruch nehmen und dabei die Besitzlosen von der Wahrnehmung der Staatsmacht ausschließen. Demgegenber wollten die radikalen Demokraten die maximale Verwirklichung der in der Menschenrechtserklrung niedergelegten Grundstze; in der Verfolgung dieses Interesses erhielten sie zunehmend den Beistand der Besitzlosen, deren Revolutionshoffnungen wesentlich auf Neuverteilung des Besitzes, çkonomische Paritt oder zumindest soziale Besserstellung gerichtet waren. Hierdurch gewann das radikale Potential der Revolution77 jenen entscheidenden Machtzuwachs, der kurze Zeit nach Ausrufung der Republik78 im Oktober 1792 den Ausschluß der Girondisten aus dem Pariser Jakobinerklub nach sich zog. Die Guillotinierung Ludwigs XVI. im Januar 1793 mußte den Zeitgenossen als signifikante Tabubertretung erscheinen79. Sie erfolgte gegen 77 Die zunehmende Radikalitt manifestierte sich außerordentlich eindrucksvoll in den sog. Septembermorden des Jahres 1792, denen weit ber eintausend Menschen zum Opfer fielen: Politische und kriminelle Gefangene wie auch Priester und Adlige; hierzu Karl Griewank, Die Franzçsische Revolution, S. 66 f. 78 Am 22. September 1792. Die Proklamation findet sich in deutscher bersetzung bei Walter Grab, Hg., Die Franzçsische Revolution. Eine Dokumentation, S. 125. 79 Wenn etwa Jacques Roux am 1. Dezember 1792 whrend des Ludwig XVI. gemachten Prozesses zu behaupten wagte, Kçnige seien des Todes wrdig von dem Augenblick an, da sie das Licht des Lebens erblickten, so mußte die Realisierung dieser ußerung die Revolution in einen grundstzlichen Konflikt mit jeder weiteren europischen Monarchie bringen. Dies fhrte in außenpolitischer Hinsicht zu jener gravierenden Krisenverschrfung, als deren Folge sich das revolutionre Frankreich nach der Hinrichtung Ludwigs XVI. einer gewachsenen Anzahl von Kriegsgegnern gegenber sah. Der Exekution des Kçnigs folgten auf der Seite der Revolution jedoch weitere Provokationsakte, die sicherlich nicht von ungefhr dem Kontext der berlieferten Sakralitt galten: „Die Hinrichtung des zum Priester gesalbten ,Allerchristlichen Kçnigs‘, die sptere Verwstung der Kçnigsgrber in der Kirche von Saint-Denis, die çffentliche Zertrmmerung der heiligen lflasche mit dem Salbçl in Reims waren bewußte Sakrilege der Revolution“, Rolf E. Reichardt, Art. „Franzçsische Revolution“, TRE Bd. 11, S. 401 – 417, hier S. 408. In diesen Kontext gehçrt auch die am 5. Oktober 1793 vom Konvent verfgte Abschaffung der christlichen Zeitrechnung, das am 20. Oktober desselben Jahres proklamierte Verbot der christlichen Feste sowie die am 7. November 1793 beschlossene vçllige Beseitigung des Christentums. Drei Tage spter beging die Revolution in Paris das Fest der „Vernunft“: „Die politische Revolution wurde schließlich selbst zum Gegenstand einer kirchenfeindlichen, deistischen oder

1. Die Revolution in Frankreich

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den Willen der Mehrheit der Gironde und bewies, daß die politische Macht in Frankreich mittlerweile auf die einer radikal gedachten Egalit verhafteten revolutionren Krfte bergegangen war80. Als Hçhepunkt einer gegen das Kçnigtum gerichteten Entwicklung, die mit der Entrechtung der Monarchie begann, war die Hinrichtung des franzçsischen atheistischen Ersatzreligion“, Karl Griewank, Die Franzçsische Revolution, S. 51; zur revolutionren Zeitrechnung vgl. Michael Meinzer, Der franzçsische Revolutionskalender (1792 – 1805): Planung, Durchfhrung und Scheitern einer politischen Zeitrechnung, Mnchen 1992. – Diese die Religionsfreiheit letztlich beendenden Maßnahmen lockerten sich jedoch mit dem Jahr 1794, nachdem der Konvent auf Veranlassung Robespierres die Anerkennung der Existenz eines „hçchsten Wesens und der Unsterblichkeit“ beschlossen hatte; in seiner berhmt gewordenen Rede vom 20. Prairial des Jahres II (8. Juni 1794) stellte Robespierre fest: „Der wahre Priester des Hçchsten Wesens ist die Natur, sein Tempel ist das Weltall, sein Kult die Tugend“, zit. n. Albert Mathiez, Verteidigung Robespierres, in: Walter Grab, Hg., Die Debatte um die Franzçsische Revolution, S. 107 – 121, hier: S. 119. Der Stellenwert des „Hçchsten Wesens“ als verantwortungsethischer Bezugspunkt menschlichen Handelns zeigt sich deutlich in einer Rede Robespierres vom 21. 11. 1793: „Der Atheismus ist aristokratisch; die Idee eines Hçchsten Wesens, das ber die unterdrckte Unschuld wacht und das triumphierende Verbrechen bestraft, gehçrt dem Volk“, zit. n. Alfred Cobban, Die politischen Ideen Robespierres whrend der Konventsperiode, in: Walter Grab, a.a.O., S. 137 – 159, hier: S. 149. Das Ende der sog. „Schreckensherrschaft“ fhrte 1795 zur Wiederherstellung der Religionsfreiheit; als soziales Gemeinwesen sollte die Franzçsische Republik jedoch ein religionsloses Gebilde bleiben. – Zu den gegen die Kirche gerichteten revolutionren Tendenzen cf. a. Karl Dietrich Erdmann, Volkssouvernitt und Kirche. Studien ber das Verhltnis von Staat und Religion in Frankreich vom Zusammentritt der Generalstnde bis zum Schisma, Kçln 1949, der die These vertritt, daß die staatliche Einflußnahme auf die innere Verfaßtheit der Kirche von dieser primr als Verletzung des Bekenntnisses gedeutet wurde. Hierzu a. Hans Maier, Revolution und Kirche. Zur Frhgeschichte der christlichen Demokratie, 3. Aufl. Mnchen 1973, S. 77 – 141; vgl. ferner Mieczyslaw Zywczynski, Die Kirche und die franzçsische Revolution, Leipzig 1953; Michel Vovelle, 1793. La Rvolution contre l’glise. De la raison l’Þtre suprÞme, bes. S. 25 – 100. Zu innerkirchlichen Ursachen des bewußt vorgenommenen Dechristianisierungsprozesses Michel Vovelle, Religion et Rvolution. La dchristianisation de l‘an II, Paris 1976, passim; Thomas P. Saine, Von der Kopernikanischen bis zur Franzçsischen Revolution. Die Auseinandersetzung der deutschen Frhaufklrung mit der neuen Zeit, Berlin 1987, S. 265. 80 Kein Abgeordneter des Nationalkonvents berief sich in diesem Zusammenhang auf die formell immer noch gltige Verfassung des Jahres 1791, in welcher der Kçnig fr unantastbar erklrt worden war. Zu dieser Phase der jakobinischen Hegemonie Karl Griewank, Die Franzçsische Revolution, S. 71 – 91; Michel Vovelle, Die Franzçsische Revolution. Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitten, S. 32 – 42.

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Kçnigs aber auch ein eklatanter „Angriff auf das gemeineuropische Verfassungs-Prinzip der Legalitt“81. Die zeitgençssischen europischen Regierungen empfanden diese Tat nicht nur als individuelle Ermordung eines Monarchen, sondern als Angriff auf die sakrosankte Institution der Monarchie schlechthin. Zugleich verband sich mit dieser Hinrichtung die endgltige Alternative enthusiastischer Bejahung unbedingten Freiheitsstrebens und einer daraus resultierenden neuen Gesellschaftsordnung oder instndiger Verurteilung der revolutionren Gewaltsamkeit82. Mit der Verhaftung Robespierres, Saint-Justs83, Couthons84 und ihrer nheren Umgebung am 27. Juli 1794, dem 9. Thermidor, fand jedoch auch die jakobinische Revolution ihr Ende85 ; bereits am folgenden Tag des 81 Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band 1, S. 16. Ebd. S. 17: „Der Sturz des Kçnigtums und die Hinrichtung des Kçnigs mußte von allen europischen Regierungen als ein Anschlag gegen Europa selbst empfunden werden. Die die einzelstaatliche berhçhende europische Solidaritt forderte nun die Intervention der Mchte zum Schutz des im franzçsischen Kçnigtum bedrohten gemeinsamen europischen Rechtsprinzips“. 82 Zur revolutionsseitig bis 1793 praktizierten Gewalt und dem sich ihr unmittelbar anschließenden systematischen Terror whrend der sog. „Schreckensherrschaft“ der regierenden Bergpartei: Donald Greer, The incidence of the terror during the French Revolution, Cambridge/Mass. 1935; Michel Vovelle, Die Franzçsische Revolution. Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitten, S. 98 – 104. – Bejahung und Verurteilung der revolutionren Gewalt erscheinen ihrerseits „als zwei Facetten einer standhaft aufrechterhaltenen, eben ethisch begrndeten Tugendhaftigkeit“, so Mosche Zuckermann, Obrigkeitsgehorsam und Revolution, S.29 – 62 in: Shulamith Volkov und Frank Stern, Hg., Tel Aviver Jahrbuch fr deutsche Geschichte, Band XVIII, hier: S. 33; zu diesem Zusammenhang auch Rudolf Vierhaus, „Sie und nicht wir“. Deutsche Urteile ber den Ausbruch der Franzçsischen Revolution, in: Jrgen Voss, Hg., Deutschland und die Franzçsische Revolution, Mnchen 1983, S. 1 – 15, hier S. 14; Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 60. 83 Zu Louis-Antoine-Lon de Saint-Just, dem radikalsten Parteignger Robespierres und strikten Verfechter des revolutionren Schreckensherrschaft: Norman Hampson, Saint-Just, Oxford 1991; Jçrg Monar, Saint-Just. Sohn, Denker und Protagonist der Revolution, Bonn 1993. 84 Zu Georges-Auguste Couthon: Martine Braconnier, Georges Couthon. Conventionnel auvergnat ou les mtamorphoses de la Raison; 22 dcembre 1755 – 10 thermidor an II, Saint-Julien-Chapteuil 1996. 85 Michel Vovelle, Die Franzçsische Revolution. Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitten, S. 42; hnlich Martin Gçhring, Robespierre, S. 136, der „mit dem 9. Thermidor […] die Revolution ihren Hçhepunkt“ berschreiten lßt; anders Hedwig Voegt, Die deutsche jakobinische Literatur und Publizistik, S. 13, die am 10. Thermidor die Franzçsische Revolution an sich fr beendet sieht. Zum Ganzen auch Jules Michelet, Geschichte der Franzçsischen Revolution. Teil 5: Buch 9.

2. Reaktionen auf die revolutionren Ereignisse in Deutschland

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Revolutionsjahres II wurde der Fhrungskreis der Bergpartei hingerichtet86. Die von der Revolution formulierten und in ihrem Verlauf von ihr eingeforderten Ziele, die Vorstellung eines letztlich republikanischen Staatswesens, dessen politischer Wille aus dem Willen aller hervorgeht, und dazu die innerhalb ihrer sukzessiven Realisierung aufgetretene Gewalthaftigkeit erwiesen sich fr eine auf dem Fundament des Standesgedankens basierende Gesellschaft als außerordentliche Herausforderung. Und nicht zuletzt trennte jeder dieser drei Aspekte die erklrten revolutionren Demokraten von den mit einer konstitutionellen Verfassung sympathisierenden Liberalen – und dies nicht nur im Stammland der Revolution.

2. Reaktionen auf die revolutionren Ereignisse in Deutschland Im deutschen Sprachraum trafen die Ideen der Revolution insbesondere unter den Anhngern der Aufklrung auf eine intensive Erçrterung87. Zu dieser Anhngerschaft eines sich im 18. Jahrhundert zunehmend entfalRobespierres Streben nach der Alleinherrschaft und sein Sturz (10. Mrz bis 27. Juli 1794), Frankfurt/M. 1988. 86 Neben Robespierre starben viele seiner Parteignger; unter den 141 Mitgliedern des Generalrates der Kommune von Paris wurden 88 Opfer der Guillotine. Der Jakobinerklub wurde geschlossen, whrend im Gegenzug die Girondisten zurckkehrten und sich mit diesen das Großbrgertum erneut als fhrende soziale Gruppierung etablieren konnte, was die rasche Wiedereinfhrung des Zensuswahlrechtes nach sich zog. – Die sog. Thermidorianer legten 1795 eine neue Verfassung vor, die neben einer aus zwei Kammern gebildeten Legislative die Regierung eines Direktoriums vorsah; vgl zu diesem Jules Michelet, Geschichte der Franzçsischen Revolution. Teil 5: Buch 10. Vom Konvent zum Direktorium und Konsulat. Vom 9. Thermidor 1794 bis zum 18. Brumaire 1799 (27. Juli 1794 bis 8. November 1799), Frankfurt/M. 1988; Martyn Lyons, France under the directory, Cambridge/Mass. 1975. – Am 18. Brumaire des Jahres VIII – oder am 9. November 1799 – strzte Napoleon Bonaparte dieses Direktorium und ließ den mittelbar deutlich von der Revolution geprgten Jahren eine Militrdiktatur folgen; hierzu Roger Dufraisse, Napoleon, Mnchen 1994, S. 41 – 55. 87 Zum Begriff der „Aufklrung“ Wolfgang Gericke, Theologie und Kirche im Zeitalter der Aufklrung, S. 19 f.; zum Verhltnis der Franzçsischen Revolution zu den Ideen der Aufklrung Panajotis Kondylis, Die Aufklrung im Rahmen des neuzeitlichen Rationalismus, Stuttgart 1981, bes. S. 29 – 35; Peter Gay, Dichter, Denker, Jakobiner. Aufklrung und Revolution, Reinbek 1973; zu Rezeption und Deutung der revolutionren Ideen und Ereignisse seitens der deutschen Aufklrung Thomas P. Saine, Von der Kopernikanischen bis zur Franzçsischen Revolution. Die Auseinandersetzung der deutschen Frhaufklrung mit der neuen Zeit,

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tenden Prozesses rationaler Weltaneignung und Weltgestaltung rechneten sich vor allem Philosophen, Dichter und Publizisten, die sich ihrerseits ber die zahlreichen Grenzen im Flickenteppich des Reiches in einer „Gelehrtenrepublik“88 miteinander verbunden sahen. Auch sie schienen grundstzlich willens und bereit, fr eine Beschrnkung oder gar Aufhebung feudaler Privilegien einzutreten; die nahezu einmtige Begrßung der anfnglichen revolutionren Geschehnisse ist sogar ein „aufflliges und durchgehendes Merkmal der frhen Revolutionsrezeption in Deutschland“89. Doch ist allgemein bekannt, welchen Wandlungen die Reaktionen auf die Franzçsische Revolution in deren weiterem Verlauf innerhalb der deutschen ffentlichkeit unterlagen. Nach hufigem anfnglichen Beifall, der sich bis in die Phase der Etablierung der konstitutionellen Monarchie S. 256 – 270; Gert Sautermeister, Deutsche Intelligenz im Bann der Religion. Metaphysische Umbildungen der Revolution, S. 535 – 551, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 2, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, Hamburg 1989; vgl. a. Claus Trger, Hg., Die Franzçsische Revolution im Spiegel der deutschen Literatur, Leipzig 1975. Zahlreiche sich zur Revolution ußernde deutsche Autoren finden sich bei Friedrich Eberle und Theo Stammen, Hg., Die Franzçsische Revolution in Deutschland. Zeitgençssische Texte deutscher Autoren, Stuttgart 1989. 88 Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 15. Das von Georg Christoph Hamberger und Johann Georg Meusel in Lemgo herausgegebene Jahrbuch „Das gelehrte Teutschland oder Lexicon der jetztlebenden teutschen Schriftsteller“ listet fr das Jahr 1788 6200, fr 1795 etwa 8000 und fr 1806 nahezu 11000 Schriftsteller auf; die Vernetzung dieser deutschsprachigen Autoren und Gelehrten whrend des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts manifestierte sich eindrucksvoll durch die Art und Weise des Absatzes von Friedrich Gottlieb Klopstocks Werk „Die deutsche Gelehrtenrepublik“, Erster Theil, Hamburg 1774; das Subskriptionsverfahren, das der Autor 1774 vor Drucklegung des Werkes mit Hilfe seines Hamburger Verlegers J.J.C. Bode auf den Weg brachte, fand die breitflchige Untersttzung des gebildeten Teils des deutschen Brgertums. Unter den 3664 Subskribenten fanden sich ausnahmslos alle namhaften Vertreter des zeitgençssischen deutschen Geisteslebens. Insgesamt wurden von diesem Werk 6600 Exemplare aufgelegt; diese Angaben nach der Dauerausstellung im Klopstockhaus Quedlinburg. Goethe empfand Klopstocks Subskriptionsverfahren im brigen als eine „dem Autor gelungene, dem Publikum aber mißlungene Unternehmung“, ders., Dichtung und Wahrheit, in: Ders., Poetische Werke. Achter Band, Augsburg o. J., S. 335. 89 Ernst Wolfgang Becker, Zeit der Revolution! – Revolution der Zeit. Zeiterfahrungen in Deutschland in der ra der Revolutionen 1789 – 1848/49, Gçttingen 1999, S. 48.

2. Reaktionen auf die revolutionren Ereignisse in Deutschland

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durchhielt, nahm die entschiedene Ablehnung des in Frankreich praktizierten Radikalismus stetig zu. Entsetzen und Entrstung ber die gewalthaften Exzesse reduzierten jedoch die Auseinandersetzung mit den Zielsetzungen der Revolution zunehmend auf eine nahezu ausschließlich theoretisch gefhrte Erçrterung der Freiheits- und Gleichheitsideen sowie die Erwartung freiwilliger Reformwerke seitens der regierenden Frsten90. Als durchaus beispielhaft zeigt sich in diesem Zusammenhang Immanuel Kants Haltung zur Revolution91. In staatsrechtlicher Hinsicht erscheint ihm jeder Versuch einer gewalthaften Verfassungsnderung wie auch die daraus resultierenden Verhltnisse als illegitim; im franzçsischen 90 Hierzu Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 3 – 8; Rudolf Vierhaus, „Sie und nicht wir“. Deutsche Urteile ber den Ausbruch der Franzçsischen Revolution, S. 15. – Thomas P. Saine, Von der Kopernikanischen bis zur Franzçsischen Revolution, bilanziert in diesem Zusammenhang S. 167: „Die deutsche Aufklrungskultur selbst blieb infolge der besonderen Zustnde der deutschen Lnder weitgehend apolitisch, die Kultur derjenigen, die in den Regierungen keinen Einfluß hatten und auch keinen Einfluß gewinnen wollten. Das war vielleicht im frhen 18. Jahrhundert nicht allzu schdlich, fhrte jedoch zu einem politischen Vakuum und einem Mangel an çffentlichem Bewußtsein, der verursachte, daß ein ganzes Volk weder politisch denken konnte noch wollte“. 91 Vgl. zu Kants grundstzlicher Position gegenber Staat und Revolution die Ausfhrungen in seiner Grundlegung zur Metapysik der Sitten, Berlin 1789, in: Immanuel Kant, Werke in zehn Bnden, hg. von Wilhelm Weischedel, 5. Auflage Darmstadt 1983, Band 7, S. 309 – 634, hier bes. die Abhandlung ber das Staatsrecht § 43 – 49, S. 429 – 460; ders., Der Streit der Fakultten, in: Kant, Werke in zehn Bnden, hg. von Wilhelm Weischedel, Band 9, S. 267 – 393, hier S. 357: „Von einer Begebenheit unserer Zeit, welche diese moralische Tendenz [des Fortschreitens zum Besseren, L.-P.] des Menschengeschlechts beweiset“; ders., ber den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht fr die Praxis, in: Berlinische Monatsschrift v. September 1793, S. 201 – 284, Abdruck in: Kant, Werke in zehn Bnden, hg. von Wilhelm Weischedel, Band 9, S. 125 – 172. – Zu Kants Auffassung der Franzçsischen Revolution ferner: Alfred Stern, Der Einfluß der Franzçsischen Revolution auf das deutsche Geistesleben, S. 176 – 184; Peter Burg, Kant und die Franzçsische Revolution, Berlin 1974, passim; Dieter Henrich, Kant ber Revolution, in: Materialien zu Kants Rechtsphilosophie, hg. von Zwi Batscha, Frankfurt/M. 1976, S. 359 – 365; Hans-Joachim Schoeps, Deutsche Geistesgeschichte der Neuzeit, Bd. III, Mainz 1978, S. 69 – 73; Ingeborg Maus, Zur Aufklrung der Demokratietheorie. Rechts- und Demokratietheoretische berlegungen im Anschluß an Kant, Frankfurt/M. 1992; Peter Burg, Reaktionen auf die Franzçsische Revolution in Berlin und Kçnigsberg, in: Immanuel Kant und die Berliner Aufklrung, hg. von Dina Emundts, Wiesbaden 2000, S. 148 – 163; Gerd Irrlitz, Kant-Handbuch. Leben und Werk, Stuttgart / Weimar 2002, S. 40 – 43, 438 – 440 und 466; Manfred Geier, Kants Welt. Eine Biographie, Reinbek 2003, hier S. 273 – 286.

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Kçnigsmord sieht er eine „Perversion des Staatsrechts“92. Ein Widerstandsrecht der Untertanen schließt er kategorisch aus: „Alle Widersetzlichkeit gegen die oberste gesetzgebende Macht, alle Aufwiegelung, um Unzufriedenheit der Untertanen ttlich werden zu lassen, aller Aufstand, der in Rebellion ausbricht, [ist, L.-P.] das hçchste und strafbarste Verbrechen im gemeinen Wesen; weil es dessen Grundfeste zerstçrt. Und dieses Verbot ist unbedingt, so daß, es mag auch […] das Staatsoberhaupt […] gewaltttig (tyrannisch) […] verfahren, dennoch dem Untertan kein Widerstand, als Gegengewalt, erlaubt bleibt.“93

Allerdings unterscheidet Kant grundstzlich einen individuell-moralischen und einen allgemeinpolitischen Revolutionsbegriff. Im Kontext des ersteren betrachtet Kant das politische als ein pdagogisches Problem, indem er den Prozeß der Befreiung des Menschen von den berkommenen Lebens- und Staatsformen qualitativ als einen Bewußtwerdungsprozeß beschreibt94. In diesem Zusammenhang individueller Dimension intendiert er ber Reformen hinausgehend durchaus eine „Revolution“, die er im Sinne einer individuellen Gesinnungsrevolution als fundamentalen anthropologischen Akt begreift. So heißt es in der „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“95 :

92 So Walter Grab, Freyheit oder Mordt und Todt. Revolutionsaufrufe deutscher Jakobiner, Berlin 1979, S. 141; Kant war „zwar antifeudal, aber nicht antidynastisch eingestellt“, Gert Hagelweide, Publizistischer Alltag in der preußischen Provinz zur Zeit der franzçsischen Revolution, in: Holger Bçning, Hg., Franzçsische Revolution und deutsche ffentlichkeit, Mnchen / London / New York / Paris 1992, S. 251 – 266, hier: S. 252 f. 93 Immanuel Kant, ber den Gemeinspruch, in: Ders., Werke in zehn Bnden, Band 9, S. 156. 94 Walter Grab, Die Franzçsische Revolution im Spiegel der historischen Forschung, nennt S. 11 Kant in diesem Zusammenhang einen „in Kontemplation verharrenden Philosophen“. Vgl. a. Mosche Zuckermann, Obrigkeitsgehorsam und Revolution. Zur brgerlichen Rezeption der Franzçsischen Revolution in Deutschland, in: Shulamith Volkov und Frank Stern, Hg., Tel Aviver Jahrbuch fr deutsche Geschichte Band XVIII, S. 29 – 62, hier S. 47 f.: Als Voraussetzung aller „emanzipatorischen Bestrebung“ wird „Bildung“ zur „Trgerin einer Sublimatsfunktion, zur Determinante einer bedenklich zunehmenden Depolitisierung“. Daher htte es sich als Trugschluß erweisen mssen, daß die geistige Befreiung der politischen voraufzugehen habe. 95 Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, Erstdruck Kçnigsberg 1793; im Folgenden zit. n. der 1794 gleichfalls in Kçnigsberg erschienenen 2. vermehrten Auflage, abgedruckt in: Immanuel Kant, Werke in zehn Bnden, Band 7, S. 645 – 879.

2. Reaktionen auf die revolutionren Ereignisse in Deutschland

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„Daß aber jemand nicht bloß ein gesetzlich, sondern ein moralisch guter (Gott wohlgeflliger) Mensch, d.i. tugendhaft nach dem intelligiblen Charakter (virtus noumenon), werde, welcher, wenn er etwas als Pflicht erkennt, keiner andern Triebfeder weiter bedarf, als dieser Vorstellung der Pflicht selbst: das kann nicht durch allmhliche Reform, so lange die Grundlage der Maximen unlauter bleibt, sondern muß durch eine Revolution in der Gesinnung im Menschen (einen bergang zur Maxime der Heiligkeit derselben) bewirkt werden; und er kann ein neuer Mensch, nur durch eine Art von Wiedergeburt, gleich als durch eine neue Schçpfung (Ev. Joh. III,5; verglichen mit 1. Mose I,2), und nderung des Herzens werden.“96

Von sich aus ist der Mensch allerdings „im Grunde seiner Maximen verderbt“97; doch gebiete es die Pflicht, „ein guter Mensch“ zu sein98. Diesen denkt Kant sich „auf dem guten (obwohl schmalen) Wege eines Fortschreitens vom Schlechten zum Bessern“ und damit als jemanden, der auf dem Wege einer „Revolution der Denkungsart“ nunmehr „ein frs Gute empfngliches Subjekt; aber nur in kontinuierlichem Wirken und Werden ein guter Mensch“ werden kçnne99. Dieses prozessuale Geschehen setze ein durch „eine einzige unwandelbare Entschließung“ in einem Akt der Umkehr, die zur Distanzierung von jenen verderblichen Maximen fhre, deren Resultat zuvor der „bçse Mensch“ war100. Den jenseits solcher 96 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, a.a.O., S. 698. 97 Doch ist diese Vorstellung „nicht mit der christlichen Rede von ,Snde‘ gleichzusetzen“, Werner Thiede, Gnade als Ergnzung? Zur Aporetik der Kantschen Rekonstruktion von Soteriologie und Christologie, in: Ders., Hg., Glauben aus eigener Vernunft? Kants Religionsphilosophie und die Theologie, Gçttingen 2004, S. 67 – 112, hier: S. 98. Kant sieht in sozinianischer Tradition in der Schuld „keine transmissible Verbindlichkeit […], sondern die allerpersçnlichste, nmlich eine Sndenschuld, die nur der Strafbare […] tragen kann“, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, a.a.O., S. 726; hierzu Christoph Simm, Kants Ablehnung jeglicher Erbsndenlehre, Mnster 1990; vgl. dagegen die Kantinterpretation innerhalb dieses Zusammenhanges bei Friedrich Wilhelm Graf / Klaus Tanner, Philosophie des Protestantismus, in: Profile des neuzeitlichen Protestantismus, Bd. 1, hg. von Friedrich Wilhelm Graf, Gtersloh 1990, S. 86 – 112, hier S. 105: „Die in der Religionsschrift entfaltete Lehre vom radikalen Bçsen lßt sich als Reformulierung des christlichen Sndenverstndnisses begreifen“. 98 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, S. 698; vgl. a. die beiden Erçrterungen ebd. S. 680 – 688 „Der Mensch ist von Natur bçse“ und S. 688 – 694 „Vom Ursprunge des Bçsen in der menschlichen Natur“. 99 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, S. 698 f. 100 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, S. 699. Mit Recht lenkt Thiede a.a.O. S. 98 f. an dieser Stelle den „Blick auf die Empirik, die solch erfolgreiche, nmlich in ,Festigkeit‘ bewhrte Revolutionen aus eigener Kraft zumindest nicht im Sinne der Unwandelbarkeit des ,neuen Menschen‘ kennt und

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Umkehr am Ende einer andauernden Entwicklung wiedergeborenen neuen Menschen betrachtet Kant in der Tat als Ergebnis einer hçchst individuell ablaufenden, wesentlich introvertierten Revolution101. Insofern msse „die moralische Bildung des Menschen nicht von der Besserung der Sitten, sondern von der Umwandlung der Denkungsart, und von der Grndung eines Charakters anfangen […]; ob man zwar gewçhnlicherweise anders verfhrt, und wider Laster einzeln kmpft, die allgemeine Wurzel derselben aber unberhrt lßt.“102

Damit wird jeder Aufbau einer brgerlichen Ordnung zu einer gegenber Gott zu verantwortenden ethischen Aufgabe103 ; die Gestaltung der sozialen Ordnung gert faktisch zur Verwirklichung des Sittengesetzes. Kants Interesse gilt in diesem Zusammenhang einer „Reformpolitik auf der Basis von Moralrevolution“104. Da der Kçnigsberger Philosoph im Zuge seiner

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damit genau das widerlegt, was das Symbol der Wiedergeburt eigentlich zum Ausdruck bringen sollte“. Hierzu Jan Rohls, Platz fr den Glauben. Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft, S. 30 – 33, in: zeitzeichen 2/2004, hier S. 32 f.: „Kant teilte mit Rousseau die berzeugung, dass das moralische Individuum autonom sei. Das bloße Faktum, dass es sich im Gewissen des unbedingt gltigen Sittengesetzes bewusst sei, setze voraus, dass es seinem Wesen befehlen kçnne, dieses Gesetz zu bernehmen, sein Wille also frei sei […] Nach Kant verlangt das Sittengesetz von uns die moralische Vollkommenheit, die wir nur erreichen kçnnen, wenn unsere fortdauernde Existenz vorausgesetzt wird, und es impliziert die Annahme des hçchsten Gutes, das darin besteht, dass der Mensch die seiner Moralitt entsprechende Glckseligkeit erlangt, was aber die Existenz eines vollkommenen Welturhebers voraussetzt […] Was das Christentum als Wiedergeburt des Snders fasst, deutete Kant als eine Revolution der Gesinnung, die uns als freien Menschen mçglich ist“. Vgl. hierzu Golo Manns Fazit, Kants Interesse an der Revolution seien „nicht die Taten der Fhrer, sondern der Idealismus der Massen. Durch ihn sei trotz allem bewiesen worden, daß ein Drang zum Guten im Menschen lebe“, Mann, Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Frankfurt/M. 1958, S. 60. Die Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft, S. 699. Eine „Revolution der Denkungsart“ stellt Kant auch in seiner Vorrede zur Zweiten Auflage der „Kritik der reinen Vernunft“ dar; vgl. dens., Werke in zehn Bnden, Band 3, S. 22 – 36, hier etwa im Kontext seiner Erçrterung der Naturwissenschaften, „die durch eine auf einmal zu Stande gebrachte Revolution das geworden sind, was sie jetzt sind“, ebd. S. 25. Zur verantwortungsethischen Bedeutung Gottes in diesem Zusammenhang vgl. Kazuya Yamashita, Kant und der Pietismus. Ein Vergleich der Philosophie Kants mit der Theologie Speners, Berlin 2000, S. 191. Werner Schneiders, Reformaufklrung in Deutschland, in: Paul Geyer, Hg., Das 18. Jahrhundert. Aufklrung, Regensburg 1995, S. 23 – 42, hier: S. 39.

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Religionskritik auch die berlieferte religiçse Sanktionierung der stndischen Gesellschaftsordnung dahinfallen lassen will105, geht sein der Aufklrung verpflichtetes Interesse notwendig dahin, den gesellschaftlichen Neuaufbau sukzessive auf dem Fundament der brgerlichen Tugendlehre zu errichten. Die Realisierung entsprechender Reformen bindet Kant an den guten Willen, de facto an die Willkr des frstlichen Souverns: „Eine Vernderung der (fehlerhaften) Staatsverfassung […] kann nur vom Souvern selbst durch Reform, aber nicht vom Volk, mithin durch Revolution verrichtet werden.“106

Den Folgen jeder „ußerlichen Revolution“ mißtraut Kant grundlegend; im Zusammenhang seiner Erçrterung „des allmhlichen berganges des Kirchenglaubens zur allgemeinen Vernunftreligion, und so zu einem (gçttlichen) ethischen Staat auf Erden“107 gelangt er diesbezglich zu einem deutlichen Urteil: 105 Vgl. hierzu etwa das Vierte Stck der „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“: „Vom Dienst und Afterdienst unter der Herrschaft des guten Prinzips, oder von Religion und Pfaffentum“, Immanuel Kant, Werke in zehn Bnden, Band 7, S. 819 – 859; ferner „Kritik der sthetischen Urteilskraft“, Werke in zehn Bnden, Band 8, S. 366: Auch Regierungen htten es „gerne erlaubt, die Religion mit […] Zubehçr [sc. Bildern und kindischem Apparat, L.-P.] reichlich versorgen zu lassen, und so dem Untertan die Mhe, zugleich aber auch das Vermçgen zu benehmen gesucht, seine Seelenkrfte ber die Schranken auszudehnen, die man ihm willkrlich setzen, und wodurch man ihn, als bloß passiv, leichter behandeln kann“. 106 Kant, Die Metaphysik der Sitten, Werke in zehn Bnden, Band 7, S. 441; hierzu Ernst Wolfgang Becker, Zeit der Revolution! – Revolution der Zeit. Zeiterfahrungen in Deutschland in der ra der Revolutionen 1789 – 1848/49, Gçttingen 1999, S. 70 – 77: „Reformen als Bndiger einer entfesselten Zeit“. 107 Ders., Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, Werke in zehn Bnden, Band 8, S. 786. Kant unterscheidet also in bereinstimmung mit der gesamteuropischen Aufklrungsbewegung zwischen natrlicher Religion und positiver Offenbarungsreligion; in der Folge dieser Differenzierung leugnet er radikal die Sinnstiftungskompetenz von Kirche und Staat. Doch entscheidenderweise verabschiedet er sich nicht von der geschichtlichen Positivitt des Christentums; hierzu Jan Rohls, Platz fr den Glauben. Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft, S. 33: „Den gesamten Prozess, den der Kirchenglaube durch Schçpfung und Fall auf der einen und Wiedergeburt und Reich Gottes auf der anderen Seite begrenzt sieht, interpretierte Kant […] als einen Prozess der universalen Versittlichung der Menschheit“; hierzu a. Martin Leiner, berwindung und Reform der gegebenen Kirchen. Zu Kants Rede von der Kirche, in: Werner Thiede, Hg., Glauben aus eigener Vernunft? Kants Religionsphilosophie und die Theologie, Gçttingen 2004, S. 159 – 190, hier bes. S. 173 – 182.

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Daß „Gleichheit […] aus der wahren Freiheit [entspringt, L.-P.], jedoch ohne Anarchie, weil ein jeder zwar dem (nicht statutarischen) Gesetz gehorcht, das er sich selbst vorschreibt, das er aber zugleich als den ihm durch die Vernunft geoffenbarten Willen des Weltherrschers ansehen muß, der alle unter einer gemeinschaftlichen Regierung unsichtbarer Weise in einem Staate verbindet […]: Das alles ist nicht von einer ußerlichen Revolution zu erwarten, die strmisch und gewaltsam ihre von Glcksumstnden sehr abhngige Wirkung tut.“108

In politischer Hinsicht bleibt der Obrigkeitsgehorsam unter diesen Anschauungen durchaus erhalten; am status quo der gesellschaftlichen Verhltnisse wird lediglich im Prozeß anwachsender Aufklrung gerttelt109. Doch gerade im Hinblick auf diese Aufklrung reklamiert Kant eine gleichsam katalysatorische Wirkung der Franzçsischen Revolution: „Denn ein solches Phnomen in der Menschengeschichte vergißt sich nicht mehr, weil es eine Anlage und ein Vermçgen in der menschlichen Natur zum Besseren aufgedeckt hat, dergleichen kein Politiker aus dem bisherigen Verlauf der Dinge herausgeklgelt htte, und welches allein Natur und Freiheit, nach inneren Rechtsprinzipien im Menschengeschlechte vereinigt, aber, was die Zeit betrifft, nur als unbestimmt und Begebenheit aus Zufall verheißen konnte […] Denn jene Begebenheit ist zu groß, zu sehr mit dem Interesse der Menschheit verwebt, und, ihrem Einflusse nach, auf die Welt in allen ihren Teilen zu ausgebreitet, als daß sie nicht den Vçlkern […] in Erinnerung gebracht und zu Wiederholung neuer Versuche dieser Art erweckt werden sollte.“110

Das Geschehnis der Revolution an sich bedeutet Kant also einen historischen Fortschritt, der keinesfalls zu ignorieren ist. Angesichts der von ihm erkannten globalen Bedeutung der revolutionren Intentionen setzt er damit nicht zuletzt auf den Faktor der Zeit fr die „Evolution einer naturrechtlichen Verfassung“111. Den von Frankreich ausgehenden extrovertierten Druck sieht Kant insofern im Sinne eines signum prognosticum als entscheidendes katalysatorisches Moment hin zu eigenstndigen Reformen in den deutschen Staaten112. Mit dem damit zutage tretenden 108 Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, a.a.O., S. 785 f. 109 Bezeichnend in diesem Zusammenhang Kants Ausspruch: „Rsonnirt so viel ihr wollt, und worber ihr wollt; nur gehorcht!“, in: Ders., Beantwortung der Frage: Was ist Aufklrung?, in: Berlinische Monatsschrift v. Dezember 1784, S. 481 – 494, hier: S. 493, vgl. Werke in zehn Bnden, Band 9, S. 61. 110 Kant, Der Streit der Fakultten. Zweiter Abschnitt, Abs. 7. „Wahrsagende Geschichte der Menschheit“, Werke in zehn Bnden, Band 9, S. 361. 111 Der Streit der Fakultten, a.a.O., S. 360. 112 Gerd Irrlitz, Kant-Handbuch, spricht S. 41 von der Zielsetzung einer „Revolutionsvermeidung durch Reform in Permanenz“; vgl. a. Ulrich Sassenbach, Der

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Grundsatz „Reform statt Revolution“ setzte sich eine im Kontext ihrer Zeit an ihrer objektivierbaren Effizienz gemessene Aufklrung jedoch durchaus der Mçglichkeit aus, sich dem „Zweck der Ideologiebildung“ dienstbar zu machen113, whrend Inhalt und Ausmaß der Reformen nach wie vor ohnehin der Entscheidung des jeweiligen Potentaten anheimfielen114. In einer Kants Auffassungen durchaus nahestehenden Pointierung verknpft Johann Gottfried Herder115 im Jahre 1793 die Desiderien der Revolutionsidee mit seiner gleichzeitigen Distanzierung von den gewalthaft-destruktiven Zgen ihrer radikalen Umsetzung: „Mein Wahlspruch bleibt also fortgehende, natrliche, vernnftige Evolution der Dinge; keine Revolution. Durch jene, wenn sie ungehindert fortgeht, kommt man dieser am sichersten zuvor; durch jene wird diese unntz und zuletzt unmçglich.“116

Dabei hatte Herder unmittelbar nach dem Ausbruch der Revolution deren Beseitigung althergebrachter Mißbruche und unzeitgemßer Privilegien durchaus begrßt. So feierte er 1790 den Jahrestag des Sturmes auf die Bastille in christlich geprgten Interpretamenten als „Taufe der Mensch-

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Begriff des Politischen bei Immanuel Kant, Wrzburg 1992, der S. 127 – 139 ber „Die ,republikanische Regierungsart‘ als prinzipiengeleitete empirisch-praktische Reformpolitik“ referiert. Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 30 f. Kant selber lehnte jedoch gerade die absolute Monarchie „auf Grund der Idee des Sozialkontrakts“ ab, Gerd Irrlitz, Kant-Handbuch, S. 40. Damit bercksichtigt Kant das stete Erfordernis einer jeweils neu zu aktualisierenden bereinkunft aller Gesellschaftsglieder unter Ausschluß vergangenheitlicher Bindungen. Die Idee des Sozialkontrakts hatte Kant selbstverstndlich von Rousseau bernommen, den er sich im brigen durch ein Portrt in seinem privaten Domizil dauerhaft vergegenwrtigte: Martin Leiner, berwindung und Reform der gegebenen Kirchen. Zu Kants Rede von der Kirche, a.a.O., S. 164. Vgl. zum Kontext auch die Kant nahestehende zeitgençssische Definition des Kieler Historikers Wilhelm Ernst Christiani in den SHPb 1793, Bd. 2, S. 195: „Herrschen heißt nichts anders, als die Handlungen vernnftiger und freier Wesen zur Befçrderung des Endzwecks einer ungleichen Gesellschaft lenken“; zu Karl Leonhard Reinhold, einem prominenten an der Kieler Universitt lehrenden Anhnger Kants, cf. Allen W. Wood, Kant, Malden / Oxford / Carlton 2005, S. 15.32, sowie im Folgenden S. 157 – 164. Zu diesem Wolfgang Gericke, Theologie und Kirche im Zeitalter der Aufklrung, S. 132 – 135. Johann Gottfried Herder, ltere Niederschriften und ausgesonderte Stcke, Zweite Sammlung, in: Ders., Smtliche Werke XVIII, hg. von Bernhard Suphan, Zweite Nachdruckaufl., Darmstadt o. J.,S. 330 – 356, hier: S. 332 [Hervorhebung im Original].

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heit“ und als ein „Fest des Bundes“ zwischen Gott und seinem Volke117. Auch war er „als echter Sohn seines Jahrhunderts fasziniert von dem gewaltigen Unterfangen, ein ganzes Volk durch Aufklrung zu erziehen“118. Die „Vorsehung“ selbst, so Herder, habe die Szene der Revolution „in unsre Zeiten fallen“ gelassen, „daß wir an ihr lernen sollen“119. Von einer solchen aufklrerischen Akzentuierung des pdagogischen Momentes her kann Herder die gegen Frankreich auf Seiten Preußens und sterreichs betriebenen Kriegsvorbereitungen des Jahres 1792 nicht billigen; in seiner Verwerfung dieser Bemhungen geht er zunchst soweit, Frankreich in einem erforderlichen Defensivkrieg die Billigung seiner Gegenwehr als „eines gerechten und billigen Krieges“ zuzuerkennen120. In der aktuellen Sachlage kommt es fr Herder wesentlich darauf an, „unsern Deutschen gesunden Verstand zusammenzuhalten, Alles prfend zu sehen, das Gute vernnftig zu ntzen, gerecht und billig das Verwerfliche zu verwerfen“121, denn: „Wir wollen an und von Frankreich lernen; nie aber und bis zur letzten grossen Nationalversammlung der Welt am jngsten Tage wird Deutschland ein Frankreich werden wollen und (wahrscheinlich nie) werden.“122 117 Johann Gottfried Herder, Auf den 14. Juli 1790, in: Ders., Smtliche Werke XXIX, hg. von Bernhard Suphan, Darmstadt o. J., hier S. 659 f. – Mit einer zumindest anfnglich derart religiçs aufgeladenen revolutionsbegeisterten Rhetorik bleibt Herder nicht allein; so empfindet Friedrich Hçlderlin in seiner vermutlich im gleichen Jahr 1790 entstandenen „Hymne an die Freiheit“ die Revolution als „neue Schçpfungsstunde“, in der nunmehr „der Liebe Band“ das durch „des Gesetzes Rute“ zerstçrte Paradies wiederherstellt: Hçlderlin, Werke in zwei Bnden. Erster Band, hg. von Gnter Mieth, o. O. 1982, S. 125 – 128, hier bes. S. 126 f. 118 Dieter Lohmeier, Herder und der Emkendorfer Kreis. Teil 1, S. 103 – 132, in: NE Band 35 / 1966, hier: S. 109; zu Herder ferner Gnter Wirth, Ein kmpferischer christlicher Humanist: Johann Gottfried Herder und die Franzçsische Revolution, Berlin 1989; Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL II, Sp. 738 – 745. 119 Johann Gottfried Herder, Zurckbehaltene und „abgeschnittene“ Briefe, in: Ders., Smtliche Werke XVIII, hg. von Bernhard Suphan, Zweite Nachdruckaufl., Darmstadt o. J., S. 316. 120 Johann Gottfried Herder, a.a.O., S. 318. In einem Brief an Gleim vom 12. November 1792 fragt Herder im Kontext einer Reflexion ber die antirevolutionre Koalition: „Leben wir nicht in besonderen Zeiten und mssen fast an die Apokalypse glauben?“, zit. n. dems., Smtliche Werke XVIII, S. 534. 121 Johann Gottfried Herder, Zurckbehaltene und „abgeschnittene“ Briefe, in: Ders., Smtliche Werke XVIII, hg. von Bernhard Suphan, Zweite Nachdruckaufl., S. 316; auch hier bleibt Herder rhetorisch den christlichen Interpretamenten nahe, vgl. zu der zitierten ußerung 1 Thess 5,21. 122 Ebd., S. 317.

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Das Subjekt eines solchen Lernprozesses sieht Herder jedoch vorerst noch nicht in der wie auch immer zu definierenden deutschen Nation und des ihr angehçrigen Volkes, wie dies die Idee einer revolutionr intendierten Volkssouvernitt nahelegen wrde. Nach Herders Urteil hindert den politischen Prozeß im zeitgençssischen deutschen Volk ein eklatanter Mangel an „Mndigkeit“: „Was man von dem zu unsern Zeiten mndig gewordenen Publikum sagt, dçrfte in den meisten Fllen ohne und gegen die Erfahrung gesagt werden; zum politischen Calcul, noch weniger zu politischen Geschften ist das Volk, wenigstens unser Deutsches Volk weder vorbereitet, noch hat es dazu Lust und Neigung. Meines Erachtens thut man also wirklich auch der besten Sache Schaden, wenn man dem Volk Worte vors Auge oder ins Ohr bringt, deren Gedanken es nicht faßen kann, die ihm noch nie selbst in den Kopf kamen, vielleicht auch nie kommen werden.“123

Kategorisch verneint Herder bei solcher Differenzierung zwischen den deutschen und franzçsischen Verhltnissen jede moralische Verpflichtung der Deutschen, die alte franzçsische Ordnung zu reetablieren und an einer Restaurierung des franzçsischen Kçnigtums mitzuwirken: „Kein Deutscher ist Franzose, um, wenn diese ihren alten Kçnigsstuhl, den ltsten in Europa nach mehr als einem Jahrtausend subern wollen, (welches lngst die Reinlichkeit erfordert htte) den Geruch mitzutragen oder ihn in persona und corpore zu subern. Einem Deutschen Frsten wird dies nie einfallen wollen; und die franzçsischen Princes, Ducs, Marquis et Nobles wrden sich mit dem spçttischsten Hohn freuen, wenn ein Deutscher Prinz, Herzog, Frst und Markgraf sich fr Ihresgleichen erkennete, und sie der Sache ihres Vaterlandes halben in Schutz nhme. Die Franzosen haben Deutschland seit Jahrhunderten nie anders als Schaden gebracht.“124

Wie sich bei Herder tendenziell ein Verstndnis der deutschen Reformation als Aufarbeitung und Korrektur der mittelalterlichen religiçsen Mißstnde zeigt125, so erscheint ihm die fr seine Auffassung geschichtlich ebenso bedeutsame Franzçsische Revolution126 nunmehr als „ein erster Anlauf, das 123 Johann Gottfried Herder, ltere Schriften und ausgesonderte Stcke, in: Ders., Smtliche Werke XVIII, hg. von Bernhard Suphan, S. 330 – 356, hier: S. 331 f. 124 Ders., Zurckbehaltene und „abgeschnittene“ Briefe, in: Ders., Smtliche Werke XVIII, hg. von Bernhard Suphan, Zweite Nachdruckaufl., Darmstadt o. J., S. 316. 125 Hierzu nur Herder, Luther. Ein Lehrer der Deutschen Nation, in: Ders., Werke in zwei Bnden. Zweiter Band, hg. von Karl-Gustav Gerold, o. O. 1982, S. 632 f. 126 Zur Bedeutung der Franzçsischen Revolution bei Herder vgl. dens., Zurckbehaltene und „abgeschnittene“ Briefe, a.a.O., S. 314: „Fr mich will ich es nicht lugnen, daß unter allen Merkwrdigkeiten unsres Zeitalters die franzçsische Revolution mir beinah als die wichtigste erschienen ist, und meinen Geist oft mehr

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berlieferte mittelalterliche politische System des Feudalismus abzubauen und eine der Moderne gemße politische und gesellschaftliche Ordnung zu schaffen“127. Gerne htte Herder dem franzçsischen Volk ein hinreichendes Maß an Zeit zur friedvollen Umsetzung dieser Absichten gewnscht; doch erkennt er deutlich die Globalitt der revolutionren, ber den Raum der franzçsischen Nation eben doch hinausgreifenden Auswirkungen. Sorgenvoll sieht er daher bereits am Ende des Jahres 1790 die Wolken einer europaweiten kriegerischen Auseinandersetzung herannahen – und will angesichts dieser Entwicklung seine Aufmerksamkeit verstrkt auf die eigene Nation lenken. So schreibt er am 8. November 1790 an die im Herzogtum Holstein lebende Grfin Louise Stolberg: „In Absicht der franzçsischen Revolution mçgen sich unsere Gedanken manchmal begegnet seyn, da es scheint, daß Sie daran soviel Antheil nehmen. Auch ich habe es gethan: denn es ist ein gewaltiges Thema, daraus und daran im Guten und Bçsen zu lernen. Jetzt ermatten beinah meine Krfte, da so vieles gedacht, gesagt, beschloßen, u. so wenig recht eingerichtet und ausgefhrt wird […] Wenn nur kein Krieg das ganze Spinnengewebe zerreißt: denn da so wenig ausgefhrt u. fest eingerichtet ist, bleibt das meiste am Ende doch alsdenn ein Spinnengewebe. Das Problem der Stellung Frankreichs mit andern Europischen Mchten u. dem ganzen Bedrfniß unserer Zeit ist mir immer das schwerste Stk der Auflçsung gewesen. Wenn nur eben an diesen spizen Eken nicht das ganze Werk scheitert! Denn leider, es ist keine Insel in einem vçllig neuen Zustande […] Doch was bekmmert uns Frankreich! uns Deutsche, die wir jetzt ein neues Oberhaupt128, u. also den Kranz u. Gipfel der besten Constitution haben. Wenn ich mich nur selber constituieren kçnnte; wre mirs genug. Wir leben wirklich zu viel ausserhalb Landes – Indeßen ists

beschftiget, selbst beunruhiget hat, als mir selbst lieb war. Oft wnschte ich sogar diese Zeiten nicht erlebt zu haben […] seit Einfhrung des Christenthums und seit Einrichtung der Barbaren in Europa“ hat sich „außer der Wiederauflebung der Wißenschaften und der Reformation, meines Wißens […] nichts ereignet […], das diesem Ereignis an Merkwrdigkeit und Folgen gleich wre; (die Kreuzzge und der dreissigjhrige Krieg stehen wahrscheinlich hinter demselben)“. 127 Thomas P. Saine, Von der Kopernikanischen bis zur Franzçsischen Revolution. Die Auseinandersetzung der deutschen Frhaufklrung mit der neuen Zeit, S. 264. Ebd. S. 265 weist Saine auf die bei Herder frhzeitig feststellbare Tendenz hin, die franzçsische Nation in der Gestaltung ihrer gesellschaftlichen Verhltnisse sich selbst zu berlassen, eine Auffassung, die „die ambivalente Einstellung gegenber Napoleon […], die Anfang des 19. Jahrhunderts zu Meinungsverschiedenheiten unter den Deutschen fhren sollte“, antizipiert habe. 128 Nach dem Tod Kaiser Josephs II. im Jahr 1790 folgte diesem sein Bruder Leopold II.

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unleugbar, der Gang der Dinge geht rasch; vor 1800 werden wir noch manches erleben.“129

Diese an die im holsteinischen Tremsbttel lebende Grfin gerichtete Prophezeiung sollte sich nur zu bald erfllen. Dabei empfand Herder die zunehmende Radikalisierung der Revolution in der Folge jedoch als gravierendes moralisches Versagen der Franzosen und als Verrat am Ideal der Humanitt; dennoch wollte er die Mçglichkeit fçrderlicher Redundanzen der revolutionren Ereignisse auf das Gefge des Deutschen Reiches keinesfalls ausgeschlossen sehen. Von der Masse enttuscht, setzte er dabei zunehmend auf die Tatkraft dringend ersehnter integerer Einzelcharaktere. Aus Weimar richtet er an Louise Stolberg am 30. Mrz 1793 die Zeilen: „Die Disputirwut ber die Zeiten hat sich hier, wie allenthalben, ziemlich gelegt. ber die gemeinen Dinge sind die Urtheile fast Eins; ber den Geist der Begebenheiten muß die Zeit entscheiden […] Der Himmel schenke den Siegern, wer sie auch seyn, Großmuth, Menschlichkeit und Verschonung[…] Das wird er thun; u. wird zu seiner Zeit edle Menschen, wirklich grosse Gemther, erweken, die von beiden Seiten dem bel steuern, wahre Engel und Genien der Menschheit, an denen es unsrer Zeit so schrecklich fehlet.“130

Der alternde Herder verwarf die Franzçsische Revolution in einem Atemzug mit seiner Verurteilung der moralischen Auswirkungen der kantischen Philosophie: „Sie und die franzçsische Revolution werfen uns um hundert Jahre zurck“131,

lautete seine Analyse der urschlichen Wirkungen fr die Auflçsung alter Ordnungen. Diese konnten nur „in der schlimmsten aller menschlichen Maßlosigkeiten enden: im Wahnwitz, die Mitte der Welt aus den Angeln zu heben und Gott ,setzen‘ zu wollen“132. 129 Zit. n. Dieter Lohmeier, Herder und der Emkendorfer Kreis. Teil 2, in: NE 36 / 1967, S. 39 – 61, hier: S. 46; zu Louise Stolberg u. S. 231 – 235. Zur Verbundenheit Herders mit schleswig-holsteinischen Adelsfamilien vgl. ferner Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, in: Brief und Briefwechsel in Mittel- und Osteuropa im 18. und 19. Jahrhundert, hg. von Alexandru Dutu u. a., Essen 1989, hier: S. 304 f. 130 Zit. n. Dieter Lohmeier, Herder und der Emkendorfer Kreis. Teil 2, S. 46. 131 Maria Carolina v. Herder, Erinnerungen aus dem Leben Joh. Gottfrieds von Herder, hg. von J.G. Mller, Band 2, Tbingen 1820, S. 290. Vgl. a. Herders ußerungen im 21. und 22. Brief seiner Zurckbehaltenen und „abgeschnittenen“ Briefe, in: Ders., Smtliche Werke XVIII, hg. von Bernhard Suphan, Zweite Nachdruckaufl., Darmstadt o. J., S. 324 – 329; hier differenziert Herder deutlich zwischen Kant und dessen Epigonen. 132 Dieter Lohmeier, Herder und der Emkendorfer Kreis, Teil 1, S. 119.

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Doch gab es auch Varianten in der Bewertung der revolutionren Ereignisse. So hatte bereits im Jahr nach dem Ausbruch der Franzçsischen Revolution Christoph Martin Wieland die Differenz zwischen Revolutionsidee und Revolutionswirklichkeit durch das Urteil nivelliert, die Revolution selbst sei noch gar nicht vollendet: Es bleibt „immer eine mçgliche Sache, […] daß der verstndigste und aufgeklrteste Theil der Nation so viel Einfluß ber die Menge behalte, daß diese letztere ruhig bleibe; daß sie den Stellvertretern der Nation die nçthige Zeit lasse, das angefangene Werk (das grçßte, woran Menschen jemals gearbeitet haben, und womit man auch unter weit gnstigern Umstnden kaum in krzerer Zeit htte fertig werden kçnnen) zur Vollendung zu bringen, und anstatt zu verlangen, daß das goldene Saturnische Alter durch einen Zauberschlag auf einmal hergestellt werde, in Geduld die bessern Zeiten erwarte, die […] eine natrliche und unfehlbare Folge einer freyen Constitution, einer richtigen Vertheilung der politischen Macht und einer zweckmßigen Organisation des Staatskçrpers seyn werden.“133

133 Christoph Martin Wieland, Unparteyische Betrachtungen ber die dermalige Staatsrevolution in Frankreich, in: Der neue Teutsche Merkur, 2 / 1790, S. 40 – 69, hier: S. 58 f.; euphorisch ußerte sich Wieland auch in einem an den oldenburgischen Regierungsbeamten Gerhard Anton von Halem gerichteten Brief vom 30. November 1790 ber die Revolution: „Ich halte es fr eine Glckseligkeit, um welche uns die Nachwelt beneiden wird, daß wir Zeitgenossen und Zuschauer dieses grçßten und interessantesten aller Dramen, die jemals auf dem Weltschauplatze gespielt wurden, gewesen sind“, zit. n. Gerhard Anton von Halems Selbstbiographie, Bd. II, hg. von C.F. Strackerjan, Oldenburg 1840, Neudruck Bern 1970, S. 110. Wieland „hatte sich […] in seiner Zeitschrift ,Der (Neue) Teutsche Merkur‘ von Anfang an çffentlich mit den Ereignissen in Frankreich auseinandergesetzt und kam seit 1791 […] zu der Einsicht, daß die Franzosen zur politischen Freiheit noch nicht reif seien“, Axel Kuhn, Die Entstehung politischer Gruppierungen in Deutschland, S. 431 – 437, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 2, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, hier: S. 435. Bereits unmittelbar nach Ausbruch der Revolution sah Wieland deren Kausalitt in der „Aufklrung“ und „Strke“ der „Nation“, vgl. dens., ber die Rechtmßigkeit des Gebrauchs welchen die Franzçsische Nation dermalen von ihrer Aufklrung und Strke macht, in: Der Teutsche Merkur, Band 4, September 1789, S. 225 – 262. Zu Wieland ferner: Timotheus Klein, Wieland und Rousseau, Berlin 1903; Bernd Weyergraf, Der skeptische Brger: Wielands Schriften zur Franzçsischen Revolution, Stuttgart 1972; Gonthier-Louis Fink, Wieland und die Franzçsische Revolution, in: Ders. u. a., Deutsche Literatur und Franzçsische Revolution. Gçttingen 1974, S. 5 – 38; Wolfdietrich von Kloeden, BBKL XIII, Sp. 1062 – 1083; Irmela Bender, Christoph Martin Wieland, 3. Aufl., Reinbek 2003.

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Entsprechend wendet sich Wieland gegen die Kritiker der Revolution – gegen die „Mckensnger und Kameelverschlucker“134, gegen die „plumpen und unredlichen Moralisten“135 – und spricht ihnen auf Grund der mangelnden zeitlichen Distanz zu den revolutionren Ereignissen jede Mçglichkeit ab, sachgerecht ber die absehbaren Zwischenresultate eines nur unter Zuhilfenahme einer weit ausgreifenden Perspektivik zu bewertenden Ereignisstromes136 zu urteilen: „Das Wahre ist, daß sich (aus Ursachen die wir alle wissen) vor der Mitte des Neunzehnten Jahrhunderts oder vielleicht vor dem Jahr 2000 weder bey patriotischen Laternen noch bey argantischen Lampen eine solche Geschichte schreiben lßt; wenn anders fr diejenigen, die es mit Wahrheit und Gerechtigkeit etwas genauer nehmen als gewçhnlich, berhaupt eine durchaus zuverlssige und unparteyische Geschichte geschrieben werden kann.“137

Die Aufgabe der althergebrachten Privilegienordnung begrßt Wieland indessen; den Respekt gegenber der Obrigkeit will er qua Funktion, nicht qua Tradition begrndet sehen: „Kein einzelner Stand ist in einem freyen Staate berechtigt, Prrogativen zu verlangen, wodurch ein großer Theil seiner Mitbrger nicht nur zu seinen Unterthanen, sondern sogar zu seinen Sclaven werden muß. In einem freyen Staat ist jedermann, vom obersten Regenten bis zum untersten Taglçhner, den Gesetzen unterthan; aber auch nur den Gesetzen, und der Obrigkeit nur, weil sie und in so fern sie durch die gesetzmßige Constitution zu Handhabung der Gesetze und Verwaltung der Geschfte des Staats bestellt ist“138.

Implizit bedeutet diese Einschtzung bereits das Festhalten an einem grundstzlich positiv verstandenen politischen Revolutionsbegriff 139, der 134 Christoph Martin Wieland, Fortsetzung der Betrachtungen ber die Franzçsische Staatsrevolution, in: Der neue Teutsche Merkur 2 / 1790, S. 144 – 164, hier: S. 145 – 147. 135 Ebd. S. 147. 136 In seiner „Anzeige eines merkwrdigen neuen Werkes ber die franzçsische Revolution“, in: Der neue Teutsche Merkur 2 / 1794, S. 87 – 98, hier: S. 93 will Wieland nicht von der „franz. Revoluzion“, sondern „den vier oder fnf Revoluzionen“ reden. 137 Wieland, Fortsetzung der Betrachtungen ber die Franzçsische Staatsrevolution, a.a.O., S. 149. 138 Ebd. S. 161. 139 Ebd. S.158 spricht Wieland von der Revolution einmal als „der gerechten Sache einer großen Nation“. Das deutsche Volk hingegen hlt Wieland vorerst „noch nicht reif“ fr die Freiheit; daher msse es gengen, die Menschen hier am Werk der Aufklrung teilhaben zu lassen, um den Mangel an moralischer Bildung auf diese Weise abzustellen.

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nichts anderes als die allmhliche evolutive Entfaltung der in der Revolution angelegten Ziele intendiert. Ein Widerstandsrecht der Untertanen weist Wieland jedoch zurck; mehrfach hebt er hervor, „daß die Untertanen sich der eingesetzten Regierung unbedingt zu unterwerfen htten; selbst wenn der Kçnig ein Despot sei, schuldeten sie ihm Gehorsam“140. ber diese Einschtzung hinausgehend kontrastiert Johann Gottlieb Fichte141 in khner Weise die aktuelle geschichtliche Revolutionserfahrung und das im Vernunftrecht begrndete grundstzliche Recht auf revolutionre Abnderung der Staatsverfassung142. Damit beabsichtigt er, die 140 Gonthier-Louis Fink, Wieland und die Franzçsische Revolution, S. 19; ebd. S. 26: „Unter welchem Gesichtspunkt Wieland die Demokratie auch betrachtete, jedesmal fhrten ihn seine berlegungen zur Anarchie“. In seinen Anschauungen blieb Wieland monarchistisch bestimmt, wobei sich seine Idealvorstellung von der Person eines aufgeklrten Kçnigs an den weisheitlichen Tugenden eines Solon ausrichtete. Zur nachmaligen nordelbischen Bewertung Wielands vgl. Uwe Jens Lornsens briefliche Bemerkungen gegenber seinem Vater vom Anfang August 1818, der den Erzieher des frhkonstitutionellen Weimarer Großherzogs Carl August als einen „der grçßten Mnner und Schriftsteller Deutschlands“ wrdigt, vgl. dens., Politische Briefe, hg. von Alexander Scharff, Heide 1938, S. 4; zu Lornsen selbst u. S. 312 – 314; 326; 335 Anm. 8 sowie 341 Anm. 5. 141 Zu diesem allgemein: Hans Joachim Stçrig, Kleine Weltgeschichte der Philosophie, S. 383 – 388; J.[ohannes] Rehmke und F.[riedrich] Schneider, Geschichte der Philosophie, Wiesbaden o. J., S. 240 – 255; Wilhelm G. Jacobs, Johann Gottlieb Fichte, 3. Aufl. Reinbek 1998. 142 Johann Gottlieb Fichte, Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publikums ber die franzçsische Revolution, Danzig 1793, J.G. Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band I,1, hg. von Reinhard Lauth und Hans Jacob, Stuttgart / Bad Cannstatt 1964, S. 193 – 404. Zum Einfluß der Franzçsischen Revolution auf Fichte: Max Wundt, Johann Gottlieb Fichte, Faksimile-Neudruck Stuttgart / Bad Cannstatt 1976, S. 29 f.; Alfred Stern, Der Einfluß der Franzçsischen Revolution auf das deutsche Geistesleben, Stuttgart / Berlin 1928, S. 169 – 176; Manfred Buhr und Domenico Losurdo, Fichte – die Franzçsische Revolution und das Ideal vom ewigen Frieden, Berlin 1991; zur zeitgençssischen Fichterezeption im dnischen Gesamtstaat vgl. F.[riedrich] C.[hristoph] Jensen, Kann man Herrn Professor Fichte mit Recht beschuldigen, daß er den Gott der Christen lugne?, Kiel 1799; G.C. Kellner, ber Fichte’s Lehre von Gott, Deutsches Magazin 18 / 1799, S. 337 – 369; Karl Leonhard Reinhold, Sendschreiben an J.[ohann] C.[aspar] Lavater und J.[ohann] G.[ottlieb] Fichte ber den Glauben an Gott, Hamburg 1799; vgl. ferner die Beziehungen des Kieler Seminarleiters Heinrich Mller sowie des Studenten August Ludwig Hlsen zu Fichte und dem Jenaer „Bund der freien Mnner“ u. S. 295 f. Vgl. zu Fichtes Besuch in Kopenhagen im Jahre 1807 auch Immanuel Hermann Fichte, Hg., Johann Gottlieb Fichte’s Leben und literarischer Briefwechsel, 2. Aufl. Leipzig 1862, S. 390 – 399. – Fichtes Vorgnger an der Jenaer Universitt, Karl Leonhard

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Rechtmßigkeit der Franzçsischen Revolution aus reinen Vernunftgrnden abzuleiten, whrend er in ihr selbst „ein reiches Gemlde ber den großen Text: Menschenrecht und Menschenwerth“143 sieht, dem eine katalysatorische Funktion im Erziehungsprozeß des Menschengeschlechtes zukommt: „[…] gewaltsame Revolutionen zu verhindern, giebt es ein sehr sicheres Mittel; aber es ist das einzige: das Volk grndlich ber seine Rechte und Pflichten zu unterrichten. Die franzçsische Revolution giebt uns dazu die Weisung […] Der Wink der Zeiten ist im allgemeinen nicht unbemerkt geblieben. Dinge sind zum Gesprche des Tages geworden, an die man vorher nicht dachte. Unterhaltungen ber Menschenrechte, ber Freiheit und Gleichheit, ber die Heiligkeit der Vertrge, der Eidschwre, ber die Grnde und die Grenzen der Rechte eines Kçnigs lçsen zuweilen in glnzenden und glanzlosen Zirkeln die Gesprche von neuen Moden und alten Abendtheuern ab. Man fngt an zu lernen.“144

In seiner Auswertung der Ereignisse in Frankreich extrahiert Fichte unter Absehung von den gewalthaften Akten der Revolution das in ihr zum Ausdruck gekommene demokratische Moment145. Zur Folie dieses Vorgehens wird seine Rezeption Rousseaus, dessen „Trume unter euern Augen in Erfllung gehen“146 ; entsprechend begrndet sich bei Fichte die Verbindlichkeit der brgerlichen Gesetze

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Reinhold, war seit 1794 ordentlicher Professor in Kiel; „nach intensiver Beschftigung mit Fichtes Wissenschaftslehre eignete sich Reinhold deren Standpunkt an und vertrat ihn in der preisgekrçnten Studie ,ber den gegenwrtigen Zustand der Metaphysik und der transzendentalen Philosophie berhaupt‘ (1796)“, Jendris Alwast, BBKL VII, Sp. 1555 – 1558, hier: Sp. 1555; zu Reinhold u. S. 157 – 164. Johann Gottlieb Fichte, Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publikums ber die franzçsische Revolution, S. 203. Zugleich beschreibt Fichte hoffnungsvoll den historischen Ort der Revolution als „Zeitpunkt der hereinbrechenden Morgenrçthe“, der „der volle Tag […] zu seiner Zeit folgen“ werde, a.a.O., S. 207. Ders., a.a.O., S. 204 f. Wolfgang Husler, „… garantir l’existence de l’ouvrier par le travail“. Zu Theorie und Praxis der sozialen Grundrechte im Zyklus der brgerlichen Revolution 1789 – 1848, S. 691 – 718, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 2, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, hier: S. 700, attestiert Fichte in diesem Zusammenhang „Vorstellungen, die als Konsequenz des Jakobinismus in seiner radikalen Phase erscheinen“. Johann Gottlieb Fichte, a.a.O. (Anm. 1), S. 229. Zu Fichtes Rousseau-Rezeption ebd. S. 235 – 255.

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„aus der freiwilligen bernahme derselben durch das Individuum; und das Recht, kein Gesetz anzuerkennen, als dasjenige, welches man sich selbst gegeben hat, ist der Grund jener souverainet indivisible, inalinable des Roußeau, nicht unsre vernnftige Natur selbst, aber gegrndet auf das erste Postulat ihres Gesetzes, unser einiges Gesez zu sein.“147

Den berlieferten Sozialnormen attestiert Fichte ein vernichtendes Urteil, legt er doch ihren Befrwortern die rhetorische Frage vor: „Ihr eben seyd die competenten Richter ber die Grenzen der menschlichen Krfte! Unter das Joch der Autoritt, als euer Nacken noch am biegsamsten war, eingezwngt, mhsam in eine knstlich erdachte Denkform, die der Natur widerstreitet, gepreßt, durch das stets Einsaugen fremder Grundstze, das stete Schmiegen unter fremde Plne, durch tausend Bedrfnisse eures Kçrpers entselbstet, fr einen hçhern Aufschwung des Geistes, und ein starkes heeres Gefhl eures Ich verdorben, kçnnt ihr urtheilen, was der Mensch kçnne! – sind eure Krfte der Maasstab der menschlichen Krfte berhaupt! Habt ihr den goldnen Flgel des Genius je rauschen gehçrt? – nicht dessen, der zu Gesngen, sondern dessen, der zu Thaten begeistert. Habt ihr je ein krftiges: ich will eurer Seele zugeherrscht, und das Resultat desselben, troz aller sinnlichen Reizungen, troz aller Hindernisse, nach jahrelangem Kampfe hingestellt und gesagt: hier ist es?“148

Der menschliche Wille, de facto der Mehrheitswille gestaltet also den Staat und die ihm im Vollzug dieses Willens stets neu gegebene Ordnung. Damit erlçschen alle berlieferten Vorrechte und Privilegien149. Das aus Fichtes Revolutionserçrterung derivierte Bekenntnis zu einem Voluntarismus, der dem Menschen eine umfassende Vernderung und Gestaltung seiner Welt ermçglicht, findet nunmehr seinen geradezu titanenhaften Hçhepunkt: „Der Mensch kann, was er soll; und wenn er sagt: ich kann nicht, so will er nicht.“150

147 Johann Gottlieb Fichte, a.a.O., S. 238 f.; vgl. hierzu a. Fichtes Erçrterung ebd., S. 258 – 296: „Ist das Recht, die Staatsverfassung zu ndern, durch den Vertrag aller mit Allen verußerlich?“. 148 Johann Gottlieb Fichte, Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publikums ber die franzçsische Revolution, S. 229 f. 149 Vgl. zur Erledigung der berlieferten Privilegienordnung Fichtes ußerungen a.a.O., S. 369 f.: „Der Frst, als Frst, ist eine vom Gesetze belebte Maschine, die ohne jenes kein Leben hat […]. Rechtsansprche hat der Adel, als Adel, d. i. als der gegenwrtige durch die Geburt bestimmte Volkskçrper gar nicht zu machen; denn so gar sein Daseyn hngt vom freien Willen des Staats ab“ [Hervorhebung im Original]. 150 Fichte, a.a.O., S. 230 [Hervorhebungen im Original].

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Ein derartiger fundamentaler Zuspruch an die menschlichen Fhigkeiten mit seiner fast schon in hybrider Weise postulierten Voraussetzung einer objektivierbaren Steuerung des menschlichen Tuns durch den eigenen Willen bedeutet nicht weniger als eine fundamentale Herausforderung der christlichen Anthropologie. Allerdings nimmt Fichte in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit der katholischen wie auch der protestantischen Kirche151 nicht auf dem unmittelbar ideell-dogmatischen, sondern auf dem mittelbar gesellschaftspolitischen Gebiet auf. Dabei behandelt er die Kirchen von seinem gesellschaftskritischen Ansatz aus nicht anders als andere komplex organisierte Gemeinschaftsgebilde. hnlich wie das in einer gewissen Analogie hierarchisch gegliederte Militr152 und die „Znfte der Knstler und Handwerker“153betrachtet Fichte die Kirchen154 als „Staaten im Staate, die nicht nur ein abgesondertes, sondern ein allen brigen Brgern entgegengesetztes Interesse haben“155. Da jedoch der

151 Den konfessionellen Kontroversen begegnet Fichte mit ebenso lakonisch knapper wie logisch nivellierender Schrfe: „Wenn von mehrern Kirchen geredet wird, so ist sicher, daß entweder alle insgesammt, oder alle, außer einer einzigen, inconsequent verfahren“, a.a.O., S. 384. An dieser Stelle zeigt sich, daß Fichte die zeitgençssischen Kirchen an ihrem jeweiligen Absolutheitsanspruch mißt, sie keinesfalls aber schon unter ihren organisatorischen Gesichtspunkten als individuell-bekenntnishafte Gemeinschaften in den Blick faßt. Letztere kçnnten jeweils fr sich durchaus unterschiedlichen, im jeweiligen Gemeinwillen bekundeten und mit diesem abgestimmten religiçsen Auffassungen und Anforderungen unterliegen. 152 Vgl. a.a.O., S. 293 f. 153 A.a.O., S. 295. 154 Zu den Kirchen: Johann Gottlieb Fichte, a.a.O., S. 294 f.; 370 – 403. – Daß Fichte in weiten Teilen seines Gesamtwerkes auch einen philosophischen Kirchenbegriff kennt, der die Kirchen in ihrer realen Vorfindlichkeit transzendiert und die „Gemeinschaft der berzeugung“ gleichfalls als „Kirche“ auffaßt, legt Wilhelm Weischedel, Der frhe Fichte. Aufbruch der Freiheit zur Gemeinschaft, 2. Aufl., Stuttgart / Bad Cannstatt 1973, S. 165 f. dar; ebd. S. 166: „Fichte ist in seinem Kirchenbegriff noch weitgehend von der Aufklrung und ihrer Ethisierung des Religiçsen abhngig. Die ,positive Religion‘ besteht fr ihn wie fr die Aufklrung berhaupt in ,Veranstaltungen, die vorzgliche Menschen getroffen haben, um auf andere zur Entwicklung des moralischen Sinnes zu wirken‘“. So verstanden erscheint Kirche schlicht als die im moralischen Konsenz befindliche Gemeinde auf ihrem Weg einer Realisierung ihrer positiven Intentionen. 155 A.a.O., S. 295. Immerhin prognostiziert auch der Zeitgenosse Immanuel Kant, daß mit dem Ende des historischen Kirchentums i.S. des „Leitbandes der heiligen berlieferung, […] welches zu seiner Zeit gute Dienste tat“, als Folge der sich durchsetzenden „Vernunftreligion“ ebenfalls der „erniedrigende Unterschied zwischen Laien und Klerikern“ aufhçren werde, vgl. dens., Die Religion innerhalb

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menschliche Wille freiheitschaffendes Medium sei, resultiere die kirchliche Gliedschaft aus einem freiwilligen Vertrag zwischen der Glaubensgemeinschaft und dem ihr angehçrenden einzelnen Mitglied; die Prinzipien der Volkssouvernitt seien nunmehr auf den als „Kirche“ bezeichneten „Staat im Staat“ anzuwenden: „Jeder Mensch wird wieder frei, sobald er frei werden will, und hat das Recht, Verbindlichkeiten, die er sich selbst auflegte, sich auch selbst wieder abzunehmen. Jeder kann demnach der Kirche den Gehorsam aufkndigen, sobald er will; und die Kirche hat eben so wenig das Recht, ihn durch physische Mittel zu nçthigen, in ihrem Schooße zu bleiben, als sie jenes hatte, ihn durch dergleichen Mittel zu nçthigen, in denselben zu flchten. Der Vertrag ist aufgehoben; er gibt der Kirche ihren himmlischen Schatz, den er noch nicht angegriffen hat, unversehrt zurck, und lßt ihr die Freiheit, alle ihre Zornschaalen in der unsichtbaren Welt ber ihn auszuschtten; und sie giebt ihm seine Glaubensfreiheit wieder.“156

Von dieser Sichtweise her stellt Fichte den „gegenseitigen Bund der Kirche und des Staates“157 grundstzlich infrage und verurteilt den „Staat, der die Krcke der Religion borgt“, als einen Staat, der eben hierdurch indiziere, „daß er lahm ist; wer uns um Gottes und um unserer Seligkeit willen beschwçrt, seinen Befehlen zu gehorchen, der gesteht uns, daß er selbst nicht Kraft habe, uns zum Gehorsam zu nçthigen; sonst wrde er es thun, ohne Gott zur Hlfe zu rufen.“158

Folgerichtig seien Staat und Kirche „von einander geschieden: es ist zwischen beiden eine natrliche Grenze, die keins zu berschreiten das Recht hat“159. Konsequent entwickelt Fichte aus den hinter der Franzçsischen Revolution stehenden Intentionen, insbesondere aus dem Prinzip der Volkssouvernitt innerhalb eines jeden Gesellschaftvertrages zwischen dem jeweiligen Kollektiv und Individuum, das Postulat grundstzlicher Glaubensfreiheit. Seiner Beurteilung der Religion als einer „Krcke“ entspricht die herausragende Bedeutung, welche Fichte dem menschlichen Willen zumißt; die Botschaft von der Macht des menschlichen Willens macht sich geltend gegen die Botschaft von der grundstzlichen Ohnmacht des Menschen vor dem Angesicht der gçttlichen Allmacht. In der Ge-

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der Grenzen der bloßen Vernunft, in: Immanuel Kant, Werke in zehn Bnden, Band 7, S. 785. Fichte, Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publikums ber die franzçsische Revolution S. 385. Ebd., S. 388. Ebd., S. 389. Ebd., S. 391.

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staltung von Staat und Gesellschaft tritt der Wille der Mehrheit und damit das demokratische Prinzip an die Stelle des berlieferten Gotteswillens160. Insofern wird die antifeudale und antiklerikale Revolution bei Fichte zur unabdingbaren Voraussetzung brgerlicher Freiheit und eines diese Freiheit garantierenden rechtmßigen Staates. Zu den fhrenden deutschen Intellektuellen und Literaten, die die revolutionren Geschehnisse in Frankreich unmittelbar nach ihrem Ausbruch begrßten161, gehçrt weiterhin auch Friedrich Gottlieb Klopstock162. Mehr als zwei Jahrzehnte hatte der in Quedlinburg geborene Dichter auf Grund einer Berufung durch den dnischen Kçnig in Kopenhagen gelebt163, bevor er sich in Hamburg niederließ. Ursprnglich von starkem 160 Fichte kennt keinen Gott außerhalb der sittlichen Weltordnung mehr; diese realisiert sich ohne Einwirkung eines personalen Gottes im Streben des individuellen Menschen nach Vollkommenheit und der aus diesem Streben resultierenden „Seligkeit“, wenn Fichte behauptet: „Jene lebendige und wirkende, moralische Ordnung ist selbst Gott; wir bedrfen keines andern und kçnnen keinen andern fassen“ und feststellt: „der Begriff von Gott als einer besonderen Substanz ist unmçglich und widersprechend: Es ist erlaubt, dies aufrichtig zu sagen und das Schulgeschwtz niederzuschlagen, damit die wahre Religion des freudigen Rechttuns sich erhebe“, beide Zitate aus Fichtes Schrift „Der geschlossene Handelsstaat“ nach Hans Joachim Stçrig, Kleine Weltgeschichte der Philosophie, S. 388. 161 Hierzu Thomas P. Saine, Aufnahme – Weitergabe, in: John A. McCarthy und Albert A. Kipa, Hg., Literarische Impulse um Lessing und Goethe. Festschrift fr Heinz Moenkemeyer zum 68. Geburtstag, Hamburg 1982, S. 233 – 261. 162 Zu Klopstock: Friedrich Gottlieb Klopstock, Werke in einem Band, hg. von Karl August Schleiden, Mnchen und Wien 1969; Redlich, ADB 16, S. 211 – 226; Sven H. Rossel, DBL 8, S. 45 f.; Hans-Georg Werner, Hg., Friedrich Gottlieb Klopstock. Werk und Wirkung, Berlin 1978; Heinz Ludwig Arnold, Hg., Friedrich Gottlieb Klopstock, Mnchen 1981; mit Blick auf Klopstocks besondere Beziehung zum dnischen Gesamtstaat: Leopold Magon, Ein Jahrhundert geistiger und literarischer Beziehungen zwischen Deutschland und Skandinavien 1750 – 1850, Band 1: Die Klopstockzeit in Dnemark, Dortmund 1926, passim; Eberhard Wilhelm Schulz, Der schleswig-holsteinische Adel als Publikum Klopstocks, in: Erich Trunz und Dieter Lohmeier, Hg., Staatsdienst und Menschlichkeit. Studien zur Adelskultur des spten 18. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein und Dnemark, Neumnster 1980, S. 167 – 186; Gert Sautermeister, Deutsche Intelligenz im Bann der Religion. Metaphysische Umbildungen der Revolution, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 2, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, S. 535 – 551, hier: S. 537 – 539. 163 Hierzu Christian Gellinek, Kultursolidaritt ber Grenzen: Dnemark und Deutschland. Eine Essaysammlung, Mnster 2008, hier ders., Klopstock in Kopenhagen, S. 57 – 68.

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Einfluß auf die die ffentlichkeit in Dnemark wie auch in den Herzogtmern Schleswig und Holstein164, hat er die Revolution und die in ihrer Folge von Frankreich ausgehenden Vernderungen Europas bis an sein Lebensende beschreibend und kommentierend besungen – in nicht weniger als 47 Oden165. Bereits die Einberufung der franzçsischen Stnde im Jahr 1788 hatte Klopstock unter dem Eindruck, Ludwig XVI. wolle sich aktiv an einer positiven Entwicklung Frankreichs beteiligen, enthusiastisch gefeiert: „Der khne Reichstag Galliens dmmert schon, / Die Morgenschauer dringen den Wartenden / Durch Mark und Bein: o komm, du neue, / Labende, selbst nicht getrumte Sonne! […] / Gallien krçnet sich / Mit einem Brgerkranz, wie keiner war! / Der glnzet heller, und verdient es! / Schçner, als Lorbeer, die Blut entschimmert.“166

Die jenseits des Rheins anberaumte Stndeversammlung stellte sich dem alternden Dichter als morgendlicher Neuanfang dar. Seine auf den kommenden Tag bezogene Metaphorik ließ ihn am Sonnenmythos der Revolution167 mitwirken, bevor sich diese Revolution auch nur im Ansatz entfaltete. Im weiteren Verlauf der Ereignisse kontrastierte Klopstock

164 Johann Otto Thieß, ehemaliger Kieler Theologieprofessor – zu ihm u. S. 183 – 187 – apostrophiert den Dichter gar als „Gottessohn“: Thieß, Friedrich Gottlieb Klopstock. Wie er seit einem halben Jahrhundert als Dichter auf die Nazion und als Schriftsteller auf die Literatur gewirkt hat, Altona 1805, S. 191; ein weiteres Beispiel positiver Klopstockrezeption findet sich in einer Schleswiger Publikation vom Anfang der 1820er Jahre, vgl. u. S. 304. 165 Zu diesen Joachim Mller, Revolution und Nation in Klopstocks Oden, S. 63 – 115, in: ders., Wirklichkeit und Klassik. Beitrge zur deutschen Literaturgeschichte von Lessing bis Heine, Berlin 1955; Hans-Gerd Winter, Klopstocks Revolutionsoden, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 1, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, Hamburg 1989, S. 131 – 151. 166 Ode ber „Die Etats Gnraux“, in: Klopstock, Werke in einem Band, hg. v. Karl August Schleiden, S. 140; die Erstverçffentlichung dieser Ode erfolgte an besonderer Stelle, wurde sie doch zum Erçffnungsbeitrag eines neuen Journals: Vgl. Neues Deutsches Museum, hg. von Heinrich Christian Boie, Leipzig 1 / 1789, S. 1 f. 167 Vgl. hierzu Klaus Herding, Visuelle Zeichensysteme in der Graphik der franzçsischen Revolution, in: Die franzçsische Revolution als Bruch des gesellschaftlichen Bewußtseins, hg. von Reinhart Koselleck und Rolf Reichardt, Mnchen 1988, S. 512 – 552.

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Frankreich in „metaphysische[r] Schwrmerei“168 als leuchtendes Vorbild fr die deutschen Verhltnisse: „Frankreich schuf sich frei. Des Jahrhunderts edelste Tat hub / Da sich zu dem Olympus empor! […] / O Schicksal! Das sind sie also, das sind sie, / Unsere Brder, die Franken; und wir? /Ach, ich frag’ umsonst; ihr verstummet, Deutsche! Was zeiget / Euer Schweigen? bejahrter Geduld / Mden Kummer? oder verkndet es nahe Verwandlung, / Wie die schwle Stille den Sturm, / Der vor sich her sie wirbelt, die Donnerwolken, bis Glut sie / Werden und werden zerschmetterndes Eis?“169

Klopstocks Begeisterung fr die in Frankreich vor sich gehenden Umwlzungen schildert der von ihm in seinem Hamburger Haus empfangene dnische Dichter Jens Immanuel Baggesen: „Gegenwrtig ist die Revolution in Frankreich die zweite Messiade seiner Seele. Und hat die erste seinen Geist zum Himmel des Himmels erhoben, so hebt ihn die jetzige mit nicht minder feurigem Gespann zum Himmel der Erde empor, zu der nicht nur allen Musen und Engeln, sondern allen Prosaisten und Menschen heiligen Freiheit. Kaum erwhnt man Gallien, so verklrt sich sein Gesicht bei dem bloßen Laut, als strahlte es die Morgengabe der Freiheit wider. Die Zeitungen sind ihm interessanter als Thukydides, Plutarch und Tacitus geworden.“170

168 Gert Sautermeister, Deutsche Intelligenz im Banne der Religion. Metaphysische Umbildungen der Revolution, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkungen auf Norddeutschland und das Reich, Band 2, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, S. 535 – 551, hier: S. 537. 169 „Kennet euch selbst“, in: Klopstock, Werke in einem Band, hg. v. Karl August Schleiden, S. 140 f. – Bedeutsam an der zitierten Eingangszeile erscheint die bertragung der Schçpfungsbegrifflichkeit auf das kollektive Gebilde einer Nation; hierin versinnbildlicht sich der im zeitgençssischen Kontext durchaus zunehmende Anspruch auf die Durchfhrung und Machbarkeit anthropogener Schçpfungen. 170 Jens Immanuel Baggesen, Das Labyrinth oder Reise durch Deutschland in die Schweiz. 1789, Kopenhagen 1792/93, Neudruck in deutscher bersetzung hg. von Gisela Perlet, Leipzig / Weimar 1985, S. 68. Baggesen selbst gibt seine anfngliche Wahrnehmung der Franzçsischen Revolution mit einer nicht minderen Euphorie wider – in einer „Mischung aus Faszination, Fassungslosigkeit und Freude, die sich zunchst gar nicht beschreiben lßt: Hvilket Hav af Billeder, Ideer, Ahnelser bçlgede gjennem vore Sjle! Revolution! Frankrig! – Tilforn var det blot Giring – hist og her Oplçb – […] Hvilket brusende, stormende, flammende Chaos! […] Welches Meer von Bildern, Ideen, Ahnungen wogte durch unsere Seele! Revolution! Frankreich! Bisher war es nur Grung – hier und jetzt Aufruhr – Welch ein brausendes, strmendes, flammendes Chaos“, zit. n. Jens Immanuel Baggesen, Anden Deel, nach Karin Hoff, Die Entdeckung der Zwischenrume.

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Den ersten Jahrestag der Revolution begeht Klopstock feierlich inmitten eines Kreises von etwa achtzig Hamburger Kaufleuten und Intellektuellen mit deren amerikanischen, englischen, franzçsischen und Schweizer Gsten171. Hier bringt er „der Freyheit zwei Oden“172dar, wobei „der gute Alte […] vor Freude [weinte, L.-P.], als er sie vortrug, seine Verse und er selbst glhten von jugendlichem Feuer“173. In der ersten dieser Oden, berschrieben „Sie, und nicht wir“174, ußert der Dichter sein Bedauern da-

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Literarische Projekte der Sptaufklrung zwischen Skandinavien und Deutschland, Gçttingen 2003, S. 286. Vgl. u. S. 88. Das Hamburger Freiheitsfest am 01. Juli 1790 fand seinen Widerhall in einem Bericht des von dem Girondisten Jacques Pierre Brissot ( zu diesem u. S. 149) herausgegebenen Pariser Journals „Le Patriote Francais“; hier heißt es in der Ausgabe Nr. 363 vom 06. August 1790 eingangs: „Il y a beaucoup de partisans de la rvolution de France, et d’enthousiastes des travaux de l’assemble nationale. Klopstock, le premier gnie de l’Allemagne, si cl bre par ses odes et par sa Messiade, est un des principaux de ces amis de la libert“, zit. n. Horst Gronemeyer und Harald Weigel, Paris an der Alster. Die Franzçsische Revolution in Hamburg, Herzberg 1989, S. 26. Auch 50 Jahre spter war in Norddeutschland der Gedanke an derartige Revolutionsfeste immer noch lebendig; zu einer am 14. Juli 1839 durch den Zeitungsverleger Theodor Olshausen in Kiel geplanten Feier der Revolution vgl. u. S. 504. ußerung von Sophie Reimarus, zit. n. Hans-Werner Engels, Alles war so mçglich! Auftakt fr ein neues Europa: Hamburgs Brger feiern die Franzçsische Revolution, Zeitlufte, Die Zeit 29/2002. So Caspar Voght, zit. n. Hans-Werner Engels, a.a.O.; zu Voght auch u. S. 131 Anm. 43. – Auch Johann Heinrich Voß diagnostizierte eine derartige geradezu verjngende Wirkung der revolutionren Geschehnisse auf den Dichter: „Klopstock glht von Freyheitsliebe, wie ein Jngling“, Brief an Gerhard Anton von Halem vom 26. Sept. 1791, zit. n. v. Halems Selbstbiographie, Bd. II, hg. von C.F. Strackerjan, Oldenburg 1840. Neudruck Bern 1970, S. 129. Klopstock, „Sie, und nicht wir. An La Rochefoucauld“ (1790), in: Die Franzçsische Revolution in Deutschland. Zeitgençssische Texte deutscher Autoren, hg. von Friedrich Eberle und Theo Stammen, Stuttgart 1989, S. 221 f.; vgl. hierzu Hans-Gerd Winter, Klopstocks Revolutionsoden, S. 137 f. – Der programmatische Titel dieser Ode verdient Beachtung, offenbart er doch auch ein Bedauern darber, daß die bis zum aktuellen Zeitpunkt erzielten historischen Fortschritte der Revolution außerhalb Deutschlands geschehen waren. Desweiteren geht mçglicherweise „Klopstocks Formel ,Sie und nicht wir‘ […] von der Annahme aus, eine wirklich bedeutsame deutsche Revolutionsrezeption htte zu voller Nachahmung Frankreichs, zu einer ,Deutschen Revolution‘ fhren mssen“, Rolf Reichardt, Probleme des kulturellen Transfers der Franzçsischen Revolution in der deutschen Publizistik 1789 – 1799, in: Holger Bçning, Hg., Franzçsische Revolution und deutsche ffentlichkeit. Wandlungen in Presse und Alltagskultur am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, Mnchen / London / New York / Paris 1992, S. 91 – 146, hier: S. 109.

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rber, daß sich die Revolution nicht innerhalb Deutschlands, sondern in Frankreich inszeniert habe. Dieses Bedauern mildert Klopstock durch einen Hinweis auf die Teilhabe deutscher Auswanderer am freiheitlichen „Licht“ des amerikanischen Revolutionsereignisses: „Ach du warest es nicht, mein Vaterland, das der Freiheit / Gipfel erstieg, Beispiel strahlte den Vçlkern umher: Frankreich war’s! du labtest dich nicht an der frohsten der Ehren, / Brachest den heiligen Zweig dieser Unsterblichkeit nicht! O ich weiß es, du fhlest, was dir nicht wurde; die Palme, / Aber die du nicht trgst, grnet so schçn, wie sie ist, Deinem kennenden Blick. Denn ihr gleicht, ihr gleichet die Palme, / Welche du dir brachst, als du die Religion reinigtest, sie, die entweiht Despoten hatten, von neuem / Weihtest, Despoten voll Sucht Seelen zu fesseln! […] Kçnnt’ ein Trost mich trçsten; er wre, daß du vorangingst / Auf der erhabenen Bahn! aber er trçstet mich nicht. Denn du warst es nicht, das auch von dem Staube des Brgers / Freiheit erhob, Beispiel strahlte den Vçlkern umher; Denen nicht nur, die Europa gebar. An Amerikas Strçmen / Flammt schon eigenes Licht, leuchtet den Vçlkern umher. Hier auch winkte mir Trost, er war: In Amerika / Leuchten Deutsche zugleich umher! / aber er trçstete nicht.“175

Diese Ode widmete der Dichter dem Herzog Rochefoucauld, dem Klopstock seit dessen Besuch in Kopenhagen eine freundschaftliche Zuneigung entgegenbrachte176. Der Herzog fungierte nicht nur als Prsident der Akademie der Wissenschaften; er hatte sich auch als Angehçriger der ersten Nationalversammlung in besonderer Weise fr die Pressefreiheit sowie die Abschaffung der Sklaverei und die Aufhebung der Klçster und Kirchengter engagiert. Insofern erlebt Klopstock revolutionres Tun in Analogie zum reformatorischen Handeln, das er wiederum als eine „Reinigung“ der von „Despoten entweihten Religion“ begreift. Doch die ber die religiçse Reform hinausgreifende, sich in gesellschaftlicher Neuordnung auswirkende Revolution hat nunmehr den historischen und kulturellen Rahmen der mit der Reformation verbundenen deutschen Nation verlassen. Diesen Beginn einer nicht mehr von Deutschland, sondern von Frankreich ausgehenden gesellschaftlichen Befreiung und Neuorientierung vermag Klopstock nur aus verengtem nationalistischen Blickwinkel zu interpretieren. 175 Klopstock, „Sie, und nicht wir. An La Rochefoucauld“ (1790), a.a.O., S. 221 f. 176 Die Hinrichtung seines Freundes am 2. September 1792 bedachte Klopstock in zwei Oden, zunchst in der im Februar 1793 verçffentlichten Ode „An La Rochefoucaulds Schatten“, anschließend in der wenige Monate spter publizierten Dichtung „Die beyden Grber“, in: Klopstock, Gesammelte Werke III, hg. von Franz Muncker, S. 165 f.; 168 f.

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Auch die vermutlich weitere Ode, die Klopstock am 14. Juli 1790 jener Harvesterhuder Gesellschaft zu Gehçr brachte, trug eingangs eine persçnliche Widmung, wandte sie sich doch „An Cramer, den Franken“177. Bei diesem handelte es sich um Carl Friedrich Cramer, der neben zahlreichen weiteren Verçffentlichungen „Jean Jacques Rousseaus Smmtliche Werke“ in einer vierbndigen bersetzung publiziert hatte178. Zum Zeitpunkt des Revolutionsfestes noch als Professor an der Kieler Universitt ttig, mußte er wenige Jahre spter mit dem Verlust dieser Stellung fr seine revolutionren Sympathien im Exil bßen179. Als Zufluchtsort whlte Cramer die franzçsische Hauptstadt. 177 Friedrich Gottlieb Klopstock, Werke in einem Band, S. 143 f.; hier heißt es: „Ein Riese sank danieder, und starb; Aber er blieb nicht tot; denn es kam ein Geist, und belebte Den Toten wieder. Der richtet sich auf, Steht, und schauet umher mit Feuerblicken. Die Seele, Nun Schatten, umirret ihn, bebet vor ihm. Volk ist der Name des Riesen, des Schattens Namen ist Kçnig, Des Geistes Nationalassemblee […] Kommt stets nher! schließt den großen goldenen Saal auf, Und rttelt am Thron, ein warnend Gespenst!“. Zum aktuellen Stand der Erçrterung, welche seiner Oden Klopstock in Harvestehude rezitiert haben kçnnte, vgl. Hans-Werner Engels, Freye Deutsche! singt die Stunde, Die der Knechtschaft Ketten brach. 14. Juli 1790: Am Jahrestag des Bastillesturmes feiern Hamburgs Brger ein Revolutionsfest, in: Carl Friedrich Cramer – Revolutionr, Professor und Buchhndler, hg. von Petra Blçdorn-Meyer, Michael Mahn und Rdiger Schtt, Nordhausen 2002, S. 439 – 455, hier S. 447 f. 178 Jean Jacques Rousseaus Smmtliche Werke, bersetzt von C.[arl] F.[riedrich] Cramer, Theil 1 – 4, von 1785 – 1791 in Berlin erschienen; vgl. zum Kontext a. Ludwig Krhe, Carl Friedrich Cramer bis zu seiner Amtsenthebung, Berlin 1907, S. 186 f.; 189; 227; Alain Ruiz, „Cramer, der Franke“: Ein norddeutscher Herold der Franzçsischen Revolution gegen die „aristokratischen Skribenten“ seiner Zeit, in: Jakobiner in Mitteleuropa, hg. von Helmut Reinalter, Innsbruck 1977, S. 195 – 227; Rainer Schmidt, „es wird ewig mein Stolz bleiben, daß ich des Stolzes genoßen habe, Ihr Freund zu seyn“. Carl Friedrich Cramer und seine Beziehungen zu Klopstock, in: Petra Blçdorn-Meyer, Michael Mahn und Rdiger Schtt. Hg., Carl Friedrich Cramer – Revolutionr, Professor und Buchhndler, S. 392 – 417. 179 Hierzu Hermann Tiemann, Neues aus Paris anno 1795. ,Cramer der Krmer‘ berichtet an Klopstock, in: Rudolf Grossmann, Walter Pabst und Edmund Schramm, Hg., Der Vergleich. Literatur- und sprachwissenschaftliche Interpretationen, Festgabe fr Helmut Petriconi, Hamburg 1955, S. 167 – 183; ders., Deutsche im Paris des Direktoriums. Aus den Berichten Carl Friedrich Cramers an Klopstock im Jahre 1796, in: Harri Meier und Hans Sckommodau, Hg., Wort und Text. Festschrift fr Fritz Schalk, Frankfurt/M. 1963, S. 380 – 399; vgl. weiterhin im Folgenden S. 272 – 274. Auch Klopstock entging nur knapp einer empfindlichen Buße, denn auf Grund seiner zumindest anfnglich uneingeschrnkt geußerten revolutionren Sympathien erwog der dnische Staatsminister Andreas Peter Bernstorff den gnzlichen Entzug der dem Dichter vom dnischen Kçnig

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Die franzçsische Haltung im Verzicht auf einen Offensivkrieg wie auch in der Verteidigung gegen die çsterreichisch-deutschen Invasionsarmeen verherrlicht Klopstock in seiner Ode „Der Freiheitskrieg“ vom April des Jahres 1792 geradezu unter Zuhilfenahme chiliastischer Perspektivik: „Und jetzt wollt ihr sogar des Volkes Blut, das der Ziele / Letztem vor allen Vçlkern sich naht, / Das, die belorbeerte Furie, Krieg der Erobrung, verbannend, / Aller Gesetze schçnstes sich gab […] / Sterbliche wissen nicht, was Gott tun wird; doch gewahren / Sie, wenn große Dinge gechehn, / Jetzt sein langsames Wandeln, jetzt donnernden Gang der Entscheidung, / Der mit furchtarer Eil’ es vollbringt!“180

Am 2. Juli 1792 sandte Klopstock diese Ode an den Oberbefehlshaber des preußisch-çsterreichischen Heeres, Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig und Lneburg181, und forderte diesen in einem Begleitbrief 182 zur Niederlegung seines Kommandos auf 183. Die sich abzeich-

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durch eine Resolution vom 24. April 1751 rckwirkend seit dem 1. Juli 1750 gewhrten Pension; am Ende blieb es bei einer Krzung. Klopstock war 1750 durch Vermittlung des lteren Bernstorff nach Kopenhagen berufen worden und hatte hier zwei Jahrzehnte gelebt; hierzu Sven H. Rossel (R. Paulli), Art. „Friedrich Gottlieb Klopstock“, DBL 8, S. 45; Olaf Klose, Die Jahrzehnte der Wiedervereinigung 1721 – 1771, in: Ders. und Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, Geschichte Schleswig-Holsteins, 6. Band, Neumnster 1960, S. 208 f. Friedrich Gottlieb Klopstock, „Der Freiheitskrieg“ (1792), S. 222 f., in: Die Franzçsische Revolution in Deutschland. Zeitgençssische Texte deutscher Autoren, hg. von Friedrich Eberle und Theo Stammen; vom Autor verçffentlicht als „Der Freyheitskrieg. Eine Ode“ in der „Minerva“ 5 / 1793, S. 1 – 4. Als preußischer Generalfeldmarschall hatte dieser vor Beginn des Feldzuges am 25. Juli 1792 in Koblenz ein weitgehend von Emigranten abgefaßtes Manifest voller Drohungen gegen die Revolutionre und die Stadt Paris publizieren lassen; Abdruck desselben bei Walter Grab, Hg., Die Franzçsische Revolution. Eine Dokumentation, S. 108 – 111. Das handschriftliche Konzept des Briefes findet sich in der Staats- und Universittsbibliothek Hamburg [Kn 42/9c (2)]. So die Versicherung Klopstocks gegenber dem franzçsischen Innenminister JeanMarie Roland de la Plati re, dem er den Text der Ode mit einem Dankschreiben fr das zuvor erhaltene franzçsische Brgerrecht zugehen lßt. Dieses „Schreiben Klopstocks an den Franzçsischen Minister Roland“ vom 19. November 1792 – „im ersten Jahr der Republik“ – findet sich abgedruckt in der „Minerva“ 5 / 1793, S. 5 – 18; der Briefeingang lautet: „Heil und Brgerkronen an Roland, dem Minister des Innern der franzçsischen Republik, von Klopstock, franzçsischem Brger. Es ist unmçglich die Ehre zu verdienen, die einem Auslnder wiederfhrt, der von der franzçsischen National-Versammlung mit dem Brgertitel beschenkt wird. Das einzige, was ihn bis auf einen gewissen Grad dessen wrdig machen kann, ist sein

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nende Niederlage der Gironde beeintrchtigt Klopstocks prorevolutionre Sympathien in der weiteren Folge der revolutionren Geschehnisse jedoch schwerwiegend. Damit befindet er sich durchaus im Einklang mit dem allgemeinen Rckgang jener Akzeptanz, den ein Teil des aufgeklrten und damit eher progressiven Hamburger Brgertums der Revolution anfnglich entgegengebracht hatte184. Dieser Sympathieverlust bedingt sich nicht nur durch die sich radikal von der Gironde in Richtung Jakobinertum verlagernden ideellen Aspekte; auch spezifisch sozioçkonomische Faktoren wirken sich in diesem Kontext aus. Gerade in den franzçsischen Hafenstdten und damit innerhalb jenes Teils der franzçsischen Gesellschaft, mit dem das Handel treibende hanseatische Brgertum wirtschaftlich und daher intentional verflochten ist, zeigt sich die Gironde besonders beheimatet. Deren sich in der Auseinandersetzung mit dem Jakobinertum vollziehende Niederlage bewirkt in der Gruppe anfnglich prorevolutionrer Hanseaten nunmehr einen çkonomisch begrndeten entscheidenden Prozeß anwachsender Entfremdung und Distanzierung gegenber der Revolution in deren weiterem Verlauf 185. Klopstock selbst sieht in den Jakobinern anfnglich lediglich „eine kleine Clique gewaltttiger Tyrannen, die die schon gewonnene Freiheit verraten und sich gegen die Natur des Menschen vergehen“186. Daher entldt sich noch im gleichen Jahr die Enttuschung ber die anwachsenden Greuel der revolutionren Akteure in seinem Gedicht „Die Jakobiner“: „Die Korporation (verzeiht das Wort, / das schlecht ist wie die Sache) vernichtete / Das freie Frankreich […] Treibt ihr die Riesenschlang’ in die Hçhle nicht / Zurck, und wlzt nicht Felsen dem Schlunde vor; / So wird ihr Geiferbiß die Freiheit, / Welch’ ihr erschuft, in den Staub euch strzen.“187

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vor dieser einzigen unsterblichen Erhebung vorhergehender Civismus“, ebd. S. 18 [Hervorhebungen im Original]. Zugleich bewertet Klopstock in diesem Schreiben den Krieg der monarchischen Koalitionsmchte gegen das revolutionre Frankreich als ungerecht; hierzu Walter Grab, Freyheit oder Mordt und Todt. Revolutionsaufrufe deutscher Jakobiner, Berlin 1979, S. 8; Hans-Gerd Winter, Klopstocks Revolutionsoden, S. 138. Zu Klopstocks Hamburger Freund Georg Heinrich Sieveking und dessen Umfeld im Folgenden S. 131 f. Hierzu u. S. 133 f. Hans-Gerd Winter, Klopstocks Revolutionsoden, S. 140. Klopstock, Werke in einem Band, S. 145 f.; das Zitat nach S. 146.

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Der „moralische Desillusionierungsprozeß“188 Klopstocks spiegelt sich erneut im folgenden Jahr in seinen beiden Gedichten „Mein Irrtum“189 und „Der Eroberungskrieg“190. Der Dichter verabschiedet sich endgltig von seinem Traum; ihn beherrscht jetzt vielmehr die Frage, ob die von ihm fr eine Schçpferin gehaltene Freiheit in der Realitt nur eine alles umschaffende dunkle Macht darstellt, die nichts als Anarchie bringt. Damit verbinden sich berlegungen anthropologischer Art; in besonderer Weise beschftigt ihn die fundamentale Frage, inwieweit es zum Wesen des Menschen gehçre, daß dieser durch ihm innewohnende Tendenzen unweigerlich zum Schlechteren verleitet werde. Von dieser grundstzlich skeptischen Position ausgehend macht Klopstock den Akteuren der Revolution jenseits aller Illusion zum Vorwurf, daß „sie selbst, die das Untier zhmten“, nunmehr „Ihr hochheilig Gesetz vernichten“, wodurch sie zu „Hochverrtern der Menschheit“ geworden seien191. Mçglicherweise verdeutlichen nicht zuletzt die Palinodien Klopstocks mit ihrem Wandel von der zuvorigen dichterischen Revolutionsbegeisterung hin zur Invektive eine wesentliche Unsicherheit der çffentlichen Meinung gegenber einer geschichtlichen Entwicklung, die das allgemeine Urteilsvermçgen im deutschen Sprachraum weit berforderte. Gleichwohl ernennt die Pariser Nationalversammlung Klopstock am 26. August 1792 „im 4. Jahr der Freiheit“ unter dem Eindruck seiner zuvor deutlich artikulierten Hochschtzung der Revolution und der dieser zugrundeliegenden Intentionen zum Ehrenbrger Frankreichs; damit erweist sie ihm eine nur wenigen Deutschen entgegengebrachte Ehre192. Nach dem 188 Heinz Ludwig Arnold, Vita Klopstocks, in: Ders., Hg., Friedrich Gottlieb Klopstock, S. 122 – 124, hier S. 124. 189 Klopstock, „Mein Irrtum“ (1793), Werke in einem Band, S. 148 – 150; hier S. 149 f.: „Ach des goldenen Traums Wonn’ ist dahin, / Mich umschwebet nicht mehr sein Morgenglanz, / Und ein Kummer, wie verschmhter Liebe, / kmmert mein Herz. Mde labet auch wohl / Schatten am Weg’ in der de, der weit / umher sich krmmt; / So hat jngst mich die erhabne Mnnin, Corday gelabt. / Richter schndeten sich, sprachen es los / ’s Ungeheuer: sie sprach nicht los, und tat, / Was mit Glut einst auf der Wange, Trnen, der Enkel erzhlt“. Charlotte Corday tçtete am 13. Juli 1793 Jean Paul Marat; vgl. zu ihr Arnd Beise, Charlotte Corday: Karriere einer Attentterin, Marburg 1992. 190 Ebd. S. 150 f. 191 Klopstock, Werke in einem Band, S. 151. 192 Im deutschen Sprachraum empfingen diese Ehrung neben Klopstock auch Friedrich Schiller, Joachim Heinrich Campe und Heinrich Pestalozzi; hierzu Fritz Schaufelberger, Ehrenbrger der Revolution, Olten 1956. Klopstocks Diplom wurde ihm unter Gegenzeichnung von Georges Jacques Danton durch den In-

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Bekanntwerden der Hinrichtung Ludwigs XVI. richtet Klopstock folgende in Berliner Zeitungen publizierte Zeilen an die franzçsische Nationalversammlung: „Wenn ich zurcksende den Siegelbrief, / welchen mir Frankreichs herrschende Hunderte/ einst zur Belohnung des Brgersinns / von der entfernten Seine sandten, / o, so vernehmet Herrscher am Seine-Strandt, / was Deutschlands Barden unwiderstehlich stark / von Euch entsetzt, zurckschreckt, wegstçrt, / von Frankreichs Brgern auf ewig trennt,/ hçrt es, vernehmt es, nicht in dem Gallischen / Menschenrecht – Großmuth, liegt die Zauberkraft, / nein in der Biedersprache Deutschlands; / Teutschlands, welches nie Herrscher mordet. / Franken! Ich hasse Brger die Brgerblut / stromweiß vergießen, sich des vergossenen / rhmen und noch das letzte Zcken / ihrer Ermordeten fhllos ansehn. / Franken! ich bebe vor der Versammlung / welche dem Unsinn tobender Sterblichen / ruhig das Ohr leiht, die die Gottheit / frei mit verwegenem Munde lugnet; / Franken! ich fluche ewig dem Blutgericht / in dem der Klger selbst das Urtheil spricht, / das sich erkhnt nicht nur den Kçnig, / nein auch die Gnade des Volks zu wrgen. / Zittert! Schon seh ich hoch die geschwungene / Rechte des Herrschers ber die Kçnige, / Rache flammt sie den Gottlugner, / blutende Rache den Kçnigsmçrdern.“193

Auffallend ist zunchst die munizipale Fokussierung der hier zum Ausdruck gelangenden Revolutionsverurteilung, die eindeutig und ausschließlich an die nach der Entmachtung der Gironde aktuell agierenden „Herrscher am Seine-Strandt“ adressiert wird. Klopstock verurteilt eben diese nunmehr verantwortlich gewordenen Jakobiner, nicht aber die freiheitlichen Ideen und Intentionen der Revolution an sich. Es geht „Deutschlands Barden“ in diesem Zusammenhang also um die Auseinnenminister der Franzçsischen Republik zugesandt; darin wird dem „Herrn Henry Klopstock in Hamburg“ zugesagt, daß ihm „die Nation einen Platz innerhalb der Gesellschaft der Menschenfreunde eingerumt“ habe und daß ihm ferner „von einem großen Volk in der Begeisterung der ersten Tage seiner Freiheit“ Hochachtung entgegengebracht werde. Den Eingang des Diploms hatte Klopstock zu besttigen: „Die Nation soll wissen, daß Sie das Gesetz empfangen haben und auch Sie die Franzosen zu Ihren Brdern zhlen“; zit. n. dem Diplomfaksimile im Quedlinburger Klopstockhaus. Zu Klopstocks Antwort an Roland – der nach der Hinrichtung seiner Frau auf Grund einer Bezichtigung des Royalismus durch die Jakobiner noch im Jahre 1793 Selbstmord beging – o. S. 77 f. Anm. 183. 193 Vossische Zeitung vom 19. Februar 1793; Haude- und Spenersche Zeitung – eigentlich: Berlinische Nachrichten Von Staats- und gelehrten Sachen – vom 26. Februar 1793. Das Zitat nach Ursula E. Koch, Ute Nawratil und Detlef Schrçter, Sommer 1789: Franzçsische Revolution und preußische Zeitungsberichte, in: Holger Bçning , Hg., Franzçsische Revolution und deutsche ffentlichkeit, S. 199 – 249. hier: S. 245.

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andersetzung mit den gewalthaften Akten der mittlerweile zur Herrschaft gelangten Bergpartei, die er in anfnglicher Erschtterung mit der gesamten franzçsischen Nation gleichzusetzen droht, fhlt er sich doch nunmehr „von Frankreichs Brgern auf ewig“ getrennt. Bekenntnishafte Zge zeigen sich in Klopstocks Distanzierung gegenber der oftmals atheistischen Gesinnung unter den Angehçrigen der Nationalversammlung; damit einher geht seine klare Verurteilung der allgemein im Verlauf der Revolution praktizierten Rechtsbrche, in denen der Mensch zum Maß aller Dinge geworden sei. Dem stellt Klopstock in eindrcklicher prophetischer Rhetorik seinen Hinweis auf den „Herrscher ber die Kçnige“ entgegen, der als Richter der Geschehnisse und Instanz letzter Verantwortung auch ber die revolutionren Gottesleugner ein endgltiges Urteil fllen werde. Am 16. November 1794 legt „Der Brger Klopstock an den Brger Prsidenten“ noch einmal seine Position gegenber der gewalthaft eskalierten Revolution dar; eingangs bekundet er zwar seine Freude ber die ihm zugegangene Ehrung, fgt aber an, daß dieser auch eine Pflicht zur Widerrede entsprche: „Ich sagte sehr ernsthafte Wahrheiten ber verabscheute Handlungen in einigen Oden (ach einst machte ich andere); die, wenn die Grazie mir gnstig gewesen ist welche die Griechen die furchtbare nannten, nicht untergehn werden. Ich rede von Handlungen, die zu der Zeit, da sie geschahn, die Nazion verabscheute; und die jetzt alle ihre Stellvertreter verabscheun, wenn anders der ganze Eisberg zu einem blhenden, einst fruchttragenden Thale geworden ist.“194

Klopstock will also zwischen den aktuellen Resultaten der Revolution und einem von ihr katalysatorisch herbeigefhrten knftigen Zustand differenzieren; fr die Mehrheit der Franzosen reklamiert er jetzt einen tiefgehenden Abscheu vor den Ausschreitungen des Terrors. Allerdings: der „Brger Klopstock“ sandte dieses Schreiben niemals an seinen Adressaten ab. Dagegen signalisiert der Umstand, daß Klopstocks Stellungnahme erst zwei Jahre nach ihrer Abfassung in der „Berlinischen Monatsschrift“ ausschließlich dem deutschen Publikum zugnglich gemacht wurde, deutlich die lavierende und indifferente Haltung Klopstocks gegenber der Revolution eines Volkes, zu dessen „Bruder“ er einmal erklrt worden war.

194 „Der Brger Klopstock an den Brger Prsidenten“, 16. November 1794; verçffentlicht in der Berlinischen Monatsschrift Band 27 / 1796, S. 83 – 96, hier: S. 89.

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Auch das aus Paris erhaltene Brgerdiplom hat der Dichter trotz aller Enttuschung am Fortgang der Revolution nicht nach Paris zurckgesandt, da er es im Verlauf seines Nachdenkens ber die Revolution schlechterdings nicht ber sich brachte, sich kompromißlos „wider die ganze Nation“ zu erklren195. Dieses Verhalten trug ihm jedoch erhebliche Kritik ein. Am 30. Januar 1793 ußert Johann Caspar Lavater ihm gegenber brieflich: 195 Vgl. hierzu Alfred Stern, Der Einfluß der Franzçsischen Revolution auf das deutsche Geistesleben, S. 94 f. – Schiller hingegen, der anfnglich sogar die Niederlegung seiner Jenaer Professur zugunsten eines Standortwechsels nach Frankreich erwogen hatte und der sich im Vorfeld der Exekution Ludwigs XVI. mit dem Gedanken zur Abfassung eines der Verteidigung des Kçnigs dienenden und sich an die Nationalversammlung wendenden Aufrufes getragen hatte, distanzierte sich nach Erhalt der Nachricht vom Kçnigsmord in vehementer Weise von den revolutionren Akteuren: „Ich kann seit 14 Tagen keine franz[çsische, L.-P.] Zeitung mehr lesen, so ekeln diese elenden Schindersknechte mich an“, Brief an Christian Gottfried Kçrner vom 8. Februar 1793, zit. n. Thomas P. Saine, Von der Kopernikanischen bis zur Franzçsischen Revolution. Die Auseinandersetzung der deutschen Frhaufklrung mit der neuen Zeit, S. 259. In der Folge hielt sich Schiller mit persçnlichen Urteilen zur Franzçsischen Revolution zurck, die Tendenz seiner diesbezglichen Auffassungen zeigt sich eher in seinen Dramen sowie seiner Lyrik. Dabei blieb seine Haltung gegenber Frankreich wesentlich ambivalent: „Die ,sthetische Erziehung des Menschen‘ ist seine [sc. Schillers, L.-P.] vielleicht umfassendste theoretische Antwort auf die Franzçsische Revolution, gegen Frankreich gedacht und doch Frankreich verpflichtet […] Der Grundgedanke: innere Wandlung statt des ußeren Umsturzes, ist schon die Moral der ,Ruber‘ […] Das Neue bei Schiller ist der bergang von religiçser und moralischer Erziehung zu sthetischer“, Robert Minder, Schiller, Frankreich und die Schwabenvter, in: Ders., Kultur und Literatur in Deutschland und Frankreich. 5 Essays, Frankfurt/M. 1962, S. 104 – 154, hier: S. 125.Vgl. hierzu Marie Haller-Nevermann, Ein Weltbrger, der keinem Frsten dient, in: ApuZ 9 – 10 / 2005, S. 14 – 22, hier: S. 20: „Schiller ist Rebell der Freiheit, nie Revolutionr“; hierzu a. Jeffrey L. High, Schillers Rebellionskonzept und die Franzçsische Revolution, Lewiston, NY 2004, passim; Michael Hofmann, Schillers Reaktion auf die Franzçsische Revolution und die Geschichtsauffassung des Sptwerks, in: Ders., Hg., Schiller und die Geschichte, Mnchen 2006, S. 180 – 194. – Dagegen konnte Klopstock sich zeitlebens nicht zum Affront einer offenen Distanzierung von den Geschehnissen der Revolution entschließen; noch am 15. Juli 1801 schreibt er dem im Pariser Exil lebenden Carl Friedrich Cramer: „Ich habe gestern unsre Feyer des 14tn auf Harvestehude in Gedanken wiederhohlt, u. sie mir so rein von allem Folgenden vorgestellt, daß ich es keinem Franzosen zugestehe, gestern so vergngt gewesen zu seyn, als ich es, durch Hlfe jener Reinheit, gewesen bin!“. Die Differenzierung zwischen revolutionrer Intention und ihrer Durchfhrung in Exekution und Gewalt hat Klopstock sich bis in sein hohes Alter erkennbar bewahrt.

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„Die Sache Frankreichs, die dort herrschenden, alle Grundstze umkehrenden Grundstze und der so leidenschaftlich und so kalt, so unfçrmlich und fçrmlich betriebene Kçnigsmord, und was damit verbunden ist, gehen mir itzo so sehr zu Herzen, und bewegen und binden meine Krfte dergestalt, daß ich nichts anders beynahe berhren mag. An dem Tage, da ich dieß schreibe […], ich glaube es ist der Hinrichtungstag Karls des Ersten – erwart ich nun alle Augenblicke nhere Nachrichten von dem Ende des mir durch seine Gte, Geradheit, Strke, Ruhe, Religion und Wrde lieben, und verehrungswrdig scheinenden Kçnigs Ludwigs des sechszehnten – Ich hoffe, sie seyen so, […] daß Sie auf das Ihnen angebotene und geschenkte Brgerrecht keinen großen Werth mehr setzen werden […] im Namen von ganz Deutschland mçgt’ ich Ihnen zurufen – ,Ich weiß, Sie werden Ihre letzten preiswrdigen Tage nicht mit einer Gemeinschaft, oder dem Schein einiger Gemeinschaft mit diesen Inviolabilitt schwçrenden Kçnigsmçrdern beflecken‘ – und obgleich ich alle Wetten verliere, so wollt’ ich doch wetten – ,Klopstock hat sein Diplom an das Nationalkonvent zurckgesandt, bevor dieses Schreiben in seinen Hnden ist‘ – oder ,Er wird es […] zurcksenden‘.“196

Klopstock zeigte sich ber diese Zeilen derart empçrt, daß er Lavater auf dessen im gleichen Jahr angetretener Reise nach Kopenhagen whrend der Durchquerung Hamburgs nicht empfing. Umgekehrt gingen Teile des Klopstock von jeher außerordentlich wohlgesonnenen schleswig-holsteinischen Adels197, darunter Friedrich Leopold Stolberg198 und Julia Reventlow199, nunmehr ihm gegenber auf Distanz. Klopstock bemhte sich daraufhin um Konzilianz; dadurch kam es whrend Lavaters Rckreise 196 Briefe von und an Klopstock. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte seiner Zeit, hg. von J.[ohann] M.[artin] Lappenberg, Braunschweig 1867, S. 347 f. 197 Eberhard Wilhelm Schulz, Der schleswig-holsteinische Adel als Publikum Klopstocks, nennt den Adel der beiden Herzogtmer S. 167 den „vielleicht reinsten Resonanzkçrper seiner Dichtung“. 198 Aus Eutin klagt Friedrich Leopold seinem Bruder Christian Stolberg in einem Brief vom 12. April 1793: „Ach, warum muß der Sansculotte den Snger des Messias berleben“, zit. n. Eberhard Wilhelm Schulz, a.a.O., S. 184; bereits am 17. Februar jenes Jahres hatte Stolberg gegenber Friedrich Heinrich Jacobi brieflich erklrt: „Mit Klopstock’s Erklrung in der Zeitung wirst Du so wenig zufrieden seyn, als ich es seyn kann“, zit. n. Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Briefe, hg. von Jrgen Behrens, Neumnster 1966, S. 297. 199 In einem an Louise Stolberg gerichteten Brief vom 16. Juni 1793 ußert die holsteinische Grfin Julia Reventlow: „Glckt es mir nicht, irgendein leises Gefhl der Scham oder Reue in seinem Herzen zu erwecken, so werde ich ihm sagen mit tiefer Wehmut: der Snger des Messias sei meinen Blicken auf immer entschwunden“, zit. n. Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 89, Anm. 1. Zu Julia Reventlow im Folgenden S. 223 – 228, zu Louise Stolberg S. 231 – 235.

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nach Zrich im Juli 1793 zumindest zum Versuch einer Versçhnung anlßlich einer weiteren Begegnung in Hamburg200. Die von Klopstock anfnglich enthusiastisch gebilligten revolutionren Intentionen berhrten jedoch in elementarer Weise jene ihm zueigenen freiheitlich-antiabsolutistischen Tendenzen, die in seinem Werk auch anderenorts zum Ausdruck gelangt sind201. In diesen letztlich emanzipativen, zur Freiheit dringenden Aspekten seines Denkens und Dichtens mag der Grund dafr liegen, daß Klopstock sich zu einer „entschiedenen Ablehnung der Revolution […] nicht entschließen konnte“202. Ein weiterer zeitgençssischer Dichter-„Frst“, der sich in den Herzogtmern nçrdlich der Elbe einer besonderen Resonanz erfreute, obgleich er alle von hier aus an ihn gerichteten Einladungen beharrlich ausschlug203, findet sich in Johann Wolfgang Goethe. Im Vorjahr der Erstrmung der Bastille aus Italien zurckgekehrt, drfte er aufmerksam den Gang der 200 Zum ganzen Vorgang vgl. Louis Bob, Johann Caspar Lavaters Rejse til Danmark i Sommeren 1793, København 1898, S. XXXVII; 105 f.; 146 f. 201 Das Verhltnis von geschichtlichem Patriotismus und konkretem gegenwartsbezogenen Antifeudalismus in Klopstocks Denken nimmt Harro Zimmermann zum Anlaß, um anhand der Hermannsdramen zu zeigen, daß Klopstocks hier vorgenommener Rckgriff auf die germanischen Vorfahren nicht aus deutschtmelndnationalistischen, sondern aus freiheitlich-antiabsolutistischen Motiven hervorgeht, vgl. dens., Geschichte und Despotie. Zum politischen Gehalt der Hermannsdramen F.G. Klopstocks, in: Friedrich Gottlieb Klopstock, hg. von Heinz Ludwig Arnold, Mnchen 1981, S. 97 – 121. Hier resmiert Zimmermann S. 118 f.: „Nicht der Aufruf zum neuerlichen politischen Befreiungskampf ist Klopstocks Intention, sondern die Sanktionierung und Legitimation brgerlicher Wertvorstellungen und Mitwirkungsansprche im zeitgençssischen Gemeinwesen […] Wenn im moralischen Affront [sc. des zeitgençssischen Brgertums, L.-P.] gegen den Absolutismus vorausdeutend der politische Souvern der Zukunft erkennbar wird, so haben ihm die Klopstockschen Hermannsdramen wichtiges Rstzeug mit auf den Weg gegeben. In ihnen erscheint die Welt des Sptfeudalismus zutiefst brchig und fragwrdig, sein geschichtliches Herkommen und damit auch seine Gegenwart werden als inhumane Usurpation deutbar. Indem Klopstocks Dramen in die Vergangenheit der Nation weisen, machen sie zugleich Hoffnung auf eine befreite Zukunft. Denn sie demonstrieren eine ,machbare‘, eine vom Denken, von Wertorientierungen und vom gesellschaftlichen Handeln der Menschen geprgte Geschichte, die Garant dafr sei, daß die Prinzipien brgerlichen Wandels dereinst Wirklichkeit werden“. 202 Eberhard Wilhelm Schulz, a.a.O., S. 183. 203 Hierzu Detlev W. Schumann, Goethes Beziehungen zu Nordelbingen und zu Nordelbiern I, in: NE 42 / 1973, S. 99 – 123; Goethes Beziehungen zu Nordelbingen und zu Nordelbiern II, in: NE 43 / 1974, S. 246 – 272, hier bes. S. 250 – 266, sowie im Folgenden S. 142.

2. Reaktionen auf die revolutionren Ereignisse in Deutschland

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Ereignisse in Frankreich beobachtet haben204, „auch wenn sie in seinen zeitgençssischen Briefen – soweit sie erhalten sind – kein Thema waren, auf das er sich nher einließ“205. Zwar arbeitete Goethe im Verlauf der Revolution an „Versuchen dichterischer ,Gewltigung‘“206 ihrer Auswirkun204 Rckblickend berichtet Goethe aus seinem Erleben des Jahres 1789: „Kaum war ich in das weimarische Leben und die dortigen Verhltnisse […] wieder eingerichtet, als sich die franzçsische Revolution entwickelte und die Aufmerksamkeit aller Welt auf sich zog. Schon im Jahr 1785 hatte die Halsbandgeschichte einen unaussprechlichen Eindruck auf mich gemacht. In dem unsittlichen Stadt-, Hofund Staatsabgrunde, der sich hier erçffnete, erschienen mir die greulichsten Folgen gespensterhaft“, ders., Tag- und Jahreshefte. Als Ergnzung meiner sonstigen Bekenntnisse, in: Ders., Poetische Werke. Achter Band, S. 542; vgl. hierzu a. u. S. 209 Anm. 326. 205 Karl Otto Conrady, Hg., Goethe und die Franzçsische Revolution, 2. Aufl., Frankfurt/M. 1989, S. 40. 206 So Conrady a.a.O. S. 81 nach einem Wort Goethes aus dem Jahre 1823. Die Revolution fand in zahlreichen Werken Goethes ihren Niederschlag, so etwa im „Brgergeneral. Ein Lustspiel in einem Aufzuge“, Berlin 1793; das Revolutionsdrama „Die Aufgeregten“ aus dem Jahr 1793 wurde nur in einer Reihe von Szenen ausgefhrt, whrend der 1794 erschienene „Reineke Fuchs“ ber weite Teile ambivalent interpretierbar scheint, vgl. etwa das folgende Zitat: „Darf ich reden, mein Oheim? Der edle Kçnig, er liebt sich Ganz besonders Leute, die bringen, und die nach der Weise, Die er singt, zu tanzen verstehn. Man sieht es zu deutlich […] Doch das Schlimmste find ich den Dnkel des irrigen Wahnes, Der die Menschen ergreift: es kçnne jeder im Taumel Seines heftigen Wollens die Welt beherrschen und richten“, zit. n. Goethe, Reineke Fuchs, Achter Gesang V. 123 – 125; 152 – 154, in: Ders., Poetische Werke, Zweiter Band, Augsburg o. J., S. 349 f. Auch in Goethes Romanwerk „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ sehen sich die zeitgençssischen Ereignisse insoweit reflektiert, als daß die Handlung hier im Zeitraum zwischen der amerikanischen Unabhngigkeitserklrung und dem Ausbruch der Franzçsischen Revolution angesetzt ist, wobei die im „Meister“ agierenden Personen Tendenzen reprsentieren, die ansatzweise als optionale Hilfestellung im Konflikt zwischen Brgertum und Adel aufgefaßt werden kçnnen – mit der zugrundeliegenden Intention, auf dem Wege der Reformen einer Revolution zu entgehen. Daneben gehçren mit ihrer Fragestellung nach der nicht „standesgemßen“ Verheiratung auch verschiedene Szenen von „Hermann und Dorothea“ in den Goetheschen Fundus einer literarischen Betrachtung der revolutionren Intentionen. Seine eigenen Erfahrungen als Kriegsteilnehmer auf der Seite der monarchischen Truppen in den Jahren 1792 und 1793 verarbeitet Goethe in seiner „Campagne in Frankreich“, whrend der er seinen Herzog Carl August von Sachsen-Weimar begleitete, der in diesem Krieg als preußischer General Dienst tat; hierzu Conrady, a.a.O., S. 53 – 80; Rainer Wild, Gewalt und Recht. Zu Goethes Auseinandersetzung mit der Franzçsischen Revolution in Campagne in Frankreich 1792 und Belagerung von Mainz, in: Jahrbuch des Wiener Goethe-Vereins, 92/93 / 1988/89, S. 67 – 79.

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gen, doch zeigt er sich in diesen „der Grçße und dem bermaß des historischen Augenblicks nicht gewachsen“207. Wie khl er die Revolution indessen bereits in ihrem Anfangsstadium bewertete, zeigt eines seiner im Jahre 1790 abgefaßten „Venezianischen Epigramme“: „Frankreichs traurig Geschick, die Großen mçgens bedenken! / Aber bedenken frwahr sollen es Kleine noch mehr! Große gingen zugrunde; doch wer beschtzte die Menge / Gegen die Menge? Da war Menge der Menge Tyrann.“208

Goethes politische Analyse der Geschehnisse zeigt sich an beide Seiten adressiert: Neben der seitens der Aristokratie den Ereignissen zu entnehmenden Warnung hebt der Dichter frhzeitig die Tyrannei des Kollektivs hervor. In diesem Zusammenhang gilt jenen Tendenzen der Revolution, die auf eine vçllige Egalisierung der Masse ausgehen, Goethes gerade am individuellen Vollendungsideal orientierte Entgegnung: „Gleich sei keiner dem andern; doch gleich sei jeder dem Hçchsten! / Wie das zu machen? Es sei jeder vollendet in sich.“209

Die individuelle Perfektibilitt des Menschen zeigt sich bei Goethe daher grundlegend vom Gedanken seiner Bildung bestimmt. Doch attestiert der Dichter auch dem solcherart gebildeten Menschen sogleich individuelle Grenzen, die im sozialen Diskurs funktional durchaus als standzuweisendes Parameter interpretierbar scheinen: „Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes / Werden, als dienendes Glied schließ an ein Ganzes dich an!“210

Der Wille zu einer radikalen Umgestaltung der zeitgençssischen soziokulturellen Verhltnisse der deutschen Gesellschaft blieb solcher Haltung notwendig verschlossen; eher zeigt sich hier eine Auffassung, derzufolge auch innerhalb der bestehenden Verhltnisse mit der Gruppierung der „sich Vollendenden“, „zum Ganzen Strebenden“ anhand von Reformen eine allmhliche Besserung der sozialen Lage zu erzielen sei, die einen aus 207 Unter Hinblick auf die o. S. 85 Anm. 206 genannten Werke Goethes: Claude David, Goethe und die Franzçsische Revolution, in: Gonthier-Louis Fink u. a., Deutsche Literatur und Franzçsische Revolution. Sieben Studien, Gçttingen 1974, S. 63 – 86, hier S. 66. 208 Johann Wolfgang Goethe, Venezianische Epigramme, Nr. 53, in: Ders., Poetische Werke. Erster Band, Augsburg o. J., S. 191. 209 Ders., „Vier Jahreszeiten. Frhling“, Nr. 53, in: Ders., Poetische Werke. Erster Band, S. 214. 210 Goethe, Poetische Werke. Erster Band, „Herbst“, Nr. 45, S. 213.

2. Reaktionen auf die revolutionren Ereignisse in Deutschland

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dem innergesellschaftlichen Konflikt hervorgehenden jhen Umbruch letztendlich obsolet erscheinen lassen wollte211. Die im Hintergrund dieser Hoffnungen stehende Maxime zeitgemßer Verbesserungen lief faktisch auf jene Kooperation zwischen aufstrebendem Brgertum und dem Adel hinaus, die sich nicht zuletzt in der Person Goethes selbst abgebildet sehen konnte. In bereinstimmung mit diesen Intentionen erinnert sich der alternde Geheimrat mit Entsetzen an die Folgen des revolutionren Terrors whrend des Jahres 1794: „Wie sollte man sich erholen, da uns die ungeheuern Bewegungen innerhalb Frankreichs jeden Tag bengstigten und bedrohten! Im vorigen Jahre hatten wir den Tod des Kçnigs und der Kçnigin bedauert, in diesem das gleiche Schicksal der Prinzeß Elisabeth. Robespierres Greueltaten hatten die Welt erschreckt, und der Sinn fr Freude war so verloren, daß niemand ber dessen Untergang zu jauchzen sich getraute; am wenigsten, da die ußern Kriegstaten der im Innersten aufgeregten Nation unaufhaltsam vorwrts drangen, rings umher die Welt erschtterten und alles Bestehende mit Umschwung wo nicht mit Untergang bedrohten.“212

In diesem Rckblick spricht sich noch einmal ein Lebensgefhl elementarer Furcht und Lhmung aus, wie es einerseits aus den militrischen Erfolgen der Revolutionsheere, andererseits aus der Fassungslosigkeit des vor die Revolutionsgreuel gestellten Menschen der Aufklrung resultierte. Doch vermochte Goethe auch deswegen zu keinem entgegenkommenden Urteil ber die Revolution zu gelangen, weil sein dialektischer Freiheitsbegriff denjenigen der gesellschaftlichen Umwlzung entscheidend transzendierte. So stellte er im Gesprch mit Johann Peter Eckermann einmal fest: „Es ist mit der Freiheit ein wunderlich Ding, und jeder hat leicht genug, wenn er sich nur zu begngen und zu finden weiß. Und was hilft uns der berfluß von Freiheit, die wir nicht gebrauchen kçnnen! […] Der Brger ist so frei wie der Adlige, sobald er sich in den Grenzen hlt, die ihm von Gott durch seinen Stand, worin er geboren, angewiesen. Der Adelige ist so frei wie der Frst; denn wenn er bei Hofe nur das wenige Zeremoniell beobachtet, so darf er sich als seinesgleichen fhlen. Nicht das macht frei, daß wir nichts ber uns anerkennen wollen, sondern eben daß wir etwas verehren, das ber uns ist. Denn indem wir es verehren, heben wir uns zu ihm hinauf und legen durch unsere 211 Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, bringt Goethes Auffassung S. 28 auf die knappe Formel: „Bejahung der çkonomischen und politischen Inhalte von 1789 unter Negierung der revolutionren Methode“. 212 Goethe, Tag- und Jahreshefte. 1794, in: Ders., Poetische Werke. Achter Band, S. 548.

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Anerkennung an den Tag, daß wir selbst das Hçhere in uns tragen und wert sind seinesgleichen zu sein.“213

Goethe hielt im Hinblick auf die Fragen der gesellschaftlichen Gestaltung also am stndischen Denken fest und ging darin zumindest im hçheren Lebensalter immerhin so weit, den Urheber der Standesordnung in durchaus berlieferter Weise in Gott selber zu sehen. Soziale Schranken als zumut- und aushaltbare Grenzen wertend, reklamiert der Dichter, der ein Minister war, eine dem Menschen in jeder beliebigen gesellschaftlichen Positionierung zugngliche innere Freiheit. Eine kollektive ußerliche Freiheit konnte sich durch diese individuelle innere Freiheit jedoch nicht mit Notwendigkeit einstellen214.

3. Zwischenfazit: Weltanschauliche Auswirkungen der Revolution Beginnend mit dem Jahr 1789 zerschlug das franzçsische Volk jahrtausendealte, genuin sakralrechtlich begrndete Institutionen, um an die Stelle einer aus dem Mittelalter bernommenen sozialen Hierarchie, einer nach orthodoxen Dogmen verbindlichen Religion und eines von diesen her legitimierten kçniglichen Gottesgnadentums die Realitten einer konsequenten Volkssouvernitt treten zu lassen215. Insofern wurzelte die Franzçsische Revolution im Versuch einer Neuformierung der Gesellschaft nach den Idealen der brgerlichen Aufklrung. Im revolutionren Geschehen wurde der berlieferte Respekt vor Tradition und geschichtlich gewachsener Ordnung jh und umbruchhaft ersetzt durch den unter dem 213 Goethe, Gesprche mit Eckermann, zit. n. Conrady, Goethe und die Franzçsische Revolution, S. 173. 214 Vgl. in diesem Kontext a. die durchaus umstrittenen Publikationen W. Daniel Wilsons: Ders., Geheimrte gegen Geheimbnde. Ein unbekanntes Kapitel der klassisch-romantischen Geschichte Weimars, Stuttgart 1991; ders., Das Goethe Tabu. Protest und Menschenrechte im klassischen Weimar, Mnchen 1999; ders., Hg., Goethes Weimar und die Franzçsische Revolution. Dokumente der Krisenjahre, Kçln / Weimar / Wien 2004. 215 Rolf E. Reichardt, Art. „Franzçsische Revolution“, TRE Bd. XI, Berlin / New York 1983, S. 413: „Dauerwirkung aber hatte und hat die Franzçsische Revolution durch die von ihr geschaffenen ,Modelle‘ der ersten antichristlichen Revolution und der Trennung von Staat und Kirche“. Die von den Rousseauisten proklamierte „Zivilreligion“ war der Volkssouvernitt entschieden untergeordnet; inhaltlich nherte sich diese religion civile deistischen Tugendkatalogen.

3. Zwischenfazit: Weltanschauliche Auswirkungen der Revolution

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Gedanken der Volkssouvernitt von der Mehrheit des Volkes artikulierten Willen zu gesellschaftlichen Reformen sowie der Herstellung einer natrlichen Gleichheit aller diesem Gemeinwesen angehçrigen Menschen216. Mit der Verwirklichung der in dieser Weise verstandenen Volkssouvernitt lçste die Franzçsische Revolution sowohl durch ihre Prinzipien als auch durch ihre Eigendynamik weltanschauliche Verunsicherungen und Auseinandersetzungen aus, in denen sich entscheidende Themen der Zukunft zur Disposition gestellt sahen: Die Hinwegfegung des feudalstndischen Pluralismus ließ auch außerhalb Frankreichs die berlieferte Sozialordnung und mit dieser das traditionelle Weltbild hinterfragbar werden. Das statische, nicht zuletzt in der protestantischen Theologie berlieferte Bild der verderbten Welt traf auf ein dynamisches Gegenbild von Welt und Weltgeschehen, das seinerseits dem Gedanken an eine durch den Menschen mit immanenten Mitteln herbeifhrbare Vervollkommnung der Welt Raum gab. Die Revolution war aus sich selbst heraus zu alternativen Antworten fr den verantwortungsethischen Bezugspunkt menschlichen Handelns gelangt und hatte dabei neu orientierte anthropologische Anschauungen freigesetzt, denen zufolge der Mensch grundstzlich und notwendig zur eigenen Perfektibilitt fhig schien. Mit diesen neugewonnenen Alternativen eines zunehmend skularisierten Weltbildes verbanden sich eine gnzliche Verwerfung des globalen kirchlichen Anspruches sowie eine wesentliche Entsakralisierung der Monarchie. Von diesen Voraussetzungen her faßte die Revolution nunmehr ihre Entscheidungen zur knftigen Rolle von Religion und Kirche, und dabei sollte sich insbesondere die seit 1795 definitiv vollzogene Trennung von Kirche und Staat „im Gegensatz zu anderen Errungenschaften der Revolution als dauerhaftes Erbe erweisen“217. Sachlich hiermit verbunden stellte die Revolution Naturrecht gegen geschichtlich verbrgtes Recht und rumte dabei ein Recht der Brgerinnen und Brger auf Widerstand gegen die erklrtermaßen nicht mehr als gottgegeben angesehene Obrigkeit ein. Dies wiederum war nur mçglich vor dem Hintergrund einer 216 Michel Vovelle, Der Mensch in der Wahrnehmung der Aufklrung, in: ders., Hg., Der Mensch der Aufklrung, S. 8 – 48, hebt S. 38 f. zu Recht die Ausgrenzung der Frauen gegenber den von der Revolution neu hervorgerufenen Machtinstanzen hervor; ebd. S. 39 die defizitre Bilanz: „Die Franzçsische Revolution gewhrte den Frauen zwar die privatbrgerlichen Rechte, verweigert ihnen jedoch die politischen Rechte des Staatsbrgers“. 217 Eva Schleich, Kirche, Klerus und Religion, in: Plçtz. Die Franzçsische Revolution, hg. von Rolf Reichardt, Freiburg/Br. / Wrzburg 1988, S. 206 – 222, hier: S. 206.

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Aufwertung der çffentlichen Meinung wie auch des „Publikums“ als eben jener gesellschaftlichen Faktoren, die nunmehr zu den orientierenden und maßgeblichen Krften der sozialen Entwicklung wurden. In kompromißloser Konsequenz rang die Revolution blutig um die Neuordnung des gesellschaftlichen Aufbaus jenseits des absehbar zusammenbrechenden Anci n Rgime und stieß dabei auf das Problem zgellos gewordener Gruppeninteressen etwa zwischen Besitzenden und Besitzlosen; nicht zuletzt entdeckte sie den nationaldemokratischen Staatsgedanken. Dieser stellte sich im revolutionren Kontext zunchst unter anwachsender Beschrnkung der brgerlichen Freiheit dar als die aller Begrenzung enthobene Staatsrson der absoluten Demokratie; doch wies er dann im weiteren Verlauf in seinen Konsequenzen den Weg zu jenen Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts, die schließlich durch geschriebene Verfassungen geordnet und weitgehend vom Brgertum gestaltet wurden. Auf diesem Weg aber mußten die Geister sich notwendig scheiden, denn als „ein Akt der Gewalt und der promethischen Befreiung zugleich konfrontiert die Franzçsische Revolution den Menschen mit den Erfordernissen einer Freiheit, die erobert sein will. Eine neue, verstndigere, aber auch unruhigere Menschheit befindet sich auf Selbstsuche.“218

Auf dem Boden des Deutschen Reiches, das sich im Norden bis an die Holstein von Schleswig scheidende Eider erstreckte, lag jedoch eine besondere und zustzliche Herausforderung der Franzçsischen Revolution darin, daß sie einen direkten Angriff auf die universalen, imperialen und religiçsen Fundamente der deutschen Reichstheorie bedeutete. Die revolutionre Entdeckung des nationalen Momentes setzte zwangslufig einen auf Separation bedachten partikularistischen Akzent. Gegen diesen mußte sich die Idee des Heiligen Rçmischen Reiches Deutscher Nation notwendig sperren, sah diese doch gerade „in vçlkerverbindenden Gemeinsamkeiten das gestaltende Prinzip des politischen Gefges Europas“219, nicht zuletzt auch in sachlicher bereinstimmung mit der Tatsache, daß das Reich, ber das der deutsche Kaiser gebot, fr sich selbst betrachtet genuin von wesentlich multiethnischer Struktur war. Wenn sich im Zentrum wie auch in der Peripetie dieses Reiches whrend des 18. Jahrhunderts nun jene weiter oben anvisierte deutsche Kulturbewegung formiert hatte, so schien durch diese der Begriff einer deutschen Nation durchaus greifbar geworden zu sein. Dennoch zeigten die realen politischen Verhltnisse des 218 Michel Vovelle, Der Mensch in der Wahrnehmung der Aufklrung, S. 41. 219 Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I, S. 8.

3. Zwischenfazit: Weltanschauliche Auswirkungen der Revolution

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Reiches whrend dieses Zeitraumes eine weitgehende Inkongruenz der kulturellen und nationalen Identitt seiner Bewohner. Einer echten deutschen Nationalbewegung fehlt im ausgehenden 18. Jahrhunderts jenes umgreifende politische Programm, das erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Auseinandersetzung mit Napoleon Bonaparte als Erben der Franzçsischen Revolution whrend der Freiheitskriege neu formuliert werden mußte. Zu diesen inhaltlich qualifizierten Divergenzen jeweiliger nationaler Rezeption trat vorerst die regional unterschiedliche Reputation der monarchischen Idee an sich, denn: „Deutschland ging in die große Krise des Absolutismus, die durch den Aufstieg der brgerlichen Gesellschaft eingeleitet wurde, mit ungebrochener Legitimitt des monarchischen Gedankens; Frankreich trat in die gleiche Krise in einem Augenblick, in dem die monarchische Autoritt fast vçllig erschçpft war.“220

Im Heiligen Rçmischen Reich deutscher Nation sind die politischen Strukturen durch den revolutionren Ansturm eben nicht ins Wanken geraten221. Wohl aber gilt es, die hier mit der Franzçsischen Revolution gemachten Erfahrungen regional zu differenzieren: „Whrend der Norden und die Mitte des Landes durchweg nur mit den revolutionren Ideen in Berhrung kam, stand die Rezeption im Sden stark 220 Ernst Rudolf Huber, a.a.O., S. 7. – So differenzierte bereits Andreas Georg Friedrich Rebmann: „In Frankreich waren nur zwei Hauptinteressen, das Interesse des Hofs, dessen, was zum Hof gehçrt, des Adels, der Geistlichkeit, und das Interesse des Volks, der Brger. Daher entstanden zwei Parteien, die miteinander um die Oberhand kmpften. In Deutschland hingegen haben wir dreihundert kleine Hçfchen, zweierlei Religionen und statt einer gleich leidenden Nation mehrere ungleichartige, durch Religion, Sitten, Regierungsform getrennte, hie und da ganz leidlich regierte Vçlker, die nie gleichen Schritt halten kçnnen und werden, ehe eine gnzliche, jetzt noch nicht zu erwartende Konsolidierung erfolgt“, Rebmann, Vollstndige Geschichte meiner Verfolgungen und meiner Leiden. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Aristokratism, Amsterdam (i. e. Altona) 1796, S. 21, zit. n.Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 42. 221 Helmut Berding, Die Ausstrahlung der Franzçsischen Revolution auf Deutschland, in: Franzçsische Revolution und deutsche ffentlichkeit. Wandlungen in Presse und Alltagskultur am Ende des achtzehnten Jahrhunderts, hg. von Holger Bçning, Mnchen / London / New York / Paris 1992, S. 3 – 16, differenziert S. 8: „In der deutschen Staatenwelt fhlte sich der einfache Mann als Objekt und nicht als Subjekt des sozialen Wandels. Ihm traten die politischen und gesellschaftlichen Vernderungen konkret als Oktroi von außen oder als staatliche Reform von oben entgegen“.

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unter dem Eindruck der franzçsischen Besatzungsarmee und ihrer Kmpfe mit den Heeren der koalierten Mchte.“222

Dieser geographische Aspekt findet seine Gltigkeit erst recht im Hinblick auf die Territorien des dnischen Gesamtstaates. Deren geographische Randlage wie auch die von Dnemark eingenommene Haltung einer „bewaffneten Neutralitt“223 erlaubten den hier lebenden Menschen bis in die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts hinein jenes Moratorium, in dem die Ereignisse und der Fortgang der Franzçsischen Revolution vorrangig auf ideeller Basis erçrtert werden konnten; dabei lßt sich gerade fr die Bewohner Schleswigs wie Holsteins sehr konkret eine unmittelbar stimulierende Wirkung der revolutionren Ereignisse in Frankreich nachweisen. Unter den beiden Elbherzogtmern besaß das sdliche bis zum Reichsdeputationshauptschluß den Status eines Reichslehens224 ; politisch gehçrten beide mit Dnemark, Norwegen, den Frçer Inseln, Island sowie Grçnland dem im Dnischen Gesamtstaat vereinigten Vielvçlkerstaat an225. Das in diesem Staat bis an die Schwelle des neuen Jahrhunderts ausgeprgte Bemhen um die Bewahrung der jeweiligen nationalen und kulturellen Eigenstndigkeit seiner unterschiedlichen Territorien mußte sich daher von vornherein einer Revolution widersetzen, „die in ihrem 222 Franz Dumont, Linksrheinisches Deutschland 1798 – 1814, S. 229 – 243, in: Deutschland und die Franzçsische Revolution 1789/1989, hg. von Franz Dumont u. a., hier: S.230 [Hervorhebungen im Original]. 223 Hierzu u. S. 356; 358 Anm. 13; 361 Anm. 27; 366. 224 Seit dem Jahre 1080. In spterer Zeit hatte der Gottorfer Herzog Christian Albrecht den Beitritt zum Deutschen Reich „im thçrigten Souvernittsschwindel nicht gewollt“, Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, Hg., Die Herzogthmer Schleswig-Holstein und das Kçnigreich Dnemark. Aktenmßige Geschichte der dnischen Politik seit dem Jahr 1806, Hamburg 1850. Neudruck Vaduz 1989, S. 8. 225 Vgl. hierzu Alexander Scharff, Schleswig-Holstein in der europischen und nordischen Geschichte, hier bes. S. 23 – 32. Bis zur Einfhrung des dnischen Kçnigsgesetzes in den Jahren 1660/1665 war Dnemark Wahlreich, whrend die Herzogtmer Schleswig und Holstein „ein Erbland des gesamten oldenburgischen Hauses“ blieben, Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, a.a.O., S. 3. Das dnische Kçnigsgesetz begnstigte durch Ermçglichung der weiblichen Erbfolge die 1660 aktuell regierende Linie der Oldenburger, „whrend in den Herzogthmern das ganze agnatische Haus zur Succession berechtigt war“, Droysen – Samwer, ebd. Die politischen Deutungsaktivisten der Herzogtmer reklamierten fr diese im Verlauf des 19. Jahrhunderts zunehmend die exklusiv mnnliche Erbfolge; Hintergrund fr diese Berufung auf genuin salisches Recht war die Absehbarkeit eines „Aussterbens des oldenburgschen Kçnigshauses in dessen Mannesstamm“.

4. Aufgeklrter Absolutismus in den Territorien des Dnischen Gesamtstaates

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Verlauf trotz anfnglicher bernationaler Ideale schließlich doch das Bndnis mit der nationalen Idee einging und mit der Terreur und der Leve en masse im Jahre 1793 die Gefahren radikal demokratischer Ideen zeigte“226. Im Hinblick auf die zeitgençssische Beurteilung der Franzçsischen Revolution in Schleswig und Holstein stellt sich deshalb die grundlegende Frage, inwieweit die oben anvisierten Divergenzen zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich auf Analogien in jenem „Schnittpunkt der von Sden nach Norden kommenden Einflsse und Bewegungen“227 treffen.

4. Aufgeklrter Absolutismus in den Territorien des Dnischen Gesamtstaates In den Herzogtmern Schleswig und Holstein trafen die Ideen der Franzçsischen Revolution auf Landesteile eines konsequent absolutistisch konzipierten Staatsgebildes228, das mit seinem reformfreudigen Absolutismus auf einen eigenstndigen Weg bedacht war – den „danske vej“229. 226 Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, Neumnster 1969, S. 21 f. 227 Alexander Scharff, Schleswig-Holstein in der europischen und nordischen Geschichte, S. 9. 228 Kersten Krger, Absolutismus in Dnemark – Modell fr Begriffsbildung und Typologie, in: ZSHG 104 / 1979, S. 171 – 206, hebt S. 172 die zu differenzierenden historischen Konnotationen des Absolutismus-Begriffes hervor: „‘Absolutismus‘ begegnet erstmals in der Zeit der franzçsischen Revolution als AntiBegriff mit eindeutig pejorativer Bedeutung im politischen Kampf gegen das Ancien Rgime. Im 19. Jahrhundert lßt sich eine Bedeutungsdifferenzierung feststellen. Die Liberalen, besonders in Westeuropa, hielten am negativen Bedeutungsinhalt fest […] Dagegen nahmen national und nationalliberal Gesinnte, besonders in Deutschland, eine Umwertung vor und zeichneten ein eher positives Bild des Absolutismus. Sie hoben seine staatsbildende Leistung durch Zentralisierung der politischen Entscheidungen und durch rationale Verwaltung hervor, wrdigten die Schaffung eines großen Binnenmarktes als Voraussetzung fr die wirtschaftliche Entwicklung und begrßten den Aufbau des stehenden Heeres als Instrument der Machtentfaltung nach außen. Der absolutistische Staat galt als Vorstufe des nationalen Machtstaates“. Zum Kontext auch: Kersten Krger, Der Aufgeklrte Absolutismus in Dnemark zur Zeit der Franzçsischen Revolution, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 1, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, S. 289 – 320; Helmut Reinalter und Harm Klueting, Hg., Der aufgeklrte Absolutismus im europischen Vergleich, Wien 2002. 229 Hierzu u. S. 118 Anm. 303.

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Dabei war Schleswig integraler Bestandteil des Dnischen Gesamtstaates, Holstein dagegen herzogliches Lehen, das als solches dem Heiligen Rçmischen Reich Deutscher Nation angehçrte230. Herzoglicher Landesherr war in beiden Territorien der dnische Kçnig231, doch setzte sich im 230 Die ursprngliche Grafschaft Holstein war 1474 zum Herzogtum erhoben worden, vgl. Robert Bohn, Geschichte Schleswig-Holsteins, Mnchen 2006, S. 41. Zum Kontext a. Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, 2. Aufl. Berlin / Leipzig 1927, S. 1 – 81; ders., Geschichte Schleswig-Holsteins, 7. Aufl., Kiel 1976, S. 197 – 214; Paul v. Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 476 – 546; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, in: Geschichte Schleswig-Holsteins, 6. Band: 1721 – 1830, Neumnster 1960, hier S. 163 – 407; Hartmut Lehmann und Dieter Lohmeier, Hg., Aufklrung und Pietismus im dnischen Gesamtstaat 1770 – 1820, Neumnster 1983; Eckart Opitz, Schleswig-Holstein. Landesgeschichte in Bildern, Texten und Dokumenten, Hamburg 1988, S. 110 – 147; Franklin Kopitzsch, Schleswig-Holstein im Gesamtstaat 1721 – 1830: Absolutismus, Aufklrung und Reform, in: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, hg. von Ulrich Lange, 2. Aufl. Neumnster 2003, S. 281 – 340. Zur lteren Landesgeschichte Heinrich Thomsen, Das deutsche Schleswig. Eine kurze Darstellung seiner geschichtlichen Entwicklung, 2. Aufl., Flensburg 1922, hier bes. S. 1 – 10. 231 Der geisteskranke Kçnig Christian VII. hatte bereits drei Jahre nach seinem Regierungsantritt 1769 die Leitung der Staatsgeschfte an Johann Hartwig Ernst Graf Bernstorff bergeben mssen; bereits im folgenden Jahr bernahm dann durch Ermchtigung des Kçnigs Johann Friedrich Graf von Struensee diese Verantwortung. Struensees prodeutscher politischer Kurs und seine skandalçse Annherung an die aus dem englischen Kçnigshaus stammende dnische Kçnigin Caroline Mathilde zogen eine gegen ihn gerichtete Palastrevolution nach sich, in deren Folge die administrative Wahrnehmung der kçniglichen Gewalt an Ove Guldberg berging. Struensee selbst wurde am 28. April 1772 auf bestialische Weise hingerichtet, die u. a. auch Voltaires Abscheu erregte, whrend die Kçnigin des Landes verwiesen wurde und wenige Jahre spter im hannoverschen Celle verstarb. Vgl. zu diesen Vorgngen J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 1, Kopenhagen 1813, S. 132 – 178; ferner E. Holm, DBL 3, S. 511 – 515, hier S. 512 f.; Henning Dehn-Nielsen, Danmarks Konger og Regenter, o. O. 1996, S. 313 f.; ders., Christian 7. Den gele Konge, o. O. 2000, sowie u. S. 101 f. – Guldberg nahm die Regierungsaufgaben leitend wahr, bis er diese Position an den 1784 konfirmierten und damit nach dem dnischen Kçnigsgesetz zur Regentschaft befhigten Kronprinzen abtreten mußte. Seither regierte dieser fr seinen erkrankten Vater, dem jedoch auch unter den dargestellten Verhltnissen als amtierendem Kçnig bis zu seinem Tod die Zeichnungsgewalt verblieb. So tragen mehr als eine Million zwischen 1766 und 1808 im Staatsrat vorgelegter Schriftstcke die kçnigliche Zustimmung „Approberet. Christian Rex“, so Ole Feldbæk, Danmarks historie. Bind 4: Tiden 1730 – 1814, Copenhagen 1982, S. 78. Nach dem Ableben

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fraglichen Zeitraum die berwiegende Mehrzahl der Politiker und hçheren Beamten der Gesamtmonarchie aus deutschstmmigen Angehçrigen zusammen232. Das Kirchenwesen hatte seit der Reformation die Gestalt einer lutherischen Staatskirche233 unter Geltung der Augsburgischen Konfession angenommen234 ; als summus episcopus fungierte der Kçnig235. Damit Christians VII. am 13. Mrz 1808 in Rendsburg folgte ihm der regierende Kronprinz als Kçnig Friedrich VI., dessen Regierungszeit mit seinem Tod im Jahre 1839 endete; vgl. zu ihm Claus Bjørn, DBL 4, S. 543 – 546; Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830. Danmarks Historie Bind 10, Kopenhagen 1964, S. 11 – 35 und 252 – 259; Ole Feldbæk, a.a.O., S. 80 – 83; Henning Dehn-Nielsen, a.a.O., S. 317 – 325. 232 Otto Brandt, Zur Vorgeschichte des schleswig-holsteinischen Erhebung, Berlin 1927, S. 10: „Seitdem die Oldenburger im 15. Jahrhundert den dnischen Kçnigsthron bestiegen hatten, ist das deutsche Element, vorab vertreten durch den holsteinischen Adel, immer strker in Dnemark, nicht nur in den damit verbundenen sdlich gelegenen Herzogtmern zur Macht gelangt […] das 17. und 18. Jahrhundert […] brachte ein erneutes Vordringen des deutschen Adels. Waren die Herrscher selbst ihrer Herkunft nach deutsch, so nun, im 18. Jahrhundert, auch ihre hervorragendsten Gehilfen“. Vgl. hierzu ferner Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 12 u. 15; Christian Degn, Der Bernstorff-Reventlow-Schimmelmannsche Familienkreis in der Reformpolitik des Gesamtstaates, in: FJbSH 18 / 1979, S. 9 – 24. Zu den administrativen Strukturen des Gesamtstaates im Hinblick auf Schleswig und Holstein whrend des ausgehenden 18. Jahrhunderts Franklin Kopitzsch, Schleswig-Holstein im Gesamtstaat 1721 – 1830: Absolutismus, Aufklrung und Reform, S. 283 f. 233 Hierzu L.[udvig] N.[icolaus] Helweg, Den danske Kirkes Historie efter Reformationen, D. 1 – 2, Kjøbenhavn 1855; C.[arl] F.[erdinand] Allen, Haandbog i Fædrelandets Historie, 6. Udg., Kjøbenhavn 1863, S. 328 – 412; L.P. Fabricius, Danmarks Kirkehistorie. II Bind. Den nyere tid, København 1936, bes. S. 51 – 72 und 189 – 315; Robert Bohn, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 46 – 50. Zu den kirchlichen Verhltnissen Dnemarks nach 1730 bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts vgl. Ole Feldbæk, Danmarks historie. Bind 4: Tiden 1730 – 1814, S. 230 – 233. 234 Schleswig und Holstein hatten seit deren Einfhrung im Jahr 1542 eine von Johannes Bugenhagen redigierte lutherische Kirchenordnung, die von Walter Gçbell neu herausgegeben worden ist: Ders., Die Schleswig-Holsteinische Kirchenordnung von 1542, Neumnster 1986. – Zur Einfhrung von Reformation und Kirchenordnung cf. a. Wilhelm Ernst Christiani, Geschichte der Glaubensreinigung in Deutschland und in den Herzogthmern Schleswig und Holstein, Hamburg 1773; C.[arsten] E.[rich] Carstens, Die ev.-luth. Reformation in Schleswig-Holstein, in: Nordalbingische Studien 2 / 1858, S. 119 – 160; H.[ans] N.[ic.] A.[ndreas] Jensen und A.[ndreas] L.[udwig] J.[akob] Michelsen, SchleswigHolsteinische Kirchengeschichte, Dritter Band, Kiel 1877, S. 10 – 285; Georg Johann Theodor Lau, Geschichte der Einfhrung und Verbreitung der Refor-

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bten die Geistlichen ihr Amt in der Treuepflicht gegenber diesem kçniglichen Bischof aus und waren gleichzeitig dem Kçnig unterstellte Staatsbeamte236. mation in den Herzogtmern Schleswig-Holstein bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, Hamburg 1867; Pauli Petersen, Zur Entstehungsgeschichte der schleswig-holsteinischen Kirchenordnung vom Jahr 1542, in: ZSHG 12 / 1882, S. 217 – 299; Volquart Pauls, Geschichte der Reformation in Schleswig-Holstein, Kiel 1922; Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, 8. Aufl. Kiel 1981, S. 160 f.; Otto Khler, Die Einfhrung der Schleswig-Holsteinischen Kirchenordnung von 1542, in: SSHKG, 2. Reihe, Bd. 11 / 1952, S. 101 – 110. Zur Staatskirche vgl. Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 456 – 461 sowie Olaf Klose, Die Jahrzehnte der Wiedervereinigung 1721 – 1773, in: Ders. und Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 125 – 130; Erich Hoffmann, Die Reformation in den Herzogtmern Schleswig und Holstein, in: Ders., Sptmittelalter und Reformationszeit, Neumnster 1990, S. 394 – 469. Zum schleswig-holsteinischen Luthertum: Walter Blck, Die Hauptformen schleswig-holsteinischer Frçmmigkeit, in: NE Band 5, I/ 1926, S. 103 – 125; Gottfried Mehnert, Die Kirche in Schleswig-Holstein, Kiel 1960, S. 103 – 125; Ulrich Lange, Stnde, Landesherr und Grosse Politik – Vom Konsens des 16. zu den Konflikten des 17. Jahrhunderts, in: Ders., Hg., Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, 2. Aufl. Neumnster 2003, S. 153 – 266, hier: S. 166 – 168. 235 Zu den mit dieser Stellung verbundenen „Collegial-“ bzw. „Episcopalrechten“ des Kçnigs und ihrer administrativen Ausbung vgl. Christian Friedrich Callisen, Anleitung fr Theologie Studirende und angehende Prediger in den Herzogthmern Schleswig und Holstein, Altona 1810, S. 1 – 10. 236 Der von ihnen nach kçniglichem Erlaß vom 5. Februar 1742 vor der Ordination abzulegende Homagialeid band sie an den Monarchen, so daß die Kirche „nichts mehr als ein geistlicher Staatszweig“ war, Paul von Heedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 482; Abdruck des Eideswortlautes bei Christian Friedrich Callisen, a.a.O. (Anm. 235), S. 35 f.; vgl. in diesem Zusammenhang ferner: Eid und Obligation der Prediger im Hertzogthum Schleswig-Holstein, Schleswig, o. J. Das Formular des Homagialeides blieb in den Herzogtmern bis zum Ende des dnischen Absolutismus in Gebrauch, vgl. den Abdruck des Wortlautes im Kieler Correspondenzblatt [im Folgenden: KCB] Nr. 42 vom 27. Mai 1835. – Zu den Pflichten der Geistlichen gehçrte bis in das 19. Jahrhundert hinein das sonntgliche Gebet fr den Kçnig sowie die Kanzelpublikation der von der Regierung ausgehenden Erlasse; in der Wahrnehmung derartiger politischer Verrichtungen hatten die Geistlichen im gesamteuropischen zeitgençssischen Kontext „eine zentrale Funktion fr die Formierung der politischen ffentlichkeit des Ancien rgime“, Andreas Gestrich, Absolutismus und ffentlichkeit. Politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Gçttingen 1994, S. 15; zur Kanzelpublikation und zum sich gegen diese nach 1800 wendenden Widerstand: Kai Detlev Sievers, Volkskultur und Aufklrung im Spiegel der Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichte, Neumnster 1970, S. 46 – 48. Gebet fr den Kçnig und Publikation der in seinem

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Nichtlutherische Religionsgemeinschaften bençtigten eine besondere Erlaubnis zur Ausbung ihrer Religion. In der Folge anhaltender Migration in die Herzogtmer hatte der Gesamtstaat eine regional begrenzte Religionsfreiheit eingefhrt, die sich formell auf die drei Stdte Altona, Friedrichstadt sowie Glckstadt erstreckte; die Niederlassung von Juden war neben diesen drei Stdten zustzlich noch in Rendsburg erlaubt237. Der rçmisch-katholischen Kirche war ihr Wirken in den Herzogtmern im Jahr 1661 untersagt worden, nachdem ein Manifest des Gottorfer Herzogs Friedrich III. vom 24. Februar 1625 den Katholiken in Friedrichstadt zunchst die Freiheit zur Ausbung ihrer Bruche gewhrt hatte238 ; die Untersagung der Abhaltung katholischer Messen wurde dnischerseits im Jahre 1746 noch einmal erneuert. Dennoch lebten um die Mitte des 18. Jahrhunderts Angehçrige der Katholischen Kirche in den Stdten Namen ausgehenden regierungsseitigen Proklamationen im sonntglichen Gottesdienst korrespondieren erkennbar der sakralrechtlichen Konzeption des dnischen Absolutismus; erst durch eine Verordnung vom 11. August 1824 wurden die Geistlichen von der gottesdienstlichen Bekanntmachung „weltlicher Gegenstnde“ befreit, die sie oft genug als „Polizeidiener“ hatte erscheinen lassen, wie das KCB Nr. 43 vom 28. Mai 1831 rckblickend schrieb, ebd. S. 187. 237 Olaf Klose, Die Jahrzehnte der Wiedervereinigung 1721 – 1773, S. 127; Eckart Opitz, Schleswig-Holstein. Landesgeschichte in Bildern, Texten und Dokumenten, S. 132 – 134. Hierzu a. Johann Adrian Bolten, Historische Kirchen-Nachrichten von der Stadt Altona und deren verschiedenen Religions-Partheyen, von der Herrschaft Pinneberg und von der Grafschaft Rantzau, Bd. 1 – 2, Altona 1790 – 91; Gabriele Zrn, Die Altonaer Jdische Gemeinde (1611 – 1873). Ritus und soziale Institutionen des Todes im Wandel, Mnster / Hamburg / London 2001, hier bes. S. 22 – 44; Ferdinand Pont, Friedrichstadt an der Eider. Zweiter Teil, Erlangen 1921, S. 26 – 38 und 155 – 161. – Die in den genannten holsteinischen Ortschaften praktizierte religiçse Toleranz fand ihre historische Ursache gewiß auch in merkantilistischen Motiven, ging es doch gerade im Falle des vom dnischen Kçnig Christian IV. 1617 errichteten Ortes Glckstadt und des vom Gottorfer Herzog Friedrich III. 1621 begrndeten Ortes Friedrichstadt darum, der Region der holsteinischen Westkste allgemein zu hçherer Prosperitt zu verhelfen; vgl. hierzu den Essay „Wirkung der Einfhrung der Reformation in Dnemark auf Staatsverwaltung, politische und brgerliche Freiheit, Aufklrung, Toleranz, Wissenschaften, Handel und brige Nahrungsquellen“ (ohne Ang. eines Verfassers) im KCB Nr. 121 vom 24. Dezember 1836, hier S. 479; zum Kontext a. Robert Bohn, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 75 – 77. 238 Hierzu H.[ans] N.[ic.] A.[ndreas] Jensen, Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogthums Schleswig, Flensburg 1840, S. 15 f.; die in Friedrichstadt amtierenden katholischen Priester wurden „von der Nordischen Mission zu Mnster in Vorschlag gebracht, und vom Bischof zu Hildesheim ad administranda sacra autorisirt“, ebd. S. 15.

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Glckstadt, Wandsbek, Kiel, Rendsburg, Friedrichstadt, Schleswig sowie auf der Insel Nordstrand239. Im Jahre 1660 erzwangen die beiden nichtadligen Stnde gegen den Adel des Reiches die Einfhrung des dnischen Absolutismus240 ; fnf Jahre spter wurde dieser mittels der Lex Regia durch ein Reichsgrundgesetz verfassungsrechtlich fixiert241. Innerhalb Europas war dies ein geradezu 239 Hierzu Ferdinand Pont, Friedrichstadt an der Eider. Zweiter Teil, S. 102 – 111; [Friedrich] Witt, Der Katholizismus in Schleswig-Holstein seit der Reformation. Ein berblick, Sonderabdruck, aus: SSHKG Reihe 2, Heft 5, Preetz 1900, S. 1 – 30, bes. S. 9 – 15; Olaf Klose, a.a.O., S. 128; Eckart Opitz, Schleswig-Holstein. Landesgeschichte in Bildern, Texten und Dokumenten, S. 130 f. 240 Von der evangelischen Staatskirche wurde das einhundertjhrige Jubilum des dnischen Absolutismus verherrlichend gefeiert, vgl. etwa die 1760 in Kopenhagen verlegte „Predigt am Jubel-Feste der vor 100 Jahren eingefhrten hçchsten Gewalt“ des Hofpredigers Johann Andreas Cramer. 241 Die Lex Regia wurde erst 1709 zum ersten Mal in gedruckter Form mit einer Auflage von etwa 500 Exemplaren publiziert: Lex Regia, det er: Den souveraine Konge-Lov, sat og given af den Stoormegtigste Højbaarne Fyrste og Herre Herr Friderich Den Tredie og af Hans Maj. underskreven d. 14. Novemb. 1665. Som Den Stoormegtigste Højbaarne Fyrste og Herre Herr Friderich Den Fierde allernaadigst haver befalet ved offentlig Tryk at vorde publiceret den 4. Septemb. Aar 1709. Fol. 19 kobberstukne blade; vgl. Danmarks Riges Grundlov, det er den saa kaldede Souveraine Konge-Lov, sat og given af Friderich den Tredie, Konge til Danmark, underskreven den 14. November 1665, Men efter Kong Friderich den Fierdes Befahling Første gang stukket paa Kaaber-Plader, og offentlig bekient giort ar 1709. Nu atter paa nye oplagt ved C. Peter Rothe, Kjøbenhavn 1756. Zur lex regia: Knud Fabricius, Kongeloven, den Tilblivelse og Plads i Samtidens natur- og arveretlige Udvikling, En historisk Undersøgelse, København 1920; Johannes Krumm, Lex Regia, Das Dnische Kçnigsgesetz von 1665, in: NE 4 / 1925, S. 42 – 63; Otto Khler, Das Dnische Kçnigsgesetz von 1665 und Schleswig-Holstein, in: SHA 197 / 1950, S. 109 – 112; E. Ekman, Das dnische Kçnigsgesetz von 1665, in: Walther Hubatsch, Hg., Absolutismus, Darmstadt 1973, S. 223 – 237; Maria Eysell, Wohlfahrt und Etatismus. Studien zum dnischen Absolutismus und zur Bauernbefreiung 1787/88, Neumnster 1979, S. 223 – 237; Kersten Krger, Absolutismus in Dnemark. Ein Modell fr Begriffsbildung und Typologie, in: ZSHG 104 / 1979, S. 171 – 206, bes. S. 179 – 192. Ebd. S. 193 – 206 der deutsche Text der Lex Regia, bersetzt und erstmalig verçffentlicht von Theodor Olshausen: Ders., Das dnische Kçnigsgesetz, das ist das fortwhrend geltende Grundgesetz fr das Kçnigreich Dnemark, nach der dnischen officiellen Ausgabe bersetzt mit einer historischen Einleitung versehen, Kiel und Eutin 1838; cf. a. Kersten Krger, Mçglichkeiten, Grenzen und Instrumente von Reformen im Aufgeklrten Absolutismus, in: Klaus Bohnen und Sven-Aage Joergensen, Hg., Der dnische Gesamtstaat: Kopenhagen. Kiel. Altona, Tbingen 1992, S. 23 – 47; ders., Der Aufgeklrte Absolutismus in Dnemark zur Zeit der Franzçsischen Revolution, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf

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einzigartiger Vorgang242. Die Lex Regia vom 14. November 1665 beinhaltet einen umfangreichen Katalog kçniglicher Souvernittsrechte. Ihr erster Artikel macht den Abkçmmlingen der dnischen Kçnige als „Alleinherrschafts-Erbkçnigen“ zur Auflage, daß sie „bis ins tausendste Glied, von Vater und Mutterseite243, […] den einzigen rechten und wahren Gott auf die Weise verehren, ihm dienen und anbeten, wie er sich in seinem heiligen und wahren Wort offenbart hat und Unser christlicher Glaube und Unser Bekenntnis darber berichten, nach der Form und Weise, wie es rein und unverflscht in der Augsburgischen Konfession im Jahr eintausendfnfhundertunddreißig ist vorgeschrieben und festgelegt worden, und zu diesem reinen und unverflschten christlichen Glauben sollen sie des Landes Einwohner anhalten und denselben ttig handhaben und beschirmen in diesen Lndern und Reichen wider alle Ketzer, Schwrmer und Gotteslsterer.“244

Zur Aufgabe des Defensor fidei gehçrt nach Artikel 6 auch das Recht des Kçnigs, die „hçchste Macht zu haben ber die ganze Kirche“. Artikel 17 verbietet dem eidnehmendem Kçnig jede Eidesleistung; der Folgeartikel 18 hebt fr das „feierliche Fest seiner Salbung“ das Prinzip maximaler Frhansetzung hervor, da „Gottes Segen und der krftige Beistand des Norddeutschland und das Reich, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, S. 289 – 320; ebd. S. 292 – 295 der Nachweis, daß im ausgehenden 18. Jahrhundert die Einfhrung des Absolutismus in Dnemark allgemein als Entmachtung des Feudaladels und als eine Entledigung von den durch diesen auferlegten Fesseln verstanden wurde. Cf. hierzu auch die promonarchisch-antiaristokratischen Anschauungen des Plçner Amtmannes August Hennings u. S. 186 f. 242 Kersten Krger, Mçglichkeiten, Grenzen und Instrumente von Reformen im Aufgeklrten Absolutismus, S. 26. Zur Lex Regia und der aus ihr abgeleiteten sog. „Enevælde“ auch Sven Cedergreen Bech, Oplysning og Tolerance 1721 – 1784, Danmarks Historie Bind 9, Kopenhagen 1965, S. 35 – 38; Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 201 f. 243 Artikel 26 der Lex Regia setzt die Mçglichkeit einer weiblichen Thronfolge voraus, indem alles zuvor Gesagte „auch von der Alleinherrschafts-Erbkçnigin von Dnemark und Norwegen zu verstehen ist, wenn die Erbsukzession der Regierung irgendwann auf eine Prinzessin von Geblt fallen sollte“. Damit unterschied sich das dnische Erbfolgerecht in einer fr die Zukunft entscheidend werdenden Weise von der im Jurisdiktionsbereich des Heiligen Rçmischen Reiches geltenden Thronfolge: Hier wurde ausschließlich die mnnliche Sukzession anerkannt. In Holstein war der Landesherr bis zum Reichsdeputationsschluß Lehnsmann des Deutschen Kaisers; nach dem Wiener Kongreß fgte sich dieses Herzogtum bis 1866 in den Deutschen Bund ein, fr den die Bundesakte galt. 244 Der in der Franzçsischen Revolution verwirklichte Gedanke der Religionsfreiheit ist mit der Lex Regia schlechterdings unvereinbar.

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Herrn“ dem „Gesalbten folgen“. Artikel 26 erklrt den Kçnig zum „absoluten, souvernen, christlichen Erbkçnig“. Die sakrosankte Aura des Kçnigs und seine gçttliche Beauftragung treten damit deutlich hervor. Gemß Artikel 4 der Lex Regia steht dem Kçnig das Recht zur Einund Absetzung samtlicher Amtstrger zu; Artikel 7 fordert summarisch die kçnigliche Unterschrift unter alle „Regierungsgeschfte, Briefe und Verrichtungen“. Damit ist der Staat „als berindividuelle Institution auf eine Person konzentriert“245. Faktisch brachte es die Komplexitt der Regierungsgeschfte fr den dnischen Monarchen zwangslufig mit sich, fr sich weder eine detaillierte Gesamtbersicht noch eine personliche Entscheidung aller Einzelfragen beanspruchen zu kçnnen246. Der formelle Absolutismus war unter diesen Bedingungen angewiesen auf die Zwischenschaltung einer ausdifferenzierten administrativen Organisation. Dabei wiesen alle Zentralbehçrden wie beispielsweise die Dnische oder die Deutsche Kanzlei eine kollegiale Leitung auf. Der Zugang zu diesen Einrichtungen stand grundstzlich auch dem Brgertum unabhngig von seiner muttersprachlichen Herkunft offen247. Die spter so umstrittene Frage nach der Verbindlichkeit der Lex Regia hinsichtlich der Herzogtmer trat im ausgehenden 18. Jahrhundert noch nicht ins Blickfeld248 ; Schleswig und Holstein wurden von einer aus245 Kersten Krger, Absolutismus in Dnemark, S. 183. 246 Kersten Krger, Mçglichkeiten, Grenzen und Instrumente von Reformen im Aufgeklrten Absolutismus, stellt S. 46 f. sogar fest: „Monarchischer Absolutismus – in der Person Christian VII. – fiel in Dnemark als Machtfaktor eigentlich aus. Die Herrschaft bte eine aufgeklrte Brokratie aus, die zwar kçnigliche Unterschriften bençtigte, aber ganz gut ohne Kçnig auskam. Der Kronprinz, spter Friedrich VI., stabilisierte und fçrderte seit 1784 die Reformttigkeit, aber die Initiative kam von den Zentralbehçrden“. 247 Kersten Krger, Johann Friedrich Struensee und der Aufgeklrte Absolutismus, S. 11 – 36 in: Hartmut Lehmann und Dieter Lohmeier, Hg., Aufklrung und Pietismus im dnischen Gesamtstaat 1770 – 1820, hier S. 14. Eine bersicht ber die administrative Organisation innerhalb der Herzogtmer Schleswig und Holstein gibt Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 212 f. 248 Diese Frage stellte sich bedeutungsvoll, als das Aussterben des regierenden dnischen Kçnigshauses in mnnlicher Linie absehbar wurde. Zwar scheint heutiger Betrachtung gesichert, daß von einer unmittelbaren Gltigkeit der Lex Regia in den Herzogtmern keine Rede sein konnte, vgl. Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 202; Johannes Krumm, Lex Regia. Das Dnische Kçnigsgesetz von 1665, S. 56 f.; Olaf Klose, Die Jahrzehnte der Wiedervereinigung 1721 – 1773, in: Ders. und Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 1 – 5; Ulrich Lange, Stnde, Landesherr und Grosse Politik – Vom

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schließlich deutschsprachigen und -stmmigen Verwaltung unter Beibehaltung der berlieferten administrativen Strukturen regiert249. Hinzu trat der bereits erwhnte Umstand, daß der Kopenhagener Hofadel und mit ihm das dort regierende Kabinett des Gesamtstaates zum Ende des Jahrhunderts ohnehin berwiegend deutscher Herkunft waren, und diese Abkunft beeinflußte die gesamte Kultur des Vielvçlkerstaates250. Zwischen dem Sturz Johann Friedrich Struensees251 am 17. Januar 1772 und der neuerlichen Einsetzung Andreas Peter Bernstorffs252 als

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Konsens des 16. zu den Konflikten des 17. Jahrhunderts, in: Ders., Hg., Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, 2. Aufl. Neumnster 2003, S. 153 – 266, hier: S. 258 f. Doch stellte bereits Theodor Olshausen angesichts der politischen Zusammenhnge zwischen Kçnigreich und Herzogtmern mit Recht fest, daß „stets die Constitution des einen Reiches die Regierungsweise in dem damit verbundenen Lande großentheils bestimmen“ werde: Ders., Das dnische Kçnigsgesetz, das ist das fortwhrend geltende Grundgesetz fr das Kçnigreich Dnemark, Kiel und Eutin 1838, S. V. In spterer Zeit wurde die Lex Regia in den Herzogtmern zunehmend negativer beurteilt. Ein im Jahr der Erhebung der Herzogtmer gegen Dnemark im Kieler Correspondenzblatt erschienener Artikel attestiert dem Kçnigsgesetz den Charakter einer „theoretischen Despotie“, vgl. KCB 110/1848, S. 449; ein 1850 im selben Blatt publizierter weiterer Essay nimmt die sakralrechtlichen Bezge des Gesetzes in den Blick und spricht abwertend von der „Sanctionierung“ eines „weltlichen kleinen Pabstthums“ durch die Lex Regia, vgl. KCB 58/1850, S. 229. Hierzu Ole Feldbæk, Dnisch und Deutsch im dnischen Gesamtstaat im Zeitalter der Aufklrung, in: Klaus Bohnen und Sven-Aage Joergensen, Hg., Der dnische Gesamtstaat. Kopenhagen. Kiel. Altona, S. 7 – 22, hier: S. 9 – 11. Hierzu Otto Brandt, Zur Vorgeschichte der schleswig-holsteinischen Erhebung, Berlin 1927, S. 10. Zu Struensee und der mit ihm verbundenen kurzzeitigen Reformphase vgl. Jens Kragh Høst, Der dnische Geheimecabinetsminister Graf Johann Friedrich Struensee und sein Ministerium, Band 1 und 2, Kopenhagen 1826 – 27; Robert Neumann, Struensee, København 1936; ferner K. Wittich, ADB 36, S. 647 – 661; Sven Cedergreen Bech, SHBL 5, S. 259 – 263; ders., DBL 14, S. 153 – 158; ders., Oplysning og Tolerance 1721 – 1784, Kopenhagen 1965, S. 430 – 458; ders., Struensee og hans tid, Kopenhagen 1972; Paul Barz, Doktor Struensee. Rebell von oben, Berlin 1989. Andreas Peter Bernstorff privatisierte zwischen 1780 und 1784 auf seinem Familienbesitz in Mecklenburg. Zu ihm: K. Lorenzen, ADB 2, S. 488 – 494; Johannes Krumm, Der schleswig-holsteinisch-dnische Gesamtstaat des 18. Jahrhunderts (1721 – 1797), Glckstadt 1934, hier S. 85 – 114: Die Wiederherstellung des Gesamtstaates; der jngere Bernstorff: 1772 – 1797; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat, S. 165 – 215; ders., Andreas Peter Bernstorff und die „deutschen Herzogtmer“, in: ZSHG 111 / 1986, S. 105 – 117; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein,

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dnischem Außenminister und Leiter der fr die Herzogtmer zustndigen Deutschen Kanzlei in den Jahren nach 1784 sah sich dieser Einfluß allerdings vorbergehend reduziert. Struensee hatte den einseitigen Versuch unternommen, die dnische Sprache im gesamten Staatsleben zu unterdrcken; ihr Gebrauch sollte nach seinen Absichten nur fr die Dnische Staatskanzlei sowie die Marine des Gesamtstaates bestehen bleiben. Die damit anvisierten Reformen, dazu die machtpolitische Stellung Struensees als Geheimer Kabinettsminister sowie seine illegitime Beziehung zur dnischen Kçnigin Caroline Mathilde provozierten jedoch jene dnischen berfremdungsngste253, die Struensees Gegner Ove Høgh-Guldberg254 politisch mit der Zielsetzung eines staatlich postulierten und garantierten Danizismus formulierte. Als Nachfolger Struensees setzte Guldberg noch im Jahr 1772 durch, daß die Kommandosprache im gesamten Heer die dnische wurde; die deutschen Truppenteile des Gesamtstaates in den Herzogtmern erhielten wie auch das dem Reich auf Grund der holsteinischen Lehensverpflichtungen zu stellende Bundeskontingent dnische Vorgesetzte. Nachdem im Zuge eines besonderen territorialen Ausgleiches das gesamte Holstein unter kçnigliche Herrschaft gestellt war, wurde mit dem Jahr 1773 der dnische Dannebrog zur Flagge der beiden Herzogtmer. Unter Guldbergs Einfluß S. 18 – 22; mit besonderem Hinblick auf den kontextuellen Zeitraum: Aage Friis, Andreas Peter Bernstorff und die Herzogtmer Schleswig und Holstein 1773 – 1780, in: ZSHG 30 / 1900, S. 251 – 336; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 23 – 81; Jørgen Hornemann, Danmarks statsmand: A.P. Bernstorff og hans samstid, København 2001, S. 241 – 427. 253 Johannes Krumm, Der schleswig-holsteinisch-dnische Gesamtstaat des 18. Jahrhunderts (1721 – 1797), spricht S. 80 davon, daß die „Folgewirkung der Struenseezeit dazu beigetragen [hat, L.-P.], den Hauptpfeiler des Gesamtstaates, die Brderlichkeit der beiden stammverwandten Nationen, schwer zu erschttern“; Karin Hoff, Die Entdeckung der Zwischenrume. Literarische Projekte der Sptaufklrung zwischen Skandinavien und Deutschland, Gçttingen 2003, urteilt S. 48: „Die Struensee-Affre fhrt die enge Verstrickung von Politik und Kultur und der nationalen Frage im dnischen Gesamtstaat vor Augen. 1772 erfolgt mit dem Sturz von Struensee […] eine enorme Einschrnkung des deutschen Einflusses in Kopenhagen“. 254 Zu Ove Guldberg, seit 1776 Høegh-Guldberg und spiritus rector der nach ihm benannten „Guldbergtiden“ bzw. „Guldbergepoken“, vgl. Harald Jørgensen, DBL 7, S. 19 – 24; C.[arl] F.[erdinand] Allen, Haandbog i Fædrelandets Historie, S. 533 – 541; Svend Cedergreen Bech, Oplysning og Tolerance 1721 – 1784, S. 491 – 504; Ole Feldbæk, Danmarks historie. Bind 4: Tiden 1730 – 1814, S. 77 – 79; Tine Damsholt, Fædrelandetskærlighed og Borgerdyd, S. 201 – 204.

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erließ der dnische Kçnig ohne Befragung des Staatsrates im Jahre 1776 das Indigenatsgesetz255, „das den Strom vom deutschen Sden in die Staatsmter eindmmen und das eigene Volk so zu hçheren Leistungen anspornen sollte“256. Faktisch verschob sich mit diesem Gesetz die ursprngliche interkulturelle Paritt des Gesamtstaates zugunsten eines regierungsseitig intendierten Danizismus257. Die vielfltigen Verbindungen zwischen dem deutschen und dnischen Geistesleben waren whrend der zweiten Hlfte des 18. Jahrhunderts dennoch von durchgngig enger Natur258. Friedrich Gottlieb Klopstock, Johann Andreas Cramer, Wilhelm 255 Vgl. zum „Indfødsretsloven“ die Chronologische Sammlung der im Jahre 1776 ergangenen Verordnungen und Verfgungen fr die Herzogthmer Schleswig und Holstein, die Herrschaft Pinneberg, Grafschaft Ranzau und Stadt Altona, Kiel 1798, Nr. 2, S. 1 – 7; eine Ausnahme machte das Gesetz etwa fr aus dem Ausland berufene Lehrer; hierzu auch Paul von Hedemann-Heespen, Religion, Verfassung und Volkstum in Schleswig-Holstein von 1789 – 1820, in: NE 4 / 1925, S. 347 – 367, hier S. 353 f. – Zur dnischen Rezeption des Gesetzes: Sven Cedergreen Bech, Oplysning og Tolerance 1721 – 1784, S. 519 f. 256 Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 576 f. Zu den Zielen des Indigenatsgesetzes, das gebrtigen Auslndern die Aufnahme in den dnischen Staatsdienst verweigerte, vgl. a. Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 56 f.; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat (1773 – 1830), S. 170 – 178; Vibeke Winge, Dnische Deutsche – deutsche Dnen. Geschichte der deutschen Sprache in Dnemark 1300 – 1800 mit einem Ausblick auf das 19. Jahrhundert, Heidelberg 1992, S. 319.325; zu den konkreten Auswirkungen des Gesetzes whrend der Folgezeit Ole Feldbæk, Dnisch und Deutsch im dnischen Gesamtstaat im Zeitalter der Aufklrung, S. 19 – 21. 257 Im nçrdlichen Bereich des Herzogtums Schleswigs machte sich seit dem Anfang der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts eine durchaus lebhafte Erregung des dnischen Nationalgefhles bemerkbar. So entstand etwa in Hadersleben ein „ganz bertriebener Haß von Seiten einer Parthei Dnen, die man wirklich Enrgs nennen kçnnte“ und damit eine „ungerechte Verachtung der Mitunterthanen eines Kçnigs“, so ein anonymer Essayist als „Antwort auf das Schreiben an den Verfasser des ,Etwas ber die Stadt Hadersleben etc.‘“, in den SHPb 1 / 1792, S. 71 – 74, hier S. 73. 258 Bereits seit der Frhaufklrung lßt sich eine intensive Verbindung zwischen der deutschen und der dnischen Literatur nachweisen. Die spezifische politische Konstellation des dnischen Gesamtstaates begnstigte diese Verbindung bis in das 19. Jahrhundert; hierzu Leopold Magon, Ein Jahrhundert geistiger und literarischer Beziehungen zwischen Deutschland und Skandinavien 1750 – 1850, Band 1: Die Klopstockzeit in Dnemark, Dortmund 1926; Heinrich Detering, Anne-Bitt Gerecke und Johan de Mylius, Hg., Dnisch-deutsche Doppelgnger. Transnationale und bikulturelle Literatur zwischen Barock und Moderne, Gçttingen 2001, hier bes. S. 63 – 107 und S. 116 – 156. Vgl. in diesem Zusammenhang a. die

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Heinrich Gerstenberg, Johann Ewald, Johann Abraham Peter Schulz und Jens Baggesen sind nur wenige „Beispiele solcher geistiger Verknpfung, eines Kulturaustausches, bei dem die Herzogtmer Schleswig und Holstein vielfach eine vermittelnde Rolle gespielt haben“259. Die Frucht dieser Verknpfung bestand weithin in einem kollektiven Bewußtsein, das die deutsche Sprache, Denkart und Kultur durchaus mit den politischen Ansprchen des dnischen Landesherrn in Einklang zu bringen wußte. Ideell war das „Vaterland“ von daher ganz selbstverstndlich der bernationale Gesamtstaat, regional das vom „kçniglichen Vater“ regierte Gebiet260. Das bernationale Gebilde des Vielvçlkerstaates wurde in der Feststellung von Thomas Bredsdorff und Anne-Marie Mai bezglich eines spezifisch dnischen Beitrages zum europischen „Enlightened Networking“: „The Enligthenment was nothing if not an age of networking […] No one is claiming that Denmark was a major contributor to the Enligthenment. We do claim, however, that the small kingdom took an active part in 18th century Europe and its enlightened networking“, dies., Ed., Enligthened Networking. Import and Export of Enlightenment in 18th century Denmark, Odense 2004, S. 7 f. 259 Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt in der Zeit der Aufklrung und der Franzçsischen Revolution, S. 322. Zur besonderen Bedeutung Klopstocks und des „schleswig-holsteinischdnischen Kreises“ fr das kulturelle Geprge des Gesamtstaates cf. Jrgen Behrens, Briefwechsel zwischen Klopstock und den Grafen Christian und Friedrich Leopold zu Stolberg, S. 49 – 57. Angesichts dieses Einflusses sprach Johann Gottfried Herder einmal „vom dnischen Ende Deutschlands“, vgl. dens., Journal meiner Reise im Jahr 1769, in: Ders., Werke in zwei Bnden. Erster Band, o. O. 1982, S. 595 – 671, hier S. 648. 260 Klar ußert sich diesbezglich der Plçner Amtmann August Hennings in einem unpublizierten, an Ernst Schimmelmann gerichteten Brief, zitiert n. Christian Degn, Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, 3. Aufl., Neumnster 2000, S. 188: „Warum nennen Sie Deutschland mein Vaterland? Was hab ich mit diesem Land gemein? Nein, ich bin stolz, nicht von einer Nation zu abzustammen, die keine Brger hat, von einem Volk, das kein Vaterland hat […] dieses Volk ist nie das meine gewesen, es ist auch nicht das Ihre“. Zum Kontext Harald Thurau, Die Anfnge eines deutschen nationalpolitischen Bewußtseins in Schleswig-Holstein, Flensburg 1939, S. 6: Die Deutschen im Gesamtstaat empfanden sich mehrheitlich „bis zum Jahre 1815 […] als Brger des dnischen Gesamtstaates“; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, spricht S. 13 von einem gesamtstaatlichen Patriotismus, „in dessen Mittelpunkt – frei von nationalen Gegenstzen – bei Dnen und Deutschen gleichermaßen das Treuebekenntnis zum Kçnig des Gesamtstaates stand“. Diesem Kçnig „zu gehorchen, hieß Gott gehorchen. Seit 1777 wurde den Kindern in den hçheren Schulen in Dnemark, Norwegen und den Herzogtmern deshalb die Vorstellung eingebleut, daß ,fr Gott, den Kçnig und das Vaterland zu leben und zu sterben‘ die grçßte Ehre sei“, Ole Feldbæk, Dnisch

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Person des Monarchen unter Einwirkung eines starken Beamtenapparates zusammengehalten, „ohne staatsrechtlich eine Einheit zu bilden“261. Eine kulturell und politisch wirksame Eingrenzung auf die Sprachnation hatte bis dato noch nicht stattgefunden262, auch wenn jeweils unter Struensee und Guldberg durchaus in diese Richtung gehende einseitige Versuche unternommen worden waren. Unter Bernstorff wurde das handlungsleitende Ziel der Politik wieder eindeutig die Wahrung gesamtstaatlicher Einigkeit263 im Gegensatz zur Realisierung nationaler Einheit. Die Entund Deutsch im dnischen Gesamtstaat im Zeitalter der Aufklrung, S. 19. Kai Detlev Sievers, Volkskultur und Aufklrung im Spiegel der Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichte, stellt S. 19 im Hinblick auf die „im Dienst der Volksaufklrung stehenden Krfte“ fest: „Weltbrgerlich denken sie alle, die den neuen Fahnen der Aufhellung des Geistes nacheilen, und vaterlndisch-gesamtstaatlich bleiben sie trotzdem. Das eine schließt das andere nicht aus“. 261 Dieter Lohmeier, Der Edelmann als Brger. ber die Verbrgerlichung der Adelskultur im dnischen Gesamtstaat, in: Erich Trunz und Dieter Lohmeier, Hg., Staatsdienst und Menschlichkeit. Studien zur Adelskultur des spten 18. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein und Dnemark, Neumnster 1980, S. 127 – 149, hier S. 128. 262 Ole Feldbæk, Deutsch und Dnisch im dnischen Gesamtstaat im Zeitalter der Aufklrung, entwirft S. 11 ff. ein durchaus nuanciertes Bild der gesamtstaatlichen Symbiose, stellt aber dennoch S. 22 fest: „Wenn auch die dnische Sprache um 1790 eine grçßere Rolle als vierzig Jahre zuvor spielte, waren der deutsche Kultureinfluß und die deutsche Kulturvermittlung noch immer von entscheidender Bedeutung. Die grundlegenden nderungen an diesem Kulturmuster bringt das 19. Jahrhundert“. 263 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, spricht S. 165 mit Blick auf die Jahre 1773 bis 1797 vom „Zeitalter Andreas Peter Bernstorffs“. Außenpolitisch sah sich Bernstorffs Wirken von der dnischen Neutralitt innerhalb der europischen Revolutionskriege bestimmt; innenpolitisch verfolgte er den Grundsatz, „der absolutistische Staat habe der allgemeinen Wohlfahrt zu dienen“, Renate Erhardt-Lucht, Die a.a.O., S. 12; im Hinblick auf die beiden Elbherzogtmer intendierte er „den sogenannten administrativen SchleswigHolsteinismus, das heißt die Anerkennung der Eigenstndigkeit und der unterschiedlichen Tradition der Herzogtmer“, Kersten Krger, Reformen im Aufgeklrten Absolutismus, S. 36; hierzu a. Alexander Scharff, Geschichte SchleswigHolsteins, S. 45, sowie ders., Schleswig-Holstein in der europischen und nordischen Geschichte, S. 28; ebd.: „Die beiden Bernstorffs waren bewegt von dem humanen und weltbrgerlichen Geist des Jahrhunderts, ohne sich jedoch aus dem Wurzelboden echter Religiositt zu lçsen […] Der dnische Staat im Zeitalter des Absolutismus hat im allgemeinen darauf verzichtet, die gewachsene Besonderheit und das durch geschichtliche Tradition verfestigte Eigenleben der Herzogtmer zwischen Kçnigsau und Elbe anzutasten. Wieder war, wie in der Reformation, Schleswig-Holstein Vermittlungsland, Quell- und Rckstromgebiet westeuro-

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deckung eines umfassenden dnischen Nationalgefhles, das einen dauerhaften, konsequent ausgestalteten Anspruch erhob auf seine dominierende kulturelle und politische Umsetzung innerhalb der gesamtstaatlichen Grenzen, blieb daher einer anderen Zeit vorbehalten. Nicht anders verhielt es sich mit seinem der deutschen Kultur zustrebenden Pendant an der gesamtstaatlichen Sdgrenze264. Doch erwuchs aus aristokratischen Interessen bereits jenseits der siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts eine erhebliche Reibungsquelle zwischen den Herzogtmern und ihrem Landesherrn. Sie entsprang dem mit der Historie argumentierenden Anspruch der schleswig-holsteinischen Ritterschaft auf das von ihr eingeforderte, vom dnischen Absolutismus jedoch stets verweigerte Recht zur direkten Reprsentation der Herzogtmer – einem Anspruch, der im Falle seiner Bewilligung emanzipativ orientierte Privilegien des schleswig-holsteinischen Adels nach sich gezogen htte265. pischer und deutscher geistiger Bewegungen, nicht nur der Aufklrung, sondern auch des Pietismus und Klassizismus“. Dabei war der in pietistischer Frçmmigkeit erzogene Bernstorff ein strikter Gegner der aus dem Gesellschaftsvertrag abgeleiteten Volkssouvernitt; bezeichnend die ußerung Charlotte Schimmelmanns ber ihn in einem an Louise Stolberg gerichteten Brief vom 9. Januar 1790: „Bernstorff a dit hier la cour que Rousseau toit un sclrat“, zit. n. ErhardtLucht, a.a.O., S. 12. In der Auseinandersetzung mit der Franzçsischen Revolution verwies Bernstorff auf das grundstzliche Selbstbestimmungsrecht der Staaten; dabei hob er den von Reformen geprgten Weg des dnischen Gesamtstaates hervor und wrdigte das englische Verfassungssystem; hierzu Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830. Danmarks Historie Bind 10, Kopenhagen 1964, S. 178 f. 264 Zum nachmaligen Verhltnis von Nationalgefhl und Sprache Vibeke Winge, Dnische Deutsche – deutsche Dnen, S. 314 f.: „Erst mit dem aufkommenden Nationalgefhl wurde die Sprache als Ausdruck der Gesinnung aufgefasst […] Der nationale Konflikt wurde gleichzeitig ein Sprachkonflikt voll von Feindbildern und Klischees“; hierzu a. Ole Feldbæk og Vibeke Winge, Tyskerfejden 1789 – 1790. Den første nationale Konfrontation, in: Dansk Identitetshistorie Bd. 2. Et yndigt land 1789 – 1848, red. fra Ole Feldbæk, København 1991, S. 9 – 109. 265 1774 reichte die schleswig-holsteinische Ritterschaft beim dnischen Kçnig ein Promemoria ein, in dem sie „vorsichtig an die ,niemals aufgehobenen, sondern nur durch eingefallene Zeitlufte verschobenen Landtage‘ erinnerte und die Einrichtung eines perpetuierlichen Ausschusses vorschlug, in dem sie ihre ,unvorgreiflichen Gedanken und Vorschlge zum wahren Wohl der Klçster und adeligen Gter‘ der Regierung vorschlagen kçnnte“, Johannes Krumm, Der schleswig-holsteindnische Gesamtstaat des 18. Jahrhunderts (1721 – 1797), S. 112. Die Regierung ignorierte den politischen Gehalt dieser Petition; doch wurzelte im Kampf um die alten Privilegien jenes anfngliche Bewußtwerden politischer Opposition, das sich spter unter den Horizont deutsch-nationaler Prmissen gerckt sah. Zum Sprachrohr der schleswig-holsteinischen Ritterschaft gegenber dem Landesherrn

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So war der dnische Gesamtstaat ein wesentlich multinationales Gebilde; er gehçrte zu den europischen Konglomeratstaaten des 18. Jahrhunderts. Bis ins Jahr 1773 war der dnische Kçnig „von Gottes Gnaden Kçnig zu Dnemark und Norwegen, der Wenden und Gothen, Herzog zu Schleswig, Holstein, Stormarn und Dithmarschen, Graf zu Oldenburg und Delmenhorst“266. In Holstein nahm der objektive dnische Gebietsanspruch ursprnglich jedoch nur die Hlfte des Landes ein. Daher realisierte der dnische Absolutismus im Jahre 1773 eine seit langem gehegte Absicht, als er das gesamte Herzogtum Holstein durch einen reunionspolitisch motivierten Gebietstausch zwischen Dnemark, Russland und dem Frstbischof von Lbeck territorial vereinigen konnte267. wurde die 1774 von Andreas Peter Bernstorff bewilligte „Fortwhrende Deputation“, die rotierend aus einem der vier Prlaten sowie sechs gewhlten Mitgliedern des schleswig-holsteinischen Adels bestand. Bei den Prlaten handelte es sich um die Klosterprçpste von Schleswig, Itzehoe, Preetz sowie tersen. Mit der „Fortwhrenden Deputation“ lebte eine altstndische Institution erneut auf; hierzu Gnter Heisch, Verfassungsgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Prlaten und Ritterschaft seit 1775, Neumnster 1966, S. 58 – 60. Zu Ursachen und Beginn des Konfliktes zwischen Kçnig und Aristokratie, der aus deren steuerrechtlichen Intentionen im Widerspruch zum steigenden Finanzbedarf des Landesherrn erwuchs, cf. Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 561 – 568; ders., Religion, Verfassung und Volkstum in Schleswig-Holstein von 1789 – 1820, in: NE 4 / 1925, S. 347 – 367, S. 355; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 293 – 297; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 41 – 48 und 247 – 353; ders., Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 206 f. 218 – 227. 254 – 258; ders., Zur Vorgeschichte der schleswigholsteinischen Erhebung, S. 23 – 36. Den von Brandt formulierten Aspekt einer von Fritz Reventlow, dem geistigen Fhrer der Ritterschaft, inaugurierten deutschnationalen Bewegung relativiert Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt in der Zeit der Aufklrung und der Franzçsischen Revolution, S. 329 f. 266 Ole Feldbæk, Dnisch und Deutsch im dnischen Gesamtstaat im Zeitalter der Aufklrung, S. 7; der Kçnigstitel umfaßte den Herrschaftsanspruch auf eine Reihe kleinerer Kolonien in der Karibik, Afrika und Indien; zum norwegischen Titel gehçrten die nordatlantischen Staatsgebiete der Frçer Inseln sowie Island und Grçnland. Der Titel „der Wenden und Gothen“ war dagegen „mittelalterliches Relikt“, Feldbæk, a.a.O. 267 Hierzu Robert Bohn, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 77 f. – Der Lbecker Frstbischof war im Deutschen Reich neben dem konfessionell allerdings alterierenden Frstbischof von Osnabrck der einzige protestantische Bischof, der als Landesherr fungierte; hierzu Peter C. Hartmann, Kulturgeschichte des Heiligen Rçmischen Reiches 1648 bis 1806, S. 63.

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Der Gottorfer Großfrst Paul 268 verzichtete am 1. Juni 1773 auf die seinem Haus zustehenden Teilgebiete der Herzogtmer Schleswig und Holstein. Als Gegenleistung bergab der dnische Kçnig die Grafschaft Oldenburg-Delmenhorst an die jngere, in Eutin regierende Linie des Hauses Gottorf 269 in der Person des Bischofs Friedrich August von Lbeck270. Dieser hatte zuvor mit dem Territorium des Lbecker Frstbistums und dessen kulturell bedeutender Residenzstadt Eutin271bereits ber 268 Sohn Katharinas II. von Rußland und ihres 1762 ermordeten Gatten Karl Peter Ulrich, der als Peter III. den Zarenthron bestiegen hatte; dieser war Sohn des Gottorfer Herzogs Karl Friedrich, der 1725 eine Tochter Peters des Großen geheiratet hatte, hierzu Hubertus Neuschffer, SHBL 5, S. 193 – 195, hier S. 193. 269 Formell fielen die Wesergrafschaften zunchst an Rußland, das sie durch eine „Cessionsakte“ an das Lbecker Frstbistum bergab. Zu den Hintergrnden dieses Vertrages von Sarskoje Selo Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein in der Neuzeit, S. 488 – 494; Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 204 – 208; Alexander Scharff, Schleswig-Holsteinische Geschichte. Ein berblick, Wrzburg 1960, S. 44; Olaf Klose, Die Jahrzehnte der Wiedervereinigung 1721 – 1773, S. 65 – 89; Otto Rçnnpag, Wie „Oldenburg i. Oldenb.“ zu „Eutin“ kam (1773), in: Jahrbuch fr Heimatkunde Eutin 24 / 1990, S. 74 – 76; Friedrich Wilhelm Schaer, Oldenburg und Delmenhorst 1573 – 1773, in: Geschichte des Landes Oldenburg. Ein Handbuch, im Auftrag der Oldenburgischen Landschaft hg. von Albrecht Eckhardt in Zusammenarbeit mit Heinrich Schmidt, 4. Aufl. Oldenburg 1993, S. 173 – 228, hier bes. S. 210 f.; Franklin Kopitzsch, Schleswig-Holstein im Gesamtstaat 1721 – 1830: Absolutismus, Aufklrung und Reform, in: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, hg. von Ulrich Lange, S. 282 f. – Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, weist S. 299 darauf hin, daß die Vertrge von 1773 die „Abtretung der Hoheitsrechte ausdrcklich auf den Mannesstamm“ beschrnkten: „d. h. nach dem Erlçschen der mnnlichen Linie in Dnemark mußte Holstein an den Mannesstamm eines anderen Hauses fallen“. 270 Zum geschichtlichen Hintergrund des Lbecker Frstbistums cf. Hans Kieckbusch, Das Erdbuch des Dorfes Krummensee vom Jahre 1709, in: Jahrbuch fr Heimatkunde Eutin, 1978, S. 56 – 59, hier S. 57: „Dem Gottorper Herzog Friedrich III. war es gelungen, im westflischen Frieden […] das Bistum Lbeck als geistliches Frstentum vor der Auflçsung zu bewahren. Als Gegenleistung dafr versprach das Domkapitel, die nchsten sechs Bischçfe aus dem Gottorper Frstenhaus zu whlen. So wurde das Bistum Lbeck eine Versorgungssttte nachgeborener Frstensçhne aus dem Hause Gottorp“. Zu den diesbezglichen dynastischen Verhltnissen cf. Reimer Hansen, Die Anfnge des frhmodernen Staates in Schleswig-Holstein-Gottorf, in: Horst Fuhrmann, Hans Eberhard Meyer und Klaus Wriedt, Hg., Aus Reichsgeschichte und Nordischer Geschichte, S. 302 – 320, hier bes. S. 305 – 308; ferner Eckhard Hbner, Staatspolitik und Familieninteresse. Die gottorfische Frage in der russischen Außenpolitik 1741 – 1773, Neumnster 1984. 271 Hierzu u. S. 328 – 353.

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eine von Holstein umgebene Enklave geherrscht. Dynastische Konkurrenz hatte allerdings stets das Bewußtsein fr einen historisch bedingten Antagonismus zwischen den Gottorfern und dem dnischen Kçnigshaus wachgehalten272 und so wurde „das kleine Eutin nunmehr ebenso ein Sitz des Dnenhasses, wie einst das große Gottorf“273. Die Verbindung des Lbecker Frstbistums mit den Wesergrafschaften fhrte rasch zum politischen Gebilde des Herzogtums Oldenburg274. Dessen Beamte und Geistliche bten ihre Ttigkeit nçrdlich der Elbe unter Souvernen aus, die sich einer sicherlich auch historisch bedingten Opposition zum dnischen Kçnigshaus stets bewußt blieben275. Einem Wechsel eines Beamten oder Geistlichen aus dem kçniglichen in den 272 Vgl. hierzu die nicht unparteiische Darstellung bei Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, Hg., Die Herzogthmer Schleswig-Holstein und das Kçnigreich Dnemark. Aktenmßige Geschichte der dnischen Politik seit dem Jahr 1806, S. 4 – 8; cf. a. Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 191 f.; Robert Bohn, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 56 – 66. 273 Paul von Hedemann-Heespen, a.a.O., S. 493. Der sptere Eutiner Kammerprsident Friedrich Leopold Stolberg ußerte sich wiederholt negativ ber die Dnen, vgl. Johannes Janssen, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg bis zu seiner Rckkehr zur katholischen Kirche. 1750 – 1800, Freiburg/Br. 1877, hier S. 78 u. 89; zum dnisch-gottorfischen Konflikt Alexander Scharff, Schleswig-Holsteinische Geschichte, S. 42 – 44. 274 Verbindung seit 1773 in Personalunion, seit 1803 als Erbfrstentum. 1774 wurde die Grafschaft Oldenburg reichsunmittelbares Herzogtum; hierzu Werner Hlle, Die Erhebung der Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst zum Herzogtum und Thronlehen durch Kaiser Joseph II., S. 45 – 59, in: Oldenburger Jahrbuch 72 / 1972; Friedrich Wilhelm Schaer, und Albrecht Eckhardt, Herzogtum und Großherzogtum Oldenburg im Zeitalter des aufgeklrten Absolutismus (1773 – 1847), in: Geschichte des Landes Oldenburg. Ein Handbuch, im Auftrag der Oldenburgischen Landschaft hg. von Albrecht Eckhardt in Zusammenarbeit mit Heinrich Schmidt, 4. Aufl. Oldenburg 1993, S. 271 – 331. – Oldenburg rechnete sich zu „den der Aufklrung besonders zugewandten kleineren deutschen Staaten“, Franklin Kopitzsch, Organisationsformen der Aufklrung, S. 55. 275 Friedrich August von Holstein-Gottorp, seit 1773 Graf und mit dem Jahr 1777 formell durch den Kaiser zum Herzog von Oldenburg erhoben, „war Dnenfeind; seine Tochter heiratete Karl XIII. von Schweden“, Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 493. Ab 1785 regierte – zunchst anstelle des erkrankten, auf dem Plçner Schloß lebenden Peter Friedrich Wilhelm – Friedrich Augusts 1815 zum Großherzog avancierter und bis 1829 amtierender Neffe Peter Friedrich Ludwig, gleichfalls ein „entschlossener Dnenfeind“, so von Hedemann-Heespen, a.a.O.; zu Peter Friedrich Ludwig auch Friedrich-Wilhelm Schaer, SHBL 8, S. 279 – 283; Heinrich Schmidt, Hg., Peter Friedrich Ludwig und das Herzogtum Oldenburg, Oldenburg 1979.

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herzoglichen Dienst276 konnten vor diesem Hintergrund bis in die Erhebungszeit hinein immer auch politisch interpretierbare Motive zugrundeliegen. Die fr den Ausgang des 18. Jahrhunderts maßgeblichen Wandlungen des sich von der Lex Regia herleitenden Gesamtstaates waren jedoch nicht nur politischer Natur. Hatte John Locke an der Schwelle zu diesem Jahrhundert in seinem „Versuch ber den menschlichen Verstand“ 1690 leitthematisch postuliert: „Die Vernunft muß zuletzt in jeder Sache unser Richter und unser Fhrer sein“277, so lernte das folgende Jahrhundert „jenen bis zum ußersten Radikalismus fortschreitenden kritischen Individualismus, dem alles fragwrdig wird, der an allem Bestehenden rttelt“278, kennen. Auf dem Wege eines breit gestreuten Ideentransfers fand 276 Einen solchen Wechsel vollzog etwa Friedrich Leopold Stolberg, der im Sommer 1776 in den Dienst des Frstbischofs eintrat und nur vorbergehend in den Jahren 1789 – 90 die dnischen Interessen am Berliner Hof wahrnahm; anschließend kam er, „in Kopenhagen beargwçhnt und gehindert, als Prsident bei der dnenfeindlichen jngeren gottorfischen Linie unter“, Paul von Hedemann-Heespen, a.a.O., S. 539. Hierzu a. Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 131 f.: Stolberg „erschçpfte […] sich in Anklagen gegen den dnischen Hof und bemitleidete geradezu die dnischen Bauern, weil sie Sklaven eines Despoten geworden seien […] doch war es nicht allein allgemeiner Freiheitsdrang, der ihn den Hof eines absoluten Monarchen flchten ließ, [sc. es, L.-P.] trat bei ihm auch der nationale Gegensatz gegen das Dnentum zutage“; zu Friedrich Leopold Stolberg u. S. 331 – 339. – 1813 wechselte Pastor Christoph Johann Rudolph Christiani aus dem dnischen in den oldenburgischen Dienst, nachdem wenige Jahre zuvor sein Amt als deutscher Hofprediger in Kopenhagen den sich ausweitenden Danisierungsbestrebungen ersatzlos zum Opfer gefallen war; vgl. hierzu u. S. 316 Anm. 763. Einige Jahrzehnte spter trat auch Nicolai Johannes Ernst Nielsen als Superintendent in den oldenburgischen Dienst. Er hatte bis 1848 als auf den dnischen Kçnig vereidigter Pastor und Propst in Friedrichsberg gewirkt, amtierte anschließend bis 1850 als von der provisorischen Regierung Schleswig-Holsteins ernannter Generalsuperintendent und wechselte nach seiner Entlassung durch die Dnen noch im gleichen Jahr nach Eutin als Superintendent. Vgl. zu diesem u. S. 588 – 590 u. 622 – 627 sowie seine Eutiner Antrittspredigt: Ders., Predigt ber Psalm 43 Vers 3 u. 4, am Sonntage Judica den 6. April 1851 bei Gelegenheit des Antritts der Superintendentur in Eutin, Eutin 1851. 277 John Locke, An essay concerning human understanding, London 1690; deutsch als „Versuch ber den menschlichen Verstand“, in vier Bchern, bersetzt und erlutert von Julius Hermann von Kirchmann, Berlin 1872, hier Band 2, S. 334; hierzu Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der brgerlichen Welt, S. 45. 278 Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 321.

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diese der Aufklrung verpflichtete Geisteshaltung auch in der gesamtstaatlichen Gesellschaft ihren Eingang. Die dadurch ermçglichte symbiotische kulturelle Entwicklung reprsentierte sich durch einen Verwandschaftskreis, dessen Angehçrige den politisch und intellektuell einflußreichsten Adelsfamilien der Herzogtmer sowie der dnischen Inseln entstammten und der als Bernstorff-Stolberg-Reventlow-Schimmelmannscher Familienkreis dem inneren Geprge des Staates seinen besonderen Stempel aufdrckte. In dem Maße, in dem fortan dezidiert aufklrerische Prmissen den allgemeinen Denk- und Handlungsmustern programmatischen Sinn und Orientierung verliehen, entstand eine gesellschaftspolitische Kultur, die grundstzlich eine Verbesserung und Veredlung der Menschheit intendierte. Kennzeichen dieses Aufklrungsdenkens wurden Verstandesbildung, vernunftgebundene Geisteshaltung und Fortschrittsoptimismus. Umgesetzt von einer aufklrerisch gesinnten Beamtenschaft, konnten grundlegende Reformen in sozialer Verantwortung durchgesetzt werden. Ziel dieser Reformen waren Befriedung und Vereinigung der im Gesamtstaat lebenden Staatsbrger unterschiedlicher Ethnien in deren „Bekenntnis zum dnischen Kçnig“, so daß „keine nationalen Gegenstze aufkommen konnten“279. Exemplarisch lßt sich dies anhand der Agrarreform, des Sklavenhandelsverbotes sowie der Handhabung der Zensur zeigen280. Die Agrarreform fhrte langfristig zur Bauernbefreiung281. Sie hatte in den 279 Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 19. Zugleich bewirkten aufklrerischer Diskurs und Reformpolitik in der Zeitspanne bis 1799, daß in Dnemark „Begeisterung fr die Franzçsische Revolution sich mit Kçnigstreue vereinbaren ließ“, Kersten Krger, Der aufgeklrte Absolutismus in Dnemark zur Zeit der Franzçsischen Revolution, S. 291; ein exponiertes Beispiel fr diese Harmonisierung zweier scheinbar gegenstzlicher Anschauungen bieten die Auffassungen des Plçner Amtmannes August Hennings, vgl. u. S. 186 f. Zum Kontext ferner Thorkild Kjærgaard, Danmark og den Franske Revolution. Le Danemark et la Revolution Francaise, En udstilling arrangeret af Det kongelige Bibliotek, S. 22 – 30. 280 Zu dieser Reformtrias Kersten Krger, Der Aufgeklrte Absolutismus in Dnemark zur Zeit der franzçsischen Revolution, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, S. 289 – 320, hier S. 291: „Freiheit des Denkens und der Presse, Befreiung der Bauern und Verbot des Handels mit Negersklaven in den dnischen Kolonien galten als Reformleistungen des Aufgeklrten Absolutismus, die eine Revolution verzichtbar machten“. 281 Die Erçrterung des agrarischen Reformbedarfs erfolgte berwiegend innerhalb zweier Zeitschriften. Zum einen in „Danmarks og Norges Økonomiske Magasin“, in den Jahren 1757 – 1764 herausgegeben von dem pietistischen Bergener Bischof

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Herzogtmern bereits innerhalb der ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts ihre ersten Anfnge genommen, indem einzelne Grundherren aus humanitren Erwgungen ihre Leibeigenen freistellten; Dnemark zog in der zweiten Jahrhunderthlfte ab 1767 ber einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten nach282. Nach theoretischer Vorbereitung durch verschiedene

und Prokanzler der Universitt Kopenhagen, Erik Pontoppidan; hierzu Sven Cedergreen Bech, Oplysning og Tolerance 1721 – 1784, Danmarks Historie Bind 9, Kopenhagen 1965, S. 334 – 336. Zu Bischof Pontoppidan s.a. Bech a.a.O., S. 243 f.; Michael Neiiendam, DBL 11, S. 436 – 440; Burkhard Krug, BBKL VII, Sp. 830 f.; Christian Degn, Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel, S. 140 f. – Ein zweites publizistisches Medium der Agrarreform war „Den Patriotiske Tilskuer“, das Jens Schielderup Sneedorff zwischen 1761 und 1763 herausgab; hierzu Lisbeth Worsøe-Schmidt, Spectators in Denmark, in: Enligthened Networking, ed. by Thomas Bredsdorff and Anne-Marie Mai, S. 23 – 34, hier S. 30 – 34. Beiden Magazinen war seitens der Regierung die Mçglichkeit zum çffentlichen Diskurs bewilligt worden; zur entsprechenden deutschsprachigen Publizistik der Zeit vgl. etwa Christian Ulrich Detlev Freiherr von Eggers, Freigebung der Bauern auf Brahe Trolleborg in Fhnen, in: Deutsches gemeinnziges Magazin Band 2 / 1789, S. 297 f.; ders., Legung des Grundsteins zum Monument der Bauernfreiheit in Dnemark, in: Deutsches gemeinnziges Magazin Band 4 / 1792, S. 384 – 395. – Zum Ganzen a. Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830. Danmarks Historie Bind 10, Kopenhagen 1964, S. 56 – 120; Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 214 – 216; Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein in der Neuzeit, S. 514 – 522 und 553 – 561; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 216 – 265; ders., Die Stellungnahmen schleswig-holsteinischer Gutsbesitzer zur Bauernbefreiung, in: Erich Trunz und Dieter Lohmeier, Hg., Staatsdienst und Menschlichkeit. Studien zur Adelskultur des spten 18. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein und Dnemark, S. 77 – 87; Kai Detlev Sievers, Volkskultur und Aufklrung im Spiegel der Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichte, S. 174 – 191; Wolfgang Prange, Die Anfnge der großen Agrarreformen in Schleswig-Holstein bis um 1771, Neumnster 1971; Kersten Krger, Der Aufgeklrte Absolutismus in Dnemark zur Zeit der Franzçsischen Revolution, S. 299 – 309; Eckart Opitz, Schleswig-Holstein. Landesgeschichte in Bildern, Texten und Dokumenten, S. 136 – 146; Silke Gçttsch, „Alle fr einen Mann…“: Leibeigene und Widerstndigkeit in Schleswig-Holstein im 18. Jh., Neumnster 1991; Robert Bohn, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 80 – 82. 282 Die Zhflssigkeit des Verlaufes ließ durchaus abtrgliche Bewertungen der buerlichen Situation zu, vgl. die zeitgençssische Darstellung der Lage der Bauern in Dnemark bis zum Ende des 18. Jahrhunderts durch einen anonymen Verfasser, Freiheitsgeschichte Dnnemarks, in: Neues Deutsches Museum 1 / 1791, hg. von Heinrich Christian Boie, hier S. 229 – 270, bes. S. 241 – 268.

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„Landwesens-Kommissionen“283 und Probelufe auf privaten Gtern wurden agrarische Reformen „schließlich stufenweise auf gesetzlicher Grundlage im ganzen Land durchgefhrt“284. Die buerliche Leibeigenschaft lief auf den letzten schleswig-holsteinischen Gtern per Verordnung zum 1. Januar 1805 endgltig aus285. Hier wirkte ein Reformeifer, der sich „in gesteigerter Frsorge fr die Gesellschaft und die Untertanen, besonders fr den ,gemeinen Mann‘“286 einsetzte. Die Agrarfrage war ein entscheidendes gesellschaftliches Problem, auf dessen Lçsung der absolute Kçnig nur insoweit Einfluß nahm, als ihm eine vernnftige Kompetenz dafr zugesprochen wurde. Eine derartige politische Leitkultur war durchaus in der Lage, eine aktive, auf sozialen Ausgleich bedachte Politik im Sinne des Allgemeinwohls umzusetzen, was nicht zuletzt durch einen vom Staat bewilligten Meinungsbildungsprozeß in den entsprechenden Agrarmagazinen mit ermçglicht wurde. So wurde die Agrarreform Zug um Zug vorangetrieben von einer aufklrerisch gesinnten Administration, die auch Konflikte mit dem Großbrgertum nicht scheute, wie insbesondere das Sklavenhandelsverbot aus dem Jahr 1792 eindrucksvoll zeigt, das die großbrgerlichen Einnahmequellen entschei-

283 Hierzu Hans Jensen, Dansk Jordpolitik 1757 – 1919, Bd. I: Udviklingen af Statsregulering og Bondebeskyttelse indtil 1810, København 1936, S. 36 f. u. S. 62; Ole Feldbæk, Danmarks historie. Bind 4: Tiden 1730 – 1814, S. 156 – 160. 284 Kersten Krger, Absolutismus in Dnemark, S. 188; ebd. S. 189 sind genannt als abzustellende „Haupthindernisse jeglichen Fortschritts“: die Mehrfelderwirtschaft, Gemengelage und der Flurzwang, die wirtschaftliche Ineffektivitt der großen Brachflchen wie auch die buerlichen Lasten in Gestalt von Naturalabgaben sowie Fron- und Militrdienstverpflichtungen. Zum Ganzen auch Maria Eysell, Wohlfahrt und Etatismus. Studien zum dnischen Absolutismus und zur Bauernbefreiung 1787/88, Neumnster 1979, S. 116 – 143; Kai Detlev Sievers, Volkskultur und Aufklrung im Spiegel der Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichte, S. 154 – 174. 285 Verordnung vom 19. Dezember 1804, auszugsweise in: Quellen zur Geschichte Schleswig-Holsteins Teil I, S. 257 f.; hierzu Otto Brandt, Geschichte SchleswigHolsteins, S. 216; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1771 – 1830, S. 216 – 265; Franklin Kopitzsch, Schleswig-Holstein im Gesamtstaat 1721 – 1830: Absolutismus, Aufklrung und Reform, S. 289 – 293. Zu den bis zuletzt an der Leibeigenschaft festhaltenden Gtern gehçrte auch Emkendorf, vgl. zu diesem u. S. 220 Anm. 359. 286 Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 322.

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dend verminderte. Dieses Verbot erließ der Dnische Gesamtstaat im brigen als erster europischer Staat287. Die Gewhrung partieller Meinungsfreiheit, wie sie in der landwirtschaftsbezogenen Publizistik Dnemarks zutage trat, stellt im zeitgençssischen Vergleich durchaus eine Besonderheit dar. Sie war nur denkbar vor dem Hintergrund einer seitens des Staates nachsichtig gehandhabten Zensur288. Da Holstein durch seinen Lehnsstatus dem Jurisdiktionsbereich des Deutschen Reich angehçrte, galt fr dieses Herzogtum bis 1770 die auf dem Reichstag zu Speyer erlassene Gesetzgebung. Diese sah Zensur fr jedes gedruckte Werk vor289. In zwei Pressereskripten vom 14. September 1770 sowie vom 18. Oktober 1771290 wurde durch die Reformbemhungen des Grafen Struensee291 die absolute Pressefreiheit bewilligt292 ; 287 Hierzu Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830. Danmarks Historie Bind 10, Kopenhagen 1964, S. 116 – 120; Christian Degn, Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, 3. Aufl. Neumnster 2000, bes. S. 281 – 295; Kersten Krger, Der Aufgeklrte Absolutismus in Dnemark zur Zeit der Franzçsischen Revolution, S. 309 – 314. Zur Untersagung des dnischen Sklavenhandels hatten auch die in Holstein beheimatete Grfin Julia Reventlow geb. Schimmelmann sowie ihr Bruder Heinrich Ernst Schimmelmann entscheidend beigetragen, wobei sich die Grfin primr vom christlichen Gebot der Nchstenliebe, Schimmelmann dagegen eher von seiner Liebe zu seiner Schwester hatte leiten lassen; hierzu u. S. 226 f. 288 Vgl. hierzu und zum Folgenden Kersten Krger, Der Aufgeklrte Absolutismus in Dnemark zur Zeit der Franzçsischen Revolution, S. 296 – 299. 289 Hierzu Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 129. 290 Abgedruckt in: Chronologische Sammlung der im Jahre 1770 bzw. 1771 ergangenen Kçniglichen Verordnungen und Verfgungen fr die Herzogthmer Schleswig und Holstein, die Herrschaft Pinneberg, Grafschaft Ranzau und Stadt Altona, Kiel 1800, hier: Nr. 33 / 1770, S. 81, und Nr. 28 / 1771, S. 37 f. 291 Hierzu Kersten Krger, Mçglichkeiten, Grenzen und Instrumente von Reformen im Aufgeklrten Absolutismus, S. 34 f. Mit dem Sturz Struensees im Jahr 1772 erlitt das Reformwerk des Gesamtstaates einen Rckschlag. Sein Nachfolger Guldberg verfgte noch im gleichen Jahr die Aufhebung der zuvor eingerumten Pressefreiheit fr die politischen Zeitungen in Schleswig und Holstein; im Hintergrund stand der Unwille der Regierung ber die in einzelnen Zeitungen der Herzogtmer publizierten Rstungsanstrengungen des Staates; hierzu Rudolf Blck, Das schleswig-holsteinische Zeitungswesen von den Anfngen bis zum Jahre 1789, Kiel 1928, S. 198 f. Diese erneute Einschrnkung der Pressefreiheit wurde jedoch durch die besonderen Konditionen des Vertrages von Sarskoje Selo aufgehoben. 292 Neben Großbritannien wurde Dnemark so einer beiden ersten Staaten, in denen die Pressezensur dahinfiel; hierzu Rudolf Blck, a.a.O., S. 197. Die absolute Pressefreiheit erstreckte sich nach dem Wortlaut der Verordnungen explizit auf

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nach dem Vertrag von Sarskoje Selo galten diese Presseverordnungen ab 1773 fr beide Herzogtmer. Aus diesen Gesetzesgrundlagen resultierte primr eine lebhafte Entwicklung des Pressewesens293 ; sekundr realisierten sie weithin ein Vertrauensverhltnis zwischen dem Regenten und dem einzelnen Untertan294, das nach 1789 mit Gewißheit dazu beitrug, ein bergreifen revolutionrer Ideen auf den Gesamtstaat zu verhindern. Umgekehrt gewhrleistete „ein solches Verhalten der Regierung schnellen Einblick in das politische Denken des Volkes“295. Nachdem jedoch der Prsident der Deutschen Kanzlei, Andreas Peter Bernstorff, im Sommer 1797 verstorben war, folgte ihm in diesem Amt Cay Friedrich Reventlow, Bruder des Emkendorfer Grafen Fritz Reventlow296. Mit dem neuen Prsidenten verband sich eine zunehmende Eindmmung der von Regierungsseite bislang zugelassenen Liberalisierung. Kçniglicherseits wurde zur gleichen Zeit eine Kommission zur Erarbeitung neuer Gesetze gegen den Mißbrauch der Pressefreiheit ernannt, was zwei Jahre darauf am 1. November 1799 zu einem neuen fr die Herzogtmer er-

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„Bcher und Schriften“; so sah das Reskript Christians VII. vom 14. September 1770 vor, „in Unseren Reichen und Landen berhaupt eine uneingeschrnkte Freyheit der Presse solchergestalt zu gestatten, daß von nun an niemand schuldig und verbunden sein soll, seine Bcher und Schriften, die er dem Drucke bergeben will, der bisher verordneten und hierdurch gnzlich aufgehobenen Zensur und Approbation zu unterwerfen“. Einschrnkend ließ hingegen das Respkript vom 18. Oktober 1771 alle „Injurien, Pasquillen und aufrhrerischen Schriften“ von der Pressefreiheit wiederum ausgenommen sein; zit. n. dem Wortlaut der beiden Reskripte, LAS 65, Nr. 677. Hierzu Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 221; Franklin Kopitzsch, Organisationsformen der Aufklrung, S. 54; Olaf Klose, Die Jahrzehnte der Wiedervereinigung 1721 – 1773, Neumnster 1960, S. 138 – 142. Daß ein solches „Vertrauensverhltnis“ durchaus positive Resonanz finden konnte, zeigt die ußerung des in Plçn ansssigen Grafen Schmettow, die Pressfreiheit sei „das beste Mittel gegen jeglichen Despotismus: sie mache den Tyrannen zum Landesvater, den Schwrmer zum Weisen“, zit. n. Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 271. Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 131. – Zum Ende des 18. Jahrhunderts erlebte das Herzogtum Holstein zwei spektakulre regierungsseitig ausgelçste Verfahren im Kontext der Pressefreiheit, die sich an Publikationen des in Plçn lebenden Grafen Woldemar von Schmettow sowie des Kieler Professors Carl Friedrich Cramer festmachten. Hierzu J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 3/1, Kopenhagen 1816, S. 2 – 16 sowie u. S. 209 – 214 und S. 268 – 274. Zu Andreas Peter Bernstorff o. S. 101 Anm. 252; zu den beiden Reventlows u. S. 219 – 222 sowie S. 300 f.

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lassenen restriktiven Pressegesetz fhrte297. Hatte es in dem sich nunmehr neigenden Jahrzehnt unter dem Schutz der bis dahin geltenden Reskripte ein Anwachsen publizistischer Auseinandersetzung mit den von Frankreich ausgehenden liberalen Prinzipien gegeben, so sah sich jetzt die Reaktion auf den Plan gerufen: Aufrufe zu einer Vernderung der Regierungsform, zum Aufstand gegen den Kçnig oder zu Widersetzlichkeit gegen den Kçnig fielen fortan unter die Todesstrafe; jedwede Verhçhnung der Konstitution oder der Regierung zog – selbst bei Vorliegen einer ironischen oder allegorischen Frbung – knftig den Landesverweis nach sich298. Gleichwohl lßt sich festhalten, daß der grundstzlich reformfreudige aufgeklrte Absolutismus des dnischen Landesherrn und die zumindest bis zum Tode Andreas Peter Bernstorffs 1797 von Regierungsseite praktizierte Toleranz299 im Rezeptionsprozeß der liberalen Ideen in Schleswig und Holstein fr eine wesentliche Abfederung der revolutionren Dyna-

297 Chronologische Sammlung der im Jahre 1799 ergangenen Kçniglichen Verordnungen und Verfgungen fr die Herzogthmer Schleswig und Holstein, die Herrschaft Pinneberg, Grafschaft Ranzau und Stadt Altona, Kiel 1800, Nr. 47, S. 73 – 75. Hierzu Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830. Danmarks Historie Bind 10, S. 193 – 203. 298 Hierzu Circular-Verfgung gegen die Misbruche der Preßfreyheit, an alle Obrigkeiten des Herzogthums Schleswig, gegeben auf Gottorf, den 25sten November 1799, Schleswig 1799; Anonymer Verfasser, ber die neueste Verordnung zur Bestimmung der Grenzen der Presfreiheit in Dnnemark, in: Neues Deutsches Magazin 1 / 1801, hg. von Christian Ulrich Detlev Freiherr von Eggers, S. 135 – 142; ebd. S. 140 f.: „Die Strafen sind, ganz entgegen der bisherigen Gesetzgebung, der Regel nach Leibesstrafen: Gefngnis bei Wasser und Brod von 4 bis 14 Tage, Verhaftung in Verbesserungs-Husern von 2 Monat bis 3 Jahr, Landesverweisung von 3 bis 10 Jahre. Dagegen sind die auf Majesttsverbrechen geringerer Grade in dem Gesez gelegten Strafen gemildert. Nur wer eine Vernderung in der konstitutionsmssigen Regierungsform in Drukschriften anrth, oder zur Empçrung gegen den Kçnig oder zur Widersezlichkeit gegen Seine Befehle reizt, hat das Leben verwirkt; wer die Konstituzion oder die Regierung boshaft anfeindet oder verspottet, wird verbannt, und, wenn er sich demungeachtet, ohne erhaltene Erlaubnis wieder innerhalb der Grenzen des Reiches betreten lßt [sic, L.-P.]), zur lebenslangen Sklaverei verurtheilt. In beiden Fllen schweigt das Gesez von der Konfiskazion der Gter. berhaupt scheinen die Strafen […] nicht zu hart zu seyn“. Hierzu a. Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 134; Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 550; Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt in der Zeit der Aufklrung und der Franzçsischen Revolution, S. 337 f. 299 Vgl. hierzu Wolf Christian Matthiae, ber die Toleranz in den dnischen Staaten, Flensburg 1780, passim.

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mik sorgten300. Sicher nicht von ungefhr kontrastierte der zeitgençssische Verfasser einer „Freiheitsgeschichte Dnnemarks“301 den Weg zweier Staaten Europas, „krftig und manhaft fr Freiheit [zu arbeiten, L.-P.]: Frankreich und Dnnemark. Beide betreten so verschiedene Wege, daß selbst edle Mnner verkennen, daß beide ein Ziel haben. In Frankreich ward die ganze Gesetzgebung zertrmmert; alles, was war, sollte nicht mehr sein; man machte ein Chaos, um eine neue Schçpfung zu bereiten. In Dnnemark stand die gesetzgebende Macht auf ihren Pfeilern, und zndete selbst die Fackel der Freiheit an […] Frankreichs Staatsrevoluzion (und warum nicht Umsturz, Umwlzung ?) ist mehr allgemein sichtbar und daher allgemeiner in Europa beurtheilt worden, als die dnische Gesetzrevoluzion.“302

300 Hierzu Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 222: „Als Bernstorff, der große Kosmopolit, am 21. Juni 1797 […] die Augen schloß, begann fr SchleswigHolstein eine neue Zeit. Sein Werk zerbrach an dem Geiste Frankreichs, dessen hohe rationale Kultur er in seiner Jugend in sich aufgenommen, gegen dessen durch die Große Revolution ausgelçsten Exzesse er aber in seinen letzten Lebensjahren vergebens gekmpft hatte. Die Krfte des Geistes und der Seele, des Adels und des Volkes, die er im Sinne des Humanittsideals zu ungestçrter Harmonie hingelenkt hatte, lçsten sich auf dem Boden der Herzogtmer auf“. Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, kontrastiert S. 207 – 215 die Franzçsische Revolution und die „Ruhe des Nordens“; Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830. Danmarks Historie Bind 10, faßt S. 192 die Haltung der çffentlichen Meinung in Dnemark zur Revolution zusammen: „Den offentlige mening i Denmark var ung, og den var umoden; den savnede evne til at hæve sig over de prisværdige hjemlige forhold og abstrahere lidt fra dem. Man savnede en førerskikkelse uden for regeringens kreds. Og inden den offentlige mening var næt til skels ar og alder, døde den, eller rettere: den blev ombragt“. Kersten Krger, Der aufgeklrte Absolutismus in Dnemark zur Zeit der Franzçsischen Revolution, bilanziert S. 291: „In der Zeit bis 1799 herrschte […] in Dnemark eine Offenheit aufklrerischer Diskussion und Reformpolitik, daß Begeisterung fr die Franzçsische Revolution sich mit Kçnigstreue vereinbaren ließ“. Werner Schneiders, Reformaufklrung in Deutschland, in: Paul Geyer Hg., Das 18. Jahrhundert. Aufklrung, Regensburg 1995, S. 23 – 42, hier: S. 32 f., weist bei der Beurteilung der staats- und rechtsphilosophischen Theorie des aufgeklrten Absolutismus darauf hin, daß diese „meist auf einen idealen Reformabsolutismus hinaus[luft, L.-P.], der den faktischen Verhltnissen nicht nur als Legitimation diente, sondern auch als Limitation entgegenstand, nmlich als eine Theorie des wahren Staates und der wahren Politik“. 301 Anonymer Verfasser, Freiheitsgeschichte Dnnemarks, in: Neues Deutsches Museum 1 / 1791, hg. von Heinrich Christian Boie, S. 229 – 270. 302 Ebd. S. 234.

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Kapitel I

Diese von einer mutmaßlichen „Gesetzrevoluzion“ freigesetzte Elastizitt des gesamtstaatlichen Sozialgefges303 ermçglichte vorerst dessen Beibehaltung in den dnischen Staatsgebieten304, wenngleich der gesellschaftliche Diskurs einer theoretischen Erçrterung der in Frankreich stattgefundenen revolutionren Ereignisse faktisch in Gang gesetzt war. Dies gilt es im folgenden hinsichtlich der Herzogtmer Schleswig und Holstein wie auch des politisch eigenstndigen, kulturell fr sein holsteinisches Umland jedoch bedeutsamen kleinen Frstbistums Lbeck zu zeigen.

303 Die dnische Geschichtsschreibung spricht angesichts dieses historischen evolutionren Versuchs einer „Konsensuskultur“ des Gesamtstaats im Vergleich zur revolutionren Alternative Frankreichs vom Spezifikum eines „danske vej“; hierzu Michael Bregnsbo, Historisk Essay. Den danske vej. Om Traditionen for den danske konsensuskultur, Historie Nr. 2, rhus 1996; ders., Samfundsorden og statsmagt set fra praedikestolen. Danske praesters deltagelse i den opinionsdannelse vedroerende samfundsordenen og statsmagten 1750 – 1848, København 1997, S. 264 – 268; vgl. diesbezglich bereits C.[arl] F.[erdinand] Allen, Haandbog i Fædrelandets Historie, København 1863, S. 711 f., der die Begrifflichkeit des „dnischen Weges“ im Kontext eines historischen Rckblickes auf den dnischen Absolutismus jenseits der Franzçsischen Revolution seit 1840 verwendet. 304 Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt in der Zeit der Aufklrung und der Franzçsischen Revolution, urteilt S. 327: „Niemals ist die staatsbrgerliche Treue ins Wanken geraten; kein Angehçriger des vierten Standes hat ernsthaft gewagt, an den Sturz einer Monarchie zu denken, die ja weiterhin darauf bedacht war, auf dem Wege der Reform und in Weiterfhrung der Bauernbefreiung die Lebensverhltnisse gerade der niederen Bevçlkerungsschichten zu verbessern“; vgl. hierzu jedoch u. S. 146 – 151 die Intentionen der Altonaer Jakobiner; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, resmiert S. 207: „Erst das 19. Jahrhundert bringt […] den Durchbruch der neuen, von der Franzçsischen Revolution ausgelçsten Ideenwelt“. – Fr das zeitgençssische Deutschland stellt Hans-Ulrich Wehler den Mangel dreier Ursachen fr die „unterschiedliche[n] Wellen der Revolution“ fest: „Die Attacke von Teilen des gehobenen Brgertums und liberalen Adels gegen das Ancien Rgime; die Bauernaufstnde und die Erhebung der stdtischen Unterschichten und verarmten Kleinbrger“, ders., Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformra 1700 – 1815, Mnchen 1987, hier S. 355.359; diese Feststellung gilt mutatis mutandis auch fr den zeitgençssischen Dnischen Gesamtstaat, in dem sich der Wunsch nach einer wie auch immer gearteten konstitutionellen Verfassung whrend der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts nicht artikuliert hat; hierzu Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830, S. 192. Ebd. sein Fazit ber die Auswirkungen der Erçrterungen der revolutionren Gedanken innerhalb Dnemarks: „Det bliv kun til skriveri“.

Kapitel II Obrigkeitsgehorsam in revolutionrer Zeit: Auswirkungen der Franzçsischen Revolution und die auf diese gerichtete Reaktion in den Herzogtmern Schleswig und Holstein sowie im Frstbistum Lbeck 1. „Volkes Stimme“ in den Herzogtmern „Zum Beweise, wie die Revolutionsideen in die Dçrfer kamen und zu der rmern Volksklasse hinab“, schildert Claus Harms in seiner 1851 verçffentlichten Lebensbeschreibung eine Szene aus dem Dithmarscher Alltag der Revolutionszeit: „Ein Schulkind, eines Bauern Tochter, kommt bei einem Spiel in Zank mit einem andern Schulkinde, eines Arbeitsmannes Tochter; da sagt letztere: Schweig’du nur still; du meinst wohl, daß du mehr bist, als ich bin, allein bers Jahr wohnen meine Eltern in deinem großen Hause und du kannst mit deinen Eltern in unsre Kate kriechen“1.

Sogar einheimische Augenzeugen der revolutionren Geschehnisse gab es. Die Seefahrt der an Nord- und Ostsee beheimateten Bevçlkerung brachte es mit sich, daß einzelne Landeskinder direkt mit den Ereignissen der Revolution vor Ort konfrontiert wurden. Ein solcher Zeitzeuge ist etwa der auf Sylt beheimatete Schiffskapitn Jrgen Jens Lorensen2, der Vater jenes

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Claus Harms’ Lebensbeschreibung, S. 13 – 203, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, hg. von Peter Meinhold, Band I, Flensburg 1955, hier: S. 53. – Auch in Altona, einem Zufluchtsort zahlreicher franzçsischer Emigranten, entstanden unter Schlern Auseinandersetzungen und Streitigkeiten zwischen „Republikanern“ sowie „Royalisten und Aristokraten“, vgl. die biographischen Notizen aus der Kindheit des spteren Itzehoer Stndeabgeordneten Georg Lçck bei Adv. Raabe, Georg Lçck, in: Jahrbcher fr Landeskunde Bd. II, Kiel 1859, S. 182 – 199, hier S. 188; Beispiele buerlicher Verweigerung von Spanndiensten und sonstigen Arbeitspflichten in den Jahren nach der Franzçsischen Revolution finden sich bei Wilhelm Sell, Hg., Rllschau in Angeln, Husum 1990, S. 32 f. Lorensen war 1759 in Archsum auf der Insel Sylt geboren. Zum Folgenden Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen. Ein Beitrag zur Geschichte der Wiedergeburt des

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Kapitel II

Uwe Jens Lornsen, der mit seiner Verfassungsschrift im Jahr 1830 den Anstoß zur politischen Neuentwicklung der Herzogtmer Schleswig und Holstein geben sollte3. Lorensen befand sich seit dem 9. Juli 1789 in Paris, um im Auftrag seiner Reeder einen fr diese erfolgreichen Prozeß zu fhren, in dem es um die Begleichung von Frachtkosten zweier nach Konstantinopel gesegelter Sylter Brigantinen ging. Dabei erlebte er den Ausbruch der Revolution vor Ort und wurde zum direkten Augenzeugen des Bastille-Sturms4. Bemerkenswert scheint die positive Konnotation einer von Lorensen berlieferten Reminiszenz, derzufolge er die ihm whrend der revolutionren Wirren abgenommenen silbernen Schnallen seiner Schuhe anschließend durch die Pariser Polizei zurckerhielt5. Ein weiterer Augenzeuge der revolutionren Geschehnisse war der Arnisser Pastorensohn Friedrich Marquard Meyer6. Dieser hielt sich

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Deutschen Volkes, Kiel 1872, S. 159; Wilhelm Jessen, Uwe Jens Lornsens Vorfahren und ihre Welt, in: ZSHG 66 / 1938, S. 140 – 189, hier S. 163 – 167. Zu Lornsen u. S. 427 – 429 und S. 482 – 485. Der ursprngliche Familienname lautet Lorenzen, so auch in den Kirchenbchern von St. Severin in Keitum. Der friesische Sprachgebrauch lßt jedoch anders als der des schleswig-holsteinischen Festlandes bei weich gesprochenem „z“ die erste Silbe betont sein, so daß Lornsen „seinen Taufnamen verunstaltet zu hçren durch Holsteinische Aussprache […] zuletzt so unertrglich wurde, daß er die Schreibung der Friesischen Mundart anbequemte“, Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, S. 159. Hierzu Karl Jansen, a.a.O.; Wilhelm Jessen, berichtet a.a.O. S 166 f. aus biographischen Aufzeichnungen: „Eines Tages, am 14. Juli (1789), sammelten sich große Volkshaufen auf der Straße; der fr Volksfreiheit begeisterte Sylter Seemann war natrlich dabei. Die Volksmassen wlzten sich nach der Festung von Paris, der Bastille; der Friese mußte mit. Er kam bis unter die Mauern des großen Gefngnisses, da flog ihm von der Zinne eine abgehauene Hand an den Kopf; die Bastille war erobert; das Volk hatte gesiegt, die Freiheit wurde proklamiert“. Zur unmittelbaren Augenzeugenschaft der in den Herzogtmern nach 1789 lebenden franzçsischen Emigranten vgl. u. S. 170 – 181. Jansen, a.a.O; Jessen, a.a.O., S. 167. Zu diesem D.[etlev] L.[orenz] Lbker und H.[ans] Schrçder, Lexikon der Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1796 – 1828, 1. Abth., Altona 1829, S. 368; F.V.I. Wulff, Hg., Verzeichnis der im Schleswig-Holsteinischen Amtsexamen bestandenen Theologen, nebst einigen Angaben, das Leben und die Befçrderung derselben betreffend, Kiel 1844, S. 13; Eduard Alberti, Hg., Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1829 bis Mitte 1866, II. Abth., Kiel 1868, S. 45 f.; A. Jantzen, DBL 11 / 1897, S. 284; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, København 1932, S. 71; Erwin Freytag, Aus der Chronik des Kirchspiels Sieverstedt, Sieverstedt 1951, S. 104 – 107; Walter Luth, Arnis. Kleine Stadt mit großer Vergangenheit, Arnis 1977, S. 51.

1. „Volkes Stimme“ in den Herzogtmern

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whrend der Revolution als junger Student in Paris auf; durch seinen beredten Einsatz fr einen bereits zum Tode verurteilten Adligen gelang es ihm, dessen Leben zu retten, woraufhin jener Aristokrat ihm zum Dank eine lebenslngliche Rente aussetzte7. Nach seinem 1792 in Glckstadt abgelegten Examen wurde Meyer zunchst Legationsprediger in Paris8 ; auch wirkte er als gegenber der Revolution aufgeschlossener Hauslehrer9 in der Familie des dnischen Lehnsgrafen Nikolaus Luckner, der bis zu seiner Guillotinierung im Mai 1794 dem Corps der girondistischen Generle als franzçsischer Marschall angehçrte10. Im Jahre 1797 kehrte Meyer als Sieverstedter Pastor ins Herzogtum Schleswig zurck; eine gewisse Affinitt zur Aristokratie durchzog auch sein weiteres Leben11. Eine flchendeckende Kenntnisnahme und Begleitung der revolutionren Ereignisse ermçglicht in den Herzogtmern jedoch ganz entscheidend der Umstand, daß die Revolution medial anschaulich und außerordentlich aktuell vermittelt wird. Ebenso wie in anderen europischen Regionen machen die Informationstrger „Buchstabe und lithographiertes Bild […] aus der Revolution auch ein Medienereignis: Erstmals in der Geschichte wird Weltgeschichte hier reportagehaft als moderne ,secondhand-Erfahrung‘ reproduziert“12. Da erfhrt die Bevçlkerung in den 7 Hierzu Erwin Freytag, a.a.O., S. 104 f. 8 Eduard Alberti, a.a.O., S. 45; Otto Fr. Arends, a.a.O. 9 Walter Luth, a.a.O.; Jantzen, a.a.O.: „Han gjennemlevede saaledes paa nært Hold Terrorismens Dage og var ikke alene Medlem, men begejstret Taler i Jacobinerklubben“; ein weiterer Schleswig-Holsteiner, dem mehrfach direkter Zutritt zum Jakobinerklub erlaubt wurde, war der Kieler Professor Johann Christian Fabricius, vgl. zu diesem u. S. 239 – 241. – Alberti schließlich hebt a.a.O. (Anm. 6) S. 45 hervor, daß Meyer whrend seiner Zeit als in Paris lebender Legationsprediger und Hauslehrer Gelegenheit hatte, „seine freisinnigen Ansichten noch mehr auszubilden u. sich mit seiner Lieblings-Wissenschaft, der Politik, vertrauter zu machen“. 10 Zu Nikolaus Graf Luckner u. S. 206 Anm. 313. 11 Im Jahr 1801 wurde Meyer zum Gottorfer Schloßprediger ernannt; spter berief ihn Friedrich VI. persçnlich zum Pastor von Hagenberg auf der Insel Alsen, wo Meyer von 1807 bis zu seinem Tod am 06. Dezember 1834 enge Verbindungen zum Hof des Herzogs von Augustenburg unterhielt. Er galt seinen kirchlichen Vorgesetzten hier als „Mann mit dem großen Einfluß“ und „dem frstlichen Anstand“, zit. n. Erwin Freytag, a.a.O., S. 107. – In der gut 200 Broschren hervorbringenden „Thesenfehde“ des Jahres 1817/18 stellte sich Meyer publizistisch gegen Claus Harms und verfocht gegen die Orthodoxie einen konsequenten Rationalismus; zu diesem Kontext u. S. 452 – 459. 12 Wolfgang Kaschuba, Revolution als Spiegel. Reflexe der Franzçsischen Revolution in deutscher ffentlichkeit und Alltagskultur um 1800, in: Holger Bçning, Hg.,

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Herzogtmern kaum mehr als zwei Wochen nach den entsprechenden Ereignissen aus dem „Altonaischen Mercurius“, daß „bey dem schrecklichen Tumult am 14ten […] sogar die in Louvre befindlichen Mobilien des Kçnigs nicht verschont“ wurden und daß „das wthende Volk den ganzen Vorrath an Gewehren“

an sich genommen habe13. In einer Nachricht vom 24. August 1789 aus Paris wird Ludwig XVI. im Mercurius „als Wiederhersteller der Franzçsischen Freyheit proclamiret“, whrend die gleiche Zeitung am 3. September 1789 ihrer Leserschaft bereits einen Abdruck der von der „National-Versammlung“ beschlossenen und „als zur Constitution gehçrig angenommenen Erklrung der Rechte des Menschen in Gesellschaft (sic, L.-P.)“ offeriert14. In Flensburg informiert das çrtliche „Wochenblat fuer Jederman“15 in seiner Ausgabe vom 29. Oktober 1794, daß „der neue Tafelkalender nach der franzçschen und gemeinen Zeit-Rechnung […] bey dem hiesigen Buchbinder Moellerstedt fuer 4 ßl. zu haben“ sei16. Die gleiche Zeitung macht am 16. September 1795 darauf aufmerksam, daß neben diversen

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Franzçsische Revolution und deutsche ffentlichkeit, S. 381 – 398, hier: S. 381; zum Hintergrund a. Brigitte Schoch-Joswig, Die Franzçsische Revolution im Spiegel der deutschen Bildpropaganda (1789 – 1799), Worms 1988. Altonaischer Mercurius Nr. 121, Sp. 1554, vom 30. Juli 1789. Altonaischer Mercurius Nr. 141, Sp. 1867 f., vom 3. September 1789; die hier abgedruckte Aufzhlung der Menschenrechte endet mit deren Art. 9. Dafr findet sich Sp. 1869 eine ausgiebige Erçrterung des Art. 10 („Niemand soll wegen seiner Meinungen, selbst religiçser Art, beunruhigt werden, solange ihre ußerung nicht die durch das Gesetz festgelegte çffentliche Ordnung stçrt“); hierzu hlt der Mercurius in einem Kommentar fest, daß es die am Beschlußtage innerhalb der Nationalversammlung prozentual herausragend vertretene Geistlichkeit war, die dem nach dem Willen Mirabeaus ausschließlich der Religionsfreiheit verpflichteten Art. 10 nachtrglich die den kirchlichen Standpunkt begnstigende Orientierung auf die Meinungs- und Religionsfreiheit abgetrotzt habe. Die Wiedergabe der Art. 11 – 17 der Menschen- und Brgerrechte unterlßt die Zeitung hingegen. Dabei beeindruckt die Tatsache, daß zwischen dem Beschluß dieser Rechte und dem Erscheinungsdatum der ber sie berichtenden Ausgabe des Mercurius nicht mehr als neun Tage liegen. In der gut 10000 Einwohner zhlenden Stadt hatte die Zeitung zu dieser Zeit etwa 500 Abonnenten, so Rudolf Blck, Das schleswig-holsteinische Zeitungswesen von den Anfngen bis zum Jahr 1789, S. 109; hinter jedem Bezieher drften durchschnittlich drei weitere Nutzer und damit 2000 Leser auf allenfalls 8000 erwachsene Einwohner gestanden haben. Flensburgsches Wochenblat fuer Jederman vom 29. Oktober 1794, S. 143; vgl. hierzu o. S. 48 Anm. 79.

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weiteren Publikationen in den çrtlichen Lesegesellschaften17 auch der Sammelband „Frankreich im Jahr 1795, aus Briefen deutscher Mnner in Paris“ einsehbar sei, ebenso wie das „Magazin Encyclopedique ou Journal des Sciences des Lettres & des Arts, redig par Millin, Boel & Warens. Die grçssesten Schriftsteller Frankreichs, fast ohne Ausnahme, arbeiten daran“18. Am 1. Oktober 1795 bewirbt das „Wochenblat“ den „Almanach der Revolutionsopfer, mit vielen Kupf., ganz neu, von 1794 und 95“19 ; am 2. Mrz 1796 offeriert der çrtliche Buchhandel eine Reihe revolutionskritischer Werke, darunter „Brissots20 Schilderung der jezzigen Anarchie Frankreichs“ sowie „Mallet du Pan ber die franz. Revolution; bersezt von Gentz“, ferner eine „Vertheidigungsschrift fr Ludwig XVI. von Dugour. Eine Blume auf Ludwigs Grab“; andererseits finden sich revolutionsfreundliche Publikationen wie die „Vertheidigung der frz. Revolution und ihrer Bewunderer in England, von Mackingrosp“ oder „Robespierre geschildert, mit seinem Bildnis“. Angepriesen werden ferner die „Gemlde der Kçnige von Frankreich, 94“, das „Tagebuch des Revolutions-Tribunals, 3 Bnde, 94“ sowie die „Scenen in Paris, vor und nach Zerstçrung der Bastille, mit Kupf., von Vulpius, 5 Bnde“21. 17 Nach einer Meldung des Flensburgschen Wochenblats vom 27. August 1794 gab es vor Ort drei deutsche, eine dnische sowie eine franzçsische Lesegesellschaft. Deren Bibliothek umfaßte keinen einzigen theologischen Titel, wohl aber Paines Rechte des Menschen, etliche Werke von August Hennings und Woldemar von Schmettow – zu diesen u. S. 182 – 214 – sowie nicht weniger als 33 „Zur franzçsischen Revolution gehçrige Schriften“, vgl. O.J.P. Diguemann, Systematisches Verzeichnis der Bcher und Schriften der drei deutschen Lesegesellschaften in Flensburg, Flensburg 1794, S. 33 – 44. Nach dem ebd. S. 45 – 47 abgedruckten Interessentenverzeichnis waren weniger als 3 % der Mitglieder der Lesegesellschaft Geistliche; dies waren die beiden Pastoren Christian Clausen, 1790 bis 1799 ttig in Bau, und Thomas Johannsen, 1759 bis 1809 amtierend in Handewitt. Zu diesen Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band I, S. 139 und 412. Zum Kontext: Franklin Kopitzsch, Lesegesellschaften und Aufklrung in SchleswigHolstein, in: ZSHG 108/1983 S. 141 – 170; ders., Die Aufklrung in Flensburg, Grenzfriedenshefte 3/4 / 1984, S. 215 – 227, hier: S. 220; Oliver Lamprecht, Das Streben nach Demokratie, Volkssouvernitt und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin 2001, S. 59 – 61. Im dçrflichen Flintbek traf die vom Lehrer gegrndete 14kçpfige Lesegesellschaft der „Einwurf, daß der gemeine Mann dadurch abgehalten werde, seine Bibel zu lesen“, Friedrich Hoffmann, Claus Rixen. Ein Dorfschullehrer der Aufklrungszeit, Kiel 1956, S. 38. 18 Flensburgsches Wochenblat fuer Jederman vom 16. September 1795, S. 91 – 94. 19 Flensburgsches Wochenblat fuer Jederman vom 1. Oktober 1795, S. 112. 20 Vgl. zu Jacques Pierre Brissot u. S. 265 Anm. 539. 21 Flensburgsches Wochenblat fuer Jederman vom 2. Mrz 1796, S. 283.

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Von diesem Befund her leidet es keinen Zweifel: Die Franzçsische Revolution bewirkte ein politisches Interesse, das sich in einer wachsenden Nachfrage nach entsprechender Literatur und Publizistik spiegelte. Zeigt sich der Nachrichtenfluß ber die Franzçsische Revolution in den Herzogtmern damit als hochgradig aktuell und außerordentlich illustrativ, verwundert es nicht, wenn der Lundener Diakon Johann Peter Thiessen22 in seiner 1793 erscheinenden revolutionskritischen Schrift23 eine landesweite Anteilnahme an den revolutionren Ereignissen feststellt. So seien die „Lieblingsmaterien der Freyheit und Gleichheit“ und die „bisherigen Revolutionsbegebenheiten“ gngiges Gesprchsthema berall dort, wo „einige Menschen einige Stunden zusammen sind, und im vertrauten Tone sich unterhalten“24. Whrend der Kaffeegesellschaften der Wilsteraner Honoratioren gibt es gelegentlich Streit: Der Pastor verdammt die Franzosen „in die Hçlle“, der Schulrektor nimmt sie in Schutz25. Auch der Pastor in Lensahn hlt rckblickend fest, daß „in den neunziger Jahren […] in Gesellschaften die Franzçsische Revolution ein Hauptgegenstand der Unterhaltung ward, und […] die mehrsten geneigt waren, alle gute Absichten ihr zum Grunde zu legen, alle frommen Wnsche durch sie in Erfllung gehen zu lassen“26. Eine bemerkenswerte ffentlichkeit ihrer Bekenntnisse zur Revolution 22 Johann Peter Thiessen war seit 1785 Diakon in Lunden und wurde dort 1805 Hauptpastor. Damit war er ab 1806 unmittelbar vorgesetzter Amtsbruder des in diesem Jahr hier zum Diakon gewhlten Claus Harms, den er in dessen Konflikten des Jahres 1814 hervorragend untersttzte. Zu Thiessen: Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band II, S. 309; vgl. a. Claus Harms’ Lebensbeschreibung, S. 13 – 203, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, hg. von Peter Meinhold, Band I, hier S. 96. 23 Johann Peter Thiessen, Ein Holsteiner an seine Landsleute in den dnischen Provinzen, um sie gegen den unsinnigen Freyheitsschwindel zu bewahren, Flensburg 1793. 24 Thiessen, a.a.O., S. 1. Im gleichen Jahr erschien bereits in zweiter Aufl. Johann Leonhard Callisens Schrift mit dem in diesem Kontext bemerkenswerten Titel: „Warum wird im gemeinen Leben so wenig von Gott geredet, da es doch der ntzlichste Gegenstand der Unterhaltung ist?“, Schleswig 1793 (Erste Aufl. Kopenhagen 1791); hier heißt es S. 5: „Es wird uns auffallend sein, daß man in der Christenheit, besonders in protestantischen Gegenden, und am wenigsten unter feinen gebildeten Menschen von Gott sprechen hçrt“. 25 Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes – ernsten und humoristischen Inhalts, Schleswig 1841, S. 241. 26 G.[eorg] P.[eter] Petersen, Erinnerungen aus dem Leben des Kçniglichen Justizrathes Peter Matthiessen, Altona 1825, S. 75

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erlaubt sich die Kieler Studentenschaft. So erinnert sich der ehemalige Rektor der Schleswiger Domschule: „Fluch den Pallsten, Friede den Htten! so schrieben wir als Motto in die Stammbcher, so riefen wir beim nchtlichen Nachhausegehn durch die stillen einsamen Gassen. Es lebe die Freiheit! nieder mit den Tyrannen! so brllten wir oft durch die Nacht; aber wenn wir die Pallste gehçrig verflucht hatten, so ließen wir sie ruhig stehn, und man fand am andern Tage auch keine Scheibe an denselben geknickt; wenn wir die Tyrannen in die Unterwelt hinab gewnscht hatten, so berließen wir es ihnen selbst, sich nun den nchsten Weg dahin zu suchen, und hatten das Unsrige getan.“27

So zeigt sich, daß die Ereignisse der Franzçsischen Revolution auf der Landbrcke zwischen dem Heiligen Rçmischen Reich Deutscher Nation und dem europischen Norden weithin zur Kenntnis genommen und durchaus kontrovers diskutiert wurden. Sie bewegten die Gedanken und Emotionen der hier lebenden Menschen. Dabei konnten sich wie im Falle der von Harms dargestellten Szene eines Kinderzwistes erkennbar deutliche Umsturzgelste artikulieren, die von dem betreffenden Kind auf dem Wege entsprechender Vermittlung durch sein soziales Umfeld rezipiert worden sein mssen. Exemplarisch spiegelt sich hier aus dem kleinstdtischen Leben Dithmarschens eine soziale Ungleichheit, die in der Tat zur Voraussetzung revolutionrer Ereignisse htte werden kçnnen, wenn die politische Großwetterlage dies zugelassen htte. Dem war aber nicht so. In seinem Rckblick beurteilt Georg Friedrich Schumacher „unser Vaterland damals politisch glcklicher wie die meisten andern Staaten Europas; Sehnsucht nach einem vernderten Zustand war nirgends vorherrschend, und an eigentliche Nachahmung, an Umsturz des Bestehenden dachte bei uns Keiner im Ernst.“28

Mit einem derart positiven Urteil bleibt Schumacher nicht allein; hnliche Wertschtzung erfuhr jenes „Vaterland“ whrend des ausgehenden 18. Jahrhunderts von vielen Seiten29. Oftmals vernderten sich die anfngli27 Georg Friedrich Schumacher, a.a.O. (Anm. 25), S. 197; vgl. hierzu auch u. S. 237 – 239. – Schumachers Sohn Gustav Heinrich Ludwig verlor im Jahr 1850 sein Tçnninger Pfarramt infolge seines Eintretens fr die schleswig-holsteinische Erhebung aufgrund des von ihm in lutherischer Interpretation geteilten Gedankens vom „unfreien Landesherrn“, hierzu u. S. 619 Anm. 130. 28 Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes S. 196. 29 Herzog Friedrich Christian von Augustenburg begrßt den neu nach Kiel berufenen Professor Karl Leonhard Reinhold – vgl. zu diesem u. S. 242 – 251 – in einem Schreiben vom 03. August 1793 mit dem Lob des fortan gemeinsamen

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chen Sympathien fr die Revolutionsgeschehnisse ohnehin rasch; so berichtet Claus Harms in seiner erwhnten Lebensbeschreibung von einem „jngeren Mann des Orts“, der den Altonaischen Mercurius30 „von dem Prediger zu lesen bekam und bei Zusammenknften auf der Mhle, wie auch abends in einem oder anderm Hause, eins und anderes aus den Zeitungen erzhlte. Da ist mir in Erinnerung geblieben, wie er von der Hinrichtung des franzçsischen Kçnigs Ludwig XVI. erzhlte, und uns vorsprach, vorsang das Lied, als von diesem Kçnig gesprochen vor seiner Hinrichtung, das uns bis zu Trnen rhrte. Ich meine nicht, das Lied je gedruckt gelesen zu haben; allein diese 2 Verse erinnere ich daraus: Mein Volk, mein Volk, was tat ich dir? Ich war gerecht und liebte Gott; du lohnst mit Undank mir dafr, und du verdammst mich zum Schafott. Der gute Heinrich war nicht frei von Schwchen, und du warst ihm hold: doch Ludwig nahm, der Tugend treu, nicht Gnstling‘, nicht Maitress’ in Sold.“31 „Vaterlandes“: „Dnemark ist unter allen europischen Staaten derjenige, der am meisten den Ehrentitel ,Land der Freiheit‘ verdient“, zit. n. M[oritz] Liepmann, Hg., Von Kieler Professoren, Stuttgart / Berlin 1916, S. 70 f.; ein Rezensent der in Jena und Weimar erscheinenden Allgemeinen Literatur-Zeitung wrdigt im Jahrgang 1798 Nr. 320 Sp. 207 die Herzogtmer Schleswig und Holstein als eine „Provinz, die unstreitig zu den aufgeklrtesten von Deutschland gehçrt“, zit. n. Franklin Kopitzsch, Organisationsformen der Aufklrung in Schleswig-Holstein, S. 53. Gleichfalls ins Jahr 1798 fllt das in den Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichten 8. Heft, S. 9 zu findende Werturteil des Nationalçkonomen August Christian Heinrich Niemann: „Wohl uns, daß unser Vaterland sich in der glcklichen Lage befindet, die nichts gemeinntzig Gutes hindert, und zu jeder Verbesserung Anlas und Hoffnung gibt“. In seinem Antwortschreiben vom 27. November 1801 auf die ihm angetragene Kieler Professur ußert der Jenaer Jurist Johann Anselm Feuerbach, er wrde sich „hçchst glcklich […] schtzen, wenn ich […] der Brger eines Staates werden kçnnte, der durch Weisheit und Gerechtigkeit von jeher unter den Staaten in Europa glnzte“, zit. n. M[oritz] Liepmann, a.a.O., S. 91. – Otto Brandt, Zur Vorgeschichte der schleswig-holsteinischen Erhebung, urteilt S. 10: „Es ist unbestreitbar, daß es wenige Epochen der schleswig-holsteinischen Geschichte gibt, die mit so vollem Rechte ein ,goldenes Zeitalter‘ genannt werden kçnnen, wie diese letzte [nach dem Gewinn des Gottorper Anteils von Holstein im Jahr 1773, L.-P.]“. 30 „Nur der Prediger und der Schullehrer lasen den Mercur“, Claus Harms, Lebensbeschreibung, S. 53; doch wie Harms’ Erinnerung zeigt, partizipierte an der einzelnen Zeitungsausgabe durchaus ein grçßerer Kreis. 31 Harms, a.a.O.; auch Christian Ulrich Detlev Freiherr von Eggers spricht in seinen „Anekdoten von der Ermordung Ludwig XVI.“, in: Deutsches Magazin 6 / 1793, S. 1109 f., hier: S. 1110, einmal vom „Charakter des unterdrckten, leidenden, duldenden, himmelwrts sehenden Ludwigs“. Der mit dem Kçnigsmord einhergehende revolutionre Sympathieverlust in Schleswig und Holstein findet sich analog im weiteren deutschen wie dnischen Sprachraum, vgl. Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 25; Friedrich Eberle und Theo Stammen,

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Eine wie auch immer begrndete Zustimmung zur Franzçsischen Revolution mußte also keineswegs die Forderung nach einem Revolutionsimport ins eigene Land bedeuten32. Tatschlich konnte eine solche Sympathie sich in reflexivem Sinne an den spezifisch franzçsischen vorrevolutionren Verhltnissen festmachen: „Daß dort, wo Misbrauch der Macht eine so grausende Hçhe erreicht hatte, wo Sehnsucht nach einem bessern Zustand fast aller Herzen erfllte, daß dort das Bewußtsein der Kraft erwacht war, und das endlich nahm, was man ihm zu geben sich lange genug geweigert hatte; das fand auch in unserm ruhigen Lande soviel Beifall, daß das Interesse an politischen Nachrichten jedes Andere verschlang, und jede andere Unterhaltung in allen Kreisen gegen die, ber Frankreich, Politik und revolutionre Ereignisse, fr lange in den Hintergrund gedrngt ward.“33 Hg., Die Franzçsische Revolution in Deutschland, S. 42; Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830. Danmarks Historie, Band 10, Kopenhagen 1964, hier vor allem S. 186 – 191. 32 Vgl. hierzu das Resmee Helmut Berdings, Franzçsische Revolution und sozialer Protest in Deutschland, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 2, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, S. 415 – 430, hier: S. 420: „Es war nicht unbedingt ein Zeichen von Politisierung, wenn aufgebrachte Bauern, Zunftbrger oder andere Gruppen bei sozialen Protesten Freiheitsbume pflanzten, Kokarden trugen oder Revolutionsparolen verkndeten. Nicht immer entsprangen solche symbolischen Handlungen einer bewußten Parteinahme fr die Franzçsische Revolution. Die Anleihen, die an sie gemacht wurden, waren oft nur aufgepropft. Sie erfolgten unbedacht oder dienten nur der Einschchterung. Ein entschlossener Vernderungswille stand in der Regel nicht dahinter“. 33 Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 196. Zur Verallgemeinerungsfhigkeit einer solchen exklusiv auf die franzçsischen Verhltnisse bezogenen Billigung der revolutionren Geschehnisse vgl. Thomas P. Saine, Von der Kopernikanischen bis zur Franzçsischen Revolution. Die Auseinandersetzung der deutschen Frhaufklrung mit der neuen Zeit, S. 260: „Unter den deutschen Beobachtern der Franzçsischen Revolution gibt es wenige, die nicht gemeint htten, Frankreich wre fr eine radikale gesellschaftliche nderung reif gewesen (es ist auch zum Beispiel in den Jahren nach 1789 keine große Liebe fr die in Deutschland hausenden franzçsischen adligen Emigranten festzustellen). Mit dieser Ansicht ist die Meinung verbunden, daß die Verhltnisse in Deutschland viel stabiler seien, als sie es in Frankreich 1789 gewesen waren“. Vgl. a. Ernst Wolfgang Becker, Zeit der Revolution! – Revolution der Zeit?, der im Hinblick auf die Verhltnisse im Deutschen Reich S. 51 feststellt, daß „das Reformwerk des Aufgeklrten Absolutismus eine revolutionre Situation zu entspannnen“ vermochte: „Anders als in Frankreich […] entwickelten sich schwchere Konfliktherde und ein grçßeres Vertrauen auf systemimmanente Reformen als in Frankreich“.

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Ganzheitlich betrachtet entlarvte sich also die in der Masse gerade der stdtischen Bevçlkerung – und hier wiederum berwiegend unter den Angehçrigen des Brgertums – anzutreffende Sympathie fr die Revolution als ein lediglich theoretischer Enthusiasmus, nicht aber als Anzeichen einer revolutionr-tatorientierten Haltung34. Das Protestpotential der nicht privilegierten Bevçlkerung erwies sich fr den Versuch einer Nachahmung der Franzçsischen Revolution primr als zu unorganisiert, sekundr jedoch auch als zu sehr gehemmt durch berliefertes und verinnerlichtes Sozialverhalten. Ohne die angefhrten Quellen zu sehr zu verallgemeinern, zeigen sie dennoch deutlich auf, daß die Revolution ein breit gestreutes Interesse hervorrief. Weiterhin vermitteln sie einen Eindruck davon, daß sozialer Sprengstoff durchaus vorhanden war35, wie sehr aber zugleich die berlieferte sakrosankte Aura des absolutistisch-monarchischen Gedankens im Volk zumindest resthaft empfunden wurde. Letzteres zeigen gerade die von Claus Harms vergegenwrtigten, sich um Ludwig XVI. rankenden Verse. 34 So Schumachers eigenes Urteil, a.a.O. S. 197. – Jan Peters, Die Franzçsische Revolution in zeitgençssischen buerlichen Tagebchern, in: Holger Bçning, Hg., Franzçsische Revolution und deutsche ffentlichkeit, S. 453 – 466, kommt bei der Auswertung von 45 in die Zeit der Revolution fallenden Schreibe- und Tagebchern dnischer Bauern zu dem Ergebnis: „In keiner dieser Quellen findet sich eine direkte Bezugnahme auf die Franzçsische Revolution […] Christen Hansen berichtet im Jahre 1800 ohne weitere Reflexionen ber die Danksagung in seiner Kirche fr die ,in Frieden und Ruhe verbrachten Jahre dieses 18. Jahrhunderts’. Zwischen den Angaben ber Betriebswirtschaft und Lçhne, Preise und Verkufe, Familiengeschichte und Tiersterben, Wetter, Rezepte und und Kuriosa taucht gelegentlich einmal eine Mitteilung ber die fernen Kriege – auch ber die franzçsischen Revolutionskriege – auf, aber nur, wenn man sie als Soldat selbst miterlebte oder in anderer Weise ihre Wirkung zu spren bekam. Die Diktion ist dann die der Kçnigstreue, die Beamtentitulaturen sind genau aufgefhrt, das Feindbild ist das offizielle: Jesus, Du wirst die Feinde des Kçnigs und des Landes verhindern, wie einst Farao, daß sie zuschanden werden und niemals Dein dnisches und norwegisches Israel erreichen oder vor ihm bestehen kçnnen‘“, a.a.O., S. 454, unter verwendung zweier Zitate aus Christen Hansens dagbog, Estrup 1766 – 1810, udg. fra Landbohistorisk Selskab, o. O. 1986, hier: S. 86, sowie aus Sognefoged i Stavnsholt Lars Nielsens dagbog 1789 – 1794, udg. fra Landbohistorisk Selskab og Jørgen Dieckmann Rasmussen, København 1978, hier: S. 70. 35 Zwar gab es in den Herzogtmern je und je einzelne auf die grçßeren Stdte und deren Umgebung begrenzte, in sozialen Mißstnden wurzelnde Aufstnde – hierzu im Folgenden S. 166 – 168 – doch nahm „der sogenannte vierte Stand […] an keinem Ort der Herzogtmer in einer direkten Auseinandersetzung mit dem Geschehen in Frankreich an den Ereignissen von 1789 teil“, Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 14.

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Jede Hoffnung auf eine unmittelbar prrevolutionre Stimmung im Lande konnte der Wirklichkeit daher nicht standhalten; ein Aufstand der sozial Benachteiligten zugunsten eines Wechsels in der Staatsgewalt blieb damit allenfalls ein Wunschtraum. Doch auch dieser wurde gehegt – von einer geringen Anzahl im Gesamtstaat ansssiger norddeutscher Jakobiner.

2. Verbndete der Revolution: Norddeutsche Jakobiner Ganz sicher stellten die deutschen Jakobiner36 keine in sich einheitliche Gruppierung dar. Zum einen verringerten sich mit zunehmender rumlicher Entfernung vom Ursprungsland der Revolution unter den Anhn36 Im Jahre 1819 publizierte Johann Heinrich Voß seine Schrift: „Wie ward Friz Stolberg ein Unfreier? beantwortet von Johann Heinrich Voß“; hier betont er in einem Rckblick mehrfach, daß die Bezeichnung „Jakobiner“ seit Beginn der 90er Jahre des voraufgegangenen Jahrhunderts auch auf Deutsche Anwendung gefunden habe – allerdings in unsachgemßer Weise: „Wer Erbverdienst und erbliche Vorrechte fr einen wohlgeordneten Staat schdlich fand, der hieß ein Jakobiner, der sollte die anwachsenden Greuel in Paris verantworten“, a.a.O., in: Sophronizon, oder unpartheyisch-freymthige Beytrge zur neueren Geschichte, Gesetzgebung und Statistik der Staaten und Kirchen, 3. Heft, S. 1 – 112, hg. von Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, Frankfurt/M. 1819, S. 22; neu hg. von Klaus Manger, Heidelberg 1984. Zum heutigen Verstndnis und zur aktuellen Definition des Jakobinerbegriffes vgl. Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 35 – 53, sowie das entsprechende Referat ber differierende Forschungspositionen bei Helmut Reinalter, Der Jakobinismus in Mitteleuropa, S. 18 – 26. – Durch seine Orientierung auf die franzçsischen Revolutionsereignisse, die in ihnen zur Geltung gebrachten naturrechtlichen Normen wie auch die eigenen, kritisch bewerteten sozialen Erfahrungen verfgte der deutsche Jakobinismus ber „ein relativ gefestigtes ideologisches Gerst, das jedoch durch die fehlenden materiellen Voraussetzungen zu keiner Revolutionierung fhren konnte“, Reinalter, a.a.O., S. 48. Daher erwies es sich fr den Kreis der in Deutschland agierenden Jakobiner als bedeutsam, daß die militrischen Erfolge des revolutionren Frankreichs unter anderem zur Eroberung von Speyer, Worms und Mainz gefhrt hatten. Dadurch ergab sich „fr das Reich auch politisch eine bedenkliche Lage. Denn es zeigte sich, daß der Aufruf zum Abfall der Nation von ihrer Regierung […] in den besetzten deutschen Stdten Widerhall fand. Die Ideen von 1789 erwiesen zum ersten Mal auf deutschem Boden ihre revolutionierende Kraft. In Mainz bildete sich der ,Mainzer Club‘, die ,Gesellschaft der Freunde der Gleichheit und Freiheit‘, als Mittelpunkt deutscher jakobinischer Bestrebungen“, Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I, S. 27. Zum rasch gescheiterten Versuch der Mainzer Jakobiner, eine deutsche Republik auszurufen, cf. Claus Trger, Mainz zwischen Rot und Schwarz. Die Mainzer Revolution 1792 – 1793 in Schriften, Reden und Briefen, Berlin 1963; Thomas

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gern des entschieden demokratischen Gedankens jene Hoffnungen, die auf militrische Erfolge der Revolutionsheere berhaupt zu setzen waren. Zum anderen nahm der Rezipientenkreis der revolutionren Intentionen und Ereignisse ohnehin an einem dynamischen Prozeß Anteil, in dem sich individuelle Wertungen und Zielsetzungen bestndig formierten und weiterentwickelten. So blieb es fr den letztlich berschaubaren Kreis konsequenter Demokraten in den deutschen Staaten bei einem gemeinsamen Kriterium seines Wirkens und seiner Publikationen; und dies war die um die ffentlichkeit werbende Erkenntnis, daß „der Sturz des Privilegiensystems notwendig sei und nur durch den Sieg der Revolution in Frankreich und durch gemeinsame Aktionen aller antifeudalen Bevçlkerungsklassen in Deutschland herbeigefhrt werden kçnne“37. Diese eminent oppositionelle Haltung zog eine bestndige Verfolgung durch die staatlichen Behçrden nach sich, und solche Repression ließ es nur in einzelnen Fllen zu einer koordinierten Vernetzung der deutschjakobinischen Publizistik kommen. ber einen lngeren Zeitraum hinweg wurde jedoch die holsteinische Stadt Altona38 zu einem Zentrum des demokratischen Verlagswesens. Diese am Sdrand des dnischen Gesamtstaates gelegene Stadt wies zwei entscheidende Besonderheiten auf: Zum einen die in Altona in hohem Grade gewhrte Pressefreiheit39, zum anderen die benachbarte Lage zum Hamburger Stadtstaat, der infolge seiner republikanischen Tradition und durch seine aus dem Handel hervorgegangene Weltoffenheit Anziehungspunkt und Forum revolutionsfreundlicher Krfte geworden war40.

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P. Saine, Von der Kopernikanischen bis zur Franzçsischen Revolution. Die Auseinandersetzung der deutschen Frhaufklrung mit der neuen Zeit, S.256 f.; Franz Dumont, Die Mainzer Republik, in: Deutschland und die Franzçsische Revolution, hg. von Franz Dumont u. a., S. 145 – 164. Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 36. Zu den norddeutschen Jakobinern Grab, Freyheit oder Mordt und Todt. Revolutionsaufrufe deutscher Jakobiner, S. 95 – 115; ders., Norddeutsche Jakobiner. Demokratische Bestrebungen zur Zeit der Franzçsischen Revolution; Helmut Reinalter, Der Jakobinismus in Mitteleuropa, S. 55 – 57; vgl. zur Kritik an Grabs berhçhung der „Wirkungsmacht der deutschen Jakobiner“ das Referat bei Ernst Wolfgang Becker, Zeit der Revolution! – Revolution der Zeit?, S. 77 f. Hierzu Franklin Kopitzsch, Altona – ein Zentrum der Aufklrung am Rande des dnischen Gesamtstaats, in: Klaus Bohnen und Sven Aage Jørgensen, Hg., Der dnische Gesamtstaat. Kopenhagen. Kiel. Altona, S. 91 – 118. Vgl. o. S. 115 f. Hierzu Hermann Tiemann, Hanseaten im revolutionren Paris 1789 – 1803. Skizzen zu einem Kapitel deutsch-franzçsischer Beziehungen, in: Zeitschrift des

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Zudem fand sich in Hamburg im Vergleich mit anderen Regionen des Reiches eher ein Brgertum, dem es gelungen war, durch seinen mit dem Weltmarkt gefhrten Handel betrchtliche Vermçgen anzuhufen41, und gerade aus diesem Brgertum erwuchs nunmehr jene relativ berschaubare Schar von Charakteren, die sich zu politischen Taten und Vernderungen der Verhltnisse entschlossen zeigte und die den tatschlich oppositionellen Krften Halt und bis zu einem gewissen Maß Deckung gab42. Auf den Landsitzen der beiden Hamburger Kaufleute Caspar Voght und Georg Heinrich Sieveking43, ebenso auch whrend der TeegesellVereins fr Hamburgische Geschichte 49/50 / 1964, S. 109 – 146; Walter Grab, Freyheit oder Mordt und Todt. Revolutionsaufrufe deutscher Jakobiner, S. 95 – 101; Horst Gronemeyer und Harald Weigel, Paris an der Alster. Die Franzçsische Revolution in Hamburg, Herzberg 1989; Arno Herzig, Zwischen Reich und Revolution. Hamburg in den 1790er Jahren, in: Ders., Inge Stephan und Hans G. Winter, „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 1, S. 153 – 176; Sophie Helaine, Culture politique et Rvolution francaise: comment les ides nouvelles ont chemin en Allemagne du Nord (1792 – 1799), in: La Rvolution Francaise: la guerre et la fronti re, sous la direction de Monique Cubells, Paris 2000, S. 331 – 338. 41 Auf die Bedeutung dieser sozioçkonomischen Besonderheit Hamburgs weist Walter Grab, Freyheidt oder Mordt und Todt. Revolutionsaufrufe deutscher Jakobiner, S. 142 f. mit Nachdruck hin; zum Verhltnis der zeitgençssischen Wirtschaftseliten gegenber Aufklrung und Revolution vgl. Louis Bergeron, Der Geschftsmann, in: Der Mensch der Aufklrung, hg. von Michel Vovelle, Frankfurt/M. 1996, S. 98 – 121. 42 Der kaiserliche Gesandte Freiherr Binder meldete in einem Bericht an den Wiener Hof, „daß bey einer Population von 110 – 112tsd. Menschen in dieser Stadt sich hçchstens 18 bis 20 Personen von einiger Bedeutung finden mçgen, die durch offenbaren Anhang an die schwrmerischen franzçsischen Grundstze mit wirklicher Verachtung jedes gutgesinnten und vernnftigen Menschen sich auszeichnen“; dagegen nahm er „einen wahren Haß gegen das Franzçsische Unwesen“ beim „mittleren Kaufmannsstande“, „allen Handwerkern“ und besonders beim „gemeinen Volk“ wahr; zit. n. Arno Herzig, Zwischen Reich und Revolution. Hamburg in den 1790er Jahren, S. 158 f. 43 Der 1752 in Hamburg geborene Caspar Voght war ein enger Freund Gotthold Ephraim Lessings sowie Friedrich Gottlieb Klopstocks; er verfgte nahezu im ganzen Europa ber hervorragende Verbindungen, die den spanischen, englischen sowie im Jahrzehnt vor der Revolution auch den franzçsischen Hof genauso einschlossen wie die ppstliche Kurie. Im Jahre 1800 wurde Voght durch den Kaiser nobilitiert. Zu ihm: Heinrich Christoph Gottfried von Struve, Dem Andenken des Kçnigl. dnischen Etatsraths und Ritters, Caspar Freiherrn von Voght, Hamburg 1839; Susanne Woelk, Der Fremde unter den Freunden. Studien zu Caspar von Voght, Hamburg 2000; zu Sieveking: Heinrich Sieveking, Georg Heinrich Sieveking. Lebensbild eines Hamburgischen Kaufmanns aus dem Zeit-

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schaften des Arztes Johann Albert Heinrich Reimarus44 begegneten sich nicht allein die Angehçrigen des liberalen Hamburger Brgertums, sondern auch zahlreiche Durchreisende45. Ein weiteres Begegnungsforum war die von dem franzçsischen Gesandten Lehoc sowie dem Publizisten Friedrich Wilhelm von Schtz ins Leben gerufene Lesegesellschaft, als deren Prsident Georg Heinrich Sieveking fungierte46. Zum ersten Jahrestag des Sturmes auf die Bastille veranstaltete Sieveking vor dem Dammtor mit Gleichgesinnten, unter denen sich neben Klopstock auch der Freiherr Adolph Franz Friedrich von Knigge befand, ein Revoluti-

alter der Franzçsischen Revolution, Berlin 1913; Franklin Kopitzsch, Georg Heinrich Sieveking, in: Demokratische Wege. Deutsche Lebenslufe aus fnf Jahrhunderten, hg. von Manfred Asendorf und Rolf von Bockel, Stuttgart 1997, S. 597 f. 44 Zu diesem: Ders., Freiheit. Eine Volksschrift, Hamburg 1791; Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgesetzt. Nebst dem Entwurf einer Teleologie, zu seinen Vorlesungen bestimmt, hg. von seinem Enkel K.[arl] Sieveking, Hamburg 1814; Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, hg. von Hans Schrçder, fortges. von C.R.W. Klose, Sechster Band, Hamburg 1873, hier: S. 199 – 205. 45 ber die Verbindung dieser Kaufleute zum Plçner Amtmann August Hennings u. S. 205. 46 Dies war die nur sechs Wochen bestehende „Socit de Lecture“, die neben dem „rechtmßigen Jakobinerklub“ in Altona (zu diesem u. S. 146 – 151) und dem „Patriotischen Klub“ in Kiel zu den bedeutsameren, im norddeutschen Raum nach revolutionren Vorbildern gegrndeten Vereinigungen gehçrte. Ihre Auflçsung wurzelte in der Distanzierung ihrer Mitglieder gegenber dem anwachsenden Einfluß radikaler Jakobiner. Die der Gironde nahestehenden Hamburger Kaufleute frchteten nunmehr bei einem bergreifen der Revolution nach Deutschland um die Sicherheit ihres Eigentums. Zum Ganzen Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 290 – 294; ders., Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 34; ders., Die norddeutschen Jakobiner als politische Erben Lessings, in: „Sie, und nicht wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 1, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, S. 107 – 129, hier S. 114; Hedwig Voegt, Die deutsche jakobinische Literatur und Publizistik, Berlin 1955, S.134 – 136; Axel Kuhn, Die Entstehung politischer Gruppierungen in Deutschland, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf das Reich, Band 2, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, S. 431 – 437, hier: S. 435 f.; zum Patriotischen Klub in Kiel Walter Grab, Demokratische Strçmungen in Hamburg und Schleswig-Holstein zur Zeit der ersten franzçsischen Republik, Hamburg 1966, S. 113 – 117, und ders., Norddeutsche Jakobiner. Demokratische Bestrebungen zur Zeit der Franzçsischen Revolution, Hamburg 1967, S. 48 – 50.

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onsfest, das weithin auf Resonanz stieß, positive wie negative47. Knigge berichtete anderntags seiner Tochter: „Dies war ein Freyheits-Fest, zu Ehren der franzçsischen Revolution […] Alles, was von rechtlichen, fr Freyheit warmen Leuten in Hamburg lebt, war zugegen – kein Edelmann außer mir, dem Grafen Dohna und Ramdohr aus Zelle, und kein Frstenknecht war dazu eingeladen […] Klopstock las zwey neue Oden. Bei Abfeuerung der Canonen, Music und lautem Jubel, wurden Gesundheiten getrunken, unter anderen: ,auf baldige Nachfolge in Deutschland, Abschaffung des Frsten-Despotismus’ pp.“48

Die im August 1791 in Hamburg ausgebrochenen, jedoch schon rasch blutig niedergeschlagenen Handwerkerunruhen49 ließen allerdings weite 47 Hierzu o. S. 74 – 76; zum Revolutionsfest a. Heinrich Sieveking, Georg Heinrich Sieveking. Lebensbild eines Hamburger Kaufmanns aus dem Zeitalter der franzçsischen Revolution, Berlin 1913, S. 48 ff.; Hans-Werner Engels, Alles war mçglich! Auftakt fr ein neues Europa: Hamburgs Brger feiern die Franzçsische Revolution, in: Zeitlufte, Die Zeit 29 / 2002; ders., Freye Deutsche! singt die Stunde, Die der Knechtschaft Ketten brach. 14. Juli 1790: Am Jahrestag des Bastillesturmes feiern Hamburgs Brger ein Revolutionsfest, in: Carl Friedrich Cramer – Revolutionr, Professor und Buchhndler, hg. von Petra Blçdorn-Meyer, Michael Mahn und Rdiger Schtt, Nordhausen 2002, S. 439 – 455. Sophie Helaine, Culture politique et Rvolution francaise, hlt S. 333 f. fest: „La premi re manifestation de solidarit eut lieu Harvestehude, le 14 juillet 1790, et prit le caract re d’une fÞte la gloire de la nation francaise. Cette fÞte caract re priv, organise par un ngociant, Sieveking […] En France, le Journal des Patriotes de Brissot l’utilisa le 6 aot 1791 [i.e.: 1790] pour th me de sa propagande en constatant qu’il y avait beaucoup de sympathisants de la Rvolution Hambourg“. Dennoch blieb das Fest „letztlich ohne politische Folgen […], in den politischen Bereich wirkte es nicht hinein“, Arno Herzig, Zwischen Reich und Revolution. Hamburg in den 1790er Jahren, S. 158. 48 Zit. n. Hans-Werner Engels, a.a.O.; Knigge spricht hier von Friedrich Ferdinand Alexander Burggraf und Graf zu Dohna-Schlobitten sowie dem Oberappellationsrat Friedrich Wilhelm Basilius von Ramdohr. 49 Hierzu Heinrich Laufenberg, Hamburg und sein Proletariat im 18. Jahrhundert, Hamburg 1913, S. 114 ff.; Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 32; Arno Herzig, Organisationsformen und Bewußtseinsprozesse Hamburger Handwerker und Arbeiter in der Zeit von 1790 – 1848, in: Arbeiter in Hamburg, hg. von Arno Herzig, Dieter Langewiesche, Arnold Sywottek, Hamburg 1983, hier S. 95 – 108; ders., Zwischen Reich und Revolution. Hamburg in den 1790er Jahren, S. 159 f.; Helmut Berding, Franzçsische Revolution und sozialer Protest in Deutschland, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf das Reich, Band 2, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, S. 415 – 430, hier bes. S. 417 f. 422 f.; Axel Kuhn, Unruhen im Land der Dichter und Denker, in: Franz Dumont u. a., Hg., Deutschland und die Franzçsische Revolution 1789/1989, S. 127 – 144, hier: S. 128 f. und 133.

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Teile des liberal50 gesinnten Brgertums eilends auf Distanz zu den vom vierten Stand vorgebrachten Forderungen nach Freiheit und Mitbestimmung gehen51. 50 Die Begrifflichkeit „liberal“ wurde whrend der Revolutionsepoche selbst nicht verwendet und gelangte erst „durch die spanische liberale Konstitution von 1812 in die politische Begriffswelt […], um Anhnger gemßigter Reformen von den Radikalen zu unterscheiden. Es ist heute allgemein blich, den Terminus fr die vorrevolutionren brgerlichen Aufklrer sowie fr die Girondisten und deren Anhnger in anderen Staaten anzuwenden“, Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 286; vgl. Uwe Backes, Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese, Dsseldorf 2000, S. 15: „Als ,politische‘ Verfassungsbewegung beginnt der deutsche Liberalismus um 1815, als geistige Bewegung reicht er – etwa in Gestalt der Diskussionen um die englische Verfassung – weit ins 18. Jahrhundert zurck“. Zur Begrifflichkeit „liberal“ und „Liberalismus“ vgl. a. Guido de Ruggiero, Geschichte des Liberalismus in Europa, Aalen 1964, hier bes. S. 333 – 360; J. Salwyn Schapiro, in: Liberalismus, Lothar Gall, Hg., Was ist Liberalismus?, 2. Aufl., Kçnigstein/Ts. 1980, S. 20 – 36; Dieter Langewiesche, Liberalismus in Deutschland, Frankfurt/M. 1988; Gerhard Gçhler, Liberalismus im 19. Jahrhundert – eine Einfhrung, in: Bernd Heidenreich, Hg., Politische Theorien des 19. Jahrhunderts, Berlin 2002, S. 211 – 228. 51 So macht etwa Johann Albert Heinrich Reimarus, Freiheit. Eine Volksschrift, Hamburg 1791, den Besitzstand zur Voraussetzung praktizierter politischer Rechte. Damit liegt er auf der Linie der franzçsischen Gironde. Caspar Voght bekennt bereits im Jahre 1792, „daß der Jacobinismus seiner Freunde ihm zuwider wurde“, Heinrich Christoph Gottfried von Struve, Dem Andenken des Kçnigl. Dnischen Etatsraths und Ritters, Caspar Freiherrn von Voght, S. 9; Georg Heinrich Sieveking rechtfertigt sich in einer 1793 in Hamburg erscheinenden Schrift „An meine Mitbrger“ gegenber dem Vorwurf, ein Jakobiner zu sein; er verurteilt in diesen Ausfhrungen mit Blick auf den jngsten Fortgang der Franzçsischen Revolution entschieden „Anarchie, Cabale, Ungehorsam gegen die Gesetze, Irreligiositt, Grausamkeit und Mord“, wobei er die Unmçglichkeit einer Verbesserung der Hamburgischen „Constitution“ vehement beteuert, a.a.O. S. 4 ff. – Im Jahr darauf stellt er in einem vom 24. Oktober datierenden privaten Brief seine recht ausdifferenzierte Position zur Revolution dar: „Wir haben noch nicht die schçne Hoffnung aufgegeben, die uns bei dem Anfang des großen Kampfes fr Freiheit begeisterte […] Auch wir lieben Gerechtigkeit und Freiheit und Weisheit und Tugend. Auch wir wollen nicht die Glckseligkeit der Welt durch den Mord Eines Menschen erkaufen […] Und doch hoffen wir, daß Heil der Menschheit das Ende des schrecklichen blutenden Kampfs der Guten und Bçsen sei, daß die Menschen besser und glcklicher sein werden, als sie’ s berall oder so frh ohne diese Erschtterung, dieses moralische Erdbeben geworden wren. Wir freuen uns des Erfolgs, ohne die Menschen und die Mittel zu loben, die ihn hervorgebracht haben“, zit. n. Heinrich Sieveking, Georg Heinrich Sieveking. Lebensbild eines Hamburger Kaufmanns aus dem Zeitalter der franzçsischen Revolution, S. 165 f. Axel Kuhn, Unruhen im Land der Dichter und Denker, stellt a.a.O. (Anm. 49), S. 129 fest: Die Unruhen von Bauern, Handwerkern und Studenten „sind na-

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Whrend dieser Zeitspanne traten mehrere Schriftsteller und Publizisten an die Seite der sozial Benachteiligten, aus deren Wirken im Folgejahr der „Hamburger Merkur“ hervorging, der als literarisch – politische Wochenschrift „gegen den Despotismus zu Felde ziehen wollte“52. Nach ihrem Verbot wandelte sich die çffentlichkeitswirksame Zeitung unter dem fingierten Erscheinungsort „Altona“ zum „Niederschsischen Merkur“53, der mit dem 28. Dezember 1792 gleichzeitig in Hamburg, Hannover und im Dnischen Gesamtstaat erneut verboten wurde54. Der Herausgeber, der aus dem Erzgebirge stammende Friedrich Wilhelm von Schtz55, hatte sich seit dem November des Jahres auf Grund einer beim franzçsischen Gesandten Francois Lehoc bernommenen Ttigkeit unter franzçsischer Jurisdiktion geglaubt, unter dieser Voraussetzung seine zuvor gewahrte

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trlich nicht von der Franzçsischen Revolution hervorgerufen worden. Man kann aber feststellen, daß sie in den 90er Jahren zahlreicher werden und daß sich Ideen der Aufklrungszeit sowie Verweise auf die Revolution unter die traditionellen Handlungsmuster mischen […] Im Unterschied zu Frankreich sind hier (in Deutschland) die stdtischen und lndlichen Unruhen nicht mit einer politischen Revolution des aufgeklrten Brgertums zusammengefallen. Es fehlte im Deutschen Reich ein politisches Zentrum, das die Rolle htte bernehmen kçnnen, die Paris fr Frankreich spielte“. Horst Gronemeyer und Harald Weigel, Paris an der Alster. Die Franzçsische Revolution in Hamburg, S. 35. Zum „Niederschsischen Merkur“ Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 159 – 161 und Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 283 – 290. Der „Niederschsische Merkur“ war vor seinem Verbot sogar in den Flensburger Gaststtten gelesen worden: Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 160. Zu Friedrich Wilhelm von Schtz vgl. Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 273 – 318; ders., Die norddeutschen Jakobiner als politische Erben Lessings, S. 111 – 117; Helmut Reinalter, Der Jakobinismus in Mitteleuropa, Stuttgart 1981, S. 82; Oliver Lamprecht, Das Streben nach Demokratie, Volkssouvernitt und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, S. 62 f. – Die Untersagung weiterer Publikation des „Niederschsischen Merkurs“ erfolgte auf Betreiben auswrtiger Mchte, insbesondere Preußens und sterreichs; vgl. hierzu u. S. 253 Anm. 490. Wie auch andere deutsche Jakobiner bewahrte Friedrich Wilhelm von Schtz in spterer Zeit dem Dnischen Gesamtstaat und seiner Regierung eine durchaus wohlgesonnene Erinnerung; so verçffentlichte er in Altona sowie Leipzig im auf den Tod Bernstorffs folgenden Jahr 1798 die „Lebensgeschichte des dnischen Staatsministers Andreas Petrus Grafen von Bernstorff. Ein Beitrag um den Charakter dieses großen Mannes zu schildern“.

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Anonymitt gebrochen und an Radikalitt zugelegt56. Sein „Niederschsischer Merkur“ verurteilte etwa den Einmarsch Preußens und sterreichs in Frankreich, griff zahlreiche Freiheitsgedichte auf und rief zur Nachfolge der franzçsischen Revolutionre auf. Der Sturz Ludwigs XVI. und die Aufrichtung der franzçsischen Republik fanden in diesem Journal ein gleichermaßen positives Echo. So stand der „Niederschsische Merkur“ fr einen Radikalismus, der „von keinem andern Presseorgan des rechtsrheinischen Deutschland erreicht wurde“57. Jenseits ihrer auf Frankreich gerichteten Perspektive kontrastierte die Zeitschrift bestndig den frstlichen Absolutismus mit der gleichzeitig zum Ausdruck kommenden Intention einer politischen Neuordnung. Unter Auslassung jeder expliziten Kritik an der dnischen Innenpolitik58 verbindet sich der von den angelschsischen und franzçsischen Aufklrern rezipierte Gedanke eines Widerstandsrechtes gegen die Obrigkeit mit Rousseaus Auffassung von der mit dem Gesellschaftsvertrag einzufordernden Volkssouvernitt: „Denn wenn wir nach dem Ursprung fragen, / Wodurch die Monarchie entstand? / So wird uns die Vernunft gleich sagen, / Daß sie die Unvernunft erfand. / Der erste Kçnig ward vor Zeiten / Vom Volk erwhlt aus ihrer Zahl, / Und daraus ist der Schluß zu leiten, / Daß er nur ist ein Volksvasall. / Das Volk sprach nicht: Wir sind nur Knechte / Und du der Kçnig, unumschrnkt, / Nein, sondern: Unsre Menschenrechte / Sollst du uns lassen ungekrnkt.“59

So wird der einmal erwhlte Kçnig auf Grund des dieser Erwhlung zugrundeliegenden Vertragsrechtes als Lehnsmann des Volkes gesehen; daher brauche das Volk nicht lnger Opfer bringen fr die Interessenbefriedigung eines zum Despoten gewordenen Vasallen: „Wollt ihr fr den Despoten fechten / Und seiner Habsucht Knechte sein? / Ihm eine Lorbeerkrone flechten / Und schnitzen euch ein hçlzern Bein? / Nein, Brder! Wenn wir kmpfen mssen, / Dann soll nur unser warmes Blut / Fr Menschenrecht und Freiheit fließen / Und nicht fr Frsten-bermut.“60

56 Nach der Ausweisung des franzçsischen Gesandten aus Hamburg im Februar 1793 unterstand Schtz erneut der Hamburger Jurisdiktion; zu den Folgen und seiner eigenen Ausweisung im April des gleichen Jahres Helmut Reinalter, Der Jakobinismus in Mitteleuropa, S. 82. 57 Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 34; vgl. Hedwig Voegt, Die deutsche jakobinische Literatur und Publizistik, S. 55. 58 Hierzu Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 158. 59 Niederschsischer Merkur, Jahrgang 1792, 2. Bndchen, 3. Stck, S. 33. 60 Niederschsischer Merkur, Jahrgang 1792, 3. Bndchen, 3. Stck, S. 37.

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Trotz solcher martialischen Anklnge nahm von Schtz in der Frage, wie sich die Befreiung von der Feudalherrschaft im Bereich der deutschen Staaten tatschlich zu realisieren htte, einen eher gemßigten Standpunkt ein. Anders als Andreas Georg Friedrich Rebmann, der von der offensiven Ansicht ausgehen wollte, daß ein Volk seine Freiheit selbst erobern msse61 und sie aus diesem Grunde nicht geschenkweise erlangen drfe, trat Schtz offen fr die franzçsische Annexion deutscher Territorien ein, um die Befreiung der deutschen Untertanen von der berlieferten Privilegienordnung auf diese Weise durch die franzçsischen Freiheitsarmeen herbeifhren zu lassen. Die Revolutionsbereitschaft der Bevçlkerung in den zum Deutschen Reich gehçrenden Gebieten schtzte Schtz als zu gering fr die Herbeifhrung einer eigenstndigen Erhebung ein62. Diese Auffassung spiegelt sich in seinem Anruf der „Franzosen“, der sich in einem von ihm im Niederschsischen Merkur 1793 verçffentlichten Neujahrsgedicht findet. Dieses ist einem protestantischen Kirchenlied63nachempfunden, welches seinerseits die Sequenz des aus dem 12. Jahrhundert stammenden „Dies irae, dies illa“64 aufnimmt; damit schwingt in dem Neujahrsgedicht der assoziative Ernst des endzeitlichen Gerichtes. In der Vorstellung vom endzeitlichen Richter weicht die Paraphrase allerdings entscheidend vom Kirchenlied ab: „Es ist gewißlich an der Zeit, / Daß die Franzosen kommen, / Zum Heil der lieben Christenheit / Zur Freyheit aller Frommen; / Nun wird das Lachen werden rar, / Bey der Aristokraten Schar, / Denn diese werden heulen […] Ach

61 Andreas Georg Friedrich Rebmann ußerte in der von ihm in „Paris, d. h. Altona“ herausgegebenen Zeitschrift „Die Geißel“, 4. Stck, April 1798, S. 73 f. die oft wie eine Parole zitierte Anschauung: „Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, nicht zum Geschenk erhalten!“, wiedergegeben nach Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 270. Zu Rebmann, der zwischen dem Dezember 1795 und dem Juni 1796 in Altona lebte, Grab, a.a.O., S. 215 – 272; Hermann Uhrig, Art. „Andreas Georg Friedrich Rebmann“, BBKL VII, Sp. 1436 – 1457. 62 Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 301; Axel Kuhn, Unruhen im Land der Dichter und Denker, S. 131. 63 Vgl. EG 149,1 – 7; in der Bearbeitung von Bartholomus Ringwaldt aus dem Jahre 1582 lautet die erste Strophe: „Es ist gewißlich an der Zeit, daß Gottes Sohn wird kommen, in seiner großen Herrlichkeit, zu richten Bçs’ und Fromme. Da wird das Lachen werden teur, wenn alles wird vergehn im Feur, wie Petrus davon schreibet“ [Hervorhebung vom Verf.]. 64 Im 13. Jahrhundert von italienischen Franziskanern verfaßt, mçglicherweise von Thomas von Celano.

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Franken helft! Jetzt ist es Zeit! / Kommt doch in unsre Lande, / Und strzt die Ungerechtigkeit / Und lçset unsre Bande!“65

Die Berufung zur rein weltlich verstandenen Freiheit sieht sich hier verengt auf die Angehçrigen der brgerlichen Klassen; umgekehrt schließt eine Zugehçrigkeit zur Aristokratie von der Teilhabe am Kreis der „Frommen“ aus. Der einladende Ruf nach Rettung und Herauffhrung der Gerechtigkeit wendet sich nicht mehr wie in der Vorlage des Kirchenliedes an den Gottessohn; er richtet sich nunmehr an die Mitmenschen aus dem Lande der Revolution. An die Stelle des endzeitlich wiederkehrenden Weltenrichters tritt damit der in der Revolution handelnde Mensch der Gegenwart. So sieht Friedrich Wilhelm von Schtz den Menschen selbst dazu aufgefordert, die ihn umgebende Gesellschaft nicht passiv als unvernderliche Gegebenheit hinzunehmen, sondern sie aktiv zu formen und zu gestalten. Die Kriterien fr diesen Prozeß entnimmt er den Idealen der brgerlichen Aufklrung, wie ein Blick auf seine lteren Schriftwerke zeigt. Publizistisch war von Schtz bereits whrend der unmittelbar prrevolutionren Phase hervorgetreten als Autor einer Lessing-Apologie66 sowie der ersten Biographie Moses Mendelssohns67. In Mendelssohn sah er den „Sokrates unseres Jahrhunderts“68, der „mit der Fackel der Philosophie Dunkelheiten verscheuchte“ und „nicht die Religion, sondern vielmehr die Sitten verbessern“ wollte, „um seine Brder von Vorwrfen zu reinigen, die ihren Feinden bisher zum Vorwand aller Ungerechtigkeit gedient“ htten69. 65 Niederschsischer Merkur, Jahrgang 1793, 4. Bndchen, 1. Stck, S. 1 f. – Walter Grab weist a.a.O. (Anm. 62), S. 144 auf einen Reflex hin, den Schtz’ ußerungen und seine im norddeutschen Raum wirkende Agitation in der von Eulogius Schneider in Straßburg herausgegebenen Zeitschrift „Argos oder der Mann mit 100 Augen“ in deren Ausgabe vom 9. Mrz 1793 fanden: „Die Franken werden sich freuen, wenn sie hçren, wie hell in dieser klteren Zone die himmlische Glut der Freiheit flammt. In Holstein vorzglich nhert sich alles dem gçttlichen System der Freiheit […] Bald wird Deutschland zwischen zwei Feuern stehen – die Tyrannen werden fallen – berall Freiheit und Gleichheit!“. 66 Friedrich Wilhelm von Schtz, Apologie, Lessings dramatisches Gedicht Nathan den Weisen betreffend, nebst einem Anhang ber einige Vorurtheile und nçthige Toleranz, Leipzig 1781. Zum Kontext auch Walter Grab, „Friedrich Wilhelm von Schtz und die Hamburger Jakobiner als politische Erben Lessings“, in: Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 273 – 301. 67 Friedrich Wilhelm von Schtz, Leben und Meinungen Moses Mendelssohns nebst dem Geiste seiner Schriften in einem kurzen Abrisse dargestellet, Hamburg 1787. 68 Ebd. S. 190. 69 Ebd. S. 85.

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Schtz’ Interesse gilt damit einer Toleranz, die die Religion in ihren vorfindlichen Ausformungen transzendiert und die mit zeitgençssischen „Vorurteilen“ zugunsten einer grundstzlichen aufklrerischen Intention brechen will70. Daß seine Forderung nach jdischer Emanzipation jedoch exklusiv aus den Prmissen der Freiheit und Gleichheit resultiert und nicht etwa einer religiçse Gegenstze bereitwillig hinnehmenden Toleranz entspringt, zeigt sich in seinem an seine jdischen Gesprchspartner gerichteten Appell: „Nach unserer Meinung kçnnte den Juden das Brgerrecht auf keine andere Art ntzlich sein, als wenn sich solche entschließen wrden, den Teil ihres Zeremonial fallen zu lassen, der zwischen ihnen und den Christen die Scheidewand im brgerlichen Leben bildet […] Die Juden wrden wohl tun, durch Aufhebung verschiedener Stcke ihrer Verfassung sich den Christen zu nhern, denn um so schneller wrde diese Scheidewand wegfallen.“71

Die Religion kommt in diesem Zusammenhang primr als eine zu berwindende Grenze zwischen den Menschen in den Blick; in zweiter Linie wird sie den Postulaten der Freiheit und Gleichheit untergeordnet und damit zur zunehmend obsoleten Grçße. Die Verbreitung dieser aufklrerischen Ansicht einer religiçsen Assimilation der Juden als Vorbedingung ihrer gesellschaftlichen Gleichstellung zeigt sich nicht zuletzt im zeitgençssischen Kontext geheimer Gesellschaften wie der Freimaurer. Ein enger Vertrauter von Friedrich Wilhelm von Schtz, der 1763 in Hamburg geborene Heinrich Christoph Albrecht72, hielt am 4. Oktober 1792 in der Loge „Einigkeit und Toleranz“73 eine Ansprache, die das soziale 70 Schtz reiht sich mit diesem Ansatz durchaus in die religionsphilosophischen Tendenzen der deutschen Sptaufklrung ein; hierzu Willi Oelmller, der der „Religionsphilosophie“ innerhalb der deutschen Aufklrung attestiert, sie sei „Pldoyer fr einen ,freien Glauben‘ und fr das, was dieser unter Gegenwartsbedingungen von den vorgegebenen religiçsen Traditionen […] fr anerkennungsund zustimmungsfhig halten kann. Das erfordert auch institutionelle Konsequenzen in der Gesellschaft und Politik“, ders., Aufklrung als Prozeß von Traditionskritik und Traditionsbewahrung, in: Peter Ptz, Hg., Erforschung der Deutschen Aufklrung, S. 59 – 80, hier S. 61. 71 Schtz in der von ihm Anfang 1793 nach dem Verbot des „Niederschsischen Merkurs“ herausgegebenen Zeitschrift „Neuer Proteus“, 1. – 4. Stck, S. 12 f., zit. n. Walter Grab, a.a.O. (Anm. 66), S. 286. 72 Zu diesem seine „Geheime Geschichte eines Rosenkreuzers, aus seinen eigenen Papieren“, Hamburg 1792; Walter Grab, a.a.O., S. 303 – 318; Helmut Reinalter, Der Jakobinismus in Mitteleuropa, S. 82 f. 73 Mitglieder der Loge waren neben Schtz und Albrecht der Hamburger Theaterdirektor Friedrich Ludwig Schrçder, der Redakteur des „Altonaischen Mercurius“,

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Problem der Juden in gleicher Weise von der Absage an deren emanzipationsverhindernder „Verfassung“ abhngig machen wollte: „Die jdische Nation […] hlt sich Gastweise auf in unsern Staaten […] In ihrer Verfassung kann diese Nation sich nicht veredeln; denn der Grundsatz ihrer Verfassung ist ewiger Stillstand des regen und strebsamen Geistes der Menschheit. Was einzelne Glieder der Nation edles und beßeres geworden sind, das sind sie außer ihrer Verfassung geworden, das danken sie der freyeren Menschheit in den Lndern, die ihr unglckliches Pilgervolk unter mildern Verfassungen dulden […] Die jdische Nation kann eines bessern Schicksals, als sie durch Schuld ihrer Verfassung bis dahin in Europa genießet, allein dadurch empfnglich werden, daß sie sich einer reinen Achtung guter Gesinnungen befleißiget.“74

Das Ergehen der jdischen Minderheit wird hier abhngig gemacht von deren Befolgung der mehrheitlich gebilligten „guten Gesinnungen“; die „Verfassung“ der Religion hat sich der positiven Konvention zu beugen. Dergestalt bleibt das Leitziel das einer Amalgamation der Minoritt durch Aufgabe ihrer religiçsen Identitt. In seiner Abhandlung „ber die Veredlung der jdischen Nation“ greift Albrecht diese ideell antireligiçse, faktisch anti-jdische Argumentationslinie auf; hier gelangt er zu der vorwurfsvollen Behauptung:

Gottlob Christoph Nichelmann, der am Altonaer Christianeum lehrende Professor Masius Feldmann, der Fabrikant Johann Wilmsen Paap – dieser war Vormund des Christianeumschlers Georg Friedrich Schumacher, vgl. dessen Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 32. 37. 104f.113 – 115 –, der Altonaer Lichtgießer Thomas Friedrich Detze, die Buchhndler Friedrich Bachmann und Johann Heinrich Gundermann, sowie die beiden Juden Elias Israel – ein Bankier, der die franzçsische Staatsbrgerschaft angenommen hatte – und der Altonaer Textilkaufmann Jakob Labatt, Mitbegrnder der Loge und zeitweiliger Vorsteher, vgl. Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 37. Zu dieser Loge auch Franklin Kopitzsch, Altona – ein Zentrum der Aufklrung am Rande des dnischen Gesamtstaats, S. 114; Oliver Lamprecht, Das Streben nach Demokratie, Volkssouvernitt und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, S. 63; zur regionalen Freimaurerei allgemein Hubertus Neuschffer, Anmerkungen zur Frage der Freimaurerei im dnischen Gesamtstaat, in: Hartmut Lehmann und Dieter Lohmeier, Hg., Aufklrung und Pietismus im dnischen Gesamtstaat 1770 – 1820, S. 88 – 120; vgl. weiterhin a. Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der brgerlichen Welt, S. 56 – 81. 74 Heinrich Christoph Albrecht, Eine Rede, vorgelesen in der Freymaurer-Loge Einigkeit und Toleranz in Hamburg, Schleswigsches Journal. Zweytes Stck 1793, S. 221 ff., hier: S. 230 – 232.

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„So lange die Juden mit dem Joche jenes Gesetzes auf dem Nacken, das ihnen der Ewige auferlegt haben soll, Rechte von uns verlangen, sind sie ein Volk, das mit den Waffen in der Hand unterhandeln will. Daß sie bitten und flehen, und an unsre Menschen-Liebe appelliren, macht keinen Unterschied. Diese Bitten und Appellationen um und an Toleranz sind auch Waffen. Und es sind noch dazu Waffen, die sie von uns entlehnt haben, ohne weder ihre eigenlichen Krfte zu kennen, noch ihren wahren Gebrauch zu lernen. Die Toleranz ist kein jdisches Gut, so wenig, als die Cultur und die Aufklrung. Jehova hat dem auserwhlten Volk nur Feindseligkeit gegen andre Nationen und Absonderung von ihnen befohlen. Das Joch des Gesetzes haben ganze Welttheile von dem auserwhlten Volke erhalten; es abzuschtteln haben die Juden nach so viel Jahrhunderten von uns noch nicht gelernt.“75

Das unvernderliche Festhalten der jdischen Religionsgemeinschaft an deren religiçser berlieferung verurteilt Albrecht als „eine Frucht der unauflçßlichen Verbindung des Steifsinns mit der Dummheit“, eines Steifsinnes, der im Bereich des Christentums „wenigstens seit der Reformation mehr und mehr erloschen und verschwunden“ sei76. Die Reformation selber sei zwar durchaus von Christen begonnen und fortgesetzt worden, doch wurzelten ihre geistigen Voraussetzungen entscheidenderweise in einem grundstzlich außerchristlichen Zusammenhang: „Es war nicht das Christenthum, das ihnen die Kraft gab das Christenthum zu reformiren. Das Heil ist uns von den Heiden kommen, die an dem Erbe des Saamens Abraham keinen Theil haben. Der erste Mçnch, der die Werke Cicero’s oder Xenophon’s abschrieb und vor der Vergessenheit rettete, hatte das erste Verdienst um die Reformation […] Den Arabern, die uns den Aristoteles aufbewahrt haben, verdanken wir die Widergeburt unsers Geistes. Aller Witz und aller Scharfsinn Voltaire’s htte sich nur zu leicht in alt- oder neutestamentlichen Spielereyen abtçdten kçnnen, wenn nicht der Geist des unhierarchischen Alterthums seinen belebenden Einfluß bis nach dem neuen Gallien und bis auf das achtzehnte Jahrhundert verbreitet htte“77.

Da zur Reformationszeit die „Vernunft noch keine Autoritt“ hatte, habe Luther nur auf die biblische Offenbarung zurckgreifen kçnnen; daher will Albrecht das Hauptverdienst des Reformators darin sehen, daß dieser mit seiner Kirchenreform „das Christenthum auf christliche Lehre reducirte“78. Ganz auf dieser Linie einer Reformation mit dem Leitziel institutionellhierarchischer Reduktion liegen dann auch die Ziele der „Aufgeklrtheit“: 75 Ders., a.a.O., S. 236. 76 Ebd. S. 244. 77 Ebd., S. 244 f.; die Auffassung einer Hierarchielosigkeit der antiken Gesellschaft ist bemerkenswert. 78 Schleswigsches Journal 1793, S. 246.

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„Wenn die Aufgeklrtheit erst allgemein wre: so wren wir freylich sicher genug [sc. vor neuen Messiassen, neuen Aposteln und neuen apostolischen Brderschaften, L.-P.]. Dann wrden auch die Juden nicht mehr Juden seyn; oder wenigstens wrden sie doch schon so weit mit der Ablegung des Judenthums gekommen seyn, als wir Christen mit der Ablegung des Meßiasthums bis jetzt gekommen sind.“79

Der gegenber dem jdischen Bekenntnis erhobenenen Forderung einer Absage an das mosaische Gesetz entspricht im Hinblick auf den christlichen Gesellschaftsteil das ansatzweise realisierte Postulat einer Verwerfung des „Meßiasthums“. Dieses ist fr Albrecht nichts anderes als das Christentum selbst80. Eine derart verstandene Aufgeklrtheit begrndet sich faktisch durch religiçse Erosion. Mit besonderer Schrfe zeigt sich an dieser Stelle die Problematik des vorgeblich undogmatischen Dogmatismus aufgeklrten Denkens. Die in Hamburg und seinem regionalen Umfeld politisierenden Jakobiner fhrten also nicht nur einen Kampf gegen die privilegierten Eliten. Zahlreiche ihrer Publikationen widmeten sich der weltanschaulichen Auseinandersetzung einerseits mit dem Judentum, andererseits mit den Kirchen und in diesem Kontext insbesondere mit deren orthodoxen Exponenten. Zu diesem jakobinischen Schriftenkreis rechnen sich die von Friedrich Wilhelm Schtz in Altona herausgegebenen Journale „Archiv der Schwrmerey und Aufklrung“81 sowie „Neues Archiv der Schwrmerei und Aufklrung“82 ; letzteres wurde neben Altona auch in Leipzig publiziert. Weiter sind in diesem Zusammenhang zu nennen die von Friedrich Freiherrn von der Trenck verçffentlichte „Monatsschrift fr das Jahr 1792“83wie auch Andreas Georg Friedrich Rebmanns „Obskurantenalmanach auf die Jahre 1798 – 1801“84. 79 Ebd. S. 249. 80 Ebd. S, 246 f. – Zu Albrecht a. ders., Geheime Geschichte eines Rosenkreuzers, Hamburg 1792. 81 Altona, 1787 – 1791. 82 „Neues Archiv der Schwrmerey und Aufklrung, den Bedrfnissen des Zeitalters angemessen und in willkhrlichen Heften herausgegeben von F.W. von Schtz“, Altona und Leipzig, 1797. Eine in Flensburg erschienene Rezension des Ersten Heftes findet sich im Journal „Der neue Mensch“, Zweiter Band, 1797, S. 589 – 592 und schließt mit dem Fazit: „Das Archiv verdient Aufnahme in Leseinstituten, und wird sie um so mehr finden, da der Ton, welcher in demselben herrscht, gemssiget ist“. 83 Altona 1792. 84 „Paris, vielmehr Altona“, 1798 – 1801. Zu Rebmann Hedwig Voegt, Die deutsche jakobinische Literatur und Publizistik, S. 112 – 130; Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 215 – 265.

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Auch Friedrich Freiherr von der Trenck war im April 1792 nach Altona gelangt und verlegte hier neben seiner „Monatsschrift“85 Teile seiner Lebensgeschichte86. Zuvor war er auf der Suche nach einem „vor MinisterialRnken und Priesterrache gesicherten Raum“ gewesen, in dem seine „donnernde Wahrheitsstimme fr den Widerhall unbegrenzte Dunstkreise“ durchmessen kçnne87. Fr den Zeitraum eines Jahres88 fand er diesen Raum nunmehr „im glklichen Dnnemark“89. 85 Trencks Monatsschrift fr das Jahr 1792/1793, Altona 1792 und 1793. Im Hinblick auf die Revolution in Frankreich ußert sich Trenck in den Beitrgen seiner Monatsschrift von einem girondistischen Standpunkt. 86 Friedrich Freiherr von der Trenck, Des Freiherrn Friedrich von der Trenck merckwrdige Lebensgeschichte: Von ihm selbst als ein Lehrbuch fr Menschen geschrieben, die wirklich unglcklich sind, oder noch guter Vorbilder fr alle Flle zur Nachfolge bedrfen. Vierter und merckwrdigster Band, Altona 1792. Monatsschrift und Lebensgeschichte fanden auch nach dem Tode Trencks reges Interesse des Buchhandels in den Herzogtmern; so wirbt etwa eine Anzeige im Flensburgschen Wochenblat fr Jederman vom 2. Mrz 1796 fr den Verkauf beider Publikationen. – Vgl. zu von der Trenck a. J.[ohann] W.[ilhelm] von Archenholz, F. Freiherr v.d. Trenck, Minerva 1 / 1794, S. 568; Walter Grab, Friedrich von der Trenck, Hochstapler und Freiheitsmrtyrer, in: Ders., Friedrich von der Trenck, Hochstapler und Freiheitsmrtyrer und andere Studien zur Revolutionsund Literaturgeschichte, Kronberg/Ts. 1977, S. 7 – 68. 87 Walter Grab, Friedrich von der Trenck, Hochstapler und Freiheitsmrtyrer, S. 235. 88 Seit April 1793 hielt sich Trenck in Paris auf, wo er am 25. Juli 1794 unter dem Vorwurf der Spionage im Dienst auswrtiger Mchte guillotiniert wurde. 89 Zit. n. Walter Grab, a.a.O. (Anm. 87). Wie schwer es der gesamtstaatlichen Politik fiel, in den von der Revolution ausgelçsten europischen Wirren den eigenen Weg zu finden, gibt eine Passage aus einem an Grfin Louise Stolberg gerichteten Brief des Finanzministers Heinrich Ernst Graf Schimmelmann vom 21. Juni 1794 wider: „Die Politique, die alles absorbirt, ist anjetzo sehr traurig, man steht verlassen da und weiss nicht wo man seine Blicke in Europa hinwenden soll. Man kann den blutigen Handschlag der Jacobiner nicht annehmen und sich dem DespotenStoltz [angesichts der Bedrohung durch die russische Flotte, L.-P.] nicht unterwerfen, beyde tragen bçse Tcke im Hertzen und wollen mit den Menschen ihr schlimmes Spiel treiben. So liegt es in der Natur der jetzigen Weltlage isolirt zu stehen und man muss den Vorwurf zugleich mit der Sache tragen“, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Fjerde Bind, udg. af Louis Bob, S. 35. Sorge um die europische Lage wie auch die revolutionre Entwicklung verriet auch Andreas Peter Bernstorff in einem dem dnischen Staatsminister Christian Detlev Friedrich Reventlow zugehenden Brief vom 4. Oktober 1793: „Der Friede, der so sehr gewnschte Friede ist noch usserst ungewiss […] wenn gleich alle klugen Franzosen ohne Ausnahme die Notwendigkeit desselben erkennen, so drfen sie doch aus Furcht fr den Pçbel ihre wahre Meynung nicht ussern, so sehr sind sie aus Furcht fr Unterwrfigkeit Sklaven des niedrigsten Pçbels geworden“, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Sjette Bind, S. 37 f.;

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In seiner Monatsschrift lßt der demokratisch gesinnte Freiherr und Literat im Jahre 1792 den Essay „Mein Urtheil ber Freyheit und Gleichheit bey Frankreichs Revolution“ erscheinen90. Darin hebt er unmißverstndlich hervor, daß „die jetzige Anarchie in Frankreich“ durch die „eigene Schuld des Monarchen und der alles verschlingenden Aristokraten“ entstanden sei91. Die Volkswut sei hervorgerufen worden durch die „ohnfehlbar […] in ihre vaterlndischen Pflichten zurckgewiesene Priesterschaft; die rçmische Politik; die geflchteten Prinzen und Saug-Igel des Staats; die mit vollem Rechte, ihrem Betragen gemß, herabgesetzten und entflohenen Aristokraten“; und nicht zuletzt durch den Kçnig selbst, „welcher die Konstitution beschworen hatte und, mit ihnen verbunden, innere Zwietracht befçrderte, fremde Feinde zu Mord und Verwstung herbeirief […], um den ehemaligen Despotismus zu behaupten“92. Kirchlicherseits greift von der Trencks Feudalismuskritik also den gallikanischen Katholizismus an; im Hinblick auf die außerfranzçsischen Folgen der Revolution wirft der exilierte Literat jedoch herausfordernd die Frage auf, inwieweit das Braunschweigische Manifest93 den Vçlkerrechten angemessen sei; diesem zufolge habe nunmehr das seinerseits protestantische Preußen erklrtermaßen fr den Papst und dessen Rechte fechten wollen und dabei mit Mord und Verheerung gedroht94. Diese kritische Hinterfragung des restaurativen Beitrages eines protestantischen Staates im revolutionren Geschehen verbindet sich sachlich mit dem an Papsttum und Katholizismus gerichteten Vorwurf kirchlicher Legitimierung der hierarchisch-feudalistischen Verhltnisse. Damit lßt der Freiherr Christentum und Kirche unabhngig von der Konfession als hinterfragbar und obsolet gewordene Grçßen erscheinen. Seine durch Anlaß und Lnge seiner preußischen Inhaftierung geprgte Biographie macht ihn bei alldem nur empfnglicher fr die Einsicht, daß die Revolution deswegen notwendig geworden sei, weil die „Sklavenpeitsche“ das Volk regiert habe: „Die vereinigten Ketten der geistlichen und weltlichen Menschenschinder zwangen die, welche nichts mehr zu verlieren

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vgl. a. Andreas Peter Bernstorff, Originale Aktenstkke die Neutralitt Dnnemarks bei dem jezigen Kriege betreffend, Deutsches Magazin 1 / 1794, hg. von Christian Ulrich Detlev Freiherr von Eggers, S. 1 – 33. Trencks Monatsschrift fr das Jahr 1792, H. 7., Altona 1792. Ebd., S. 689. Ebd. Zu diesem o. S. 77 Anm. 181. Trenks Monatsschrift fr das Jahr 1792, S. 690.

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hatten als ihr Elend, zur Empçrung“95. Durchweg verbindet er in seinen ußerungen Regentenkritik mit der Anprangerung klerikalen Verhaltens; so mahnt er in seinem Neujahrswunsch fr das Jahr 1793: „Kommt der Kalmucken Schwarm nach Deutschland mit den Knuten, / Auf, Deutsche! Zum Gewehr! und laßt sie alle bluten! / Solch Hilfsvolk predigt euch nur blanke Sklaverei. / Kmpft ihr fr sie? Schmt euch! Jetzt ist der Franke frei. / Er reicht euch seinen Arm! Folgt, wo ihr Beispiel winket, / Eh ihr Despotengift aus vollen Bechern trinket. / Wenn kleiner Frsten Schwarm, Durchlauchtigstes Geschmeiß / Euch in das Kirchenjoch durch List zu zwingen weiß: / Verscheucht den Pfaffenschwarm, verschmht den Hierarchen, / Flieht vor der Eigenmacht, und fesselt die Monarchen.“96

Zwar nahm Trenck Hamburg und Holstein von solcher Aufforderung ausdrcklich aus97; doch blieb sein Altonaer Aufenthalt lediglich ein Interim, denn seine vehementen Angriffe auf Kirche98 und praktizierte So95 96 97 98

Trenks Monatsschrift fr das Jahr 1792, S. 217. Ebd., S. 1123. Ebd. Trencks Kritik an der gesellschaftlichen Funktion der Kirche im Kontext der Aufrechterhaltung des bestehenden Privilegiensystems hatte schon zu Beginn der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts sptere Urteile ber die Kirche im Umfeld der Revolution antizipiert. Bereits 1772 hatte Trenck – damals noch im katholischen Aachen lebend – schroff antiklerikale Tçne angeschlagen; vgl. dens., Der Menschenfreund, Bd. 2, o. O. [Aachen] 1772, S. 426, wo der Freiherr den Vorwurf erhebt, daß die Priester „das Volk in der Finsternis der trgen Dummheit am Kappzaume [sc. fhren, L.-P.]. Ist es nicht eine Schande, daß wir Rom bereichern, das unser Geld durch offenbaren Betrug erhascht, unsern Nationalblutbdern gleichgltig lachend zusieht und aus unserem Verluste noch Vorteile zieht?“. Ebd. S. 676 f. heißt es: „Was fr entsetzliches Unglk fließt nicht auch auf die brgerliche Gesellschaft aus dem Einfluß der geistlichen Obergewalt in die Handlungen, in das ganze Schicksal der Menschen! Wie viele Millionen fleißige Hnde mssen in Europa arbeiten, um einige hundert tausend bekuttete faule Buche in Gefngnissen zu msten!“. In Trenks Monatsschrift fr das Jahr 1793 findet sich S. 166 – 168 ein als „Gebet“ berschriebener Text, gerichtet an den „Allwissenden Gott“, der zugesehen und gestattet habe, daß „unsre sorgenlosen Kçnige im Schlummer der Wollste […] ihre Herrschaft vergessen“ htten, und daß „bçsartige Priester, welche ihr heiliges Amt fr Hab- und Herrschsucht mißbrauchten, und fr ihre Privatabsichten Unwissenheit, Laster und Fanatismus im Volksklumpen“ genhrt htten, die „Wohlfahrt, Belohnung, Gerechtigkeit so vieler Millionen Menschen dem unumschrnkten Wirkkreise ihrer erschlichenen Obergewalt“ unterworfen htten, „daß unsere Empçrung notgedrungen war“. Nunmehr lege „der vom Joche frei gewordene Franke […] seinen Mitbrdern keine Gebetsformel vor“, denn „solche Gebete beleidigen, schnden die Begriffe von der Gottheit“; dagegen sei „unser Gebet die Sprache des Herzens“. Die Trennung von einer als defizitr empfundenen berlieferten Gestalt von Kirche

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zialordnung hatten auch die grundstzlich zur Toleranz bereite Administration des dnischen Gesamtstaates gegen ihn eingenommen. Aus dem Zusammenwirken der dnischen Verwaltung mit dem kaiserlichen und dem preußischen Gesandten resultierten ein Verbot und der Aufkauf des Trenckschen Journals. Daraufhin verließ Trenck Hamburg und Altona und begab sich nach Paris99. Von ebenso vorbergehender Natur erwies sich die Existenz des vermutlich Ende 1792 gegrndeten Altonaer Jakobinerclubs100. Ihm gehçrten zweiundzwanzig Mitglieder an, die ihrer Vereinigung den Namen „Jakobinerklub echter Republikaner von Altona“ gaben. Ihre besondere Aktivitt galt der Verbreitung handgeschriebener Flugbltter, in denen zum Sturz der dnischen Monarchie und, damit verbunden, zum Kampf gegen die bestehende soziale Ordnung und wirtschaftlichen Mißstnde aufgerufen wurde101.

und Konfession bedeutete fr Trenck also trotz des im Kontext der Theodizeefrage als inaktiv empfundenen Gottes keinesfalls die atheistische Alternative. 99 Walter Grab, Friedrich von der Trenck, S. 50 f.; ders., Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 97 f. 100 Hierzu Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 189 – 191; Walter Grab, Norddeutsche Jakobiner. Demokratische Bestrebungen zur Zeit der franzçsischen Revolution, Frankfurt 1967, S. 40 – 47; ders., Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 321 – 344; Hedwig Voegt, Die deutsche jakobinische Literatur und Publizistik, S. 128 f. Vgl. in diesem Zusammenhang Uwe Backes, Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese, S. 60 f: „Unter dem problematischen Etikett ,deutsche Jakobiner‘ sind die in den neunziger Jahren entstandenen, die Ideale von 1789 entschieden propagierenden Klubs zum Gegenstand der Forschung geworden. Ihre Zeit endete mit dem Beginn der napoleonischen Herrschaft, die fr Deutschland weithin eine Zeit gedrosselter çffentlicher Bettigung war“. Der „Jakobinerklub echter Republikaner von Altona“ lçste sich jedoch anders als das Gros sd- und sdwestdeutscher Jakobinervereinigungen erheblich frher auf; fr seine entschieden antimonarchischen und demokratischen Intentionen fehlte es ihm an numerischer wie ideologischer Resonanz. 101 Friedrich von der Trenck bekmpfte in seiner Monatsschrift fr das Jahr 1792 S. 1135 f. diese Forderungen als eine „Aufwiegelung des Pçbels“, da seiner Einschtzung zufolge in Hamburg und Holstein die Brger frei, glcklich und ruhig leben kçnnten; er selbst sei nie ein „Revolutionsprediger“ gewesen. Der Altonaer Oberprsident Ludwig von Stemann wertete diese Bekenntnisse jedoch als Tarnmançver und sah in Trenck vielmehr den potentiellen Urheber der altonaischen jakobinischen Gedanken und Aktivitten, vgl. Walter Grab, Friedrich von der Trenck, S. 47 f.; Franklin Kopitzsch, Altona – ein Zentrum der Aufklrung am Rande des dnischen Gesamtstaats, S. 115.

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Die Erfolge der franzçsischen Revolutionsarmee whrend des Herbstes 1792 hatten bei den Befrwortern der Revolution einen erheblichen Motivationsschub hervorgerufen, der sich um den Jahreswechsel 1792/93 in einem entsprechenden politischen Aktionismus entlud. Die deutschen Liberalen hegten zunehmend die Erwartung einer Befreiung Deutschlands von Absolutismus und Privilegienherrschaft durch die siegreiche franzçsische Republik. Dabei sollte dieser emanzipative Prozeß nicht aus dem politischen Kalkl, wohl aber aus den demokratischen Werten der Revolution hervorgehen. Dementsprechend richtete sich die Hoffnung der deutschen Revolutionsbefrworter auf das Ziel, im Prozeß einer solchen, die Grenzen Frankreichs transzendierenden Durchsetzung der Revolution neben den eigenen Souvernen auch die privilegierten Stnde in den deutschen Staatsgebilden den aus den Prinzipien der Volkssouvernitt hervorgehenden Gesetzen unterworfen zu sehen. Elementar verband sich mit dieser ersehnten Befreiung von althergebrachten Standesvorrechten der Wunsch nach der Beseitigung aller Hemmnisse einer weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des Brgertums. Bereits im Vorfeld zunehmender entsprechender politischer Agitation hatte der kaiserliche Gesandte in Hamburg, Carl Freiherr Binder von Kriegelstein, unter dem Datum des 13. Oktober 1792 an seinen Hof gemeldet: „Die franzçsischen Grundstze finden im dnischen Reich, vorzglich aber in seinen deutschen Staaten, von Tag zu Tag mehrere Anhnger, wie denn die benachbarte Stadt Altona der wahre Aufenthaltsort der deutschen Demagogen seiner Preßfreiheit wegen geworden ist.“102

Nun wurden in Altona, also auf gesamtstaatlichem Boden, am 3. Dezember 1792 nachweislich mindestens fnf Flugbltter, am Neujahrstag 1793 zumindest zwei weitere und am folgenden Tag noch eines çffentlich ausgehngt. Der Altonaer Oberprsident Ludwig von Stemann bersandte daraufhin am 4. Januar 1793 drei dieser Flugbltter an die deutsche Kanzlei in Kopenhagen103. 102 Zit. n. Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern. Zur Geschichte der deutschen Jakobiner, S. 321; zum çsterreichischen Diplomaten Carl Binder von Kriegelstein cf. Hof- und Staats-Schematismus des çsterreichischen Kaiserthums, Wien 1828, S. 214. 103 Die Flugbltter befinden sich im Rigsarkivet København unter dem Fundort Dpt. F. u. A. Alm. Korr. Sager, Lit. A. Altona 1793 – 1810. Ein Abdruck dieser drei Flugbltter sowie des Textes eines weiteren whrend des 2. Weltkrieges zwar verlorengegangenen, anderweitig jedoch abgeschriebenen Exemplares findet sich bei Walter Grab, a.a.O. (Anm. 102), S. 324 – 333, sowie in: Ders., Norddeutsche

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Jedes dieser drei Pamphlete ziert eine aufgeklebte Papierkokarde in den Farben der franzçsischen Trikolore; die Handschrift ist jeweils dieselbe. Die Flugbltter richten sich in „ungewandter Sprache“104 unter starkem Durchsatz „von kirchlichen und theologischen Formeln“105 an die „Einwohner Holsteins, Dnnemark[s, L.-P.] und Norrwegensland[s, L.-P.]“, die ihrerseits als „Staatskçrper“ und „Souveraine Nation“ apostrophiert werden. Die Tonart der Schreiben legt eine ausgesprochen appellativ-agonistische Rhethorik an den Tag. Weitgehend frei von Hypotaxen, zeigt sich der Satzbau schlicht parataktisch, bedingt durch die schlicht aneinandergereihten Gedanken, was angesichts zahlreicher, z. T. auch ausdrcklich als solcher ausgewiesener Zitate auf die Benutzung verschiedener Vorlagen hindeutet. Die gelegentliche Verwendung eines unrichtigen Kasus, der fehlende Sinn fr den genitivus possessivus sowie weiterhin die zum Teil korrekte, teilweise wiederum fehlerhafte und auch bezglich gleicher Worte unterschiedlich ausfallende Orthographie deuten neben schlichten inhaltlichen Fehlern106 auf eine Verfasserschaft aus den „Schichten des einfachen Volks“107.

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Jakobiner. Demokratische Betrebungen zur Zeit der Franzçsischen Revolution, Frankfurt 1967, S. 104 – 116. Zu den Flugblttern weiterhin Grab, Freyheidt oder Mordt und Todt. Revolutionsaufrufe deutscher Jakobiner, S. 102 – 115; Fritz Valjavec, Die Entstehung der politischen Strçmungen in Deutschland 1770 – 1815, 2. Aufl. Dsseldorf 1978, S. 422 f.; zum Kontext ferner Franklin Kopitzsch, a.a.O., S. 114 f. Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 189. Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern. Zur Geschichte der deutschen Jakobiner, S. 337. So zeigt die Forderung nach einer „Reprsentantische(n) Regierung die aus denn klgsten von Unsers Landes-Bewohner aufgestellt wird“ eine den politischen Willensbildungsprozeß und dessen Realisierung verkrzende Verwechslung der staatsphilosophischen Vorstellungen von der exekutiven Fhrungsrolle der Regierung und der Legislative als eines demokratisch zu whlenden Parlamentes. Die Verwendung der Großschreibung im zitierten Pronomen indiziert – wie auch anderenorts innerhalb der Flugbltter – die konsequente Inanspruchnahme der Volkssouvernitt gegenber dem monarchischen Anspruch, der sich traditionell das exklusive Recht auf Großschreibung possessiver Pronomen vorbehielt. Walter Grab, a.a.O., S. 321. Nach Valjavec stand im Mittelpunkt dieser sich politisch bettigenden Gruppierung der Altonaer „Arzt und Dichter Dr. Joh. Chr. Unzer (1747 – 1807), der im Kreise des Hamburger Kaufmanns Sieveking verkehrte und auch mit franzçsischen Agenten Fhlung hatte“, ders., Die Entstehung der politischen Strçmungen in Deutschland 1770 – 1815, S. 216.

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Der dnische Kçnig avanciert im Flugblatt vom 3. Dezember 1792 zum „ohnmchtigen Mann“, der sich gegenwrtig noch ber seinen majesttischen Titel definiere; doch wird er mit einem auszureißenden, „Uns bisher Qulenden Barthar“108 verglichen, ohne das die „schtzbahren Amerikaner“ sich schon lngst „der besten Ruhe und Ordnung erfreuen“109. Paines Werk von den „Menschenrechten“ wird ausdrcklich zitiert110, dessen naturrechtliche Argumentation rezipiert und in den Dienst der 108 Ebd., S. 326; die insgesamt elfmal gebrauchte Metapher des Barthaares entstammt dem im selben Flugblatt – vgl. a.a.O. S. 324 – zitierten (Altonaischen) „Mercur am Freytag den 9ten November a.c.“. Dieser hatte in seiner Ausgabe Nr. 180 S. 2498 f. ein „Schreiben aus Paris, vom 29. Oktober“ publiziert, in dem es heißt: „Das Patriotische Blatt, Die Schildwache, welches gegen Robespierre und Marat schreibt, drckt sich […] folgendermaßen aus: […] Volk, ich will dir ein Gleichnis sagen. Es ist widersinnig, aber es ist wahr. Ich nehme an, der Himmel htte allen Teilen meines Kçrpers die Sprache verliehen, daß auch das kleinste Haar meines Barts mit mir sprechen kçnnte, und daß dieses Hrchen zu mir sagte: ,Haue deinen rechten Arm ab, weil er den Hund verjagt hat, der dich beißen wollte; haue deinen linken Arm ab, weil er Brot in deinen Mund gesteckt hat; haue deinen Kopf ab, weil er dein Betragen geleitet hat; haue deine Fße ab, weil sie deine ganze Maschine getragen, und wenn du alles abgehauen hast, so wirst du der schçnste Kçrper von der Welt sein‘. Ich bin so tçricht, dem Rat meines Barthaares zu folgen und haue alles ab. Sage mir aber nun, souveraines Volk, htte ich nicht besser getan, meine Beine, Arme und Kopf zu behalten, und lieber das Barthaar, welches mir solchen Rat gab, auszureißen. Marat ist das Barthaar der Republik. Er sagt, haut die Generle ab, welche den Feind vertreiben; haut den Konvent ab, der Gesetze macht; haut den Minister ab, der sie in Gang bringt; haut alles ab, nur mich nicht“. In diesem Gleichnis wehrt sich girondistischer Geist gegen den der Montagne; die Jakobiner Altonas exegesierten aus diesem Artikel jedoch nicht die Defensivhaltung gegen den zunehmenden Extremismus, sondern ersetzten in ihrer Barthaarmetaphorik den Urheber der Girondistenvernichtung durch den von ihnen nicht lnger akzeptierten dnischen Kçnig Christian VII. Dabei wurden sie ußerst deutlich: „Komt Mitbrger! laßt uns auf unsere Huth sein, denn dieses befehlende Barthaar in Unser Land, ist so wie in Frankreich auch nur ein kurzsichtiger ohnmchtiger Menschenschein, komt! laßt Uns das Barthaar so Kçnig heißt bis auf ’m Grund außreißen, so ist es […] auß’m Wege“. 109 Alle Zitate nach dem Abdruck des Flugblattes vom 3. Dezember 1792 bei Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 324 f. 110 Paines „The Rights of Man“ erschienen erst im weiteren Verlauf des Jahres 1793 in Kopenhagen in deutscher Sprache unter dem schlichten Titel der „Menschenrechte“. Die Nennung seines Werkes im Kontext des ltesten erhaltenen Flugblattes der Altonaer Jakobiner dokumentiert die erstaunlich rasche Rezeption fremdsprachlicher demokratischer Schriften auch innerhalb sozialer Gruppierungen mit geringerem Bildungsstand, denen als Mittel des publizistischen Kampfes keine Zeitschriften und Journale, sondern nur die vergleichsweise

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eigenen Sache gestellt: Von der Beseitigung des Absolutismus erhofft man sich eine Verbesserung und einen Anstieg der çkonomischen Verhltnisse. Besonders aufschlußreich fr die geistige Bildung und Herkunft der Altonaer Jakobiner scheint die Tatsache, daß „die strksten Ausdrcke, die ihnen zu Gebote stehen, keine politischen Begriffe sind, sondern der religiçsen Vorstellungswelt entstammen“111. So wird die Entrichtung der vielfltigen Steuern an die Krone als verwerflicher Gehorsam gegenber „Teuflischen Befehlen“ dargestellt112 ; damit jedoch wird der Trger der Krone aus der sakrosankten Aura des Gottesgnadentums geradezu herausgelçst und in klimaktischer Zuspitzung nunmehr in den Bereich des Widergçttlichen versetzt. Unterwerfen die Autoren alle Steuern nunmehr dem „verfluchten Bannstrahl […], der Uns alle noch brigen Krfte durch ihre Inquisitoren zu rauben drohet“113, so zeigt sich nicht nur an dieser Stelle eine wesentliche Anflligkeit ihrer mehrheitlich gewiß lutherischen Konfessionalitt dafr, die katholischen Regulative und deren Observanten unter populren kontroverstheologischen Aspekten als Personifizierung des Bçsen anzusehen114. Konsequent richten sich die Hoffnungen der Flugblattautoren auf eine Zukunft, in der

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schlichteren, selbstndig zu verfertigenden Medien des Flugblattes und Pamphletes zur Verfgung standen. Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern. Zur Geschichte der deutschen Jakobiner, S. 338. Peter Philipp Riedl, ffentliche Rede in der Zeitenwende. Deutsche Literatur und Geschichte um 1800, Tbingen 1997, spricht S. 162 f. von einer „dezidiert dichotomischen Struktur“ zeitgençssischer jakobinischer Propaganda in Deutschland, die – sich im „Dienst der Gerechtigkeit“ wissend – eine „stark affektive Beredsamkeit“ einbezogen habe. Erstes Flugblatt vom 3. Dezember 1792, zit. n. Walter Grab, a.a.O., S. 324. Erstes Flugblatt, zit. n. Walter Grab, a.a.O., S. 326. Die Begrifflichkeit der Inquisition begegnet in den Flugblttern hufig und in vielerlei Wendungen; in der Verurteilung des zeitgençssischen Lottowesens etwa geht die Rede von der „inquisitionsvollen Lottopest“, die am „InquisitionsSchafott“ oder im „Inquisitions und Mordt-Tempel“ – gemeint ist das Gebude der Lottoeinnahme – darauf aus sei, „Unser Land […] aus[zu, L.-P.]zehren, das es von Zeit zu Zeit Ohnmchtig und Geldleer dastehet“, zit. n. Grab, a.a.O., S. 327. Die Großschreibung des Possessivpronomens in der Wendung „Unser Land“ nimmt mit dem pluralis majestatis erneut den Gedanken der Volkssouvernitt auf. Die Problematik wirtschaftlicher Verelendung durch das Lottospiel war auch Gegenstand zeitgençssischer kirchlicher Verkndigung; vgl. etwa Johann Otto Thieß, „Vom Spiel, besonders in Zahlenlotterien“ (ber Eph. 4,1 – 6), in: Ders., Christliche Predigten, Hamburg 1788, S. 54 – 82. – Seit 1789 hatte der Dichter Heinrich Willhelm von Gerstenberg die Funktion eines Direktors des Lottojustizwesens in Altona inne. Die Sinekure-Position sollte ihn offiziell zu neuerlicher literarischer Bettigung befhigen; hierzu Redlich, Art. „Heinrich Wilhelm von

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„die verdamte vorerwnte Inquisition des Zolles, des Lottos, der Kopfsteuer etc: auf ewig vom Hçllenpfuhl verschlungen seyn, und Wir als freye Menschen und Brger, geben sodann bereitwillig zur Erhaltung Unserer freien Republik Mann fr Mann eine billige Contribution.“115

Bei aller in diesen Flugblttern zutage tretenden Radikalitt gilt es jedoch grundstzlich festzuhalten: Die in der Flugschrift vom 3. Dezember 1792 erhobene steile Forderung nach der Beseitigung des dnischen Monarchen stellt einen im Gesamtstaat zwar außerordentlichen, allerdings auch singulr bleibenden Bruch der staatsbrgerlichen Loyalitt dar116. Auch am nçrdlichen Ende des Herzogtums Holstein etablierte sich zum Jahreswechsel 1792/1793 mit dem Kieler „Patriotischen Klub“ eine Gemeinschaft sozial Mißvergngter. Diese grçßere Gruppierung zhlte etwa 200 Mitglieder117, die sich aus den besonders armen Bevçlkerungsschichten der Stadt rekrutierten. Der Anstieg der Inflationsrate hatte zuvor zur Verelendung zahlreicher Haushalte gefhrt; insofern artikulierte der Klub in erster Linie eine dringliche çkonomisch meßbare Not, der durch eine vorrangige Einforderung abstrakter Menschenrechte zunchst nicht zu begegnen war. Zum Sprecher des Klubs machte sich der in Kiel ber Gerstenberg“, ADB 9, S. 65; Sven-Aage Joergensen, „… vom dnischen Ende Deutschlands“. Gerstenberg zwischen Klopstock und Herder, in: Klaus Bohnen und Sven-Aage Joergensen, Hg., Der dnische Gesamtstaat. Kopenhagen. Kiel. Altona, S. 145 – 160, hier bes. S. 147 f. Der 1737 in Tondern geborene Dichter gehçrt literarisch dem Sturm und Drang an, dessen Dramen er mit seinem „Ugolino“ im Jahre 1768 erçffnet. Hier schildert er den Untergang einer durch Tyrannenwillkr ins Elend geratenen Grafenfamilie; hierzu Gerhard Fricke und Volker Klotz, Geschichte der deutschen Dichtung, 10. Aufl. Hamburg / Lbeck 1964, S. 138 f. Gerstenberg hatte zuvor in Eutin gelebt, wo er intensive Beziehungen zu Johann Heinrich Voß, Friedrich Heinrich Jacobi und Carl Friedrich Cramer unterhalten hatte; hierzu neben Sven-Aage Joergensen a.a.O. Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, Neumnster 1975, S. 12 f.; 39 – 43 sowie hier u. S. 259 f. Hinter der Verleihung jener SinekurePosition stand mçglicherweise auch die beschwichtigende Intention einer Ruhigstellung des am freiheitlichen Diskurs interessierten Literaten. 115 Erstes Flugblatt, zit. n. Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 326. 116 So Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 190; Sophie Helaine, Culture politique et Rvolution francaise: comment les ides nouvelles ont chemin en Allemagne du Nord (1792 – 1799), resmiert S. 338: „Cependant, ce mouvement tait rest limit localement et socialement et n’avait pas su rpondre aux exigences de la population“. 117 So die Angabe bei Walter Grab, Norddeutsche Jakobiner. Demokratische Bestrebungen zur Zeit der Franzçsischen Revolution, S. 48.

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Kapitel II

Grundbesitz verfgende Aristokrat Cai Friedrich von Brockdorff, der – aufgeschreckt vom tatendurstigen Radikalismus der Gruppierung – durchaus ein Interesse hatte, „die Aufruhrstimmung, die er bald erkannte, in ruhige Bahnen zu lenken“118. So intervenierte er im Namen des Klubs gegenber dem Landesherrn unter Einbringung ausschließlich wirtschaftlicher Aspekte; etwaige politische Forderungen griff er dagegen nicht auf. Auf diese Weise vermied er, zum Anfhrer einer offensiven Erhebung zu werden, und galt indessen doch als Anwalt und Mittler der verbal zum Ausbruch gekommenen çkonomischen Interessen der nichtprivilegierten sozialen Gruppen. Damit verstrich hinreichend Zeit, um die aus der nackten Not erweckte Energie der verarmten Brger der Stadt zu zermrben. Am 1. Februar 1793 denunzierte Brockdorff die erlahmende Bewegung beim Statthalter der Herzogtmer, dem Prinzen Carl von Hessen119, als „ein Aufruhrfeuer“. Der Statthalter wies Brockdorffs Wunsch einer Honorierung seiner in dieser Sache geleisteten Dienste entschieden zurck und meldete die Angelegenheit an die Deutsche Kanzlei in Kopenhagen120. Weitere Nachrichten ber den „Patriotischen Klub“ sind nicht berliefert. Entscheidend blieb fr diese Gruppierung, daß ihre Forderungen nicht zu politischer Formulierung gelangten und sich damit im Vorfeld jeglicher Realisierung erschçpfen mußten. Jakobinische Aktivitten gab es auch im Herzogtum Schleswig. Hier agierte der Flensburger Georg Conrad Meyer121, der mit seiner unter dem 118 Walter Grab, a.a.O., S. 49. 119 Zu diesem Otto Brandt, Geistesgeschichte und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 154 f.; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 70 f. Der 1744 geborene Carl von Hessen gehçrte dem Illuminatenorden an; vgl. zu dieser Gruppierung – in der der Prinz sich „Aaron“ nannte – u. S. 205 Anm. 308 sowie die dort angefhrte Literatur. Als dnischer Statthalter trat Carl fr die Beibehaltung des Absolutismus und eine stndische Gesellschaftsordnung ein; der Schwager Christians VII. sowie Schwiegervater Friedrichs VII. war seit 1774 dnischer Feldmarschall und residierte neben dem nach seiner Gattin benannten Wohnsitz Louisenlund auf seinem Amtssitz Gottorf. Er starb am 17. August 1836. 120 Hierzu Grab, Norddeutsche Jakobiner. Demokratische Bestrebungen zur Zeit der Franzçsischen Revolution S. 51. Seine weitere Zukunft sah Cai Friedrich von Brockdorff außerhalb des dnischen Gesamtstaates; seit dem Jahr 1801 stand er als Kammerherr in Diensten Sachsen-Hildburghausens. 121 Zu diesem: Zu diesem D.[etlev] L.[orenz] Lbker und H.[ans] Schrçder, Lexikon der Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1796 – 1828, 1. Abth., Altona 1829, S. 368; Fritz Valjavec, Die Entstehung der politischen Strçmungen in Deutschland 1770 – 1815, S. 424 – 426; Hans-Fried-

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programmatischen Titel „Der Neue Mensch“122 erscheinenden Wochenschrift die zu ihrer Zeit „im demokratischen Sinne radikalste Zeitung der Herzogtmer“123 herausgab. Am 1. April 1774 in Flensburg als Sohn des Gevollmchtigten bei der Zollkammer und damit eines Beamten geboren, studierte Meyer Rechtswissenschaft, seit dem 1. Mai 1791 zunchst in Gçttingen, ab dem 25. Oktober 1792 an der Kieler Christian-AlbrechtsUniversitt124. Mçglicherweise geriet er unter den Einfluß des hier lehrenden Carl Friedrich Cramer125, gegen dessen Absetzung126 er mit weiteren revolutionsfreundlichen Kommilitonen127 çffentlich demonstrierte. Daraufhin wurde er der Deutschen Kanzlei in Kopenhagen schriftlich als „bekannter Sanscoulotte“ gemeldet128, um dann noch im Jahre 1794

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rich Schtt, Flensburg in der Zeit des Gesamtstaates, in: Flensburg. Geschichte einer Grenzstadt, hg. von der Gesellschaft fr Flensburger Stadtgeschichte, Flensburg 1966, S. 169 – 233, hier bes. S. 218 – 221; Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 92 und 151 – 158; Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 66 – 72; ders., Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 387 – 399; Helmut Reinalter, Der Jakobinismus in Mitteleuropa, S. 84 f.; Bernd Philipsen, Flensburger Kçpfe. Frauen und Mnner aus der Stadtgeschichte, Glcksburg 2009, S. 22 – 24. Erschienen in Flensburg zwischen 1796 und 1797; hierzu Walter Grab, Der Flensburger Jakobiner Georg Conrad Meyer und seine Zeitschrift „Der neue Mensch“, in: Grenzfriedenshefte 4 / 1982, S. 193 – 202. Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 151. Diese Angaben nach Thomas Otto Achelis, Matrikel der schleswigschen Studenten 1517 – 1864. Band II: 1741 – 1864, Kopenhagen 1966, S. 423. So Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 66. Zu Carl Friedrich Cramer vgl. u. S. 258 – 274. Die Entlassung Cramers war auf das Betreiben der Grafen Reventlow hin zum 2. Mai 1794 erfolgt; vgl. u. S. 272 f. Diese Demonstration war ursprnglich geplant als Solidarittsakt von etwa einhundert Studenten der Kieler Universitt; dies wre immerhin die Hlfte aller an der Universitt Eingeschriebenen gewesen. Hierzu Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 215: Cramer „bat mich, meinen Cameraden den Gedanken auszureden; er wolle nicht gerne Andre in sein Unglck verflechten. Dies Gesprch ergriff mich stark, denn Cramer sprach immer herrlich und hinreißend. Ich mußte es ihm versprechen. Neugierig erwarteten mich fast 100 Studenten […] bald hatte ich alle bestimmt, abzustehn. Nur eine kleine Zahl kam, ohne Fackeln, um Mitternacht, und rief ihm incognito ein Hoch! zu. Er reiste ab, wie ein Gechteter […] Auffallend war es, wie dieser Schlag mit einem Mal Viele der lautesteten Schreier unter den Professoren still machte […]“. Zu den diesbezglichen universitren Verhltnissen auch weiter u. S. 274 – 289. Schreiben des konservativen Kieler Professors Philipp Georg Hensler an die „Kanzley“, ohne Datum, zit. n. M[oritz] Liepmann, Hg., Von Kieler Professoren,

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Kapitel II

„relegiert“, d. h. der Universitt verwiesen zu werden. Der offizielle Anlaß erscheint nichtig; er begrndete sich durch eine dem Studenten Meyer negativ angerechnete Auseinandersetzung mit Handwerkern129. Sein Flensburger Freundeskreis ermçglichte ihm anschließend die Herausgabe der genannten Zeitschrift, die ab ihrem 27. Stck im 1797er Jahrgang unter dem in appellativer Hinsicht recht herausfordernden und die Pressefreiheit durchaus strapazierenden Motto erschien: „Les grands nous ne parroissant grands que parce que nous sommes aux genoux. – Lvons nous!“130. Dementsprechend konnte Meyer die Hinrichtung des franzçsischen Kçnigs in seiner Wochenschrift durchaus gutheißen131; ebenso verwarf er auch die fr diesen Monarchen gebrauchte stereotype Formel vom frstlichen „Landesvater“: „In der Familie ist in der Regel der Vater weiser als seine nicht erwachsenen Kinder. Betrachten Sie die Frsten, und nehmen Sie mir einmal einen Riß von ihrer Weisheit auf! Die Turgots, Rousseaus, Mirabeaus usw. waren Kinder! Ludwigs des Letzten […] Der Familienvater opfert einen Teil, ja sein ganzes Glck auf, wenn er das seiner Kinder dadurch erhçhen und befestigen kann. Und der Vater des Vaterlandes? Fragen Sie die Geschichte!“132

Zwar bewertet Meyer die Regierungen „Friedrichs des Einzigen“ wie auch die „gegenwrtige Regierung in Dnemark“ positiv, doch kçnne deren besonderer Wert „nichts fr die Gte der monarchischen Verfassung im allgemeinen beweisen“133. Die Relevanz dieser beiden Ausnahmen relativiert sich jedoch, wenn man bedenkt, daß die Regierungszeit des aufgeklrten Preußenkçnigs zu diesem Zeitpunkt bereits Vergangenheit war, whrend die positive Einschtzung der „gegenwrtigen“ Regierung Dnemarks mçglicherweise nicht mehr als ein der Zensur Rechnung tragendes und damit der Behçrdenbeschwichtigung dienendes Kompliment

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S. 65; dem Schreiben zufolge wurden auch zwei weitere Kommilitonen namens Knçlck aus Dithmarschen und Mller aus Hannover „relegiert“. Vgl. hierzu a. Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 66. Vgl. zu den Einzelheiten Walter Grab, Der Flensburger Jakobiner Georg Conrad Meyer und seine Zeitschrift „Der neue Mensch“, S. 194; ferner a. Hans-Friedrich Schtt, Flensburg in der Zeit des Gesamtstaates, S. 218; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein S. 152. In diesem Motto vermutet Renate Erhardt-Lucht a.a.O. S. 153 ein aus der Wochenschrift „Rvolutions de Paris“ bernommenes Zitat. „Gesprch ber Kçnigtum zwischen einem Republikaner und einem Royalisten im Jahre 1793. (Nachgeschrieben von einem unbemerkten Zuhçrer.)“, Der Neue Mensch , Erster Band (1796), 2. Stck, S. 26 – 38. Ebd., S. 36. Ebd., S. 38.

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darstellt; der implizite Hinweis in Meyers ußerung auf einen mçglichen Wandel der von der dnischen Regierung bisher bewiesenen politischen Qualitt verrt noch dazu eine grundstzliche Skepsis auch gegenber der gesamtstaatlichen Monarchie. Meyer forderte die Aufhebung aller stndischen Privilegien und Monopole; alles menschliche Elend habe seinen Anfang genommen, „als die Menschen mehr als Menschen seyn wollten und Stnde machten“134. Er trat fr Gewerbefreiheit, Juden- und Frauenemanzipation ein135, beschftigte sich mit den Schriften Paines136 und korrespondierte vermutlich mit den Angehçrigen des Pariser Zirkels der „Gleichheitsfreunde“137. Zu einer vorbergehenden Beziehung mit Heinrich Christoph Albrecht kam es, nachdem dieser seinen Wohnsitz auf das in der Nhe Flensburgs gelegene Gut Kielseng verlegt hatte138. Die Verschrfung der Zensur zum 1. November 1799 nahm Meyer jedoch die Mçglichkeit zu weiterer Publikation seiner radikal-republikanischen Ansichten.

134 Hierzu Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 68. 135 „Bruchstck aus dem Journal eines Reisenden“, Der Neue Mensch, Erster Band (1796), 19. Stck, S. 166. In Dnemark erfolgte die Judenemanzipation 1814, in Schleswig am 8. Februar 1854, in Holstein am 14. Juli 1863, cf. Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, Neumnster 1939, S. 51 f. 136 Vgl. Der Neue Mensch, Erster Band (1796), 39. Stck, S. 250 – 257: „ber Paine’s Buch: Sinken und Untergang des engl. Finanzsystems“. 137 Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 68. 138 Hier lebte Albrecht vom Sommer 1794 bis zu seinem frhen Tod im Alter von 37 Jahren am 11. August 1800. Meyer verçffentlichte 1796 zwei seiner Gedichte im Ersten Band der Zeitschrift, S. 113 f.: „Der Mensch“, und S. 115 f.: „Beym Schluß des Jahres“. Beide Texte riefen keinen Einspruch der Zensur hervor. 1796 erschien in Schleswig auch Albrechts erster Teil des historischen Schauspiels „Leben und Tod Carl[s] des Ersten, Kçnigs von England. Die Revolution in England“. Zuvor war im Flensburgschen Wochenblat vom 27. Mai 1795 S. 379 – 381 eine von Herrn „Digueman, Lehrer der frz., ital. und dn. Sprache“ verfaßte Rezension von Albrechts „Versuch ber den Patriotismus“ erschienen, die dessen positive Darstellung der gesamtstaatlichen Verhltnisse unter der Regierung Bernstorffs hervorhob. O.J.P. Digueman[n] war Vorsitzender der çrtlichen franzçsischen Lesegesellschaft, der auch Albrecht angehçrte; zu ihm o. S. 37 Anm. 41, S. 129 Anm. 17 sowie Hans-Friedrich Schtt, Flensburg in der Zeit des Gesamtstaates, S. 220. Mçglicherweise bezeugt der als „Diekmann“ durchaus gebruchliche Nachname in seiner franzçsierten Schreibweise die frankophile Gesinnung des Lehrers.

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Kapitel II

Wie die Jakobiner des sdlichen Holsteins139opponierte auch Georg Conrad Meyer gegen das kirchliche Establishment seiner Zeit. Der Konflikt begann durch einen vehementen Angriff des jungen Journalisten auf Nikolaus Johannsen140, den Hauptpastor der Flensburger Nikolai-Kirche. Dieser amtierte seit 1789 als Flensburger Propst. Im gleichen Jahr war durch Initiative des Flensburger Brgermeisters Josias thor Straten der zuvor in Kiel als Kloster- und Garnisonsprediger ttige Pastor Matthias Friedrich Paisen141 ohne Wahl zum Hauptpastor an St. Marien „vocirt“ 139 Vgl. etwa o. S. 143–145, bes. S. 145 Anm. 98 die entsprechenden ußerungen Friedrich Freiherrn von der Trencks wie auch die antiklerikalen Wendungen innerhalb der Flugbltter des Altonaer Jakobinerklubs, o. S. 150 f. 140 Zu diesem H.[ans] N.[ic.] A.[ndreas] Jensen, Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogthums Schleswig, Dritte Lieferung, S. 872, sowie Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 412. Der 1740 in Niebll geborene Johannsen hatte in Kopenhagen studiert und wurde anschließend zum Diakonus in Hattstedt gewhlt; seit 1777 war er Pastor der Flensburger Nikolai-Gemeinde. Im Jahr 1789 wurde ihm das Amt des Flensburger Propsten bertragen. Zwei Jahre spter gab er in Schleswig seine „Predigten ber die Glaubenslehren und Lebenspflichten in den Evangelien“ heraus; im Jahre 1804 folgte sein zweiteiliger, in Friedrichstadt publizierter „Versuch, das Canonische Recht, in so ferne es fr die Protestanten brauchbar ist, mit den eigenen Worten der Kirchen-Gesetze fr die Herzogthmer Schleswig und Holstein etc. zu belegen“. Der Autor nennt sich hier eingangs „Kçnigl. Kirchen-Propst und Haupt-Prediger zu St. Nicolai in Flensburg“. Der ehemalige Bauernknecht und sptere Prediger Lorenz Nissen nahm als Jugendlicher oftmals die Wegstrecke zwischen Medelby und Flensburg auf sich, um whrend des sonntglichen Kirchgangs „die leichte Suade des Pastors, nachherigen Probstens Johansen, in der St. Nicolayenkirche“ zu bewundern und von ihr zu lernen; vgl. dens., Meine Wege und Umwege zur Kirche. Eine autobiographische Erzhlung, Altona 1826, S. 25 f. Laut Jonas Brodersen, Fra Gamle Dage, Kopenhagen 1912, S. 501 wirkte Johannsen im Jahr 1803 als „den eneste sande Evangelist“ unter Flensburgs Predigern, war doch die Nikolai-Kirche zu dieser Zeit das einzige gut besuchte Gotteshaus der Stadt: „Medens all Byens Kirker stod tomme, var hans Kirke Soendag efter Soendag fyldt til sidste Plads“. 141 Auch: Paysen. Zu diesem H.[ans] N.[ic.] A.[ndreas] Jensen, a.a.O., S. 885 und 1077; Christian Ludwig Wiegmann, Kurzgefaßte Geschichte der christlichen Religion und des Kirchenwesens in den dnischen Staaten, besonders in den Herzogthmern Schleswig und Holstein, Kiel / Flensburg 1840, S. 177 f.; F.V.I. Wulff, Hg., Verzeichnis der im Schleswig-Holsteinischen Amtsexamen bestandenen Theologen, nebst einigen Angaben, das Leben und die Befçrderung derselben betreffend, Kiel 1844 , S. 2. – Nach Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten II, S. 137 studierte der 1756 in Tondern geborene Paisen von 1775 bis 1779 in Kiel; nach einem Examen mit „erstem Charakter“ zwischen 1780 und 1783/84 in Tçnning ttig, wurde er anschließend Kloster- und Garnisonsprediger in Kiel. Zur geistigen Atmosphre und Ausrichtung der Kieler Universitt nach

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worden142. Der neue Hauptpastor fand nach seinem Dienstantritt im Jahre 1790 innerhalb des gebildeten Brgertums eine begeisterte Zuhçrerschaft; zugleich war er befreundet mit dem der Aufklrung verbundenen Generalsuperintendenten Jakob Georg Christian Adler143. Paisen sah im Christentum den Inbegriff aller Vernunftwahrheiten, eine „positive Religion“144, deren Offenbarungsinhalte er jedoch konsequent der Meßschnur der menschlichen Vernunft unterwarf: „Allezeit werden die Szze einer Offenbarung der Vernunft entsprechen mssen, und dann eine solche der Vervollkommnung des Menschen gewiß

1775 vgl. u. S. 251 f. Der dem Rationalismus und der Aufklrung zugetane Paisen starb am 11. April 1814 als Pastor der deutschen Gemeinde in Kopenhagen. 142 H.[ans] N.[ic.] A.[ndreas] Jensen, a.a.O., S. 885; vgl. a. Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 156 – 158; Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 70 f.; Hans-Friedrich Schtt, Flensburg in der Zeit des Gesamtstaates, S. 214; ebd.: thor Straten „schrieb an Bernstorff nach Kopenhagen: ,Was mich bei der Sache interessiert, ist bloß Patriotismus, um alles zu tun, was zur Befçrderung der Aufklrung hierselbst gereichen kçnnte‘“. Diese ußerung indiziert unter Einbeziehung der aufklrerisch-rationalistischen Intentionen Paisens im Umkehrschluß eine Unvereinbarkeit von konservativer Orthodoxie und dem im Sinne des Brgermeisters verstandenen „Patriotismus“. Die vom Geist der Aufklrung geprgte brgerliche Vaterlandsauffassung und die kirchliche Orthodoxie drifteten im Flensburg des ausgehenden 18. Jahrhunderts erheblich auseinander. 143 Zu diesem: Bickell, ADB 1, S. 85 f.; Walter Gçbell, SHBL 6, S. 15 – 20; Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL I, Sp. 37; Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 342 – 345; C.[arsten] E.[rich] Carstens, Die Generalsuperintendenten der evangelisch-lutherischen Kirche in Schleswig-Holstein. Von der Reformation bis auf die Gegenwart, in: ZSHG 19 / 1889, S. 3 – 111, hier S. 59 – 65; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein, S. 202 f.; Gottfried Mehnert, Die Kirche in Schleswig-Holstein, S. 112 – 114; cf. a. u. S. 313 – 315. In Flensburgs „Wochenblat fr Jederman“ vom 15. Oktober 1795 wirbt Paisen um Subskribenten fr Adlers „Samlung von Predigten, in der Friedrichskirche zu Kopenhagen gehalten, und seiner vormaligen ihm immer unvergeßlichen Gemeine zu seinem Andenken gewidmet. Erster Band“. Dieser erschien 1796; hierzu u. S. 315 Anm. 760. 144 Vgl. Paisen, „Was ist und ntzt positive Religion?“, Flensburgsches Wochenblat fr Jederman vom 27. August 1794, S. 65 – 71; ebd. S. 65 f.: „Positive Religion soll von der natrlichen Religion durch nichts, als diejenigen Lehrszze, die ausser dem Gebiete der Vernunft liegen, verschieden sein […] Das Christenthum ist nichts anders, als der Inbegriff aller Vernunftwahrheiten, die auf die menschliche Glkseligkeit abzwekken“; vgl. hierzu u. S. 325–327.

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den mçglichsten Vorschub leisten. Dis scheint der Grad von Geistesbildung und Empfnglichkeit unsers Zeitalters nothwendig zu machen.“145

Diesen Auffassungen trat sein Propst entgegen; gerade der Stellenwert der menschlichen Vernunft im Perfektibilittsprozeß des Menschen wurde zum Stein des Anstoßes. Propst Johannsen war nicht willens, auf die Einsicht zu verzichten, „daß der Mensch sndhaft veranlagt sei und daher der Vermittlung Christi bedrfe“146 : „Also heißt, an Gott glauben, nach dem neuen Testament so viel als, an Jesum glauben.“147

Im Zentrum der Auseinandersetzung zwischen Paisen und seinem Propsten standen eine divergierende Anthropologie und Christologie. Der Konflikt erreichte seinen Hçhepunkt, als Johannsen die Differenzen whrend der Einfhrung Georg Wilhelm Valentiners zum Diakon an St. Marien im Sommer 1797 thematisierte. Valentiner selbst erinnert sich 34 Jahre spter an dieses Ereignis:

145 Matthias Friedrich Paisen, a.a.O., S. 71. – Paisens anwachsende Gemeinde setzte sich berwiegend aus den Angehçrigen der Flensburger Oberschicht zusammen, vgl. Thomas Matthiesen, Einbruch des Rationalismus in das Flensburger Kirchenwesen (von 1790 ab), in: SSHKG, 2. Reihe, Bd. 11 /1952, S. 164 – 184, hier: S. 167: „Der neue Pastor brachte als erster den klaren Vernunftglauben auf die Kanzel einer Flensburger Hauptkirche und gewann stark wachsende Anziehungskraft durch seine lebendige, sehr gefhlsbetonte, aller Steifheit abholde Weise zu reden. Wenig beschwert von Bibel und Bekenntnis wie von lokaler Tradition wandte er sich nicht sowohl an die ,Gemeinde‘ als an die ,Brgerschaft‘ und zwar besonders deren Oberschicht, nicht an die geistlich Armen, sondern an die ,Edlen‘, er selbst ein ,Edler‘“. Paisen war somit „ein Prediger der zwei obersten Flensburger Klassen – wenn man die inzwischen veraltete Rangklasseneinteilung von 1718 noch einmal heranziehen darf“, Hans-Friedrich Schtt, Flensburg in der Zeit des Gesamtstaates, S. 214. Im Gegensatz zu Paisen war der Propst Johannsen „der Mann des Volks“, H.[ans] N.[ic.] A.[ndreas] Jensen, Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogthums Schleswig, Dritte Lieferung, S. 872. 146 Hans-Friedrich Schtt, a.a.O., S. 214. 147 Nikolaus Johannsen, Predigt am Pfingstmontage 1791 ber Joh 3,16 – 21, in: Ders., Grundrisse der Predigten, welche an den Son- und Festtagen vom ersten Advent 1790 bis dahin 1791, in der Kirche zu St. Nicolai in Flensburg gehalten worden sind, Flensburg 1791, S. 145 – 148, hier: S. 145 [Hervorhebungen im Original]; eine vergleichbar aufklrungskritische Sichtweise findet sich auch bei J.[ohann] L.[eonhard], Callisen, Ist es rathsam bei unserm bisherigen Glauben an die Weissagungen der Bibel von unserm Herrn Christo zu bleiben?, Lbeck 1792, hier bes. S. 3 – 7.

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„Das Publicum war in vorzgl. Grade gespannt zu hçren, wie Johanns. mit seinem Gegenfßler [i.e. Paisen, L.-P.] es treiben werde. Lngst hatte die elegante Welt fr Pays., das Volk aber fr Johanns. entschieden. Nie hatten die Parteihupter außer bei Pays. Introd.[uktion, L.-P.] in ihren Kirchen sich berhrt. Nun war die Gelegenheit gegeben, deren J. sich recht zu freuen schien, um so mehr, da er an mir seinen Knappen gefunden zu haben glaubte. Er redete, wie es ihm gegeben war, mit besonderem Feuer ber Gal 1,8148 , citierte aus alt. u. neuer Zeit mehrere, die die Gottheit Christi geleugnet hatten, u. brauchte in der That nicht den Namen zuzufgen, der nach des Publicums Urtheil eigentl. gemeynt war. Nach dem Mittagsmahl, das der Amtmann glnzend bereitet hatte, wo J. lustig, P. einsylbig erschien, theilte sich die Gesellschaft, zu der zum Schlusse ein namhafter Landprediger gekommen war, in den Garten, wo dieser mit P. und andern die schonungsloseste Critik ber J. gebt hatten, u. in das Zimmer, wo J. gegen mich seinerseits sein Herz erleichterte. Nicht lange, und es erschien von dem wegen seines Journals benannten neuen Menschen-Meyer eine arge Schmhschrift auf Johanns. in Gegensatz zu Pays., u. auf die Niklas Gemeinde […], wo sich der unaufgeklrte Haufen des Pçbels versammelte. Die Sache wre aus der Schrift bald in die rgsten Ttlichkeiten bergegangen, und M. durfte sich nun […] nicht çffentlich zeigen.“149 148 Hier heißt es: „Wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen wrden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht“. 149 Zit. n. der 1831 abgefaßten, handschriftlich vorliegenden Selbstbiographie Georg Wilhelm Valentiners, Stadtarchiv Flensburg, XII hs 1526, S. 104 f.; zu den Geschehnissen dieses Tages auch Jonas Brodersen, Fra Gamle Dage, S. 501. Bei der erwhnten „Schmhschrift“ handelt es sich um Meyers Artikel „Vox Populi“, publiziert in: Der neue Mensch, Zweiter Band, 37. Stck (1797), S. 577 – 589. – berhaupt scheint Propst Johannsen die Einfhrungsgottesdienste neu erwhlter Geistlicher zum Anlaß genommen zu haben, gegen das Vordringen des Rationalismus anzugehen; vgl. etwa seine „Rede bey der Introduction des Herrn Diaconi [Friedrich Heinrich Wilhelm] Frçlich in Grundhoff, den 19ten April 1795“, in: Ders., Grundrisse von Predigten, deren Eingnge nach dem Bedrfniß unserer Zeit eingerichtet, und welche an Son- und Festtagen vom ersten Advent 1794, bis dahin 1795, in der Kirche zu St. Nicolai in Flensburg gehalten worden sind, Flensburg 1796, S. 245 – 248, hier S. 245: „Welch eine Fhigkeit des Menschen ist, M. Br., die Vernunft! Wie unendlich erhebet diese ihn ber das Thier! Wie nahe bringt sie ihn der Gottheit! Welch eine dnne Scheidewand ist zwischen dem Engel und dem Menschen, nur das ussere grobe Gewand […] Wie tief kann der Mensch durch sie sinken. Ist es nicht die Vernunft, wodurch der Mensch argwçhnisch, arglistig, barbarisch, rachgierig, tkkisch und unersttlich in Begierden ist […] Unordentliche Leidenschaften sind innerliche Tumulte; wie oft betuben diese daher die Vernunft, wie oft eilen sie mit ihr davon“. In seiner „Rede bey der Einfhrung des Herrn C.[onrad] H.[einrich] Friese zum Pastor in Rlschau, den 30sten October [1796]“, bilanziert der Propst trocken: „Viele Lehrer unserer Zeit wollen ihn [sc. den ganzen Rath Gottes von der Menschen Seligkeit, L.-P.] nicht kennen, sondern halten sich bey einem ungeistlichen losen Geschwz auf, welches

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Kapitel II

Meyer, der whrend der Introduktionsrede des Propsten selber nicht vor Ort gewesen war, ergriff sofort Partei fr Paisen, der „in der großen Mariengemeine zu Flensburg“ die Fesseln des „Tyrannen ,Glauben‘“ geçffnet und stattdessen der „eingebornen Himmelstochter ,Wahrheit‘“ Eingang und Aufnahme verschafft hatte150. In einem Lande, „in welchem seit etwa zwçlf Jahren die bigotten Kirchenverordnungen Christians des 5ten und Christians des 6ten verjhrten, in welchem es nicht darauf ankommt, ob Einer an hergebrachten Dogmen und Formeln hngt, durch welche er zur Maschine herabgewrdiget wird, in welchem im Gegentheil es nur darauf ankommt, ob er ein guter Mensch und Brger ist“151,

sah Meyer sich zur Stellungnahme herausgefordert. Offen beschuldigte er den Propsten, bis zu Paisens Ankunft in Flensburg jene „Dogmen, die Aberglaube und Priesterdespotismus in die Religion gelogen haben“152, mit Stillschweigen bergangen zu haben, sich nunmehr jedoch „als den treuen Nachahmer jenes hamburgischen Zionswchters zu zeigen, der mit seiner

viel zum ungçtlichen Wesen beytrgt, und ihr Wort frisset um sich, wie der Krebs 2 Tim 2,16.17. Hten Sie sich davor“, zit. n. Nikolaus Johannsen, Grundrisse von Predigten, deren Eingnge nach dem Bedrfniß unserer Zeit eingerichtet, und welche an Son- und Festtagen vom ersten Advent 1795, bis dahin 1796, in der Kirche zu St. Nicolai in Flensburg gehalten worden sind, Flensburg 1796, S. 245 – 248, hier: S. 248; hierzu a. Wilhelm Sell, Hg., Rllschau in Angeln, S. 161, der hervorhebt, daß Friese in seiner unter dem Thema „Die Mode ist ein wahrer Tyrann“ gehaltenen Einfhrungspredigt davor gewarnt habe, „sich dem Zeitgeist hinzugeben. Die Predigt ist rationalistisch, sie ist eine gelehrte Rede moralischer Art ohne tiefen Christenglauben“. Die Widersetzlichkeit der Rllschauer gegen eben diesen Vernunftglauben, insbesondere im Zusammenhang der Einfhrung der neuen vom Geist des Rationalismus geleiteten Adlerschen Kirchenagende, veranlaßte Friese im Jahre 1807 zum Weggang aus der Gemeinde; hierzu Sell, a.a.O., S. 161. 150 Meyer, Vox Populi, Der neue Mensch, Zweiter Band , S. 581. Daß Meyer nicht der einzige Flensburger Publizist seiner Zeit ist, der sich gegen die theologische Position des çrtlichen Propsten wendet, zeigt ein anonym verçffentlichter Artikel im „Sontags-Blat fr Wahrheitsfreunde“, Flensburg 1797; in dessen „Zweytem Stk“ heißt es S. 6 f.: „Scheuet und frchtet Euch nicht, meine Brder, Eure Vernunft in der Religion, oder bey Lesung der heiligen Schrift zu gebrauchen. Beyde kommen sie von Einem Gott und Vater unsrer Aller, der der Geber jeder guten und volkomnen Gabe ist […] Trauet daher all denen nicht, die die menschliche Vernunft verschreyen, und die von Euch verlangen, ihren Gebrauch in Religionssachen aufzugeben“. 151 Ebd. S. 578. 152 Ebd. S. 579.

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Galle Lessingen und den rechtschaffenen Alberti – mordete“153. Der Propst flle „die Kçpfe seiner Niklas-Gemeinde und des unaufgeklrten Schwarms, der ihm aus den anderen Gemeinden der Stadt zulief, […] mit nichts als Teufeleyen an. Wenn Paysen, ausgerstet mit der edelsten Beredsamkeit, die Herzen seiner Zuhçrer fr wahre Moralitt und Tugend erwrmte und belebte, so streute der Probst Johannsen ber die ganze Stadt […] Unkraut unter den aufkeimenden Weizen. Ja, wahrlich! so kann keine Lehre der Moralitt feindlicher seyn, als die von des Jesus Versçhnung154, welche dieser Priester fr eine der wichtigsten – ich weiß nicht gewiß, ob gar fr die allerwichtigste? – zur Seligkeit ausschreyt. Mit ihr hngt ganz genau die von der Unwrdigkeit aller menschlichen Handlungen zusammen, welche unter allen schndlichen Lehren der Pfaffen am meisten dazu beygetragen hat, die Menschen zu aller wahren Tugend untchtig zu machen. Die Gottheit in Jesu, (oder die Gottheit Christi,) welche mit der Versçhnung in genauer Verbindung stehen muß, 153 Meyer, Vox Populi, Der neue Mensch, Zweiter Band, S. 580. Damit zieht der Autor auf Grund ihrer gemeinsamen gegen die Aufklrung gerichteten Haltung eine Parallele zwischen dem Flensburger Propsten und dem an der Hamburger Katharinenkirche ttigen und 1786 verstorbenen Hauptpastor Johann Melchior Goeze, der vor allem bekannt geworden war durch seinen Streit mit Lessing, insbesondere nach dessen Verçffentlichung der von Hermann Samuel Reimarus verfaßten „Fragmente eines Ungenannten“ als der „Wolfenbtteler Fragmente“. Der ltere Reimarus hatte in seiner ursprnglich nur handschriftlich im Freundeskreis verbreiteten „Apologie oder Schutzschrift fr die vernnftigen Verehrer Gottes“ die Entstehung des Christentums auf einen Betrug zurckfhren wollen, da seiner Auffassung nach die Jnger Jesu den Leichnam des Herrn gestohlen und anschließend die Behauptung seiner Auferstehung verbreitet htten. Jesus selbst htte sich als politischer Messias verstanden, die Jngerschaft dagegen jenseits der Kreuzigung einen wesentlich unpolitischen Messianismus verkndigt. Hierzu William Boehart, Politik und Religion. Studien zum Fragmentenstreit (Reimarus, Goeze, Lessing), Diss. Universitt Hamburg, Hamburg 1987; Gerhard Freund, Theologie im Widerspruch. Die Lessing-Goeze-Kontroverse, Stuttgart / Berlin / Kçln 1989; Franklin Kopitzsch, Politische Orthodoxie. Johan Melchior Goeze, in: Friedrich Wilhelm Graf, Hg., Profile des neuzeitlichen Protestantismus, Bd. 1, S. 71 – 85; vgl. a. Joseph Engert, Der Deismus in der Religions- und Offenbarungskritik des Hermann Samuel Reimarus, Wien 1916. Auch der 1772 verstorbene Hamburger Pastor Julius Gustav Alberti war ein bedeutsamer Kontrahent Goezes; das Haus seiner Witwe Dorothea Charlotte geb. Offeney blieb bis zu ihrem Tod 1809 „einer der geselligen Mittelpunkte Hamburgs“, Jrgen Behrens, Hg., Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. Briefe, S. 542. 154 Zur gerade im Kontext theologischer Wrdigung der Versçhnungstat Christi zwischen dem orthodoxen Propsten und dem Aufklrungstheologen Paysen zutage tretenden Distanz und deren anthropologischer Konsequenz vgl. Reinhard Krause, Die Predigt der spten deutschen Aufklrung (1770 – 1805), Stuttgart 1965, S. 22 – 26; ferner u. S. 237.

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bemht er sich, in allen seinen Kanzelvortrgen an die Stelle der Lehren zu rcken, welche die Moralitt der Menschen erhçhen kçnnten.“155

Meyers Artikel fhrte zu persçnlichen Konsequenzen; seine recht uncharmante Charakterisierung der „Niklas-Gemeinde“ trug ihm deren erbitterten Grimm ein. Zu dieser Gemeinde hielten sich im wesentlichen die auf der Flensburger Reepschlgerbahn sowie auf dem Friesischen Berg der Stadt beheimateten See- und Schauerleute und deren Angehçrige. Diese drohten nun mit offensiver Klarstellung ihrer Auffassungen und lieferten Meyer damit einen triftigen Grund, „sich einige Wochen nicht auf der Schiffbrcke sehen zu lassen, da die Schiffer und Tagelçhner, die sich beleidigt fhlten, ihn verprgeln wollten“156. Propst Johannsen hingegen klagte Meyer in einem Schreiben vom 24. Juli 1797 beim Gottorfer Obergericht an unter der Bezichtigung „democratischer Reden und Ruhestçrender Handlungen“. Auch erhob er den Vorwurf der Intoleranz, indem er dem Gericht mitteilte, Meyer brandmarke all jene, „die mit ihm nicht einige Gedanken von Monarchie und Religion haben“157. Dabei kçnne ein „kleines Feuer oft lange unter der Asche glimmen und endlich einen grossen Wald anznden“158. Die Anklageschrift schließt mit einem Bekenntnis zum durch Meyer ausdrcklich verurteilten preußischen Religionsedikt159, erweise sich dieses doch nach Ansicht des Propsten entgegen der anfnglichen Kritik „in mancher Hinsicht nachgerade als nachahmungswrdig, um Eintracht und Ruhe im Staate zu unterhalten“160. 155 Meyer, Vox Populi, S. 581 f. 156 Hans-Friedrich Schtt, Flensburg in der Zeit des Gesamtstaates, S. 215. 157 Handschriftl. im Stadtarchiv Flensburg A 870 I Nr. 8; die Schrift wendet sich an den „Allerdurchlauchthigsten, Großmchtigsten Kçnig. Allergndigsten Erbkçnig und Herrn“. – Johannsens Predigt am „10. Sont. nach Trinitat. 1789 ber Luc.19,41 – 48“ endet im Aufruf zur Dankbarkeit gegen Kçnig und Vaterland: „O glklicher dnischer Staat! Schon lange rauchen deine Felder nicht vom Blute der Erschlagenen. Dein Monarch ist dein Vater, der Thrnen abwischet, aber nicht auspresset; der den Werth des Menschenlebens kennet. O dnischer Unterthan! Wie viel bist du deinem Kçnige, wie viel deinem Vaterlande schuldig!“, ders., Abrisse der Predigten, welche an den Son- und Feyertagen, vom ersten Advent 1788 bis dahin 1789, in der Kirche zu St. Nicolai in Flensburg gehalten worden sind, Flensburg 1789, S. 185 – 188, hier: S. 188. 158 Nikolaus Johannsen, Anklageschrift, Stadtarchiv Flensburg A 870 I Nr. 8. 159 Ebd.; zum Bezug vgl. Meyer, Vox Populi, a.a.O., S. 586. 160 Nikolaus Johannsen, Anklageschrift, a.a.O. – Im Hintergrund dieser ußerungen steht das umstrittene „Edikt, die Religionsverfassung in den preußischen Staaten betreffend“, das unter Federfhrung des preußischen Staatsministers Johann

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Das Gericht wies in der Folge den Flensburger Magistrat zu einem Verhçr des Publizisten an. Dieser Aufforderung wich der Magistrat seinerseits durch Hinweis auf die schdlichen Folgen weiterer Verfolgung der Sache in der ffentlichkeit aus; auf kirchlicher Seite nahm der Generalsuperintendent Adler eine ebenso beschwichtigende Haltung ein, indem er nicht auf den im Hintergrund der Auseinandersetzung schwelenden theologischen Streit einging, wohl aber auf Meyers politisch-demokratische Intentionen. So bescheinigte Adler dem jungen Publizisten, er schreibe zwar „sehr unglimpflich ber Regierungsformen“, aber „das Geschreibe selbst“ sei so sehr „unter aller Kritik […], daß es billig und mit gnzlichem Stillschweigen der verdienten Verachtung bergeben werden“ msse161. Das Gottorfer Obergericht und die Deutsche Kanzlei schlossen sich in der Folge den Auffassungen des Magistrats und Generalsuperintendenten an. Paisen wurde im folgenden Jahr unter Adlers wohlwollender Mitwirkung zum Pastor und Propst am Schleswiger Dom ernannt162. Die Frage Christoph von Woellner im Jahre 1788 publiziert worden war. Zwar sicherte das Edikt den in Preußen lebenden Juden und Katholiken die freie Religionsausbung zu; doch bestand seine Intention vorrangig darin, die aufklrungsorientierten Geistlichen in ihren Predigten an allen mit der Kirchenlehre nicht zu vereinbarenden Lehren auch bei persçnlich gegenteiliger Auffassung zu hindern. Insbesondere wandte sich das Religionsedikt gegen die angeblich „zgellose Freiheit“ der Aufklrung. Dies zog eine intensive publizistische Kontroverse nach sich, deren zahlreiche Schriften aufgearbeitet und als jeweilige Rezension in Kiel von Heinrich Philipp Conrad Henke verçffentlicht wurden, vgl. dens., Beurtheilung aller Schriften welche durch das Kçniglich Preußische Religionsedikt und durch andre damit zusammenhngende Religionsverfgungen veranlaßt sind, Kiel 1793, Reprint hg. von Jçrn Garber, Kçnigstein/Ts. 1978. Cf. weiterhin Fritz Valjavec, Das Woellnersche Religionsedikt und seine geschichtliche Bedeutung, in: Historisches Jahrbuch 72 / 1953, S. 386 – 400; Friedrich Wilhelm Graf, Die Spaltung des Protestantismus. Zum Verhltnis von evangelischer Kirche, Staat und ,Gesellschaft‘ im frhen 19. Jahrhundert, in: Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, hg. von Wolfgang Schieder, Stuttgart 1993, S. 157 – 190, hier: S. 165 – 168. 161 Zit. n. Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 157. 162 H.[ans] N.[ic.] A.[ndreas] Jensen, Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogthums Schleswig, Dritte Lieferung, S. 1077; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, S. 137. – Im Flensburgschen Wochenblat vom 11. April 1798, S. 325, verabschiedet sich Paisen von seinen „hiesigen Freunde(n)“, zu denen er den Kontakt zu halten beabsichtigt. Die gleiche Ausgabe bringt auf den Seiten 330 – 332 sowie S. 332 – 334 zwei anonyme Nachrufe aus der Gemeinde. Hier wird Paisen „mit den Edlen nah und fern In Reih und Glied“ gesehen; sein Mund habe „nie im Pfaffengrimm Auf Deine Flucher Fluch“ gesprochen, a.a.O.,

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nach der Bewahrung des verfassungsmßigen status quo beantworteten kirchliche Aufklrung und radikales Jakobinertum kontrr; sie trafen einander jedoch in ihrem Bedrfnis nach Lossagung von einem Menschenbild, das sich seinerseits unabdingbar auf die am Kreuz geschehene Versçhnungstat und die mit dieser verbundene Lehre von der Erlçsung des Menschen angewiesen wußte163. Beide geistigen Strçmungen opponierten gegen dieses Dogma, hielten sie doch den Menschen unter dem Vorzeichen seiner Vernunft fr erziehbar und damit letztlich auch fr befhigt zur eigenen Erlçsung. Die prodemokratisch gesinnten Krfte verorteten den Bereich dieser Erlçsung allerdings primr – wenn nicht sogar ausschließlich – im konkreten immanenten Umfeld des Menschen: Inmitten einer rational durchdrungenen und mit Hilfe der Auswirkungen dieser Durchdringung vom Menschen angeeigneten Welt. Zu Meyers Mitarbeitern gehçrte auch der seit 1795 in Flensburg beheimatete Advokat Ludwig August Glich164. Dieser verçffentlichte im S. 330 f.; das besondere Profil des Aufklrungstheologen fokussiert das zweite Dankgedicht, in dem es S. 333 heißt: „Wir ehrten Dich! – Du tiefer Forscher! Du lehrtest frey von jeder Zunft! Nicht schulgerecht – doch ernst und weise sprachst Du von Gott – Natur – Vernunft!“ 163 Vgl. hierzu die detaillierte Analyse Reinhard Krauses, Die Predigt der spten deutschen Aufklrung (1770 – 1805), S. 22 – 26. 164 Der am 20. November 1773 in Plçn geborene Ludwig August Glich war von Beruf Advokat; „seine Heimatstadt, in der der çffentliche Austausch fortschrittlicher Gedanken damals so großen Raum fand, verließ Ludwig August Glich kurz vor Vollendung seines achtzehnten Lebensjahres, um an der Kieler Universitt das zur Familientradtion gehçrige Studium der Rechte aufzunehmen“, Claus-Peter Schmidt, „Auf, Roma, erwache!“. Ludwig August Glich – ein Flensburger Radikaldemokrat zur Zeit der Franzçsischen Revolution, in: Grenzfriedenshefte 2 / 1989, S. 84 – 97, hier S. 85; vgl. a. Walter Grab, Der Flensburger Jakobiner Georg Conrad Meyer und seine Zeitschrift „Der neue Mensch“, S. 198. – Glich trat weiterhin als Gelegenheitsdichter hervor und grndete im Jahre 1798 mit weiteren Flensburgern – darunter sein Berufskollege Conrad H. Timmermann sowie der Kaufmann Andreas Peter Andresen und Georg Conrad Meyer – eine 38 Kçpfe zhlende Dilettantentheatergruppe, die u. a. August Wilhelm Ifflands „Alte und neue Zeit“ und Carl Martin Plmickes Trauerspiel „Lanassa“, aber auch Schillers „Kabale und Liebe“ auffhrte, bis Geldschwierigkeiten die Unternehmung im April 1800 nach anderthalb Jahren zur Aufgabe zwangen. Gerade in der Theatergrndung zeigt sich das Bedrfnis der brgerlichen Emanzipationsbewegung nach einer Plattform zur Verbreitung aufklrerischer Ansichten. In diesem Zusammenhang konnte das Theater durchaus zu einem Medium der Belehrung, Erziehung und Luterung werden; hierzu Klaus Witt, Flensburger Theaterleben vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Flensburg 1953; Hans-Friedrich Schtt, Flensburg in der Zeit des Gesamtstaates, S. 212 – 214; Wolfgang Raube, Theater in

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Jahre 1796 im Journal „Der neue Mensch“ einen schlicht als „Lied“ berschriebenen poetischen Text165, den eingangs ein apotheotischer Lobpreis der Freiheit166 prgt, whrend seine zweite Hlfte dezidiert kmpferische Tçne anschlgt: „Zittert, Despoten! / Wthige, bebt! / Tod und Verderben / Wird euer Loos./ Wenn ihr den Sçhnen / Der Freyheit naht ! / Alle, wir alle / Bieten euch Trotz! […] Hier, hier sind Schwerdter, / Keule und Speer, / Dich zu vertilgen, / Tyrannenbrut!“167

Glich publiziert in Meyers Zeitschrift im folgenden Jahr einen weiteren Artikel unter dem Titel „Roma erwache!“168 ; hier wird der Autor politisch konkreter. Er macht den Franzosen den Vorwurf, den „Priester mit der dreyfachen Krone seine geistliche Despotie“ und die „Entmenschung seiner Mitbrder“ nicht durch „vçllige Entsagung seiner frchterlich gemißbrauchten Gewalt, durch vçllige Zernichtung des Truges und der Lgen“ haben bßen zu lassen169. Der Rçmer sei daher nicht „frey von den Fesseln des Geistes“ und „dem Joche der Tugend und Frçmmigkeit lgender Pfaffen“ geworden170. Im Hintergrund dieses Vorwurfes steht Glichs Kritik „an den milden Maßnahmen Bonapartes gegenber der ppstlichen Regierung und dessen Friedensschluß von Tolentino vom Februar 1797“171; stattdessen „wre es Zeit gewesen, von Pius die Schtze der

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Flensburg am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Flensburg. 700 Jahre Stadt, Bd. 1, hg. von der Stadt Flensburg, Flensburg 1984, S. 270 – 295, bes. S. 282 f.; ClausPeter Schmidt, a.a.O., S. 91 – 96. Das 1795 errichtete, bei etwa 10000 Einwohnern auf 800 Besucher angelegte „Comçdienhaus“ Flensburgs trug infolge einer Anregung des Sieverstedter Pastors Heinrich Harries inschriftlich ber seiner Haupteingangstr das Motto: „Introite, nam et hic Dii sunt!“ – und damit eben jene Zeile, die Gotthold Ephraim Lessing seinem dramatischen Gedicht „Nathan der Weise“ vorangestellt hatte; vgl. Gotthold Ephraim Lessing, Werke in fnf Bnden, ausgewhlt von Karl Balser, Zweiter Band, 5. Aufl., Berlin / Weimar 1965. Lessing wiederum hatte die Worte aus der Vorrede des Aulus Gellius zu dessen „Noctes Atticae“ aus dem 2. Jahrhundert bernommen, der es seinerseits nach Aristoteles‘ morphologischer Schrift „De partibus animalium“ I,5 zitiert hatte. Der Neue Mensch, Erster Band (1796), S. 227 – 230. Ebd. S. 227 f.: Die Freiheit ist „gçttlich“, sie „beseligt“, kommt „von oben“, erfllt alles „mit Leben“ und macht Menschen „wrdig, Menschen zu seyn“. Ebd., S. 229 f. Der Neue Mensch, Zweiter Band (1797), S. 472 – 480. Der Neue Mensch, Zweiter Band, S. 473. Ebd. Walter Grab, Leben und Werke norddeutscher Jakobiner, S. 6; zu den Hintergrnden und Bedingungen dieses Friedensschlusses zwischen Pius VI. und Bonaparte, der gegen die Anordnungen des Pariser Direktoriums eben nicht „dem

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Engelsburg, seine Juwelen und seine dreyfache Krone als Entschdigung zu fordern“172. Glichs Aufruf gipfelt daher unter Berufung auf die Heldentaten der rçmischen Historie in der offenen Aufforderung zum nunmehr selbstndigen Handeln: „Rçmer, werdet Helden, wie eure Vter! reißt nieder den Vatican, und baut auf seinen Trmmern der Vernunft einen Tempel! Bringt Opfer der himmlischen Gçttin und ruft im Hochgefhle eures Werths: Roma erwachte!“173

Kritik an den aktuellen Epigonen der Revolution verschmilzt hier mit harscher antikatholischer Rhetorik, whrend nunmehr die menschliche Vernunft zur geheiligten Grçße wird: An die Stelle der zu zerschlagenden katholischen Kirche will Glich den revolutionren Kult der Vernunft setzen174. Das realistischerweise anzunehmende, primr auf den norddeutschen Raum mit einem geringen Anteil katholischer Bevçlkerung begrenzte Verbreitungsgebiet des „Neuen Menschen“ bietet jedoch auch die Option einer metaphorischen Intention Glichs: Die Kritik kirchlicher Bindung an den monarchischen absoluten Willen vor Ort wre unter dem Deckmantel einer Verurteilung der ppstlichen Lehrgewalt hinreichend subtil gewesen, um unter den zeitgençssischen presserechtlichen Konditionen der Zensur im Vorfeld einer Publikation dieser Auffassung angemessen Rechnung zu tragen. Glich bettigte sich jedoch nicht nur literarisch. In der Flensburger Hungerunruhe von 1795 diente er den Angehçrigen der nichtprivilegierten Bevçlkerungsgruppen auch als Jurist. Als es im Verlauf der 90er Jahre auf Grund der gestiegenen Einwohnerzahl in Flensburg zu einer massiven Teuerung kam, erregten die angestiegenen Lebensmittelpreise außerordentliche Unzufriedenheit unter den Handwerkern, Tagelçhnern und Seeleuten. Hinzu kam im Jahr 1794 eine allgemein schlechte Ernte, die in Papsttum ein Ende“ setzte und „die Fackel des Fanatismus“ lçschte, vgl. Roger Dufraisse, Napoleon, Mnchen 1994, S. 28.33 f. – Zum allgemeinen, durch die franzçsische Politik nach 1795 ausgelçsten Desillusionierungsprozeß der deutschen Jakobiner Walter Grab, Freyheit oder Mordt und Todt. Revolutionsaufrufe deutscher Jakobiner, S. 164 – 168. 172 Der Neue Mensch, Zweiter Band, S. 478. 173 Der neue Mensch, Zweiter Band, S. 479. 174 Hierzu Claus Peter Schmidt, „Roma erwache!“, a.a.O., S. 89: Wie sehr Glich mit dem „Skularisierungs-Prozess [dem schrittweisen bergang der Revolution zu einer religion naturelle, L.-P.] vertraut war, zeigt […] auch die Verwendung revolutionrer Symbole, die – wie z. B. der ,Altar‘ oder der ,Tempel der Vernunft‘ und die ,dreifarbige Fahne‘ als ,Panier der Freiheit‘ – auf den Vernunft- und Vaterlandskult in Frankreich hinweisen“.

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den Herzogtmern zu erheblicher Lebensmittelknappheit fhrte. Die Flensburger Kaufmannschaft reagierte teilweise mit Spekulationskufen175 ; und wie in anderen Stdten der Herzogtmer fhrte die Unruhe der Bevçlkerung auch hier zu entsprechendem Aufruhr176. Am 1. Juni 1795 eskalierte die Lage in Flensburg. Der Rat der Stadt untersagte den Kornhndlern den auswrts gerichteten Verkauf von Getreide und versprach Preisstabilitt; Militr wurde in die Stadt beordert, wo sich auf dem Sdermarkt eine tausendkçpfige Menge eingefunden hatte, die ihrem Unmut lautstark Luft machte. Nur mit Mhe und defensivem Rckzug gelang den Soldaten eine Beruhigung des Aufruhrs. Am 4. Juni gengte jedoch das Gercht, der Speckhndler Jacob Schmidt habe in der vorigen Nacht heimlich eine Ladung Speck an Bord eines Schiffes verbracht, um wiederum eine erregte Menge zusammenzubringen, die damit drohte, sein Haus abzureißen. Der Schustermeister Johann Hinrich Mahrt gab inmitten des Tumultes die Parole aus: „Nun soll alles in Flensburg einen besseren Schick kriegen, nun wollen wir regenten“177. Der Speckhndler rettete sein Haus nur durch Verußerung aller seiner Vorrte zu einem billigen Preis. Zwei Tage darauf wurden erneut zwei Bataillone Infanterie in 175 Das Flensburgsche Wochenblat vom 26. Oktober 1796 machte im nachhinein die „Conjunkturen des Handels, die Spekulation des Kaufmanns und den dadurch algemein aufgehuften Vorrath des Korns in mehreren Lndern“ fr den Aufruhr verantwortlich. Hierzu Hans-Friedrich Schtt, Flensburg in der Zeit des Gesamtstaates, S. 169 – 234, in: Flensburg. Geschichte einer Grenzstadt, hier: S. 230 – 232; Lars N. Henningsen, Lebensmittelversorgung und Marktverhltnisse in Flensburg im 18. Jahrhundert, in: Flensburg. 700 Jahre Stadt – eine Festschrift, Bd. 1: Flensburg in der Geschichte, hg. von der Stadt Flensburg, Flensburg 1984, S. 207 – 229, bes. S. 220 – 222; Silke Gçttsch, „…weil allhier in Flensburg kein Getrayde frs Geld zu bekommen war…“: Hungerunruhe in Flensburg 1795, in: Grenzfriedenshefte 3/4 / 1984, S. 205 – 214. – In den Predigtgrundrissen des Flensburger Propsten Nikolaus Johannsen aus dem Jahr 1795 finden die Ereignisse im brigen keinerlei Erwhnung und Bercksichtigung. 176 Aufstnde gab es 1794/95 u. a. auch in Hadersleben, Kiel, Altona und Kaltenkirchen; elfmal wurde dabei „von den zustndigen Behçrden […] Militr angefordert, um Unruhen zu beenden. Sieben davon standen in unmittelbarem Zusammenhang mit der knstlichen Verknappung von Lebensmitteln durch Aufkuferei, waren also Hungerunruhen“, Gçttsch, a.a.O., S. 207. Hierzu a. Johann Hvidtfeldt, Social og politisk uro i Sçnderjylland paa Revolutionstiden, Sonderburg und Apenrade 1945, passim; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 247 f.; Franklin Kopitzsch, Schleswig-Holstein im Gesamtstaat 1721 – 1830: Absolutismus, Aufklrung und Reform, S. 327. 177 Zit. n. Hans-Friedrich Schtt, a.a.O., S. 231; vgl. Gçttsch, a.a.O., S. 212 f.

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die Stadt verlegt; alle Einwohner der Stadt, die auf die Empçrung erkennbaren Einfluß genommen hatten, wurden verhaftet, die herausragenden Rdelsfhrer eilends in Verhçren ausfindig gemacht. Am 11. Juli des Jahres berichtete der Brgermeister Josias thor Straten an Staatsminister Andreas Peter Bernstorff die Bestrafung der „Tumultuanten“, deren Zusammenrottung nicht die „Noth, sondern eine unwiderstehliche Sansculottenanwandlung“ hervorgebracht habe178. Insgesamt 21 Brger erhielten Strafen bis zu acht Jahren sog. „Karre“, was ihrer berstellung ins Zuchthaus gleichkam. Johann Mahrt wurde eine Haft von sechs Jahren zuerkannt179, und auch sein Verteidiger und Rechtsbeistand Ludwig August Glich konnte fr ihn keine vorzeitige Begnadigung erwirken, obgleich er gegen die Auffassung thor Stratens bemht war, die Flensburger Ereignisse aus dem Vorwurf einer ihnen unterstellten revolutionren Erhebung herauszulçsen, um sie stattdessen vor dem Hintergrund ihrer wirtschaftlichen Urschlichkeiten zu interpretieren180. Entscheidender Anlaß fr die Unruhen war tatschlich eine aus den Interessen des begterten Brgertums hervorgegangene Verschrfung der çkonomischen Situation. An dieser entzndete sich das Protestverhalten der Unbegterten, auf deren Kreise es in der Folge auch beschrnkt blieb. Damit standen besitzloses und besitzendes Brgertum einander gegenber; die Staatsgewalt an sich wurde dabei gerade nicht hinterfragt181. 178 Hans-Friedrich Schtt, a.a.O. 179 Johann Hinrich Martens’ 1804 geborener Sohn Peter studierte in Kiel und Halle, wurde 1836 Diakon in Tçnning, ging 1847 an die Dnische Kirche in Flensburg und vertrat seine dnische Haltung whrend der Erhebung auch literarisch; zu ihm u. S. 584. 1850 wurde Peter Martens Dompastor in Schleswig und behielt diese Stellung bis zum Ende der dnischen Herrschaft 1864. Mçglicherweise begrndete sich seine Abneigung gegen die Erhebung familiengeschichtlich in der vterlichen Haft; zu ihm Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band I, S. 56. 180 Hans-Friedrich Schtt, a.a.O., S. 231; zum Kontext auch Claus-Peter Schmidt, „Auf, Roma, erwache!“, a.a.O., S. 85 f. – Glich starb am 16. Januar 1838 in Flensburg und blieb bis ins Alter ein Vertreter des liberalen Gedankens. Noch zu Beginn der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts, also nach dem Auftreten Uwe Jens Lornsens, gehçrte er mit dem Advokaten Jrgen Bremer, spter einem Mitglied der sich 1848 gegen Dnemark richtenden Provisorischen Regierung, und den Kaufleuten J.W.H. Jochimsen, Claus Schwennsen sowie dem schleswig-holsteinischen Patrioten und Arzt Dr. A.N. Hermannsen zu den Grndern des Flensburger Brger-Vereins, dem „die unpolitische und exklusive Geselligkeit der ,Harmonie‘ nicht gengte“; hierzu Hans-Friedrich Schtt, a.a.O., S. 293 f. 181 Daher „sind die Hinweise auf den urschlichen Zusammenhang mit der franzçsischen Revolution in den obrigkeitlichen Berichten wohl eher als Topos zu verstehen, um auf die Bedrohlichkeit der Unruhen aufmerksam zu machen, als Indiz

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Hatten Robespierre und mit ihm die entscheidenden Krfte der Franzçsischen Revolution bereits 1793 auf die gewalthafte revolutionre Weltmission verzichtet, so war hierdurch mittlerweile jeder Gedanke an einen Revolutionsimport auf militrischem Wege ausgeschlossen. Geleitet von der bernationalen Idee einer deutsch-franzçsischen Freundschaft, blieb auch den im norddeutschen Raum wirkenden Jakobinern nur die letzte Option, sich in ausschließlich propagandistischem Werben an Frankreich und seiner Revolution zu orientieren und unter einem sozialen Blickwinkel den Fokus auf die politisch rechtlosen Bevçlkerungsgruppen im eigenen Lande zu richten. Dabei grenzten diese politischen Akteure die mit naturrechtlichen Auffassungen unterlegten Begrifflichkeiten der Volkssouvernitt und der Reprsentation nicht auf die geringe Gruppierung der Gebildeten und ber Grundbesitz Verfgenden ein, wie dies bei den dem Besitzbrgertum zuzurechnenden Liberalen durchgngig der Fall war182. Die norddeutschen Jakobiner verlangten nach einer umfassenden Volkssouvernitt, die die Ermçglichung politischer Mitgestaltung und damit die Etablierung des Gemeinwillens nicht mehr an die berlieferten Parameter von Besitz und Status gebunden sehen wollte. Damit forderten die norddeutschen Jakobiner nicht weniger als die grundstzliche Partizipation aller Brger an den staatlichen Entscheidungen. Im Kontext dieser Forderung machten sie die soziale Funktion und Arbeit der Kirche allerdings gerade am von dieser gefçrderten Erhalt der berlieferten Ordnung und des Privilegiensystems fest. Von dieser Einschtzung her gingen auch die norddeutschen Jakobiner auf strikte Distanz zur vorfindlichen staatskirchlichen Organisation. Durch Propaganda und Agitation ließ sich in den Herzogtmern jedoch unmittelbar nach Ausbruch der Revolution in Frankreich selbst unter widrigen sozialen Verhltnissen kein sukzessiver revolutionrer Umbruch herbeifhren. Insofern macht der Mißerfolg der Jakobiner in Schleswig und Holstein deutlich, daß eine Revolution zum Ende des 18. Jahrhunderts nur von den allerwenigsten Menschen in den Herzogtmern gewollt wurde. Die radikaldemokratischen Bestrebungen erwiesen sich in den Herzogtmern insofern als ein intellektueller Revolutionismus ohne den erforderlichen gesellschaftlichen Rckhalt. Der absehbare Wandel der politischen Verhltnisse im zeitgençssischen Frankreich mit seiner fr revolutionres Bewußtsein bei Handwerkern und Tagelçhnern“, Silke Gçttsch, a.a.O., S. 214. 182 Vgl. etwa o. S. 134 Anm. 51.

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zunehmenden Orientierung auf die Institution des Direktoriums mußte fr die norddeutschen Radikaldemokraten das Ende ihrer Visionen bedeuten. Dennoch bewahrten sie sich ihr Menschen- und Weltbild, in dem sie sich in entscheidenden Aspekten mit den Gedanken und Zielen der im Lande lebenden Aufklrer, Rationalisten und Neologen strukturell durchaus zu berhren vermochten. Doch erwies sich die weltanschauliche Beharrlichkeit dieser numerisch eher als kleine Gruppierung zu beziffernden Jakobiner letztlich nur als trotzige Orientierung an der revolutionren Tradition und deren ideellen Vorgaben, die im Ursprungsland der Revolution zu dieser Zeit jedoch selbst bereits vielfltigen Wandlungen unterworfen worden waren183.

3. Vertriebene der Revolution: Franzçsische Emigranten Die im dnischen Gesamtstaat praktizierte Toleranz, seine periphere Lage whrend der Revolutionskriege und die damit realisierbare Bernstorffsche Maxime seiner „bewaffneten Neutralitt“184 fhrten nach 1789 zahlreiche Flchtlinge in die Herzogtmer185. Unter ihnen befanden sich berzeugte 183 Vgl. zu diesem Zusammenhang Oliver Lamprecht, Das Streben nach Demokratie, Volkssouvernitt und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, S. 140 – 147, bes. S. 146 f. – Daß mit dem Scheitern der jakobinischen Bemhungen im Gesamtstaat die Wirkungsgeschichte der mit ihnen verbundenen Ideen nicht beendet war, zeigt sich in Glichs Fall auch familiengeschichtlich. Cf. zu Glichs Sohn Jacob Guido Theodor sowie seinem Enkel Johannes Hesdorf Theodor u. S. 600. 184 Hierzu C.[arl] F.[erdinand] Allen, Haandbog i Fædrelandets Historie, S. 535 f.; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 207 – 215; zu den zahlreichen ber die Herzogtmer hinaus ins Kçnigreich und hier insbesondere nach Kopenhagen gelangten Emigranten ferner Thorkild Kjærgaard, Danmark og den Franske Revolution. Le Danemark et la Revolution Francaise, En udstilling arrangeret af Det kongelige Bibliotek, S. 83 – 88 und 107 – 112, sowie Ulrik Langen, Revolutionens skygger: Franske emigranter og andre folk i København 1789 – 1814, København 2005. 185 Erst mit dem Ende der Schreckensherrschaft setzte gegen 1796/97 der allmhliche Rckwanderungsprozeß der Flchtlinge ein; die zunehmende Etablierung der napoleonischen Herrschaft begnstigte diese Entwicklung. Zum Ganzen: P.[ierre] L.[ouis] Roederer, ber die franzçsischen Emigrirten und Flchtlinge, Minerva 4 / 1795, S. 149 – 189; Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, udg. af Louis Bob, S. XLI – XLIV sowie S. 376 – 383; Paul Hermann Eduard Piper, Altona und die Fremden, insbesondere die Emigranten, vor hundert Jahren, Altona 1914; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein

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Anhnger des Absolutismus wie auch gemßigte, der Gironde nahestehende Royalisten, die ein sich aus dem freien Willen aller konstituierendes Kçnigtum forderten. Strenger Absolutist blieb etwa Charles-Claude de Flahault de La Billarderie, Comte d’Angiviller, der als einstiger Erzieher Ludwigs XVI. den Kçnigsmord niemals verzeihen konnte. Er forderte 1795 Katharina II. zu einem Kreuzzug gegen Frankreich auf und schlug wenige Jahre spter das Angebot einer Rckkehr nach Paris unter Napoleon aus. Nach seinen seit April 1796 zunchst in Kiel und Emkendorf verbrachten Aufenthalten starb er im Jahre 1809 im Hause des katholischen Pfarrers Versen in Altona. In Emkendorf war er wegen seines strikten Festhaltens an der Idee des absoluten Kçnigtums in Gegensatz zu dem stndisch orientierten grflichen Ehepaar Fritz und Julia Reventlow186 geraten; seinen Kontakten zum Plçner Emigrantenkreis um August Hennings bereitete er nach dem Eintreffen des aus der çsterreichischen Kriegsgefangenschaft entlassenen ehemaligen girondistischen Generals Lafayette in Wittmold ein rasches Ende187.

um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 144 – 154; Detlev W. Schumann, Franzçsische Emigranten in Schleswig-Holstein. Ein Kapitel aus der europischen Kulturgeschichte um 1800, S. 121 – 149, in: NE 21 / 1953; ders., Neue Studien zur franzçsischen Emigration in Schleswig-Holstein, S. 134 – 156, in: NE 22 / 1954; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 274 f.; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 173 – 187; Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, Neumnster 1975, S. 204 – 212; Peter Schmidt-Eppendorf, Priester-Emigranten in Hamburg und Schleswig-Holstein in der Zeit der Franzçsischen Revolution, in: Andreas Rçpcke, Peter Schmidt-Eppendorf, und Wolfgang Seegrn, Verein fr Katholische Kirchengeschichte in Hamburg und Schleswig-Holstein E.V., Beitrge und Mitteilungen 3, Husum 1990, S. 31 – 101. Vgl. a. Heinrich Harkensee, Beitrge zur Geschichte der Emigranten in Hamburg, Band 1, Hamburg 1896 / Band 2, Hamburg 1900; Paul Grundmann, Franzçsische Flchtlinge in Lbeck: Rfugis und Emigrs, Phil Diss. Leipzig 1919, Schçnberg / Mecklbg. 1920; Friedrich Stender und Hans-Joachim Freytag, Geschichte der Stadt Plçn, Plçn 1986, S. 143 – 145; Heinrich Wrzer, Ein Spazziergnger in Altona, hg. von Hans-Werner Engels, Hamburg 1997; mit bergreifender Perspektive Franz Dumont, Die Emigranten in Deutschland, in: Ders. u. a., Hg., Deutschland und die Franzçsische Revolution 1789/1989, S. 89 – 99. 186 Zu diesen auch u. S. 219 – 228. 187 Vgl. hierzu Detlev W. Schumann, Franzçsische Emigranten in Schleswig-Holstein, S. 141 – 148, Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, S. 209 f. In den Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Syvende Bind, udg. af Louis Bob, finden sich S. 171 – 213 aus d’An-

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Im Gegensatz zum Grafen d’Angiviller fand sich in Jean-Etienne-Marie Portalis ein seit dem Mrz 1798 in Holstein ansssiger gemßigter Royalist, fr den Montesquieus L’Esprit des Lois „kanonisches Ansehen“ besaß188. Portalis bezog offen Stellung gegen den sich ausbreitenden Unglauben und etikettierte die modernen philosophischen Systeme als „Kçhlerglauben“189. Auf Emkendorf verfaßte er seine geschichtsphilosophische Abhandlung „De l’usage et de l’abus de l’sprit philosophique“, in der er in einem literarischen berblick auch auf Matthias Claudius, Johann Heinrich Voß sowie die Brder Stolberg eingeht190. Im Jahre 1800 kehrten Portalis und sein damals zweiundzwanzigjhriger Sohn Joseph-Marie nach Frankreich zurck. Im Jahr darauf verheiratete sich Joseph-Marie Portalis mit Ina Holck, der Haustochter des Emkendorfer Grafenpaares Fritz und Julia Reventlow191. Auch eine geringere Anzahl Geistlicher, die es abgelehnt hatten, den Eid auf die Revolutionsverfassung abzulegen, fand in den Herzogtmern Aufnahme192. Unter diesen befand sich der in Altona lebende zuvorige

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givillers Hand die „Episodes de ma vie“ sowie S. 214 – 250 von ihm an Grfin Louise Stolberg gesandte Briefe. Schumann, a.a.O., S. 135. Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, S. 207. Jean-Etienne-Marie Portalis, De l’usage et de l’abus de l’esprit philosophique durant le dix-huiti me si cle, Bd. 1 – 2, Paris 1827; das Werk ist dem Ehepaar Friedrich und Julia Reventlow auf Emkendorf gewidmet. Hierzu Brigitte Schubert-Riese, a.a.O., S. 208 f.; Dieter Lohmeier und Wolfgang J. Mller, Emkendorf und Knoop. Kunst und Kultur in schleswig-holsteinischen Herrenhusern um 1800, Heide 1984, S. 26. Portalis der ltere „wurde ein hervorragender Mitarbeiter Napoleons“ und „spielte die fhrende Rolle bei der Redaktion des Code civil. Er schloß das Konkordat mit der Kurie ab und gestaltete die franzçsische Kirchengesetzgebung. Als Kultusminister (ab 1804) betrieb er die Reorganisation des gesamten Unterrichtswesens in der zentralistischen Universit de France“, Schumann, Franzçsische Emigranten in Schleswig-Holstein, S. 140. Der jngere Portalis folgte nach kurzem diplomatischen Dienst seinem Vater zunchst als Mitarbeiter, spter als Nachfolger im Kultusministerium; whrend der Jahre 1806/07 fhrte er in Frankreich in verantwortlicher Position die gesellschaftliche Integration der Juden durch. Eine große Anzahl revolutionsflchtiger Geistlicher hatte zunchst in den deutschen Rheinlanden Aufnahme gefunden; als die Revolution die Grenzen ihres Stammlandes berschritt, begab sich ein Großteil dieser Flchtlinge weiter nach Norden. Dabei gelangten nicht wenige von ihnen auch in die protestantischen Herzogtmer Schleswig und Holstein, wo sie sich insbesondere um Arbeit im pdagogischen Bereich bemhten; so findet sich etwa im Flensburgschen Wochenblat vom 27. Mai 1795 S. 392 die Anzeige: „Ein franzçsischer Prediger von

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Bischof von Clermont-Ferrand, Francois de Bonal193. Anders als dieser hatte der ehemalige Bischof von Autun, Charles Maurice de TalleyrandPerigord194, im Jahre 1791 zwar den Eid auf die Verfassung abgelegt195, auf Grund des Verdachts konspirativer Umtriebe mit dem entmachteten Kçnig jedoch Frankreich verlassen mssen. Im Juli 1796 kehrte er mit einem dnischen Schiff aus dem amerikanischen Exil nach Europa zurck, wo er sich zunchst in Altona aufhielt. Bereits im folgenden Jahr wurde er Außenminister der franzçsischen Republik; diese Stellung behielt er bis ins Jahr 1815 und damit nicht nur whrend der napoleonischen Herrschaft, sondern bis in die Anfangsphase des sich restaurierenden bourbonischen Frankreich nach 1815. Neben den Geistlichen bildeten die liberalen Konstitutionalisten, zumeist als deren weltanschauliche Gegner, eine weitere Gruppierung unter den in die Herzogtmer gelangenden Emigranten. Unter den letzteren stach eine kleine Anzahl ehemaliger girondistischer Revolutionsgenerale hervor, von denen einige bereits whrend des amerikanischen Unabhngigkeitskrieges an der Seite George Washingtons gekmpft hatten. Dieser Gruppierung von Revolutionren, die vor der Revolution zu fliehen gezwungen waren, rechnete sich der am 10. Oktober 1797 auf das Gut Wittmold bei Plçn gelangte General Marquis Marie Joseph Motier de Nantes mit ausnehmend guten Zeugnissen versehen, wnscht gerne hier angebracht zu werden (als Privatlehrer zur Bildung der Jugend)“. Zum Kontext a. Rolf E. Reichardt, Art. „Franzçsische Revolution“, TRE Band 11, S. 405 f.; Peter Schmidt-Eppendorf, Priester-Emigranten in Hamburg und Schleswig-Holstein in der Zeit der Franzçsischen Revolution, S. 49 – 71. 193 Zu diesem Christoph Martin Wieland, Fortsetzung der Betrachtungen ber die Franzçsische Staatsrevolution, in: Der Neue Teutsche Merkur 2 / 1790, S. 144 – 164, der ebd. S. 150 ber ihn ein hartes Urteil fllt, schtzt er doch den Grafen Mirabeau, „so lange (dieser) fr die Rechte der Nation stimmt“, als einen besseren Mann ein „als Monseigneur der Bischoff von Clermont, und wenn der letztere auch ein Inbegriff aller theologischen und cardinalen Tugenden wre, mit Engelzungen redete, seinen Leib brennen ließe, und mehr Zeichen und Wunder thte als Sct. Allyrius, und alle seine andern heiligen Vorsitzer auf dem bischçfflichen Stuhl zusammengenommen“. Vgl. zu Bonal von Clermont ferner Detlev W. Schumann, Neue Studien zur franzçsischen Emigration in Schleswig-Holstein, S. 145; Peter Schmidt-Eppendorf, a.a.O., S. 45. 194 Zu diesem Peter Schmidt-Eppendorf, a.a.O., S. 45 f. 195 Talleyrand hatte gemeinsam mit Mirabeau in der Nationalversammlung den Antrag auf Skularisierung der Kirchengter eingebracht, wie er auch fr die Aufhebung der Privilegien des hohen Klerus und die Einfhrung der Zivilkonstitution votiert hatte.

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Lafayette196zu, der unmittelbar nach 1789 einer der fhrenden Politiker Frankreichs gewesen war. Ein weiterer ehemaliger Revolutionsgeneral, der 196 Lafayette hatte seit 1777 auf der Seite der um ihre Unabhngigkeit ringenden nordamerikanischen Kolonisten gekmpft; dabei verinnerlichte er den amerikanischen Brgersinn und den Gedanken der Rechtsgleichheit im Sinne einer „vernnftigen Revolution“. Er nahm im Jahre 1781 auf der Seite der Sieger die Kapitulation der Briten bei Yorktown mit entgegen, zu der er wesentlich beigetragen hatte. Nach seiner Rckkehr nach Frankreich engagierte sich Lafayette gegen jede Einschrnkung der Menschenrechte, kmpfte fr die Brgerrechte der Protestanten in Frankreich und setzte sich fr die Abschaffung der Sklaverei ein. 1789 zog er als Deputierter des Zweiten Standes in die Generalstnde ein und wurde am 13. Juli zum Vizeprsidenten der Verfassungsgebenden Versammlung gewhlt. Zu Beginn der Revolution deren begeisterter Anhnger, legte er der Nationalversammlung am 26. August 1789 den Entwurf zur Erklrung der Menschenrechte vor, die „Dclaration des droits de l‘homme et du citoyen“; er zeigte sich in diesem Entwurf durchaus beeinflußt von nordamerikanischen Verfassungsprinzipien, vgl. Karl Griewank, Die Franzçsische Revolution, S. 41. Bald jedoch geriet er in heftige Auseinandersetzungen mit dem anwachsenden Kreis der Vertreter radikalrepublikanischer Bestrebungen, insbesondere mit Honor-Gabriel Riqueti, Comte, spter Marquis de Mirabeau. Daher verließ er den Jakobinerklub und sympathisierte zunehmend mit dem Gedanken der konstitutionellen Monarchie. In der Folge unterdrckte er als Oberbefehlshaber der Pariser Nationalgarde antiroyalistische Aufstnde. Die Durchsetzung des gewaltbereiten radikalen Flgels der Revolution bewegte ihn zu einer Desertion ins Ausland; die sterreicher, zu denen er am 19. August 1792 berlief, behandelten ihn jedoch als Kriegsgefangenen und setzten ihn ber den Zeitraum von fnf Jahren in Olmtz fest. Die nheren Umstnde dieser Gefangenschaft fanden eine weitgehende internationale Erçrterung, die auch Norddeutschland erreichte; vgl. hierzu „W.“, Brittische Parlaments-Debatten ber die Gefangenschaft des la Fayette, in: Minerva 2 / 1794, S. 97 – 123; J.[ohann] W.[ilhelm] von Archenholz, La Fayette, Minerva 2 / 1794, S. 94 – 97; ders., Noch ein Beitrag zur Geschichte des Generals la Fayette, in: Minerva 4 / 1795, S. 108 – 121; ferner die Appellation der Kielerin Anna Ccilie Fabricius an den Kçnig von Preußen zugunsten Lafayettes, u. S. 240 Anm. 430. – Whrend der fnfjhrigen Inhaftierung Lafayettes in çsterreichischen Gefngnissen setzte sich George Washington persçnlich gegenber Joseph II. fr dessen Freilassung ein, wie auch die amerikanische Regierung, das englische Unterhaus und Napoleon Bonaparte entsprechenden Druck zu seinen Gunsten ausbten; hierzu Detlev W. Schumann, Neue Studien zur franzçsischen Emigration in Schleswig-Holstein S. 149; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 274. Erst der Friedensschluß von Campo Formio im Oktober 1797 brachte Lafayettes Freilassung; hierzu ders., Zur Geschichte der Freylassung des Generals Lafayette und seiner Mitgefangenen, Minerva 4 / 1797, S. 153 – 177. Aus der langjhrigen Kriegsgefangenschaft resultierte indessen Lafayettes Rehabilitierung in seiner Heimat; daher konnte er seit dem Jahr 1815 zu einem der Fhrer der liberalen Opposition Frankreichs werden. Im Jahre 1830 erneut zum Kommandeur der Nationalgarde berufen, fçrderte er unmittelbar die Thronbe-

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in den Herzogtmern Aufnahme fand, war Mathieu Dumas197. Whrend des Jahres 1791 war es seine Aufgabe gewesen, die Begleitung Ludwigs XVI. nach dessen vergeblicher Flucht von Varennes nach Paris zu stellen. Anschließend wurde Dumas Mitglied der gesetzgebenden Nationalversammlung. Vor der Herrschaft Robespierres flchtete er in die Schweiz, ging mit dessen Sturz erneut nach Paris, wo er nach dem 18. Fructidor jedoch zur Deportation verurteilt wurde. Vom dnischen Gesandten mit einem Paß ausgestattet, gelang Dumas die Flucht nach Hamburg, wo er sich dem Kreis um Klopstock, Claudius, Perthes und Jacobi anschloß. Auf die franzçsische Forderung nach seiner Auslieferung hin begab Dumas sich offiziell unter dnischen Schutz und hielt sich unter dem Namen Elias Funk zunchst in Wandsbek, anschließend in Tremsbttel im Haus Christian von Stolbergs und seiner anfnglich ausgesprochenen revolutionsfreundlichen Gattin Louise sowie zeitweise in Emkendorf auf. Der Deckname Funk war der Iniative Klopstocks entsprungen, der sich durch den von ihm geschtzten Dumas an seinen Kopenhagener Jugendfreund Gottfried Benedikt Funk erinnert fhlte198. Napoleons Staatsstreich vom 18. Brumaire 1799 ließ Dumas nach Frankreich zurckkehren. In den Grafenstand erhoben, diente er Napoleon Bonaparte in herausragenden steigung des „Brgerkçnigs“ Louis Philippe. – Nach seiner Entlassung aus der Festung Olmtz war Lafayette unmittelbar vor seinem Einzug in Holstein Gast Klopstocks in Hamburg; zu seinem freundschaftlichen Verhltnis zum Plçner Amtmann August Hennings vgl. Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 275; Hans Wilhelm Ritschl, August Adolph Friedrich von Hennings 1746 – 1826. Ein Lebensbild, Hamburg 1978, S. 105 – 113; zu seinem Aufenthalt in Holstein Alfons Galette, General Lafayette in Wittmoldt: Ein Leben fr die Freiheit, Plçn 1989. Allgemein zu Lafayette: Jacques Deb-Bridel, La Fayette. Une vie au service de la libert, Paris 1957; Louis R. Gottschalk und Margaret Maddox, Lafayette in the French Revolution. 1. Through the October Days, Chicago / London 1969; dies., Lafayette in the French Revolution. 2. From the October Days through the Federation, Chicago / London 1973. 197 Mathieu Dumas hatte im franzçsischen Expeditionskorps als Adjutant Rochambeaus gedient und befand sich whrend Washingtons Einzug in Providence, Rhode Island, an dessen Seite. 198 Gottfried Benedikt Funk war ursprnglich als Hauslehrer in der Familie Johann Andreas Cramers ttig gewesen; er starb im Jahre 1814 als Consistorialrat und Rector der Domschule zu Magdeburg. Hierzu der Brief Klopstocks an Carl Friedrich Cramer vom 22. Oktober 1799, zit. n. Friedrich Gottlieb Klopstock, Briefe von und an Klopstock, hg. von J.[ohann] M.[artin] Lappenberg, S. 414 f.; cf. die entsprechenden Anmerkungen S. 538 f.: „Ich sehe jetzt einen sehr verdienstvollen Franzosen, der mir und andern aus meinen Oden (aus dem Original nmlich) vorliest. Er macht mir das Vergngen, Funk zu heißen“.

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militrischen Positionen, so auch als Generalstabschef der grande arme im Rußlandfeldzug199. Mit Charles Francois Dumouriez fand ein dritter ehemaliger Revolutionsgeneral holsteinisches Asyl. Er war Befehlshaber und Sieger der Revolutionsheere in deren Begegnungen mit den monarchistischen Koalitionsstreitkrften bei Valmy und Jemappes gewesen, bevor er sich nach der Niederlage bei Neerwinden im Mrz 1793 auf Grund seiner Opposition zu den Jakobinern auf die çsterreichische Seite begeben hatte200. In den Jahren nach 1797 stellte er sich unter den Schutz des in Gottorf und Louisenlund residierenden dnischen Statthalters in den Herzogtmern, des Landgrafen Carl von Hessen201. Dumouriez unterstellt und mit ihm geflchtet war ein weiterer General der Revolutionstruppen, der 1790 dem Jakobinerklub beigetreten war und seit 1792 in der Nordarmee gedient hatte; dies war Ludwig Philipp von Orlans, der sich mit revolutionrem Namen Louis Philippe galit genannt hatte und whrend des Jahres 1796 in Friedrichstadt unter dem Namen Ludwig Philipp de Vries als Hauslehrer 199 Christian von Stolberg, ehemals Amtmann von Tremsbttel und durchaus Gegner der Franzçsischen Revolution, bezeichnet seinen ehemaligen Gast in einem Brief vom 22. Dezember 1812 als „Freund“, dem nach dem Schicksal der grande arme in Rußland sein ganzes Mitgefhl gelte: Vgl. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, udg. af Louis Bob, S. 243. 200 Nur „durch entschlossene Konventskommissare wurde sein Versuch vereitelt, Anfang April 1793 die ihm anvertraute Armee im Bunde mit den sterreichern fr die Einfhrung einer neuen konstitutionell-parlamentarischen Monarchie in Paris einzusetzen“, Karl Griewank, Die Franzçsische Revolution, S. 71; der Altonaische Mercurius meldete am 09. April 1793, daß Dumouriez die Absicht habe, die Revolutionsregierung zu strzen und daher eine Armee gegen Paris fhren zu wollen. Die von Dumouriez als dem franzçsischen Oberkommandierenden mitzuverantwortende Niederlage bei Neerwinden fhrte zum Verlust Belgiens und des Rheinlandes, worin sich „das Scheitern der girondistischen Kriegsziele“ dokumentierte, Walter Grab, Von Mainz nach Hambach, S. 113 – 138, in: Ders., Friedrich von der Trenck. Hochstapler und Freiheitsmrtyrer und andere Studien zur Revolutions- und Literaturgeschichte, Kronberg / Ts. 1977, hier: S. 119. Das von der Gironde im Herbst 1792 formulierte Kriegsziel eines auf die Spitzen der Bajonette gesttzten Exportes der Revolution ließ sich im weiteren Verlauf der Ereignisse nicht mehr realisieren. 201 Zu Dumouriez und Lafayette und ihrer Rolle zum Anfang des Revolutionskrieges vgl. Johann Wolfgang von Goethes Schilderung in seiner „Kampagne in Frankreich 1792“, in: Ders., Poetische Werke, Zehnter Band, Augsburg o. J., S. 226. – Nach Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder eines siebenzigjhrigen Schulannes, S. 303, lebte Dumouriez noch im Jahre 1800 inkognito in Eckernfçrde. In Emkendorf war er „wie ein Jakobiner verfehmt“, Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 151.

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wirkte. Bei ihm handelte es sich um den spteren Brgerkçnig LouisPhilippe202, whrend die Gemahlin des ab 1814 regierenden Ludwig XVIII., Maria-Josepha, als Grfin der Provence vorbergehend auf dem am Westensee gelegenen Gut Schierensee lebte203. Im Gefolge der Wohlhabenden gelangten jedoch auch revolutionsflchtige, zumeist eher mittellose Hndler, Kaufleute und Abenteurer in den Norden. Dies machte seitens des Prsidenten der Deutschen Kanzlei, Andreas Peter Bernstorff, besondere Richtlinien erforderlich, die „erkennen lassen, daß fr die Regierung bei aller Beachtung der verschiedenen Typen Eingewanderter die Bereitschaft, als eine neutrale Macht den Verfolgten Hilfe zu leisten, im Vordergrund stand“204. Dabei bildeten die

202 Dieser war ltester Sohn des Herzogs von Orlans, der in der Folge der Juli-Revolution des Jahres 1830 – zu dieser und ihren Auswirkungen auf die Herzogtmer u. S. 311 f. – zum sog. Brgerkçnig erhoben wurde; er hatte sich in den Revolutionskriegen whrend der Kanonade von Valmy am 20. September 1792 ebenso erfolgreich gezeigt wie beim Sieg von Jemappes am 6. November des gleichen Jahres. Im Friedrichstdter Exil wirkte er als Hauslehrer; vgl. hierzu Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein in der Neuzeit, S. 546; Detlev W. Schumann, Neue Studien zur franzçsischen Emigration in Schleswig-Holstein, S. 156; Manfred Kunst, „Gefhrt von Frau Antjes Double“, Hamburger Abendblatt v. 03. Mai 2003; zu Ludwig Philipp ferner Marguerite Castillon du Perror, Louis-Philippe et la Rvolution Francaise, Paris 1984; Guy Antonetti, Louis Philippe, Paris 1994. Der Aufenthalt des spteren franzçsischen Kçnigs in Friedrichstadt hatte durchaus besondere Folgen; so ernannte LouisPhilippe im Jahre 1841 einen schleswig-holsteinischen Artillerie-Leutnant zum Ritter der Ehrenlegion, wie das Kieler Correspondenzblatt 100/1841 S. 412 im Dezember des Jahres berichtet. 203 Maria-Josepha, savoyardische Prinzessin und Grfin der Provence, starb vier Jahre vor der Thronbesteigung ihres Mannes als Ludwig XVIII. im britischen Exil; zu ihr Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 145, und Paul von Hedemann-Heespen, a.a.O. (Anm. 202). Der Graf der Provence selbst befand sich seit dem Sommer 1791 in der Residenz des Trierer Kurfrsten in Koblenz und versuchte von hier aus die politisch-militrischen Grundlagen zur Realisierung einer Gegenrevolution zu schaffen; vgl. hierzu Franz Dumont, Die Emigranten in Deutschland, S. 91 f. 204 Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 177. Die im Zusammenhang der Emigrantenaufnahme erbrachten Leistungen des Gesamtstaates wrdigte August Hennings einmal in seiner Einleitung zu den von ihm gesammelten ungedruckten Briefen der Revolutionsflchtlinge: „Dieses reitzende Lndchen zog angesehene Familien an, […] von ermdendem Herumirren und Vertreiben einen Ruhesiz zu finden. Das monarchische Dnemark bot damals eine Sicherheit an, welche die republicanische Schweiz nicht gewhrt hat“, Nachlaß Hennings Bd. 9, handschr., SUB Hamburg,

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franzçsischen Emigranten eine in sozialer Hinsicht zutiefst inhomogene Gruppierung, die zumeist jedoch nur vorbergehend205 in den Herzogtmern lebte206. Mit den Gebildeten unter ihnen, die zur Zeit des Ancien Rgime oder whrend der Revolution besondere Verantwortung getragen hatten, gelangten hervorragende Welterfahrenheit wie auch unmittelbare Zeugenschaft der revolutionren Ereignisse und ihrer Folgen nach Schleswig und Holstein. Auch hierin wurzelte sicherlich jene besondere geistige Blte, die Emkendorf als refugialem Anlaufpunkt eines Teils dieser Emigranten einmal das Prdikat einer „sorte d’acadmie europenne“ eingetragen hat207. Bei alldem waren die Emigranten einer breitflchigen Rezeption der revolutionren Ideen in den Herzogtmern keineswegs fçrderlich208. Franzçsische Absolutisten und Anhnger der Gironde, deren gesellschaftliche Vorstellungen und Visionen einander entgegengesetzt waren, trafen hier ebenso auf den selbstbewußten Adel eines aufgeklrt-absolutistischen Staates wie auch auf eine zu revolutionren Akten nicht bereite Bevçlkerung. Verschrfend trat hinzu, daß sich ein nicht unerheblicher Teil unter den gebildeten Flchtlingen mit durchaus liberaler Freizgigkeit,

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zit. n. Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, S. 205. Die unter Napoleon eintretenden Vernderungen erlaubten vielen im Exil befindlichen Franzosen die Rckkehr in ihr Heimatland. Hufige Anlaufpunkte blieben fr die Adligen die in den Herzogtmern befindlichen Gter, so etwa Emkendorf, Schierensee, Knoop und Tremsbttel; unter den Stdten nahmen einen Großteil der Flchtlinge Altona und Friedrichstadt auf, die sich von jeher durch besondere Patente als Zufluchtssttten unter Gewhrung von Religionsfreiheit sowie steuerlichen Erleichterungen erwiesen hatten. Hierzu Paul Hermann Eduard Piper, Altona und die Fremden, insbesondere die Emigranten, vor hundert Jahren, passim; Peter C. Hartmann, Kulturgeschichte des Heiligen Rçmischen Reiches 1648 – 1806, S. 448. Mignet, Notice historique sur la vie et les travaux de M. le comte Portalis, in: Sances et travaux de l’Acadmie des Sciences Morales et Politiques, LIII (1860), S. 398; zit. n. Detlev W. Schumann, Franzçsische Emigranten in SchleswigHolstein, S. 121. Vernichtend das anfngliche Urteil August Hennings’ ber die ersten in den Herzogtmern eingetroffenen Emigranten in seiner Schrift „Doctor Martin Luther! Deutsche gesunde Vernunft, von einem Freunde der Frsten und des Volks; und einem Feinde der Betrger der Einen und Verrther des Andern“, Altona 1792, S. 39: „Es ist der grçßte Grund zu vermuthen, daß unter allen denen, die eine nderung der Sachen in Frankreich wnschen, nicht ein einziger Mann von Kopf ist, da bisher unter allem, was die Emigrirten hervorgebracht haben, sich auch nicht ein Funke von Genie und Vaterlandsliebe gezeigt hat“.

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gelegentlich auch in schroff antiklerikaler oder auch atheistischer Weise artikulierte. So konnte es geschehen, daß der selbst zu deistischen Positionen neigende Plçner Amtmann August Hennings im August 1795 ber sein Zusammenleben mit dem bei ihm einquartierten Marquis de Roquemorel ußerte: „Was mich rgert, ist der Materialism und Atheism unsres Emigrierten, die alle Freudigkeit des Lebens niederschlgt und alle Moralitt negiert“209.

Wie der freigeistige Roquemorel hatte sich auch die Marquise AdrienneCatherine de Tess 1795 in Plçn niedergelassen; sie erwarb im darauffolgenden Jahre das am Plçner See gelegene Gut Wittmold. Hier verkndete die emigrierte Hofdame, „die Freundin Voltaires, gleich einer Sybille mit gewichtigem doktoralem Ton und in einer Mischung von vernnftigem Ernst und komischer berspanntheit ihre liberalen und antiklerikalen Gedanken“210. Doch so hinderlich der aristokratische Habitus zahlreicher Emigranten fr eine weitergehende Ausbreitung ihrer Ideen in die Masse der Bevçlkerung hinein war, so problematisch erwies sich angesichts der von ihnen geußerten weltanschaulichen Voraussetzungen der Brckenschlag zu den konservativen adligen Kreisen der Herzogtmer211. Damit blieb es in der Begegnung mit den Emigranten einzig und allein noch dem konfessionellen Moment berlassen, besondere Wirkung zu entfalten. Der von den Emigranten mehrheitlich mitgebrachte Katholi209 Zit. n. Hans Wilhelm Ritschl, August Adolph Friedrich von Hennings, S. 113. Dennoch verhalf Hernnings dem Marquis de Roquemorel durch ein persçnliches Schreiben an den franzçsischen Polizeiminister Fouch spter zu einer sicheren Heimkehr nach Paris; hierzu Friedrich Stender und Hans-Joachim Freytag, Geschichte der Stadt Plçn, S. 145. 210 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 274. Die Marquise war Schwgerin Lafayettes und unterhielt seit den 60er Jahren enge Verbindungen zu den Enzyklopdisten um Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert. In diesem Kreis befand sich 1764 auch der achtjhrige Wolfgang Amadeus Mozart whrend seines ersten Pariser Aufenthaltes als Gast Friedrich Melchior von Grimms; als seiner Mzenin widmete Mozart der Marquise de Tess auf Anraten seines Vaters zwei Sonaten fr Klavier und Violine, KV 8 und 9; hierzu Piero Melograni, Wolfgang Amadeus Mozart, Mnchen 2005, S. 37 f. Zum Aufenthalt des jungen Mozart in Paris und seinem Zugang zu den Angehçrigen der dortigen intellektuellen, aufklrungsorientierten Zirkel a. Maria Publig, Mozart, Mnchen 1991, S. 52 – 55. 211 Auf Emkendorf bezogen resmiert Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 224, daß „zahlreiche franzçsische Emigranten […] dem hier bereits eingewurzelten Haß gegen die Revolution neue Nahrung gaben“.

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zismus konnte in diesem Zusammenhang durchaus formeller Natur sein. Dies gilt etwa fr den Grafen d’Angiviller, der aus dem Kreis der ihm bekannten Kieler Professoren den Kantanhnger Karl Leonhard Reinhold eben deswegen ablehnte, weil dieser als ehemaliger Ordenspriester und Mçnch in seinen Augen ein doppeltes Gelbde gebrochen hatte212, dessen Einhaltung fr den Grafen jedoch bezeichnenderweise nicht „eine Frage […] der Religion, sondern der menschlichen Bestndigkeit, der Treue war“213. Gerade um Fragen der Religion im Sinne konfessioneller Verbindlichkeit ging es hingegen in den Begegnungen des in Eutin lebenden Grafen Friedrich Leopold Stolberg mit Angehçrigen des Emigrantenadels. Neben seinen Begegnungen mit der Frstin Amalia von Gallitzin214, deren 212 Der konvertierte Schwiegersohn Christoph Martin Wielands lehrte nunmehr an einer protestantischen Universitt; vgl. zu den diesbezglichen Vorbehalten des Grafen den Brief d’Angivillers an Grfin Louise Stolberg vom 8. Mai 1805, wiedergegeben in: Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Syvende Bind, udg. af Louis Bob, S. 220 – 222. Zu Reinhold auch u. S. 242 – 250. 213 Detlev W. Schumann, Franzçsische Emigranten in Schleswig-Holstein, S. 144. 214 Zur Frstin Gallitzin, die nach der Trennung von ihrem Mann seit 1779 in Mnster lebte und dort mit Franz Freiherrn von Frstenberg den Mittelpunkt des sog. „Mnsterschen Kreises“ bildete, vgl. die biographischen Notizen in: Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, S. 375 f.; Wilhelm von Bippen, Eutiner Skizzen. Zur Cultur- und Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, Weimar 1859, S. 255 – 265; Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, IV Bd., 3. 3. Aufl. Freiburg 1955, S. 47 f.; Helmut Glagla und Dieter Lohmeier, Hg., Matthias Claudius. Ausstellung zum 250. Geburtstag, Heide 1990, S. 214 f.; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 155 – 157; Brandt schildert S. 157 als Zielsetzung der Frstin die Bekmpfung „des Rationalismus, des Unglaubens, auch als der Ursache der Franzçsischen Revolution. Nur war sie dabei die Vertreterin des neu sich sammelnden, neu erstarkenden Katholizismus, jener von mittelalterlich-romantischen Ideen durchzogenen, im Gegensatz zur Aufklrung sich erhebenden Bewegung, die spter Friedrich Schlegel, Adam Mller, Gçrres und andere in den Reihen ihrer Wortfhrer sah“. – Der Altonaer Pastor Nikolaus Funk deutet Stolbergs Konversion zum Katholizismus aus zeitgençssischem Blickwinkel in einem aufgeweiteten Kontext und will zugleich die Ursachen eines solchen Schrittes nher analysieren: „Diese hie und da ganz unverkennbare Tendenz des Zeitalters zum Katholicismus scheint mir in der That […] nicht so unerklrbar, als sie vielen selbst denkenden Mnnern vorkommt. Sie ist das Product der bersttigung im Sinnengenusse, und der mit ihr nothwendig verbundenen Leerheit des Gemthes; ein Erzeugniß der Furcht vor den theils an sich selbst, theils an Andern erfahrenen traurigen Folgen praktischer Irreligiositt: die Wirkung einer einseitigen oder ganz falschen Ansicht von den Begebenheiten unserer Tage, namentlich der neuesten Religionsvernderung in Frankreich, die doch im Grunde wol nichts weniger, als die Befestigung der Hierarchie bezielt: die

3. Vertriebene der Revolution: Franzçsische Emigranten

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Beichtvater Overberg sowie den Brdern Droste Vischering215 war es seit dem Jahr 1793 insbesondere die zunchst in Plçn, spter in Wittmold beheimatete Anne-Paule-Dominique de Noailles Marquise de Montague216, deren karitativ und spirituell vorgelebter Katholizismus217 entscheidend mit zur Konversion Friedrich Leopold Stolbergs im Jahre 1800 beitrug218. Die Wirkungen dieses Schritts waren von erheblicher Tragweite219.

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Geburt jener Aufklrerey, die sich von allen çffentlichen religiçsen bungen losspricht, und dadurch scheinbar einen Zeitpunct besorgen lßt, wo alle çffentliche Religion ausgestorben seyn wird“, Funk, Sendschreiben an Se. Hochgrfliche Excellenz den Herrn Grafen Friederich von Reventlow, Ritter vom Danebrog, Geheimen Rath und Curator der Universitt Kiel, o. O. 1805, S. 19 f. Adolf Heidenreich Droste Freiherr von Vischering sowie sein Bruder Caspar Max, spter Bischof von Mnster. – Zu den Besuchen des „Mnsteraner Kreises“ Dieter Lohmeier, Friedrich Heinrich Jacobi in Holstein, in: NE 60 / 1991, S. 61 – 88, hier S. 75 f. Die Marquise de Montague war eine Schwgerin General Lafayettes. Die Marquise gewann Friedrich Leopold Stolberg fr die Bemhungen um eine Minderung des Emigrantenleides; hierzu Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, S. 210 f. Immerhin wurde sie „in ihrem Kreise ,notre petite sainte‘ genannt“: Hans Wilhelm Ritschl, August Adolph Friedrich Hennings, S. 136. Hierzu Detlev W. Schumann, Neue Studien zur franzçsischen Emigration in Schleswig-Holstein, S. 145–149. Vgl. Detlev W. Schumann, Aufnahme und Wirkung von F.L. Stolbergs bertritt zur katholischen Kirche, Euphorion 50 / 1956, S. 271 – 307; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 276. 287 f.; Brigitte SchubertRiese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, S. 239 – 246; Dieter Lohmeier, Friedrich Heinrich Jacobi in Holstein. Ein Beitrag zu seiner Biographie, in NE 60 / 1991, S. 61 – 88, hier S. 78 f.; Dirk Hempel, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750 – 1819), Weimar / Kçln / Wien 1997, S. 225 – 229; weiterhin u. S. 352 f. – Zum nachreformatorischen Katholizismus in den Herzogtmern: Friedrich Witt, Der Katholizismus in Schleswig-Holstein seit der Reformation, SSHKG Reihe 2, Heft 5, Preetz 1900, S. 1 – 30, sowie Olaf Klose, Die Jahrzehnte der Wiedervereinigung 1721 – 1773, S. 128; zum Kontext o. S. 97 f.

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Kapitel II

4. Widerstand gegen Aristokraten: Der demokratische Monarchist August Hennings und der Kreis Plçner Rationalisten Mit dem Plçner Amtmann und spteren Administrator der Grafschaft Rantzau August Hennings220 begegnet uns einer der tatkrftigsten Aufklrer des schleswig-holsteinischen Raumes whrend des ausgehenden 18. Jahrhunderts, vielleicht sogar der „eigentliche Apostel der Aufklrung in den Herzogtmern“221, der entscheidend dazu beitrug, Plçn zu einer „Hochburg des Rationalismus“222werden zu lassen. 220 Zu August Hennings vgl. Wattenbach, ADB 11, S. 778 – 780; Claus Bjørn, DBL 6, S. 267 – 269; Ulrich Herrmann, SHBL 4, S. 88 – 92; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 185 – 187; Joachim Hild, August Hennings. Ein schleswig-holsteinischer Publizist um die Wende des 18. Jahrhunderts, Erlangen 1932; Hans Wilhelm Ritschl, August Adolph Friedrich von Hennings 1746 – 1826. Ein Lebensbild aus Holstein, Kopenhagen und Hamburg in bewegten Zeiten, Hamburg 1978; Renate ErhardtLucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 60 – 64; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 272 – 274.281; Johannes C. Kinder, Urkundenbuch zur Chronik der Stadt Plçn, Plçn 1890, bes. S. 368 ff. 538 f.; Rolf Schempershofe, August Hennings und sein Journal „Der Genius der Zeit“. Frhliberale Publizistik zur Zeit der franzçsischen Revolution, in: Jahrbuch des Instituts fr deutsche Geschichte, Band X, Tel Aviv 1981, S. 163 – 167; Erika Sllwold, „Der Genius der Zeit“. Konstitution und Scheitern eines Modells von Aufklrungsçffentlichkeit, Kçln 1985; Friedrich Stender und HansJoachim Freytag, Geschichte der Stadt Plçn, Plçn 1986, bes. S. 135 – 143; ferner Gerhard Kay Birkner, Bibliographie August [von] Hennings, Hamburg / Plçn 1999, sowie ders., „Es fhrt ein neuer Geist daher; Und alte Festen wanken…: August von Hennings und die „Plçner Aufklrung“, in: Petra Blçdorn-Meyer, Michael Mahn und Rdiger Schtt, Hg., Carl Friedrich Cramer – Revolutionr, Professor und Buchhndler, Nordhausen 2002, S. 456 – 477. 221 Christian Degn, a.a.O., S. 273. Einer lteren Forschung erschien Hennings hingegen als „ehrgeiziger Freigeist“, so Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 586, oder als Kopf einer mit publizistischer „Whlarbeit“ befaßten demokratischen Gruppe und damit als „der neue Siey s“, so Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 166 bzw. 183. Im zeitgençssischen Umfeld der Herzogtmer entfaltete Hennings eine bedeutende literarische Wirkung. Seine Werke fanden rasch Zugang zu den çrtlichen Lesegesellschaften und trafen so auf einen breiten Rezipientenkreis, vgl. etwa O.J.P. Diguemann, Systematisches Verzeichnis der Bcher und Schriften der drei deutschen Lesegesellschaften in Flensburg, Flensburg 1794, hier die S. 12 genannten von Hennings’ publizierten Titel.

4. Widerstand gegen Aristokraten

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Der 1746 in Pinneberg als Sohn des kçniglich dnischen Amtsverwalters Martin Nikolaus Hennings geborene August Adolph Friedrich Hennings residierte vom Mrz 1787 bis zum Jahre 1807 als Amtmann der mter Plçn sowie Ahrensbçk in einem Flgel des Plçner Schlosses. Nach acht Jahren im dnischen Staatsdienst whrend der Guldberg-ra223 hatte er sich in Schleswig seit 1784 ber den Zeitraum dreier Jahre hinweg mit dem Titel eines „Intendanten der Herzogtmer“ als Privatmann seinen aufklrerischen Studien und deren Publikation gewidmet, um dann als Amtmann in den dnischen Staatsdienst zurckzukehren. Der Zeitpunkt seiner Nobilitierung ist unklar, aber auch unerheblich, da Hennings ihn selber nicht fr erwhnenswert hielt224. Hennings’ Absicht ist es, „Menschenwohl zu befçrdern, Leidenschaften zu bezhmen, Irrende zu belehren, Menschenhassern Gefhle der Vertrglichkeit einzuflçßen“225. Zu seinem Instrument bei dieser Bemhung wird die Vernunft, die er in seinem frhen Werk „Olavides“226 als creatura Dei versteht: „Heilig ist das Werk Gottes – und das grçßte Werk Gottes ist die Vernunft.“227

Mit dieser Auffassung der Vernunft als einer geheiligten Grçße verbindet sich Hennings’ religiçs aufgeladene Hochschtzung der Aufklrung: 222 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 270. Gerhard Kay Birkner, attestiert Plçn im fraglichen Zeitraum a.a.O. S. 457 „mit rund 1150 dnischen Untertanen, 16 Gaststtten, 42 Schuhmachereien, 17 Schneidern, je 13 Tischlern und Schlachtern sowie10 Bckern […] provinziellen Mief“; 1802 schrieb Hennings an seine Frau: „Habe ich wahrlich nie so erbrmliche Menschen gefunden als in Plçn, nie solche Geistesleere […], daß mein Wunsch, von Plçn wegzukommen natrlich ist“, zit. n. Birkner, a.a.O. 223 Vgl. o. S. 102 Anm. 254. 224 Gerhard Kai Birkner, Bibliographie August (von) Hennings, S. 1, vermutet als den sptesten Zeitpunkt der Erhebung in den Adelsstand Hennings’ Ernennung zum Kammerherrn im Mai 1783. Im Genius der Zeit Nr. 5 aus dem Jahr 1795, S. 447 f., untersagte Hennings fr den an ihn gerichteten Schriftverkehr jedoch ausdrcklich die Verwendung aller „Titulaturen“. Dies entsprach konsequent der von ihm vertretenen antiaristokratischen Linie. 225 Zit. n. Joachim Hild, August Hennings, ein schleswig-holsteinischer Publizist um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 137. 226 August Hennings, Olavides. Herausgegeben und mit einigen Anmerkungen ber Duldung und Vorurtheile begleitet, Kopenhagen 1779; das Werk handelt von einem durch die Inquisition verfolgten und gefolterten Peruaner. Bereits in diesem Frhwerk bekmpft Hennings „rcksichtslos und mit einer Offenheit, die in religiçsen Fragen leicht verletzend wirkt, unsinnige Dogmen und Vorurteile“, Christian Degn, Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, S. 190. 227 Hennings, Olavides, S. 155.

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Kapitel II

„Die Aufklrung ist der Zweck Gottes bei der Schaffung unseres Geistes und entspricht am sichersten unserer Bestimmung zur Freiheit und Tugend.“228

Als Ort der Aufklrung definiert Hennings jene geistige Atmosphre, „wo eine reine Auseinandersetzung aller Begriffe ist, wo alle Begriffe Ausbung werden, und unser Forschen nicht weiter gehet, als unser Finden.“229

Dessen eingedenk fordert er als Herausgeber mehrerer zeitkritischer Journale230 – zunchst des „Schleswigschen Journals“231, spter des „Genius’ der Zeit“232 und der „Annalen der leidenden Menschheit“233 – die

228 August Hennings, ber die wahren Quellen des Nationalwohlstandes, Freyheit, Volksmenge und Fleiß, im Zusammenhange mit der moralischen Bestimmung der Menschen und der Natur der Sachen, Kopenhagen und Leipzig 1785, S. 280. 229 August Hennings, Philosophische Versuche, Zweyter Theil, 2. Aufl. Kopenhagen 1780, S. 324. 230 Zu Hennings’ Journalen a. Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 548 f., und Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 165 – 168. 231 Erschienen von 1792 – 1793. 232 Erschienen in 21 Bnden von 1794 – 1800; hierzu Hennings’ „Anzeige“ der Monatsschrift und seine programmatischen Aussagen in der Beilage zu den Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichten 2 / 1793, S. 4 f., ebd. S. 5: „Ich werde schweigen, wenn ich nicht mehr reden kann, ohne die Ordnung zu unterbrechen, deren Erhaltung die erste aller politischen Wahrheiten ist“. Der „Genius der Zeit“ wird von Goethe und Schiller in den Xenien diskreditiert: „G. d. Z. Dich, o Dmon, erwart ich und deine herrschenden Launen! Aber im hrenen Sack schleppt sich ein Kobold dahin“, vgl. Goethes Poetische Werke. Vollstndige Ausgabe, Erster Band, Augsburg o. J., S. 980; auch in Fausts Walpurgisnachtstraum wird der „Genius“ karikiert, vgl. Faust. Der Tragçdie Erster Teil, Goethes Poetische Werke, Vollstndige Ausgabe, Fnfter Band, S. 228; hier findet Hennings zugleich namentliche Erwhnung – wenn auch unter deutlich ironischem Vorzeichen –, ebenso auch sein „Musaget“ und der „Genius der Zeit“. Hierzu Hans-Wilhelm Ritschl, August Adolph Friedrich von Hennings, S. 74 f. – Mit den genannten Anspielungen knpft Goethe an eine an sich unverfngliche Wendung Herders in den „Humanittsbriefen“ an: „Mehrmals finde ich in Ihren Briefen den Geist der Zeit genannt; wollen wir uns einander nicht diesen Ausdruck aufklren? Ist er ein Genius, ein Dmon? oder ein Poltergeist, ein Wiederkommender aus alten Grbern […] Man hlt ihn fr Eins und das Andre“, Johann Gottfried Herder, Briefe zu Befçrderung der Humanitt, Zweite Sammlung, Nr. 14, Riga 1793, in: Ders., Smtliche Werke XVII, hg. von Bernhard Suphan, Zweite Nachdruckaufl., Darmstadt o. J., S. 77; vgl. ebd. a. Brief Nr. 15, S. 77 – 79. – Hennings antwortete den „Xenien“ in seinem „Genius der Zeit“ Band 9, S. 430 f. mit besonderer Schrfe unter Hinweis auf die von Rachsucht erfllte Galle der Dichter; gemeint sind selbstverstndlich die Schçpfer der „Xenien“ sowie des

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durchgreifende Aufklrung des Volkes auf der Grundlage einer demokratischen und damit notwendig reformierten Monarchie234. In weltanschaulicher Hinsicht sucht er die Durchschlagskraft des Rationalismus zu befçrdern, stellt unter utilitaristischer Orientierung den Gedanken des individuellen Verdienstes gegen die berlieferten Statusparameter einer stndischen Ordnung der Gesellschaft und gelangt bei alldem zu deistischen Positionen. Auf diese Weise nimmt er herausragenden Anteil am „Ringen zwischen der Vernunft und dem neu erwachenden Glauben sowie zwischen den althergebrachten konservativen Formen und dem neuen demokratischen Gedanken“235. Der Gegenpart dieser Auseinandersetzung personifiziert sich vorrangig in den Angehçrigen des Emkendorfer Kreises236 ; in der Kontroverse selbst treffen aufklrerischer Rationalismus, der einer Vernunftreligion im Sinne Voltaires237 anhngt, und konsequent orthodoxes Christentum aufeinander. Mit der Franzçsischen Revolution hatte sich Hennings zuvor bereits sehr nachhaltig und persçnlich auseinandergesetzt – „man kann sagen, er ging mit ihr vom aufgeklrten Absolutismus zur konstitutionellen Monarchie“238. Im Jahre 1792 rhmte er die Revolution als ein „aus freien philosophischen Grundstzen“ hervorgegangenes „Wunderwerk“239 und legte in einem Zwischenresmee zum Gang der Ereignisse eine fr seine Denkhaltung schon fast programmatische ußerung nieder:

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„Faust“. Hennings bezeichnet die „Xenien“ in dieser literarischen Kontroverse schlicht als den „verwilderten Genius unserer Zeit“. Erschienen in 10 Bnden von 1795 – 1801. Nach der Jahrhundertwende folgte „Der Genius des 19. Jahrhunderts“, erschienen in 6 Bnden in Altona in den Jahren 1801/1802. Franklin Kopitzsch, Schleswig-Holstein im Gesamtstaat 1721 – 1830: Absolutismus, Aufklrung und Reform, nennt Hennings S. 326 vor diesem Hintergrund den „Wortfhrer der Liberalen und Demokraten“ in den Herzogtmern. Otto Rçnnpag, Der Plçner Amtmann August von Hennings und die „Eutiner“, in: Jahrbuch fr Heimatkunde Eutin 23 / 1989, S. 43 – 47, hier S. 43. Zu diesem im Folgenden auch S. 215 – 237. Hierzu Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 183; u. S. 264 f. Anm. 538. Hans Wilhelm Ritschl, August Adolph Friedrich von Hennings, S. 67. August Hennings, Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, Altona 1792, S. 119. – Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, nennt die Schrift S. 273 ein „mit Gehssigkeit gepfeffertes Pamphlet“, nach dessen Verçffentlichung „man an Elbe, Eider und Sund ber den Jakobiner, den Sansculotten“ hergezogen sei: „Es ntzte ihm [Hennings, L.-P.] nicht viel, daß er auf die Girondisten als Mnner seiner politischen Richtung hinwies“.

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„Wenn es Menschen vergçnnt ist, die Hand der Vorsehung in den Begebenheiten unserer Welt zu erkennen, so ist es in der Vollendung des erhabensten Werkes, was je Menschen vorgenommen haben, in der franzçsischen Konstitution […] Erschien je Ludwig XVI. in einem liebenswrdigen Lichte, so ist es itzt in dem Schooße eines freien Volks.“240

Hinter dem Bild des im „Schooße eines freien Volks“ beheimateten Kçnigs verbirgt sich Hennings’ aufklrerische Vorstellung einer vorausgesetzten „Heiligkeit der Person des Monarchen und der Gleichheit aller Unterthanen im Zugange zu Menschenrechten, je nachdem das Schicksal und die natrliche Ungleichheit der Menschen einem Jeden Kraft und Talente ertheilt“241. Mit einem Seitenblick auf die dnischen Verhltnisse bewertet Hennings die historische Einfhrung des Absolutismus positiv als Vermeidung „gesetzloser Willkr oder grnzenloser Anarchie“, da „das Volk, um sich zu retten, sich einem Monarchen unterwarf, und sich frei glaubte, es auch in der That weit mehr ward, indem es alle politische Freiheit seinem Alleinherrscher anvertrauete. Ist itzt der Rath des Souverains die Stimme der Aufklrung aus Stnden und Gewerben; wird so die Volksmeinung Gesetz der Kçnige, so ist kein Zweifel, daß Monarchen dort fr das Volk thun kçnnen, was in Frankreich das Volk fr sich that, und daß alsdann die Fesseln wegfallen, in denen die Vorurtheile voriger Jahrhunderte und parteiliche Leidenschaften die freie Ausbung der Rechte der Menschheit und der Brgerlichkeit halten.“242

So steht Hennings der aufgeklrte und damit vom Prinzip der Vernunft geleitete Absolutismus als erstrebenswerte Staatsverfassung vor Augen243. 240 August Hennings, Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, S. 67.69 f. 241 August Hennings, ebd., S. VIII. 242 Ebd. S. 49 f. – Hennings zitiert in diesem Zusammenhang aus dem Testament politique des Kaisers Josephs II., Band 1, Wien 1791, S. 96: „C’ est l’anarchie Aristocratique qui l’an 1660, fit donner par le Dannemarc son roi la puissance absolue, prfrable la tyrannie de plusieurs. Les mÞmes motifs dterminer nt la Su de retablire la monarchie l’an 1772“. 243 Jçrn Garber, Von der ntzlichen zur harmonischen Gesellschaft: Norddeutscher Philanthropismus (J.H. Campe) und frhliberaler konomismus (A. Hennings) im Vor- und Einflußfeld der Franzçsischen Revolution, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 1, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, S. 245 – 287, hier: S. 271: „Hennings Politikkonzept orientiert sich an dem Modell des Philosophenkçnigtums, wie es in den politischen Testamenten Josephs II. beispielhaft ausformuliert worden war. Zugleich werden die Gewaltenteilungstheorien unter dem Einfluß der Schriften von Rousseau mit dem Ziel kritisiert, daß die intermediren Stnde zugunsten eines Dualismus von Volk und Staat ihre Ver-

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Mit Blick auf die franzçsischen Ereignisse wie auch auf den eigenen Gesamtstaat vermag er dabei in bewegenden Worten festzuhalten: „Das einzige was eine Regierungsform schwcht, sind Missbruche […] Geradezu wird keiner, als ein Rasender, Rebellion lehren. Diese entsteht nur da, wo die Last der Regierung dem Regierten unleidlich geworden ist. In Frankreich ging die Last des Volks so weit, daß die Regierung selbst sagen mußte; Volk schttle das Joch ab. Sie wrde es nicht nçthig gehabt haben, wenn sie immer die Stimme des Volks gehçrt htten […] Wir lieben von Kindheit an unsere Regierungsform, wie unsern Geburtsort. Es gehçrt Gewalt dazu, uns diese Liebe zu entreißen […] Ich lebe in einem Monarchischen Staate, und einer meiner heissesten Wnsche ist, daß nie ein Erugniß unsere Regierungsverfassung verndern mçge.“244

Es liegt auf der Hand, daß Hennings angesichts einer solchen, der Monarchie tief verpflichteten Einschtzung den im weiteren Verlauf der Revolution geschehenen Kçnigsmord vehement verurteilte245 ; in zarter Andeutung sprach er sich einmal in religiçs aufgeladenen Bildern gegenber Gerhard Anton von Halem dahingehend aus, die Ursachen der zunehmenden Gewalthaftigkeit der Revolution außerhalb Frankreichs zu suchen: „Freylich waren nicht alle Franken erster Erscheinung Catone; freylich sind jetzt nicht alle Franken Bttel. Aber warme Theilnehmer an der ewig heiligen Sache der Menschenrechte und der Freyheit hofften auf ein Werk der Catone, wie sndige Menschen auf einen Erlçser; und eben die sehen jetzt das Werk der Teufel oder der Bttel. Nun werden die Wielande246und Schirache247 hoch

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mittlungsfunktion zwischen Staat und Gesellschaft verlieren. Volk und Souvern bedrfen keiner Vertretungskçrperschaften, sie stehen sich als natrliche Personen gegenber“. August Hennings, Denk- und Schreibfreyheit. Einleitung zum Schleswigschen Journal, in: Schleswigsches Journal 1 / 1793, S. 12 – 14. Vgl. die Wiedergabe eines von Hennings an diesen gerichteten Briefes vom 3. Februar 1793 bei Gerhard Anton von Halem, Selbstbiographie, Bd. II, hg. von C.F. Strackerjan, S. 154: Die „Franken“ htten „ihr edles Beginnen durch eine so unedle Tat geschndet“ und grben „jetzt ihrer Freyheit selbst das Grab“; im Schleswigschen Journal 1 / 1793, S. 329, heißt es: „die Ermordung Ludwigs hebt die ganze jetzige Epoke aus den Angeln, und jeder, nahe oder ferne, fhlt, daß er mit aus den Angeln gehoben wird“. Bei Hennings verbindet sich also mit „aller Bejahung der Zielsetzung der Franzçsischen Revolution eine kritische Distanzierung von ihren realen politischen Folgen“, Ulrich Herrmann, SHBL 4, S. 89. Zu Christoph Martin Wieland o. S. 64 – 66. Gottlob Benedict von Schirach, Professor fr Politik und Geschichte, weiterhin Verleger sowie Publizist, gab das seit 1781 in Hamburg erschienene „Politische Journal“ heraus; seine Kommentierung der Zeitereignisse „aus konservativ-lega-

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aufjubeln, und rufen: sehet die Menschen, deren Thun euch gçttlich schien! Aber (bey der Gottheit, die sie nie erkannten!) ihr Jubel ist ihre Schmach. Htten sie am wahren Altare gekniet, htten sie ihn nicht mit der Fackel der Zwietracht umtanzt, die sie am unheiligen Feuer der Schmeicheley und des Eigennutzes zndeten, so htte nie die rasende Wuth die Franken ergriffen und die frommen Verehrer in ihrer Andacht gestçrt.“248

Hennings versteht die Gewalt als fanatisierte Abweichung von den der Revolution zugrundeliegenden aufklrerischen Prmissen und differenziert damit zwischen revolutionrer Intention und Realitt: „Unschdlich ist der langsame Gang der Aufklrung, wenn er zur Wiederherstellung der Freiheit fhrt. So haben Voltaire, Rousseau, Mably und ihnen gleiche unsterbliche Schriftsteller das Verdienst, in dem Augenblicke einer unvermeidlichen Crisis, da endlich einmal das morsche franzçsische Weiber-, Favoriten-, Minister- und Fanatikerregiment oder Anarchie einstrzen musste, dem rasenden Pçbel selbst einen Zgel angelegt und ihn zur ruhigern berlegung gestimmt zu haben, so daß man [ …] sagen kann: sie haben dem Volke die Freiheit ins Herz, nie den Dolch in die Hand, gegeben.“249 listischer Sicht erfolgte unaufdringlicher als bei anderen gegen die Revolution eingenommenen Zeitschriften ,zwischen den Zeilen‘“, Martin Welke, Deutsche Publizistik zur Revolution, in: Franz Dumont u. a., Hg., Deutschland und die Franzçsische Revolution 1789/1989, S. 35 – 57, hier: S. 53; Rudolf Blck, Das schleswig-holsteinische Zeitungswesen von den Anfngen bis zum Jahre 1789, S. 224: „Schirach war ein Mann der alten Richtung, ein Verfechter des ancien rgime, seine Ttigkeit wird erst eigentlich wirksam in der Zeit der Revolution; deren Ideen bekmpft er leidenschaftlich, durch Schilderung ihrer Greuel sucht er Abscheu vor ihr zu erwecken“. 248 Hennings, Brief an von Halem vom 17. Februar 1793, in: Gerhard Anton von Halem, Selbstbiographie, Band II, S. 154 f. 249 August Hennings, Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, S. 171 f.; im Genius der Zeit 2 / 1794, S. 373 f. analysiert Hennings die Revolution im Kontext eines phasierenden Dekadenzmodells: „Die erste Periode der Revolution unterschied sich von allem, was jemals hnliches in der Welt geschehen war, durch einen gewissen Anstrich von Menschlichkeit und Milde, der das Ende des achtzehnten Jahrhunderts als Periode der triumphirenden Humanitt anzukndigen schien. Die zweite Periode benahm der Revolution viel von ihrer schçnsten Seite und raubte ihr eine große Zahl ihrer eifrigsten Anhnger in ganz Europa. Die dritte Periode endlich hat Alles ausgelçscht, was etwa noch von Theilnahme und Anhnglichkeit an die Sache der Revolution in den Herzen gefhlloser Menschen briggeblieben war. Es ist itzt weiter nichts als das alltgliche, schon hundertmal da gewesene Spiel einer empçrten Sklavenhorde mit ihren vormaligen Herren. Mit Schrecken blttern wir in den Geschichten der Vorwelt und finden kaum einige wenige Spuren, daß die Welt Jahrhunderte und Jahrtausende lter geworden ist“. Wertet Hennings die Revolution anfnglich als herausragenden Epochenwechsel, so qualifiziert er sie ausweislich ihres weiteren

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Fr Hennings’ weiteren Umgang mit der Revolution ist jedoch bedeutsam, daß er immer wieder in scharfen ußerungen die Aristokratie verantwortlich macht fr die fr den Umsturz urschlichen Verhltnisse250. Als einem Feind stndischer Vorrechte erscheint ihm der Adel grundstzlich als eine gesellschaftliche Gruppierung, die keine ihren Privilegien adquaten Pflichten wahrnimmt. Doch ist diese Einschtzung nicht der einzige Grund fr sein negatives Urteil. Hennings hlt die Positionierung des „pouvoir intermdiaire“ zwischen Kçnig und Volk schon allein deshalb fr berflssig, weil es von vornherein im Wesen aristokratischen Interesses lge, im Streben nach „Zertheilung der Monarchie“251 den Monarchen aktiv zu potentiellen despotischen Neigungen zu motivieren: „Nur der Despotism ist neben dem Aristokratism gegrndet. Er ist der zgellose Fortgang der Aristokratie, durch den der Schwchere vor dem Strkern zittert.“252

Daher bedrfe es grundstzlich „keines Stufenabglanzes der Hoheit, damit das blendende Licht der Frstengrçße die Sehorgane des Volks nicht unmittelbar berhre. Je nher Volk und Regent einander sind, je mehr sie sich einer Identitt nhern, der Regent im Volke seinen wahren Souverain, und jeder im Volke, im Regenten den Ausber des souverainen Willens des Gesammtvolks erkennet, desto glcklicher sind beide.“253

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Verlaufes ab als das in der Historie „hundert Mal da gewesene Spiel“ rohen Aufruhrs. Fnf Jahre spter verçffentlicht Hennings in den Annalen der leidenden Menschheit 6 / 1799, S. 88 – 112 seine Antwort auf die Frage: „Hat die franzçsische Revolution der Sache der Freyheit und der Menschheit genutzt?“; hier zeigt er sich weiterhin als Anhnger der revolutionren Ziele und als Gegner ihrer Mittel und pldiert S. 103 f. fr „langsam voranschreitende Reformen“. Im Eingang des 19. Jahrhunderts zeigt sich seine grundstzliche Resignation jedoch in einem am 27. April 1800 an Gerhard Anton von Halem gerichteten Brief: „Leben Sie wohl, und sammeln Sie, wenn dies mçglich ist, Blthen aus den immer mehr einstrzenden Trmmern der jetzigen Zeit. Wie gern wrde ich sie von Ihrer Hand nehmen“, zit. n. von Halems Selbstbiographie, Band II, S. 211. Vçllig entgegengesetzter Ansicht war der Protagonist aristokratischen Selbstbewußtseins in den Herzogtmern, Fritz Reventlow auf Emkendorf. Er setzte sich gerade fr die Bewahrung stndischer Freiheiten ein „gegen einen Absolutismus, der, wie er meinte, willkrlich seine Rechte ausdehnte und damit der Revolution den Weg bahnte“, Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in SchleswigHolstein und an der Kieler Universitt in der Zeit der Aufklrung und der Franzçsischen Revolution, S. 329. Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, S. VIII. Ebd., S. 6. Ebd., S. 96 f.

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Hennings begrndet seine Verurteilung des Adels durch „den Rckgriff auf die politischen Theorien Frankreichs zur Mitte des 18. Jahrhunderts“, wobei er „im wesentlichen physiokratische Theorien, absolutismuskritische Schriften und die Theorie des ,politischen Kçrpers‘, wie Rousseau sie entfaltet hatte“, rekapituliert254. Der Einforderung von Menschenrechten, Volksfreiheit, Patriotismus, Vernunft sowie publizitren Freiheiten wie der Pressefreiheit durch Eindmmung aller Zensur korrespondieren die zu ihrer Verwirklichung von Hennings anvisierten Instrumente des Vernunftglaubens, der Gewerbefreiheit, Aufhebung der Leibeigenschaft, Reduzierung stehender Heere wie auch einer weitergehenden Religionsfreiheit, die ihrerseits auch deistische Positionen zuzulassen htte255. Wenn nunmehr jedoch vor „dem Hintergrund der brgerlichen Produktivgesellschaft […] die Privilegienrechte des Adels ihre Berechtigung verlieren“256, so luft Hennings’ gesellschaftliche Vision mit ihrer Aufhebung des Feudalsystems auf die Mçglichkeit einer vom Status der Herkunft befreiten Gesellschaft hinaus, die sich jenseits aller stndischen und zunftgebundenen Verfassung an der konkreten Verwirklichung der Brgertugenden orientiert und durch den Leistungsaspekt neu strukturiert: „Jetzt, da das heroische Zeitalter gnzlich vorber ist, werden Brgertugenden immer wichtiger.“257

Daher sollen dem privilegierten Geburtsadel nunmehr der „einsichtsvolle Diener des Staats“, der „begterte Kaufmann“ sowie der „fleißige Brger“ 254 Jçrn Garber, Von der ntzlichen zur harmonischen Gesellschaft: Norddeutscher Philanthropismus (J.H. Campe) und frhliberaler konomismus (A. Hennings) im Vor- und Einflußfeld der Franzçsischen Revolution, S. 269. Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Referat ber die in diesen Kontext gehçrenden Kontroversschriften des Abb Coyer und des Chevalier D’Arcq bei Pierre Serna, Der Adlige, in: Der Mensch der Aufklrung, hg. von Michel Vovelle, Frankfurt/M. 1996, S. 42 – 97, hier: S. 74 – 80. 255 August Hennings, Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, S. 10. 256 Jçrn Garber, a.a.O. 257 August Hennings, Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, S. 23. Zur Bedeutung der Tugenden hatte sich Hennings bereits in einem 1780 verfaßten Essay geußert; fr einen der Wahrheit verpflichteten „Mann“ sei der „Zwek seines Lebens […], ein grosser Staatsmann, oder ein Lehrer der Wahrheit, oder sonst ein verdienter Brger des Staates zu seyn, und […] ein solcher verbindet mit dieser Absicht alle Tugenden der Menschenliebe, der Nachsicht, der Vertrglichkeit und der Uneigennzigkeit“: Hennings, ber das Schiksal der Tugend. Nach dem ersten, zweiten und sechsten Buche der Republik des Plato, in: Deutsches Museum 1 / 1781, S. 98 – 116, hier S. 113.

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in der Besetzung staatsleitender Funktionen und mter folgen; entsprechend wird „eine Verschiebung von der stndischen Hierarchie zum brgerlichen Mittelstand […] das Telos der Henning’schen Sozialstrategie im Augenblick der franzçsischen Revolution.“258 „Wo jeder sich durch seinen Fleiß ernhrt, da ist Ruhe ußerst nçthig; der Nachbar muß dem Nachbarn, der Hohe den Niedrigen, der Reiche dem Armen, der Brger dem Landmanne die Hand bieten. Der Adel ist ein leerer Name, er existiert nur durch Brgerlichkeit. In den Htten werden die Fden gesponnen, die das Gewebe des Wohlstandes in einem Palaste ausmachen. Wollte man jene versengen, so wrden diese verfallen.“259

Die Revolution gibt daher die fortschrittliche Antwort auf widrige gesellschaftliche Zustnde: „Daß Frankreich zu seiner vorigen Verfassung zurckkehren solle, heißt, daß es wieder in das Elend verfallen solle, aus dem die Scenen hervorgingen, ber das man so gerne den Schleier der Vergessenheit fallen lassen mçge.“260

Die zuvorige Auszehrung der franzçsischen Gesellschaft durch hçfischen Luxus, große Heere, Hungerkrisen sowie eine despotische Konzentration von Macht macht Hennings verantwortlich fr jenen Stillstand aller gesellschaftlichen Prozesse, der durch die nunmehrige brgerliche Revolution beseitigt werden sollte. Mit dem Argument, es sei noch keiner Macht der Welt gelungen, den „Geist einer Nation“ zu unterdrcken, widerspricht Hennings jedem gegen die Revolution gerichteten Krieg der europischen Mchte; erweise sich der Geist der franzçsischen Nation hingegen nicht als „Geist der Freiheit“, bedrfe es auch keiner fremden Macht, Frankreich zu unterjochen261. Seine historische Einordnung der Revolution ringt Hennings nun allerdings offene Bewunderung ab: „Mich deucht, der einzige richtige Weg, die Revolution in Frankreich zu beurtheilen, ist, bei ihr, so wie bei der Reformation der Religion im sechs258 Jçrn Garber, Von der ntzlichen zur harmonischen Gesellschaft, S. 270. 259 August Hennings, Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, S. 34 f. 260 Ders., Doctor Martin Luther! Deutsche gesunde Vernunft, von einem Freunde der Frsten und des Volks; und einem Feinde der Betrger der Einen und Verrther des Andern, Altona 1792, S. 19 f. 261 Hennings, Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, S. 34. Der gleichfalls in Plçn beheimatete Woldemar Friedrich Graf Schmettow rt Dnemark in entsprechendem Sinne nachdrcklich zur „Isolierung in der politischen Welt“: Schmettow, Patriotische Gedanken eines Dnen, ber stehende Heere, politisches Gleichgewicht und Staatsrevolutionen, Altona 1792, S. 115.

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zehnten Jahrhundert262, und der englischen Verfassung, von der Lage der Sachen auszugehen, und, wenn man das thut, wird man finden, daß die Entwikkelung der Begebenheiten, nach der Natur der Menschheit und den Umstnden, nicht fglich anders seyn konnte, wenn es gleich bei der Reformation in Deutschland und bei den Revolutionen in England noch mehr, als bei der franzçsischen Revolution, zu wnschen gewesen wre, daß Vieles nicht bloß aus dem Laufe der Begebenheit, sondern aus freien philosophischen Grundstzen entwickelt worden wre. Unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, scheint mir, ich gestehe es, die franzçsische Revolution ein wahres Wunderwerk.“263

Im Hintergrund dieser bemerkenswert positiven Beurteilung der Revolution stehen an den Anschauungen Rousseaus gebildete demokratische Ideale264 : „Wollen wir mit Rousseau annehmen, daß die Souvernitt im Volke sey, daß sie nicht bertragen, oder getheilt, werden kçnne, daß das Gouvernement von einem in eine Demokratie verwandelten Volke anzuordnen und so der Regent 262 Luthers reformatorisches Wirken deutet Hennings als beispielgebend fr das vorbildliche Tun eines tatkrftigen Aufklrers, vgl. Hennings’ Vorwort zu seiner o. Anm. 260 genannten Schrift. Im von Hennings edierten Schleswigschen Journal erscheint im Jahrgang 1792 S. 173 – 198 der anonym publizierte Beitrag: „Einige hnlichkeit der Reformation und der Revolution“; hier heißt es S. 192 f.: „Beide Revolutionen [sic !, L.-P.]“ warfen die „Sttzen und Pfeiler […] der Hierarchie und des Despotismus“ zu Boden, „indem die eine die Vorrechte der Klerisei aufhob, die andere […] den Adel vernichtete“; im Jahr darauf findet sich im gleichen Journal nach der Hinrichtung des franzçsischen Kçnigs S. 83 – 128 die Fiktion „D. Martin Luthers Gesicht von der Zukunft, aus einer Handschrift des Reformators zum ersten Mahle zum Druck befçrdert, und den Manen Ludwig Capets geheiligt“. Allgemein wird Luther whrend der Revolutionszeit von den Intellektuellen als Wegbereiter der Aufklrung entdeckt, vgl. o. S. 43 Anm. 63; S. 61 Anm. 125; S. 141. Zum Kontext auch Volker Mehnert, Protestantismus und radikale Sptaufklrung. Die Beurteilung Luthers und der Reformation durch aufgeklrte deutsche Schriftsteller zur Zeit der Franzçsischen Revolution, Mnchen 1982; Wolfgang Beutin, Eine „zweite Reformation, eine umfassendere und eigentmlichere?“ – Die Franzçsische Revolution im Medium des Vergleichs mit der Reformation, in: „Sie, und nicht Wir“. Die Franzçsische Revolution und ihre Wirkung auf Norddeutschland und das Reich, Band 2, hg. von Arno Herzig, Inge Stephan und Hans G. Winter, Hamburg 1989, S. 515 – 533. 263 August Hennings, Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, S. 118 f. 264 Vgl. August Hennings, Rousseau, Berlin 1797; ders., J.J. Rousseau, in: Annalen der leidenden Menschheit 8 (1800), S. 151 – 154; zum Kontext a. Hans Wilhelm Ritschl, August Adolph Friedrich von Hennings, S. 12.14. 36. 125 – 128; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 184.

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zu erwhlen sey, so ergeben eben diese Begriffe, daß, wenn, bey der Unvollkommenheit menschlicher Regierungen, eine Monarchie fr die vollkommenste eines Staats gehalten wird, solche so lange, als solche gelten und unangefochten bleiben msse, bis sie vom Volke fr die unvollkommenste befunden wird.“265

Hennings war gegen Ende seiner Gçttinger Studienzeit 1766 mit Rousseaus „mile“ in Berhrung gekommen266 ; spter pries er dieses Werk als ein „Meisterstck der Kunst, wo die gefhlvollste Wahrheit durch jede Nerve des Herzens sich zum Verstand eindringet, und durch unwiderstehliche Rhrung einleuchtet“267. Rousseau selbst erschien ihm als der „Mann, der sein Jahrhundert beherrschte, der die Denkungsart umschuf, und dem Geiste eine neue Bahn çffnete [… ] dem verschiedene Vçlker von Europa den schmeichelhaften Beweis der Ehrerbietung gaben, indem sie von ihm eine Gesetzgebung verlangten.“268

War Rousseau ihm in dieser Weise „der Theuerste unter allen Philosophen“269, so hatte die „große Leiterin aller Dinge“ diesem seinen Platz angewiesen, von dem aus er den Menschen wieder in seine ursprngliche Unwissenheit und Gleichheit gestellt habe, denn „dem stolzen pariser Hofmann schienen die ntzlichsten Menschen nur Frçsche in Smpfen; Rousseau erkannte im Hottentotten den Bruder, gleich ihm Sohn, aber Lieblingssohn der Natur.“270

Unter erkennbarem Hinweis auf die Lehre von der Volkssouvernitt will Hennings mit der Rckbesinnung auf die menschliche Natur der Freiheit ihren Raum çffnen: „Mçgten wir zu diesen ganz aus der Menschheit genommenen Grundstzen, ber die Ruinen des Adels und aller andern Zunftgrillen zurckkehren und dem menschlichen Nacheiferungsgeist jede Conkurrenz reiner Krfte und Thtigkeit erçffnen kçnnen, so wrden wir wahrlich fr die Freiheit Alles gewonnen haben, was vernnftigerweise fr sie verlangt werden kann.“271 265 Hennings, Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, S. 131. 266 Hans Wilhelm Ritschl, a.a.O., S. 12. 267 Hennings, Rousseau, S. 75 f. Der „mile“ erschloß Hennings den Begriff der Natur, habe er doch bei dessen Studium gelernt, zurckzukehren zur „Natur der Dinge, zur echten Wahrheit“; in der Folge erscheint ihm der Naturmensch „mit allen Vorzgen der Geselligkeit begabt“, „ehrt die Brgertugenden und die edelste von Allen, das Mitempfinden oder Mitleiden“, a.a.O. S. 93. 268 Hennings, Rousseau, S. 7. 269 Ebd., S. 16. 270 Ebd., S. 74 f. 271 Ebd., S. 168 f.

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Dieses deutlich durch Rousseau inspirierte Freiheitsverstndnis formuliert sich bei Hennings wie folgt: „Wollten wir nicht eine gewisse unzerstçrbare Gleichheit unter den Menschen annehmen, die hçher und gegrndeter ist, als alle politische Ungleichheit, so mßten wir behaupten, daß die Natur den Menschen zum Adlichen, zum Priester, zum Bauer schuf; und folglich der Bauer nie zum hçchsten Adel empor; der hçchste Adel nie zum niedrigsten Pçbel herabsteigen kann, welches eine Ungereimtheit ist. Die natrliche Gleichheit und die erknstelte Ungleichheit der Menschen sind vielmehr so sonderbar durcheinander geworfen, daß hier Frstenblut auf dem Rade fließt; dort Bauerblut Thronen einnimmt […] Wir mssen aussuchen, wie die Urgleichheit und die Ungleichheit der Menschen beschaffen sind.“272

Die vorausgesetzte Urgleichheit aller Menschen will Hennings ganz im Sinne Rousseaus angesichts ihrer faktischen, aktuellen Ungleichheit mit Hilfe der Aufklrung zu neuem Leben erwecken273. Adressat seiner Bestrebungen bleibt die „Klasse ntzlicher und ttiger Weltbrger“274 ; darin zeigt sich einmal mehr das grundstzliche Vertrauen des Aufklrers in die Perfektibilitt des Menschen, einmal mehr offenbart sich hier das Leitziel einer vom Menschen ausgehenden Verbesserung der Welt – auch wenn Hennings diese Vorstellung recht individualistisch begreift, da er Condorcets wesentlichen Fundamentalglauben an eine immer weiter voranschreitende Vervollkommnung der Menschheit275 ausdrcklich ablehnt276. 272 August Hennings, Dr. Martin Luther!, S. 95 f. 273 Im Hintergrund dieses Ziels steht bei Hennings „eine langfristige Evolutionstheorie brgerlicher ,Ntzlichkeit‘“, Jçrn Garber, Von der ntzlichen zur harmonischen Gesellschaft, S. 270. Dieser Auffassung korrespondieren Hennings’ liberale, der individuellen Entwicklung in einer nicht mehr an berliefertes Statusdenken gebundenen Gesellschaft verpflichtete Forderungen im Kontext von Menschenrechten, Volksfreiheit und publizitren Bedingungen. 274 August Hennings, Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, S. 12. 275 Vgl. hierzu Marie Jean Antoine Condorcet, Esquisse d’un tableau historique des progr s de l’esprit humain (1793; posthum 1795 vom Konvent in Paris hg.), in deutscher bersetzung als „Entwurf einer historischen Darstellung der Fortschritte des menschlichen Geistes“ hg. von Wilhelm Alff, Frankfurt/M. 1963. Condorcet prsentiert unter Berufung auf den menschheitlichen Geistesfortschritt ein von seinem Weggefhrten Jean le Rond d’Alembert mit beeinflußtes Stufenschema, demzufolge bis zur Franzçsischen Revolution neun progressive Epochen zurckgelegt seien. Im Hinblick auf die nunmehr bevorstehende zehnte Epoche prognostiziert Condorcet „die Beseitigung der Ungleichheit zwischen den Nationen; die Fortschritte in der Gleichheit bei einem und demselben Volke; endlich die wirkliche Vervollkommnung des Menschen“, a.a.O., S. 345.

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Auch in diesem Zusammenhang im Einklang mit Rousseau, betont Hennings, daß die Natur den Menschen ihre Gaben durchaus ungleich vermittelt habe, was allerdings gerade den Versuch ihrer „Formung“ nach sich ziehen msse: „Wollten wir, nach Roußeaus Grundsatz, vçllig glckliche junge Leute sehen, so mßten wir erwarten drfen, glckliche Menschen zu formen […] Eine Anwendung des Geistes zu Geschften, denen wir uns einst unterziehen mssen, […] ist von Jugend an notwendig.“277

Erscheint der Mensch in diesem Sinne als „formbar“, so wird sein „Wert“ in der Folge machbar: „der Mensch ist etwas Selbstndiges, er hat das ihm eigene Vorrecht, durch seine Ausbildung und durch seine Tugenden seinen Wert zu bestimmen und sein Dasein zu veredeln.“278

Ebenso, wie ihm der glckliche Mensch konturierbar erscheint, postuliert Hennings also einen direkten Zusammenhang zwischen dem menschlichen Tun und Ergehen. Der Mensch ist dem Plçner Aufklrer nicht mehr die Summe seines durch Geburt vermittelten Status im Gefge einer als gottgegeben berlieferten Sozialordnung; jenseits aller stndischen Vorrechte und Privilegien bemißt sich der Wert eines Menschen nun nach der Summe seiner auf dem Wege seiner Erziehung gewonnenen vernnftigen Erkenntnis und Gesinnung und der aus diesen resultierenden Moralitt: „Setzen wir gesunde Vernunft auf den Thron der Menschheit, çffnen wir ihr das freie Feld der Verdienste, dann haben wir wahren Adel, und Keiner verliert 276 Ders., Rousseau, S. 66 f.; vgl. a. Hennings in einem Brief an Gerhard Anton von Halem vom 23. April 1798: „Das System der Vervollkommnung der Menschheit kann ich nicht begreifen. Mir scheint der gçttlichen Weisheit weit angemessener zu seyn, zu glauben, daß jeder einzelne Mensch das hçchste Ziel seiner Vollkommenheit zu allen Zeiten erreichen kann. In diesem Glauben bin ich sehr bestrkt worden, seitdem ich Reinhold und Fichte als nicht ganz vollkommene Menschen kennengelernt habe“, von Halems Selbstbiographie, Band II, S. 198; einen Monat spter hebt Hennings gegenber von Halem hervor: „Darum, daß ich den Dreyklang der Tugend, Wahrheit und Schçnheit, wie Jean Paul sagt, nicht an Bçrsen und auf Mrkten suche, und die Veredlung des Menschen nicht in die Vervollkommnung des Menschengeschlechts setze, folgt nicht, daß ich alles schwarz und dunkel sehe“, Selbstbiographie, a.a.O., S. 202 [Hervorhebungen im Original]. 277 Hennings, Historisch-Moralische Schilderung des Einflusses der Hofhaltungen auf das Verderben der Staaten, in: Schleswigsches Journal vom April 1792, S. 385 – 424, hier S. 418 f. 278 Ders., Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristokratism, S. 17.

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dadurch etwas, selbst der Stand nicht, den man itzt Adel nennt. Fr ihn zu streiten, ist gleich dem Fanatism, mit dem man Religionsmeinungen herrschend erhalten will.“279

Hennings verbindet den nicht zuletzt produktiv orientierten liberalen Effektivittsgedanken mit seiner Auffassung eines Zusammenwirkens von Volkssouvernitt und Monarchie. Dabei zeigt sich gerade unter dem von ihm an den Menschen herangetragenen pdagogischen Anspruch in sachlicher Verbindung mit einer postulierten Ideologie des Verdienstes die letztlich utilitaristische Ausrichtung eines Denkansatzes, dem unter Ausklammerung jeder metaphysischen Perspektivik einzig der unmittelbare Zugriff auf die Realitt der den Menschen umgebenden Welt wichtig ist – mit dem alleinigen Ziel, diese Welt zum Besseren hin zu verndern. Die Franzçsische Revolution beurteilt Hennings bis 1793/94 positiv, wobei er sie als historisches Ereignis eines sich zur Tugend und zur Vernunft befreienden Volkes betrachtet. Dem mit diesen Anschauungen vom Ansatz her verbundenen wesentlich dynamischen, auf Perfektibilitt aus eigenem Vermçgen hin angelegten Menschenbild konnte im zeitgençssischen Kontext jedoch sehr leicht die hintergrndige Intention zu radikal-liberalen Reformbestrebungen, mithin zu einer maßgeblichen Vernderung der berlieferten gesellschaftlichen Ordnung auch im Hinblick auf das konkrete dnische Staatsgebilde unterstellt werden. Denn jede Anschauung, derzufolge der Mensch sich auf individuelle Weise seinen Stand in der Welt erarbeiten konnte, lief zwangslufig auf eine Aufgabe der berlieferten Statusparameter und damit auf eine Vernderung der Gesellschaft hinaus. Eben aus dieser Sorge vor einer sich im Geist der Aufklrung vollziehenden Intention gesellschaftlicher Vernderung erwuchs Hennings die Gegnerschaft des aristokratisch-konservativen Emkendorfer Kreises und des konservativen Teils der Geistlichkeit280. So entwickelte sich eine 279 Ebd., S. 162 f. 280 Ulrich Herrmann, Biographisches Lexikon fr Schleswig-Holstein und Lbeck, Band 4, nennt S. 89 „die sich hier abzeichnende Konstellation […] ber die regionalen und personellen Bezge hinaus fr die politische und Ideengeschichte im Deutschland des ausgehenden 18. Jahrhunderts exemplarisch“. Nach Joachim Hild, August Hennings. Ein schleswig-holsteinischer Publizist um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 134, verfaßte Hennings eine 1795 in Hamburg anonym erschienene Schrift mit dem Titel „Bemerkungen ber des Herrn Oberkonsistorialraths und Generalsuperintendenten Johann Leonhard Callisen Versuch ber den Werth der Aufklrung unserer Zeit“. Dieser Schrift ließ Claudius im Jahr darauf seine in gleichfalls in Hamburg verlegte Entgegnung „Von und Mit. Dem unge-

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langjhrige Kontroverse zwischen Matthias Claudius und August Hennings, in der Claudius dem Amtmann als der „hauptschliche Wortfhrer“281des Emkendorfer Kreises entgegentrat. Kaum hatte Hennings im Jahre 1793 sein programmatisch benanntes Journal „Genius der Zeit“ angekndigt, erçffnete Claudius mit einer Gegenschrift die literarische Fehde282. Hennings hatte die Wahrheit als „die sicherste Wache der Thronen“283 bezeichnet, zugleich aber versichert, zu „schweigen, wenn ich nicht mehr reden kann, ohne die Ordnung zu unterbrechen, deren Erhaltung die erste aller politischen Wahrheiten ist“284. Claudius nimmt an dieser ußerung Anstoß, betrachtet er doch das Sozialgefge konsequent vom orthodoxen Standpunkt aus. In Hennings’ eigenem Referat lautet die aus Claudius’ ußerungen zitierte Auffassung der sozialen Ordnung:

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nannten Verfasser der Bemerkungen ber des H.O.C.R. und G.S. Callisen Versuch den Werth der Aufklrung unserer Zeit betreffend“ folgen, der Hennings wiederum anonym antwortete: „Ein Wort ber und wider Herrn Matthias Claudius in Wandsbeck: Von dem Verfasser der Bemerkungen ber des Herrn Superintendenten Callisens Buch vom Werth der Aufklrung unserer Zeit“, Altona 1796. Hierzu Joachim Hild, August Hennings. Ein schleswig-holsteinischer Publizist um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 135. Hans Wilhelm Ritschl, August Adolph Friedrich von Hennings, S. 84. Hennings dokumentierte die Auseinandersetzung selbstbewußt in seiner Schrift Asmus. Ein Beitrag zur Geschichte der Litteratur des Achtzehnten Jahrhunderts, Altona 1798. Zu Claudius: Siegfried Sudhof, SHBL 2, S. 102 – 105; Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL I, Sp. 1038 – 1044; Wilhelm Herbst, Matthias Claudius, der Wandsbecker Bote. Ein deutsches Stilleben, 3. Aufl. Gotha 1863; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 163 – 169; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 52 – 54; Hans-Joachim Schoeps, Deutsche Geistesgeschichte der Neuzeit, Bd. III. Von der Aufklrung zur Romantik, S. 81 f. – Paul von Hedemann-Heespen beurteilt Claudius als „eine johanneische Natur […], deutschbrgerlich im Hainbundsinne, aber regierungsfromm nach dem Buchstaben der Schrift“, ders., Religion, Verfassung und Volkstum in Schleswig-Holstein von 1789 – 1820, in: NE 4 / 1925, S. 347 – 367, hier S. 358. Matthias Claudius, „Gegen den Genius der Zeit“, gezeichnet Asmus, in: Hamburger Neue Zeitung vom 24. November 1793, abgedruckt in: Matthias Claudius’ Werke, hg. von Bruno Adler, Weimar 1924, Band III, S. 413 f. Hierzu a. Richard Petersen, Matthias Claudius og hans vennekreds, Kopenhagen 1884, S. 300 f. August Hennings, Asmus. Ein Beitrag zur Geschichte der Litteratur des Achtzehnten Jahrhunderts, S. 13; die von Claudius auf- und angegriffene ußerung findet sich ferner in Hennings’ Anzeige des Genius der Zeit, Beilage zu den Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichten 2 / 1793, S. 4 – 6, hier: S. 5. August Hennings, Asmus, S. 13.

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„Unthertan sei Unterthan, Obrigkeit von Gott verordnet und wer ihr widerstrebe, der widerstrebe Gottes Ordnung, das çffentliche Weisheitspflegen ber die Obrigkeit bringe kein Heil, er mçchte gern, dass Gott im Lande gefrchtet und der Kçnig geehrt werde usw.“285

Deutlich spricht sich bei Claudius eine Staatsauffassung aus, derzufolge stndische Gliederung und kçnigliche Herrschaft als Einrichtungen der gottgegebenen Ordnung erscheinen. Jeder Versuch einer Antastung dieser gottgewollten Einrichtungen kommt in seiner Anschauung einem Abfall vom berlieferten Gotteswillen gleich286 und wird als ein Schritt in die Anarchie interpretiert. Um diese zu verhindern, verlangt Claudius, es mçge alles „bey’m Alten bleiben, daß nmlich der Unterthan kurz und gut gehorsam sey, weil er Unterthan ist und Gehorsam schuldig ist. berhaupt sind die Gesetze da, befolgt, und nicht, beurtheilt zu werden; und der Sinn zu gehorchen ist, ceteris paribus, ein weiserer und edlerer Sinn, als der Sinn zu wagschaalen.“287

Daher gibt Claudius zu bedenken, daß die von Hennings publizierten ußerungen unangemessener Interpretation anheimfallen kçnnten „und die Liebe und das Vertrauen zwischen Regent und Unterthan vermindern, die man lieber vermehren sollte; es kçnnte den Unterthan glauben machen, daß er unrecht berichtet sey, und ein vieles gegen die Regierungen gesagt werden kçnnte, wenn mancher Schriftsteller nicht grossmthig genug wre, zu schweigen.“288 285 Zit. n. Hennings, Asmus, S. 18. Zu den hier von Hennings referierten Positionen des Wandsbecker Boten vgl. Matthias Claudius, ber die neue Politick, als Flugschrift gedruckt 1794, Neudruck S. 1 – 31, in: Ders., Werke, Zweiter Band, Sechster Theil, 8. Aufl. Gotha 1865, hier S. 2; vgl. ebd. S. 25 den Ausruf: „Ihr Kçnige, und ihr Regenten! – Euer Stuhl steht in der Welt von Gottes wegen. Und wer darauf sitzt soll groß und unberwindlich seyn, aber mit und durch Recht und Wahrheit! Die allein machen groß, und die allein sind unberwindlich“ [Hervorhebungen im Original]. 286 Diesen Traditionsbruch sieht Claudius auch historisch, wenn er empirische Tradition und aufklrerische Intention miteinander kontrastiert: „So fllt bey dem Neuen-System auch das sehr auf, daß von Anfang der Welt bis itzt, fnf bis sechstausend Jahre hindurch, z. E. immer Monarchien gewesen sind; und daß nun, am Ende der sechstausend Jahre, herausgebracht wird, daß nie keine htten seyn sollen“: Ders., ber die neue Politick, S. 7. 287 Matthias Claudius, Von und Mit dem ungenannten Verfasser der „Bemerkungen“ ber des H.O.C.R. und G.S. Callisen Versuch den Werth der Aufklrung unserer Zeit betreffend, Hamburg 1796, Neudruck S. 101 – 150, in: Matthias Claudius, Werke, Zweiter Band, Achter Theil, 8. Aufl. Gotha 1865, hier: S. 147. 288 Zit. n. Hennings, Asmus. Ein Beitrag zur Geschichte der Litteratur des Achtzehnten Jahrhunderts, S. 18. Einen breiten Raum nimmt innerhalb der Kontro-

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Zum entscheidenden Einwand gegen den von Hennings vorgetragenen aufklrerischen Optimismus wird nun Claudius’ Forderung, es msse „eine unwiederstehliche Kraft in einer Regierung seyn, und ohne die kann kein Gehorsam und kein Staat gedacht werden; wie ohne einen unbeweglichen Punkt, wohl eine in Parabolischen- und Schnecken-Gngen wild durch einander laufende Figur, aber kein regulrer Cirkel gemacht werden kann. Woher soll nun aber in einem Vernunftregiment diese unwiederstehliche Kraft und dieser feste, unbewegliche Punkt kommen?“289

Wohl brauche der Mensch „richtige Begriffe“, auch msse er „aufgeklhrt“ werden; doch „wer mit dem Medusenkopf der Aufklhrung die Neigungen und Leidenschaften zu versteinern gedenkt, der ist unberichtet. Es ist, zwischen den verse auch der Sachverhalt ein, daß Hennings als gesamtstaatlicher Amtmann selber eine obrigkeitliche Position wahrzunehmen hatte; hierzu etwa Claudius in seinem Brief aus „Wandsbeck, 17. Dec. 1793“, wiedergegeben bei August Hennings, Asmus, S. 29 – 32, hier: S. 30; cf. Hennings obrigkeitliches Selbstverstndnis ebd. S. 22 und im Brief vom 19. Dezember 1793, abgedruckt im Asmus, S. 32 – 34, hier: S. 32 f. Hennings seinerseits versteht sich durchaus als Obrigkeit, sieht sich zudem auf das innigste verwoben „mit unserer Landesregierung“, fhlt sich „gewohnt, in allen meinen Schritten mit ihr in die çffentlichen Angelegenheiten einzugreifen und harmonisch mit der Landes-Verfassung zu gehen“; ausgehend von seiner „Lage, die gewiss durch einen Umsturz der Dinge […] nicht angenehmer werden kçnnte“, gelangt er a.a.O. Claudius gegenber ber polemische Anwrfe nicht hinaus, wobei er lediglich auf die durch diesen erlittene Diffamierung, Verketzerung und Denuntierung rekurriert. Zwischen der eigenen obrigkeitlichen Position und seiner gesellschaftlichen Reflexion zeigte sich durchaus die argumentative Achillesferse des Amtmannes. – Die Auseinandersetzung prgte sich durch den von Claudius eingangs erhobenen Vorwurf, unter dem Schein der Aufklrung habe Hennings mißverstndliche und allzu freie ußerungen publiziert; damit kennzeichnete sich die Kontroverse von vornherein durch exemplarische strukturelle Positionen, wie sie sich zeitgençssisch auch anderenorts fanden. So bestand etwa der Kernvorwurf gegen den als Herausgeber des Braunschweigischen Journals ttigen Ernst Christian Trapp darin, daß das Journal „‘zur Verwirrung des großen Haufens‘ beitrage, ,wo durch die gewaltsame franzçsische Revolution bey dem grossen Haufen der Hang zur Neuerung ohnehin schon gross genug sey‘“: Hanno Schmitt, Pressefreiheit, Zensur und Wohlverhalten. Die Braunschweigische Schulbuchhandlung zur Zeit der Franzçsischen Revolution, in: Holger Bçning, Hg., Franzçsische Revolution und deutsche ffentlichkeit, Mnchen / London / New York / Paris 1992, S. 341 – 368, hier: S. 350. 289 Matthias Claudius, ber die neue Politick, S. 17 f. In dieser Schrift nimmt Claudius eindeutig Stellung gegen die Franzçsische Revolution, wobei er von der Verurteilung der historischen Ereignisse zu einer grundstzlichen Betrachtung des Menschen aus orthodox-christlicher Sicht gelangt.

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Begriffen und dem Wollen im Menschen, eine große Kluft befestigt. Das Rad des Wissens und das Rad des Wollens, ob sie wohl nicht ohne Verbindung sind, faßen nicht in einander.“290

Zwar versteht Claudius den Menschen als Willenswesen; doch bewertet er diesen Willen nicht als frei, sondern sieht ihn qualifiziert durch die dem Menschen innewohnenden „Neigungen und Leidenschaften“ und damit durch die menschlichen Affekte und Triebstrukturen. Diese aber vermçge die „Vernunft“ genausowenig wie die „Aufklhrung“ zu bndigen: „Gestehe denn aber auch, daß es eitel Traum und Tuschung sei, daß die Vernunft und Aufklhrung den festen unbeweglichen Punkt geben und den Neigungen und Leidenschaften Gebiß anlegen kçnne!“291.

Die Obrigkeit sieht Claudius „nach dem Alten-System […] von Gott verordnet“292 ; nach dem „Neuen: haben alle Staatsbrger zu und an der Gesetzgebung Recht und Theil“293. Die Rechtsfindung eines großen Gemeinwesens werde daher notwendig zu einem aufwendigen dynamischen Prozeß, dessen Resultate sich je und je der vernnftigen Kritik aller Teilhaber zu stellen htten294. In diesem Zusammenhang betont der Wandsbecker Bote, daß man den Menschen „wohl klug, aber nicht gut machen kçnne“295. Daher seien 290 Matthias Claudius, ber die neue Politick, S. 19. 291 Ebd., S. 20. Hierzu Johann Anselm Steiger, Matthias Claudius (1740 – 1815). Totentanz, Humor, Narretei und Sokratik, Heidelberg 2002, S. 17: „Claudius ist ein entschiedener Kritiker aufklrerischer Verabsolutierung der Vernunft“. 292 ber die neue Politick, S. 2. 293 Ebd.; S. 5 folgt die provozierende Feststellung: „Es gibt Republiquen, und doch sind dort Misvergngte“. 294 Claudius sieht damit frhzeitig das Problem einer ganzheitlichen Verwirklichung der Volkssouvernitt innerhalb hochkomplexer Massengesellschaften. Er nimmt dabei eine hnlich skeptische Position ein wie Christoph Martin Wieland, der eine bergabe der gesetzgebenden Gewalt an die Vertreter des Volkes mit zçgerlichem Unbehagen betrachtet, „denn seiner Meinung nach gilt es, die Launen des Volkes, die auch in der Reprsentation und der Wahl der Mehrheit nicht ausgeschlossen sind, vom ,festen, unwandelbaren und allgemeinen Willen zu unterscheiden‘“, Gonthier-Louis Fink, Wieland und die Franzçsische Revolution, S. 26; zu Wielands Position a. ders., Was ist Volkssouvernitt?, in: Der neue Teutsche Merkur Bd. 2 / 1798, S. 232 – 242. In seinem „Versuch ber den Begriff des Republikanismus“ postuliert Friedrich von Schlegel hingegen im Jahre 1796 die Koinzidenz von Mehrheits- und Allgemeinwillen: „Der Wille der Mehrheit soll als Surrogat des allgemeinen Willens gelten“, zit. n.: Helmut Schanze, Hg., Die andere Romantik. Eine Dokumentation, Frankfurt/M. 1967, S. 46. 295 ber die neue Politick, S. 20.

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„die Kçnige und Regenten den Menschen zum Guten gegeben und nicht zum Bçsen. Sie sollen nicht Unrecht, sondern Recht und Gleich thun und wissen, daß sie auch einen Herrn im Himmel haben. Der hat sie ber die andern gesetzt um der andern willen“296 ; denn „Cron und Szepter […] sind keine Menschen-Haabe, / Wie die Rede geht, / Sind ursprnglich Himmels-Gabe, / Heiliges Gerth […] Jeder Kçnig sey des hehren / Großen Rufes werth! / […] Nur vor Gott und mit Gott handeln, / sonst ist er nicht Sein.“297

„Wissen und Vernnfteln“ aber kçnnten den „Sclaven“ sich nicht „seiner […] Ketten entledigen“ lassen – da msse dieser schon selber „Hand anlegen […], wenn es sein Ernst ist, ihrer los zu werden“298. Ein freier Mann sei hingegen „loß von der Erde und von allem kleinen Intereße; auf ihn wrkt, von nun an, Nichts, ihm gilt Nichts, ihn treibt und bewegt Nichts, als das Wahre und Gute. Er hat den Rock des Fleisches ausgezogen, […] und schift auf dem Ocean der reinen Liebe.“299

296 Ebd. S. 24 f. 297 Claudius, Cron und Scepter, 1795, in: Ders., Werke, Zweiter Band, Siebender Theil, 8. Aufl. Gotha 1865 S. 51 f.; vgl. a. dens., Urians Nachricht von der neuen Aufklrung, oder Urian und die Dnen, S. 49 – 51, in: Werke, Zweiter Band, Sechster Theil, S. 51: „Urian: Auch wißt Ihr wohl vom Potentaten, / Wie der großmchtiglich regiert, / Und wie, ohn Streit und Advocaten, / Dem Scepter Ehr’ und Furcht gebhrt. / Doch nun ist Scepter gar nicht viel, / Nicht besser als ein – Stiel. – Die Dnen: Uns ist und bleibt der Scepter viel! / Euch lassen wir den – andern Stiel. / Wir frchten Gott, wie Petrus schreibet, / Und ehren unsern Kçnig hoch. / Was Wahrheit ist, und Wahrheit bleibet / Im Leben und im Tode noch; / Das ist uns heilig, ist uns heer! / Ihr Fasler, faselt morgen mehr“. Claudius orientiert sich sowohl am 1. Petrusbrief 2,13 – 17 als auch an den konkreten gesamtstaatlichen Verhltnissen; zu seiner idealisierten Vorstellung der gçttlichen Bestimmung des Frstenamtes cf. Reinhard Gçrisch, Matthias Claudius, Hamburg 1985, S. 56 f., der unter Einbeziehung von Claudius’ 1790 verfaßtem Aufsatz „ber die Unsterblichkeit der Seele“ urteilt: „In ihrer gçttlichen Bestimmung […] sind Herrscher und Untertan ,Brder und gleich’, dieser steht insoweit ,mit Stolz‘ neben jenem, aber ,desto demtiger‘ blickt der Untertan auf die ,Krone‘, die Gott dem Herrscher zum Besten der Menschen verliehen hat […] Heute ist nur noch schwer begreiflich, daß Claudius die grundlegenden Ideen der Demokratie rein geistlich ummnzt und fr die politische Wirklichkeit ausschließt. Der idealistische Anspruch seiner Einstellung verlangt Respekt; aber in dieser Sache kann er am wenigsten ber den Schatten seiner stark verinnerlichten religiçsen berzeugungen springen und die wirklichen Machtstrukturen durchschauen“. 298 Matthias Claudius, ber die neue Politick, S. 31. 299 ber die neue Politick, a.a.O., S. 27. Vgl. hierzu Johann Anselm Steiger, Matthias Claudius (1740 – 1815). Totentanz, Humor, Narretei und Sokratik, S. 17 f.: „Die Vernunft hat nach Claudius ihren angestammten und berechtigten Ort dort, wo es um die Welt der Erfahrung geht und das alltgliche Leben in ihr. Will die Vernunft jedoch Richterin in Glaubensdingen werden, so greift sie ber ihr Vermçgen

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Vernunftbestimmtes und christlich-orthodox orientiertes Menschenbild ringen in dieser zwischen Claudius und Hennings gefhrten Kontroverse miteinander, immanent und transzendent verankerte Werteordnung erscheinen einander gegenbergestellt; und nicht zuletzt artikuliert sich auf Hennings’ Seite eine rigide Zurckweisung des orthodoxen Glaubens: „Ich halte den entschiedenen Atheismus […] dem Glcke der Nation fr ungleich weniger nachtheilig und weniger unwrdig fr die Gottheit, als Mystik und Aberglaube.“300

Gerade vom orthodoxen Standpunkt aus erhebt Claudius jedoch seine aus der Erfahrung und Menschenkenntnis resultierenden Einwnde gegen den Anspruch der Vernunft, der seinerseits davon ausgeht, den Menschen und damit letztlich dessen Welt radikal nicht nur zum besseren Wesen fhren, sondern sogar zu einer vollkommenen Gestalt bringen zu kçnnen. Kein Rationalismus vermag Claudius die Erkenntnis zu nehmen, daß der Mensch unfhig sei, sich selber zu regieren und nach einer von ihm selbst errichteten Verfassung dauerhaft in Frieden und Eintracht in einem Gemeinwesen zu leben301. Seine Folgerung aus diesen Einsichten klingt pointiert: „Der Mensch also muß gebessert werden; und, wrde ich raten, nicht von außen hinein.“302

Hingegen mußte das Vertrauen in den durch ußerliche Einwirkung erziehbaren und pdagogisch fçrderungsfhigen Menschen, das davon ausging, der Welt durch menschliches Handeln ein besseres Geprge geben zu kçnnen, notwendig bedeuten, daß Hennings die „dunklen Leidenschaften, in christlicher Diktion das Bçse im Menschen, die Erbsnde, [verkannte, L.-P.]. Den eigentlichen Glaubenssatz der Aufklrung gibt Hennings nicht auf:

hinaus, betreibt sie eine Selbst-Apotheose, wird zum widergçttlichen Gçtzen und macht die Menschen zu solchen, die sich fr ,Selbstgçttler‘ halten“. 300 Ein Wort ber und wider Herrn Matth. Claudius, von dem Verfasser der Bemerkungen ber des Herrn Superintendenten Callisen Versuch ber den Werth der Aufklrung unserer Zeit, anonym publiziert in Altona 1796, zit. n. Renate ErhardtLucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 60. 301 Renate Erhardt-Lucht, zieht a.a.O. S. 54 im Hinblick auf Claudius in diesem Zusammenhang das Fazit: „Geistige Freiheit im Sinne der Aufklrung vertrug sich nicht mit der von ihm erstrebten moralischen Freiheit des Menschen, die er nur in der Bindung an das Christentum zu finden glaubte“. 302 Matthias Claudius, ber die neue Politik, a.a.O., S. 5.

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Daß der Mensch ,in seiner ursprnglichen Kraft‘ edel und gut sei„303. In den ihm entgegengebrachten Einwnden wollte der Plçner Rationalist daher nichts als jene Krfte der Beharrung sehen, die zu allen Zeiten den Forderungen notwendig erkannter Reformen entgegentreten. Dennoch bemhte er sich in dieser Kontroverse von Anfang an um Konzilianz. Sie wurde ihm von Claudius nicht gewhrt304. 303 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 273; so auch Gerhard Kay Birkner, „Es fhrt ein neuer Geist daher; Und alte Festen wanken…: August von Hennings und die „Plçner Aufklrung“, S. 467. Paul von HedemannHeespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, spricht S. 484 f. von einem „gut- und leichtglubigen Eudmonismus“, was dem tiefen Ernst, mit dem Hennings die Kontroverse durchfhrte, nicht gerecht werden kann; so schrieb Hennings selbst an von Halem unter dem 13. Januar 1795: „Es freut mich nicht wenig, daß mein Ausfall auf Claudius Ihren und andrer wrdiger Mnner Beyfall findet. Ich habe ihn wahrlich nicht aus Leidenschaft gethan, sondern weil ich es zur Rettung der guten Sache gegen die bçsen Eindrcke fr nçthig hielt. Es fehlt unter uns nicht an Leuten, die Denk- und Schreibfreyheit niederdrcken mçchten, und fr die es nçthig ist, çffentlich zu zeigen, daß ein Gedicht von Claudius, in den Zeitungen bekannt gemacht, kein Orakelspruch ist, den man blindlings verehren muß“, Gerhard Anton von Halems Selbstbiographie, Band II, S. 171. – Zu einer klaren Absage an die Erbsndenlehre verstand sich der mit Hennings befreundete, in Plçn lebende Woldemar Friedrich von Schmettow; vgl. dens., Brutus, Freyheit und Schwrmerey, in: Ders., Kleine Schriften. Nach seinem Tode gesammelt, Erster Theil, Altona 1795, S. 207 – 309, hier S. 308 f.: „Es behaupte niemand: Alle Menschen seyn Snder, weil sie die Gebote Gottes nicht halten kçnnen; denn das ist Widerspruch: es nenne niemand die Vernunft, diese herrliche Gabe Gottes, ein zerbrechliches Rohr; denn das ist Blasphemie. Es sage niemand, er habe die Gewalt von Snden zu absolviren, (die der Mensch begehen mußte,) um als Halbgott verehrt und mit den Erstlingen und Zehnten gemstet zu werden. Es handle niemand seinen Nebenmenschen die Freyheit ab, wie man Kindern angelaufenes Silber mit Rauschgold abhandeln kann. Es schreye niemand: Freyheit! Freyheit! in der Absicht, damit der bethçrte Mensch, auf dieses betrgliche Geschrei achtend, das eiserne Joch nicht bemerke, welches seinem Nacken bestimmt ist“ [Hervorhebung im Oiginal]. 304 So das Urteil Hans Wilhelm Ritschls, August Adolph Friedrich von Hennings, S. 87. Claudius differenzierte allerdings sehr wohl Person und Sache; so schrieb er am 17. Dezember 1793 an Hennings: „Wenn Sie daher den Vorschlag tun, uns vorher in Briefen unter einander zu verstndigen, so wrde das fr mich viele Ehre sein, aber es kann zur Sache nicht helfen. Es ist die Rede nicht von einer Meinung zwischen Ihnen und mir, sondern von dem Eindruck einer çffentlichen Schrift auf das Volk, von Stimmung der Gemter und einem Versuch, der in diesem Fach gemacht werden soll“, und in einem gleichfalls an Hennings gerichteten Brief vom 20. Dezember 1793 findet sich die ußerung: „Es ist mir […] nie eingefallen, Ihre Absichten zu bezweifeln, nur Ihre Methode bezweifle ich. Und die ist in Ihrer Ankndigung so klar angegeben, daß ich die besonderen Resultate nicht erst abwarten durfte“, zit. n. Matthias Claudius, Botengnge. Briefe an Freunde, hg.

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An dieser Stelle bricht auf Hennings’ Seite also jene breite Frontstellung im Verhltnis zur Orthodoxie wie auch zur Kirche auf, in der der Plçner Rationalist nicht nur die franzçsischerseits soeben durchgefhrte Erhebung der Vernunft zur Religion wie auch die Abschaffung der gallikanischen Staatskirche zu billigen vermag, sondern darberhinaus auch das Christentum verengend reduziert auf eine bloße Summe moralischer Regulative305. Umgekehrt fanden zwar „die Angriffe von Claudius auf die neuen demokratischen Lehren […] in Emkendorf den lautesten Beifall, aber der starken Betonung des Gehorsams gegen die Obrigkeit konnte man nicht uneingeschrnkt recht geben“306 : Denn ein Bekenntnis, das die von Gott eingesetzte Obrigkeit primr am Kçnig festmachte, konnte nur zu leicht den Interessen des gesamtstaatlichen Absolutismus dienstbar gemacht werden. Es lief damit Gefahr, einseitig Stellung zu beziehen in einem prozessualen Konflikt, in dem sich die emanzipativen Intentionen und von Hans Jessen, 2. Aufl., Berlin 1965, S. 389; 391. Und am 24. Dezember des gleichen Jahres schreibt Claudius ber die zwischen ihm und Hennings gefhrte Auseinandersetzung an den Grafen Fritz Reventlow: „Sie kçnnen denken, das mir das Ding [sc. die çffentliche Kontroverse, L.-P.] nicht lieb ist, da ich nicht ihm, sondern seiner Doctrin zu Leibe wollte“, a.a.O., S. 392. Claudius nahm von seinem Verstndnis her also das orthodoxe Wchteramt wahr; die dabei von ihm bewiesene Hartnckigkeit wurde im Umkreis des Reventlow-Stolbergschen Familienkreises allerdings durchaus auch kritisch bewertet. So schrieb Grfin Louise Stolberg am 09. Februar 1794 an ihren Bruder Christian Detlev Friedrich Reventlow: „Hennings hat sich bey der Sache sehr gut benommen und Claudius dsarmirt. Er hat auch mit Fritz Stolberg geredet ber die Sache. Hennings ist wirklich milder und besser geworden. Claudius ist nicht sehr tolrant. Die 2 erschienenen Stcke des Genius sind unantastbar“, Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, S. 117 f. Nicht von ungefhr konstatiert Siegfried Sudhof, SHBL 2, S. 104: „Nach den politischen und allgemeingeistesgeschichtlichen Ereignissen im Zusammenhang mit der Franzçsischen Revolution verengte sich C.s Einfluß zusehends“. 305 Vgl. hierzu den Genius der Zeit 1794, S. 436 f.; ferner a. L.[udvig] N.[icolaus] Helweg, Den danske Kirkes Historie efter Reformationen, D. 2, S. 243 – 247. Ganz auf dieser Linie einer Abweisung des Christentums und seines positiven Offenbarungsanspruches lag auch Hennings’ Wunsch nach Vermeidung eines kirchlichen Begrbnisses; hierzu Hans Wilhelm Ritschl, a.a.O., S. 197. 306 Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 166. – Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, qualifiziert S. 281 den Konservativismus des Emkendorfer Grafen im Vergleich zu Claudius’ extrem konservativen Anschauungen als eine der Wahrung stndischer Tradition verpflichtete Haltung.

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Bemhungen der schleswig-holsteinischen Ritterschaft gegen den kçniglichen Landesherrn selbst richteten. Besondere publizistische Wirkung entfaltete Hennings weiterhin nicht zuletzt dank seiner Kontakte zu zahlreichen Gebildeten der Herzogtmer, Eutins sowie Hamburgs307, wie er ebenso als Angehçriger der Illuminaten308 – auch nach der erzwungenen Auflçsung des Ordens – ber weitreichende Verbindungen verfgte. Hennings’ Schwester Sophie hatte 1770 Johann Albert Heinrich Reimarus309 geheiratet. So stand er in dauerhafter Verbindung zum Kreis liberaler hamburgischer Kaufleute und Gelehrter310. In Eutin war es neben Friedrich Leopold von Stolberg, zu dem Hennings bis zu seiner endgltigen Distanzierung auf Grund der Konversion des Grafen ein stets am307 Hennings’ Verbindungen reichten weit ber den norddeutschen Raum hinaus. Prgend war fr ihn auch die Begegnung mit Moses Mendelssohn geworden, den er whrend seines Aufenthaltes in Berlin als Legationssekretr des dnischen Gesamtstaates kennengelernt hatte; vgl. hierzu seine Korrespondenz mit Mendelssohn aus den Jahren 1775 – 1782 in Band 22 seines Nachlasses in der Staats- und Universittsbibliothek Hamburg. 308 Unter den Illuminaten trug Hennings den Namen „Zeno“. Auch der auf Gottorf und Louisenlund residierende Carl von Hessen – vgl. zu diesem o. S. 152 – gehçrte dem Orden an, der im Mai 1776 von dem Ingolstdter Rechtsprofessor Adam Weishaupt gegrndet worden war und die Verbreitung politischer und religiçser Aufklrung auf der Grundlage der natrlichen Religion des Deismus intendierte. Zu seinen etwa 2000 Angehçrigen rechneten sich auch Gerhard Anton von Halem sowie Karl Leonhard Reinhold. Zum Ganzen: Hermann Schttler, Die Mitglieder des Illuminatenordens 1776 – 1787, Mnchen 1991; Helmut Reinalter, Der Jakobinismus in Mitteleuropa, S. 45 – 47; ders., Hg., Der Illuminatenorden (1774 – 1785/87). Ein politischer Geheimbund der Aufklrungszeit, Frankfurt/M. 1997; Oliver Lamprecht, Das Streben nach Demokratie, Volkssouvernitt und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, S. 54 – 57; ebd. S. 54 f. die Bewertung des Bundes als einer Bewegung, die „einen der radikalen Flgel der deutschen Aufklrung darstellte, der zugleich beabsichtigte, die bestehende Herrschafts- und Gesellschaftsordnung umzugestalten. Allerdings sollte dieser Prozeß der Umgestaltung keineswegs durch ußeres Aufbegehren, geschweige denn durch eine Revolution erfolgen. Vielmehr war daran gedacht, dem Staat das aufklrerische Gedankengut von innen einzutrufeln, etwa indem wichtige staatliche mter mit Illuminaten zu besetzen waren“. 309 Zu diesem o. S. 132. – Hennings’ 1799 geborene Tochter Louise Marianne Johanne heiratete im Mai 1824 den nachmaligen Hamburger Brgermeister und Senatsprsidenten Friedrich Sieveking. 310 Hierzu o. S. 74; S. 131 – 134. – Wie die Angehçrigen dieses Kreises mit deren quasi girondistischen Zielsetzungen – vgl. o. S. 131 – setzte sich auch Hennings deutlich von jakobinischen Intentionen ab; vgl. diesbezglich nur etwa das Vorwort seiner Schrift „Dr. Martin Luther!“.

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bivalentes Verhltnis eingenommen hatte311, insbesondere Johann Heinrich Voss312, dessen bersetzung der Marseillaise313 Hennings im 1793er Jahrgang seines Schleswiger Journals publizierte314. Weiter unterhielt Hennings enge Beziehungen zu Friedrich Heinrich Jacobi, der nach seiner Flucht vor der ausgreifenden Revolution aus Pempelfort whrend der Jahre 1797 – 1805 in Eutin lebte315. So berichtet Hennings wiederholt ber seine zahlreichen Begegnungen mit Jacobi und die mit diesem auf dem „Phi311 So ußerte Hennings einmal ber Friedrich Leopold Stolberg, dieser „sei mit Klopstocks Messias gesugt und bete ihn an, fast so sehr wie sich selbst“, zit. n. Otto Rçnnpag, Der Plçner Amtmann August von Hennings und die „Eutiner“, S. 46. Zu Hennings’ Verhltnis zu Stolberg a. Hans Wilhelm Ritschl, a.a.O., S. 136. 312 Zu diesem u. S. 339 – 350. 313 Die Marsellaise wurde ursprnglich einem holsteinischen Adligen gewidmet, der zum Marschall von Frankreich aufgestiegen war: Johann Nikolaus Graf von Luckner, in Cham 1722 brgerlich geboren, seit 1783 als Gutsherr von Depenau im Kirchspiel Bornhçved beheimatet und am 31. Mrz 1784 in den dnischen Grafenstand erhoben; ein Jahr zuvor war Luckner als Generalleutnant in franzçsische Dienste getreten. Nach Ausbruch der Revolution rezipierte ihn die schleswig-holsteinische Ritterschaft in dieser Position eines hochrangigen franzçsischen Offiziers, vgl. Gnter Heisch, Verfassungsgeschichte der SchleswigHolsteinischen Prlaten und Ritterschaft seit 1775, S. 13. Seit dem 14. Dezember 1791 fungierte der prorevolutionre Luckner als Oberbefehlshaber der Rheinarmee; der franzçsische Kriegsminister Narbonne ußerte ber ihn 1792, „sein Herz sei franzçsischer als sein Akzent“, zit. n. Alain Ruiz, Deutsche im Frankreich der Revolution, in: Deutschland und die Franzçsische Revolution 1789/1989, hg. von Franz Dumont u. a., Stuttgart 1989, S. 101 – 125, hier: S. 115. Der Abdruck des Titelblattes der „Marseillaise“ als „Chant de Guerre pour l’Arme du Rhin, ddi au Marchal Lukner“, Strasbourg o. J., bei Felix Graf Luckner, Aus siebzig Lebensjahren, Herford 1955, S. 36; zu Johann Nicolaus von Luckner ferner das Lexicon over Adelige Familier i Danmark, Norge og Hertugdomene, udgivet af det Kongelige Danske genelogiske og heraldiske Selskab, Fçrste Bind, Kopenhagen 1787, S. 341 f. Wegen ausbleibender militrischer Erfolge wurde Nicolaus von Luckner am 04. Mai 1794 guillotiniert; sein Sohn Nikolaus trat im Jahre 1808 als Plçner Amtmann die Nachfolge August von Hennings’ an, der zuvor als Administrator in die Grafschaft Rantzau gewechselt war. 314 Schleswigsches Journal 1793, S. 252 – 256. Diese „erste Zusammenarbeit hatte die unverhoffte Folge, daß Dnemark auf Druck der preußischen Regierung hin Hennings Zeitschrift verbot“, Hans Wilhelms Ritschl, August Adolph Friedrich von Hennings, S. 70. 315 Zu Jacobi: [Karl] Prantl, ADB 13, S. 577 – 584; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 151 – 153; Dieter Lohmeier, Friedrich Heinrich Jacobi in Holstein, in: NE 60 / 1991, S. 61 – 88; Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, S. 312; Carmen Gçtz, Friedrich Heinrich Jacobi und die Franzçsische Revolution, in: Dsseldorfer Jahrbuch 66 / 1995, S. 191 – 220.

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losophenweg“ am Plçner Schloß gefhrten Gesprche, „bei denen man sich immer wieder auf dem Boden Rousseauscher Gedanken traf“316. Mit dem nach seiner Entlassung aus der çsterreichischen Haft in Wittmoldt und Lehmkuhlen bei Plçn ansssigen ehemaligen Revolutionsgeneral Lafayette verband Hennings ein freundschaftlicher Verkehr, der ihn in „den konservativen Kreisen in den Herzogtmern […] nur um so mehr in Mißkredit“317 brachte. Hennings selbst ußerte in einem Brief an den Grafen von Halem, daß Lafayette „nie zu Intriguen herabstieg oder Verschwçrungen machte. Es ist eine Stupiditt, ihn den Urheber der Revolution zu nennen, oder ihm die unglckliche Wendung derselben beyzumessen. Ersteres ist historisch unwahr, und letzteres heißt, ihm vorzuwerfen, daß er nicht die Energie hatte, ein Bçsewicht zu sein.“318

Anfang 1799 bersandte Lafayette aus Wittmold seine „Lettre M. d’Hennings“, in der der Marquis seine politische Haltung darlegte und rechtfertigte319. Lafayette ußerte sich mit Nachdruck gegen jene „Stimmen, die die religiçsen Massaker und die aristokratischen Einrichtungen der Kirche im Evangelium Jesu Christi gefunden haben“ und die „alles was es an Freiheitsmçrderischem gibt, dem Evangelium der Freiheit anlasten.“320

Vor allem aber begrndete Lafayette die gewalthafte Radikalisierung der Revolution mit der bestndigen historischen Provozierung des Dritten Standes, die sich in der Eskalation des terreurs entladen mußte, sowie mit der nachmaligen Einmischung des europischen Auslandes. In breiter Auseinandersetzung aber wandte sich der ehemalige girondistische Heerfhrer, darin mit dem Amtmann des Ortes weitgehend konform, gegen die 316 Otto Rçnnpag, Der Plçner Amtmann August von Hennings und die „Eutiner“, S. 46. Zum Verhltnis zwischen Hennings und Jacobi a. Hans Wilhelm Ritschl, August Adolph Friedrich von Hennings, S. 136 – 138. 317 Christian Degn, Die Herzogtmer im Geamtstaat 1773 – 1830, S. 275; hierzu bereits o. S. 173 f. Am 3. November 1797 schrieb Hennings dem Grafen Reinhard: „Sein [Lafayettes, L.-P.] reizbares Herz hat mich ihm gleich nher gebracht, da er mich ungesehen als Freund kannte“, zit. n. Friedrich Stender und HansJoachim Freytag, Geschichte der Stadt Plçn, S. 145. 318 Brief Hennings’ aus Plçn an den Grafen von Halem vom 18. Mrz 1798, wiedergegeben in: Gerhard Anton von Halem, Selbstbiographie, Band II, hg. von C. F. Strackerjan, Oldenburg 1840, S. 197. 319 Vgl. Alfons Galette, Brief des franzçsischen Generals Lafayette aus Wittmoldt an den Plçner Amtmann August von Hennings vom 15. Januar 1799, in: Jahrbuch fr Heimatkunde im Kreis Plçn 19 / 1989, S. 189 – 230. 320 Alfons Galette, ebd., S. 194.

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aristokratischen und royalistischen „Metaphysiker“, gegen die materialistischen „konomisten“ sowie gegen die zahlreichen „Niveleurs“321. Ein intensiver Gedankenaustausch verband Hennings auch mit dem gleichfalls in Plçn ansssigen Grafen Schmettow322, der sein kritisches Urteil ber die gesellschaftlichen Um- und Zustnde nicht zuletzt im Schleswigschen Journal in bereinstimmung mit dessen Herausgeber vertrat: „Den wahren Rang, nemlich die innere Hochachtung, die der biedere, verstndige und thtige Mann dem Publico abnçthiget, den kann kein Kaiser weder geben noch nehmen, und den Rang postiche, bey der Tafel frher Suppe zu bekommen, oder in Aßembleen zur rechten Hand zu sitzen, ein Spielwerk das ohnstreitig zu den collifichets und den brimborions gehçrt, kann man ja entbehren. Es wird also auch jedermann gestehen mßen, das das bedeutende Wort Begnadigen, bey einer durch Caprice oder intrigue geleiteten Verurtheilung von Collifichets und brimborions, gar nicht anwendbar ist.“323

Christian Degn hat in Woldemar Friedrich von Schmettow den „Prototyp eines rcksichtslosen, gefhlsarmen Rationalisten“ gesehen, der sich nur auf die Autoritt des eigenen, fr unfehlbar angesehenen Verstandes ver321 Ebd. S. 227 – 229. – Zum Verhltnis zwischen Hennings und Lafayette vgl. a. August Hennings, Antwort auf einen Aufruf, S. 364, in: Minerva 2 / 1797; hier steht der Plçner Amtmann çffentlich fr den franzçsischen General ein. Vgl. a. Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, S. 211; Alfons Galette, General Lafayette in Wittmoldt: Ein Leben fr die Freiheit, Plçn 1989. 322 Zu Woldemar Friedrich Graf von Schmettow [auch Schmettau]: August Hennings, Tod des Grafen Schmettow in Plçn, in: Der Genius der Zeit 2 / 1794, S. 507 – 512; ders. mit nachtrglicher Korrektur in: Der Genius der Zeit 3 / 1794, S. 641. Ferner B. Poten, ADB 31, S. 647 f.; Harald Jørgensen, DBL 13, S. 135 f.; Georg Hille, Vom Grafen Woldemar von Schmettow, in: ZSHG 39 / 1909, S. 133 – 173; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 270 – 272; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 64 – 70; Matthias Graf von Schmettow, Art. „Woldemar Friederich Graf von Schmettow“, SHBL 3, S. 240 f. – Schmettow war ein Verwandter der zum Katholizismus konvertierten Frstin Gallitzin, die, selbst eine geborene Grfin Schmettau (der Name der aus sarmatisch-magyarischem Geschlecht stammenden Familie wechselt gelegentlich in seinem Endlaut), entscheidend mit zur Konversion Friedrich Leopold von Stolbergs beitrug; vgl. zu dieser o. S. 181 sowie u. S. 352 f. 323 Woldemar Graf von Schmettow, Was ist begnadigen?, Schleswigsches Journal 1793, S. 97 – 137, hier: S. 120. Die Schrift erschien posthum ein weiteres Mal: Des Grafen Woldemar Friedrich von Schmettows Kleine Schriften. Nach seinem Tode gesammelt, Zweiter Theil, Altona 1795, S. 389 – 435, zitierter Text hier S. 416.

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lassen habe324. Sein Wahlspruch „Frangor non flector“ sei fr Schmettau von daher nur bezeichnend325. Der in Schleswig aufgewachsene, 1749 in Celle geborene Woldemar Graf von Schmettow war nach seiner duellbedingten Entlassung aus dem Militrdienst Ende 1766 in den diplomatischen Dienst des dnischen Gesamtstaates gewechselt. Zunchst in Dresden akkreditiert, sammelte er anschließend in Madrid und Warschau als Legationssekretr weitere Erfahrungen. 1772 trat er seinen Dienst als Gesandter des Gesamtstaates in Dresden an, wurde jedoch im Folgejahr wegen seiner berschuldung dieser Position enthoben. Nach einer daraufhin am Mannheimer Hof verbrachten Zeitspanne hielt er sich weitere zwei Jahre in Paris im Palais des Frsten und Kardinals Louis Ren douard Rohan326 auf. Seine besondere 324 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 271 f. 325 Der Wahlspruch findet sich auf Schmettows 1794 aufgestellter Grabstele in der Form einer gebrochenen Marmorsule; diese ist nach der Einebnung des whrend des 18. Jahrhunderts zunchst in Gebrauch befindlichen Plçner Friedhofes auf den nunmehrigen „Alten Friedhof“ der Stadt verbracht worden und befindet sich dort an exponierter Stelle. Vgl. zu diesem Wahlspruch Schmettows und seiner mçglichen Rezeption durch den 17 Kilometer von Plçn entfernt in Eutin aufgewachsenen Theodor Olshausen, eines Juristen, Journalisten und Deutungsaktivisten der schleswig-holsteinischen Opposition gegen den dnischen Absolutismus und prominenten Teilnehmer der Erhebung gegen Dnemark, u. S. 616 Anm. 111. 326 Zu diesem Friedrich Wielgras, Art. „Louis Rohan“, BBKL Bd. VIII, Sp. 570 f. – Louis Ren Edouard Prince de Rohan-Gumen hatte sich in den Jahren 1771 – 1774 als franzçsischer Botschafter in Wien aufgehalten, wo er infolge einer indiskreten ußerung zur geplanten polnischen Teilung bei Maria-Theresia in Ungnade gefallen war. Daher verlegte er seinen Aufenthalt nach Paris. Im Jahre 1779 zum Straßburger Frstbischof ernannt, wurde er unfreiwillig in den Jahren 1785/86 eine der zentralen Persçnlichkeiten in der sogenannten „Halsbandaffre“, in der es sein Bestreben war, der Tochter Maria-Theresias und ihrem Mann Ludwig XVI. einen galanten Gefallen zu erweisen. Die Affre um das Halsband wurde jedoch çffentlich und tat dem Ancien rgime in der Wahrnehmung der franzçsischen Bevçlkerung erheblichen Abbruch; zudem trug sie erheblich zum weiteren Popularittsverlust der Kçnigin Marie-Antoinette bei. Hierzu Alexander LernetHolenia, Das Halsband der Kçnigin, Wien / Hamburg 1962, bes. S. 56 ff.; Eberhard Naujoks, Die Franzçsische Revolution und Europa 1789 – 1799, Stuttgart / Berlin / Kçln / Mainz 1969, S. 31 ff. – Goethe nahm die Halsbandaffre whrend seiner italienischen Reise zum Anlaß, um eine Opera buffa zum Thema des galanten Betruges zu entwerfen, wobei er den Stoff aufweitete durch die Machenschaften eines Grafen, der sich erbietet, Damen und Herren der Gesellschaft unter Zuhilfenahme extravaganter Riten in die Loge des sog. „Groß-Cophta“ einzufhren. Nach dieser imaginren Loge ist das zum September 1791 vorliegende Lustspiel auch betitelt, dessen Grafengestalt sich an der Person des Abenteurers Giuseppe Balsamos, genannt Cagliostro, orientiert, der mit dem

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Kenntnis Frankreichs ließ ihn im Jahre 1784 die Schrift: „Ein kleiner Beitrag zur Kenntnis des franzçsischen Staats, von einem Norddeutschen“ verçffentlichen. Von Paris aus gelangte Schmettow im Jahre 1779 nach Plçn, wo er mit Ausnahme einer kurzen in Speyer verbrachten Zeit bis zu seinem Tod im Sommer 1794 lebte. Schmettow wußte sich mit Hennings vollkommen einig in der Forderung nach Pressefreiheit327 sowie in der negativen Bewertung des „Aberglaubens“328, den er gerade auch in seiner institutionalisierten kirchlichen Gestalt als ein dem Mißbrauch dienendes gesellschaftliches Machtinstrument diagnostizierte329. Konsenz bestand Kardinal Rohan tatschlich bekannt war. Zu dieser burlesken Dramatisierung der Halsbandaffre cf. Johann Wolfgang von Goethe, Poetische Werke, Dritter Band, Augsburg o. J., S. 645 – 713; Karl Otto Conrady, Hg., Goethe und die Franzçsische Revolution, 2. Aufl., Frankfurt/M. 1989, S. 44 – 47. – Rohan verließ sein Heimatland 1791 als entschiedener Gegner der Revolution und flchtete nach Ettenheim in den rechtsrheinischen Teil seines Straßburger Bistums; „von hier aus untersttzte er tatkrftig die ,unbeeidigten Priester’ in Frankreich, die den Eid auf die neue Verfassung verweigerten“, Wielgras, a.a.O., Sp. 571. 327 Hierzu: Des Grafen Woldemar Friederich von Schmettow Kleine Schriften. Nach seinem Tode gesammelt, Erster Theil, Altona 1795, S. 80 – 110: Preßfreyheit ist das beste Mittel gegen den Despotismus. Ebd. S. 109 f. das Fazit: „O! goldne Preßfreyheit, Vorrecht der Menschheit, du kannst sie in alle ihre Rechte wieder einsetzen; den Tyrannen zum Landesvater, den Intolerannten zu deinem Bruder, den Schwrmer zum Weisen, Vorurtheile und Aberglauben zu unbedeutenden Schatten umschaffen! Komm, Freundinn der Wahrheit, und krçne das Jahrhundert, in welchem der Keim der Aufklrung sich entwickelt hat, und nur auf deinen Beystand harret, um zu blhen und herrliche Frchte zu bringen!“. Vgl. hierzu a. August Hennings, Denk- und Schreibfreiheit als eine Einleitung zum Schleswigschen Journal, in: Schleswigsches Journal 1 / Januar 1793, S. 12 – 14; zum Kontext a. Kai Detlev Sievers, Volkskultur und Aufklrung im Spiegel der Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichte, S. 311 f. 328 Schmettow, Brutus, Freyheit und Schwrmerey, S. 207 – 309, in: Ders., Kleine Schriften. Erster Theil, hier: S. 213: „Der eigentliche Feind der Freyheit war von je her, ist noch jetzt, und wird seyn, der Aberglaube. Der grçßte Freyheitsschwrmer kann unter das hrteste Joch gebracht werden, wenn man nur schlau genug ist, ihn auf seinem Steckenpferde dahin reiten zu lassen, wo man ihn hin haben will“. 329 Schmettow, Brutus, Freyheit und Schwrmerey, S. 305 f.: „Der Leser verlasse auf einen Augenblick alle persçnliche Anhnglichkeit an Systeme, sehe blos auf Facta, und leugne, wenn er kann, daß in allen Zeiten, in allen Lndern, und in allen Secten, die Religionsstifter und ihre Priester haben herrschen wollen, daß sie folglich auf die Freyheit der Menschen Anschlge gemacht haben. Wre dem nicht so, wozu so viele Gebote und Verbote, die mit dem Wesen der Religion gar nicht in Verbindung stehen? Wre es nicht Galle, Verdruß ber das Einschrumpfen des geistlichen Ansehens: warum donnert denn hier ein Prediger gegen die saumseeligen Kirchgnger, und dort einer gegen den Weisen, der alles prft, anstatt es

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zwischen beiden Plçner Aufklrern auch in der grundstzlichen Zustimmung zu den großen revolutionren Ereignissen330 : blindlings anzunehmen?“; ebd. S. 307 f.: „Ich mag grbeln, so viel ich will, so finde ich in dem glhenden Eifer der Orthodoxen, eine Religion zu vertheidigen, die Gott nicht in Verfall kommen lassen kçnnte, wenn er sie selbst offenbart hat, – nichts als persçnliche Herrschsucht, Trieb ihre Herde zu vergrçssern, den Lçwen zu knebeln, um ihn ohne Gefahr mit der Ruthe vor sich her zu treiben. Der alte Adam, der in ihnen wohnt, macht es ihnen vielleicht weis, daß sie aus purer heller Liebe zur Wahrheit so handeln; da sie aber der Wahrheit von Gott nichts geben und auch nichts nehmen kçnnen[…]: so kann ich mir keine andere Ursache ihres Eifers denken, als daß sie aus Mangel an Muth, Krften und Canonen zu dem Vordersatze ihre Flucht nehmen: wenn du nicht glaubst, bist du verdammt [so das Jesuswort Mk 16,16b L.-P.], um nachher sagen zu kçnnen: also du mußt glauben! Wer aber so spicht, der verrth entweder, daß er im Finstern tappt, oder daß er Andern das Joch auf den Hals werfen will“. 330 Schmettow, Patriotische Gedanken eines Dnen, ber stehende Heere, politisches Gleichgewicht und Staatsrevolutionen, Altona 1792, S. 128: „Es wird, es kann keine Rebellion ohne Grund und ohne Schuld der Regierung enstehen“. Nur im letzten Teil dieser Schrift beschftigt sich Schmettow mit der Franzçsischen Revolution; eingangs erhebt er kritische Einwnde gegen die soziale Situation des „gemeinen Mannes“, der im stehenden Heer dienen mßte und insbesondere als Bauer Dienstverschonung bençtige. Dieses Werk Schmettows machte Furore: „Le nouveau livre de Mr. de Schmettau a fait une tres grande sensation Copenhague, tous les exemplaires ont t incessament enlevs, et on se les a arrachs“, schrieb Ernst Schimmelmann am 5. Oktober 1793 an den Herzog Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Syvende Bind, udg. af Louis Bob, S. 34; Johann Gottlieb Fichte spricht einmal von seiner besonderen Verehrung fr den „edlen Verfasser“ dieses Werkes, den er in einem Atemzug mit dem Freiherrn von Knigge nennt: Fichte, Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publikums ber die Franzçsische Revolution, in: Werke I,1, hg. von Reinhard Lauth und Hans Jacob, S. 215; vgl. hierzu a. Fichtes negative Anschauung des Militrs als eines hierarchisch gegliederten „Staates im Staate“ o. S. 69. – Wegen der in seiner Schrift geußerten Kritik an der Vorhaltung „viel zu großer Streitkrfte“ und an der zu niedrigen Besoldung der unter Zwang eingezogenen Soldaten sah sich Schmettau in der Folge jedoch auch erheblichen Vorwrfen ausgesetzt; J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 2, Kopenhagen 1815, spricht S. 73 f. fr das Jahr 1784 von 67000 Soldaten bei einer Bevçlkerung von knapp ber 2 Millionen. Die gegen Schmettow vor diesem Hintergrund einsetzende Polemik gipfelte in den von Generalmajor Johan Friderich Freiherr von und zu Mansbach 1794 verfaßten „Gedanken eines norwegischen Offiziers ber Gedanken eines Dnen von stehenden Heeren“ sowie einer Duellforderung; Mansbach war gebrtiger Hesse, stand seit 1772 in dnischen Diensten und hatte seit 1791 das Kommando als Inspekteur des Norwegischen Jgercorps inne; zu ihm Olai Ovenstad, Militærbiografier. Den Norske Hærs Officerer, Bd. II, Oslo 1949, S. 153. – Die çffent-

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„Auf die Frage, was aus der Verwirrung in Frankreich noch entstehen wird? kann der seichteste Kopf ohne alles prophetische Talent antworten: es kann nicht so bleiben, wie es ist, denn das ist bey allen menschlichen Einrichtungen der Fall. So viel scheint indessen hçchstwahrscheinlich, daß ein Banquerott, wenn er auch noch so suberlich modificirt werden solte, nicht wol zu vermeiden steht, daß die alte despotische Regierungsform nicht wieder hergestellt werden kann, und daß die Revolution bey allen ihren Schwchen, wie die Ausschweifung des Pçbels bey aller ihrer Abscheuligkeit, ein fr ganz Europa sehr ntzliches, heilsames und lehrreiches Beyspiel ist. Ein Landesherr der Gewissens- und Preßzwang einfhren will, um sein eigenes unmoralisches Betragen bey dem unbestechlichen Richter der Kçnige wieder gut zu machen, und der in der thçrichten Meynung, er sey ein Ebenbild der Gottheit, sich erkhnt Rechtsfragen durch Machtsprche zu entscheiden, der erinnere sich der franzçsischen Revolution, und thue aus Furcht, was er aus Gerechtigkeitsliebe thun sollte!“331

Damit wird die Revolution eindeutig unter lehrhafte, pdagogische Prmissen gerckt: Sie erscheint als „ntzliches, heilsames und lehrreiches Beyspiel“ wie auch als deutliche Mahnung an die von ihr bislang verschonten Landesherren, den Rechtsansprchen des Volkes gerecht zu werden. Schmettows Wendung vom „unbestechlichen Richter der Kçnige“ lßt sich sowohl auf Gott als auch auf das Volk hin interpretieren; eine solche Ambivalenz der Aussage hat angesichts der Zensur durchaus Programm. Mit seiner Auffassung steht Schmettow nun in einer Reihe „mit jenen Befrwortern der Franzçsischen Revolution im dnischen Gesamtstaat, die aus dem Studium aufklrerischer Ideale heraus fr eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der untersten Gesellschaftsschichten eintraten und in der Verfechtung dieser Reformideen in die Auseinandersetzung mit dem politischen Geschehen in Frankreich hineingefhrt wurden.“332

Unter den Gegebenheiten der dnischen Zensur konnte die Analyse der franzçsischen Verhltnisse jedoch immer auch in Analogie zur Kritik am eigenen Staat stehen. Eben dies wurde Schmettow zum Verhngnis; seine ußerungen brachten ihn in Konflikt mit der Regierung, die eine ent-

liche Meinung war „im allgemeinen fr Schmettow“, so Georg Hille, Vom Grafen Woldemar von Schmettow, ZSHG 39/1909, S. 173; August Hennings urteilte, Schmettow werde „muthwillig geqult“, Brief an Gerhard Anton von Halem v. 11. Mai 1794, Gerhard Anton v. Halems Selbstbiographie, Band II, S. 167. 331 Schmettow, Patriotische Gedanken eines Dnen, ber stehende Heere, politisches Gleichgewicht und Staatsrevolutionen, S. 143 f. 332 Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 68.

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sprechende Untersuchung anberaumte333. Der Vorwurf lautete auf Vergehen gegen die Pressefreifreiheit; die Untersuchungsakte nimmt jedoch keinerlei Bezug auf Schmettows Beurteilung der Revolution334. Das Gutachten lief darauf hinaus, Schmettow solle einsehen, daß seine ußerungen „in mehreren Punkten zu heftig, zu stark, und den Verordnungen wegen der Preßfreiheit zuwider seyn, auch bey den gegenwrtigen Zeiten leicht mißverstanden und von unruhigen Kçpfen gemißbraucht werden kçnnten.“335

Mit diesen sanften Intentionen des Glckstdter Dicasteriums durchaus im Einklang, hieß es in einem Schreiben Christians VII. an die holsteinische Regierung: „Unserer landesvterlichen Sorgfalt ist nur der Eindruck wichtig, den er als Schriftsteller auf seine nicht besser unterrichtete[n] Leser und berhaupt und besonders auf Unsere und des Staates getreue Diener und brigen guten und geliebten Unterthanen gemacht hat oder [hat] machen kçnnen […] Es mag sogar die ganze Sache in Absicht des çffentlichen Interesses ohne ferneres Verfahren hinschwinden.“336

Nicht Schmettows Beurteilung der Franzçsischen Revolution, weit eher seine an den gesamtstaatlichen Verhltnissen geußerte Kritik scheint im Blickfeld der regierungsseitigen Reaktion auf seine Schriften gelegen zu haben. Die Regierung befrchtete also weniger ein propagandistisch inauguriertes bergreifen der Franzçsischen Revolution auf den Gesamtstaat; vielmehr ging es der Staatsfhrung um die unauffllige Verhinderung 333 Vgl. hierzu J.[ohann] W.[ilhelm] von Archenholz, Ein paar Worte ber den Proceß des Grafen von Schmettau und die Preßfreyheit, in: Minerva 2 / 1794, S. 332 – 336; ebd. S. 334 f.: „Ohne die […] Schrift hier zu beurtheilen, wage ich es zu sagen, daß sie im eigentlichen Sinne des Wortes nicht als ein Mißbrauch der Preßfreiheit betrachtet werden kann, sondern nur als ein dreister Gebrauch, einer edlen, von mchtigen Menschen selbst verliehenen Gabe […] Dnnemark ist jetzt noch das einzige Land in Europa, wo Preßfreiheit ist […] sie, das sicherste Kennzeichen einer großen brgerlichen Freiheit; sie, die nie einen Aufruhr gebahr, aber oft das Volk ber seine Pflichten aufklrte“. Zum Kontext a. J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 3/1, Kopenhagen 1816, S. 2 – 9. 334 Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 68. 335 Schreiben der Glckstdter Kanzlei v. 25. Februar 1794; LAS A XVIII/682, Fol. 67 – 85. 336 Schr. v. 9. Mai 1794, zit. n. Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 68.

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eines reflektierenden Diskurses der gesellschaftlichen Gegebenheiten337. Gerade dies schien als Resultat der publizistischen Bemhungen einheimischer liberal gesinnter Intellektueller durchaus denkbar. Ehe der Graf allerdings wegen Verstoßes gegen die Presseverordnung vom 18. Oktober 1771 dem Glckstdter Gericht zugefhrt werden konnte, war er nach lngerer Krankheit bereits im Juli 1794 in Plçn verstorben. ber den analoghaften Rahmen der Franzçsischen Revolution hinausgehend, hatte Schmettow dem Absolutheitsanspruch der Souverne mit advokatenhafter Sophistik weiter zugesetzt. So urteilte er, der grçßte Nutzen, den die amerikanische Staatsrevolution der ganzen Welt verschafft habe, „besteht wohl unstreitig darin, daß alle Frsten, und vorzglich Frankreich und Spanien, die Rechtmßigkeit ihres Aufstandes anerkannt, mithin implicite gesagt haben, ein Volk habe das Recht zu rebelliren, sobald der Landesherr ihm Unrecht thut, seine Vorstellungen nicht annimmt, und Unrecht mit Gewalt durchsetzen will. Kein Landesherr, der die Americaner fr ein freies Volk erklrt hat, darf diesen Grundstzen widersprechen, oder er erregt gegen sich den gegrndeten Verdacht, daß er Willens ist, dem Volke Unrecht zu tun.“338

Ein solches buchstbliches argumentum e silentio, das den liberalen Gedanken konsequent gegen die individuellen monarchischen Interessen ausspielte, diente nur der Herausstreichung eines grundstzlichen Widerstandsrechtes der Untertanen gegen ungerechte Obrigkeiten. Umgekehrt bestritt es der aktuell gegebenen Sozialordnung jeden Anspruch auf immerwhrende Gltigkeit.

337 Jede Reduzierung oder Abschaffung der Heeresmacht bedeutete immer auch eine Schwchung der innenpolitisch dominierenden Position des Monarchen und gehçrte damit zu den klassischen Postulaten des Frhliberalismus. 338 Schmettow, Brutus, Freyheit und Schwrmerey, S. 219 f. Mit dieser Ansicht stand Schmettow nicht allein; so ußerte der dnische Konferenzrat Carl Wendt, Direktor der dnischen und norwegischen Speciesbank, brieflich gegenber Grfin Louise Stolberg am 24. April 1791: „Ein sonderbares Schauspiel ist es auch zu sehen, wie Despoten die Freyheit bei andern untersttzen und Maximen predigen, die sie in ihrem eigenen Lande sorgfltig unterdrcken“, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Sjette Bind, udg. af Louis Bob, S. 275.

5. Aristokratischer Widerstand: Emkendorf

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5. Aristokratischer Widerstand: Emkendorf Formell befanden sich Frstenhof und Residenz des dnischen Gesamtstaates whrend des ausgehenden 18. Jahrhunderts in der seelndischen Hauptstadt Kopenhagen. Innerhalb eines Staatsgebietes, das von Westindien ber Island, Norwegen und Dnemark bis nach Schleswig und Holstein reichte, entsprach bereits diese Lokalisierung des Machtzentrums einer eher dezentralen Randlage. Doch begnstigte auch die seit dem Jahr 1770 bestndig weiter um sich greifende Geisteskrankheit Christians VII. den Prozeß einer sich kontinuierlich ausweitenden Erosion des Hoflebens, in deren Folge sich bedeutende Teile des kulturellen Lebens von der kçniglichen Residenz in die Huser und Landsitze der Aristokratie verlagerten. An der Schwelle zum 19. Jahrhundert waren die administrativen Fhrungspositionen des Gesamtstaates indessen immer noch zum berwiegenden Teil mit Angehçrigen des deutschstmmigen Adels besetzt. Seit den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts hatte sich vor diesem Hintergrund um so strker jener kulturell und politisch wirkmchtige Antagonismus bemerkbar gemacht, der sich mit den gegenstzlichen Persçnlichkeiten Struensees und Guldbergs identifiziert sah339und der im Jahre 1776 im Indigenatsgesetz340 seinen unter dem Vorzeichen der Danisierung stehenden Ausdruck gefunden hatte. Resultierte aus diesen Bedingungen bereits eine gewisse regionale Dislozierung der Fhrungseliten, so verstrkten sich mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts noch einmal die inhaltlichen Differenzierungen, bedingt durch den Prozeß einer zunehmend zur Polarisierung fhrenden muttersprachlichen sowie auch kulturellen Anbindung341. Diese Proble339 Vgl. o. S. 101 – 103. 340 Hierzu o. S. 103 Anm. 255 u. 256. 341 In seinen „Lebenserinnerungen“ stellt der aus Sddeutschland stammende Kieler Professor Christoph Heinrich Pfaff diesbezglich fest: „Es ist indessen nicht zu lugnen, daß mit der Stammesverschiedenheit und nach den besonderen geographischen Verhltnissen gewisse Eigenthmlichkeiten nothwendig gegeben sind. So bt namentlich die insularische Lage Seelands und seiner Hauptstadt Copenhagen, die hier das bergewicht hat, […] unstreitig ihren Einfluß aus, und hat eine einseitige Vorliebe fr die dortigen Einrichtungen und gelehrten Anstalten zur Folge, da die Dnen ihre Studien regelmßig nur auf der Universitt zu Copenhagen absolviren. Eben davon ist auch eine Rivalitt, und leicht eine gewisse Herabsetzung alles dessen, was Deutsch ist, die Folge. Es wird dieser NationalAntagonismus noch mehr hervorgerufen durch das so natrliche Streben eines kleineren Volkes, wie das dnische, seine Nationalitt, die ihm so tief eingeprgt ist, gegen eine viel grçßere, die in nchster Berhrung mit ihm ist, wie die deutsche

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matik reduzierte notwendig die von einem absolutistischen Hof ideell ausgehende kulturelle und auf die Vermittlung kollektiver sozialer Identitt bedachte Außenwirkung342. Von daher besteht im Hinblick auf das geistige Leben des Gesamtstaates zweifellos ein Zusammenhang zwischen der Entstehung neuer kultureller Zentren innerhalb seiner Grenzen und der sukzessiven Bedeutungsrelativierung seiner Kopenhagener Residenz. Denn die besonderen Verhltnisse und Mißstnde am Frstenhof gestatteten nunmehr „dem reichen Emkendorf, ein Fhrer und ein Spiegel der neuen Zeitbildung […] zu werden; es ersetzte einen Hof“343. Allerdings verknpften sich mit dieser sdwrts orientierten Ausrichtung insbesondere des deutschsprachigen Geisteslebens344 eine kulturelle gesamtstaatliche Dezentralisierung und literarische Entfaltung whrend einer Zeitspanne, in der es gerade darauf ankam, gemeinsam konsensfhige Antworten auf die von der Franzçsischen Revolution ausgehenden Impulse und politischen Vernderungen zu finden. Die zusehends polarisierte Gesamtstaatskultur kam unter diesen Bedingungen im Bereich der Herzogtmer wesentlich einer kleinstaatlichen und kleinstdtischen Hof- und Universittskultur gleich345, deren Struktur die auch in dieser Region

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Nation, zu behaupten, welches um so erklrlicher ist, da in gewissen Zeitpuncten die Deutschen sich ein bergewicht in Copenhagen erungen hatten, indem namentlich die hçchsten Staatsmter von Deutschen besetzt waren“, Pfaff, Lebenserinnerungen, S. 89 f. Vgl. o. S 40 f. Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 536. Zu Eutin als weiterem nçrdlich der Elbe gelegenen Zentrum von erheblichem kulturellen Gewicht u. S. 328 – 331. Eberhard Schulz, Literatur in Schleswig-Holstein, in: ders., Wort und Zeit, Neumnster 1968, S. 253 – 279, stellt S. 270 f. fest: „Die deutsche Literatur Kopenhagens emigrierte ins Holsteinische, wo sie, gesellschaftlich betrachtet, hnliche Bedingungen antraf wie in Dnemark. Sie konnte sich auch hier mit der Adelskultur des Landes verbinden, die in dem Kreis um Fritz und Julia Reventlow auf Schloß Emkendorf ihren reifsten Ausdruck fand“. Zahlreiche Exponenten der Herzogtmer wußten sich in vielfltiger Weise vernetzt mit den sdlich der Elbe beheimateten Heroen deutscher Bildung und Kultur. So hatte etwa Friedrich Schiller im Augustenburger Prinzen Christian wie auch in Ernst Schimmelmann bedeutende Mzene seines Wirkens gefunden, vgl. J.H. Eckardt, Schillers dnische Freunde, in: Stunden mit Goethe. Fr die Freunde seiner Kunst und Weisheit, hg. von Wilhelm Bode, Berlin 1910, S. 16 – 49; Louise Stolberg fhrte ber viele Jahre hinweg einen intensiven Briefwechsel mit zahlreichen deutschen Gelehrten, darunter Johann Gottfried Herder, der im Jahre 1770 selbst ber einige Monate hinweg im Auftrag des Lbecker Frstbischofs in

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durchaus vorhandenen liberal orientierten sozialpolitischen Krfte und Tendenzen nicht zu einer Verwirklichung ihrer Absichten gelangen ließ. Diese auf Vernderung bedachten Krfte wurden nun ihrerseits abgedrngt: Einerseits schrnkte die Zensur ihre ausschließlich literarischen, zur revolutionren Tat nicht befhigten Mçglichkeiten zunehmend ein; andererseits lernte ein weiterer Teil der zumindest anfnglich revolutionsfreundlich eingestellten Zeitgenossen diese Einstellung alsbald entEutin und Kiel als Erzieher und Reiseprediger fr dessen Sohn ttig gewesen war. Als Fichtes Vorgnger in Jena war der Kantianer Professor Reinhold an die Kieler Universitt berufen worden. So verwundert es nicht, daß die Emkendorfer im Interesse zunehmender Vernetzung mit den im Sden lebenden Dichtern und Gelehrten zu wiederholten Malen mit Goethe nheren Kontakt aufzunehmen versuchten; hierzu Dieter Lohmeier, Herder und der Emkendorfer Kreis. Teil 1, NE Band 35 / 1966, S. 110 f.; Detlev W. Schumann, Goethes Beziehungen zu Nordelbingen und zu Nordelbiern II, in: NE 43 / 1974, S. 246 – 272, hier bes. S. 250 – 256. Goethe seinerseits beantwortete die von Friedrich Heinrich Jacobi brieflich am 16. Dezember 1794 bermittelte Einladung nach Emkendorf recht herablassend, indem er schlicht konstatierte: „Ich find es nicht auf der Karte“. Allerdings hatte er einen subjektiven Eindruck von den hinter dieser Einladung stehenden Persçnlichkeiten, denn er lehnte das Anerbieten nicht zuletzt wegen der kritischen Aufnahme ab, die „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ auf Emkendorf gefunden hatte, worber Jacobi ihn in seinem Brief vom 18. Februar 1795 informiert hatte; denn Jacobi hatte dem Emkendorfer Publikum gegenber „nachgeben mssen, daß ein gewisser unsauberer Geist darin herrsche, und die Sache damit entschuldigt“, daß er das Buch als eine „eigene Art von Confessions anshe“, zit. n. der Regestausgabe „Briefe an Goethe“. Goethe hielt daraufhin fr sich selbst fest: „An der Sittlichkeit hatten die Damen gar manches auszusetzen, und nur ein einziger tchtiger berschauender Weltmann, Graf Bernstorff, nahm die Partei des bedrngten Buches. Um so weniger konnte der Autor Lust empfinden, solche Lektionen persçnlich einzunehmen und sich zwischen eine wohlwollende, liebenswrdige Pedantierie und den Teetisch geklemmt zu sehen“, Johann Wolfgang Goethe, Tag- und Jahreshefte 1795, S. 555 – 564, in: Ders., Poetische Werke. Achter Band. Autobiographische Schriften, Erster Teil, Augsburg o. J., hier: S. 558. Anfang Oktober 1796 diskreditierte Goethe die holsteinischen Adelssitze Emkendorf und Knoop erneut als „Sumpf- und Wassernester“ und vermutete Emkendorf nicht nur in landschaftlicher, sondern auch geistiger Einçde. Gegenber seinem Kunstfreund Heinrich Meyer spricht er in einem Brief vom 30. Oktober 1796 vom „christlich-moralisch-sthetischen Jammer […], der sich an den Ufern der Ostsee in der ohnmchtigsten Aufgeblasenheit versammelt“, zit. n. Dieter Lohmeier und Wolfgang Mller, Emkendorf und Knoop. Kultur und Kunst in schleswig-holsteinischen Herrenhusern um 1800, Heide 1984, S. 5; hierzu auch Folke-Christine Mçller-Sahling, Julia Grfin von Reventlow. Versuch einer sozialhistorischen Rekonstruktion, Klagenfurt 1999, S. 29 f. – Zu den Verhltnissen an der Kieler Christian-Albrechts-Universitt im brigen u. S. 237 – 289.

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schieden zu negieren, insbesondere, nachdem mit der Guillotinierung Ludwigs XVI. der Boden einer konstitutionellen Monarchie in Frankreich ohnehin endgltig aufgegeben war346. Die numerisch bedeutungslose Minoritt grundstzlich Vernderungswilliger ging unter diesen Bedingungen in die radikaldemokratisch-jakobinisch orientierte Opposition347. Die Einschtzung Rolf Engelsings ber die deutschen Reaktionen auf die revolutionren Ereignisse gilt von diesen Bedingungen her mutatis mutandis auch fr die Herzogtmer im Gesamtstaat: „Als die Ereignisse in Paris zur Zeit Robespierres ein nach kleinstaatlichmittelstdtischem Horizont brgerliches Maß berschritten, wurde die Stimmung in Deutschland minderheitlich berhitzt, mehrheitlich aber flau.“348

Emkendorfs Intentionen erwuchsen aus den hier beheimateten aristokratisch-konservativen Anschauungen. Sie galten dem Bemhen, Tendenzen einer kulturellen Separation innerhalb des Gesamtstaates ebenso zu assimilieren wie die Verbreitung radikaler, auf gesellschaftliche Umwlzung bedachter Auffassungen zu absorbieren349. Anfnglich gegenber den geistigen Strçmungen der Zeit durchaus aufgeschlossen, avancierte Em346 Einen Wandel ihrer Haltung zur Franzçsischen Revolution machten auch einzelne Angehçrige des Stolberg-Reventlow-Schimmelmannschen Familienkreises durch; in besonders eindrucksvoller Weise galt dies fr den dnischen Finanzminister Heinrich Ernst Graf Schimmelmann und Louise Grfin Stolberg. 347 Vgl. o. Kap. II 2. 348 Rolf Engelsing, Die literarische Gesellschaft, in: Peter Ptz, Hg., Erforschung der Deutschen Aufklrung, Kçnigstein/Ts. 1980, S. 162 – 175, hier: S. 167. 349 Zu Emkendorf: Rudolf Kayser, Geistig-Religiçses Leben auf Schloß Emkendorf. Zur Vorgeschichte der deutschen Restaurationsperiode, in: Preußische Jahrbcher Band 143 / 1911, S. 240 – 263; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 105 – 171; ders., Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 215 – 225; Gottfried Mehnert, Die Kirche in Schleswig-Holstein, S. 114 – 117; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 277 – 290; Dieter Lohmeier, Herder und der Emkendorfer Kreis. Teil 1, in: NE 35 / 1966, S. 103 – 132; ders., Herder und der Emkendorfer Kreis. Teil 2, in: NE 36 / 1967, S. 39 – 61; Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt in der Zeit der Aufklrung und der Franzçsischen Revolution, in: Horst Fuhrmann, Hans Eberhard Mayer und Klaus Wriedt, Hg., Aus Reichsgeschichte und Nordischer Geschichte, Stuttgart 1972, S. 321 – 346, hier: S. 329 – 346; Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, in: Brief und Briefwechsel in Mittel- und Osteuropa im 18. und 19. Jahrhundert, hg. von Alexandru Dutu, Edgar Hçsch und Norbert Oellers unter Red. von Wolfgang Kessler, Essen 1989.

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kendorf zunchst zu einem „gjaestfri Hjem, som er blevet betegnet som et nordisk Akademi for Literatur, Videnskab og Kunst“350 und stand als „eine Art ,Musenhof‘“351 ber viele Jahre hinweg fr ein „Netz freundschaftlicher und verwandschaftlicher Beziehungen, die einen sehr unterschiedlichen Stellenwert bei den einzelnen Mitgliedern hatten, und die von gemeinsamem Interesse und wechselnder Vertrautheit geprgt waren.“352

So entwickelte sich Emkendorf „zum Mittelpunkt gegenrevolutionrer und gegenaufklrerischer Bestrebungen“353. Der Emkendorfer Hausherr Graf Friedrich Reventlow354 war anfnglich wie sein Bruder Cai355 und sein auf Knoop lebender Schwager Heinrich Friedrich Baudissin356 im Staatsdienst ttig; nach dem Tode des Vaters nahm er jedoch im Jahre 1786 den Abschied aus dem diplomatischen Dienst und wandte sich seit dem 350 Louis Bob, Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Syvende Bind, S. XXXIV. 351 Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 321. Noch im Januar 1828 ußert Caroline Hegewisch: „Eine liebende Erinnerung an Emkendorf thut mir immer wohl. Ein edler, ein verwçhnender Geist des Guten waltet unter dem Dache. So lange ich athme werde ich dies Andenken lieben und seegnen“, zit. n. ders., Auszge aus ihren Briefen an Eltern und Geschwistern von 1807 – 1856, Kiel 1892. 352 Folke-Christine Mçller-Sahling, Julia Grfin von Reventlow. Versuch einer sozialhistorischen Rekonstruktion, S. 6. 353 Franklin Kopitzsch, Schleswig-Holstein im Gesamtstaat 1721 – 1830: Absolutismus, Aufklrung und Reform, S. 325. 354 In den Zeitzeugnissen zumeist „Fritz“ genannt. Zu Fritz Reventlow: [Carsten Erich] Carstens, ADB 28, S. 336 – 338; Sven Cedergreen Bech, DBL 12, S. 176 – 178; Dieter Lohmeier, SHBL 7, S. 225 – 29; Christoph Heinrich Pfaff, Lebenserinnerungen, S. 119 – 121; Axel Linvald, Kronprins Frederik og hans Regering 1797 – 1807, København 1923, S. 234 – 237; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 93 – 104; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 277 – 290; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 22 – 25; Dieter Lohmeier und Wolfgang J. Mller, Emkendorf und Knoop. Kultur und Kunst in schleswig-holsteinischen Herrenhusern um 1800, S. 12 – 16; Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, S. 300; Briefe von Fritz Reventlow in Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Ottende Bind, udg. af Louis Bob, S. 287 – 331, vgl. a. dens., Tredie Bind, S. 361 – 363. Zu Reventlows Ttigkeit als Kurator der Kieler Universitt u. S. 286 – 289. 355 Zu diesem Louis Bob, a.a.O. (Anm. 354), Tredie Bind, S. 360 f.; Dieter Lohmeier, Art. „Cay Friedrich Graf von Reventlow“, SHLB 7, S. 201 – 204, sowie im Folgenden S. 283 und 300 f. 356 Zu diesem Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein, S. 127 f.

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Jahr 1788 der Bewirtschaftung des ererbten Gutes zu. In der durchaus exponierten Stellung als Eigentmer eines der bedeutendsten Gter der Herzogtmer nahm Fritz Reventlow fortan eine in seinem aristokratischen Selbstbewußtsein grndende doppelseitige Frontstellung „gegen das absolutistische Kçnigtum wie gegen demokratisch-nivellierendes Sansculottentum“357 ein. Die vormals als dnischer Gesandter in London358 erworbenen Kenntnisse der britischen konstitutionellen Monarchie wie auch sein Studium der Schriften Montesquieus hatten ihn vom Wert einer stndischen Ordnung und der Bedeutung einer grundbesitzenden Aristokratie berzeugt. Der stndische Charakter seines Denkens schloß daher im weiteren Verlauf der Revolution jede Regung aus, die den politischen Interessen des Dritten Standes auf Kosten der Aristokratie entgegenkam359. Mit dieser konservativen politischen Position verbanden sich in engster Weise seine religiçsen Anschauungen, die ihrerseits aus einem streng orthodox-lutherisch geprgten Christentum360 hervorgingen. Als Gegner der 357 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 277; vgl. a. Hubertus Neuschffer, a.a.O. (Anm. 354). 358 Nach seiner Ttigkeit als Auskultant und Rat am Gottorfer Obergericht wie auch in der Glckstdter Kanzlei wirkte Fritz Reventlow ab 1779 als Deputierter in verschiedenen Kopenhagener Regierungskollegien; es folgte 1780 – 1784 die Ttigkeit als dnischer Gesandter zunchst in Stockholm, ab 1784 – 1788 in London. 359 Die Aufhebung der Leibeigenschaft erfolgte auf Emkendorf nicht auf Grund humaner Weitsicht, sondern erst zum regierungsseitig festgesetzten gesetzlichen Termin, vgl. o. S. 112 f.; hierzu Georg Reimer, Aufhebung der Leibeigenschaft in Emkendorf, in: Heimatkundliches Jahrbuch fr den Kreis Rendsburg 1956, S. 144 – 166; Harry Schmidt, Die Aufhebung der Leibeigenschaft im Kirchspiel Westensee, in: Heimatkundliches Jahrbuch fr den Kreis Rendsburg 1954, S. 136 – 144. 360 Rudolf Kayser, Geistig-Religiçses Leben auf Schloß Emkendorf, spricht S. 242 von der „Erneuerung aller Formen religiçsen Lebens“, wobei „das wiedererwachte Geistesleben mit Elementen der Romantik durchsetzt“ gewesen sei, was zu „einer Erneuerung der Orthodoxie und des Pietismus“ gefhrt habe. Auch Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 224, empfindet die Emkendorfer Religiositt insbesondere im Hinblick auf Julia Reventlow als eine „orthodox-lutherische, von pietistischen Anschauungen durchzogen“, vgl. dens., Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein, S. 85.101; hnlich Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, S. 297; Christian Degn, a.a.O. S. 280: „Im Schloß Emkendorf lebte lutherische, alleinfalls leicht pietistisch gemilderte Glaubensstrenge“; Dieter Lohmeier, Herder und der Emkendorfer Kreis, in: NE 35 / 1966, S. 103 – 132, bezieht S. 108 die pietistische Dimension bei seiner Qualifizierung der Emkendorfer Religiositt mit ein, da beide Reventlows „fr ein in der Dogmatik orthodox-lutherisches, in der Frçmmigkeit pietistisches Christentum“ gekmpft htten. Hierzu weiterhin der berblick ber die diversen Forschungs-

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Aufklrung wie auch aller rationalistischen Tendenzen361 ging er bei seiner Bewertung der Revolutionsereignisse „von religiçs bestimmten ethischen Grundstzen aus“, die ihn zum „schrfsten Kritiker der Franzçsischen Revolution“362 werden ließen. Im Glauben an die unmittelbare Offenbarung Gottes in der biblischen berlieferung sowie an die Versçhnungslehre363 fhrte Reventlow die Franzçsische Revolution „auf den offen propagierten, schamlosen Atheismus’ zurck“364, und seine Einschtzung der Revolution als der „schlimmsten Frucht der Aufklrung“ qualifizierte seine Befehdung dieser Aufklrung letztlich als „Kampf gegen die Demokratie aus religiçsen Grnden“365. Deutlich bemerkte Reventlow den

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beitrge zur religiçsen Einordnung Emkendorfs von Hartmut Lehmann, Zwischen Pietismus und Erweckungsbewegung, in: Ders. und Dieter Lohmeier, Hg., Aufklrung und Pietismus im dnischen Gesamtstaat 1779 – 1820, Neumnster 1983, S. 267 – 279. Folke-Christine Mçller-Sahling, Julia Grfin von Reventlow. Versuch einer sozialhistorischen Rekonstruktion, verweist S. 46 zu Recht auf „die franzçsischen Emigranten, die sich um 1800 ber viele Jahre auf Emkendorf aufgehalten haben, Adlige und Brgerliche, Anhnger des ancien rgime und Konstitutionalisten aller Konfessionen“, was eben nicht erlaube, „die soziale und kulturelle Exklusivitt des Emkendorfer Gutes mit einem pietistischen Konventikel zu verwechseln“; sie spricht daher S. 53 von einem Emkendorfer „Luthertum antirationalistischer Prgung“. Sowohl an der Kieler Christian-Albrechts-Universitt als auch innerhalb des Kieler Lehrerseminars unter dessen katechetischem Ausbilder Heinrich Mller bekmpfte Fritz Reventlow whrend seiner Ttigkeit als Universittskurator den „rationalistischen Ungeist“ mit ußerster Entschlossenheit; hierzu u. S. 292 – 301. Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 22. Vgl. hierzu die ußerung seines Hofmeisters Johann Conrad Ziegler in einem Brief an Johann Georg Mller vom 11. Mai 1805, der Graf sei im Hinblick auf Herder „noch immer zweifelhaft […], ob er ihn fr einen Theologen halten soll, der mehr dem alten System anhing, oder der Bibel als Offenbarung kein besonderes Ansehen einrumte“, zit. n. Detlev W. Schumann, Der Emkendorfkreis und Johann Georg Mller in Schaffhausen, in: NE 32 / 1963, S. 72 – 119, hier: S. 102; Lotte Hegewisch, Erinnerungen frherer Stunden fr Letzte Stunden, Kiel 1902, resmiert S. 9: „In Emkendorf […] strebten sie nach christlichem Leben in der Versçhnungslehre und Liebe“. Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 22. So Gottfried Mehnert, Die Kirche in Schleswig-Holstein, S. 115. Hierzu a. Christian Degn, Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, S. 326: „Die vielgerhmte Weitherzigkeit Emkendorfs, jene Zauberwelt, in der nach einem Wort von Nicolovius jeder Tugendsame das Brgerrecht erlangen konnte, verengte sich mehr und mehr, als die ,schrecklichen

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geistigen Wandel, den die Revolution offenbarte; allerdings hielt er die Menschen „unserer Zeit nicht reif zur Freyheit“366 : „Wir leben […] in einer Zeit großer Begebenheiten […] Und dennoch wird trotz aller der großen Revolutionen des Jahrhunderts, die nicht allein einzelne Menschen und Reiche in ihren ußeren Verhltnissen betreffen, sondern nichts weniger als Grundstze und Denkungsart des gesittesten Theils des Menschgeschlechts ganz erschttert und umgeformt haben, am Ende das wahre Gute viel weniger als man denken sollte, erhalten werden.“367

Diese Zeilen vermitteln, in welchem Maß die aktuelle globale Umbruchsituation dem holsteinischen Grafen zu schaffen macht; auch offenbaren sie statt eines Fortschrittsglaubens die pessimistische Auffassung, alles wende sich zum Schlechteren. Die exogene Wirkung der „Revolutionen“ erkennt Reventlow klar in deren endogener Herkunft: In der eingetretenen Vernderung von „Grundstzen“ und „Denkungsart“. Sorge um eine Revolution im eigenen Lande sowie die gleiche grundlegende Skepsis gegenber ihren Auswirkungen fr die Belange des menschlichen Gemeinwesens sprechen auch aus einem an seinen Schwager Ernst Schimmelmann adressierten Brief vom 20. Mrz 1795. Mit Blick auf die gegenber dem holsteinischen Adel zunehmend von Regierungsseite her forcierte Aufhebung der Leibeigenschaft fordert er vom dnischen Finanzminister flankierende Maßnahmen des Staates fr die betreffenden Gutsbesitzer ein: „Begnstigungen und Untersttzungen sind also […] wirklich unumgnglich nothwendig, um nicht den Zweck selbst zu verfehlen und Klagen ohne Zahl der gegrndetsten Art hervorzurufen. Allerdings wrde eine Revolution alle diese Schwierigkeiten sehr bald ebenen, und wer weiss, wie nahe sie uns ist. Aber wohlthtig wrde auch diese nicht seyn, gewiss selbst fr diejenigen nicht, deren Interesse sie zu bewirken scheinen mçchte, und denen wirklich zu helfen jetzt die Absicht ist.“368

Zeiten des Wahnsinns und des Aufruhrs’, die mit dem Bastillesturm begannen, die Reventlows zum unversçhnlichen Kampf gegen den Rationalismus aufriefen“. 366 Brief an Louise Stolberg vom 11. November 1789, zit. n. Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 23. 367 Brief an seinen Bruder Cai vom 7. Februar 1790, zit. n. Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 25. 368 Zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Ottende Bind, udg. af Louis Bob, S. 293.

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Fritz Reventlows Ehefrau Julia369, Tochter des zu außerordentlichem Reichtum gelangten und in den Grafenstand erhobenen dnischen Schatzmeisters Schimmelmann, bestrkte ihren Gatten in seiner Haltung. Sie war „die eigentliche Seele“370, „der eigentliche Mittelpunkt“371 Emkendorfs, von Friedrich Leopold Stolberg einmal metaphorisch umschrieben als „eine sehr schçne duftende Blume im Garten […], die sich unter dem Hauche des Alliebenden immer schçner und schçner çffnet und lieblicher duftet.“372

Klopstock nannte Julia Reventlow in einem Brief an Carl Friedrich Cramer einen „Engel im eigentlichen Verstande“373, whrend der aus Jena nach Kiel berufene Professor Karl Leonhard Reinhold im Jahre 1794 bekannte, er werde „diesen Winter çfters nach Emkendorf kommen, ungeachtet ich von der liebenswrdigen, aber etwas streng orthodoxen Julie ein hartes Examen ber 369 Zu Julia Reventlow: Briefe an ihren Bruder Ernst Schimmelmann in Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, udg. af Louis Bob, Ottende Bind, S. 334 – 349; Karl Weinhold, Heinrich Christian Boie, Halle 1868, S. 120 f.; 334 f.; F.[riedrich] H.[einrich] Jacobis auserlesener Briefwechsel, Bd. 2, Leipzig 1827, S. 16 – 20; Christoph Heinrich Pfaff, Lebenserinnerungen, S. 121 f.; Paul von Hedemann-Heespen, Religion, Verfassung und Volkstum in Schleswig-Holstein von 1789 – 1820, in: NE 4 / 1925, S. 347 – 367, hier S. 358 f.; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 104 – 116; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 25 f.; Christian Degn, Art. „Friederike Juliane Grfin von Reventlow“, SHBL 8, S. 235 – 238; ders., Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, S. 323 – 337; Dieter Lohmeier und Wolfgang J. Mller, Emkendorf und Knoop, S. 16 – 20; Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, S. 300 – 303; Arnold Stenzel, Johann Heinrich Pestalozzi und die „Sonntagsfreuden des Landmanns“ der Julia von Reventlow, in: NE 66 / 1997, S. 95 – 110; Folke-Christine MçllerSahling, Julia Grfin von Reventlow. Versuch einer sozialhistorischen Rekonstruktion, passim. 370 Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 104. 371 Christian Degn, Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, S. 323. 372 Brief Friedrich Leopold Stolbergs an seinen Bruder Christian v. 26. Mrz 1785, Nr. 188 in: Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. Briefe, hg. von Jrgen Behrens, hier: S. 176. 373 Brief vom 19. Januar 1790, in: Briefe von und an Klopstock. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte seiner Zeit, hg. von J.[ohann] M.[artin] Lappenberg, Braunschweig 1867, S. 331.

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stellvertretende Genugthuung, Sndenvergebung, Gottheit Christi, zu berstehen hatte.“374

Julia Reventlows religiçser Glaube erscheint „zwar seelenvoller [als der ihres Mannes, L.-P.], aber nicht weniger unerbittlich“375 : In ihrer Anschauung bedeutet Christentum die „unbedingte Ergebung des sndigen Menschen in Gottes Willen; das Leben mußte eine mhselige Pilgerfahrt sein“376. Dabei drngt dieser Glaube durchaus zur christlich motivierten Tat. In Julia Reventlow vereinen sich „gutsherrschaftliche Patronage und soziales Engagement […] mit literarisch geschmckter Geselligkeit“377.

374 Brief Karl Leonhard Reinhold an Jens Immanuel Baggesen v. 6. Dezember 1794, zit. n. Lehmann – Lohmeier, Aufklrung und Pietismus im dnischen Gesamtstaat, S. 268. Reinhold bestand diese Prfung, „wie er schreibt, weder als ,Naturalist‘ noch als ,Supernaturalist‘, aber immerhin als Christ“, zit. n. Christian Degn, Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, S. 327. Zum Kontext auch Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, S. 214: „Den Emkendorfern […] mußte es mißfallen, daß Kant nicht vom christlichen Standpunkt aus philosophiert, sondern das Christentum seinem philosophischen Denken unterwirft“; hierzu Friedrich Wilhelm Graf und Klaus Tanner, Philosophie des Protestantismus. Immanuel Kant, in: Friedrich Wilhelm Graf, Hg., Profile des neuzeitlichen Protestantismus, Bd. 1, Gtersloh 1990, S. 86 – 112, bes. S. 96 – 108. 375 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 278. Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt in der Zeit der Aufklrung und der Franzçsischen Revolution, spricht S. 329 von einer „tiefen Religiositt“ und einem „orthodoxen Kirchenglauben“ im „Wesenskern dieser Adligen […], dem es nicht an pietistischer Schwrmerei, aber auch nicht an harter Intoleranz fehlt“; Eberhard Wilhelm Schulz, Der schleswigholsteinische Adel als Publikum Klopstocks, urteilt S. 184: „Die Tochter Schimmelmanns, des Finanzministers, die nach ihren eigenen Worten 30 Jahre ohne Gott gelebt hat, berlßt sich seit 1790 einer ekstatischen Frçmmigkeit“. 376 Christian Degn, Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, S. 327. – Dieter Lohmeier hebt als das „religiçse Element“ im kulturpolitischen Programm Emkendorfs „die Bekmpfung des Rationalismus im Namen eines konservativen Luthertums“ hervor; daher sei es „nicht verwunderlich, daß die religiçse Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts bei den berlebenden Mitgliedern des Emkendorfer Kreises starke Resonanz fand, wie die Altersfreundschaft von Andreas Peter Bernstorffs Witwe Auguste Stolberg mit Claus Harms zeigt“, in: Ders. und Wolfgang J. Mller, Emkendorf und Knoop. Kultur und Kunst in schleswig-holsteinischen Herrenhusern um 1800, S. 20. – Allerdings: Die eben angesprochene Entwicklung hat Julia Reventlow nicht mehr miterlebt; sie starb im Jahre 1816. 377 Folke-Christine Mçller-Sahling, Julia Grfin von Reventlow. Versuch einer sozialhistorischen Rekonstruktion, S. 22.

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So verfaßt sie unter deutlich erkennbaren pdagogischen Intentionen in einem wohlwollenden Geist die „Sonntagsfreuden des Landmanns“378, die Johann Heinrich Pestalozzis „Lienhard und Gertrud“379 sprbar nachempfunden sind. Strker als in der erheblich lngeren Vorlage verbinden sich in der Erçrterung alltglicher Fragen des Landlebens praktischpdagogisches und religiçses Interesse380. Selbst kinderlos, versammelt Julia Reventlow gerne die Kinder der Gutsarbeiter um die wohl auf Grund psychosomatisch bedingter Leiden oft eingenommene Chaiselongue381. Zwei Jahre nach den „Sonntagsfreuden des Landmanns“ verçffentlicht sie eine Zusammenstellung praktischer Ratschlge zur Gesundheitsvorsorge und Erziehung von Kindern, betitelt

378 1791 in Kiel anonym erschienen; hierzu Detlev W. Schumann, Caroline Baudissin und Julia Reventlow als Schriftstellerinnen, in: NE 26 / 1958, S. 158 – 183, hier bes. S. 166 – 169; Silke Gçttsch, „Sonntagsfreuden des Landmanns“. Zur literarischen Selbstinszenierung zweier landadliger Frauen um 1800 in SchleswigHolstein, in: Bernd Jrgen Warneken, Hg., Volksfreunde: Historische Varianten sozialen Engagements. Ein Symposium, Tbingen 2007, S. 107 – 118. 379 Johann Heinrich Pestalozzi, Lienhard und Gertrud. Ein Buch fr das Volk, Berlin / Leipzig 1781; die 4. Aufl. hg. von Albert Reble, Bad Heilbrunn/Obb. 1993. Zum Kontext Arnold Stenzel, bes. S. 95 – 100; vgl. a. Peter Stadler, „Lienhard und Gertrud“ als Spiegel einer Lebens- und Zeiterfahrung. Die ersten beiden Bnde, in: Ders., Pestalozzi, Geschichtliche Biographie Band 1. Von der alten Ordnung zur Revolution, 3. Aufl., Zrich 1996, S. 205 – 232; ders., Der schwierige Abschluß von „Lienhard und Gertrud“. Vom Bauern- zum Frstenroman, ebd., S. 253 – 269; zum Kontext a. Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, I. Bd., 3. Aufl., Freiburg 1947, S. 413 f. 380 Arnold Stenzel, Johann Heinrich Pestalozzi und die „Sonntagsfreuden des Landmanns“ der Julia von Reventlow, bilanziert S. 100 als wesentlichen Unterschied zwischen Pestalozzis ,Lienhard und Gertrud‘ und den ,Sonntagsfreuden‘ Julia von Reventlows „die gegenstzliche religiçse Einstellung […] Wenn es Pestalozzis Ziel ist, ,eine durchgreifende, innere Reform des gesellschaftlichen Lebens‘ zu erreichen […], wenn er ,Erziehung als Antwort auf die soziale Frage‘ […] verstanden hat, so ist davon bei Julia so gut wie nichts zu erkennen. Dazu war man in Emkendorf wohl zu konservativ“; vgl. ebd. S. 98: „Schule“ ist innerhalb der „Sonntagsfreuden“ Julia Reventlows „beschrnkt auf die Vermittlung der ,Kulturtechniken‘ und auf religiçse Unterweisung. Da von jenen Vernderungen, auf die Pestalozzi so sensibel reagiert hat, nichts zu spren ist, ist es auch nicht notwendig, der Schule neue Aufgaben zuzuweisen“. 381 Zur im Emkendorfer Kreis gehegten Auffassung Julia Reventlows als „armer Kanapeedame“ oder als „Patientia“ bzw. „la sainte Julie“, die „nur eine halbe existence fhrte“, cf. Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, S. 303.

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„Kinderfreuden oder Unterricht in Gesprchen“382. So verschmelzen in der Gestalt der Emkendorfer Grfin aristokratisches Standesbewußtsein und das Bedrfnis, den anvertrauten Gutsuntertanen eine liebevolle materfamilias zu sein. Als Ideal erscheint damit das Bild einer ausgeweiteten christlich-orthodoxen Hausgemeinschaft mit entsprechender Rollenzuweisung der jeweiligen Exponenten. Diese Anschauung verschloß sich notwendig dem Gedanken der Volkssouvernitt, und daher konnten die Intentionen der Franzçsischen Revolution in einem solchen, in manchen Zgen dem Gedanken des romantisierenden Idylls verpflichteten Denken keinerlei Aufnahme finden. Die vom christlichen Liebesgebot geprgte und damit durchaus verantwortungsethisch reflektierte Haltung gegenber den allerdings unhinterfragt als anvertraute Untertanen hingenommenen Mitmenschen zeigt sich bei Julia Reventlow auch in ihrem Verhltnis zu den auf ihren westindischen Plantagen lebenden Sklaven. Am 17. Februar 1789 schreibt sie an ihren Bruder Ernst Schimmelmann ber eine Herzensangelegenheit. Diese betrifft das Schicksal der nahezu eintausend Sklaven auf ihren vom Vater ererbten, auf St. Thomas sowie St. Croix gelegenen Plantagen: „Ich las neulich wieder ihre Bekehrungs Geschichte von Crantz; die Herrnhuter sind Engel des Himmels fr sie gewesen383 ; sie haben ihnen die Pforten eines bessern Lebens aufgeschlossen, damit sie in diesem nicht vor Jammer verschmachteten. Unser Beruf ist es aber, ihnen dieses mhselige Leben zu erleichtern und ihnen diese Erleichterung selbst mit Aufopferung zu erkaufen […]; ist es nicht genug, dass sie fnf Tage im Schweiss ihres Angesichts fr uns arbeiten – so htten sie auch Zeit, ihr Eigenthum zu bearbeiten, welches man ihnen verschaffen wollte. Kçnnte man nicht auch durch gewisse Einrichtungen, die unwandelbar blieben, fr die Alten und Schwachen sorgen?“384 382 1793 in Kiel und Leipzig erschienen; hierzu Detlev W. Schumann, Caroline Baudissin und Julia Reventlow als Schriftstellerinnen, S. 170 – 173; vgl. a. die Entwrfe Julia Reventlows LAS Abt. 394 Nr. 8. 383 Die Herrnhuter wirkten seit 1732 auf der westindischen Antille St. Thomas, wo sie ihren ersten Missionsposten errichtet hatten. Im Folgejahr nahmen sie ihre Missionsarbeit auf Grçnland auf, ber deren Geschichte David Crantz im Jahre 1765 seine „Historie von Grçnland“ herausgab, auf die Julia Reventlow im obenstehenden Kontext Bezug nimmt: Ders., Historie von Grçnland, enthaltend die Beschreibung des Landes und der Einwohner, insbesondere die Geschichte der dortigen Mission der Evangelischen Brder zu Neu-Herrnhut und Lichtenfels“, Barby 1765, als Nachdruck ersch. in Hildesheim 1995; diese Angaben nach Daniel Heinz, Art. „David Crantz“, BBKL XVI, Sp. 324 – 326. 384 Zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Ottende Bind, udg. af Louis Bob, S. 340.

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Ein dreiviertel Jahr spter ußert sie im Herbst des Revolutionsjahres gegenber ihrem Bruder, der als „Verehrer Lessings, Kants und Schillers […] im Emkendorfer Sinne kein Christ“ war, um „sich mit zunehmendem Alter immer mehr stoischer Lebensauffassung“ anzunhern385, der ihr jedoch aus humanistischen Idealen und als liebender Bruder auch in der Sklavenfrage eng zur Seite stand: „Mit der elenden Antwort: dass unsere Negers es gut haben und wohlgenhrt und gut gekleidet sind, kann ich mich unmçglich zurckweisen lassen; und wrde im Geist ergrimmen, wenn ich es mit anhçren mßte. Ohne Opfer von unserer Seite lsst sich freylich nichts erlangen […] Lass uns doch wenigsten[s] irgend einen Anfang machen. Noch sind keine Schulen eingerichtet! – Noch sind keine Herrnhuter besoldet, die Jugend im Christenthum zu unterweisen, welches mir bey weitem das Wichtigste ist.“386

In diesem Brief findet sich auch die hufig zitierte ußerung Julia Reventlows ber die ihr „verhasst“ gewordene Aufklrung:: „Welche Zeiten erleben wir! Wahrlich, ich weiss keine Worte zu finden, um dir meinen tiefen Seelenspleen auszudrcken. Und jede Zeitung erfllt einen mit neuer Trostlosigkeit, mit neuem Grauen. Das Wort Aufklrung ist mir nachgerade recht verhasst geworden. Nie ist es so oft ausgesprochen worden wie in diesem seichten Jahrhundert, wo nichts Grosses gedeiht […] O dass der Mensch wieder lernte, sich selbst reformieren und den andern seine Leuchte nicht vorhielte, ehe er in diesem Kampf bestanden! O dass er wieder lernte, die geseegneten Einflsse von oben herab in seiner Seele aufzusammlen und seine Ohnmacht erkennte, wenn er sich nur auf sich selber sttzt. Dann wrden wieder Friede und Glckseeligkeit sich kssen. Fast mçchte man in dieser Zeit sich schmen, ein Mensch zu seyn!“387 385 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 279. Seit 1791 erhielt Friedrich Schiller von seinen nordelbischen Mzenen Ernst Schimmelmann und Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg eine jhrliche Summe von 1000 Reichstalern. 386 Brief vom 28. November 1789, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Ottende Bind, S. 343. Die Bemhungen der beiden Geschwister um eine wesentliche Verbesserung der Sklavenlage waren erfolgreich: „Daß Dnemark 1792 – vor England – den ersten Schritt zur Abschaffung des Sklavenhandels tat, der mit dem Jahre 1802 endgltig aufhçren sollte, ist vor allem das Verdienst Ernst Schimmelmanns und Julia Reventlows“, Christian Degn, a.a.O., S. 280; vgl. in diesem Zusammenhang a. Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830. Danmarks Historie Bind 10, S. 116 – 120. 387 Brief vom 28. November 1789, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Ottende Bind, udg. af Louis Bob, S. 344. Auffallend an diesen ußerungen sind die deutlichen Anklnge an Psalm 85; vgl. zu den „geseegneten Einflssen von oben“ und der Vorstellung vom „sich mit der Glckseeligkeit kssenden Frieden“ Ps 85,10 f. Allerdings kssen sich nach Ps 85,11 „Gerechtigkeit

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Julia Reventlow erklrt sich durchgngig gegen die Aufklrung wie auch das politische Geschehen in Frankreich aus ihrer Einsicht heraus, Vernunft und Irreligiositt kçnnten dem Menschen seinen Frieden und sein Glck niemals verbrgen. Stattdessen tritt sie in der Frage der gesellschaftlichen Gestaltung – also unter kollektiver Orientierung – ein fr eine stndische Freiheit und damit fr den Beibehalt des gesamtstaatlichen status quo; andererseits aber faßt sie die individuelle, alle konkreten gesellschaftlichen Einbindungen transzendierende menschliche Freiheit vor allem in einem fundamentalen Sinne auf als eine wesentlich geistige Freiheit, durch die es dem einzelnen mçglich werden sollte, ohne rationale Beeinflussung in freier Hinwendung zu den Gnadengaben Gottes zu leben und in Erkenntnis der in diesen Gaben liegenden Gte auch fr den Mitmenschen ttig zu werden. Julia Reventlows Bruder Heinrich Ernst Schimmelmann388 beurteilte die Zeichen der Zeit und mit diesen insbesondere den Menschen jedoch gerade entgegengesetzt. Seine anfnglich positive Beurteilung der revolutionren Geschehnisse bestimmte sich durch die „berzeugung, der politische und soziale Umbruch in Frankreich msse dazu fhren, die von ihm verherrlichten Humanittsideale seines Zeitalters in politische Realitt umzusetzen“389. Bereits in seiner Jugend erschien die Welt Ernst Schimmelmann „fragwrdig […] und verbesserungswrdig, voll von unertrglichen Widersprchen, voller Probleme“390. Scharf hob er sich damit von seinem an kaufmnnischer Effizienz interessierten Vater Heinrich ab, der ihn gleich nach seiner Konfirmation in der Kirche zu Ahrensburg 1763 fr zwei Jahre in die Schweiz nach Genf und Lausanne zum Studium der Kameralwissenschaften geschickt hatte. Die calvinistische Sittenstrenge, von der Heinrich Schimmelmann fr die Erziehung seines Sohnes einen prgenden und Friede“; Julia Reventlows didaktische Postulate wie auch die Begrifflichkeit der „Glckseeligkeit“ indizieren ihrerseits eine eher unbewußte Verbundenheit der Grfin mit dem Gedankengut der Aufklrung. 388 Zu diesem: Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 116 – 121; Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830. Danmarks Historie Bind 10, S. 48 – 55; Christian Degn, Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, S. 174 – 217; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 41 – 45; Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, S. 303. 389 Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 41 f. 390 Christian Degn, Die Schimmelmanns im atlantischen Dreieckshandel. Gewinn und Gewissen, S. 174.

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Einfluß erhoffte, empfand der junge Ernst jedoch weitaus eher als abschreckenden Ausdruck einer fr ihn befremdlichen Intoleranz. Die Verkndiger der christlichen Liebe standen ihm durch Art und Weise ihrer Lebensfhrung in oftmals krasser Diastase zur Botschaft des Evangeliums: „O Menschen, o Geschçpfe Gottes, ihr mßt es ertragen, den grßlichen Spott. Seht die kalten blutigen Heuchler, wie sie die Miene, die Sprache der Heiligkeit annehmen.“391

Den innerhalb der christlichen Konfessionen schmerzlich vermißten Geist einer ttig werdenden Liebe entdeckte der junge Schimmelmann dagegen in Rousseaus Erziehungsroman „mile“: „Emil Emil du bists – du gçttlicher Jngling – welch gçttliche Kraft glht auf deiner Stirne, strebt in deinem Wesen […] Aber nein, wie erblicke ich dich? du irrst im dunklen Schlunde – von Donner getroffen – von der Menschheit giftigem Hauch verheert, tief verwundet – Da steht sie nun, die entbltterte Eiche.“392

Nach seiner Rckkehr nach Kopenhagen schloß der jugendliche RousseauSchwrmer Freundschaft mit August Hennings, in dem ihm eine auf Jahre hinaus kongeniale Seele zur Seite stand. Die in der Schweiz gesammelten subjektiven Eindrcke wie auch ein spterer Englandaufenthalt mit entsprechenden Auswirkungen formten Ernst Schimmelmanns Vorstellung vom Staat als dem von der Humanitt geprgten Gemeinwesen, konkret als einer „Gemeinschaft freier, verantwortungsbewußter Staatsbrger“393. So wuchs der junge Graf heran zu einem Anhnger religiçser Toleranz, „von seinen Freunden Saladin genannt, ein moralischer Deist, zudem ein treuer Diener des aufgeklrten Absolutismus, ein Mann, der die Vernunft zur Richtschnur fr das Handeln nehmen mçchte und deshalb auch nach gerechter Verteilung der Lasten im Staate strebt und altersgraue Privilegien fr problematisch hlt“394. Es kann daher nicht verwundern, daß der dnische Minister Ernst Schimmelmann seine ersten Eindrcke der revolutionren Geschehnisse ausgesprochen positiv bewertete. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Franzçsischen Revolution wendet er sich an den Herzog Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg mit den Worten :

391 392 393 394

Zit. n. Degn, ebd. Zit. n. Degn, a.a.O., S. 175. Zit. n. Degn, a.a.O., S. 185. Degn, a.a.O., S. 330.

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„Das grosse Interesse, welches die letzten Nachrichten von Franckreich bey jedem erweckt haben, dem die Schicksale der Menschheit noch etwas sind, hat mir das Andenken Ew. Durchl. bestndig lebhaft zurck gerufen. Wie es auch die Politique beurtheilen mag, so wird es doch immer gross scheinen, viele hundert vereiniget zu sehen, um die çffentliche Sache mit edler Wrme und Standfestigkeit zu vertheidigen, durch nichts erschttert, durch nichts bestochen. Es ist vielleicht der schçnste Triumph des 18. Jahrhunderts, eine Volcks Versammlung zu sehen, welche in ihrer ersten Entstehung die Erfahrung von Jahrtausenden zeigt, welche zugleich die Rechte des Volcks und des Regenten vertheidiget, aber das Ziel ist freylich noch nicht erreicht.“395

Der dnische Finanzminister hofft zu diesem Zeitpunkt, „das Gute wird noch siegen, das Volck wird nicht sich selbst zum Despoten machen wollen, sondern seine Sicherheit in einer weisen Gesetzgebung suchen“, da – so die grundlegende Annahme Schimmelmanns – „ein Geist, welcher die Frucht von Aufklrung und von Gefhl, von unterdrckter Wrde war“, die Flamme zum Lodern gebracht habe396. Die Gefangensetzung Ludwigs XVI. und seiner Familie wird dem Minister in der Folge jedoch zum Beweis, daß er sich in der Mçglichkeit, der Revolution humanistische, aus der allgemeinen Aufklrung erwachsene Intentionen zu unterlegen, getuscht hat. Als Vertreter des aufgeklrten Absolutismus urteilt Schimmelmann jetzt, daß das franzçsische Volk in seinem Verhalten gegenber seinem Kçnig im Namen von Freiheit und Gleichheit nunmehr selbst als ein Tyrann gehandelt habe. In diesem Zusammenhang lßt er dem Herzog Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg die ußerungen zugehen: „J’ai appris Trollebourg les afreuses nouvelles de Paris, je ne croyois pas qu’il toit reserv nos jours de voir l’humanit si profondement humilie, de voir tout un peuple, anim du genie de la tirannie, se soullier d’un carnage atroce, s’acharner aux cadavres et fouler aux pieds tout ce qui est sacr aux hommes en prononcant les mots de libert et d’egalit. Que croire l’avenir des hommes quand ce sont les Francais libres qui proscrivent Lafayette, Rochefoucault, Barnave et Lameth.“397

395 Brief vom 18. Juli 1789, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Syvende Bind, udg. af Louis Bob, S. 8. 396 Brief Heinrich Ernst Schimmelmanns an den Herzog von Schleswig-HolsteinSonderburg-Augustenburg vom 4. August 1789, wiedergegeben a.a.O. (Anm. 395), S. 9 f. 397 Brief vom 3. September 1792, zit. n. Efterladte Papirer, a.a.O., S. 20. Die enttuschte Haltung spiegelt sich auch in der o. S. 143 Anm. 89 angefhrten Briefsequenz.

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Schimmelmanns Enttuschung ber den Fortgang der Revolution hinderte ihn nicht daran, aus der rumlichen und persçnlichen Distanz am „Untergang oder dem Weiterwirken der Ideen Montesquieus, Rousseaus und anderer franzçsischer Theoretiker“398 beobachtend teilzunehmen – selbst als er sich zuletzt voller Entsetzen ber die Radikalisierung dieser Revolution gnzlich von ihr abwandte399. Noch zuversichtlicher und mit einer geradezu chiliastischen berschwenglichkeit begrßt Louise Stolberg400 den Ausbruch der Revolution. An ihren Bruder Graf Johan Ludwig Reventlow401 schreibt die zweiund398 Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 45. 399 Vgl. seinen Brief an den Herzog von Augustenburg vom 5. Juli 1793, wiedergegeben in: Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Syvende Bind, S. 26 – 28. 400 Louise Stolberg „gehçrte neben Julia Reventlow zu den Frauen in der schleswigholsteinischen Gesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die durch ihre Anteilnahme an dem sozialen, politischen und kulturellen Leben ihrer Zeit das Bild der Auseinandersetzung mit der Franzçsischen Revolution innerhalb der Herzogtmer mit geprgt haben“, Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 28; Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, charakterisiert sie S.586: „Zu geistvoll, um folgerichtig zu sein, war sie unter den bedeutsamen Frauen des Nordens […] auch die flammendste Fackel eines nationalen Gedankens“. Dieter Lohmeier, Der Edelmann als Brger. ber die Verbrgerlichung der Adelskultur im dnischen Gesamtstaat, sieht hingegen S. 144 in der Begeisterung der Grfin „ber ihr zurckgezogenes, mit Lektre, Freundschaftskult und Gartenbau ausgeflltes Leben […] mçglicherweise eine Art von Selbstbetrug, eine Kompensation ihrer Verbannung vom Kopenhagener Hof“, doch nennt er sie anderenorts „religiçs wie politisch das selbstndigste und liberalste Mitglied des [Emkendorfer, L.-P.] Kreises“, Lohmeier, Herder und der Emkendorfer Kreis, Teil 1, S. 103 – 132, in: NE 35 / 1966, hier: S. 108. Zu Louise Stolberg weiterhin: Biographische Skizze von Louis Bob in: Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, S. V – LI; ders., Grfin Louise Stolberg. Eine Studie nach ungedruckten Briefen, in: Die Nation 10 / 1892/93, S. 501 – 504; Dieter Lohmeier, DBL 14, S. 131 f; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, hier bes. S. 133 – 138; Gottfried Mehnert, Die Aufklrungsepoche in Schleswig-Holstein, in: NE 30 / 1961, S. 22 – 36, hier: S. 33 f.; Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 28 – 31; Detlev W. Schumann, Aus Klopstocks Umwelt, S. 1 – 58, in: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts, Tbingen 1964, hier bes. S. 7 – 9; Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, S. 308 f. 401 Johan Ludwig Reventlow auf Brahetrolleburg / Fnen setzte sich mit seinem Bruder Christian Detlev Friedrich auf Christianssæde / Lolland aktiv fr die Bauernreform in Dnemark ein; auf Brahetrolleburg endete die Leibeigenschaft

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vierzigjhrige Adlige – die dem zeitgençssischen Umfeld „durch einen fast mnnlichen Geist, hohe Bildung und vorurtheilsfreie Gesinnung“ als „sehr hoch stehende Dame“ erscheint402 – am 27. Juli 1789: „Das Volk hat sich gerecht und menschlich gezeigt […] man muss berhaupt mit der Mssigung des Volkes zufrieden sein. Der Kçnig ist ein wahrer King John, ich hoffe, er wird auch eine great chartre unterschreiben. Wir leben in einer schçnen Zeit, Licht und Freiheit nehmen immer mehr berhand. Nahe ist das Reich unsers Herrn!“403

Zum Jahresende 1789 gesteht sie ihre Hoffnung einer linearen Ausweitung der konstitutionellen Bewegung, die aus dem angelschsischen Raum nunmehr ber das Kçnigreich Frankreich hinweg auch nach Deutschland „und allen Lndern“ berspringen mçge: „Ich bin itzt ganz mit Frankreich beschftigt, es ist das schçnste Jahr meines Lebens! Ich bete fr Frankreich, wie man fr seinen besten Freund betet, und ich labe mich an dem Aufgang der Wahrheit. Die glcklichen Gallier! Die Britten gaben ihnen das Beispiel und die ersten Elemente zu ihrer Constitution. Die Britten gaben ihnen die Gelegenheit, das itzige Geschlecht in dem amerikanischen Kriege zu erziehen […] Deutschland wird auch einst und alle Lnder jedes zu seiner Zeit sich constituieren.“404

Louise Stolberg trumt whrend dieser Zeit „so manchen Traum“, darunter auch den, daß „alle Menschen zu Brdern werden, wie Schiller sagt in seinem Rundgesang: Alle Menschen sollen Brder / Und die Hçlle nicht mehr seyn“405 ; und der Aufhebung aristokratischen Einflusses in Frank-

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durch eine Verfgung des Grundherrn, der auch auf dem Gebiet anstehender Schulreformen hervorragte; hierzu Christian Ulrich Detlev Eggers, Freigebung der Bauern auf Brahe-Trelleborg in Fhnen, in: Deutsches gemeinnziges Magazin Band 2 / 1789, S. 297 f.; zu Eggers selbst den Aufsatz von H.K. Eggers, in: ZSHG 9 / 1879, S. 145 – 171; zu Johan Ludwig Reventlow vgl. ferner Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830. Danmarks Historie Bind 10, Kopenhagen 1964, S.44 – 48; zu Christian Detlev Friedrich vgl. Vibæk, a.a.O., S. 39 – 44 sowie Claus Bjørn, Den Gode Sag. En biografi om Christian Frederik Reventlow, København 1992. Christoph Heinrich Pfaff, Lebenserinnerungen, S. 124. Zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, udg. af Louis Bob, S. 54 f. Brief an Graf Johan Ludwig Reventlow vom 10. Dezember 1789, zit. n. Efterladte Papirer, a.a.O. (Anm. 403), S. 58 f. Brief vom 4. Februar 1790, zit. n. Efterladte Papirer, Tredie Bind, S. 60; Louise Stolberg zitiert Schillers 1785 entstandene Ode „An die Freude“ kontrahierend nach dem Text der Thalia, in dem sich eingangs die ußerung findet: „Deine Zauber binden wieder, Was die Mode streng geteilt, Alle Menschen werden Brder, Wo dein sanfter Flgel weilt“, whrend es in der Schlußstrophe heißt: „Brder,

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reich begegnet sie voller Enthusiasmus mit den Argumenten aufgeklrten Denkens: „Was sagtst Du von dem grossen Hau der Stammbume in Frankreich? weisst du noch, wie ich Dir im Winter schrieb, ich htte meinen auf dem Kamin verbrannt, wahrlich die Meisten sind […] wohl alle beilreif […] Sonderbar ist’s, dass die Assemble Nationale jeden meiner politischen Trume realisirt; ich fange an zu glauben, dass meine Logik nicht ganz verwerflich sei. Adel des Menschen, wahrer Adel kann kein Monopol, kann nicht erblich sein. Doch die Zukunft wird lehren, ob Gott diese Bume gestempelt hat, ich glaube es fast, denn sie sind abgngig und die Cultur hat sich verkommt.“406

Aus diesen angesichts ihrer eigenen aristokratischen Herkunft bemerkenswert prorevolutionren ußerungen geht neben der neuerlichen Erwgung eines grundstzlichen gçttlichen Wirkens in der Revolution jene grundlegende aufgeklrte berzeugung hervor, derzufolge Wert und Status des sittlichen Menschen die berlieferte stndische Ordnung zu transzendieren htten. Mit ihrer gnzlichen Relativierung des berlieferten Erbadels profilierte sich Louise Stolberg eindeutig als Angehçrige der Avantgarde des Emkendorfer Kreises; sie ging deutlich ber alles hinaus, was hier sonst gesagt oder getan wurde. Mit derartigen ußerungen hatte sie die aristokratisch strukturierte Wertewelt Emkendorfs klar und eindeutig verlassen407. Daß ihre Einstellung zur Franzçsischen Revolution nach der Exekution des Kçnigs einem grundstzlichen Wandel unterlag, trinkt und stimmet ein, Allen Sndern soll vergeben und die Hçlle nicht mehr sein“, zit. n. Friedrich Schiller, An die Freude, in: Ders., Gesammelte Werke in drei Bnden, Zweiter Band, Gtersloh o. J., S. 675 – 678, hier S. 676 und 678. 406 Brief vom 8. Juli 1790, zit. n. Efterladte Papirer, Tredie Bind, S. 61. 407 Hierzu Gottfried Mehnert, Die Aufklrungsepoche in Schleswig-Holstein, S. 32 f.: „Louise Stolberg, die sich nicht mit der spezifischen Erweckungsfrçmmigkeit der Emkendorfer anfreunden konnte, war ausgesprochen physikotheologisch orientiert“; Otto Brandt, Geistesgeschichte und Politik in SchleswigHolstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 135, hlt fr Louise Stolberg fest: „berall sah sie daher, nach ihrer eigenen Aussage, die Jakobsleiter, deren niedrigste Stufe die Erde berhrt, deren oberste Gottes Thron, und berall Lebensregungen und eine Pforte des Himmels“; Folke-Christine Mçller-Sahling, Julia Grfin von Reventlow. Versuch einer sozial-historischen Rekonstruktion, S. 32: „Außerdem las sie [Louise Stolberg, L.-P.] Kant, der fr die anderen Emkendorfer lngst als ein ,vergçtterter Sophist‘ und ,Feind der Religion‘ galt […] Sie galt im Emkendorfer Kreis offenbar immer als liebenswerte Ketzerin“. Dennoch beruhte ihr anfngliches Eintreten fr die revolutionren Ideale „auf derselben Abneigung gegen den frstlichen Absolutismus […], die auch bei den anderen Mitgliedern des Kreises vorlag“, Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, S. 308.

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lag an der von Louise Stolberg zunehmend wahrgenommenen Unvereinbarkeit von revolutionrer Gewalthaftigkeit und sittlichem Streben. Als die Revolution dann in ihrer weiteren Eskalation nach außen drngte und die Grenzen ihres Stammlandes unter Anwendung militrischer Gewalt berschritt, wandte sie sich enttuscht von ihr ab. In ihrer spteren Rckschau sah die Grfin den Grund fr den Niedergang der einstigen revolutionren Hoffnungen in einem von ihr theologisch analysierten moralischen Verfall des hybrid-rationalistischen, historisch in Napoleon Bonaparte personifizierten Menschen: „Der Glaube an Gerechtigkeit und Wiedervergeltung ist in unser Wesen gegrndet. Dieser Glaube zeugt von unserer Responsabilitt und Freyheit, dieser Glaube, der von Gott ausgehet und zu ihm hinstrebet, dieser Glaube ist das Auge der Seele, das hell oder dunkel den ganzen Menschen erhellt oder verdunkelt – im letzteren Fall entstehet die Blindheit des Herzens, der Mensch verliert seine letzte Schwungkraft, er versinkt ganz in das Sinnliche, wird mit ihm ganz identisch und kann, als dort vçllig eingewohnt, leben, glnzen, herrschen durch den Verstand, kann ein Napoleon werden, kann sich zum grand gnie erheben, aber nie zum grand caract re – es ist Kunsttrieb des Verstandes, nicht freie Thtigkeit des Willens“408 ; grundstzlich aber gelte: „Der Frsten Reich ist von dieser Welt und nur fr diese Welt. Ein anderer wird kommen und richten, aber wann? Doch Geduld!“409

Louise Stolberg sieht die Freiheit des Menschen nunmehr in der Verklammerung mit seiner Verantwortlichkeit vor Gott, ohne die jene „Blindheit des Herzens“ entstnde, die politisches Handeln allein auf den Verstand grnden wolle, um letztlich Mißlingen, Scheitern und Katastrophe miteinzuschließen. Im Alter empfand Louise Stolberg zunehmend das Bedrfnis, sich vor çffentlicher Erçrterung ihrer frheren ußerungen zur „Revolution und Philosophie“ zu schtzen: „Der Herzog von Augustenburg schreibt mir, der Dichter Matthisson410 gbe die Erinnerungen seiner Reisen in den Druck […] und wrde auch einen Band 408 Brief an Karl Leonhard Reinhold vom 19. Dezember 1807, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, S. 172. 409 Ebd., S. 174. 410 Zu diesem Hosus, ADB 20, S. 675 – 681; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 221 f.; Friedrich von Matthisson, 1761 geboren und aus dem Magdeburger Umland stammend, hatte sich 1784 whrend seiner Altonaer Zeit als Hauslehrer der Grfin Juliane Sievers gastweise im Stolbergschen Hause in Tremsbttel aufgehalten. Anschließend verbrachte er die Jahre 1788 bis 1794 in Frankreich. Matthisson starb im Jahre 1831 als Wrttembergischer Geheimlegationsrat. Taktvoll hob er im zweiten Band seiner zuerst 1810 in Zrich erschienen Erinnerungen S. 53 f. lediglich den hohen

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Briefe herausgeben. Da ich nun von 1788 bis 93 im Briefwechsel mit diesem Sohn der Musen war […] erschrak ich bei dem Gedanken […] Manches ber Revolution und Philosophie kann in diesen Briefen stehen, das mir sehr unangenehm wre vulgaris zu sehen.“411

Gerne in Emkendorf gesehen und daher auch oftmals hier zu Gast war Louise Stolbergs Ehemann Christian412. Wie sein jngerer, ihn an literarischer und geistiger Bedeutung berragender Bruder hatte auch er in jungen Jahren dem Hainbund413 angehçrt; auch fr ihn war daher in jungen Jahren Klopstock zum prgenden Mentor geworden. Wenn auch seine geistige Haltung im Kontext seiner literarischen Bemhungen wie auch in der Analyse und Bewertung politischer Vorgnge „weniger ausgeprgt war als die seines Bruders“414 – in bereinstimmung mit seiner Frau hielt er auffallend lange an seiner anfnglich positiven Bewertung der revolutionren Ereignisse fest415 –, so macht sein diffamierender Gebrauch

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Adel, die vielseitigen Kenntnisse und die große Belesenheit Louise Stolbergs hervor. Die Befrchtungen der Grfin erwiesen sich damit als grundlos. Brief an Karl Leonhard Reinhold v. 18. Juli 1811, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, hg. von Louis Bob, S. 178 f. Zu diesem Erich Schmidt, ADB 36, S. 348 – 350; Jrgen Behrens, SHBL 1, S. 257 – 259; Dieter Lohmeier, DBL 14, S. 127 f.; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 128 – 132; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 31; Dieter Lohmeier und Wolfgang J. Mller, Emkendorf und Knoop. Kultur und Kunst in schleswig-holsteinischen Herrenhusern um 1800, S. 28; Dieter Lohmeier, Friedrich Heinrich Jacobi in Holstein, in: NE 60 / 1991, S. 61 – 88, hier S. 72 f. – Der Lyriker, Dramatiker und bersetzer Christian Stolberg war seit dem Jahre 1777 Amtmann in Tremsbttel; dorthin zogen „seine Liebenswrdigkeit und die Intellektualitt seiner Frau […] fast alle Persçnlichkeiten […], die im literarischen Leben etwas galten und berhaupt nach Holstein kamen“, Dieter Lohmeier, Friedrich Heinrich Jacobi in Holstein, S. 72. Christian Stolberg lebte nach dem Jahr 1800 als Gutsherr und Privatier auf Windeby bei Eckernfçrde. Zu diesem im Folgenden S. 340 f. Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 31; Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, beschreibt seine Besuche bei den Stolbergs S. 225 f. als Begegnungen „ohne großen Gewinn und Genuß. Der Frau schien ich zu geringe, und sie ignorirte mich, und der Graf war so desultorisch in seiner Unterhaltung, daß kein Gegenstand nur zehn Minuten vorhielt, dann sprang er ab, oft zu den heterogensten Dingen“. Am 17. Februar 1793 schreibt Friedrich Leopold Stolberg an Friedrich Heinrich Jacobi: „Mein Bruder ist viel zu spt, doch ist er von seiner Verblendung zurckgekommen“, zit. n. Erich Schmidt, ADB 36, S. 349.

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Kapitel II

des Jakobinerbegriffes416 im vorgerckten Lebensalter deutlich, wie nachhaltig seine sptere Ablehnung der Revolution und ihrer Folgen ausfiel: „Was kann empçrender sein, als die Zusage der Verbndeten, Norwegen dem Emporkçmmling Bernadotte, der immer Jakobiner, immer Franzose bleiben wird, verschaffen zu wollen!“417

Auch hinsichtlich seiner orthodoxen Glaubensauffassung befand sich der ltere Stolberg klar im Einklang mit den in Emkendorf vertretenen Positionen; dies zeigen sorgenvolle ußerungen aus einem von ihm gleichfalls an seinen Bruder gerichteten Brief vom 14. Dezember 1802: „Wie wird nun auch bei uns die neue Lehre, die Jesum Christum hçchstens dem Confuzius und dem Sokrates an die Seite setzt, ebenso ihr Haupt erheben, als sie es schon itzt an vielen Orten Deutschlands thut, wo im Amte stehende Prediger çffentlich, ja in wohlgeschriebenen Bchern lehren, was weder in solcher Roheit Spinoza noch Voltaire gelehrt haben, und wo selbst Oberconsistoria die Taufe fr eine willkrliche Ceremonie erklrt und ihren Gebrauch oder Nichtgebrauch freigelassen haben.“418 416 Zum zeitgençssischen pejorativen Gebrauch der Jakobinerbezeichnung vgl. L.F. Devaux, Was ist ein Jacobiner?, in: Minerva 3 / 1797, S. 193 – 201, der den Begriff eingangs als „schndenden Beynamen“ vorstellt und S. 196 f. in Frankreich „drey Partheyen“ unterscheidet: „Anhnger des Despotismus“, „Republicaner“ und „Democraten“, die man, „nach der revolutionren Sprache, mit dem Namen Jacobiner getauft hat“; diese aber seien „die Ruber der Revolutionsausschsse, der Volksgesellschaften, die Verschleuderer +des Staatsvermçgens, die Plnderer der Wittwen und Waisen“, a.a.O., S. 200 f. Drei Jahre spter greift Johann Wilhelm von Archenholz die Frage auf, vgl. dens., Was ist ein Jacobiner?, in: Minerva 2 / 1800, S. 375 f.; dabei zitiert er eine Definition der „Vollziehenden Commission in der Schweiz gegen die von den Schweizerischen Jacobinern entworfene Verfassung“: Jakobiner seien „jene Menschen, die unversçhnliche Feinde einer jeden Verfassung und Einrichtung sind, so wie einer jeden Regierung, wo sie nicht einen ausschließenden Einfluß haben, jene Menschen, die nur deswegen den Vçlkern ihre Rechte verschaffen wollten, um solche durch Intriguen zu usurpieren, und in ihrem Namen zu regieren; kurz jene Menschen, die in der Autoritt nur die Macht lieben, zu unterdrcken und zu schaden“. Zu einer solchen Diffamierung „mißliebiger Oppositioneller“ vgl. a. Peter Philipp Riedl, ffentliche Rede in der Zeitenwende. Deutsche Literatur und Geschichte um 1800, S. 175. 417 Christian Stolberg in einem Brief vom 8. Juni 1813 an seinen Bruder Friedrich Leopold, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, udg. af Louis Bob, Tredie Bind, S. 247. 418 Zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, S. 233. Auch Claus Harms stellt in einer handschriftlich berlieferten, datumslosen Predigt ber Psalm 91,1.2.4.14.15 aus dem Jahre 1801 fest: „Der Gedanke an die Zeit, in ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, der Gedanke, was war, ist

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Einem fortgeschriebenen Rationalismus, der die reformatorische Lehre vom Heiland unter Einbringung allgemein-sittlicher Ideen den Einsichten der menschlichen Vernunft anpaßte und so zum Resultat einer einseitigen Betonung der menschlichen Natur in der Person Jesu Christi gelangte, konnte auch Christian Stolberg seine Abneigung nicht verhehlen. Resigniert und wirkungslos widersetzte er sich aus dieser Haltung heraus einer zunehmend vom Geist der Sptaufklrung durchdrungenen Kirche.

6. Aufklrung und Reaktion: Die Kieler Universitt und das Schullehrerseminar Innerhalb seines Lebensrckblicks schildert der Schleswiger Rektor Georg Friedrich Schumacher eine bemerkenswerte Szene aus dem Hçrsaal der Kieler Universitt419 vom Anfang der 1790er Jahre: und seyn wird, ist fr unsern Geist gewiß einer der grçßten, der interessantesten und ntzlichsten […] Der fromme Freund seines Vaterlandes blickt auf das verflossene Jahrhundert zurck: Die Religion, wie Jesus Christus sie uns lehrte, ist zerfallen unter Angriffen, die eben so heftig als frchterlich waren […] Das Licht der Wahrheit ist entzndet, aber nicht allenthalben verbreitet; hier und da drckt noch eine gewisse Finsterniß unsre Gegend“, NEK-Archiv, 98.05 Nachlaß Harms Nr. 5.2 – 1. Zum historischen Kontext der sich hier ußernden, dem Geist der Orthodoxie verpflichteten Kritik vgl. Wolfgang Philipp, Christus in der Sicht der Aufklrungsepoche, in: Hans Graß und Werner Georg Kmmel, Hg., Jesus Christus. Das Christusverstndnis im Wandel der Zeiten, Marburg 1963, S. 85 – 108, bes. S. 105 – 108, und Reinhard Krause, Die Predigt der spten deutschen Aufklrung (1770 – 1805), S. 52 – 88, bes. S. 72 – 80; Friedrich Wilhelm Graf, Die Spaltung des Protestantismus. Zum Verhltnis von evangelischer Kirche, Staat und ,Gesellschaft‘ im frhen 19. Jahrhundert, in: Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, hg. von Wolfgang Schieder, S. 157 – 190, hier S. 158 f.164; zur „neuen Lehre“ vgl. Wolfgang Gericke, Theologie und Kirche im Zeitalter der Aufklrung, S. 95 – 114. 419 Zur Kieler Universitt im ausgehenden 18. Jahrhundert: Paul von HedemannHeespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 550 – 552; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 209 – 246; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 286 – 290; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 88 – 128; Sigrid Wriedt, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina im Zeitalter des dnischen Gesamtstaates (1773 – 1852), Neumnster 1973, S. 1 – 80; Alexander Scharff, Die Christian-Albrechts-Universitt in den politischen Wandlungen der Zeit, in: Schleswig-Holstein 17 / 1965, S. 144 – 148; ders., Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt in der Zeit der Aufklrung und

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„Mit dem ußern Schein trieben es Einige stark genug; diese trugen çffentlich die franzçsische Nationaluniform und Kokarde; Einer hatte sich an seinem Pult eine Krone von Metall zum Fußschemel machen lassen, und schrie, whrend er oben studirte, von Zeit zu Zeit nach unten stampfend:  bas les tyrans! Nun, sein Tyrannensymbol da unten ließ sich das ruhig gefallen, und so war er zufrieden.“420.

Die hier zum Ausdruck gebrachten, auf den „ußern Schein“ angelegten prorevolutionren Bekenntnisse421 halten in Schumachers Erinnerung jedoch keinem Vergleich mit dem tatschlichen revolutionren Aktionismus seiner Kommilitonen stand422. Nach dem spteren Urteil des siebzigjhrigen Rektors vermochten die Studenten in den Jahren unmittelbar nach Ausbruch der Revolution noch kein gegrndetes Verhltnis zu dem großen von Frankreich ausgehenden „Trauerspiel“ einzunehmen, konnten sie doch nicht

der Franzçsischen Revolution, in: Aus Reichsgeschichte und Nordischer Geschichte, hg. von Horst Fuhrmann, Hans Eberhard Mayer und Klaus Wriedt, Stuttgart 1972, S. 321 – 346; Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, in: Der dnische Gesamtstaat. Kopenhagen. Kiel. Altona, hg. von Klaus Bohnen und Sven-Aage Joergensen, Tbingen 1992, S. 69 – 90, hier bes. S. 86 – 90; zur Theologischen Fakultt whrend des anvisierten Zeitraumes vgl. a. C.[arsten] E.[rich] Carstens, Geschichte der theologischen Facultt der ChristianAlbrechts-Universitt in Kiel, in: ZSHG 5 / 1875, S. 1 – 132; Walter Blck, Geschichte des Studiums der praktischen Theologie an der Universitt, Kiel 1921, S. 40 – 56. 420 Georg Friedrich Schumacher (1771 – 1852), Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, Schleswig 1841, S. 198. 421 Im zeitgençssischen Vergleich bewegten sich die prorevolutionren Beifallskundgebungen an der Kieler Universitt durchaus auf einem auch anderenorts anzutreffenden Niveau; so war im Kurfrstentum Hannover die Universitt Gçttingen „ein Unruheherd. Dem Prorektor der Universitt wurde vorgehalten, daß den Studenten ,demokratische, mit den bisher in Deutschland bestehenden Verfassungen unvertrgliche Grundstze eingeflçßt‘ worden seien. Nach der franzçsischen Besetzung von Mainz und Frankfurt a.M. (21./22. Oktober 1792) steckten sich Gçttinger Studenten Kokarden an und ritten den franzçsischen Truppen entgegen […] An der grçßten deutschen Universitt, Jena, brachen im Juni 1792 Unruhen aus. In deren Verlauf begannen etwa 600 Studenten nach Erfurt zu ziehen, um dort weiter zu studieren […] einige Studenten hatten Forderungen aufgestellt, die schon Ideen der Jenaer Burschenschaft vom Anfang des 19. Jahrhunderts vorwegnahmen“, Axel Kuhn, Unruhen im Land der Dichter und Denker, in: Deutschland und die Franzçsische Revolution 1789/1989, hg. von Franz Dumont u. a., Stuttgart 1989, S. 127 – 143, hier: S. 128 f. 422 Vgl. bereits o. S. 125.

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„ahnen, wie nahe dies Alles jedem Einzelnen auf den Leib rcken und seine nchsten Lebensverhltnisse mit in den Strudel ziehn und erschttern werde. Fr Viele war es ein großes Phantasiestck, an dem die Einbildungskraft des Schauenden oder Hçrenden sich ergçtzt, und dessen Schauderhaftigkeit nur den Reiz erhçht; fr Andre ein Gegenstand des Scharfsinns, um zu disputiren ber das Fr und Wider, preisend oder tadelnd, es zum Himmel erhebend, oder als ein Werk des Teufels verdammend in die tiefste Hçlle.“423

Nur wenige Angehçrige der Universitt, die sich gegenber der Revolution aufgeschlossen zeigen, gelangen zu Beginn der 90er Jahre ber das Stadium einer revolutionr inspirierten juvenilen Rhetorik hinaus. Alle nur denkbaren mehr oder minder prodemokratischen ußerungen unterliegen ohnehin der Reaktion eines zwar recht toleranten, immerhin jedoch von einer absoluten Monarchie regierten Staates424. Von wirkungsgeschichtlicher Bedeutung sind vor diesem Hintergrund eher die zumeist stillen und hintergrndigen ußerungen aus jenem kleinen Kreis Kieler Professoren425, der mit den franzçsischen Revolutionren den grundstzlichen Wunsch teilt, die Gesellschaft nach den Idealen der brgerlichen Aufklrung neu zu gestalten. Da gibt es den aus Tondern stammenden Naturhistoriker und forschungsgeschichtlich hçchst bedeutsamen Entomologen 423 Schumacher, a.a.O., S. 194. 424 Vgl. hierzu etwa o. S. 154 den Verweis Georg Conrad Meyers von der Kieler Universitt sowie das ebd. Anm. 128 erwhnte Vorhaben entsprechender „Relegation“ der Kommilitonen Knçlck und stud. med. Mller. 425 Augenzeugendarstellungen des zeitgençssischen Professorenkreises an der Albertina finden sich bei Georg Friedrich Schumacher, a.a.O., S. 165 – 177 sowie in Claus Harms’ Lebensbeschreibung, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, hg. von Peter Meinhold, Band I, Flensburg 1955, S. 13 – 203, hier: S. 70 – 73. Ein im ganzen recht provinzielles Bild der Universitt vermittelt der Prorektor Karl Leonhard Reinhold seinem Schwiegervater Christoph Martin Wieland in einem Brief vom 25. Dezember 1798, zit. n. M.[oritz] Liepmann, Hg., Von Kieler Professoren, S. 76 – 79, hier: S. 78: „Unsre Universitt […] ist hçchstens ein Analogon von dem, was im Mittelpunkte Teutschlandes so heißt. Ungefhr hundert fnfzig Stck Theologen, vierzig Juristen, und ein Dutzend Mediziner bringen – wenn unsere Frequenz vollzhlig ist – hier wohlgenhrt und wohlgemuth das durch die Landesgesetze als Bedingung ihrer Versorgung vorgeschriebene Biennium academium zu, prparieren sich neben her fr ihre Examina […] und sehen durch ihr Indigenatrecht gegen auswrtige Mitbewerber gesichert ihrer Anstellung ruhig und mssig entgegen, whrend die Docenten zum Theil durch ihre fixen Gehalte […] gegen dringende Notwendigkeit des Lesens und Schreibens gesichert, und […] wie bey mehreren nicht der Fall ist, ihre angekndigten Collegien zu Stand bringen – d. h. Zuhçrer haben – weder Reitz noch Gelegenheit finden sich krank zu dociren“.

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Johann Christian Fabricius426, einen Schler Carl von Linns. Fr Fabricius sind Freiheit und Eigentum „die beyden großen Triebfedern des menschlichen Herzens“427. Daher kmpft er bereits am Vorabend der Revolution gegen Leibeigenschaft, Besitzlosigkeit und Unterdrckung der Bauern und Tagelçhner in den Herzogtmern, denn „vollkommene brgerliche Freiheit ist die Hauptvoraussetzung fr die Hebung der Wohlfahrt“428, weswegen die „Arbeiterschaft nicht in Armut versinken“ drfe429. Gemeinsam mit seiner Frau Anna Ccilie430 reist der Kieler Gelehrte ab 1790 „als Freund der Revolution wenigstens jedes Jahr einmal“431 nach

426 Zu diesem: H.[enning] Ratjen, ADB 6, S. 521 f.; ders., Johann Christian Fabricius, Professor in Kiel von 1775 – 1808, und Ccilie geb. Ambrosius, die Freundin Klopstocks, verheirathete Fabricius 1771, verwittwet von 1808 – 1820, in: ZSHG 7 / 1877, S. 169 – 194; Friedrich Hoffmann, Johann Christian Fabricius, der Naturforscher, als kritischer Betrachter des çffentlichen Gemeinwesens, in: NE 26 / 1958, S. 228 – 231; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 100 f.; Brbel Pusback, Kameralwissenschaft und liberale Reformbestrebungen. Die Professoren Johann Christian Fabricius und August Christian Heinrich Niemann. Ein Beispiel zur Geschichte des Sptkameralismus in Schleswig-Holstein (1775 – 1832), in: ZSHG 101 / 1976, S. 259 – 283, hier bes. S. 264 – 273; S.L. Tuxen, SHBL 2, S. 136 – 139. Neben zahlreichen systematischen Studien publizierte der aus einer nordschleswiger Pastorenfamilie stammende Fabricius auch „allgemeinere naturhistorische Betrachtungen […] Sie enthalten ganz moderne Gedanken ber die Entstehung neuer Arten durch ,nach und nach in Arten bergehende feste Abnderungen‘, ber den Menschen vom Affen herkommend […] usw.“; weshalb der Autor spter auch „als ,Prdarwinist‘ bezeichnet“ wurde, Tuxen, a.a.O., S. 138. 427 Johann Christian Fabricius, Policey-Schriften, Th. 1, Kiel 1786, S. 113. 428 Zit. n. Friedrich Hoffmann, a.a.O. (Anm. 426), S. 229. 429 Ebd., S. 230. 430 Nach Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, Kiel 1872, S. 71 f. war Anna Ccilie Fabricius eine „Flensburgerin, fr die 1765 auch Klopstock geschwrmt hatte […] sie hegte das lebhafteste Interesse fr die Freiheits-Ideen und ihre Helden, so daß sie sich, freilich vergeblich, fr Lafayettes Befreiung beim Kçnige von Preußen verwandte […] Auch die Zurcksetzung des weiblichen Geschlechts fand sie hçchst ungerecht. Sie ist Verfasserin von ,La Rvelli re. Lepeaux Betrachtungen ber Gottesdienste, Gebruche und Nationalfeste. Hamburg 1797‘ und von ,Heinrich der Vielgeliebte, oder die Wrde der Protestanten. Ein Schauspiel. Helmstedt 1852 [Anm.: Richtig: 1802, L.-P.]‘“. Vgl zu Anna Ccilie Fabricius H.[enning] Ratjen, ADB 6, Leipzig 1877, S. 504 f.; Olaf Klose und S.L. Tuxen, SHBL 2, S. 139; Hans-Friedrich Schtt, Flensburg in der Zeit des Gesamtstaates, in: Flensburg. Geschichte einer Grenzstadt, S. 169 – 234, hier: S. 210. 431 Schumacher, a.a.O., S. 176; Reinhold, Brief an Wieland vom 25. Dezember 1798, zit. n. M.[oritz] Liepmann, Hg., Von Kieler Professoren, S. 76 – 79, hier: S. 78;

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Paris: „Beide lebten ganz in der Revolution“432. Fabricius steht „mit verschiedenen Notabilitten der Revolution in genauer Verbindung“433 ; er selbst erinnert sich im Jahre 1805: „1790 rejste jeg med min Kone og Datter til Paris […] Paa den anden Side gjorde jeg ogsaa nøje Bekjendtskab med nogle af Revolutionens Hovedmænd, især med den siden saa ulykkelige Rolandske Familie434, med Gregoire435, med Millin, og Flere; infandt mig hyppig saavel i Nationalforsamlingen som i Jacobinerclubben, og saae alle da forefaldene Revolutionsscener. Overhovedet var det Ophold der mig højst interessant.“436

Das Ehepaar nimmt von daher mit bemerkenswerter Selbstverstndlichkeit lebhaften und parteiergreifenden Anteil an den militrischen Erfolgen der Franzosen im Revolutionskrieg: „Die Nachricht von der Eroberung von Mainz 1794 durch Cstine kam Abends 12 Uhr durch einen Reisenden nach Kiel. Die Frau Fabricius hçrte dies Evangelium fr ihr Ohr, und strmte hinaus, klopfte die Professorin Ehlers aus dem Schlaf. Mach auf, liebe Freundin, Cstine hat Mainz genommen. Und bei einem nchtlichen Caffee feiern die beiden Damen das große Ereigniß. Solche Histçrchen passierten damals jeden Tag.“437

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vgl. a. Carl Friedrich Cramer, Cramers Tagebuch aus Paris, Erstes Heft, Vom 1 bis zum 20 Vendem. 8, Paris 1800, S. 68. Schumacher, a.a.O. Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, S. 71. Zur Familie des franzçsischen Außenministers Roland o. S. 77 Anm. 183 sowie S. 79 f. Anm. 192. Zu diesem vgl. u. S. 269 Anm. 557. Johann Christian Fabricius, Selbstbiographie, in: Portraetter med Biographier af Danske, Norske og Holstenere Nr. 4, hg. von Gerhard Ludvig Lahde, Kopenhagen 1805, S. 28 f. Erst im Sommer des folgenden Jahres kehrte die Familie „over Engelland“ nach Kiel zurck, ebd., S. 29. Schumacher, a.a.O., S. 176; zu Adam Philippe de Custine: Franz Dumont, Die Mainzer Republik, in: Deutschland und die Franzçsische Revolution 1789/1989, hg. von Franz Dumont u. a., S. 145 – 164, hier: S. 152. Custine war wie Lafayette Teilnehmer der Schlacht von Yorktown; zu dieser o. S. 174 Anm. 196. Das Ausbleiben anhaltender militrischer Erfolge sowie seine Verdchtigung als „Cidevant“ zu Beginn der Jakobinerdiktatur fhrten zu seiner Guillotinierung am 28. August 1793. Dennoch war „im Bewußtsein der zeitgençssischen Deutschen der spektakulrste kriegerische Vorgang im Herbst 1792 […] der Vorstoß von General Custine ins militrisch kaum abgesicherte deutsche Gebiet am Rhein“, Franz Dumont und Jrgen Voss, Der Revolutionskrieg in Deutschland 1792 – 1801, in: Deutschland und die Franzçsische Revolution 1789/1799, S. 59 – 81, hier: S. 61.

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Zu einer „kleinen philosophischen Revolution“ gert es, daß Karl Leonhard Reinhold438, der laut Schumacher noch mit „Zopf und Frisur, Puder und Pomade“ an der Universitt debtiert hatte, nunmehr den ungepuderten Kurzschnitt der unter den Jakobinern in Paris Mode gewordenen Haartracht bernimmt. Die studentische Jugend Kiels schließt sich dieser vestimentren Kommunikation des von Kant begeisterten jungen Professors unmittelbar an. Das çrtliche Friseurgewerbe verliert mit dieser habituellen Trendwende jedoch einen großen Teil seines Broterwerbs, und seine Angehçrigen haderten mit der „neuen Philosophie, ohne die kein Reinhold nach Kiel gekommen, auch das Abschneiden des Zopfes subsumirten sie unter die Forderungen des Kategorischen Imperativs.“439 438 Zu diesem: Ders., ber das bisherige Schicksal der Kantischen Philosophie, in: Der Teutsche Merkur 2 / 1789, S. 3 – 37 und S. 113 – 135; ders., Briefe ber d. Kantische Philosophie, in: Der Teutsche Merkur 3 / 1786, S. 99 – 141; 1 / 1787, S. 3 – 39.117 – 142; 2 / 1787, S. 167 – 185; 3 / 1787, S. 67 – 88.142 – 165.247 – 278. – Reinholds „,Briefe ber die Kantische Philosophie‘, von Kant selbst als die maßgebliche Auslegung seiner Philosophie autorisiert, fanden schnell Verbreitung ber den engen Kreis der Fachgelehrten hinaus und trugen entscheidend dazu bei, daß die Lehre des Kçnigsberger Philosophen die vorherrschende Philosophie der Aufklrung ablçste“, Jendris Alwast, BBKL VII, Sp. 1555 – 1558, hier: Sp. 1555. In einem Brief vom 14. Juni 1789 schreibt Reinhold aus Jena an Kant: „Schiller mein Freund und […] der besten itzt lebenden Kçpfen einer horcht Ihren Lehren durch meinen Mund“, zit. n. Briefe an Kant, hg. von Jrgen Zehbe, Gçttingen 1971, hier: S. 77 f. Vgl. zu Reinhold ferner: Berend Kordes, Lexikon der Jetzt Lebenden Schleswig-Holsteinischen und Eutinischen Schriftsteller, Schleswig 1797, S. 272 – 276; Ernst Reinhold, Hg., Karl Leonhard Reinholds Leben und litterarisches Wirken, Jena 1825; Karl Prantl, ADB 28, S. 82 – 84; Ferdinand Weinhandl, Karl Leonhard Reinhold, in: Jahrbuch der Schleswig-Holsteinischen Universittsgesellschaft 26 / 1929, S. 65 – 94; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 284; Reinhard Lauth, Hg., Philosophie aus einem Prinzip. Karl Leonhard Reinhold. Sieben Beitrge nebst einem Briefekatalog aus Anlaß seines 150. Todestages, Bonn 1974; Jendris Alwast, SHBL 5, Neumnster 1979, 227 – 231; Gerhard W.[olfgang] Fuchs, Karl Leonhard Reinhold – Illuminat und Philosoph. Eine Studie ber den Zusammenhang seines Engagements als Freimaurer und Illuminat mit seinem Wirken und philosophischen Wirken, Frankfurt/M. / Berlin 1994; Martin Bondeli / Wolfgang H. Schrader, Hg., Die Philosophie Karl Leonhard Reinholds, Amsterdam / New York 2003. 439 Schumacher, a.a.O., S. 192 f. – Die Nachahmung, die Reinholds neue Frisur fand, verdeutlicht das Prestige, das mit ihm und seinen Anschauungen verbunden war; hierzu Paul Cruse, Student sein, wenn die Zçpfe fallen…, in: Schleswig-Holstein 17 / 1965, S. 149 – 152, hier: S. 150. Zugleich zeigt sich hier auch zu einem bemerkenswert frhen Zeitpunkt jener modegeschichtliche Traditionsbruch, „den die Franzçsische Revolution bedeutet, indem das Neue nicht mehr aus dem

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Der ehemalige Jesuit440 Reinhold war von Jena aus 1793 nach Kiel berufen worden und kam dem Ruf zum folgenden Jahre nach441; er identifizierte das von Jesus geforderte sittliche Verhalten schlicht mit dem kategorischen Imperativ Immanuel Kants442 und sah „in dessen Philosophie die einzige berlieferten Kanon herauswchst, sondern unter Umstnden so neu ist, daß es alle Gewohnheiten sprengt“, Ren Kçnig, Menschheit auf dem Laufsteg. Die Mode im Zivilisationsprozeß, S. 219. 440 Im Herbst 1772 wurde Reinhold als Novize in das Wiener Jesuitenkollegium aufgenommen; zwei Jahre spter trat er ins Barnabitenkollegium ein. Im Oktober 1778 zum Lehrer der Philosophie berufen, gehçrte er seit 1781 dem Verein „Zur wahren Eintracht“ an, der fr Gewissens- und Denkfreiheit eintrat. Im Jahre 1783 wechselte Reinhold – ohne Dispens von seinen Ordensgelbden – von Wien nach Leipzig, das er ein Jahr spter aus Sorge um jesuitische Nachstellungen verließ. Er ließ sich zunchst in Weimar nieder und wurde hier Mitarbeiter, Redakteur und zuletzt Schwiegersohn von Christoph Martin Wieland. Seine „Briefe ber die Kantische Philosophie“ machten ihn 1787 sofort berhmt und brachten ihm die Ernennung zum außerordentlichen Professor, 1791 zum Professor ordinarius supernumerarius in Jena. 441 Sein Nachfolger in Jena wurde Johann Gottlieb Fichte, vgl. zu diesem o. S. 66 – 71. 442 Reinholds Abschiedsvorlesung in Jena gipfelte in dem Gelbde „vor dem Angesichte Gottes […] fr den heiligen Dienst der practischen Vernunft ganz allein zu leben, wenn es nçthig ist, auch fr sie sterben zu wollen“, zit. n. Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, S. 33; von Kiel aus sandte Reinhold am 30. Mai 1794 ein Schreiben „An seine in Jena zurckgelassenen Zuhçrer“, publiziert in: Der neue Teutsche Merkur 2 / 1794, S. 315 – 323, in dem er S. 323 abschließend einschrft, „daß die einzig wahre Religion allein auf reine Moralitt gegrndet, und in so ferne weder esoterisch noch exoterisch, weder bloß fr die Filosofen noch bloß fr den Pçbel, weder ein metafysisches System, noch eine politische Maschine, seyn kçnne; sondern daß sie die kunst- und arglose Vorstellungsart des durch sittlich guten Willen geleiteten und in so ferne gesunden verstandes sey die schon allein darum Christhenthum heissen msse, weil Christus sie der erste gelehrt, und ihren Geist erschçpfend in dem Satze ausgedrckt hat: Selig sind die reines Herzens sind denn sie werden Gott schauen“. Sehr konkret ußert sich Reinhold ber das Verhltnis von „Moralitt“ als Inhalt und Zweck der Philosophie und „Religion“ in einem Brief an Jens Immanuel Baggesen vom 24. August 1796, wiedergegeben bei M(oritz) Liepmann, Hg., Von Kieler Professoren. Briefe aus drei Jahrhunderten zur Geschichte der Universitt Kiel, S.72 f.: Moralitt und Religion „begrnden einander in der Ausbung, und sind ihrem Grunde nach nur Eins und Ebendasselbe. Ich mçchte die Vernnftigkeit eines endlichen Wesens seine Moralitt, und die vernnftige Freiheit desselben Religion nennen. Damit ich meine Vernunft frei gebrauchen kann, muß ich die Gegenstnde der Sinnenwelt und mich selbst richtig kennen lernen; und so ist Aufklrung Bedingung der Moralitt. Damit ich meine Freiheit vernnftig gebrauchen lerne, mssen meine Meinungen durch Furcht und Hoffnung des Zuknftigen bezhmt werden, und so ist Religion Bedingung der Moralitt. Was die praktische Philosophie lehrt, ist, selbst die Religion mit be-

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Mçglichkeit einer vernnftigen Begrndung der Religion“443. Im Jahr nach dem Ausbruch der Franzçsischen Revolution hatte Reinhold festgestellt: „Das auffallendste und eigenthmlichste Merkmal von dem Geiste unsres Zeitalters ist eine Erschtterung aller bisher bekannten Systeme, Theorien und Vorstellungsarten, von deren Umfang und Tiefe die Geschichte des menschlichen Geistes kein Beyspiel aufzuweisen hat. Auf dieses Merkmal lassen sich die verschiedensten, selbst die einander widersprechenden Erscheinungen und Zeichen unserer Zeit zurckfhren, […] die samt und sonders ein mehr als jemals reges Bestreben ankndigen, auf der einen Seite allenthalben neue Formen aufzustellen, auf der andern jede alte zu untersttzen.“444

Die Erschtterung des berlieferten manifestiert sich fr Reinhold in den zahlreichen Prozessen sowohl individueller als auch ideeller Emanzipation; hierzu rechnet er die regional unterschiedlich realisierte Leibeigenenbefreiung, den sich zunehmend ungebundener gestaltenden Umgang mit dem Dogma und die Errungenschaften auf dem Gebiet der Preßfreiheit445. Hinter diesen Prozessen sieht er eine fundamentale „Erschtterung“ berlieferter wissenschaftlicher Positionen im Bereich der Metaphysik446, der historischen Wissenschaft447 oder der sthetisch determinierten „Geschmackslehre“448. Hinsichtlich der daher neu zu definierenden „Principien des Guten“ erwgt Reinhold: „Die Behauptung der Naturalisten: daß die moralische Gesetzgebung der Natur lter als die politische Gesetzgebung der Regenten, die Rechte des Menschen lter als die Rechte des Brgers, und natrliche Religion lter als alle positiven Religionen wren, ist um nichts wahrer, als die Behauptung der Supernaturalisten, welche das Natrliche fr eine bloße Folge des Positiven ausgiebt, und nur insofern gelten lßt als es durch das Positive besttigt werden kann. Beyde Vorstellungsarten grnden sich auf eine sehr unphilosophische Verwechslung der in der ussern Erfahrung anerkannten und angenommenen

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griffen, Moralitt; was der gute Wille, inwiefern er consequent ist, thut, ist, selbst die Moralitt mit begriffen, nichts als Religion“. Jan Rohls, Platz fr den Glauben. Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft, in: zeitzeichen 2/2004, S. 31 – 33, hier: S. 33. Karl Leonhard Reinhold, ber den Geist unsres Zeitalters in Teutschland, in: Der neue Teutsche Merkur 1 / 1790, hg. von Christoph Martin Wieland, S. 225 – 255 und 337 – 378, hier: S. 228. Ebd., S. 229 – 232. Ebd., S. 237 – 244. Ebd., S. 245 – 255. Ebd., S. 337 – 347.

6. Aufklrung und Reaktion

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mit den in den ursprnglichen Anlagen der Menschheit bestimmten Formen.“449

Es gelte daher nun, sich auf die „moralische durch Vernunft thtige Natur des Menschen“ zu besinnen, deren Wirken lange unerkannt geblieben sei450. Dabei habe ein Prozeß zunehmender Unvoreingenommenheit und anwachsender Freiheit im theologisch-philosophischen Diskurs auf der Seite zahlreicher Theologen zu einer erhçhten Toleranz sowie zunehmender Offenheit gegenber den historischen „Hlfswissenschaften“ gefhrt451; gegenwrtig zeige sich jedoch, daß durch den Gebrauch eben dieser zustzlichen Erkenntnisinstrumente innerhalb des exegetischen Bemhens „der große Zweck der positiven Theologie wohl nicht erreicht werden kçnne“452. Seiner Zurckweisung einer Beweisbarkeit und damit einhergehenden offenbarungsbedingten Verbindlichkeit biblizistisch-dogmatischer Deduktionen lßt Reinhold eine Betrachtung der „positiven Jurisprudenz“ folgen453. Von der Vernunft her sei geboten, daß „alle Rechte, das Einzige des Strkern ausgenommen, nur durch Gesetze bestimmt werden kçnnen, welche moralisch mçglich sind“. Daher sei die „moralische Mçglichkeit der erste Grund aller Rechte“ und stnde dementsprechend ber dem kodifizierten „leidigen Buchstaben auch solcher Gesetze […], welche die Barbarey der finstern Zeitalter, in welchen sie entstanden sind, verewigen“454. Von dieser Prmisse her beobachtet Reinhold im Bereich der deutschen Jurisprudenz seiner Zeit „eine historische Parthey und eine philosophische, wovon die eine auf Herkommen und Besitzstand, die andere auf das moralische Sollen zu bauen bemht ist“455. Diese bemerkenswert frh hervorgehobene Alternative rechtsexegetischer Grundlagenbestim449 450 451 452

Ebd., S. 348 f. Ebd., S. 349. Ebd., S. 352 ff. Ebd., S.355; hier S. 355 f. auch die Leitfragen: „Streiten nicht unsere berhmtesten Exegeten noch immer ber die Prliminarfrage: ob die reine Idee von der Gottheit aus der Bibel geschçpft, oder, als das hçchste Kriterium der in der Bibel vorkommenden Vorstellungsarten von der Gottheit, aller Exegese vorhergehen msse? Streiten nicht unsere theologischen Moralisten bis auf diese Stunde ber die Idee und den Grund der moralischen Verbindlichkeit, ob nmlich dieselben erst aus dem Evangelium geschçpft, oder aber dem eigentlichen Sinne der evangelischen Lehren zu Grunde gelegt werden mssen?“. 453 Ebd., S. 356 ff. – Vgl. hierzu a. Reinhold, Ehrenrettung des positiven Rechtes, in: Der neue Teutsche Merkur 3 / 1791, S. 3 – 40 sowie S. 278 – 311. 454 ber den Geist unsres Zeitalters in Teutschland, S. 358. 455 Ebd., S. 359 [Hervorhebungen im Original].

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mung sollte sich im Verstndnis der Landesrechte Schleswigs und Holsteins whrend des 19. Jahrhunderts noch in einem bis zur Erhebung gegen die dnische Regierung ausgetragenen Konflikt entfalten. Vorerst konstatiert Reinhold jedoch eine „noch ganz unausgemachte Grnzscheidung des positiven und des natrlichen Rechtes“456 ; ber die Skizzierung eines von fundamentalen Erschtterungsphnomenen gekennzeichneten Lagebildes der Gegenwart hinausgehend, ußert er in seiner Betrachtung des deutschen Zeitgeistes die Zuversicht: „Mit einer lezten und heftigsten Erschtterung werden die einstweiligen Meynungen der Philosophen […] dahinstrzen, um feststehenden Grundszen Platz zu lassen.“457

Bei all diesen Beobachtungen des Zeitgeistes erkennt Reinhold, daß „Teutschland“ aufgrund seiner in der allgemeinen, relativ gleichmßigen Gterverteilung wurzelnden „glcklichen Konstitution […] unter allen brigen europischen Staaten am meisten zu Revolutionen des Geistes, am wenigsten zu politischen aufgelegt“ sei458. In dieser Einsicht zeigt sich deutlich das Wissen um die sachliche Kohrenz von çkonomischer Not und Revolutionsbereitschaft eines Volkes. Im Jahr seiner Berufung nach Kiel verçffentlicht Reinhold in dem von seinem Schwiegervater Wieland herausgegebenen „Neuen Teutschen Merkur“ einen Artikel „ber die Teutschen Beurtheilungen der franzçsischen Revoluzion“459. Er spricht von dieser als einer „Weltbegebenheit“460, deren Befrworter und Gegner sich in einer Auseinandersetzung befehdeten, in welcher „das bçse, in einem ewigen Kampfe mit sich selbst begriffene Prinzip in der menschlichen Natur […] sich unter andern auch in dem fortwhrenden Streit zwischen politischer Herrschsucht und dem Bestreben politischer Zgellosigkeit (sc. ußert, L.-P.), wovon die eine brgerliche Ordnung, das andere brgerliche Freiheit als das Losungswort im Munde fhrt.“461

Den Ambivalenzen der menschlichen Natur habe jedoch die menschliche Vernunft zu widerstreiten; diese befhige den Menschen, zu einem 456 457 458 459

Ebd. Ebd., S. 378. Ebd., S. 232. Reinhold, ber die Teutschen Beurtheilungen der franzçsischen Revoluzion. Ein Sendschreiben an den Herausgeber, in: Der neue Teutsche Merkur 1 / 1793, S. 387 – 424. 460 Ebd., S. 387. 461 Ebd., S. 389 [Hervorhebung im Original].

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„weltbrgerlich gesinnten Selbstdenker“ zu werden, der seinerseits angesichts der postrevolutionren Auseinandersetzung zwischen der „Demokratischen Fakzion“ und der „Aristokratischen“ nur ein Gleichgewicht der hier zum Ausdruck gelangenden Positionen wnschen kçnne462. Zum Problem werde jedoch, daß Befrworter und Gegner der Revolution diese „ganz oder doch grçßtentheils (als) das Werk der Filosofie“ betrachteten, und es dabei auf deutscher Seite ebenso zur Gepflogenheit geworden sei, „sich durch Beschuldigungen, als in Frankreich sich durch Lobsprche an dieser Wissenschaft zu versndigen“463. Vorrangig gilt Reinholds Interesse einem apologetischen Umgang mit diesem Problem; dabei differenziert er zwischen populrer und wissenschaftlicher Philosophie. Gerade die populre, „seichte“ Philosophie habe wie ein Schwamm alle zeitgeistigen Erkenntnisstrçme aufgesogen; sie sei auch wesentlich verantwortlich fr die gewalthaften Entgleisungen im Verlauf der Revolution, denn „in Frankreich wurden die Rechte der Menschheit berhaupt durch seichte Filosofie aufgestellt, durch Schwrmerey und Lasterhaftigkeit ausgedeutet, und durch die Fysische Gewalt, die aus den Hnden der Regierung in die Hnde des Pçbels bergieng, und die bisher einzig mit der Behauptung der Vorrechte des Throns, des Adels und der Geistlichkeit beschftiget war – zu bloßen Vorrechten des Pçbels herabgewrdiget, und als solche geltend gemacht.“464

Im Hinblick auf eine mçgliche bertragung der revolutionren Gewaltphnomene auf Deutschland gibt Reinhold jedoch erneut eine Entwarnung ab: „Teutschland hat von dem gegenwrtigen Zustande weder seiner Filosofie noch seiner Staatsverfassung und Staatsverwaltung ein hnliches Schicksal zu besorgen. Bey uns hat die filosofierende Vernunft bis itzt sehr viel fr die Wissenschaft, und sehr wenig durch die Wissenschaft geleistet. Unangefochten durch Verfolgungen von unfilosofischen Dienern der Kirche und des Staats […] sind die eigentlichen Bearbeiter und Lehrer der Filosofie in Teutschland ganz sich selbst berlassen.“465 462 ber die Teutschen Beurtheilungen der franzçsischen Revoluzion S. 389; zum Begriff des „Selbstdenkers“ vgl. Reinhold, Wie und worber lßt sich in der Philosophie Einverstndniß der Selbstdenker hoffen?, in: Der neue Teutsche Merkur 2 / 1791, S. 134 – 147. 463 ber die Teutschen Beurtheilungen der franzçsischen Revoluzion, S. 391. 464 Ebd., S. 395 [Hervorhebungen im Original]. 465 Ebd., S. 415; vgl. a. die hier zu findende Bewertung Reinholds, derzufolge „unsre Filosofen berhaupt so selten und so wenig Staatskundige, als unsre Staatskundigen Filosofen sind“.

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Damit fhrt Reinhold die Wurzeln der Franzçsischen Revolution durchaus auf die Impulse der franzçsischen Aufklrungsphilosophen zurck466 ; diesen habe jedoch die ihnen entgegentretende Anhngerschaft der alten Ordnung die Notwendigkeit einer vorschnellen Nivellierung ihrer individuellen Intentionen geradezu aufgezwungen. Mit dieser vorzeitigen Einebnung des noch in seinem Flusse befindlichen Diskurses habe sich eine zeitlich vor seiner Ausreifung einsetzende wie gesellschaftlich auch zu weit ausgreifende Popularitt der hier geußerten Vorstellungen verbunden467. In Deutschland hingegen, das viele Regenten kenne und eine Verfassung aufweise, die die „Willkhr der Verwaltung“ beschrnke, „um derjenigen allmhligen Verbesserung fhig zu seyn, ohne welche jede menschliche Einrichtung unaufhaltsam ihrem Untergange entgegeneilt“468, seien „politische Revoluzionen gegenwrtig […] unmçglich, aber Reformazionen vielleicht mehr als jemahls nothwendig. Verbesserung unsrer Verfassung ist durch keine Gewalt, weder der Frsten noch der Unterthanen, sondern nur durch bessere Einsicht und guten Willen mçglich.“469

In dieser Weise setzt Karl Leonhard Reinhold auf die positiven Eigenschaften des Menschen und vertritt dabei das seitens der deutschen Aufklrung weithin geußerte Postulat einer evolutiv orientierten „Reformation anstelle einer Revolution“. Daher setzt er sich zugleich fr die verstrkte Heranziehung „einer grndlichen Filosofie“ ein. Denn einerseits bedrfe das çkonomische Handeln der Gesellschaft eines philosophischen Fundamentes, auch wenn im prosperierenden deutschen Brgertum fatalerweise die „fleissigen, gelehrten und gebten Geschftsleute dieses Beystands berhoben seyn zu kçnnen glauben“470. Andererseits erfordere 466 Ebd., S. 395 f.; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, stellt zu dieser Auffassung Reinholds S. 108 fest: „Als ,weltbrgerlich gesinnter Selbstdenker‘ […] beurteilt er die Revolution nicht als ein vorwiegend nationales franzçsisches Ereignis, sondern vor allem als ein ,Werk der Philosophie‘“. 467 Vgl. hierzu a. Reinholds Schwiegervater Christoph Martin Wieland, ber die Rechtmßigkeit des Gebrauchs welchen die Franzçsische Nation dermalen von ihrer Aufklrung und Strke macht, in: Der Teutsche Merkur, 3. Bd., 1789, S. 225 – 262. 468 Vgl. hierzu Reinholds Urteil in: Ders., ber die Teutschen Beurtheilungen der franzçsischen Revoluzion, S. 408: „Die franzçsischen Filosofen haben sich vor der Revoluzion durch die Erscheinungen des Despotismus zu unbehutsamen Urtheilen ber die Fundamente der Staatsverfassungen verleiten lassen, welche der darauf gefolgten Anarchie nicht wenig zu statten kommen“. 469 Ebd., S. 399 [Hervorhebungen im Original]. 470 Ebd., S. 399 f.

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aber auch der staatsbrgerliche Umgang mit der Freiheit und Gleichheit aller Menschen eine philosophisch reflektierte Position, wie Reinholds durchaus fokussierender Vergleich des franzçsischen „welt-“brgerlichen Naturells mit dem deutschen „staats-“brgerlichen zeigen will: „Wenn der gewçhnliche franzçsische Weltbrger dem Staate dadurch verderblich wird, daß er diejenigen Schranken der Freyheit und Gleichheit aufhebt, ohne welche sich die Grndung und Erhaltung eines Staates gar nicht denken lßt: so muß der gewçhnliche teutsche Staatsbrger dem Staate dadurch gefhrlich werden, daß er auf solchen Einschrnkungen der Freyheit und Gleichheit besteht, durch welche nicht nur der Wohlstand, sondern sogar die Fortdauer eines Staates untergraben wird.“471

Reinhold sieht den Gradwandel zwischen einer revolutionr kurzfristig herbeigefhrten Anarchie und einer anhaltend tolerierten Despotie; doch erscheint ihm die Anarchie aufgrund ihrer finalen, unumkehrbaren Effizienz fr das Bestehen einer gesellschaftlichen Ordnung verderblicher. Als verhngnisvoll empfindet er jedoch die sich in der deutschen ffentlichkeit zwischenzeitlich weithin bemerkbar machenden redundanten Auswirkungen der in Frankreich geschehenen revolutionren Exzesse; denn gerade „Abscheu und Entsetzen vor den verheerenden Erscheinungen misverstandener Freyheit und Gleichheit […] fhren auch den unbefangendsten Beobachter unvermerkt und unwiderstehlich zu dem entgegengesetzten Extreme hin, und sçhnen ihn mit der willkhrlichen Gewalt von was immer fr einer Regierungsform aus.“472

Damit schließt Reinhold jede Rechtfertigung revolutionrer und gewaltsamer nderung der staatlichen Ordnung vollkommen aus473 ; allerdings verweigert er der berlieferten gesellschaftlichen Ordnung ebenso jedes Recht auf immerwhrende Festschreibung: „Der usserst merkwrdige Umstand, daß sich der gemeine und gesunde Verstand durch das Gefhl von Recht und Unrecht wirklich so laut und so 471 Ebd., S. 402. 472 „ber die Teutschen Beurtheilungen der franzçsischen Revoluzion“, S. 404. 473 Ebd., S. 406 f.; am 18. Mrz 1793 schreibt Reinhold an Jens Immanuel Baggesen: „Weg mit allen Revolutionen, die durch Gewalt und Leidenschaften durchgesetzt werden mssen! Man lasse uns noch eine Zeitlang den leidlichen Despotismus, und er wird durch Cultur des Geistes und des Herzens, die er bisher eher befçrdert als aufgehalten hat, immer leidlicher werden, bis er endlich einer Aristokratie der Einverstandenen, Weisen und Guten Raum lßt, die durch Begriffe und Gefhle leiten und durch Gewalt herrschen werden“, zit. n. Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 109.

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allgemein gegen den franzçsischen Demokratismus erklrt, und eben darum und dadurch fr den teutschen Aristokratismus zu erklren scheint, macht es zum dringendsten Bedrfnisse, diesen Schein zu zerstreuen, und legt den wenigen auserwhlten Schriftstellern die strengste Pflicht auf, sich […] von den heuchlerischen Aposteln der Unterdrckung nicht weniger als von den unverschmten Sachwaltern der Zgellosigkeit zu unterscheiden.“474

Mit dieser Auffassung bezieht der Kieler Philosophieprofessor475 eine doppelte Frontstellung: Er wendet sich von einem moralphilosophischen Standpunkt aus ebenso gegen die Anhngerschaft der berlieferten Ordnung wie gegen die zur Radikalitt bereiten Verfechter eines konsequent demokratischen Prozesses. Beiden kontroversen Gruppierungen macht Reinhold einen zur Parteilichkeit werdenden Egoismus zum Vorwurf: „Die Aristokraten wollen Niemand neben sich, die Demokraten Niemand ber sich haben; und wenn sich der ihnen Beiden gemeinschaftliche Endzweck, ihr Ich als das letzte Princip geltend zu machen, bei den Einen hinter das angebliche Streben nach brgerlicher Ordnung, bei den Anderen nach brgerlicher Gleichheit versteckt, so hat dieser Endzweck in der Philosophie ganz alle Maske abgeworfen; oder besser zu sagen, in der neuesten Philosophie hat der Egoismus das letzte Kleidungsstck, das sonst seine Pudenda verhllte, abgeworfen, und die Weltweisheit dahingebracht, daß das Ich das a und o, Principium und Finis, der allgemein geltende erste Grund und letzte Zweck sei.“476

Reinholds konturierte Distanz gegenber den kontroversen Exponenten des revolutionren Diskurses erweist sich jenseits des Kieler Campus jedoch als schwer vermittelbar. Seine tiefe, sich aus intellektuellen und sthetischen Prmissen speisende Skepsis gegenber der Roheit der werkttigen Brgerlichen, der „Brutalitt des großen Haufens“, lßt ihn rgerlichen Anstoß daran nehmen, daß der „schçne Name“ eines Brgers nunmehr „den Handwerkern und Krmern vorzugsweise zukommen soll“477. Derartige Ressentiments begrenzen notwendig den Kreis seiner Adressaten; der Gedanke einer konkreten Souvernitt des in weiten Teilen den aufklrerischen Intentionen fern bleibenden Volkes stellt sich Reinhold nicht. Doch auch im eigenen Lager trifft er auf Verstndigungsprobleme. Dies 474 Reinhold, ber die Teutschen Beurtheilungen der franzçsischen Revoluzion, S. 407 f. [Hervorhebungen im Original]; vgl. a. S. 423 f. 475 Hierzu Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 284; Paul Cruse, Student sein, wenn die Zçpfe fallen…, S. 149 – 152, SchleswigHolstein 17 / 1965, hier: S. 150. 476 Brief Reinholds an Baggesen vom 24. August 1796, in: M[oritz] Liepmann, Hg., Von Kieler Professoren, S. 71 – 73, hier: S. 72 [Hervorhebungen im Original]. 477 Ebd., S 71.

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zeigt sein erfolgloses Bestreben, mit dem aus Hessen in das Herzogtum Holstein eingewanderten Oberst und Generalquartiermeister Ludvig Jacob von Binzer478 und dem rechtswissenschaftlichen Professor Friedrich Christoph Jensen479 eine „Gesellschaft von Vertretern des common sense gegen die Fanatiker auf beiden Seiten“ ins Leben zu rufen480 ; die Bemhung scheitert an der Schwierigkeit, die entscheidenden Rationalisten der Herzogtmer auf eine gemeinsame Linie zu bringen481. Trotz seiner Absage an den Aristokratismus als integralem Bestandteil der berlieferten Gesellschaftsordnung konnte Reinhold vier Jahre nach Ausbruch der Revolution noch an die Kieler Universitt berufen werden. Kurz darauf setzte jedoch ein zunehmendes Absicherungsbedrfnis der Kopenhagener Regierung gegen etwaige prodemokratische Umtriebe unter den Angehçrigen der schleswig-holsteinischen Landesuniversitt ein. Das Mißtrauen der Regierung wandte sich damit gegen eben jene Bildungseinrichtung, die ber zwei Jahrzehnte hinweg seit der 1774 erfolgten Berufung Johann Andreas Cramers482 zum Prokanzler der Universitt483 478 Zu diesem S.[øren] A.[nton] Sørensen, DBL 2/1886, S. 276 – 279. Der 1746 in Hessen geborene von Binzer war seit 1766 Angehçriger des dnischen Offizierscorps; nach einigen in Norwegen verbrachten Dienstjahren kehrte er zu Beginn der 90er Jahre nach Holstein zurck und war seitdem in Kiel stationiert. Fortan beschftigte er sich in verantwortlicher Position mit der Neustrukturierung des dnischen Generalstabes. Er starb im November 1811 im damaligen Kieler Vorort Brunswik; zu seinem Sohn August Daniel vgl. u. S. 428 Anm. 136. 479 Zu diesem Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 174; ferner u. S. 411 f. 480 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 284. 481 Hierzu Degn, ebd. 482 Zu diesem: E. Pressel, ADB 4, S. 550 f.; Walther Rustmeier, SHBL 2, S. 118 f.; Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL I, Sp. 1147 – 1149; C.[arsten] E.[rich] Carstens., Geschichte der theologischen Facultt der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, in: ZSHG 5 / 1875, S. 1 – 132, hier S. 32 – 38; Gustav Stoltenberg, Johann Andreas Cramer. Seine Persçnlichkeit und seine Theologie, SSHKG 2. Reihe, Bd. IX / 1935, S. 385 – 452; Walter Blck, Geschichte des Studiums der praktischen Theologie an der Universitt Kiel, S. 40 – 56; Gottfried Mehnert, Die Aufklrungsepoche in Schleswig-Holstein, in: NE 30 / 1961, S. 22 – 36, hier S. 32 f. – Johann Andreas Cramer, am 29. Januar 1723 in Jçhstadt geboren, besuchte die Frstenschule in Grimma, um dann seit 1742 in Leipzig Philosophie, Philologie sowie Theologie zu studieren. 1748 wurde er Pastor in Krellwitz bei Magdeburg, zwei Jahre darauf Oberhofprediger in Quedlinburg; durch den Einfluß Klopstocks wurde er 1754 zum Kopenhagener Hofprediger berufen. Elf Jahre spter erhielt er eine Professur an der Kopenhagener Universitt. Beide mter verlor er 1771 nach dem Sturz Bernstorffs und wechselte daraufhin als Superintendent nach Lbeck; in der Folge der Rehabilitierung Bernstorffs‘ berief ihn der dnische Kçnig als Pro-

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„gewissermaßen von oben her fr die Aufklrung gewonnen worden war“484. Seither war ein sich in Berufungen und Lehre an der Christiana Albertina auswirkender weltanschaulicher Eudmonismus Hand in Hand gegangen mit einem sich auf vielen Ebenen bettigenden pdagogischen Impetus485. kanzler und Professor primarius nach Kiel. Johann Andreas Cramer starb am 12. Juni 1788. – Er bewahrte „in den wesentlichen Aussagen der Lehre die herkçmmliche lutherische Substanz […], auch wo sie den Zeitgenossen im allgemeinen problematisch geworden war, wie bei der Lehre von der Erbsnde und vom Versçhnungstod und der Auferstehung Christi, aber sie wurden doch in eine Haltung eingebettet, die den Blick nicht so sehr auf die Christologie richtete als vielmehr auf die allgemeine Gotteslehre und die natrliche Erkenntnis Gottes“, Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 74; vgl. hierzu etwa Cramers geistliche Lieder wie „Du gingst, o Heiland, hin, fr uns zu leiden“, in: Johann Andreas Cramer, Prokanzlers der Universitt Kiel Smmtliche Gedichte, Zweyter Theil, Sechstes Buch, Carlsruhe 1783, S. 97 – 99; die Strophen 2 sowie 3b/7a und 11 finden sich im gegenwrtigen Evangelischen Gesangbuch als Nr. 221, wobei Aussagen wie „Du starbst, von Fluch uns, und allem Bçsen uns zu erlçsen“ im berlieferungsprozeß zwischenzeitlich weggelassen worden sind; ferner ders., „Ewig, ewig bin ich dein“, in: Ders., Smmtliche Gedichte, Zweyter Theil, Siebentes Buch, Carlsruhe 1783, S. 88 – 91; ders., „Ich such’ in Gott mein Glck“, in: Ders., Smmtliche Gedichte, Dritter Theil, Carlsruhe 1784, S. 106 – 109, wo es S. 108 heißt: „Welch Elend fr mein Heil / Mein Mittler litt: dies lehre / Mein leicht betrognes Herz; / Damit sichs nicht empçre; / Daß meinem Jesu ich / Und dir nicht ungetreu, / Nicht lstern nach der Lust / Bethçrter Snder sei“. 483 Seit 1784 wirkte Cramer als Kanzler der Christiana Albertina. Seine Aufgabe lag in der Leitung der universitren Selbstverwaltung; die Universitt als ganze war „mit dem gesamten Unterrichtsbetrieb der obersten Verwaltungsbehçrde der Herzogtmer in Kopenhagen, der Schleswig-Holsteinischen Kanzlei, unterstellt“, Sigrid Wriedt, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina im Zeitalter des dnischen Gesamtstaates (1773 – 1852), S. 18. 484 Dieter Lohmeier, a.a.O., (Anm. 482), S. 85. Ebd. das Resmee: Allem Anschein nach gab es hier „fast zwei Jahrzehnte lang keine nennenswerten Widerstnde gegen aufklrerische Haltungen und keine entsprechenden Richtungskmpfe; die Universitt war ganz unangefochten eine Bildungssttte der Aufklrung“; Sigrid Wriedt, a.a.O., S. 21: „An der Kieler Universitt konnte sich das Bildungsgut deutscher Geisteswelt verbreiten“. 485 Die Wirkungsfelder dieser Bemhungen waren ußerst vielfltig; sie erstreckten sich auf die Erçrterung der Errungenschaften der „Americanischen Constitution“ ebenso wie auf die mit der Grndung eines Sparkassen- und Rentenwesens verbundenen Aspekte, auf Fragen des Landbaus ebenso wie auf die Probleme des Deichbaus an der Nordsee; ein Großteil der in diesen Diskursen erçrterten Fragen fand seinen publizistischen Niederschlag in den seit 1787 von Professor August Niemann herausgegebenen „Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichten“; hierzu Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an

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Anfang 1793 sah sich jedoch Wilhelm Ernst Christiani486, Professor fr Philosophie, Naturrecht und Politik in Kiel, veranlaßt, eine Eingabe des universitren Konsistoriums an die Deutsche Kanzlei zu entwerfen487. Diesem Entwurf schlossen sich seine Kollegen mehrheitlich an; doch nicht alle hielten es fr erforderlich, sich den in der Eingabe angesprochenen, bis dahin eher vagen und inkonkreten Vorwrfen zu stellen488. Im Hintergrund dieser apologetischen Bemhung stand das auf Betreiben der preußischen Regierung zustande gekommene Verbot des „Niederschsischen Merkurs“489. Die Deutsche Kanzlei hatte auf diese Initiative hin den Kieler Oberprsidenten der Stadt Kiel, von Schack, angewiesen, den Absatz dieses Journals zu unterbinden490. Der Oberprsident ließ daraufhin dem Universittsbuchhndler und –drucker eine entsprechende Anordnung zugehen; das Konsistorium sah sich jedoch durch dieses Vorgehen bergangen und artikulierte dies daraufhin gegenber der Deutschen Kanzlei in ehrerbietiger, jedoch deutlicher Weise. Der „Niederschsische Merkur“

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der Universitt Kiel, S. 323 – 325; Kai Detlev Sievers, Volkskultur und Aufklrung im Spiegel der Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichte, Neumnster 1970; Dieter Lohmeier, a.a.O., S. 75 – 86. Zu diesem C.[arsten] Er.[ich] Carstens, Geschichte des Studiums der speciellen Vaterlandskunde auf der Kieler Universitt, Tondern 1876, S. 8 – 10; H. Ratjen, ADB 4, S. 214 ff.; Sigrid Wriedt, SHBL 6, S. 62 – 65; dies., Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina im Zeitalter des dnischen Gesamtstaates (1773 – 1852), S. 29 – 55. „An die hçchstpreißliche kçnigliche deutsche Kanzley in Copenhagen. Ganz gehorsamstes Pro Memoria“ v. 22. Januar 1793, LAS 47. Nr. 117.11; Abschrift LAS 65.2 Nr. 681, Fol. 24 – 33. Hierzu Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 92 – 95; Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Universitt Kiel, S. 327 f.; Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 86 f. U. a. [Samuel Gottfried] Geyser [Prof. der Theologie], [Jakob Christoph Rudolf ] Eckermann [Prof. der Theologie], [Adolf Friedrich] Trendelenburg [Professor der Rechtswissenschaft], [Friedrich Christoph] Jensen [Professor der Rechtswissenschaft], [Wilhelm Ernst] Christiani [Professor fr Naturrecht und Politik], [Christian Gotthilf ] Hensler [Prof. der Medizin], [Johann Christian] Fabricius [Prof. der Naturhistorie und Entomologie], [Carl Friedrich] Cramer [Prof. der Griechischen Sprache], [Dietrich Hermann] Hegewisch [Prof. der Geschichte], [Valentin August] Heinze [Professor der Statistik und Staatenkunde]. Zum von Friedrich Wilhelm von Schtz herausgegebenen „Niederschsischen Merkur“ s. o. S. 135 – 138. Deutsche Kanzley, Kopenhagen, An 1) den Herrn Geh.Rath und Oberprsidenten von Schack zu Kiel, 2) den Etatsrath und Brgermeister Thorstraten zu Flensburg [Anweisung, die Verbreitung des „Niederschsischen Merkurius“ zu unterbinden], LAS 65.2 Nr. 681, Fol. 15.

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wurde dabei apostrophiert als „elende Schrift, die zwar Anfangs begierig gelesen ward“, nun aber bereits begonnen habe, „viel geringeren Abgang zu finden, und sicherlich bald von selbst in ihre verdiente Dunkelheit herabgesunken seyn wrde“491. Bei dieser Gelegenheit wiesen die Professoren gleichzeitig darauf hin, daß die „Universitt und die ganze Stadt Kiel das Schiksal gehabt hat in den Ruf einer bertriebenen Freyheitsliebe zu kommen“. Demgegenber stritten sie nicht ab, daß an der Universitt „jedermann ber ußerliche Angelegenheiten, zumahl die großen Umwlzungen auswrtiger Staaten und Lnder freymthig sich mit andern unterhlt“ und daß „bisweilen Wnsche ber Abstellung wahrer oder geglaubter Staatsgebrechen […] geußert worden“ seien492. Daß an der Universitt und mit ihr in Kiel jedoch „eine ausgebreitetere, oder auch nur merkliche Unzufriedenheit mit der kçnigl. Regierung herrscht, daß gewaltsame Staatsvernderungen gewnscht oder auch nur in der Ferne vorbereitet werden sollten, ist falsch“493. Da jedoch „bisweilen Auflaurer in çffentlichen Husern oder in Privatgesellschaften irgendeine ußerung auffangen, und oft aus ihrem Zusammenhange gerißen, verstmmelt und verunstaltet bertragen“, will das Consistorium mit den Worten Christianis darauf hoffen, daß „die Hçchstpreisliche Kçnigl. Deutsche Kanzley zu viel Vertrauen in die Rechtschaffenheit und Amtstreue der Professoren setzen werde, als daß sie den Nachrichten solcher unwrdigen Schwtzer auch nur den mindesten Werth beylegen konnte“494. Jedoch verstarb Ernst Wilhelm Christiani noch im selben Jahr 1793. Posthum verçffentlichte Christian Ulrich Detlev Freiherr von Eggers den von Christiani verfaßten Traktat „Von der ehemaligen Befugniß der Schleswig-Hollsteinischen Landstnde, sich ihre Landesherrn zu erwhlen, und von der Einfhrung des Rechts der Erstgeburt in Schleswig und Holstein“495. In dieser Schrift hebt Christiani eingangs hervor, daß die dnische Krone unter Christian I. nach dem unbeerbten Ableben Adolfs VIII., Herzogs zu Schleswig und Grafen zu 491 LAS 47 Nr. 117.11. – Das Schreiben hebt hervor, daß der „Niederschsische Merkur“ zwischenzeitlich unter dem Titel „Proteus“ in Hamburg unter weiterer Einbringung „franzçsischer Gedanken“ fortgesetzt publiziert werde; allein dieser Namenswechsel widerrate einer weiteren Verfolgung und Untersagung. 492 Ebd. 493 Ebd. 494 „An die hçchstpreißliche kçnigliche deutsche Kanzley in Copenhagen. Ganz gehorsamstes Pro Memoria“, Schr. der Kieler Professorenschaft v. 22. Januar 1793, LAS 47 / 117. 495 Ernst Wilhelm Christiani, in: Deutsches Magazin, 7 / 1794, S. 591 – 623.

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Holstein, „Hollstein“ erhalten habe, „und mit demselben das zwar zu Deutschland nicht gehçrige, aber doch mit Hollstein schon lange durch ein sehr enges Band verknpfte Herzogthum Schleswig“496. Auf der anderen Seite htten „die schleswig-hollsteinischen Stnde das Recht“ erhalten, „sich ihren Landesherrn selbst zu erwhlen. Von der Beschaffenheit dieses Wahlrechts, von dem Gebrauch, der davon gemacht wurde, und von den Ursachen und der Art der Aufhebung desselben, sind verschiedene […] Geschichts- und Staatsrechtskundige bisher so wenig unterrichtet gewesen, daß es wohl der Mhe werth scheinen kann, diese ganze Sache etwas nher aufzuklren“497. Dieses Wahlrecht grnde „auf zwo Versicherungsacten […], die der Kçnig ausstellte. Die erste gab er den Stnden 1460 […] zu Ripen498 […]. In derselben heißt es ausdrcklich:[…] soll es den Einwohnern und ihren Nachkommen frey stehen, aus des Kçnigs Kindern, oder, falls er keine hinterließe, einen nach Gutdnken zu erwhlen […] In der andern, die er […] zu Kiel ausstellte wird die Befugnis der Stnde noch etwas nher bestimmt. Wenn der Kçnig, so heißt es darin, oder einer seiner Nachkommen mit Tode abgeht, und nur einen einzigen Sohn hinterlßt, der Kçnig zu Dnemark ist, mçgen die Einwohner dieser Lande eine freye Wahl behalten, diesen Kçnig zum Herzoge von Schleswig und Grafen von Hollstein zu erwhlen.“499

Mit dieser Erinnerung an die historischen Fundamente der Landesrechte benannte Ernst Wilhelm Christiani – noch whrend der unmittelbar postrevolutionren Zeitspanne – jene geschichtlichen Verbindlichkeiten, die im Verlauf der kommenden Jahrzehnte mehr und mehr zum politischen Sprengstoff im Gebilde des dnischen Gesamtstaates heranreifen sollten. Der Freiherr von Eggers schloß an den von Christiani verfaßten Artikel eine 496 Ebd., S. 592. 497 Ebd. 498 Abdruck des Ripener Privilegiums vom 5. Mrz 1460 in: Henning von Rumohr, Dat se bliven ewich tosamende ungedelt. Festschrift der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft zur 500. Wiederkehr des Tages von Ripen am 5. Mrz 1960, Neumnster 1960, S. 26 – 33. Privilegium und verstrkend noch die „Tapfere Verbesserung“ vom 1. April 1460 besttigten die Vereinigung Schleswigs und Holsteins aus dem Jahre 1386; hierzu Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 137; Ulrich Lange, Stnde, Landesherr und Grosse Politik – Vom Konsens des 16. zu den Konflikten des 17. Jahrhunderts, in: Ders., Hg., Geschichte SchleswigHolsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, S. 153 – 266, hier S. 155 – 157. Die Privilegien verbanden beide Herzogtmer durch Personalunion mit dem Kçnigreich Dnemark. Der besondere Konnexus Schleswig und Holsteins entsprach unter diesen Bedingungen dem einer Realunion i. S. eines „politisch handlungsfhigen Personenverbandes“, Lange, a.a.O., S. 157. 499 Christiani, a.a.O., S. 595 f.

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Kapitel II

Verçffentlichung jenes Statutes an, das den Ablauf der landesherrlichen Erbfolge regelte; dies war die „Besttigung des vom Kçnig Friedrich III. wegen der Herzogtmer Schleswig und Hollstein zu Kopenhagen den 24. Jul. 1650 errichteten Erb-Statuti Juris Primogeniturae et Majorennitatis, so weit dasselbe Hollstein betrift. d.d. Wien 9 Dec. 1650“ des Kaisers Ferdinand III.500. Hier findet sich die vom Kaiser positiv beschiedene Bitte, das „jus primogeniturae […] in Unsere Frstenthmbern Schleswig, Hollstein und deren incorporirten Landen eingefhrt […] zu stabiliren“501, und zwar „solang nach dem Willen Gottes Unsere Kçnigl. Schlesw. Hollstein. Mnnliche Linea wehret, undt von Unserm Leibe postirende Erben vorhanden“502. Es muß in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob Christianis Interesse an der Hervorhebung der Landesrechte gerade whrend dieser Zeitspanne konkreten freiheitlich-oppositionellen oder aber eher exklusiv historischen Intentionen entsprang: Faktisch zeigt sich in der Folgezeit eine anwachsende Erçrterung geschichtlicher wie auch rechtlicher Aspekte des Verhltnisses zwischen dem Untertan in Schleswig und Holstein auf der einen und dem Landesherrn auf der anderen Seite503. Die auf Christianis Initiative hin nach Kopenhagen gerichteten, mehr oder minder vorauseilend apologetischen ußerungen des Konsistoriums504 indizierten bereits eine Atmosphre der Denunziation und der obrigkeitlichen berwachung. In die gleiche Richtung weist eine aus dem Mrz 1794 datierende Mahnung des Directeurs der Kopenhagener

500 Christian Ulrich Detlev Freiherr von Eggers, in: Deutsches Magazin 7 / 1794, S. 624 – 637. 501 Ebd., S. 627. 502 Ebd., S. 628 [Hervorh. vom Verf.]; zur dnischen Erbfolge o. S. 92 Anm. 225. 503 Vgl. etwa den anonym publizierten Traktat ber Landesherrliche Propositionen auf dem jngsten Schleswig-Holsteinischen Landtage im Jahre 1711, Deutsches Magazin 10 / 1795, S. 242 – 249; Christian Ulrich Detlev von Eggers, Sollen Prediger ber Freyheit und Gleichheit von der Kanzel reden?, in: Deutsches Magazin 10 / 1795, S. 211 – 224; anonymer Verfasser, ber die Eide, in: Minerva 1 / 1796, S. 483 – 488; anonymer Verfasser, ber die von der Obrigkeit geforderten Eide, Deutsches Magazin 12 / 1796, S. 438 – 450; Anzeige der durch Jensen und Hegewisch besorgten „Privilegien der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft von dem in der Privilegienlade befindlichen Original genau abgeschrieben“, SHPb 2 / 1797, S. 170; von Eggers, Grndet sich der Staat auf Vertrag?, Deutsches Magazin 13 / 1797, S. 358 – 404; Lorenz, Kann man bei republikanischen Gesinnungen ein guter Brger eines monarchischen Staates seyn?, Deutsches Magazin 18 / 1799, S. 184 – 198. 504 Vgl. o. S. 254.

6. Aufklrung und Reaktion

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Deutschen Kanzlei an Valentin August Heinze505, seit 1788 als Professor der Statistik und Staatenkunde in Kiel ttig: „Sie werden unschwehr ermessen, daß die Kanzeley […] vornehmlich die Absicht hat, Sie berhaupt zu mehrerer Aufmerksamkeit auf die Schritte, die Sie thun, und das Verhltniß, worin Sie stehen, zu veranlassen […] Ein Lehrer der Jugend kann in Ansehung der politischen Grundstze, die er ihr beybringet, nicht zu behutsam seyn. Der franzçsischen Republik verdenkt es niemand, daß sie nicht leidet, daß man ihrer Jugend eine Neigung fr die monarchische Regierungsform einflçße. Mit welchem Fug kann dann verlanget oder erwartet werden, daß ein monarchischer Staat es ruhig geschehen lasse, daß çffentliche Lehrer seine knftige[n] Brger zu entschiedenen Democraten, wo nicht gar zu echt franzçsischen Brauskçpfen bilden?“506

In seiner Erwiderung spricht Heinze von „Verleumdungen“, die man sich gegen seine „Art zu denken und zu lehren“ erlaubt habe507; auch habe er seine Haltung zuvor bereits brieflich dem Leiter der Deutschen Kanzlei, dem Herrn Grafen Bernstorff, „umstndlich“ dargelegt. Dessen seitheriges Stillschweigen habe er bislang als Billigung seines eigenen Verhaltens gedeutet. Doch wolle er nunmehr deutlich machen, sich nie erlaubt zu haben, „unsern jungen Leuten gefhrliche Grundstze vorzutragen, oder ihnen monarchische Regierungen zuwider zu machen“508, da er ein solches Verhalten sich selbst „nie verzeihen wrde“509. Zwar kçnne er nicht leugnen, daß sich auch unter den Kieler Studierenden – „wie unter allen jungen 505 Zu diesem: C.[arsten] E.[rich] Carstens, Geschichte des Studiums der speciellen Vaterlandskunde auf der Kieler Universitt, S. 12 f.; Heinze las in den Jahren 1793 bis 1797 ber die „Statisticen praecipuarum Europae civitatum“; fr 1794 kndigte er die Vorlesung „Publice Statisticen Russiae, Sueciae & Franco Galliae“ an. Damit war er „offenbar der einzige unter den Geschichtsprofessoren, der sich als Lehrer mit den zeitgençssischen Ereignissen befaßte“, Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S.96. Mçglicherweise sprach Heinze in seinen Vorlesungen republikanisch-revolutionre Inhalte an; vielleicht war sein Colleg auch Anziehungspunkt prodemokratisch gesinnter oder revolutionsinteressierter Studenten. Schriftliche ußerungen Heinzes zur Revolution liegen nicht vor. Dagegen hielt in Jena der Jurist Gottlieb Hufeland bereits 1792 „ber die Errungenschaften der Franzçsischen Revolution“ ein Colleg, vgl. Gnter Steiger, „Ich wrde doch nach Jena gehen“, Jena 1971, S. 86. 506 Adolf Gotthard Carstens in einem Schreiben vom 22. Mrz 1794 an Heinze, zit. n. M.[oritz] Liepmann, Hg., Von Kieler Professoren, S. 60. Carstens war von 1780 bis 1795 „Directeur der Deutschen Kanzeley“. 507 Heinze in seinem eiligst abgesandten Antwortschreiben vom 25. Mrz 1794, in: M.[oritz] Liepmann, a.a.O., S. 60 f., hier: S. 60. 508 Ebd. 509 Ebd.

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Kapitel II

Leuten“ – einzelne „Brausekçpfe“ befnden; dies sei ihm als akademischen Lehrer jedoch nicht zum Vorwurf zu machen, da er stets bestrebt sei, „solche unberlegte Urtheile zurckzuhalten und zu berichtigen, sowie unsere studirende Jugend von der Vortrefflichkeit und den Vorzgen unserer Preiswrdigen Regierung zu berzeugen“510. Auf solche Weise zeichnete sich an der Kieler Universitt ein Klima zunehmender Observanz ab, in dem sich auch der Mathematikprofessor Friedrich Valentiner511 um persçnliche Rechtfertigung gegenber dem Vorwurf bertriebener Freiheitsliebe beeilte. So „qulte er sich recht ab“, den Studenten Georg Friedrich Schumacher „zu berzeugen, daß er kein Jacobiner sei, obgleich er 2 Jahre hindurch es unverhohlen gewesen war“512. Doch nicht allen regierungsseitig auffllig gewordenen Lehrern der Hochschule glckte die erforderliche Rehabilitation. Ein hartes Los traf den seit 1775 an der Kieler Universitt als Professor der griechischen Sprache ttigen Carl Friedrich Cramer513, den ltesten 510 Ebd. 511 Zu diesem C.[arsten] Er.[ich] Carstens, Geschichte des Studiums der speciellen Vaterlandskunde auf der Kieler Universitt, S. 12 f.; Fritz Treichel, SHBL 9, S. 354 – 356. 512 Georg Friedrich Schumacher (1771 – 1852), Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 216. 513 Zu diesem und zum Folgenden: Carl Friedrich Cramer, Jean Jacques Rousseaus Smmtliche Werke, bersetzt von C.F. Cramer, Berlin 1785 – 1791; ders., ber mein Schicksal., Altona und Leipzig 1795; ders., Cramers Tagebuch aus Paris, Erstes Heft, Vom 1 bis zum 20 Vendem. 8, Paris 1800; vgl. ferner Berend Kordes, Lexikon der Jetzt Lebenden Schleswig-Holsteinischen und Eutinischen Schriftsteller, Schleswig 1797, S. 65 – 70; H.[enning] Ratjen, ADB 4, S. 557 f.; KarlEgbert Schultze, SHBL 2, S. 116 f.; Ludwig Krhe, Carl Friedrich Cramer bis zu seiner Amtsenthebung, Berlin 1907; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 211 – 215; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 112 – 128; Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt in der Zeit der Aufklrung und der Franzçsischen Revolution, S. 330 – 334; Alain Ruiz, „Cramer, der Franke“: Ein norddeutscher Herold der Franzçsischen Revolution gegen die „aristokratischen Skribenten“ seiner Zeit, in: Helmut Reinalter, Hg., Jakobiner in Mitteleuropa, Innsbruck 1977, S. 196 – 227; Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 87 – 89; Sven-Aage Joergensen, Carl Friedrich Cramer: Ein verunglckter Nachzgler der Gesamtstaatskultur, in: Heinrich Detering, Anne-Bitt Gerecke und Johan de Mylius, Hg., Dnischdeutsche Doppelgnger. Transnationale und bikulturelle Literatur zwischen Barock und Moderne, Gçttingen 2001, S. 116 – 133; Petra Blçdorn-Meyer, Michael Mahn und Rdiger Schtt, Hg., Carl Friedrich Cramer – Revolutionr, Professor und Buchhndler, Nordhausen 2002.

6. Aufklrung und Reaktion

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Sohn Johann Andreas Cramers. Dieser stand von Jugend auf in enger Beziehung zu Klopstock514, der als Freund und Fçrderer seines Vaters zu seinem nachmaligen Mentor wurde und mit dem er bereits „den Befreiungskrieg der Amerikaner voll Sympathie fr die sich Losringenden verfolgt. Gedanken an staatliche Umformungen hatten den Jngeren seitdem nicht losgelassen“515. Zu seinem nheren Bekanntenkreis rechneten sich Heinrich Wilhelm von Gerstenberg516, Joachim Heinrich Campe517, Johann Abraham Peter Schulz518, Jens Immanuel Baggesen519 sowie Thomas

514 Zum Verhltnis Cramers zu Klopstock bereits o. S. 76; ihren besonderen Niederschlag fand Cramers Verehrung fr den vterlichen Freund in seinen beiden Publikationen „Friedrich Gottlob Klopstock. In Fragmenten aus Briefen von Tellow an Elisa“, Bd. 1, Hamburg 1777; Bd. 2, Hamburg 1778; Nachdruck Bern 1969/71 sowie „Klopstock. Er und ber ihn“, In 5 Theilen, Hamburg 1780 / Dessau 1781/82 / Leipzig / Altona 1790/92/95. Teile des Briefwechsels zwischen Cramer und Klopstock finden sich in der Universittsbibliothek Kiel, Cod. ms. SH 406 H Fasz. 1; hierzu Rainer Schmidt, „Es wird ewig mein Stolz bleiben, daß ich des Stolzes genoßen habe, Ihr Freund zu seyn“. Carl Friedrich Cramer und seine Beziehungen zu Klopstock, in: Petra Blçdorn-Meyer, Michael Mahn und Rdiger Schtt, Hg., Carl Friedrich Cramer – Revolutionr, Professor und Buchhndler, S. 392 – 417, hier bes. S. 394 – 406. 515 Ludwig Krhe, Carl Friedrich Cramer bis zu seiner Amtsenthebung, S. 226. 516 Zu diesem o. S. 150 f. Anm. 114; ferner Redlich, ADB 9, S. 60 – 66; Hartwig Molzow, SHBL 8, S. 156 – 161; Albert Malte Wagner, Gerstenbergs Leben, Schriften und Persçnlichkeit, Heidelberg 1920; Anne-Bitt Gerecke, „Originalcharakter“: Konzeption und Imagination des „Nordischen“ bei Heinrich Wilhelm von Gerstenberg, in: Heinrich Detering u. a., Hg., Dnisch-deutsche Doppelgnger, S. 63 – 76. Gerstenbergs Briefwechsel mit Cramer findet sich in der Kieler Universittsbibliothek: Cod. ms. SH 406 H Fasz. 3. 517 Zu diesem Ludwig Fertig, Campes politische Erziehung. Eine Einfhrung in die Pdagogik der Aufklrung, Darmstadt 1977; Hanno Schmitt, Visionre Lebensklugheit: Joachim Heinrich Campe in seiner Zeit (1746 – 1818). Ausstellung des Braunschweigischen Landesmuseums vom 29. Juni bis 13. Oktober 1996, Wiesbaden 1996. 518 Zu diesem Heinz Gottwaldt und Gerhard Hahne, Hg., Briefwechsel zwischen Johann Abraham Peter Schulz und Johann Heinrich Voss, Kassel 1960; Jrgen Mainka, Johann Abraham Peter Schulz. Ein Beitrag zur Untersuchung der Beziehungen des „Sturm und Drang“ zum Klassiszismus, Beitrge zur Musikwissenschaft 4 / 1971, S. 274 – 320. 519 Zu diesem Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830, S. 210 – 217; Karin Hoff, Die Entdeckung der Zwischenrume. Literarische Projekte der Sptaufklrung zwischen Skandinavien und Deutschland, Gçttingen 2003, S. 271 – 343.

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Kapitel II

Thorild520, aus Schweden stammender Schriftsteller und Publizist. Von seiner Herkunft und Stellung her war Cramer ein 520 Zu diesem Erik Stellan ke Arvidson, Thorild och den franska revolutionen, Stockholm 1938; Ernst Cassirer, Thorilds Stellung in der Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts, Stockholm 1941; Ernst Zunker, Thomas Torild als Bibliothekar in Greifswald, Sonderdruck aus „Zentralblatt fr Bibliothekswesen“ 1 – 4 (1953), Leipzig 1953; Karin Hoff, Freiheit und Disziplin. Die Ambivalenz der Aufklrung in Thomas Thorilds „En critik çfver critiker“, Frankfurt/M. 1998; dies., Die Entdeckung der Zwischenrume, S. 57 – 137; Thomas Bredsdorff, Den brogede oplysning, København 2004, S. 268 – 302; Karin Hoff, Aufklrung (1720 – 1800), in: Jrg Glaser, Hg., Skandinavische Literaturgeschichte, Stuttgart / Weimar 2006, S. 79 – 130, bes. S. 120 – 122. Der am 18. April 1759 unweit Gçteborgs geborene Thomas Thorild hielt sich von 1788 bis 1790 in England auf, wo er neben der „Geniesthetik“ den britischen „Sensualismus“ rezipierte, Hoff, Aufklrung, a.a.O., S. 116; er forderte frhzeitig allgemeinen Bildungszugang, das Recht auf freie Meinungsußerung, die Gleichberechtigung der Frau sowie die Bercksichtigung des Volkswillens. Zurckgekehrt nach Schweden trat er als strikter Befrworter der Franzçsischen Revolution hervor, die er als radikalisierte Entwicklung und Folge der Aufklrung begriff. Vom Terror der Revolution distanzierte er sich indessen nachdrcklich und postulierte im Prozeß der Gleichheitsrealisierung einen wesentlich gewaltfreien Verlauf der Entwicklung hin zu einer demokratischen schwedischen Gesellschaft; seine „lyrischen und literaturkritischen Arbeiten stehen in deutlicher Opposition“ zur Hofkultur Stockholms, Hoff, a.a.O., S. 120. Nachdem am 16. Mrz 1792 der stets um Ausweitung seiner absolutistischen Machtbefugnisse bemhte Gustav III. Opfer eines Attentates durch einen aristokratischen Offizier geworden war, wurde Thorild 1793 des Landes verwiesen. Nach lngerem Aufenthalt in Lbeck wirkte er seit 1796 als Bibliothekar und a.o. Professor fr schwedische Literatur in Greifswald, wo er am 01. Oktober 1808 starb. Hier wurde er u. a. zum Lehrer des spteren „Turnvaters“ Friedrich Ludwig Jahn, dem er den Zugang zum „nordischen Volkstum“ erschloß; auch fr Ernst Moritz Arndt und „sein mit germanischen Rechtsideen arbeitendes Volkstumsverstndnis“ erlangte Thorild Bedeutung, vgl. Ernst Wolf, Art. „Ernst Moritz Arndt“, RGG I, 3. Aufl., Sp. 630 f., hier: Sp. 630. Beeinflußt von Rousseau, Goethe und der deutschen Frhromantik wandte sich Thorild auf literarischem Feld gegen den formalen Zwang des franzçsischen Klassizismus; hierzu Karin Hoff, Die Entdeckung der Zwischenrume, S. 79 – 81. Auch trat er als Kritiker Kants hervor, dem er den Vorwurf eines universellen Anspruches machte, wobei Thorild moniert, daß Kants Schriften „in hyperbolischer Attitde die ,gçttliche Stimme‘ der Vernunft nachahmten. Die in Kants philosophischem System entwickelten Hypothesen setzten nach Thorild „Erfahrungen“ voraus, die in dieser Weise ,kein Kant, sondern nur ein Jehovah‘ ausspechen kçnne“, Hoff, a.a.O., S. 96, unter Verwendung eines Zitates aus Thorilds Grundlagenschrift „En critik çfver critiker“. Zum Bruch zwischen Thorild und Cramer kam es, nachdem Thorild vor seiner Einstellung im schwedisch verwalteten Greifswald der Regierung seine Loyalitt und seinen Gesinnungswechsel erklren hatte; hierzu Rdiger Schtt, Cramer digital. Die Nachlassteile von Carl Friedrich Cramer in der Universi-

6. Aufklrung und Reaktion

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„Mann, der dazu geboren war, in kultureller Hinsicht in den ersten Reihen des Gesamtstaats Platz zu nehmen, was er dann auch tat – um sich dabei am Ende zwischen alle vorhandenen Sthle zu setzen.“521

Seine Studienzeit verband ihn mit den Angehçrigen des „Gçttinger Hains“522 und damit mit einigen der spterhin maßgeblichen Persçnlichkeiten des gesamtstaatlichen Lebens. In jungen Jahren hatte Cramer eine Anzahl Bnde ber seinen Mentor Klopstock verçffentlicht523, deren finanzieller Erfolg jedoch bereits zu Beginn der 80er Jahre erkennbar ausblieb524. Daher wandte er sich in der Folge bersetzungsarbeiten zu und bertrug Rousseaus Werke ins Deutsche525. Wie aus seinem Briefwechsel

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ttsbibliothek Kiel – und ihre Prsentation im Internet, in: Petra Blçdorn-Meyer, Michael Mahn und Rdiger Schtt, Hg., Carl Friedrich Cramer – Revolutionr, Professor und Buchhndler, S. 373 – 391, hier S. 384 f. Der Briefwechsel Thorilds mit Cramer findet sich in der Universittsbibliothek Kiel unter der Signatur Cod. ms. SH 406 H Fasz. 7. Sven-Aage Joergensen, Carl Friedrich Cramer: Ein verunglckter Nachzgler der Gesamtstaatskultur, S. 119. Ludwig Krhe, Carl Friedrich Cramer bis zu seiner Amtsenthebung, hebt S. 2 hervor, daß Cramer „das Opfer einer Intrigue wurde, die seine im Grunde unschuldigen, nur in ihrer Form versehenen usserungen ber den franzçsischen Revolutionr Ption benutzte, um durch seine Absetzung ein Exempel gegenber der allgemein freien Gesinnung an der Universitt zu statuieren“; hnlich Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 88. Zum Gçttinger Hain u. S. 340 f.; vgl. ferner Ludwig Krhe, Carl Friedrich Cramer bis zu seiner Amtsenthebung, S. 3 f. und 80 f. Vgl. die o. S. 259 Anm. 7 genannten diesbezglichen Publikationen Cramers. Hierzu Ludwig Krhe, a.a.O., S. 183 f.; Cramers Freund Heinrich Christian Boie verçffentlichte in dem von ihm herausgegebenen Deutschen Museum 2 / 1781, S. 182 – 185 eine detaillierte, von Cramer selbst verfaßte Subskriptionseinladung, die jedoch erfolglos blieb. Jean Jaques Rousseaus Smmtliche Werke, bersetzt von C.[arl] F[riedrich] Cramer, Theil 1 „Die Neue Heloise“, Berlin 1785; Theil 2/3, „Die Politik“, Berlin 1786; Theil 4, „ðmile“, bersetzt von C.[arl] F.[riedrich] Cramer, Wien und Braunschweig 1791, ersch. in der Reihe „Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens“ als Theil 15, hg. von J.[ochim] H.[einrich] Campe. – Zur bersetzung der „Neuen Heloise“ ußerte sich Heinrich Wilhelm von Gerstenberg gegenber Cramer in einem Brief vom 19. Juni 1785 aus Eutin: „Eure bersetzung der N.[euen] Heloise ist die meißterhafteste, die ich kenne. Man siehts ihr an, daß sie von einem Manne kommt, der mit seinem Roußeau sympathisirt, der in den schçnsten Jahren der Leidenschaft mit ihm gefhlt hat, und der in dem reifern Alter des Mannes mit ihm fortdenkt. Sie haben R. nicht bersetzt, sondern so wie Sie schreiben, wrde R. geschrieben haben, wenn er ein Deutscher gewesen wre“. Hierzu a. Franz Obermeier, Carl Friedrich Cramer als bersetzer. Ein Beitrag zu den deutsch-franzçsischen Kulturbeziehungen am Ende

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Kapitel II

hervorgeht, fllt sich der Gedankenkreis Carl Friedrich Cramers seit dem Ausbruch der Revolution immer strker mit den Entwicklungen der franzçsischen Politik. So vertraut er etwa unter dem Datum des 27. Mai 1792 dem Grafen von Halem an, er wisse sich mit diesem in der positiven Bewertung Mirabeaus526 ebenso einig wie auch darin, „der guten Sache zugethan (zu sein), die jetzt siegen oder untergehen muß“; am Schluß seines Briefes grßt der Absender seinen Adressaten „mit frnkischem Herzen und Gesinnung.“527

Die Offenheit dieser Zeilen ist fr Cramer nicht außergewçhnlich528 ; als dnischer Staatsbrger will er keine rechte Veranlassung sehen, mit seiner prorevolutionren Einstellung und deren Bekundung besonders vorsichtig und verschwiegen umzugehen, ist er doch grundstzlich „fest entschlossen […], die schçne Gelegenheit, frey (Pain’sch und Sieyes’artig!) zu reden, nicht vorbeygehen zu lassen, welche die Dnische Preßfreyheit gibt.“529

Mit Kieler Gesinnungsgenossen hlt Cramer „alle Abend […] von 8 Uhr bis 12 einen Freyheitscommitte“530. Selbstverstndlich kreist die Unterhaltung um die Fortentwicklung der revolutionren Verhltnisse; Cramers Herz schlgt warm fr die Gironde und deren von ihm idealisierte politische Ziele. Denn die Girondisten

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des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, in: Petra Blçdorn-Meyer, Michael Mahn und Rdiger Schtt, Hg., Carl Friedrich Cramer – Revolutionr, Professor und Buchhndler, S. 418 – 438, bes. S. 421 – 423. Zu diesem Karl von Schumacher, Mirabeau. Aristokrat und Volkstribun, Stuttgart 1954; vgl. ferner o. S. 173 Anm. 195 und S. 174 Anm. 196. Brief Cramers aus Kiel vom 27. Mai 1792 an Gerhard Anton von Halem, zit. n. von Halem, Selbstbiographie, Bd. II, S. 146. Hierzu Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 550: „Geistsprhend, von jeher berufstrge, warf er mndlich wie schriftlich mit seiner republikanischen Begeisterung um sich und erklrte in ihrem System das einzige Glck der Vçlker“. Brief an von Halem vom 04. Juli 1792, zit. n. von Halem, a.a.O, S. 147; die Hochschtzung des Emanuel Joseph Siey s, der den Dritten Stand mit der Nation identifizierte – vgl. o. S. 32 Anm. 28 – spiegelt sich in Cramers Umgebung çfter. So schreibt Thorild am 10. Dezember 1793 an Cramer: „Sieyesio sane, ille ver vero, uni, constanti, omnibus revolutionibus majori, gratulor de interprete omnium praestantissime“. Am 20. Dezember 1793 fragt Thorild brieflich an: „Litteras percupio tuas. Measne accepisti novissimas de sieysio etc.?“ Cramer an Thomas Thorild, Brief vom 19. Dezember 1793; UB Kiel Cod. ms. SH 406 H Fasz. 7

6. Aufklrung und Reaktion

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„haben die Republik auf Tugend […] Heiligkeit des Eigenthums, Denk- Redund Schreibfreyheit grnden gewollt. Sie haben die Festigkeit der Republik durch alle Anstrengung der National-Kraft […], nicht aber durch innern Mord, Plnderung, unntzes Blutvergießen […] befestigen gewollt […] Sie haben nicht sich, sondern die Republik, die einzige, untheilbare Republik zum Ziel ihrer Kmpfe und Bestrebungen gemacht.“531

Nach der Machtbernahme durch die Jakobiner zeigt sich Cramer tief versenkt „im Anschaun der großen und traurigen Dinge, die um uns her geschehn, in Gram darber, und in Arbeit, meine Ideen darber zu fixiren.“532

Betrbt kommentiert er die neuere politische Entwicklung, auch wenn er unter einem utilitaristischen Blickwinkel die Mçglichkeit einer Beschleunigung der von Frankreich ausgehenden freiheitlichen Entwicklung Europas nicht ausschließt: „Die Freyheit bleibt Freyheit; aber – Frankreich ist nicht mehr frey. Es kanns werden, es solls werden – zugegeben! aber fr jetzt wre ich noch lieber in der Trkey […] Auch ich glaube zu sehen, daß gerade durch […] Immoralitt, Gewissenhaftigkeit, Muth, verbunden mit Kraft, das rechte Maaß von Sittlichkeit, Tugend, Aufklrung siege; daß die Freyheit Europas aus dem Blute der Girondisten sich schneller frey lief […]. Aber zu ihren moralischen Gesichtspunkten mich […] zu erniedrigen; – die Grnde zu entschuldigen, zu verkleinern, vermag ich nicht.“533

berhaupt hat das Frankreich des Jahres 1793 fr Cramer außerordentlich an Anziehungskraft verloren; sein Bedauern darber ußert er unter Zuhilfenahme biblischer Wendungen sowie eines Zitates von Gerhard Anton von Halem: „Leider ist Frankreich jetzt nicht das gelobte Land. Der 31ste May534 hat es aus einer Republik zu einer Oligarchie gemacht. Sie haben recht; ,Es ist kein Licht, 531 Ebd. [Hervorhebungen im Original]. 532 Brief Cramers vom 05. August 1793 an den Grafen von Halem, zit. n. von Halem, Selbstbiographie, Bd. II, S. 161 f. 533 Brief Cramers an Thomas Thorild vom 19. Dezember 1793 [Hervorhebungen im Original], a.a.O. (Anm. 530) Auch Thorild war ein derartiger dialektischer Umgang mit den von ihm verurteilten jakobinischen Maßnahmen nicht fremd; so schreibt er am 11. Juli 1794 recht lapidar an Cramer: „Gallorum miris sane victoriis mir laetor. Quamvis justi non sint ipsi, aeternae tamen sunt justitiae optimi Carnifices. Mandata perficiunt: pecant fortiter. Libertatis non digni, libertati bene serviunt“, a.a.O. 534 Am 31. Mai 1793 wurden die Vertreter der Gironde aus dem Nationalkonvent ausgeschlossen.

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Kapitel II

das den Gipfel des Berges rçthet, – Blutschein ist es!‘ Schçn gesagt. Aber Hoffnung lßt nicht zuschanden werden.“535

Die Metaphorik dieser biblischen Anspielungen ist jedoch eher von intellektueller als orthodoxer Natur. Dies zeigt ein bemerkenswertes religiçses Bekenntis Cramers, das sich in seinem Briefwechsel mit Thorild findet. Es vermittelt einen Eindruck vom religiçs-weltanschaulichen Standort dieses Kieler Gelehrten536, der eine Revolution grundstzlich befrwortete, die aus dem Anspruch des Menschen auf eine durch ihn selber zu verwirklichende gerechte Ordnung hervorgegangen war. Sein gleichfalls dem Geist der Aufklrung zugewandter Vater hatte dagegen immerhin noch mit tiefer Empfindung am Glauben an das Erlçsungswerk Jesu Christi und damit am Anspruch Gottes auf den Menschen und eine ausschließlich gottgewirkte Gerechtigkeit festgehalten537. Carl Friedrich Cramer aber beantwortet in seinem Brief vom 19. Dezember 1793 eine Frage des sich unweit Kiels im Lbecker Exil aufhaltenden Thomas Thorild: „De religionibus quid sentis? Das ist eine weitluftige Frage. Sie indeß kurz zu beantworten: Meine Religion ist ohngefhr Voltaires538 und der Vernunft 535 Cramers religiçs aufgeladene Schlußworte seines Briefes vom 05. August 1793 an von Halem, zit. n. dems., Selbstbiographie, Bd. II, S. 163. – Die Vorstellung vom „gelobten Land“ entstammt der Exodustradition, derzufolge sich ein geknechtetes Volk auf den Weg in das ihm verheißene Land seiner Freiheit begibt, vgl. 2. Mose 3,17; 13,5; 33,3 u. ç.; das mit der Morgenrçte anbrechende, Gerechtigkeit herauffhrende neue Licht findet sich hingegen in der prophetischen berlieferung, so etwa in Jes 58,8; 60,1 f. Diese prophetische Tradition kann die menschliche Snde durchaus auch als „blutrot“ schildern, vgl. Jes 1,18. Die „nicht zuschanden werdende Hoffnung“ findet sich schließlich in einem Kettenschluß des Neuen Testamentes bei Paulus; hier heißt es Rçm 5,3 – 5: „Wir wissen, daß Bedrngnis Geduld bringt, Geduld aber Bewhrung, Bewhrung aber Hoffnung, Hoffnung aber lßt nicht zuschanden werden“. Cramer – und im Kontext seines Zitates auch von Halem – verwenden zur Schilderung ihrer von der Revolution ausgelçsten Eindrcke also eine von biblischen Elementen und Vorstellungen inspirierte Metaphorik. 536 Seinem Bruder Christian gegenber bezeichnet Friedrich Leopold Stolberg den jngeren Cramer einmal als einen „Schleptrger der Wolfischen Philosophie“, zit. n. Jrgen Behrens, Hg., Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Briefe, S. 196 f. 537 Vgl. hierzu o. S. 251 f. Anm. 482; Johann Andreas Cramer war im Jahr vor dem Ausbruch der Franzçsischen Revolution gestorben. 538 Hierzu Isolde Dumke, Voltaire als Religionskritiker im Spiegel der Forschung, Diss. Phil. Berlin 1972; Ren Pomeau, La religion de Voltaire, Paris 1974; Wolfgang Gericke, Theologie und Kirche im Zeitalter der Aufklrung, S 91 – 93; J.[rgen] von Stackelberg, Art. „Voltaire“, in: RGG 3. Aufl. VI, Sp. 1488 – 1490 zieht in diesem Zusammenhang Sp. 1490 folgende Bilanz: „Fast alles, was

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Religion, nur mit einer kleinen Dosis mehr vom Glauben an die Unsterblichkeit der Seele versetzt, die mir durch die Hinrichtung Brissots539, Vergniauds540 etc. noch deutlicher als vorher demonstrirt worden ist. Rousseau, (im Vicaire Savoyard541) wrde es auch seyn, wenn seine Dogmen fr mich Anti-Kantianer542 nicht noch mit zu viel Metaphysik vermischt, und htte er sich nicht doch in seiner Communionsgeschichte etwas als – aber liebenswrdiger Schwrmer gezeigt. berhaupt aber denke ich und rede ich nicht viel ber Religion sondern handle lieber danach. Aber ich verdenke auch niemanden seine Religion wenn er wirklich daran glaubt. Als Naturalist dulde ich die Supernaturalisten sogar gern […] Ich achte daher weder Klopstock wegen

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V.[oltaire] in den letzten 20 Jahren seines Lebens publiziert […], dient vornehmlich der Bekmpfung des Christentums, dem polemischen Hauptziel seines Lebens. Wir wrden heute V.s religiçse Einstellung deistisch nennen“. Der girondistische Publizist Jacques Pierre Brissot wirkte seit dem April 1789 als Herausgeber der Zeitung „Le Patriote Francais“; am 14. Juli dieses Jahres hatte die Volksmenge dem populren Journalisten nach der Erstrmung der Bastille in einem symbolischen Akt den Festungsschlssel berreicht. Gemeinsam mit Vergniaud forderte Brissot die militrische Expansion der Revolution zur Befreiung der europischen Vçlker, was ihn in einen scharfen Gegensatz zu Maximilian Robespierre brachte. Im Mai 1793 wurde die Gegnerschaft unberbrckbar, als Brissot die Schließung des Jakobinerklubs verlangte; am 31. Oktober 1793 wurde er schließlich auf Grund seiner Gegenstze zu den Jakobinern exekutiert. Zu Brissot: Walter Grab, Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, S. 38, 144 und 355, sowie die zeitgençssischen Autoren: Anonymer Verfasser, Brissots Lebensgeschichte, Minerva 1 / 1794, S. 284 – 304; vgl. ferner die auszugsweise Wiedergabe einer in Altona 1794 erschienenen Publikation von Heinrich Wrzer, Das Revolutions-Tribunal durch sich selbst geschildert in dem grossen Processe Brissots und seiner Mitangeklagten, Minerva 3 / 1794, S. 184 – 188. Pierre Victurnien Vergniaud war gleichfalls prominenter Angehçriger der Gironde; anfnglich fr die konstitutionelle Monarchie votierend, verkndete er im August 1792 die Absetzung des Kçnigs. Als Girondist erlitt er am 31. Oktober 1793 das gleiche Schicksal wie Jacques Pierre Brissot. Zu Vergniaud Walter Grab, a.a.O., S. 38.144. Bei der „Profession de foi du Vicaire Savoyard“ handelt es sich um ein Rousseaus „ðmile“ im vierten Buch entnommenes „Glaubensbekenntnis“, in dem der Autor an die Stelle des christlichen Gottes in hretischer Weise einen aus der Naturordnung zu erfahrenden Gott setzt, fr die wechselseitige Toleranz der Religionen eintritt und eine aus dem natrlichen Gefhl des Einzelnen hergeleitete Morallehre zur Darstellung bringt; zur daraufhin gegen den Verfasser gerichteten katholischen und kalvinistischen Polemik vgl. Jrgen Grimm u. a., Hg., Franzçsische Literaturgeschichte, S. 209. Nach Kant sieht sich die Vernunft zum „Glauben an die Mitwirkung oder Veranstaltung eines moralischen Weltherrschers hingezogen“, ders., Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, in: Ders., Werke in zehn Bnden, Band 7, hg. von Wilhelm Weischedel, S. 645 – 879, hier: S. 806.

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seines Messias543, dem brigens besten Heldengedichte der Erde, und der hçchst moralisch und voller Tyrannenhaß 544 (siehe die Geschichte ber die bçse Kçnigin, im 18. „Gesang“; und ubique) ist, noch Newton seines Commentars ber die Apocalypsis545 wegen klein. Ich lese tglich mit Entzcken die Messiade noch durch, weil es ein Lobgedicht auf einen jdischen Vergniaud ist.“546

Diese Zeilen aus Cramers Hand zeigen ihn in religiçser Hinsicht als einen aller Metaphysik abholden und dennoch grundstzlich toleranten Deisten. Seine Exegese der christlichen berlieferung beraubt diese zunchst ihres Offenbarungsanspruches; daher erscheint der Messias Jesus Christus als ein menschlicher „Held“ unter vielen. Dabei erhlt sich Cramer ein khl distanziertes Verhltnis zur Religion, ber die er weniger zu sprechen wnscht, um desto bewußter ihr gemß verantwortlich zu handeln. Die Orientierung an der ethischen Maxime wird Cramer auf diese Weise fr das eigene Handeln wichtiger als die religiçse Reflexion des offenbarungsweise erschlossenen Gotteswillens. Cramers religiçses Verstndnis prgt sich damit nicht mehr durch den Offenbarungscharakter der christlichen Religion, der den Menschen in die primr eher passive Rolle eines buchstblichen Empfngers des gçttlichen Heilshandelns bringt. Vielmehr sieht sich Cramers Religionsauffassung bestimmt durch den moralisch-ethi543 „Der Messias“ erschien als Hexameterepos in seinen Gesngen I – III im Jahre 1748 im Erstdruck anonym in den Bremer Beitrgen („Neue Beytrge zum Vergngen des Verstandes und Witzes“); die abschließenden Gesnge XVI – XX publizierte Klopstock 1773 in Halle. Vgl. Klopstocks gesammelte Werke in vier Bnden, mit einer Einleitung von Franz Muncker, Bd. 1 – 2, Stuttgart und Berlin, o. J. [1887]. 544 Zu diesem von Cramer positiv verstandenen Kriterium Ludwig Krhe, Carl Friedrich Cramer bis zu seiner Amtsenthebung, S. 227: „Der Tyrannenhaß war frhe Klopstockische Mitgift. Zeit seines Lebens hat Cramer gegen die Monarchen und Aristokraten gestrmt und gedrngt“. 545 Isaac Newton, Observations upon the Prophecies of Daniel, and the Apocalypse of Saint John, Two Parts, London 1733. Nachdruck Zrich 1985; dt. zuerst erschienen als „Des Ritters Isaak Newton’s Weissagungen des Propheten Daniels. Newton’s Auslegung der Offenbarung Johannis, 2 Bnde, bersetzt von C. Grohmann und A.G. Rosenberg, Leipzig / Liegnitz 1765. Zum Kontext Jçrg Ulrich, BBKL XVI, Sp. 1130 – 1138, hier Sp. 1133: „Die Exegesen N.s haben deutlich apologetische Zge: Es lßt sich zeigen, daß all das, was vorhergesagt war, auch zur Erfllung gelangt ist […] Das biblische Bild vom Verlauf der Weltgeschichte wird von N. mit ungeheurem Aufwand an Gelehrsamkeit, jedoch auch unter Harmonisierung von Widersprchlichkeiten, als das einzig richtige erwiesen“. 546 Zit. n. dem handschriftlichen Original, UB Kiel Cod. ms. SH 406 H Fasz. 7.

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schen Gehalt der in jeder Religion verpflichtend angelegten, den einzelnen Menschen unmittelbar aktivierenden Handlungsimpulse547, fr die ihrerseits die biblische berlieferung als eine antike berlieferung neben anderen durchaus nacheiferungswrdige Vorbilder anzubieten vermag. Dabei bedeutet jedoch gerade jene rationalistische Gleichsetzung des Heilshandelns des zuvor gottmenschlich verstandenen Messias mit dem Tun und Ergehen eines Pierre Victurnien Vergniaud nicht nur eine massive Herausforderung der kirchlichen Verkndigung, sondern auch das Postulat grundstzlicher Befhigung des Menschen zur eigenen „Messianisierung“ in der Folge seines persçnlichen Tuns. Der Messiasbegriff verliert damit seine biblisch berlieferte singulr-soteriologische Dimension548 und rckt stattdessen unter einen numerisch ausweitbaren funktionalen Aspekt: Auf Grund persçnlicher Tugend kann jeder Mensch zum Messias werden. Die notwendige Folge dieser Auffassung ist eine Minderung an transzendenter Orientierung des Menschen zugunsten seiner verstrkt immanenten Ausrichtung, whrend es angesichts des Verlustes der verantwortungsethischen Instanz Gottes zur stetigen Gefahr wird, daß der zu eigener „Apotheose“ drngende Tatmensch am Ende nur sich selbst begegnet549. 547 Die inhaltliche Verbundenheit dieser Auffassung mit dem Geist der Sptaufklrung zeigt der Vergleich etwa mit entsprechenden Anschauungen Gotthold Ephraim Lessings: „Einen Gott erkennen, sich die wrdigsten Begriffe von ihm zu machen suchen, auf diese wrdigsten Begriffe bei allen unsern Handlungen und Gedanken Rcksicht nehmen, ist der vollstndigste Inbegriff aller natrlichen Religion. Zu dieser natrlichen Religion ist ein jeder Mensch, nach dem Maße seiner Krfte, aufgelegt und verbunden“, so Lessing in seiner Abhandlung „ber die Entstehung der geoffenbarten Religion“, in: Lessings Werke in fnf Bnden, ausgewhlt von Karl Balser, Zweiter Band, Berlin / Weimar 1965, S. 232 f., hier: S. 232. 548 Vgl. nur Joh 3,16.36; 14,6; Gal 2,16; Eph 2,8 f. 549 Als Adressat dieser Ausfhrungen kennt Thorild den Aspekt eines den Menschen tranzendierenden exemplum divinum, doch orientiert er sich nicht an der messianischen Gestalt, sondern vertritt den behutsam durchreflektierten Gedanken einer Imitatio Dei: Nichts werfe „ein grçßeres Licht auf die fr das menschliche Genie wichtige Lehre, die immer im Dunkel gelegen hat, als unsere Art, die Gçttlichkeit selbst, welche das hçchste Beispiel alles Sterblichen und Unsterblichen ist, zu imitieren. Diese Imitation besteht nicht darin, mit einer nachffenden, dummen Gçttlichkeit sein Es werde Licht zu rufen, seine Gewitter, Blitze und Strme nachzuahmen; sondern mit der eigenen besten Kraft und Macht die hçchstmçgliche Vollkommenheit zu suchen. Das Verlangen nach dem Guten, dessen hçchstes Original und Vorbild Gott ist, darf unendlich sein: aber das Streben danach muß eigenstndig und redlich sein: keine gaukelnde und falsche Kunst, keine bettelnde, hoffrtige Prahlerei, keine unmerkliche Aneignung der

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In diesem Sinne traf Cramer ein von ihm als „Martyrium“ interpretiertes eigenes Schicksal. Bereits im Herbst 1792 fhrte er in Kopenhagen lngere Gesprche mit Andreas Peter Bernstorff, dem alten Freund seines Vaters und Leiter der Deutschen Kanzlei. Anschließend wurde Cramer aufgefordert550, seine politischen Ansichten darzulegen, was er „in einem Brief an Bernstorff von unerhçrter Khnheit“551 auch tat. Bernstorff hatte sein grundstzliches Interesse zu erkennen gegeben, daß „das Zutrauen in die Regierung nicht geschwcht“ werden drfe552. Cramers in seinem Rechtfertigungsschreiben vermitteltes Credo553 orientiert sich an der politischen Gedankenwelt, die aus den „Revolutionen von Amerika und Frankreich“554 hervorgegangen sei. Daher votiert er zugunsten des „reprsentativen Regierungssystems“, mit dem er den „Endzweck aller Regierung, mçglichstes Glck der Vçlker und mçglichste Entwicklung aller intellektuellen, moralischen und physischen Krfte […] am Vollkommensten und Einzig erreicht werden“ sieht555. Die monarchische Regierungsform „von Samuels Zeiten“556 her bewertet er demgegenber mit

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Tugend anderer oder geliehener Strahlen von deren Ehre“, Thorild, Om Efterhrming: Et Fragment af den hçga Critiken. Til Uplysning fçr alle de Lsare, som icke vilja bedragas: „ber die Nachahmung: Ein Fragment der hçheren Kritik. Zur Aufklrung aller Leser, die nicht betrogen werden wollen“, publiziert 1792 in Stockholms Posten und zit. n. der bersetzung von Karin Hoff, Die Entdeckung der Zwischenrume. Literarische Projekte der Sptaufklrung zwischen Skandinavien und Deutschland, S. 103; ebd. hebt Hoff hervor, daß Thorild in einer eher impliziten Weise vom Vorbild Gottes mittels des Zitates aus Gen 1,3 – also unter Einbringung der Lichtmetaphorik – spricht, was fr Thorild „symptomatisch“ sei. In dessen Muttersprache wird „Aufklrung“ ohnehin als „Uplysning“ bezeichnet. Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 113. Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 331; die an Bernstorff gerichtete Rechtfertigungsschrift vom 28. Dezember 1792 findet sich in Cramers Personalakte, LAS Abt. 65,2 Nr. 561; gekrzt bietet sie M.[oritz] Liepmann, Hg., Von Kieler Professoren, S. 54 – 58. Vgl. hierzu a. Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 113 – 115. Liepmann, a.a.O., S. 57. Cramer versteht sich als „Bekenner“ der eigenen „politischen Meynungen“, Liepmann, a.a.O., S. 54. Ebd. Zit. n. M.[oritz] Liepmann, a.a.O., S. 54 [Hervorhebung vom Verfasser]. Dieser bemerkenswerte terminus a quo ist Bernstorff gegenber sicher nicht von ungefhr gewhlt. Assoziativ vergegenwrtigt Cramer seinem Adressaten auf diese Weise, daß das erwhlte Gottesvolk sich seinerzeit gerade im Gegensatz zum gçttlichen Willen einen Kçnig gab; vgl. hierzu 1. Sam 8,6 sowie 8,7 und den Israel vom Propheten mitgeteilten perspektivischen Ausblick auf die knftige kçnigliche

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einem Zitat Henri Grgoires, mit dem er in provokanter Weise feststellt, daß von jeher die „Geschichte der Kçnige […] das Martyrologium der Nationen war“557. Allerdings habe er „Dnnemark“ stets als „mir einzige bekannte Ausnahme gepriesen“558 ; im brigen habe dieser Staat allein die Mçglichkeit, „seine monarchische Form zu behalten […], so lange die weise und gelinde Regierung die Wege einschlgt, die […] dem Genius der Menschheit angemessen sind“559. Die Deutsche Kanzlei hat Cramers Beteuerungen positiver Verbundenheit mit dem dnischen Staatswesen, die immerhin die zweite Hlfte seiner Rechtfertigungsschrift fllen, keinen Wert zugemessen560. Bernstorff begann im Verlauf des Jahres 1793 nicht allein auf Grund seiner Begegnungen mit Cramer, sondern auch als Folge entsprechender Impulse der Brder Cai und Fritz Reventlow561, generell „ber die Gesinnungen der Herren Kielenser ernster zu denken“562. Die Wahrscheinlichkeit regierungsseitiger Kontrolle mçglicher prorevolutionrer Gesinnung im Lehrkçrper dieser Universitt lag fçrmlich in der Luft.

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Herrschaft in 1 Sam 8,11 – 20. Zu den sich hier in der alttestamentlichen berlieferung spiegelnden historischen Aspekten Martin Noth, Geschichte Israels, 8. Aufl. Gçttingen 1976, S. 158 – 165. Zit. n. Liepmann, Hg., Von Kieler Professoren, S. 55. – Der Jesuit Henri Grgoire hatte den Eid auf die Verfassung abgelegt; er war in der Folge der Zivilkonstitution der Kirche vom 12. Juli 1790 – hierzu o. S. 43 Anm. 61 – zum Bischof von Blois gewhlt worden. Als Mitglied der Generalstnde ließ er in einer Rede vor dem Nationalkonvent am 21. September 1792 die z. T. von Cramer im obenstehenden Zusammenhang zitierten Worte fallen: „Les rois sont dans l’ordre moral ce que sont les monstres dans l’ordre physique […] l’histoire des rois est le martyrologe des peuples“, zit. n. Stefan W. Rçmmelt, Kurzbiogramm Grgoire, in: www.revolution.historicum. net./biographien/gregoire; zu Grgoire ferner Rita Hermon-Belot, L’Abb Grgoire, la politique et la verit, Paris 2000. Zit. n. Liepmann, a.a.O., S. 55. Ebd.; im weiteren Verlauf belegt Cramer diese Beteuerungen aus seinen zuvorigen Verçffentlichungen. Hierzu Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 115; Scharff, a.a.O., S. 332. Zu Cai Reventlow o. S. 115 sowie S. 219 Anm. 355; cf. Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, S. 303 f.; zu Fritz Reventlow o. S. 72; S. 143 – 145. Der Briefwechsel der Brder ist entsprechend ausgewertet von Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Universitt Kiel, S. 330 f.; cf. Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 88 f. Briefliche ußerung Fritz Reventlows gegenber seinem Bruder Cai vom 3. Dezember 1793, zit. n. Scharff, a.a.O., S. 330.

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Literarisch ist Cramer zu dieser Zeit mit der Abfassung eines „monstrçsen Sammelwerkes“563 beschftigt. Dieses erscheint unter dem Titel „Menschliches Leben“564 und stellt eine Vielzahl „regelloser critischer Promenaden“565 dar, in deren Mittelpunkt sich die Franzçsische Revolution mitsamt ihrer Auswirkungen findet. Es ist zugleich ein Werk, mit dem Cramer sich „allerley Leidwesen zugezogen“ hat566. Ein noch recht behutsames Warnzeichen war bereits im Frhjahr 1793 die Verweigerung eines Urlaubes fr eine von Cramer nach Frankreich geplante Reise. Cramer hat diese Warnung Bernstorffs erkannt, wie seine brieflichen ußerungen an den Grafen von Halem vom 05. August 1793 zeigen: „Ich bin hçhern Orts meiner Frevel wegen zur Rechenschaft gezogen worden, habe mich aber doch noch glcklich genug herausplaidirt. Ich war sonst, wie vielleicht kein Gelehrter in den Dnischen Landen, mit allen Proceribus, Aristocraten, Ministern etc.fausilirt, und in Gunst; mein unseliger Iconoclasm hat aber fast alle diese Verbindungen zerstçr[t…] Ich habe nach Frankreich diesen Sommer gewollt, aber Bernstorff hat mir (hier exemplum sine exemplo) einen Urlaub versagt. Kurz ich stehe hier gewissermaßen mit dem Stabe in der Hand.“567

Cramers zunehmend unter Beobachtung geratenes Verhalten und seine auch weiterhin nicht vorhandene Bereitschaft, sich in Fragen der Bewertung der revolutionren Ereignisse geflissentlich zurckzuhalten, erschweren seine Situation stetig und nachhaltig. Auch als dieser Sachverhalt zunehmend çffentlich wird568, hlt Cramer an seinen „Arbeiten fr die Freyheit“569 fest. So verçffentlicht er am 08. November 1793 in einer Beilage der Hamburgischen Neuen Zeitung seine Ankndigung einer bersetzung der wichtigsten Essays des kurz zuvor verstorbenen Giron563 Ludwig Krhe, Carl Friedrich Cramer bis zu seiner Amtsenthebung, S. 230. 564 Carl Friedrich Cramer, Menschliches Leben, 20 Bnde, St. 1 – 19: Altona / Leipzig 1791 – 1797; St. 20: Paris / Leipzig 1798; zur komplizierten Publikationsgeschichte dieses Werkes vgl. Rainer Schmidt, „es wird ewig mein Stolz bleiben, daß ich des Stolzes genoßen habe, Ihr Freund zu seyn“. Carl Friedrich Cramer und seine Beziehungen zu Klopstock, S. 396. 565 Hierzu und zum Folgenden Ludwig Krhe, a.a.O., S. 232. 566 Cramer in einem Brief vom 05. August 1793 an Gerhard Anton von Halem, zit. n. von Halem, Selbstbiographie, Bd. II, S. 163. 567 Zit. n. von Halem, Selbstbiographie, Bd. II, S. 163. 568 Am 10. Dezember 1793 erkundigt sich Thorild aus Lbeck: „Rumor erat Kiobenhavniae, te parisios ire fere cogitare. Id quatenus verum est?“, zit. n. dem hs. Original, UB Kiel Cod. ms. SH 406 H Fasz. 7 569 So Cramer in seiner Antwort auf den Anm. 568 genannten Brief am 19. Dezember 1793, a.a.O.

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disten Ption570. Diesen schildert er in jenem Zeitungsartikel als Mann des „menschenfreundlichsten Geistes“, der als „Mrtyrer seiner Rechtschaffenheit“571 sein Leiden auf sich genommen habe. An diese Bewertung eines Kçnigsmçrders „knpfen sich alle Cramer gemachten Vorwrfe einer republikfreundlichen Gesinnung“572. Die regierungsseitige Reaktion erfolgt prompt573 ; so schreibt Cramer bereits am 19. Dezember 1793 an seinen Freund Thorild: „Wissen Sie, daß ich in diesem Augenblick vielleicht im Begriff stehe eben so wohl ein Mrtyrer zu werden als Sie? Ich habe Order bekommen von Copenhagen aus (so stehts um unsere schçne Preßfreyheit hier) mich darber zu erklren, daß ich den Kçnigsmçrder und Thronumstrzer Petion çffentlich gelobte. Ich habe mich darber in einer Schrift erklrt, die weder Ihrer noch meiner unwrdig ist.“574

Andreas Peter Bernstorff hatte bereits am 15. November im Kollegium der Deutschen Kanzlei vom besonderen Interesse des Kronprinzen an den Verlautbarungen Cramers berichtet; er erwarte nunmehr eine Stellungnahme, in der die Kanzlei zu klren habe, 570 Jerme Ption de Villeneuve war maßgeblich am Todesurteil fr Ludwig XVI. beteiligt; seit 1791 Brgermeister von Paris, untersttzte er als gemßigter Girondist Brissot und entzog sich nach dem 31. Mai 1793 der drohenden Verhaftung durch Flucht. Am 20. Juni 1793 verstarb Ption, vermutlich durch Selbstmord. Zu ihm: Oeuvres de Jerme Ption I – IV, Paris 1792/93; C. A. Dauban, ed., Mmoires indites de Ption et mmoires de Buzot et de Barbaroux, accompagns de notes indites de Buzot et de nombreux documents indits sur Barbaroux, Buzot, Brissot, etc., Paris 1866. Zu Cramers Vorhaben: Krhe, a.a.O., S. 234 f.; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 116. Im 18. Band seiner Publikation „Menschliches Leben“, die in Altona und Leipzig 1795 erschien, zeigt sich Cramer allgemein bemht um eine „Ehrenrettung der Gironde“. Zu diesem Zweck verwendet er von ihm bersetzte Auszge hinterlassener Schriften verschiedener Angehçriger dieser Gruppierung. 571 Zit. n. Krhe, a.a.O., S. 234.; auch hinsichtlich Ptions zeigen sich bei Cramer – wie schon in seinen Ansichten ber Vergniaud – die „messianisierenden“ Zge eines nicht nur durch Denken und Handeln, sondern auch durch Art und Umstand seines Todes ausgewiesenen „messianisierten“ Vorbildes. 572 Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 117; zum Zusammenhang a. J.[ens] Kragh Hçst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 3/1, Kopenhagen 1816, S. 9 – 16. 573 Die Kçnigliche Deutsche Kanzlei verlangte von ihm in einem von Bernstorff unterzeichneten Schreiben vom 26. November 1793 eine Erklrung zu seiner unter dem 08. des Monates verçffentlichten Anzeige, vgl. Carl Friedrich Cramer, ber mein Schicksal. Manuscript fr Freunde, Altona / Leipzig 1795, S. 2 f. 574 Cramer an Thorild, Brief vom 19. Dezember 1793, a.a.O.

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„wie ein Lehrer der Jugend in einem monarchischen Staat anzusehen sey, der einen Mann, so den grçßten Antheil an dem Tode Lud.[wigs] 16. und dem Umsturz der Monarchie in Frankreich gehabt, çffentlich mit den rhmlichsten Namen belegte.“575

In der dem Kronprinzen Anfang Januar 1794 vorgetragenen zweiten Rechtfertigungsschrift Cramers gab es von dessen Seite keine neuen wesentlichen Punkte576. Bis zuletzt trat er der Regierung mit großem Selbstvertrauen und einem gewissen Provokationsbedrfnis entgegen; die Schlußbemerkungen seiner letzten an Bernstorff gerichteten 44seitigen Bittschrift lauten: „Ich hoffe, daß wenn gleich in einigen Stellen, die Empfindung meines gewissen Mißmuths ber die Ungunst des Glcks gegen mich und die Meinigen, nicht ganz unterdrckt worden ist, dennoch aus jeder Zeile die wahrste Anerkennung gegen den hervorleuchtet, vor dem ich es wagte, auch in dieser Empfindung nicht zu heucheln […]; ich wrde mich glcklicher oder ruhiger fhlen, wenn er meine Gesinnungen entweder krçnt, oder sie auf ganz niederwirft. Denn ich empfinde die Wahrheit dessen, was ein erfahrener Mann gesagt hat: Oui! c’est dsesperer, que d’esperer toujours!“577

Cramers Gesinnungen wurden nicht „gekrçnt“, denn die Regierung „schien in diesen wetterleuchtenden Zeiten von einer bergroßen konservativen ngstlichkeit befallen gewesen zu sein“578. Und so erkannte sie es als „landesvterliche Pflicht […], der besorgniserregenden Verwirrung der studentischen Jugend zeitig vorzubeugen“579. Die Kçnigliche Resolution vom 02. Mai 1794 wies Cramer zur Niederlegung seines Lehramtes an und verlangte von ihm, seinen Aufenthalt außerhalb Kiels zu nehmen; sein Gehalt wurde ihm zur Hlfte belassen, solange er nicht der dnischen 575 Zit. n. Renate Erhardt-Lucht, a.a.O., S. 117. 576 Vgl. Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in SchleswigHolstein, S. 118 f.; Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in SchleswigHolstein und an der Kieler Universitt, S. 332. 577 Handschriftliche Bittschrift Carl Friedrich Cramers an Andreas Peter Bernstorff, gebunden, ohne Ort und Jahr. Auch Friedrich Leopold Stolberg schrieb noch am 02. Mrz 1794 an Johann Arnold Ebert: „Man spricht davon, daß er seinen Abschied bekommen werde, doch glaub’ ichs nicht“, zit. n. Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. Briefe, hg. von Jrgen Behrens, S. 314. 578 Ludwig Khe, Carl Friedrich Cramer bis zu seiner Amtsenthebung, S. 236. 579 Scharff, a.a.O., S. 333. Als bedeutsam erwies sich im Urteil der Gottorfer und Glckstdter Dicasterien auch der Umstand, daß Cramer „Einwohner einer Provinz“ war, „die zu dem mit Frankreich in Krieg begriffenen deutschen Reich gehçrte“; zit. n. J.[ens] Kragh Hçst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 3/1, S. 13.

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Staatsverfassung zuwiderhandelte580. Die Resolution wurde ihm dramatischerweise durch seinen Bruder Andreas Wilhelm581 am 10. Mai des Jahres unter regierungsseitig anberaumter Anwesenheit aller Kieler Professoren zugestellt. Mit einer solchen Reaktion hatte Cramer wohl erst seit jngster Zeit gerechnet; dreieinhalb Wochen zuvor hatte er Gerhard Anton von Halem von einem „gewaltigen Widerstoß“ mitgeteilt, den seine „Schreiberey von einer Seite her erhalten“ habe, „von der man es am wenigsten htte erwarten mssen“582. Dieser Widerstoß habe ihn vollends und endgltig aus seiner „Bahn herausgeschmissen“, und er stehe nun vor „der Alternative, entweder das Feld den Girtannern583 etc. zu berlassen, oder selbst Buchhndler, und Trçdler sogar […] zu werden“584. Das Exempel wurde statuiert585. Cramer verließ Kiel und seine Universitt586 und zog mit seiner Familie nach einem Zwischenaufenthalt in 580 Hierzu Alexander Scharff, a.a.O., S. 333; Sven-Aage Jçrgensen, Carl Friedrich Cramer: Ein verunglckter Nachzgler der Gesamtstaatskultur, hebt in diesem Zusammenhang S. 129 hervor: „In Kopenhagen […] kam man zu dem Ergebnis, daß die Prinzipien, denen Cramer jetzt huldigte, im Widerstreit mit dem Eid standen, den er vor dem Kçnig abgelegt hatte, und berdies auch mit seinem Amt als Universittsprofessor unvereinbar waren“. Hierzu ferner Ludwig Krhe, Carl Friedrich Cramer bis zu seiner Amtsenthebung, S. 236. 581 Andreas Wilhelm Cramer lehrte seit dem Jahre 1785 als rechtswissenschaftlicher Ordinarius in Kiel und fungierte zum fraglichen Zeitpunkt als Prokanzler; zu ihm Erich Dçhring, SHLB 2, S. 115 f. 582 Cramer machte Bernstorff verantwortlich fr sein Ergehen; in dieser Einschtzung trat Thomas Thorild ihm mit harten Worten an die Seite: „Ego, si danus essem, die et nocte nihil cogitarem, nisi revolutionem domesticam non quia imperium illo in praesens, minus bonum fit quem gentium ceterarum, sed unice propter ignominiam istam horribilem [i.e. Bernstorff, L.-P.], qua publice et solenniter ut vidimus, danum esse bestiam declarari potest“, Brief an Cramer vom 24. Juni 1794, zit. n. dem hs. Original, UB Kiel Cod. ms. SH 406 H Fasz. 7 – Dagegen sah August Hennings den Urheber der Entlassung Cramers in Friedrich Leopold Stolberg, vgl. Wilhelm Herbst, Johann Heinrich Voss, II. Band, Leipzig 1876, S. 292. 583 Christoph Girtanner setzte sich in zahlreichen Publikationen von einem dezidiert konservativen Standpunkt aus mit der Franzçsischen Revolution auseinander; vgl. zu ihm Frensdorff – A. Hirsch, ADB 9, S. 189 – 191. 584 Brief Cramers vom 17. April 1794 an von Halem, zit. n. dems., Selbstbiographie, Bd. II, S. 165. 585 Cramers Entlassung blieb nicht ohne negatives Echo. Die Professoren August Niemann und Dietrich Hermann Hegewisch entwarfen eine unmittelbar an den Kçnig gerichtete Denkschrift, deren Bitte um Begnadigung Cramers abgelehnt wurde; hierzu Cramer, ber mein Schicksal, Menschliches Leben Bd. 17, Altona / Leipzig 1795, S. 143 – 154. Doch versicherte Cramer Klopstock, allein um dieser Eingabe willen habe es sich gelohnt, abgesetzt und verbannt zu werden“, Scharff,

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Hamburg im Jahre 1795 nach Paris. Dort wurde er tatschlich Buchhndler, nachdem Georg Heinrich Sieveking587 den insolventen Emigranten finanziell außerordentlich großzgig untersttzt hatte588. Hatten die Brder Reventlow bereits auf die Absetzung Carl Friedrich Cramers einen erheblichen Einfluß genommen589, so wirkten sich ihre weiteren auf das akademische Bildungswesen der Herzogtmer gerichteten Initiativen nicht geringer aus. Das Interesse dieser Maßnahmen lag in einem dezidiert weltanschaulichen Hintergrund. Dem Emkendorfer Grafen Reventlow und seinem mit ihm weitgehend bereinstimmenden Bruder erschien die Franzçsische Revolution geradezu als eine frchterliche Folge der Aufklrung590 ; die Reventlows deuteten die Revolution somit nicht als ein Geschehnis „mit politischen und sozialen Ursachen, sondern als die Verwirklichung des Anspruchs der Gebildeten, sich des eigenen Verstandes selbstverantwortlich zu bedienen“591. Konsequenterweise mußte den beiden Grafen deshalb daran gelegen sein, die geistigen Wurzeln eines potentiell ausufernden gesellschaftlichen Umsturzes zu befehden und einzudmmen. Mit dieser aristokratischkonservativen Position in politischen Fragen verbanden sich jene religiçsen Auffassungen der beiden Reventlows, die ihrerseits aus einem streng or-

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a.a.O., S. 334. – Johann Heinrich Voß schrieb am 7. Juli 1794 an Johann Abraham Peter Schulz, zit. n. Johann Heinrich Voß, Briefe, Zweiter Band, hg. von Abraham Voß, S. 192 f.: „Was fangt ihr Leutchen in Kopenhagen an? Dem harmlosen Cramer, der nur sich, niemals anderen schadete, nehmt ihr ohne Proceß sein Amt? Wollt ihr uns den Irrthum benehmen, daß Dnemark frei sei von dem panischen Schrecken, der andere Herrscher zu unglcklichen Handlungen fhrt? Cramer hat Feinde die Menge; aber wenige werden sein, die seine Absezung fr gerecht oder fr politisch ansehn. Alles was ich gehçrt habe, da und dort, ist voll Erstaunen ber ein solches Verfahren unter einem solchen Prinzen und einem solchen Minister“. Zu den nheren Umstnden seines Abschiedes vgl. o. S. 153 Anm. 127. Zu diesem S. 131 f. Anm. 43. Vgl. Sven-Aage Jçrgensen, Carl Friedrich Cramer. Ein verunglckter Nachzgler der Gesamtstaatskultur, S. 130 f.- Als weiterer glcklicher Umstand erwies sich Cramers Lotteriegewinn eines Hauses in der Rue des Bons Enfants unmittelbar nach seinem Eintreffen in Paris; hierzu Rainer Schmidt, „es wird ewig mein Stolz bleiben, daß ich des Stolzes genoßen habe, Ihr Freund zu seyn“. Carl Friedrich Cramer und seine Beziehungen zu Klopstock, in: Petra Blçdorn-Meyer, Michael Mahn und Rdiger Schtt, Hg., Carl Friedrich Cramer – Revolutionr, Professor und Buchhndler, S. 392 – 417, hier S. 393. Trotz allem starb Cramer am 9. Dezember 1807 in seinem Pariser Exil als verarmter Mann. Vgl. o. S. 269 Anm. 561 f. Vgl. o. S. 221 f. Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 90.

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thodox-lutherisch geprgten Christentum hervorgegangen waren. Die Zielsetzung der aristokratischen Brder lag dementsprechend in der Eindmmung des mit der Sptaufklrung an der Universitt vorherrschend gewordenen Rationalismus zugunsten einer zu neuem Leben zu erweckenden Orthodoxie. Im Jahre 1798 wurde daher auf Betreiben Fritz Reventlows der Osnabrcker Pastor und Rektor Dr. Johann Friedrich Kleuker592 an die Kieler Theologische Fakultt berufen593, ohne daß zu dieser Zeit ein Lehrstuhl frei gewesen wre594. Kleuker hatte sich zuvor in zahlreichen Publikationen durch seinen Widerspruch gegen die Neologen profiliert595. 592 Zu diesem: Delff, ADB 14, S. 179 f.; Friedrich Heyer, SHBL 3, S. 172 – 174; Jendris Alwast, BBKL IV, Sp. 51 – 54; H.[enning] Ratjen, Hg., Johann Friedrich Kleuker und Briefe seiner Freunde, Gçttingen 1842; C.[arsten] E.[rich] Carstens, Geschichte der theologischen Facultt der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, in: ZSHG 5 / 1875, S. 1 – 132, hier: S. 58 – 66; Werner Schtz, J.F. Kleuker. Seine Stellung in der Religionsgeschichte des ausgehenden 18. Jahrhunderts, Bonn 1927; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 216 – 221; Friedrich Heyer, Kleuker und Graf Stolberg, in: NE 34 / 1965, S. 148 – 160. Zu Kleukers Berufung nach Kiel Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 338 f.; Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 88 f. – Kleuker war auf Herders Empfehlung 1775 zum Prorektor in Lemgo berufen worden. Drei Jahre spter wurde er Rektor des Osnabrcker Gymnasiums; von hier aus wechselte er nach Kiel. 593 Kçnigl. Bestallungsurkunde „fr den Doctor der Theologie und Pastor am Gymasium zu Osnabrck, Johann Friedrich Kleuker, als ordentlichen Professor der Theologie auf der Universitt zu Kiel“, gegeben auf „Friederichsberg, den 17. Aug. 1798“ LAS 65.2 557II Nr. 16P38. 594 So eine Notiz in einem Schreiben Charlotte Schimmelmanns an Grfin Louise Stolberg vom 11. September 1798, wiedergegeben in Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Fjerde Bind, S. 203; Nikolaus Funk, Sendschreiben an Se. Hochgrfliche Excellenz den Herrn Grafen Friederich von Reventlow, Ritter vom Danebrog, Geheimen Rath und Curator der Universitt Kiel, o. O. 1805, S. 24. Cai Reventlow gelang es, den zu dieser Zeit durch Bernstorffs Einfluß pietistischen Anschauungen zugeneigten Kronprinzen fr Kleukers Berufung zu gewinnen. Dieser veranlaßte eigens die Bereitstellung notwendiger Haushaltsmittel fr „ein Gehalt von ungewçhnlicher Hçhe […], um Kleuker nach Kiel zu locken“, Scharff, a.a.O., S. 339. Zum Kontext a. Frank Aschoff, Der theologische Weg Johann Friedrich Kleukers (1749 – 1827), Frankfurt/M. / Bern 1991, S. 189 – 193. 595 Vgl. etwa Kleukers Arbeiten zur biblischen Theologie: Johannes, Petrus, Paulus als Christologen betrachtet, in Briefen an einen Freund, Riga 1785; ders., Die Geschichte Jesu nach dem Matthus als Selbstbeweis ihrer Zuverlssigkeit betrachtet, nebst einem Vorbereitungsaufsatz ber das Verhltniss der israelitischen Ge-

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Bezeichnend in diesem Zusammenhang erscheint seine klare Einbringung des Offenbarungsbegriffes. Die Erfahrung der gçttlichen Kraft zeigt sich fr Kleuker zunchst gebunden an die Voraussetzung, zuvor vom Menschen als „wahr“ anerkannt, angenommen und geglaubt worden zu sein. Alle Erfahrung Gottes grndet sich damit auf Glauben und Annahme, diese wiederum fußen auf jener „Wrdigkeit“, die nur der „Wahrheit“ zukommt. Die „Wahrheit“ aber basiert auf nichts anderem als auf der Gçttlichkeit ihres Ursprungs, mithin der Offenbarung596. Damit erschließt nicht die dem Menschen verliehene Vernunft, sondern das ihm gegebene Wort Gottes die Wahrheit – und darin die Bestimmung seines Lebens597. Vor diesem Hintergrund erwies sich die Berufung Kleukers als Teil einer zielstrebigen Personalpolitik, die „die lutherische Rechtglubigkeit […] strken und jene Tendenzen […] bekmpfen“ wollte, die in den Augen Fritz Reventlows „nichts anderes waren als ein Mißbrauch der selbstherrlich gewordenen menschlichen Vernunft“598. Diese antirationalistischen Tendenzen und Intentionen waren den zeitgençssischen Angehçrigen des aufgeklrten Brgertums durchaus bewußt; so urteilte der Eutiner Rektor Johann Heinrich Voß unmittelbar nach Kleukers Berufung vernichtend: „Die mit der Rçmisch-katholischen engverbundene Lavatergemeine lßt nun auch den dsteren Kleuker in Kiel dunkeln.“599

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schichte zur Christlichen, ein nachgelassenes Werk von Thomas Wizenmann. Mit Vorrede von Johann Friedrich Kleuker, Leipzig 1789; ders., Menschlicher Versuch ber den Sohn Gottes und der Menschen in der Zeit, wie ausser der Zeit, Bremen 1796. Vgl. Kleuker, Neue Prfung und Erklrung der vorzglichsten Beweise fr die Wahrheit und den gçttlichen Ursprung des Christenthums, wie der Offenbarung berhaupt. Theil I, Riga 1787, S. 153 – 158. Doch gewann Kleukers Theologie eine originale Gestalt ber den schulmßigen Antirationalismus und Suprarationalismus hinaus dadurch, daß er die Theosophie Louis Claude de Saint-Martins verarbeitete. Die Schriften dieses 1803 in Paris gestorbenen franzçsischen Theosophen durchzieht ein mystischer, antiaufklrerischer Geist. Sie wirkten auf zahlreiche deutsche Gegner der Aufklrung und Romantiker, darunter auch Matthias Claudius. Hierzu Wilhelm Ltgert, Die Religion des deutschen Idealismus und ihr Ende, Teil II, Gtersloh 1923, S. 108 f.; Friedrich Heyer, Kleuker und Graf Stolberg, S. 148 f.; Wilhelm Schmidt-Biggemann, Politische Theologie der Gegenaufklrung. Saint-Martin. De Maistre. Kleuker. Baader, Berlin 2004, S. 81 – 108. Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 88 f. Johann Heinrich Voß an Johann Wilhelm Ludwig Gleim am 23. September 1798, zit. n.: Briefe von Johann Heinrich Voß, hg. von Abraham Voß, Zweiter Band, S. 350. Voß selbst hatte im Jahre 1790 die an ihn herangetragene Erwgung einer Berufung als Kieler Universittsprofessor abgelehnt; diese Weigerung kommen-

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Diese polemische ußerung besaß nicht nur in ihrer Ursachenanalyse, sondern auch in der Prognose ausbleibenden Lichtes eine geradezu prophetische Qualitt. Denn Kleuker vermochte die Reventlowschen Hoffnungen nicht einzulçsen und zu verwirklichen. Zwar vertrat er in seiner Lehre einen mit theosophischen Tendenzen bereicherten biblischen Supranaturalismus, doch erwiesen sich seine orthodoxen Auffassungen und sein Konservativismus600 im Vermittlungsprozeß gegenber den meisten Studenten als hinderlich. Auch war er nicht „der mutige und entschlossene Kmpfer, den wir vielleicht nçthig htten“601. Tatschlich befand sich Kleuker whrend der kommenden nahezu drei Jahrzehnte seiner Kieler Lehrttigkeit in einer ziemlich isolierten Position602, denn scheinbar mochte sich kaum einer der Studenten in seinen Vorlesungen und Seminaren einfinden, wie aus einem an den Kçnig gerichteten Promemoria des Professors vom 3. Februar 1810 hervorgeht603. Dieses unverçffentlichte

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tierte Friedrich Leopold Stolberg begeistert: „Recht so, bester Voß! nicht nach Kiel! Das Professor Wesen ist gar zu unleidlich u: leidig u: schnçde“, Brief vom 8. Februar 1790 in: Briefe Friedrich Leopolds Grafen zu Stolberg und der Seinigen an Johann Heinrich Voß, hg. von Otto Hellinghaus, S. 232. Vgl. etwa dens., Biblische Sympathien oder erluternde Bemerkungen und Betrachtungen ber die Berichte der Evangelisten von Jesu Lehren und Thaten, Schleswig 1820. Fritz Reventlows Eindrcke nach Kleukers Amtsantritt gegenber seinem Bruder Cay, zit. n. Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 339. So urteilt etwa Claus Harms im Abstand von fnf Jahrzehnten ber Kleuker, daß dieser „durch das Kuratorium angestellt war, wie es allgemein hieß, seiner Orthodoxie halber, und daß er einen Damm setzen sollte gegen das starke Anwogen des Rationalismus. Wie groß des Mannes Ruhm auch war, und gewiß kein unverdienter: In Kiel hatte er durchaus keinen Ruhm, im Gegenteil, wer noch bei ihm hçren wollte, der wurde von seinen Kommilitonen davon abgehalten; die wenigen, die es gleichwohl versuchten, hielten auch nicht lange in seiner Vorlesung aus […] Ich an meinem Teil habe es nur in meinem letzten Jahre mit der Symbolik bei ihm versucht, meinte aber nicht bis zum Ende dies kleine Kollegium hçren zu kçnnen“, Claus Harms’ Lebensbeschreibung, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, hg. von Peter Meinhold, Band I, S. 13 – 203, hier: S. 71. – August Twesten, in Glckstadt geboren, damit gleichfalls Holsteiner und Student der Theologie, immatrikulierte sich am 6. Mai 1808 in Kiel; unter den dort lehrenden Theologen „nçthigte ihm Kleuker allein Achtung ab durch seine Gelehrsamkeit, aber er vermißte bei ihm Klarheit und Methode“, zit. n.: D. August Twesten nach Tagebchern und Briefen, hg. von C.F. Georg Heinrici, Berlin 1889, S. 21. Johann Friedrich Kleuker, An S. Kçnigl. Majestt von Dnemark u. Norwegen etc. etc. Frederick VI. allerunterthnigste Vorstellung v. 3. Februar 1810; LAS Abt. 65.2 Nr. 557II. – Zu den hier vorgetragenen Ausfhrungen Otto Brandt,

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Schreiben schildert aus der Sicht eines unmittelbar Beteiligten die seitens der Reventlows beabsichtigte Auseinandersetzung zwischen Rationalismus und Orthodoxie an der Kieler Universitt um die Wende zum 19. Jahrhundert – und damit im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld der infolge der Thesen des Pastors Claus Harms zum 300jhrigen Reformationsjubilum wiedererstarkten lutherischen Orthodoxie in den Herzogtmern604. Daneben vermittelt Kleukers Promemoria jedoch ein auch theologiegeschichtlich durchaus bemerkenswertes Bild von der geistigen Ausrichtung insbesondere der Kieler Theologiestudenten im zwischen 1798 und 1810 liegenden Zeitraum605. Kleuker schreibt an den dnischen Kçnig und damit in seinen eigenen Worten an „die allerhçchste menschliche Gewalt auf Erden“. Zwar sei auch diese nicht imstande, „denjenigen beln, woraus die besonderen Gebrechen des allgemeinen Religionszustandes erwachsen sind, an die Wurzel zu kçnnen“, aber dennoch msse sie „zu

Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 220: Kleuker ist wiederholt „als Gegner der kirchlichen Aufklrung hervorgetreten. Im Jahre 1810 bemhte er sich, durch eine ausfhrliche Denkschrift den Kçnig vor deren verderblichem Einfluß auf die jungen Theologen eindringlich zu warnen und ihn sogar zu veranlassen, diese durch eine Verordnung zum Besuch auch seiner Vorlesungen, nicht nur der seiner andersdenkenden Kollegen, zu nçthigen – ein bedenklicher Schritt“; vgl. a. Friedrich Heyer, SHBL 3, S. 173: „Am Horizont des holsteinischen Adelsbundes und K.s tauchten keine anderen Mçglichkeiten der Vertretung authentischen Glaubens auf als die, welche die Restauration kannte“; ders., Kleuker und Graf Stolberg, S. 154: „Kleuker erhoffte alle religiçse Besserung von Maßnahmen der Obrigkeit“. 604 Hierzu u. S. 452 – 464; 1820 ußert Kleuker erleichtert: „Unleugbar hat sich ein Theil unserer Zeitgenossen dem Glauben an christliche Religionswahrheiten wieder zugewandt“, ders., Biblische Sympathieen oder erluternde Bemerkungen und Betrachtungen ber die Berichte der Evangelisten von Jesu Lehren und Thaten, Schleswig 1820, S. VIII. Sein Ringen um die Verbindlichkeit der „christlichen Religionswahrheiten“ whrte bis zuletzt; so berichtet Christoph Heinrich Pfaff: „Ich hatte das Glck Zeuge seiner Sterbestunde zu sein, denn ein Glck muß ich es nennen, einen chten Christen ruhig so sterben zu sehen, wie Kleuker starb […] da schien eine Art von prophetischem Geiste ber ihn zu kommen […] ,berall in allen Stellen des alten und neuen Testaments ist es deutlich zu finden, daß es nur einen wahren Erlçser giebt, und durch alle diese Stellen wird der Irrthum unsrer Zeit widerlegt, die in der Selbsterlçsung ihr Heil sieht‘. Nach diesen Worten fiel er sanft in die Ecke des Sophas, neigte sein Haupt, und war […] entschlummert“, zit. n. H.[enning] Ratjen, Hg., Johann Friedrich Kleuker und Briefe seiner Freunde, S. 30. 605 Unverçffentlichtes handschr. Schreiben des Professors Kleuker an den dnischen Kçnig v. 3. Februar 1810, hier bes. Bl. 4 – 10.

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einer nheren Kenntniß solcher Mißbruche“606 gelangen. Rckblickend hlt Kleuker Anfang des Jahres 1810 fest, daß es „im Jahre 1798 […] mit den Neuerungen in der Theologie zwar schon weit, aber nicht so weit gekommen [war], daß diejenige Denkungsart, welche ihre berzeugungen in Sachen der wahren Religion auf den Inhalt des gçttlichen Wortes mehr, als auf die Zuflligkeit wandelbarer Meynungen eines erneuerungsschtigen Zeitalters grnden zu mssen glaubt, als nichtswrdig htte betrachtet werden drfen. ber mehrere Punkte des christlichen Lehrbegriffs u. der christlichen Religionswissenschaft wurde damals wenigstens noch gekmpft, worber die spteren Fortschritte des Unglaubens, zu Gunsten des theologischen Naturalismus, u. des bel verstandenen Eifers fr so genannte religiçse Aufklrung, einen scheinbaren Sieg erhalten haben.“607

In seiner Auseinandersetzung mit Unglauben, theologischem Naturalismus und „religiçser Aufklrung“ nimmt Johann Friedrich Kleuker fr sich in Anspruch, aus „berzeugung, u. aus Grnden fr jede seiner berzeugungen, seine Religionswissenschaft auf das Ansehen u. den Inhalt der Heil. Schrift“ gegrndet zu haben, „weil ihm das gçttliche Wort eine sichere Quelle derjenigen Religion zu seyn schien, die von Gott kommt u. zu Gott fhrt.“608

Weiter fhrt er aus, daß gerade die in der Heiligen Schrift grndenden Auffassungen im kollegialen Umfeld zum Anlaß von Mißstimmungen und Vertrauensstçrungen geworden seien; man habe ihn den Studierenden entfremdet und diese ber Jahre hinweg von ihm als theologischen Lehrer ferngehalten. Er sei nicht nur zielgerichtet als „Antagonist gewisser Neuerungen in der Theologie bekmpft“ worden, sondern auch auf Grund von „Vorurtheilen“ sowie der Befrchtung, er kçnne „den Glauben an die so genannte religiçse Aufklrung wankend machen“609. Ohnehin sei „nach der Art, wie das Studium der Theologie hier bis dahin getrieben ward, […] es nur den allerwenigsten um grndliche Erkenntniß, den meisten viel mehr nur darum zu thun, von dem, was der Zeitgeist theol. Aufklrung nennt, mit mçglichster Gemchlichkeit so viel aufzufassen, als ihnen durchaus nothwendig scheint, um das Examen zu bestehen.“610 606 607 608 609 610

Ebd. Ebd. [Hervorhebungen im Original]. Ebd. Ebd. Ebd. – Auch Georg Friedrich Schumacher beobachtete als Kieler Student Mitte der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts eine besonders unter seinen Kommilitonen „hervortretende Indifferenz gegen Alles, was Religion und Kirche heißt […] Bei den jungen Juristen und Medicinern wrde es nun gar aufgefallen sein, sie in der Kirche zu finden; man wrde sie fr Heuchler […] erklrt haben. Aber die jungen

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Mit diesem Bedrfnis einer an der eigenen Bequemlichkeit orientierten Studieneffizienz htte sich ber die Zeit hinweg eine verurteilungswrdige Erosion wnschenswerter theologischer Bildung verbunden. Dieser Entwicklung habe die „theologische Aufklrung“ bestndig Vorschub geleistet habe, denn „das ganze Getreibe der eben so seicht nach der Mode philosophierenden, aber in der Religion falsch aufklrenden Theologen und Religionslehrer gehet großentheils darauf hinaus, die heiligen Lehren der Religion zu entwrdigen oder zu verflschen, ihnen ihre ursprngliche Bedeutung zu nehmen und eben dadurch sie derjenigen Kraft zu berauben, wodurch sie auf menschliche Gemther wirken; die heilige Schrift auf eine Art zu behandeln, wonach der gçttliche Theil ihrer Geschichte, ohne welchen doch ein christlicher Glaube nie htte entstehen kçnnen, fr Volksmhren ausgegeben, oder in Zweifeldunst gehllt wird; wonach die heiligste Person des Erlçsers der Menschen nur wie ein zweideutiges Mittelding zwischen einem gut meinenden Enthusiasten u. feinknstlerischen Menschentuscher erscheint.“611

Mittlerweile sei ein großer Anteil der in dieser Weise ausgebildeten Geistlichen und Lehrer im Amt, in dem sie bedauerlicherweise zur Verbreitung der ihrem Wesen nach doch gerade abzustellenden Fehlentwicklungen beitrgen: „Die grçßere Zahl der jngeren Theologen und Religionslehrer, welche die Sache jener revolutionierten Denk- und Sinnesart sich zu eigen gemacht haben, verfolgt ihren gewohnten Weg.“612

Angesichts dieser Kalamitten fordert Kleuker eine neue Studienordnung; dieser zufolge „drfte es den Studiosen doch nicht frey stehen, einen Lehrer, zu dem die Regierung Vertrauen hat, ganz zu vernachlssigen, vielmehr wrden sie gehalten seyn, jeden in seiner Art zu benutzen. brigens sollte jeder, der es als Lehrer redlich meint, sich ohnehin von selbst bescheiden, nicht alles lehren zu Theologen? Auch diese sah man da nicht […] und noch auffallender: Keinem schien dies auffallend“, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 186 f. Ebd. S. 187 f.: „Ich muß nur bekennen, selbst wir Theologen sahen nicht nur unsere Dogmatik an, als ein Brodstudium, sondern dem ganz consequent, die Kirche als unsre knftige Versorgungsanstalt, in der Jeder es mit dem kirchlichen Glauben halten mçge, wie er denn kçnne […] Kurz, das Christenthum war uns weder Sache des Glaubens noch des Herzens.“ 611 Schreiben des Professors Kleuker an den dn. Kçnig v. 3. Februar 1810. 612 Ebd. Die rationalistische Theologie bekmpfte Kleuker auch weiterhin, nicht zuletzt mit literarischen Mitteln, wie etwa seine 1819 in Hamburg publizierte Schrift „ber das Ja und Nein der biblisch-christlichen und der reinen VernunftTheologie“ zeigt.

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wollen, da dies bey dem großen Umfange der theologischen Wissenschaften in der That nicht mçglich ist.“613

Kleuker rekurriert also auf seinen obrigkeitlich ergangenen Ruf und will aus diesem einen Anspruch auf eine geregelte Lehrttigkeit ableiten. Diese mçchte er formalistisch realisiert sehen durch eine obrigkeitliche Weisung, den Besuch seiner Lehrveranstaltungen zur allgemeinen Pflicht zu erheben. An dieser Stelle zeigt sich eine problematische Affinitt orthodoxieverbundenen protestantischen Denkens zur Akzeptanz berlieferter gesellschaftlicher Machtstrukturen614. Die Entlassung Carl Friedrich Cramers war als eine Reaktion auf dessen politische Einstellung wie auch als markante Warnung an das akademische Konsistorium hinsichtlich hnlicher revolutionsfreundlicher Ansichten zu verstehen. Dagegen entsprang die Berufung Johann Friedrich Kleukers an die Kieler Universitt dem Interesse, der lutherischen Orthodoxie unter den Theologieprofessoren wieder eine Stimme zu verleihen. Die Mçglichkeiten einer zielstrebigen Personalpolitik setzten die Brder Reventlow auch weiterhin zur Bekmpfung des Rationalismus ein, zunchst gegen den rationalistischen Theologen und amtierenden Lehrer der Philosophie Johann Otto Thieß615. 613 A.a.O. (Anm. 611). 614 Kleukers Gesuch um eine per Erlaß festzuschreibende Zuweisung von Studenten blieb jedoch erfolglos. 615 Zur Biographie: Personalakte LAS 47.117; ders., Geschichte seines Lebens und seiner Schriften, aus und mit Aktenstkken. Ein Fragment aus der Sitten- und Gelehrtengeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, Teil 1 – 2, Hamburg 1801/02; ders., Letzte çffentliche Rechenschaft von seinen akademischen und schriftstellerischen Bemhungen, Kiel und Hamburg 1805; ders., Gelehrtengeschichte der Universitt zu Kiel, Band 2, Kiel 1803, S. 341 – 375. Cf. a. dens., Theses Theologiae Dogmaticae ad Disceptandum Propositae, Leipzig 1793; ders., Jesus und die Vernunft, Leipzig 1794; ders., Andachtsbuch fr aufgeklrte Christen, Th. 1 u. 2, Leipzig / Gera 1797; ders., ber den Tod und das Leben, Leipzig / Gera 1799; ders., Apostelgeschichte. Das Neue Testament oder die heiligen Bcher der Christen, neu bersetzt mit einer durchaus anwendbaren Erklrung, Bd. 4, Leipzig / Gera 1800; ders., Die Feier des neuen Jahrhunderts. Eine kirchliche Andacht, Altona 1801; ders., Anleitung zur Bildung der çffentlichen Religionslehrer des 19. Jahrhunderts, Altona 1802; ders., Neue Predigten, Gl[c]kstadt 1808. 1762 in Hamburg geboren, hatte Thieß in Helmstedt studiert, war 1783 zum Nachmittagsprediger an St. Pauli in Hamburg ernannt worden und wurde 1785 Dr. phil. sowie 1790 Dr. theol. in Gießen. 1791 wechselte er als Privatdozent nach Kiel, wurde zwei Jahre darauf Adjunkt sowie im Jahre 1795 zum professor extraordinarius ernannt. Zu ihm: Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 170; L.[udvig] N.[icolaus] Helweg, Den

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Dieser unterrichtet in Kiel als Extraordinarius, verdient seinen Lebensunterhalt jedoch unter großen Schwierigkeiten durch theologische, philosophische und wissenschaftsgeschichtliche Darstellungen. Dabei hlt Thieß die ersten Vorlesungen ber die Philosophie Kants in Kiel616. Kontroversen lçsen jedoch gerade seine theologischen Verçffentlichungen aus: Er schrnkt insbesondere in seinen „Theses Theologiae Dogmaticae ad Disceptandum Propositae“ nicht nur den biblischen Offenbarungsanspruch ein617; er leugnet auch die Einsetzung der Taufe und des Abendmahls als sakramentale Stiftungen der gçttlichen Vorsehung618. Der geschichtliche Jesus erscheint Thieß als buchstblicher Menschen-Sohn, als herausragender Tugend- und Sittenlehrer, als beraus weiser und guter Mensch619, den erst die Apostel nach seinem Tod verherrlichend als Christus, als Heiland und Herrn, gedeutet htten620. ffentliche Auf-

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danske Kirkes Historie efter Reformationen, D. 2, S. 296 – 298; Walter Blck, Geschichte des Studiums der praktischen Theologie an der Universitt Kiel, S. 55 f.; C.[arsten] E.[rich] Carstens., Geschichte der theologischen Facultt der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, in: ZSHG 5 / 1875, S. 1 – 132, hier: S. 52 – 58; Bertheau, ADB 38, S. 22 – 25; Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 339 – 341; Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 89 f.; Friedrich Wilhelm Graf, BBKL IX, Sp. 1173 – 1212. Johann Otto Thieß, Letzte çffentliche Rechenschaft von seinen akademischen und schriftstellerischen Bemhungen, S. 14. Vgl. Thieß’ Theses Theologiae Dogmaticae ad Disceptandum Propositae, in denen er S.14 in Thes. LXXVII einen durchgngigen Offenbarungscharakter der Schrift zugunsten der „doctrina simplicissima Iesu“ zurckweist: „Historia Iesu multis fabulis pertexta est, sed doctrina eius simplicissima“. Thes. LXXXVII seiner Theses Theologiae Dogmaticae hlt S. 15 fest: „Baptismus est mera cerimonia, a Iesu minime, pro omnibus temporibus, instituta“; S. 16 behauptet Thes. LXXXIX: „Ne sacra coena sacramentum a Iesu institutum est“. Vgl. ebd. S. 12, Thes. LXIII: „Iesus homo plane eximius, voluntati Dei egregie satisfecit“. In seiner Auslegung der Apostelgeschichte. Das Neue Testament oder die heiligen Bcher der Christen, neu bersetzt mit einer durchaus anwendbaren Erklrung, Bd. 4, Leipzig / Gera 1800, erklrt Thieß in der Vorrede: „Ich suchte die moralische Religion, die Jesus gelehrt hat, indem er sie bte, wobei der Mensch nicht, neben dem dunklen Glauben, der ihm aufgençthigt wird, hellere Zweifel hat, die er nicht unterdrcken kann, sondern […] seiner Sache, die er mit gutem Gewissen betreibt, gewiß wird“. Auch Thieß sucht also in der Religion primr den moralischen Unterbau des tatorientierten Menschen. Theses Theologiae Dogmaticae ad Disceptandum Propositae, Thes. LXIV: „dignus est, qui filius Dei appelletur, & dominus noster“. Auch in diesem Zusammenhang zeigt sich fr den Bereich des aufklrungsorientierten Rationalismus wieder eine zeittypische elementare Reduktion des Glaubens an die gottmenschliche Natur Christi; vgl. hierzu bereits o. S. 157 – 162, S. 237 sowie S. 264 – 267.

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merksamkeit erfahren Thieß’ rationalistische Ansichten durch sein 1797 in Leipzig und Gera publiziertes „Andachtsbuch fr aufgeklrte Christen“; hier ußert der junge Professor: „Der Autorittsglaube des Volkes darf nur dem moralischen Glauben weichen. Wer jenen wankend macht, noch ehe er diesen begrndet, der entzieht einem Lahmen die Krcke621. Ein solcher thçrichter Vernunftprediger verscheucht die Menschen aus der Kirche und jagt sie nur tiefer in die Welt hinein.“622

In diesen ußerungen werden durchaus potentielle politische Ziele des Thießschen Rationalismus erkennbar623. Die intendierte Auswechslung des bloßen „Autorittsglaubens“ durch den pdagogisch vermittelbaren „moralischen Glauben“ beschreibt innerhalb eines skularen Kontextes durchaus die Alternativen stndischen und emanzipativen Denkens; zugleich lßt Thieß seine Zielsetzung einer knftig auf einem „moralischen“ Fundament fußenden und damit allem eingeforderten Autorittsglauben entsagenden Kirche durchscheinen. In Kopenhagen hat jedoch Cai Reventlow mittlerweile die Nachfolge des verstorbenen Andreas Peter Bernstorff als Prsident der Deutschen Kanzlei angetreten. Unter diesen Umstnden sieht dessen Bruder Fritz nunmehr die Gelegenheit zur Beseitigung des mißliebigen jungen Gelehrten gekommen; dieser erscheint Fritz Reventlow als „unstreitig der entschiedenste und seiner Geschicklichkeit wegen der gefhrlichste Religionserneuerer.“624

Daher sendet der Emkendorfer Graf das Thießsche Andachtsbuch nach Kopenhagen zur Deutschen Kanzlei, die es auf seine Ersuchen hin zum gutachterlichen Befund an die Oberkonsistorien sowie den Generalsu621 Das kirchenkritische Bild vom Autorittsglauben als einer „Krcke des Lahmen“ begegnet auch bei Johann Gottlieb Fichte in seinem 1793 erschienen „Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publikums ber die franzçsische Revolution“; hierzu o. S. 70. 622 Thieß, Andachtsbuch fr aufgeklrte Christen, Th. 2, S. 129. 623 Wie klar Thieß in seinen Predigten am biblischen Postulat der von Gott verordneten Obrigkeit festgehalten hat und in diesen Texten auch heftige Kritik an den revolutionren Gewaltexzessen und Skularisierungstendenzen gebt hat, zeigt etwa seine am 2. Weihnachtstage 1793 in der Barkauer Kirche gehaltene Predigt „Vom tieffsten Verfall der Religion und Sittlichkeit unter einem Volke ber Matth. 23,34 – 39“, in: Ders., Neue Predigten, S. 43 – 59, hier bes. S. 45 – 47. 624 Fritz Reventlow brieflich an seinen Bruder Cai am 26. 12. 1797, zit. n. Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 340.

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perintendenten Jakob Georg Christian Adler625 weiterreicht. Diese warnen anschließend entschieden davor, den Autor zum Mrtyrer zu machen626. Auch das akademische Konsistorium Kiels zeigt sich mit dem in Ungnade Gefallenen solidarisch; gerade erst hat die Gemeinschaft der Hochschullehrer warmherzige Mitmenschlichkeit bewiesen, als es angesichts der Armut des Kollegen darum ging, die Begrbniskosten fr Thieß’ kurz zuvor verstorbene Ehefrau627 aufzubringen. Nun bittet das akademische Konsistorium die Regierungsorgane in bewegenden Worten, Thieß nicht in seinem familiren und wirtschaftlichen Elend zugrunde gehen zu lassen. Zum eigenen Trost verfaßt Thieß unmittelbar nach dem Tode seiner Frau die Abhandlung „ber den Tod und das Leben“628. In deren Vorblatt zitiert er kein Wort aus der Heiligen Schrift, sondern – ohne einen przisen Hinweis auf den Fundort – einen Text von „Goethe“: „Des Todes rhrendes Bild steht / Nicht als Schrekken dem Weisen, und nicht als Ende dem Frommen. / Jenen drngt es ins Leben zurk, und lehret ihn handeln; / Diesem strkt es, zu knftigem Heil, im Trbsal die Hofnung. / Beiden wird zum Leben der Tod.“629

Diese ußerung gehçrt innerhalb ihres Kontextes in Goethes „Hermann und Dorothea“ zu einem Zwiegesprch zwischen einem „Nachbarn“ Hermanns und einem „Pfarrer“; dem letzteren ist sie in den Mund gelegt. Bemerkenswerterweise mndet dieser Beitrag des Geistlichen bei Goethe in den Gedanken vom Kreislauf des Lebens ein. Gerade diesen Aspekt berliefert Thieß auf Grund des frhen Todes seiner Frau jedoch nicht, heißt es in ihm doch: „Zeige man doch dem Jngling des edel reifenden Alters / Wert und dem Alter die Jugend, daß beide des ewigen Kreises / Sich erfreuen und so sich Leben im Leben vollende!“630

Mit seinem abgekrzt-partiellen Zitat lßt Thieß aus nachvollziehbaren Grnden das Telos eines sich im immanenten Leben vollendenden Daseins im Leitspruch seiner Schrift aus; doch wendet er sich dem Todesproblem 625 Zu diesem o. S. 157 Anm. 143 sowie u. S. 313 – 315, S. 357 und S. 573 f. 626 Vgl. Alexander Scharff, a.a.O. (Anm. 624). 627 Thieß’ Ehefrau Dorothea Catharina verstarb bereits whrend ihres 27. Lebensjahres am 10. August 1798. 628 Erschienen in Leipzig und Gera 1799. 629 Das Zitat findet sich in der „Urania“, dem IX. Teil der 1796 entstandenen Dichtung „Hermann und Dorothea“, in: Goethe, Poetische Werke, Zweiter Band, Augsburg o. J., S. 397 – 447, hier S. 441. 630 Ebd.

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primr auch nicht gerade von der exklusiv offenbarungsgesttzten Position des neutestamentlichen Auferstehungsglaubens aus zu. Vielmehr rezipiert er zunchst Goethes Differenzierung fundamental unterschiedlicher Antworten des Menschen auf das Todesproblem. Damit verortet Thieß den Menschen – und das heißt im konkreten Falle: auch sich selbst – in einer Wahlposition zwischen „Weisheit“ und „Frçmmigkeit“, zwischen Handeln und Hoffnung, und damit letztlich zwischen Zweifel und Glauben. Bezeichnenderweise verheißt Goethes Urania-Reflexion beiden Entscheidungen des Menschen die Erfahrung eines „Lebens“, gleich, ob der Einzelne den Glauben an seine Fortdauer jenseits des Todes anzunehmen vermag oder verweigern zu mssen meint: Dem Tatmenschen verhilft der Tod zu einem Impuls, seine Trauer diesseitlich zu ver„arbeiten“ und so durch eigenes Vermçgen im Hier und Jetzt vom Tod weg zum Leben in dieser Welt zu gelangen; dem Hoffenden hingegen wird der Tod zu jenem Ort, an dem den Menschen ewiges Leben ergreift, und damit gelangt er zuletzt aus dem Tod in ein jenseitiges Leben. Die epigrammatisch zitierte Todesbetrachtung Goethes lebt damit aus dem Spannungsverhltnis zwischen einem immanenten und einem transzendenten Lebensbegriff, und dieser Ambivalenz entspricht in den weitergehenden Ausfhrungen der Thießschen Schrift auch der einem Stoiker und einem Humanisten entlehnte ausgedehnte Zitatenfundus: Der Leser trifft auf eine Vielzahl von ußerungen Senecas sowie des Erasmus von Rotterdam. So greift Thieß zum eigenen Trost eingangs auf den rçmischen Philosophen631 und dessen Schrift Ad Marciam de consolatione zurck632 : „Mors nec bonum nec malum est. Id enim potest aut bonum aut malum esse, quod aliquid est: quod vero ipsum nihil est, et omnia in nihilum redegit, nulli nos fortunae tradit.“633

Von dieser Todesauffassung gelangt der Witwer zur eigenen Konklusion:

631 Zum Todesverstndnis Lucius Annaeus Senecas vgl. Ludwig Friedlnder, Der Philosoph Seneca, in: Seneca als Philosoph, hg. von Gregor Maurach, Darmstadt 1975, S. 95 – 148, hier S. 147 f.: „Zu einem festen, alle Zweifel ausschließenden Unsterblichkeitsglauben ist Seneca trotz ernstlicher Bemhungen niemals gelangt […] Daß Seneca diese Gewißheit immer gefehlt, daß er von keinem Auferstandenen gewußt hat, zeigt allein schon, daß er vom Christentum ganz unberhrt geblieben ist“. 632 Cf. Friedrich Haase, Hg., L. Annaei Senecae opera quae supersunt, Vol. 1, Leipzig 1895, L.VI, Kap 19. 633 Johann Otto Thieß, ber den Tod und das Leben, S. 20.

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„Wie dem auch sei: beweine den nicht, der auf der Bahre liegt; er ist – in diesem oder jenem Sinne des Wortes – vollendet, und in jedem Verstande verlor nicht er, sondern du; weine darum ber dich, aber mßige doch deinen Kummer!“634

Zwar enden Thieß’ Gedanken dreihundert Seiten weiter unter einem dem Hiobbuch entlehnten bekenntnishaften Lobpreis Gottes: „Gott hat gegeben, und Gott hat genommen – Sein Name sei gelobt!“635 ; auch spricht der Autor seine Hoffnung aus, dem zu „vertrauen, der Du die Liebe bist“636, um „die Geliebte wiederzuschauen da, wo kein Tod mehr ist“637. Doch verwendet die erste Hlfte seines Buches keinen einzigen Blick auf die Heilige Schrift; es beweist vielmehr eine Vertrautheit mit jenen beiden Schriftstellern der Antike und der humanistischen Neuzeit, die den beiden in Glaubensfragen ausschließlich dem orthodoxen lutherischen Bekenntnis verpflichteten Widersachern des jungen Professors zum Dorn im Auge werden mußten638. So wurde Thieß, dem auf Grund des ohnehin schwachen Besuchs seiner Kollegs keine effizienten Lehrerfolge beschieden waren, im Februar 1800 das Demissionspatent zugestellt. Dieses enthielt die Bedingung, gegen Leistung einer recht geringen jhrlichen Pension von 300 Reichstalern Kiel und die „umliegende Gegend“ zu verlassen und sich „aller anstçßigen ußerungen“ ber die christliche Religion knftig zu enthalten639. Nach den bisherigen Ergebnissen seiner Bemhungen, dem an der Kieler Universitt vorherrschenden rationalistischen Geist durch perso634 635 636 637 638

Ebd. S. 21 [Hervorhebungen im Original]. A.a.O. S. 320, vgl. Hi 1,17. Ebd., vgl. 1. Joh. 4,16. Ebd., vgl. Apk. 21,4. Thieß war nicht der einzige theologisch gebildete Witwer, den sein Kummer zum Studium des rçmischen Stoikers veranlaßte. Fnf Jahre spter suchte der Glckstdter Pastor Detlev Johann Wilhelm Olshausen in gleicher Lage ebenso Erbauung und Trost in den Schriften Senecas, vgl. dens., Seneca. Trostschreiben an Polybius nebst einigen seiner interessantesten Briefe an Lucilius. Fr Freunde einer strkenden und veredelnden Lectre aus dem Lateinischen bersetzt und mit Anmerkungen begleitet von Detlev Johann Wilhelm Olshausen, Altona 1806, Zweite vermehrte Aufl. ebd. 1822. 639 Deutsche Kanzeley, Demissionspatent des außerplanmssigen Professors Johann Otto Thieß vom 14. Februar 1800, Personalakte Johann Otto Thieß LAS 65.2, Nr. 562; hierzu a. Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 286. – Nach seiner Entlassung lebte Thieß vorbergehend in Itzehoe, von wo aus er sich im Jahre 1805 nach Bordesholm begab, um dort ein Privaterziehungsinstitut zu grnden; sein ausgeprgter Wille zum pdagogischen Handeln war ihm bis zu seinem Tod im Jahre 1810 nicht zu nehmen. Zu seinem Sohn Pastor Wilhelm Thieß u. S. 469 – 471 und S. 487 – 491.

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nalpolitische Entscheidungen entgegenzutreten, kam Fritz Reventlow die formelle Ttigkeit als Universittskurator seit dem Mrz 1800640 ausgesprochen entgegen641. Der neue Kurator wußte sich in der glcklichen Lage, „die Gesinnungen der mehresten Mitglieder des Akademischen Konsistoriums genug zu kennen“, um mit diesen „in innigster, unterthnigster und thtigster Vereinigung“ seinen „Weg in die Zukunft zu nehmen.“642

In einem dem akademischen Konsistorium der Universitt zugestellten Promemoria ußerte Reventlow unmißverstndlich seine weltanschauliche Position sowie seine Intentionen in der knftigen Leitung der Hochschule643. Dabei verurteilte er die „Verderbniss der Zeit“, die „unsglichen Greuel, welche die Geschichte unserer Tage befleckt haben“, die „Verirrungen einer trostlosen und betrgerischen Philosophie“ und die „Verwirrung aller Grundstze und Lehren der Religion, der Moral und der brgerlichen Verhltnisse“644. Gegen diese zeitgeistige Entwicklung erhob er zur Pflicht, „diesem bel mit allen Mitteln zu widerstehen“645. Der Kronprinz selbst ußerte in einem Schreiben aus Kopenhagen vom 8. April 1800 an den neuen Kurator, er erwarte von ihm die Anwendung jeden Fleißes, „um die beste Vorslge zu machen und Einrichtungen zu treffen; daß die Ihnen anfertraute Wichtige Lehr-Schule mçge nicht allein gute, und ge640 Hierzu LAS Abt. 65.2 Nr. 509: Besttigung der eingegangenen Ernennung Sr. Exzellenz, des Herrn Geheimraths, Grafen Friedrich von Reventlow, Ritter auf Emkendorf zum Curator der hiesigen Akademie. An den Allerdurchlauchthigsten, Großmchtigsten Kçnig, Allergndisten Erbkçnig und Herrn. Kiel den 12ten Mrz 1800, durch das akademische Konsisthoriums zu Kiel (unterschr. von 21 Professoren). 641 Dieter Lohmeier, Friedrich Heinrich Jacobi in Holstein, in: NE 60 / 1991, S. 61 – 88, bilanziert S. 66: „Als Kurator der Universitt Kiel (1800 – 1808) war Reventlow bemht, durch Personalpolitik die aufklrerische Irreligiositt, die er fr die Wurzel allen bels hielt, zu bekmpfen“; „Aussicht auf Berufung nach Kiel hatten vor allem Persçnlichkeiten, deren religiçse Haltung dem Standpunkt der lutherischen Orthodoxie entsprach und die die Ideen der Franzçsischen Revolution entschieden ablehnten“, Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 342. 642 Graf Friedrich Reventlow, Pro memoria an die Deutsche Kanzley in Kopenhagen vom 17. Mrz 1800, LAS 65.2 Nr. 509. 643 Ders., Pro memoria an das akademische Konsistorium zu Kiel vom 14. Mrz 1800, LAS 47, Nr. 68. 644 Ebd. 645 Ebd.

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schickte Mnner dem State bilden sondern daß alles mçge angeleitet werden zu der moralischen Bildung der jungen Leute.“646

Zwar warnt Kronprinz Friedrich den Kurator davor, die „eingerissenen Gewohnheiten“ nunmehr in einem allzu raschen Verfahren auf einmal abschaffen zu wollen. Dies kçnne mehr Schaden verursachen als es Nutzen mit sich brchte. Doch „erwarte ich von Ihnen daß Sie keine Zgellosigkeit, besonders in das Lehramt der Philosophie leiden, wegen den schdlichen Einfluß den eine Philosophie auf die Jugend algemein gehabt hat.“647

Damit greift der Kronprinz jenen Aspekt auf, um den es auch dem neuen Kieler Kurator zu tun war: Die zielgerichtete Einflußnahme auf die Ausbildung der nachwachsenden Generation, was die Universitts- und Schulpolitik zu einem gestaltenden Instrument der gesellschaftlichen Zukunft werden ließ648. Aus der schulischen und universitren Bildung der Jugend sollte knftig ein dem Staate dienlicher, konformistischer Nachwuchs hervorgehen, der sich mit der im dnischen Gesamtstaat praktizierten gesellschaftlichen Ordnung nachhaltig zu identifizieren wßte. Gewiß artikuliert der dnische Kronprinz Friedrich diese Intention vorrangig aus absolutistischem Blickwinkel, whrend der holsteinische Graf Friedrich auf skularem Gebiet sehr viel strker vom ritterschaftlichen Standpunkt einer erstarkenden Aristokratie649, auf religiçsem Gebiet sehr viel bewußter als sein Monarch vom orthodoxen Bekenntnis650 ausgeht. 646 Brief des Kronprinzen Friedrich an Friedrich Reventlow vom 8. April 1800, LAS 471, Nr. 1a. 647 Ebd. – Die beiden Zitate des Kronprinzen deuten an, daß Friedrich VI. mit der deutschen Sprache nicht sonderlich vertraut war; bekenntnishaft bevorzugte er die dnische Sprache als Ausdruck seiner zunehmenden danisierenden Intentionen. 648 Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 227: „Auch Fritz Reventlow wußte: wer die Schule hat, hat die Zukunft“; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 288: „Auf dem Wege ber die Lehrer aber wollte er [Fritz Reventlow, L.-P.] das Land wieder dem alten Luthertum zufhren“. 649 Zu den gesellschaftspolitischen Auffassungen des Kronprinzen vgl. u. S. 368 Anm. 51; zu denjenigen Fritz Reventlows vgl. o. S. 219 – 222. Aus den genannten unterschiedlichen Perspektiven resultierten letztlich auch Differenzen zwischen Friedrich VI. und seinem Curator Fritz Reventlow hinsichtlich des Umgangs mit der Kieler Universitt und dem dortigen Schullehrerseminar, die sich zu einer Kontroverse auswuchsen, die letztlich bedeutsam wurde fr die Demissionierung Reventlows. 650 Unter dem Datum des 29. Juli 1800 schreibt Fritz Reventlow an seinen Bruder Cai: Falls seine Absichten mit der Kieler Universitt zur Erfllung gelangten, „so

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Doch beiden gemeinsam ist die Frontstellung gegen jenen Geist der Aufklrung, der die jungen Studenten zum emanzipativen Gebrauch der eigenen Vernunft inspirieren will. Beide gemeinsam kmpfen gegen eine Aufklrung, die auf Grund ihrer Intentionen den Zugang zum Menschen in einer genuin individuellen Dimension sucht und die sich dabei mçglichst unabhngig von der nicht hinterfragbaren Vorgabe und kritikfreien Vermittlung berlieferter kollektiver Werte halten will. Zwangslufig mußte eine solche Betonung des individuell-rationalen Momentes im Urteil des Kronprinzen wie auch des aristokratischen Kurators dem Verdacht unterliegen, frei- oder unfreiwillig einer zum Widerspruch und damit zum Aufruhr bereiten Emanzipation des Einzelnen wie – in der Folge – auch der Massen Vorschub zu leisten. In der Tat begriff Fritz Reventlow das Ereignis der Franzçsischen Revolution genau in diesem Sinne, nmlich als Realisierung des Anspruchs der Gebildeten, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Daher erwuchsen nunmehr nicht zuletzt aus dieser Revolutionseinschtzung jene Intentionen, mit der der neue Kurator an die Durchfhrung seines Amtes herantrat. Wie sich in Kiel nun zeigen sollte, griff nicht allein die Aufklrung auf die Mçglichkeiten der Pdagogik zurck; ihr mußte es darum gehen, die Fhigkeiten des Individuums zu wecken, zu entwickeln und zu vervollkommnen. Demgegenber wußte auch die dem stndischen Gesellschaftskonzept verpflichtete Reaktion das pdagogische Moment in ihren Dienst zu nehmen, doch suchte sie ihren Ansatzpunkt nicht beim einzelnen Menschen, sondern innerhalb der vorgegebenen, institutionalisierten Struktur, die sie mit kollektiver Orientierung in ihren Dienst zu stellen wnschte. So beschritt die Reaktion einen repressiv-legalistischen Weg. Dies wurde unter Auswirkung auf beide Herzogtmer unmittelbar deutlich in der landesweiten Lehrerausbildung, sobald Fritz Reventlow durch seine Personalpolitik Einfluß nahm auf deren Kieler Ausbildungsmuß man nach einigen Jahren ihre Zçglinge, wie ehemals die der Hallischen Waisenanstalt an ihren Grundstzen und Sitten unterscheiden kçnnen“, zit. n. Dieter Lohmeier, Herder und der Emkendorfer Kreis. Teil 1, in: NE 35 / 1966 , S. 103 – 132, hier S. 121 f. – Der Vergleich des von Reventlow intendierten knftigen universitren Geprges mit dem hallischen Anstaltspietismus offenbart den Wunsch des neuen Kanzlers, dem Lehrbetrieb ein deutlich evangelisch-pietistisches Fundament zu geben; zum Grnder der Halleschen Anstalten und Stiftungen vgl. Erich Beyreuther, August Hermann Francke 1663 – 1727. Zeuge des lebendigen Gottes, Neuaufl. Marburg 1987; Ryoko Mori, Begeisterung und Ernchterung in christlicher Vollkommenheit. Pietistische Selbst- und Weltwahrnehmungen im ausgehenden 17. Jahrhundert, Tbingen 2004.

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sttte. Bei dieser handelte es sich um eine von Johann Andreas Cramer im Jahre 1781 gegrndete Einrichtung651, die dem neuen Kurator zeitgleich mit dessen Amtsantritt unterstellt worden war652. Das Kieler Schullehrerseminar war die erste Ausbildungseinrichtung fr Volksschullehrer im dnischen Gesamtstaat; es verfolgte eine doppelte Zielrichtung. Zunchst wollte die Einrichtung der Hebung des Bildungsstandes wie auch – damit einhergehend – einer angehobenen Besoldung der nicht an Gymnasien 651 Zum Kieler Schullehrerseminar und zum Folgenden: Heinrich Mller, Von der Entstehung, Einrichtung und bisherigen Wirksamkeit des Kçnigl. Schulmeisterseminarii in Kiel, nebst einigen Bemerkungen ber die vorzglichsten Hindernisse und Befçrderungsmittel dieser Anstalt, in: SHPb 1788, Heft 2, S. 113 – 148; ders., Johann Andreas Cramer’s Verdienste um das Kçnigliche Schulmeisterseminarrium in Kiel. Eine Rede zu seinem Gedchtniss am 6ten August 1788 im Lehrsaal des Seminariums gehalten, Kiel 1788; F.[riedrich] W.[ilhelm] Wolfrath, ber hçchstnçthige Verbesserungen der Landschulen, in Rcksicht auf das Seminarium in Kiel; in einem Briefe an den Herausgeber, in: Deutsches Magazin 6 / 1793, S. 846 – 863, und Deutsches Magazin 7 / 1794, S. 145 – 195; ferner J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 2, Kopenhagen 1815, S. 124 f.; Christoph Heinrich Pfaff, Lebenserinnerungen, S. 143 – 148; C.[arsten] E.[rich] Carstens, Geschichte der theologischen Facultt der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, in: ZSHG 5 / 1875, S. 1 – 132, hier S. 37 f.; H.[ans] N.[ikolai] A.[ndreas] Jensen und A.[ndreas] L.[udwig] J.[akob] Michelsen, Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte. Nach hinterlassenen Handschriften von H.N.A. Jensen berarbeitet und hg. von A.[ndreas] L.[udwig] J.[akob] Michelsen, Vierter Band, Kiel 1879, S. 321 – 324; Walter Blck, Geschichte des Studiums der praktischen Theologie an der Universitt Kiel, S. 52 – 55; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 227 – 243; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 288 – 290; Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 343 – 345; Franklin Kopitzsch, Reformversuche und Reformen der Gymnasien und Lateinschulen in Schleswig-Holstein im Zeitalter der Aufklrung, in: Ders., Hg., Erziehungs- und Bildungsgeschichte Schleswig-Holsteins von der Aufklrung bis zum Kaiserreich, Neumnster 1981, S. 61 – 88, hier S. 85 f.; Karl Knoop, Zur Geschichte der Lehrerbildung in Schleswig-Holstein. 200 Jahre Lehrerbildung vom Seminar bis zur Pdagogischen Hochschule 1781 – 1981, Husum 1984, S. 9 – 11; Kersten Krger, Mçglichkeiten, Grenzen und Instrumente im Aufgeklrten Absolutismus, in: Klaus Bohnen und Sven-Aage Joergensen, Hg., Der dnische Gesamtstaat. Kopenhagen. Kiel. Altona, S. 23 – 47, hier S. 37 f.; Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 89 f. 652 Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 227. Ebd. hebt Brandt hervor, daß „die Schullehrer in der Umgegend Emkendorfs“ bereits im Jahre 1798 „Fritz Reventlow durch einen Aufsatz ber eine von ihm angegebene Bibelstelle ihre Rechtglubigkeit beweisen“ mußten.

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ttigen Lehrerschaft dienen. Die Ausbildung der Seminaristen erfolgte durchaus unter den Vorzeichen eines „theologischen Rationalismus“653 sowie im Kontext einer „auf Kosten der biblischen Anschauungen schon fast zu weitgehende[n] Naturverehrung“654. Weiterhin beabsichtigte das Seminar eine Steigerung des Bildungsniveaus an den Volksschulen der Herzogtmer. Unter diesen Intentionen trat den schleswig-holsteinischen Geistlichen auf dem Feld ihres gemeindlichen Unterweisungs- und Erziehungsauftrages fortan ein weiterer, nunmehr unter dezidiert aufklrerisch-emanzipativen Prmissen ausgebildeter Berufsstand655 an die Seite. Die durch das Seminar umfangreicher als bisher unterwiesenen Lehrer wollten sich in vielen Fllen nur allzu gern der geistlichen Dienstaufsicht entziehen; auch konkurrierten sie zunehmend mit den Geistlichen in Fragen der Erziehung und Bildung der Gemeinden. Ganz offensichtlich 653 Ein Apologet des Seminars und insbesondere seines Leiters ußert 1805: „Er [i.e. der Seminarleiter, L.-P.] hat nicht […] blos philosophische Moral, nein, er hat christliche Glaubens- und Sittenlehre vorgetragen, nicht kalt und herzlos sie vorgetragen, sondern mit dem Verstande auch das Herz fr diese Wahrheiten zu gewinnen gestrebt: vor den Spielwerken der Phantasie freilich (die von Einigen so eifrig dem Christenthum, wider den Geist des Stifters, angeheftet werden) hat er seine Schler ernstlich gewarnt“, zit. n. den anonym [von Christian Gotthilf Hensler] verçffentlichten Erinnerungen wider die Antwort auf das Sendschreiben eines Ungenannten an den Herrn Grafen v. Reventlow und wider die Schrift: An den Nachbar mit Rath u.s.w., Lbeck 1805, S. 12. 654 Otto Brandt, a.a.O., S. 228. 655 Hierzu Franklin Kopitzsch, Schleswig-Holstein im Gesamtstaat 1721 – 1830: Absolutismus, Aufklrung und Reform, S. 314 f., der von „wertvollen Multiplikatoren der Aufklrung“ spricht. Wie vielfltig die Interessen und wie nachhaltig die Wirkung der Seminarzçglinge in deren gesellschaftlichem Umfeld als Schullehrer sein konnten, zeigt das Beispiel des Klausdorfer Schulmeisters Claus Rixen; vgl. zu diesem Friedrich Hoffmann, Claus Rixen. Ein Dorfschullehrer der Aufklrungszeit, Kiel 1956. Im pdagogischen Diskurs der Seminaristen nahm fortan der Bildungsbegriff eine herausragende Rolle ein; dies zeigt sich etwa in einer 1795 niedergelegten selbstbewußten ußerung Rixens ber den Wert der Volksschule: „Die Schule ist und bleibt doch der erste und meistens der einzige Ort, wo der Bauer seine Bildung erhlt“, zit. n. Hoffmann, a.a.O., S. 10. Hingegen hielt Rixen sich „von allem politischen Treiben fern“, Hoffmann, a.a.O., S. 45. Beispielhaft beweist sich hier die These Mosche Zuckermanns, derzufolge der Bildungsprozeß als Voraussetzung emanzipatorischer Bestrebung whrend der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert eine Sublimatsfunktion adaptiert habe und so zur gefhrlichen „Determinante einer bedenklich zunehmenden Depolitisierung“ geworden sei, vgl. dens., Obrigkeitsgehorsam und Revolution. Zur brgerlichen Rezeption der Franzçsischen Revolution in Deutschland, in: Shulamith Volkov und Frank Stern, Hg., Tel Aviver Jahrbuch fr deutsche Geschichte Band XVIII, S. 29 – 62, hier S. 47 f.

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ergab sich aus der Anlage und Konzeption des Seminars wie auch aus der geistigen Prgung seiner Absolventen ein nicht unerhebliches Konfliktpotential zwischen Schule und Kirche656. Vorsichtig ußerte sich diesbezglich bereits 1788 der „Erste Lehrer“657 des Schullehrerseminars, der an St. Nikolai ttige Diakon Heinrich Mller658, anlßlich seiner Wrdigung des verstorbenen Johann Andreas Cramer: 656 Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 228: „So tauchte hier die Frage der Trennung von Kirche und Schule auf“; Christoph Heinrich Pfaff, Lebenserinnerungen, spricht S. 144 f. von „einzelnen Individuen“, die sich „von allem christlichen Glauben emancipirt hielten“. Vom aufgeklrten Brgertum konnten die im Geist der Sptaufklrung ausgebildeten Seminaristen hingegen unter hohem Zuspruch aufgenommen werden; dies zeigt etwa das Beispiel der Flensburger Kaufleute, die zahlreiche Absolventen ein Unterkommen finden ließen. Seit 1807 sorgte ein Regulativ fr eine allgemeine Schulpflicht in der Fçrdestadt; hierzu Hans-Friedrich Schtt, Flensburg in der Zeit des Gesamtstaates, in: Flensburg. Geschichte einer Grenzstadt, S. 169 – 233, hier: S. 217. 657 Der „Erste Lehrer“ gehçrte zum siebenkçpfigen Direktorium des Seminars, dem sich weiterhin vier Professoren, der Kieler Brgermeister sowie der NikolaiHauptpastor zurechneten; hierzu Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 343. 658 Zu diesem: Anonymer Verfasser, Heinrich Mller. Nekrolog, SHPb 4 / 1813, S. 758 – 761; [Carsten Erich] Carstens, ADB 12, S. 556 f.; Dieter Lohmeier, SHBL 8, S. 242 – 244; Matthias Wolfes, BBKL XIX, Sp. 981 – 985; Berend Kordes, Lexikon der Jetzt Lebenden Schleswig-Holsteinischen und Eutinischen Schriftsteller, mçglichst vollstndig zusammengetragen, Schleswig 1797, S. 236 f.; Johann Otto Thiess, Gelehrtengeschichte der Universitt zu Kiel. Band I/2, Altona 1803, S. 332 – 340; Nikolaus Johannsen, Ein Versuch, das Canonische Recht, in so ferne es fr die Protestanten brauchbar ist, mit den eigenen Worten der KirchenGesetze fr die Herzogthmer Schleswig und Holstein etc. zu belegen, Th. 1, Friedrichstadt 1804, S. 153; anonym publ. [Christian Gotthilf Hensler], Erinnerungen wider die Antwort auf das Sendschreiben eines Ungenannten an den Herrn Grafen v. Reventlow und wider die Schrift: An den Nachbar mit Rath u.s.w., Lbeck 1805, S. 6 – 15; D.[etlev] L.[orenz] und H.[ans] Schrçder, Lexikon der Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1796 – 1828, 1. Abth., Altona 1829, S. 378 f.; Georg Friedrich Schumacher (1771 – 1852), Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 170 f.; Claus Harms, Lebensbeschreibung, in: Ausgewhlte Schriften und Predigten, hg. von Peter Meinhold, Band I, S. 72; C.[arsten] E.[rich] Carstens, Geschichte der theologischen Facultt der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, in: ZSHG 5 / 1875, S. 1 – 132, hier S. 49 – 52; C.F. Georg Heinrici, Hg., D. August Twesten nach Tagebchern und Briefen, S. 21 und 162. Vgl. a. [Nikolaus] Funck, Hg., Lehrbuch der Katechetik mit besonderer Rcksicht auf den katechetischen Religionsunterricht, Altona 1816 [Zweite Auflage: Altona 1823; Dritte Auflage: Altona 1854].

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„Ich setze voraus, daß alle mit mir ber den Werth einer Anstalt, wie diese ist, einverstanden sind. Nur der, welcher das Gefhl der Menschlichkeit verlugnet, der seine geringern Brder als Geschçpfe anderer Art ansieht, die man roh und ungebildet aufwachsen, und nur einige von ihnen unerklrte Redensarten auswendig lernen lassen drfe, der es nie bedenkt, daß diese, gerade der grçßere Theil unserer Mitmenschen, auch vom Schçpfer dazu bestimmt sind, zu der ihnen hier mçglichen Vollkommenheit und Glckseligkeit zu gelangen, kann einer solchen Anstalt Hindernisse in den Weg legen; und nur der, der es nicht weiß oder nicht wissen will, daß die çffentlichen Religionslehrer659 nach der gegenwrtigen Anordnung ihrer Geschfte nicht allein vermçgen, die ganze Bildung des Volks zu bewirken, daß eine Hauptursache des hufigen Aberglaubens, der schdlichen Irrthmer, des Mangels an Nachdenken, an Thtigkeit und Betriebsamkeit in der verkehrten Unterweisung und Behandlung der Jugend liegt, kann sie fr unnçthig halten.“660

Schçpfungstheologisch postuliert Mller hier unter den Idealen der „Menschlichkeit“ und individueller Perfektibilitt einen breitflchigen Zugang zur Bildung661 und damit zu grçßtmçglicher „Vollkommenheit und Glckseligkeit“. Seine defizitre Skizzierung des zeitgençssischen kulturellen Zustandes in Negativschlagworten wie „Aberglauben“, „Irrthmer“, „Mangel an Nachdenken, Thtigkeit, Betriebsamkeit“ bedeutet fr den im Bildungssektor der Herzogtmer verantwortlichen Stand der Geistlichen implizit auch eine denkbar negative Bewertung. Dieser gesellschaftlichen Sachlage hlt Mller das Schulmeisterseminarium als eine „Anstalt“ entgegen, die „vorzglich dazu geschickt ist, eine leichtere, schnellere und grçßere Aufklrung des Volks zu befçrdern.“662

Mit der Person Heinrich Mllers ist bereits der maßgebliche spiritus rector aus den ersten zweieinhalb Jahrzehnten des Lehrerseminars zwischen 1781 und 1805 genannt. Mller war Anfang 1759 in Jçrl auf der schleswigschen Geest geboren. Sein hier als Pastor amtierender Vater war kurz zuvor im November 1758 verstorben; sechsjhrig verlor das Kind auch noch seine

659 Gemeint ist die staatskirchliche Geistlichkeit. 660 Heinrich Mller, Johann Andreas Cramer’s Verdienste um das Kçnigliche Schulmeisterseminarium in Kiel. Eine Rede zu seinem Gedchtniss am 6ten August 1788 im Lehrsaal des Seminariums gehalten, Kiel 1788, S. 7. 661 Ebd. spricht Mller S. 8 von einer „Nationalaufklrung, die alle Stnde der Nation umfaßt, […] also von dem weitesten Umfange [ist]“. 662 Heinrich Mller, a.a.O., S. 9.

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Mutter an den Tod663. So wuchs Heinrich Mller bei Verwandten in Husum auf und ergriff im April 1779 das Studium der Theologie in Kiel, das er mit seinem in Glckstadt abgelegten Examen im Jahre 1785 abschloß664. Unter seinen Lehrern gewann er ein besonderes Verhltnis zu Johann Andreas Cramer665 sowie zu Samuel Gottfried Geyser666. Bereits 1782 war Mller zum Katecheten des im Vorjahr begrndeten Kieler Schullehrerseminars ernannt worden; seit 1786 wirkte er als Diakonus667 an der Kieler Nikolaikirche. Mit Datum vom 19. Dezember 1788 ernannte ihn die Regierung zum „Professorum Theologiae Extraordinarium“ an der Universitt Kiel wie auch – in Verbindung mit dieser Professur – zum Leiter und Lehrer des Schullehrerseminars668. Sein kirchliches Amt als Diakon 663 Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Bd. II, S. 97. 664 Nach F.[riedrich] B.[ehrend] J.[acob] Wulff, Verzeichniss der (seit 1778) im Schleswig-Holsteinischen Amtsexamen bestandenen Theologen, S. 5 absolvierte Mller sein Examen in Glckstadt mit dem gerade hier im Vergleich zur Gottorfer Examenspraxis noch seltener verliehenen I. Charakter. 665 Zu diesem o. S. 251 f. Anm. 482. 666 Zu diesem von 1777 bis zum Tod 1808 an der Kieler Theologischen Fakultt lehrenden „gemßigten Rationalisten“ – so das Urteil Georg Friedrich Schumachers, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 168 –: Ders., ebd., S. 165 – 169; Samuel Gottfried Geyser, Eigenhndige Aufzeichnungen aus seinem Leben, in: Falcks Staatsbrgerlichem Magazin 5 / 1826, S. 199 – 212; Johann Otto Thiess, Gelehrtengeschichte der Universitt zu Kiel. Band I/2, S. 224 – 228; C.[arsten] E.[rich] Carstens, Geschichte der theologischen Facultt der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, in: ZSHG 5 / 1875, S. 1 – 132, hier S. 43 – 45; Walter Blck, Geschichte des Studiums der praktischen Theologie an der Universitt, S. 51; Friedrich Volbehr und Richard Weyl, Professoren und Dozenten der Christian-Albrechts-Universitt zu Kiel 1665 – 1915, Kiel 1915, S. 5. Geyser war in seinen Vorlesungen, deren inhaltliche Przision und Klarheit oftmals gerhmt wurden, von starker persçnlicher Ausstrahlung, vgl. Claus Harms’ Lebensbeschreibung, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, hg. von Peter Meinhold, Band I, S. 13 – 203, hier: S. 70. Literarisch trat Geyser hingegen kaum hervor. Mllers Begabung auf dem katechetischen Gebiet drfte in diesem Lehrer ein frhes Vorbild gefunden haben. 667 Das Diakonenamt stellte in der Staatskirche der Herzogtmer allgemein eine subalterne Position dar und wurde zumeist als Eingangsamt junger Geistlicher angesehen; vorgesetzt waren dem Diakon zunchst – falls ein solcher im Stellenplan wie etwa an der Kieler Nikolaikirche als „Nachmittagsprediger“ vorhanden – der Archidiakon und der ber diesem positionierte Hauptpastor. Hierarchisch fungierten ber diesem wiederum der Propst sowie der Generalsuperintendent, die wie alle Geistlichen dem Kçnig als summus episcopus verantwortlich waren, vgl. o. S. 95. 668 Dienstakte Heinrich Mller, LAS 65.2 Nr. 557 II: „Bestallung an den hiesigen Diaconus an der Stadt-Kirche zu Kiel Heinrich Mller als Professorum Theologiae

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legte Mller anschließend nieder; er „huldigte nicht dem Ausspruche oder der Aufforderung: Credo ut intelligam, sondern vielmehr der Forderung: intelligo ut credam“669. Seit der zweiten Hlfte der 90er Jahre stand Mller in Verbindung mit Angehçrigen des „Bundes der freien Mnner“, der 1794 in Jena im Umfeld Johann Gottlieb Fichtes gegrndet worden war und dessen Mitglieder „im emphatischen, vom Erlebnis der Franzçsischen Revolution angeregten Bekenntnis zu den politischen Konsequenzen der Fichteschen Philosophie verbunden waren“670. Die Grndungsakte des Bundes ließ diesen der Befçrderung der Humanitt und der Einrichtung eines vernnftigen Staates verpflichtet sein; zum Bund gehçrten etwa Johann Friedrich Herbart671, ferner Johann Smidt672 und der spter im Herzogtum Schleswig ansssige akademisch gebildete Landwirt August Ludwig Hlsen673. Neben Fichte nahm auch der Theologe Heinrich

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Extraordinarium bey der dortigen Universitt, gegeben auf Christiansburg, den 19. Dec. 1788“. Die Beauftragung wies den jungen Professor an zu einer Lehre „in dem Sinn der Heiligen Schrift“ und „den libris symbolicis gemß“. Christoph Heinrich Pfaff, Lebenserinnerungen, S. 144. Matthias Wolfes, BBKL XIX, Sp. 983. Ebd.: „Bekannt ist, daß M. sich als Untersttzer des in schwere Not geratenen Schriftstellers Casimir Ulrich von Boehlendorff (1775 – 1825), der gleichfalls dem Jenenser Bund angehçrt hatte, bettigte“; Mller beherbergte den infolge abflliger ußerungen Schillers und Goethes mittellos gewordenen Lyriker und Dramatiker ber einen lngeren Zeitraum in seinem Hause. Im Kreis des „Bundes freier Mnner“ hatte Boehlendorff nach seiner Aufnahme am 2. Juli 1795 einen ersten Vortrag „ber den Einfluß der Universitt auf die Cultur Deutschlands“ gehalten, Susanne Siebert / Matthias Wolfes, BBKL XX, Sp. 221. In diesem Vortragsthema zeigt sich ein frher Reflex jener zunehmend in die burschenschaftlichen Bestrebungen einmndenden Versuche, den Gedanken einer deutschen Einigung aus dem universitren Campus voranzutreiben; hierzu u. S. 420 – 437. – Zu Boehlendorff: Ders., Werke in drei Bnden, hg. von Frieder Schellhase, Frankfurt/M. 2000; Karl Freye, Casimir Ulrich Boehlendorff, der Freund Herbarts und Hçlderlins, Langensalza 1913; zur Universitt Jena im zeitgençssischen Kontext: Theodore Ziolkowski, Das Wunderjahr in Jena. Geist und Gesellschaft 1794/95, Stuttgart 1998. Zu diesem: Ders., Umriß pdagogischer Vorlesungen, hg. von Eva Matthes, Darmstadt 2003; Hansjrgen Lorenz, „Erziehung wrde Tyrannei sein, wenn sie nicht zur Freiheit fhrte!“: ber Johann Friedrich Herbarts (1776 – 1841) Leben und Werk aus neuer Sicht, Oldenburg 1999. Zu diesem: Wilhelm von Bippen, Johann Smidt, ein hanseatischer Staatsmann, Stuttgart 1921; Theodor Spitta, Brgermeister Smidt, in: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen 1997/98, Bremen 1998, S. 13 – 25. Zu diesem: Matthias Wolfes, BBKL XVII, Sp. 646 – 663. Der aus der Mark Brandenburg stammende Philosoph und Pdagoge ließ sich 1804 als Bauer in Wagersrott nieder, nachdem andere in Holstein als Landwirte lebende Bundesmitglieder ihn in ihr „Arkadien“ eingeladen hatten, Wolfes, a.a.O., Sp. 656.

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Eberhard Gottlob Paulus an den Versammlungen in Jena teil674. In Mllers literarischer Hinterlassenschaft finden sich jedoch keine diesem bedeutsamen politischen Hintergrund zuzurechnenden ußerungen. Als Lehrer und Leiter des Schullehrerseminars erwarb sich Mller landesweit den Ruf eines hervorragenden Katecheten675. Wie bereits angedeutet, ging jedoch gerade mit der Hebung des Bildungsstandes der nach seiner sokratischen Methode676 ausgebildeten Seminaristen677 auf deren 674 Wolfes, a.a.O. (Anm. 673), Sp. 650. 675 Georg Friedrich Schumacher (1771 – 1852), Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 171: „Was ich [sc. in der Katechetik, L.-P.] weghabe, verdanke ich vorzglich Mller“; Claus Harms’ Lebensbeschreibung, S. 72: „Wenn von einem Kollegio gesagt werden kann, daß es zu unserer Zeit in sich hineingezogen und unser einige wie eingetaucht und eingeweihet habe, so ist das die theoretische und praktische Katechetik bei Prof. Mller gewesen“. Noch 1832 rhmt Harms die Zeit, in der das Schullehrerseminar Mller unterstand, „als eine schçne katechetische Zeit in unserm Lande“, ders., Pastor Harms’ Ansicht darber, ob es gut ist, daß ein Seminar in der Universittsstadt sey, KCB 26 / 4. April 1832, S. 119. Vgl. a. dens., ber die Herstellung des Kieler Schullehrerseminars, KCB 64/65 / 14. Juli 1838, S. 265; hier erinnert sich Harms an Mller „theuren Andenkens […] und die Gedanken gehen nach Mllers Wohnung hinber, in welcher das Auditorium fr die Studirenden war, und meine Seele seufzt: Mçchte es wieder werden wie ehemals!“. Bei solchen an der Vermittlung katechetischer Befhigung orientierten Urteilen blieb die Auffassung August Twestens eine eher seltene Ausnahme: Im Mai 1808 in Kiel immatrikuliert, schien ihm Mllers „Rationalismus […] die Theologie berhaupt berflssig zu machen“, zit. n. D. August Twesten nach Tagebchern und Briefen, hg. von C.F. Georg Heinrici, Berlin 1889, S. 21; ebd. S. 162 charakterisiert der junge Student Twesten den damals freilich schon lngst als Seminarleiter entlassenen und nunmehr als Philosophieprofessor ttigen Mller: „Wie traurig ist es, daß bei einer so besetzten Fakultt wie der Kieler, wo es einem Mller, der von der ganzen Sache keine Idee hat, gelingen kann, die bessern Kçpfe an sich zu ziehen und mit seiner Klte und seinem unchristlichen Wesen anzufllen, daß dabei die Entwickelung nicht nur so vieler junger Theologen eine ganz falsche Richtung nimmt, sondern auch das Christentum selbst in beiden Herzogtmern gehindert und geschdigt wird“. 676 „Wie ein zweiter Sokrates wurde Mller wegen seiner unerreichbaren Kunst der Fragestellung von seinen Schlern gepriesen“, Otto Brandt, Geistesgeschichte und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 227; didaktische Details in diesem Zusammenhang bei Schumacher, a.a.O., S. 171; vgl. auch die ußerungen des Klausdorfer Lehrers Rixen ber die durch Mller erlernte Didaktik und Methodik bei Friedrich Hoffmann, Claus Rixen. Ein Dorfschullehrer der Aufklrungszeit, S. 34: „Ich bin kein Freund von bloßem Vorsagen, weil das gewçhnlich wenig Nutzen schafft. Ich leite es lieber dahin, daß jeder selbst denkt und einsieht, so muß ich es machen […] Ich suche jederzeit, wenn ich dieses oder jenes Gute unter den Bauern bekannt machen will, erst einen Bauer(n), der

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Seite auch ein gesteigertes Selbstbewußtsein gegenber der Geistlichkeit einher. Je nach Konstellation konnte es daher zu erheblichen Zerwrfnissen zwischen einem dienstaufsichtsfhrenden orthodoxen Geistlichen und einem eher dem Kontext der Neologie verpflichteten Lehrer kommen678. So formierte sich in den Herzogtmern zunehmend eine gegen Lehre und Inhalte des Schullehrerseminars gerichtete inner- und teilweise auch ausich im Nachdenken vor seinesgleichen am besten auszeichnet, auf meine Seite zu bekommen. Dieser wird in der Folge das Werkzeug, wodurch andere belehrt werden kçnnen“. Mller setzte voraus, daß die Wahrheiten der natrlichen Religion in jedem Individuum – auch jedem Kind – schlummerten und durch Fragen zu erwecken seien, um sie anschließend mit den biblischen Zeugnissen in ein stimmiges Verhltnis zu setzen. 677 F.[riedrich] W.[ilhelm] Wolfrath, ber hçchstnçthige Verbesserungen der Landschulen, in Rcksicht auf das Seminarium in Kiel; in einem Briefe an den Herausgeber, in: Deutsches Magazin 7 / 1794, S. 145 – 195, hier S. 146, hlt die damals aktuelle Zahl der an Mllers Institut Studierenden mit 50 Seminaristen fr zu gering; der Glckstdter Pastor, selbst der Aufklrung verbunden, wrdigt die Arbeit des Seminars. 678 Vgl. hierzu Karl Knoop, Zur Geschichte der Lehrerbildung in Schleswig-Holstein, S. 9 f. Ebd.: „Bis 1798 wurden 266 geprfte Seminaristen entlassen, davon hatten nur 116 eine Anstellung im çffentlichen Schuldienst erhalten. 64 hatten eine Hauslehrerstelle […] ein gewichtiger Grund dafr, examinierte Kieler Seminaristen nicht einzustellen […] lag in der Abneigung der meisten Geistlichen gegen das Kieler Seminar, das heißt im wesentlichen gegen den dort herrschenden rationalistischen Geist […] Mllers Ansichten entsprachen also dem Zeitgeist, aber die Landgeistlichen mit ihrem großen Einfluß auf die Anstellung der Lehrer gehçrten zumeist noch der orthodoxen Richtung an“. Wenn der Klausdorfer Schulmeister Rixen weniger vom dezidiert neologischen, sondern eher von einem nchtern-pragmatischen Standpunkt die aktuelle kirchliche Praxis zugunsten utilitaristischer Aspekte verndern wollte, so konnte er dies nur vor dem nicht verallgemeinerungsfhigen Hintergrund eines besonderen Einvernehmens mit seinem Ortspastor sowie mit der ber seine Schule und Ttigkeit wachenden Knooper Gutsherrlichkeit in Gestalt des Grafen Baudissin und seiner Familie tun. So schrieb Rixen Mitte der 90er Jahre: „In einigen Dçrfern sind sogenannte Betstunden am Sonntagnachmittag blich, die doch wohl den Nutzen nicht stiften, den sie eigentlich stiften sollten und kçnnten; dennoch werden sie zuweilen ziemlich besucht. Wrde es nicht zweckmßiger sein, diese nach und nach in eine Sonntagsschule zu verwandeln?“, zit. n. Friedrich Hoffmann, a.a.O., S. 13. Auf Gut Knoop wurde in der Folge der Sonntagabend darauf verwandt, sich gruppenweise unter Anleitung des Schullehrers ber „landwirtschaftliche Einrichtungen, Haushaltsverbesserungen, neue Erfindungen, sittsame und fleißige Lebensfhrung“ zu unterhalten, so Rixen, ebd. Zur vormittglichen Sonntagspredigt trat in der Wahrnehmung der Dorfbewohner die abendliche lebenskundliche Unterweisung: Im allgemeiner und umfassender werdenden weltanschaulichen Curriculum trat der Lehrer an die Seite des Pastors.

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ßerkirchliche Opposition. Die in die ffentlichkeit getragene Auseinandersetzung geriet zu einem langjhrigen heftigen Broschrenkampf 679, in dem selbst ein rationalistisch gesinnter Literat wie August Hennings einen wirksamen Angriff gegen das Seminar richtete. Hennings erhob in seinem Essay eines „ungenannten Dnen“680 anonym schwere Vorwrfe gegen die Seminaristen; diese seien „Kinder, die mit der Schere nicht umzugehen wßten“, die infolge ihres aufklrerischen bereifers bestndig „mit der Thr ins Haus“ fielen und dadurch der „guten Sache“ – d. h. der Aufklrung – und der von dieser geforderten Moralitt mehr Schaden als Nutzen zufgten. Auch in der strittigen Frage der Lehraufsicht im Bereich des Schulwesens bezog der an sich kirchlich distanzierte anonyme Verfasser Stellung und sprach sich fr die Beibehaltung der bisherigen kirchlichen Aufsichtspraxis aus681. Diese Angriffe des „ungenannten Dnen“ zogen eine anonym in Hamburg verçffentlichte „Ehrenrettung der Kieler Seminaristen“682 nach sich. Diese aus der Defensive verfaßte Schrift schoß deutlich ber das fr ihre Widersacher ertrgliche Maß hinaus, postulierte sie doch auf dem Feld der Schulangelegenheiten pauschalisierend berlegene Kenntnisse der Seminaristen gegenber den „Predigern“. Und nicht nur, daß die Broschre recht allgemein die Prfungskompetenz der meisten sich im Seminaristenexamen bettigenden Prçpste recht uncharmant als „einfltig und unwissend“ abqualifizierte; sie brachte vor allem auch die Behauptung in Umlauf, das Volk

679 Einzelheiten hierzu bei C.[arsten] E.[rich] Carstens, Geschichte der theologischen Facultt der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, S. 49 f. sowie Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 228 – 231. 680 August Hennings, Hg., Resultate, Bemerkungen und Vorschlge genannter und ungenannter Schriftsteller aus dem Gebiet der Pdagogik, Religionslehre, Philosophie und Politik, Altona 1800, S. 41. 681 Das Referat dieses Essays nach Otto Brandt, Geistesgeschichte und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 229. 682 Anonymer Verfasser, Ehrenrettung der Kieler Seminaristen, Hamburg 1801. Carstens, a.a.O., nennt S. 49 als Verfasser der Schrift den nachmaligen Flensburger Obergerichtsadvokaten Friedrich Johannsen, der seiner „mit dem ersten Charakter“ abgeschlossenen Ausbildung im Schullehrerseminar ein rechtswissenschaftliches Studium folgen ließ. In Flensburg wirkte Friedrich Johannsen nach 1814 bis zur Erhebungszeit als Advokat und „Hospitalsekretr“ des Hospitals und Klosters zum Heiligen Geist; hierzu Gertrud Nordmann, Schleswig-Holsteinische Beamte 1816 – 1848, Schleswig 1997, S. 290.

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„erfahre erst durch die Schullehrer von seinem natrlichen Rechte, fhle fast allgemein strker als bisher seine geistige Freiheit, reiße die Larve blinden Glaubens und Gehorchens, unter der die Geistlichen es zu regieren suchten, herab und lasse sich nicht mehr tuschen.“683

Schrfste Worte der Verurteilung entlockte die „Ehrenrettung“ unmittelbar nach ihrer Verçffentlichung Matthias Claudius. In einem unter dem Datum des 8. Septembers 1801684 formell an den „Cantzeley-Prsidenten“ Cai Reventlow gesandten Brief sah er „die Schande des Seminarii außer Zweifel gesetzt“, die „knftigen Lehrer der Jugend zu Stolz und Dnkel“ und zur „Verachtung gegen die Prediger, die doch die eigentlich im Lande bestellten Lehrer sind“, gebildet. Der nach dem Zeugnis der „Ehrenrettung“ im „Schulmeister-Seminario zu Kiel“ kultivierte Geist sei „dem wahren, allein selig machenden Geist des Christenthums so schnurstracks entgegen, und so zum Verderben geartet“, daß „ein jeder rechtlicher Einwohner“ nicht umhin kçnne, „das Institut fçrmlich zu denunciren und zu bitten, daß dem Unfug gesteuert werde“. Jeden mçglichen Erfolg einer „Abnderung oder Verbesserung“ schließt Claudius kategorisch aus. Entsprechend lautet seine an die Regierung gerichtete Forderung: „Dieser selbstkluge Geist kann nicht gebessert, sondern muß ausgerottet werden“. Daraufhin verlangte die Deutsche Kanzlei von Heinrich Mller eine entsprechende Rechtfertigung. Diese sandte er handschriftlich nach Kopenhagen; vergeblich bat er um die Erlaubnis zu ihrer Verçffentlichung685. Gegen Ende des Jahres 1804 wurde er zum Abschied gezwungen; alternativ drohte seine Entlassung aus dem Staatsdienst. Im darauffolgenden Jahr wurde Mller in Kiel zum Dr. phil. promoviert und erhielt neben Karl Leonhard Reinhold ein philosophisches Ordinariat, das seine Existenz weiterhin sicherte, ihm aber den Verlust seiner Stellung als Seminarleiter nicht ersetzte686. In den Herzogtmern erregte dieser Vorgang erhebliches 683 Zit. n. Otto Brandt, a.a.O. (Anm. 681), S. 230. 684 Der Brief ist verçffentlicht bei Otto Brandt, a.a.O., S. 438 f.; der im Folgenden zitierte Wortlaut ebd. 685 Hierzu C.[arsten] E.[rich] Carstens a.a.O. (Anm. 682), S. 50. 686 Zu diesen Vorgngen im einzelnen: Alexander Scharff, Weltanschauliche Kmpfe in Schleswig-Holstein und an der Kieler Universitt, S. 344 f.; Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 89 f. – Der Schleswiger Propst J.[asper] Boysen erinnerte an Mllers Vorliebe fr die katechetische Ttigkeit in seinem in den Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichten verçffentlichten Nekrolog „Diis manibus Henrici Mlleri Propempticon“, SHPb 1814, Heft 5, S. 507 – 509; ebd. heißt es S. 509: „Felix, quod rerum in utroque munere, et priori Tibi exoptatissimo […] peracto parte […] hilari fiducia e vita decessisti“ [Hervorhebung vom Verf.].

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Aufsehen und lçste dort insbesondere, nachdem Friedrich Reventlow als Mllers Nachfolger den Berliner Kirchenrat Hermann Daniel Hermes687 berufen hatte, eine neuerliche publizistische Fehde aus. Fr Mller selbst vermochte dieser Broschrenkampf nichts mehr zu ndern688. Als Cay 687 Zu diesem: Friedrich Heyer, SHBL 2, S. 174 – 176; Otto Brandt, Geistesgeschichte und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 231 – 241, ferner die bei Alexander Scharff, a.a.O., S. 344 Anm. 40 genannte Literatur. – Hermes war zuvor ein enger Vertrauter des preußischen Kultusminister Johann Christoph von Woellner und hatte als „Prsident der Geistlichen Immediat-Examenskommission“ erfolglos mitgewirkt, das preußische Religionsedikt von 1788 gegen die Theologische Fakultt der Universitt Halle durchzusetzen. Das Edikt intendierte den staatlichen Schutz der „reinen kirchlichen Lehre“ bei gleichzeitiger Toleranz gegenber anderen Konfessionen; vgl. hierzu a. o. S. 162 f. Anm. 160. Im gebildeten Brgertum der Herzogtmer begegnete Hermes grçßter Ablehnung; noch nach zwei Jahrzehnten bezeichnet Johann Heinrich Voß ihn als „Wçlners berchtigten Glaubensknecht“, vgl. Johann Heinrich Voß, Wie ward Friz Stolberg ein Unfreier? beantwortet von Johann Heinrich Voß, neu hg. von Klaus Manger, Heidelberg 1984, S. 107; hnlich sieht Georg Friedrich Schumacher (1771 – 1852), Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 243 den „schwachen“ Hermes als „Finsterling aus Wçllners Schule“ und seine Berufung als einen „Gewaltstreich“. 688 Diese erneute literarische Kontroverse um das Seminar erçffnete mit Nikolaus Funk ein „Aufklrungstheologe“ und persçnlicher Freund Mllers; vgl. dens., Sendschreiben an Se. Hochgrfliche Excellenz den Herrn Grafen Friederich von Reventlow, Ritter vom Danebrog, Geheimen Rath und Curator der Universitt Kiel, o. O. 1805, hier bes. S. 24 – 55; ebd. S. 49 spricht Funk provozierend und verchtlich von der „Glaubenssahne“ des neuen Seminardirektors. Zum weiteren literarischen Verlauf der Auseinandersetzung: Matthias Claudius, An den Naber mith Radt: „Sendschreiben an Sr. Hochgrflichen Exzellenz den Herrn Grafen Friedrich von Reventlow, Ritter vom Dannebrog, Geheimen-Rath und Curator der Universitt Kiel“. Van enen Holstener, Hamburg 1805; neu abgedruckt in: Matthias Claudius. Werke des Wandsbecker Boten, Zweiter Band, hg. von Gnter Albrecht, Schwerin 1958, hier S. 171 – 177. Hochdeutsch publiziert als: An den Nachbar mit Rath: „Sendschreiben an Sr. hochgrflichen Excellenz den Herrn Grafen Friederich von Reventlow, Ritter vom Danebrog, Geheimen-Rath und Curator der Universitt Kiel“, von einem Holsteiner, Hamburg 1805. Als anonyme Publikation erschien: [Fritz Reventlow,] Antwort auf das Sendschreiben eines Ungenannten an Se. Excellenz den Herrn Grafen Friedrich zu Reventlow, Hamburg 1805; hier stellt der Graf dem „gepriesenen Fllhorn der Aufklrung“ und den berchtigten „droits de l’homme“ den Halt gebenden biblischen Glauben entgegen. Ein strengglubiger Volkslehrer kçnne mehr „Licht und Trost“ geben, als nun aus der „philosophischen Moralbude ihres jetzigen Weisheits- und Tugendkrmers“ zu kaufen sei. Anonymitt wahrte auch der sich in seinem Vorwort „Theophilus Irenus“ nennende Autor der sich anschließenden Gegenschrift, ein dem Kurator unterstellter Kieler Professor der Medizinischen Fakultt: [Christian

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Reventlow jedoch im Dezember 1802 sein Amt als Prsident der Deutschen Kanzlei auf Grund finanzpolitischer Differenzen mit dem Kronprinzen zur verfgung stellte689, verlor sein Bruder den notwendigen Rckhalt fr seine personalpolitischen Entscheidungen. So wurde Hermes bereits vor dem Ende der literarischen Auseinandersetzung um das Lehrerseminar in den Ruhestand versetzt; er starb zwei Jahre nach seiner Berufung nach Kiel690. Das zunehmend bedeutungsloser werdende Seminar blieb bis zu seiner Auflçsung im Jahre 1823 ein Gegenstand kontroverser Erçrterung691. Auf Dauer hatte Fritz Reventlow seinen Kandidaten fr die Leitung des Kieler Schullehrerseminars somit nicht durchsetzen kçnnen. Diese Tatsache bedeutete fr ihn mehr als eine ungnstig beendete Auseinandersetzung; sie besttigte das çffentlich wahrnehmbare Scheitern seiner Bemhungen, eine durch pietistische Einflsse bereicherte Orthodoxie692 in ihre verloren gegangene Position in Staat und Kirche wiedereinzusetzen. Der Versuch einer Restaurierung der lutherischen Theologie693 in den

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Gotthilf Hensler,] Erinnerungen wider die Antwort auf das Sendschreiben eines Ungenannten an den Herrn Grafen v. Reventlow und wider die Schrift: An den Nachbar mit Rath u.s.w., Lbeck 1805; Nikolaus Funk, Sendschreiben (wider Hermann Daniel Hermes als Nachfolger Mllers) an den Grafen von Reventlow, o. O., 1805. Hierzu Axel Linvald, Kronprins Frederik og hans Regering 1797 – 1807, København 1923, S. 71 f. sowie S. 82; Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 228 f.; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 295; Gnter Heisch, Verfassungsgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Prlaten und Ritterschaft seit 1775, S. 89 f. Otto Brandt, Geistesgeschichte und Politik in Schleswig-Holstein, S. 243 f. Mller selbst ußerte sich zu seiner Amtsentsetzung nur in nobler und knapper Form; vgl. sein am 27. Mai 1805 ausgehendes Cirkular, publiziert im „Sendschreiben des Professors Struve, Directors des Altonaischen Gymnasii, an den Herrn Professor Mller in Kiel“, Altona 1813, S. 5 f. Zum Schreiben Struves und dem ihm zugrundeliegenden, auf einem Mißverstndnis beruhenden Konflikt zwischen Kieler Professoren und den Gymnasiallehrern vgl. Franklin Kopitzsch, Reformversuche und Reformen der Gymnasien und Lateinschulen in SchleswigHolstein im Zeitalter der Aufklrung, S. 86 f. Brandt, a.a.O., S. 184. Hierzu a. Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, S. 90. Die lutherische Position in der Auseinandersetzung um Mller und Hermes hatte besonders deutlich Matthias Claudius vertreten; er fokussierte sie in seiner Schrift „An den Naber mith Radt: ,Sendschreiben an Sr. Hochgrflichen Exzellenz den Herrn Grafen Friedrich von Reventlow, Ritter vom Dannebrog, Geheimen-Rath und Curator der Universitt Kiel‘. Van enen Holstener“: „De Fragde is nu: Wo na Wyse kann de Minsche vereddelt werden unde wodçrch? Da antwordet nu de Nye

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Herzogtmern auf einem institutionell-organisatorischen Weg hatte damit sein Ende gefunden694. Whrend der ersten anderthalb Jahrzehnte nach dem Ausbruch der Franzçsischen Revolution hatte sich in den Ereignissen und Entwicklungen im Umfeld der Kieler Landesuniversitt deutlich gezeigt, daß die inhaltliche Auseinandersetzung um die revolutionren Grundgedanken und Auswirkungen an keinem Ort der Herzogtmer mit einer vergleichbaren Kompetenz und Intensitt gefhrt wurde wie eben hier. Hier lebte und wirkte im Kreis der Hochschullehrer ein gebildetes Brgertum, das ber direkte persçnliche Verbindungen in das „deutsche Ausland“ wie auch nach Frankreich verfgte; hier wurde zum ersten Mal die Erinnerung an die historischen Fundamente der Landesrechte und damit die Frage nach der Dauerhaftigkeit der Bindung an den dnischen Landesherrn wachgerufen695 ; und hier hatte man den reaktionr gesinnten Bemhungen des seit dem Jahre 1800 ttigen aristokratischen Universittskurators so viel Widerstand entgegengebracht, daß seine Absichten erkennbar fehlgeschlagen waren696. Dennoch schien auf skularem Gebiet die Wahrung der gesellschaftlichen Ordnung in Schleswig und Holstein vorerst nicht gefhrdet, Theologie mndlich unde schriftlich: Dorch sick slven, dorch syn Kunst und Vlieth, dorch Upklaring, Moral, Gesette, Werke, Verdenst, Dçgd, etc. etc.; unde Dokter Luther und Gades Word antwordet: nicht dorch sick slven, nicht dorch egen Kunst unde Vlieth, nicht dorch Upklaring, Moral, Gesette etc.etc., sondern alleene dorch den Geloven an Jhesum Christum“, zit. n. Matthias Claudius. Werke des Wandsbecker Boten, Zweiter Band, hg. von Gnter Albrecht, S. 174. Zum allgemeinen Kontext einer sich im ausgehenden 18. Jahrhundert gegen Aufklrung und Neologie wendenden „Formierung einer frhkonservativen Gegençffentlichkeit“ und einer zunehmenden „Politisierung theologischer Reflexion“ im deutschen Sprachraum vgl. Friedrich Wilhelm Graf, Die Spaltung des Protestantismus. Zum Verhltnis von evangelischer Kirche, Staat und ,Gesellschaft‘ im frhen 19. Jahrhundert, in: Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, hg. von Wolfgang Schieder, S. 157 – 190, hier S. 164 – 176. 694 Reventlow blieb formell noch bis zum April 1808 im Amt, unterließ fortan jedoch alle weiteren Versuche einer besonderen Begnstigung orthodoxer Akademiker. 695 Vgl. o. S. 254 – 256. 696 Fritz Reventlow hatte sich neben seiner steuerpolitischen Opposition als geistiger Fhrer der „Fortwhrenden Deputation“ nicht zuletzt durch seine der Kieler Universitt aufgezwungene Personalpolitik zunehmend in eine weitreichende politische Isolation begeben und sich damit seines Einverstndnisses mit dem Kronprinzen beraubt. Ohnehin sah der aufgeklrt-absolutistisch gesinnte Kronprinz Friedrich nach Bernstorffs Tod die von ihm prferierte geistig-geistliche Sttze seiner Regierung keineswegs in der Orthodoxie, wohl aber im Rationalismus; hierzu L.[udvig] N.[icolaus] Helweg, Den danske Kirkes Historie efter Reformationen, D. 2, Kjøbenhavn 1855, S. 257 f.

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whrend im Bereich des kirchlichen Lebens der Herzogtmer der Versuch einer Reetablierung der Orthodoxie auf dem legalistisch-institutionellen Weg eindeutig gescheitert war.

7. Aufklrungstheologie als Reaktion: Die Staatskirche in den Herzogtmern697 Am 2. Weihnachtstag 1793 ußert sich Johann Otto Thieß im holsteinischen Barkau in seiner Predigt „Vom tieffsten Verfall der Religion und Sittlichkeit unter einem Volke“698 deutlich zu den revolutionren Ereignissen. Dabei konstatiert er „einen feindlichen Einfluß […] auf die Denkund Handlungsweise so vieler unsrer verblendeten Mitbrger“, der seinen Ursprung in jenem Lande genommen habe, „das mit unserm Vaterland immer in einer gewissen Verbindung stand“699. Diesem Urteil ist ein Psalmzitat vorgestellt, das kontextuell den Gedanken des monarchischen Gottesgnadentums sanktioniert700. Thieß brandmarkt die revolutionre „Verschließung, Plnderung und Zerstçrung der sonst der Andacht geweihten Huser“. Darin sieht er „heidnisches Toben“701, das „Gott, und unsern Herrn, Jesum Christ“ ebenso verleugne wie das „Zerreißen aller Bande der menschlichen Gesellschaft“702. Doch unterliege solches Tun dem endzeitlichen Gericht, 697 Zur revolutionskritischen zeitgençssischen Predigt im Kçnigreich Dnemark vgl. Michael Bregnsbo, Samfundsorden og statsmagt set fra prædikestolen. Danske præsters deltagelse i den opinionsdannelse vedrørende samfundsordenen og statsmagten 1750 – 1848, belyst ved trykte prædikener. En politisk-idhistorisk undersøgelse, København 1997, S. 264 – 269; exemplarisch ebd. S. 266 die Ansprache des Helsingører Geistlichen Abraham Volchersen aus dem Jahre 1793, der die Revolution „verdømte […] og den forbandede Lære ob Friehhed, Liighed, Rettighed […] den dummeste, den grummelte Pøbellære“ nannte. 698 Johann Otto Thieß, Neue Predigten, Gl[c]kstadt 1808, hier Nr. III: „Vom tieffsten Verfall der Religion und Sittlichkeit unter einem Volke ber Matth. 23,34 – 39“, S. 43 – 59. Zu Thieß bereits o. S. 281 – 286. 699 Thieß, a.a.O., S. 43. 700 Ebd.: „Warum toben die Heiden, und die Leute reden so vergeblich? Sie rathschlagen miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten: Lasset uns zerreissen ihre Bande, und von uns werfen ihre Seile. – Aber ich habe meinen Kçnig eingesetzt auf meinem heiligen Berge“, Ps 2,1 – 3.6. Zion als Name des Berges in Vers 6c fehlt bei Thieß; ihm geht es um den Aspekt gçttlicher Einsetzung eines jeden Kçnigs. 701 A.a.O., S. 43. 702 A.a.O., S. 44.

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„denn es ist in der brgerlichen Gesellschaft keine Obrigkeit ohne von Gott. Wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun wider die Obrigkeit setzt, der widerstrebt Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden ber sich ein Urtheil empfahen.“ 703

Ausdrcklich erhofft Thieß die Verschonung „unsers teutschen Vaterlandes“ von jenem Fluch, den jene, die Hand an die „vormals von ihnen selbst fr heilig“ erklrte Person704 legten, „mit ihren Blutschulden ber sich und ber ihre Kinder“ gebracht htten705. Nirgends spricht die Predigt ausdrcklich von „Frankreich“, nirgends verwendet sie die Begrifflichkeit der „Revolution“; nur die Ausfhrungen werden inhaltlich konkret. So legt Thieß seinen Finger auf den tiefen „Verfall der Religion und Sittlichkeit unter einem Volke, das sich dnken ließ, Lehrer und Gesetzgeber andrer Vçlker zu seyn“, nun jedoch „Tempel der Vernunft weihet, und alles menschliche Gefhl abschwçrt“706. Ein hartes Urteil fllt Thieß ber die politischen und sozialen Folgen der Revolution: Jenes „Volk will allgemeine Gleichheit, und bewirkt allgemeine Zerrttung. Es erklrt sich fr einen unabhngigen und unzertrennlichen Staat, und ist im wildesten Aufstand und bittersten Krieg wider sich selbst […] Es verheißt Frieden den Htten, und stekt sie in Brand, gleich den Pallsten. Ohne Mitleid mit armen Gerechten, ohne Schonung gegen Witwen und Greise, […] spricht es hohnlachend (Weish. 2,10.11): Was wir nur thun kçnnen, das soll recht seyn, denn wer nicht thun kann, was ihn gelstet, der gilt nichts.“ 707

Damit begreift Thieß die revolutionren Geschehnisse als Folgen eines zum „Freiheitsschwindel“708 aufrufenden Libertinismus, gegen den er mit poetischen Mitteln nichts anderes als die bewußte und standhafte Nachfolge der Christen setzt: „Sie, die den Dienst der Snde flohn, / dir standhaft folgten, Gottes Sohn, / die rett aus dem Verderben! / Laß sie die Schrekken dieser Zeit / nicht sehn; laß sie mit Freudigkeit / in deinem Namen sterben!“709

703 704 705 706 707 708

Ebd. [Hervorhebung im Original]. Zum franzçsischen Kçnigsmord o. S. 48 f. A.a.O., S. 46 f. A.a.O., S. 50 [Hervorhebungen im Original]. Ebd. S. 50 f. [Hervorhebungen im Original]. Thieß, Neue Predigten, Gl[c]kstadt 1808, hier Nr. III: „Vom tieffsten Verfall der Religion und Sittlichkeit unter einem Volke ber Matth. 23,34 – 39“, S. 52. Zur der Revolution seitens der Theologen hufig beigelegten Etikettierung des „Freiheitsschwindels“ vgl. a. o. S. 124 Anm. 23. 709 Thieß, a.a.O., S.59.

7. Aufklrungstheologie als Reaktion

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Die Aufforderung zum Festhalten am christlichen Bekenntnis, das in diesem Kontext dezidiert unter das Vorzeichen obrigkeitlicher Gehorsamspflicht gerckt wird, wird so zur Grundlage einer grundstzlichen Verurteilung der revolutionren Geschehnisse. Deren Ursache aber sieht der Prediger exklusiv im Bereich sittlich-religiçsen Verfalls. Daß Thieß dauerhaft an dieser Anschauung festhielt, zeigt seine 1807 in Bordesholm gehaltene Passionspredigt „Schikket euch in die Zeit, denn es ist bçse Zeit“710. In dieser Ansprache geht Thieß 14 Jahre spter hart mit dem „verderbten Zeitgeist“711 ins Gericht, der den „Fall der mchtigsten Vçlker, den Untergang der blhendsten Staaten“712 heraufbeschworen habe, nachdem die „in dem zertretenen! – Europa seit lnger denn einem Jahrzehend“ verbte „Barbarei auch in unser – zerrissenes! – teutsches Vaterland eingedrungen“ sei713. Die von Thieß beklagte Zerrissenheit des „teutschen Vaterlandes“ betrifft zu diesem Zeitpunkt nicht zuletzt auch die Tatsache, daß sich die Herzogtmer Schleswig und Holstein auf Grund ihrer Zugehçrigkeit zum dnischen Gesamtstaat in einem gegen zahlreiche deutsche Mchte gerichteten, von Frankreich dominierten Bndnis befinden714. Insofern zeigt sich in dieser Predigt aus dem Jahre 1807 ein frher Reflex des sich im Vormrz zunehmend ausweitenden Spannungsverhltnisses zwischen dem in reformatorischer Tradition eingeforderten Obrigkeitsgehorsam und einer sich auf Grund der politischen Entwicklung formierenden nationalen Ausrichtung innerhalb der schleswig-holsteinischen Kirchengemeinden. Vorerst jedoch gibt der Tçnninger Pastor Johann Tycho Hartz im Jahre 1794 in Flensburg und Leipzig eine Predigtsammlung heraus, deren neun Ansprachen neben der „Befçrderung christlicher Gesinnungen“ unter vaterlndischem Vorzeichen insbesondere den Lobpreis der „glcklichen Dnischen Regierung“ intendieren715. Diese besondere pastorale Orien710 Ders., „Schikket euch in die Zeit, denn es ist bçse Zeit, Eph. 5,16. Am Sonntage Laetare 1807 in Bordesholm gehalten“, in: Ders., Neue Predigten, hier Nr. IX, S. 177 – 200. 711 Ebd. S. 182; vgl. S. 187 f. 712 Ebd. S. 185. 713 Ebd. S. 192. 714 Hierzu u. S. 378 – 389. 715 Johann Tycho Hartz, Predigten zur Befçrderung christlicher Gesinnungen, zum Theil in Beziehung auf Mitbrger des Vaterlandes unter der glcklichen Dnischen Regierung, Flensburg und Leipzig 1794. – Der 1756 in Neuenkirchen geborene Hartz war nach dem Studium in Gçttingen und Kiel 1780 in Glckstadt ex-

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tierung vermittelt bereits das der Predigtsammlung vorangestellte Motto aus 1. Petr 2,17: „Thut Ehre jedermann. Habt die Brder lieb. Frchtet Gott. Ehret den Kçnig“. Zur Herausgabe seiner Predigten veranlaßt Hartz „bloß die Liebe zu meinem Vaterlande; Treue gegen meinen Kçnig, und der Wunsch, einem oder dem andern meiner Mitbrger Augenblicke der heilsamen Erinnerung an die großen Pflichten, die der gute dnische Unterthan an sich schon so gern erfllt, besonders zu dieser Zeit zu verschaffen.“716

Der Tçnninger Pastor empfindet seine Gegenwart durchaus als besondere Zeitspanne; die in seinen Predigten ausgefhrte Zielsetzung einer Erinnerung der Gemeinde an die regierungsseitigen Wohltaten und den der Obrigkeit geschuldeten Gehorsam lßt erkennen, daß Johann Tycho Hartz den in der Folge der Revolution vor Ort erçffneten Diskurs ber die gesellschaftliche Verfassung schon im Ansatz als Herausforderung des aktuellen Staatsaufbaus begreift, die einer deutlichen kirchlichen Antwort bedarf. Dabei geht es ihm bereits in der zitierten captatio benevolentiae des gesamtstaatlichen, von ihm durchweg als „dnisch“ begriffenen Brgertums um die in der Predigt ausgefhrte schriftgemße Zementierung des gesellschaftlichen status quo. Zwar habe „das Verhalten der Menschen, die in Gesellschaft miteinander leben, einen großen Einfluß auf die allgemeine Lage der Dinge; aber eine hçhere Regierung lßt doch geschehen, was geschieht.“717

Angesichts eines solchen gçttlichen Weltregimentes sei der einzelne Mensch in seiner Auseinandersetzung mit den sich wandelnden „Sitten und Gebruchen“ zu eigenstndiger Positionierung aufgerufen. Dabei verhalte sich derjenige weise, „der einzeln fr sich, und so weit seine Wirkungen reichen, aus den Umstnden wrdige, rechtmßige Vortheile zieht. Das kann z. B. der Menschenbeobachter, wenn er die allgemein herrschenden Meinungen, Grundstze, Urtheile und Handlungsarten seiner Zeit mit prfenden Blicken aminiert worden und amtierte seit 1784 als Compastor in Tçnning. 1799 wurde er Propst in Husum und behielt dieses Amt bis zu seinem Tod im Jahre 1827; hierzu D.[etlev] L.[orenz] und H.[ans] Schrçder, Lexikon der Schleswig-HolsteinischLauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1796 – 1828, 1. Abth., Altona 1829, S. 224; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten I, S. 328; ferner der Nekrolog in: SHPb 1827, S. 750 f. 716 Johann Tycho Hartz, a.a.O., Vorrede S. V f. 717 Johann Tycho Hartz, Predigten zur Befçrderung christlicher Gesinnungen, zum Theil in Beziehung auf Mitbrger des Vaterlandes unter der glcklichen Dnischen Regierung, hier: Dritte Predigt „Christliche Lehren der Weisheit“, ber Eph. 5,15 – 21 am 20. Stg. n. Trin. [1793, L.-P.], S. 29 – 40, hier: S. 30.

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beurtheilt. Er kann fr sich Schtze der Wahrheit sammeln, und, indem er alles prfet, das Beste behalten.“718

In der Folge einer solchen aufgeklrt-weisheitlichen Selektion der fr den Menschen whlbaren Zustnde werde sich die Ordnung „von selbst ergeben“719. In einer gewissen Spannung gegenber seinem Postulat individueller Prfung der „Umstnde“ fordert Hartz jedoch mit Hinblick auf die Angehçrigen der christlichen Gemeinde, es herrsche „Ordnung im Ganzen. So diene denn, wer dienen muß; so gehorche denn, wer grçßeren Krften unterworfen ist; so folge denn, wer selbst nicht Anweisungen zu geben gefordert wird! Jedermann, jeder in seiner Art sey unterthan; denn er wird immer von anderen bertroffen. Wohlthtige Lehre! Sie sichert dir, o Christ, wo sie befolgt wird, das glckliche Verhltnis […] der Brger und ihrer Obrigkeit, der Vçlkerschaften und ihrer Vorsteher.“720

Gebiete die „Gewissenhaftigkeit“ in dieser Weise die Aufrechterhaltung der bestehenden hierarchischen Sozialordnung, so predige „das Christentum […] den Menschen Freiheit, meine Zuhçrer, und zwar eine Freiheit, die das ganz ist und seyn kann, was das Wort bezeichnet. Es predigt Freiheit der vernnftigen Wesen, sich selbst ein heiliges Gesetz zu seyn, sich selbst nach Recht und Gewissen zu bestimmen; – Freiheit!, die Sinnlichkeit mag wnschen, locken, drohen, treiben, wie sie will, doch Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, oder demjenigen, was Menschen wollen und tun.“721

Primr orientiert sich Hartz’ Freiheitsverstndnis an der innerlichen menschlichen Haltung, nicht an ußerlichem Verhalten. Jede auf gesellschaftspolitische Wandlung bedachte Intention bleibt dieser Auffassung notwendig fremd, wie Hartz seiner Gemeinde am Beispiel der revolutionren Gleichheitsforderung aufzeigt. Zwar seien in den „wesentlichen Angelegenheiten […] alle Menschen, sofern sie Menschen sind, einander vollkommen gleich. Und das ist viel, sehr viel! Aber weiter kann auch die Gleichheit nicht gehen. Denn von hier weggesehen treffen wir auf usserliche Gegenstnde der Wahrnehmung unter den Menschen, und da zeigt sich Ungleichheit berall. Theils bildet die Natur, theils der Zufall, obgleich 718 Ders., ebd., unter Aufnahme einer Aufforderung des Apostels Paulus aus 1 Thess 5,21. 719 A.a.O., S. 39. 720 Ebd. [Hervorhebungen im Original]. 721 Hartz, Predigten zur Befçrderung christlicher Gesinnungen, zum Theil in Beziehung auf Mitbrger des Vaterlandes unter der glcklichen Dnischen Regierung, hier: Vierte Predigt, „Seyd unter einander unterthan in der Furcht Gottes“, ber Epheser 5,15 – 21 am 20. Stg. n. Trin., S. 41 – 53, hier S. 42 [Hervorhebungen im Original].

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durch beyde der hçhere Regierer, theils das Zusammentreten der Menschen in gesellschaftliche Bande Verschiedenheiten, die nicht abzusehen sind.“722

Kein Einzelner sei jemals „Urheber“ der gesellschaftlichen „Verhltnisse und Verbindungen“723 ; umgekehrt erweise sich aber die menschliche Gesellschaft als „Schauplatz“ der „hohen heiligen Freiheit“724 des Individuums. Als heiligenden Faktor einer so verstandenen Freiheit betrachtet Hartz die „Gottesfurcht“, die dem menschlichen Handeln den Maßstab des gçttlichen Willens auferlegt. Dessen Nichtbeachtung fhre zu jenen katastrophalen Folgen, die der Gemeinde durchaus die Assoziation der realen postrevolutionren franzçsischen Verhltnisse nahelegt: „Denkt euch ein Volk, das die Gottesfurcht aufgiebt, verwirft, verlacht, mit Fßen tritt, und ihr habt bald die Vorstellung, wie mit ihr die Menschlichkeit aus demselben verschwindet, wie es mit sich selbst uneins, wie es blutig, wie es wste, wie es Vçlkern abschreckend wird.“725

Der Gottesfurcht als Brgertugend stellt Hartz in einer zum Geburtstag des Kçnigs ber Rçm 13,1 – 10 im Jahre 1793 gehaltenen Predigt die Liebe als einer vom Evangelium gelehrten weiteren „gçttlichen Brgertugend“ an die Seite, die, wenn auch in ausbaufhigem Umfang, doch gerade im dnischen Gesamtstaat bereits praktiziert werde: „Wie kçnnte mans aber lugnen, daß gerade Dnemarks Staaten726 zu denjenigen gehçren, deren Brger nicht ohne Liebe miteinander verbunden leben? Allein sie kann auch in diesen Reichen727 noch eine weit hçhere Strke gewinnen, diese gçttliche Brgertugend, die das Evangelium lehrt.“728

722 723 724 725 726

Ders., ebd. [Hervorhebungen im Original]. Ders., a.a.O., S. 49. Ebd. [Hervorhebungen im Original]. Ebd. S. 53. Fraglos sieht Hartz in Schleswig, dem seine Tçnninger Gemeinde angehçrt, einen Staat „Dnemarks“. 727 Territorial verbindet sich die Kçnigswrde im zeitgençssischen Dnischen Gesamtstaat nur mit Dnemark und Norwegen; hierzu o. S. 94 und S. 107 f. Insofern offenbart die Wendung das Selbstverstndnis des Tçnninger Geistlichen als dnischer Brger. 728 Hartz, Fnfte Predigt, „Wrkungen wahrer Liebe derer, die in Einem Reiche leben, zur Wohlfahrt des ganzen Reiches“ (vorgetragen am Geburts-Tage unsers Kçnigs), ber Rçm 13, 1 – 10, a.a.O., S. 54 – 64, hier S. 63 f.

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In seiner Neujahrspredigt 1794729 kontrastiert Pastor Hartz die Verhltnisse Frankreichs und Dnemarks anhand eines summarischen Jahresrckblicks: „Wir haben ein Jahr durchlebt, m. Z730, an dessen Ende der Wahrheit und der Gerechtigkeit Bemhungen, unter dem Toben der Menge, ihre gewnschten Triumphe noch nicht sahen; ein Jahr, aus dessen letzten Stunden noch Geist der Widersetzung, der Empçrung, der Zerreißung heiliger Bande der Ordnung und der Liebe in die ersten des heute angebrochenen Jahres berging […]. Die Geschichte desselben ist dadurch so traurig geworden, daß da und dort der große Gedanke nicht wirkte […] der große Gedanke des Christenthums: Menschen, ihr seyd alle Gottes Kinder! […] wir haben ein Jahr durchlebt, in welchem uns jene Auftritte nur, aus der Ferne erzhlt, mit Entsetzen und Mitleiden erfllten. Hier waren sie nicht, hier kamen sie nicht zu unserer unmittelbaren Erfahrung! In Dnnemark und in allen seinen Provinzen war Ordnung und Ruhe! […] Uns war unser Kçnig ein Vater; und Seines Thrones Erbe731 ein teilnehmender Freund! […] Hier galten Menschen als Gottes Kinder!“732

Die geistliche Solidaritt im gemeindlichen Sinne stiftende Gotteskindschaft erscheint hier als Fundament eines aufrechterhaltenen sozialen Friedens innerhalb der staatlichen Gemeinschaft. Indem Staat und Gemeinde auf diese Weise kongruent erscheinen, wird der Staat zum Raum der sich bettigenden Nchstenliebe, whrend der Monarch im Kontext einer sakrosankten Kçnigsideologie zum verehrungswrdigen Garanten des gesellschaftlichen Friedens stilisiert wird. Die Predigt lßt die Regierung damit als gçttliches Instrumentarium erscheinen, dessen Heilsangebot nicht verworfen werden drfe, wie bereits das jdische Beispiel nachhaltig verdeutliche: „Daß man den Wohlthaten Gottes fr einen Staat der durch seine Regierung beglckt ist, entgegen wirken kçnne, Freunde, das duldet keinen Zweifel! […] Denkt an jenes Volk, welchem Jesus ein Segensstifter unmittelbar werden wollte, und welches auch durch Ruhe, Sicherheit und allgemeine Zufrie729 Zu den durch die Aufklrungsgeistlichen im Kontext politischer Kanzelrede neu eingefhrten sog. Zeitpredigten Reinhard Krause, Die Predigt der spten deutschen Aufklrung (1770 – 1805), S. 131 – 135. 730 Zeitgençssisch bliche Abkrzung fr: „m.[eine] Z.[uhçrer]“. Die Anrede verdeutlicht den primr auf Belehrung angelegten Charakter der Kanzelrede. 731 Gemeint ist Kronprinz Friedrich, der fr seinen geisteskranken Vater Christian VII. die Regierungsgeschfte bernommen hatte. 732 Johann Tycho Hartz, Sechste Predigt, gehalten am Neuen Jahrs-Tage 1794 ber Gal 3,23 – 28: „Ermunterung zu Wnschen und Vorstzen aus Menschenliebe und Vaterlandsliebe“, S. 65 – 81, hier S. 67 f.

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denheit als Menge im Staat htte glcklich werden kçnnen; und Jesus (Matth. 23,37)733 sprach: Ihr habt nicht gewollt!“734

Jeden potentiellen Widerstand gegen die eigene Regierung setzt Hartz’ Analogie gleich mit der Ablehnung Jesu durch das jdische Volk; die bildhafte Entsprechung zwischen Jesus und dnischer Regierung kommt deren Apotheose zumindest recht nahe, auch wenn Hartz in seiner Regierung wohl primr das gçttliche Segensinstrument sieht: „Ja, unter dem Dnischen Zepter, wird Gehorsam gegen das Ganze, wie gegen Theile der Regierungs-Anordnungen gefordert, und wenn den einzelne nicht leisten, und nach diesen einzelnen mehrern zusammen sich bilden, dann, m. Z., wird schon den gewnschten Wohlthaten Gottes fr unser Vaterland entgegengewirkt […] Darum sey in dieser Hinsicht unter uns keine Nachlßigkeit!“735

Aufgabe und Leistung der Regierung bestehen also darin, im dnischen Gemeinwesen Gottes Wohltaten zu realisieren. Dabei zeigt sich auch die Regierung hierarchisch gegliedert; doch sehen sich ihre Angehçrigen bei „treuen Bemhungen“ und „heilsamen Thaten“ geeint in der „Befçrderung von Recht und Ordnung“. Dies zeigt der Segenswunsch am Predigtende, der in der Folge zahlreicher Bitten fr die kçnigliche Familie und nachgeordnete Obrigkeiten736 schließlich protokollgerecht ausmndet: „Auch jeder hçheren Obrigkeit, jedem Beamten in den Provinzen, und jedem der Recht und Ordnung zu befçrdern unter dem Dnischen Zepter çffentlichen

733 Die im Folgenden zitierte ußerung Jesu findet sich bei Matthus im Kontext einer Klage ber Jerusalem, die ihrerseits den Schlußpunkt einer Auseinandersetzung mit den Schriftgelehrten und Pharisern als neutestamentlichen Exponenten des Judentums darstellt. Mt 23,37 lautet als ganzer Vers: „Jerusalem, Jerusalem, die du tçtest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Kken versammelt unter ihre Flgel; und ihr habt nicht gewollt!“ Hartz’ aus dem Kontext entlehntes Teilzitat rezipiert jedoch nicht die in der Gesamtußerung Jesu durchaus mitschwingende antimonarchische Dimension, waren es historisch gesehen doch vielfach gerade die Kçnige Jerusalems, die die prophetische Kritik auf sich zogen und auf diese mit Verfolgung und Ermordung der von Gott gesandten Gerechten reagierten; vgl. hierzu etwa 2 Chr 12,5; Jes 1,23; 3,4; Jer 19,13; 24,8; 25,18; 29,16 f.; Mt 2,16 – 18; zum ausgefhrten Prophetenmord durch einen Kçnig vgl. Jer 26,20 – 23. 734 Hartz, Sechste Predigt, gehalten am Neuen Jahrs-Tage 1794 ber Gal 3,23 – 28, a.a.O., hier S. 72 f. 735 Ebd. S. 73. 736 Ebd. S. 78 f.

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Beruf hat, fließe aus treuen Bemhungen, aus heilsamen Thaten, innere Selbstzufriedenheit, reine Menschenfreude zurck!“737

Als Leitthematik der Predigten von Johann Tycho Harz erscheint whrend des Jahres 1793 in kritischer Auseinandersetzung mit der Revolution die Wahrung der Vaterlandsliebe als Treue gegen Kçnig und Mitbrger. Freiheit zielt in diesem Denken als religiçser Begriff auf die Innerlichkeit des Menschen; ußerliche Unfreiheit erscheint als Ausdruck des gçttlichen Willens und wird so zur nicht weiter hinterfragbaren Grçße. Daß zeitgençssische Predigten vielfach auch ohne jede Auseinandersetzung mit dem Phnomen der Franzçsischen Revolution auskommen, zeigt etwa die 1794 in Schleswig publizierte Predigtsammlung von Ernst Ludewig Friederici738. Bereits die Widmung des Bndchens an Friedrich Karl Ferdinand, Herzog zu Braunschweig-Lneburg-Bevern739, atmet ein erhebliches Maß soliden Untertanengeistes, fhlt der Geistliche sich doch „glklich bey dem Beyfall […], mit welchem ein Frst meine Vortrge zu beehren geruht, dem Nachdenken ber die Religion und Ausbung dergleichen gleich heilig sind […] In tiefster Ehrfurcht ersterbe ich […].“740

Friedericis „Erste Predigt“741 der hier vorgelegten Ansprachen geht unter Auslegung von Joh 14,23 – 31 der Frage nach: „Was hat die Menschheit durch die Ausbreitung des Christenthums gewonnen?“; dabei findet die Ansprache als Antworten neben einer „Veredlung des menschlichen Geistes“ die „Verbesserung des ußerlichen Zustandes der Menschen“ und die allgemeine „Tugendausbreitung“742, weiterhin jedoch auch den „Genuß 737 Ebd. S. 79. 738 Ernst Ludewig Friederici, Predigten am Pfingstfest gehalten und auf hçchsten Befehl in Druck gegeben, Schleswig 1794; Neudr. Grevenbroich 1985. – Friederici, 1751 auf Fehmarn geboren, studierte seit 1768 in Gçttingen, war Pastor in Kahleby-Moldenit und wurde 1787 Hofprediger in Glcksburg. 1797 wurde er Propst in Sonderburg, ab 1805 bis zu seinem Tod 1817 in Broager; cf. Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 262; Nekrolog in SHPb 1818, S. 51 f. 739 Zu diesem: Christof Rçmer, Braunschweig-Bevern. Ein Frstenhaus als europische Dynastie 1667 – 1884, Braunschweig 1997, S. 61. 1760 in die dnische Armee eingetreten, diente Friedrich Karl Ferdinand seit 1764 als dnischer Generalinspekteur, wurde 1766 Gouverneur von Rendsburg und 1773 von Kopenhagen. Seinen Wohnsitz nahm er seit 1782 auf Schloß Glcksburg, wo er 1809 verstarb. 740 Die in Glcksburg abgefaßte Widmung datiert vom „28sten Juni 1794“, a.a.O. im Vorwort. 741 Erste Predigt, a.a.O., S. 1 – 18. 742 Ebd. S. 4.

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der Freuden des Lebens“743. Von diesen Errungenschaften aus vermieden „wir Christen“ „nicht nur selbst alle solchen Handlungen und Unternehmungen, die den Verlust unserer Freuden nach sich ziehen mßten, sondern wir haben auch von Seiten unserer Mitbrger weniger Unterbrechung derselben zu besorgen, weil das Christenthum auch in ihren Herzen dem Ehrgeitz, der Habsucht und andern […] gefhrlichen Leidenschaften entgegenwirkt.“744

Das Christentum erscheint in dieser Anschauung als eine Religion, die jeder Form und Ausprgung staatsbrgerlichen nderungswillens besnftigend entgegenzutreten in der Lage ist. Eine solche „Mittelstandsethik“745 nimmt die vorfindlichen sozialen Gegebenheiten bedingungslos hin. Der letztlich mit dem Theodizeeproblem verbundenen Frage, weshalb die christliche Lehre nicht eo ipso hinreichend sei, die Jngerschaft Jesu zu ausschließlich tugendhaften Charakteren heranzubilden, begegnet Friederici in einer Predigt ber Joh 3,16 – 21746. Zwar verkndige auch diese Perikope „einen Gott, der die Welt, der alle Menschen liebt“747, doch stelle sich durchaus die Frage: „Wie kann das Christenthum so sehr wohlthtig seyn, da es mitten in der Christenheit so sehr viele bçse Menschen giebt?“748

Friederici greift zur Antwort die Differenzierung zwischen christlicher Lehre und einzelnem Christen auf: „Ungeachtet der großen Menge derer, die den Namen der Christen durch ihren Wandel schnden,“ hlt der Glcksburger Pastor daran fest, daß „das recht verstandene und recht gebrauchte Christenthum eine Kraft Gottes, selig zu machen alle, die daran gluben“, sei und bleibe749. Der totalen Ausklammerung konkurrierender weltanschaulicher Auffassungen entspricht der lyrische Lobpreis am Ende der Predigt, in dem sich die nahezu vollstndig auf das menschliche Innere, 743 Ebd. S. 16. 744 Ebd. S. 16 f. 745 Reinhard Krause, Die Predigt der spten deutschen Aufklrung (1770 – 1805), attestiert S. 101 der „Predigt des Rationalismus“ die „Tendenz einer etwas kleinbrgerlich gefrbten Moral“: „Es ist in betontem Maße eine Zeit des Brgertums, das gerade in den huslichen Aufgaben dem Zweck des Lebens nahezukommen glaubt und im Mittelstand die besten Christen findet“. 746 Ernst Ludewig Friederici, Zweite Predigt: „Beantwortung einiger Einwendungen gegen die Wohlthtigkeit des Christenthums“ (Joh 3,16 – 21), a.a.O., S. 19 – 32. 747 Ebd. S. 19. 748 Ebd. 749 A.a.O., S. 29.

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nicht aber auf eine potentielle politische Verantwortung und Gestaltungskraft des Menschen zielende Perspektive widerspiegelt: „Gelobt sey Gott! ich bin ein Christ; / Und seine Gnad’ und Wahrheit ist / An mir auch nicht vergebens. / Ich wachs’ in meiner Heiligung, / Ich spre tglich Besserung / Des Herzens und des Lebens; / Ich fhle, daß des Geistes Kraft / Auch mich zum neuen Menschen schafft. / Dir Gott, mein Vater, Dank und Ruhm! / Du lehrtest mich das Christenthum / Fest glauben, willig ben. / Dir Gott, mein Lehrer, Lob und Preis! / Ich lieb es immer noch, und weiß, / Ich werd’ es ewig lieben. / Jetzt und mein knftig Leben lang / Bring’ ich Dir, Hçchster, Preis und Dank. Amen.“750

Einer derartigen Betonung der Individualsphre fehlt es nowendigerweise am durchreflektierten Vehltnis zu den seitens der Revolution aktuell aufgeworfenen Problemstellungen. Das Verharren in den tradierten Gleisen christlicher Nabelschau verleiht der Gemeinde keine Impulse fr eine gedanklich und sachlich begrndete eigene Positionierung des von Frankreich ausgehenden neuen gesellschaftlichen Diskurses. Ein Theologe, der sich in den Jahren unmittelbar nach Revolutionsausbruch noch nicht in den Herzogtmern, wohl aber in der Kopenhagener Residenz aufhlt, findet sich in dem 1756 in Arnis geborenen dnischen Hofprediger Dr. Jakob Georg Christian Adler751. Er verçffentlicht im Jahre 1790 ein gutes Dutzend von ihm gehaltener Predigten, unter denen seine Ansprache vom 1. Adventssonntag 1789752 als einzige einen Bezug zu den revolutionren Ereignissen herstellt, von denen sich Adler jedoch distanziert: 750 A.a.O., S. 32. 751 Zu diesem Bickell, ADB 1, S. 85 f.; Walter Gçbell, SHBL 6, S. 15 – 20; Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 342 – 345; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in SchleswigHolstein, S. 202 f.; Gottfried Mehnert, Die Kirche in Schleswig-Holstein, S. 112 – 114; ders., Die Aufklrungsepoche in Schleswig-Holstein, in: NE 30 / 1961, S. 22 – 36, hier S. 34 – 36. 752 Jakob Georg Christian Adler, Einige Predigten gehalten vor den Kçnigl. Dnischen Herrschaften und auf allerhçchsten Befehl herausgegeben, Kopenhagen 1790. Die Sammlung trgt eingangs die Widmung: „An die Kçniginn.“; sie wurde auf Wunsch derselben verçffentlicht, nachdem zuvor alle 14 in ihr vereinten, ausnahmslos deutschsprachigen Predigten unter Anwesenheit der Kçnigin in der Schloßkirche oder „im Gemach I.M. der Kçnigin“ gehalten worden waren. Am 23. Sonntag n. Trin. 1789 hatte Adler ausdrcklich ber die Programmatik des Obrigkeitgehorsams gepredigt: Ders., Die Forderungen Jesu in Absicht des Gehorsams gegen die Landesobrigkeit. Eine Predigt ber das Evangelium am 23. Sonnt. n. Tr., Kopenhagen 1789.

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„Sicher haben wir an dem heutigen Tage, meine theuren Mitchristen, vor tausenden unserer Brder uns zu freuen Ursach, die dies Fest der segensvollen Zukunft unsers Erlçsers nicht mit uns feiern kçnnen. Wir sind frei von Vorurtheilen und Irrthmern, unter welchen sie seufzen, und von allen den Ausschweifungen, welche die Folge der tiefen Unwissenheit und des Aberglaubens sind; die wichtigsten Kenntnisse von Gott, von seinem Willen, von seinen Absichten mit uns, die seligsten Hoffnungen sind unser; wir fallen nicht vor einem unbekanten Gott nieder, sondern wir kennen ihn als unsern Freund und Vater.“753

Mit einer gewissen Milde begegnet Adler jenen Mitmenschen, die auf Grund „von Vorurtheilen, Irrthmern“ und „Ausschweifungen“ nunmehr „vor einem unbekannten Gott“ niederfallen. Im Kontext dieses einzigen auf die Revolution Bezug nehmenden Reflexes in der 14 Predigten umfassenden Sammlung macht sich Adlers vornehme Distanzierung von den Akteuren der Revolution fest an deren religiçser Unkenntnis sowie ihrer als „Aberglauben“ begriffenen weltanschaulichen Position. Demgegenber sei, wie er in seiner Predigt vom 11. Oktober 1789 betont, „sich mit den Menschen, seinen Brdern und Mitgenossen der Seligkeit, sich mit Gott, dem Schçpfer und Vater aller, immer genauer zu vereinigen, […] die Hauptsache, das Wesen, der Geist des Christenthums.“754

Diese Perspektivik nimmt keine sozialen Divergenzen mit ihren Spaltungskonsequenzen, sondern das harmonisierende Band christlicher Nchstenliebe in den Blick: „Liebe ist also das Ziel aller Lehren, Vorschriften und Verheißungen des Christenthums“755. In diesen intentional vom Geist der Versçhnung und Einigkeit geprgten Kontext gehçren fr Adler im Hinblick auf Staat und Regierung auch die „Forderungen Jesu in Absicht des Gehorsams gegen die Landesobrigkeit“, die Adler in seiner Predigt am 23. Sonntag n. Trin. 1789 zum Thema erhebt756. Zuvor identifiziert der Hofprediger die Ursachen weltlicher Kalamitten in seiner

753 Jakob Georg Christian Adler, Predigt vom 1. Adventssonntag 1789: „Gute Wnsche fr die Sache des Christenthums. ber 1 Tim 2,1.“, a.a.O., S. 75 – 88, hier S. 78. 754 Ders., Predigt vom 11. Octob. 1789 ber „Die Hauptsache des Christenthums. ber Matth. 22,37 – 39.“, a.a.O., S 3 – 14, hier S. 12. 755 Ebd. 756 Adler, Die Forderungen Jesu in Absicht des Gehorsams gegen die Landesobrigkeit. Eine Predigt ber das Evangelium am 23. Sonnt. n. Tr., Kopenhagen 1789. Leider ist diese Predigt nicht mehr auffindbar.

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Predigt vom 26. Juli 1789757, also zwçlf Tage nach dem Bastillesturm758, in innermenschlichen Vorgngen, nicht aber im externen Sozialgefge: „Unsere Thorheit, unsre Eitelkeit ist die Ursach aller Plagen, und Sorgen und rastlosen Bekmmernisse, wodurch wir oft so viel Verdruß unsern Gesichtszgen eindrcken {…] Unsere Verirrung von der Hand der Natur ist die Mutter der meisten Schmerzen; sie verdirbt unsre Sfte, zerrttet unsern Kçrper, und verwundet unser Gewissen.“759

Angesichts einer solchen Individualperspektivik verwundert es nicht, daß sich innerhalb der 66 in zwei Bnden whrend des Jahres 1796 publizierten Predigten Adlers760 keine einzige Bezugnahme auf die revolutionren Ereignisse findet. In vielerlei Brechung zeigt sich hier wiederum Adlers vom Gedanken zwischenmenschlicher Harmonisierung durchdrungene Auffassung des Christentums, der jede Art separatistisch-schismatischer Tendenzen aus dem Kontext des revolutionren Umfeldes notwendigerweise fremd bleibt. So hebt Adler in seiner Predigt am 18. Sonntage n. Trin. 1792761 hervor, daß die „Gottes- und Menschenliebe“ smtliche „Neigungen und Gesinnungen“ des Christenmenschen leite, und fordert seine Gemeinde von daher in einer geradezu schlicht anmutenden Wrme auf, „das Christenthum heute von dieser liebenswrdigen Seite zu betrachten“762. Ein solcher Predigtansatz nimmt als Adressatenkreis exklusiv die observante Gemeinde in den Blick und vermeidet von vornherein jede argumentative Auseinandersetzung mit der Revolution und ihren Hintergrnden. Auch Christoph Johann Rudolph Christiani, Nachfolger Adlers als Kopenhagener Hofprediger, gibt im Jahr 1794 eine Sammlung von 15 757 Ders., „Umkehren und werden wie die Kinder. ber Matth. 18,3.“, a.a.O., S. 43 – 58. 758 Zum Tempo der Nachrichtenbermittlung vgl. o. S. 121 f.; es ist unwahrscheinlich, daß die im Folgenden zitierte ußerung bereits die Ereignisse in Paris aufnimmt. 759 A.a.O. (Anm. 757), S. 49 f. 760 Jakob Georg Christian Adler, Sammlung von Predigten in der Friedrichs-Kirche zu Kopenhagen gehalten, und seiner vormaligen ihm immer unvergeßlichen Gemeine zu seinem Andenken gewidmet, Erster Band, Kopenhagen 1796. Zweiter Band, Kopenhagen 1796. Der Erste Band vereint 36 Predigten von Neujahr 1786 bis zum Sechsten Sonntag nach Ostern 1792, der Zweite Band 30 Predigten aus der Zeitspanne von Trin. 1787 bis zum 15. Stg. n. Trin. 1792. – Zur Aufnahme der beiden Bnde in den Herzogtmern vgl. o. S. 157 Anm. 143. 761 Adler, Predigt am 18. Sonntage n. Trin. 1792, a.a.O., Zweiter Band, S. 267 – 278. 762 Ebd. S. 268 f.

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Predigten heraus763. Zwar stellt der junge Geistliche hier nirgends einen Bezug zur Revolution her; doch ußert er sich in seiner Predigt am Sonntag Septuagesimae 1794 „Wider die Klage ber unbelohnt gebliebene Verdienste“764 zur Frage, „wie wir mit unserm Schicksal uns zufrieden erhalten kçnnen, wenn wir auch nicht nach unsern Verdiensten belohnt zu werden scheinen“765. Dieses Interesse lßt sich durchaus auch auf die soziale Problematik einer auf dem Privilegiensystem beruhenden Gesellschaftsordnung anwenden; daher verdient Christianis Entgegnung entsprechende Aufmerksamkeit. In seiner Antwort sieht er die Mittel zur Erlangung innerer Zufriedenheit angesichts „unbelohnt gebliebener Verdienste“ in einem parnetischen Regelsystem, das er wie folgt ausfhrt: „Erstlich: Hte dich, dir einen hçhern Werth und grçßere Verdienste beizulegen, als du wirklich hast! Zweitens: Suche nie in irdischen Gtern den Lohn fr deine Tugend! Drittens: Strke dich, zur unverbrchlichen Erfllung deiner Pflichten durch eine çftere Erneuerung des Gedankens an eine vergeltende Zukunft!“766 Bescheidenheit, immaterielle Wertorientierung und eine an der Hoffnung orientierte Geduld weisen auf einen konservativen, nicht auf offensive nderung der ußeren Verhltnisse bedachten Tugendkontext. Dieser ist mit einer hierarchischen Gesellschaftsordnung durchaus harmonisierungsfhig, whrend er den von der Revolution postulierten dynamischen Werten sozialer Gleichheit und Freiheit letztlich nichts als ein durch Selbsthinterfragung geprgtes Ethos entgegensetzt. Eine zwar konservative, jedoch eher theologisch durchreflektierte Position im Verhltnis zur re-

763 Christoph Johann Rudolph Christiani, Predigten, Kopenhagen 1794; die Predigten wurden gehalten in Kopenhagen und in Kahleby-Moldenit. Der 1761 in Nordby geborene Christiani studierte seit 1778 in Kiel, wurde 1788 Pastor in Kahleby-Moldenit und wechselte 1793 als deutscher Hofprediger nach Kopenhagen. Diese Stelle fiel im Kontext der unter Friedrich VI. vorangetriebenen Danisierung dahin, so daß Christiani seit 1810 als Pastor in Oldenburg i.H. ttig war. Im folgenden Jahr wurde er hier Propst, wechselte in der Folge jedoch 1813 in den Dienst des Herzogs von Oldenburg als Eutiner Superintendent. Wiederum ein Jahr spter wurde er Superintendent in Lneburg und behielt dieses Amt bis zu seiner Emeritierung 1840. Hierzu Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 132. 764 Christiani, a.a.O. (Anm. 763), S. 77 – 100. 765 Ebd. S. 83. 766 Ebd.

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volutionren Herausforderung findet sich dagegen beim Hohenfelder Pastor Dr. Detlev Johann Wilhelm Olshausen767. In seinem 1798 verçffentlichten Beitrag „ber die Aufklrung. Ein Sendschreiben an einen Freund.“768 greift Detlev Olshausen den gegenber der Aufklrung erhobenen Vorwurf auf, diese sei „Urheberin und Befçrderung der Irreligiositt, Immoralitt, Sittenlosigkeit und Revolutionswuth“769. Dem widerspricht Olshausen entschieden und rechtfertigt die Aufklrung als die „wrksamste Befçrderin“ von „Religion und Sittlichkeit“ sowie als „unentbehrliches Mittel […], die brgerliche Wohlfahrt der Menschen zu grnden und zu erhçhen, nicht aber sie durch Revolutionssucht und andre bel zu stçren oder zu vernichten“770. Mit dieser 767 Detlev Johann Wilhelm Olshausen stammt aus dem hannoverschen Nordheim, wo er 1766 geboren wird. Sein Studium verbringt er in Gçttingen und Kopenhagen whrend der Jahre 1784 bis 1792. 1792 promoviert er in Kopenhagen zum Dr. phil.; zwei Jahre spter wird er Diakon in Oldesloe, 1798 Pastor in Hohenfelde, von wo aus er 1801 nach Glckstadt wechselt. Im Jahre 1815 tritt Olshausen als Eutiner Superintendent in die Dienste Peter Friedrich Ludwigs, des Herzogs von Oldenburg. In diesem Wirkungskreis verbleibt Olshausen bis zu seinem Tod 1823. Zu ihm: Berend Kordes, Lexikon der Jetzt Lebenden Schleswig-Holsteinischen und Eutinischen Schriftsteller, mçglichst vollstndig zusammengetragen, Schleswig 1797, S. 257 f.; G.[eorg] P.[eter] Peters, Detlev Johann Wilhelm Olshausen, in: SHPb 1823, Heft 2, S. 100 – 105; Christian Ludwig Wiegmann, Kurzgefaßte Geschichte der christlichen Religion und des Kirchenwesens in den dnischen Staaten, besonders in den Herzogthmern Schleswig und Holstein, Kiel / Flensburg 1840, S. 176 – 178; Johann Heinrich Bernhard Lbkert, Versuch einer kirchlichen Statistik Holsteins. Ein Beitrag zur Vaterlandskunde, Glckstadt 1837, S. 239.249.474 f.; Eduard Alberti, Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Schriftsteller von 1829 bis Mitte 1866, II. Abth., Kiel 1868, S. 144; [Carsten Erich] Carstens, ADB 24, S. 322 f.; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten II, S.124; Eckhart Olshausen, SHBL 7, S. 147 f. 161. 768 Erschienen in: Beitrge zur Veredlung der Menschheit, hg. von Christoph Johann Rudolph Christiani, Band 2, Heft 2, Kopenhagen/Leipzig 1798, S. 119 – 139. 769 A.a.O., S. 120. Zur zeitgençssischen „Tendenz, den protestantischen Rationalismus von vornherein politisch zu identifizieren und ihn fr alle Negativphnomene der entstehenden brgerlichen Gesellschaft verantwortlich zu machen“, vgl. Friedrich Wilhelm Graf, Die Spaltung des Protestantismus. Zum Verhltnis von evangelischer Kirche, Staat und ,Gesellschaft‘ im frhen 19. Jahrhundert, in: Wolfgang Schieder, Hg., Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, S. 157 – 190, hier S. 171 f. 770 Olshausen, a.a.O., S. 138. In seiner „Rede bey der Einfhrung des Herrn Schloßund Garnisonpredigers S. zu G.“ nennt Olshausen die angebliche Unvereinbarkeit von „Religiositt und Aufklrung“ einmal einen „Wahn“: Ders., Hg., Zugabe zu den beyden homiletischen Handbchern ber die in der neuen Schleswig-Holsteinischen Kirchenagende verordneten Texte von Wolfrath, Teller und Olshausen,

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Verurteilung der „Revolutionssucht“ als einem stçrenden Element brgerlicher Wohlfahrt offenbart Detlev Johann Wilhelm Olshausen im Zuge dieser der Aufklrung geltenden apologetischen Bemhungen seine grundstzliche Haltung gegenber der Revolution. Er intendiert keine gewalthafte Vernderung der Gesellschaft, wohl aber jene ruhig verlaufende, im vorfindlichen status quo ihren Anfang nehmende sittliche Veredlung ihrer einzelnen Glieder, die allgemeiner Wohlfahrt und Glckseligkeit dient771. Der „Revolutionssucht“ als einem von ihm zum „bel“ deklarierten Fehlverhalten korrespondiert Olshausens Auslegung der Perikope Rçm 13, 1 – 7. Die hier gebotene „nachdrckliche Empbestehend in einer Sammlung von Gelegenheitsreden nebst Entwrfen und Materialien zu Casualvortrgen, Zweyter Band. Erste Abtheilung, Schleswig und Flensburg 1809, S. 158 – 168, hier: S. 163 f.; ebd. S. 164 nennt Olshausen „chte Religiositt die schçnste Blthe wahrer Aufklrung“, wobei „die hçchste Cultur des Geistes nie herrlicher glnze, als an der Seite einer lautern Frçmmigkeit“. Entsprechend weist Olshausen der Religion als einzigen „Hauptzweck“ zu, „die Menschen auf dem Wege der Tugend zur Seeligkeit zu fhren; [sie, L.-P.] stellt das ganze Erlçsungswerk als eine Anstalt zur Veredlung der Menschen dar; will alle gottesdienstlichen bungen und religiçsen berzeugungen zur Befçrderung der Besserung benutzt wissen, und verwirft ausdrcklich alle Theorien und Spekulationen, die auf das Practische keinen Einfluß haben“, Olshausen, Predigt am Sonnt. Sexagesimae ber 1, Tim. 1, V.5, in: Ders., Homiletisches Handbuch ber einige der gewçhnlichen Episteln und ber freye Texte, Th. 3 / Erster Band, Schleswig 1802, S. 96 – 112, hier S. 112. 771 Hatte die Akademie von Dijon 1749 die Preisfrage gestellt, „ob die Wiederherstellung der Knste und Wissenschaften zur Verbesserung und Hebung der Sittlichkeit beigetragen habe“, so hatte Jean-Jacques Rousseau dies eindeutig negiert, vgl. o. S. 27 f. Den in dieser Auffassung zutage tretenden Gegensatz Olshausens zum Verfasser der „Abhandlung ber die Wissenschaften und Knste“ verdeutlicht der noch in Oldesloe niedergelegte Essay des Holsteiners: „Einige Bemerkungen die zwei Fragen betreffend: ,Hat das menschliche Geschlecht bisher an Moralitt gewonnen?‘ und ,muß man glauben, daß es auch immer fort an moralischer Vollkommenheit zunehmen werde?‘“, in: Deutsches Magazin 1 / 1796, S. 347 – 362. Zwar hlt Olshausen S. 355 fest, daß jede Behauptung „eine sehr misliche Sache“ sei, derzufolge „eine allgemeiner verbreitete, grçssere Moralitt unter den Menschen jezt statt finde“, doch sei es stets Gottes Werk, „die Moralitt des ganzen menschlichen Geschlechts auf alle mçgliche Weise, (d. h. so daß die Freiheit und berhaupt die Natur der Menschen nicht aufgehoben werde) zu befçrdern“, ebd. S. 357. Unter dieser Voraussetzung obliege es jedem einzelnen, „vor allen Dingen selbst recht sichtbar besser“ zu werden“, ebd. S. 362. Der Unterschied ist deutlich: Rousseau negiert den moralischen Fortschritt der Menschheit auf Grund seines „objektiven“ empirischen Befundes; Olshausen fordert den subjektiven moralischen Fortschritt des Einzelnen auf Grund des darin wirksam werdenden gçttlichen Beistandes.

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fehlung des Gehorsams gegen die Obrigkeit“ verdiene „besonders auch in dem gegenwrtigen Zeitalter in çffentlichen Religionsvortrgen772 zur Sprache gebracht zu werden“773 : „Obgleich nun freylich der Prediger hiebey die Frage: Ob der Fall je eintreten kçnne, daß ein Volk gegen einen oder mehrern unrechtmßigen Machthaber sich erheben drfe? – unberhrt lassen darf; so wird er doch, bey der Behandlung dieses Gegenstandes allezeit so verfahren, daß er weder gegen den Grundsatz: Keiner darf, auf Befehl der Obrigkeit, gegen sein Gewissen handeln, welchen die Bibel selbst bekrftigt, verstoßen, noch auch die Pflichten der Obrigkeit unberhrt lassen, und dadurch sich dem Verdacht der Parteylichkeit aussetzen.“774

Die aus der Weisung „Jedermann sei untertan der Obrigkeit“775 resultierende Positionierung des Christen verbindet Olshausen im Falle einer unrechtmßig agierenden Obrigkeit nicht mit dem der lutherischen ZweiReiche-Lehre zu entnehmenden Hinweis auf die Clausula Petri776, sondern mit einem Diskurs ber das menschliche Gewissen sowie die objektiv geltend zu machende Pflicht des Untertanen und das Gebot der berparteilichkeit des Geistlichen777. Das in der Revolution eingeforderte und 772 Im zeitgençssischen Kontext synonym fr „Predigten“. 773 Olshausen, Predigt am sechszehnten Sonnt. nach Trinit. ber Rçm, 13,1 – 7, in: Ders., Homiletisches Handbuch ber einige der gewçhnlichen Episteln und ber freye Texte, Th. 3 / Dritter Band, S. 173 – 182, S. 114. 774 Olshausen, ebd. S. 174. – In einer Fußnote ebd. S. 175 fgt Olshausen dem o. zit. Text ausdrcklich an: „Ich kann mich nicht enthalten, die ganz hiehergehçrigen […] Worte Luthers herzusetzen: […] das Predigtamt ist nicht ein Hofdiener oder Bauerknecht: es ist Gottes Diener und Knecht, und Sein Befehl geht ber Herren und Knecht‘“. 775 Rçm 13,1a. Olshausen bersetzt in parnetischer Intention unter Hervorhebung des aktiven Momentes a.a.O., S. 173 bemerkenswerterweise: „Jedermann unterwerfe sich der obrigkeitlichen Gewalt!“ 776 Apg 5,29: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“. Vgl. hierzu Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit. Wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei, Band 4 der Calwer Luther-Ausgabe, hg. von Wolfgang Metzger, 3. Aufl. Stuttgart 1978, hier: S. 11 – 60; ebd. S. 42 stellt Luther angesichts einer ihre Gewalt – allerdings in geistlichen Fragen – berschreitenden Obrigkeit fest: „Wenn man alles halten mßte, was die weltliche Amtsgewalt wollte, so wre das umsonst gesagt: ,Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“. Zum Kontext Karl-Ferdinand Stolzenau, Die Frage des Widerstandes gegen die Obrigkeit bei Luther zugleich in ihrer Bedeutung fr die Gegenwart, in: Gunter Wolf, Hg., Luther und die Obrigkeit, Darmstadt 1972, S. 196 – 302, hier bes. S. 207. 777 Im vorliegenden Predigtkontext erçrtert Olshausen die Pflicht des Untertanen gegen regierunsgsseitige Weisungen im Rahmen einer allgemeinen politischen Ordnung. Einem theoretischen obrigkeitlichen „Geheiß, Unrecht zu thun“ aber

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gewalthaft realisierte Recht zur Erhebung des Volkes gegen den im revolutionren Kontext seines Gottesgnadentums entledigten Souvern lehnt Olshausen ausdrcklich ab: „Auch wenn manche Herrscher und sonstige Obrigkeiten bloß vermçge gçttlicher Zulassung zu Ansehn gelangen – darf es mit Recht gesagt werden daß sie ihr Ansehn von Gott haben.“778

Unter Beibehaltung der Auffassung vom Gottesgnadentum der Obrigkeit779 interpretiert Olshausen den berlieferten Vertragsgedanken zwischen Obrigkeit und Untertan durchaus einseitig als die sich durchhaltende „kçnnen wir nicht gehorchen“, ders., Lehrbuch der Moral und Religion, vorzglich fr die gebildetere Jugend, nach reinen Grundstzen, Schleswig 1796, S. 143 [Hervorhebung im Original]. 778 Detlev Johann Wilhelm Olshausen, Predigt am sechszehnten Sonnt. nach Trinit. ber Rçm. 13,1 – 7, a.a.O., S. 178. Im Hintergrund dieser Auffassung steht Olshausens grundstzliche Beurteilung der „gçttlichen Vorschriften, welche alle recht und gut sind, und deren Befolgung fr unsere gesammte Glckseligkeit nie nachtheilig: sondern stets wohlthtig seyn muß“, ders., Entwrfe zu Beichtreden, in: Ders., Hg., Zugabe zu den homiletischen Handbchern ber die in der neuen Schleswig-Holsteinischen Kirchenagende verordneten Texte von Wolfrath, Teller und Olshausen, in einer Sammlung von Gelegenheitsreden nebst Entwrfen und Materialien zu Casualvortrgen, Zweyter Band. Erste Abtheilung, Schleswig und Flensburg 1809, S. 63 – 76, hier: S. 71. 779 Im Hinblick auf den whrend der napoleonischen Kriege dem dnischen Gesamtstaat bis zum aktuellen Zeitpunkt erhaltenen Frieden hebt Olshausen in seiner „Predigt am 25. Sonntage nach Trin. 1806“ ber Matth. 24,15 – 28 hervor: „Eben so fest bin ich berzeugt, daß Ihr auch mit mir durch die Erinnerung an die uns gewhrten Segnungen des Friedens Euch zur innigsten Erkenntlichkeit gegen den Frsten werdet aufgefordert fhlen, durch welchen uns Gottes Vorsehung den Besitz desselben erhielt. Ohne die Weisheit dieses Frsten, ohne seine mnnliche Entschlossenheit, ohne seine […] Rechtschaffenheit, […] ohne seine zrtliche Liebe fr das Volk, welches Ihm von dem Kçnige ber die Kçnige anvertraut wurde – urtheilet selbst, wie wrde es vielleicht, wie wrde es hçchst wahrscheinlich jetzt um uns aussehen? […] Alles, was wir in diesem Augenblick Gutes haben und genießen, ist gewissermaaßen Geschenk des edlen und weisen, des gerechten und muthvollen Frsten, der unter Gottes Aufsicht, und untersttzt von seinen treuen und einsichtsvollen Rthen, das Ruder unsers Staates lenkt […] Wie Er fr uns, als seine Lieblinge sorgt und wacht, so sey und bleibe auch Er stets der innig verehrte Liebling unser aller und der Gegenstand unser inbrnstigsten Gebete zu Gott!“, Olshausen, a.a.O. (Anm. 773), S. 187 f. – Ebd. S. 192 betet der Prediger entsprechend „fr unsern geliebten Kçnig“ sowie die Angehçrigen der kçniglichen Familie, allen voran den „edlen Sohn“; hierzu a. ders., Homiletisches Handbuch ber einige der gewçhnlichen Episteln und ber freye Texte, 3. Theil / Erster Band, Schleswig 1802, S. 15 f. die intentional analogen Anmerkungen Olshausens zu 1 Chr 30,10 – 15.

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Bindung des letzteren auch im Kontext eines potentiellen Konfliktes. Argumentativ weicht er dabei jede konfliktbedingte Aufhebung des zwischen Regent und Untertan bestehenden Vertrages durch die Behauptung mangelnder Einsicht des letzteren in die vom Regenten getroffenen Entscheidungen auf. Damit lokalisiert Olshausen den Untertanen letztlich auf einer Ebene, der hinreichende Einsicht in die Modalitten gesellschaftlicher Gestaltung verschlossen bleibt. Unter der berschrift „Wie wenig Unterthanen den Befehlen ihrer Obrigkeiten, die ihnen missfallen […] den Gehorsam zu verweigern berechtigt sind“780 hlt Olshausen fest: „Unterthanen sind selten im Stande, die Anordnungen ihrer Obrigkeiten ganz richtig zu beurteilen.“781

Zu diesem vorgeblichen Einsichtsmangel auf der Seite des Untertanen tritt entscheidend das Argument seiner Gehorsamsverpflichtung: „Die, ausdrcklich oder stillschweigends der Obrigkeit gegebene Versicherung des Gehorsams kommt hinzu – so daß jeder Ungehorsame zugleich als ein Bundbrchiger erscheint.“782

Deutlich schrft Olshausen dem „Brger und Unterthan“ dessen Pflichten ein: „Wer seine Pflichten als Brger und Unterthan gegen Kçnig783 und Vaterland nicht erfllt, der darf freylich auch keine Ansprche auf den Genuß des Glckes machen, welches der Aufenthalt in einer wohl eingerichteten, weise regierten, kraftvoll geschtzten brgerlichen Gesellschaft im Schooße des Friedens zu gewhren vermag; aber dem ruhigen, rechtschaffenen, gewissenhaft thtigen Staatsbrger kann die hçchste Weisheit und Gte diesen 780 Olshausen, Predigt am sechszehnten Sonnt. nach Trinit. ber Rçm, 13,1 – 7, a.a.O., S. 179. 781 Ebd. 782 Ebd. S. 180. Auch in seiner Ansprache ber „1 Petri 4,8 – 11“ ußert sich Olshausen negativ ber den „großen Haufen, der doch manche Dinge selbst zu untersuchen so wenig geschickt ist“, ders., Homiletisches Handbuch ber einige der gewçhnlichen Episteln und ber freye Texte, Th. 3 / Erster Band, S. 69 – 80, hier: S. 73 f. 783 Den Landesherrn sieht Olshausen stets ausdrcklich im gesamtstaatlichen dnischen Kçnig, nicht etwa im holsteinischen Herzog, differenziert jedoch in territorialer Hinsicht. So beherrsche „das eigentliche Kçnigreich Dnemark […] ein unumschrnkter Kçnig und die Regierung ist in beiden Linien (der mnnlichen und der weiblichen) erblich: nur die Herzogthmer Holstein und Lauenburg gehçren zum deutschen Staatenbunde und werden den Statuten desselben gemß regiert“, ders., Kurze Beschreibung des Dnischen Staates. Zunchst zum Gebrauch in Schulen, dann auch fr nichtgelehrte Brger der dnischen Monarchie, 3. Aufl. Altona 1821, S. 3 f.

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Genuß auf krzere oder lngere Weise nur entziehen, um ihm noch hçhere Vortheile zuzuwenden, oder um andre erhabene Zwecke zu erreichen.“784

Auch im Kontext eines internationalen Vergleiches kommen Olshausen vorrangig monarchische Gesellschaftssysteme mit einer entsprechend vertikalen sozialen Schichtung in den Sinn, whrend der Gedanke der Volkssouvernitt im von ihm intendierten Prozeß der zu realisierenden „brgerlichen Glckseligkeit“ gnzlich ausgeklammert bleibt: „Unter Gottes Regierung kann auch brgerliche Glckseligkeit fortdauernd nur da blhen, wo Frsten und Vçlker, Obrigkeiten und Unterthanen, Hohe und Niedrige im Guten miteinander wetteifern, wo sie alle […] am ersten trachten nach Gottes Reich und nach seiner Gerechtigkeit und Glauben und gut Gewissen als ihre kostbarsten Kleinode zu bewahren suchen.“785

Setzt Olshausen als Prediger insofern durchgng den Beibehalt der hierarchisch abgestuften Gesellschaft voraus786, so sieht er in sozialer Armut einen auferlegten und hinzunehmenden Zustand, den „der Weise“ fr kein „erhebliches bel“787 zu halten brauche, „da selbst dieser Zustand den Christen nicht zu strafbarer Unzufriedenheit mit Gott veranlassen“ drfe, „so wie er keinen Menschen zum Gebrauch strafbarer Hlfsmittel berechtigt.“788

Die Gefahr aller „Drftigkeit“ liegt fr den Glckstdter Pastor in der Tugendgefhrdung, indem erstere zum Anlaß „sndlicher Fgsamkeit in den Willen andrer“ werden kçnne789. Daher entwickelt Olshausen als „Verhaltensregel […], wenn du arm bist“: 784 Ders., Predigt am 25. Sonntage nach Trin. 1806 ber Matth. 24,15 – 28, in: ders., Homiletisches Handbuch ber einige der gewçhnlichen Episteln und ber freye Texte, Th. 3 / Erster Band, S. 69 – 80, hier: S. 73 f. 785 Ebd. 786 In seiner „Rede bey der Einfhrung des Herrn Schloß- und Garnisonpredigers S. zu G.“ nimmt Olshausen den Begriff sozialer „Klassen“ als unhinterfragten Aspekt gesellschaftlicher Verfassung auf: Ders., Hg., Zugabe zu den beyden homiletischen Handbchern ber die in der neuen Schleswig-Holsteinischen Kirchenagende verordneten Texte von Wolfrath, Teller und Olshausen, bestehend in einer Sammlung von Gelegenheitsreden nebst Entwrfen und Materialien zu Casualvortrgen, Zweyter Band. Erste Abtheilung, S. 158 – 168, hier: S. 168. 787 Detlev Johann Wilhelm Olshausen, Predigt am 7. Sonntage nach Trin., als die Becken fr die Armen ausgesetzt waren, a.a.O. (vgl. Anm. 784), S. 169 – 181, hier: S. 169. 788 Ebd. S. 169 f. 789 Ebd. S. 175; Olshausen denkt an die individuelle moralische Gefhrdung, nicht aber an den sozialen Zndstoff.

7. Aufklrungstheologie als Reaktion

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„Hte dich […] mit verdoppelter Sorgfalt vor den Snden, zu welchen sie dich vorzglich leicht verleiten kçnnte […] Koste es immer heißen Kampf, auch unter dem Druck der Drftigkeit ehrlich und rechtschaffen zu bleiben: dennoch lßt sich auch hier der Sieg erringen.“790

Das soziale Problem einer teilweise verarmten Bevçlkerung erscheint als individuell auferlegte Tugendprfung, die nur festen Gottvertrauens bedrfe in „der Heiterkeit eines guten Gewissens […] und der erfreulichen Hoffnung auf ein besseres Leben“791. Wie aber steht es mit denjenigen, die „den Druck der Drftigkeit nicht selbst empfinden, die […] nicht reich, so doch wohlhabend“ sind?: Solchen Wohlsituierten rt Olshausen nicht etwa zu materieller Solidaritt mit den schlechter Gestellten, wohl aber dazu, „es doch als einen großen Vorzug anzusehen, daß Gottes Gte uns mit so manchen beln verschont, welche im Gefolge der Drftigkeit einhergehen […] indem wir zugleich versichert seyn drfen, daß Gott nach seiner Weisheit bis jetzt die Prfungen und bungen, wozu die Drftigkeit Gelegenheit giebt, fr unsre Erziehung und Vorbereitung zu einem hçheren Leben nicht nçthig erachtet.“792

Ungeachtet eines solchen sich in den vorfindlichen individuellen sozialen Umstnden ausweisenden gçttlichen Ratschlusses gibt Olshausen seinen Gemeindegliedern zwei grundstzliche Verhaltensregeln an die Hand: „Verhte es, so gut du kannst, daß du nicht in Drftigkeit versinkest, und suche dich, wenn du dich darin befindest, wenn es mçglich ist, wieder aus derselben empor zu arbeiten.“793

Erst nach diesen Ausfhrungen findet Olshausen in seiner letzten „Verhaltensregel“ zu einer Erçrterung der „Pflichten, welche wir […] andern schuldig sind“794 und damit zu seiner das Armutsproblem abschließenden letzten „Verhaltensregel“. Am Tun Jesu orientiert wendet sich diese Handlungsmaxime an die soziale Gruppierung der Wohlsituierten, denen Olshausen angesichts der bedrftigen Mitbrger zuruft:

790 Ebd. S. 175 f. 791 Ebd., S. 176; solche Predigt konnte durchaus gemeindliche Frustrationen auslçsen. 792 Ebd., S. 176 f. Das von Olshausen gebrauchte pluralische Personalpronomen verrt seine Einschtzung der eigenen Situiertheit als Gemeindepastor, baut jedoch in seelsorgerlicher Hinsicht eine Distanz zu jenem Teil seiner Gemeinde auf, der die Zielgruppe der am „Armensonntag“ zu predigenden Nchstenliebe darstellt. 793 Ebd. S. 177. 794 Ebd. S. 178.

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Kapitel II

„Ferne sey es von uns, daß wir, kalt und ungerhrt bey ihrer Noth, ihnen den Trost einer liebevollen Theilnahme versagen sollen“795 ; und „kçnnen wir nicht allen Drftigen geben, was sie bedrfen; so lasset uns doch unsre hlfreichen Hnde so weit ausbreiten, als wir vermçgen.“796

Das soziale Phnomen der Armut erscheint hier in einem Diskurs ber die gçttlich festgelegte Ordnung der menschlichen Verhltnisse. Die Begterten versteht Olshausen in erster Linie weniger als der Allgemeinheit verpflichtete christliche Haushalter denn als Besitzer persçnlichen Eigentums; ein dringender sozialethischer Appell an einen gemeinntzigen Umgang mit den anvertrauten Gtern bleibt aus. Dafr rt der Pastor trotz der in seiner Auffassung letztlich von Gottes Seite vorherbestimmten sozialen Stellung des Individuums seiner Gemeinde zu einer tatkrftigen Auseinandersetzung, zum individuellen Kampf gegen eigene Armut in der Anwendung persçnlichen Fleißes. Eine dauerhaft bleibende Armut erscheint jedoch grundstzlich als Ausdruck gçttlichen Willens; vorhandenes Eigentum bleibt in vollem Umfang geschtzt. Der Gedanke eines einzufordernden Gterausgleiches zur Hebung der Daseinsnçte der verarmten Teile der Gesellschaft wie auch der christlichen Gemeinde kommt Olshausen nicht in den Sinn. Die vorfindliche Gesellschaftsordnung wird weder hinterfragt noch ihr Wandel in den Blick genommen: Sie wird von der Predigt her durchgngig stabilisiert. Die Beibehaltung der aktuellen gesellschaftlichen Zustnde unter Wahrung der monarchischen Regierungsform ist angesichts der vom revolutionren Frankreich ausgehenden Herausforderungen auch das Credo des holsteinischen Generalsuperintendenten Johann Leonhard Callisen. Er stellt 1795 fest: „Nie war es so gefhrlich Vernderungen zu wnschen“797. Daher ermahnt er die Geistlichkeit zu verantwortungsvoller Auseinandersetzung mit den „neuen Begriffen“ und scheut sich nicht, dabei auch den çkonomischen Aspekt einzubringen: „Es ist Zeit, daß wir uns ermuntern, mit einem neuen Eifer dem Staat, dem wir viel kosten immer ntzlicher zu werden suchen“798. Grundstzlich stellt er fest, daß eine „Volksbewegung noch nirgends Freiheit bewirkt“ habe799 ; das gegenwr795 Ebd. 796 Ebd. S. 180. 797 Joh.[ann] Leonh.[ard] Callisen, ber den Werth der Aufklrung unserer Zeit. Ein Versuch die Holsteinische Geistlichkeit bey jetziger Ghrung der Meinungen zur Befçrderung der wahren Aufklrung, eines thtigen Christenthums, und der Ruhe in unserm Vaterlande zu vereinigen, Schleswig 1795, S. XVI. 798 Ebd. S. 3. 799 Ebd. S. XIV.

7. Aufklrungstheologie als Reaktion

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tige „Geschrei ber Freiheit“ entstehe weit çfter „aus Ungezogenheit und Ungeflligkeit, als wirklicher Unterdrckung“800. Demgegenber sei die „positive Religion“ in der Vergangenheit Grundlage aller Regierungen gewesen, und ohne sie gbe es keine Grundstze, „wodurch das Volk gebndigt werden kann“801. Daher habe „das Christentum […] der Regierung vielen Nutzen geleistet“, und „dieser wre noch grçßer gewesen, wenn er besser gekannt und befolgt wre“802. Grundstzlich aber ehre die Bibel den Eid, vermittle klare Gesetze und belasse die Standesunterschiede, indem sie „jeden mit Wolwollen“ belebe und ihm abverlange, mit vorhandenen Beschwerden „um des Herrn willen“ gelassen umzugehen803 : Denn Gott „leitet alles“ und hat „Unterdrckte und Unterdrcker gnzlich in seiner Gewalt“ und „wird auch jetzt alles wol machen“804. Von dem dargestellten Befund her zeigt sich zumindest fr die in ihren Predigten heute noch greifbaren Geistlichen der Herzogtmer eine durchgehende Akzeptanz des absolutistischen Herrschaftssystems. Mit dieser politischen Auffassung unterscheiden sie sich in keiner Weise von den sdlich der Elbe wirkenden deutschen Aufklrungstheologen805 ; vielmehr liegen sie durchaus auf einer Linie mit der prinzipiellen Homiletik der Zeit, wie sie Johann Joachim Spalding zu Beginn der 90er Jahre bereits in dritter Auflage in Berlin herausgibt806. Geht es Spalding in seinen neologischen Grundlagen807 darum, die hauptschlichen Zielsetzungen des 800 801 802 803 804 805

Ebd. S. XVf. Ebd. S. XVII. Ebd. Ebd. S. XVIIf. Ebd. S. XVIII. Hierzu Wichmann von Meding, Hg., Predigten von protestantischen Gottesgelehrten der Aufklrungsszeit, Darmstadt 1989; Konrad Hammann, Universittsgottesdienst und Aufklrungspredigt. Die Gçttinger Universittskirche im 18. Jahrhundert und ihr Ort in der Geschichte des Universittsgottesdienstes im deutschen Protestantismus, Tbingen 2000, S. 105: „Im Rahmen dieser die bestehende gesellschaftlich-politische Ordnung stabilisierenden politischen Ethik blieb fr eine positive Wertung des Widerstandsrechtes des Brgers gegenber dem Staat oder gar der Revolution kein Raum“; hnlich bereits Reinhard Krause, Die Predigt der spten deutschen Aufklrung (1770 – 1805), S. 12: „Die evangelische Predigt im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts untersttzt die Bestrebungen des aufgeklrten Absolutismus“. 806 Johann Joachim Spalding, ber die Nutzbarkeit des Predigtamtes und deren Befçrderung, 3. Aufl., Berlin 1791; hierzu Krause, a.a.O., S. 18 – 28; Hammann, S. 270 – 275. 807 Hierzu Wolfgang Gericke, Theologie und Kirche im Zeitalter der Aufklrung, S. 95 – 114.

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Kapitel II

Predigers unter Weglassung der theoretischen Religionslehren808 auf „die wirkliche christlich-moralische Besserung“ der Gemeinde zu richten809 und diese „zur Gottseligkeit und zur Gemthsruhe zu fhren“810, so leistet die Predigerschaft der Herzogtmer derlei Vorgaben erkennbar Folge811. Am Diskurs einer etwaigen aufklrungskritischen Reform des Protestantismus, wie er sdlich der Elbe im deutschen Sprachraum zu gleicher Zeit aufbricht812, nehmen die schleswig-holsteinischen Geistlichen keinen wahrnehmbaren Anteil. Eher begrnden sie die Untertanenpflichten in ausgiebigerem Umfang mit Hilfe biblischer Zitate als dies anderenorts konstatierbar scheint813. Ein Motiv fr dieses Vorgehen mag in der Sozi808 Dabei geht es um die Destruktion der kirchlichen Lehren von der Trinitt, Rechtfertigung und Versçhnung. Die Geistlichen sind so verstanden nicht lnger Depositre eines geoffenbarten gçttlichen Willens. 809 Spalding, a.a.O., Vorrede, S. VIIIf. Spalding intendiert die volkspdagogische Kompetenz der Pfarrerschaft. 810 Johann Joachim Spalding, ber die Nutzbarkeit des Predigtamtes und deren Befçrderung, S. XXII. 811 J.[ulius] A.[ugust] L.[udwig] Wegscheider faßt in seinem „Versuch die Hauptstze der philosophischen Religionslehre in Predigten darzustellen nebst einer Abhandlung ber Befçrderung des Religionsinteresse durch Predigten“, erschienen in Hamburg 1801, die Intentionen der Aufklrungspredigt wie folgt zusammen: Angesichts der „immer leerer werdenden Kirchen der mystischen Dogmatiker, wie der bloß theoretischen speculativen Kanzelredner“ gelte es, das „Interesse fr Religion“ zu wecken, indem „eine freimtige […] Vernunftbelehrung zugleich mit einer zweckmßigen Einwirkung auf das Gefhlsvermçgen der Zuhçrer verbunden wird“, a.a.O., S. XIII f.; fr die Kanzelrede gelte dabei: „Predigt kann […] nichts anders sein, als ein zusammenhngender Vortrag ber eine sittliche religiçse Wahrheit, welcher die Annahme einer guten Maxime bei dem Zuhçrer eigenthmlich beabsichtigt“, ebd., S. XVIII [Hervorhebung im Original]. In der hier S. 42 – 72 abgedruckten Predigt „ber ein schdliches Mißtrauen in unsere Kraft zum Guten“ wertet Wegscheider entsprechend jeden Zweifel an der grundstzlichen Befhigung des Menschen zum Guten als „unserer Tugend hinderlich und nachtheilig“, a.a.O., S. 64. 812 Hierzu Friedrich Wilhelm Graf, Die Spaltung des Protestantismus. Zum Verhltnis von evangelischer Kirche, Staat und ,Gesellschaft‘ im frhen 19. Jahrhundert, in: Wolfgang Schieder, Hg., Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, S. 157 – 190, hier: S. 164 – 168. 813 Konrad Hammann, Universittsgottesdienst und Aufklrungspredigt, hebt S. 104 fr die Gçttinger Universittsprediger hervor, sie htten „das Herrschaftssystem des aufgeklrten Absolutismus weniger im Rckgriff auf biblische Texte als vielmehr durch die Anwendung naturrechtlicher berlegungen“ legitimiert. Dabei htten sie das staatstheoretische Denken rezipiert, wie es seit dem 16. Jahrhundert „zugunsten des sich kontinuierlich ausbildenden frhneuzeitlichen Absolutismus“ geltend gemacht worden sei.

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alstruktur der nordelbischen Gemeinden zu finden sein, die mehrheitlich anstelle einer Konfrontation mit komplexen staatstheoretisch-naturrechtlichen Auffassungen eher die biblischen Kontexte einforderte. Doch auch hier im Norden des deutschen Sprachraumes stellt die Predigt das konkret vorfindliche Staatswesen als einladendes „Bettigungsfeld der Nchstenliebe“814 dar. Gewinnen Verfaßtheit und realer Aufbau des Staates damit letztlich den Charakter der Gottgewolltheit, so kann es nicht erstaunen, daß sich die schleswig-holsteinischen Geistlichen allen Tendenzen, die mit der Franzçsischen Revolution neu ins geschichtliche Licht treten, grundstzlich verweigern. Der Gedanke an politische Reformen greift in den eingesehenen Predigten keinen erkennbaren Raum815 ; die Verkndigung bleibt ohne weiterfhrende sozialethische Impulse. Durch die ansatzweise vorgenommene Herausstellung gewisser, allen gesellschaftlichen Gruppierungen zukommender Individual- und Freiheitsrechte816 besttigen die Aufklrungstheologen jedoch auch hier „ein Stck weit die aktive Rolle des Brgertums im gesellschaftlichen Wandlungsprozeß der Epoche“817. Auf der anderen Seite verortet sich die Geistlichkeit durchgngig in ihrer Zugehçrigkeit zur brgerlichen Untertanengesellschaft, was sich nicht zuletzt in der immer wieder zu beobachtenden Indienstnahme der Predigt zur Stabilisierung der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung zeigt.

814 So ein Fazit Reinhard Krauses, a.a.O., S. 114. 815 Vgl. an dieser Stelle Klaus Scholder, Grundzge der theologischen Aufklrung, in: Heinz Liebing und Klaus Scholder, Hg., Geist und Geschichte der Reformation. Festgabe Hanns Rckert, Berlin / New York 1966, S. 460 – 486, hier: S. 481: „Der Neologie fehlt jede radikale, theoretische Position; sie will die Reform, nicht die Revolution“. 816 Vgl. etwa die ußerungen Detlev Johann Wilhelm Olshausens, Lehrbuch der Moral und Religion, vorzglich fr die gebildetere Jugend, nach reinen Grundstzen, S. 88 f., in der kurzen Abhandlung ber die „Pflicht die Menschen-Wrde in andern nicht zu erniedrigen“. 817 Konrad Hammann, Universittsgottesdienst und Aufklrungspredigt, S. 361.

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Kapitel II

8. Aristokratie und Reaktion versus Brgertum und Aufklrung: Eutin und seine beiden Protagonisten Friedrich Leopold Graf zu Stolberg und Johann Heinrich Voß Im ausgehenden 18. Jahrhundert stellt sich Eutin als Residenzstadt des Frstbistums Lbeck dar. Es fungiert damit als Mittelpunkt eines eigenstndigen kleinen Staates818, dessen Regentschaft seit 1785 durch den Frstbischof 819 Peter Friedrich Ludwig820 ausgebt wird, der zugleich regierender Landesadministrator des Herzogtums Oldenburg ist821. In 818 Vgl. o. S. 108 f.; zu Eutin im anvisierten Zeitraum: Wolfgang Prange, Der Landesteil Lbeck, in: Geschichte des Landes Oldenburg. Ein Handbuch, im Auftrag der Oldenburgischen Landschaft hg. von Albrecht Eckhardt in Zusammenarbeit mit Heinrich Schmidt, 4. Aufl. Oldenburg 1993, S. 549 – 590, hier bes. S. 549 – 562; Dieter Lohmeier, Die Residenz Eutin um 1800. Historische und geistesgeschichtliche Voraussetzungen eines kulturellen Zentrums, in: Das Land Oldenburg. Mitteilungsblatt der Oldenburgischen Landschaft 118 / 2003, S. 1 – 11; Juliane Moser, Residenz und Hofhaltung in Eutin, in: Dem Wohle Oldenburgs gewidmet. Aspekte kulturellen und sozialen Wirkens des Hauses Oldenburg 1773 – 1918, hg. von der Oldenburgischen Landschaft, Oldenburg 2004, S. 37 – 40; ebd. S. 39: „Obwohl der Eutiner Hof unter Peter Friedrich Ludwig außerordentlich erstarkte, fhrten die immer umfangreicher werdenden Regierungsgeschfte in Oldenburg dazu, daß die ostholsteinische Residenz bereits zur Zeit Tischbeins an Bedeutung verlor. Oldenburg und Rastede wurden zum Lebensmittelpunkt des Herzogs, nur in den Sommermonaten wurde das Eutiner Schloss durch den anreisenden Hofstaat genutzt“. – In Anspielung auf die dynastischen Beziehungen des kleinen Eutin zu Rußland nannte Herder, der sich hier im Jahre 1770 fr kurze Zeit als Erzieher des holsteinischgottorfischen Erbprinzen aufgehalten hatte, den Ort einmal die „nordische Episcopalstadt unter dem Schwanz des kleinen Brs“, Brief Herders an Friedrich Heinrich Jacobi vom 10. Dezember 1798, zit. n.: Johann Gottfried Herder, Briefe, Band 7. Januar 1793 – Dezember 1798, bearb. von Wilhelm Dobbek und Gnter Arnold, Weimar 1982, S. 482. 819 Seit dem Reichsdeputationshauptschluß skularisiert als Frst. 820 Zu diesem Mutzenbecher, ADB 25, S. 427 – 469; Friedrich-Wilhelm Schaer, Art. „Peter Friedrich Ludwig“, SHLB 8, S. 279 – 282; Gustav Peters, Geschichte von Eutin, Neumnster 1958, S. 123 – 125; Peter Friedrich Ludwig und das Herzogtum Oldenburg. Beitrge zur oldenburgischen Landesgeschichte um 1800, hg. von Heinrich Schmidt, Oldenburg 1979; hier bes.: Friedrich Wilhelm Schaer, Peter Friedrich Ludwig und der Staat, ebd. S. 43 – 69; Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg (1755 – 1829). Eine Gemeinschaftsausstellung des Staatsarchivs, des Landesmuseums, des Stadtmuseums, des Naturkundemuseums und der Landesbibliothek Oldenburg, Gçttingen 1979; Ernst-Gnther Prhs, Geschichte der Stadt Eutin, Eutin 1993, S. 156 – 164. 821 Nach dem Tode des Oldenburger Herzogs Friedrich August am 06. Juli 1785 hatte dessen Neffe Peter Friedrich Ludwig die Nachfolge als Herzog von Holstein-

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seinem Denken und Handeln zeigt er sich „von einer mehr pragmatischen Form von Aufklrung geprgt“822 ; strenger Absolutist bleibt er in der Forderung uneingeschrnkten Gehorsams seiner Beamten, die er in strikter Analogie auf die Angehçrigen des Dritten Standes gegenber deren Dienstherrschaft verstanden wissen will823. Bei allen sich dem aufgeklrten Absolutismus whrend seiner Regierungszeit zurechnenden Reformen klammert Peter Friedrich Ludwig jede Einebnung der bestehenden hierarchischen Ordnung gnzlich aus; unter diesen Bedingungen wird unter

Gottorp und Lbecker Frstbischof angetreten; im Hinblick auf das Herzogtum Oldenburg fungierte er als regierender Landesadministrator fr seinen geisteskranken Cousin Peter Friedrich Wilhelm, dem der Titel des Oldenburger Herzogs blieb. Peter Friedrich Wilhelm lebte seit 1777 bis zu seinem Tod im Jahre 1823 in einem Flgel des Plçner Schlosses; daher wohnte er von 1787 bis 1807 unter einem Dach mit dem Amtmann August Hennings. Zu Peter Friedrich Wilhelm von Oldenburg vgl. Friedrich Stender und Hans-Joachim Freytag, Geschichte der Stadt Plçn, S. 155 – 157; zur Oldenburger Dynastie allgemein: Dieter Lohmeier, Das Haus Oldenburg. Herkunft und dynastische Voraussetzungen, in: Dem Wohle Oldenburgs gewidmet. Aspekte kulturellen und sozialen Wirkens des Hauses Oldenburg 1773 – 1918, hg. von der Oldenburgischen Landschaft, S. 15 – 19. 822 Friedrich-Wilhelm Schaer, SHLB 8, S. 281. Peter Friedrich Ludwig ließ im Jahr nach seinem Regierungsantritt in Oldenburg eine Sparkasse grnden, die der Erziehung des rmeren Bevçlkerungsteiles zu grçßerer Sparsamkeit dienen sollte; hierzu Christiane Hollander, Die Ersparungskasse (Landessparkasse), in: Dem Wohle Oldenburgs gewidmet. Aspekte kulturellen und sozialen Wirkens des Hauses Oldenburg 1773 – 1918, S. 235 f.; ber die am 1. August 1786 ins Leben gerufene „Ersparungscasse im Herzogthum Oldenburg“ hinausgehend erließ Peter Friedrich Ludwig fr den Bereich des von ihm administrierten Herzogtums eine fortschrittliche neue Armenordnung, die 1791 auch zum Muster der entsprechenden Eutiner Revision wurde. Insofern erwies sich dieser Regent durchaus als reformwilliger, aufgeklrter Absolutist. 823 Vgl. Schaer, SHLB 8, S. 281, und Axel E. Walter, Johann Heinrich Voß in Eutin (1782 – 1802), in: Johann Heinrich Voss (1751 – 1826). Beitrge zum Eutiner Symposium im Oktober 1994, hg. von Frank Baudach und Gnter Hntzschel, S. 59 – 84, hier S. 62: „Herrschaft legitimierte sich fr ihn in der gewissenhaften Erfllung der damit verbundenen Pflichten. Peter Friedrich Ludwig entsprach dem Typus des aufgeklrten Landesherrn, der […] niemals seinen Anspruch auf die absolute Gewalt aufgab, sondern sich lediglich selbst diziplinierte“. Auch Dieter Lohmeier, Die Residenz Eutin um 1800, a.a.O., stellt S. 1 fest: „Eutin als kulturelles Zentrum gehçrte […] noch der Epoche vor der Franzçsischen Revolution an“.

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Kapitel II

seiner Regierung „Eutin zu einem regionalen Zentrum der norddeutschen Aufklrung“824. Konkrete Auswirkungen der Franzçsischen Revolution erlebt das Lbecker Frstbistum im anschwellenden Zustrom franzçsischer Emigranten. Diesen gegenber verhlt sich Peter Friedrich Ludwig auf Grund seiner persçnlichen Ursachenanalyse der Revolution jedoch ausgesprochen reserviert, auch wenn er im Einzelfall durchaus Verstndnis fr die Nçte der Flchtlinge aufzubringen vermag. So schreibt der Herzog unter dem Datum des 20. April 1799 an den Leiter seiner Eutiner Administration, den Kammerprsidenten Friedrich Leopold Graf zu Stolberg825 : „Sehe ich […] die Situation aller rter die sie aufnehmen Coblenz Celle Hamburg u.s.w. zerstçrt und erwge daß die Revolution wie sie da in ihrer scheußlichen Gestalt vor uns steht nur bei einem hçchst verdorbenen sittenlosen Volk mçglich war: so glaub ich ohne ungerecht und lieblos zu sein 824 Axel E. Walther, a.a.O., S. 84. Zu den vielfltigen, aus dem Geist der Sptaufklrung hervorgehenden Sozialmaßnahmen Peter Friedrich Ludwigs vgl. Gustav Peters, Geschichte von Eutin, S. 126 – 134. 825 Der am 7. November 1750 in Bramstedt geborene Friedrich Leopold Stolberg nahm zwischen 1776 und 1780 die Position eines frstbischçflich-oldenburgischlbischen Oberschenken und Gesandten in Kopenhagen ein, woran sich bis zu seiner Entlassung aus diesem Dienst im November 1781 ein lngerer Urlaub anschloss. Zunchst Vizemarschall in Eutin, wurde er zwischen 1783 und 1789 mit gelegentlichen Unterbrechungen Gerichtsherr im oldenburgischen Neuenburg. Seit April 1789 als dnischer Gesandter in Berlin akkreditiert, wechselte Stolberg nach kurzem Interim in Diensten des Gesamtstaats zum Herbst 1790 zurck in den oldenburgischen Dienst, in dem er bis zu seiner Konversion am 1. Juni 1800 als Eutiner Kammerprsident verblieb; er schied aus dem Amt durch ein aus Karlsbad eingereichtes Gesuch vom 17. Juli 1800, da er nicht „Prsident eines lutherischen Consistorii“ bleiben kçnne: Erich Schmidt, ADB 36, S. 350 – 367, hier: S. 363. Vgl. zu ihm ferner Dieter Lohmeier, DBL 14, S. 130 f.; Jrgen Behrens, SHBL 1, S. 259 – 263; Peter Noss, BBKL X, Sp. 1527 – 1550; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 128 – 133; Gustav Peters, Geschichte von Eutin, S. 134 – 138; Renate Erhardt-Lucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 31 – 35; Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, Neumnster 1975, S. 193 – 196; Jrgen Behrens, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, in: Staatsdienst und Menschlichkeit. Studien zur Adelskultur des spten 18. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein und Dnemark, hg. von Christian Degn und Dieter Lohmeier, S. 151 – 165; Dirk Hempel, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750 – 1819). Staatsmann und politischer Schriftsteller, Weimar / Kçln / Wien 1997; ders., Aristokrat und Reformer. Friedrich Leopold Graf zu Stolberg als Kammerprsident in Eutin, in: Johann Heinrich Voss (1751 – 1826). Beitrge zum Eutiner Symposium im Oktober 1994, hg. von Frank Baudach und Gnter Hntzschel, Eutin 1997, S. 347 – 364.

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behaupten zu kçnnen daß um die Ansteckung zu hindern man die Berhrung verhindern msse.“826

Der Eutiner Frst differenziert also nicht innerhalb der weltanschaulich und sozial inhomogenen Emigrantengruppierung; seine Haltung resultiert aus seinem allgemein negativen Urteil sowohl ber die pr- als auch die postrevolutionre franzçsische Gesellschaft. Diese Sichtweise deckt sich jedoch gerade zu diesem Zeitpunkt nicht mit der seines leitenden Beamten Friedrich Leopold Stolberg827, fr den die jeweils individuelle Begegnung mit den Emigranten maßgeblich ist. Doch schlgt Stolbergs anfnglich positive Bewertung der revolutionren Ereignisse in den 90er Jahren mehr und mehr um in eine Verurteilung der Revolution und ihrer Auswirkungen. Anfnglich interpretiert Stolberg Ausbruch und erste Auswirkungen der Revolution im Kontext seiner persçnlichen Prrogative der Freiheitsbegeisterung wie auch der in seinem stndischen Denken begrndeten Wendung gegen allen Despotismus, der berlieferte Adelsprivilegien zu beseitigen drohte828. Frh war Stolberg unter dem Eindruck des Gedankens von der Gewaltenteilung zu Auffassungen gelangt, die einem straffen Absolutismus unvereinbar gegenberstanden. So schrieb er seiner knftigen Schwgerin Louise von Gramm am 27. November 1775 aus Weimar: „Sie meinen ich habe zu viel behauptet wenn ich sage in der Schweiz herrschen nur die Gesetze. Sie meinen die Gesetze herrschen berall. Gleichwol geben 826 Zit. n. Johann Heinrich Hennes, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg und Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg. Aus ihren Briefen und anderen archivalischen Quellen, Mainz 1870, S. 514; zur Haltung des Herzogs, der seinen Staat fr „zu arm“ hielt, um fr „Mßiggnger“ aufzukommen, vgl. a. Ernst-Gnther Prhs, Geschichte der Stadt Eutin, S. 161. 827 Die Antwort Stolbergs an den Souverain am 28. Mrz 1799 war schlicht und von hohem menschlichen Wert: „Sollte ich dereinst auch Flchtling sein, so wrde es mir zum Trost und zur Strkung gereichen mir sagen zu kçnnen daß ich mich der Flchtlinge wo und wann ich ohne irgend einer andern Pflicht zu nahe zu treten es thun konnte angenommen habe“, zit. n. Dirk Hempel, Aristokrat und Reformer. Friedrich Leopold Graf zu Stolberg als Kammerprsident in Eutin, S. 353 f. 828 Hierzu Jrgen Behrens, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, S. 162 f., der – ausgehend von der berlieferten Reichsunmittelbarkeit des Grafengeschlechtes Stolberg-Stolberg – hervorhebt, wie sehr Stolberg sich „dessen bewußt war, daß er de jure den regierenden Frsten gleich stand, mochte er auch de facto immerhin so machtlos sein, wie er war […] Die Reichsunmittelbarkeit wurde immer mehr fiktiv, aber das Bewußtsein der ursprnglichen Gleichheit mit den nun Mchtigen blieb erhalten, und der Haß Stolbergs gegen den die Neuzeit einleitenden Absolutismus hat hier seine […] instinktive Wurzel“.

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alle Collegia in den Monarchien tglich neue Edikte u: diktiren fr viele Flle oft willkrlich Strafen […] nur in Monarchien kann man ohne was strfliches zu begehen straffllig werden wenn man in Ungnade fllt.“829

Immer wieder hatte Friedrich Leopold Stolberg in seinen whrend der 80er Jahre entstandenen dichterischen Werken von „Freiheit“ und „Gleichheit“ gesprochen830 ; mit Rousseau hat er sich begeistert auseinandergesetzt. Dies spiegelt sich in einer brieflichen ußerung, die er am 12. Mrz 1783 Friedrich Mnter zugehen lßt: „Die confessions des Rousseau habe ich mit unendlichem Interesse diesen Sommer gelesen, u: die Eloise hat mich auch als ich sie laß unendlich gerhrt. Doch liebe ich von allen Schriften des guten J.[ean] J.[acques] nichts so sehr wie den Emil.“831

1789 sieht Stolberg „die herrliche Morgenrçthe der Freiheit in Frankreich“832 aufgehen; nun scheinen ihm Freiheit und Gleichheit im Land der Revolution greifbar geworden: „ber Frankreich freue ich mich, obwohl mancher Gallicismus die herrliche Sache der Freyheit befleckt, dennoch von ganzem Herzen. Ich fhlte mich nie kosmopolitischer, als jetzt, und mçchte das macte nova virtute ausrufen von den Pyrenen bis zum Rhein, vom Canal bis zur Garonne.“833

829 Zit. n. Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Briefe, hg. von Jrgen Behrens, Neumnster 1966, Nr. 52, S. 63. 830 Vgl. Stolbergs erstverçffentlichtes, 1785 entstandenes Schauspiel „Theseus“, das an die Stelle des Gottesgnadentums des Herrschers die Gesetze als verbindliche Grundlage des Gemeinwesens stellt, whrend „Timoleon“ [1784] den Tyrannenmord thematisiert und „Servius Tullius“ [1786] Roms sechsten Kçnig als greisen Frsten portrtiert, der sich im Dienst seines Volkes weiß. Weiter gehçren in diesen Kontext die Utopie der „Insel“ [1787], auf der nur freie Brger leben, von denen jeder „Gleicher unter Gleichen“ ist, vgl. Stolberg, Gesammelte Werke, Dritter Band, Hamburg 1821, S. 89 – 347, hier S. 147, sowie der Roman „Numa“ [1787/88], der unter absolutismuskritischer Intention die brgerliche Freiheit exemplarisch anhand des schweizerischen und englischen Staatswesens zur Darstellung bringt; hierzu Jrgen Behrens, Hg., Friedrich Leopold Stolberg: Numa. Ein Roman, Neumnster 1968. 831 Zit. n. Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. Briefe, hg. von Jrgen Behrens, Nr. 161, S. 150. 832 Brief an Johann Heinrich Voß vom 21. Juli 1789, zit. n. Otto Hellingshaus, Hg., Briefe Friedrich Leopolds Grafen zu Stolberg und der Seinigen an Johann Heinrich Voß, Mnster 1891, S. 225. 833 Brief an von Halem vom 27. Oktenober 1789, zit. n. Gerhard Anton von Halems Selbstbiographie, Band II, S. 85.

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Stolbergs Jubelruf bleibt auch in dieser ersten Phase seiner Beurteilung der Revolution regional begrenzt, gilt er doch ausschließlich Frankreich in dessen klar definierten politischen Grenzen. Ohnehin treibt die von ihm in der Revolution vermutete Realisierung der eigenen Ideale den Aristokraten Stolberg nur anfnglich um; die revolutionren Auswirkungen und die mit diesen verbundenen Ausschreitungen lassen ihn nur allzu rasch auf Distanz gehen. So fragt er, durch die Abschaffung des Adels in Frankreich zu weitergehendem Nachdenken angeregt, besorgt in einem an seinen Bruder Christian gerichteten Brief vom 13. Juli 1790: „Ob es rathsam war, in der Ghrung des Augenblicks einen solchen Adel zu beleidigen? Ob die Majoritt, welche durch die Menge der Brgerlichen entstanden, so viele Menschen um alte Rechte bringen konnte? Ob man einen solchen tiefgewurzelten Baum ausreißen kann […]? Endlich, ob eine Monarchie den Adel entbehren kann? Ich gestehe, daß ich alle diese Fragen eher mit Nein als mit Ja beantworten wrde.“834

Es ist gerade und insbesondere die Reflexion der eigenen aristokratischen Position, die den Standesherrn Friedrich Leopold Graf zu Stolberg in ein zunehmend ablehnendes Verhltnis zur Revolution bringt. Die konkreten revolutionren Intentionen und Konsequenzen stehen zwangslufig in deutlichem Gegensatz zu seinem dynastisch geprgten Standesdenken. Eine gewisse Realittsferne trgt jedoch dazu bei, daß Stolberg die Kluft zwischen objektiver Stellung und subjektivem Anspruch eines in der Generationenfolge zunehmend bedeutungsloser gewordenen Grafengeschlechtes praktisch ignoriert835. Zu diesem sich auch emotional geltend machenden Aspekt der eigenen Herkunft tritt Stolbergs grundstzliche

834 Brief an Christian Stolberg, zit. n. Jrgen Behrens, Hg., Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Briefe, S. 263 [Hervorhebungen im Original]. 835 Die Grafschaften Stolberg-Stolberg sowie Stolberg-Wernigerrode litten auf Grund ihrer zunehmenden Abhngigkeit von Preußen wie auch Kursachsen bereits im 18. Jahrhundert unter gravierenden Einschrnkungen ihrer Souvernitt; sie blieben bis zum Reichsdeputationshauptschluß dennoch reichsunmittelbar und wurden erst im Jahre 1815 endgltig mediatisiert. In Stolberg-Stolberg regierte zwischen 1761 und 1815 Carl Ludwig, zu dem Friedrich Leopold Stolberg keine eng zu nennende Beziehung unterhielt; der Grafschaft Stolberg-Wernigerode stand von 1778 bis 1824 Christian Friedrich vor; hierzu: Jrgen Behrens, a.a.O., S. 516. – Friedrich Leopold Stolberg selbst sah sich, bedingt durch seine Herkunft aus einer familiren Nebenlinie, dazu gezwungen, als Arbeitnehmer in fremde Dienste zu treten; vgl. hierzu Jrgen Behrens, Whig und Jacobiner – zur Freund-Feindschaft von Friedrich Leopold Graf zu Stolberg und Johann Heinrich Voß, S. 164 f.

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Kapitel II

Kritik an der in Frankreich agierenden Gewaltenunitt836 sowie der dieser Nation im weiteren Verlauf der Revolution von ihm attestierten „Immoralitt“ und „Irreligion“837: „Ich war so enthusiasmirt fr Frankreichs Revolution, als man es seyn kann. Aber ich gestehe […], daß ich weder zufrieden mit der Nationalversammlung bin, welche gesetzgebende und ausbende Macht zugleich behauptet, (also Despotie ist) noch auch dem Nationalgeiste Frankreichs viel zutrauen kann […] Ich sehe den großen Strom heranrauschen, welcher alle Despotieen strzen wird. Segen und Fluch wird er mit sich bringen. Denn welche Vçlker der Freyheit nicht fhig sind, (und nur durch hohe Sittlichkeit werden Vçlker ihrer fhig) die fallen aus der Knechtschaft in die Anarchie. Ich ehre […] die Freyheit! Aber eben deswegen glaube ich, daß sie sich auf Tugend grnden msse. Und diesen Grund hat Frankreich nicht gelegt, Frankreich, welches ganz Europa mit dem Geiste seiner Immoralitt und Irreligion getrnkt hat.“838

Diese sich aus moralischen und religiçsen Prmissen herleitende pauschalisierende verurteilung des franzçsischen Volkscharakters antizipiert bereits jene entsprechenden nationalistischen Ressentiments, die zwei Jahrzehnte spter whrend der Befreiungskriege der deutschen Staaten gegen Napoleon Bonaparte sdlich der Elbe erneut zutage treten werden. Im Kontext seiner unmittelbar zeitgençssischen Reflexion der revolutionren Ereignisse korrespondiert Stolbergs Einforderung des Prinzips der Gewaltenteilung seiner Verurteilung des aktuellen politischen Handelns in Frankreich vor dem Hintergund einer nunmehr erkennbar werdenden auswuchernden Despotie: 836 Smtliche postrevolutionren franzçsischen Regierungen wiesen nur eine Kammer auf. 837 Bereits am 12. Dezember 1790 schrieb Stolberg an Johann Heinrich Voß: „Mit Frankreich geht es, ducht mich schlecht […] Ich sehe nichts als kleine Leidenschaften und kleine Menschen dort“, zit. n. Otto Hellinghaus, Briefe Friedrich Leopolds Grafen zu Stolberg und der Seinigen an Johann Heinrich Voß, S. 240. 838 Brief an Gerhard Anton von Halem vom 20. Januar 1791 aus Emkendorf, zit. n. Gerhard Anton von Halems Selbstbiographie, Band II, S. 117; hierzu Jrgen Behrens, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, S. 162: „Stolberg hat Montesquieu zeitlebens fr den bedeutendsten politischen Denker seiner Zeit gehalten und fr die Grundmaximen jedes gerechten Staates berhaupt erklrt. Die moralische Maxime lautet: Freiheit grndet sich auf Tugend, Tugend auf Religion“; Stolberg selbst schreibt seinem Bruder Christian am 21. Oktober 1777: „Ja wohl ist Rousseau der erste Franzose sine secundo – u: doch einer vielleicht ist noch mehr, der Weltbrger Montesquieu. In seinem Bchlein [i.e. Esprit des lois, L.-P.] ist Bauchgrimmen fr alle Tirannen“, zit. n. Jrgen Behrens, Hg., Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Briefe, S. 96.

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„Die çffentlichen Commentatoren des Droit de l’homme haben neulich durch einen Article constitutionel dem abscheulichsten aller Frevel, der Negersclaverey, eine Sanction gegeben, wie sie bisher kein Despot gegeben hat. Die Sittenreformatoren haben einem Voltaire839 Ehre eines Heroen erzeigt. So lange keine zweyte Kammer in Frankreich existirt, und die executive Macht vernichtet bleibt, sehe ich nur 700 Despoten, welche von dem Pariser Pçbel abhangen mssen, von dem verderbtesten Abschaum der verderbtesten Nation.“840

Stolbergs eigene gesellschaftspolitische Anschauungen laufen auf eine modifizierte Adelsherrschaft hinaus. Er intendiert einen Stndestaat, dessen Verfassung sich auf die Grundlage der christlichen berlieferung zu sttzen habe. Stolberg vermag nicht daran zu glauben, daß wahre Freiheit jemals das Resultat eines Volkswillens sein kçnnte. Dabei verfolgt er sehr wohl einen freiheitlichen Gedanken; allerdings geht es ihm um jene Freiheit, die – zunchst definiert durch ihre Absorbierung jeglicher Despotie841 – sich auf kodifizierter Grundlage durchgesetzt sieht durch eine stndische Gesellschaftsordnung. So bekennt er brieflich gegenber Gerhard Anton von Halem, er „wrde […] doch nie einer Verfassung trauen, deren Legislatoren Religion und Sitten mit Fßen treten. Und ist es nicht sonderbar, daß bey dieser Ghrung, zwar einige wohlredende Leute, aber noch kein Mann aufgestanden, dessen Geist oder Charakter Ehrfurcht gebieten kçnnte? […] Freyheit muß auf Gesetze[n] ruhen, Gesetze auf Sitten, Sitten auf Religion.“842

Zunehmend wird also „der christliche Maßstab […] in dieser Zeit fr Stolbergs Urteil allein entscheidend“843. Einen Hçhepunkt seiner direkten 839 Diesem waren die Brder Stolberg im Sommer 1775 in Genf begegnet; im konkreten Vis vis hatte „die Liebenswrdigkeit des Greises ihren Gçttingischen Haß gegen den ,alten Snder‘ und seine ,verfluchte Profanation‘“ zunchst berwunden, Erich Schmidt, ADB 36, S. 353. 840 Brief an Gerhard Anton von Halem vom 12. Juni 1791 aus Emkendorf, zit. n. Gerhard Anton von Halems Selbstbiographie, Band II, S. 122. Mçglicherweise verrt sich gerade innerhalb der in Emkendorf abgefaßten Briefe Stolbergs ein summierender Nachhall seiner dort im Reventlowschen Gstekreis gefhrten Erçrterungen der revolutionren Ereignisse. 841 Als Wurzel des frstlichen Despotismus bezeichnete Stolberg „die aufklrerische, die materialistische Richtung seiner Zeit“, Hubertus Neuschffer, Der Emkendorfer Kreis und sein Briefwechsel, S. 306. 842 Brief vom 11. Januar 1792, zit. n. Gerhard Anton von Halems Selbstbiographie, Band II, S. 138. 843 Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, S. 195. Die zunehmende religiçse Profilierung Stolbergs trug ihm mehr und mehr Unverstndnis und Isolierung ein, was sich exemplarisch an seinem Verhltnis zu

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Auseinandersetzung mit der Franzçsischen Revolution setzt er im Verlauf des Jahres 1793 unter dem nachhaltigen Eindruck der Schreckensherrschaft und der Septembermorde844 mit der Verçffentlichung seiner Ode „Die Westhunnen“845. Diese Ode wird kurze Zeit nach ihrer Abfassung als Separatdruck publiziert846 ; derartige Verçffentlichungen konnten, „gezielt in Zeitung oder Zeitschrift eingerckt, so zur Waffe in der tagespolitischen Auseinandersetzung werden“847. Die Ode ber die „Westhunnen“ stellt die revolutionren Ideen als einen „aus des Lasters und der Lstrung Hefen“ gemischten Trank dar, der einem „eitlen Volk“ gereicht wird, das – bedingt durch seine Immoralitt und Irreligiositt – „reif dem Fluche war“848. Doch berstieg die Wirkung des lsterlichen Trankes in der Folge verfhrerisch die nationalen Grenzen: „Europa sah es saufen! und – o Schmach! – es gelstete / Des Tranks auch Deutsche! Seine Dfte / Dunsten umher wie des Sumpfes Pesthauch.“849

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August Hennings zeigen lßt. Hatte dieser noch im Juli 1794 gegenber Gerhard Anton von Halem geußert: „Es thut mir leid um den sonst so braven und ehrlichen Stolberg, den ich schtze und liebe“ – so in einem Brief vom 4. Juli 1794, zit. n. Gerhard Anton von Halems Selbstbiographie, Band II, S. 170 –, so stellte er gegenber dem gleichen Adressaten am 30. April 1797 fest: „Bey Stolberg hilft kein Entgegenkommen mehr. Er ist der Phariser, wir sind die Zçllner und Snder“, a.a.O., S. 190. Zwei Tage darauf schreibt Hennings lapidar an von Halem: „St. wird ein gefhrlicher Mann“, a.a.O., S. 191; und zum Jahresende 1797 gesteht Hennings: „Zwischen St. und mir ist jetzt alles abgebrochen“, Brief vom 2. Dezember 1797, a.a.O., S. 195. Entsprechende Beobachtungen hatte Georg Heinrich Ludwig Nicolovius bereits im Jahre 1793 gemacht: „Stolberg und Voß, so sehr sie Freunde waren, dulden sich jetzt nur, und auch das kaum […] Stolberg ist voll Eifer fr das Christenthum, voll Liebe fr den Adel, voll Verachtung gegen alle Weisheit, die vor und außer dem Christenthum gefunden ward; Voß aber haßt den Adel, und mag nur an griechischen Quellen seinen Durst lçschen“, Alfred Nicolovius, Denkschrift auf Georg Heinrich Ludwig Nicolovius, Bonn 1841, S. 52. Hierzu o. S. 48 Anm. 77. Friedrich Leopold Stolberg, „Die Westhunnen“, Gesammelte Werke der Brder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Zweiter Band, Hamburg 1821, S. 119 – 122; die zeitgençssisch durchaus gebruchliche Bezeichnung „,Neufranken‘ verbot St. naiv den Umstrzlern, den ,Teufeln‘, mit Berufung auf seine frnkische Mutter“, Erich Schmidt, ADB 36, S. 362. Erschienen in Eutin 1794. Dirk Hempel, Aristokrat und Reformer. Friedrich Leopold Graf zu Stolberg als Kammerprsident in Eutin, S. 355; ebd. auch entsprechende Fundorte. „Die Westhunnen“, a.a.O., S. 120. Ebd.

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Der revolutionre Pesthauch verkehre alle tugendhaften Werte in deren Gegenteil850 und sei mit jenem Ungeist vergleichbar, vor dem „Babels warnende Rge“ von jeher gewarnt habe851. Metaphorisch erscheint das franzçsische Volk als eine schamlose „Lstlin“, die nicht nur hinsichtlich ihrer Unzucht, sondern auch im Hinblick auf Raub und Mord kuflich sei, und deren Marseillaise – „mit trunknem Wahnsinn“ angestimmt – der Unschuld alle Aussicht auf Rettung nehme852. „Der Gesalbte […] Ludewig“, dem Frankreich dreimal gehuldigt habe, sei infolge dreifachen Meineides durch „heißen Durst nach dem Frevel im Blut der Unschuld“853 gemordet; und so sieht Stolberg die Folgen der Revolution nur noch in der moralischen und politischen Zerrttung der Menschen. Doch einst, so Stolbergs Hoffnung und Drohung, wrden sich die derzeitigen Apotheosen der Freiheit und der Vernunft als kalter „Marmor“ und als „nackte Hure“854 offenbaren, um ihre Anhngerschaft deren sicherer Verzweiflung und Vernichtung zu berantworteten. Von dieser weltanschaulichen Perspektive her sieht Stolberg die Franzçsische Revolution in jene blanke Anarchie einmnden, ber die einst ein rchender Gott sein Gericht halten werde855. Daher will er aktuell die von der Revolution Berauschten zur rechtzeitigen, raschen Sinnesnderung drngen. 850 Ebd.: „Wer dieses Duftes sog, es erscheinet flugs Das Schwarze weiß ihm! Tugend, Erbarmen, sind Ihm Namen; Eide, Schaum der Woge; Lsterung Witz, und nur Unsinn Weisheit“. 851 Ebd. 852 Ebd. – Zu Recht hebt Dirk Hempel, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750 – 1819), S. 194, die Anklnge dieser Strophe 7 an die Darstellung des „Weibes Babylon“ in Offbg. 17,6 hervor: „Stolberg zog die Verbindung zum bald nach der Abschaffung des Christentums in Frankreich eingefhrten Kult des Hçchsten Wesens“. 853 Friedrich Leopold Stolberg, „Die Westhunnen“, S. 121. – An Friedrich Heinrich Jacobi schreibt Stolberg unter dem Datum des 17. Februar 1793 aus Emkendorf: „Der Kçnigsmord hat trefflich auf Viele, welche noch dem Kobold des franzçsischen Geistes dienten, gewirkt. Ich sehe, wie Du, diese Unthat nur als eine Folge des vierjhrigen Unsinns und der so oft gezeigten Gottvergessenheit an“, zit. n. Jrgen Behrens, Hg., Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Briefe, S. 297. 854 Ebd. 855 Ebd. gebraucht Stolberg in der Schlußstrophe das Bild der apokalyptischen Reiter – vgl. Offbg. 5,1 – 8 –, um mit Hilfe biblischer Vorstellungen zu einer Umkehr von dem seitens der Revolution eingeschlagenen Weg aufzurufen. Diese Vorstellungen sind ihrerseits dem Kontext neutestamentlicher Bußaufrufe entnommen; zu ihnen gehçrt etwa die in der Bibel vielfach dargestellte Einkleidung „in Sack und Asche“ (Mat 11,21; Lk 10,13 u. ç.) in der Folge eines „siebenflt’gen Jammers“, vgl. hierzu Offbg. 15,1.

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Kapitel II

Provokative und deutliche Worte zur Revolution findet der Reichsgraf auch in seiner 1796 entstandenen Ode „Kassandra“856 – „ein weiteres Beispiel fr konservativen Aktivismus gegen die Revolution“857. Hier setzt sich der Autor jenseits einer Darstellung der antiken Kassandrafigur unter einem aktualisierenden Blickwinkel in aggressiver Weise auch mit den Angehçrigen des Illuminatenordens858 auseinander: „Seit sieben Ernten ward in die Zukunft mir / Der Blick geçffnet; aber Kassandra fand / Nicht Glauben, ward verlacht! Wohlan dann, / Deutsche, verlachet den Enkel Hermanns! Auf daß ihr hçret bald – denn ihr achtet’s nicht / Zu sehn ihr Lcheln! – daß ihr sie hçrt bald, / Die laute Lache der Verrther, / Die Euch mit gleißendem Zauber tuschen! / Die Euch verriethen lang, und verkauften lang, / Die aus dem Sonnenscheine des Himmels euch / In’s Labyrinth der Lehrgebude / Fhren, bei wankender Fackeln Glanze; /Bis ihres Mordbrands Gluthen von Untergang / Bis hin zum Aufgang lodern! – O, sehet 856 Friedrich Leopold Stolberg, „Kassandra“, in: Gesammelte Werke, Zweiter Band, S. 142 – 146 [hier mit dem Jahr 1795 unter einem zu frhen Datum aufgenommen]. Stolbergs „Kassandra“ erschien zuerst als Separatdruck mit dem Datum „Eutin den 3ten Juny 1796“; Johann Heinrich Voß publizierte die Ode auf Bitten Stolbergs im Musen-Almanach 1797, S. 197 – 201. 857 Dirk Hempel, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750 – 1819), S. 196. 858 Vgl. zum Illuminatenbund bereits o. S. 205 Anm. 308 und die dort genannte Literatur. Allgemein „kam es nach den Umwlzungen im Zuge der Franzçsischen Revolution zu einer Mythologisierung von aufklrerischen Geheimgesellschaften, da man in ihnen die Auslçser fr alle unerwnschten Neuerungen sah. Im Rahmen der sich herausbildenden Verschwçrungstheorien spielte der Geheimbund der Illuminaten eine bedeutende Rolle“, Oliver Lamprecht, Das Streben nach Demokratie, Volkssouvernitt und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, S. 56; zur Diffamierung der Illuminaten a. Johannes Rogalla von Bieberstein, Die These von der Verschwçrung 1776 – 1945. Philosophen, Freimaurer, Juden, Liberale und Sozialisten als Verschwçrer gegen die Sozialordnung, Frankfurt/M. / Bern 1976, hier S. 70 – 75; 104 f. – Stolberg selbst gibt in einem Brief an Ernestine Voß vom 19. Juni 1795 vor, die Ode nicht „aus Bitterkeit des Herzens […] gedichtet [sc. zu haben, L.-P.]. Aber nicht um die Rotte die im Finstern schleicht zu bessern, sondern um gegen sie zu warnen machte ich die Ode […] die Gruel [sc. des Bundes, L.-P.] werden nicht bekannt, weil die Schriften welche sie rgen, von keinem Journalisten genannt werden. Ich weiß, in welches Wespennest ich steche“, zit. n. Otto Hellinghaus, Hg., Briefe Friedrich Leopolds Grafen zu Stolberg und der Seinigen an Johann Heinrich Voß, S. 288 f.; ebd. S. 488 f. Belege fr die sich nach der Publikation der Ode anschließende Kontroverse zwischen Voß und Stolberg ber die „dumme Illuminatengeschichte“, so Voß in einem Brief an Johann Wilhelm Ludwig Gleim vom 22. August 1795. – Festzuhalten bleibt, daß nicht der Wunsch nach argumentativer berwindung der Illuminaten, sondern die Angst vor der ihnen unterstellten Intention eines gesellschaftlichen Umsturzes den stolbergschen Kassandraruf hervorbringt.

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doch / Noch jetzt den gleißenden Verrthern, / Seht den Erleuchteten grad ins Auge!“859

Dieser heftige Angriff Stolbergs auf die ,Illuminati‘ reiht sich ein in zahlreiche Versuche konservativer Kreise, die Angehçrigen dieser Vereinigung im Rahmen einer global ausgeweiteten Verschwçrungstheorie als Urheber der Revolution verantwortlich machen zu wollen860. In dieser Auffassung hat der Aristokrat und Staatsmann Stolberg nachweislich geirrt; sein Irrtum offenbart allerdings, „wie groß das Ausmaß der Verunsicherung und der Erklrungsbedarf der unfaßlichen Vorgnge“ waren861. Solchen prophetisch-teleologischen Anschauungen Stolbergs stand der in Eutin als Rektor der dortigen Stadtschule wirkende Johann Heinrich Voß862 vollkommen kontrr gegenber. Voß war 1782 durch Vermittlung Friedrich Leopold Stolbergs als Schulleiter in das Frstbistum gelangt863 ; 859 Stolberg, Gesammelte Werke, Zweiter Band, S. 145. 860 Vgl. hierzu Eberhard Crusius, Konservative Krfte in Oldenburg am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Niederschsisches Jahrbuch fr Landesgeschichte 34 / 1962, S. 224 – 253, hier bes. S. 229 und 247; eine kurze bersicht ber diesen Kontext findet sich auch bei Dirk Hempel, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750 – 1819), S. 196 f. 861 Dirk Hempel, a.a.O., S. 200. 862 Zu diesem ders., Abriß meines Lebens, Rudolstadt 1818, neu hg. von Heike Menges, Eschborn o. J.; Vossische Hausidylle. Briefe von Ernestine Voß an Heinrich Christian und Sara Boie, hg. von Ludwig Bte, Bremen 1925; Franz Muncker, ADB 40, S. 334 – 349; Wilhelm von Bippen, Eutiner Skizzen. Zur Cultur- und Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, Weimar 1859, S. 139 – 184; Wilhelm Herbst, Johann Heinrich Voss, I. Band, Leipzig 1872; II. Band Erste und Zweite Abtheilung, Leipzig 1876; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 187 – 191 und 219; Gustav Peters, Geschichte von Eutin, S. 138 – 142; Renate ErhardtLucht, Die Ideen der Franzçsischen Revolution in Schleswig-Holstein, S. 55 – 57; Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, S. 197 – 203; Otto Rçnnpag, Johann Heinrich und die Franzçsische Revolution, in: Jahrbuch fr Heimatkunde, Eutin 1982, S. 74 – 78; Klaus Lengenfeld, War Voß ein Jakobiner?, in: Jahrbuch fr Heimatkunde, Eutin 1990, S. 33 – 35; Wolfgang Beutin und Klaus Lders, Hg., Freiheit durch Aufklrung: Johann Heinrich Voß (1751 – 1826), Frankfurt./M. u. a. 1995; Frank Baudach und Gnter Hntzschel, Hg., Johann Heinrich Voss (1751 – 1826). Beitrge zum Eutiner Symposium im Oktober 1994, Eutin 1997; Andrea Rudolph, Hg., Johann Heinrich Voß. Kulturrume in Dichtung und Wirkung, Dettelbach 1999. 863 In einem Brief an den fr die Berufung ausschlaggebenden Grafen Holmer vom 22. Januar 1782 nennt Stolberg Voß einen „der geschicktesten Schulmnner von Deutschland“, zit. n. Jrgen Behrens, Hg., Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Briefe, S. 141; zur Stolbergschen Vermittlung seines Freundes vgl. Axel E. Walter,

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beide kannten sich seit der Studienzeit vom Beginn der 70er Jahre her und waren durch die gemeinsame Zugehçrigkeit zum Gçttinger Hain864 miteinander verbunden. Dieser Bund war am 12. September 1772 in einem kleinen Eichengrund unweit Gçttingens begrndet worden mit der Zielsetzung, „Religion, Tugend, Empfindung und reinen unschuldigen Wiz zu verbreiten […] Der Endzweck unserer nheren Verbindung [besteht darin, L.-P.], durch wechselseitige Kritiken einander aufzuhelfen und zu ermuntern.“865 Johann Heinrich Voß in Eutin (1782 – 1802) – ein Sptaufklrer in einer norddeutschen Landstadt am Ende des aufgeklrten Jahrhunderts, in: Frank Baudach und Gnter Hntzschel, Hg., Johann Heinrich Voss (1751 – 1826). Beitrge zum Eutiner Symposium im Oktober 1994 (Anm. 862), S. 59 – 84, hier: S. 67 f. – Nach dem Bruch ihrer Freundschaft bergeht Voß im 1818 erschienenen „Abriß“ seines Lebens die einstige Protektion Stolbergs; als Grund seines beruflichen Wechsels nennt er knapp: „Im Sommer 1782 nçthigten ihn [i.e. Voß, L.-P.] anhaltende Marschfieber, daß er von Otterndorf nach Eutin ging“. 864 Zum Hainbund s. die Briefe von Angehçrigen des Bundes an die Grafen Christian und Friedrich Leopold Stolberg in: Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Ottende Bind, udg. af Louis Bob, S. 1 – 143; Otto Hellinghaus, Hg., Briefe Friedrich Leopolds Grafen zu Stolberg und der Seinigen an Johann Heinrich Voß, S. XVII – XX. und 307; ferner Wilhelm Herbst, Johann Heinrich Voss, I. Band, S. 83 – 127; Heinz Jansen, Aus dem Gçttinger Hainbund, Mnster 1933; Gerhard Fricke und Volker Klotz, Geschichte der deutschen Dichtung, 10. Aufl. Hamburg / Lbeck 1964, S. 135 f.; Ernst Metelmann, Zur Geschichte des Gçttinger Dichterbundes. 1772 – 1774, Stuttgart 1965; Wolfgang Beutin, J.H. Voß und der Gçttinger Hain-Bund, in: Wolfgang Beutin und Klaus Lders, Hg., Freiheit durch Aufklrung: Johann Heinrich Voß (1751 – 1826), S. 55 – 83; Manfred von Stosch, Der Gçttinger Hain in den Briefen von Johann Heinrich Voß, in: Johann Heinrich Voss (1751 – 1826), hg. von Frank Baudach und Gnter Hntzschel, S. 17 – 38. 865 Voß brieflich am 26. Oktober 1772 an Ernst Theodor Johann Brckner, zit. n. Johann Heinrich Voß, Briefe, hg. von Abraham Voß, Band 1, Halberstadt 1829, Nachdr. Hildesheim 1971, S. 93. Neben Voß nahmen an der Bundesgrndung teil der Sohn eines Ulmer Geistlichen, der stud. theol. Johann Martin Miller, spter Mnsterprediger und Dekan seiner Vaterstadt; ferner Johann Friedrich Hahn, Ludwig Christoph Hçlty und der aus Gçttingen stammende stud. theol. Wehrs. Heinrich Christian Boie stand dem Bund von Anbeginn her nahe, ohne ihm direkt anzugehçren. Sptere ußerungen von Voß nennen als weitere Angehçrige des „Hains“ die Brder Christian und Friedrich Leopold Stolberg sowie deren Hofmeister Carl Christian Clausewitz, weiter den aus Boel in Schleswig stammenden Pastorensohn und stud. theol. Christian Hieronymus Esmarch, 1820 als Zollverwalter gestorben in Rendsburg, sowie den bereits im Dezember 1776 in Gçttingen verstorbenen stud. jur. Karl August Wilhelm von Closen; nicht zuletzt aber auch den spteren Pastor Ernst Theodor Johann Brckner sowie Carl Friedrich

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Im „Hain“ begegnet sich ein gutes Dutzend junger Dichter und Literaten des Sturm und Drang; nachtrglich Aufgenommene wie auch die Brder Stolberg werden „in einer recht drolligen Zeremonie pseudo-germanischer Provenienz“866 dem in berschwenglicher Manier zu „ewiger Freundschaft“867 verpflichtenden Kreis zugefhrt. Dessen Intentionen liegen in der Verbreitung von Werten, die sich dem Gedankenkreis der Aufklrung ebenso zurechnen wie auch einer ethisch-patriotischen Begeisterung, der Klopstock durchweg als Leitbild und spiritus rector gilt. Die zeitgençssische Gesellschaftsordnung lehnt der Hainbund ab. Der hier literarisch vorgetragenen Einforderung der Freiheit entspricht die Verteidigung der allgemeinmenschlichen Unschuld, „die man in einer wahrhaft rhrenden Einfalt ausgerechnet von der Literatur bedroht glaubt, und zwar von der franzçsischen und der ihr folgenden deutschen, d. h. von Wieland“868. Voß legt seine kritischen Auffassungen gegenber der bestehenden Sozialordnung bereits frh in Gedichtform nieder. In Gçttingen entstehen 1774 in Hexameterform „Die Leibeigenen“, die Voß’ Gesellschaftskritik drastisch zum Ausdruck bringen: „Suche du Treu und Glauben bei Edelleuten! Betrieger, / Schelme sind sie und wert, am hçchsten Galgen zu baumeln!“869

Die Schrfe dieser ußerung erklrt sich durch den biographischen Hintergrund des jungen Dichters. Am 20. Februar 1751 als Enkel eines vormals Leibeigenen und spteren Radmachers in der zum Herzogtum

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Cramer und Johann Anton Leisewitz, der spter als landschaftlicher Sekretr in Braunschweig amtierte. Zu diesem Kreis des Hains a. Manfred von Stosch, Der Gçttinger Hain in den Briefen von Johann Heinrich Voß, S. 24. Jrgen Behrens, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, S. 151. Vgl. Voß in einem vom 2. September 1772 datierenden Schreiben an Ernst Theodor Johann Brckner, in: Briefe von Johann Heinrich Voß, hg. von Abraham Voß, Erster Band, S. 92. Die jenseits des Studiums folgende Disloziierung fhrte hingegen zu vielerlei Entfremdung seiner Angehçrigen untereinander, woraus faktisch das Ende dieses Kreises resultieren mußte. Behrens, a.a.O. (Anm. 866). Hierzu a. Peter Noss, BBKL X, Sp. 1527 – 1550, hier Sp. 1528: „Der Kreis pflegt ,altdeutsche Tugenden‘, den Tyrannen der Welt wird mit Gedichten gedroht, in Christoph Martin Wieland […] sieht man den literarischen Feind, der die ,franzçsische Literatur‘ reprsentiert. Nach etwa drei Jahren lçst sich der ,ewige‘ Bund wieder auf, hat aber enorme Bedeutung und Wirkung auf die deutsche Geistesgeschichte“. Johann Heinrich Voß, Die Leibeigenen, in: Ders., Smtliche Gedichte, Zweiter Theil, Kçnigsberg 1802, S. 22 – 44, hier: S. 25.

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Mecklenburg-Schwerin gehçrenden Ortschaft Sommersdorf geboren870 und aufgewachsen in den stets unsicheren wirtschaftlichen Verhltnissen seines Elternhauses871, begeistert sich der junge Voß bereits frh fr die Aufklrung und die von dieser ausgehenden emanzipativen Tendenzen. Ostern 1772 bezieht er, von wohlmeinenden Fçrderern untersttzt, die Gçttinger Universitt. Seine ursprngliche Absicht, Geistlicher zu werden872, verwirft Voß recht bald zugunsten eines Studiums der Antike. Dabei erschließt sich ihm nunmehr „das Idealbild einer demokratischen Staatsform […], in der die Impulse zum politischen Handeln vom Volk ausgehen“873. 870 Hierzu Wilhelm Herbst, Johann Heinrich Voss, I. Band, S. 14 – 34; Siegfried Heuer, Johann Heinrich Voß und seine mecklenburgische Heimat, in: Andrea Rudolph, Hg., Johann Heinrich Voß. Kulturrume in Dichtung und Wirkung, Dettelbach 1999, S. 47 – 68, hier bes. S. 48 f. 871 Hierzu Walter Grab, Johann Heinrich Voß in der franzçsischen Revolution, in: Wolfgang Beutin und Klaus Lders, Hg., Freiheit durch Aufklrung: Johann Heinrich Voß (1751 – 1826), S. 17 – 34, hier: S. 18: „Die Eindrcke seiner harten Jugend, in der Voß die Arroganz des grundbesitzenden Adels und seine Verachtung der Tagelçhner und Fronbauern kennengelernt hatte, fhrten ihn dazu, in der Befreiung der Leibeigenen ein Grundproblem der stndischen Gesellschaft zu sehen“. Otto Hellinghaus, Hg., Briefe Friedrich Leopolds Grafen zu Stolberg und der Seinigen an Johann Heinrich Voß, hebt S. 320 hervor: „Bei Voß war am meisten Realitt in dem abstrakten Freiheitsgelste und dem Tyrannenhaß. Es war bei ihm mehr als das einsichtslose Ankmpfen des Studenten gegen die philisterhafte Einengung des brgerlichen Lebens; mehr als der allgemeine Zug der Zeit, der die Idee der Freiheit zum Banner erwhlt hatte und in der Dichterjugend das Leben befreien wollte durch die Poesie. Er hatte Druck und Not erlebt“ [Hervorhebungen im Original]. Wilhelm Herbst ußert in diesem Zusammenhang a.a.O., I. Band, S. 14: „Die Wurzeln der Familiengeschichte liegen in der starren Gebundenheit der Leibeigenschaft […] Auf solchem Boden kann keine Geschichte und Rckerinnerung, keine Freude an der Vergangenheit gedeihen. Immerhin mçglich, dass der Mangel an historischem Sinn in Voss hier schon seinen tiefsten Grund hat“. 872 Das Theologiestudium gab er Ostern 1773 endgltig auf: „Was sind die Theologen fr unruhige Leute, wenn einer selbst denken will!“, zit. n. Silke Gehring, „Wir werden kommen, deinen Garten zu schaun“. Eine Schulstunde bei Johann Heinrich Voss, in: Johann Heinrich Voß. Kulturrume in Dichtung und Wirkung, hg. von Andrea Rudolph, Dettelbach 1999, S. 273 – 286, hier S. 274. Voß ußert sich zu diesem Vorgang spter: „V. ward der Theologie mde, und widmete sich dem Geiste des griechischen Alterthums“, ders., Abriß meines Lebens, S. 8. Zu seiner lebenslangen Kritik an der Kirche und zu seinem lebenslang beibehaltenen Glauben an den „Befreier Christus“ vgl. Walter Mller, Vossens Verhltnis zur Religion, Vossische Nachrichten 3 / 1996, S. 21 – 25. 873 Otto Rçnnpag, Johann Heinrich Voß und die Franzçsische Revolution, S. 75.

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Die Zeit unmittelbar nach seinem Studium muß Voß zur Bestreitung des Lebensunterhaltes fr die Erteilung von Privatstunden, bersetzungen aus dem Englischen sowie Franzçsischen und – seit 1775 – auch fr die Herausgabe des „Gçttinger Musenalmanaches“874 verwenden. Seit dem Sommer 1778 unterrichtet Voß bei fester Anstellung, jedoch auch unter widrigen gesundheitlichen und çkonomischen Bedingungen an der Otterndorfer Schule875. In diesem unweit Cuxhavens gelegenen Ort entsteht seine bersetzung der Odyssee876, die nicht nur die Leidenschaft fr das griechische Altertum spiegelt, sondern auch zum Erstlingswerk der Vossischen bersetzung homerischer Epen wird. Die Begeisterung fr diese wurzelt vorrangig in der von Voß gehegten „Sehnsucht, daß die Volksmajestt die politische Triebkraft des Gemeinwesens werde“877. Als Angehçriger des Dritten Standes will Voß an einer umfassenden Verbesserung der sozialen Verhltnisse seiner Zeit mitwirken. In seinen frhen literarischen ußerungen beschftigt er sich deshalb mit dem Problemkreis der Mißstnde des Leibeigenensystems wie auch der tyrannischen Junkerherrschaft. Offensiv nimmt er dabei die Daseinsumstnde und die aus diesen resultierenden Nçte des Vierten Standes ins Visier. Dies zeigt sein Gedicht „Junker Kord“, das Voß im Jahre 1783 whrend eines Besuches im Hause seines Schwagers Heinrich Christian Boje in Meldorf abfaßte878 :

874 Franz Muncker, ADB 40, S. 335, spricht von „unerquicklichen, demthigenden Verhltnissen, die aber nur seinen demokratischen Trotz und Adelshaß steigerten“; nicht zuletzt auf Grund seiner schwierigen wirtschaftlichen Verhltnisse hatte Voß von seinem Freund und spteren Schwager Heinrich Christian Boie im Jahre 1775 die Herausgeberttigkeit fr den „Musenalmanach“ bergeben erhalten. Voß stellte die Herausgabe des Almanaches erst im Jahr 1800 ein. 875 Vgl. zu diesem Aufenthalt Voß, Abriß meines Lebens, S. 10 – 12. Im Vorfeld dieser Ttigkeit hatte Voß versucht, ein Lehramt am Altonaer Johanneum zu erhalten. Diese Bemhung hatte die orthodoxe Geistlichkeit vereitelt; hierzu Walter Grab, Johann Heinrich Voß in der franzçsischen Revolution, S. 19. 876 Zuerst erschienen auf Kosten des Verfassers als „Homers Odßee“, Hamburg 1781. 877 Walter Grab, a.a.O., S. 20. 878 Voß, „Junker Kord“, in: Johann Heinrich Voss, Smtliche Gedichte, Sechster Theil, Kçnigsberg 1802, S. 166 – 182. An Johann Abraham Peter Schulz schreibt der Autor, sich der Wirkung des Gedichtes bewußt, am 21. Juli 1793: „Ich habe hier eine gereimte Junkeridylle gemacht, die den Junkern wie englischer Senf in der Nase krabbeln wird“, zit. n.: Johann Heinrich Voß, Briefe, Zweiter Band, hg. von Abraham Voß, Halberstadt 1830, S. 190.

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„Durch Brennen und durch Braun, und stdtisches Gewerbe, / Vermehrt sich sein Ertrag, ob nahrlos auch ersterbe / Die hartbeschazte Stadt: er schzt in alter Kraft / Freiheit vom Zoll und Schoßs, als Recht der Ritterschaft. / Der Bau’r und Brger wird Kanalj’ und Pack betitelt, / Und seinem Anwachs frh die Menschheit ausgeknittelt! / Schulmeister, spricht er, macht die Buben nicht zu klug! / Ein wenig Christenthum und Lesen ist genug! / Beim Pfeifchen schwazt ihm von Korn- und Pferdeschacher / Sein Pffflein, und beseufzt der neuen Bchsenmacher Gottlosigkeit./ Verdammt zum Galgen und zum Rad / Wird dann durch beider Spruch Freigeist und Demokrat!“879

Die Geistlichkeit erscheint bei Voss hufiger im vorwurfsvollen Kontext einseitig fr die Mchtigen parteinehmender und privilegienerhaltender Bestrebungen. Die vorfindliche, nach Voß’ Auffassung der Religion geradezu entfremdete Kirche erscheint ihm als wesentlich reaktionres Instrument, das den gesellschaftlichen Fortschritt auf dem Weg zum „Licht“ behindert880 : „Noch waltet, statt Religion, Der alten Sazung Dster. / Noch trozen dir, o Gottes Sohn, Gebotnes Glaubens Priester. / Wann bricht aus Nebel Sonnenschein? / Daß wir des warmen Lichts uns freun! Chor: O Gnad’ uns Armen! Erbarmen, Gott, Erbarmen!“881 879 Ebd. S. 180 f. 880 Vgl. hierzu Gerda Riedl, „Die Waffen des Lichts“. Reflexe zeitgençssischen Religionsdiskurses bei Johann Heinrich Voß, in: Johann Heinrich Voß. Kulturrume in Dichtung und Wirkung, hg. von Andrea Rudolph, Dettelbach 1999, S. 91 – 112, hier: S. 92: „Tatschlich befleißigte sich Johann Heinrich Voß einer derart exzessiven Kritik an allen Formen religiçser Praxis jenseits der Grenzen aufgeklrt-,neologischer‘ Vernunftreligion, daß bei vermeintlich eindeutiger Quellenlage eine systematisierende Untersuchung ber das Verhltnis Vossens zum zeitgençssischen Religionsdiskurs beinahe gnzlich unterblieb […] Selbst den Lehrgebuden aller Glaubenssysteme gegenber mehr als skeptisch, verteidigt er die Leistungen der (obskurantismus-)kritischen Vernunft des eigenen Ich unbeirrt und beinahe glubig“. 881 Voss, Smtliche Gedichte Fnfter Theil: „Die Kirche“ [1794], S. 39 – 42, hier S. 42; vgl. weiterhin ebd. S. 137 – 141 „Der Dorfpfaffe“ [1789]. Adrian Hummel, Das Andere der Vernunft. Gestalten des Irrationalen im Werk von J.H. Voß, in: Andrea Rudolph, Hg., Johann Heinrich Voß. Kulturrume in Dichtung und Wirkung, S. 143 – 160, hier: S. 144, spricht in diesem Zusammenhang vom einem Kontext „spçttisch-beschwingter Grußadressen an biedermoralisierende Kreise der lutherischen Orthodoxie“. In diesen Zusammenhang gehçrt auch ein von Carl Friedrich Cramer in seinem „Tagebuch aus Paris“, Paris 1800, S. 127 f. berliefertes Apercu: „Wie Voss zu einem seiner Sçhne Schulzen zum Gevatter einmal bat, schrieb er ihm: er htte dem Knaben auch gern Schulzens Vornahmen Abraham beygelegt, wenn es nicht ein so ungewçhnlicher und biblischer wr, Schulz erwiederte dagegen: dass es doch ein hçchst musikalischer sey; maasen er dreymal den allersangbarsten und vocalsten der Vocale enthielt […], wann Das ein Grund wr,

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Im Februar 1793 erscheint im von August Hennings herausgegebenen „Schleswigschen Journal“ die von Voß verfaßte deutsche Nachdichtung der franzçsischen Revolutionshymne, der „Marseillaise“882. Hier ußert sich Voß’ Revolutionsbegeisterung: „Sei uns gegrsst, du holde Freiheit! / Zu dir ertçnt froh der Gesang! / Du zerschlgst das Joch der Bezwinger, / Und erhebst zu Tugend und Heil! […] Uns zu erneun, kehrst du vom Himmel, / Lngst deinen Geweihten ersehnt! / Was hemmet ihr Bezwinger883 noch / In verschworner Wut die Erneuung? / Mit Waffen in den Kampf! / Fr Freiheit und Recht! / Naht, Brger, naht! / Bebt Mietlingsschwarm! / Entfliehet oder sterbt!884 […] O du Beherrscher, sei uns Vater; / Und dir gehorcht kindlich das Volk! / Die Erfahrenen hçr’ und die Guten, / Die das Volk zum Rath dir gesandt!885 […] Es sei geehrt Fleiß und

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antwortete darauf Voss; so htte ich ihn auch Satanas taufen lassen kçnnen!“. Dennoch gab Voss spter einem weiteren Sohn den Namen Abraham. Schleswigsches Journal 1793, S. 252 – 256; vgl. o. S. 206. Der Hymnus erschien auch unter dem Titel „Gesang der Neufranken fr Gesez und Kçnig“, vgl. Johann Heinrich Voß, Smtliche Gedichte. Vierter Theil, S. 212 – 229. Walter Grab, Johann Heinrich Voß in der Franzçsischen Revolution, weist S. 24 hin auf die entschiedene „Provokation der herrschenden Gewalten […], die deutsche Nachdichtung des revolutionren Schlachtlieds im selben Monat Februar 1793 zu verçffentlichen, in dem der Reichskrieg gegen Frankreich offiziell beschlossen wurde“. Gemeint sind die Gegner des sich zur Freiheit erhebenden Volkes, die sich im aktuellen Zeitraum vorbereiten, die alte Ordnung durch den bevorstehenden Revolutionskrieg zu restituieren. Schleswigsches Journal 1793, S. 252. Diese Zeilen kommentiert Dieter Lohmeier, Politische Kmpfe im Zeichen der Franzçsischen Revolution, in: Helmut Glagla und Dieter Lohmeier, Hg., Matthias Claudius. Ausstellung zum 250. Geburtstag, S. 197 – 205, hier: S. 200: „Das ist revolutionre Rhetorik ohne konkreten Bezug zur Wirklichkeit: weder im Frstentum Lbeck noch im dnischen Gesamtstaat […] waren die Ratgeber der Frsten vom Volk gesandt, sondern von diesen in freier Entscheidung gewhlt, und viele von ihnen, auch sehr verdienstvolle Reformer, waren Adlige. Die brgerlichen Stimmfhrer der çffentlichen Meinung mochten sich zwar als Organe des Volkes fhlen, aber dafr besaßen sie nur in seltenen Fllen Erfahrung auf dem Gebiet der praktischen Politik und Staatsverwaltung“. Allerdings besingt Voß weniger die konkreten Verhltnisse vor Ort als die nach seiner Intention bertragbaren Entwicklungen einer Revolution, die den franzçsischen Bezugsrahmen transzendiert; so schreibt er an den Komponisten Johann Abraham Peter Schulz am 21. Juli 1793: „Jetzt oder nie muß die große Angelegenheit Europa’s (was gehen uns die Pariser an?) unter allerlei Form und Gestalt verhandelt werden“, zit. n. Briefe von Johann Heinrich Voß, Zweiter Band, hg. von Abraham Voß, Halberstadt 1830, S. 190. Voß geht es um die Realisierung eines sich neu auftuenden gesellschaftlichen Leitbildes; er beschreibt nicht den status quo, sondern den intendierten status veniens.

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Tugend, / Wohlthtig fr Leben und Geist! / Doch schwelgst du mit der Hochgeburt, / Und erstickst die Rufe der Menschheit?“886

Sein Bekenntnis zur Freiheit kann Voß also durchaus mit der Aufforderung verbinden, fr „Freiheit und Recht“ sogar unter Einsatz von Waffen zu kmpfen. Doch fllt auf, wie trotz der martialischen Rhetorik das monarchische Prinzip unangetastet bleibt. Einem „vterlichen“, fr den „Rath“ der „Erfahrenen“ aufgeschlossenen Frsten verheißt der Dichter in der Folge effizienter obrigkeitlicher Reformen eine berechtigte Hoffnung auf den zustimmenden Gehorsam und die Liebe seines Volkes887. An dieser Stelle wird deutlich, „daß Voß nicht an die zwingende Notwendigkeit eines totalen Umsturzes glaubt, sondern sich von der kmpferischen Artikulierung des allgemeinen Freiheitswillens eine von Vernunft und Einsicht geprgte Wandlung im Bewußtsein der Herrschenden erhofft“888. Insofern instrumentalisiert Voß Intentionen und Auswirkungen der Franzçsischen Revolution gegenber den Inhabern der politischen Macht als eine Reformen einfordernde Drohkulisse; sein Ziel bleibt dabei die vom Geist der Aufklrung geleitete Optimierung, d. h. Reformierung des frstlichen Handelns. Mit seiner Vorstellung einer derartigen aufgeklrten und zugleich demokratisch gesinnten Monarchie berhrt sich Voß auf das engste mit den Auffassungen des Plçner Rationalisten August Hennings889, der den Hymnus gewiß nicht von ungefhr in seinem Journal publizierte. Eine Monarchie, die sich in diesem Sinne an den vom Volk ausgehenden politischen Impulsen orientiert, begibt sich zwangslufig auf den Weg einer konstitutionellen Verfassung. Notwendig hat sie von der Vorstellung auszugehen, daß sich Amt und Funktion eines jedes Regenten in nichts 886 Schleswigsches Journal 1793, S. 256. 887 In diesem Sinne widmet Voß dem Eutiner Regenten Peter Friedrich Ludwig die Ausgabe seiner Gedichte von 1802 und bezeichnet ihn in diesem Zusammenhang als den „Vater Eutins“. 888 Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, S. 200. 889 Vgl. zu diesem o. S. 182 – 208; Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, bringt S. 549 das Verhltnis der beiden auf die Formel: „War bei dem Halbaristokraten Hennings die Sache, so bei seinem Genossen Johann Heinrich Voß aus hçrigem Bauernstande Mecklenburgs naturgemß die Person das Feuer“. – Mit deutlich promonarchischer Tendenz verlieh Voß dem Hymnus spter einen neuen Titel: „Gesang der Neufranken fr Gesetz und Kçnig“, vgl. Johann Heinrich Voss, Smtliche Gedichte. Vierter Theil. Kçnigsberg 1802, S. 212.

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anderem als der Souvernitt des Volkes begrnden. Gerade so hatte es die Franzçsische Verfassung von 1791 formuliert: „Die Souvernitt ist einheitlich, unteilbar, unverußerlich und unverjhrlich. Sie gehçrt der Nation. Kein Teil des Volkes und keine Person kann sich ihre Ausbung aneignen.“890.

Ein konstitutioneller Regent wird letztendlich demokratisch kontrolliert, er wird durch sein Amt definiert und qualifiziert sich durch ein entsprechendes Handeln zum Wohle seines Volkes, dem alle Souvernitt gehçrt. Die berlieferte Auffassung des Gottesgnadentums fllt damit notwendig dahin: Den Frsten qualifiziert allein die Funktion, nicht mehr die dynastische Sukzession. Daher kontrastiert Voß konsequent Volkssouvernitt und Gottesgnadentum. In seiner Ode „Das Oberamt“891 empfngt der Regent den Rat: „Wann vielfach ungestaltet / Der Geist des Volkes strebt; / Dann schze nicht was altet, / Noch dmpfe was sich hebt. / Die Mehrheit senket und erhçht; / Der Mehrheit Schluß ist Majestt. / Aus freien Herzenstrieben / Ward Zepter, Kron’ und Schwert, / Die Majestt zu ben, / Vom Volke dir gewhrt. / Gedeihn besonders und gesamt / Soll Brgerglck; das will dein Amt. / Empçren sich die Mindern, / Voll Stolz und Eigensucht, / Des Volkes Geist zu hindern; / so halte streng auf Zucht892. / Nie ward von Mindern unbereut / Des Volkes Majestt entweiht.“

Voß kann die Majestt des Volkes also durchaus als eine an den Regenten bertragbare Qualitt sehen. Doch ist in seiner Anschauung alle Macht lediglich vertrauensvoll und damit im Rahmen eines grundstzlich aufkndbaren Vertrages an diesen einen Exponenten delegiert. Fr einen Frsten bedeutet von daher jeder Respektverlust vor dem faktischen Auftraggeber seines Handelns stets auch eine Verfehlung, die die bertragung der politischen Macht an seine Person zwangslufig beendet. Diese vom rousseauschen Vertragsgedanken geprgte Anschauung begegnet im zeitgençssischen Kontext rasch einer „demagogischen“, „demokratischen“ und damit letztlich „jakobinischen“ Bezichtigung; so muß Voß etwa in einem an Johann Wilhelm Ludwig Gleim gerichteten Schreiben vom 8. Oktober 1794 diesem gegenber den Abdruck des „Oberamtes“ 890 Vgl. Titel III, Art. 1 und 2 der 1791er Verfassung in der Dokumentation von Walter Grab, Hg., Die Franzçsische Revolution, Mnchen 1973; hierzu o. S. 45 f. 891 Johann Heinrich Voß, „Das Oberamt“, 1795 in Eutin entstanden, 1800 verçffentlicht im Musenalmanach; im Folgenden zit. n. Johann Heinrich Voss, Smtliche Gedichte, Fnfter Theil, Kçnigsberg 1802, S. 235 – 238. 892 Voß denkt wie August Hennings durchaus promonarchisch-antiaristokratisch.

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rechtfertigen; Gleim hatte ihn zuvor bereits aufmerksam gemacht auf die potenzielle Mißdeutung seiner hier vorgelegten ußerungen als „Demagogie“: „Die Zeit der Anfechtung wird vorbergehn; und dann wird es keinem Menschen einfallen, daß solche Gesinnungen aus Paris stammen! Es ist der durchgehende Geist aller Alten; und wir mir’s scheint, der einzige, der das Glck der Menschen sichert. Majestt des Volks! Woher haben wir das Wort Majestt? Und was bedeutet es, als Wille der Mehrheit, gesetzmßig erklrt? und einem Vollzieher bertragen? Der Sinn des Liedes geht so wenig auf Demokratie, daß selbst eine durch Stnde unumschrnkte Monarchie gebilligt wird, wofern der Monarch nur das laute einhellige Verlangen seines Volkes nicht verachtet, nicht dem Volke den Krieg erklrt. Dawider handelte der Konvent, als er die Religion aufhob; dawider Joseph in den Niederlanden; dawider Kçnig Georg in Amerika; dawider – doch wer mag aufzhlen! Sind wir Schriftsteller denn nur zum Gutheißen des Hergebrachten, oder seit kurzer Zeit Gewordenen bestimmt? nicht auch zum Warnen?“893

Voß versteht die Revolution eindeutig als eine nicht auf den franzçsischen Staat beschrnkte Bewegung894. Der in Frankreich praktizierten Außerkraftsetzung der berlieferten Privilegienordnung mçchte er fundamentale und damit buchstblich grenzberschreitende Zge verleihen. Dies verdeutlicht sein „Gesang der Deutschen“, in dem sich ein bemerkenswerterweise schçpfungstheologisch eingeleitetes politisches Programm spiegelt: „Der Geisteswildheit Nacht voll Grauen / Lag çd’ auf Deutschlands dumpfen Gauen; / Da wandte Gott sein Angesicht / Und rief herab: Es werde Licht! / Die Nacht verdmmert; Dmmerung schwindet: / Der Wild’, ein kaum belebter Kloß, / Wird Mensch, blickt um sich, und empfindet, / Was wahr und edel ist und groß.

Chor Wir alle! Wir alle! Wir heben Herz und Hand! Es rufe Mann und Weib, das Kind am Busen lalle: Heil, Freiheit, dir! Heil, Vaterland! Vernunft, durch Willkhr erst befehdet, / Doch khn und khner, singt und redet / Von Menschenrecht, von Brgerbund, / Von aller Sazung Zweck und Grund. / In Zauberschrift umhergeschwungen, / Fliegt tausendfach der weise 893 Zit. n. Briefe von Johann Heinrich Voß, hg. von Abraham Voß, Zweiter Band, Halberstadt 1830, S. 313. 894 Voß „erblickte […] in der franzçsischen Revolution ein die ganze Menschheit beglckendes Ereignis und hoffte auf die Verwirklichung der weltbrgerlichen Humanittsideale“, Walter Grab, Johann Heinrich Voß in der Franzçsischen Revolution, S. 21.

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Schall, / Hat bald des Volkes Herz durchdrungen / und schaft Gemeinsinn berall.

Chor […] Nicht herrscht durch fremder Formel Dster / Hinfort Gerichtsherr oder Priester; / Das Volksgesez wgt grad und gleich / Gerechtigkeit fr Arm und Reich. / Nicht mehr verfolgt wird Lehr’ und Meinung, / Nicht gilt fr Gottesdienst ein Brauch. / Nur Lieb’ ist aller Kirchen Einung, / Der Tempeln und Moskeen auch.

Chor […] Nur Tugend, nicht Geburt, giebt Wrde; / Verteilt nach Kraft ist Amt und Brde: / Der bauet Kunst, Gewerb und Saat, / Der schmckt den Geist, der Heer und Staat, / Der, gegen Feind’ und Unterdrcker, / Trgt Obermacht zu treuer Hut / Und giebt, des freien Volks Beglcker, / Ihm Rechenschaft von Hab’ und Blut.

Chor […] Was zittert ihr, der Staaten Wchter? / Veredelt strebt das Volk, nicht schlechter! / Nur frei vom Misbrauch wird der Thron, / Vom Wahne nur Religion! / Die Fessel strengt ihr an? Vergebens! / Zur Freiheit ruft uns unser Gott! / Dem Geist im Vollgefhl des Strebens / Ist aller Welten Macht ein Spott!

Chor […].“ 895 Voß sieht Deutschland896 als ein neues Geschçpf; hier findet er den durch gçttlichen Lichtspruch erweckten neuen Menschen, dem die siegreiche Vernunft die Frchte des Menschenrechtes und des Brgerbundes zuwendet. Gemeinsinn, Gerechtigkeit und Toleranz bestimmen fortan ein neues, sich visionr ankndigendes Gemeinwesen, in dem auch religiçse Auffassungen nicht mehr trennend wirken. Anstelle einer privilegierten Oligarchie strebt Voß eine „Meritokratie […], eine neue soziale Hierar-

895 Zit. n. Johann Heinrich Voss, Smtliche Gedichte. Vierter Theil, Kçnigsberg 1802, S. 220 – 224. 896 Im „Gesang der Deutschen“ zeigt sich gewiß geistiges Erbe des Hainbundes; doch indiziert die Dichtung auch das Bewußtsein einer Zusammengehçrigkeit des fr zwei Jahrzehnte in Eutin beheimateten gebrtigen Mecklenburgers – dessen weitere Zukunft ihn in Jena und Heidelberg sah – mit dem geistigen Kontext des politisch nicht geeinten zeitgençssischen Deutschland. Unverkennbar zeigen sich hier Anstze einer sich fortan zunehmend weiter ausprgenden nationalstaatlichen Sprachideologie.

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chie“897 an. Damit intendiert Voß den brgerlichen, skularen, demokratischen Verfassungsstaat, der unter den Vorzeichen von Gerechtigkeit und Toleranz die persçnliche Freiheit aller Brger sichert. Im Vorfeld dieser Vision deutet er die revolutionren Geschehnisse in Frankreich als Befreiung der unteren Stnde von der berlieferten Privilegienordnung898. Eine solche Interpretation der Franzçsischen Revolution ist mit derjenigen Friedrich Leopold Stolbergs unvereinbar. Die Unterschiedlichkeit entspringt einer jeweils individuellen weltanschaulichen Perspektivik sowie einer kontrren gesellschaftspolitischen Zielsetzung. Die Differenzierungen aber werden zur Differenz, und aus den kontrren Ansichten wird die Kontroverse. Im Sommer 1797 informiert Stolberg den Rektor, „er kçnne seine Sçhne nicht lnger in der Schule lassen, weil bei der Erklrung der Alten manches vorkomme, was seinen Grundstzen entgegen sei; so ungern er Voß krnken mçchte, seine Kinder msse er retten.“899

Deutlich ußert sich Stolberg ber sein Vorgehen in einem Brief an die Frstin Gallitzin. Hier urteilt er ber Voß und dessen Gehilfen Gabriel Gottfried Bredow900 : „Sie sind so angesteckt vom Gifte der Zeit, daß sie ihn selbst ohne natrlichen Anlaß in den Unterricht einfließen lassen. Daß sie Jesum Christum nur fr einen von Gott mit besonderen Gaben ausgersteten Mann ansehen, daß ihnen die Geschichten der heiligen Schrift Fabeln scheinen, daß Jehova ihnen 897 Walter Grab, Johann Heinrich Voß in der Franzçsischen Revolution, S. 29. – Auch hier zeigt sich eine geistige Verwandschaft mit August Hennings; zu dessen „meritokratischen“ Auffassungen o. S. 190 f. 898 Daß Voß diese Befreiung nicht als einmaligen abgeschlossenen Akt sieht, sondern als einen in einer Reihe von Revolutionen fortdauernden Vorgang, zeigt sich in einem Brief seiner Frau Ernestine an deren Bruder Heinrich Christian Boie vom 14. Dezember 1799: „Dein lezter Brief kam gerade mit der neuen Revolution in Frankreich bey uns an. Voß hat viel Hofnung darauf gesezt“, zit. n. Ludwig Bte, Hg., Vossische Hausidylle. Briefe von Ernestine Voß an Heinrich Christian und Sara Boie (1794 – 1820), S. 58. 899 Zit. n. Johann Heinrich Voß, Briefe, hg. von Abraham Voß, Erster Band, Dritter Band, 1. Abtheilung, Halberstadt 1832, S. 122, nach einer brieflichen Mitteilung von Ernestine Voß. 900 Zu diesem Wilhelm von Bippen, Eutiner Skizzen. Zur Cultur- und Literaturgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, S. 199 f.; Klaus Langenfeld, Die kulturhistorische Bedeutung des Eutiner Kreises, in: Ernst-Gnther Prhs, Geschichte der Stadt Eutin, S. 173 – 179, hier: S. 178 f.; der auf Voß’ Initiative aus Berlin nach Eutin berufene Bredow wirkte zunchst als Collaborator unter dem Rektor, dem er nach dessen Pensionierung 1802 nachfolgte. 1804 wurde Bredow Geschichtsprofessor in Helmstedt, wechselte von dort nach Breslau, wo er 40jhrig im Jahre 1814 verstarb.

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nur ein als Nationalgott von den Juden verehrtes Wesen sei, daß die Vorstellung eines Gott shnenden Todes ihnen Thorheit und rgerniß sei etc., ist von meinen Kindern schon bemerkt worden. Ebenso haben sie auch schon Vossens politischen Aberwitz, seine blinde Parteilichkeit fr die Franzosen, seinen citoyen Sinn etc. wahrgenommen.“901.

Deutlich treten in diesen Vorwrfen die gegenstzlichen Auffassungen im Verstndnis der christlichen berlieferung zutage. Die Voß attestierte Leugnung der Gottmenschlichkeit Jesu, seine Abweisung des biblischen Offenbarungsanspruches und der Kreuzestheologie versteht Stolberg als Folgen eines Rationalismus, unter dem er zunehmend leidet902. Doch er901 Brief vom 25. Februar 1798, zit. n. Jgen Behrens, Hg., Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, Briefe, S. 347 f. In einem Brief an Johann Wilhelm Ludwig Gleim vom 23. September 1798 geht Voß auf Stolbergs Vorwrfe ein: „Ich habe mit Erstaunen gehçrt, was fr Gift ich mische. Was St. in meinen Mythologischen Briefen als alte Behauptung, selbst der Kirchenvter, gelesen hat, das hab’ ich in der Schule gelehrt: daß wie die Menschen allmhlich verstndiger und besser wurden, sie auch die Gottheit sich immer weniger unvollkommen gedacht […] Mein zweites Gift ist: Ich habe, was Stolberg in meinem Kommentar zu Virgils Li. I,502 von Abbßungen durch Opfer gelesen hat, auch in der Schule gelehrt. Diese unvollkommenen Begriffe der Vorwelt, sagt er, haben die Sçhne auf die Lehre vom Weltopfer angewandt. Mit ußerungen, die der Schwache, weil er sie nicht faßt, misdeuten kann, bin ich sehr vorsichtig. Wenn also der eifernde Vater recht gehçrt hat, so haben die Kinder fr sich gefolgert; und der Vater htte des kindlichen Strebens sich freun, aber das Unrichtige der Schlußfolge mit ruhiger Besonnenheit zeigen sollen“, zit. n. Briefe von Johann Heinrich Voß, hg. von Abraham Voß, Zweiter Band, S. 346 – 348. 902 Zum Beginn der 90er Jahre vom oldenburgischen Kanzlei- und Regierungsrat Gerhard Anton von Halem auf eine eventuelle Beteiligung am neuen Oldenburgischen Kirchengesangbuch angesprochen, antwortet Friedrich Stolberg aus Berlin in einem Brief vom 6. Februar 1790 mit hohem Ernst: „Ich halte die Sammlung der Gesnge, welche çffentlich und in der Stille gesungen werden sollen, welche ganze Gemeinden zum Himmel erheben und den belebenden Trost einer Religion die vom Himmel kommt in die Htte des Landmanns und des Handwerkers trufeln sollen, eine solche Sammlung halte ich fr ein sehr wichtiges und großes Geschft […] Sie haben mir mehr als einmal gesagt, daß Sie die Geschichte des Evangeliums bezweifelten. Liebster Freund! Wie kçnnen Sie den Gemeinen, deren Hoffnung fr dieses und jenes Leben aufs Evangelium gegrndet ist, eine Liedersammlung aussuchen? – Wollten Sie das, was Ihnen vielleicht Wahn dnkt, pia oder soll ich sagen impia fraude, aus den Gesngen unserer Gemeinen wegnehmen? sich, mit so mißbrauchtem Vertrauen, zum absichtvollen Reformator, zum Umstrzer – in so fern es von Ihnen abhngt – desjenigen machen, was diesen Gemeinen das heiligste ist? Wollen Sie Lieder, deren Sinn Tausende in Leiden, Tausende im Tode gestrkt hat, weil Sie Ihnen legendenartig scheinen mçgen, verwerfen? Oder wollen Sie aufnehmen, was Ihnen Legende scheint? […]

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Kapitel II

wachsen ihm in den hufig in Eutin anwesenden Angehçrigen des Mnsteraner Kreises wie auch aus der Gruppe der franzçsischen Emigranten nunmehr jene Gesprchspartner, die seinen Weg in den Katholizismus begleiten903. In Stolbergs am 1. Juni 1800 vollzogenen bertritt zum Katholizismus, an dem sich die Geister endgltig scheiden904, maNur eine Bitte noch! – lassen Sie das Ringen nach Wahrheit, auch wofern Sie in diesem Geschfte fortfahren wollen und zu drfen glauben, Ihre Hauptsache seyn! Wofern wir Andern, diesseits der Neologie, Recht haben, so verlohnt es sich doch wohl der Mhe, daß Ihr Neologen eure Acten mit Ernst revidiret, ehe ihr mit, zwar nicht nachgebetetem, aber nachgesprochenem Spruche aburteilt. – Es scheint zur neuen Lehre zu gehçren, allen Beystand Gottes im Ringen nach der Wahrheit und dem Guten berhaupt zu leugnen. Wenn ich zu dieser Nichtkirche gehçrte, so wrde ich, um consequent zu seyn, alle Fhrung Gottes, d. h. alle Providenz leugnen. Denn wofern die transcendentelle berzeugung und Besserung eine unmçgliche Sache seyn soll, so mçchte ja wohl jede Einwirkung Gottes auf menschlichen Willen unmçglich seyn. Und warum nicht auch auf die leblose Natur? Wir kmen dann zum mßigen Gott der Epicurer zurck“, zit. n. von Halem, Selbstbiographie, Bd. II, S. 91 – 94. Vgl. zu diesen ußerungen Walter Mller, Johann Heinrich Vossens Kirchenlieder, Vossische Nachrichten 4 / 1997, S. 7 – 14, hier S. 12 f.: „In Stolbergs Brief vom 6. Februar 1790 ist das Stichwort gefallen, um das es von Halem und wohl auch Johann Heinrich Voß geht – um die Theologie der Neologen, die ,Neue Lehre’. Diese Theologie hat sich aus der Philosophie der Aufklrung entwickelt und sich zum Ziel gesetzt, die dem Denken anstçßigen Lehren der bisherigen Theologie umzubilden und notfalls fallenzulassen, ohne jedoch die Offenbarung in Frage zu stellen“; dabei gehçrte „es zu den Eigentmlichkeiten der Neologie […], der Individual- und noch mehr der Sozialethik einen breiten Spielraum zu geben“. 903 Zu Stolbergs Weg in die Konversion vgl. Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin im 18. Jahrhundert, S. 228 – 235. 904 Die Konversion des Grafen verursachte weit ber Eutin hinaus eine Woge unterschiedlicher Reaktionen, die sich in einer Vielzahl von Broschren und Aufstzen niederschlug. Zur çffentlichen Rezeption des Vorgangs im zeitgençssischen Kontext vgl. Detlev W. Schumann, Aufnahme und Wirkung von Friedrich Leopold von Stolbergs bertritt zur Katholischen Kirche, in: Euphorion 50 / 1956, S. 271 – 306; Jrgen Behrens, Hg., Briefwechsel zwischen Klopstock und den Grafen Christian und Friedrich Leopold zu Stolberg, Neumnster 1966, S. 45 – 47; Brigitte Schubert-Riese, Das literarische Leben in Eutin um 1800, S. 228 – 235; Dirk Hempel, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750 – 1819), S. 225 – 229; Dieter Lohmeier, Herder und der Emkendorfer Kreis. Teil I, in: NE 35 / 1966, S. 103 – 132, hier S. 115 – 120; ders., Die Residenz Eutin um 1800, in: Das Land Oldenburg 118 / 2003, S. 1 – 11, hier: S. 9 f. – Zu Voß’ harter Haltung gegenber Stolberg: Peter J. Brenner, Streit in der Idylle. Johann Heinrich Voß als Polemiker, in: Johann Heinrich Voss. Beitrge zum Eutiner Symposium im Oktober 1994, hg. von Frank Baudach und Gnter Hntzschel, S. 109 – 128, hier bes. S. 118 – 122; vgl. a. Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im neun-

8. Aristokratie und Reaktion versus Brgertum und Aufklrung

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nifestiert sich daher auch die grundstzliche Divergenz zwischen dem Rationalisten und Demokraten Voß und dem von der berlieferten christlichen Auffassung her argumentierenden Standesherrn905. Im Rahmen einer zerbrechenden Freundschaft, noch dazu auf engstem Raum im kleinen „Landstdtchen Eutin“, offenbart die Revolution ihre Macht zum Zwang in die individuelle Entscheidung. Die im Bruch zwischen Stolberg und Voß maßgeblichen religiçsen und gesellschaftspolitischen Divergenzen sind im zeitgençssischen Kontext dabei von geradezu klassischer Struktur und haben „ihren Ort in der sozialen wie ideengeschichtlichen Umbruchsituation der Zeit“906.

zehnten Jahrhundert, Zweiter Teil, Leipzig 1927, der S. 96 von Voß in diesem Zusammenhang als dem „Großinquisitor des Rationalismus“ sprechen will, der „sich das Wiedererwachen des religiçsen Sinnes nur aus der ruchlosen Whlerei eines pfffisch-ritterlichen Geheimbundes“ habe erklren kçnnen. 905 Voß publizierte knapp zwei Jahrzehnte spter und kurz vor Stolbergs Ableben eine verbissene Polemik ber die in der Stolbergschen Konversion kulminierende Abkhlung seiner einstigen Freundschaft mit dem Standesherrn: Wie ward Friz Stolberg ein Unfreier? beantwortet von Johann Heinrich Voß, in: Sophronizon, oder unpartheyisch-freymthige Beytrge zur neueren Geschichte und Statistik der Staaten und Kirche, 3. Heft, hg. von Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, Frankfurt 1819, S. 1 – 112. 906 Peter J. Brenner, Streit in der Idylle. Johann Heinrich Voß als Polemiker, S. 110.

Kapitel III Erstarken der Monarchie, Bedeutungsverlust der Aristokratie, erwachendes Brgertum 1. Der dnische Gesamtstaat nach dem Tode Andreas Peter Bernstorffs 1797 bis zum Ende seiner Neutralitt 1807 „Vorbergerauscht im eilenden Strom der Zeit, sind die glcklichen Jahre, wo er im Rath unseres Kçnigs saß, der leitende inniggeliebte Freund unsers Kronprinzen war, dem Vaterlande und der Menschheit diente. Was verdanken wir ihm nicht alles, meine Mitbrger! Die Vermehrung unserer Betriebsamkeit, die Erhçhung unseres Wohlstandes, die Ausbreitung unserer Schiffahrt, die Vergrçßerung unseres Handels sind die Geschenke des Friedens, den er so liebte, so beschirmte“1:

In diesen Worten fokussiert der Altonaer Advokat Friedrich Johann Jacobsen die Lage des dnischen Gesamtstaates nach dem Tode Andreas Peter Bernstorffs. In dessen Person hatte sich noch einmal das besondere Gewicht des deutschen Adels in der Leitung und Verwaltung des dnischen Gesamtstaates visualisiert2 ; sein Name steht nunmehr fr eine ra gesteigerter 1 2

F.[riedrich] J.[ohann] Jacobsen, „Bernstorf.“, in: Minerva 3 / 1798 , S. 171 – 179, hier S. 172 f. Zu den unter Andreas Peter Bernstorffs politischer Leitung verwirklichten Reformen o. S. 111 – 114. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, daß Bernstorff zwar von 1773 bis ins Jahr 1780 dnischer Außenminister und Leiter der Deutschen Kanzlei gewesen war, whrend der geborene Brgerliche Ove Høgh-Guldberg die Staatsleitung innehatte – hierzu o. S. 102 f. –, daß er anschließend jedoch „wegen seiner bestndigen stillen Opposition gegen die durch und durch dnisch gerichtete Kabinettsregierung Guldbergs“ wieder entlassen wurde, so Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 211; hierzu a. J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 1, Kopenhagen 1813, S. 217 – 219. Bis zu seiner erneuten Berufung in die genannten mter lebte Bernstorff auf dem in Mecklenburg befindlichen Familienbesitz; seine Wiedereinsetzung in die 1780 abgegebenen Funktionen ermçglichte der Staatsstreich vom 14. April 1784, durch den der 16jhrig rechtsmndig gewordene Sohn des geisteskranken Christian VII. sich nunmehr zum Regenten erklrte und die bisherigen brgerlichen Machthaber

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Produktivitt3, angewachsener Prosperitt4 und außerordentlich expandierenden Reedereiwesens5 sowie eines enormen Anstiegs der allgemeinen çkonomischen Verhltnisse6.

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verdrngte; hierzu J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 2, Kopenhagen 1815, S. 2 – 12; Axel Linvald, Kronprins Frederik og hans Regering 1797 – 1807. Bidrag til Danmark-Norgens inden- og udenrigske Historie omkring Begyndelsen af det 19. Aarhundrede. I. Bind: Styrelsen og dens Mænd. Økonomisk og social Politik, København 1923, S. 22 – 24. Bis zu seinem Tod konnte Bernstorff seine einflußreiche Stellung unter Einbeziehung der gesamten deutschstmmigen Aristokratie kontinuierlich ausbauen; hierzu J.[ens] Kragh Høst, a.a.O., Th. 2, S. 68 f.; Linvald, a.a.O., S. 78 – 83; Christian Degn, Der Bernstorff-Reventlow-Schimmelmannsche Familienkreis in der Reformpolitik des Gesamtstaates, in: FJbSH 18 / 1979, S. 9 – 24. Dennoch blieb Bernstorff „for mange i hovedstadens borgerlige danske kredse den tyske minister, der var midtpunktet i det magtfulde fremmede kulturmiljø“, so Ole Feldbæk / Vibeke Winge, Tyskerfejden 1789/ 90. Den første nationale Konfrontation, in: Dansk Identitetshistorie Bd. 2. Et yndigt land 1789 – 1848, red. fra Ole Feldbæk, København 1991, S. 9 – 109, hier: S. 101. Von der Franzçsischen Revolution hatte der Aristokrat Bernstorff „vom Anfange an keine gnstige Meinung. Freilich erkannte und gestand er, so wie whrend des nordamerikanischen Krieges die begangenen Fehler und Mißbruche der brittischen, also jetzt diejenigen der vorigen franzçsischen Regierung; er mißbilligte sie laut und tadelte sie scharf. Aber das Heilmittel schien ihm verderblicher, als das bel“, J.[ens] Kragh Høst, a.a.O., Th. 2, S. 259. Zu Bernstorff im kontextuellen Zeitraum a. Jørgen Hornemann, Danmarks statsmand: A.P. Bernstorff og hans samstid, S. 428 – 562. Hierzu Eckart Opitz, Die Entwicklung von Handel, Wirtschaft und Verkehr in gesamtstaatlicher Zeit, in: Ders., Schleswig-Holstein. Landesgeschichte in Bildern, Texten und Dokumenten, S. 149 – 171, hier: S. 149 – 157. Zum steigenden Wohlstand in den Herzogtmern seit den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts Hans Jensen, Dat se bliven tosamende. Eine Geschichte SchleswigHolsteins, Lbeck und Hamburg o. J., S. 53 – 56, im Hinblick auf das Kçnigreich Dnemark C.[arl] F.[erdinand] Allen, Haandbog i Fædrelandets Historie, S. 543 f.; Jens Vibæk, Reform og Fallit. 1784 – 1830, S. 185 – 188. Exemplarisch lßt sich eine bereits unter dem sog. „lteren“ Bernstorff einsetzende aufsteigende Seefahrtsentwicklung am Beispiel Flensburgs zeigen. Dieses beheimatete im Jahre 1750 insgesamt 113 Schiffe mit einer Ladefhigkeit von 2996 Kommerzlasten; dagegen war die Flenburger Handelsflotte zum Ende des letzten kriegsfreien Jahres 1806 auf 217 Schiffe mit einer Ladefhigkeit von 14806 Kommerzlasten angewachsen. Hierzu Ole Ventegodt, Tausend Schiffe aus Flensburg, in: Stadt Flensburg Hg., Flensburg. 700 Jahre Stadt. Eine Festschrift – Bd. 1, S. 230 – 256, hier S. 231 f. Als zeitgençssische Quelle zum wirtschaftlichen Aufblhen Flensburgs vgl. Andreas P. Andresen, Briefe ber Flensburg. Erster Brief. Anbau und Verschçnerung der Stadt, in: Schleswig-Holsteinische Bltter fr Polizei und Kultur, Bd. 2 / 1799, S. 241 – 262, hier bes. S. 258 – 262.

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Kapitel III

Mit besonderer Dankbarkeit sieht der Holsteiner Jacobsen das Fundament allen Fortschrittes jedoch im bewahrten Frieden, der dem Gesamtstaat in den Wirren der Revolutionskriege erhalten geblieben war7. Mit dieser Empfindung steht der Altonaer Brger im zeitgençssischen Umfeld nicht allein; in einer Bernstorffs Andenken gewidmeten Rede im großen Hçrsaal der Kieler Universitt ußert sich auch der Kieler Historiker Dietrich Hermann Hegewisch am 28. August 1797 im gleichen Sinn: „So erndete Dnemark durch seine standhaft behauptete bewaffnete Neutralitt die schçnsten Frchte seiner friedlichen Gesinnung ein.“8

Wie diese ußerung erkennen lßt, betrachtete man sich im ausgehenden 18. Jahrhundert in den Herzogtmern durchaus als Teil Dnemarks. Dabei war auch nçrdlich der Kçnigsau die Wertschtzung des aufrechterhaltenen Friedens keineswegs geringer ausgeprgt. Eine breitflchige Untersuchung erhaltener dnischer Predigten der Zeit gelangt zu dem Resmee: „En bestanddel af den lovprisning af enevælden […] var, at den danske regering havde holdt Danmark uden for periodens storkrige.“9

Nach Bernstorffs Tod sollte noch ein knappes Jahrzehnt vergehen, bis schließlich auch dem militrisch stets weiter aufrstenden dnischen Ge-

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Fr die Handelsstadt Flensburg bilanziert Hans-Friedrich Schtt, Flensburg in der Zeit des Gesamtstaates, in: Flensburg. Geschichte einer Grenzstadt, S. 169 – 233, hier: S. 225: „Die Koalitionskriege und die ersten Napoleonischen Kriege schienen die Konjunktur fast ins Grenzenlose zu steigern. Seit 1775 haben die Flensburger Kaufleute zielbewußt alle Zweige ihres Handels weiterentwickelt und so viel Kapital gewinnen kçnnen, daß sie bei dem Ausbruch des ersten Koalitionskrieges 1792 voll die Mçglichkeiten, die die Frachtfahrt und der Atlantikhandel boten, ausnutzen konnten. Die Flensburger Handelsflotte hat sich von 1776 bis 1805 verdreifacht“. Dabei hatte der dnische Kçnig als Herzog des Reichslehens Holstein dem Kaiser durchaus Streitkrfte fr die Revolutionskriege zu stellen, vgl. J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 3/1, S. 13; numerisch fielen diese Soldaten jedoch nicht ins Gewicht. Dietrich Hermann Hegewisch, Bernstorff, in: Der neue Teutsche Merkur Bd. 1/ 1798, S. 75 – 81, S. 77. Michael Bregnsbo, Samfundsorden og statsmagt set fra prædikestolen. Danske præsters deltagelse i den opinionsdannelse vedrørende samfundsordenen og statsmagten 1750 – 1848, København 1997, S. 270. Auch in den Herzogtmern thematisierte die kirchliche Predigt den bewahrten Frieden voller Dankbarkeit gegen den Kçnig, vgl. exemplarisch etwa die entsprechenden ußerungen Detlev Johann Wilhelm Olshausens o. S. 322.

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samtstaat10 die aktive Teilnahme an den europischen Kriegshandlungen aufoktroyiert wurde11. Insofern konnte der schleswig-holsteinische Generalsuperintendent Jakob Georg Christian Adler noch in seiner Neujahrspredigt 1807, die er ber die Perikope 1. Kçn. 8, 54 – 58 hielt, die Israel einst von Gott gewhrte „Ruhe“ aus 1 Kçn 8,56 in Analogie bringen mit dem fr den dnischen Gesamtstaat bewahrten Frieden: „Bey uns war es Friede! Unter uns herrschte Ordnung und Ruhe! Ja mehr als wir erwarten durften, mehr als wir zu hoffen wagten, ward uns zu Theil. Unter allen Reichen Europens steht unser Vaterland als das Einzige da, dessen Grnzen, gleich einem Heiligthum von keinem feindlichen Heere berschritten worden sind.“12

10 Die Militrausgaben verdreifachten sich innerhalb zweier Jahrzehnte bis 1806, um dann zwischen 1806 und 1813 unter den Bedingungen eines außerordentlichen Niedergangs der Wirtschaftsleistungen noch einmal auf das Dreifache anzusteigen; hierzu Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 320. Bereits 1792 hatte Graf Schmettow die Rstungsanstrengungen des Staates erfolglos kritisiert; hierzu o. S. 211 f. 11 Entscheidend fr den Friedenserhalt war die genuin defensive Ausrichtung der dnischen Neutralitt. So gab Bernstorff zu Beginn des Revolutionskrieges im Jahre 1793 dem Ersuchen der Reeder um Geleitschutz – d. h. um Eskortierung der Handelsschiffe durch dnische Kriegsschiffe – bewußt nicht nach; vielmehr mutete er ihnen die Mçglichkeit jederzeitiger Aufbringung ihrer Schiffe durch die britische Marine wie auch deren bestndige Kontrollen zu; hierzu Ole Feldbæk, Danmarks historie. Bind 4: Tiden 1730 – 1814, S. 281. Der militrischen Herausforderung setzte Bernstorff allein die Mittel des diplomatischen Protestes entgegen, die er mit besonderer moralischer Wirkung anzubringen wußte, vgl. H.[ans] N.[ic.] A.[ndreas] Jensen und A.[ndreas] L.[udwig] J.[akob] Michelsen, Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte, Dritter Band, S. 268 f. 12 Jakob Georg Christian Adler, Predigt. Am Neujahrstage 1807 im Cabinet auf Gottorff, in: Detlev Joh.[ann] Wilh.[elm] Olshausen, Hg., Gelegenheitsreden nebst Entwrfen und Materialien zu Casualvortrgen, S. 1 – 9, hier S. 2. Nur ein Jahr spter klagt der Altonaer Pastor Nikolaus Funk in seiner Neujahrsansprache: „Wie gewaltsam aber und fhlbar hat sich in den letztern Monaten der bis dahin so ungemein vortheilhafte Zustand unsers brgerlichen Vereins verschlimmert! Ein Feind, der […] in diesem Augenblicke nur Rechte und keine Pflichten zu haben whnt, berfiel so unerwartet als zahlreich unsere Kçnigsstadt […] Entfhrte im schrecklichen Triumphe eine Hauptschutzwehr unsers Vaterlandes, unsere Flotte, und zwang dasselbe dadurch zu einem Kriege, der, so nothwendig und gerecht er auf unserer Seite ist, unsere Aussichten in die Zukunft einstweilen doch ausnehmend verdunkelt“, ders., „Die Wohlthtigkeit des Glaubens an die gçttliche Weltregierung in den Zeiten allgemeiner çffentlicher Trbsale. Am Neujahrstage 1808“, in: Funk, Predigten zur Belebung des Glaubens an die gçttliche Weltregierung, Erstes Heft, Altona 1809, S. 23 – 48, hier S. 23 f. Funk sieht im Hin-

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Kapitel III

Zweifellos zeigte sich in diesem Zustand eine Frucht der außenpolitisch vorerst erfolgreichen Maxime von der „bewaffneten Neutralitt des Nordens“13, die es Bernstorff erlaubt hatte, in der Anfangsphase des 1792 einsetzenden Revolutionskrieges zu erklren, „Dnemark wolle auf keine Weise die Unruhen anderer Reiche zu seinem Vortheile benutzen, und es werde nur dann sich auf ein Bndniß einlassen, wenn die Verbndeten zur Grundlage desselben das gegenseitige heilige und unverbrchliche Versprechen machen wrden, sich bloß zu gemeinsamer Sicherheit und zur Herstellung der Ruhe des erschtterten Europa’s, keineswegs aber zur Erreichung geheimer eigenntziger Absichten zu vereinigen.“14

Dabei mangelte es nicht an frhen franzçsischen Versuchen, den dnischen Gesamtstaat auf die Seite des mittlerweile direktorialen Frankreich15 zu ziehen. So sahen sich im Jahre 1799 sieben Kieler Professoren16 veranlaßt,

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tergrund „Gottes Hand […], die uns zchtiget“, auch wenn es gilt, den menschlichen Anteil „an dem Elende unserer Zeit“ zu beobachten, a.a.O., S. 29. Hierzu Andreas Peter Bernstorff, Originale Aktenstkke die Neutralitt Dnnemarks bei dem jezigen Kriege betreffend, in: Deutsches Magazin 1 / 1794, S. 1 – 33; A.[ndreas] P.[eter] Graf von Bernstorff und E.[rich] M.[agnus] Baron de StalHolstein, Convention zur gemeinschaftlichen Vertheidigung der Freyheit und Sicherheit der dnischen und schwedischen Handlung und Schiffahrt zwischen Sr. Majestt, dem Kçnige von Dnemark und Norwegen, und Sr. Majestt, dem Kçnige von Schweden; geschlossen zu Copenhagen den 27sten Mrz 1794, in: Historisch-politisches Magazin, nebst litterarischen Nachrichten Bd. 15 / 1794, S. 411 – 416; F.[riedrich] J.[ohann] Jacobsen, Bemerkungen ber das Neutralisiren, in Betreff von Handel und Schiffahrt, in: Minerva 3 / 1797, S. 137 – 154. Zum Kontext: Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830, S. 183 – 185; die „bewaffnete Neutralitt des Nordens“ war eine direkte Antwort auf die britische Politik, die auf See angetroffenes feindliches Gut i. S. der Konterbande auch auf Schiffen neutraler Staaten konfiszieren ließ. Bernstorff setzte mit Russland und Schweden durch, daß die neutrale Flagge auch feindliche Ladung vor dem Zugriff kriegfhrender Parteien schtze. Dietrich Hermann Hegewisch, Bernstorff, in: Der neue Teutsche Merkur Bd. 1 / 1798, S. 78. Hierzu J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 2, S. 260 – 262; Ole Feldbæk, Danmarks historie. Bind 4: Tiden 1730 – 1814, S. 280 – 282. Mit der Direktoriumsverfassung vom 23. September 1795 hatte wie in den ersten beiden Jahren nach dem Bastillesturm wieder das franzçsische Großbrgertum die Gestaltung der politischen Verhltnisse des Landes unter Einbeziehung von fnf regelmßig alterierenden „Direktoren“ bernommen; vgl. hierzu o. S. 51 Anm. 86 und die dort genannte Literatur. Dietrich Hermann Hegewisch, S.[amuel] G.[ottfried] Geyser, P.[hilipp] G.[abriel] Hensler, F.[riedrich] C.[hristoph] Jensen, [Karl Leonhard] Reinhold, J. G. Fock, A. F. Francke.

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der Behauptung des in die Herzogtmer emigrierten Generals Charles Francois Dumouriez17 entgegenzutreten, es gebe in Holstein eine profranzçsische Propaganda18. Die Professoren garantierten die landesweit voraussetzbare Loyalitt der Bevçlkerung gegenber ihrer Regierung, da „das gegenseitige Vertrauen zwischen unsrer Regierung und unserm Volke […] viel zu fest gegrndet ist, als daß fr dasselbe von einer beweislos hingeworfenen Beschuldigung irgend etwas zu besorgen wr […] Auch drfte jene Anklage nicht wenig durch die gegenwrtige Geneigtheit untersttzt werden, allenthalben politischen Freiheitsschwindel zu suchen und zu finden.“19

Erklrend heißt es daher: „Die Schwrmerei fr misverstandene Freiheit und Gleichheit, welche nun auch in denjenigen Gegenden, wo sie noch vor kurzem so laut war, verstumt, ist dem gesezten, bedchtlichen und zu nichts weniger als zum Schwrmen aufgelegten Nationalcharakter unsers Volkes zu keiner Zeit gefhrlich gewesen. Offenheit, Geradheit und Biederkeit gehçren zu den entschiedensten und anerkantesten Grundzgen jenes Charakters, dem eben darum Treulosigkeit und Schmeichelei fremd sind.“20

Diese Loyalitt war sicherlich auch eine Folge der regierungsseitig praktizierten Innenpolitik, die unter dem Leitgedanken eines „administrativen Schleswig-Holsteinismus“21 stets den Bedrfnissen eines kulturellen Eigenlebens der „deutschen Provinzen“ Rechnung getragen hatte22. ber drei Generationen hinweg war im Hinblick auf die verschiedenen Territorien 17 Zu diesem bereits o. S. 176; zum dargestellten Kontext Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, S. 74; Sigrid Wriedt, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina im Zeitalter des dnischen Gesamtstaates (1773 – 1852), S. 69. 18 „ber eine angebliche franzçsische Propaganda im Holsteinischen“, in: SchleswigHolsteinische Bltter fr Polizei und Kultur, Bd. 1 / 1799, S. 158 – 168. 19 Ebd. S. 159. 20 Ebd. S. 164. 21 Alexander Scharff, Schleswig-Holsteinische Geschichte, S. 45; vgl. a. o. S. 105 f.; 113 – 115. 22 Zur festen Einwurzelung des Gesamtstaatsgedankens in den Herzogtmern bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts vgl. a. Arnold Oskar Meyer, Das Erwachen des deutschen Nationalbewußtseins in Schleswig-Holstein, Kiel 1928, S. 4 – 6. – Die Deutsche Kanzlei mit Sitz in Kopenhagen fungierte als Oberbehçrde der Herzogtmer; diese wiederum verfgten in Gottorf sowie Glckstadt ber voneinander getrennte Regierungsbehçrden. Dagegen behandelte die im Jahre 1788 in Kraft getretene Finanzverordnung die Region zwischen Kçnigsau und Elbe bereits als geschlossene wirtschaftliche Einheit innerhalb der Gesamtstaates; hierzu Scharff, a.a.O., S. 45. Seit 1806 wirkte in Schleswig und Holstein mit Jakob Georg Christian Adler ein beiden Herzogtmern gemeinsamer Generalsuperintendent.

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des Konglomeratstaates durch die Bernstorffs ein Politikmodell entwickelt worden, das es innenpolitisch ermçglichte, die unterschiedlichen Ethnien und deren individuelle Traditionen unter dem Dach eines gemeinsamen staatlichen Gebildes zusammenzufassen; nicht von ungefhr argumentiert die Darstellung der Professoren mit den Individualwerten eines von ihnen vorausgesetzten schleswig-holsteinischen Nationalcharakters. In der aktuellen Lage des Staates zeigte sich der Regierung jedoch durchaus ein erstes Streiflicht einer Opposition in den Herzogtmern, fr das die von ihr 1798 verfgte Ausweitung der Collateralerbschaftssteuer auf das Herzogtum Holstein urschlich war; im Jahr darauf folgte fr Holstein die Einfhrung einer dauerhaften zwanzigprozentigen Zusatzsteuer zum sog. Pflugschatz23. War bis zu diesem Zeitpunkt die Hauptsteuer nach der in den Matrikeln von 1652 festgelegten Pflugzahl erhoben worden, intendierte die Kopenhagener Regierung nunmehr nach anderthalb Jahrhunderten eine Neufestsetzung der Abgaben, die sich an der gestiegenen Liquiditt der holsteinischen Gutsbesitzer orientieren wollte. Den Hintergrund fr diese Forderungen bildete der ausgedehnte Finanzbedarf des Landesherrn, der mit Blick auf den berseehandel zur Aufrechterhaltung seiner Neutralittspolitik einen Anstieg der Ausgaben fr die Seerstung als unumgnglich ansah. Unter Fhrung Fritz Reventlows wandte sich die holsteinische Ritterschaft gegen die aus dieser Absicht hervorgehenden Steuererhçhungen und plante unter Berufung auf den holsteinischen Lehnsstatus die Anrufung des Wetzlarer Reichsgerichtes; dagegen akzeptierten die meist brgerlichen nichtrezipierten Gutsbesitzer24 die erhçhten Steuerforderungen von vornherein. Auch im 23 Hierzu und zum Folgenden: Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 293 – 297. 24 Die Nichtrezipierten bilden eine nicht der Ritterschaft der Herzogtmer angehçrende Gruppierung von Gutsbesitzern. Dagegen handelt es sich bei den Familien der „recepti“ um jene nach dem Mittelalter nach Schleswig und Holstein eingewanderten Adelsgeschlechter, die ihr Landtagsfhigkeit und die damit verbundenen politischen Rechte nachtrglich im Akt ihrer Rezeption erhielten; Erstrezipierter war um 1635 Wolf Heinrich Baudissin. Von den Recepti unterscheiden sich die bereits vormittelalterlich in Schleswig und Holstein ansssigen zehn Familien der „Originarii“; hierzu Henning von Rumohr, ber den Holsteinischen Uradel. Die sogenannten Originarii, in: Ders., Hg., Dat se bliven ewich tosamende ungedelt. Festschrift der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft zur 500. Wiederkehr des Tages von Ripen am 5. Mrz 1960, Neumnster 1960, S. 101 – 152, hier S. 101 f.; ders., Die Struktur des Adels in Schleswig-Holstein um 1800, in: Erich Trunz und Dieter Lohmeier, Hg., Staatsdienst und Menschlichkeit. Studien zur Adelskultur in Schleswig-Holstein und Dnemark, S. 23 – 56;

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Kreis der Rezipierten mehrten sich bis zum Jahr 1803 jene Stimmen, die dem Staat die erforderliche Steuerleistung im Sinne eines solidarischen Opfers zukommen lassen wollten; zudem erschien zu diesem Zeitpunkt die Anrufung des Wetzlarer Gerichtes bereits als obsolet, da die Stellung der deutschen Frsten gegenber ihren jeweiligen Landstnden in der Folge des Friedens von Lunville entscheidend gestrkt worden war25. Damit erlitt Fritz Reventlow auch auf dem Feld der zur Geltung gebrachten historischen Landesrechte eine gravierende Niederlage – nunmehr gegen den Landesherrn, dessen innenpolitische Ziele sich in Holstein gegen den alteingesessenen Adel des Landes als durchsetzbar erwiesen hatten. Der Gesamtstaat hatte jedoch „durch diesen Konflikt keine fnf Jahre nach Bernstorffs Tod eine Wunde erhalten, die nicht wieder heilen wollte“26. Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurde allerdings fr die Herzogtmer eine außenpolitische Tatsache entscheidend: Der dnische Gesamtstaat sah sich in den Umwlzungen der Napoleonischen ra letztlich zur Aufgabe seiner Neutralittspolitik gezwungen. Im Vorfeld dieses Kurswechsels bedeutete bereits der Tod Andreas Peter Bernstorffs im Jahre 1797 nicht nur einen personellen Wechsel in der Staatslenkung, sondern auch einen „Systemwechsel von der defensiven zur offensiven Neutralittspolitik […]. Nur ein halbes Jahr nach dem Tode des alten Staatsmannes steuerte Kronprinz Friedrich auf einen Kollisionskurs gegenber England hin, in Richtung auf das Neutralittsprinzip, das das explosivste von allen war: die Unantastbarkeit neutraler Konvois.“27 Gnter Heisch, Verfassungsgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Prlaten und Ritterschaft seit 1775, S. 10 – 16; vgl. a. die historische Darstellung Louis Bobs: Ders., Die Ritterschaft in Schleswig und Holstein von der ltesten Zeit bis zum Ausgang des Rçmischen Reichs 1806, Glckstadt 1919. 25 Zum Frieden von Lunville a. u. S. 369. 26 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 297; hierzu a. Johannes Brock, Die Vorgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Erhebung von 1848, S. 27; Otto Brandt, Zur Vorgeschichte der schleswig-holsteinischen Erhebung, S. 14 f. 27 Ole Feldbæk, Revolutionskriege und Gesamtstaat: das Ende der Neutralittspolitik, S. 117; hierzu a. J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 1, S. 210 – 215 sowie S. 220 f. Ebd. S. 220 auch die entscheidende, von den Briten zunchst ber zwei Jahre abwartend hingenommene Konvoyierungsmaxime der offensiven „bewaffneten Neutralitt“: „Waren aber die Kauffahrteyschiffe von einem oder mehreren Kriegsschiffen convoyiert, sollte die blosse Erklrung des den Convoy commandirenden Officiers, daß kein Contraband wre, hinlnglich seyn und keine Visitation statt haben“; ferner Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-

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Der dnische Kronprinz gab mit der außenpolitisch fortan vertretenen Forderung, alle durch eigene Kriegsschiffe eskortierten Handelsfahrzeuge seines Staates von jeder Durchsuchung der mitgefhrten Ladung auszuschließen, letztlich jenen gewinnorientierten brgerlichen Reedern und Kaufleuten nach, die einen berseehandel um jeden Preis intendierten. Damit aber setzten sich die drngenden Impulse jenes erstarkenden Großbrgertums durch, das die dnische Regierung zu der Fehleinschtzung zu verleiten wußte, die britische Regierung sei militrisch ohnehin ber die Maßen bedrngt, weltpolitisch isoliert und derzeit daher nicht in der Lage, auch noch Dnemark in die Reihe ihrer Gegner zu ziehen. Seit dem Sommer 1800 zwang die britische Marine jedoch auch konvoyierte Handelsschiffe mit Gewalt zur Durchsuchung; dabei internierte sie jene dnischen, norwegischen sowie aus den Herzogtmern stammenden Frachtsegler, auf denen Ladung fr franzçsische und niederlndische Rechnung gefunden wurde. Daher entschloß sich die dnische Regierung im Dezember 1800 zu einem nunmehr bewaffneten Bndnis mit Rußland, Schweden und Preußen28. Unmittelbar darauf wurde der dnische Kronprinz bereits zum Anfang des Jahres 1801 von der Hegemonialmacht Rußland gençtigt, nach dem Gebot politischer Zweckmßigkeit in einer Prventivmaßnahme Ende Mrz des Jahres die Hansestdte Hamburg und Lbeck zu besetzen. Absicht dieses Vorgehens war, die Kontrolle der norddeutschen Seehfen keiner anderen kriegfhrenden Macht zu berlassen; zu diesem Zeitpunkt befanden sich bereits mehr als 150 Schiffe des Gesamtstaates in britischer Gewalt29. Im Gegenzug sollten die in den Hansestdten befindlichen britischen Waren und Guthaben beschlagnahmt werden. Das Gros des dnischen Heeres begab sich deshalb unter dem Kommando des Prinzen Carl von Hessen ins sdliche Holstein, in das der europische Krieg damit Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 251; Jann M. Witt, Frieden, Wohlstand und Reformen – Die Herzogtmer im Gesamtstaat, in: Ders. und Heiko Vosgerau, Hg., Schleswig-Holstein von den Ursprngen bis zur Gegenwart. Eine Landesgeschichte, Hamburg 2002, S. 221 – 261, hier: S. 253 f. 28 Hierzu und zum Folgenden J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 3/1: Der Kçnig Friedrich VI als Kronprinz und Mitregent, Kopenhagen 1816, S. 58 – 77; C.[arl] F.[erdinand] Allen, Haandbog i Fædrelandets Historie med henblik paa Folkets og Statens indre Udvikling, S. 545 f.; Ole Feldbæk, Danmarks historie. Bind 4: Tiden 1730 – 1814, S. 284; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 219 – 221. 29 Axel Linvald, Kronprins Frederik og hans Regering 1797 – 1807, S. 127 f.

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als erster gesamtstaatlicher Region seine beunruhigenden Schatten warf. Diese Verlagerung der Armee nach Sden intendierte zugleich die Errichtung einer Drohkulisse, die sich sowohl gegen den von Sden her expandierenden franzçsischen Eroberer als auch gegen etwaige Einflle von britischer Seite ber die holsteinischen Flußmndungen wandte. Am Grndonnerstag, dem 2. April 1801, berfiel eine von den Admiralen Hyde Parker und Horatio Nelson gefhrte britische Flotte ohne Kriegserklrung zunchst die dnischen Kriegsschiffe in Kopenhagen, um nach deren Niederringung die Stadt unter Beschuß zu nehmen30. Der berfall motivierte die Schleswig-Holsteiner zu spontanen nationalen Solidarittskundgaben mit den vor Ort betroffenen Dnen31, die auch literarischen Ausdruck fanden32. So schildert etwa Georg Friedrich Schumacher, daß dem Eintreffen der Nachrichten ber das „bravourçse Verhalten“ der Kopenhagener Verteidiger in Husum ein regelmßiger „Convent an den Posttagen in einem çffentlichen Hause“ folgte, bei dem die prodnisch „enthusiasmirten“ Teilnehmer – ein Amtsverwalter, ein Obergerichtsrat, ein Rittmeister, ein hollndischer Arzt sowie der Lehrer und Schulmeister Schumacher selbst – nach alter „Burschenweise verfuhren“, d. h. rituell feiernd vaterlandsverbundene Toasts ausbrachten33. 30 Zu den kolonialpolitischen und prventiven militrischen Hintergrnden dieses vçlkerrechtswidrigen Vorgehens J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 3/1, S. 77 – 85; Allen, Haandbog i Fædrelandets Historie med henblik paa Folkets og Statens indre Udvikling, S. 546 – 548; Ole Feldbæk, Danmarks historie. Bind 4: Tiden 1730 – 1814, S. 120 – 122; zu den Kopenhagener Gefechtshandlungen ferner Elmer B. Potter und Chester W. Nimitz, Seemacht, Herrsching 1982, S. 119 – 123. 31 So wurden in Wilster sofort 447 Taler fr die verwundeten dnischen Seeleute gesammelt, vgl. Jutta Krtz, 700 Jahre Stadt Wilster, Wilster 1982, S. 43; zur dnischen Reaktion Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 293: „Die Schlacht auf dem ,Kçnigstief‘ bedeutete fr das dnische Volk einen nationalen Aufruf. Fr Grundtvig war das Erlebnis ein Markstein auf seinem Wege zum vçlkischen Erwecker“; zum Kontext a. Jens Vibæk, Reform og Fallit. 1784 – 1830, S. 404. 32 Johann Friedrich Ernst Albrecht, Der Neutralitts-Krieg der Dnen im Jahr 1801, Leipzig 1801, bes. S. 3 – 9; K.[laus] H.[enrik] Seidlin, Kriegsereignisse zwischen Dnemark und England, von dem 30. Mrz 1801 bis zum Anfang der StillstandsUnterhandlungen am 2. April. Nach officiellen Berichten und Augenzeugen gesammelt. Nebst den Berichten des Lord St. Vincent, der Admirale Hyde Parker, Nelson und des Mr. Addington, mit erluternden und berichtigenden Anmerkungen versehen, 2 Teile in 1 Buch, Kopenhagen und Leipzig 1801. 33 Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 287 f.

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Auch der in Meldorf aufgewachsene Assessor Barthold Georg Niebuhr34 zeigte sich in der Folge der Kopenhagener Ereignisse national begeistert: „So erhebt uns der ganze beispiellose Heldenmuth, den unsre Leute zeigten und giebt uns eine wehmthige Freude voll Liebe, die […] uns wohlthut und mit vielen Banden an unser Volk bindet und uns froh macht, mit ihm zu dulden.“35

Mit einem noch gesteigerten Nationalpathos ußerte sich der Kieler Medizinprofessor Georg Heinrich Weber in einer Ansprache an die Kieler Bevçlkerung: „Erhoben steht unsere Nationalehre! […] Mit dlem Stolz fhlt dies jeder brave Dne […] Ich weiß, ich theile dies Gefhl mit allen meinen MitBrgern, denn auch wir sind brave Dnen.“36

Die Bekundungen nationaler Solidaritt endeten nicht an den Grenzen des in den Herzogtmern lebenden Brgertums. Dies verdeutlicht etwa das Beispiel Louise Stolbergs, die ihrem Bruder Christian Detlev Friedrich Reventlow am 15. April 1801 unter Zuhilfenahme biblischer Wendungen aus Windeby schrieb: „Gelobet sey Gott37, gelobet sey unser Erretter, der die Stolzen demthiget38, den Demthigen Gnade giebt39 […] mir ist’s, als wrde ein Wunder noch kommen, das kleine Dnemark zu retten, das mit nichten das kleinste in

34 Zu diesem Heinrich Nissen, ADB 23, S. 646 – 661; Johannes Straub, SHBL 5, S. 174 – 180; Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Femte Bind, udg. af Louis Bob, S. 297 f. 35 Zit. n. Dora Hensler, Lebensnachrichten ber Barthold Georg Niebuhr. Aus Briefen desselben und aus Erinnerungen einiger seiner nchsten Freunde, Bd. I, Hamburg 1839, S. 292. Besonderes Gewicht erhlt diese ußerung durch den Sachverhalt, daß Niebuhr immerhin vom Sptsommer 1798 bis zum Oktober 1799 als Stipendiat zunchst in London, dann in Edinburgh gelebt hatte. 36 Zit. n. Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen. Ein Beitrag zur Geschichte der Wiedergeburt des Deutschen Volkes, S. 78. Weitere Beispiele einer derart vaterlandsbegeisterten Rhetorik bei Gerd Vaagt, Kriegsjahre und liberale Strçmungen, in: Flensburg. Geschichte einer Grenzstadt, hg. von der Gesellschaft fr Flensburger Stadtgeschichte, S. 235 – 299, hier S. 237 f. 37 Vgl. Ps 35,27; 40,17.18; 68,20; 70,5.6; Lk 1,68; 2 Kor 1.3; 11,31; 1 Petr 1,3. Innerhalb der Kontexte dieser biblischen Belegstellen artikuliert sich jeweils die Hoffnung auf eine durch Gott herbeigefhrte Restaurierung der schçpfungsgemßen gerechten, zwischenzeitlich depravierten Ordnung. 38 Vgl. Dan 4,[33.]34. 39 Vgl. Spr 3,34; 1 Petr 5,5.6; Jak 4,6.

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Europa ist40 , denn in ihm ist noch Redlichkeit und Treue, Liebe zu Gott und den Menschen41 […] Geweckt hat uns dieser Kampf, den Werth des, so wir besitzen zeigt uns am besten die Gefahr es zu verlieren. Das Band zwischen Frst und Volk wird auch durch die Erfahrung der nothwendigen Verbindung beyder befestiget […] In unserer Provinz42 und in Holstein ward die Stimmung tglich besser, zumahl nach der Schlacht vom 2ten, die hat […] ich hoffe die ganze Nation verbunden, das ist die Hauptsache. Einigkeit43 , einen Gott und einen Zweck.“44

40 Vgl. Mich 5,1; die hier zu findende Relation einer kleinen Landstadt zur grçßeren Landschaft wird zur Analogie des Verhltnisses Dnemarks zu Europa. Bei Micha richten sich Verheißung und Hoffnung freilich auf das Erscheinen des „Herrn Israels“, sind also messianisch, d. h. personaliter orientiert; Louise Stolberg sinnt hingegen auf ein „Wunder“, das die faktische Ereigniskette durchbrechen und neu strukturieren kçnnte. 41 „Redlichkeit“, hebrisch ’aemuna, meint im alttestamentlichen Kontext die „gçttliche Grundordnung […] Nach der Kçnigsideologie des Alten Orients, die auch auf Israels Denken eingewirkt hat, ist der Kçnig auf Erden Sachwalter dieser ,prstabilisierten Harmonie‘ […] Jeder einzelne Mensch kann aber nichts Besseres tun, als sich bewußt in diese Ordnung hineinzustellen“, H.[ans] Wildberger, Art. „’mn, fest sicher“, in: Ernst Jenni und Claus Westermann, Hg., Theologisches Handwçrterbuch zum Alten Testament Band I, Mnchen 1978, Sp. 177 – 210, hier: Sp. 200. bereinstimmend mit dieser kontextuell schçpfungstheologischen Ausrichtung des Redlichkeitsbegriffes rechnen sich auch die „Treue“ sowie die „Liebe zu Gott und den Menschen“ einem Denken zu, in dem die kosmische, politische und soziale Ordnung zu einer Einheit gelangen; vgl. Hans Heinrich Schmid, Schçpfung, Gerechtigkeit und Heil. „Schçpfungstheologie“ als Gesamthorizont biblischer Theologie, in: Ders., Altorientalische Welt in der alttestamentlichen Theologie, Zrich 1974, S. 9 – 30, hier: S. 11 – 16. Mit Hilfe einer genuin alttestamentlichen Terminologie verrt Louise Stolberg ihre Wertschtzung des dnischen Gesamtstaates als einer Insel gottgemßer Ordnung inmitten einer der Schçpfungsordnung Gottes entglittenen Umwelt. Darin offenbart sich ein erkennbar dualistisches Denken. 42 Windeby, nçrdlich der Eider gelegen, gehçrte zum Herzogtum Schleswig. 43 Staatsbrgerliche Einigkeit in einem „harmonisch gegliederten Gesamtstaat“, nicht staatliche Einheit „in einem zentralistischen Einheitsstaat“ war von jeher auch das handlungsleitende Ziel der Politik Andreas Bernstorffs gewesen; sein Tod ermçglichte unter der zunehmend von Brgerlichen beeinflußten Politik des Kronprinzen den entscheidenden Paradigmenwechsel. Hierzu Johannes Brock, Die Vorgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Erhebung von 1848, 2. Aufl. Gçttingen 1925, S. 27 f.; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in SchleswigHolstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 249 – 253; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 297. 44 Zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, udg. af Louis Bob, S. 121 f. [Hervorhebung im Original].

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Der ausgeprgten Solidaritt innerhalb der gesamtstaatlichen Bevçlkerung unmittelbar nach dem britischen Angriff auf die Hauptstadt stand die soeben offenbar gewordene außenpolitische Schwche Dnemarks gegenber. Unter den Angriffen der feindlichen Seestreitkrfte sah sich die Regierung zur Kapitulation gezwungen und trat in deren Folge aus dem Bund der bewaffneten Neutralitt aus; die Konvoyierung dnischer Handelsschiffe unterblieb fortan als eine Folge der britischen Forderungen. Allein auf sich gestellt, vermochte der dnische Gesamtstaat seine Neutralitt jedoch immerhin noch sechs weitere Jahre in den gesamteuropischen Auseinandersetzungen zu bewahren. Ein beredtes Zeugnis fr die zunehmende Vorsicht der dnischen Regierung im Umgang mit den anderen europischen Mchten zeigt sich in dem im Neuen deutschen Magazin publizierten Erlaß „Sorgfalt der Dnischen Regierung fr die Erfllung der Pflichten der Neutralitt“45. Der Gesamtstaat traf umfangreiche Maßnahmen, verbot den kriegfhrenden Parteien den Zugang zu seinen Hfen, lçschte die Seefeuer, die den von See Heimkehrenden wie auch potentiellen Angreifern den Weg in die eigenen Hfen wiesen, und verlangte von den Besatzungen seiner Schiffe die Mitfhrung legitimierender Psse. In diesen Vorkehrungen spiegelte sich die Absicht eines Staates, der seine Neutralitt fast um jeden Preis zu behaupten wnschte, und gerade diese Zielsetzung einte Regierung und Volk. Die dnischen Sorgen dieser Zeit verdeutlichen einige ußerungen des Kronprinzen an seinen Finanzminister: „Indessen muss man hoffen, dass Theils den Wunsch Bonaparte zum Frieden zeiget und Ruslands Genius bald erwecken wird, und alsdan mssen sie handelen, und Preussen wird alsdan bon gr mal gr auch sprechen und alsdan wre Europa fer seine gnzlige Umstrtzung noch fr dieses Mahl zu retten. Ge[h, L.-P.]en aber diese Hofnungen nicht in Erfllung, so kçnnen wir den blutigsten Krieg erwarten.“46

Seit 1803 residierte Kronprinz Friedrich in den Herzogtmern und damit fernab des in Kopenhagen verbliebenen Staatsrates. Zumeist hielt er sich in Kiel auf, gelegentlich auch beim dnischen Statthalter in den Herzogt45 Neues deutsches Magazin Bd. 6 / 1803, S. 118 – 145, unter der Angabe Christians VII. als Autor. Mit dem Krieg, der Beeintrchtigung des Seehandels und den dnischen Desiderien dieser Zeit beschftigte sich auch August Hennings in seinen „Wahrheiten“, die er in der Minerva, Bd. 4 / 1803, S. 161 – 171, verçffentlichte. 46 Brief des Kronprinzen an den Grafen Schimmelmann aus dem „Hauptqvartier Rensburg“ vom 11. Juni 1803, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Femte Bind, udg. af Louis Bob, S. 287.

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mern in Louisenlund sowie auf der Festung Rendsburg47. Seine sich damit auch rumlich darstellende Distanz gegenber der Kopenhagener Regierung erhçhte notwendig die kommunikativen Probleme zwischen dem Regenten und dem vorerst noch von Angehçrigen der Aristokratie dominierten Staatsrat48. Dies begnstigte nicht nur den Prozeß einer zunehmend erçrterungslosen Entscheidungsfindung des absolutistisch gesinnten Monarchen, sondern auch die sich verbreiternde Kluft zwischen dem mitregierenden deutschstmmigen Adel und den zunehmend vom Kçnig bevorzugten brgerlich-dnischen Ratgebern49. Frhzeitig hatte sich eine besondere Affinitt des in rationalistischem Geist erzogenen Kronprinzen50 gegenber den aus dem Brgertum hervorgegegangenen Ge47 Hierzu Christoph Heinrich Pfaff, Lebenserinnerungen, S. 150; Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 297. 48 Unmittelbare Nachfolger Andreas Peter Bernstorffs wurden sein Sohn Christian Gnther fr das auswrtige Departement sowie sein Schwiegersohn Cai Friedrich Reventlow in der Leitung der Deutschen Kanzlei. Prsident der Rentekammer war Christian Detlev Friedrich Reventlow, Finanzminister Ernst Graf Schimmelmann; Vorsitzender des Staatsrates Herzog Friedrich Christian von Augustenburg. 49 Zu Johann Sigismund Møsting und Friedrich Julius Kaas, den vom Regenten neu berufenen Prsidenten der Deutschen bzw. Dnischen Kanzlei, Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 304 und 409 f.; Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830, S. 255 f.; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 297; zu Møsting ferner Harald Jørgensen, DBL 10, S. 300 – 302. Degn bilanziert a.a.O. S. 316: „Seit 1806 drngte Friedrich VI. […] den Staatsrat mehr und mehr zurck zugunsten des […]. Kabinettsregiments“. Letzteres aber war mehrheitlich durch Brgerliche besetzt. Das Zusammengehen von Krone und Drittem Stand hatte in Dnemark in den Umstnden, unter denen 1660 der Absolutismus gegen den Willen des Adels eingefhrt wurde – vgl. o. S. 98 f. –, ein nachhaltig wirkendes Vorbild; zum Bedeutungsverlust des deutschstmmigen Adels in der gesamtstaatlichen Administration seit dem Beginn der 90er Jahre vgl. a. Ole Feldbæk / Vibeke Winge, Tyskerfejden 1789/90. Den første nationale Konfrontation, S. 27 – 29. 50 Zum Kronprinzen und spteren Kçnig Friedrich VI.: J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 2; C.[arl] F.[erdinand] Allen, Haandbog i Faedrelandets Historie, S. 542 – 645; Axel Linvald, Kronprins Frederik og hans Regering 1797 – 1807, bes. S. 22 – 96; Marcus Rubin, Frederik VI. 1807 – 14. Studier til Københavns og Danmarks Historie, København 1892; Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830, S. 252 – 261; Claus Bjørn, DBL Bd. 4, S. 543 – 54; Ole Feldbæk, Danmarks historie. Bind 4: Tiden 1730 – 1814, S. 80 – 83; Henning Dehn-Nielsen, Danmarks Konger og Regenter, S. 317 – 325. Nach Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 1, S.149, war Friedrich im rationalistischen Geist erzogen durch den Moralisten Jens Schielderup Sneedorff

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danken der Aufklrung bemerkbar gemacht51; entsprechend vermochte nunmehr ein vorrangig auf exekutives Handeln orientierter Kreis hochgestellter dnischer Beamter den sich ausweitenden Autokratiebedrfnissen Friedrichs VI. eher entgegenzukommen als die zuvor in die Regierung eingebundenen Aristokraten. Die Berufsstnde ersetzten zunehmend die Geburtsstnde, mit deren Bedeutungsverlust sich in der Folge ein Erstarken des dnischen Elementes innerhalb des absolutistisch regierten Vielvçlkerstaates verband. An die Seite des soeben durch die Franzçsische Revolution angemahnten querschnittlichen sozialen Diskurses trat von nun an mehr und mehr das nationale Problem. Anders als Dnemark hatte jedoch das Deutsche Reich seit den frhen 90er Jahren auf die Franzçsische Revolution mit militrischer Gewalt reagiert; ber drei Koalitionskriege und den Reichsdeputationshauptschluß hinweg resultierte aus diesem Konflikt schließlich die sich im Jahre 1806 in der Niederlegung der Kaiserkrone abbildende Auflçsung des alten Reichsverbandes. sowie den geistlichen Historiker und spteren dnischen Staatsmann Ove Guldberg; zu diesen o. S. 112 bzw. S. 102 f. Als Erzieher des Kronprinzen wirkte anfnglich auch der Staatsphilosoph Tyge Rothe; zu diesem Høst, a.a.O. Th. 1, S. 164 f.; Helge Paludan, DBL Bd. 12, S. 425 – 427. Zu Beginn der Guldberg-ra fiel Rothe jedoch als Erster Brgermeister Kopenhagens in Ungnade, wurde Amtmann in Segeberg, um dann als Pensionr privatisierender Wissenschaftler zu werden. Rothe trat ein fr die Bewahrung der Eigenstndigkeiten der im dnischen Gesamtstaat vereinten Vçlker, worin die Hauptursache seiner politischen Kaltstellung unter Guldberg zu suchen ist. L.[udvig] N.[icolaus] Helweg, Den danske Kirkes Historie efter Reformationen, D. 2, Kjøbenhavn 1855, schildert S. 215 f. Rothes scharfen Gegensatz zu den franzçsischen Philosophen von Bayle bis Voltaire, wobei er den Voltairianismus als antichristlich gebrandmarkt habe. Mçglicherweise trug sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erziehungsprozeß des Kronprinzen gerade zu einer maßgeblichen Verfestigung jener rationalistischen Auffassungen bei, die sich dieser anschließend dauerhaft aneignete. 51 L.[udvig] N.[icolaus] Helweg, stellt den jungen Kronprinzen a.a.O. S. 257 als einen „liberalen“ und in alle Richtungen freisinnigen Entscheidungstrger dar, dem seit seiner bernahme der Regententtigkeit eine relativ weitgehende Zulassung der Meinungsfreiheit wie auch ein „demokratischer Ton“ innerhalb der Regierung wichtig gewesen seien; vgl. hierzu a. die Ausfhrungen ebd. S. 291: „Men denne Tid [i.e. 1790 – 1794, L.-P.] fik i Danmark en særegen Charakteer derved, at alle Frihedssværmenrne med samme Enthusiasme sluttede sig til Kronprinds Frederik og hans Regjering, hvis demokratiske Grundsætninger ikke skrev sig fra igaar, men fra den Dag, han og hans Raadgivere toge Sæde i Staatsraadet“. Zu Friedrichs praktizierter Toleranz gegenber religiçsen Fragen und seiner „nchternen und praktischen Veranlagung“ ferner Axel Linvald, a.a.O., S. 27 f.

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War der erste Koalitionskrieg seinem Wesen nach ein Interventionskrieg zum Schutz des franzçsischen Kçnigtums wie auch des europischen Verfassungsprinzips52, so erwies sich der zweite Koalitionskrieg von Anfang an als „ein europischer Defensivkrieg gegen die fortschreitende Expansion des nationaldemokratischen Imperialismus“53, wie er sich im nachrevolutionren Frankreich etabliert hatte. Mehrfache Niederlagen der Koalitionsstreitkrfte fhrten am 9. Februar 1801 zum Frieden von Lunville, in dem das Deutsche Reich neben Belgien und Lttich auch das linke Rheinufer an Frankreich abtreten mußte54. Die außerordentliche verfassungsrechtliche Bedeutung dieses Friedens lag darin, daß die hier kodifizierten Konditionen zum Anlaß wurden, „im verbleibenden Reichsgebiet eine vollkommene territoriale Umwlzung, darber hinaus aber auch eine tiefgreifende Verfassungswandlung einzuleiten“55. Die Institution der geistlichen Frstentmer wurde in einem aus dem antiklerikalen und antifeudalen Ideenkreis der Revolution hervorgegangenen Skularisierungsschub aufgehoben; die von geistlicher Herrschaft freigewordenen Gebiete dienten anschließend zur Entschdigung linksrheinischer Verluste. Das Kirchengut fiel an den Staat; die Vielzahl der Reichsstdte und sonstigen kleineren reichsunmittelbaren Herrschaften beugte sich dem Prozeß ihrer Einebnung. Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 180356 ermçglichte und besttigte die im Frieden von Lunville kodifizierten staats- und kirchenrechtlichen Neuerungen57 und zerstçrte dadurch die politischen und rechtlichen Grundlagen des alten Reiches. Der dritte Koalitionskrieg, in dem Frankreich gegen Großbritannien, Rußland und sterreich stand, sah die Reichsstnde Bayern, Baden und Wrtemberg auf der Seite Frankreichs im Krieg mit dem Deutschen Kaiser. Der anschließend am 26. Dezember 1805 in Preßburg geschlossene Frieden erhob Bayern und Wrtemberg zu souvernen Kçnigreichen; mit dem Austritt der Rheinbundstaaten aus dem Reich geriet dieses vçllig in den Prozeß seiner Auflçsung. Die zutage getretene Willensund Handlungsunfhigkeit des Reiches visualisierte sich abschließend in 52 53 54 55 56

Vgl. o. S. 77 f. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band 1, S. 38. Der Regensburger Reichstag billigte diese Bedingungen am 7. Mrz 1801. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band 1, S. 41. Textabdruck bei Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte. Deutsche Verfassungsdokumente 1803 – 1850, Bd. 1, 3. Aufl., S. 1 – 27; vgl. hierzu a. Michael Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Alten Reich bis Weimar (1495 – 1934), S. 225 – 228. 57 Zu diesen Vernderungen im einzelnen Huber, a.a.O., S 45 – 61.

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der Niederlegung der Kaiserkrone, die seiner faktischen Auflçsung gleichkam58. Das Ende des Deutschen Reiches beeinflußte auch den dnischen Gesamtstaat, hatte der dnische Kçnig in seiner Eigenschaft als holsteinischer Herzog doch stets dem Kreis der Reichsfrsten angehçrt. Nun aber wirkten die Reichsauflçsung und die aus dieser hervorgehende Neuausrichtung der Herrschaftsverhltnisse inspirierend auf die politische Zielsetzung des dnischen Regenten, seinen unterschiedliche Ethnien umfassenden Gesamtstaat nunmehr in einen zentralistischen Einheitsstaat zu berfhren. Bereits im unmittelbar vor dem Reichsende liegenden Zeitraum unternahm der Kronprinz daher konkrete Schritte in die Richtung einer „Inkorporation Holsteins in Dnemark“59 ; diese schilderte er gegenber dem Prsidenten der Dnischen Kanzlei Friedrich Julius Kaas als einen mehr als zwanzig Jahre alten „Lieblingsplan“60. Das Inkorporationsvorhaben betrieb er nunmehr gegen die Opposition des Herzogs Friedrich Christian II. von Augustenburg61 in raschen Schritten62 ; genau 58 Am 06. August 1806 legte der 55. rçmisch-deutsche Kaiser Franz II. die Reichskrone nieder. Hierzu Huber, a.a.O., S. 47 – 61; ders., Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte Bd. 1, S. 37 f., sowie Michael Kotulla, a.a.O., S. 230 – 232. 59 Hierzu und zum Folgenden die aus der Erhebungszeit stammende Darstellung bei Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, Hg., Die Herzogthmer SchleswigHolstein und das Kçnigreich Dnemark. Aktenmßige Geschichte der dnischen Politik seit dem Jahr 1806, S. 9 – 29; Aage Friis, Holstens indlemmelse i Danmark i aaret 1806. En historisk undersøgelse, København 1905; Johannes Brock, Die Vorgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Erhebung von 1848, S. 27 f.; Otto Brandt, Geistesgeschichte und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 325 – 327; ders., Zur Vorgeschichte der schleswig-holsteinischen Erhebung, S. 16 f.; ders., Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 229 f.; Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 569 – 571 und 582; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 297 – 302. – Untersttzung fand das Vorhaben des Regenten seitens des franzçsischen Außenministers, dessen Interesse sich im europischen Kontinentalkrieg auf die Gewinnung weiterer Bundesgenossen richtete; so machte Talleyrand – zu diesem o. S. 173 f. – bereits Anfang August 1806 gegenber Geheimrat Dreyer, dem dnischen Geschftstrger in Paris, den Vorschlag, nach dem Ende des Reiches „Holstein unmittelbar der dnischen Krone zu unterstellen: ,La France approuvera et sanctionnera cela‘“, Degn, a.a.O., S. 297. Dreyers entsprechende Depesche traf am 20. August d. J. im Kieler Hauptquartier des Kronprinzen ein, Friis, a.a.O., S. 8. 60 So Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 325. 61 Hierzu Degn, a.a.O. – Das Vertragswerk von Sarskoje Selo aus dem Jahre 1773 – zu diesem o. S. 114 f. – hatte die Abtretung der gottorfisch-holsteinischen Rechte an

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einen Monat nach der Niederlegung der Kaiserkrone schrieb der Regent an seinen Finanzminister: „Nichts in der Welt kann mir von den Entschluss abbringen Holstein mit Dnnemark je mehr zu trennen und ich werde ein jeden von meinen Nachkommen hierin strken […] Mein Schwager hat heimlich sein angenommen Patriotische Wesen abgenommen, und seiner Holsteinische, mit der Muttermilch eingesogene Hass gegen das dnische Kçnigshaus zeigt sich zu deutlig, sollte er abgehen wollen63, so wre dies vor der Hand nicht meinen Wunsch und dann mssen Sie ihm abhalten, indessen sollte er je Schritte gegen Dnnemark wagen, alsdan sol er, wen er auch Rusland, Schweden vor sich haben mag, jemand in mir finden, den er gewis sol verdriesen beleidiget zu haben [… nun sei (L.-P.)] ein Augenblick wo es nur ankçmt eine Vereinigung von die verschiedenen Staten zu machen unter ein Zepter und Gesetz64, dazu kçmt, dass der Kçnig nicht aufhebt, die sogenannte Rechte, nein es ist der Keyser, der es gethan hat, dazu komt noch dass von Partielle Rechte65 ganz und gar nicht die Rede ist.“66

Absolutistisches Denken, in dem der Wille des Einen sich im Willen aller abzubilden wnscht; dynastische Zwietracht, die in der Lage ist, internationale Animositten zu nutzen; das Mittel der Drohung gegen den Abweichler; schließlich auch der Blick auf die politische Schwche der deutschen Staaten als des in kulturell-nationaler Hinsicht mit Dnemark

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das dnische Kçnigshaus auf dessen mnnliche Linie beschrnkt; bei deren eventuellem Aussterben mußten die agnatischen Rechte daher wieder aufleben. Unter Hinweis auf die mchtigen Agnaten des Hauses Gottorf auf den Thronen Stockholms und St. Petersburgs verteidigte Friedrich Christian II. vor allem die Interessen seines Augustenburger Hauses. Details der diplomatisch diffizilen Bewltigung dieses Vorhabens zwischen dem 20. August und dem 9. September 1806 bei Aage Friis, Holstens indlemmelse i Danmark i aaret 1806, S. 10 – 52. Anspielung auf den potentiellen Austritt Friedrich Christians aus dem Staatsrat. Der Aspekt des einen Gesetzes intendiert die Ausweitung der lex regia und damit der spezifisch dnischen Erbfolgeregelung auf die weiteren Landesteile des Gesamtstaates, im konkreten Falle hier auf Holstein; vgl. hierzu Friis, a.a.O., S. 18 f.; zur lex regia o. S. 98 – 100. Der Kronprinz sieht hier den Kontext des Reichslehensrechtes als vom Kaiser einseitig aufgekndigt an. Daran knpft er aus seiner Sicht die Erledigung der an den Zeitraum eines existierenden Deutschen Reiches gebundenen Landesrechte als nunmehr obsolet gewordener „partieller Rechte“. In einem seiner vollkommenen Einheit entgegenstrebenden dnischen Staat htten diese Rechte daher jedwede juristische Qualitt notwendig verloren. Brief des Kronprinzen an Ernst Schimmelmann vom 6. September 1806 aus dem „Hauptqvartier Kiel“, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Femte Bind, udg. af Louis Bob, S. 289.

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konkurrierenden Bezugspunktes der Holsteiner: Wie in einem Kaleidoskop finden sich in diesen Gedanken des Kronprinzen die fr den weiteren Weg Dnemarks und Holsteins bis in die Zeit der Erhebung hinein maßgeblichen Brennpunkte jener Auseinandersetzung um die Staatsgewalt, wie sie mit langer Dauer vorerst auf der Grundlage eines Diskurses ber das historische Recht gefhrt werden sollte. Erst der radikal-demokratische Gedanke eines gegen den Verbleib Holsteins im Gesamtstaat zur Geltung zu bringenden Volkswillens brachte einige Jahrzehnte spter neues Argumentationspotential in diesen sich letztlich zur Erhebung auswachsenden Konflikt. Im Jahre 1806 weigerte sich Ernst Graf Schimmelmann jedoch, die Inkorporationsverfgung zu „paraphiren“67; allerdings: er war entbehrlich. Der Kronprinz fand einen willfhrigeren Mitarbeiter in seinem brgerlichen Kanzleiprsidenten. Selbstbewußt schrieb Friedrich an Schimmelmann: „Sie wnschen die neue Verfgung nicht zu paraphiren, wohlan, das erlaube ich Ihnen, obschon ich glaube das Recht zu haben es von Ihnen verlangen zu kçnnen, in dem Fal dass Sie dies nicht thun, habe ich schon befohlen, dass der Cancelei President Moesting68 es thun sol […] Ich verbleibe stets Ihr warer Freund, obschon Sie mir Krieg declarirt haben.“69

Deutlich zeichnet sich an dieser Stelle der schrittweise Ausstieg des deutschen Adels aus den Entscheidungen der dnischen Politik ab70 ; ebenso tritt 67 Vgl. den erregten Brief des Kronprinzen an Schimmelmann vom „6. September 1806 Kl. 12 Uhr des Nachts“, Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Femte Bind, udg. af Louis Bob, S. 290 f., hier S. 290. 68 Abdruck des formell von Christian VII. verfgten und von Møsting gegengezeichneten Inkorporationspatents bei Aage Friis, Holstens indlemmelse i Danmark i aaret 1806, S. 51 f. Die zunehmende Schwchung der deutschstmmigen Aristokratie verrt sich nicht zuletzt in der Rezipierung des zwischenzeitlich nobilitierten Kanzleiprsidenten Johann Sigismund von Møsting durch die schleswigholsteinische Ritterschaft im Jahre 1810, vgl. Gnter Heisch, Verfassungsgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Prlaten und Ritterschaft seit 1775, S. 13; zu Møsting ferner Harald Jørgensen, DBL 10, S. 300 – 302. 69 Brief Friedrichs an Schimmelmann vom 6. September 1806, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Femte Bind, udg. af Louis Bob, S. 289.S. 290 f. 70 Wenn im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts immer noch deutschstmmige Adlige Aufnahme in die gesamtstaatliche Regierung und deren Administration fanden, sahen sich diese oft einer Kritik aus den Herzogtmern ausgesetzt, die ihnen dnisch gesinnte Parteilichkeit und damit Abtrnnigkeit vorwarf. Erstes Opfer dieser Entwicklung war im Jahre 1813 Ernst Schimmelmann, der sich

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hier sein sich abkhlendes Verhltnis zum zunehmend autokratischer werdenden Regierungsstil des dnischen Monarchen hervor. Dessen Inkorporationspatent verband Holstein71 seit dem 9. September 1806 tatschlich als in „jeder Beziehung vçllig ungetrennten Theil“ mit der „Unserm Kçnigl. Scepter untergebenen Monarchie“. Folglich war Holstein „von nun an Unserer alleinigen unumschrnkten Botmssigkeit unterworfen“72 : Die „Enevælde“ des dnischen Kçnigsgesetzes wollte ihren Einzug nehmen zwischen Eider und Elbe; Initiatoren und Trger dieser Absicht waren der selbstbewußte Absolutismus der Krone sowie jene Kreise des dnischen Brgertums, die vor dem Hintergrund ihrer grundstzlichen Zustimmung zu den Intentionen der Aufklrung die gesellschaftlichen Leitgedanken der Franzçsischen Revolution deren Wesen nach zu billigen wußten73. Das Selbstverstndnis der dnischen Enevælde hatte von jeher auf ihren genuin demokratischen Ursprung zurckgegriffen und sich damit vom absolutistischen Regiment anderer europischer Mchte erheblich unterschieden: Der lex regia von 1665 war kein ursurpativer Akt eines Frsten voraufgegangen, sondern der sich zur Darstellung bringende Wille einer Volksmehrheit. Geradezu im Gegensatz dazu hatte das dnische Brgertum im Verlauf des 18. Jahrhunderts den steigenden Einfluß des deutschen Adelselementes in der Lenkung des Staates als zunehmende Aushçhlung der eigentlichen Staatsverfassung und damit als eine sich einschleichende Restitution des Zweiten Standes zu begreifen gelernt. Das Ereignis der Franzçsischen Revolution wie auch das Ende des alten Deutschen Reiches lieferten nunmehr die sozialen und nationalen Handlungsimpulse fr ein Brgertum, das hnlich wie dasjenige von 1660/ 1665 den Bund mit dem absoluten Kçnig vollzog, und dem es jetzt um eine Verdrngung jener deutschen Adelskaste ging, die fr das Ausbleiben der Frchte jenes nahezu anderthalb Jahrhunderte zuvor beschrittenen Weges angesichts der Auswirkungen der von ihm nolens volens mitgetragenen finanztechnischen Regierungsverfgungen mit erheblichen Vorwrfen konfrontiert sah; vgl. Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 323 f.; ferner Claus Heinrich Bill, Edelleute im schleswig-holsteinischen Regierungsprsidium im 19. Jahrhundert, in: Nobilitas. Zeitschrift fr deutsche Adelsforschung, I / 1998, S. 115 – 141 und 156 – 162. 71 Das Patent beginnt mit einer Reflexion der historischen Sachlage; diese differenziert den ehemals dnischen Anteil Holsteins, um diese Regionalteile anschließend „unter der gemeinsamen Benennung des Herzogthums Holstein“ aufzufhren. 72 Zit. n. Friis, a.a.O., S. 51. 73 Zum Folgenden Otto Brandt, Zur Vorgeschichte der schleswig-holsteinischen Erhebung, S. 11 f.

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verantwortlich gemacht wurde. Damit ging es den maßgeblichen Kreisen des dnischen Brgertums um die Restauration der Enevælde in deren ursprnglichen Sinn, um die Harmonisierung des in genuin dnischer Weise interpretierten Absolutismus mit einer im weitesten Sinne verstandenen demokratischen Verfaßtheit der Gesellschaft. Konkret bedeutete dies die Zusammenfhrung des rationalistisch-absolutistischen Frstenwillens mit dem rationalistisch-demokratischen Willen der zu einem immer strkeren Selbstbewußtsein zu erweckenden dnischen Nation. Vor diesem Hintergrund fand „die Auflçsung der Verbindung Unserer gedachten Lande mit dem deutschen Reiche“74 ihren symbolischen Ausdruck in der Entfernung des alten Eidersteines ber dem Rendsburger Holstentor, dessen eingemeißelte Botschaft die Zeit ja soeben berholt hatte: „Eidora Romani terminus imperii“75. Auch die Umbenennung der in Kopenhagen fr die Herzogtmer administrativ ttigen „Deutschen Kanzlei“ in „Schleswig-Holsteinische Kanzlei“76 vermittelte die politische Absicht einer kulturellen und politischen Neuausrichtung des Gesamtstaates, die nicht weniger intendierte als die Assimilierung der Herzogtmer unter dem Vorzeichen ihrer Danisierung. Doch erneut wirkte das außenpolitische Moment auf die innenpolitischen Vorhaben der dnischen Regierung ein. Der Krieg zwischen Frankreich und Großbritannien war mit kurzer Unterbrechung in jene Phase getreten, die sich metaphorisch in der Rede vom Krieg des Elefanten gegen den Wal niederschlug, da das junge Kaiserreich zu Lande, die Inselmacht hingegen zur See unbesiegbar blieb. Angesichts dieser militrischen Lage verlagerte sich die Kriegfhrung auf das çkonomische Gebiet77: Napoleon78 verhngte am 21. November 1806 aus dem soeben eroberten

74 Zit. n. Aage Friis, Holstens indlemmelse i Danmark i aaret 1806, S. 51. 75 Hierzu Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 302; eine Abbildung des alten Reliefs findet sich bei Jens Vibæk, Reform og Fallit. 1784 – 1830, S. 413. 76 Seit 1815 durch Hinzutreten Lauenburgs „Schleswig-Holstein-Lauenburgische Kanzlei“; hierzu Alexander Scharff, Schleswig-Holsteinische Geschichte, S. 47. 77 Zum Folgenden die detaillierte Darstellung J.[ens] Kragh Høsts, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 3/2, S. 170 – 268; ferner C.[arl] F.[erdinand] Allen, Haandbog i Fædrelandets Historie, S. 550 – 552; Jens Vibæk, Reform og Fallit. 1784 – 1830, S. 260 – 300; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 303 – 307; Ole Feldbæk, Danmarks historie. Bind 4: Tiden 1730 – 1814, S.293 – 296. 78 Zu Napoleon Bonaparte: Roger Dufraisse, Napoleon; Martyn Lyons, Napoleon Bonaparte and the legacy of the French Revolution, Basingstoke 1994; zu den

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Berlin die Kontinentalsperre; die Briten antworteten anderthalb Monate spter mit der „Order in council“, die jeden Verkehr – auch den neutraler Staaten – mit den Hfen Frankreichs und seiner Verbndeten untersagte. Bis zum Sommer 1807 spitzte sich die Lage fr den neutralen Gesamtstaat derart zu, daß Napoleon am 2. August des Jahres der Kopenhagener Regierung sein Ultimatum zustellen ließ, welches diese zwischen franzçsischem Einmarsch und einer Kriegserklrung an die Briten whlen ließ. Bereits am nchsten Tag erschien eine britische Flotte vor Seeland79 ; auch die Briten stellten ihrerseits die Wahl zwischen Krieg und Allianz. Whrend der nachfolgenden zhen Verhandlungen widersetzte sich die dnische Regierung dem aggressiven Drngen des in Tçnning angelandeten britischen Unterhndlers. Der Invasion britischer Truppen auf Seeland folgte eine Bombardierung Kopenhagens, die weite Teile der Stadt in Schutt und Asche legte. Am 7. September 1807 kapitulierten die Dnen, woraufhin sich die Briten die dnische Flotte aneigneten und in ihre Heimat verbrachten80. Wie sechs Jahre zuvor fhrte die außenpolitische Bedrngnis des Gesamtstaates innenpolitisch zu einer hochgradigen Solidarisierung seiner Bevçlkerung81; jeder nach der Inkorporation Holsteins denkbare Auswirkungen Napoleons auf die deutschen Verhltnisse seiner Zeit Golo Mann, Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, S. 62 – 103. 79 Hierzu Elmer B. Potter und Chester W. Nimitz, Seemacht, S. 145 f. 80 Bereits am 16. August des Jahres gab die holsteinische Regierung in Glckstadt im Namen Christians VII. den Kriegszustand zwischen „Dnnemark und England“ bekannt; der Wortlaut der Publikation findet sich bei Høst, a.a.O. (Anm. 77), S. 197 – 199; ebd., S. 243 – 246 auch der Wortlaut der Kopenhagener Kapitulationserklrung vom 7. September 1807. Zum Ganzen a. Vibæk, a.a.O., S. 297 – 300. 81 Cf. Anonymer Verfasser [i.e. Johann Daniel Timotheus Manthey, L.-P.], Ist es England gelungen, seinen Raubzug gegen Dnemark zu rechtfertigen? Eine Untersuchung, veranlaßt durch die englische Deklaration vom 25. Sept. 1807, Kiel 1807. Der in Glckstadt geborene Theologe und Legationsrat Johann Manthey wirkte zu dieser Zeit als Charg d’affaires in Hamburg, nachdem er zunchst den dnischen Gesandtschaften in Algier und Paris angehçrt hatte, vgl. G.[ustaf ] L.[udvig] Wad,. DBL Bd. 11 / 1897, S. 103 f. – Auch August Hennings ußerte sich angesichts des berfalls außerordentlich empçrt, als er am 14. September 1807 an seine Tochter Ccilie Wattenbach nach Hamburg schrieb: „Das schreckliche Ende der Expedition der Englnder gegen Kopenhagen wirst Du wohl gehçrt haben. Der Verstand verdummt bei diesen Scheußlichkeiten und das Herz wird so zerrissen, daß Sprache und Ausdruck fehlen, den Abscheu zu beschreiben“; doch bewies er bei aller moralischen Entrstung in gleichem Maße khle politische Urteilskraft. So hob er die Bedeutung des Friedenserhaltes und im Hinblick auf diesen die erforderliche Anpassung der gesamtstaatlichen Streitkrfte an die neue politische Sachlage hervor, denn „eine Hlfe der Franzosen wrde das Unglck des

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Diskurs ber die Landesrechte unterblieb angesichts der Entrstung ber den „Mordbrandraub der Dnenflotte“, wie sie etwa in einem dem Kronprinzen zugeeigneten lyrischen Traktat des Rektors des Altonaer Christianeums ihren Ausdruck fand82. In welchem Ausmaß die Kriegsereignisse zum Anwachsen eines Nationalempfindens beigetragen hatten, das die Staatsgewalt nicht kritisch hinterfragte, sondern akklamatorisch glorifizierte, zeigt bereits die Widmung jenes Schulleiters aus dem soeben danisierten Altona: „Dem unerschtterlichen Kçnigssohn, / der, mannhaft, weis’ und wach, im Außendrange / auf seines hohen Postens Warte stand / und durch der Unpartheilichkeit Aegide, / mit fester Hand erhçht, das weiße Kreuz / friedselig an des Landes Grnze wehen / und ruhig durch die Meere wallen sah, / bis Albion an Dana’s stille Ksten / auf Mordbrandraub mit dumpfem Kiel entfuhr.“83

Dem kritiklosen Lobpreis des Staatslenkers korrespondiert der sich am Frsten aufrichtende Ausblick des brgerlichen Untertanen in eine bessere Zukunft: „Alles Gold umspannt / noch nicht die freche Faust der Dreizackschwinger, / vor denen nimmer Du Dich beugen wirst. / Auf! trete festen Muths in allen Landes nur vergrçßern. Ohne Trnen kann man nicht an Kopenhagen denken, ohne Zhneknirschen nicht an die Englnder – aber wenn ich an den Staat denke, so kann ich nicht einsehen, daß er politisch viel verloren hat. Der Verlust muß im Frieden ersetzt werden, und dann werden wir hoffentlich gelernt haben, daß unser Verteidigungszustand einer Umformung bedarf“, zit. n. Hans Werner Ritschl, August von Hennings, S. 147 f. Die Verantwortlichen fr die dnische Niederlage sah Hennings in dem „Prediger Hudtwalker und dem Arzt Bang“; diese htten, so Hennings brieflich am 22. Oktober 1807, „den durch sein Alter und seine Verwundung schwach gewordenen Peymann – den Stadtkommandanten von Kopenhagen – zur Kapitulation berredet“, Ritschl, a.a.O., S. 148. Allerdings irrt Ritschl, wenn er S. 146 – 148 im Zusammenhang der Ereignisse des Jahres 1807 vom berfall Nelsons auf Kopenhagen spricht; dieser war bereits in der Seeschlacht bei Trafalgar am 21. Oktober 1805 seinen Verletzungen erlegen. Der 1807 auf Kopenhagen gerichtete britische Angriff wurde von Admiral Lord John Gambier gefhrt. Zum weiteren Kontext der dnisch-britischen Auseinandersetzungen vgl. ferner J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 3/2, S. 172 f.; ebd. S. 267 f. zahlreiche weitere entsprechende Literaturangaben aus dem zeitgençssischen Umfeld. 82 Gottlieb Ernst Klausen, Der Mordbrandraub der Dnenflotte. Ein historisches Gedicht. Bei der Feier des Kçniglichen Geburtstagsfestes am 29sten Januar 1808 im grçßeren Hçrsaale des Christianei zu Altona gelesen, Altona 1808. 83 Ebd. S. I f.

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Stnden, / wer Kraft zu weihen hat und Gut zu spenden, / zu des bedrngten Vaterlands Altar / und bringe treu und hold sein Opfer dar, – / vermeßnen Frevels wilder Muth zur Rache, – / dem besten Frsten und der reinsten Sache! / daß ehrenvoll, nach khnem, edlem Streit, / im Siegerkranz der Beharrlichkeit, / an Friedrich’s Hand zurck der Friede eile / und, wo noch Wunden bluten, sanft sie heile!“84

Doch blieb jede Aussicht auf Heilung durch eigene Kraft und Opfer aus. Die langen Jahre einer zunchst vorteilhaften Neutralitt waren vorbei. Die Regierung des dnischen Gesamtstaates mußte sich jetzt fr eine kriegfhrende Seite entscheiden. Der Kronprinz wandte sich in dieser nach dem zweiten britischen Großangriff eingetretenen und fr seinen Staat so beraus desastrçsen Situation mit der Bitte um Rache an Napoleon85. Daraufhin besiegelte der Vertrag von Fontainebleau am 31. Oktober 1807 die Bundesgenossenschaft zwischen dem keine drei Jahre zuvor durch eigene Hand gekrçnten Empereur de France86 und der sich genuin durch den 84 Ebd. S. 80. 85 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 307. 86 Am 8. Mai 1804 hatte der franzçsische Senat Napoleon Bonaparte zum erblichen Kaiser der Franzosen ernannt; am 2. Dezember 1804 krçnte sich dieser in Notre Dame de Paris, nachdem er in der Folge seiner Salbung durch Pius VII. die Krone aus den Hnden des Papstes lediglich bernommen hatte. Hierzu Roger Dufraisse, Napoleon, S. 90 – 92; ebd. S. 90: „Zweck der von Napoleon gewnschten Weihehandlung war, seine Monarchie auch durch das gçttliche Recht zu legitimieren. Vom Papst gesalbt zu werden bedeutete außerdem, die Bourbonen zu bertrumpfen“. Zweifellos instrumentalisierte Napoleon vor dem Hintergrund seiner globalen Ansprche die ppstliche Kirche im Ereignis seiner Krçnung als buchstblich „katholische“ Kirche; doch globalisierte sich damit gleichfalls der religiçse Rahmen seiner erstrebten monarchischen Stellung. An die Stelle der mittlerweile aufgelçsten, zu ihrer Zeit stets an Frankreich und seinen Belangen orientierten gallikanischen Staatskirche trat nun die weltumspannende katholische Kirche, die unterschiedliche Vçlker, Ethnien und Nationen unter gemeinsamen dogmatischen Vorzeichen einte und in der Lage war, nationale Gegenstze grundstzlich zu transzendieren. Nun jedoch nahm der katholische Empereur de France anlßlich seiner Krçnung zur Visualisierung seiner caesaristischen Intentionen die Partnerschaft des unter berlieferten Statusaspekten einzig quivalenten religiçsen Exponenten in Anspruch. Napoleon bezahlte hierfr zum einen den Preis der Erkennbarkeit seiner persçnlichen Absicht, berlieferte mittelalterlich-sakrale Aspekte des Gottesgnadentums mit der exklusiv skularen machtpolitischen Evolution eines Brgerlichen knstlich und letztlich widerspruchsvoll zu amalgamieren; zum anderen brachte sich in der ppstlichen Beteiligung an der Krçnung ein religiçses Dogma zur Geltung, das von seinem eigenen ganzheitlich-ubiquitren Anspruch her jeden national begrenzten Rahmen notwendig sprengen mußte.

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Gedanken des Gottesgnadentums konstituierenden dnischen Monarchie87.

2. Die Kriegsjahre und ihre Auswirkungen auf das staatsbrgerliche Bewußtsein Die schleswig-holsteinisch-dnisch-norwegischen Truppen standen nunmehr auf der Seite der kriegfhrenden Franzosen, und damit begann eine bis ins Jahr 1814 und so bis in die Niederlage Napoleons andauernde Bundesgenossenschaft88. Gemß den Vereinbarungen des nach der Zerschlagung Preußens zwischen Napoleon und dem russischen Zaren geschlossenen Tilsiter Abkommens wandte Rußland sich nunmehr gegen Schweden, um Finnland zu erobern; auf die Kopenhagener Regierung wurde entsprechend Druck ausgebt, diesem Gegner Rußlands gleichfalls den Krieg zu erklren89. Mit dem Beginn des Krieges gegen Schweden im Mrz des Jahres 1808 sah sich der Gesamtstaat in einem Zweifrontenkrieg, durfte jedoch auf die beiden mchtigsten europischen Landmchte als Verbndete rechnen. Eine dnische Armee stieß von Norwegen aus ohne besondere militrische Effizienz nach Schweden vor, whrend die Streitkrfte des Zaren Finnland einnahmen und Gustav IV.90 sowie die Regie87 Hierzu Johannes Krumm, Lex Regia, Das Dnische Kçnigsgesetz von 1665, S. 47 f. 88 Die Erinnerung an die bis zuletzt bewahrte Bndnistreue des dnischen Kçnigs wurde auch im republikanischen Frankreich des Jahres 1849 noch gepflegt; so rhmte der franzçsische Prsident Dnemark als einen der „ltesten und treuesten Verbndeten Frankreichs“, vgl. das KCB vom 9. Juni 1849, S. 580. Diese Hervorhebung des 1849 zwar bereits konstitutionell-monarchisch verfaßten, zu Beginn des Jahrhunderts jedoch von einem absoluten Monarchen regierten ehemaligen Bundesgenossen durch einen franzçsischen Politiker der Revolution indiziert die herausragende Bedeutung des nationalen Momentes im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts. 89 Zum Folgenden: J.[ens] Kragh Høst, Entwurf einer Geschichte der dnischen Monarchie unter der Regierung Christian des VII., Th. 3/2, Kopenhagen 1816, S. 282 – 295; Hans Jensen, Dat se bliven tosamende. Eine Geschichte SchleswigHolsteins, S. 57 – 59; Christian Degn, a.a.O., S. 307 – 314; Jens Vibæk, Reform og Fallit. 1784 – 1830, S. 305 – 357. 90 Gustav IV. wurde im Mrz 1809 whrend einer Offiziersverschwçrung verhaftet und fr sich sowie seine Erben zum Thronverzicht gezwungen. Inthronisiert wurde statt seiner sein kinderloser Onkel als Karl XIII. Zu dessen Nachfolger whlten die Schweden den Augustenburger Prinzen Christian August, der im Januar 1810 in Stockholm eintraf, dort jedoch bereits Ende Mai des Jahres verstarb. Die Absichten

2. Die Kriegsjahre und ihre Auswirkungen auf das staatsbrgerliche Bewußtsein 379

rung in Stockholm zu einem Frieden zwangen, in den auch Dnemark eintrat. Fortan richteten sich jedoch verstrkt begehrliche Intentionen des schwedischen Hofes nach Westen auf einen Gewinn Norwegens, um den Verlust Finnlands im Osten auszugleichen. Die verbliebene zweite Front sah Dnemark in anhaltender Defensive auf dem Weltmeer. Der gesamtstaatliche Handel brach ein, den Reedern fehlten die durch die Briten beschlagnahmten Schiffe91. Mehr als dreißigtausend Soldaten unter dem vorerst noch unter Napoleon dienenden Marschall Jean Baptiste Bernadotte zogen durch die Herzogtmer und wollten verpflegt sein. Zum Schutz vor gegnerischen Anlandungen wurden in den Kstenbereichen des Gesamtstaates Milizen ausgehoben und den ins Land strçmenden allierten Truppen92 an die Seite gestellt. Dabei kam es im sdlichen Holstein unter den zu diesem Dienst herangezogenen Brgern zu erstem erkennbaren Widerstand, der sich an der Hinterfragung eines Krieges entzndete, den man zumindest in dieser sdlichen Region des Gesamtstaates nicht als den eigenen ansah. So ereigneten sich in Elmshorn „wegen der Aufstellung dieser Miliz tumultartige Szenen“93, die sich als des dnischen Kronprinzen auf den schwedischen Thron blieben unbercksichtigt; die Mçglichkeit zur Wahl des Augustenburger Herzogs Friedrich Christian wurde hingegen von Friedrich VI. hintertrieben. Auf den Vorschlag eines schwedischen Leutnants hin whlten die Schweden einen Napoleoniden, den franzçsischen Marschall Jean Baptiste Bernadotte, der als Carl Johann zum schwedischen Thronfolger aufstieg; hierzu Dietrich Hermann Hegewisch, Geschichte der schwedischen Revolution bis zur Ankunft des Prinzen von Ponte Corvo als erwhlten Thronfolger. Mit den authentischen Staatspapieren, Kiel 1811; zum Kontext Jens Vibæk, Reform og Fallit. 1784 – 1830, S. 372 – 374. 91 Bis zum Kieler Frieden im Januar 1814 bßte der dnische Gesamtstaat nahezu 3500 Handelsschiffe ein, so die Angabe Christian Degns, Die Herzogtmer im Gesamtstaat, S. 307. 92 Eine Auflistung der auf Grund dieser Truppenbewegungen etwa nach Itzehoe gelangten franzçsischen, belgischen und spanischen Soldaten findet sich bei Rudolf Irmisch, Geschichte der Stadt Itzehoe, Itzehoe 1960, S. 237 f.; bei einer Einwohnerschaft von ca. 2700 Personen wurde die Stadt allein whrend des Zeitraumes vom 8. bis zum 13. Mrz 1808 von 13340 alliierten Soldaten durchquert. Dabei hatte sie Quartiere und Versorgungsgter bereitzustellen; die deswegen verauslagten Gelder beliefen sich zwischen Mrz 1806 und Februar 1809 auf 21 665 Taler, von denen die Kopenhagener Regierung unter erheblicher zeitlicher Verzçgerung 12 809 Taler erstattete. 93 Hans Hinrich Kçhncke, Elmshorn. Chronik einer Stadt, o. O. 1970, S. 155. Solche Brgerwehren wurden in zahlreichen Stdten der Herzogtmer ins Leben gerufen, in der Universittsstadt Kiel auch ein studentisches Jgercorps; wie jener empçrte Teil der Elmshorner Bevçlkerung ußerte sich spter auch Georg Friedrich Schumacher in seinem Rckblick kritisch ber die Installation dieser

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ziviler Ungehorsam zu direkten Befehlsverweigerungen auswuchsen, deren zahlreiche Urheber jedoch rasch zu empfindlichen Freiheitsstrafen verurteilt wurden94. Ganz anders reagierte man in Flensburg auf die mittlerweile entstandenen defensiven Erfordernisse95. Hier ruhten Einkommen und Besitz weitgehend auf dem zunehmend beeintrchtigten berseehandel, und so hatte etwa die sich nicht von ungefhr nach einem dnischen Kçnig benennende Christiansgarde keine Probleme, junge Mnner zur Auffllung ihrer Lcken zu bewegen. Der Flensburger Magistrat ließ Gewehre und Kanonen beschaffen, mit denen der Reichtum der Stadt vor einem von der Seeseite her denkbaren Angriff der Briten geschtzt werden sollte. In Flensburg fhrten die Interessen des wohlhabenden Brgertums nach dem anhaltenden Verlust eigener Handelsschiffe sogar zur – allerdings erfolglos gebliebenen – Aussendung von Kaperschiffen. Auch resultierten aus der sukzessiven Aufbringung der eigenen Handelsflotte keine gegen die Regierung gerichteten Ressentiments der Flensburger Kaufleute und Reeder, deren notwendiges Interesse es war, die Schiffe gewinnbringend einzusetzen und sie dabei im Rahmen des kaufmnnischen Risikos eben auch der katastrophal verlaufenden Begegnung mit feindlichen Seestreitkrften auszusetzen. Gerade in der Wegnahme der Fahrzeuge durch die gegnerische Marine zeigte sich, daß der gesamtstaatliche Handel auf der britischen Seite als wesentlicher Grund fr die Fortsetzung des Krieges erschien. Insofern begegneten hier innerhalb des gesamtstaatlichen Gefges brgerliche Interessen einem außenpolitischen Widerstand, fr den die eigene Regierung letztlich nicht mehr verantwortlich zu machen war. Die Analyse der politischen und wirtschaftlichen Situation fhrte daher oftmals eher zu diffamierenden Vorwrfen und Anklagen, die sich an die Adresse des britischen Gegners richteten. Beispielhaft hierfr scheint das folgende Zitat aus einem Brief Christian Detlev Friedrich Reventlows an seine Schwester Louise Stolberg vom 6. Juni 1813: Hilfsstreitkrfte: „Es fiel den Englndern nicht ein, unsre Ksten zu molestiren; hatten sie ja, was sie haben wollten, die Flotte. Dieses Milizwesen bei uns kostete Zeit und Geld, und fhrte zu nichts“, ders., Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 397. 94 Kçhncke, a.a.O., S. 157. 95 Hierzu und zum Folgenden Gerd Vaagt, Kriegsjahre und liberale Strçmungen, in: Flensburg. Geschichte einer Grenzstadt, hg. von der Gesellschaft fr Flensburger Stadtgeschichte, S. 235 – 299, hier S. 238 f.

2. Die Kriegsjahre und ihre Auswirkungen auf das staatsbrgerliche Bewußtsein 381

„Die Zeit wird wohl kommen, dass Beelzebub, die Hure Babels, die auf dem Meere herschet und mit allen Kçnigen gehuret hat, die Lsterer und die Heuchler fallen werden, und Gott Sein gengstetes und zertretenes Volk in Seinen mchtigen Schutz nehmen wird.“96

Daher war es nur konsequent, wenn Besitzbrgertum und Regierung in der Bewltigung dieser politischen Notlage eng zusammenstanden und die Staatsgewalt als solche vorerst nicht hinterfragt wurde. Dennoch standen den kriegsbedingten Verlusten und den stark zurckgehenden Einnahmen aus dem nicht zuletzt an den Folgen der Kontinentalsperre97 allmhlich zugrundegehenden Handel permanent steigende Verteidigungsausgaben gegenber. Fortwhrend wurden seitens des Staates Anleihen aufgenommen, immer weitergehende Steuern erhoben. Die dnische Regierung half sich durch eine unaufhçrliche Ausgabe ungedeckten Papiergeldes und erzwang den Umlauf dieser zusehends wertloser werdenden Zahlungsmittel mit staatlicher Gewalt98. Demgegenber existierte in den Herzogtmern seit 1788 eine eigene Silberwhrung, die unter der Bezeichnung „Schleswig-Holsteinisch Courant“ kursierte. Ihrem Wert nach orientierte sich diese Whrung der Herzogtmer an den in Lbeck und Hamburg blichen Courantwhrungen. Die gleichfalls 1788 gegrndete Altonaer Speciesbank war unter der Bedingung einer Vorhaltung von wertidentischen Silberreserven zur Herausgabe von Papiergeld ermchtigt. Im weiteren Verlauf des Krieges wurde die Altonaer Bank jedoch zum Aufkauf ungedeckten dnischen Geldes gezwungen; 96 Zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Første Bind, udg. af Louis Bob, S. 144 f. 97 Hans Jensen, Dat se bliewen tosamende. Eine Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 57: „Jede Einfuhr von englischen Waren wurde verboten, smtliche Ksten und alle Hafenstdte wurden gesperrt. Ein Heer von Zçllnern und Kstenwachen patroullierte Tag und Nacht die langen Ksten entlang […] Nur der Schmuggel blhte“. 98 Im Jahre 1812 kam ein dnischer Speziestaler in Silber etwa 1600 dnischen Couranttalern gleich, was einen Kursverfall herab auf 15 Prozent bedeutete; hierzu und zum Folgenden Werner Pfeiffer, Geschichte des Geldes in Schleswig-Holstein, Heide in Holstein 1977, S. 48 – 50 und 67 – 69; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 346 – 351; ders., Zur Vorgeschichte der schleswig-holsteinischen Erhebung, S. 15; Hans Jensen, a.a.O., S. 58 f.; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 322 – 327; Jens Vibæk, Reform og Fallit. 1784 – 1830, S. 372 – 386; Dieter Kienitz, Der Kosakenwinter in Schleswig-Holstein. Studien zu Bernadottes Feldzug in Schleswig und Holstein und zur Besetzung der Herzogtmer durch eine schwedisch-russisch-preußische Armee in den Jahren 1813/14, Heide 2000, S. 27 – 30.

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außerdem erwarben franzçsische Agenten im Jahre 1812 von Hamburg aus whrend des napoleonischen Rußlandfeldzuges das bis dato gedeckte schleswig-holsteinische Papiergeld, um es sich unter Anwendung von Repressalien gleich darauf in Silbergeld durch die Altonaer Bank auszahlen zu lassen. Die Silberreserven der Herzogtmer schwanden auf diese Weise zusehends. Deshalb ließ die Regierung die geringen verbliebenen Reserven der Altonaer Bank noch im gleichen Jahre nach Rendsburg verlegen. Doch war die Summe nicht mehr hinreichend fr eine auch nur annhernde Deckung des im Umlauf befindlichen Papiergeldes, weswegen die Einlçsbarkeit der schleswig-holsteinischen Whrung sehr bald von Regierungsseite gestoppt wurde. Dieser Rechtsakt riß die Bewohner der Herzogtmer auf einen Schlag mit hinein in den chaotischen Strudel der dnischen Inflation. Gleichzeitig fhrte der Ausbau der Streitkrfte fr einen erheblichen Teil der werkttigen Bevçlkerung Dnemarks zu einem erheblichen Anstieg seiner Prosperitt. Brieflich beklagt der auf der dnischen Insel Lolland beheimatete Christian Detlev Friedrich Graf Reventlow gegenber seiner Schwester Louise Stolberg am 12. September 1811 die auseinanderdriftende Entwicklung zwischen Dnemark und den Herzogtmern; das Vokabular des um die Bauernbefreiung verdienten Aristokraten99 antizipiert dabei erstaunlicherweise die Rhetorik des erst Jahrzehnte spter einsetzenden Klassenkampfes: „Glaube nicht, […] dass ich mich tusche, wenn ich dir sage, dass der Wohlstand hier und in Dnemark betrchtlich unter dem Kriege in der arbeitenden und erwerbenden Klasse zugenommen hat. Gebe Gott, es wre auch so in den Hertzogthmern, wo es just das Gegentheil ist, wo nur die Capitalisten und die, die feste Revenuen haben, glcklich sind, und jeder Betrieb unterdrckt ist. Hier leiden nur Capitalisten und kçnigliche Beamte. Die Bauern bezahlen alte und neue Schatzungen und Restantzen und fhlen es nicht, denn alles wird ihnen doppelt und vierdoppelt bezahlt.“100

Nach fnf Jahren aufgezwungener Kriegfhrung sah sich die Kopenhagener Regierung vor die Aufgabe einer Konsolidierung des gesamtstaatlichen Geldwesens gestellt. Dies veranlaßte sie zu einem Schritt, der einer Erklrung des Staatsbankrotts gleichkam101. Die Regierung erließ am 99 Vgl. o. S. 231 f. Anm. 401. 100 Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Første Bind, udg. af Louis Bob, S. 143. 101 Hierzu Jens Vibæk, Reform og Fallit. 1784 – 1830, S. 348 f. und 372 – 386.

2. Die Kriegsjahre und ihre Auswirkungen auf das staatsbrgerliche Bewußtsein 383

5. Januar 1813 eine neue Finanzverordnung102, die „de jure das Geldwesen der Herzogtmer mit dem dnischen verschmolz“103. Neue Whrung wurde der Reichsbanktaler, dem die Bevçlkerung der Herzogtmer aus politischen wie auch aus historischen Grnden104 grundlegend mißtraute, zumal jeder Eigentmer von Silber- und Papiergeld der zuvor gltigen Whrungen dieses Kapital in toto verlor. Die neugegrndete Reichsbank nahm ihren Sitz in Kopenhagen. Erst die durch anhaltende Proteste erwirkte weitere Verordnung vom 9. Juli 1813 ermçglichte den Bewohnern der Herzogtmer den erneuten und damit zustzlichen Gebrauch ihres „Schleswig-Holsteinischen Courant“. Da dessen Anteil in Papiergeld nicht weiter gedeckt war, erging gleichzeitig die Anordnung, daß jeder Gutsbesitzer, Brger und Bauer nunmehr sechs Prozent des Wertmaßes seiner unbeweglichen Habe in Silber an die Reichsbank abzufhren habe. Der Immobilienbesitz erforderte daher eine Liquiditt, ber die nicht jeder Grundeigentmer verfgte105 ; Nichtzahlungsfhigkeit fhrte jedoch zu einer „Bankhaft“106. Diese bestand in der Eintragung einer Hypothek auf den Besitz unter sofort einsetzender sechseinhalbprozentiger, wiederum in Silber aufzubringender Verzinsung. Zur jahrelang angestiegenen Besteuerung bei gleichzeitigem Umsatz-, Einnahme- sowie Bargeldverlust trat so fr jeden Besitzbrger der Verlust eines Sechszehntels seiner Grundstckswerte. Unmittelbare Folgen dieser regierungsseitig zu verantwor102 Vgl. die Chronologische Sammlung der im Jahre 1813 ergangenen Verordnungen und Verfgungen fr die Herzogthmer Schleswig und Holstein, Kiel 1815, S. 3 – 30, vgl. im Hinblick auf die Herzogtmer bes. S. 21 – 28. Die durch die prekre Staatslage diktierte Verordnung ging auf den Finanzminister Ernst Schimmelmann zurck, dem sie als unpopulre Maßnahme die schrfste Kritik eintrug; hierzu Dieter Kienitz, Der Kosakenwinter in Schleswig-Holstein, S. 29; Hans Jensen, Dat se bliewen tosamende. Eine Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 58; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 323 f.; Jens Vibæk, a.a.O., S. 349. 103 Werner Pfeiffer, Geschichte des Geldes in Schleswig-Holstein, S. 69; hierzu a. der anonym publizierten Essay „Die Reichsbank“ in: Neue Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte 3 / 1813, S. 248 – 253. 104 „Schon 1781 nannte Ernst Schimmelmann die dnischen Banknoten: die ewige Lge“, erinnert sich Louise Stolberg am 15. Juni 1813 in einem an Christian Detlev Friedrich Reventlow gerichteten Brief, in dem sie die katastrophal gewordene finanzielle Lage ihres Gutes Windeby darlegt; zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, udg. af Louis Bob, S. 133. 105 Symptomatisch die Feststellung Georg Pasches, Chronik des Kirchspiels Bornhçvede, Schleswig 1839, S. 140: „Im Octbr. [sc. 1813, L.-P.] wurde ber die Gter Depenau und Bockhorn Concurs erklrt“. Zu Depenau auch o. S. 206 Anm. 313. 106 Hierzu die Verordnung ber die Reichsbankhaft, LAS 66 Nr. 3698,10.

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tenden Whrungs- und Steuerreform waren daher zahlreiche Zwangsversteigerungen und ein enormer Anstieg der wirtschaftlichen Not. Die in Schleswig und Holstein auch unter Anwendung erheblicher Repressionen107 durchgesetzte Bankhaft ließ einen bedeutenden Teil des hier vorhandenen Silbergeldes an die neue Reichsbank nach Kopenhagen abfließen. Whrend die Bevçlkerung der Herzogtmer durch den maroden Staatshaushalt so ber ihre Krfte gefordert wurde, wurden den dnischen Bauern fnf Sechstel ihres Bankhaftvolumens erlassen. Zur Kompensation dieses Geldverlustes wurden anschließend in einseitiger Weise erneut die Herzogtmer herangezogen, indem ihren Bewohnern die zustzliche Aufbringung weiterer fnf Millionen Reichsbanktaler abverlangt wurde108. Die Folge dieser bestndigen Imponderabilien offenbarte sich in einem zuvor unvorstellbaren Verlust an Treu und Glauben und damit in einem verzweiflungsbedingten Rckgang der staatsbrgerlichen Treue und Loyalitt, der sich in den Wirren einer Kriegszeit unter den Druckmitteln des Absolutismus jedoch nur ohnmchtig zu artikulieren wußte. Christian Degn kommt in seiner Auswertung einer Vielzahl von in den Herzogtmern abgefaßten Briefen des Jahres 1813 nicht von ungefhr zu dem Fazit, daß sie durchweg erfllt seien „von Klagen und Vorwrfen, von Konkurs- und Korruptionsschilderungen. Die Kritik an der Finanzpolitik mndet als reißender Strom in die bisher noch ruhigere Kritik an der Außen- und Innenpolitik, das heißt am Bndnis mit Frankreich und an dem Danisierungs- und Zentralisierungsprogramm des Absolutismus.“109 107 Dieter Kienitz, Der Kosakenwinter in Schleswig-Holstein.: „Die Grundeigentmer in den Herzogtmern zweifelten daran, daß das Vorgehen Kopenhagens noch rechtens war; aus ihrer Sicht wurde mit den Maßnahmen die ,gçttliche Ordnung‘ angetastet. Das Ansehen des Kçnigs und damit des Gesamtstaates kam erstmals ins Wanken“; Johannes Brock, Die Vorgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Erhebung von 1848, spricht S. 27 von einem „Stoß ins Herz der Landesrechte“. 108 Hierzu Dieter Kienitz, Der Kosakenwinter in Schleswig-Holstein, S. 29 f. Zu den Auswirkungen vgl. a. die kritischen Anmerkungen Friedrich Christoph Dahlmanns in seiner aus dem Mrz 1814 stammenden sog. politischen Erstlingsschrift „ber die letzten Schicksale der deutschen Unterthanen Dnemarks und ihre Hoffnungen von der Zukunft“, hg. von C. Varrentrapp, in: ZSHG 17 / 1887, S. 22 f. 109 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 326; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, analysiert S. 347 die Folgen der Aufhebung eines eigenen schleswigholsteinischen Bankwesens zugunsten der neugeschaffenen Kopenhagener Zentralbank: „In der Kopenhagener Reichsbank sah man von nun an das verabscheuungswrdigste Instrument eines alles Sonderrecht und alle nationale Eigenart

2. Die Kriegsjahre und ihre Auswirkungen auf das staatsbrgerliche Bewußtsein 385

Bereits seit dem Jahre 1809 hatte sich der Kçnig in seinen die Herzogtmer betreffenden Erlassen nicht mehr „Friedrich“, sondern „Frederik“ genannt110 ; Hand in Hand mit diesem Symbol der Danisierung ging nun seine Reputation und mit dieser das Ansehen des Gesamtstaates unter weiten Teilen der schleswig-holsteinischen Bevçlkerung erkennbar zurck. So erscheint es nicht als verwunderlich, daß das 1810 vom Kçnig erlassene „Rescript wegen behutsamer Einfhrung der dnischen Sprache in Kirche und Schule“111 in jenen Regionen, in denen die Allgemeinheit plattdeutsch sprach, keiner besonderen Willfhrigkeit begegnete: Beispielsweise blieb es in den Amtsstuben Handewitts und seiner Umgebung ganz einfach „unbearbeitet liegen“112. Außenpolitisch zeigte sich ein auf Grund des Kriegsverlaufes realisierungsfhiges Interesse des Stockholmer Hofes an einer Aneignung Norwegens113. Am 10. Juli 1813 erneuerte Friedrich VI. daher durch den Vertrag von Dresden seine Allianz mit Napoleon, und auch nach der Vçlkerschlacht bei Leipzig114 entschied sich der dnische Kçnig fr die Aufrechterhaltung seiner Bundesgenossenschaft mit dem zusehends ge-

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zertretenden kçniglichen Absolutismus, einen grauenvolle Opfer fordernden Moloch“. Zur „Ausbeutung der Herzogthmer im einseitig dnischen Interesse“ im Kontext einer repressiven Finanzpolitik vgl. a. Rudolph Schleiden, Jugenderinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. 1, Wiesbaden 1886, S. 58 – 61; 120 – 123 sowie dens., Erinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. II, Wiesbaden 1890, S. 56 f. – Noch im September 1842 bt ein Artikel im Kieler Correspondenzblatt angesichts der geplanten Wiedereinfhrung des dnischen Reichsbankgeldes in den Herzogtmern heftige Kritik an der Einseitigkeit der seit mittlerweilen drei Jahrzehnten erbrachten Opfer: „Millionen haben wir geopfert, es ist hier nicht der Ort das Materielle zu berechnen, kommt auch nicht auf eine Million mehr oder minder an, sondern viel mehr auf die Folgen […] seit dreißig Jahren haben die Holsteiner gutes Silber in die Casse getragen und was ist von der andern Seite eingeschossen? […] Sollen wir Frieden, innern Frieden haben, so weckt nicht unsere schlummernden Erinnerungen“, KCB 73/1842, S. 321. Otto Brandt, Zur Vorgeschichte der schleswig-holsteinischen Erhebung, S. 16. Hierzu Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 583 f. Asmus Andresen u. a., Chronik des Kirchspiels Handewitt, o. O. 1990, S. 119. Zum Sprachreskript a. Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 583 f.; Alexander Scharff, Schleswig-Holsteinische Geschichte, S. 47; Christian Degn, a.a.O., S. 317 – 320; ebd. S. 318: „Durchgefhrt wurde der Wunsch des Kçnigs nicht“. Am 3. September hatte Dnemark dem Kçnigreich Schweden neuerlich den Krieg erklrt. Hierzu und zum Folgenden Christian Degn, a.a.O., S. 329 – 346; Dieter Kienitz, a.a.O., S. 24 f. 18. Oktober 1813.

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schwchten franzçsischen Kaiserreich. Nur vier Tage nach der Leipziger Schlacht erfolgte die dnische Kriegserklrung an die franzçsischen Gegnermchte Rußland und Preußen. In deren Folge fiel ein schwedischrussisch-deutsches Heer unter dem neugewhlten schwedischen Kronprinzen Jean Baptiste Bernadotte in die Herzogtmer ein und besetzte diese115. Damit begann nach allen berstandenen Widrigkeiten jene Phase, die sich der Erinnerung der schleswig-holsteinischen Bevçlkerung als „Kosakenwinter“ einprgte116. Whrend dieser Monate kampierte etwa die Bevçlkerung Pinnebergs „auf Dachbçden, in Stllen und Scheunen, selbst im Backofen wurden sie von Soldaten verdrngt; die Klte setzte sogar den Russen zu“117. Mit dem Inkrafttreten des Kieler Friedens beauftragte die Regierung smtliche Magistrate der Herzogtmer mit der Zusendung von Berichten ber die nach dem Abzug der Besatzungstruppen entstandene Lage. Der Oldesloer Magistrat hob dabei hervor, daß in der Ausfhrung von Anordnungen der Besatzungsmacht „jede selbst durchaus nothwendige Zçgerung oder Weigerung […] persçnliche Mißhandlungen zur Folge“ gehabt habe118. Der durchlebte Verlust an Menschlichkeit spiegelt sich in der Darstellung der Besatzungshusaren als „Abschaum der Menschheit“119. Der Eckernfçrder Magistrat120 vergegenwrtigt zahlreiche „Drohungen der Plnderung, des Niederhauens und Todtschießens“121. Der ehemalige

115 Hierzu Hans Jensen, Dat se bliewen tosamende. Eine Geschichte SchleswigHolsteins, S. 59. 116 Zu diesem der Erlebnisbericht von Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 400 – 412; ferner K.[nud] C.[hristian] Rockstroh, Ereignisse und Verhltnisse in den Herzogtmern Schleswig und Holstein whrend der Invasion 1813/14, in: ZSHG 44 / 1914, S. 125 – 219; Ernst Michelsen, Der Kosakenwinter 1813/14 nach den amtlichen Berichten, in: SSHKG R. II Bd. 6/1917, S. 301 – 312; Walther Stephan, Kosakenwinter in Emkendorf, in: NE 15 / 1939, S. 425 – 452; Dieter Kienitz, Der Kosakenwinter in Schleswig-Holstein, S. 87 – 160. 117 Dieter Beig, Pinneberg whrend der Napoleonischen Kriege, Pinneberger Tageblatt v. 13. Mrz 2000. 118 Bericht des Magistrats zu Oldesloe an den Kçnig v. 18. Februar 1814, zit. n. K.[nud] C.[hristian] Rockstroh, Ereignisse und Verhltnisse in den Herzogtmern Schleswig und Holstein whrend der Invasion 1813/14, S. 155 – 157, hier: S. 155. 119 Ebd. S. 156. 120 Ebd. S. 160 – 162. 121 Ebd. S. 161; vgl. hierzu auch C.G. Hanssen, Versuch einer Chronik von Eckernfçrde, Kiel 1833, S. 40 f.

2. Die Kriegsjahre und ihre Auswirkungen auf das staatsbrgerliche Bewußtsein 387

Plçner, nunmehrige Rantzauer Amtmann August Hennings122 meldet an den Kçnig: „Mit den gewaltsamen Rubereien wurden eigenmchtige Requisitionen verbunden, zu denen jeder Officier sich berechtigt glaubte.“123

Der Hçrnerkirchener Pastor Johann Peter Tiedemann und seine Familie wurden im Pastorat Opfer eines Raubberfalles durch Soldaten124 ; ein Beteiligter „strzte gleich wthend hinein und forderte mit Aufhebung seines Sbels 50 R.[eichstaler, L.-P.] von mir […] Darauf hat er meinen Sohn mit dem Sbel gestoßen […] Meine Frau wurde von ihm geschlagen, verwundet, auf die Brust gestoßen, daß sie rcklings zur Erde fiel […] Sie rißen alles heraus, nahmen alles was ihnen gefiel.“125.

Der Flensburger Brgermeister ußerte sich ber das rohe Verhalten des russischen Generals Tettenborn, der am 7. Januar 1814 mit 2000 Kosaken in die etwa 12000 Einwohner zhlende Stadt eingerckt war126 : „Der General [i.e. von Tettenborn, L.-P.] empfing uns [i.s. Brgermeister Hans Rudolf Feddersen und eine Abordnung der Stadt, L.-P.], ausgestreckt auf dem Sopha liegend und von seinen Adjutanten umgeben. Seine Vorwrfe ber die Verabsumung des ihm schuldigen Respects waren bitter und heftig. Wir htten ihn brutalisiert, so hieß es, in seiner Person den Kaiser beleidiget; unser Benehmen solle der Stadt 200 0000 R.[eichstaler, L.-P.] kosten, das ihm angewiesene Quartier sey ein Hundeloch […].“127

Vor dem Empfang hatte der General, angekndigt, „die Stadt an allen Ecken anznden zu lassen“, da er am Stadttor nicht durch den gesamten Magistrat begrßt worden sei128.

122 Vgl. zu diesem seinen die Grafschaft Rantzau betreffender Bericht vom 22. Mrz 1814, ebd. S. 167 – 180. 123 Ebd. S. 169. 124 Hierzu die „Anzeige dessen, was die Plnderer mir, dem Pastor zu Hçrnerkirchen, geraubt haben. 16. Dec. 1813“, ebd., S. 180 f. 125 Zit. n. K.[nud] C.[hristian] Rockstroh, a.a.O., S. 181. 126 Ebd. S. 206 – 211 der Bericht des Magistrats in Flensburg an den Kçnig vom 27. April 1814; hierzu auch Gerd Vaagt, Kriegsjahre und liberale Strçmungen, S. 242. 127 Zit. n. K.[nud] C.[hristian] Rockstroh, a.a.O., S. 208. 128 Gerd Vaagt, a.a.O.

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Mit alldem zeichnet sich ein eindrucksvolles Bild von Angst, Not, Krankheit und Tod129. Schutzlos sehen sich die Menschen in den Herzogtmern dem Terror und der Willkr einer Soldateska preisgegeben, die nçrdlich der Kçnigsau eben nicht in gleicher Weise wtet130. Sehnlichst wird der Frieden erwartet. Fr die fremde Besatzungsarmee bilden die Herzogtmer die Kernregion ihres Aufenthaltes; daher finden hier auch die Friedensverhandlungen statt. In der Dnischen Straße in Kiel wird am 14. Januar 1814 zwischen Dnemark und Preußen, Russland, sterreich und Schweden der „Kieler Friede“131 geschlossen; in diesem tritt der dnische Gesamtstaat das norwegische Kçnigreich als souvernen Besitz an Schweden ab, um im Gegenzug Schwedisch-Vorpommern mit der Insel Rgen als territoriale Erstattung zu erhalten. Dieses wiederum tauscht das Kçnigreich Preußen in der Folge gegen Lauenburg ein, dessen rechtmßiger Herzog der dnische Kçnig mit dem Jahr 1816 wird. Im gleichen Jahr sieht sich Friedrich VI. infolge der Verhandlungen des Wiener Kongresses veranlaßt, die Inkorporation Holsteins rckgngig machen132. Das von britischen Seestreitkrften besetzte Helgoland verbleibt seinen Okkupanten. Der prozentuale Anteil der deutschsprachigen Bevçlkerung im nunmehr erheblich verkleinerten dnischen Gesamtstaat steigt durch die Abtretung Norwegens und das Hinzutreten Lauenburgs erheblich an: „Dnen und Deutsche standen sich nunmehr im Verhltnis 3 : 2 gegenber“133. Nicht nur dieser numerische Aspekt, auch ein sich in der Folgezeit eher 129 Auch das nicht zu den Herzogtmern gehçrende Eutin blieb von den Folgen der Landesbesetzung nicht verschont; hierzu Ernst-Gnther Prhs, Geschichte der Stadt Eutin, S. 190 – 193. 130 August Twesten, aus Holstein stammender Theologiestudent, ußert sich bereits im Sommer 1812 gegenber seinem Lehrer Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher: „Die harten Auflagen und das drckende Soldatenwesen entfremdet das Volk, und es bleibt jedem nur das Interesse an sich selbst. Wer nicht entweder mit dem großen Haufen in den Tag hineinleben oder durch eigene innnere Kraft sich halten kann, sondern das Bedrfniß hat, sich im Ganzen und als Glied eines Ganzen zu fhlen, der ist hier wahrlich bel daran“, Brief vom 17. Juli 1812, zit. n. C.F. Georg Heinrici, D. August Twesten nach Tagebchern und Briefen, Berlin 1889, S. 229. 131 Hierzu und zum Folgenden Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 344 – 350; Jens Vibæk, Reform og Fallit. 1784 – 1830, S. 358 – 364; zur Aufnahme des Friedens seitens der Kieler Bevçlkerung a. Max Leisner, Feiern, Feste und Vergngen im alten Kiel, Kiel 1974, S. 40 – 42. 132 Vgl. Degn, a.a.O., S. 350. 133 Hans Jensen, Dat se bliewen tosamende. Eine Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 59.

3. Die Not der Herzogtmer im Spiegel schleswig-holsteinischer Predigten

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latent auswirkendes verletztes kollektives Gerechtigkeitsempfinden, nicht zuletzt die whrend der jngsten Vergangenheit gemachten Leidenserfahrungen veranlassen einen nicht unerheblichen Teil des Brgertums in den Herzogtmern schon recht bald zum Nachdenken ber die eigene politische, kulturelle – und daraus resultierend: – nationale Identitt. So bemerkt Johann Georg Rist, in spterer Zeit von 1834 bis 1846 Mitglied der Schleswig-Holsteinischen Regierung134, in seinen Lebenserinnerungen: „Ich gestehe, daß nach den Erfahrungen, die ich ber unsere innere und moralische Wehrlosigkeit in dieser Zeit gemacht hatte, mein Gefhl als Holsteiner und die Freude ber den Frieden an die Stelle einer schmerzlichen Demtigung trat, die nicht abzuschtteln war.“135

Zunehmend wird in den Herzogtmern whrend der kommenden Jahrzehnte eine Suchbewegung einsetzen, die sich exklusiv an der deutschen Kultur orientiert und die damit verbunden den inmitten der Freiheitskriege sdlich der Elbe als verheißungsvolle Hoffnung propagierten Gedanken einer deutschen Nation adaptiert hat. Direkt und indirekt zeigen sich darin die Folgen der Hinterlassenschaft der Franzçsischen Revolution.

3. Die Not der Herzogtmer im Spiegel schleswig-holsteinischer Predigten Die revolutionren Wirren und deren in einen Krieg von europischer Dimension ausmndende Folgen hatten auch die bis ins Jahr 1807 vom Krieg verschont gebliebenen Bewohner der Herzogtmer erschttert und verunsichert. Diese Befindlichkeit aufgreifend, publiziert der Altonaer Pastor Nikolaus Funk136 von 1809 bis ins Jahr 1812 drei Bnde seiner 134 Vgl. Gertrud Nordmann, Schleswig-Holsteinische Beamte 1816 – 1848, S. 50. 135 Johann Georg Rist, Lebenserinnerungen, Theil II, hg. von Gustav Poel, Gotha 1880, S. 306. 136 Zu diesem D.[etlev] L.[orenz] Lbker und H.[ans] Schrçder, Lexikon der Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1796 – 1828, 1. Abth., Altona 1829, S.181 f.; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten I, S. 270; Johannes Moritzen, SHBL 2, S. 152 f.; Matthias Wolfes, BBKL XIX, Sp. 499 – 502. Funk wirkte seit 1791 in Altona, wo er sein gesamtes Berufsleben bis 1840 verbrachte. Als Theologe von eher gemßigtem Rationalismus, nahm er an Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung regen Anteil und widmete sich intensiv karitativen Aufgaben wie der Armen- und Waisenfrsorge, vgl. dens., Geschichte und Beschreibung des Waisen-, Schul- und Arbeitshauses in Altona, Altona 1803, sowie ders., ber Verbindung des Schulwesens

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„Predigten zur Belebung des Glaubens an die gçttliche Weltregierung“137. In der Vorrede zum ersten Band dieser Predigtreihe hebt Funk hervor: „Unerwartete, zum Theil schaudervolle Begebenheiten und Leiden stellen den hohen, trçstlichen Glauben an Gott als sittlichen Regenten seiner Welt seit mehrern Jahren auf eine schwere, harte Probe.“138

Die eingangs abgedruckte Predigt139 offenbart in ihrer Exposition einen seelsorgerlich bemhten analytischen Weitblick; die gegenwrtigen Zeiten scheinen dem Pastor den „frohen, frommen Glauben an die gçttliche Weltregierung so mchtig“ zu erschttern, „dass selbst derjenige, der in den Augenblicken ruhiger Besonnenheit sich auch nicht den leisesten Zweifel an dieselbe verziehe, dennoch […] in Gefahr gerth, ihren heilsamen Einfluß auf die Leitung menschlicher Angelegenheiten voll Unmuth zu bersehen und trostlos zu verkennen.“140

Gleichzeitig beobachtet Funk in der aktuellen gesellschaftlichen Realitt ein „Mißverhltniß zwischen Wrdigkeit und Wohlseyn, zwischen Verdienst und Lohn“141. Von dieser Uneinsehbarkeit der Verhltnisse her nhert sich der Prediger seiner Zuhçrer- und Leserschaft in der Darstellung des seines Glaubens an Gott verlustig gegangenen Menschen: „Wie verlassen ist ein Mensch, der aus dem großen Schiffbruche unserer Tage, aus den wilden Bewegungen ganzer Vçlker, aus den Trmmern niedergestrzter Kçnigreiche und Frstenthronen, aus dem Jammer, der aus Htten und Pallsten uns gegenwrtig dumpf und traurig entgegentçnt, nicht einmal

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mit Industrieschulen, Altona 1804. Auch in die Auseinandersetzungen um das Kieler Schullehrerseminar – hierzu o. S. 300 Anm. 688 – hatte Funk eingegriffen; vgl. dens., Sendschreiben an Se. Hochgrfliche Excellenz den Herrn Grafen Friederich von Reventlow, Ritter vom Danebrog, Geheimen Rath und Curator der Universitt Kiel, o. O. 1805; Sendschreiben (wider Hermann Daniel Hermes als Nachfolger Mllers) an den Grafen von Reventlow, o. O. 1805. Mit Pastor Detlev Johann Wilhelm Olshausen – zu diesem o. S. 317 – 324 – verband Funk eine tiefe Freundschaft, die ihn nach dem Tod seines Freundes in çkonomisch und politisch schwierigen Zeiten zum Ratgeber der Sçhne Wilhelm, Justus und Theodor Olshausen werden ließ; zu diesen u. S. 421 – 434. N.[ikolaus] Funk, Predigten zur Belebung des Glaubens an die gçttliche Weltregierung, Erstes Heft, Altona 1809; Zweites Heft, Altona 1810; Drittes Heft, Altona 1812. N.[ikolaus] Funk, Predigten zur Belebung des Glaubens an die gçttliche Weltregierung, Erstes Heft, Vorrede, S. VII. Funk, Erste Predigt, „Was es heiße, an eine gçttliche Weltregierung zu glauben.“ (ber Apg 17, 22 – 28), a.a.O., S. 1 – 22. Ebd. S. 1. Ebd. S. 2.

3. Die Not der Herzogtmer im Spiegel schleswig-holsteinischer Predigten

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die milde, trçstliche Zuversicht rettet, daß auch in dieser grauenvollen Verwirrung der Keim zu einer schçnern, glcklichern Ordnung der Dinge enthalten sey!“142

Die Folgen des Krieges wertet der Altonaer Pastor damit als allgemeine Katastrophe mit egalisierenden Konsequenzen fr alle Teile der Gesellschaft – sowohl in „Htten“ als auch in „Pallsten“. Vom seelsorgerlichen Anspruch her belßt Funk es jedoch nicht bei dieser Darstellung. Indem er Unsicherheit und Leiden als menschliche Herausforderung versteht, gesteht er seiner Gemeinde kein Nachlassen in der Verfolgung ihrer „Bestimmung“ zu, whrend er Gott als „Urheber aller Vernderungen in der Welt“ reklamiert, der „diese Vernderungen so erfolgen“ lasse, „daß die Menschen beym weysen, gewissenhaften Gebrauche ihrer Krfte ihre Bestimmung zur Tugend stets vçlliger erreichen kçnnen“143. Gott sei kein Vorwurf zu machen, denn grundstzlich bleibe er „eben so anbetungswrdig, wenn er unsere Gebete um irdische Gter und Freuden nicht erhçrt, als wenn er sie erhçrt“144. Von diesem pastoralen Ansatz her integriert Funk die Not seiner Zeitgenossen in die Grundlage seines parnetischen Postulats: „Die Zeiten auffallender Vernderungen im Zustande der Vçlker sollten den Glauben an die gçttliche Weltregierung in uns eher strken, als schwchen.“145

Den gegenwrtigen Leiden zum Trotz will Funk den Blick auf das kommende geistliche Reich Gottes nicht aufgeben146 ; unter der „Regierung Gottes“ kçnne und solle die Menschheit „unaufhçrlich zum Beßern“ fortschreiten147. Dieser sich aus allen Nçten bewußt Gott zuwendende

142 Ebd. S. 3. 143 Ebd. S. 6. 144 So Funks Thematik seiner Sechsten Predigt ber 2. Kor 12,7 – 9, a.a.O., S. 115 – 131. 145 So das Programm der ersten Predigt (ber Luk 21,25 – 28) im Zweiten Heft seiner 1810 erschienenen Predigten zur Belebung des Glaubens an die gçttliche Weltregierung, hier S. 1 – 25. 146 Ausgefhrt ebd. S. 23 – 25. 147 Vgl. Funks Predigt „Inhalt des Glaubens, daß die Menschheit unter der Regierung Gottes unaufhçrlich zum Beßern fortschreiten kçnne und solle“ (ber 1 Tim 2,4), in: Ders., Predigten zur Belebung des Glaubens an die gçttliche Weltregierung, Drittes Heft, Altona 1812, S. 46 – 77, sowie die hier S. 78 – 113 publizierte Ansprache „Grnde des Glaubens, daß die Menschheit unter der gçttlichen Weltregierung stets zum Beßern fortschreiten kçnne und solle“, ber Rçm 8,19 – 25.

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Kapitel III

Fortschrittsglaube besitze einen „hohen Werth“148. Auf der gleichen Linie eines theologisch durchreflektierten Leidensverstndnisses liegt auch Hans Friedrich Nissen im ostholsteinischen Ssel. In seiner 1812 in Kiel publizierten Predigtsammlung149 hebt der Geistliche in seiner ersten Ansprache150 den grundlegenden Wert der Entbehrung hervor: „Sei es der Gçtze des Reichthums, oder der Schimmer der Ehre, der Becher der Freude, die Kraft der Gesundheit, oder das Glck der Freundschaft; im Entbehren lernt der Mensch ihren unerkannten Werth.“151

Angesichts der Not seiner Gemeinde appelliert Nissen an deren Mut und Pflichtgefhl: „Die Leiden, welche uns in der Welt treffen, sollten uns das Herz zum Hinsehen auf das verborgene Wirken des weisen Vaters bewegen […] O gewiß – das wird jeder bezeugen, der mit mnnlichem Muthe seine Leiden bekmpfte, der in der Stunde der Versuchung seine Pflicht vor Augen hielt, und sein Gewissen rettete.“152

Auf der Ebene solchen Tugendappells jenseits jeglicher sprbar werdenden seelsorgerlichen Empathie bewegen sich auch jene moralischen Vorwrfe Nissens, die in der Predigt direkt in einen der Bibel entlehnten Bußaufruf einmnden. Da erhebt der Sseler Pastor auf der Kanzel etwa den Vorwurf allgemeiner „Gedankenlosigkeit“153, moniert den „irdischen Lebenssinn der Meisten in der Kirche“154 und kritisiert den nachlassenden Abendmahlsbesuch der Christen155. Die von ihm diagnostizierten geistlichen Defizite, nicht etwa seelsorgerlich begleitete Versorgungsdefizite seiner 148 Vgl. Funk, „Hoher Werth des Glaubens, daß die Menschheit unter der Regierung Gottes unaufhçrlich zum Beßern fortschreite“ (ber 1 Joh 5,4), a.a.O. (vgl. Anm. 147), S. 114 – 142. 149 Hans Friedrich Nissen, Predigten, Kiel 1812. Zu Nissen: D.[etlev] L.[orenz] Lbker und H.[ans] Schrçder, Lexikon der Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller, 2. Abth., S. 401; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten II, S. 114. Nissen war seit 1801 Pastor zu Ssel, nach 1820 Propst in Segeberg. 150 Ders., „Leiden sind eine Schule der Gottesfurcht, Weisheit und Liebe“, a.a.O. (Anm. 149), S. 1 – 33. 151 Ebd. S. 16. 152 Ders., „Von dem Verhltnisse des Glaubens zu den Werken“, a.a.O., S. 141 – 191, hier: S. 153. 153 Hans Friedrich Nissen, „Vom christlichen Verhalten bei der sichtbaren Gleichgltigkeit der Menschen gegen Religion und Christenthum“ (ber Mt. 21, 1 – 9), in: ders., Predigten, S. 332 – 362, hier S. 342 f. 154 Ebd. S. 344. 155 Ebd. S. 345.

3. Die Not der Herzogtmer im Spiegel schleswig-holsteinischer Predigten

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Mitmenschen stehen im Zentrum seiner Predigt, wenn Nissen seiner Gemeinde vorhlt: „Nur das sehen wir, daß es jetzt die Zeit ist, wie einst, auszurufen: Thut Buße, das Reich Gottes ist nahe! Aber der, in dessen Namen dies Wort an die Welt ergieng, sagte auch: Viele, ja viele sind berufen; aber wenige sind auserwhlt.“156

Derart die geistliche Scheidung der Gemeinde in den Blick nehmend, findet Nissen keinen Blick auf die zunehmend schwieriger werdende Lage der Menschen in den Herzogtmern. Seine vertikale Blickrichtung empor zu einem Gott, der die Menschen in einem leidvollen Dasein einer Prfung unterzieht, in der nur wenige Bestand finden werden, verengt auf der horizontalen Ebene den seelsorgerlichen Zugang zu den Mitmenschen und damit letztlich eine hinreichende Adaption ihrer Fragen und Nçte. Auf Seeland beklagt ein Geistlicher am Reformationstag 1808 die kirchliche Distanziertheit seiner Zeitgenossen; es ist dies Prof. H.G. Clausen, Propst des Stiftes Seeland. Er stellt berlegungen zum aus der Reformation zu ziehenden ntzlichen Gewinn an157 und konstatiert dabei eine wesentliche „Gleichgltigkeit gegen das Christenthum berhaupt, und gegen dieses Fest des Christenthums insbesondere“, bedingt durch die Tatsache, daß nicht „alle den vollen Werth des Christenthums gehçrig zu wrdigen im Stande wren“158. Mangelnde Einsicht in das Wesen und die Bedeutung von Christentum und Reformation macht Clausen verantwortlich fr den Rckgang des gemeindlichen Zuspruchs, um abschließend die individuelle religiçse Autonomie als entscheidende Errungenschaft des reformatorischen Ereignisses zu preisen: „Daß es uns vergçnnt ist, so zu denken und zu handeln, so unsere Religion zu unserem eigenen freien Anliegen zu machen, das verdanken wir – o! daß wir es nie vergessen mçchten! – das verdanken wir der Reformation.“159

156 Ebd. S. 362. 157 H.G. Clausen, Predigt am Reformationsfeste 1808: „Was wir durch die Reformation gewonnen haben“ (ber Kol 1,12 f.), in: Ders., Predigten, herausgegeben in Beziehung auf die Jubelfeier der Reformation. Aus dem Dnischen bersetzt, Altona 1818, hier S. 141 – 162. 158 Ebd. S. 145. 159 Ebd. S. 161.

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Kapitel III

Jeden Reflex auf die englische Bombardierung des nahen Kopenhagen oder auf die Problematik der sich verschrfenden çkonomischen Lage des Staates sucht man in Clausens Predigten vergeblich160.

4. Eine politische Predigt zum Friedensschluß: Claus Harms am Sonntag Sexagesim 1814: „Der Krieg nach dem Kriege“ Zum Ausgang des fr das Land in jeder Hinsicht bitter harten Winters hlt der Lundener Pastor Claus Harms161 eine Themenpredigt162, der kein biblischer Text zugrunde liegt. Soeben ist am 14. Januar 1814 der „Kieler Friede“ ratifiziert worden; da bislang seitens der Obrigkeit keine offizielle Friedenspredigt in den Kirchen der Herzogtmer angeordnet worden ist163, wendet Harms sich in seinem „Vortrag auf eine andere Materie“: Statt „wieder ber solche Wahrheiten zu reden, die zu jeder Zeit kçnnen aus-

160 Dafr verspricht Clausen in seiner Predigt ber Apg 11, 19 – 26 am ersten Pfingsttag 1811: Eine „glckliche Ausbreitung des Christenthums lßt fr das Fortschreiten der Wahrheit uns Alles hoffen“, a.a.O. S. 101 – 120. Im konkreten gesellschaftlichen Kontext der Zeit ließ sich diese Aussage jedoch nicht unmittelbar nachvollziehen. 161 Zu diesem: D.[etlev] L.[orenz] Lbker und H.[ans] Schrçder, Lexikon der Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller, 1. Abth., S. 216; [Carsten Erich] Carstens, ADB Bd. 10, S. 607 – 611; Heinrich Zillen, Hg., Claus Harms’ Leben in Briefen, meist von ihm selber, Kiel 1909; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten I, S. 324; J. Lorentzen, Claus Harms. Ein Lebensbild, Erlangen 1937; Claus Harms, Ausgewhlte Schriften und Predigten, hg. von Peter Meinhold, Band I und II, Flensburg 1955; Claus Harms, Pastor und Propst in Kiel 1816 – 1849, hg. vom Ev.-Luth. Kirchenkreis Kiel, Kiel 1978; Lorenz Hein, Claus Harms – Leben und Werk, in: Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte V, S. 77 – 124; Johann Schmidt, SHBL Bd. 2, S. 164 – 166; Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL II, Sp. 540 – 543. 162 Claus Harms, „Der Krieg nach dem Kriege oder: die Bekmpfung einheimischer Landesfeinde“, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, hg. von Peter Meinhold, Band II, S. 287 – 293. Im Gottesdienst am 13. Februar 1814 verwendet, erschien die Ansprache in zwei rasch vergriffenen Auflagen, ebenso in Harms’ Sammlung „Vermischte Aufstze publicistischen Inhalts. Ein patriotischer Nachlaß bey meinem Weggang aus Dithmarschen“, Friedrichstadt 1816, S. 90 – 104. 1851 erschien sie erneut als Beilage zur gleichzeitig verçffentlichten „Lebensbeschreibung“, 1853 in Harms’ „Vermischten Aufstzen“. 163 So Harms, a.a.O., S. 287.

4. Eine politische Predigt zum Friedensschluß

395

gelegt werden, weil sie mit der Zeit in keiner Verbindung stehn“164, setzt die Predigt mit der Beobachtung ein, daß im Lande keine rechte Freude ber den eingetretenen Frieden aufkomme; der Allgemeinzustand sei derzeit kaum besser als whrend des zurckliegenden Krieges. Denn „sie kommen, sie kommen, die großen Rechnungen fr das Friedenskleid, welches dem Lande gemacht ist, die mssen bezahlt werden, versteht sich; sie kommen ebenfalls und bleiben nicht aus die Unterschleife, die schlechte Menschen sich erlauben, die Betrgereien, die von verschmitzten Kçpfen verbt werden, die Bubenstcke […], nun anzufallen, da die Gemter einmal in Angst sind und noch eine Weile den Krieg fortzuspielen.“165

Deutlich akzentuiert die Predigt den gegenwrtigen gesellschaftlichen Zustand – und macht zugleich unter Hinweis auf Gottes bereitstehenden Segen Mut fr die Zukunft: „den hast du genug, mein schçnes Vaterland […] auf den Bçden, in den Stllen, in den Kassen der meisten deiner Einwohner sind traurige den. Gottes Segen und der Fleiß werden sie wieder zu fllen anfangen.“166

Allerdings: „Vergebens, – ja vergebens wird alles sein, wenn Feinde unter uns hausen, einheimische, die rger sind als die fremden […] Sie wollen Krieg, sie sollen ihn haben“167. Harms spricht in diesen drohungsvollen ußerungen von jenen, „die ihre Hnde ausstrecken nach dem Gut des Landes“168 und „die ihre Schultern entziehen der Last des Landes“169. Im Hintergrund dieser Vorwrfe stehen zahlreiche Machenschaften von Kriegsgewinnlern wie auch allgemeine, unbersehbare Verhaltensweisen eines Solidarittsentzuges170. Einzelflle unsozialen Verhaltens konkreti164 Ebd. In diesen Worten verrt sich Harms’ Wissen um die Kohremz von Predigt und Zeitluften. 165 Ebd. 166 A.a.O., S. 288. 167 Ebd. 168 Ebd. 169 A.a.O., S. 289. 170 Hierzu Reimer Hansen, Geschichte der Stadt und des Kirchspiels Marne, Marne i. H. 1923, S. 154: In Lunden machte sich Harms „einen Namen durch seinen Kampf gegen die Mißbruche in der Verwaltung der Landschaft und gegen die zahlreichen Brandstiftungen in Norderdithmarschen“; Johann Schmidt, SHBL 2, S. 164 – 166, spricht S. 165 von einer Abrechnung Harms’ mit „den unbarmherzigen Behçrden, die einen Bauernhof nach dem anderen durch harte Steuerforderungen ruinierten“; Dieter Kienitz, Der Kosakenwinter, in Schleswig-Holstein, S. 30: „Der ber die Herzogtmer hinaus bekannt gewordene, streitbare Pastor der Gemeinde Lunden […] verglich 1814 die Lage des einfachen Volkes mit der Unterdrckung der Israeliten in gypten. In einer scharfen Predigt prangerte er

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Kapitel III

siert die Predigt nicht, doch scheint Harms sie als allgemein bekannt voraussetzen zu kçnnen. Mit der Anprangerung unsozialen Verhaltens stellt der Lundener Geistliche seiner norderdithmarscher Gemeinde „dreierlei Art“ von „Waffen“ vor Augen: „Das bessere Beispiel, das freie Urteil und die gerichtliche Klage“171. Harms postuliert damit neben individueller Ehrlichkeit die grundstzliche anklagende ffentlichmachung der kritisierten Hndel, ebenso auch die gerichtliche Anrufung der „Obrigkeiten“, die ihrerseits nur deswegen „manchmal verschrieen“ seien, weil „sie das Unrecht behteten, weil vor ihnen die Klagen nicht laut werden“172. Es gelte jedenfalls, auf dem Weg durch „Arabiens Wste“ das Ziel „Kanaan“ nicht aus den Augen zu verlieren173. Diese Predigt ist insoweit politisch, als daß sie individuelles Fehlverhalten als Voraussetzung sozialer Mißstnde zur Sprache bingt. Die allgemeine Not der Zeit, wie sie sich aus langjhrigem Krieg ergibt, wird als eine Gegebenheit hingenommen; jeder Gedanke einer Kritik an Monarch und Regierung etwa auf Grund der jngsten Finanzpolitik unterbleibt. Unter den drei von Harms der Gemeinde fr ihren Krieg mit den „Landesfeinden“ an die Hand gegebenen „Waffen“ entspricht der Appell zu moralischem Rechtverhalten durchaus der traditionellen Artikulation christlicher Tugendkataloge174 ; das „freie Urteil“ und die „gerichtliche Klage“175 aber rcken die schwelenden sozialen Konflikte und Bedrng-

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darber hinaus korrupte Beamte und die Ausbeutung der rmeren Brger durch den Staat an“. – Zwei Jahre spter verçffentlichte Harms einen Essay „Von Volksversammlungen in Volksangelegenheiten“, ders., Vermischte Aufstze publicistischen Inhalts. Ein patriotischer Nachlaß bey meinem Weggang aus Dithmarschen, S. 65 – 82; hier moniert er S. 65 f. den um sich greifenden Nepotismus und einen sich verselbstndigenden Beamtenapparat. Er pldiert fr die Einberufung der nach traditionellem dithmarscher Recht praktizierbaren Volksversammlungen zur Lçsung gegenwrtiger çkonomischer Probleme, denn kein Kirchspiel kçnne „zufrieden seyn, wenn es […] 60 Rth Schulden auf jedem Morgen Landes hat“, a.a.O., S. 82. Harms, „Der Krieg nach dem Kriege oder: die Bekmpfung einheimischer Landesfeinde“, a.a.O., S. 290 f. Ebd. S. 292. Ebd. S. 291. Harms bezieht sich a.a.O. S. 288 ausdrcklich auf Lk 10,7 sowie S. 290 auf Mt 5,16. Harms interpretiert diese ußerung in seiner Lebensbeschreibung: „Meine Predigt […] ließ ich drucken zur Ermunterung […], daß man das doch nicht dulden mçge, nun nicht lnger, da wir doch eine Obrigkeit wieder htten in der Land-

4. Eine politische Predigt zum Friedensschluß

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nisse in den gesellschaftlichen Bereich zwischen Volksçffentlichkeit und Obrigkeit – und damit in einen breiten Diskurs sozialer Kontrolle und Verantwortlichkeit. In diesem Diskurs bleibt Harms grundstzlich systemimmanent, denn er wendet sich mit seinen Vorwrfen nicht gegen, sondern an die Obrigkeit. Soziales Fehlverhalten einzelner Beamten176 interpretiert er als rechtswidriges Individualverhalten, ohne die jeweiligen Beteiligten in diesem Zusammenhang als Angehçrige des obrigkeitlichen Apparates anzusehen. Die Predigt machte ber Dithmarschen hinaus „einen gewaltigen Eindruck“, auf lange Zeit pflegte „kein Kirchspielvogt oder Kirchspielschreiber, kein Advokat und Advokatenschreiber“ gesellschaftlichen Umgang mit dem Lundener Geistlichen177, und in der Tat setzte anschließend eine Regierungsttigkeit ein, die die in der Folge des Krieges eingetretenen Mißstnde durchaus eindmmte178. Gerade diese Folgen der Lundener Kanzelrede wie auch deren besonderer çffentlicher Nachhall legen indessen die Vermutung nahe, daß Inhalt und Konzeption dieser Predigt deutlich ber die Konventionen ihres zeitgençssischen Kontextes hinausgingen179.

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schaft, dahin der Weg offen stnde, in der Predigt genannt ,die gerichtliche Klage‘“, ders., Claus Harms’ Lebensbeschreibung, S. 99. Einen konkreten Fall von Korruption und Bestechung eines dithmarscher Kirchspielvogtes spricht Harms in seiner „Lebensbeschreibung“ an, vgl. in dieser S. 99, bes. Anm. 1. Zum çffentlichen Echo, auf das die gedruckte Predigt traf, und zu den Auswirkungen einer 1815 deswegen eingesetzten Untersuchungskommission vgl. Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen. Ein Beitrag zur Geschichte der Wiedergeburt des Deutschen Volkes, S. 101. So Harms in seiner „Lebensbeschreibung“, a.a.O., S. 99. Vgl. ebd. S. 99 f. Harms diesbezgliche Ausfhrungen, die deutlich werden lassen, daß die Predigt insbesondere im Milieu des Brger- und Bauerntums auf positive Resonanz stieß. Noch 24 Jahre spter erinnert ein unbekannter Autor im Kieler Correspondenzblatt an Harms’ bedeutsame Ansprache: „Sollten die Prediger nicht wissen was gerecht ist? Siehe die Predigt: “Der Krieg nach dem Kriege“. Mçge es dem Herrn Herausgeber gefallen, einige Stellen daraus mitzutheilen“, Art. „Mßgkeit – Geistlichkeit – Gerechtigkeit“, KCB 19&20/1838, S. 77 – 79, hier: S. 78. Der Herausgeber des Blattes, Theodor Olshausen, kam dieser Aufforderung jedoch nicht nach. Seitens des Glckstdter Oberconsistoriums wurde Harms fr die in seiner Predigt enthaltenen Anwrfe zu einer Rechtfertigung aufgefordert; die daraufhin von ihm am 31. Juli 1814 eingesandte „Abgeforderte verantwortliche Erklrung wegen meiner Predigt: Der Krieg nach dem Kriege“ findet sich in Harms 1816 herausgegebener Sammlung „Vermischte Aufstze publicistischen Inhalts“, hier S. 105 – 140. Weitere erkennbare Auswirkungen seitens der Regierung hatte die Predigt fr Harms nicht; [Carsten Erich] Carstens, ADB Bd. 10, spricht S. 608 von einer „fr den Prediger mit Ruhm“ endenden Untersuchung.

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Kapitel III

5. Eine unpolitische Friedenspredigt: Detlev Lorenz Lbker am Sonntag Septuagesimae 1814 Eine Woche, bevor Claus Harms seiner Lundener Gemeinde gegenber vom „Krieg nach dem Kriege“ spricht, hlt der Husumer Pastor Detlev Lorenz Lbker180 eine „Predigt am Dankfeste fr den Frieden“181. Wie viele andere Geistliche seiner Zeit182 interpretiert Lbker den zu Ende gegangenen „Krieg und das ihn begleitende Unglck“ als ein aus „gçttlicher Absicht“ hervorgegangenes „Befçrderungsmittel unserer wahren Tugend“183. Dementsprechend sei es nun an der Zeit, „durch Rechtschaffenheit“ den Frieden zu „erwerben und erhalten“, denn „in der Ruhe des Vaterlandes werden die Tugenden allgemein, Liebe und Treue und Einklang, Glck und Segen“184. Im Friedenszustand sieht Lbker die „ausserordentlichen Ausgaben und Bedrfnisse weniger und geringer“ werden185, so daß „man fr die Schule […] gern alles tun wird, weil durch sie ein neues, verstndiges Menschengeschlecht emporsteigt“186. Dieser neu anvisierbare Fortschritt verbindet sich mit den Mçglichkeiten des Frsten, nunmehr wieder „auf alle Weise fr das Wohl seines ihm anvertrauten Landes zu sorgen, durch weise Gesetze die Tugend und ussere Glckseligkeit seiner Unterthanen zu fçrdern“187; dies drften die „Frsten des Vaterlandes“188 angesichts ihres „großen und heiligen Berufs“ nicht ver180 Zu diesem: D.[etlev] L.[orenz] Lbker und H.[ans] Schrçder, Lexikon der Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1796 – 1828, 1. Abth., S. 356 f.; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten II, S. 43. 181 Detlev Lorenz Lbker, Predigt am Dankfeste fr den Frieden. Gehalten am Sonntage Septuagesimae, den 6ten Febr. 1814, Husum 1814. Predigttext ist Ps 85, 9 – 14. 182 Vgl. o. S. 391 die Auffassung Nikolaus Funks. 183 Lbker, a.a.O., S. 3. 184 Ebd. S. 6. 185 Ebd.; Lbker denkt an den kriegsbedingt kostenintensiveren Staatshaushalt der jngeren Vergangenheit, verkennt jedoch die in der Folge des zwischenzeitlich stattgefundenen Staatsbankrotts aktuell auftretenden gravierenden sozialen Probleme. 186 Lbker, a.a.O., S. 10. 187 Lbker, Predigt am Dankfeste fr den Frieden, S. 11; noch einmal wçrtlich aufgenommen S. 17. 188 Gegen die sonstige Konvention spricht Lbker von einer Mehrzahl von Frsten, ohne diesen Aspekt weiter auszufhren. Mçglicherweise zeigt sich hier ein Reflex, der zwischen dem in Kopenhagen residierenden dnischen Kçnig und den innerhalb des Herzogtums etwa auf Gottorf wirkenden „frstlichen“ Statthaltern

5. Eine unpolitische Friedenspredigt

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gessen, denn: „Wahrlich, ihr seid die Gçtter der Erde!“189. Unter deren Regierung sollten in Anwendung von Tugend und Vernunft knftig die „Rechte jedes Menschen“190 geachtet werden. „Durch Plnderung und feindlichen berfall, durch sonstige Drangsalen und Verheerungen“ sei „manche Familie in Noth und Elend“ geraten; daher sei es eine Pflicht, „sich dieser Unglcklichen anzunehmen“; schließlich ließe sich „keine schçnere und wrdigere Anwendung“ vom „Glcke des Friedens“ machen191. Im Lobpreis solchen Friedensglckes endet die Predigt mit der Frbitte fr die gemeindlichen Familien, den Kçnig und das Vaterland192. An dieser weiteren Friedenspredigt fllt das pdagogische Moment auf, das ihr Autor nicht nur als Interpretament des soeben erlebten Krieges einsetzt, sondern auch der Gemeinde nahelegt fr den erforderlich gewordenen Neuaufbau von Stadt und Land. Die Predigt lçst den Blick von den erlebten und immer noch sprbaren Leidenserfahrungen; sie blickt stattdessen in die Zukunft, errichtet von pdagogischen Prmissen her193 moralische Postulate und spricht deshalb eher die Herausforderung des Neuen an, als Trost angesichts der gegenwrtigen Lage zu vermitteln. Konkrete Nçte und erfahrene Drangsalierung kommen erst nachrangig in Blick; Abhilfe und Trost entdeckt der Prediger in einer christlich inspirierten Solidaritt, die dazu befhige, das „Glck des Friedens“ in „schçner und wrdiger Weise“ zur „Anwendung“ zu bringen. Diese Solidaritt schließt geradezu selbstverstndlich den Kçnig mitsamt der von ihm eingesetzten und ihm zuarbeitenden Obrigkeit ein, deren Geschicklichkeit in der Einbringung „weiser Gesetze“ in der gegenwrtigen Sachlage in besonderem Ausmaß gefordert sei. Wie sehr jedoch gerade diese Gesetzgebung whrend der jngsten Vergangenheit Menschen vor Ort in den Herzogtmern an ihre Existenzgrenze und vielfach ber diese hinaus ge-

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differenzieren will – freilich, ohne die souverne Einheit der Frstenherrschaft infrage zu stellen. Lbker, a.a.O., S. 17; unbersehbar der heidnische Aspekt der Apotheose der Souverne. Ebd. S. 15 und 18. Ebd. S. 15. Mit dem auf Tatkraft dringenden pdagogischen Impetus verbindet sich konsequent ein auf Machbarkeit ausgehender Aspekt menschlichen Handelns. Ebd. S. 18. Ebd. S. 9: „Hat das Vaterland Friede, so kçnnen sich die Brger desselben mit Kenntnissen aller Art bereichern […]; erkennt man […] den Werth der Veredlung des Verstandes und Herzens, den Flor der Wissenschaften, Knste und Gewerbe, so wird man auch mit hçchster Sorgfalt auf die Quelle sein ganzes Augenmerk richten […] auf die Schule und die Erziehung der Jugend“, ebd. S. 10 [Hervorhebung im Original].

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Kapitel III

fhrt hatte194, scheint der Wahrnehmung des Husumer Geistlichen entgangen zu sein. Seine hoffnungsvolle Akzeptanz der vom Kçnig mitgetragenen und mitverantworteten Gesetzgebung offenbart sich im ausgangs der Predigt pflichtgemß vorgetragenen Gebet fr die „Sicherheit des Thrones“195, einem abschließend in jeder Hinsicht deutlichen Signal kirchlicher Treue gegenber der Krone.

194 Vgl. o. S. 379 – 384 und 386 f. 195 Lbker, a.a.O., S.18.

Kapitel IV Die Verfassungszusage der Bundesakte und die Auswirkungen universitrer Ausbildung als von der Staatskirche ignorierte Katalysatoren des gesellschaftlichen Diskurses 1. Die Ausgangslage nach dem Kieler Frieden Der verlustreiche langjhrige Krieg und seine desastrçsen Folgen hatten den gesamtstaatlichen Patriotismus des Brgertums in den Herzogtmern Schleswig und Holstein erheblich strapaziert. Auch die Ritterschaft der Herzogtmer hatte einen vergeblichen Kampf gegen Absolutismus und Brokratie gefhrt1; die Kraft zu einer wirklich neuen Vorstellung von Staat und Gesellschaft in den Herzogtmern hatte sich jedoch nicht einmal in Emkendorf gezeigt2. Im brigen verwahrte sich der große Teil des Brger1

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Der schleswig-holsteinische Adel hatte sich vehement zur Wehr gesetzt, als die Kopenhagener Regierung mit ihrer Steuergesetzgebung seine traditionellen Vorrechte verletzte; allerdings lag das handlungsleitende Motiv der Aristokratie im Versuch einer Wahrnehmung oligarchischer Eigeninteressen, so daß an eine ins Brgertum bergreifende gesellschaftliche Breitenwirkung ihres Vorgehens nicht unbedingt zu denken war. Zwar nahm die schleswig-holsteinische Aristokratie regen Anteil am sich sdlich der Elbe vollziehenden deutschen Ergehen, empçrte sich ber den Reichsdeputationshauptschluß ebenso wie ber die den rechtsrheinischen Gebieten geltenden Dekrete Napoleons. Doch blieb der Landesherr Friedrich VI. ein Bundesgenosse des franzçsischen Kaisers, und gerade diesem bndnistreuen Kçnig folgte entschlossen eine zunehmend unter Ausschluß der deutschen Aristokraten von dnischen Brgerlichen geleitete Kopenhagener Regierung. Auch im ideellen Bereich offenbarte sich eine gewisse Isoliertheit des Adels. Der Versuch Friedrich Reventlows, Universitt und Schullehrerseminar in Kiel eine antirationalistische Richtung aufzuzwingen, war erfolglos geblieben – hierzu o. S. 274 – 303 –, und dem Kampf um Bewahrung letzter Reste berlieferter Adelsprivilegien hatte das Reichskammergericht im Jahr 1802 empfindlich zugesetzt; cf. Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 561 – 568; Otto Brandt, Geistesgeschichte und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 274 – 323, und dens., Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 226 – 233. Vgl. o. S. 215 – 237.

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Kapitel IV

tums nicht anders als die Angehçrigen der adligen Stnde breitflchig gegen jenes neue freiheitlich orientierte Gedankengut, das sich als geistige Folge der Befreiungskriege sdlich der Elbe immer strker auszubreiten begonnen hatte3. Als informelle Wortfhrer stigmatisierten nicht zuletzt die Geistlichen der Staatskirche den brgerlichen Griff nach einer Freiheit jenseits der aktuellen politischen Strukturen als berflssigen Freiheitstaumel sowie als Lsterung Gottes in der Verwerfung seiner von ihm eingesetzten Obrigkeit. Dabei lag eine wesentliche Besonderheit der Herzogtmer darin, daß hier eine deutschsprachige Bevçlkerung lebte, die sich whrend der Freiheitskriege nicht gegen das kaiserliche Frankreich gestellt, sondern gemeinsam mit ihrem Landesherrn als Bundesgenossen Napoleons dessen Untergang in voller Konsequenz und Hrte geteilt hatte. Ein deutsches Nationalbewußtsein, wie es sich sdlich und çstlich der Elbe artikuliert hatte, war den Bewohnern der Herzogtmer damit fremd geblieben. Zwar blieben den jenseits der Elbe lebenden Deutschen staatliche Einheit und freiheitliche Verfassung auch nach Beendigung der Auseinandersetzung mit Frankreich versagt; doch machte sich in diesem regionalen Bereich nunmehr eine Entwicklung zunehmend bemerkbar, in der die fhrenden Gruppierungen des Brgertums in Verein mit den Universitten zu Trgern einer Verfassungsbewegung und damit eines freiheitlichen deutschen Nationalstaatsgedankens werden sollten. Diese Entwicklung berhrte frhzeitig auch den sozialen und kulturellen Diskurs in den Herzogtmern, deren Landesuniversitt sich unmittelbar am Nordrand des vormals zum Deutschen Reich, nach dem Wiener Kongreß4 zum Deutschen Bund5 gehçrenden Herzogtums Holstein befand. Fr dieses galt ebenso wie fr das seit dem Jahre 1815 zum Gesamtstaat gehçrige Herzogtum Lauenburg6 die Rechtsgrundlage der 3

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Vgl. hierzu Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, II. Bd., S. 3 – 47; Golo Mann, Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, S. 112 – 134; Rainer S. Elkar, Junges Deutschland in polemischem Zeitalter. Das schleswig-holsteinische Bildungsbrgertum in der ersten Hlfte des 19. Jahrhunderts. Zur Bildungsrekrutierung und politischen Sozialisation, Dsseldorf 1979. Hierzu Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1773 – 1830, S. 348 – 354; Jens Vibæk, Reform og Fallit 1784 – 1830, S. 411 – 418; Karl Griewank, Der Wiener Kongreß und die europische Restauration 1814/15, 2. Aufl., Leipzig 1954; Fragen an die deutsche Geschichte: Ideen, Krfte, Entscheidungen von 1800 bis zur Gegenwart, hg. vom Deutschen Bundestag, 14. Aufl. Bonn 1988, S. 22 – 56. Diesem gehçrten einundvierzig deutsche Staaten an; dazu Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I, S. 583 – 588. Hierzu o. S. 388. Der offizielle Beitritt erfolgte 1816.

2. Politischer Impuls I: Das durch die Bundesakte legitimierte Verfassungspostulat

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Bundesakte7. Deren Art. 13 machte den Gliedstaaten in aller Krze zur Auflage: „In allen Bundesstaaten wird eine Landstndische Verfassung stattfinden“8. Angesichts der seitens der dnischen Krone von 1460 her bewilligten Zusammengehçrigkeit Schleswigs und Holsteins9 lag im Art. 13 der Bundesakte, der nur fr Holstein juristische Relevanz beanspruchen durfte, enormer Konfliktstoff. Kodifiziertes modernes Recht traf unter den Bedingungen des Absolutismus auf das Spannungsfeld zwischen berliefertem geschichtlichen Zeugnis und aktuell formierten politischen Intentionen: Die Konkretisierung dieser besonderen bundesrechtlichen Vorgabe sollte die weitere Entwicklung in den Herzogtmern daher auf Jahrzehnte bestimmen.

2. Politischer Impuls I: Das durch die Bundesakte legitimierte Verfassungspostulat Im Jahr 1813 polemisiert der in schwedischen Diensten befindliche August Wilhelm Schlegel10 gegen das dnische Kçnigsgesetz; angesichts des entwicklungsgeschichtlichen Wandels der allgemeinen Wertvorstellungen sei 7 Zur deren Entstehung Ernst Rudolf Huber, a.a.O., S. 543 – 563. 8 Huber, a.a.O., S. 640. Ebd. S. 641: „Kernfrage des Art. 13 war, ob darunter eine Vertretungskçrperschaft altstndischen Stils oder eine moderne Volksreprsentation zu verstehen sei.“ 9 Holstein war erst seit 1474 Herzogtum; hierzu Robert Bohn, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 41. Die Wahl des Oldenburger Grafen Christian zum Dnischen Kçnig ermçglichte das Ripener Privileg vom 5. Mrz 1460; Original: LAS Urk. Abt. 394 Nr. 8; Abdruck in: Henning von Rumohr, Dat se bliven ewich tosamende ungedelt. Festschrift der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft zur 500. Wiederkehr des Tages von Ripen am 5. Mrz 1960, S. 26 – 33. Ebd. S. 30: „Desse vorben (omeden) land laven wy na alle unseme vormoge holden an gudeme vrede, unde dat se bliven ewich tosamende ungedelt“; vgl. a. die „Tapfere Verbesserung“ vom 4. April 1460, ebd. S. 37 – 39. Hierzu a. Alexander Scharff, Geschichte Schleswig-Holsteins, S.28 – 30; Carsten Jahnke, „dat se bliven ewich tosamende ungedelt“: Neue berlegungen zu einem alten Schlagwort, in: ZSHG 128 / 2003, S. 45 – 59, hier bes. S. 46 – 49; Bohn, a.a.O., S. 39 – 43. 10 Zu diesem: Franz Muncker, ADB 31, S. 354 – 368, ebd. 362 f.: „Bernadotte, Kronprinz von Schweden, ernannte ihn 1813 zum Regierungsrath und Secretr in seinem persçnlichen Dienste“. In dieser Position intendierte Schlegel „die Vereinigung Norwegens mit Schweden“, a.a.O., S. 363. Mit dem Kronprinzen hatte er die Herzogtmer besucht; hierzu Wilhelm Klver, Franz Hermann Hegewisch. Ein Vertreter des lteren Liberalismus in Schleswig-Holstein, in: NE 4 / 1925, S. 368 – 466, hier S. 395.

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dieses nicht nur berholt, es werde auch in seiner territorialen Anwendung unrechtmßig gehandhabt: „Das sogenannte Kçnigsgesetz sanctionirt eben den Willen des Monarchen, als das einzige Grundgesetz. Eine solche Regierungsform war niemals empfehlenswerth, aber sie steht vollends in dem auffallendsten Mißverhltniß mit den Einsichten unsers Zeitalters, wo alle gebildeten Vçlker nach einer wohlgeordneten National-Reprsentation streben. Wenn die Dnen, in der Kindheit aller politischen Begriffe, sich den gnzlichen Mangel einer Verfassung seit anderthalb Jahrhunderten haben gefallen lassen: was ging dieß die Holsteiner an, die nicht das Unglck hatten, unter dem Kçnigsgesetz geboren zu seyn?“11

In der Konsequenz dieser Ausfhrungen stellt Schlegel die herausfordernde Frage: „Diese Schrift ist fr Deutsche berhaupt bestimmt, und an unsere deutschen Landsleute in Holstein insbesondere gerichtet. Wollen sie fernerhin Deutsche bleiben, oder Dnen werden?“12

Mit Rcksicht auf den unterschiedlichen Lehnsstatus Schleswigs und Holsteins greift Schlegel die emanzipativen Tendenzen der Ritterschaft regional begrenzt auf: „Dazu ist ihre Ritterschaft volkommen befugt, sich zu vereinigen und von dem Herzoge zu Holstein13, der auch Kçnig von Dnemark ist, ihre von seinen Vorfahren und ihm selbst oft anerkannten Rechte14 ehrerbietig aber fest zurckzufordern, vor allem das Recht, Deutsche zu seyn, und nicht als unterjochte Provinz einer ihnen fremden uneingeschrnkten Monarchie behandelt zu werden.“15

Bemerkenswerterweise denkt Schlegel wenige Jahre spter an eine Ausdehnung der Verfassungsforderung auf das Herzogtum Schleswig. Im Sommer 1816 lßt er in Kopenhagen eine kleine Schrift zirkulieren unter dem vollstndigen Titel „Apercu sur la laison politique entre les duchÞs de Slesvig et de Holstein et sur le droit rassembler les etats dans ces deux 11 August Wilhelm Schlegel, Betrachtungen ber die Politik der dnischen Regierung, o. O. 1813, S. 43. 12 Ebd. S. 45. 13 Der Autor differenziert zwischen dnischem Kçnig und holsteinischem Herzog, was sich im weiteren Verlauf der Jahrzehnte bis in die Erhebung von 1848 hinein als wegweisende Differenzierung im Kontext der schleswig-holsteinischen Formierung politischer Ansichten herausstellen sollte. 14 Hierzu rechnet sich auch die von Christian I. 1460 abgegebene Versicherung, den Stnden der Herzogtmer das Recht zur Wahl des knftigen Landesherrn aus seiner Nachkommenschaft zu belassen. 15 Schlegel, a.a.O. (Anm. 11), S. 46.

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provinces“16, die das seit dem Jahr 1460 stets neu konfirmierte Recht der Schleswiger und Holsteinischen Stnde auf Wahl des Kçnigs zur Sprache bringt17. Damit knpft der Verfasser entscheidend beim Wahlrecht der Reprsentanten an; zugleich zeigt sein Verfassungsdiskurs gleichsam prototypisch die Alternative „mit oder ohne Schleswig“, die erst zu Beginn der 40er Jahre mit der Erledigung des sich kurz zuvor ein letztes Mal artikulierenden „Neu-Holsteinismus“ geklrt wird18. Geht es der Verfassungsfrage um die legalisierte Teilhabe des Brgertums an den Regierungs- und Staatsgeschften, so lßt sich diese Intention mit dem auf der Lex Regia basierenden Staatsgebilde in keiner Weise verbinden19. Neben dem sich als Folge der Franzçsischen Revolution inszenierenden Diskurs um einen zeitgemßen Gesellschaftsaufbau kommt der entscheidende Impuls einer auf dem Boden des Gesamtstaates neu einsetzenden Verfassungsreflexion20 nunmehr aus dem sich zeitgleich formierenden deutschen Bundesrecht und den hinter diesem stehenden gesellschaftlichen Anschauungen und Prrogativen. Beginnend mit dem Jahr 181421, bricht eine Flut verfassungstheoretischer Essays ber das Land 16 Schlegel selbst wnschte die Publizitt dieser Schrift nicht allzuweit auszudehnen, wie sein Titelzusatz „au lieu de manuscript“ deutlich macht. Dennoch erschien kurz darauf eine vom Kieler Prof. Nikolaus Falck herausgegebene deutsche bersetzung: „ber die staatsrechtliche Verbindung der Herzogthmer Schleswig und Holstein und ber die Ansprche beider Lnder auf eine stndische Verfassung“, Kiel 1816; im Vorwort des bersetzers S. I die o. dargestellten ußerungen. 17 Zur sich seit 1544 offenen Frage, inwieweit Schleswig ein freies Lehen sei, Schlegel ebd. S. 20 f.; war der dnische Kçnig seit dem Vertrag von Odense im Jahr 1579 verbriefter Lehnsherr des Gottorfer Herzogs, so erhielt dieser „unter schwedischen Schutze […] 1658 die Souvernitt ber seinen Antheil von Schleswig“. 18 Hierzu u. S. 513 – 516 sowie S. 537 f. 19 Vgl. o. S. 98 – 100. 20 Am 10. Februar 1815 schreibt Louise Stolberg an Karl Leonhard Reinhold: „Alles, lieber Freund, kommt bey uns darauf an, ob wir eine Constitution erhalten, das ist das to be or not to be fr jedes Land“, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, udg. af Louis Bob, S. 183. Drei Jahre spter ußert sich ihr gegenber Christian Detlev Reventlow: „Ich bin berzeugt, dass der Regent und nicht das Volk die Constitution entwerfen muss, und befast sich dieses damit, so wird niedergerissen und nicht gebauet werden […]. Sie wollen nur auf Kosten des Regenten und ihrer Mitbrger sich vergrçssern und herschen, wo sie als weniger Verstndige erst anfangen sollen, gehorchen zu lernen“, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Første Bind, udg. af Louis Bob, S. 193. 21 Zur allgemeinen „Verfassungswelle“ im zeitlichen Kontext Oliver Lamprecht, Das Streben nach Demokratie, Volkssouvernitt und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, S. 13 f.

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herein22, in deren Ausfhrungen es mehr und mehr um das „Recht, Deutsche zu seyn“23 geht, um Wahrnehmung und Ausbaus des kulturellen Kontextes mit den weiter sdlich lebenden Deutschen – vielleicht sogar um 22 Hierzu Adam von Moltke, Worte eines Holsteiner’s im Jahre 1814, Germanien 1814, hier S. 31: „Das wnschen, das hoffen, das erwarten wir: a) Daß Holstein einen integranten Theil des deutschen Vçlkerbundes ausmache […] mag dieser Vçlkerbund durch vergangene oder gegenwrtige Ereignisse bestimmt, die langbestandene, oder jede andere in der Zeit gegebene Gestalt annehmen […] b) Daß diesem Lande, in Rcksicht auf seine innere Verfassung, das Selbstbesteuerungsrecht von seinem Frsten zugesichert werde […] c) Daß der deutsche Vçlkerbund in seiner constitutionirten Gestalt diese beiden Artikel dem Lande Holstein garantire“; theologisch berhçhtes nationales Pathos atmen Moltkes Gedanken, wenn er ebd., S. 32 ausruft: „Das ist es, was wir wollen, was wir meinen, dem wir nachstreben, wozu uns deutscher Sinn, deutsche Art, deutsches Gemth, wozu die Zeit uns auffordert, damit wir Ehre haben vor Gott und den Menschen. So wahr Gott lebt und sein Heiliges Wort!“; zum Verfasser cf. Harald Jørgensen, DBL 10, S. 18 f. – Moltkes Publikation lçst eine breite literarische Diskussion aus, in der in rascher Folge – meist anonym – diverse Schriften erscheinen. Anonym publiziert werden etwa zunchst Friedrich Markus Paul Witthçfts „Patriotische Gedanken ber Landstnde in den Herzogthmern Schleswig und Holstein“, o. O. 1815; vgl. hier bes. S. 7 – 12 „Vom Nutzen der Volksreprsentation“. Gleichfalls anonym publiziert erscheinen „Patriotische Gedanken ber Landstnde in den Herzogthmern Schleswig und Holstein: Umgearbeitet und umgendert von R….1. Den 24. Mrz 1815“, deren Autor nach Joachim Hild, August Hennings, S. 175.179 der Rantzauer Amtmann August Hennings ist, der sich seinerseits auf die zuvor von Witthçft vorgelegte Broschre bezieht; zu Hennings o. S. 182 – 208. Hennings neuerliche, die Not des Landes nivellierende und gegen Landstnde votierende ußerungen finden eine Entgegnung durch Peter Poel, Beleuchtung der von R…1 umgearbeiteten und umgenderten Patriotischen Gedanken ber Landstnde in den Herzogthmern Schleswig und Holstein. o. O. 1815; auf Poel wiederum antwortet ein weiterer anonymer Autor in Hennings’ Sinne mit seinen „Ansichten bey der Beleuchtung der von R…1 umgearbeiteten und umgenderten Patriotischen Gedanken ber Landstnde in den Herzogthmern Schleswig und Holstein. Den 16. August 1815“, o. O. 1815. Zur nach dem Inkrafttreten der Bundesakte ber deren Art. 13 gefhrten Diskussion vgl. ferner die anonym verçffentlichten, von Karl Friedrich Carstens verfaßten „Gedanken und Wnsche eines Holsteiners auf die erwartete stndische Verfassung,“, Altona 1817, sowie F.[riedrich] A.[ugust] Rder, Winke fr die Bildung eines Holsteinischen Landtags und neuer Verfassung, Altona 1817. Die Besonderheit der staatsrechtlichen Stellung Schleswigs reflektiert ein anonymer Verfasser, lteres Zeugniß ber das Verhltniß Schleswigs zu Dnnemark, in Westphalen monumenta inedita. T. IV p. 1703, in: NSHPB 6 / 1816, S. 509 f. Die gleichfalls unter Art. 13 fallende Position Lauenburgs tritt in dieser frhen Phase literarisch nicht hervor; zum Ganzen a. Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 347 – 354. 23 So August Wilhelm Schlegel, Betrachtungen ber die Politik der dnischen Regierung, S. 46.

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den Preis der Emanzipation und Separation aus einem gesamtstaatlichen Gefge, in dem berlieferte Rechte nicht lnger darstellbar erscheinen. Fr die zunehmende Reflexion eines derartigen politischen Programms setzt sich Prof. Friedrich Christoph Dahlmann24 ein, der „eigentliche Prophet der neuen Gedankenwelt“25, der seit 1812 an der Kieler Universitt lehrt und als erster Angehçriger des Professorenkollegs mit seinen Ansichten ins Licht der ffentlichkeit tritt26. Die Verfassungsfrage hat ihn bereits in seinen ersten Vorlesungen bewegt27; auch bringt er sie in seine 1814 nie-

24 Zu diesem: A.[nton] Springer, ADB 4, S. 693 – 699; ders., Friedrich Chrstoph Dahlmann, Erster und Zweiter Theil, Leipzig 1870/72, hier bes. Erster Teil S.17 – 256; Heinrich Kaehler, F. Chr. Dahlmann. Schleswig-Holsteins nationaler Prophet, Flensburg 1923; C.[arsten] Er.[ich] Carstens, Geschichte des Studiums der speciellen Vaterlandskunde auf der Kieler Universitt, S. 14 – 16; A.D. Jçrgensen, DBL 5, S. 526 f.; Reimer Hansen, SHBL 2, S. 46 – 52; G.[eorg] Waitz, Friedrich Christoph Dahlmann, Gedchtnisrede am 13. Mai 1885, Kiel 1885; Hermann Christern, Friedrich Christoph Dahlmanns politische Entwicklung bis 1848, in: ZSHG 50 / 1921, S. 147 – 392; Johannes Brock, Die Vorgeschichte der SchleswigHolsteinischen Erhebung von 1848, S. 28 – 32; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 369 – 377; Alexander Scharff, Friedrich Christoph Dahlmann. Leistung und Bedeutung fr Universitt und Land, in: ZSHG 90 / 1965, S. 83 – 100; Wilhelm Bleek, Friedrich Christoph Dahlmann (1785 – 1860), in: Bernd Heidenreich, Hg., Politische Theorien des 19. Jahrhunderts, 2. Aufl., Berlin 2002, hier: S. 329 – 341. Ferner Sigrid Wriedt, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina im Zeitalter des dnischen Gesamtstaates (1773 – 1852), S. 81 – 107. 25 Alexander Scharff, a.a.O., S. 9; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, nennt Dahlmann S. 354 den „machtvollsten Verknder“ des „nationalen, liberalen Geistes des 19. Jahrhunderts“. 26 Dahlmann gehçrt zu einem whrend der Freiheitskriege an die Kieler Universitt berufenen Professorenkreis, dem sich auch Nikolaus (auch: Nicolaus) Falck, Karl Theodor Welcker, August Detlef Twesten sowie Christoph Heinrich Pfaff zurechnen; lediglich Falck aus Nordschleswig und der in Holstein geborene Twesten waren Landeskinder. Von seinen Studienzeiten her war Dahlmann mit Heinrich von Kleist befreundet, mit dem er ber die Schlachtfelder von Aspern und Wagram gewandert war, um anschließend von einem gemeinsamen Aufenthalt in Bçhmen her „nach Krften dahin zu wirken, daß aus dem çsterreichischen Kriege ein deutscher werde“, wie Dahlmann im Fragment seiner Autobiographie festhlt, vgl. Anton Springer, F.C. Dahlmann, Erster Theil, S. 456; zur Verbindung mit Kleist ebd. a. S. 40 – 48. 27 Sigrid Wriedt, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina, S. 95.

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dergelegte, erst spter publizierte sog. „Erstlingsschrift“28 ein, in der er nicht zuletzt das „chimrische“ dnische Finanzsystem breitflchig darlegt29, zu „erneuerter Ordnung […] aller brgerlichen und wrdigen Freiheit“ aufruft30, um abschließend zu bekennen, daß die SchleswigHolsteiner nur durch „die unnatrlichste Trennung […] von ihren Brdern“ geschieden seien31. Dabei fhlt sich der junge Professor grundstzlich und dauerhaft einer konstitutionellen Monarchie verbunden32. Wenige Tage nach der endgltigen Niederwerfung Napoleons am 18. Juni 1815 greifen die Kieler Professoren einen Impuls Johann Friedrich Kleukers und einiger Kollegen auf: Unter dem soeben ins Amt gekommenen Rektor und Professor der Theologie Georg Samuel Francke33 beschließt das Kollegium einen Festakt. Daraufhin ergeht eine „Einladung zu einer akademischen Feierlichkeit, die auf Veranlassung der neuesten großen Weltbegebenheiten am Freitage den 7ten Julius Morgens 11 Uhr im grçßern akademischen Hçrsaale statt finden wird.“34

28 Friedrich Christoph Dahlmann, ber die letzten Schicksale der deutschen Unterthanen Dnemarks und ihre Hoffnung auf die Zukunft. Im Mrz 1814, hg. von C. Varrentrapp in: ZSHG 17 / 1887, S. 1 – 57. 29 Zum Zitat vgl. dens., a.a.O. (Anm. 28), S. 21; zu den finanzpolitischen Erçrterungen ebd. S. 21 – 37; 43 f. 30 Ebd. S. 56. 31 Ebd. S. 57. 32 Vgl. dens, Geschichte der franzçsischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik, Leipzig 1845, S. 476: „Unverrckt weist der große Zuchtmeister der Welt immerfort auf dieselbe Aufgabe hin, sucht seine stçrrigtrgen Schler mit unsglichen Leiden heim. Und dennoch wollen die Einen nicht lernen daß es ein Unsinn und ein Frevel ist, unsern von monarchischen Ordnungen durchdrungenen Welttheil in Republiken des Alterthums ummodeln zu wollen, die Andern umklammern hartnckig das Gçtzenbild einer monarchischen Unumschrnktheit, welche ja ihre unvergeßliche Zeit gehabt hat, gegenwrtig aber, verlassen von dem Glauben der Vçlker, ein so eitles Gerusch treibt, wie die klappernden Speichen eines Rades, dessen Nabe zerbrochen ist“. 33 Der aus Holstein stammende Francke war seit 1810 Professor der Theologie in Kiel; zu ihm Carsten Erich Carstens, Geschichte der theologischen Facultt der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, in: ZSHG 5 / 1875, S. 1 – 132, hier S. 67 – 71. Ebd. S. 69: Francke eiferte als „Offenbarungstheologe gegen den flachen Rationalismus seiner Zeit“. 34 Hierzu und zum Folgenden Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 605 – 607; Wolfgang Prange, Die Siegesfeier der Kieler Universitt 1815. Nachlese zu Dahlmanns Waterloo-Rede, in: Wolfgang Prange, Hg., Beitrge zur schleswig-holsteinischen Geschichte, Neumnster 2002, S. 553 – 571; Abdruck des o. zit. Einladungsschreibens ebd. S. 559.

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Im zurckliegenden Winter hatten nahezu 70 Kieler Studenten35 den ersten Jahrestag des fr die Dnen siegreich verlaufenen Gefechtes bei Sehestedt36 zu einer Demonstration prodnischer Gesinnung genutzt; ein Dutzend von ihnen verbrachte den Jubilumstag gegen den Willen des Akademischen Senats am Ort des Gefechts37. Die Gegner des Vorjahres befanden sich als Besatzungsarmee noch im Lande; Verwicklungen blieben jedoch aus, weswegen der Akademische Senat den beteiligten Studenten lediglich einen çffentlichen Verweis aussprach38. Vor diesem Hintergrund gewinnt der offizielle universitre Festakt aus Anlaß der Niederlage Frankreichs, dessen Bundesgenossen die geladenen Gste noch bis ins Jahr 1814 gewesen waren, seine besondere Bedeutung: Das am Universittsgebude am Morgen des 7. Juli 1815 angebrachte Transparent trgt die Aufschrift: „Theilten wir nicht den Kampf, so theilen wir doch die Freude“. Festredner ist Friedrich Christoph Dahlmann, in Wismar geboren, in Wittenberg promoviert, nun jngster Professor in Kiel. In seiner Ansprache39 ußert er seine Freude ber das „uns wiederfahrene Heil“40 ; der „Weltbedrcker“41 und „Universalerbe der franzçsischen Revolution“ sei gegen Blcher und Wellington endgltig in „Schande“42 untergegangen. Jetzt kçnne sich jeder sein eigenes Urteil bilden43 ; Dahlmann gewinnt sein eigenes Urteil aus dem mittlerweilen entschiedenen Antagonismus zwischen „Franzosen“ und „Deutschen“. Wer angesichts des Geschehenen noch „vernnftelt, daß wenn er als Franzose geboren wre, er es ebenso machen wrde […] der ist ein Franzose neuester Art […] und verdient in Deutschland als ein solcher geachtet zu werden. Keine der schadenfrohen Weissagungen dieser Menschen ist in Erfllung gegangen; kein Verrath der Brder gegen Brder ist eingetreten, denn die deutschen Stmme sind sich einig geworden […] Deutschland ist da durch sein Volk […] Deutschland ist da, bevor noch jene

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D.h. mehr als ein Drittel der aktuell eingeschriebenen Studenten. Am 10. Dezember 1813. Hierzu Wolfgang Prange, a.a.O., S. 554 – 556. Vgl. Wolfgang Prange, Die Siegesfeier der Kieler Universitt 1815, S. 554. Friedrich Christoph Dahlmann, Rede zur Feier des Siegs vom 18ten Junius 1815, Kiel 1815. Ebd. S. 6. Ebd. S. 7. A.a.O., S. 10. A.a.O., S. 11.

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Bundesacte ausgefertigt wird; wehe dem, der was das heiligste Gefhl vereinigt hat, frevelnd voneinander reißen wollte!“44

Aus diesem durch den Willen seines Volkes45 hervorgerufenen „Da-sein“ Deutschlands zieht Dahlmann die Folgerung: Wie die Siegesfreude sich „durch alle Gaue des brigen Deutschlands“ verbreitet habe, mçge sie ebenso in jenen beiden Herzogtmern empfunden werden, deren Verbundenheit sich nicht zuletzt in der gemeinsamen Landesuniversitt beweise46. Konstituiert sich fr Dahlmann also nationale Zugehçrigkeit im Bewußtsein der Menschen, so stçßt er damit unmittelbar an den differenzierten vçlkerrechtlichen Status des Herzogtums Schleswig47. Diesbezglich argumentiert er mit den Mitteln der Historie und der Empirie: „Wenn auch der Schleswiger nie im Deutschen Bunde gewesen ist, er […] gehçrt ihm […] durch den verbrderten Holsteiner an, dem er seit Jahrhunderten die treue Hand gereicht hat, mit dem er in Verfassung, Freiheiten und Gerechtsamen innigst verschmolzen ist.“48

berhaupt seien „alle unsre alten Verfassungen ganz aus dem Volksleben genommen, ja das Volksleben selber“49 ; soeben habe „die grçßte Herrscherversammlung, die die Welt je gesehen, es laut ausgesprochen, daß sie Verfassung wolle“50. Dahlmanns Rede endet mit besonderen rhetorischen Akzentuierungen: Dem Lob und Dank gegen das „hçchste Wesen“51 lßt der Redner seine Wnsche fr „unsern Kçnig Friedrich dem Sechsten, welchem es vorbehalten ward, seine Deutschen in den alten Bund ihrer 44 Ebd. S. 10 f.; Sperrung im Original. Otto Brandt sieht im Zentrum der Waterloorede Dahlmanns die erhoffte Einigung Deutschlands, vgl. dens., Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 371. 45 Dieter Lohmeier, Die Universitt Kiel als Sttte der Aufklrung, hebt S. 90 Dahlmanns Berufung „auf den aufklrerischen Gedanken der Volkssouvernitt“ hervor. 46 Dahlmann, a.a.O., S. 13. 47 Hierzu Alexander Scharff, Friedrich Christoph Dahlmann. Leistung und Bedeutung fr Universitt und Land, S. 92 f. 48 Dahlmann, a.a.O., S. 14. Diese historische Argumentation zum Konnexus der Herzogtmer mißfiel dem Kçnig außerordentlich; hierzu Anton Springer, Friedrich Christian Dahlmann. Erster Theil, S. 83. 49 A.a.O., S. 16. 50 Dahlmann, Rede zur Feier des Siegs vom 18ten Junius 1815, S. 20; gemeint ist der Wiener Kongreß mit dem hier gemeinsam beschlossenen Art. 13 der Bundesakte. 51 Damit nimmt die Rede eine Zentralwendung des religiçsen Gegenkultes der Franzçsischen Revolution auf, vgl. o. S. 42 Anm. 58; berhaupt neigt Dahlmann zu einer metaphorischen Umschreibung des Gottesbegriffs, vgl. a. o. S. 408 Anm. 32.

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Vter zurckzufhren“52, und diejenigen fr „das deutsche Vaterland“ folgen53. Diesen Ausfhrungen folgt unmittelbar eine Scheidung der Geister. Der Kçnig zeigt sich berhaupt „nicht gndig auf Kiel, veranlaßt durch die Rede von Professor Dahlmann, und verlegte seinen Hof nach Louisenlund bei Schleswig“54 ; Kiel erscheint ihm als „Rebellennest“55. Umgekehrt muß Dahlmann in seinem Kolleg der Deutschen Geschichte hinnehmen, daß ihm die Studenten ihre weitere Teilnahme mehrheitlich versagen56. Sein Onkel Friedrich Christoph Jensen fordert Dahlmann 52 Nach Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 354 war Friedrich VI. erst im Mai 1815 aus Wien zurckgekehrt; sein Beitritt zum Deutschen Bund ermçglicht Dahlmann seine gegen Ende der Rede zugespitzte Rhetorik, die an dieser Stelle sachlich unterschiedliche Interpretationen zulßt. Die Darstellung des dnischen Kçnigs als Verwalter eines hçheren Mandats mit dem Inhalt, die Deutschen aus den Herzogtmern der Einheit aller Deutschen entgegenzufhren, entspricht angesichts der seit 1806 zutage getretenen Danisierungspolitik Friedrich VI. einem derben Affront. 53 Dahlmann, a.a.O., S. 21; die Kontur des Vaterlands bleibt hnlich unbestimmt wie die Verfassungsidee. 54 Lotte [Charlotte Friederike Dorothee] Hegewisch, Erinnerungen frherer Stunden fr Letzte Stunden, S. 38. Friedrich VI. empfand die Rede grundstzlich als „revolutionr“; hierzu Anton Springer, Friedrich Christoph Dahlmann, Erster Theil, S. 83. 55 So eine ußerung gegenber Caroline Hegewisch anlßlich einer Privataudienz im Jahre 1817, vgl. Lotte Hegewisch, a.a.O., S. 39. Zwei Jahre spter feiert der aus Archsum auf der Insel Sylt stammende Uwe Jens Lornsen „in einer Gesellschaft von Professoren, einigen wenigen Studenten und andern Herren das Fest der Schlacht bei Waterloo“, vgl. dessen aus Kiel an seinen Vater gerichteten Brief vom 24. Juni 1817, in: Ders., Politische Briefe, hg. von Alexander Scharff, Heide in Holstein 1938, S. 1. 56 So Dahlmanns autobiographische Schilderung bei Anton Springer, a.a.O., S. 463. Julie Hegewisch ußerte gegenber Grete Hensler am 25. Juli 1815, Dahlmanns ußerungen seien seinen Studenten als „zu deutsch, zu frei“ erschienen, zit. n. Manfred Jessen-Klingenberg, Die Kieler Professoren und Studenten und das Wartburgfest vom Oktober 1817, in: ZSHG 112 / 1987, S. 173 – 214, hier S. 176; hnlich August Twesten brieflich am 29. Juli 1815 an Joachim Dietrich Brandis, vgl. C.F. Georg Heinrici, D. August Twesten nach Tagebchern und Briefen, S. 265 f.; zum Kontext a. Alexander Scharff, Friedrich Christoph Dahlmann. Leistung und Bedeutung fr Universitt und Land, S. 98 f. – Twesten selbst sah sein Vaterland nach einer Mitteilung an seinen Lehrer Schleiermacher anfnglich in Dnemark, vgl. seine ußerung vom 10. September 1810 bei Heinrici, a.a.O., S. 25. Doch anderthalb Jahre spter attestierte er den in Kiel studierenden Holsteinern, gar „kein Vaterland zu haben“, denn: „Der Gebildete rechnet sich zu den Deutschen; die Regierung macht uns zu Dnen; der gemeine Mann ist weder Deutscher noch Dne, denn Deutschland existirt fr ihn nicht, die Dnen stoßen ihn aber zurck, indem sie uns als Provinz verachten“, vgl. seinen Brief an

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wegen seiner Rede zu einer Entschuldigung beim Kçnig auf, die der junge Professor trotz des von ihm abgelegten Homagialeides beharrlich verweigert57. Die Gesinnungsbekundung seiner Studenten hindert Dahlmann nicht daran, die im gleichen Jahr vakant gewordene Position als „Secretr der fortwhrenden Deputation der Schleswig-Holsteinischen Prlatenund Ritterschaft“ zu bernehmen58. In dieser Funktion geht es Dahlmann um die Einforderung der Standesrechte des in den beiden Herzogtmern ansssigen Adels gegenber der Krone; doch bleiben die gemeinsamen Anstrengungen whrend der folgenden acht Jahre erfolglos. So haben bereits die von Dahlmann mitgetragenen Eingaben der Ritterschaft von 1815 „auf dem steuerlichen Gebiete geringe, auf dem verfassungsrechtlichen keine Erfolge“59. Zwei Jahre spter formuliert die Fortwhrende Deputation angesichts der durch die auferlegte Steuerlast immer weiter bedrngten Ritterschaft unter Dahlmanns Anleitung einen an die Krone gerichteten Antrag um rechtliches Gehçr „ber ihre privilegierten Gerechtsamen vor einem Obergerichte des Landes nach einem Gutachten einer auswrtigen Hochschule“60. Dahlmann und die Ritterschaft wenden

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Schleiermacher vom 17. Juli 1812, a.a.O., S. 228 f. Schleiermacher reiste gemeinsam mit seiner Frau im Sommer 1816 zu einem Besuch Twestens nach Kiel und nahm die Verhltnisse in eigenen Augenschein, vgl. seine diesbezglichen Bemerkungen in einem Brief an Claus Harms vom 18. Februar 1818, zit. bei Heinrici, a.a.O., S. 310, sowie die Tagebuchnotiz bei Rudolph Schleiden, Jugenderinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. 1, Wiesbaden 1886, S. 95. Hierzu Sigrid Wriedt, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina im Zeitalter des dnischen Gesamtstaates, S. 97; ebd. S. 81 auch die Schilderung der gerade durch Frsprache Friedrich Christoph Jensens erfolgten Berufung Dahlmanns. Zu Jensen ferner o. S. 66 Anm. 142 sowie S. 251. 253. Anm. 488. In seinem Fragment einer Autobiographie schildert Dahlmann, wie Christian Stolberg – zu diesem o. S. 235 – 237 – ihn aufgefordert habe, sich „zu der eben erledigten Stelle eines Secretrs der fortwhrenden Deputation der schleswigholsteinischen Ritterschaft zu melden“, zit. n. Anton Springer, a.a.O., S. 460. Zu seinem Wirken in dieser Funktion: Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 368 – 378; Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 602 – 612; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 360 – 363; zahlreiche Details aus den Verhandlungen mit Krone und Bundestag finden sich bei Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, S. 118 – 148; zur „Fortwhrenden Deputation“ vgl. a. das bereits o. S. 106 f. Anm. 265 Gesagte. So das Urteil von Hedemann-Heespens, a.a.O., S. 608. Paul von Hedemann-Heespen, a.a.O., S. 609.

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sich 1819 auf dem Klageweg an den deutschen Bundestag61, der die vorgebrachten Auffassungen 1823 jedoch abweist. Mit diesem endgltigen Scheitern des Bemhens, den berlieferten Standesrechten des schleswigholsteinischen Adels zu neuem Aufleben zu verhelfen, war „der Steuerstreit von 1823 nicht anders ausgegangen als der von 1802; die Krone hatte voll gesiegt“62. ber seine Kontakte mit den Angehçrigen des Adelsstandes hinaus hatte sich Dahlmann noch im Sommer 1815 mit einigen weiteren Kieler Professoren63 auf die gemeinsame Herausgabe einer vaterlndischen Zeitschrift verstndigt. Aus diesem brgerlichen Engagement gingen die Kieler Bltter64 hervor, deren „betont politischer Charakter“ dieser „Professorenzeitschrift“65 rasch eine breitflchige Rezeption im gesamten deutschen Sprachraum sicherte.

61 Fr die zuvorigen Jahre der Ttigkeit Dahlmanns fr die Fortwhrende Deputation vgl. die von ihm hg. „Sammlung der wichtigsten Aktenstcke, die gemeinsamen Angelegenheiten des Corps der Schleswig-Holsteinischen Prlaten und Ritterschaft und der brigen Gutsbesitzer betreffend, von August 1815 bis Januar 1819“, Kiel 1819. 62 Von Hedemann-Hesspen, a.a.O., S. 609. „Alle Denkschriften und Eingaben an die Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgische Kanzlei, an den Kçnig, schließlich an den Frankfurter Bundestag sind aus Dahlmanns Feder geflossen“, Alexander Scharff, Friedrich Christoph Dahlmann. Leistung und Bedeutung fr Universitt und Land, S. 95. Zu den Hintergrnden der Niederlage Reimer Hansen, SHBL 4, S. 48. 63 Die Zeitschrift erschien erstmalig zum 1. August 1815; ihrem Herausgeberkreis gehçrten 14 Kieler Professoren an; unter diesen August Twesten zur theologischen Fakultt, drei weitere: Andreas Wilhelm Cramer – zu diesem o. S. 273 Anm. 581 –, Nikolaus Falck sowie Karl Theodor Welcker zur juristischen Fakultt; zur medizinischen Fakultt rechneten sich Franz Hermann Hegewisch, Christoph Heinrich Pfaff, Ferdinand Weber und Christian Rudolf Wilhelm Wiedemann. Sechs Professoren der Herausgeberkreises gehçrten zur philosophischen Fakultt: Johann Erich von Berger, ursprnglich Professor fr Astronomie, seit 1814 fr Philosophie wie zuvor schon Karl Leonhard Reinhold, der Mathematiker Nicolaus Theodor Reimer, der Kameralist August Niemann, der Historiker Christoph Friedrich Dahlmann und der Philologe Heinrich. Reimer wie auch Reinhold bettigten sich ausschließlich in der Herausgabe der Zeitschrift, ohne in ihr eigene Beitrge zu publizieren. 64 Zu diesen: Friedrich Hoffmann, Gestaltung und Haltung der alten „Kieler Bltter“, in: Kieler Bltter 1942, S. 228 – 251; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 388 – 391; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat 1721 – 1830, S. 357 f. 65 Friedrich Hoffmann, a.a.O., S. 231.

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Kapitel IV

Bereits der Eingangsaufsatz des neuen Organs nach dem von Welcker erstellten programmatischen Essay66 stammt aus Dahlmanns Feder als „Ein Wort ber Verfassung“67. Hier leiten den Autor die beiden Fragen nach dem Gebrauchswert einer Verfassung und dem Anspruch der Herzogtmer auf eine solche. Den Verfassungsnutzen unter den gegebenen Umstnden bejahend, stellt Dahlmann differenzierend den bekannten Umstand heraus, daß Holstein auf Grund des Art. 13 der Bundesakte – anders als Schleswig – nunmehr einen kodifizierten Anspruch auf eine Verfassung habe. Da die einseitige Verfassungsgewhrung fr Holstein die Zusammengehçrigkeit der Herzogtmer auflçse, gedenkt Dahlmann das Verfassungspostulat durch die Einbringung des Historischen Rechtes auf beide auszudehnen. Den Ursprung dieser Rechtsgrundlage sieht er im Ripener Freiheitsbrief von 146068 mit der in diesem verbrieften kçniglichen Zusicherung an die Herzogtmer, „dat se bliven ewich tosamende ungedelt“69. Dahlmann erkennt dabei durchaus, daß die berlieferten Institutionen und Strukturen der landstndischen Verfassung mit dem Wirksamwerden des auch auf die Herzogtmer bertragenen Absolutismus faktisch beendet worden waren; er ist jedoch keineswegs bereit, die prabsolutistischen Rechtsgrundlagen aufzugeben. So, wie der Absolutismus nachtrglich als Erscheinung seiner Zeit auf die alten landesrechtlichen Privilegien eingewirkt habe, sei es nunmehr angebracht, diese in einen Zusammenhang mit den modernen Vorstellungen ber Staat und Volk zu bringen. Daher postuliert er, die ursprnglichen Privilegien mit dem Geist einer „erneuerten Verfassung“70 zu beleben. Dahinter steht ein von historischen An66 Karl Theodor Welcker, ber vaterlndische Zeitschriften, Kieler Bltter 1 / 1815, S. 1 – 46; vgl. zum Verfasser: v. Weech, ADB 41, S. 660 – 665. 67 Friedrich Christoph Dahlmann, Ein Wort ber Verfassung, in: Kieler Bltter 1 / 1815, S. 47 – 84 sowie S. 245 – 303; hierzu Friedrich Hoffmann, Gestaltung und Haltung der alten „Kieler Bltter“, S. 233 f. 68 Vgl. o. S. 403 Anm. 9. 69 S. ebd.; dazu Sigrid Wriedt, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina im Zeitalter des dnischen Gesamtstaates, S. 95 f.: „Der hier fixierte Satz ber die Untrennbarkeit der Herzogtmer mit den Worten ,dat se bliven ewig tosamende ungedelt‘ sollte in Verkrzung des ,op ewig ungedelt‘ ein Schlagwort des schleswig-holsteinischen Verfassungskampfes des 19. Jahrhunderts werden“. In seinem „Wort ber Verfassung“ fhrt Dahlmann S. 261 – 265 seinen Nachweis ber die historisch jenseits des Jahres 1460 erhalten gebliebene Rechtsgltigkeit der „Alten Landesprivilegien“. 70 Dahlmann, ber die letzten Schicksale der deutschen Unterthanen Dnemarks und ihre Hoffnung auf die Zukunft, S. 56. Das konstitutionelle Vorbild sieht Dahlmann in der englischen Verfassung; vgl. dens., Ein Wort ber Verfassung,

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schauungen bestimmtes politisches Konzept, demzufolge die Theorie des Staatsaufbaus niemals „vornan“ – d. h. an einem postulierten Nullpunkt – einsetzen kçnne, sondern sich immer auf konkrete, reale Vorgegebenheiten grnden msse71. Konzipierung und Etablierung der von ihm anvisierten „erneuerten Verfassung“ sieht Dahlmann vorerst im Kontext der dnischen Gesamtmonarchie – jedoch mit klarer Verbindlichkeit fr beide Herzogtmer72. Die Aktualitt der Anschauungen Dahlmanns beweist sich im unmittelbaren zeitlichen Kontext. Ende 1816 richten Magistrat und Deputierten-Kollegium der Stadt Flensburg eine Eingabe an die Regierung, deren Intention dahin geht, die bestehende absolute durch die eingeschrnkte Monarchie zu ersetzen73. Die Eingabe begrndet sich durch das geistige Erbe der Franzçsischen Revolution74, regt sich hier doch der Gedanke einer Beteiligung des Volkswillens am Regierungswillen75. Damit ist gegenber Dahlmanns Bestrebungen ein anderes argumentatives Fundament gewhlt, dessen Zeit in den Herzogtmern noch nicht gekommen ist. Die regierungsseitige Annahme der im brigen selbstverstndlich erfolg-

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S. 57, und dens., Die Politik, Gçttingen 1835, neu hg. von Wilhelm Bleek, Frankfurt/M. / Leipzig, hier S. 56 – 66; cf. a. Hermann Christern, Friedrich Christoph Dahlmanns politische Entwicklung, S. 199. Vgl. dens., Ein Wort ber Verfassung, S. 78 und S. 299. Ebd., S. 245: „Wer sich ber die erste Frage: Ob Verfassung berhaupt noth und ntzlich sey? bereits bejahend entschieden hat, der wird zur Beantwortung der zweiten, von uns aufgestellten, ob die Schleswig-Holsteiner ihrer fhig seyen und einen rechtlichen Anspruch auf sie haben? schon getrosten Muthes schreiten. Denn es handelt sich hier nicht etwa von Neu-Hollndern oder Buschmnnern, deren menschliche Ansprche noch durch grobe Thierheit berschattet werden, sondern von Deutschen und zwar von demjenigen deutschen Stamme, welcher, allem Ansehn nach, vor Alters der volksfreiste von allen war“ [Hervorhebung im Original]. Deutlich zeigen sich an dieser Stelle aus dem Erlebnis des Freiheitskrieges derivierte nationalistische Prmissen und kulturevolutive Ansprche. Hierzu Franklin Kopitzsch, Die Aufklrung in Flensburg, in: Grenzfriedenshefte 3/4 / 1984, S. 215 – 227, hier S. 222. So Kopitzsch, ebd. Bereits zwei Jahre zuvor hatte sich der Flensburger Brgermeister Josias thor Straten schriftlich an die Flensburger gewandt mit einem programmhaften Bekenntnis zu einer konstitutionellen dnischen Monarchie: „Lasset uns ein Volk seyn wollen unter angestammtem Regiment. Es ist kein Heil im Frohndienst fremder Ruhmbegier und Habsucht […] Selbstndigkeit, und daß je mehr und mehr, wie im Innern so nach aussen, die ewigen Grundstze der Vernunft, der Wahrheit und des Rechts, der Kraft und des eignen Willens, zu gewahren in unserm Thun und Lassen, ist das Ziel unserer Wnsche“, zit. n. dems., An meine Mitbrger ein paar Worte!, Flensburg 1814, S. 6 [Hervorhebungen im Original].

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losen Petition „mußten ihre Inspiratoren als ein politisches Aktivum buchen“76. Doch im Gegensatz zu den Flensburger Brgern77 postulieren Dahlmann – darin „Pionier der geschichtlichen Argumentation in der praktischen Politik“78 – und mit ihm die Kieler Professoren79 gegen jede Verbindung mit dem jungen, revolutionren Prinzip durchgngig den konsequenten Rckgriff auf die Landesrechte. Hier folgt man daher der etwa von Nikolaus Falck geußerten Auffassung, daß „nicht die politische Ansicht, sondern allein das Zeugnis der Geschichte ber den Anspruch eines Landes auf eine konstitutionelle Regierungsordnung entscheiden soll.“80

Doch wohnt auch dem Verweis auf das historische Recht als Alternative gegenber den sich frei ausbildenden „Volksansichten“ jener liberale Aspekt inne, der „das Volk aus einem bloßen Objekte der Staatsregierung zum Mitarbeiter am Staate macht“81. Der Rckgriff auf die Landesrechte entspringt schließlich der Ablehnung des in die Herzogtmer importierten dnischen Absolutismus, mithin einer sich durchaus Gehçr verschaffenden politischen Ansicht. Auch wird die Frage nach der objektiven aktuellen Verbindlichkeit und Sinnhaftigkeit eines mehr als dreieinhalb Jahrhun76 Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat, S. 367. 77 Neben den Flensburgern richteten Ende 1816 / Anfang 1817 smtliche Stdte des Herzogtums Schleswig mit Ausnahme Friedrichstadts, Gardings und Ærøskøbings Verfassungspetitionen an die Regierung; hierzu Christian Degn, a.a.O., S. 366; vgl. a. John Boyens, Politische Petitionen und Petitionsbewegung im schleswigholsteinischen Verfassungskampf: F. Chr. Dahlmann bis Uwe Jens Lornsen (1815 – 1830), Neumnster 1944, S. 61 – 87, bes. S. 77 – 82. 78 Wilhelm Bleek, Friedrich Christoph Dahlmann (1785 – 1860), S. 330. 79 Keinem von ihnen „kam in den Sinn, daß jeder Staatsbrger das gleiche Recht haben kçnne oder gar solle, mitzuregieren, gleichviel ob er die nçtige politische Bildung besitze oder nicht“, Johannes Brock, Die Vorgeschichte der SchleswigHolsteinischen Erhebung, S. 30 f. 80 Nikolaus Falck, Das Herzogthum Schleswig in seinem gegenwrtigen Verhltnis zu dem Kçnigreich Dnnemark und zu dem Herzogthum Holstein. Eine historische und staatsrechtliche Erçrterung. Nebst einem Anhang, ber das Verhltnis der Sprachen im Herzogthum Schleswig, Kiel 1816, im Vorwort S. 3. Das fr den etwaigen Verfassungsanspruch Schleswigs entscheidende historische Faktum sieht Falck in der 1658 durchgefhrten Herauslçsung des Herzogtums aus dem dnischen Lehnsverhltnis; es sei daher auch nicht der Lex Regia unterworfen, denn „das alte Recht“ sei „nie untergegangen, nie aufgehoben“ worden, a.a.O., S. 17; vgl. a. den Nachweis dieser Einsicht in der Exegese der entsprechenden historischen Urkunden ebd. S. 57 – 134. 81 Arnold O. Meyer, Das Erwachen des deutschen Nationalbewußtseins in SchleswigHolstein, Kiel 1928, S. 7.

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derte zuvor vollzogenen Rechtsaktes durch keine grundstzliche Erçrterung hinreichend gewrdigt. Wie sehr indessen die individuelle moralische Befindlichkeit im Sinne der „Gesinnung“ den Umgang des Menschen mit Recht und Gesetz sogar bis zu deren gnzlicher Ausklammerung zu determinieren habe, verrt Professor Falck an anderer Stelle: „Nichts aber ist trauriger, als wenn allein das Gesetz, als ein von außen gegebenes, mittelst seiner Gebote und denselben zur Seite stehenden obrigkeitlichen Macht im Leben herrsche. Dies gilt ganz allgemein von allen menschlichen Verhltnissen, welcher Art sie auch seyn mçgen, und das Streben aller Guten muß darauf gerichtet seyn, das Gesetz als solches in sich zu vernichten, und das ußere gesetzmßige Handeln durch eine demselben entsprechende innere Gesinnung zu adeln.“82

Es ist ein auf persçnliche Vernderung: auf kulturelle Evolution, individuelle Progression und Perfektibilitt bedachtes Menschenbild, dem sich der nach Verfassung strebende brgerliche Kreis Kieler Hochschullehrer verpflichtet weiß. „Bildung“ erhlt ein hohes Gewicht; mit diesem Aspekt sachlich verbunden, wird vorrangig das zu staatlicher und gesellschaftlicher Gestaltung befhigte Besitzbrgertum zum Adressatenkreis der selbst dem Brgertum angehçrenden Professoren. Insofern werden alle grundstzlichen demokratischen Tendenzen durch das Instrument vorausgesetzter und beibehaltener sozialer Hierarchisierung ausgeklammert – in der Formulierung Dahlmanns: „Den bessern Theil des Volkes zum Sprechen zu bringen ist die Kunst der Verfassungen.“83

Den Nachweis einer Richtigkeit dieser Anschauung mußte Dahlmann jedoch allein deswegen bereits schuldig bleiben, weil vorerst nicht einmal das Herzogtum Holstein eine Verfassung erhielt. Zwar hatte Friedrich VI. eine ausschließlich fr Holstein beauftragte Verfassungskommission ins Leben gerufen84 ; in dieser aber gaben die brgerlichen dnischen Ratgeber des Kçnigs den Ton an. Die Leitung der Kommission oblag dem Prsidenten der ehemals Deutschen, nunmehr Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgischen Kanzlei, Johann Sigismund Møsting85. Nachdem sich jedoch auf der gesamteuropischen Ebene zunehmend die restaurativen Ten82 Ders., Von den Vorzgen freiwilliger Armenpflege. Eine Rede zur 26sten Jahresfeier der Armenanstalt in Kiel (am 7. Junius geh.), Kiel 1818, S. 15. 83 Ders., Ein Wort ber Verfassung, S. 57. 84 Hierzu Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat, S. 365. 85 Zu diesem o. S. 367 Anm. 49 und 372 Anm. 68.

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denzen der Reaktion86, besonders in der Folge der 1819 gefaßten Karlsbader Beschlsse87 bemerkbar machten, erlahmte die Petitionsbewegung in den Herzogtmern angesichts des gleichzeitig erstarkenden gesamtstaatlichen Absolutismus. Diesem konnte kaum daran gelegen sein, die verbliebenen Teile des Staates im Kçnigreich und in den drei Herzogtmern durch unterschiedliche Verfassungsverhltnisse individuell zu behandeln und auf diese Weise mçglicherweise zu einer Infragestellung der Enevælde beizutragen88. Damit unterblieb die Verfassungsgewhrung als klares Indiz der Schwche des objektiv geltenden Bundesrechts. Mit den sich zunehmend abzeichnenden Auswirkungen der Karlsbader Beschlsse hinsichtlich einer fortan repressiver gehandhabten Zensur89 stellten auch die Kieler Bltter 1819 ihr Erscheinen ein90 ; ihre Herausgeber „erklrten, lieber verstummen zu wollen, als unter Polizeiaufsicht zu schreiben“91. Dahlmann blieb noch ein Jahrzehnt in Kiel; dann folgte er einem Ruf nach Gçttingen92. 86 Hierzu Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I, S. 727 – 749; zu den ohnehin eher restaurativen Zgen einer bereits seit dem Wiener Kongreß der Legitimitt, Autoritt und Stabilitt verpflichteten Bundespolitik, die sich entscheidend dem Einwirken Klemens Lothar Frst Metternichs verdankte, vgl. ebd. S. 530 – 543. Auf Betreiben Metternichs hatte sterreich zuvor erfolgreich auf die Einladung des besiegten napoleonischen Bundesgenossen Friedrich VI. zum Wiener Kongreß gedrngt. 87 Hierzu Huber, a.a.O., S. 732 – 749; Eberhard Bssem, Die Karlsbader Beschlsse von 1819. Die endgltige Stabilisierung der restaurativen Politik im Deutschen Bund nach dem Wiener Kongreß von 1814/15, Hildesheim 1974, bes. S. 380 – 415. 88 So auch Degn, a.a.O., S. 375. 89 Vgl. die entsprechenden Texte bei Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte. Deutsche Verfassungsdokumente 1803 – 1850, Bd. 1, S. 90 – 112, hier S. 102 das Pressegesetz. Nach den neuen presserechtlichen Auflagen waren smtliche Schriften „ber zwanzig Druckbogen“ der Zensur unterworfen; verpflichtend waren auch namentliche Nennung von Verleger, Redakteur und Autor. 90 Hierzu Friedrich Hoffmann, Gestaltung und Haltung der alten „Kieler Bltter“, S. 231 f.; Sigrid Wriedt, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina im Zeitalter des dnischen Gesamtstaates, S. 99. 91 Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, S. 133. 92 Zu den nheren Umstnden Alexander Scharff, Friedrich Christoph Dahlmann. Leistung und Bedeutung fr Universitt und Land, S. 99 f. Beim Abschied ußerte Dahlmann: „Mehrere Tausende, die jngere Hlfte der Beamteten dieser Herzogtmer darf ich als Zuhçrer mir verwandt betrachten“, zit. n. Johannes Brock, Die Vorgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Erhebung, S. 39; die Richtigkeit dieses Urteils zeigt etwa Georg Beseler, der nach seinem Studienabschluß einer

3. Politischer Impuls II

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3. Politischer Impuls II: Kieler Studenten an deutschen Universitten außerhalb des Gesamtstaates im Kontext von Wartburgfest und Burschenschaft Neun Zehntel der Studentenschaft an der Christian-Albrechts-Universitt stammten whrend der dem Kieler Frieden folgenden Zeit aus den Herzogtmern. Sie waren daher Landeskinder93, die sich sptestens seit 1813 mehrheitlich in einer landsmannschaftlichen Vereinigung94 organisierten. Dieser Zusammenschluß hatte strukturell nichts gemein mit den seit 1815 an den deutschen Universitten ins Leben gerufenen Burschenschaften; die Angehçrigen der sich zur „Holsatia“ herausbildenden Corporation waren nahezu ausnahmslos von gesamtstaatlicher und kçnigstreuer Gesinnung95. Diese bewies sich noch einmal whrend des Sommers 1817, als Friedrich

beruflichen Karriere entsagte, um als Verfechter der Landesrechte nicht den Homagialeid ablegen zu mssen, vgl. dens., Erlebtes und Erstrebtes 1809 – 1859, Berlin 1884, hier S. 21 f. 93 Hierzu und zum Folgenden Manfred Jessen-Klingenberg, Die Kieler Professoren und Studenten und das Wartburgfest vom Oktober 1817, hier S. 174 f. 94 Vgl. den „Comment fr die Kieler Burschen“ aus dem Jahre 1813, LAS 47 Nr. 776. Die Vereinigung nannte sich im weiteren Verlauf ihrer Entwicklung „Holsatia“; hierzu Heinz-Joachim Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, Neumnster 1979, S. 176; ausfhrlich zum Kontext a. Wolfgang Donat, Die Anfnge der burschenschaftlichen Bewegung an der Universitt Kiel (1813 – 1833), in: Paul Wentzcke, Hg., Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung, Bd. XIV, Berlin 1934, S. 1 – 128, hier S. 14 – 75. Einer der ersten Kieler Burschenschaftler war stud. theol. Hans Andreas Friedrich Volquardts, der seit 1821 als Pastor, nach 1840 als Propst in Flensburg wirkte. Der schleswig-holsteinischen Erhebung schloß er sich als Feldpropst an und wurde 1850 entlassen. Nach 11 Jahren in Emden kehrte er 1864 in sein frheres Flensburger Amt zurck; zu ihm Donat, a.a.O., S. 14; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band II, S. 341. 95 Vgl. Wolfgang Donat, a.a.O., S. 21. Die Politisierung der Kieler Studentenschaft erfolgte erst im Verlauf eines mehrjhrigen Prozesses, der vorrangig unter dem Einfluß jener akademischen Lehrer stand, die sich spter im Herausgeberkreis der o.g. „Kieler Bltter“ zusammenschlossen, zunchst aber ihre Zusammenknfte in der „Kieler Harmonie“ als einem „Schauplatz politischer Meinungsverschiedenheit“ suchten, wie Harald Thurau, Die Anfnge eines deutschen nationalpolitischen Bewußtseins in Schleswig-Holstein, S. 77 hervorhebt. Vgl. zur „Harmonie“ a. Johann Heinrich Eckardt, Geschichte der Gesellschaft Harmonie in Kiel, in: Mitteilungen der Gesellschaft fr Kieler Stadtgeschichte 20 / 1903, S. 1 – 241.

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VI. Kiel besuchte und durch die Delegierten der Studentenschaft feierlich begrßt wurde96. Doch nur zwei Monate spter sieht das Wartburgfest97 nicht weniger als 40 Kieler Studenten98 in seiner Runde, die ihrerseits einer Einladung des Jenaer Kommilitonen Robert Wesselhçft99 folgen100. Angesichts des in Kiel bis zur Jahrzehntmitte voraussetzbaren prodnischen Bewußtseins der hier 96 Hierzu Friedrich Koch, Der Besuch des dnischen Kçnigs Friedrich VI. in Kiel im August 1817 und die Studentenschaft, in: Ludwig Andresen, Hg., Kieler Studenten im Vormrz, Festgabe der Stadt Kiel zum 275jhrigen Bestehen der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, Kiel 1940, S. 238 – 241. 97 Dieses war „verfassungsgeschichtlich gesehen […] die erste Manifestation des nationaldemokratischen Prinzips in Deutschland“, Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I, S. 718; im Wartburgfest koinzidierten ideell Dreihundert-Jahrfeier der Reformation und vierter Jahrestag der Vçlkerschlacht. Zum Kontext: Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat, S. 375 – 379; Wolfgang Donat, Die Anfnge der burschenschaftlichen Bewegung an der Universitt Kiel, S. 27 – 41; Walter Grab, Von Mainz nach Hambach. Zur Kontinuitt revolutionrer Bewegungen und ihrer Repression (1792 – 1832), in: Ders., Friedrich von der Trenck, S. 113 – 138, hier S. 124 f. 98 So Manfred Jessen-Klingenberg, Die Kieler Professoren und Studenten und das Wartburgfest vom Oktober 1817, S. 179 und 212 – 214. Heinz-Joachim Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, weiß S. 220 nur von 24 auf der Wartburg prsenten Kieler Studenten, hnlich Donat, a.a.O., S. 30, der von „ber 20“ spricht. Klingenbergs neuere Angabe zugrundegelegt, htten die Kieler knapp 9 % der Teilnehmer des Festes gestellt, zu dem sich laut Huber, a.a.O., S. 719, 468 Studenten einfanden. 99 Robert Wesselhçft gehçrte wie der in Archsum auf Sylt herangewachsene Uwe Jens Lornsen und die beiden Eutiner Heinrich Arminius Riemann und Theodor Olshausen dem Jenaer „Jnglingsbund“ an, der unter liberalen Prmissen die politische Einheit Deutschlands intendierte und nach den Verhçrprotokollen Wesselhçfts die Bewaffnung seiner Mitglieder voraussetzte, LAS Abt. 65.2 Nr. 134 c Nr. 16. Wesselhçft und Lornsen verband eine enge Freundschaft. Nach seinem Examen war Wesselhçft „als Criminalassessor im Weimarschen’“ ttig, wurde dann im Zuge der Demagogenverfolgung jedoch „abgesetzt“, wie aus einem Brief Theodor Olshausens an seinen Bruder Justus vom 20. Juli 1822 hervorgeht, vgl. dens., Briefe an den Bruder Justus, a.a.O., S. 30. Wesselhçft publizierte anonym eine den Burschenschaften und Turngemeinden gewidmete Schrift, in der er auch auf das Wartburgfest zurckblickt, vgl. dens., Teutsche Jugend in weiland Burschenschaften und Turngemeinden, Magdeburg 1828, hier bes. S. 12 – 19. Zu den nach Wesselhçfts Festsetzung der Aufdeckung des Bundes geltenden Berliner Verhçrprotokollen vgl. hinsichtlich Riemanns und Olshausens LAS Abt. 65.2 Nr. 134 c sowie den Bericht des Kieler Universittskurators Graf Brockdorff, LAS 65.2 Nr. 134d Blatt 3. Nach Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, S. 165, gelang Wesselhçft spter die Flucht ins nordamerikanische Exil. 100 Hierzu Manfred Jessen-Klingenberg, a.a.O., S. 179 und 188.

3. Politischer Impuls II

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Studierenden ist es in jeder Hinsicht bemerkenswert, in welchem Umfang der von Eider und Fçrde angereiste Teilnehmerkreis Einfluß nimmt auf den Ablauf der Wartburgfeier. Heinrich Arminius Riemann101, Theologiestudent aus Eutin, hlt die Festrede, in der er mit den beiden Exponenten Luther sowie Blcher „das doppelte Fest der Wiedergeburt des freien Gedankens und der Befreiung des Vaterlandes“ feiert und zum Streben nach „menschlichen und vaterlndischen Tugenden“102 aufruft; zwar gedenkt er „der durch den Deutschen Bund verreitelten Hoffnungen“, wrdigt jedoch den çrtlichen Landesherrn Großherzog Carl August, der als einziger Souvern bislang die zugesagte Verfassung realisiert habe103. Im Gepck der mit Riemann aus Kiel zur Wartburgfeier angereisten Brder Wilhelm104 und Justus Olshausen105 befindet sich ein 27 Punkte und 101 Zu diesem Friedrich Koch, Heinrich Arminius Riemann, der Wartburgredner vom Jahre 1817. Sein Leben und Wirken, Neudr. Lahr 1992; Gustav Peters, Geschichte von Eutin, Neumnster 1958, S.158 – 160; ebd. S. 158 f.: Riemann „hielt die Festrede und sprach von der Sehnsucht der Jugend nach Freiheit und Vaterland. Seitdem verfolgte ihn die Reaktion“. Zunchst stellte ihn nach seinem unabgeschlossenen Studium der Eutiner Superintendent Detlev Johann Wilhelm Olshausen – zu diesem o. S. 317 – 324 – als Kollaborator ein; doch kam es unter Olshausens Nachfolger Albrecht Heinrich Kochen zu einem Zerwrfnis infolge unterschiedlicher politischer und pdagogischer Auffassungen sowie abweichender Bewertung des Turnens, vgl. Peters, a.a.O., S. 159 f.; cf. a. Ernst-Gnther Prhs, Geschichte der Stadt Eutin, Eutin 1993, S.202 f. Riemann verließ Eutin daher 1828 und wurde Pastor im mecklenburgischen Friedland. 102 Hierzu Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, II. Bd., S. 246 f. 103 Hierzu Ernst Rudolf Huber, a.a.O., S. 719. 104 Der am 22. Mai 1798 in Oldesloe geborene Wilhelm Olshausen war zweitltester Sohn des Eutiner Superintendenten. Wilhelm Olshausen studierte seit dem SS 1816 in Kiel Theologie und Philosophie. Er verfaßte ein Tagebuch seiner „Wanderfahrt zum ersten Wartburgfest“, das gedruckt 1817 in Kiel erschien. Nach Beendigung seines Studiums wurde er 1821 Konrektor der Schleswiger Domschule. Im Jahr seines Todes wurde er 1835 zum Domschulrektor ernannt. Zu ihm [Carsten Erich] Carstens, ADB Bd. 24, S. 338 f.; Eckhart Olshausen, SHBL 7, S. 161 f. 105 Der am 9. Mai 1800 in Hohenfelde geborene Justus Olshausen war in Kiel seit dem WS 1816/17 als stud. theol. et philolog. immatrikuliert; Michaelis 1819 verlegte er bis Ostern 1820 seinen Studienort nach Berlin, um anschließend mit einem Stipendium des dnischen Kçnigs nach Paris zu gehen. Seiner Promotion 1823 folgte eine Ttigkeit als a.o. Prof. der morgenlndischen Sprachen in Kiel, in deren Folge er 1830 zum o. Prof. ernannt wurde. In den Jahren 1836, 1839/40 sowie 1844/45 Rektor der Universitt, wurde Justus Olshausen 1845 dnischer Etatsrat, 1848 durch die provisorische schleswig-holsteinische Regierung eingesetzter Kurator der Universitt und 1852 durch die dnische Regierung entlassen. Ab 1853 hatte er

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Aspekte umfassender „Vorschlag zu einigen Beschlssen, welche am 18. October auf der Wartburg gefaßt und ausgesprochen werden mçgen“106. Verfasser dieses Papieres ist der Kieler Medizinprofessor Franz Hermann Hegewisch107, der im ersten seiner Grundstze postuliert: eine Professur in Kçnigsberg inne, von der aus er 1858 als Geheimer Regierungsrat ins Berliner Kultusministerium wechselte. Seit 1860 ordentliches Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften, trat Justus Olshausen 1874 in den Ruhestand und verstarb am 28. Dezember 1882 in Berlin. Zu ihm Franz Gundlach, Hg., Das Album der Christian-Albrechts-Universitt zu Kiel 1665 – 1865, Nr. 8091; Eduard Alberti, Hg., Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1829 bis Mitte 1866, Abth. 2, S. 145 f.; [Carsten Erich] Carstens, ADB Bd. 24, S. 328 – 330; Eckhart Olshausen, SHBL 7, S. 150 – 152; Theodor Olshausen, Briefe an den Bruder Justus, hg. von Ingo Reppmann und Joachim Reppmann, Wyk auf Fçhr 2003. 106 Dem Titel folgt in Klammern gesetzt das Motto: „Gerechtigkeit muß werden auf Erden!“; Abdruck des Textes bei Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, Fnfter Teil, Leipzig 1927, S. 733 – 737. Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat, beurteilt S. 378 das Dokument als „das strkste nationalpolitische Manifest der Zeit“; zum Kontext a. Robert Wesselhçft, Teutsche Jugend in weiland Burschenschaften und Turngemeinden, S. 18 f. 107 Zur Frage der Verfasserschaft Hegewischs vgl. den Forschungsberblick bei Manfred Jessen-Klingenberg, Die Kieler Professoren und Studenten und das Wartburgfest vom Oktober 1817, S. 181; Wesselhçft spricht a.a.O. S. 18 von „einem sehr geachteten Manne […], welcher indessen unmçglich den Charakter der teutschen Burschenschaften und des damaligen Burschenlebens zu beurtheilen im Stande war“. Zum 1783 geborenen und seit 1810 an der Universitt Kiel lehrenden Hegewisch: Rainer Postel, SHBL 5, S, 120 – 123; Otto Brandt, Geistesleben und Politik in Schleswig-Holstein um die Wende des 18. Jahrhunderts, S. 381 – 383, sowie Wilhelm Klver, Franz Hermann Hegewisch. Ein Vertreter des lteren Liberalismus in Schleswig-Holstein, in: NE 4 / 1925, S. 368 – 466; ebd. S. 382: „Als Rationalist und Anhnger der Humanitt wurzelt Hegewisch gleich seinen Eltern tief im achtzehnten Jahrhundert. Die Religion des achtzehnten Jahrhunderts, der Glaube an den Fortschritt der Menschheit, das war der eigentliche Ausgangspunkt seines Denkens und Handelns“; zur Beschlußvorlage ders., ebd., S. 446 – 455. Im Elternhaus Franz Hermann Hegewischs wurden staats- und verfassungsrechtliche Fragen seit jeher thematisiert, insbesondere durch den an der Universitt als Historiker lehrenden Vater Dietrich Hermann Hegewisch, der aus dem Osnabrcker Raum stammte; vgl. dessen Publikationen: Geschichte der Gracchischen Unruhen in der rçmischen Republik, Hamburg 1801; ders., Geschichte der englischen Parlamentsberedsamkeit, Altona 1804; ders., Schreiben an einen Freund ber Herrn Fichtes Reden an die deutsche Nation; enthaltend insbesondre einige Bemerkungen ber Ursprachen, Nationalstolz und Erziehung, in: Ders., Neue Sammlung kleiner historischer und literarischer Schriften, Altona 1809, S. 109 – 165; ders., Geschichte der schwedischen Revolution bis zur Ankunft des Prinzen von Ponte Corvo als erwhlten

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„Ein Deutschland ist; soll seyn und bleiben. Wir kçnnen nicht glauben, daß Deutschland aus 38 Inseln bestehe. Wir Deutschen sind Brder, wir wollen Freunde seyn. Wenn auf dem Schlachtfelde Deutsche gegen Deutsche kmpfen, so ist’s Brudermord.“108

Die Beschlußvorlage nimmt die Existenz deutscher Einzelstaaten als vorlufige Gegebenheit hin109, orientiert sich am Besitzbrgertum und intendiert demgemß eine eingeschrnkte Demokratie in Anbindung an eine konstitutionelle Monarchie110 ; ferner will sie ihre Adressaten ebenso zur Intention knftiger „freierer Gemeindeverwaltungen“111 wie auch zum Verzicht auf den Gebrauch privilegierender Titel bewegen112. In der Auseinandersetzung mit der Hinterlassenschaft der Franzçsischen Revolution wird zwar „ein großer Theil der Gruel“ den Jakobinern zur Last gelegt, „ein vielleicht nicht geringerer Theil der Schuld“ jedoch auch denen, „welche sich bemhten, die politischen Vernderungen und Verbesserungen, welche die Zeit forderte, zu hindern“113. Weder auf der Wartburg noch in Eisenach gelangen diese Grundstze jedoch zu direkter Ver-

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Thronfolger. Mit den authentischen Staatspapieren. Kiel 1811. Zu den anthropologischen Voraussetzungen dieses politischen Milieus im gebildeten zeitgençssischen Kiel vgl. a. Dietrich Hermann Hegewisch, ber die Wahrscheinlichkeit eines knftigen vollkommenen Zustandes der Menschheit. An Prof. Eggers, in: Deutsches Magazin 10 / 1795, S. 36 – 69; zum 1812 gestorbenen lteren Hegewisch Rainer Postel, SHBL 5, S. 117 – 120; Sigrid Wriedt, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina im Zeitalter des dnischen Gesamtstaates, S. 63 f. Vieles spricht dafr, daß der in dieser intensiv an staatsrechtlichen Aspekten interessierten Atmosphre herangewachsene Franz Hermann Hegewisch in der Zeitspanne zwischen der Legitimierung des Verfassungspostulates 1815 und der Gewhrung einer Stndeverfassung 1831 ein wohlwollender geistiger Mentor der in Kiel heranwachsenden politisch interessierten Studentenschaft gewesen ist. Er war ein enger Freund und intensiver Ratgeber Uwe Jens Lornsens; ein beredtes Zeugnis dieser Gemeinschaft liegt vor im von Hegewisch verfaßten bewegenden Nachruf auf Lornsen nach dessen Freitod, abgedruckt im KCB 27/1838 vom 24. Mrz 1838 – und damit auf den Tag genau 10 Jahre vor der am 24. Mrz 1848 beginnenden Erhebung der Herzogtmer publiziert. Franz Hermann Hegewisch, zit. n. Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, Fnfter Teil, S. 734 {Hervorhebung im Original]. Der als Staatenbund organisierte Deutsche Bund wird damit grundlegend akzeptiert, vgl. Punkt 8 der Beschlußvorlage, a.a.O., S. 735; wie auch im 9. Grundsatz artikuliert sich hier der Wunsch nach Verfassungen in allen Bundesstaaten in bereinstimmung mit dem Art. 13 der Bundesakte. Vgl. die Punkte 12 und 22 der Beschlußvorlage, ebd. Vgl. Punkt 18 der Beschlußvorlage, a.a.O., S. 736. Vgl. Punkt 19 der Beschlußvorlage, ebd. Vgl. Punkt 26 der Beschlußvorlage, a.a.O., S. 737.

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handlung, so daß der erhoffte Beschluß ausbleibt114 ; doch entfalten die Gedanken des Kieler Professors eine zumindest indirekte Wirkung, indem sie „nach Milderung der radikalsten Stellen“115 durch den Jenaer Historiker Heinrich Luden116 zum bedeutsamen Fundament der „Grundstze und Beschlsse des achtzehnten Oktobers“117 werden, in denen die Teilnehmer der ersten Zusammenkunft deutscher Burschen ihr „politisches Glaubensbekenntnis“ finden118. Die unmittelbare Konsequenz dieser genuin mit dem Wartburgfest verbundenen Ereignisse an der Kieler Universitt war eine Spaltung119 der hier Studierenden in landsmannschaftlich und burschenschaftlich Gesinnte120. Dabei war die Kieler Burschenschaft niemals offiziell der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft beigetreten121; nach Sands Attentat122 lçste sie sich formell sogar am 31. August 1819 auf 123. Doch verstndigten sich einige Kieler Studenten zum 114 Manfred Jessen-Klingenberg, Die Kieler Professoren und Studenten und das Wartburgfest vom Oktober 1817, S. 180. 115 Heinz-Joachim Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, S. 67. 116 Zu diesem Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, II. Bd., S. 237 – 248. 117 „Die Grundstze und Beschlsse des achtzehnten Oktobers, gemeinsam beraten, reiflich erwogen, einmtig bekannt und den studierenden Brdern auf anderen Hochschulen zur Annahme, dem gesamten Vaterlande aber zur Wrdigung vorgelegt von den Studierenden zu Jena“, zit. n. Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, S. 67. Zum gesamten Text ders., ebd., S. 67 f.; Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I, S. 722. 118 Toll, a.a.O., S. 68. 119 Ebd. 120 Ein Jahr nach dem Wartburgfest trat am 18. Oktober 1818 in Jena die „Allgemeine Deutsche Burschenschaft“ ins politische universitre Leben. Damit etablierte sich an zahlreichen deutschen Universitten ein Zusammenschluß von Studierenden, der dem staatenbndischen Gedanken des Deutschen Bundes das Leitbild einer deutschen Einheit entgegensetzte und so die regional-landsmannschaftlichen Aspekte zweitrangig werden ließ; hierzu Franz Schnabel, a.a.O. (Anm. 116), S. 248 f.; Ernst Rudolf Huber, a.a.O., S. 723 – 725; vgl. zum Ganzen a. Wolfgang Donat: Die Anfnge der burschenschaftlichen Bewegung an der Universitt Kiel (1813 – 1833), passim. – An der Bcherverbrennung whrend des Wartburgfestes haben zumindest Wilhelm und Justus Olshausen nicht teilgenommen, wie aus einem Brief Detlev Johann Wilhelm Olshausens an seine Sçhne vom 2. November 1817 hervorgeht, wiedergegeben bei Donath, a.a.O., S. 32. 121 Hierzu Heinz-Joachim Toll, a.a.O., S. 79 – 82; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat, S. 380 – 385. 122 Zu diesem Ernst Rudolf Huber, a.a.O., S. 727 – 732; Toll, a.a.O., S. 82 – 85. 123 Vgl. die Auflçsungserklrung der Kieler Burschenschaft vom selben Tage, unterzeichnet von [Moritz Andreas] Moritzen, [Ludwig Carl Friedrich] Schmidt,

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27. September desselben Jahres darauf, „wieder eine Verbindung“ zu errichten, „jedoch frs erste der Umstnde wegen auf eine solche Weise, die nicht zu befrchten htte, wieder aufgehoben zu werden“124. Der Prozeß einer anfnglich teilweisen, zunehmend gnzlichen berfhrung der Kieler [Christian August] Valentiner, [Johann Wilhelm] Matthiesen und [Johann David Thomas] Prehn, LAS 47 Nr. 776. Moritzen stammte aus Ahrensbçck und war wie der Altonaer Matthiesen und der Apenrader Prehn Student der Rechte; zu diesen dreien Franz Gundlach, Hg., Das Album der Christian-Albrechts-Universitt zu Kiel 1665 – 1865, Nr. 7985; 8204; 8127; ebd. unter Nr. 8154 a. Christian August Valentiner, Sohn des Flensburger Geistlichen Georg Wilhelm Valentiner – zu diesem o. S. 158 f. – , der sein Theologiestudium 1817 in Kiel begann, am Wartburgfest teilnahm und 1819 nach Jena wechselte. Zu Beginn seines Studiums hatte er in Kiel die „Germania“ gegrndet; von Jena her war er mit dem gleichfalls dort immatrikulierten Uwe Jens Lornsen dauerhaft befreundet. Seit 1837 Nachfolger seines Vaters an St. Marien zu Flensburg, wurde Valentiner 1850 auf Grund seines Verhaltens whrend der Schleswig-Holsteinischen Erhebung aus dem Dienst entlassen, und noch zu dieser Zeit diffamiert ihn eine dnisch gesinnte Publikation als „berchtigte […] Nr. 1 unserer Wartburg-Mnner“, vgl. die anonym erschienene „Darstellung derjenigen Charactere, welche in der Stadt Flensburg an unserer so ganz ohne Veranlassung hervorgerufenen Revolution thtigen Antheil genommen haben“, Flensburg 1850, S. 7 [Hervorhebung im Original]. Zu ihm weiterhin [Carsten Erich] Carstens, ADB Bd. 39, S. 464 f.; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, S. 331. Gleichfalls angehender Geistlicher und ebenfalls Pastorensohn war der 1799 in Probsteierhagen geborene, in Schçnberg herangewachsene Ludwig Carl Friedrich Schmidt, der nach Gundlach, a.a.O., Nr. 8218 seit 1818 in Kiel studierte und 1820 nach Gçttingen wechselte. Seit 1826 wirkte er als Diakon in Neuendorf, wo er 1829 zum Hauptpastor berufen wurde. Seit 1849 verwaltete er bis zu seinem Tod Anfang 1862 das Pfarramt in Neuenbrook. Whrend der Erhebungszeit war Schmidt 1848 – 49 Mitglied der schleswig-holsteinischen Landesversammlung; anders als sein Bruder Georg Carl Wilhelm, der 1850 als Grumtofter Pastor entlassen wurde, konnte Ludwig Carl Friedrich Schmidt nach dem Ende der Erhebung in seiner holsteinischen Gemeinde verbleiben; zu ihm Otto Fr. Arends, a.a.O., S. 234. Von diesen Lebenslaufkonturen her lßt sich vermuten, daß zwischen burschenschaftlicher Zugehçrigkeit und spter bewiesener antidnisch-prodeutscher Haltung durchaus ein kausaler Zusammenhang besteht. – Im brigen wußte das Kieler Konsistorium auf eine Anfrage der badischen Regierung, ob an der Kieler Universitt nach der Ermordung des russischen Staatsrats August von Kotzebue durch Karl Sand Bewegungen stattgefunden „und welche Personen sich den Verdacht der Teilnahme oder Mitwisserschaft zugezogen htten“, im April 1819 nur zu antworten, „daß die Nachricht von diesem Mord in Kiel ,mit Unwillen‘ aufgenommen worden sei“, zit. n. Wolfgang Donat, Die Anfnge der burschenschaftlichen Bewegung an der Universitt Kiel, S. 59. 124 Zit. n. Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, S. 86. Damit war in Kiel erneut eine Burschenschaft ins Leben gerufen.

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Studentenschaft in eine burschenschaftliche Korporation Jenaer Prgung dauerte unter diesen Umstnden nahezu ein Jahrzehnt; so schreibt der in Eutin beheimatete stud. iur. Theodor Olshausen125 am 14. Mai 1822 seinem Bruder Justus: „In Kiel existirt jetzt nur noch Germania, die nchstens zur allgemeinen Deutschen Burschenschaft treten wird – das Werk von Valentiner126 u. Schmidt127 aus Schçnberg. Die alte Burschenschaft hat sich der Germania so gut wie ganz unterworfen.“128

Justus Olshausen selbst hatte die „Germania“ Ende 1819 verlassen, weil ihm eine vorbergehende Durchsetzung des landsmannschaftlichen Momentes einem entscheidenden Mangel an national-liberaler Ausrichtung gleichzukommen schien129. Whrend der folgenden Jahre bestand die „Germania“ auf Grund der durch die Karlsbader Beschlsse definierten politischen Gegebenheiten offiziell im Verborgenen; wurden einzelne Angehçrige der Verbindung etwa durch Verhçre ihrer anderenorts studierenden Kommilitonen bekannt130, so folgte umgehend ihre offizielle 125 126 127 128

Zu diesem im Folgenden S. 496 – 501. Vgl. zu diesem Anm. 123 sowie u. S. 631 Anm. 176 und S. 644 Anm. 213. Vgl. zu diesem Anm. 123. Zit. n. Theodor Olshausen, Briefe an den Bruder Justus, S. 26. Zur Germania a. Donat, a.a.O., S. 75 – 126. Zum o.g. Zeitpunkt wies die Angehçrigenliste der „Germania“ nach Toll, a.a.O., S. 221, 17 Mitglieder aus; von diesen studierten neun Theologie, sechs Rechtswissenschaft und zwei Medizin. Daß einzelnen Studenten die Existenz der „Germania“ unbekannt blieb, beweist das Beispiel des seit April 1826 in Kiel immatrikulierten stud. theol. Nicolai Johannes Ernst Nielsen, der „dem in Kiel allein bestehenden Corps der Holsatia, als zu particularistisch, absichtlich fernblieb“, zit. n. Martin Herrmann, Hg., Andenken an Schleswig-Holstein. Nicolai Johannes Ernst Nielsen. Carl Grf, Flensburg 1994, S. 21. Zu Nielsen Otto Fr. Arends, a.a.O. Band II, S. 109 f., und u. S. 588 – 590 sowie 622 – 627. 129 Hierzu Heinz-Joachim Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, S. 82 und 188 f.; noch am 27. November 1822 differenziert Theodor Olshausen in einem Brief aus Jena an den in Paris studierenden Justus scharf zwischen Holstein und „Deutschland“: „Wenn Du wieder in Deutschland bist und nicht in Holstein (denn da sieht man das, was in Deutschland passiert so an, als geschh’s fr China) wird Dir auch anders sein, ich weiß nicht ob ich sagen soll, hoffe ich oder frchte ich. Fr jeden einigermaßen Gebildeten sollte es doch einerlei sein, ob er factisch oder rechtlich unter Trkendespotismus lebt“, zit. n. dems., Briefe an den Bruder Justus, S. 34. 130 Vgl. hierzu etwa die Verhçre an der Universitt Halle whrend des Wintersemesters 1822/23 und Ihre Auswirkungen auf die Kieler „Germania“ in der Darstellung Tolls, a.a.O., S. 128.

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Auflçsung131. Dabei spielte das Konsistorium die politischen Intentionen der Studenten gegenber der Regierung stets unter Betonung des landsmannschaftlichen Aspektes und des juvenilen Gemeinschaftsgeistes herunter, wobei die Professoren vereinzelt so weit gingen, jede „politische Tendenz“ der Kieler Burschenschaft grundstzlich auszuschließen132. Inoffiziell vermochte die Verbindung auf diese Weise dauerhaft zu existieren; entscheidend war, daß sie stetig jene Denkrichtung des akademischen Nachwuchses der Herzogtmer fçrderte und prgte, die auf eine Teilhabe an den deutschen Einheitsbestrebungen und eine Verwirklichung demokratischer Intentionen ausgerichtet war133. So prognostiziert der stud. iur. Uwe Jens Lornsen134 im August 1818 in einem aus Jena an seinen Vater135 gerichteten Brief: „So wird hoffentlich Deutschland durch ein gemßigtes aber dabei ernstes und kluges Verfahren erreichen, was Frankreich durch eine blutige Revolution 131 Cf. Wolfgang Donat, Die Anfnge der burschenschaftlichen Bewegung an der Universitt Kiel, S. 60 f. 132 Vgl. die entsprechende Meldung des Consistoriums der Kieler Universitt vom 29. Juni 1824, LAS 47 I Nr. 7. Die Verbindungsstudenten wrdigten dieses Verhalten ihrer Professoren; so spricht Theodor Olshausen gegenber seinem Bruder Justus in einem Brief vom 6. Mai 1821 aus Eutin von einem „Hoch, welches dem Rector Wiedemann bey seinem Abgange wegen seiner freundschaftlichen Gesinnungen gegen die Burschen gebracht ward“, zit. n. dems., Briefe an den Bruder Justus, a.a.O., S. 22. 133 Hierzu grundstzlich Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, II. Bd., S. 252 – 255; ebd. S. 252: „Die Burschenschafter wurden zu Trgern der nationalen Bewegung, sie haben die Politisierung der akademischen Jugend in Deutschland erreicht“. 134 Zu diesem: Ders., Politische Briefe, hg. von Alexander Scharff, Heide in Holstein 1938; Alexander Scharff, SHBL 1, S. 188 – 191; ferner Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen. Ein Beitrag zur Geschichte der Wiedergeburt des Deutschen Volkes, Kiel 1872; Christian Trnckner, U.J. Lornsen (Leben, Verfassungswerk und Briefe), Hamburg u. a. 1922; Karl Alnor, Uwe Jens Lornsen. Eine historisch-politische Skizze, Flensburg o. J.; Wilhelm Jessen, Uwe Jens Lornsens Vorfahren und ihre Welt, in: ZSHG 66 / 1938, S. 140 – 189; John Boyens, Politische Petitionen und Petitionsbewegung im schleswig-holsteinischen Verfassungskampf: F. Chr. Dahlmann bis Uwe Jens Lornsen (1815 – 1830), S. 19 – 26 und 113 – 119; Alexander Scharff, Uwe Jens Lornsen und sein „Verfassungswerk“ in der zeitgençssischen Publizistik, in: ZSHG 105 / 1980, S. 153 – 168; Manfred Jessen-Klingenberg, Uwe Jens Lornsen – ein brgerlich-liberaler Reformer, in: Grenzfriedenshefte 4 / 1988, S. 231 – 239; Corinna Hbener, Uwe Jens Lornsen: Ein Leben fr Recht und Freiheit, Norderstedt 2004, ebd. S. 17 – 20 zu Lornsen als Angehçrigem der Burschenschaft. 135 Zu diesem o. S. 119 f.

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nicht erlangt hat […] Eine politische Wirksamkeit und Wichtigkeit kçnnen und werden sich die Studenten ihrem Stande nach nie im Staat anmaßen unmittelbar; allein da aus diesem Stande gerade alle diejenigen Mnner hervorgehen, welche das Vaterland regieren, verwalten und kultivieren, da also der allergrçßte und umfassendste Einfluß dieses Standes auf den Staat unverkennbar ist, so ist klar, daß von der Stimmung und Verfassung desselben unendlich viel abhngt.“136

In diesen ußerungen artikuliert sich deutlich die Hoffnung auf einen sukzessiv-evolutiven Prozeß gesellschaftlicher Wandlung137. Katalysator dieser Hoffnung ist das universitre Erlebnis außerhalb der Grenzen des dnischen Gesamtstaates im Kontext der burschenschaftlichen Bewegung138. Immerhin gelangte Lornsen nach Jena lediglich „mit sehr beschrnkten und gemeinen Ansichten von des Lebens Bedeutsamkeit und Zweck; ich fhlte, daß wenn meine Arbeiten und Handlungen einen wahren Wert in meinen Augen gewinnen sollten, sie auf einen hçheren 136 Brief vom Anfang August 1818, zit. n. Uwe Jens Lornsen, Politische Briefe, hg. von Alexander Scharff, S. 3; eine erste literarische Frucht der Kieler Studentenschaft ist etwa August [Daniel] Binzers „Beitrag zur Beantwortung der Frage: Was kann zur Fçrderung des allgemeinen Wohlstandes gegenwrtig in Teutschland geschehen?“, Jena 1820; vgl. hier S. VII die Intention, das eigene „Schrflein beizutragen, der gesammten Nationalkraft eine heilsame Richtung zu geben“. In diesem Zusammenhang visiert Binzer bemerkenswerterweise weniger die allgemein verhandelte Verfassungsfrage als vielmehr die individuelle Mitarbeit im Sinne einer „vaterlndischen Thtigkeit“ am Allgemeinwohl an, vgl. ebd. S. VIIIf. – 1793 in Kiel geboren, studierte Binzer hier seit 1815, ab 1818 in Jena, bettigte sich anschließend als Publizist; zu ihm Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 474 f.; zu seinem Vater Ludvig Jacob von Binzer vgl. o. S. 251. 137 Vgl. hierzu a. Lornsens Wertschtzung Christoph Martin Wielands als Erzieher des weimarischen Prinzen Carl August, o. S. 66 Anm. 140; zum Verhltnis Wielands zur Franzçsischen Revolution o. S. 64 – 66. 138 Lornsen selbst nahm in der Jenaer Burschenschaft eine fhrende Stellung ein, gehçrte seit 1818 deren Vorstand an, traf hier mit Karl Sand nicht nur den spteren Mçrder Kotzebues, sondern in Heinrich von Gagern auch den knftigen Prsidenten der Frankfurter Nationalversammlung. Auch an der Grndung der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft nahm Lornsen gestaltenden Anteil; hierzu Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, S. 168 – 171; Karl Alnor, Uwe Jens Lornsen, S. 4 f.; Corinna Hbener, Uwe Jens Lornsen, S. 18 – 20. Rckblickend spricht Lornsen in seiner persçnlichen Reflexion dieser Zeitspanne von einer damaligen „gnzlichen Verdrngung aller und jeder Religiositt aus meinem Gemte […] Ich fand und setzte die Bestimmung und den Wert des Lebens darin, die hçchstmçgliche Kraft zu entwickeln […] Nicht aber das ble in mir auszumerzen, sondern die guten Eigenschaften und Krfte in mir zu entwickeln und geltend zu machen, ließ ich mir zur Aufgabe werden“, zit. n. Alnor, a.a.O., S. 5.

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Zweck gerichtet sein mßten, als das Ziel war, welches ich bis jetzt ins Auge gefaßt hatte. […] Eine Idee insbesondere ist es, die bei mir sich hier zu einer solchen Lebendigkeit und Klarheit ausgebildet hat, daß ich deren Realisierung mein ganzes Leben und Streben widmen werde […] Es ist die Freiheit in ihrem vollen Umfang.“139

Die eigenen gesellschaftlichen und politischen Verhltnisse in den Herzogtmern erscheinen der kritischen Studentenschaft als „niederdrckend und zerstçrend“140 ; nun aber setzt mit den sdlich der Elbe rezipierten burschenschaftlich-politischen Intentionen vehement der Wunsch nach einem wesentlichen Wandel der gesellschaftlichen Realitt in den Herzogtmern ein. Wie rasch die Verfechter des Freiheitsgedankens und der deutsch-nationalen Einheitsbestrebungen an die Grenzen der auch vor dem dnischen Gesamtstaat nicht haltmachenden Restauration stoßen, zeigt in besonderer Weise das Einzelschicksal Theodor Olshausens141. Zunchst wird er als Mitglied des Jenaer Jnglingsbundes142 durch polizeiliches 139 Brief Lornsens an seinen Vater vom 16. Mrz 1819, zit. n. Uwe Jens Lornsen, Politische Briefe, S. 6. 140 Lornsen, ebd.; vgl. hierzu die ußerungen August Twestens S. 411 Anm. 56 ber die zeitgençssischen gesellschaftlichen Verhltnisse im Herzogtum Holstein. 141 Zu diesem Lorentzen, ADB 24, S. 330 – 338; Knud Fabricius, DBL 11, København 1982, S. 48 f.; Sigrid Wriedt, SHBL 7, S. 156 – 161; Heinz-Joachim Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, S. 127 – 140; Janine Baumgart-Horn, Theodor Olshausen – Eine politische Biographie, Fachwissenschaftliche Arbeit zur Anerkennung des 1. Staatsexamens fr das Lehramt an Gymnasien, Christian-Albrechts-Universitt Kiel, Kiel 2003, S. 9 – 13; Christian Gellinek, Kultursolidaritt ber Grenzen: Dnemark und Deutschland, Mnster 2008, hier S. 81 – 85; ferner u. S. 496 – 501. 142 Vgl. zu diesem o. S. 420 Anm. 99; hierzu Janine Baumgart-Horn, a.a.O., S. 9: „Der Geheimbund zielte darauf ab, einen geeinten deutschen Verfassungsstaat mit einer souvernen und reprsentativen Volksvertretung zu schaffen“. Nach den „Acta des Kçniglichen Staats-Archivs zu Schleswig betr. die Verbindung Holsteins mit dem Deutschen Bund. Demagogische Umtriebe. Betr. August Theodor Brçmel, Theodor Olshausen und Joh. Ferd. Witte sowie Riemann. 80 Folien de 1824“ [LAS Abt. 65.2 Nr. 134 c] ergab das in Kçpenick durchgefhrte Verhçr Robert Wesselhçfts neben der namentlichen Nennung einzelner Angehçriger des Teilnehmerkreises auch konkrete Bestandteile der Satzungen des Jnglingsbundes; hierzu gehçrten als Statuten: „Jedes Mitglied des Bundes soll sich Waffen anschaffen und in den Waffen ben […] Nicht jedes Mitglied sollte jedem anderen Mitgliede bekannt sein: es sollten sich nicht alle Mitglieder kennen, zit. n. „Actum Schloß Coepenick bei Berlin d. 5ten Februar 1824“, hs., LAS Abt. 65.2 Nr. 134 c Nr. 16. Auf Grund der letztgenannten Maxime des Jenaer Jnglingsbundes lernte Theodor Olshausen seinen Bundesbruder Uwe Jens Lornsen erst im Jahre 1830 in Kiel kennen; vgl. hierzu den 1864 in St. Louis verfaßten autobiographischen

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Verhçr seines Kommilitonen Robert Wesselhçft infolge der Umsetzung der Karlsbader Beschlsse143 entdeckt144. Zum Zeitpunkt der einsetzenden akademischen und polizeilichen Untersuchungen bereits nach Kiel zurckgekehrt, wird Theodor Olshausen auf die drngende Initiative des preußischen Ministers des Inneren und der Polizei145 durch den hier ttigen Professor der Rechtswissenschaften Georg Christian Burchardi146 verhçrt. Dieser vermag nicht zu „glauben, […] daß der junge Olshausen an dem tollen Bunde teilgenommen“ habe und erachtet es als „unnçtigen

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Bericht Theodor Olshausens „Im Herbst 1830 als Lornsen in das Herzogthum kam und seine Bewegung begann“, in: Ders., Briefe an den Bruder Justus, S. 305 – 309, hier: S. 306. Nicht zuletzt wegen dieses in den Kçpenicker Verhçren bekannt gewordenen revolutionren und militanten Hintergrundes zahlreicher burschenschaftlich organisierter Kommilitonen hatten die Kieler Studenten auf Anordnung des Konsistoriums seit Januar 1822 mit ihrer Immatrikulation unterschriftlich zu erklren, „namentlich an keinen geheimen, von der akademischen Obrigkeit nicht autorisierten Verbindungen, dergleichen sich auf deutschen Universitten so oft gezeigt haben, als Mitglied teilzunehmen, noch weniger aber solche Verbindungen zu stiften oder zu deren Stiftung mitzuwirken“, zit. n. Heinz-Joachim Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, S. 124. Abdruck der Beschlsse bei Ernst Rudolf Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte. Deutsche Verfassungsdokumente 1803 – 1850, Bd. 1, S. 90 – 112; zu den Beschlssen: Eberhard Bssem, Die Karlsbader Beschlsse von 1819. Die endgltige Stabilisierung der restaurativen Politik im Deutschen Bund nach dem Wiener Kongreß von 1814/15, Hildesheim 1974, hier bes. S. 371 – 379: „Maßregeln gegen die Universitten“; hinsichtlich der konkreten Auswirkungen der Beschlsse auf die Kieler Universitt und deren Angehçrigen cf. Sigrid Wriedt, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina im Zeitalter des dnischen Gesamtstaates, S. 99 – 107. Vgl. hierzu a. die „Acta des Kçniglichen Staats-Archivs zu Schleswig betr. die Verbindung Holsteins mit dem Deutschen Bund. Demagogische Umtriebe. Betr. August Theodor Brçmel, Theodor Olshausen und Joh. Ferd. Witte sowie Riemann. 80 Folien de 1824“, LAS Abt. 65.2 Nr. 134 c Nr. 5 und 7; zum Ganzen a. Peter Willer, Theodor Olshausen und die Auseinandersetzungen unter den schleswig-holsteinischen Liberalen ca. 1839 – 1848, Phil. Mag-Arb. Universitt Kiel, Kiel 1997, S. 29. Hierzu LAS Abt. 65.2 Nr. 134 c Nr. 7; ebd. a. Schreiben des preußischen Innenministers v. 30. Mrz 1824 aus Berlin. Zum Kontext a. Heinz-Joachim Toll, a.a.O., S. 127 – 140. Burchardi war 1795 als Sohn eines Propsten in der Ortschaft Ketting auf der Insel Alsen geboren. Seit 1821 Ordinarius der Rechtswissenschaften in Bonn, hatte er im Jahre 1822 erfolgreich die Verteidigung Ernst Moritz Arndts in einer gegen diesen seit 1820 anhngigen Untersuchung betrieben; im gleichen Jahre folgte Burchardi einem Ruf nach Kiel. Zu ihm seine „Lebenserinnerungen eines Schleswig-Holsteiners“, hg. von Wilhelm Klwer, Flensburg 1927; A. Teichmann, ADB Bd. 47, S. 379 f.; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat, S. 382.

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Diensteifer“, dem Kurator „unsere Privatkenntnis von dem Aufenthalt Olshausens“ mitzuteilen147. Der beschuldigte Olshausen besttigt durchaus seine Zugehçrigkeit zur Jenaer Burschenschaft148 ; dagegen leugnet er wiederholt seine Mitgliedschaft im Jnglingsbund149, den der Universittskurator Cay Lorenz von Brockdorff 150 selbst in einem am 10. Mai 1824 an die Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgische Kanzlei eingesandten Bericht als einen „gegen die in Deutschland bestehende çffentliche Verfassung“ gerichteten, „nach Zweck und Form hochverrterischen Bund“ 147 Zit. n. Burchardis „Missive“ vom 1. Mai 1824, LAS Abt. 47 Nr. 786 Nr. 3. 148 ber sein burschenschaftliches Verstndnis ußerte sich Theodor Olshausen gegenber seinem Bruder in einem aus Jena am 20. Juli 1822 an diesen gerichteten Brief: „Auch kann man uns rechtlich gar nichts anhaben, da eine Burschenschaft, wie wir sie haben, gar nicht in den akademischen Gesetzen verboten ist (wenigstens nach einer natrlichen Auslegung des Gesetzes). Da nun hier das Recht nicht wie auf den meisten Universitten ganz mit Fßen getreten wird und die Regierung die Burschenschaft begnstigt, so kmen wir […] mit einer kleinen Carcerstrafe davon, und der Masse geschieht nichts. Einige […] wrden freilich wohl geschickt werden […] So stehen wir hier jetzt von allen Seiten verfolgt; und weswegen? weil wir die legitimsten Leute von der Welt sind. Burschenschaft wie unsere jetzige ist, soll gewiß keinem Terrain schaden. berhaupt ergreifen die Regierungen ein ungeheuer schlechtes (d. h. ihnen schdliches) System: Statt die sogenannten Demagogien in die Staats- und Familienverhltnisse hinein zu ziehen und sie dadurch von den Regierungen abhngig zu machen; stoßen sie sie hinaus und machen sie zu Leuten, die nichts mehr zu verlieren haben, und bei einer etwaigen Staatsvernderung nur gewinnen kçnnen“, zit. n. Theodor Olshausen, Briefe an den Bruder Justus, S. 30. 149 Vgl. die vorlufige Feststellung des Kieler Professors Christian Rudolf Wilhelm Wiedemann in LAS Abt. 47 Nr. 786 „Ad Plenum No. 25“ vom 1. Mai 1824, die „bisherigen Nachforschungen das frhere Schreiben die Umtriebe betreffend haben noch kein gengendes Resultat gegeben“. Am 5. Juli 1824 erklrt Theodor Olshausen nach seiner Flucht aus Holstein in seiner „Allerunterthnigste[n, L.-P.] Bitte um Zusicherung von sicherem Geleit“ erneut, er sehe sich „ohne alle gegrndete Ursache […] in eine Untersuchung verwickelt, die gegen nichts geringeres gerichtet ist, als das Verbrechen eines Hochverraths“, weswegen er sein „Vaterland“ durch Flucht habe verlassen mssen, ders., hs., in seiner Eingabe an die Kçnigliche Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgische Kanzlei, LAS Abt. 65.2 Nr. 134d Bl. 21 – 23. 150 Zu diesem v. Ahlefeldt – A. Michelsen, ADB 2, S. 336; Wolfgang Donat, Die Anfnge der burschenschaftlichen Bewegung an der Universitt Kiel, S. 62 – 73. Brockdorff war am 26. Juni 1819 zum Kurator der Universitt ernannt worden und verwaltete dieses Amt bis 1834; er trat als Jurist und Staatsmann ein fr das „deutsche Rechtswesen und die staatsrechtliche Einheit der Herzogthmer Schleswig und Holstein“, Michelsen, a.a.O.; cf. a. die positive Wrdigung des Grafen in einem Nachruf im von Olshausen herausgegebenen KCB 47/1840, S. 191 f.

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Kapitel IV

darstellt, dessen „Enthebung und Bestrafung […] eine heilige Pflicht“ sei151. Es fehle jedoch bislang „an Datis die den Studiosus iuris Theodor Olshausen gravieren“152. Dies ndert sich zum Sommer 1824, als gegen Olshausens Erklrung neue Informationen eintreffen, die sich aus weiteren Verhçren mittlerweile inhaftierter Studenten ergeben haben und die ihrerseits Olshausens Mitgliedschaft zweifelsfrei erweisen153. Zwischenzeitlich hatte der in Glckstadt ttige Kurator das Kieler Konsistorium zu erneuter Befragung Olshausens angewiesen154 ; die Kieler Professoren antworteten ausweichend, daß nach ihrer Kenntnis sich „Th. Olshausen nicht hier, sondern in Gçttingen befinde“. Daher sei es „ohne Zweifel“ dem „Herrn Curator selbst […] berlassen sich nach Gçttingen zu wenden“155. Die „Allerunterthnigste Bitte des Candidaten der Rechte Theodor Olshausen um Zusicherung von sicherem Geleit“156, am 5. Juli 1824 gesandt an die Kçnigliche Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgische Kanzlei, wird zunchst von Graf Brockdorff 157, dann auch durch die 151 Graf Brockdorff, „Allerunterthnigster Bericht des Curators der Kieler Universitt betreffend die Abhçrung des Studiosi iuris Theodor Olshausen“ vom 10. Mai 1824, hs., LAS 65.2 Nr. 134d Blatt 3. 152 Ebd.; von Brockdorff schließt mit der Feststellung: „Solange nicht andere Data und Umstnde gegen Olshausen ausgemittelt werden kçnnen, scheint mir eine jede fernere Untersuchung nutzlos zu bleiben“. 153 Vgl. etwa das „Verhçrprotokoll des Stud. juris Moritz Grosser“, niedergelegt auf „Schloß Coepernick, den 31. July 1824“: „Ich logierte bei Ruge […] Ruge fhrte mich in die Wohnung der beiden Gebrder Schmidt. Dort fanden sich nach und nach ein: Hase, Gessner, Ruge, Olshausen und Gabert aus Halle, der aber mit mir zugleich nach Jena zurckgekommen war“; auch das Verhçr des in Berlin inhaftierten Adolph Ludewig Christoph Gabert ergab Olshausens Teilnahme am Jnglingsbund, schließlich habe dieser ihn 1822 in Jena „mit Schmidt, Reinhold, stud. Jur. und Heinrich Dr. Philosoph.“ sowie „Hase, Ruge, Gessner und Grosser bekannt gemacht“, zit. n. „Actum Schloß Coepenick, den 31. July 1824“ , LAS 65.2 Nr. 134d, Blatt 75 – 77. 154 Auf ein solches Curatelschreiben beruft sich das Curatorium in seiner hs. Antwort vom 1. Mai 1824, LAS Abt. 47 Nr. 786/ 25. Das Schreiben trgt die Unterschrift des Professors Christian Rudolf Wilhelm Wiedemann. 155 Ebd. 156 Theodor Olshausen, hs., LAS Abt. 65.2 Nr. 134d Bl. 21 – 23: 5. Juli 1824; hierzu Heinz-Joachim Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, S. 134 f. 157 Graf Brockdorff, Allerunterthnigster Bericht und Bedenken des Curators der Kieler Universitt betreffend das Gesuch des Studiosus der Rechte Theodor Olshausen um Bewilligung eines sicheren Geleits. Erfordert den 6., erstattet den 18. Juli 1824, hs., LAS Abt. 65.2 Nr. 134d Bl. 28 – 29.

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Kanzlei abgelehnt158. Im weiteren Verlauf der gegen Theodor Olshausen gerichteten Strafverfolgung wird dieser nach seiner Flucht ber Hamburg, Cuxhaven und Amsterdam zunchst nach Paris159 durch einen vom Universittsrektor Wiedemann in diversen norddeutschen Zeitungen publizierten, in seinen Angaben recht unprzisen Steckbrief gesucht160. Ein Ende 1825 durch die lteren Brder Wilhelm und Justus an den Kçnig gerichtetes Gesuch um „Begnadigung oder um gerichtliche Untersuchung“ Theodor Olshausens161 bleibt unbeantwortet. Der von seiner Familie finanziell untersttzte Flchtling nimmt trotz eines von Justus Olshausen an diesen eingesandten Empfehlungsschreibens vergeblich Kontakt zu Alexander von Humboldt in Paris auf 162, verkehrt in Paris und Basel mit den dort lebenden Auslandsdeutschen und trifft im Sommer

158 Antwortschreiben aus Kopenhagen vom 7. August 1824, hs., LAS Abt. 65.2 Nr. 134d Bl. 30 – 41. 159 Hierzu die Darstellung Theodor Olshausens gegenber seinem Bruder Justus in einem in Amsterdam abgefaßten Brief vom 26. August 1824, in: Ders., Briefe an den Bruder Justus, S. 49 f., hier: S. 50; zum Kontext a. Lorentzen, ADB 24, S. 330. Im Januar 1825 wechselte Olshausen von Paris als Hauslehrer nach Basel, wo er bis zu seiner vorlufigen Rckkehr nach Paris im Jahre 1827 unter fremdem Namen ttig blieb; hierzu Heinz-Joachim Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, S. 137. 160 Vgl. die „Staats und Gelehrten Zeitung des Hamburgischen unparteyischen Correspondenten“, No. 141 vom Freitag, 3. September 1824, LAS Abt. 65.2 Nr. 134d, und „Altonaischer Mercurius“, Nr. 141 vom 2. September 1824 sowie Nr. 143 vom 6. September 1824, ebd. 161 In Schleswig am 26. sowie in Kiel am 27. Dezember 1825 von beiden im Staatsdienst befindlichen Brdern unterschrieben, hs., LAS 65.2 Nr. 134d Bl. 89. 162 Vgl. die Ankndigung dieses Versuchs in seinem Brief an Justus Olshausen vom 31. August 1824, in: Ders., Briefe an den Bruder Justus, S. 51 f, hier: S. 51, sowie die in einem Brief vom 17. September gleichen Jahres zum Ausdruck kommende Enttuschung ber die Antwort Alexander von Humboldts, „es thte ihm sehr leid, daß seine Verhltnisse es nicht erlaubten, mit einem wenngleich wahrscheinlich unschuldig Verfolgten in irgend eine Verbindung zu treten“, a.a.O., S. 56 – 59, hier: S. 57. 34 Jahre spter reagierte Humboldt auf die Situation des ins Kçnigsberger Exil gegangenen Justus Olshausen hilfreicher, als er den Vorschlag einbrachte, ihn 1858 als Geheimen Regierungsrat ins Berliner Kultusministerium zu bernehmen. Justus Olshausen war von Humboldt whrend seines durch ein Stipendium des dnischen Kçnigs ermçglichten Studienaufenthaltes in Paris begegnet; spter bekannte er, „daß er diesem mehr als sonst irgend einem seiner Laufbahn verdanke“, [Carsten Erich] Carstens, ADB 24, S. 328

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1827 in Paris mit Justus Olshausen sowie Friedrich Christoph Dahlmann zusammen163. Ende 1827 nahm die Intensitt der Demagogenverfolgung in den deutschen Staaten ab; auch fr den Raum der Elbherzogtmer waren die entsprechenden Untersuchungen mittlerweile durch ein kçnigliches Reskript niedergeschlagen worden164. ber die sddeutschen Großstdte Mnchen und Augsburg kehrte Theodor Olshausen allmhlich nach vierjhriger Abwesenheit in die Heimat zurck; in Augsburg gab der 26jhrige unter dem Namen Friedrich Pechel in bestndigen Auseinandersetzungen mit der Zensur eine Tageszeitung heraus165. Die in Kopenhagen ansssige Kanzlei hielt Olshausens Rckkehr in die Herzogtmer nunmehr fr unbedenklich, wie sie mit Schreiben vom 23. Januar 1827 gegenber dem Departement fr auswrtige Angelegenheiten erklrte166. Mitverantwortlich fr diese Gesinnungsnderung war Uwe Jens Lornsen, der zu dieser Zeit in der Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgischen Kanzlei als juristischer Beamter ttig war167. Hier liegt zweifellos ein beredtes Zeugnis fr die Tatsache vor, daß im Verlauf der 20er Jahre die in den Gesamtstaat zurckgekehrten zuvor burschenschaftlich organisierten Studienabsolventen zunehmend in staatliche Funktionen eintraten, in deren Ausbung sie ihre sdlich der Elbe gewonnenen Anschauungen und berzeugungen nicht in Vergessenheit geraten ließen. Ende November 1828 benachrichtigt das Kieler Konsistorium den Glckstdter Kurator, daß Olshausen sich in Kiel eingefunden habe und in Stadtarrest genommen worden sei, nachdem sein Bruder Justus eine Kaution von 800 Reichsbanktalern hinterlegt habe168. Teilgestndnissen Theodor Olshausens im Verhçr folgt sein Abolitiongesuch, das mit Kçniglicher Resolution vom 3. April 1829 positiv beschieden wird. Im Herbst gleichen Jahres legt er sein juristisches Amtsexamen ab. 163 Vgl. hierzu den Brief an Justus vom 25. Juni 1827, a.a.O., S. 73 – 75, hier: S. 74. ber die konkreten Inhalte der anlßlich dieser Begegnung gefhrten Gesprche geben die erhalten gebliebenen Briefe keine Auskunft. 164 Lorentzen, ADB 24, S. 330. 165 So seine persçnliche Aussage im spteren Verhçr am 24. November 1828, vgl. die entsprechenden hs. Aufzeichnungen LAS 65.2 Nr. 134e. Bereits auf diesem Weg zurck in die Heimat realisierte Theodor Olshausen versuchsweise seine Intention gesellschaftlicher Vernderung unter Zuhilfenahme des Zeitungsmediums. 166 So das Konzept LAS Abt. 65.2 Nr. 134d Bl. 105. 167 Vgl. Anm. 166. 168 Hierzu und zum Folgenden Heinz-Joachim Toll, Akademische Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, S. 138 – 140.

3. Politischer Impuls II

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Bereits frhzeitig nach Ausbruch der Franzçsischen Revolution waren die Stadt Kiel und ihre Universitt in den „Ruf einer bertriebenen Freyheitsliebe“169 geraten. Tatschlich hatte sich die Landesuniversitt whrend der ersten anderthalb Jahrzehnte nach Ausbruch der Revolution als jene Einrichtung in den Herzogtmern erwiesen, in der die inhaltliche Auseinandersetzung um die revolutionren Grundgedanken und Auswirkungen mit besonderer Intensitt und Geistesschrfe gefhrt wurde170. Und wie durch einen Universittsprofessor erstmalig zu Beginn der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts die Vergegenwrtigung der historischen Fundamente der Landesrechte und damit die implizite Frage nach der Dauerhaftigkeit der Bindung an den dnischen Landesherrn wachgerufen worden war171, so zeigt sich die Kieler Universitt jenseits der deutschen Freiheitskriege als jene Institution, ber die nun der Transfer nationaler deutscher Ideen in die Herzogtmer verluft. Es geht in diesem von außen hereingetragenen nationalistischen Diskurs zunehmend um das „Recht, Deutsche zu sein“172 und damit um die Wahrnehmung und die voranschreitende Realisierung des kulturell und zunehmend auf die staatlichnationale Ebene gehobenen gemeinsamen Kontextes mit den weiter sdlich lebenden Deutschen. Am Horizont dieses Diskurses erscheinen die Optionen Emanzipation sowie Separation aus dem bestehenden Staatsgefge mit seiner diesem von Kopenhagen aus beharrlich bergeworfenen Klammer. Der auf Wandlung der Verhltnisse abstellende Diskurs selbst wird unter Bercksichtigung synergetischer ritterschaftlicher Interessen173 inspiriert und vorangetrieben durch den Kieler Hochschullehrer Friedrich Christoph Dahlmann. Die studentischen Exponenten dieser neuen Suchrichtung werden geschtzt von einem Professorenkollegium, dessen Sympathien gerade im Kontext der Demagogenverfolgung Raum geben zu verschleierndem, Flucht und Entkommen ermçglichendem Handeln. Wie sehr sich fr den sdlich der Elbe studierenden akademischen Nachwuchs aus der Begegnung mit Wartburg und Burschenschaft eine wirkungsreiche deutsche Identitt formiert, zeigt sich im diesbezglichen Rckblick des bereits genannten, seit den 20er Jahren zunchst in Heiligenhafen, dann seit 1837 in Flensburg an St. Marien ttigen Pastors Christian August 169 170 171 172

Zu diesem historischen Zitat vgl. o. S. 254. Hierzu o. S. 302 das entsprechende Resmee. Vgl. o. S. 255 f. Wie es August Wilhelm Schlegel, Betrachtungen ber die Politik der dnischen Regierung, S. 46, formuliert hatte; hierzu o. S. 404. 173 Vgl. o. S. 106 f. Anm. 265.

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Valentiner, der in seinen erstmals im August 1848 publizierten „Politischen Bekenntnissen“ festhlt: „Meine politische Gesinnung konnte brigens schon damals, als man mich zum hiesigen Prediger berief, nicht ganz unbekannt geblieben sein. Schon im Jahre 1817 nahm ich Theil an dem berhmt genug gewordenen Studentenfeste auf der Wartburg, und befand mich auch in der kleineren Zahl derer, welche am 19. October jenes Jahres von der Wartburg in die Stadtkirche zu Eisenach zogen, um ihre dem deutschen Vaterlande dargebrachten Gelbde durch die Feier des Heiligen Abendmahles zu bekrftigen. An diesem Tage nmlich, der ein Vorspiel war von den großen Tagen in unserer Gegenwart174, lçsten alle seither bestehenden Studentenverbindungen in ganz Deutschland sich auf, und Alles trat in eine einzige große Gemeinschaft zusammen, welche sich die Burschenschaft nannte. Immer mehr klar und lieb wurden mir diese Wartburgsgedanken als ich spter nach Jena kam, wo ich in der schçnsten Periode der deutschen Burschenschaft drittehalb Jahre studierte […] Als ich in diese Verbindung am 18. Juni 1819 sehr feierlich aufgenommen wurde, legte man mir die Frage vor: ’bekennst du dich zum deutschen Volke?‘ was ich nicht nur bejahen, sondern auch beschwçren konnte. Daß ich zum deutschen Volke gehçrte, war ja eben so gewiss, als dass ich dem Staate nach zu Dnemark gehçrte.“175

Zweifellos initiierten die burschenschaftlichen Erfahrungen und Begegnungen fr einen großen Teil des akademischen Nachwuchses der Herzogtmer den Gedanken eines die Grenzen des Gesamtstaates transzendierenden deutschen Nationalbewußtseins. Wie sich der dnische Staatsbrger Christian August Valentiner, der sich ber die kulturelle Zugehçrigkeit weit hinausgehend tatschlich als Angehçriger des deutschen Volkes empfand, dann entschied, als ihm mit der Schleswig-Holsteinischen Erhebung eine freie Wahl zwischen beiden Alternativen greifbar schien176, beweist seine Absetzung als Pastor von St. Marien im September 1850 durch den dnischen „Regierungscommissair fr das Herzogthum 174 Gemeint ist die seit dem 24. Mrz 1848 unternommene Erhebung der Herzogtmer gegen Dnemark. 175 Christian August Valentiner, Politische Bekenntnisse eines Predigers in Flensburg an seine Mitbrger und an die Gemeine, in: Ders., Erinnerungen aus Kriegs- und Friedenszeiten geschrieben auf einer Reise von Hamburg nach Helgoland im August 1851. Von einem abgesetzten Schleswiger Geistlichen, Altona 1852, S. 63 – 74, hier: S. 66 f. 176 Zu den letztlich religiçs motivierten Grundlagen seiner Entscheidung ußert Valentiner sich Anfang August 1848: „Der Staat verhlt sich zu dem Volke ganz eben so wie etwa die symbolischen Bcher sich zu der Bibel verhalten; diese letztere und die Vçlker sind von Gott, die Staaten aber und die symbolischen Bcher hat der Mensch gemacht“, ders., a.a.O, S. 68.

4. Politische Indifferenz I

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Schleswig“177. Als Privatlehrer starb Valentiner 1864 in Hamburg178, wo fnf Jahre spter auch Theodor Olshausens Lebensweg endete – nach einem langen Aufenthalt im Exil in den Vereinigten Staaten179. Justus Olshausen verstarb gut drei Jahrzehnte nach seiner Ausweisung Ende 1882 in Berlin180, whrend Wilhelm Olshausen bereits 1835 in Schleswig krankheitsbedingt181, Heinrich Arminius Riemann 1840 in seiner mecklenburgischen Zuflucht Friedland durch natrlichen Tod182, Uwe Jens Lornsen 1838 jedoch nach Haft und Exil durch Freitod im Genfer See183 verstorben waren. Der weit berwiegende Teil der jungen, durch das Wartburgerlebnis und die burschenschaftliche Bewegung inspirierten holsteinischen Akademiker zahlte einen hohen existentiellen Preis fr die eigene politische berzeugung.

4. Politische Indifferenz I: Das Reformationsjubilum 1817. Staatskirche zwischen „Reformation“ und „Jubilum“ Am 8. Mai 1817 ergeht die „Kçnigl. Anordnung eines im Jahre 1817, zum Andenken der durch D. Martin Luther gestifteten Reformation, zu haltenden Jubelfestes, fr die Herzogthmer Schleswig, Holstein und Lauenburg“184. In deren Folge erhlt jedes Pastorat der Herzogtmer „eine 177 Ebd. S. 183 findet sich die Wiedergabe des Valentiner in dnischer Sprache zugesandten Demissionspatentes vom 28. September 1850: „Der außerordentliche Regierungscommissair fr das Herzogthum Schleswig entledigt hiedurch den Pastor Christian August Valentiner seines Amtes. v. Tillisch“; vgl. hierzu a. die o. S. 419 Anm. 94 bereits erwhnte Absetzung des frhzeitigen Burschenschaftlers und spteren Flensburger Propsten Hans Andreas Friedrich Volquardts. Zu den regierungsseitig in den Jahren 1850/51 zahlreich verfgten Absetzungen insbesondere schleswigscher Geistlicher als Folge eines Eintretens fr die schleswigholsteinische provisorische Regierung vgl. u. S. 619 f. 178 Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, S. 331. 179 Sigrid Wriedt, SHBL Bd. 7, S. 160. 180 Eckhart Olshausen, SHBL Bd. 7, S. 150. 181 Ders., SHBL Bd. 7, S. 162. 182 Wolfgang Donat, Die Anfnge der burschenschaftlichen Bewegung an der Universitt Kiel, S. 31 Anm. 125. Nach Gustav Peters, Geschichte von Eutin, S. 160 lebte Riemann bis 1872. 183 Alexander Scharff, SHBL Bd. 1, S. 189. 184 Kçnigl. Anordnung eines im Jahre 1817, zum Andenken der durch D. Martin Luther gestifteten Reformation, zu haltenden Jubelfestes, fr die Herzogthmer

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genaue Abschrift der Augsburgischen Konfession […], so wie sie ursprnglich in lateinischer Sprache bergeben ward“185. Das „Jubelfest […] soll drei Tage“ dauern; bereits am Vortage soll es durch „Glockengelute“ angezeigt und am Reformationstag selbst durch Kanonenschsse der in den Herzogtmern befindlichen Festungen „verkndigt werden“186. Der Vormittagspredigt am 31. Oktober 1817 solle „Joh 8, V. 12“, der Nachmittagspredigt am gleichen Tage „Eph 2, V. 8 – 10“ zugrunde liegen187. Regierungspolitischen Intentionen einer kirchlich visualisierten Verklammerung der Herzogtmer Schleswig und Holstein scheint jene Weisung Rechnung zu tragen, derzufolge es zwischen Elbe und Kçnigsau nur zwei zentrale Festakte geben solle; so sei „in der Stadt Schleswig […] die Hauptpredigt von dem Generalsuperintendenten Unserer Herzogthmer Schleswig und Holstein, und in der Stadt Ratzeburg von dem Superintendenten Unseres Herzogthums Lauenburg“188 zu halten. Zwei Jahre spter erscheint die „Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten“ des Lensahner Pastors Georg Peter Petersen189 ; in

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Schleswig, Holstein und Lauenburg. d.d. Kopenhagen d. 8ten Mai 1817, Glckstadt 1817; abgedruckt in: G.[eorg] P.[eter] Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten. Am 31. Oct. und 2. Nov. 1817, Kiel 1819, S. 2 – 6. Hierzu Wichmann von Meding, Zwischen Altona und Kiel. Die Predigt des Evangeliums in den dnisch-deutschen Herzogtmern beim Reformationsjubilum von 1817, in: SSHKG II. Reihe, 38/ 1982, S. 49 – 61. Petersen, a.a.O. S. 3. Ebd. S. 4; auf der Elbe bei Altona bernahm diese Aufgabe die Kriegsbrigg „Moen“, ebd. S. 86. Ebd. S. 4. Wichmann von Meding, Kirchenverbesserung. Die deutschen Reformationspredigten des Jahres 1817, Bielefeld 1986, referiert S. 26 – 28 Predigten aus verschiedenen deutschen Bundesstaaten zum Jubilum und sieht S. 25 in der jeweiligen Textwahl „einen bedeutungsvollen Einblick in Gemeinsamkeit und Differenzen bei der landesherrlichen Vorgabe fr das Verstndnis dieses Jubilums“. Der Lichtgedanke aus Joh 8,12 erscheint kompatibel zu aufklrerischen Intentionen; diesen Text gaben auch Preußen, Bayern, Hannover, Wrttemberg, Oldenburg, Waldeck, Frankfurt, Bremen sowie Hamburg vor. Petersen, a.a.O., S. 5. Das erst seit knapper Jahresfrist zum Gesamtstaat hinzugetretene Herzogtum Lauenburg wird damit nicht einbezogen in die dem Generalsuperintendenten in Schleswig unterstehende kirchliche Administration. Die Selbstndigkeit dieser Positionierung sollte sich in der Durchfhrung des Jubilums in besonderer Weise spiegeln; an der Chronik des Lensahner Pastors Petersen hat sich der im nahen Ratzeburg ttige Lauenburger Superintendent Friedrich Christian Block jedenfalls nicht beteiligt – ganz im Gegensatz zu seinem Schleswiger Kollegen Adler, vgl. a.a.O., S. 330 f. Petersen gab auch die „Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichte“ heraus; in der „Chronik“ referiert er ausgiebig ber das 1817 in den drei Herzogtmern statt-

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ihr spiegelt sich ein offensichtlich stark ausgeprgtes zeitgençssisches Interesse an den Ereignissen von 1817190. Der Herausgeber fhrt 123 schleswig-holsteinisch-lauenburgische Beitrge ber Festablufe und Predigtkonzeptionen auf, davon 39 Berichte schleswigscher, 81 holsteinischer und drei lauenburgischer Herkunft191. Nach dem Gemeindeverzeichnis im III. Band von Otto Fr. Arends’ „Gejstligheden i Slesvig og Holsten“192 sind fr 1817 im Herzogtum Schleswig 421 und in Holstein 232 Pfarrstellen193 nachzuweisen; Petersens „Chronik“ selbst spricht fr Lauenburg zu dieser Zeit von „27 Kirchen“194. Damit steht fest, daß es dem Herausgeber der reformationsfestlichen Chronik gelang, aus ca. 9 % der schleswigschen, ca. 35 % der holsteinischen und ca. 11 % der lauenburgischen Gemeinden Beitrge in seine Sammlung aufzunehmen. Die Geistlichen Holsteins erscheinen damit gegenber denjenigen Schleswigs bzw. Lauenburgs vier- bzw. dreifach strker reprsentiert.

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gefundene Reformationsgedenken, vgl. ebd. S. 86 – 395. Daneben finden sich auch Beitrge zu den im Kçnigreich Dnemark begangenen Feiern, ebd. S. 455 – 512; zu letzteren a. Henrik Georg Clausen, Prædikener, udgivne med Hensyn til Reformationsjubelfesten i Aaret 1817, Kjøbenhavn 1817, deutsch als „Predigten, herausgegeben in Beziehung auf die Jubelfeier der Reformation im Jahre 1817“, Altona 1819. Die Apostrophierung der Herzogtmer als „dnischer Staaten“ in Petersens „Chronik“ egalisiert unter danisierender Intention den gegenber Schleswig unterschiedlichen staatsrechtlichen Status Holsteins und Lauenburgs, wie er sich aus deren Zugehçrigkeit zum Deutschen Bund ergibt. Die implizite Aufnahme regierungsseitiger Zielsetzungen offenbart einen klaren Gegensatz des Pastors gegenber den Intentionen der politischen Avantgarde um Friedrich Christoph Dahlmann und die sich burschenschaftlich organisierenden Studenten. Wichmann von Meding, Zwischen Altona und Kiel, spricht S. 51 von einem „auffallenden Interesse an diesem Fest im Nordelbischen“. Dies ergibt eine statistische Auswertung der in der „Chronik der Reformationsjubelfeier“ referierten Beitrge. Fr den Bereich Dnemarks bietet Petersen S. 455 – 512 Mitteilungen aus etwa 20 Gemeinden. Vgl. hierzu Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. III, København 1932, S. 9 – 167. In grçßeren Stdten wie etwa in Flensburg, Schleswig, Kiel und Altona existierten jeweils mehrere Einzelgemeinden; nicht zuletzt gab es in Orten wie Husum, Kiel und Glckstadt eine jeweilige sog. Schloßgemeinde. Mancherorts wie in Tçnning und Glckstadt existierte auch eine Garnisongemeinde. Dabei gliedert sich Nordschleswig in 125, Sdschleswig in 153 und Holstein in 143 Gemeinden. Diese Angabe fr den Bereich der „Superintendentur Lauenburgs“ nach Georg Peter Petersen, Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten., S. 525; ebd. wird die Zahl der Lauenburger Geistlichen mit 29 Predigern angegeben.

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Die Bedeutung, die zahlreiche Geistliche insbesondere im Herzogtum Holstein dem Reformationsjubilum zumessen, spiegelt sich auch in einer bemerkenswerten Vielzahl separat publizierter Predigten. Georg Peter Petersen referiert in seiner „Chronik“ bereits 21 Festpredigten derart „ausfhrlich […], daß das Abgedruckte fast dem Konzept der Predigt entsprechen drfte“195. Zusammen mit 14 weiteren196 wurden drei dieser von Petersen besonders umfangreich referierten 21 Ansprachen noch 1817/ 18 durch deren Verfasser in Druck gegeben197, so daß dem interessierten 195 Wichmann von Meding, Zwischen Altona und Kiel, S. 51. Bei diesen 21 Ansprachen handelt es sich um je zwei Predigten des Kieler Propsten Johann Georg Fock, cf. die von Georg Peter Petersen herausgegebene Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten S. 203 – 209; des Kieler Archidiakons Claus Harms, a.a.O., S. 210 – 223; des Nienstdtener Pastors Johann Gottfried Witt, a.a.O., S. 270 – 278; des Quickborner Pastors Nicolaus Matthias Ludewig, a.a.O., S. 304 – 317; des Rendsburger Propsten Johann Friedrich Callisen, a.a.O., S. 318 – 328; des Schçnberger Pastors Johannes Georg Schmidt, a.a.O., S. 339 – 348; des Pastors von Uetersen, Dieterich Leberecht Hçpfner, a.a.O., S. 367 – 376; des Wesselburener Pastors Johann Jacob Martin Meyn, a.a.O., S. 380 – 386; des Wesselburener Diakons Max Christian Marxen, a.a.O., S. 386 – 393; je eine Predigt des Herausgebers selber, des Lensahner Pastors Peter Georg Petersen, a.a.O., 232 – 240, des Meldorfer Compastors Ingwer Carstens Paulsen, a.a.O., S. 249 – 251, sowie des Meldorfer Propsten Hinrich Christoph Clasen, a.a.O., S. 252 – 256. 196 Je zwei Predigten verçffentlichten: Jasper Boysen, Die Feyer des ReformationsJubelfestes am 31sten October und 2ten November 1817 in der Kirche zu Borsfleth, im Holsteinischen, Altona 1818; Ernst Christian Kruse, Zwei Predigten am Reformazionsfeste gehalten zu Neumnster, Kiel 1817; Hans Friedrich Nissen, Predigten, gehalten am Jubelfeste den 31. October und 2. November 1817 zu Ssel, Lbeck 1817; J.H. Schulze, Predigten bei der dritten Scularfeier der Reformation, Lauenburg 1817; Johann Joachim Sieverts, Drittes Scularfest der Reformation den 31sten October und den 2ten November 1817 zu Giekau gefeiert und zum Druck befçrdert, Kiel 1817; ebenso gab der Geistliche der AltonaHamburger Mennonitengemeinde seine Festansprachen in Druck, vgl. Israel Goos, Zwei Predigten am Reformations-Jubelfeste, gehalten im Jahre 1817, Altona o. J.; je eine Festpredigt publizierten – nach Petersens Chronik S. 499 – der Marner Rektor Harmsen, sowie der Kieler Professor Johann Christoph Schreiter, cf. dens., Die Reformation, ein mchtiger Aufschwung des menschlichen Geistes zum hçheren, christlichen Wissen und Wirken. Eine Predigt am dritten Reformationsjubilum und bey der Wiedererçffnung der fr die Andachtsbungen des Homiletischen Seminars hergestellten Schloßkirche gehalten d. 31. Octbr. 1817, Kiel 1818. 197 Claus Harms, Zwey Reformationspredigten, gehalten am dritten Scular-Jubelfeste im Jahre 1817, Kiel 1817; Ingwer Carstens Paulsen, Predigt am ersten Feyertage des Jubelfestes der Reformation; Nachmittags den 31. October gehalten, Itzehoe 1817.

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Publikum nicht weniger als 35 vollstndig oder in weiten Teilen publizierte Festansprachen – wiederum berwiegend holsteinischer Provenienz – zur Verfgung standen198. Angesichts dieser literarischen Vielfalt stellt sich durchaus die Frage, inwieweit sich in ihr charakteristische Spezifika der aktuellen schleswig-holsteinischen – und in Anbetracht der holsteinischen Publikationsdichte: insbesondere der holsteinischen – Kirchensituation erkennen lassen199. Dabei gilt es zunchst festzuhalten, daß Petersens Chronik aus nur drei lauenburgischen Gemeinden wenige sprliche Informationen weiterzugeben weiß. Das im Vorjahr zum Gesamtstaat getretene Herzogtum scheint in der Frage seiner neuen landesherrlichen Zugehçrigkeit noch gewissen Anlaufschwierigkeiten zu unterliegen; das Schweigen in Petersens Chronik bezglich der in Ratzeburg gehaltenen Hauptpredigt ist jedenfalls recht auffallend200. Fehlt es dem Herausgeber damit an direkten Informationen ber den zentralen lauenburgischen Gedenkakt des Superintendenten Friedrich Christian Block201, bleiben ihm nur die lauenburgischen Geistlichen Baumann, Schulze und Uthof, die ber die in ihren Gemeinden stattgefundenen Festakte berichten. Innerhalb dieser ußerungen fllt die hier anklingende Thematisierung 198 Von Meding, Zwischen Altona und Kiel, bemerkt S. 51, daß „mit diesen 35 Reformationsfestpredigten von 1817 […] die dnisch-deutschen Herzogtmer bedeutend mehr Festreden in Druck gebracht [haben, L.-P.], als der Predigtband der Allgemeinen Chronik aus ganz Deutschland enthlt“; zu diesem Vergleich cf. Christian Schreiber et al., Allgemeine Chronik der dritten Jubel-Feier der deutschen evangelischen Kirche. Im Jahre 1817, Zweiter Band, Erste Abth., Erfurt und Gotha 1819. 199 In Wolf-Dieter Hauschilds Kirchengeschichte Lbecks. Christentum und Brgertum in neun Jahrhunderten, Lbeck 1981, findet das 300jhrige Jubilum der Reformation im Hinblick auf den selbststndigen Stadtstaat Lbeck keinen Reflex; ebenso in Walter Kçrbers Eutinische Kirchenkunde „Kirchen in Vicelins Land“, die S. 78 – 83 jedoch ber die vom neuen Superintendenten Detlev Johann Wilhelm Olshausen im Oktober 1816 gegrndete Bibelgesellschaft zu berichten weiß. Eine gedruckte Festpredigt zum 300jhrigen Jubilum der Reformation haben weder Lbeck noch Eutin hervorgebracht – ganz im Gegensatz zum Kerngebiet des Herzogtums Oldenburg; hierzu Wichmann von Meding, Kirchenverbesserung. Die deutschen Reformationspredigten des Jahres 1817, S. 79 f., und Wolfgang Erich Mller, Kirchenverbesserung in Oldenburg. Dokumente zum Reformationsjubilum 1817, passim. 200 Hierzu bereits o. S. 438 Anm. 188. 201 Dieser war erst seit kurzem im Amt und hatte die Nachfolge des ins Kçnigreich Hannover ausgewanderten Lauenburger Konsistorialrates Wyneken angetreten, der mittlerweile das Amt des Propsten von Uelzen bernommen hatte; hierzu Wichmann von Meding, Zwischen Altona und Kiel, S. 52 f.

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christlicher Freiheit ebenso auf wie die seelsorgerliche Bercksichtigung der Adressatensituation nach den langen europischen Kriegen202. So beginnt Pastor L.E. Baumann aus Ltau seine knappe Darstellung mit einem recht lapidaren Satz, der durchaus eine gewisse Distanziertheit gegenber der landesherrlichen Jubilumsanweisung verrt, um dann angesichts der spezifischen festaktlichen Thematik doch recht befremdlich fortzufahren: „Die ußere Feier war verordnungsmßig. – Im Eingang zur ersten Predigt wurde die Gemeine an die Wahrheit erinnert, daß Gott es sei, der die Schicksale des Einzelnen, wie ganzer Reiche und Vçlker lenke, und daß alle List und Gewalt der Menschen sein Werk nicht zu hindern vermçgen.“203

Gott als Weltenlenker gegen menschliche List und Gewalt und damit auch als Lenker des eben untergegangenen napoleonischen wie auch des neu an die Macht in Lauenburg geratenen dnischen Reiches: Angesichts der Nachrangigkeit der wandelbaren ußeren politischen Verhltnisse und Zwnge mutet dieses Bekenntnis beinahe fatalistisch an. Der Lauenburger Pastor Uthof schrft der Gemeinde bereits am Sonntag vor dem Reformationsfest, am 21. Sonntag n. Trin. 1817, in seiner ber Mt 15,8 f. gehaltenen Predigt ein, daß im Vorfeld der Reformation die „Freiheit zu denken und zu reden und Frçmmigkeit, die aus dem Glauben kommt, verschwanden […] Gewissenszwang und Dienst vor den Augen waren an die Stelle gekommen.“204

Uthof beurteilt die vorreformatorische Entwicklung als Freiheits- und Frçmmigkeitsverlust, um seine Festpredigt am 31. Oktober schlicht unter dem Leitgedanken „Joh 8,12. Das Werk der Kirchenverbesserung“205 zu entfalten: Als Folge der Reformation erscheinen damit wiedergewonnene Freiheit und Frçmmigkeit206. Diesen Leitgedanken greift er am darauffolgenden Sonntag auf, wenn er seiner Gemeinde hier die Frage vorlegt:

202 Zum einzigen Reflex der berlieferten schleswig-holsteinischer Predigten auf die ernste çkonomische Situation der Menschen in den Herzogtmern vgl. den Beitrag des Bramstedter Pastors Marcus Karck u. S. 450. 203 Georg Peter Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, Beitrag aus Ltau, S. 240 f., hier: S. 240. 204 A.a.O., Beitrag aus der Stadt Lauenburg, S. 229 – 232, hier: S. 230. 205 Ebd. 206 Ebd.

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„Was gewesen ist und was wurde, haben wir bereits unter dem Beistande Gottes erwogen. Lasset uns heute fragen: wie ist es jetzt unter uns?“207

Die Aktualisierung der zuvor herausgearbeiteten reformatorischen Botschaft fhrt Uthof im Blick auf die jngste Historie zu einer durch ein Psalmzitat untermalten, um nicht zu sagen: verbrmten Frstenkritik sowie zu einer seelsorgerlichen Anrede der Gemeinde: „Vater […] was du gegeben hast, hast du erhalten! Es tobten die Vçlker und viele Frsten lehnten sich auf, und die Listigen ratschlagten miteinander wider dich und deinen Gesalbten in blindem Eifer208, und manches Auge weinte im Stillen, und manches Herz zagte, und mancher Mund rief im Verborgenen zu dir, und manches Leben starb fr die Wahrheit.“209

Der Schçpfer erscheint in dieser Anrede auch als Bewahrer, der sich im Erhalt des „Gegebenen“ gegen tobende Vçlker und sich auflehnende Frsten, gegen listige und vor Eifer blinde Menschen durchsetzt. Wer aber waren diese Vçlker und Frsten, die der Geistliche mittels des Psalmzitates in den Blick nimmt? Die unmittelbar von Uthof angeschlossene empathische Thematisierung menschlicher Nçte lßt an die konkrete, seelsorgerlich wahrgenommene Situation der wenige Jahre zuvor durchlebten Kriegszeiten denken; allerdings: In diesem „Toben der Vçlker“ und „vieler Frsten“ war der neue lauenburgische Landesherr gerade der stetigste Verbndete des franzçsischen Kaisers gewesen, der den europischen Staaten jene Kriege aufgezwungen hatte, die das von Uthof beklagte menschliche „Weinen und Zagen, Beten und Sterben“ ausgelçst hatten. Die Botschaft des bewahrenden Schçpfers, wie Uthof sie seiner Gemeinde innerhalb der wenigen von ihm berlieferten Zge seiner Predigten vermittelt, impliziert statt eines vom Gottesgnadentum genhrten Lobpreises in dieser Weise eher ein Stck durchreflektierter Distanziertheit gegenber dem neuen Landesherrn. Dazu paßt in Uthofs Predigt das auffllige Fehlen eines konkretisierenden, auf Friedrich VI. abstellenden quivalentes fr Ps 2,6, wo es heißt: „Aber ich habe meinen Kçnig eingesetzt auf meinem 207 Uthof, Predigt am 22. Sonntage n. Trin. 1817 ber 1 Kor 3,11, a.a.O., S. 230 f., hier: S. 230. 208 Ebd. – Uthof paraphrasiert Ps 2,1 – 3: „Warum toben die Heiden, und die Leute reden so vergeblich? Sie rathschlagen miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten: Lasset uns zerreissen ihre Bande, und von uns werfen ihre Seile“; dabei macht er aus den „Heiden“ jedoch konkrete „Vçlker und viele Frsten“ und wendet die Frage des Psalmbeters in eine historisierende Feststellung. – Zur Heranziehung von Ps 2 als biblische Ausmalung in der Deutung aktueller gesellschaftlicher Situationen vgl. a. o. S. 309 Anm. 700. 209 A.a.O., S. 231.

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heiligen Berge“. In dieser Weise verzichtet die Predigt auf die im absolutistischen Kontext durchaus denkbare Herstellung eines positiven Bezuges zu Lauenburgs neuem Herzog Friedrich VI. von Dnemark. Bei dem dritten in Petersens Chronik aufgefhrten lauenburgischen Pastor handelt es sich um J.H. Schulze210, der am 31. Oktober 1817 in Glzau die Reformation als gottgewirkte Neuinszenierung des „durch Jesum Christum dem menschlichen Geschlechte“ aufgegangenen Lichtes darstellt, dem treu zu folgen die Gemeinde verpflichtet sei211. Mit seiner Ausdeutung des Joh 8,12 entnommenen Lichtgedankens auf das reformatorische Ereignis verbleibt der Glzauer Prediger im auch anderenorts vorfindlichen Themenhorizont evangelischer Aufklrungspredigt212. Einen Hinweis auf die durch die aktuelle nderung der politischen Verhltnisse soeben neu erhaltene Obrigkeit legt auch Schulze im Kontext des in Petersens Chronik referierten Beitrages nicht vor. Gerade das ber den soeben vollzogenen Herrschaftswechsel gebreitete Schweigen der lauenburgischen Pastoren steht in unbersehbarem Kontrast zu ihren Amtsbrdern in den Herzogtmern Schleswig und Holstein. Hier rhmt etwa Georg Peter Petersen213 gegenber seiner holsteinischen Lensahner Gemeinde, daß „uns, unter den Regierern aus dem Oldenburgischen Stamme, das Licht der Reformation […] freundlicher,

210 Georg Peter Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, S. 168 – 171; hier S. 168 a. der Verweis auf Schulzes vollstndige Publikation der Ansprache: Ders., Predigten bei der dritten Scularfeier der Reformation, Lauenburg 1817. Die gedruckte Predigt scheint verschollen zu sein. 211 Petersen, a.a.O., S. 170. 212 Vgl. fr Bornhçved, Propstei Segeberg, den Beitrag des Pastors [Friedrich Ernst Christian] Oertling in Petersens Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, S. 112 – 125, hier: S. 114; fr Giekau, Propstei Oldenburg, Pastor J.[ohann] J.[oachim] Sieverts a.a.O. S. 164 – 166, hier S. 165 sogar ein mit Schulzes Vortrag vergleichbarer Predigtaufriß; fr Husum den a.a.O. S. 193 f. referierten Beitrag des Kirchenpropsten Tycho Hartz – zu diesem bereits o. S. 305 – 311 –; fr Lensahn, Popstei Oldenburg, Pastor Georg Peter Petersen, a.a.O., S. 232 – 240, hier S. 237; fr die Domkirche Schleswig und die Festpredigt des Generalsuperintendenten Jakob Georg Christian Adler a.a.O., S. 330. 213 Zu diesem Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, S. 143. Der 1771 in Meden geborene Georg Peter Petersen war nach seinem seit 1791 in Kiel absolvierten Studium seit 1797 als Hilfsgeistlicher in Grçmitz ttig. Seit 1802 hatte er bis zu seiner Emeritierung 1842 die Lensahner Pfarrstelle inne; er trat durch eine reiche Herausgeberttigkeit hervor, die ihn lange Zeit hindurch fr die SchleswigHolsteinischen Provinzialberichte verantwortlich sein ließ.

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frher und segensreicher“214 aufgegangen sei. In Borsfleth, Propstei Mnsterdorf, weiß Pastor Jasper Boysen215, daß das Reformationsjubilum „unserm Kçnige […] ein großer, hehrer, festlicher Tag, ein Tag der Freude und des Danks, ein Tag wichtiger Betrachtungen, frommer Gefhle und heiliger Entschließungen“216 sein werde. Professor Johann Christoph Schreiter217 fordert whrend seiner Predigt in der Kieler Schloßkirche am 31. Oktober seine Gemeinde auf: „Nahet nur euch zu Gott, so nahet er sich zu euch“ – denn „dazu ermuntert uns auch das schçne Beyspiel der Frçmmigkeit unsers verehrten Kçnigs“218. Eine noch engere Bindung an den dnischen Herrscher verrt Pastor Johann Joachim Sieverts219, der am 2. November 1817 den abwesenden Kçnig vor seiner in der Giekauer St. Johannis-Kirche versammelten Gemeinde persçnlich anruft: „O Vater deines Volks! Friderich! den wir so gerne, so freudig unsern Beherrscher nennen“220. Auch Israel Goos, Pastor der Altona-Hamburgischen Mennonitengemeinde, ehrt am gleichen Tag den „erhabenen Monarchen dieses Landes, wenn gleich selbst der besonderen Kirche Luthers angehçrend“, da er „gerne jeder andern Christengemeinde, das Evangelium nach ihrer berzeugung zu bekennen, und nach eigner Einsicht das Gebude ihrer 214 Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, S. 237. 215 Zu diesem Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 71. Boysen war 1765 in Flensburg geboren, hatte in Kiel studiert und war seit 1790 in Witzworth als Diakon ttig, bevor er 1798 Propst in Friedrichsberg wurde, um 1804 als Propst an die Schleswiger Domkirche zu wechseln. 1815 zum Dannebrogsritter ernannt, wurde er im folgenden Jahr Konsistorialrat. 1817/18 amtierte er in Borsfleth und starb im Sommer 1818 in Altona. 216 Jasper Boysen, Die Feyer des Reformations-Jubelfestes am 31sten October und 2ten November 1817 in der Kirche zu Borsfleth, im Holsteinischen, S. 12. 217 Zu diesem C.[arsten] E.[rich], Carstens, Geschichte der theologischen Facultt der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, in: ZSHG 5 / 1875, S. 1 – 132, hier: S. 71 – 74; Matthias Wolfes, Art. Johann Christoph Schreiter, BBKL XXVII, Sp. 1269 – 1272. Schreiter war 1770 in Mauersberg im schsischen Erzgebirge geboren, 1814 als Ordinarius nach Kiel berufen und 1816 zum Direktor des Kieler Homiletischen Seminars ernannt; er starb bereits am 10. August 1821. 218 Johann Christoph Schreiter, Die Reformation, ein mchtiger Aufschwung des menschlichen Geistes zum hçheren, christlichen Wissen und Wirken. Eine Predigt am dritten Reformationsjubilum, S. 30. 219 Zu diesem Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, S. 268. In Garding 1764 geboren, fand Sieverts nach seinem Kieler Studium im Jahre 1788 zunchst eine Anstellung als Hilfsgeistlicher in Giekau, wo er seit 1793 bis zu seinem Tod 1821 als Pastor wirkte. 220 Johann Joachim Sieverts, Drittes Scularfest der Reformation den 31sten October und den 2ten November 1817 zu Giekau gefeiert, S. 58.

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Hoffnung auf diesem Grund aufzufhren“, gestatte221. Und in der sderdithmarscher Gemeinde Eddelack hngen whrend der Festgottesdienste an zwei den Altar umschließenden Sulen „Bildnisse der Kçnige Christians des Zweiten und Friedrichs des Sechsten“222. In alldem zeigt sich ein protestantischer Untertanenjubel, der den Landesherrn unter Zuhilfenahme einer sakrosankten Herrscherideologie zum preiswrdigen Garanten kirchlicher und gesellschaftlicher Ordnung stilisiert. Dies scheint nur mçglich in der Preisgabe jeglicher Distanz gegenber den entscheidenden Krften jener sozialen Ordnung, die gleichermaßen fr Staat und Gemeinde gelten und beide weitgehend kongruent sehen will: Jener gesellschaftlichen Verfaßtheit, in der der eigene Staat primr als Raum der sich bettigenden Nchstenliebe erscheint. Denn der „Segen der Reformation fr Staatenwohl und Brgerglck“ liegt nach Auffassung des Borsflether Pastors und Konsistorialrates Jasper Boysen eben darin, daß durch sie „den Thronen ihr Glanz und ihre Festigkeit, den Regenten ihre Rechte, dem Gesetz seine Unverletzlichkeit, der Ehe […] ihre Heiligkeit, der gemeinntzigen Thtigkeit und brgerlichen Betriebsamkeit ihre Ehre, dem geschftigen Fleiß die kostbare Zeit wiederhergestellt“223

worden sei. Habe die Reformation den Wegfall der Geistesfesseln bewirkt, sieht Boysen „ein glckliches Verhltniß der Regenten und Unterthanen, Ehrfurcht und Gehorsam gegen Frst und Obrigkeit, Achtung fr Gesetz und Ordnung, Arbeitsamkeit und Betriebsamkeit in allen Stnden, emsige Sorge fr das Familienwohl, veredelte Erziehung, verbesserten Schulunterricht.“224

Ganz hnlich feiert die Predigt des Segeberger Propsten Johann Christian Cruse225 Luther als den „Wiederhersteller […] der gesellschaftlichen 221 Israel Goos, Zwei Predigten am Reformations-Jubelfeste, gehalten im Jahre 1817, S. 34; hierzu Wichmann von Meding, Kirchenverbesserung. Die deutschen Reformationspredigten des Jahres 1817, S. 143 f. 222 Mitteilung der Pastoren Schmidt und Engelbrecht, in: Georg Peter Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, S. 143. 223 Jasper Boysen, Kurzgefaßte Darstellung der Geschichte, des Zwecks und Wesens und der wohlthtigen Folgen der Reformation Luthers, mit besonderer Rcksicht auf die Dnischen Staaten, auf Veranlassung des dritten Reformations-Jubelfestes fr das gebildete Publikum, Altona 1818, S. 98. 224 Ebd., S. 99. 225 Zu diesem Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 178. Cruse war 1742 in Krempe geboren, hatte in Halle und Leipzig studiert und war 1768 Pastor in Rellingen geworden. 1789 wurde er Propst in Segeberg und wurde als

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Ordnung“226, wohlgemerkt einer hierarchischen Ordnung, in der Untertanengehorsam und brgerlicher Fleiß zu konstitutiven Elementen gesellschaftlicher Wohlfahrt werden. Damit erhebt sich die Frage, inwieweit eine solche Predigt vor dem Hintergrund der Lutherischen Zwei-ReicheLehre beide Reiche gebhrend unterscheidet. Unter Anwendung des der Aufklrung entliehenen Gedankens einer fortschreitenden Entwicklung und – damit verbunden – grundstzlicher Perfektibilitt des Menschen setzt eine solche Predigt die Maximen weltlichen, tugendhaften Lebens nur all zu leicht mit der Erfllung der Gebote und Setzungen Gottes gleich227 und verwechselt auf diese Weise Gottes ewige Ordnung mit der historisch geronnenen Ordnung der Verhltnisse in der Welt. Von derartigen Anschauungen scheint der Weg nicht weit zur reformationswidrigen Artikulation synergistischer Beteiligung des Menschen an der Herbeifhrung der gottgewollten Ordnung228, wie sie Jasper Boysen seiner Borsflether Gemeinde tatschlich nahebringt: „Der Reformation Luthers verdanken wir es, daß mit dem wiederhergestellten Licht der christlichen Wahrheit und mit der dadurch verbreiteten Wrme fr Tugend und Heiligung, auch reiche Fruchtbarkeit in guten Werken hervorgebracht und verbreitet worden, daß es nun auch uns so nahe gelegt und so leicht gemacht ist, in der christlichen Vollkommenheit zu wachsen und immer reicher zu werden an wahrhaft guten Werken und an chten christlichen Tugenden, und so unser Heil, unsre Ruhe und Seligkeit fest zu grnden fr Zeit und Ewigkeit!“229

So sind es also die „guten Werke“ und „christlichen Tugenden“, die „unser Heil“ begrnden. Was dies fr ihn bedeutet, fhrt der Borsflether Geistliche anderenorts aus: „Durch die Reformation ist […] frommer Mssiggang, ein unthtiges beschauliches Leben in Abgeschiedenheit von der Welt, […] mit dem verdienten Stempel der Nichtswrdigkeit und Verwerflichkeit gebrandmarkt.“230

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solcher 1820 emeritiert. Das Jahr 1805 brachte ihm die Ernennung zum Konsistorialrat, das Jahr 1817 diejenige zum Dannebrogsmann. Georg Peter Petersen, a.a.O., S. 356 – 358, hier: S. 358. Vgl. hierzu die ußerungen des Husumer Kirchenpropsten Tycho Hartz in seiner Predigt am 31. Oktober 1817 zur „Veredlung der Begnadigten“, in Petersens Chronik, a.a.O., S. 194. Hierzu bereits o. S. 278 – 280. Jasper Boysen, Die Feyer des Reformations-Jubelfestes am 31sten October und 2ten November 1817 in der Kirche zu Borsfleth, S. 25. Jasper Boysen, Kurzgefaßte Darstellung der Geschichte, des Zwecks und Wesens und der wohlthtigen Folgen der Reformation Luthers, mit besonderer Rcksicht

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Auf dieser Linie einer reformationsfernen Betonung menschlicher Werkgerechtigkeit liegt mit seiner besonderen Betonung „hçheren, christlichen […] Wirkens“ auch der Kieler Prof. Johann Christoph Schreiter231. Angesichts solcher „Fruchtbarkeit in guten Werken“ kann die Darstellung nicht weiter verwundern, daß Luther selbst in der Reformation nach einem „hnlichen, herrlichen Ziel“ gestrebt, wie es „Jesus sich vorgesetzt“ habe; so behauptet es jedenfalls der Eggebeker Pastor Dethlev Nikolaus Krafft232. Der nicht differenzierende Vergleich der von einem Menschen initiierten Reformation mit der durch den Sohn Gottes unter dem Leiden des Karfreitags errungenen Erlçsung indiziert eine erhebliche Distanziertheit gegenber der Kreuzestheologie233. berhaupt wird das Kreuz Christi im Kontext des Reformationsfestes von 1817 in den Herzogtmern nur von den allerwenigsten Geistlichen thematisiert; oftmals bleibt man beim Lobpreis Luthers stehen und versteht sein Werk als rettende Gabe des durch ihn handelnden Gottes, so wie Johann Joachim Sieverts es vor seiner Gemeinde in Giekau in Worten zum Ausdruck bringt, die weniger dem Reformator als vielmehr dem Heiland selber htten gelten mssen: „O Luther! wie kçnnen, wie sollen wir dir genug danken, fr alles, was du fr uns getan, gewagt, gelitten, aufgeopfert, aber auch errungen hast? Ach! Zu schwach ist alles […] gegen das, was wir dir schuldig sind! […] Hçher steige auf die Dnischen Staaten, auf Veranlassung des dritten Reformations-Jubelfestes fr das gebildete Publikum, S. 98. 231 Johann Christoph Schreiter, Die Reformation, ein mchtiger Aufschwung des menschlichen Geistes zum hçheren, christlichen Wissen und Wirken. Eine Predigt am dritten Reformationsjubilum und bey der Wiedererçffnung der fr die Andachtsbungen des Homiletischen Seminars hergestellten Schloßkirche gehalten d. 31. Octbr. 1817, Kiel 1818. 232 Vgl. die Leitfrage des Eggebeker Pastors Dethlev Nikolaus Krafft – nicht Krasse, wie ebd. irrtmlich wiedergegeben –, in: Georg Peter Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, S. 147: „Wodurch bewies es der edle Luther, daß ihm das Streben nach einem hnlichen herrlichen Ziel, als das, welches Jesus sich vorgesetzt, am Herzen gelegen?“; vgl. zu Dethlev Nikolaus Krafft a. dens., Amts- und Lebenserfahrungen, Th. 1, Schleswig 1834, passim; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 165; Wilhelm Clausen, Eggebeker Heimatbuch., Flensburg 1939. Neudruck Schleswig 1980, S. 285 – 287. Der 1761 in Schleswig geborene Dethlev Nikolaus Krafft hatte in Kiel studiert und war seit 1789 Diakon in Bannesdorf, von wo aus er 1813 als Pastor nach Eggebek wechselte. Hier starb er 1834. 233 In der Inanspruchnahme Luthers als Mittler eines sich in der Reformation auswirkenden Heilsprozesses zeigt sich fr die rationalistische Predigt eine wesentliche geistige Nhe zum aufklrerischen Menschenbild, das den Menschen letztlich fr befhigt zur eigenen Erlçsung einschtzt.

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unser Dank zu dem, der dich uns gab, […] der Retter aus unserer Noth und Befreier aus unserer Knechtschaft zu werden; zu Gott, zu Gott erhebe sich die fromme dankende Lippe, das tief empfindende Herz.“234

Luther hat also „gelitten“, etwas „aufgeopfert“ und wurde zum „Retter aus unserer Noth“, ein „Befreier aus unserer Knechtschaft“: die Projektion genuin christusbezogener Epitheta auf den Reformator kçnnte deutlicher nicht sein235. Aus einer derart als Heil schaffendes Werk verstandenen Reformation Luthers folgt dann auch nicht von ungefhr die gemeindliche Verpflichtung, „in seine geheiligten Fußstapfen zu treten“236 – eine theologische berhçhung Luthers, die dessen reformatorische Intentionen in eine wesentlich aufklrerische Perspektive umformt, in der der Reformator selbst zu einem entscheidenden Vorbild religiçsen Handelns wird237. Dazu fgt es sich passend, wenn in zahlreichen Gemeinden am 31. Oktober 1817 Lutherbilder den Altar zieren238. Besonders eindrucksvoll inszeniert sich die bersteigerte Lutherverehrung in der Kirche zu Tetensbll in Eiderstedt, in der nach einer Mitteilung des Diakons Carsten Christian Claußen239 ein Lutherbild „auf einem eigens dazu gebauten Altar“ aufgestellt ist: „Auf der einen Seite desselben lag eine Bibel, an der anderen Seite war die Jahreszahl der Reformation angebracht. Vorne stand ein Fllhorn, in welchem

234 Johann Joachim Sieverts, Drittes Scularfest der Reformation den 31sten October und den 2ten November 1817 zu Giekau gefeiert, S. 25. 235 Vgl. nur Lk 24,26; Hebr 9,28.10,14; Phil 3,20; Gal 5,1. 236 Johann Joachim Sieverts, a.a.O. 237 Zu dieser Beobachtung Bernhard Lohse, Martin Luther. Eine Einfhrung in sein Leben und Werk, 2. Aufl. Mnchen 1981, S. 220. 238 Dies geschieht lt. den in Petersens Chronik wiedergegebenen Berichten etwa in Bornhçved, Propstei Segeberg, a.a.O., S. 113; in Eddelack, Propstei Sderdithmarschen, a.a.O., S. 143; in der Flensburger Heilig-Geist-Kirche, a.a.O., S. 156; in der Kieler Kloster- und Garnisonkirche, a.a.O., S. 220; in Olderup, Propstei Husum, a.a.O., S. 292; in Sçrup, a.a.O., S. 359; in Tçnning, Propstei Eiderstedt, a.a.O., S. 366. In Dnischenhagen, befindet sich lt. Petersens Chronik, S. 140 f. „vor dem Altar ein Tisch mit Luthers Bilde, ber demselben war ein Ehrenbogen mit Epheu und seltenen Blten umgeben. In der Wçlbung des erleuchteten Ehrenbogens las man die Inschrift: ,Jesus Christus gab durch seinen Knecht Luther seiner Kirche das Buch wieder – vor dreihundert Jahren‘“. 239 Wiedergegeben bei: Georg Peter Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, S. 366; zu Claußen: Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 142.

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Myrthen- und Eichenzweige und eine Sonnenblume waren. ber dem Fllhorn war ein Kranz, worin die Abendmahlsgerte240 hingen.“241

Vereinzelt wird der „deutsche Luther“ entdeckt; so weiht Pastor Marcus Karck in Bramstedt, Propstei Segeberg, ungeachtet des besonderen Aufwandes, „weil alles um mich her ber schlechte Zeiten und schwere Abgaben jammert“, an der Kanzel seiner Kirche eine Tafel mit besonderer Widmung ein: „Dem großen deutschen Mann, Martin Luther, zollen den Tribut der Dankbarkeit seine Verehrer am 31sten October 1817.“242

Gegen Ende seiner Predigt enthllt Karck die Tafel vor den Augen seiner Gemeinde und schrft dieser ein, „stets im Geiste dieses Helden zu wandeln“243. Auch Flensburg gedenkt des „deutschen Mannes“; hier gelangt eine eigens „zur Jubelfeier der Reformation“ komponierte Kantate zur Auffhrung, deren Text von dem Flensburger Kaufmann und Laienschauspieler Andreas Peter Andresen244 und deren Musik vom „Stadtmusicus“ Demuth verfertigt ist245. In dieser Kantate erklingt der Choral: „Wir nennen dankbar Luthers Namen / Und ehren hoch den deutschen Mann.“246

240 Die von Luther wieder eingefhrte communio sub utraque wird durch die Heranziehung der Kranzsymbolik als ein errungener Sieg gefeiert. 241 So die Darstellung Carsten Christian Claußens, a.a.O. (Anm.239). 242 Georg Peter Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, S. 126. Karck, 1766 in Heiligenhafen geboren, hatte nicht nur in Kiel, sondern seit 1786 auch in Jena studiert. Nach ersten Dienstjahren in Oldenburg wirkte er seit 1812 bis zu seinem Tod 1825 als Bramstedter Pastor; zu ihm Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 119. 243 Zit. n. Karcks Bericht in der Chronik Petersens, a.a.O. 244 Zu diesem o. S. 164 Anm. 164. 245 Der Text der Kantate findet sich in Petersens Chronik, S. 552 – 556. Auch anderenorts brachte das Reformationsjubilum in den Herzogtmern Kantaten, „Altar-“ und „Lobgesnge“ hervor, vgl. etwa fr Bornhçved die von Pastor Oertling „componirte Altarhymne“, Chronik, a.a.O., S. 113, und fr Hadersleben die vom dortigen Brgermeister A.C. Lindenhan komponierten „Cantaten und Lobgesnge“, ebd. S. 531 – 536, sowie die weiteren, vom Herausgeber S. 537 – 580 in Auswahl abgedruckten Texte. 246 Ebd. S. 553. Allgemein zeigen die Jubilumspredigten einen deutschen Luther, der mit Nationalbewegung nichts zu tun hat“, so Wichmann von Meding, Kirchenverbesserung. Die deutschen Reformationspredigten des Jahres 1817, S. 155; der „deutsche Luther“ wurde 1817 „religiçs verstanden“, ebd. S. 156.

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So schwingt whrend des Reformationsjubilums in den Herzogtmern gelegentlich ein leiser Grundton deutscher Gesinnung mit, der aber erkennbar nirgends Anstoß verursacht. Gesamtstaatliches „Vaterland“ und deutsche „Nation“ erscheinen als durchaus kompatibel. Auch in Breklum in der Propstei Bredstedt nennt man gerne Luthers Namen, der daran erinnere, „welch eines hohen Vorzugs“ die Gemeinde „vor andern Gemeinen einst gewrdigt worden wre, daß mehrere Luther, entsprossen aus gerader Linie von D. Martin Luther, das Predigtamt hier verwaltet htten247 […] so wie es merkwrdig ist, daß vor 200 Jahren am Reformationsjubilo die Herrn Brecklinge, Großvater, Sohn und Enkel248, […] fr die uns durch Luther erwiesene Wohltat […] auftraten.“249

Noch bedeutsamer scheint, daß manchenorts nicht nur Lutherbilder auf den Altar gelangen, sondern auch – besonders hufig – Bibeln, Bekenntnisschriften und Bcher250. Dabei handelt es sich in Eggebek und in der Flensburger Heilig-Geist-Kirche um je eine Ausgabe der „großen Weimarschen Bibel“251. In Tetensbll ist es eine nicht weiter przisierte Bibelausgabe252, in der Segeberger Kirche eine „offene“ Bibel253, zu der Propst Johann Christian Cruse whrend des Jubilumsgottesdienstes eine Publikation aus eigener Feder hinzulegt: „Noch ein Wort ber Bibel und Bibelsache“254. Diese wird von Georg Peter Petersen beurteilt als „ein schçnes, 247 Nach Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, S. 43 handelt es sich um den in Soest 1608 geborenen Daniel Luther, der seit 1649 bis zu seinem Tod 1683 das Predigeramt in Breklum verwaltete; ihm folgte sein Sohn Theodor, der Breklum bis zu seinem Tod 1732 treu blieb. 83 Jahre hindurch hatte Breklum einen direkten Nachkommen Luthers als Geistlichen. 248 Gemeint sind der in Breklum zwischen 1573 und 1621 ttige Johannes Hans Brekling, dessen Sohn Johann Hans Brekling d.J., sowie der mit vernderter Schreibweise des Namens auftretende Sohn und Enkel Johann Breckling, seit 1615 in der Gemeinde als Diakon und nach 1630 bis zu seinem Tod 1637 hier als Pastor ttig; hierzu Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 85 249 Mitteilung der Pastoren N.[icolaus] Outzen und J.[ohannes] H.[einrich] Juergensen in der von Petersen hg. Chronik, S. 128. 250 Die Verbreitung dieser Festpraxis auch sdlich der Elbe zeigt etwa Wolfgang Erich Mller, Hg., Kirchenverbesserung in Oldenburg. Dokumente zum Reformationsjubilum 1817, Gçttingen 1988, S. 174. 183 f. 189.202.205. 251 Georg Peter Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, S. 147 bzw. 156. 252 Ebd. S. 366. 253 Ebd. S. 356. 254 Johann Christian Cruse, Noch ein Wort ber Bibel und Bibelsache, von einem Veteran der holst. Geistlichkeit, Glckstadt 1817.

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der Kirche und dem Vaterlande in gleich hohem Sinn geweihetes Opfer“255. Daß es erkennbar „um die Sache der Bibel“256 geht, zeigt auch die exakte Angabe des Tçnninger Pastors Joachim Friedrich Clasen257, er habe auf dem Altar „die Bibel, nach der neuesten Altonaer Ausgabe“258 ausgelegt259. Diese zwei Jahre zuvor erschienene und durch den Altonaer Pastor Nikolaus Funk260 verantwortete Bibelausgabe ist gerade im Vorfeld des Reformationsjubilums zum Gegenstand eines heftigen Angriffs geworden, dem sich eine aktuell noch in den Anfngen befindliche literarische Fehde angeschlossen hat, in der auch Johann Christian Cruses auf dem Altar in Segeberg ausliegende Publikation ihren Ort hat261. Anlaß dieser Kontroverse um die Altonaer Bibel ist neben einem in den „Kieler Blttern“ 1816 verçffentlichten Aufsatz Johann Friedrich Kleu255 Georg Peter Petersen, a.a.O., S. 357. 256 Wichmann von Meding, Zwischen Altona und Kiel, S. 54. 257 1772 in Ulsnis geboren, war Joachim Friedrich Clasen nach Studium in Kiel und Kopenhagen zunchst Hauslehrer. Nach seiner Promotion 1797 wurde er im gleichen Jahr Conrektor in Meldorf; fnf Jahre spter bernahm er das Rektorat in Wilster. 1809 wurde er zum Pastor in Tçnning berufen und blieb hier bis zur Emeritierung 1838. Zu ihm Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 139. 258 Hierbei handelt es sich um: Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments nach der bersetzung D. Martin Luthers. Unter Zustimmung des Herrn Generalsuperintendenten Adler bearbeitet und herausgegeben von Nicolaus Funk, Compastor und Ritter des Dannebrog-Ordens. Mit Kçniglichem Allerhçchsten Privilegium, Altona 1815. Die Besonderheit dieser Edition liegt darin, daß sie als glossierte Ausgabe den Luthertext mit erklrenden Zustzen aus der Feder des Herausgebers verbindet. Luthers Wortlaut der Bibelbersetzung sei an sich „ein Nationalheiligtum der Deutschen“, so Funk in seiner acht Jahre spter verçffentlichten „Geschichte der neuesten Altonaer Bibelausgabe nebst Beleuchtung der vorzglichsten wider sie erhobenen Beschuldigungen“, Altona 1823, hier S. 4. In der Bibelausgabe selbst weisen die von Funk angebrachten Erklrungen eine erkennbar rationalistische Ausrichtung auf; heißt es z. B. Apg 2,4: „Und wurden alle voll des heiligen Geistes, und fingen an zu predigen mit andern Zungen, nachdem der Geist ihnen gab, auszusprechen“, so erklrt Funk dazu interpretierend: „Jetzt fhlten sie sich von Gottes heiligem Geiste (mit einer ihnen bis dahin unbekannten Einsicht, Entschlossenheit und Kraft, Lehrer des Christenthums zu werden,) erfllt (sie waren wie begeistert), und sprachen mit ungewçhnlicher Beredsamkeit, was sie in ihrer Begeisterung vorbrachten“, a.a.O. S. 161 z. St. 259 Petersens Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, S. 366. 260 Namensschreibweise auch: Nicolaus Funk; zu diesem bereits o. S. 389 – 392. 261 Hierzu Thorsten Jessen, Umstrittene Aufklrung – die theologischen Auseinandersetzungen um die Altonaer Bibel, in: SSHKG 2. Reihe 46 / 1993, S. 65 – 84.

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kers262 eine Neuherausgabe der „95 theses oder Streitstze Dr. Luthers, theuren Andenkens“263 durch den im Vorjahr nach Kiel berufenen Archidiakonus Claus Harms264, die dieser unter Zufgung von ihm selbst aufgestellter „anderer 95 Stze“265 vor dem Reformationsjubilum publiziert266. In seiner 50. bis 62. These polemisiert Harms gegen Funks Bibel; sein Leitmotiv lautet: „Wenn unser Meister und Herr Jesus Christus spricht: ,Thut Buße!‘ so will er, daß die Menschen sich nach seiner Lehre formen sollen; er formt aber die Lehre nicht nach den Menschen, wie man jetzt thut, dem vernderten Zeitgeist gemß.“267 262 Johann Friedrich Kleuker, Gedanken ber das evangelisch-kirchliche Gemeinwesen, und ber Volksbibeln. Mit besonderer Rcksicht auf die von dem Herrn Pastor N. Funk, R. v. D., jngst herausgegebene Bibel, in: Kieler Bltter 2 / 1816, S. 205 – 226.409 – 439 und 3 / 1816, S. 87 – 138.257 – 268. Kleuker lehnt Funks Glossierung ab, denn „Auslegen gehçrt Gott zu“, a.a.O., S. 222, und nur die Schrift selbst drfe als „Prfstein zur Bewhrung oder Verwerfung einer Erklrung“ gelten: „nmlich ihr Buchstabe und Geist: jener durch diesen, und dieser in jenem“, a.a.O. S. 415. 263 Diese bezeichnet das Vorwort als „die Wiege und Windeln, in denen unsre lutherische Kirche gelegen gewesen ist“. 264 Zu diesem ders., Lebensbeschreibung, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, S. 13 – 203; [Carsten Erich] Carstens, ADB Bd. 10, S. 607 – 611; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 324; Johann Schmidt, SHBL Bd. 2, S. 164 – 166; Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL II, Sp. 540 – 543; J. Lorentzen, Claus Harms. Ein Lebensbild, Erlangen 1937; Ev.-Luth. Kirchenkreis Kiel, Hg., Claus Harms, Pastor und Propst in Kiel 1816 – 1849, Kiel 1978; vgl. a. Heinrich Zillen, Hg., Claus Harms’ Leben in Briefen, meist von ihm selber, Kiel 1909; ferner a. o. S. 119; 236 f. Anm. 418; 394 – 397. 265 Harms’ „Stze“ wurden in der anschließenden Diskussion fast ausschließlich als „Thesen“ apostrophiert; der Zeitpunkt ihrer Verçffentlichung wie auch der Aspekt ihrer anhangsweisen Beigabe zu den neu herausgegebenen Thesen Luthers verliehen ihnen in der landesweiten Diskussion Grundlagencharakter im Diskurs ber den Fortgang der lutherischen Kirche in den Herzogtmern. Gedacht waren sie als „eine bersetzung der Bußthesen Luthers in die theologische Situation des Jahres 1817“, Wichmann von Meding, Kirchenverbesserung. Die deutschen Reformationspredigten des Jahres 1817, S. 14. 266 Claus Harms, Das sind die 95 theses oder Streitstze Dr. Luthers, theuren Andenkens. Zum besonderen Abdruck besorgt und mit andern 95 Stzen, Kiel 1817. Hierzu und zum Kontext: [Carsten Erich] Carstens, Zur Geschichte des Harms’schen Thesenstreites, in: ZSHG 20 / 1890, S. 269 – 281; Gottfried Mehnert, Die Kirche in Schleswig-Holstein, S. 117 – 119; Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat, S. 391 – 393; Wichmann von Meding, Zwischen Altona und Kiel, S. 54 f. 267 Claus Harms, a.a.O., S. 19, Satz 1.

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Es geht Harms also um die unvernderte „Lehre“ Christi. Deutlich wendet er sich gegen eine Kirche, die sich der Adaption stets neuer historischer Kontexte verpflichtet sieht: „Mit der Idee einer fortschreitenden Reformation, so wie man diese Idee gefasset hat und vermeintlich an sie gemahnet wird, reformirt man das Lutherthum ins Heidenthum und das Christenthum aus der Welt hinaus.“268

Rechnet Harms in dieser Weise mit der rationalistischen Theologie ab, in der „sich der Lehrbegriff des Glaubens nach dem Lehrbegriff des Handelns“269 zu richten habe, schreckt er nicht davor zurck, „den Pabst zu unsrer Zeit, unsern Antichrist“ hinsichtlich des Glaubens mit der Vernunft, hinsichtlich des Handelns mit dem Gewissen gleichzusetzen270. Dieses Gewissen aber kçnne keine Snden vergeben271, und es sei nur „den Gesetzen der Obrigkeit“ und „den Satzungen der Sitte, die noch immer gottesfrchtiger“ sei „als der herrschende Lehrbegriff“ zu verdanken, wenn nicht eines jeden Menschen Gewissen abgeschnitten sei von Gottes Wort272. Die Trennung der Vernunft vom Anspruch des gçttlichen Wortes habe jedoch dazu gefhrt, daß „jede geoffenbarte Religion, also die christliche auch, insofern und insoweit sie nicht mit der Vernunft bereinstimmt, d. h. gnzlich, verworfen“ werde; dies sei allerdings nur mçglich gewesen, „whrend keine Wacht in unsrer Kirche war“273. Ein erster scharfer Ausblick auf Funks Altonaer Bibel findet sich in These 31, wo Harms bekennt, er wisse nicht, wer das gçttliche Wort zuerst dem Anspruch der Vernunft ausgesetzt habe; wer dies „aber zuletzt vorgenommen hat, das weiß ich, und ganz Holstein weiß es“274. Vom zeitlichen und rumlichen Kontext her gelangt hier ein aktuelles Holsteiner Problem zur Erçrterung: Eine entscheidende Differenz zwischen dem Altonaer Pastor Funk und dem Kieler Pastor Harms, in der sich nach Auffassung des letzteren das zeitgençssische Grundproblem der lutherischen Kirche schlechthin fokussiert: Es geht darum, inwieweit die Vernunft die Offenbarungsreligion antasten darf. Harms kmpft gegen eine Vernunft, die „das Heilige des Glaubens in den Kreis gemeiner Erfahrung“ zieht, so daß 268 269 270 271 272

Ebd. S. 20, Satz 3. Ebd. Satz 4. Ebd. Satz 9. Ebd. S. 21, Satz 11. Ebd. These 13 in Vbdg. mit These 12. Zu den hier genannten Krften der Beharrung vgl. Harms’ 29. These. 273 Ebd. S. 24, These 30 in Vbdg. mit den Thesen 28 und 29. 274 Ebd. These 31.

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sie „spricht wie Muhammed: ,Wie sollte Gott einen Sohn haben? er hat ja keine Frau!“275. In dieser Weise rase die Vernunft seit langem in „carlstadischer Weise […] in der lutherischen Kirche: reißt Christum vom Altar, schmeißt Gottes Wort von der Kanzel, […] mischt allerlei Leute beym Gevatterstand, wischt die Anschrift des Beichtstuhls weg, zischt die Priester hinaus, und alles Volk ihnen nach.“276

Gegen solche Mißstnde, erklrt Harms, „haben wir ein festes Bibelwort, darauf wir achten […] daß Niemand uns dasselbe drehe gleich einem Wetterhahn“277; dagegen bedeute „eine deutsche bersetzung mit Erklrungen deutscher Wçrter“ zu versehen, diese als „Ursprache der Offenbarung“ anzusehen278. Von dieser Annahme aus gelangt Harms zu seinem strksten an die Altonaer Bibel gerichteten Vorwurf: „Die Bibel mit solchen Glossen ediren, die das ursprngliche Wort entendiren279, heißt: den heiligen Geist corrigiren, die Kirche spoliren280, und die dran glauben, zum Teufel fhren.“281

Harms will „die Christen lehren berall, daß sie sich hten vor dieser Bibelausgabe“; er selbst prognostiziert „auf Glauben zu unserm Kçnige: Sie wird bald verworfen“282. Der von Harms in These 30 erhobene Vorwurf, es sei keine Wacht in der Kirche gewesen, wird prompt zum Gegenstand einer behçrdlich anberaumten Untersuchung; immerhin war die Altonaer Bibel „unter Zustimmung des Herrn Generalsuperintendenten Adler bearbeitet und herausgegeben“ und „mit Kçniglichem Allerhçchsten Privilegium“283 275 Claus Harms, Das sind die 95 theses oder Streitstze Dr. Luthers, theuren Andenkens. Zum besonderen Abdruck besorgt und mit andern 95 Stzen, S. 26, These 45. 276 Ebd. S. 30 f., These 71. 277 Ebd. S. 27, These 50; daß Funk in seiner Bibelausgabe „die biblische Zeit nicht wirklich aus sich selbst heraus“ verstand, sondern „die Sicht seiner Gegenwart – unbewußt – in jene Zeit“ hineinlegte, zeigt Thorsten Jessen, Umstrittene Aufklrung – die theologischen Auseinandersetzungen um die Altonaer Bibel, S. 68, daran, daß der Altonaer Geistliche „die Menschen der Bibel als nationalbewußt – die Propheten des ATsind ’edle Vaterlandsfreunde’ – und als sittlich Handelnde im Sinne der kantischen Ethik“ darstellt. 278 Ebd. S. 28, These 54. 279 Gemeint ist „begreifen, verstehen wollen“; vgl. frz. „entendre“. 280 Das mittelalterliche Spolienrecht bot die Mçglichkeit, den Nachlaß katholischer Geistlicher einzuziehen. 281 A.a.O., These 55. 282 A.a.O., S. 29, These 61. Harms setzt auf ein obrigkeitliches Verbot der Altonaer Bibel. 283 Zu dieser bereits o. S. 452 Anm. 258.

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erschienen284. Darber hinausgehend, hatte Harms in These 90 es grundstzlich fr „einen in Eil und Unordnung gemachten Fehler“ gehalten, daß in der lutherischen Kirche die oberste Leitung dem jeweiligen Landesherrn als summus episcopus berantwortet sei, was „man auf ordentlichem Wege wieder gut zu machen hat“285 ; auch drngt er in der Frage der Predigerwahl auf eine Wahl durch jeweils die gesamte Gemeinde286. Damit vereint Harms streng orthodox-lutherische Anschauungen in Fragen des Dogmas287 mit durchaus freien, demokratischen Intentionen in Fragen der kirchlichen Verfassung. Die Harms durch die Behçrden abverlangte Rechenschaft legte dieser am 25. September 1818 in einer umfangreichen „Nheren Erklrung“ ber das Glckstdter Oberkonsistorium dem Kçnig vor; dieser Adressatenkreis ließ die Angelegenheit auf sich beruhen, nachdem er sich von der Altonaer Bibel im Stillen distanziert hatte, nicht anders, als Harms es vorausgesagt hatte. Funks Bibel war inzwischen allerorten aufgekauft288.

284 In der 66. These urteilt Harms in schroffer Weise: „Vertrauen kann das Volk nicht haben zu den Obercommissarien der Kirche, davon mehrere in dem Geschrey stehen, daß sie selber den Glauben der Kirche nicht haben“, a.a.O., S. 30 f. 285 Ebd., S. 54 f. 286 Ebd., S. 55, These 91. 287 Die zur gleichen Zeit in Preußen betriebene Kirchenunion bewertet Harms in seinem 76. Satz: „Als eine arme Magd mçchte man die lutherische Kirche jetzt durch Copulation reich machen. Vollziehet den Act ja nicht ber Luthers Gebein! Es wird lebendig davon und dann – Weh euch!“, a.a.O., S. 32. Hierzu Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, IV. Bd., S. 328 – 330 und 354. 288 Hierzu Nicolaus Funk, Geschichte der neuesten Altonaer Bibelausgabe nebst Beleuchtung der vorzglichsten wider sie erhobenen Beschuldigungen, Altona 1823, S. 370 – 383; von den insgesamt aufgelegten 7500 Exemplaren der Bibel wurden 3937 Stck aufgekauft, ebd. S. 373. Der Erlçs des Verkaufs sollte zugunsten der von „500 Schlern besuchten Armen- und Waisenschule“ in Altona erfolgen, a.a.O., S. 388. Zu Funks besonderem Engagement fr die Armen Altonas a. ders., Geschichte und Beschreibung des Waisen-, Schul- und Arbeitshauses in Altona, Altona 1803; Versuch ber das Armenwesen in Altona, Altona o. J.; Einige, wol noch nicht genug beobachtete, Ursachen der Verarmung in Altona, wie in den, ihm benachbarten, Handelsstdten, Altona 1832; Die Altonaer Armenanstalt in den Jahren 1822 und 1832 oder Zusammenstellung ihrer Einnahme und Ausgabe in den Adreß-Comtoir-Nachrichten im Jahrgange 1823, Nr. 50 und im Jahrgange 1833, Nr. 87 abgedruckten Berichten, Altona 1834. – Zum Bibelaufkauf a. Christian Degn, Die Herzogtmer im Gesamtstaat, S. 392 f.

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Harms’ zum Reformationsjubilum publizierte „Thesen“ machten Furore289. Betrbt erklrte Johannes Georg Schmidt, Pastor in Schçnberg290, wie seine „Hoffnung, daß dieses schçne Fest291 alle denkenden, fhlenden evangelischen Lehrer in Kirchen und Schulen zu einem erhçhten Streben fr die ehrwrdigen heiligen Zwecke unsers Amts in evangelischer Liebe und Eintracht vereinigen“ wrde, „leider! leider […] so sehr getrbt ward, da in den berchtigten Thesen Feuerbrnde in die Gemeinden geworfen wurden, die einen Streit entzndeten, der das erste Jahr des neuen Jahrhunderts unserer Kirche in den Jahrbchern der Religionsgeschichte unsers Vaterlandes fr unsere Nachkommen in ein nachtheiliges Licht stellen wird.“292

Wie der Schçnberger Pastor Schmidt empfanden viele Zeitgenossen. So schilderte Pastor Lorenz Nissen aus Kegnæs, Propstei Sønderborg, rckblickend: „Von einem Manne, der in einem hçhern Sinne Christolog sein will, den aber seine Vernunftentscheidung vom christlichen Sinn, so weit entfernt hatte, daß er ber die wrdigsten Mnner, die seinen Meinungen nicht huldigen wollten, seinen Zorn in dem rohen Bilde ausschtten drfte, daß er mit seinen Thesen, wie mit Pflugscharren in deren Rcken, und wie mit den Zinken einer Egge in ihrem Fleische reißen wolle – von einem solchen Manne mußte man sich traurig wegwenden. Wer biblische Verse so zu handhaben sich erlaubt: was kann der nicht alles fr seinen Zorn aus der Bibel entlehnen?“293

Funk selbst beurteilte Harms’ gegen seine Bibelausgabe gerichteten Thesen als einen „mehr grausam als wissenschaftlich“ gehandhabten „Donnerkeil“294. Harte Vergleiche trafen die „berchtigten Thesen“295, die einen 289 C.[arsten] E.[rich] Carstens, ADB 10, S. 607 – 611; ebd. S. 609: An die Thesen „knpfte sich ein großer Schriftenwechsel, gegen 200 Broschren pro und contra“; cf. a. Thorsten Jessen, Umstrittene Aufklrung – die theologischen Auseinandersetzungen um die Altonaer Bibel, in: SSHKG 2. Reihe 46 / 1993, S. 65 – 84. 290 Zu Johannnes Georg Schmidt cf. Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, S. 234; zu seiner Lehrttigkeit whrend der Jahre 1787 und 1790 als Privatdozent an der Kieler Universitt vgl. a. Geschichte der theologischen Facultt der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, S. 52 f. 291 Die Rede geht vom Reformationsjubilum 1817. 292 Beitrag Georg Carl Wilhelm Schmidts, in: Georg Peter Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, S. 339 – 348, hier S. 339 f. 293 Lorenz Nissen, Meine Wege und Umwege zur Kirche. Eine autobiographische Erzhlung, Altona 1826, S. 131 f. 294 So Funk, Geschichte der neuesten Altonaer Bibelausgabe nebst Beleuchtung der vorzglichsten wider sie erhobenen Beschuldigungen, S. 367. 295 „Mehr als durch seine andern Schriften ist Harms durch die 95 Thesen von eigener Hand in der theologischen Welt eine Celebritt geworden“, urteilt Georg Friedrich

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Streit entfachten, in dem sich auf der einen Seite weiterhin jene „vernunftglubige“296 Aufklrungstheologie darstellte, die ihrerseits „Liebe und Eintracht“ als lehrhaft zu vermittelnde hçchste kirchliche Tugenden propagierte297, whrend sich auf der anderen Seite jene Stimme erhob, die

Schumacher im Abstand zweier Jahrzehnte, vgl. dens., Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 617. Auch Christian Detlev Friedrich Reventlow auf Christianssæde – zu diesem o. S. 231 f. Anm. 401 – betrbt „sich mit allen guten, evangelischen Christen, die die Bibel und nicht Menschensatzungen lieben, ber den harten unchristlichen Bombast“, der in Harms’ 95 Thesen „verstndlich und unverstndlich herrscht […] So hat dem guten Harms der Teufel sein Ey in sein Nest gelegt, und ehe er es that, den geistlichen Stoltz, den Pfaffen Stoltz ihm ins Hertz gelegt […] Nun, da man von nichts als von Reformation und Luther spricht, lese ich nichts mehr davon, und will ich etwas lesen, werde ich es in Luthers Schriften und nicht in seiner Ausposauner lesen“, Brief an Louise Stolberg vom 22. November 1817, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Første Bind, udg. af Louis Bob, S. 190. In einem weiteren an Louise Stolberg gerichteten Schreiben vom 25. November d.J. bekennt der Graf jedoch, sich weiter mit den Thesen beschftigt zu haben; dabei fllt er auch ein Urteil ber die Altonaer Bibel: „Ich lasse nun Harms ruhen, habe aber angefangen Funkes Bibel zu lesen. Ich finde, dass sie ein sehr mittelmssiges Produkt ist […] Ich halte ihn fr einen wahren Schwchling, von dem keine Gefahr zu befrchten ist, und er mag es doch mit allem dem redlich meinen“, a.a.O., S. 197. Daß die persçnliche Begegnung mit Harms Eindrcke einer schriftlichen Begegnung mit ihm zu revidieren in der Lage war, vermittelt Louise Stolberg in einem Brief an Johann Ludwig Reventlow auf Brahetrolleburg vom 24. Februar 1818: „ber Harms habe ich viel zu sagen. Der falsche Schritt der Regierung bestand darin, dass sie die Funk’sche Bibel autoriprivilegierten ohne Prfung […] Harms verehre ich, er ist wahr und ehrlich, predigt gewaltiglich, weil er herzlich ad hominem predigt, nicht wie die Schriftgelehrten, denn er ist keiner und darum nur zu tadeln, daß er als ein Buchstbler solche Thesen schrieb“, zit. n. Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Tredie Bind, udg. af Louis Bob, S. 189. Nach einer von Rudolph Schleiden, Jugenderinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. 1, S.102 wiedergegebenen Tagebuchnotiz seiner Mutter vom Anfang des Jahres 1818 „hat Harms bis jetzt […] wegen seiner zum Jubilum der Reformation verçffentlichten Thesen in dem rationalistischen Kiel wohl noch mehr Gegner als warme Anhnger. Es sollen aber doch schon Manche […] von ihm gewonnen sein, und ich wunderte mich nicht, als Jemand sagte, Twesten bekehre seine Zuhçrer, und Harms taufe sie“. Zu Prof. August Detlef Twesten o. S. 411 f. Anm. 56. 296 Im 58. Satz bezeichnet Harms seine Gegner als „Vernunftglubige“, vgl. dens., Das sind die 95 theses oder Streitstze Dr. Luthers, theuren Andenkens. Zum besonderen Abdruck besorgt und mit andern 95 Stzen, S. 28. 297 In der Vorrede der Altonaer Bibel ußert Funk, die Bibel sei „die ehrwrdige Urkunde der frhesten Erziehungsgeschichte der Menschheit, aus welcher das Walten der gçttlichen Weltregierung wie die erhabene Bestimmung unsers Ge-

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„unter solch menschlichem Harmoniestreben das Eigentmliche des Christentums gefhrdet oder gar verraten“ sah298. Deutlich stellte sich die Frage: Formt Christi Lehre den Menschen, oder formt der Mensch Christi Lehre299 ? So war in diesem Konflikt „das Heer der Kmpfer fr und wider […] bald zahlreich. Grndliche Gedanken und seichte, freundliche Milde und verdammende Strenge, Duldung und Verdammungseifer, selbst chter und schaler Witz, Alles ward aufgeboten in diesem unseligen Streit.“300

Harms selbst spricht den Konflikt bereits in seiner ersten, am 31. Oktober 1817 nachmittags in der Kieler St. Nikolai-Kirche gehaltenen Predigt301 an; deutlich stellt er hier den Glauben gegen die vernunftorientierte Werkheiligkeit302. Der „besondere Glaubenssatz der lutherischen Kirche: Aus Gnaden werden wir selig, und aus den Werken nicht“ stellt „Wehr, Wacht und Weg“ dieser Kirche dar303 ; grundstzlich sei „außer der Kirche […] kein Heil“304. Der Jubel ber die empfangene Gnade sei jedoch eingeschrnkt durch einen unangemessenen Gebrauch der Vernunft, denn der Prediger weiß wohl, „weßhalb dieser Jubel nicht noch lauter erhoben wird, weshalb er nicht allgemein ist in der lutherischen Kirche, so daß jedwede Seele, wie es doch sein

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schlechts zum allmlichen Fortschreiten in jeder Art von Vortrefflichkeit immer sichtbarer und zweifelsfreier hervortritt“, ders., a.a.O., S. VII. Wichmann von Meding, Zwischen Altona und Kiel, S. 55. So Harms’ erste These. Georg Friedrich Schumacher, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 617. Claus Harms, Zwey Reformationspredigten, gehalten am dritten Scular-Jubelfeste im Jahre 1817, Kiel 1817. Die am 31. Oktober gehaltene Predigt ebd., S. 1 – 26. Georg Peter Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, kritisiert an Harms’ Predigt vom 31. Oktober, sie beschrnke sich auf „einen besondern Glaubenssatz der lutherischen Kirche, den nmlich: Aus Gnaden werden wir selig, und aus den Werken nicht“. Claus Harms, Zwey Reformationspredigten, gehalten am dritten Scular-Jubelfeste im Jahre 1817, S. 8; zu seinem Zitat vgl. Eph 2,8 f. Ebd. S. 9. Zur an dieser Stelle anklingenden altkirchlichen Ekklesiologie vgl. Caecilianus Cyprianus, ep. ad Jubaianum, 73,21, in: Des heiligen Kirchenvaters Caecilius Cyprianus Briefe, bersetzt von Julius Baer, Kempten 1928, hier: S. 352; zu Cyprians konkret auf dem Bischofsamt aufbauender Kirchenauffassung a. Heinrich Kraft, Einfhrung in die Patrologie, Darmstadt 1991, S. 114 – 116. Zum Kontext eines exklusiven kirchlichen Heilsanspruchs ferner Christoph Kçrner, (K) ein Heil außerhalb der Kirche?: berlegungen zur theologischen Bedeutung religiçser Pluralitt, Berlin / Mnster 2006, passim.

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sollte, einstimmt in ihn. Wenn es nicht der erste Grund ist, fr den letzten wird ihn auch keiner halten, daß Manche nicht hinanwollen an diesen Glauben, nicht hinankçnnen, vermeintlich, vor ihrer Vernunft. O die Vernunft steht nicht im Wege, wenn man nicht selbst sie in den Weg stellet […] Sie hat fr arme Snder keinen Trost, bietet auch keinen an. Wie viele haben ihr Leben lang bei ihr gebettelt, und sie sagte immer: Nein, nein, geht vor eine andere Tr!“305

Damit geht es Harms um den Trost christlicher Predigt, um den aus der Versçhnungslehre gewonnenen Zuspruch von Gnade und Erlçsung. Beides kçnne der Mensch sich nicht durch sich selbst erwirken; Harms warnt daher „vor der einbrechenden Werkheiligkeit“, denn mit dieser erneuere „man das Papstthum mitten im Luthertum!“306. Dagegen teile die Kirche „in dem Glaubenssatz von der Gnade Gottes einen Trost mit, den kein sndiger Mensch entbehren kann. Sey einer vor dem Gesetze recht und spreche wie jener: ,Das alles habe ich gehalten von meiner Jugend auf ’, vor dem Evangelio ist er nicht rein, vor diesem Spiegel nicht, der ihm das tiefste Innere zeigt, vor welchem Spiegel jeder als Snder erscheinen muß, so wahr die Anstalt des Christenthums einen Grund hat.“307

Harms will direkt zurck zum gçttlichen Gnadenzuspruch, den die Kirche von Anbeginn her weiterzutragen habe. In seiner zweiten Predigt anlßlich des Reformationsfestes weist er alles menschliche Zutun in der Gnadenvermittlung zurck. Unter dem Grundgedanken, „es sey ein Gegensatz vorhanden“ zwischen allem „Menschlichen und Christus“308 baut sich diese Ansprache in sechs Schritten auf, die jeder fr sich Gçttliches und Menschliches durch vehemente Prohibitive auseinanderhalten: „I. Kein Papst! II. auch Luther nicht! III. noch irgendein Mensch! IV. selbst der Mensch Christus nicht! V. so wie das nicht, was man gemeiniglich seine Lehre nennt! VI. und eines Jeden eigene Ansicht gar nicht!“309 305 Ebd. S. 14. 306 Ebd. S. 15. 307 Ebd. S. 21; vgl. S. 22 f., wo Harms die Existenz der lutherischen Kirche auf Grund der sndigen Veranlagung des Menschen an die Stetigkeit des von ihr weitergegebenen Gnadenzuspruchs bindet: „,Mein Sohn, deine Snden sind dir vergeben.‘ […] ,Dein Glaube hat dir geholfen.‘ Wenn die lutherische Kirche dieses Wort festhlt, […] so wird sie bestehen, so lange es sndige Menschen giebt, […] wenn die sndigen Menschen nach vergeblichem Versuch einsehen, hier finde keine Selbsthlfe Statt“. 308 Claus Harms, Zweite Reformationspredigt [gehalten ber Hebr 13,8, L.-P.], a.a.O., S. 27 – 54, hier S. 30. 309 Ebd.

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Damit tritt Harms nacheinander ein in die Auseinandersetzung mit dem Katholizismus, mit einem theologisch berhçhten Lutherbild und, mit beiden sachlich verbunden: mit allen Ansprchen einer menschlichen Synergie im Rechtfertigungsgeschehen. Unter dem Leitgedanken erforderlicher Differenzierung zwischen „Mensch“ und „Christus“ negiert Harms entschieden jeden Beitrag der menschlichen Natur Christi innerhalb dieses Geschehens und weist von hier aus auch jede aus der Interpretation der Lehre Christi gewonnene und auf Rechtfertigung und Erlçsung abzweckende Entwicklung menschlicher Tugend zurck, um zuletzt alle individuellen Gewchse einer solchen Auslegung grundstzlich zurckzuweisen. Harms sieht, versteht und bewertet die menschliche Natur als eine unvernderbar zur Snde determinierte Natur und damit im Horizont ihres gnzlichen und einseitigen Angewiesenseins auf die unverdiente, durch Christus ermçglichte gçttliche Gnade. Seine Betonung der zwischen Mensch und gçttlichem Christus liegenden Differenz310 liegt jener in den Aufklrungspredigten zum Ausdruck gelangenden Auffassung menschlicher Befhigung „zum hçheren, christlichen Wissen und Wirken“311 diametral entgegen. Darin erneuert Harms den reformatorischen Anspruch und Zuspruch. In dieser Bemhung bleibt er nicht allein. So fallen etwa im ostholsteinischen Ssel anlßlich des Reformationsjubilums hnlich deutliche ußerungen wie diejenigen von Pastor Harms in St. Nikolai zu Kiel312. Hier ist es Hans Friedrich Nissen313, der 310 Hierzu noch einmal das o. S. 460 Anm. 307 Festgehaltene. 311 Vgl. den Titel der gleichfalls in Kiel gehaltenen Predigt Prof. Johann Christoph Schreiters, Die Reformation, ein mchtiger Aufschwung des menschlichen Geistes zum hçheren, christlichen Wissen und Wirken. Eine Predigt am dritten Reformationsjubilum; hierzu o. S. 448. Die Altonaer Bibel sieht in ihrer entsprechenden Glosse zu Rçm 8,10b: „Der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen“ das menschliche Leben nicht als durch geschenkten Geist und geschenkte Gerechtigkeit ermçglichtes Leben, sondern als – „tugendhaftes Leben“, so Funks ußerung z. St. – Zum Kontext a. die Kritik dieser Harmschen Predigt bei von Meding, Kirchenverbesserung,. Die deutschen Reformationspredigten des Jahres 1817, S. 173 – 176, der S. 175 f. „ein Zeichen der Schwche fr diese Predigt“ darin sieht, saß sie „gegen Gefahren fr den christlichen Glauben“ kmpfe und „ihnen sechs ausfhrliche Abschnitte“ widme – „aber keinen dem Christus, den sie doch rein an seinem Platz haben mçchte“. 312 Zu den beiden in St. Nikolai gehaltenen Predigten des Kieler Propsten Johann Georg Fock vgl. die von Georg Peter Petersen herausgegebene Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, hier S. 203 – 209; zu den Harms’ Predigten entgegenstehenden Intentionen innerhalb der Ansprachen Focks und dem theologischen Schlagabtausch zwischen dem vormittags predigenden Prop-

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seiner Gemeinde den „wahren Widerchrist“ darstellt als eben jene verbreitete Geisteshaltung, derzufolge die „Kinder des Unglaubens […] nicht vor Gott gerecht werden [wollen, L.-P.], sondern sie machen sich selbst zu Richtern in ihrer eigenen Sache, und wischen so viel von Gottes Geboten aus als sie nicht halten mçgen, und denken einen Vergleich zu stiften zwischen Gottes Willen und ihres Fleisches Willen, und hoffen daß er die Opfer gelten lassen werde […] Laß sie dahin fahren, du Christ in Luthers Geist; dem das Wort in den Ohren liegt: Wer an einem Gebote sndigt, der ist des ganzen Gesetzes schuldig.“314

Auch hier kmpft die Predigt gegen die ins Rechtfertigungsgeschehen eingebrachte Gemeinschaftlichkeit von gçttlichem und menschlichem Willen. Gegen die weit verbreitete Stilisierung und berhçhung des Reformators setzt Nissen eine metaphorische Bestimmung des Verhltnisses zwischen Gemeindeglied, Luther und Heiland; gegen die Welt jenseits der Kirche setzt er den „Schutz gottgegebenen Friedens“, wenn er seiner Gemeinde zum Beschluß seiner Predigt am 31. Oktober 1817 zuruft: „In Luthers Schatten ruhe an der stillen Quelle des Friedens in Jesu Christo. – Du hast nicht viele Zeit zu ruhen. Vor der Thr dieses Hauses lacht die Welt und die Snde ruft. Hier ist Schutz. Erquicke dich recht, und gehe hin in Frieden.“315

Auch Georg Peter Petersen gibt Nissens Zentrierung der Festtagspredigt auf Jesus Christus im Kontext seiner „Chronik der Reformationsjubelfeier“ erkennbar Raum; so hebt er hervor, daß Nissen seiner Sseler Gemeinde vermittelt habe, daß „Gott Jesum Christum uns zum Trost gegeben“ habe, er „unser Frsprecher bei Gott“ sei und daß wir „gerecht werden aus Gnade durch die Erlçsung, die durch Jesum geschehen ist“316. Nicht weniger fokussiert auf die Erneuerung des in der Reformation wiederbelebten Gnadenzuspruchs zeigt sich auch der Meldorfer Pastor Ingwer Carsten Paulsen317, der angesichts des Kontrastes zwischen Glauben

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sten und dem nachmittags ttigen Archidiakon vgl. Wichmann von Meding, Zwischen Altona und Kiel, S. 57 f. Zu diesem bereits o. S. 392 f. Hans Friedrich Nissen, Predigten, gehalten am Jubelfeste den 31. October und 2. November 1817 zu Ssel, S. 15; vgl. hierzu a. die Darstellung Georg Peter Petersens, a.a.O., S. 361 – 364. Nissen, a.a.O., S. 28. Georg Peter Petersen, Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten, S. 363. Zu diesem Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, S. 170. 1783 in Wesselburen geboren, hatte Paulsen in Kiel und Gçttingen studiert und war

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und verdienstlichen Werken den Weg glaubenden Vertrauens gegenber dem Gnadenwalten des dreieinigen Gott hervorhebt: „Nur der Christ also, m.[eine] Th.[euren, L.-P.], der mit vollem kindlichen Vertrauen an die Vatergte seines Gottes, an das gçttliche Verdienst Jesu Christi und an die fortwhrenden Gnadenwrkungen des heiligen Geistes glaubt, nur der befindet sich auf dem Wege, welcher allein der richtige heißt, weil er allein zum Leben fhrt. Wenn daher auch in unsern Tagen manche der Meynung sich hinzugeben scheinen; als kçnnte durch so genannte gute Werke die Stelle eines frommen kindlichen Glaubens ersetzt werden; so befinden sich dieselben in einem gefhrlichen, fr sie hçchst verderblichen Irrthum, der sich ihnen, wenn nicht eher, doch dereinst in ihrer Sterbestunde als solcher offenbahren wird.“318

Im Glauben an die Gte des Vaters, an das wesentlich gçttliche Verdienst Jesu Christi und an die dauerhaften Gnadenwirkungen des Heiligen Geistes konstituiert sich fr Paulsen die Haltung der evangelisch-lutherischen Kirche; dabei hebt auch er die grundstzliche Fragwrdigkeit menschlicher Verdienste bezglich der letzten Dinge hervor. Holsteinische Geistliche wie Claus Harms, Hans Friedrich Nissen und Carsten Ingwer Paulsen nahmen das Reformationsjubilum von 1817 zum Anlaß, sich in der Rckbesinnung auf die reformatorischen Wurzeln und Erkenntnisse entschieden gegen den in ihrem Umfeld verbreiteten Rationalismus zu wenden. Wie sich in der Altonaer Bibel klar gezeigt hatte, intendierte dieser eine Religiositt, in der die Vernunft alles Unfaßbare ins Verstndliche und Begreifbare bertrug, in der die Offenbarung der Prfung durch die Vernunft anheim fiel und in der weiterhin alles Eigenartige und Besondere entweder als Konsequenz einer Verstandesregel oder als Resultat einer unwandelbaren Naturgesetzlichkeit darstellbar wurde. Das mit diesen Zielsetzungen des Rationalismus verbundene Konzept eines auf eine verbesserte und gesteigerte Humanitt abzweckenden Christentums319 entsprach im zeitgençssischen Umfeld vielfach nach zwei Jahren als Hilfsprediger in Busenwurth seit 1813 Compastor in Meldorf. Dieses Amt versah er 47 Jahre bis zu seinem Tod. 318 Ingwer Carsten Paulsen, Predigt am ersten Feyertage des Jubelfestes der Reformation, nachmittags den 31. October 1817, S. 21 f.; die Predigt wurde als Nachmittagspredigt gehalten ber Eph 2,8 – 10. 319 Noch einmal die Stimme Nikolaus Funks in der Vorrede zur Altonaer Bibel, S. X: Die Religion sei eine „praktische“, eine „auf die Verbesserung des Menschen und seiner Welt angelegte Veranstaltung Gottes“; dazu die ußerung seines Verteidigers Jasper Boysen, ber die Altonaer Bibel, Hamburg 1817, S. 14: „Geist der Bibel“ wie auch „Wesen des Christenthums“ sei der „fromme tugendhafte Sinn“. An diesem allein hnge das Heil des Menschen und nicht am bloßen Festhalten

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einem praxisorientierten Humanismus, der jedoch nach Jahren des Krieges inmitten neu aufgetretener sozialer Notlagen zumeist ohne wegweisende Kraft fr neue Perspektiven blieb. Darber hinaus nahmen die rationalistischen Geistlichen der Herzogtmer die Gegebenheiten der aktuellen Sozialordnung kritiklos hin; sie vermochten so die infolge der direkten und indirekten Auswirkungen der Franzçsischen Revolution politisch beeinflußten Zeitgenossen rhetorisch und ideell nicht mehr zu erreichen. Die seitens der Neologie erstrebte Harmonie zwischen Staat und Kirche, die intendierte Kongruenz zwischen Staatsbrger und Gemeindeglied schien durch die jngste Historie in weite Ferne gerckt. Nicht umsonst hebt der Kieler Professor Nikolaus Falck im Vorfeld des Reformationsjubilums bereits whrend des Jahres 1815 hervor, daß es „unstreitig […] eine der auffallendsten Erscheinungen der neueren Zeit“ sei, dass Staat und Kirche in ihren Grundformen beinahe nichts Gemeinschaftliches zu haben scheinen“; dabei sei im Kirchlichen „die individuelle Freiheit […] in eine grnzenlose Willkhr ausgeartet, die der Kirche eine allgemeine Auflçsung droht.“320

Die große Vision der Aufklrungstheologen, den Protestantismus durch enge Verzahnung mit den im Kontext gesellschaftlichen Wandels einander folgenden Stufen geistiger brgerlicher Evolution adaptions- und akzeptanzfhig zu halten, blieb letztlich ohne Erfolg. Dies kam in einer Abnahme des Gottesdienstbesuchs zu einem ersten ußerlichen Ausdruck, dem eine zunehmende innerliche Distanzierung von Kirche und christlichem Glauben folgten. Nicht von ungefhr mehren sich im unmittelbaren zeitlichen Kontext die Klagen ber den Verfall der Religiositt im Lande321 und ein damit verbundenes Anwachsen alternativer Verhaltensweisen jenseits des Kirchenbesuchs. So beklagt wenige Jahre nach dem Reforberlieferter Glaubensstze sowie einer Bibel, deren Inhalt nicht einfach „nach dem Buchstaben“ anzunehmen sei, whrend der Mensch sich dabei „gewissen lebhaften Gefhlen“ hingebe. 320 Nikolaus Falck, ber die Grundbedingungen eines festen kirchlichen Vereins, in: Kieler Bltter 1 / 1815, S. 89 – 99, hier S. 89 f. 321 Vgl. hierzu etwa die anonym erschiene Publikation „Ein Wort ber den Verfall der Religiositt im Vaterlande“, in: Neue Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte 3 / 1813, S. 165 – 174; ebd. S. 167: „Am auffallendsten zeigt sich der Verfall der ußern Religiositt bis itzt, wie in anderen Lndern, so auch bei uns, in den Stdten […] Wie lange es noch etwa whren kçnne, bis in den beiden sdlichsten Provinzen Dnemarks (mçge es in den nçrdlichen besser aussehen!) so gut wie niemand mehr zur Kirche und zur Kommunion kommt, bis Taufe und Konfirmation berall fr nichts mehr gelten werden, als fr brgerliche Handlungen“.

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mationsjubilum etwa der als Diakon an St. Marien in Flensburg ttige Georg Wilhelm Valentiner322 : „Am Sonnabend versammelt sich die elegante Welt, zwar nur in Privat-Cirkeln, die aber wegen der Menge der Theilnehmer von 70 – 100 Personen çffentliche heißen kçnnen, und hlt ihre theatralischen bungen bis an den Sonntagmorgen, weil man diesen Tag ja gerne verschlafen kann. […] Eine einzige Predigt wird in der Regel gut, die andern alle mehr oder weniger schlecht besucht. Ich zhle in der ganzen Stadt keine 3000 Communicanten. Mehrere und selbst aus den ersten Familien halten es berflssig, den WeltHeiland zu bekennen. Das Glaubensbekenntnis wird wenig geachtet. Man lßt es bei der Taufe, die oft sehr weit ausgesetzt wird, und bei der Confirmation bewenden. So eben aus einer Lebensgefahr errettet eilt man ins Schauspiel und vernachlssigt das Haus Gottes. Nein! So war es zur Zeit der Vter nicht.“323

Die Kirche der Herzogtmer sieht ihren Einfluß und ihre Bindekraft im gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß also zurckgedrngt. Es gibt zunehmend Kinder, „welche von ihren Eltern und erwachsenen Geschwistern nichts hçren, oder sehen, was von deren eigener Religiositt zeugt; die ihre Eltern und erwachsenen Geschwister nie beten, nie in einem Buche religiçsen Inhalts lesen, nie zur Kirche, oder zum Abendmahl gehen sehen.“324

Derartige Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse lassen die Intentionen der rationalistischen Aufklrungsgeistlichen als weithin uneingelçst erscheinen. Einer der Kirche immer strker entfremdeten, die gottesdienstlichen Festzeiten zunehmend alternativ nutzenden Bevçlkerung mußten von ihren Bedrfnissen und Anschauungen her die pdagogischen Appelle und Verheißungen der Aufklrungspredigten schlicht entbehrlich erscheinen. Es konnte Menschen mit derartig vernderten Lebensgewohnheiten, wie sie von Georg Wilhelm Valentiner dargestellt werden, eben kaum eingngig sein, wenn ihnen bei einem Gottesdienstbesuch von der Kanzel unter dem Leitgedanken ihrer Tugendbildung etwa entgegengehalten wurde: „Die Sinnlichkeit locket und treibet Euch zum Angenehmen; da haschet ihr Freude des Augenblicks, und die Freude ist oft einer giftigen Wurzel, oft bçser Thaten Frucht“; dagegen walte „in Euch […] der freie Wille“, der „zu hoher, zu 322 Zu diesem o. S. 158 f. 323 Georg Wilhelm Valentiner, Chronik von Flensburg vom Jahr 1820, Flensburg 1820, S. 230. 324 „Ein Wort ber den Verfall der Religiositt im Vaterlande“, a.a.O., S. 172.

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dler That“ fhre325, und da dieser freie Wille mit dem „Vernunftchristenthum“ gleichzusetzen sei326, sei es schließlich „des Christen schçnster Ruhm, so man ihn Vernunftchristen nennt! Das ist ja des Christenthumes hçchste Wrde, daß es so ganz, wie der andern Religionen keine, mit der Vernunft bereinstimmt“327, denn: „Jesus und die Apostel haben nie einen anderen Glauben gefordert, als der auf vernnftige berzeugung begrndet wre […] Durch Vernunft allein bewahren wir uns vor traurigen Verirrungen in der Religion.“328

Der Adressatenkreis solch empathieloser Moralisierung im Kontext einer Identifikation des menschlichen freien Willens mit einem „Vernunftchristentum“ war sicherlich durch zwei Faktoren eingeschrnkt. Diese bestanden zum einen darin, daß angesichts der jngsten Regionalhistorie die seitens der rationalistischen Aufklrungspredigt behauptete Botschaft von der natrlichen Gte sowie Vernunft des Menschen und seiner daraus hervorgehenden Befhigung zur Perfektibilitt schwer erschttert schien. Zum anderen traten vernderte Lebensgewohnheiten auf, in denen Menschen mçglicherweise auch unter hedonistischer Orientierung jenen Defiziten zu entrinnen versuchten, denen sie sich angesichts ihrer schwierigen sozialen und çkonomischen Situation nach einem langjhrigen Krieg ausgesetzt sahen. Predigte der Rationalismus weiterhin unter Einbringung einer religiçs fundierten globalen Perspektive die gleiche Verfassung fr die gesamte Schçpfung, konnte er die individuellen Bedrfnisse des aufkeimenden Nationalempfindens von der Sache her berhaupt nicht adaptieren. Der rationalistischen Predigt lag im Gegenteil daran, alles Unfaßbare ins Verstndliche und Begreifbare zu berfhren und dabei alles individuell Selbstndige als eigenartige Folge einer Verstandesregel im großen Kontext unwandelbarer Naturgesetzlichkeit zu interpretieren. Ihre politisch beeinflußten Zeitgenossen konnten die rationalistischen Pastoren von diesen Voraussetzungen her ebenso wenig erreichen wie die verarmten Massen der Herzogtmer. Angesichts der von 325 Joh.[annes] Chr.[istian Gottberg] Johannsen, Von der Wichtigkeit des Gebrauchs der Vernunft in der Religion (geh. In der St. Nicolaikirche zu Kiel), am 1sten Advent 1817, Kiel 1817, S. 3 [Hervorhebungen im Original]. 1793 in Nortorf geboren, hatte Johannsen in Kiel studiert. Seit 1816 als Diakon in Glckstadt ttig – die o. g. Predigt ist eine Vorstellungspredigt ber 1 Thess 5,20 f. –, wurde er hier 1819 Zuchthauspastor. Er wechselte 1825 als Geistlicher nach Kopenhagen, wo er bis zu seinem Tod 1854 an der St. Petri-Kirche wirkte. Zu ihm Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 413. 326 Johannsen, a.a.O., S. 4 f. 327 Ebd. S. 5. 328 Ebd. S. 7 [Hervorhebungen im Original].

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1789 her eingetretenen Wandlungen des gesellschaftlichen Gefges konnte eine Predigt, die wie diejenige eines Claus Harms „dem Hinneigen unserer Zeit zu einem Christenthume ohne Christus“329 entgegentrat und zur inneren Entscheidung fr ein in Gott gesetztes, auf Christi Erlçsungstat aufbauendes Vertrauen aufrief, unter den von kirchlicher Predigt erreichbaren Bevçlkerungsteilen mindestens ebenso ihren Rezipientenkreis finden wie die in den Herzogtmern weithin praktizierte Aufklrungspredigt. Doch auch die Predigt eines Claus Harms distanzierte sich whrend der folgenden Jahrzehnte in keiner Weise vom Ideal einer Synthese von Christen- und Brgertum330. Die innerkirchliche Auseinandersetzung zwischen Offenbarungs- und Aufklrungstheologie wich zudem unter den klaren Konturen eines durch den Homagialeid an den Landesherrn gebundenen Staatskirchenapparates331 der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der zuletzt auf Separation und Emanzipation bedachten politischen Entwicklung im Lande aus. Insofern zeigt die kirchliche Predigt der Herzogtmer allenthalben eine grundstzliche positivistische Staatsnhe, die angesichts der sich fortan vehement regenden Verfassungsfrage bis in die Zeit der Erhebung den Grund legt fr eine sich immer strker ausweitende Distanziertheit der politisch Verantwortlichen in den Herzogtmern gegenber Kirche und Geistlichkeit. Diesem Entfremdungsprozeß korrespondiert whrend der folgenden Jahrzehnte ein nicht unerheblicher Bedeutungsverlust der staatskirchlichen Einrichtung. 329 So der Dresdner Oberhofprediger Christoph Friedrich Ammon in seiner 1816 gehaltenen Reformationspredigt, zit. n. Wichmann von Meding, Kirchenverbesserung. Die deutschen Reformationspredigten des Jahres 1817, S. 74. 330 Im brigen stellt sich als wesentliche Frage, inwieweit Claus Harms in seinen Predigten letztlich dem rationalistischen Licht-Finsternis-Schema verbunden blieb; hierzu Wichmann von Meding, a.a.O., S. 18. 331 Vgl. etwa Claus Harms, Predigt „Am zweyten Weichnachtstage. Die Eidespredigt. Die große Wichtigkeit, wie man ber den Eid denke in einem Lande, ber Jerem. 4,1.2“, in: Ders., Winterpostille oder Predigten an den Sonn- und Feiertagen von Advent bis Ostern, 4. Aufl., Kiel 1820, S. 79 – 103. Nach einleitenden Bemerkungen findet sich hier S. 85 als Predigtaufriß Harms’ Vorhaben: „Lasse dir zeigen, daß die Geringschtzung des Eides ein glckliches Land unglcklich mache“; daß die Heilighaltung des Eides ein unglckliches Land glcklich machen kçnne; darnach hçre die Erinnerung, was jedem Christen und Landesfreund in dieser Hinsicht zu thun obliege“. Harms’ persçnliches Eidverstndnis fhrte auch zu Denunziationsakten; hierzu im Folgenden S. 503 f. Bezogen auf die Reformationsfeiern des Jahres 1817 resmiert Wichmann von Meding, a.a.O., S. 89: „Als Vollzieher landesherrlicher Festverordnungen gehçren die Prediger von 1817 zu dem Vaterland, in dem sie predigen“.

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5. Politische Indifferenz II: Akzente der kirchlichen Predigt in den Herzogtmern 1817 – 1830 Mit Claus Harms war sich whrend der Jahre nach 1817 eine zunchst kleine, jedoch bald anwachsende Zahl schleswig-holsteinischer Geistlicher bewußt, daß Jesus Christus nicht auf seine Ethik reduziert, die gçttliche Gnadengabe nicht als Lohn menschlicher Tugenden aufgefaßt und der christliche Glaube nicht als Ausdruck religiçser Willensfreiheit gewertet werden drfe. Diesem sich neu regenden geistlichen Bewußtsein lag unter dem Impetus einer wiederentdeckten theologia crucis die Bindung an den Herrn der Kirche zugrunde, der fr die Snder gestorben ist. Mochte die Predigt des Reformationsjubilums in den Herzogtmern mehrheitlich von den Prmissen der Aufklrungstheologie bestimmt sein, die ihrerseits in der Reformation einen Akt gçttlicher Erleuchtung sehen wollte, so gelangten im anschließenden Jahrzehnt zahlreiche Publikationen in die ffentlichkeit, die von der neugewonnenen kerygmatischen Orientierung Zeugnis ablegten. Als programmatisch in dieser Hinsicht zeigten sich die von Harms in Kiel 1821 publizierten „Predigten. Christologische“332. Die Titel der einzelnen Predigten weisen angesichts des langen Zeitraumes, ber den hinweg sie entstanden, auf den langen Atem, mit dem Claus Harms sein Bemhen um eine wieder zur Darstellung gelangende Kreuzestheologie verfolgte. So hatte er bereits 1813 seiner gemeindlichen Hçrerschaft als klare Alternative verkndigt: „Wer nicht mit Christo ist, der ist wider ihn“333. Hielt der Kieler Archidiakon am 9. Sonntag n. Trin. 1819 seiner Gemeinde eine Predigt „ber den Abfall vom Christenthum“334, so hatte er zuvor am Sonntag Judica des gleichen Jahres den Tod Christi „fr euch“335 und zu Palmarum das „Zeichen des heiligen Kreuzes“336 thematisiert. Sterben und Auferstehung Christi bewegen den Prediger und mit ihm seine

332 Claus Harms, Predigten. Christologische, Kiel 1821. 333 Ebd., 15. Predigt, gehalten am Sonntag Oculi 1813 ber Luk 11,14 – 21, S. 289 – 306. 334 Ebd., 16. Predigt vom 9. n. Trin. 1819, ber 1. Kor. 10,6 – 13, S. 307 – 325. 335 Ebd., 17. Predigt: „Das Wort „fr euch“ ist Christus gestorben, Judica 1819, ber Mt 20,28, a.a.O., S. 326 – 345. 336 Ders., 18. Predigt: „Vom Zeichen des heiligen Kreutzes“, Palmarum 1819, ber Gal 3,1, S. 346 – 366.

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Gemeinde337, der Harms durchaus ein „Verstehen“ des Christentums nahezubringen versucht338. Wie Harms verdeutlicht auch Wilhelm Thieß bereits im Titel seiner Predigtsammlung, die er im gleichen Jahr 1821 in Schleswig herausgibt, den christologischen Ansatz aller in ihr zum Ausdruck kommenden homiletischen Bemhungen: „Evangelische Predigten, in welchen Jesus Christus der Eckstein ist“339. Statt einer Vorrede druckt Thieß ein von Klopstock verfaßtes Lied340 des zeitgençssischen schleswig-holsteinischen Gesangbuches341 ab: „Der Spçtter Strom reißt Viele fort. Erhalt Du uns bei Deinem Wort; So kçnnen wir uns Vater, Dein Im Leben und im Tode freun! […] Ihr kriecht und schleppt der Snde Joch! Erbarm, o Sohn, Dich ihrer noch, Wenn nah’ an ihres Todes Nacht, Selbst dann erst ihre Seel’ erwacht!“342

ber die Diesseitsorientierung hinaus geht es dem jungen Arnisser Geistlichen um jene Hoffnung, die bis in Tod und Auferweckung reicht: „Christi Tod ist unser Leben“343. Deshalb gilt es, das „Wort vom Kreuz“344 zu hçren und jenes Wissen zu erwerben, das „besser ist denn alles Wissen,

337 Vgl. dens., 21. Predigt: „Wie es noch immerdar von Wichtigkeit sey, daß Christus gestorben ist nach der Schrift, nach der Schrift begraben und am dritten Tage auferstanden ist.“, 11. n. Trin. 1817, ber 1. Kor 15,1 – 10, a.a.O., S. 407 – 425. 338 Ders., 26. Predigt: „Ist denn das Christenthum so schwer zu verstehen?“, Trin. 1820, ber Joh 3,8, a.a.O., S. 508 – 532. 339 [Hermann] Wilhelm [Markus] Thieß, Evangelische Predigten, in welchen Jesus Christus der Eckstein ist, Schleswig 1821. Zu diesem Geistlichen Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, S. 309. Bei Wilhelm Thieß handelt es sich um einen Sohn des Kieler Theologieprofessors Johann Otto Thieß – zu diesem o. S. 281 – 286 –, der nach seinem 1813 in Kiel begonnenen Studium 1821 Pastor in Arnis wurde, um 1844 nach Tolk zu wechseln, wo er 1848 zu Beginn der Erhebung der Herzogtmer entlassen wurde. Seit 1850 durch die wiederhergestellte dnische Verwaltung wiederum in Tolk als Pastor eingesetzt, wurde Wilhelm Thieß im Jahr 1856 Propst und starb 1867 in Kappeln. Zu seiner im Jahr der Julirevolution 1830 publizierten Predigt „Arzenei wider das Revoluzions-Fieber“ u. S. 487 – 491. 340 Friedrich Gottlieb Klopstock, Die Feinde des Kreutzes Jesu, in. Ders., Smmtliche Werke. Siebenter Band. Oden. Geistliche Lieder. Epigramme, Leipzig 1823, S. 135 – 137. 341 Lied Nr. 377 des zeitgençssischen kirchlichen Gesangbuches. 342 Thieß, Evangelische Predigten, in welchen Jesus Christus der Eckstein ist, S. V und VIII. 343 Ders., Neunte Predigt, a.a.O., S. 138 – 159. 344 So ders., ebd., Ein und zwanzigste Predigt, S. 384 – 402.

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den Herrn Jesum Christum und den Glauben an ihn“345, denn „solcher Menschen, die nicht wissen, woran sie glauben, gehen gar Viele unter uns umher im Pallast wie in der Htte“346. Kennt die geistliche Kritik des jungen Predigers insofern keine hierarchischen Beschrnkungen, wendet er sich mit einem Lutherzitat gegen die in der Schule praktizierten didaktischen Intentionen: „In der Schule verlor ich meinen Glauben“347; religiçse Erziehung gilt Thieß mehr als alles Schulwissen, denn „mancher, der in seiner Jugend verwahrlos’t heranwuchs ohne Glauben an Gott und Christum, reifte mit den Jahren zum Bçsewicht“348. Es ist nicht zuletzt eine moralische Zielsetzung, die sich fr Thieß aus empirischen sozialen Erfahrungen ergibt und die es ihm deshalb angelegen sein lßt, sich in Predigt und Gemeindeleben „allein an die Bibel“ zu halten und „an Christi stellvertretenden Versçhnungstod“ zu glauben349, denn dies „ist die teure Grundlehre unsrer Kirche […] Keine Predigt sollte gehalten werden, in der nicht die Rede wre von Christi Tod“350. Fr das gegenwrtige Wanken „mancher Throne“351 erkennt Thieß als „Hauptgrund“: „Wo der Kçnig mit seiner Krone und seinem Purpur, gemacht aus Staub, sich nicht in Staub niederwirft vor dem Kçnige Himmels und der Erden: da stehet es schlecht um den irdischen Thron“352. Vor dem Hintergrund, daß Thieß zumindest in seinen bis 1821 gehaltenen Predigten jeden blichen Lobpreis seines Monarchen konsequent auslßt, erscheint es durchaus als mçglich, den Singular seiner Kçnigskritik nicht zuletzt auf den Kopenhagener Regenten Friedrich VI. orientiert zu sehen, der durchaus im Ruf eines Rationalisten steht353. Auch an dieser Stelle vermittelt die Predigt aus Arnis einen die sozialen Hierarchien transzendierenden Mut zur geistlichen Auseinandersetzung mit der kirchlich distanzierten Mentalitt seiner Gegenwart.

345 Ders., Dreizehnte Predigt, „Dreierlei gab Luther der Christenheit wieder“, gehalten in der Schleswiger St. Michaelis-Kirche als Vorfeier des Reformationsfestes 1820, a.a.O., S. 224 – 245, hier: S. 230 f. 346 Ebd. S. 231. 347 Ebd. S. 232. 348 Ebd., S. 231. 349 Ebd. S. 234. 350 Ebd. S. 238. 351 Konkreter wird Thieß in diesem Zusammenhang nicht. 352 Thieß, a.a.O. S. 244. 353 Vgl. o. S. 367 f. Anm. 50. Unter dem Eindruck der Julirevolution ndert Thieß seine Haltung, cf. u. S. 315 – 318 u. S. 489 – 491.

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berhaupt ist es eine Zeit der Entscheidung. In rascher Folge publiziert Harms zahlreiche Predigten und Predigtsammlungen, und so gelangen nicht von ungefhr seine „Drei Reformationspredigten, gehalten an den jhrlichen Reformationsfesten 1820, 1821, 1822“354 mit dem Jahr 1823 in die breitere ffentlichkeit. Wie Harms in deren Vorwort hervorhebt, legt ein jeder „Prediger in der Reformationspredigt […] sichtlich an den Tag, ob er alt- oder ob er neuglubig sey, oder ob er weder Schiboleth, Richt. 12, noch Siboleth, sondern Schisiboleth spreche“355. Es geht dem Kieler Archidiakon um die Erhaltung des „lutherischen Lehrbegriffs“ und die Verteidigung des „Offenbarungsglaubens wider den Vernunftglauben“356 im Kampf zwischen „Christenthum“ und „Rationalismus, dem Abfall“357. In dieser Auseinandersetzung schrft Harms seiner Gemeinde am Reformationstag des Jahres 1820 die Wirksamkeit des Gebetes ein, sei die Reformation selbst doch „eine Wirkung des Gebets“358 ; betend gelte es nunmehr Gott zu ersuchen, das „Gefngniß der Kirche“ zu wenden und „deren heiliges Gerth, die Lehren des Glaubens, […] wieder“ herauszugeben359. Unverkennbar knpft Harms mit seiner Rede vom „Gefngnis der Kirche“ an Luthers zu diesem Zeitpunkt exakt 300 Jahre alte Schrift „De captivitate Babylonica ecclesiae“360 an; nur geht es jetzt nicht mehr um die scharfe Auseinandersetzung mit der katholischen Sakramentslehre, sondern um die Abweisung des zeitgençssischen Vernunftglaubens zugunsten einer Wiederaufrichtung der lutherischen „Glaubenslehren“. Demgemß legt Harms seinem Predigthçrer immer neu nahe, sich selbst zu verstehen „als ein armer Snder, der ich nicht an mir, nicht in mir etwas

354 Erschienen in Altona 1823. 355 Claus Harms, Drei Reformationspredigten, gehalten an den jhrlichen Reformationsfesten 1820, 1821, 1822, S. Vf. – Richt 12,6 geht es um die dialektgebundene Fhigkeit, ein „sch“ statt eines „s“ aussprechen zu kçnnen. Die individuelle Aussprache des Wortes „Siboleth“ als „Schiboleth“ wird so zum Kriterium ethnischer Herkunft, die whrend eines von Jephta gefhrten Krieges ber Leben und Tod entscheidet. 356 Ebd. S. VIII. 357 Ebd. S. XIV. 358 Claus Harms, Die Reformation eine Wirkung des Gebetes, a.a.O. (Anm. 355), S. 1 – 22. 359 Ebd. S. 22. 360 Martin Luther, De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium, in: WA Bd. 6, 1888, S. 484 – 574; Luther verfaßte die Schrift Anfang Oktober 1520.

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Gutes finde, Nichts, gar Nichts, als was gewirket hat die gçttliche Gnade an mir und dir“361. Dabei ist Harms sich bewußt, daß seine Predigt „mehrern nicht gefallen haben wird. Ich kann es nicht ndern. Diese kommen denn wohl nicht wieder, gleichwie ich vermute, daß Einige, die heute nicht hier sind, wegen der Reformationspredigt nicht hier sind. Bleiben diese wie jene denn auf ihre eigene Verantwortung weg, ich bin darber mit Gott und mir zurecht.“362

So findet in der Folge des 300. Reformationsjubilums in den Herzogtmern eine Scheidung der Geister in Anhnger des Vernunft- und Anhnger des Offenbarungsglaubens statt. Ein Teil der Geistlichkeit entscheidet sich jedoch nicht erkennbar, sondern verbleibt eher im Kontext flacher Moralpredigt. Anschauliche Beispiele fr diese Predigtweise publiziert der Sarauer Pastor Karl Friedrich Christian Hasselmann363 im Jahre 1824. Er ußert in seiner Kanzelrede: „Erbarme dich, Gott unser Heiland! immer weiter greift das Verderben um sich, immer frecher hebt das Laster sein Haupt empor, immer greulicher wird der Mord an Jungen und Alten, den der Teufel in deinen Gemeinden anrichtet.“364

„Geistlichen Mord“ verbt der „Teufel“ also in den Gemeinden – aber nicht durch den Vernunftglauben, sondern durch das „Laster“, durch das „ihr den Wollsten nachjaget“, „eure Seelen verderbet“ und sie „den ewigen Qualen der Hçlle“ berliefert365. Konsequent fhrt solche sittenbildliche Ausmalung der aktuellen Gegenwart zum pastoralen Appell: „Fliehet alles, was die Lste erreget!“366 Neben solche moralisierend-konservative Ausrichtung nordelbischer Predigt tritt in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts die gleichfalls kon361 Harms, Das Zeugniß eines rechtschaffenen Wesens in Christo, das beste Zeugniß, das ein lutherischer Christ von seinem Glauben ablegen kann. Gehalten 1821, a.a.O. (Anm. 355), S. 23 – 46, hier S. 31. 362 Ders., Die Worte des Textes als Wehrworte gegen eingedrungene falsche Lehren. (Eph. 5,14 – 19). Gehalten 1822, a.a.O., S. 47 – 72, hier S. 71. 363 K.[arl Friedrich Christian] Hasselmann, Zwei Predigten ber die Episteln am zweiten und dritten Sonntage in der Fasten, Plçn 1824. In Plçn 1794 geboren, studierte Hasselmann seit 1812 in Kiel und Gçttingen; 1819 wurde er Pastor in Sarau. Seit 1832 in Altenkrempe, wurde er 1854 Pastor an St. Nikolai in Kiel. Zu ihm Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 330. 364 K.[arl Friedrich Christian] Hasselmann, a.a.O. (Anm. 363), Erste Predigt (1. Thess 4, 1 – 7), S. 3 – 20, hier S. 3. 365 Ebd. S. 20. 366 Ebd., Zweite Predigt (Eph 5,1 – 9), S. 20 – 39, hier S. 34.

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servativ orientierte Kçnigsverehrung. Zu Pfingsten 1826 begehen die Gemeinden in den Herzogtmern das tausendjhrige Jubilum der Einfhrung des Christentums „in unserem Vaterland“; anlßlich dieses Ereignisses feiert der Kieler Theologieprofessor [Johann] Friedrich Burchard Kçster367 mit der versammelten Universitt „mit dem Geburtstage der allgemeinen christlichen Kirche zugleich den Einzug derselben in unser theures Vaterland“368, denn „deß freuet sich nun der Kçnig und fordert uns auf, seine Freude mit ihm zu teilen. Wer unter uns wollte nicht gern seinen Willen tun? Ist ja doch ein christlicher Kçnig des Landes grçßter Segen.“369

So intensiv hier die rhetorische Bindung an das Herrscherhaus ausfllt, so schwer fllt der Predigt Kçsters ein geistlicher Substanzgewinn. Dies zeigt sich beim Studium seiner 18seitigen Ansprache zum Trinitatisfest 1826, die als Leitfrage aufwirft: „Wozu ermuntert uns die Betrachtung der großen Wirkungen, welche das Christenthum noch in unseren Tagen hervorbringt?“370, und die als einzige Antwort auf ihrer Schlußseite der Gemeinde lapidar zuruft: „Immer zuzunehmen in dem Werke des Herrn“371. Dabei kçnnen die neuerlichen Feierlichkeiten auch ganz ohne Bekundungen der Kçnigstreue auskommen, wie Anton Nicolaus Martens372, seit 1825 Pastor in Windbergen, in seiner durch das „tausendjhrige Jubelfest ber die Einfhrung des Christenthums“ veranlaßten Jubilums-

367 Dieser war 1822 als Theologieprofessor nach Kiel berufen worden. Hier publizierte er seine „Geschichte des Studiums der praktischen Theologie auf der Universitt zu Kiel“, Altona 1825. 368 Friedrich Burchard Kçster, Zwei Predigten, Kiel 1826, Erste Predigt: Die drei Grundpfeiler, auf welchen der herrliche Bau der christlichen Kirche ruht. Am ersten Pfingsttage, 1826, [b. Apg 17,22 – 31] S. 5 – 23, hier S. 5. 369 Ebd. S. 6. 370 Kçster, Wozu ermuntert uns die Betrachtung der großen Wirkungen, welche das Christenthum noch in unseren Tagen hervorbringt? Am Trinitatis-Sonntage, 1826. [b. Apg 10, 42 – 48], a.a.O., S. 24 – 41. 371 Ebd. S. 41. 372 Dieser stellte die Versçhnungslehre ins Zentrum seiner Predigt, vgl. dens., Ziel und Weg eines evangelischen Predigers, der sein Amt redlich ausrichtet. Eine Predigt ber 2. Tim. 4,5 bei bernahme des Amtes, das die Versçhnung predigt, gehalten am 12. Trin.-Sonntage 1825, Hamburg 1826; ferner Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, S. 55. Martens war 1800 in Lunden geboren, hatte seit 1818 in Kiel studiert und folgte nach zwei Jahren in Windbergen einem Ruf nach Burg, wo er bis zu seinem Tod im Februar 1848 ttig blieb; die letzten fnf Jahre amtierte er zudem als Propst.

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schrift373 beweist. Er bietet anstelle eines regionalkirchengeschichtlichen berblicks einen durch Claus Harms374 nachhaltig inspirierten anthropologischen Diskurs ber die Sndhaftigkeit des Menschen, in dem er ein allgemein-menschliches „Bedrfniß und Verlangen nach Wiedervereinigung mit Gott, der Urquelle aller Seligkeit“ postuliert, nachdem „der Mensch […] in die Snde und durch sie aus der Gemeinschaft mit Gott gefallen ist“375. Das menschliche Desiderium werde „nicht von Allen“ verstanden376 ; zudem gleiche „die Welt, in der der Mensch hier steht,[…] einer Wste, in der es ihm leicht ist, den rechten Weg zu verlieren, und durch der Verfhrer List und Locken in verderbliche Abgrnde zu fallen, wenn er nicht eine feste Sttze hat […], wenn er nicht einen Fhrer hat, auf den er sicherer als auf seine Ohnmacht vertrauen kann. Wo findet er beide? Wo anders als in dem Evangelio von Jesu Christo? […] Das Leben, durch das der Mensch hier wandern muß, ist reich an Leiden […] Aber im Lichte des Evangeliums verklrt sich selbst der Tod zum Leben.“377

Die Signatur dieser Welt ist also negativ und fordert den Menschen heraus. Menschliche Leidenserfahrungen werden wahrgenommen und finden Eingang in die theologische Verkndigung, in deren Zentrum deutlich der Heiland steht. Daher beklagt Martens offen und heftig „die unter Geistlichen und Nichtgeistlichen anzutreffende Verwerfung Jesu Christi als des eingebornen Sohnes Gottes, als des einzigen uns gegebenen Mittlers, und Versçhners; die Geringschtzung, ja offenbare Verachtung des gçttlichen Wortes und der heiligen Sakramente und […] die Entheiligung der Tage des Herrn.“378

Auch Martens brandmarkt „die unter fast allen Stnden sich findenden Laster der Trunkenheit, Unzucht usw; die nie gesttigte Begierde nach den vergnglichen Gtern und flchtigen Freuden der Erde; den im huslichen Leben nur zu oft statt der Liebe obwaltenden Haß der Familienmitglieder gegen einander; den Mangel an Gemeinsinn, die Unlust des Einzelnen, das Wohl des Ganzen befçrdern zu 373 A.[nton] N.[icolaus] Martens, Die erste Verkndigung und Einfhrung der christlichen Religion in Dithmarschen, Itzehoe 1826, S. III. 374 Dieser wirkte bis 1816 als Diakon in Lunden, Dithmarschen. 375 A.[nton] N.[icolaus] Martens, a.a.O., S. 42. 376 Diese Bemerkung verrt neben der Kenntnis entsprechender seelsorgerlich-empirischer Erfahrung das Bewußtsein fr die entsprechenden zeitgençssischen theologischen Auseinandersetzungen. 377 Martens, a.a.O., S. 43. 378 Ebd. S. 45 f.

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helfen; den sich so oft kund gebenden leichtfertigen Ton im geselligen Leben“379

als Verfallserscheinungen einer entchristlichten Gegenwart. Nirgends jedoch zeigt sich in seiner Schrift ein Hinweis auf seinen Regenten Friedrich VI. oder auch nur auf die dnische Herrschaft ber jenen Staat, dem die Landschaft Dithmarschen politisch angehçrt. Martens direkte historische Betrachtung umfaßt lediglich den geschichtlichen Moment der bernahme und der Einfhrung des Christentums in Dithmarschen – alles historisch Folgende findet bei ihm kein Interesse. Stattdessen geht es ihm einzig um Erinnerung und Vergegenwrtigung dessen, was „Christentum“ als Nachfolge Christi im aktuellen Leben der Kirche und der Gesellschaft zu bedeuten habe. Wie Martens verçffentlicht mit Heinrich Egge380 in Tolk ein weiterer junger Pastor in den Herzogtmern kurz nach seinem Amtsantritt seinen Beitrag zu den im Lande gefhrten theologischen Auseinandersetzungen381. Im Stil einer captatio benevolentiae legt Egge seiner Gemeinde die Erkenntnis und das „Gefhl“ nahe, „daß ihr Gottes Gnade keineswegs so Raum gegeben, daß ihr dieselbe keineswegs so treu und gewissenhaft benutzt habt, als ihr es httet sollen“, und „deßhalb auch in der Absicht hieher gekommen [seid, L.-P.], um ihn um Vergebung, um Nachsicht und Schonung zu bitten.“382

Dem Bußruf dieser Adventspredigt korrespondiert die Beschrnkung des an menschliche Bekehrung gebundenen Heilszuspruchs am Neujahrstag: „Allein nur denen ist Christus ein Erlçser, die sich von ihren Snden bekehren“383. Denn Jesus „beweiset […] seine Liebe zu den Sndern durch

379 Ebd. 380 Zu diesem Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 216. Egge war 1796 in der Nhe von Wilster geboren, nahm 1815 sein Studium in Kiel auf, amtierte seit 1820 an der deutschen Kirche in Kopenhagen und wechselte 1826 ins Herzogtum Schleswig nach Tolk und Nbel. Hier blieb er ttig bis zu seinem Tod im Jahre 1843. 381 Heinrich Egge, Einige Predigten in Kopenhagen gehalten, und dortigen Freuden und Zuhçrern zum liebevollen Andenken, ihnen und Andern zur Erbauung, Schleswig 1827. 382 Heinrich Egge, a.a.O., Predigt Nr. I ber Mt 21,1 – 9, Am 1. Adventssonntag, S. 1 – 14, hier S. 2. 383 Ders., Predigt Nr. IV ber Lk 2,21, Am Neujahrsfeste, a.a.O., S. 46 – 56, hier S. 46.

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Wort und Tat“384. Auch Egge weiß um die Kluft zwischen Offenbarungsglauben und Aufklrung; er rezipiert in seiner Predigt sogar die von den Protagonisten beider Geistesrichtungen gebrauchten Schlagworte: „Und wenn endlich noch Andere mit spçttischen Worten zu uns sagen: Eifert nur so lange ihr wollt, und schreiet nur so laut ihr kçnnt, ihr Zionswchter; es ist doch vergeblich, ihr richtet doch nichts aus, denn zu weit sind die Menschen in Bildung und Aufklrung fortgeschritten, als daß sie wieder in die Nacht des alten Aberglaubens zurckgestrzt werden kçnnten; – so antworten wir darauf: Freilich ist das jetzige Geschlecht gebildet und aufgeklrt genug, wie ihr es nennet, oder, wie wir es nennen, verblendet und verfinstert genug in geistlichen Dingen, so daß allerdings Manche mit sehenden Augen nicht sehen, und mit hçrenden Ohren nicht hçren, und alle Warnungen und Ermahnungen unbeachtet lassen, Manche, sage ich, aber doch gottlob nicht Alle.“385

Unversçhnlich bleiben die Gegenstze bestehen – dort die „Bildung und Aufklrung“ mit den Vorwrfen der „Zionswchterei“ und des „Aberglaubens“, hier der Prediger mit seinen Vorwrfen der „Verblendung und Verfinsterung“ und dem der Bibel entlehnten Urteil mangelnden Erkenntnisvermçgens386. Egge skizziert seiner Gemeinde eine Situation der Entscheidung – fr oder gegen die eigene Bußfertigkeit, fr oder gegen Jesus Christus, fr oder gegen Gottes Gnade. Erneut beweist sich die Gegenwart als Zeit der Entscheidung. Im Jahre 1827 publiziert Harms eine Predigtsammlung387, in der sich auch seine Ansprache findet: „Von der Trennung durch die neuern religiçsen Ansichten“388. Diese Trennung beschreibt Harms als „nicht von Gott, sondern sie ist ganz von Menschen allein; sie betrifft keine Nebensachen, sondern sie betrifft Hauptsachen; sie ist nicht nur fr kein 384 Ders., Predigt Nr. XVII ber Lk 15,1 – 10, Am dritten Sonntage nach Trin., a.a.O., S. 230 – 241, hier S. 232. 385 Ders., Predigt Nr. XVIII ber Mt 7,15 – 23, Am achten Sonntag nach Trin., a.a.O., S. 242 – 255, hier S. 250. 386 Vgl. Mt 13,13 – 15: „Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hçrenden Ohren hçren sie nicht; und sie verstehen es nicht. Und an ihnen wird die Weissagung Jesajas erfllt, die da sagt: Mit den Ohren werdet ihr hçren und werdet es nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen und werdet es nicht erkennen. Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt: ihre Ohren hçren schwer, und ihre Augen sind geschlossen, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hçren und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe“. 387 Claus Harms, Neue Sommerpostille oder Predigten vom ersten Sonntage nach Ostern bis zum letzten Sonntage nach Trinitatis, Altona 1827. 388 Predigt vom Sonntag Jubilate ber 1. Joh 4,1 – 3, ebd. S. 36 – 54.

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Glck zu halten, sondern sie ist fr ein schreckliches Unglck zu halten; sie hat keinen Bestand, beschleunigen wir aber ihr Aufhçren mnniglich!“389

Ein Teil der kirchlichen Gemeinschaft hat sich Harms zufolge auf Grund der neueren religiçsen Ansichten zu jener alternativen „Heilsordnung“ verleiten lassen, deren Maxime es sei, „gut zu denken, gut zu handeln“390. Im weiteren Verlauf seiner Ansprache fhrt Harms aus, wie jede am Menschen orientierte Heilsordnung diesen „unaufhaltbar zu aller Gottlosigkeit“391 fhren msse. Einen innerhalb der theologischen Kontroverse ansonsten recht selten verhandelten sozialen Bezugspunkt greift Harms in seiner ber 1. Tim 6,6 – 19 gehaltene Predigt vom 17. Sonntag n. Trin. 1826 auf, die er bertitelt: „Von der Armuth“392. Hier spricht er von dieser „nach ihrer Herkunft, welches die sey; nach ihrer traurigen Seite, die sie hat; nach ihrer trçstlichen Seite, die auch sie hat“393 . Hinsichtlich der Kausalitten der Armut will Harms differenzieren: „Die Sache steht so. Die Armen legen meistens Gotte zu viel, sich selbst aber zu wenig bey; hingegen die Reichen legen meistens hierin Gotte zu wenig bey, den Armen selber zu viel. Das will sagen: Die Armuth kommt bald daher, bald dorther, und sie ist nach ihrer Herkunft verschieden, bald hat Gott sie geschickt, und bald ist sie des Armen eigene Schuld.“394

Der Kieler Nicolai-Pastor postuliert als Ursachen von Armut also neben Gottes Willen einzig und allein die Selbstverschuldung. Strukturelle Gegebenheiten des gesellschaftlichen Gefges, Notflle wie Mißernten, Naturkatastrophen oder Kriegsfolgen kommen dem Geistlichen nicht in den Sinn; immerhin verlangt er von den „Reichen“, daß „sie nimmer mit lieblosem Urtheil ber die Armen herfallen, noch sich ber sie erheben in stolzem Sinn“395. Das Ende seiner Kanzelrede zeigt, woran dem Prediger zugunsten einer Hintanstellung aller denkbaren Lebensumstnde seiner Gegenwart wirklich gelegen ist: Armut und Gottseligkeit, so Harms, schlçssen sich nicht aus, schließlich kçnnten die Menschen „ja nur arm 389 Ebd. S. 40 f. 390 Claus Harms, „Von der Trennung durch die neuern religiçsen Ansichten“ (1. Joh 4,1 – 3), in: Ders., Neue Sommerpostille oder Predigten vom ersten Sonntage nach Ostern bis zum letzten Sonntage nach Trinitatis, S. 36 – 54; hier S. 47. 391 Ebd. S. 50. 392 Harms, 17. nach Trinitatis: „Von der Armuth“ (1. Tim 6,6 – 19), a.a.O., S. 475 – 491. 393 Ebd. S. 478. 394 Ebd. S. 480. 395 Ebd.

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werden, und auch arme Leute kçnnen wol gottselig seyn, das aber ist allemal ein großer Gewinn, wer gottselig ist“396. Eine Vernderung der defizitren gesellschaftlichen Wirklichkeit kommt auf solche Weise nicht in den Sinn. Die religiçse Intention egalisiert und nivelliert unter teleologischer Perspektivik alle sozialen Differenzen der Gegenwart. Mit alldem wird deutlich: Die Geistlichkeit der Herzogtmer zeigt sich im hier betrachtteten Zeitraum primr damit beschftigt, den Gemeinden die sich vom Reformationsjubilum her aufwerfende Alternative zwischen etablierter Aufklrungs- und wiederentdeckter Offenbarungstheologie zu verdeutlichen. Die aktuellen politischen Entwicklungen werden dabei genauso wenig in die Verkndigung einbezogen wie die sich im zeitgençssischen Umfeld zunehmend dringlicher stellende soziale Frage397. 396 Ebd. S. 491 [Hervorhebung im Original, das mit dem Zitat endet]. 397 Wie ausdifferenziert brgerliches Denken bereits ein gutes Jahrzehnt zuvor an die Armenfrage herangetreten war, zeigt die Publikation des Altonaer Unternehmers J.[ohann] D.[aniel] Lawaetz „ber die Sorge des Staats fr seine Armen und Hlfsbedrftigen“, erschienen in Altona 1815. Hier versteht Lawaetz in seinem Vorwort S. IX die „Hlfe fr Drftige“ als wichtigen „Gegenstand der Staatswirthschaft“ [Hervorhebung im Original]. Ziel eines jeden Staates seien „Schutz und Wohlfahrt“ in der Folge einer Vereinigung der fr den Staat konstitutiven „Menschen-Familien“ (ebd. S. 2); diese Intention wird zur Prmisse eines gesellschaftlichen Organigramms, in dem „der Hilfsbedrftige […] auch Mensch, auch Brger“ ist (ebd. S. 15). Unter dem sich im zeitlichen Kontext herausbildenden Klassengedanken werden die „Hlfsbedrftigen“ nach Ursache und Schwere ihrer Armut unter Einbringung statistischer Untersuchungsergebnisse „klassificirt“ (ebd. S. 28 – 45). In diesem Zusammenhang notiert Lawaetz: „In den Herzogthmern Schleswig und Holstein wurden, nach einer Volkszhlung im Jahre 1803, unter 604,085 Menschen, 12,899 Arme auf dem Lande, und 4,435 in den Stdten angegeben“ (a.a.O., S. 37). Das fr ihn erreichbare statistische Material stellt sich jedoch zur Mitte des zweiten Jahrzehnts als berholt und veraltet dar, und so ußert Lawaetz seine Befrchtung, „daß die traurigen Kriegsschicksale, welche seit 1803, diese sonst so glcklichen Lnder trafen, die Anzahl der Hlfsbedrftigen bedeutend vermehrt haben drften“ (ebd.). Angesichts der sozialen Verelendung weiter Bevçlkerungsteile bietet Lawaetz a.a.O. S. 45 – 203 eine breite Darstellung von staatlichen Handlungsmaximen individueller Art gegenber den von ihm festgestellten „Acht Klassen der Hlfsbedrftigen“, die er innerhalb einer Bandbreite von „Alten, Schwachen, Invaliden“ (ebd. S. 45) und weiterer verarmter Menschen bis zu den „Halsstarrigen, zur Arbeit zwar Fhigen, aber Unwilligen, und Nothleidenden und Verarmten“ anvisiert (zu letzteren ebd. S. 46). Lawaetz fordert die Grndung eines staatlichen „Wohlthtigkeits-Instituts“ unter dem Leitgedanken unmittelbarer çffentlicher Einbindung desselben ins Leben der Gesellschaft (a.a.O., S. 204 – 248); darber hinaus verlangt er Prventivmaßnahmen fr ein „Entgegenstreben der knftigen Noth“: Unter pdagogischer Prmisse gedenkt er dabei an den Schulen einzusetzen, fordert darber hinaus

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Gleichzeitig gelangen sukzessiv immer weitere Studienabsolventen in die verantwortlichen politischen mter, die sich als Angehçrige deutscher Burschenschaften entschlossen den Zielen der brgerlichen verfassungsbestrebungen verpflichtet sehen. Politisiertes Brgertum und Geistlichkeit driften so zusehends auseinander. Vor diesem Hintergrund reprsentieren die schleswig-holsteinischen Geistlichen im gesellschaftlichen Diskurs der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts eine konservative Gruppierung, die die entscheidenden gesellschaftlichen Entwicklungen ihrer Zeit wesentlich ignoriert und diese de facto in der Durchfhrung ihrer Kanzelrede sich selbst berlßt.

allgemein eine entsprechende „Sorge fr Moralitt“ ebenso ein wie die Errichtung von „Colonie-Anlagen“, die Erstellung einer „Gesinde-Ordnung“, eine „Verminderung der Lotterien“ (vgl. zu dieser Forderung o. S. 150 f.) sowie eine Reduzierung der „Militr- und Geld-Ausschreibungen“ und eine Verringerung der Anzahl der „Brannteweinschenken“. Mit Nachdruck fordert Lawaetz die Grndung von „Sparkassen“ (vgl. zu diesem prventiven und frsorglichen Kontext seiner Postulate dens., a.a.O., S. 204 – 291). Einer solchen Analyse der Armutsproblematik wie auch einem derartig weitsichtigen und ausdifferenzierten Maßnahmenkatalog ihrer Bekmpfung hatte eine Predigt nichts entgegenzusetzen, die mit ihrer Darstellung der Armut als: „bald hat Gott sie geschickt, und bald ist sie des Armen eigene Schuld“ ber die Alternativen Prdestination und Moralpastoral nicht hinauszugelangen wußte. Zu Johann Daniel Lawaetz ferner Franklin Kopitzsch, Schleswig-Holstein im Gesamtstaat 1721 – 1830: Absolutismus, Aufklrung und Reform, in: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, hg. von Ulrich Lange, S. 281 – 340, hier S. 308 sowie 320 f.; zur sich im gesellschaftlichen Diskurs der Herzogtmer im weiteren Verlauf der Jahre zunehmend bemerkbar machenden Armenfrage u. S. 545 – 553.

Kapitel V Auswirkungen der Julirevolution 1. Die Ausgangslage im Sommer des Jahres 1830 Das Jahr 1830 wurde zu einem Epochenjahr der globalen europischen wie auch der regionalen schleswig-holsteinischen Geschichte. Urschlich dafr war der Revolutionsausbruch in Paris1, der aus Angriffen des Kçnigs auf die Verfassung resultierte. 1824 war nach dem Tod Ludwigs XVIII.2 dessen Nachfolger Karl X.3 in Reims zum Kçnig von Frankreich gekrçnt worden. Dieser „suspendierte“ die seit 1814 in Kraft befindliche „Charte constitutionelle“ im Sommer 1830 durch eine Einschrnkung der Pressefreiheit, eine nderung der Wahlgesetzgebung zugunsten des Adels sowie die 1

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Zur Franzçsischen Revolution des Jahres 1830: Manfred Koch und Werner Loch, Hg., Die Franzçsische Julirevolution von 1830, Berlin 1985, allgemein zur Aufnahme der Julirevolution in den Herzogtmern wie auch in Kopenhagen und damit zum Folgenden: Johannes Brock, Die Vorgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Erhebung von 1848, S. 39 – 43; Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 627 – 630; Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, Geschichte SchleswigHolsteins Band 6, 2. Hlfte, Lieferung 1, Neumnster 1939, S. 7 – 18; Hans Jensen, Dat se bliven tosamende. Eine Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 64 f.; Alexander Scharff, Schleswig-Holsteinische Geschichte, S. 49 f.; Hans Schultz Hansen, Demokratie oder Nationalismus – Politische Geschichte SchleswigHolsteins 1830 – 1918, in: Ulrich Lange, Hg., Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, S. 427 – 485, hier bes. S. 427 – 434; Gerd Stolz, Die schleswig-holsteinische Erhebung. Die nationale Auseinandersetzung in und um Schleswig-Holstein von 1848/51, S. 20 f.; Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, in: ders., Vagn Dybdahl und Erik Rasmussen, Geschichte Dnemarks 1830 – 1939. Die Auseinandersetzungen um nationale Einheit, demokratische Freiheit und soziale Gleichheit, bersetzt von Olaf Klose, Neumnster 1973, S. 11 – 208, hier: S. 50 – 52. Zu diesem und seiner zeitweise im Exil auf Schierensee lebenden Gemahlin o. S. 177. Zu diesem Eric Le Nabour, Charles X.: Le dernier roi, Paris 1980. Karl X. whlte als Ort seiner Krçnung im September 1824 das traditionell mit dem Gedanken des Gottesgnadentums assoziierte Reims; zu diesem Aspekt und seiner besonderen Problemgeschichte o. S. 41.

1. Die Ausgangslage im Sommer des Jahres 1830

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Auflçsung der soeben gewhlten Kammer, die ber eine liberale Mehrheit verfgte. So wurden in Paris durch Studenten und Arbeiter Barrikaden errichtet; Teile des Heeres schlossen sich der Revolution an. Zwar blieb die Grndung einer Republik bedingt durch außenpolitisch erforderliche Rcksichtnahme aus, doch veranlaßte das liberale Großbrgertum Karl X., sich ins britische Exil zu begeben, und erhob statt seiner einen von jeher als Freund der Revolution bekannten Verwandten des Kçnigshauses, den Herzog Ludwig Philipp von Orlans, als nunmehrigen konstitutionellen „Brgerkçnig“ auf den Thron4. Im weiten Kontext des europischen Brgertums wurden diese Vorgnge als Akte der Befreiung gedeutet und erlebt. Wirkungsgeschichtlich schlossen sich dieser neuerlichen franzçsischen Revolution der belgische Unabhngigkeitskrieg gegen die Niederlande sowie die Erhebung in Russisch-Polen an; in mehreren deutschen Staaten gab es Aufstnde, die Anlaß verfassungsrechtlicher Reformen wurden5. Diese Auswirkungen blieben auch nçrdlich der Elbe nicht ohne Nachhall. Zehn Tage nach ihrem Ausbruch gelangt die Nachricht der Pariser Julirevolution Anfang August nach Kopenhagen und findet hier auf Seiten des Brgertums begeisterte Zustimmung, ohne daß jedoch „Karl X. und sein dunkles Adels- und Pastorenregiment mit Friedrich VI. und seinen verstndigen Ratgebern“ verglichen werden6. Dennoch zeigt sich der Kçnig außerordentlich beunruhigt; als Mitglied des Deutschen Bundes hat er seit anderthalb Jahrzehnten hinsichtlich Holsteins und Lauenburgs die ihm durch die Bundesakte auferlegte Pflicht zur Einfhrung landstndischer Verfassungen versumt7. Nun aber drngen die Verantwortlichen am Sitz des Bundestages in Frankfurt auf rasche Erfllung der mit Unterzeichnung der Bundesakte eingegangenen staatsrechtlichen Pflichten, um jeder territorialen Ausweitung der brgerlichen Revolution und ihres Geistes entgegenzutreten. Ende September 1830 verlangt der çsterreichische Ge4 5

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Zu diesem und seinem Aufenthalt in Friedrichstadt an der Eider o. S. 176 f.; zur gelegentlichen Verleihung von Orden an schleswig-holsteinische Offiziere durch den Brgerkçnig vgl. KCB 100/1841, S. 412; 71/1846, S. 288. Zu diesen Staaten gehçrten u. a. Braunschweig, Kurhessen, Sachsen und Hannover, die alsbald eine Verfassung erhielten; hierzu Uwe Backes, Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese. Zum Wechselverhltnis zweier politischer Strçmungen im Vormrz, S. 56 f. Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 50. Zum Art. 13 der Bundesakte und der damit verbundenen, hinsichtlich des Herzogtums Holstein nunmehr bereits seit 15 Jahren schwelenden und unerledigten Verfassungsfrage vgl. o. S. 403 – 418.

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Kapitel V

schftstrger in Frankfurt, daß Dnemark „seinen Pflichten entsprechend der Bundesakte“ jetzt nachkomme8. Unter dem Eindruck dieser Forderung ußert Friedrich VI. am 26. Oktober des Jahres brieflich gegenber seinem Rechtsprsidenten, dem Konferenzrat Johan Paul Høpp: „Wenn dieses, was ich glaube, in Holstein bekannt wird, kçnnten neue Ideen entstehen, die jetzt schlummern“9. Die Vermutung des Kçnigs bewahrheitet sich unmittelbar.

2. Stimulierendes Postulat: Uwe Jens Lornsen und sein „Verfassungswerk“ Unmittelbar nach seiner Ernennung zum Sylter Landvogt publiziert der Kanzleirat und bisherige „Comtoirchef in der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Kanzlei in Kopenhagen“ Uwe Jens Lornsen10 in 9000 Exemplaren11 eine Flugschrift. Der Titel verrt die entscheidende Intention unter Zuhilfename programmatischer Orthographie: „ber das Verfassungswerk in Schleswigholstein“12. 8 Roar Skovmand, a.a.O., S. 51. 9 Zit. n. dems., ebd., S. 52; zu Høpp, der die Herzogtmer mit dem Auftrag Friedrichs VI., die vorherrschende politische Stimmung zu erkunden, sofort bereiste, sich als liberal gesinnter Brgerlicher beim Kçnig wenig spter jedoch fr Uwe Jens Lornsen verwandte, vgl. Sievert Lorenzen, SHBL Bd. 1, S. 160 f. 10 Zu Lornsen o. S. 427 – 437; cf. Eduard Alberti, Lexikon der Schleswig-HolsteinLauenburgischen Schriftsteller von 1829 bis Mitte 1866, I. Abt., Kiel 1867, S. 540 – 543. Zum Kontext a. Johannes Brock, Die Vorgeschichte der SchleswigHolsteinischen Erhebung, S. 39.43; Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 626 – 633; Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 18 – 28. 11 So Gerd Stolz, Die schleswig-holsteinische Erhebung. S. 21; Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, beziffert die Auflage S. 25 auf 8000, Roar Skovmand, a.a.O. S. 54 sogar auf 10000 Exemplare. 12 Erschienen in Kiel 1830; Nachdruck Kiel 1980, hg. von der Gesellschaft fr Schleswig-Holsteinische Geschichte. Hierzu a. Theodor Olshausen, „Im Herbst 1830 als Lornsen in das Herzogtum kam und seine Bewegung begann“. In St. Louis 1864 verfaßt, in: Theodor Olshausen 1802 – 1869. Briefe an den Bruder Justus, hg. von Ingo Reppmann und Joachim Reppmann, S. 306 – 309; Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, S. 212 – 229; Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 235 – 238; Alexander Scharff, Uwe Jens Lornsen und sein „Verfassungswerk“ in der zeitgençssischen Publizistik, in: ZSHG 105 / 1980, S. 153 – 168; Gerd Vaagt, Das Presse-Echo auf Uwe Jens Lornsen, in: ZSHG 106 / 1981, S. 117 – 131; Lorenz Hein, Die Kirche zur Zeit der Stndeversammlungen und der Herauslçsung der

2. Stimulierendes Postulat: Uwe Jens Lornsen und sein „Verfassungswerk“

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Lornsen geht in seiner Flugschrift aus von einer regierungsseitigen Verpflichtung zur Einfhrung einer Verfassung im Herzogtum Holstein. Dabei hebt er als deren Aufgabe hervor, dem Leben eines Volkes Gestalt zu geben. Ein holsteinisches Volk gbe es jedoch nicht, nur ein „schleswigholsteinisches“; fr dieses postuliert Lornsen mit doppelter Begrndung eine Verfassung: Zum einen kçnne das Finanzwesen des dnisch-deutschen Doppelstaates nicht unverndert bleiben, zum anderen bedrfe die gesamte Verwaltung einer grundlegenden Reform. Entgegen der Empfehlung des Artikels 13 der Bundesakte intendiert Lornsen anstelle einer stndischen Verfassung, die das Volk in Interessengruppen aufspalte, eine Reprsentativverfassung, in der gleichmßig die gesamte Bevçlkerung parlamentarisch vertreten sei. Eine derartige moderne Verfassung werde unter der notwendig zu bercksichtigenden Tatsache, daß das dnische Reich zwei Vçlker umfasse, eine „reinliche Scheidung“ der Herzogtmer von Dnemark bedeuten: Die Bewohner der Herzogtmer betrachtet Lornsen als zur deutschen „Nation“ gehçrig. Jeder Gedanke an eine „Verschmelzung beider unter dem Szepter Sr. Majestt vereinten Vçlker“ sei grundstzlich aufzugeben13. Fr beide Vçlker postuliert der Landvogt stattdessen eine freie, selbstndige Entwicklung und reduziert die knftigen Gemeinsamkeiten auf ein ebenso provokantes wie pikantes Begriffspaar: „Nur der Kçnig und der Feind sei uns gemeinsam“14. Mit dieser radikalen Verringerung der Gemeinsamkeit zwischen Kçnigreich und Herzogtmern verbindet Lornsen die Trennung der Staatshaushalte; sei es bislang „gegrndet, daß jhrlich große Geldsummen aus den Herzogthmern nach Dnemark gingen“, so mßten diese „fortan, wie sich’s gebhrt, im Lande bleiben“15. Mit diesem Postulat erlangt die „Finanzfrage wieder einmal eine Hebelfunktion fr den gesamten Verfassungsbereich“16.

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Herzogtmer aus dem dnischen Gesamtstaat (Kirche und Staat vor 1864), in: Verein fr Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte. Hans Joachim Ramm u. a., Hg., Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte. Band 5: Kirche im Umbruch, Neumnster 1989, S. 125 – 161, hier S. 125 – 127; Alexa Geisthçvel, Eigentmlichkeit und Macht. Deutscher Nationalismus 1830 – 1851: Der Fall SchleswigHolstein, Stuttgart 2003, hier S. 28 – 34. Lornsen, ber das Verfassungswerk in Schleswigholstein, S. 11. Hierzu Manfred Jessen-Klingenberg, Uwe Jens Lornsen – ein brgerlicher Reformer, in: Grenzfriedenshefte 4 / 1988, S. 231 – 239, hier S. 235 – 237. Ebd. Ebd. S. 12. Ulrich Lange, Landtage in Schleswig-Holstein – ein Beitrag zu Formen politischer Reprsentation in Mittelalter und Neuzeit, in: Rudolf Titzck, Hg., Landtage in

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Damit fordert Lornsen nicht weniger als die gnzliche verwaltungsrechtliche Trennung der Herzogtmer vom Kçnigreich. Seinen Ausgangspunkt findet er im verbrieften Recht der Bundesakte mit dem aus ihr hervorgehenden Recht Holsteins auf eine Verfassung, dehnt dieses Recht aber mit dem naturrechtlichen Ansatz der Zusammengehçrigkeit der Bewohner beider Herzogtmer zugleich auf Schleswig aus. Weit entfernt von der politischen Konzeption Friedrich Christoph Dahlmanns mit ihrer nachdrcklichen Akzentuierung des historisch Gewordenen17 schwingt hier ein politischer Neuansatz mit, der sich eher dem Gedanken der Volkssouvernitt18 zurechnen lßt, dessen Prinzip mit den demokratischen Revolutionen in Amerika und Frankreich bereits wiederholt zu erfolgreichem Durchbruch gekommen war. Der sich bei Lornsen regende Paradigmenwechsel ist schlicht der, daß die Gewalt im Widerspruch zum aus dem Mittelalter tradierten Gedanken des Gottesgnadentums von unten aufsteigen msse. Der Wille des Volkes wird zur Legitimittsquelle des Staates. Als der Kieler Professor Christian Paulsen Lornsen vorwirft, er nehme keine Rcksicht auf Schleswigs und Holsteins unterschiedliche historische und staatsrechtliche Stellung, vertritt dieser ausschließlich das Recht der geschichtlich gewordenen Gegenwart und antwortet: „Alte geschichtliche Verhltnisse gehen uns nichts an, wir wollen es nun so, jede Zeit soll sich ihren Zustand bilden, ich setze alles daran“19. Schleswig-Holstein gestern – heute – morgen. Zum 40. Jahrestag der ersten demokratischen Wahl am 20. April 1947, Husum 1987, S. 11 – 46, hier S. 24. 17 Vgl. zu Dahlmann o. S. 407 – 418, bes. S. 415 – 417. 18 Uwe Backes, Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese, bilanziert in diesem Kontext S. 249 hinsichtlich Dahlmanns, daß er „mit der Abneigung des Historikers gegen jegliche staatsrechtliche Abstraktion am Gedanken der Volkssouvernitt nur soviel anerkennen wollte, als ,Das Volk am Ende mit seinem Wohle Zweck aller Regierung bleibt‘ […] Rousseaus Doktrin fhre zu einem ,von Regierung verlassenen, an seiner Einheit verstmmelten Volk‘“. Zu diesen Zitaten aus Dahlmanns Feder ders., Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustnde zurckgefhrt, Erster Band: Staatsverfassung. Volksbildung, Gçttingen 1835; Neudruck hg. von Willhelm Bleek, Frankfurt/M. und Leipzig 1997, hier S. 202 f. Zum Kontext „Dahlmann / Lornsen“ a. Alexa Geisthçvel, Eigentmlichkeit und Macht. Deutscher Nationalismus 1830 – 1851: Der Fall Schleswig-Holstein, S. 31 – 34. 19 Zit. n. Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 54 f.; John Boyens, Politische Petitionen und Petitionsbewegung im schleswig-holsteinischen Verfassungskampf: F. Chr. Dahlmann bis Uwe Jens Lornsen (1815 – 1830), weist S. 114 zu Recht darauf hin, daß „der Umbruch des politischen Denkens, der den Generationswechsel um 1830 kennzeichnet, […] nicht die politische Zielsetzung der Verfassungsbewegung“ zu ndern vermochte, so daß durchaus „von einer

2. Stimulierendes Postulat: Uwe Jens Lornsen und sein „Verfassungswerk“

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Die Flugschrift selbst erzielt in Kopenhagen grçßere Wirkung als in den Herzogtmern. Hier hat etwa Nikolaus Falck, „jedes Bedenken gegen Lornsens strmischen Trotz und gegen Lornsens nur naturrechtlich zu begrndende Forderungen“20 ; und auch die Ritterschaft der Herzogtmer – „tief vom Revolutionr abgestoßen“21 – tritt nicht an die Seite des Landvogtes. Die Kommunalvertretungen schweigen. Damit bleibt die von Lornsen erhoffte Petitionsflut22 aus, und er bßt sein politisches Engagement mit dem Verlust seines Amtes und einjhriger Festungshaft, zunchst in Friedrichsort bei Kiel, spter in Rendsburg23. Nach anschließendem Aufenthalt in Brasilien sucht er, kçrperlich und seelisch schwer leidend, im Februar 1838 den Freitod im Genfer See24. Bevor jedoch das gerichtliche Urteil ber Lornsen gesprochen ist, ergeht am 28. Mai 1831 als direkter Reflex auf dessen Flugschrift ein „Gesetz wegen Anordnung von

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Kontinuitt der Zielsetzungen“ gesprochen werden kçnne, in der „die Vorgeschichte der Erhebung“ zum Ausdruck komme. Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 628. Paul von Hedemann-Heespen, a.a.O. Zu den entsprechenden umfangreichen Vorbereitungen Lornsens und seiner vor Herausgabe seiner Flugschrift durchgefhrten Rundreise durch die Herzogtmer cf. Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, S. 206 – 220; Roar Skovmand, a.a.O. (Anm 19), S. 52 f. Hierzu Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 24 – 28; Gerd Stolz, Die schleswig-holsteinische Erhebung, S. 22. Cf. o. S. 437 Anm. 183. Georg Friedrich Schumacher war ein Lehrer Lornsens, vgl. dens., Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes, S. 608 f. Drei Jahre nach dessen Tod ußert er sich ebd. S. 468 ber „Lornsen, der dafr bßen mußte, daß er der Regierung den Weg ein Jahr zu frh andeutete, den sie nachher zum Theil von selbst ging“, um S. 472 fortzufahren: „So ward bei uns Lornsen […] ein Festungsgefangener, dann ein Verbannter, so starb er arm und hlflos in fremden Lande, weil er den Muth hatte, das auszusprechen, was den Zeitgenossen zu fremd klang, und was jetzt Viele fr das erkennen, wohin wir auf geordnetem Wege zu streben haben […] Ist es aber nicht die Geschichte der Menschheit immer wieder, daß die beste Sache erst ihre Mrtyrer fordert, ehe man sie fr gut erkennt? und daß man nachher an ihrem Grabe ihnen die Huldigung bringt, als Ersatz fr den Fluch, unter dem man sie in dieses Grab gesenkt?“: So geschrieben ein Jahrzehnt nach den Vorgngen des Jahres 1830! Hierzu a. Alexa Geisthçvel, Eigentmlichkeit und Macht. Deutscher Nationalismus 1830 – 1851: Der Fall Schleswig-Holstein, S. 30: „Lornsens nach 1831 marginalisierte Existenz steht in krassem Konrast zu seinem Mythos. Politisch kaltgestellt verflchtigte er sich als Diskursteilnehmer sehr bald, whrend die symbolische Figur Lornsen mit nationalem Gehalt aufgeladen wurde und sich zu einem Gegenstand des Diskurses verfestigte.“

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Provincialstnden in den Herzogthmern Schleswig und Holstein“25. Im Bestreben, keinesfalls gemeinsame Kammern fr Schleswig und Holstein zu installieren und auf diese Weise den deutschen Bund nordwrts ber die Eider hinausgreifen zu lassen, institutionalisiert der Gesamtstaat beratende Stnde fr Holstein, Schleswig, Jtland sowie die Inseln. Die Wahlzeit verluft ber sechs Jahre, die Tagungen finden alle zwei Jahre statt. Schleswig erhlt 36, Holstein 40 vom Besitzbrgertum gewhlte Abgeordnete. Wahlberechtigt sind Großgrundbesitzer, Angehçrige des stdtischen Brgertums ab einem sog. Steuerwert von 1000 Reichstalern sowie Bauern. Die Krone beruft einzelne Abgeordnete aus Ritterschaft, Geistlichkeit und Universitt. Die Befugnis der Stnde beschrnkt sich auf Kommunalbeschlsse, Beratungs- und Petitionsttigkeit26. Die eigentliche Frage des Gesamtstaates, die Lornsen mit seiner Flugschrift aufgezeigt hat und die das Verhltnis der Bewohner der Herzogtmer zu denjenigen des Kçnigreiches betrifft, kçnnen die nicht çffentlichen Stndetagungen nicht aufarbeiten.

3. „Kontrarevolutionre Arznei“: Schleswig-holsteinische Predigten Wie 41 Jahre zuvor die Franzçsische Revolution findet die Julirevolution kein revolutionres Echo in den Herzogtmern. Nirgends regt sich eine politische Stimme, die erkennbar und deutlich an Lornsens Seite tritt. In diesem Schweigen zeigt sich, „daß das politische Interesse der Bevçlkerung […] durch die schlechte Presse, die bisher bestanden, ganz ertçdtet war […] Die Politik war in SchleswigHolstein bisher gleichsam das Privilegium einer kleinen Clique von Professoren und Gelehrten, namentlich in Kiel gewesen, whrend das Volk in Masse 25 Allgemeines Gesetz wegen Anordnung von Provincialstnden in den Herzogthmern Schleswig und Holstein. Vom 28sten Mai 1831; ein Circular, nach dem im Folgenden zitiert wird, findet sich in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek (SH 46). Zum Kontext Alexander Scharff, Zur Vorgeschichte der Provinzialstndeverfassung und der Justiz- und Verwaltungsreform von 1831/34, in: ZSHG 102/103 / 1977/78, S. 165 – 185; zu den Provinzialstnden als „nationalpolitische Foren“ whrend des Vormrzes vgl. Robert Bohn, Geschichte Schleswig Holsteins, S. 90 f. 26 Zu diesen Details der beiden in Itzehoe sowie Schleswig tagenden Stndeversammlungen Ulrich Lange, Landtage in Schleswig-Holstein – ein Beitrag zu Formen politischer Reprsentation in Mittelalter und Neuzeit, S. 25 – 30.

3. „Kontrarevolutionre Arznei“: Schleswig-holsteinische Predigten

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kaum wußte, ob es deutsch oder dnisch sei und gar nicht daran dachte, daß es der Regierung gegenber auch Rechte haben kçnne.“27

Um so aufflliger erscheint angesichts dieses Befundes die Predigt des Arnisser Pastors Hermann Wilhelm Markus Thieß28, die unter prventiver Intention ein Pharmakon gegen eine vor Ort aktuell nirgends diagnostizierbare Krankheit offeriert: „Arzenei wider das Revoluzions-Fieber. Oder: Das Elend des Landes, das in Empçrung steht gegen seinen Kçnig. Der gesegnete Zustand unsers Vaterlandes. Die Pflicht, die uns obliegt gegen unsern Kçnig.“29

Die Predigt macht rasch deutlich, daß Thieß das „Revoluzions-Fieber“ nicht nçrdlich der Elbe, wohl aber an der Seine diagnostiziert. Dennoch sieht Thieß sich und seine Gemeinde „in einer ernsten, furchtbar ernsten, verhngnißvollen Zeit“30, auf die seiner Meinung nach durchaus biblische Endzeitworte anwendbar scheinen. Diese sind der prophetischen Botschaft vom Tag des Herrn31 und Jesu Wort ber die Kriege zwischen den sich erhebenden Vçlkern32 als apokalyptisches Zeichen der Endzeit entnommen; beide „druenden Worte“ seien nunmehr „in Erfllung gegangen“33. Zum Beweis erçrtert der Prediger den „Geist unserer Tage“, der „Bruder […] wider Bruder, Freund wider Freund, Stadt wider Stadt, Land wider Land“ streiten lasse als „Geist der Widersetzlichkeit gegen alles gesetzlich Bestehende“ und „Geist des Aufruhrs und der Empçrung“34. Die Trger dieses Geistes, der „in der Kirche, wie im Staate“ umgehe, sieht Thieß kirchlicherseits in den „Vernunftglubigen“, denen er im Bereich der brgerlichen Existenz die revolutionren „Empçrer“ an die Seite stellt. Dementsprechend seien „Feldgeschrei und Losung in der Kirche das Wort 27 So das Urteil Theodor Olshausens in seiner Rckschau aus dem Jahre 1864, ders., „Im Herbst 1830 als Lornsen in das Herzogtum kam und seine Bewegung begann“, S. 306. 28 Zu diesem bereits o. S. 469 f., insbes. S. 469 Anm. 339. 29 Ersch. in Schleswig 1830 [Hervorhebung im Original]. 30 Ebd. S. 3. Bereits Thieß’ Vater beschrieb die Gegenwart des Jahres 1807 als „bçse Zeit“, s. o. S. 305. 31 Ebd. unter Berufung auf Jes 13,6.8 f.: „Denn siehe, des HERRN Tag kommt grausam, zornig, grimmig, das Land zu zerstçren, und die Snder daraus zu vertilgen“. 32 Ebd. unter Berufung auf Mt. 24,7:“Es wird sich empçren ein Volk ber das andere, und ein Kçnigreich ber das andere, und werden sein Pestilenz und teure Zeit!“ 33 Ebd. 34 A.a.O. S. 4.

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Vernunft, im Staate das Wort Freiheit“35. Eine solche Stigmatisierung der Vernunft in der Kirche, die christliche Vernunftglubigkeit und staatsbrgerlichen Aufruhr miteinander offen parallelisiert, erscheint in der Auseinandersetzung zwischen orthodoxer Theologie und Aufklrungspredigt in den Herzogtmern als besonderer Hçhepunkt. In der Exposition seiner Predigt dehnt Thieß die seiner Gegenwart attestierten komplementren Begriffe aus dem jeweils kirchlichen und staatlichen Kontext noch weiter aus; neben den Begriffspaaren „Vernunftglubige / Empçrer“ sowie „Vernunft / Freiheit“ stehen weiterhin „Unglaube / Zgellosigkeit“ sowie „Thron / Altar“, und endlich erscheinen die „Bibel als Gottes Wort“ und die „menschlichen Gesetze“ als Ordnungsfaktoren des jeweiligen Bereichs menschlichen Daseins. Die Predigtexposition mndet ein in den klimaktischen Ausruf: „Wenn, vor dem Unglauben, der Glorienschein um das Dornenhaupt des Kçnigs aller Kçnige erloschen ist – was Wunder, wenn da der Glanz der irdischen Krone erbleicht und ein Empçrer nach dem andern sich erfrecht, die verruchte Hand zu erheben gegen den Thron seines Frsten!“36

Unmittelbar in der Folge der Julirevolution erhebt in dieser Predigt ein schleswig-holsteinischer Geistlicher damit einmal mehr seine Stimme fr das Gottesgnadentum seines Kçnigs, den er der Gemeinde als Abglanz des christlichen Pantokrators und als „Gottes Gesalbten“37 darstellt. Die Predigt selbst thematisiert in ihrem Durchfhrungsteil Mt 22,15 – 2238 und sieht in Jesu parallelismus membrorum aus Mt 22,21b „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist! Und gebet Gotte, was Gottes ist!“ jene „inhaltsschweren Worte der Bibel“, in denen „die ganze Sittenlehre mit all ihren Geboten, so wohl in Bezug auf den Himmel, als auf die Erde, so wohl in Bezug auf die Kirche, als auf den Staat“ enthalten sei39. Auf dieser Linie einer die parallelen Strukturen von Kirche und Staat eindeutig berdehnenden Rezeption der Zwei-Reiche-Lehre40 liegen auch die parnetischen Imperative: „Um Gott gehorchen zu kçnnen, mßt ihr den Menschen gehorchen. Wer ein Empçrer im Staate ist, der ist auch ein Empçrer im Reiche Gottes“41. 35 [Hermann] Wilhelm [Markus] Thieß, Arzenei wider das Revoluzions-Fieber, S. 4. 36 Ders., ebd. 37 Ebd. S. 13; expressis verbis S. 15: „Von Gottes Gnaden sind die Kçnige, was sie sind. Die kçnigliche Majestt ist ein Abglanz der gçttlichen Majestt“. 38 Ebd. S. 5 – 15. 39 Ebd. S. 6. 40 Zu dieser bereits o. S. 319. 41 Thieß, a.a.O., S. 6.

3. „Kontrarevolutionre Arznei“: Schleswig-holsteinische Predigten

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Diese ußerungen gewinnt Thieß wohlgemerkt direkt aus seiner Auslegung des Wortes Jesu aus Mt 22,21b, wobei er im Hinblick auf den pluralischen, ber die singulre Person des Monarchen hinausgehenden Wortgebrauch jede konkrete Identifikation der „Menschen“, denen es nach seiner Auffassung zu „gehorchen“ gilt, schuldig bleibt. Vermutlich hat Thieß hier die Reprsentanten des Kçnigs im Staatswesen und diejenigen Gottes in Gemeinde und Familie vor Augen, was einer unhinterfragten Akzeptanz der geltenden hierarchischen Ordnung gleichkme. Fr diese Deutung spricht Thieß’ grundstzliches Postulat unter Berufung auf 1. Petr 2,13 und 17: „Soll Ordnung sein, muß Unterordnung sein!“42 Als konkrete „Arzenei wider das Revoluzions-Fieber“ reicht Thieß seiner Gemeinde wie auch seinen Lesern nunmehr dreierlei: Zunchst einen sehr deutlich werdenden Hinweis auf das „Elend des Landes, das in Empçrung steht gegen seinen Kçnig“, dem die Predigt im zweiten Gedankengang den „gesegneten Zustandes unseres Vaterlandes“ gegenberstellt, um abschließend vorbehaltlos die daraus resultierende „heilige Pflicht, die uns obliegt, in Bezug auf unsern theueren Kçnig“ zu betonen43. Lnder der Empçrung sieht Thieß in Frankreich und Belgien44, aus deren revolutionrem „Fieber“ er seiner Kanzelrede anschauliche Illustrationen einzufgen weiß. Doch whrend das Erscheinungsbild dieser Staaten durch „Krieg“, „Zwietracht“ und „Frechheit“ geprgt werde, so seien es „im eigenen Vaterland“ eben „Friede“, „Eintracht“ und „Freiheit“45. Zwar sei „die Regierungsverfassung fast keines Staates in der Welt […] unumschrnkter, als die Verfassung Dnnemarks“46, es herrsche „nirgends in der Welt eine grçßere Freiheit […] Frei sind die Gewissen, frei sind die Worte, frei ist die Feder. Wir drfen sprechen, was wir denken, und schreiben, was wir sprechen, falls wir uns halten in den Schranken einer christlichen Freiheit, die

42 Ebd. S. 14 f.; die neutestamentlichen Briefstellen bersetzt Thieß wie folgt: „Seid untertan aller menschlichen Ordnung, um des Herrn willen“ und „Frchtet Gott! Ehret den Kçnig!“ sowie „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt ber ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit, ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. Wer sich nun wider die Obrigkeit setzet, der widerstrebet Gottes Ordnung; die aber widerstreben, die werden ber sich ein Urtheil empfangen!“ 43 Hermann Wilhelm Markus Thieß, Arzenei wider das Revoluzions-Fieber, S. 5; cf. ebd. S. 8 – 15. 44 Ebd. S. 8 f. 45 Ebd. S. 11 46 Hierzu sowie zur 1665 eingefhrten lex regia o. S. 98 – 100.

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freilich, auf der einen Seite, eben so weit entfernt ist von Ungebundenheit, als, auf der entgegengesetzten Seite, von Sclaverei.“47

Thieß’ von einem orthodox-christlichen Standpunkt aus durchreflektiertes Verstndnis christlicher Freiheit erscheint in impliziter Harmonie mit der Ordnung des absoluten Staates. Fast wirkt seine Darstellung propagandistisch, wenn er den konkreten Anlaß im politischen Leben der Herzogtmer anspricht, gegen den sich seine Predigt wendet: „Das Gesetz ist in Dnnemark Kçnig, und unser Kçnig des Gesetzes erster Unterthan. Gerechtigkeit gepaart mit Milde ist das schçne Juwel in Frederik’s48 Krone […] Die Krone ziert nicht ihn; er ziert die Krone. Darum rufe ich aus tiefster Seele: Gott erhalte uns, was wir haben: so wollen wir gern entbehren, was wir nicht haben: Eine stndische Verfassung, auf welche wir Schleswig-Dnen durchaus keinen Rechtsanspruch machen kçnnen.“49

Hier spricht als Prediger also der „Schleswig-Dne“, dem es eine „Frechheit“ bedeutet, „eine andere Verfassung, als der wir uns zu erfreuen haben unter Frederiks Szepter“ auf „ungesetzlichem Wege […] zu erstreben“50. Der namentlich nicht genannte Lornsen sei im Begriff, „die Fackel der Zwietracht und Widersetzlichkeit“ auflodern zu lassen, doch „wir mßten die Letzten sein, die diesem Lichte folgten, aber die Ersten, die es auszulçschen sich bestrebten“51. Denn dem Kçnig „seid ihr schuldig unverbrchliche Treue, von der euch Niemand entbinden kann; als er selber oder der Tod. Ihm mßt ihr opfern, so er es fordert, Geld, Gut und Blut, freudig, willig, ohne zu murren“52. Der sakrosankten Person des Monarchen wird also billigend und reflexionsfrei eingerumt, Opfer jedweder – materieller 47 Thieß, a.a.O., S. 12. 48 Der Gebrauch der dnischen Schreibweise beim Namen des Kçnigs indiziert die besondere Kçnigstreue des Geistlichen; zu den Hintergrnden dieser Namensangabe vgl. o. S. 385. 49 Thieß, a.a.O., S. 13 [Hervorhebung im Original]. Wie sehr das Erlebnis des Revolutionsjahres 1830 und die sich alsbald zu Wort meldende Verfassungsforderung Thieß beeindruckt haben, zeigt der Vergleich dieser Predigt mit seiner 1821 publizierten und ber Mt 21,1 – 9 gehaltenen Ansprache „Christus unser Kçnig“, in: ders., Evangelische Predigten, in welchen Jesus Christus der Eckstein ist, S. 36 – 50; hier findet sich kein einziger Hinweis auf das Gottesgnadentum des Kçnigs, dessen erst im Kirchengebet, a.a.O. S. 50, schlicht als „unseres theuren Kçnigs“ gedacht wird. 50 Thieß, a.a.O., S. 14. 51 Ebd. 52 Ebd. S. 15 f. [Hervorhebung im Original]. Dieses Postulat verwirft noch zehn Jahre spter ein Essay in KCB 19/1840, S. 76, im Kontext einer Kritik an Harms’ Trauerpredigt auf den Tod Friedrich VI.

3. „Kontrarevolutionre Arznei“: Schleswig-holsteinische Predigten

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wie physischer – Art einfordern. Damit stellt die Predigt den formalen Aspekt des Gottesgnadentums ber jeden denkbaren seelsorgerlichen Beitrag an jenen, denen es gerade um die Artikulation ihrer Rechte und Forderungen gegenber Kçnig und Regierung geht. Wenn Thieß seinen Zeitgenossen sogar anzuempfehlen vermag: „Befiehlt die Obrigkeit etwas, das gegen das Gewissen geht, so befiehlt man Gott die Sache und leidet lieber Alles, sogar den Tod, als das man widerstreben oder gar sich empçren sollte,“53

so stellt diese Rezeptur den Gehorsam ber das Gewissen, beraubt den Einzelnen seines in Luthers Zwei-Regimentenlehre ja durchaus vorgesehenen passiven Widerstandsrechtes, beschwert ihn mit der Alternative zwischen Tod und Observanz und beschwçrt die Gefahr herauf, aus dem von seiner Obrigkeit gefhrten Menschen letztlich den von dieser Obrigkeit zu allem verfhrbaren Menschen werden zu lassen54. Keine „Arzenei“, wohl aber eine Einschrfung der brgerlichen Pflichten hlt Pastor Johann Christoph Biernatzky55 im Revolutionsjahr 1830 fr seine Gemeinde in Friedrichstadt bereit56. Auch dieser Ansprache liegt Mt 22,15 – 22 zugrunde57; auch diese Predigt bemerkt die besondere Bewegtheit der Zeit: „Es scheint der Odem einer neuen Zeit durch die Verfassungen zu wehen“58. Gegen diesen sich mçglicherweise zum Sturm erhebenden Wind stellt Biernatzky einen Pflichtenkatalog auf, den er an seine Gemeindeglieder als „Brger in einer unruhigen Zeit“59 adressiert. Dabei verlangt er: 53 Ebd. S. 16. 54 Zu Thieß’ Verhalten whrend der schleswig-holsteinischen Erhebung vgl. u. S. 614 Anm. 103. 55 In spteren Publikationen: Biernatzki, vgl. u. S. 581 – 583, – 1795 in Elmshorn geboren, studierte Biernatzki bis 1818 in Kiel, anschließend in Jena und Halle; nach einigen Jahren als Pastor auf Nordstrandischmoor wurde er 1825 zum Pastor in Friedrichstadt erwhlt, wo er 1840 im Dienst verstarb. Zu ihm E. Alberti, ADB 2, S. 630; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 51; Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL I, Sp. 587. 56 J.[ohann] C.[hristoph] Biernatzky, Die Pflichten des Brgers in einer unruhigen Zeit. Predigt, gehalten in Friedrichstadt an der Eider, Friedrichstadt 1830. 57 Ebd. S. 5 f. 58 Ebd. S. 9. 59 Die von Biernatzky hier begrifflich vorausgesetzte Kongruenz von kirchlicher und politischer Gemeinde bt weder hinreichende Toleranz gegenber den kirchlich distanzierten Zeitgenossen noch wahrt sie die Grundlagen einer cura animarum an denjenigen, deren staatspolitische Auffassungen sich dem gegebenen status quo widersetzen.

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Kapitel V

„1) Bescheiden zu sein in seinem Urtheil ber die bestehenden Verhltniße. 2) Keine Wnsche ber die Grnzen der Mssigung zu nhren. 3) Alle Anforderungen seines nchsten Berufs strenge zu erfllen. 4) Die Achtung vor dem Gesetze ungeschmlert zu erhalten. 5) Den Einfluß der Religion durch sein Beispiel zu strken. 6) Dem Vater im Himmel hoffnungsvoll die Zukunft zu vertrauen.“60 Auffllig an der Predigt ist ihr fortwhrend zum Ausdruck gelangender Grundton eines variantenreichen Mßigungsappells. Dieser steht auf den ersten Blick in einem gewissen Mißverhltnis zur nicht vorhandenen Revolutionsbegeisterung der Bevçlkerung in den Herzogtmern. Wenn jedoch die anderenorts zum Ausdruck gekommenen revolutionren Bedrfnisse Anlaß werden, die eigene Gemeinde diesbezglich zur Zurckhaltung zu mahnen, so zeigt sich hier eben auch eine nicht unerhebliche Sorge vor einem weiteren Ausbreiten der Revolution. Nicht umsonst warnt Biernatzky nachdrcklich vor Fehlbewertungen positiver Gegebenheiten infolge subjektiver bersichtslosigkeit: „Du zrnst unten im Thale des Baches, der die Wurzeln deines Lieblingsbaumes untergrbt, und siehe! vom Gipfel des Berges, von dem er herabstrçmt, segnest du ihn, weil du alle die Fluren berschaust, die er trnkt mit seinem Gewsser.“61

Unter Zuhilfenahme einer Metaphorik ex libro naturae, die in der Marschenlandschaft an der Einmndung der Eider in die Nordsee seltsam fremd wirkt, deutet Biernatzky seiner Gemeinde das Problem unterschiedlicher Perspektivik in Fragen der staatlichen Verfassung. Freilich setzt die Metapher voraus, daß eben alles grundstzlich gebilligt werden kçnne, was sich dem unzureichenden Urteilsvermçgen als anstçßig zeigt. Unter Voraussetzung dieser Prmisse werden die zeitgençssischen gesellschaftlichen Gegebenheiten schlichtweg sanktioniert, soziale Unterschiede fatalistisch nivelliert: „Herren und Diener, Reiche und Arme mssen unter einander seyn. Tausend vergebliche Wnsche, tausend unerfllte Hoffnungen werden nie fehlen.“62

Angesichts sozialer Unterschiede kommt der Religion eine mßigende Funktion zu: 60 Biernatzky, a.a.O., S. 8 f. 61 Ders., a.a.O. S. 10. 62 Ebd. S. 14.

3. „Kontrarevolutionre Arznei“: Schleswig-holsteinische Predigten

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„Die Religion bt aber auch ihren segnenden Einfluß auf die Armen und Machtlosen, daß sie geduldig sind in der schweren Zeit, willig sich fgen in die bel, die nicht zu ndern sind, und unter dem Gehorsam der Menschen sich ben zum Gehorsam unter Gottes heiligen Willen, wohl wissend, daß Keiner eine Macht ber sie hat, sie sey ihm denn gegeben von ihrem himmlischen Vater.“63

Wie Thieß appelliert also auch Biernatzky an den Gehorsam. Dabei korrespondiert der beschwichtigenden Rolle der Religion in sozialen Fragen ein Hierarchieverstndnis, das grundstzlich alle Machtverteilung als Auswirkung des gçttlichen Willens begreift. Von hier aus liegt der kirchliche Schulterschluß mit den Inhabern dieser Macht nicht fern : „Sollte nicht jede Obrigkeit besonders fr unsre bewegte Zeit es sich gesagt sein lassen, daß die Entfremdung vom çffentlichen Gottesdienste und die Verachtung desselben ihre Macht untergrbt und die erste, sicherste Sttze ihres Bestehens wankend macht ? Kann sie stummen Gehorsam erwarten, wenn sie nicht das Ihre tut, um den Grund zu befestigen, auf dem das ganze Gebude des Staates und der brgerlichen Ordnung ruht ?“64

Der „çffentliche Gottesdienst“ und die „Macht der Obrigkeit“ stehen hier in einem sich gegenseitig bedingenden Verhltnis; und wenn der Gottesdienst als „Sttze ihres Bestehens“ dient, liegt es – so die Folgerung – im Interesse der Obrigkeit, kirchlicher Distanziertheit entgegenzutreten und kirchliche Belange zu schtzen. Das Bild von dem Staat und brgerliche Ordnung tragenden Gottesdienst zementiert abschließend die Auffassung einer buchstblich dem Staat dienenden Kirche, die kritik- und distanzlos alle Phnomene des empirischen Gemeinwesens als gottgewollt hinzunehmen bereit ist. In der obrigkeitstreuen Predigt stehen Thieß und Biernatzky in der im Jahre 1830 durch die Verfassungsfrage nicht bermßig erregten ffentlichkeit der Herzogtmer nicht allein. So richtet in Hademarschen Pastor Hans Lorenz Andreas Vent65 „Worte der Beruhigung und Ermunterung an das Volk, veranlaßt durch die gegenwrtigen Gerchte

63 Ebd. S. 23. 64 Ebd. S. 24. 65 Hans Lorenz Andreas Vent, 1785 in Hademarschen geboren, hatte bis 1809 in Kiel studiert; 1811 wurde er Diakon in Tellingstedt, 1815 Pastor in seinem Geburtsort. Hier blieb er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1863 im Amt, nachdem ihn die dnische Regierung 1861 zum Consistorialrat ernannt hatte; zu ihm Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. II, S. 334.

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Kapitel V

und Umtriebe“66 ; quasi zum Jahrestag der Julirevolution greift Vent noch einmal das Bild von der revolutionren Krankheit auf und hlt am 31. Juli 1831 eine Predigt ber „Die Stimme der Religion an die Menschen, bey der gegenwrtigen Besorgniß vor ansteckender Krankheit“67. Im Mai 1835 ußert der Adelbyer Pastor Lorentzen auf einer Versammlung Flensburger Geistlicher, „die gepriesene Julyrevolution“ sei als „That abominable“68. In dieser Weise offenbaren die Pastoren der Herzogtmer Intentionen, die der vorerst noch ruhigen politischen Lage in ihrer Intensitt kaum entsprechen, dafr aber geeignet sind, eine Trennung zwischen staatsbefrwortender, absolutismusbejahender Geistlichkeit auf der einen und erstarkendem, oppositionellem Brgertum auf der anderen Seite herbeizufhren. Die berlieferten kirchlichen Auffassungen ber den Staat stehen den Anschauungen der numerisch noch recht kleinen, dabei zurckhaltend agierenden politischen Avantgarde diametral gegenber. Hier formiert sich ein Kreis junger, in hoher Verantwortung stehender Juristen, denen die offenbare Treue der Geistlichen gegenber der Krone als ein religiçs fundiertes Bndnis zwischen Kirche und Absolutismus erscheinen muß69. Diese Einschtzung verstrkt sich durch denunziatorische Vorkommnisse, in denen einzelne Geistliche unter Berufung auf den von ihnen abgelegten Homagialeid70 der Regierung Mitteilungen ber Zusammenknfte politisch Oppositioneller zugehen lassen71. An dem sich whrend der nchsten 18 Jahre bis zur Erhebung bestndig weiter entwickelnden politischen Diskurs nehmen die Geistlichen der Herzogtmer daher

66 Hans Lorenz Andreas Vent, Worte der Beruhigung und Ermunterung an das Volk, veranlaßt durch die gegenwrtigen Gerchte und Umtriebe, Schleswig 1830. 67 Erschienen in Schleswig 1831. 68 KCB 60/1835, S. 273; ebd. ders.: „Christus hat sich nie irrigen Zeitvorstellungen accomodirt“. 69 Es drfte kaum zufllig sein, daß im Sommer 1830 ein Journalist in Kiel, der dem Kreis um Lornsen angehçrt, „eine mehr oder minder betrchtliche Abweichung“ der eigenen „religiçsen Ansichten von denjenigen, welche die Kirche […] verlangt oder voraussetzt“, artikuliert und die Legitimierung eines offiziellen Kirchenaustritts postuliert. Hierzu der von Theodor Olshausen anonym verçffentlichte „Entwurf einer Bittschrift an deutsche Frsten“, Kiel 1830 in erster und zweiter Auflage; das Zitat hier S. 11. 70 Zu diesem o. S. 96 Anm. 236. 71 Exemplarisch hierfr etwa das wiederholte Verhalten des Kieler Pastors Claus Harms; zu diesem u. S. 503 f.

3. „Kontrarevolutionre Arznei“: Schleswig-holsteinische Predigten

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keinerlei erkennbaren gestaltenden Anteil72. Mit ihrer Predigt stehen sie deutlich im Abseits der sich zunehmend ausweitenden demokratischen Theoriebildung.

72 Alexa Geisthçvel, Eigentmlichkeit und Macht. Deutscher Nationalismus 1830 – 1851: Der Fall Schleswig-Holstein, resmiert S. 35: „Geistliche Revolutionskritik, in Gestalt gedruckter Predigten“ vermochte „ber den kirchlichen Rahmen hinaus die Diskussion politischer Angelegenheiten nicht zu prgen“.

Kapitel VI Der Diskurs ber demokratische Freiheit, nationale Einheit, soziale Gerechtigkeit und die Staatskirche im Spiegel des seit 1830 erscheinenden Kieler Correspondenzblattes bis zum Jahr 1848 1. Theodor Olshausen und das von ihm begrndete Kieler Correspondenzblatt Am 11. September 1830 erscheint die Erstausgabe des von „Advocat Olshausen“1 herausgegebenen „Kieler Correspondenzblattes“. Das kçnigliche Privileg zur Herausgabe der Zeitung datiert vom 18. Mai des Jahres2 ; Olshausen hatte sich bereits vor Ausbruch der Julirevolution um die Erlaubnis zur Publikation einer eigenen Zeitung bemht. Verglichen mit der herkçmmlichen und sonstigen Zeitungslandschaft der Herzogtmer begrndet Olshausen „eine Zeitung neuen Typs“3 ; der sachliche Gehalt des „Correspondenz“-Begriffes deutet an, worum es geht: Die Sammlung von essayistischen Beitrgen zur Anregung eines allgemein zugnglichen politischen Interesses und Diskurses sowie zur Bildung eines Mittelpunkts „fr die deutsch nationalen und freiheitlichen Bestrebungen“4. Diese Absichten sehen sich mit der Einberufung und Tagung der Stndeversammlungen zunehmend realisiert5. 1 2

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Zu Theodor Olshausen bereits o. S. 420 Anm. 99 sowie S. 429 – 434. Vgl. die „Confirmation des an den Actuarius Theodor Olshausen in Kiel mitgetheilten Privilegii zur Herausgabe eines çffentlichen Blattes unter dem Namen Kieler Correspondenzblatt fr die Herzogthmer Schleswig, Holstein und Lauenburg vom 18. May 1830 durch Christian VIII.“ v. 29. April 1842, LAS 65.2 Nr. 696 II; hierzu Brbel Cçppicus-Wex, Die dnisch-deutsche Presse 1789 – 1848. Presselandschaft zwischen Ancien Rgime und Revolution, Bielefeld 2001, S. 127 – 131. Peter Willer, Theodor Olshausen und die Auseinandersetzungen unter den schleswig-holsteinischen Liberalen ca. 1839 – 1848, Phil. Mag-Arb. Universitt Kiel, Kiel 1997, S. 31. Theodor Olshausen, „Im Herbst 1830 als Lornsen in das Herzogtum kam und seine Bewegung begann“, in: Theodor Olshausen 1802 – 1869. Briefe an den

1. Theodor Olshausen und das von ihm begrndete Kieler Correspondenzblatt 497

Art und Weise des journalistischen Vorgehens Theodor Ohlshausens mag ein exemplarischer Kontext verdeutlichen. In der Erstausgabe des Kieler Correspondenzblattes findet sich ein Hinweis auf eine in der çrtlichen Universittsbuchhandlung erschienene „Unmaaßgebliche Wrdigung des Entwurfs einer Bittschrift an deutsche Frsten“6. Wie im Titel zum Ausdruck gelangt, bezieht sich der anonyme Verfasser dieser Schrift auf die kurz zuvor verçffentlichte Publikation „Entwurf einer Bittschrift an deutsche Frsten“, deren Autor der gleichfalls ungenannte Theodor Olshausen ist7. Von Anfang an arbeitet der Herausgeber des Correspondenzblattes an der Herstellung eines geistigen Netzwerkes, das in vorsichtiger und elastischer Weise den Bedingungen der Zensur trotzt8. In diesem konkreten Fall geht es um eine fr die Zensur zumindest grenzwertige Schrift, die jene „Disharmonie“ anspricht, die sich aufgetan habe „zwischen unserm religiçsen Glauben und demjenigen, welchen diese oder

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Bruder Justus, hg. von Ingo Reppmann und Joachim Reppmann, S. 306 – 309, hier S. 306. Alexa Geisthçvel, Eigentmlichkeit und Macht. Deutscher Nationalismus 1830 – 1851: Der Fall Schleswig-Holstein, sieht das Blatt S. 39 als „entschieden oppositionell“ und als „echten ,Sprechsaal‘“: „Leitende Aufstze sorgten fr ein linksliberales Profil.“ Detlev von Liliencron, Up ewig ungedeelt. Die Erhebung Schleswig-Holsteins im Jahre 1848, Hamburg 1898. Neudruck 1980, nennt S. 17 Theodor Olshausen rckblickend den „geachtetste[n] und beliebteste[n] Schriftsteller in ganz Schleswig-Holstein“. Mit Recht hlt Ulrich Lange fest: „Die Zwiesprache mit der interessierten ffentlichkeit geschah in nennenswertem Umfang erst durch das ,Kieler Correspondenzblatt‘, das wie ein außerparlamentarischer Verstrker der Landtagsdebatten wirken mußte“, ders., Vom Ancien Rgime zur frhen Moderne (1773 – 1867), in: Jrgen Jensen und Peter Wolf, Hg., Geschichte der Stadt Kiel, Neumnster 1991, S. 137 – 206, hier S. 196. KCB 1/1830, S. 4. Die Schrift wurde anonym publiziert als: „Unmaaßgebliche Wrdigung des Entwurfs einer Bittschrift an deutsche Frsten. Allerhçchst dieselben wollen Allergndigst geruhen, die religiçs-politischen Verhltnisse einer Anzahl Ihrer Unterthanen in Erwgung ziehen, und geeignete Maaßregeln zu treffen, welche es denselben mçglich machen, ihrer religiçsen berzeugung gemß zu leben“, Kiel 1830. Auf diese Publikation nimmt die soeben Anm. 6 genannte Schrift Bezug. Zur zeitgençssischen Zensur Henning Unverhau, Pressefreiheit, Pressefrechheit und Zensur in Schleswig-Holstein in der ersten Hlfte des 19. Jahrhunderts, in: ZSHG 121 / 1996, S. 45 – 78; hier S. 48 f. der Hinweis, daß „im Jahre 1820 […] auch der Grndung von Zeitungen Beschrnkungen auferlegt“ wurden; „das Ende der Pressefreiheit brach 1819 mit dem Pressegesetz der Karlsbader Beschlsse herein. Hieran war auch Kçnig Friedrich VI. von Dnemark als Herzog der deutschen Bundeslnder Holstein und Lauenburg gebunden“.

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Kapitel VI

jene kirchliche Gemeinschaft von ihren Bekennern fordert“9. Greifbare Begrndungen fr diese Behauptung liefert Olshausen nicht, allenfalls deutet er die von der Kirche religiçs untermauerte und legitimierte Beziehung zwischen Regenten und Untertanen an: „Freilich ist es eine gemeine Lehre, daß Regent und Staat nur in der Religion seiner Unterthanen die notwendige Sicherheit finden kçnnen, daß dieselben gute Staatsbrger sein wrden, so daß also das Bekenntnis ihres religiçsen Glaubens dem Staate eine Gewhr fr die Erfllung der Unterthanenpflichten darbiete. Eine solche Gewhrleistung ist aber offenbar nur scheinbar, weil ja dem Regenten keine Sicherheit gegeben werden kann, daß die ausgesprochenen religiçsen berzeugungen, nun auch die wahren innern des sie bekennenden Unterthanen seyen.“10

Vor dem Hintergrund einer derartigen Erçrterung der potentiellen Differenz zwischen Individual- und Kollektivglauben11 intendiert der juristische Journalist, „daß alle diejenigen, welche innerlich mit der Kirche zerfallen sind, sich auch ußerlich scheiden“12. Dabei stellt sich der Petendent dar als Angehçriger eines Kreises geborener Lutheraner13 sowie „Israeliten“14, deren gemeinsame Intention darin bestehe, die jeweils eigenen „religiçsen Ansichten in allen Religionen wieder zu finden […], denn in allen ist dasselbe religiçse Element, was uns beseelt“15. Mit diesen ußerungen umreißt Olshausen jene Gruppierung politisch interessierter Jungakademiker, die sich im zeitgençssischen gesellschaftlichen Umfeld als „religiçse Wahrheitsfreunde oder Philalethen“16 bezeichnen und deren 9 Anonym publiziert [Theodor Olshausen], Entwurf einer Bittschrift an deutsche Frsten, Kiel 1830, S. 3. 10 Ebd. S. 16 [Hervorhebungen im Original]. 11 Gewissermaßen differenziert der Autor zwischen der fides qua creditur und der fides quae creditur. 12 A.a.O. (Anm. 9), S. 8. 13 Ebd. S. 10 f. 14 Ebd. S. 13. 15 Ebd. S. 12. 16 Zu diesen die „Grundstze der religiçsen Wahrheitsfreunde oder Philalethen“, anonym verçffentlicht, Kiel 1830, mçglicherweise stammt auch diese Schrift von Olshausen. Reflexe auf zuvorige Auseinandersetzungen mit den Philalethen finden sich bei Claus Harms in dessen Lebensbeschreibung, S. 136 – 138, und Pastoraltheologie, hier: Reden an Theologiestudierende, Zweites Buch: Der Priester, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, Band II, hg. von Peter Meinhold, Flensburg 1955, S. 86 – 217, hier S. 159: „Wer ist ein Heide? Historisch und sprachgebuchlich: Der weder ein Christ noch ein Jude noch ein Moslim ist. Sonach wren die Philalethen ja Heiden? In Kiel gibt es ja nur keine Philalethen, die sich als solche bekennen“. Zum Kontext a. J. G. Mussmann, Wissenschaftliche

1. Theodor Olshausen und das von ihm begrndete Kieler Correspondenzblatt 499

Ideal „die Bildung einer eigenen Kirchengemeinschaft“17 aus den „wahren Jngern der Vernunft“18 darstellt, unter denen „der Name Deismus nicht lnger verrufen sein“ sollte19. Den Philalethen gelten „das menschliche Gewissen und die menschliche Vernunft“ als „Quellen der Gotteserkenntnis“20 ; unter Aufgabe der Person Jesu Christi als des Erlçsers der Menschheit hat die jeweilige sittliche berzeugung des Menschen nach Auffassung der Philalethen zur „lebendigen Empfindung“ zu werden, um sich anschließend im ganzen Leben zu „bewhren und zu bettigen“21. Dergestalt behaupten die Philalethen neben der Gçttlichkeit der Menschennatur auch die Unsterblichkeit des Geistes. In der zuvor erwhnten „Unmaaßgebliche[n, L.-P.] Wrdigung des Entwurfs einer Bittschrift an deutsche Frsten“ schreibt ein Kieler Brger ohne Nennung seines Namens im August 1830 gegen Olshausens anonym verçffentlichte Publikation. Diesem Autor geht es um die „Entkrftung des Statt gehabten blen Eindrucks, ehe noch die angeredeten Kçnige und Frsten den Mißbrauch ihres Namens rgen, der bis dahin zu heilig und ehrwrdig gehalten ward, um denselben Spße, bonsmts oder gar revolutionaire Antrge çffentlich zu widmen.“22

Hier zeigt sich die spezifische Vorgehensweise des Kieler Redakteurs: Indem Olshausen nicht an der eigenen Publikation anknpft, dafr jedoch die seinem Beitrag widersprechende positiv-staatstreue Broschre aufgreift, weckt er implizit gerade das çffentliche Interesse an seiner zuvor verçf-

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Beleuchtung der Grundstze der religiçsen Wahrheitsfreunde oder Philalethen. Eine Zuschrift an Religions- und Staatsfreunde, Halle 1831; ein Referat der sich an das literarische Auftreten der Philalethen anschließenden Auseinandersetzung findet sich bei Karl Jansen, Uwe Jens Lornsen, S. 203 – 205; vgl. ferner die anonym publizierte „Vorlufige Nachricht ber den, im Mrz 1842 gestifteten, holsteinischen Philalethen-Verein“, Hamburg-St. Pauli 1842. Grundstze der religiçsen Wahrheitsfreunde oder Philalethen, S. 5. Ebd. S. 7. Ebd. Ebd. S. 12. In Abnderung der kirchlichen Feiertage postulieren die Philalethen die Einfhrung des „Festes des Gewissens“, ebd. S. 19; cf. die anonym publizierte „Rede am Feste des Gewissens, in der Versammlung der Philalethen“, Schleswig 1830, deren antichristlicher, Joh 14,6 aufgreifender Schlußsatz S. 22 lautet: „So feiern wir als Philalethen das Fest des Gewissens mit einem guten Gewissen. Feiern es als Wahrheitsfreunde durch die Verlugnung desjenigen, der gesagt hat: ich bin der Weg, und die Wahrheit, und das Leben“. Grundstze der religiçsen Wahrheitsfreunde oder Philalethen, S. 14. Unmaaßgebliche Wrdigung des Entwurfs einer Bittschrift an deutsche Frsten, anonym publiziert, S. 23 f.

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Kapitel VI

fentlichten Bittschrift. Unter den Bedingungen der hart gebten Zensur23 bringt Theodor Olshausen seine publizistischen Anliegen24 damit von Anfang an auf behutsame, subtile und indirekte Weise in einen Diskurs ein, in dem sie fortan zu immer breiterer Diskussion und Darstellung gelangen25. Zugleich praktiziert sein Correspondenzblatt eine Reflexionskultur, in der zunehmend kirchliche Inhalte – nicht zuletzt unter dem Blickwinkel ihrer staatskirchlichen Bedingtheit – in jenen bedeutenden Diskurs geraten, in dem sie stellvertretend fr die im Absolutismus presserechtlich nicht ansprechbaren politischen Gegebenheiten zur Disposition gestellt werden26. Von diesen Voraussetzungen her erhalten liberale, bisweilen auch 23 Die Komplexitt der durch die Institution der Zensur verursachten Probleme erhellt aus dem Briefwechsel Olshausens mit Peter Hjort Lorenzen; in einem in Kiel am 15. Februar 1832 abgefaßten Brief erlutert der Redakteur dem Essayisten minutiçs das Ausmaß jener Teilstze und Begriffe, die „die Censur als anstçßig removirt“ habe; vgl. hierzu Anna-Elise Møldrup, Breve fra Th. Olshausen til P. Hjort Lorenzen, 1831 – 1839, in: Danske Magazin Syvende Række, Første Bind 1936, S. 352 – 391, hier S. 357 f.; und als Olshausen aus der Feder des zeitweiligen Redakteurs der in Apenrade erscheinenden „Lyna“, des dort amtierenden Pastors Erasmus Lautrup, „einen trefflichen Aufsatz ber die Freiheit der Rede u. der Schrift zugesandt“ erhlt, den er „gerne meinem Blatte einverleibt she“, unterlßt er dieses Vorhaben mit der knappen Begrndung: „Ich frchte die Censur“, Theodor Olshausen, Brief an Peter Hjort Lorenzen v. 16. November 1832, zit. n. Anna-Elise Møldrup, a.a.O., S. 361. Zu Pastor Lautrup, der ansonsten literarisch in keiner Weise staats- und gesellschaftskritisch hervorgetreten ist, vgl. Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Band II, S. 23. 24 Nach Olshausens Tod schreibt der Theologe Otto Fock in der Kieler Zeitung vom 3. April 1869: „Mit unermdlicher Ausdauer kmpfte er nicht nur vom nationaldeutschen Standpunkt gegen die offenen und versteckten Angriffe des Dnenthums, sondern auch vom Standpunkt wahrer Freiheit und Humanitt gegen alles stndische Privilegieunwesen, gegen bureaukratische Bevormundung, gegen spießbrgerliche Engherzigkeit, gegen religiçse Intoleranz, gegen Vorurtheile und veraltete Institutionen aller Art“, zit. n. Theodor Olshausen 1802 – 1869. Briefe an den Bruder Justus, hg. von Ingo Reppmann und Joachim Reppmann, S. 18. 25 Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, schildert Theodor Olshausen S. 16 f. als typischen „Doktrinr der vormrzlichen Zeit“, der „nicht der Gewandheit entbehrte, die ein Schriftleiter bençtigte, wenn er eine Zeitung den Schlingen der Zensur entziehen wollte. Dadurch und durch die ihm innewohnende wahre Vornehmheit auch in der Federfhrung ist es gekommen, daß er, der radikalste Politiker und Redakteur des Landes, sein Blatt vor schweren Zusammenstçßen mit dem Zensor und den Behçrden hat bewahren kçnnen“. 26 Hierzu Janine Baumgart-Horn, Theodor Olshausen – Eine politische Biographie, S. 18: „Das Correspondenzblatt fungierte durch seine dezidiert liberale Frbung und durch seine fhrende Stellung in der Presselandschaft als Katalysator fr eine Politisierung der çffentlichen Meinung. Liberale Ansichten erhielten eine Platt-

2. Der Diskurs ber die Frage der Volkssouvernitt

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mehr oder minder offen demokratisch gesinnte Ansichten die erfolgreiche27 literarische Basis einer landesweiten Publikation und Kommunikation. Damit wird das Kieler Correspondenzblatt zur zentralen Plattform vormrzlicher demokratischer Theoriebildung in den Herzogtmern28.

2. Der Diskurs ber die Frage der Volkssouvernitt: Eine Antithese zur berlieferten und von staatskirchlicher Seite mitverantworteten Sozialordnung 2.1 Die Reflexion des Treueeides und der aus ihm resultierenden Bindung an das dnische Kçnigshaus Die erste Ausgabe des neuen Correspondenzblattes thematisiert den Predigereid29 : „Man sagt, eine nicht geringe Anzahl von Theologie Studirenden in Kiel, welche einer rationalistischen Ansicht zugethan sind, beabsichtigten eine

form, so dass eine rege Diskussion ber Reformbestrebungen mçglich wurde. Das Blatt behielt seine fhrende Stellung ber zwanzig Jahre lang“. 27 Am 8. Dezember 1830 meldet das Correspondenzblatt No. 22 auf S. 96, daß die „Auflage von 600 Exemplaren vergriffen“ sei „und daher fr das laufende Quartal kein Abonnent mehr angenommen werden“ kçnne. 28 Diese herausragende Funktion des Correspondenzblattes rechtfertigt im Folgenden seine Auswertung unter dem Gesichtspunkt eines sich in seinen Jahrgngen reflektiert abbildenden gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses, der Kirche und Geistlichkeit der Herzogtmer mittel- und unmittelbar herausfordert. Einerseits erscheinen diese als legitimierende Garanten der bestehenden Ordnung; andererseits bietet ihre den allgemeinen Zeitgeist aufgreifende Hinterfragung den Essayisten die Mçglichkeit stellvertretender Staats- und Gesellschaftskritik. Auch in diesem Kontext erweist sich der Vormrz „als geistig-politisches Laboratorium“, so Uwe Backes, Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese. Zum Wechselverhltnis zweier politischer Strçmungen im Vormrz, S. 55. Ebd. S. 60: „Die Debatten der neueingerichteten Kammern, das Wirken der liberalen Opposition, die Frhformen der Wahlkmpfe […] fanden ihren Niederschlag in den Zeitungen und Zeitschriften, die – ebenso wie der Buchmarkt – eine Hausse erlebten und ein wachsendes Lesepublikum bedienten. In den çffentlichen Meinungskmpfen und in Teilen des aufblhenden, mitunter verkappt politischen Vereinswesens formierten sich die politischen Strçmungen, die sich erst viel spter zu fest organisierten Parteien verdichteten“. 29 Zu diesem o. S. 96 Anm. 236.

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Kapitel VI

Bittschrift zu entwerfen, durch welche sie um eine Abnderung des Predigereides auf die Augsburgische Confession einkommen wollen.“30

Die vage Nachricht zeigt die Alternative einer inhaltlich qualifizierten anstelle einer personalen Bindung des Eidleistenden; als Eidnehmer kommt statt des Landesherrn31 die Kirche des Augsburgischen Bekenntnisses in den Blick, die als konfessionell strukturierte Gemeinschaft die staatliche Gesellschaft bergreift. Intentional hat der Eidgeber in diesem Kontext seine Verpflichtung gegenber der Gemeinschaft, nicht gegenber dem eidnehmenden Kçnig. Drei Jahre spter druckt das Correspondenzblatt eine Abhandlung ber „Politische Eide“ ab32, die „manche und krftige Grnde gegen alle Eide dieser Art“33 zur Sprache bringt. Werde ein politischer Eid nicht aus berzeugung gegeben, werde er nur gewahrt durch Androhung von Sanktionen, gerate er in die Gefahr, „gleich religiçsen Testeiden eine nichtsbedeutende Formel“34 zu werden. Immerhin kçnnte es „dahin kommen, daß die wenigen, die zu gewissenhaft wren, um demjenigen, was sie nicht billigen kçnnten, eine ußerliche Zustimmung zu geben, Gefahr liefen, als Schwrmer angesehen zu werden.“35 Der Artikel resmiert daher: „Bei einem solchen Zustande des çffentlichen Geistes wird dann doch wohl nicht daran zu denken seyn, daß jene Versicherungen einen Theil der Grundlage einer Regierung ausmachen kçnnen.“36

Die subjektive Beschaffenheit des Eidgebers bestimmt so nicht nur die Eidqualitt, sondern auch die Qualitt der im Begrndungsakt des 30 KCB 1/1830, S. 4. 31 In einem an Peter Hjort Lorenzen gerichteten Brief vom 22. Juni 1839 bedauert Olshausen die zensurbedingte Unmçglichkeit einer Schilderung des „Absolutismus in Dnemark“; durch dessen Darstellung htte er zeigen kçnnen „wie ausserordentlich wichtig es sey, an einer solchen Staatsverfassung auch nicht im mindesten zu participiren (wie wir z. B. jetzt doch thun durch den Homagialeid)“, zit. n. Anna-Elise Møldrup, Breve fra Th. Olshausen til P. Hjort Lorenzen, 1831 – 1839, S. 388. 32 KCB 73/1833, S. 334 f. Bedeutendster politischer Eid war der sog. Homagialeid, der von jedem Beamten gegenber dem Kçnig abzulegen war; er mußte von allen in den Herzogtmern ttigen Kçniglichen Beamten und damit auch von allen Geistlichen und Advokaten eigenhndig abgeschrieben, gesiegelt und anschließend an die Schleswig-Holstein-Lauenburgische Kanzlei eingesandt werden, vgl. KCB 42/1835, S. 188. 33 KCB 73/1833, S. 334. 34 Ebd.; vgl. in diesem Zusammenhang auch KCB 43/1832, S. 189. 35 KCB 73/1833, S. 334. 36 Ebd.

2. Der Diskurs ber die Frage der Volkssouvernitt

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Treueverhltnisses objektiv ausgewiesenen Mandatierung der eidnehmenden Seite. Konsequent reflektiert der Artikel in der Folge die Problematik eines unkritisch um seiner selbst willen bewahrten Eides: „Wre z. B. ein Despotismus, der alle Gesetze, gçttliche und menschliche mit Fßen trte, einmal eingefhrt und Unterthanen durch politische Eide daran gebunden, so wrden diese kein Recht dazu haben sollen, daran zu arbeiten, die Tyrannei zu mildern und in eine dem Volkszustande angemessene zu verwandeln.“37

Die Inhalte politischer Eide unterliegen in dieser Anschauung der Dynamik gesellschaftlicher Prozesse; fr die Eidleistenden wird das grundstzliche Recht postuliert, vom Eidnehmer Wandlungen zu verlangen, wenn einzelne Inhalte des Eides dem „Volkszustande“ nicht mehr vermittelbar wren. Damit werden die Inhalte des Eides grundstzlich variabel, da sie den Bedingungen eines Kontraktes zwischen Regierung und Regierten unterliegen und ihrer berlieferten sakrosankten Grçße verlustig gehen. Die Entscheidung ber die Eidesinhalte liegt exklusiv beim Kollektiv der Eidleistenden und damit beim Volk. Allerdings erschien eine derartige Auffassung des Eides im Umfeld der frhen 30er Jahre als Meinung der politischen Avantgarde. Fr die Mehrzahl der kçniglichen Beamten drfte whrend dieser letzten anderthalb Jahrzehnte des dnischen Absolutismus vorauszusetzen sein, daß der Eid in ihrer Anschauung ein dauerhaft bindendes und unwandelbares Treueverhltnis zum Landesherrn begrndete. Dafr findet sich ein konkretes Beispiel in einer Anzeige des Pastors Claus Harms whrend des Jahres 1830 mit „seinen leidigen politischen Bewegungen“38. Harms bekennt: „In der Lornsenschen Sache39 habe ich nur dieses getan. Auf eine glaubhafte Nachricht von Zusammenknften bei Nacht, um eine neue Verfassung der Herzogtmer einzuleiten, durchgreifende Vernderungen in der Staatsregierung vorzubereiten, hab’ ich geglaubt, dem von mir geleisteten Homagialeide gemß, eine Anzeige beim Kçnige machen zu mssen, nach welcher ge-

37 Ebd. S. 335. 38 So Claus Harms an Anton Nicolaus Martens, Pastor in Burg in Dithmarschen – zu diesem o. S. 473 – 475 –, in einem Brief vom „Sonnabend vor dem 4ten Advent 1830“, zit. n. Heinrich Zillen, Hg., Claus Harms’ Leben in Briefen, meist von ihm selber, Kiel 1909, S. 280. 39 Vgl. o. S. 482 – 486; hierzu Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 59: „In dem großen Aufwallen der nationalen und freiheitlichen Leidenschaften sah er [Harms, L.-P.] nichts als Auflehnung gegen die gottgewollte Ordnung des absoluten Staates“.

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machten Anzeige, ich schreibe nach welcher, nicht auf welche40, eine Proklamation aus Kopenhagen kam, vom 16. November, in der die Untertanen ermahnt wurden, sich ruhig zu verhalten und sich aller strafbaren, die çffentliche Ruhe gefhrdenden Schritte zu enthalten.“41

hnlich verhielt Harms sich im Juli 1839 angesichts einer von Theodor Olshausen und dem Kieler Kaufmann Jacob Friedrich Nicolaus Lorentzen geplanten 50-Jahr-Feier der Franzçsischen Revolution; Olshausen berichtet Peter Hjort Lorenzen am 16. Juli 1839, „Harms hat uns neulich (Lorentzen u. mich) bei der Polizei denuncirt, weil wir in einer Einladung zur Revolutionsfeier am 14. Jul. (welche natrlich von der Regierung verboten wurde, worber aber nichts gedruckt werden darf ) die Revolution mit der Reformation verglichen, und die Volkssouvernitt vertheidigt hatten.“42

Unter den gegebenen Verhltnissen mußte es den Verfechtern eines alternativen brgerlichen Bewußtseins daher als notwendig erscheinen, die Diskussion um das Eidwesen immer neu voranzutreiben. Unter Hinweis auf die Kçnigliche Verordnung vom 11. August 1824, die die Geistlichen von den „Canzel-Publicationen“43, d. h. der gottesdienstlichen Bekanntmachung „weltlicher Gegenstnde“ befreit hatte, fragt ein Beitrag im Correspondenzblatt Anfang 1834 nach der Mçglichkeit eines Wegfalls der Pflicht zur jhrlichen „Eidespredigt“, die der gottesdienstlichen Gemeinde die Untertanentreue gegenber ihrem Landesherrn einzuschrfen habe44 : 40 Seine im Eid grndende Denunziation scheint Harms rckblickend zu schaffen gemacht zu haben. 41 Claus Harms, Lebensbeschreibung, in: Ausgewhlte Schriften und Predigten, hg. von Peter Meinhold, Band I, S. 13 – 203, hier S. 137 f. 42 Zit. n. Anna-Elise Møldrup, Breve fra Th. Olshausen til P. Hjort Lorenzen, 1831 – 1839, in: Danske Magazin Syvende Række, Første Bind 1936, S. 391. Olshausen bewahrte der Franzçsischen Revolution also ein ehrendes Gedenken. 43 Hierzu o. S. 96 f. Anm. 236; auch Harms wrdigte die Abschaffung der Kanzelpublikation, vgl. seine Pastoraltheologie, Zweites Buch, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, Band II, hg. von Peter Meinhold, Flensburg 1955, S. 86 – 217, hier S.142 f. Rckschauend wertet das Correspondenzblatt den von den Kanzelpublikationen oftmals hervorgerufenen Eindruck in der ffentlichkeit als Polizeidienertum, vgl. KCB 43/1831, hier S. 187. 44 Vgl. etwa Claus Harms, Am zweyten Weihnachtstage. Die Eidespredigt. Die große Wichtigkeit, wie man ber den Eid denke in einem Lande, ber Jerem. 4,1.2, in: Ders., Winterpostille oder Predigten an den Sonn- und Feiertagen von Advent bis Ostern, 4. Aufl., Kiel 1820, S. 79 – 103; J.[ohann] C.[hristoph] Biernatzki, EidesVerwarnung, in: Ders., Predigten und Casualreden, Kiel 1841, S. 372 – 376; A.[ugust Heinrich] Gerber, Unsere Verpflichtung, jede Unwahrheit fern von uns zu halten. Eidespredigt. 2ten Weihnachtstag 1845, in: Sammlung christlicher

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„Ists mit der Verordnung, die alle Publicationen von der Canzel weggewiesen hat, so gemeint, daß auch die Eidesverordnung nicht lnger ihre Sttte auf der Canzel behalten solle?“45

Im Hintergrund dieser Frage steht das Interesse der Herausnahme des Untertaneneides aus seiner von der Kirche fortdauernd legitimierten und damit sakrosankten Einbettung; zugleich wirft der Beitrag implizit die kritische Anfrage auf, inwieweit der Absolutismus die Geistlichen zur Zementierung seiner Herrschaftsansprche instrumentalisiere. Der Wachhaltung der Diskussion ber die Eidesproblematik unter den Bedingungen der Zensur dient auch der unkommentierte Abdruck des Formulares des Homagialeides im Correspondenzblatt Ende Mai des Jahres 183546. Erfordernis und Praxis der Eidleistung ließen sich unter den Bedingungen des dnischen Absolutismus jedoch nicht ndern, und so dauerte es weitere neun Jahre, bis sich im Mai 1844 ein Artikel mit den kurz zuvor verçffentlichten ußerungen des Kopenhagener Juristen Orla Lehmann47 ber den Homagialeid befaßte. Lehmann hatte in dnischen Medien zu Beginn des Jahres 1844 herausgestellt, daß der homagiale Eid lter sei als die Publikation der Lex Regia48, sich daher nicht auf diese beziehen kçnne und so den Eidleistenden in keiner Weise auf die Aufrechterhaltung der absolutistischen Herrschaftsstruktur verpflichtete. Da der Eid auch in Holstein und Schleswig49 die Untertanen auf das „absolutum dominium“ und die „Souverainitt des Kçnigs“ verpflichte, „ob-

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Predigten und Gelegenheitsreden, hg. von Dr. Lbkert u. a., Itzehoe 1847, S. 84 – 89. KCB 8/1834, S. 36. KCB 42/1835, S. 181. Lehmanns Publikation seiner Auffassungen ber den Eid im Kontext eines staatsrechtlichen Essays fhrte zu seiner Suspendierung. Zum anschließenden politischen Gerichtsverfahren und dessen Aufnahme in der dnischen ffentlichkeit vgl. auch KCB 98/1841, S. 400; 13/1842, S. 59; zu Lehmann als dnischem Politiker: Christian Emanuel Frits Reinhardt, Orla Lehmann og hans Samtid, Kjøbenhavn 1871; C. St. A. Bille, DBL 10, S. 170 – 180; Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 83 f.; Svend Thorsen, De Danske Ministerier 1848 – 1901, København 1967, S. 40 – 43 und 72 f.; Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 65 f.; Claus Friisberg, Orla Lehmann. Danmarks første moderne politiker. En politisk biografi, o. O. 2000. Zu dieser o. S. 98 – 100. Die Voranstellung Holsteins betont die Fragwrdigkeit, mit welcher der im Sinne der dnischen „Enevælde“ praktizierte Eideswortlaut in diesem Territorium des Deutschen Bundes verwendet wurde.

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schon hier die betreffenden Bestimmungen des Kçnigsgesetzes nicht gltig seyen“50, postuliert Lehmann, daß „diese Worte [i.e. ,absolutum dominium‘ und ,Souverainitt des Kçnigs‘, L.-P.] in zwei gleichlautenden Documenten nicht verschiedene Bedeutung haben“ kçnnten51. Damit geht es Orla Lehmann um eine sachgemße Auslegung des Eideswortlautes; in dieser Frage „msse Jeder berechtigt seyn, sich des Verstndnisses des Eides zu erfreuen, welches im Bewußtseyn des Volks begrndet sey. Denn das Gewohnheitsrecht habe namentlich in politischen Verhltnissen eine viel bedeutendere Macht, als selbst das geschriebene Gesetz“52. Insbesondere die Existenz der Stndeinstitution53 erweise hinreichend, daß „der im Kçnigsgesetz auf die ußerste Spitze des logisch Denkbaren getriebene […] Begriff der Alleinherrschaft […] von dem jetzt bestehenden factischen Zustande durchaus verschieden sey“54. 50 A.a.O. (Anm. 45). Hier zeigt sich, wie es der Herausgeber des Correspondenzblattes angesichts der Zensur versteht, den Grundstein zu legen fr eine auf politische Separierung bedachte Reflexion des staatsrechtlichen Verhltnisses zwischen Kçnigreich und Herzogtmern: Er publiziert das Referat eines Aufsatzes aus der Feder eines vormrzlichen dnischen Politikers, der grundstzlich dem Gedanken der Volkssouvernitt verpflichtet ist. Allerdings: Mochte auch in diesem Punkt Einigkeit bestehen, so sollte die unterschiedliche Auffassung in der nationalen Frage Orla Lehmann und Theodor Olshausen nur wenige Jahre spter zu politischen Exponenten zweier gegeneinander kriegfhrender Seiten werden lassen. 51 KCB 42/1835, S. 181. 52 Ebd. 53 Seit 1834 gab es im Kçnigreich Dnemark sowie in den Herzogtmern Schleswig und Holstein die Provinzialstnde. In deren Befugnis fiel die Befhigung zu beschließender Stimme in Kommunalangelegenheiten, zu beratender in Fragen der Gesetzgebung. Hierzu Johannes Brock, Die Vorgeschichte der schleswig-holsteinischen Erhebung von 1848, S. 47 – 118; Kurt Hector, Die politischen Ideen und Parteibildungen in den schleswigschen und holsteinischen Stndeversammlungen 1836 bis 1846, Neumnster 1938, bes. S. 1 – 89; Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 63 – 74; Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 56 – 61; Rudolf Titzck, Stndeverfassung und parlamentarische Demokratie, in: Zum 150. Jahrestag der schleswigschen Stndeversammlung: 11. April 1836 – 11. April 1986, hg. vom Prsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages und redig. von Klaus Volquartz, Husum 1986, hier: S. 11 – 22; ebd. a. Erich Hoffmann, Frstlicher Absolutismus oder Mitbestimmung der Staatsbrger; Gesamtstaat oder Doppelmonarchie, S. 23 – 64; Ulrich Lange, Landtage in Schleswig-Holstein – ein Beitrag zu Formen politischer Reprsentation in Mittelalter und Neuzeit, S. 24 – 30; Knut Hansen, Die Wahlen zur holsteinischen Stndeversammlung 1834 am Beispiel der Wahlen im 2. Stdtischen Wahldistrikt, Phil. Mag.-Arb. Universitt Kiel, Kiel 1990. 54 A.a.O. (Anm. 51).

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Damit steht das grundstzlicher Vernderbarkeit unterworfene Gewohnheitsrecht als Ausdruck eines den Monarchen berbietenden Volkswillens gegen die in hermeneutischer Hinsicht starre Verbindlichkeit eines aus der Historie berlieferten Rechtskodex. Dynamische und statische Rechtsauffassung und –auslegung stehen einander kontrr gegenber. Die dynamische Rechtssauffassung intendiert in der Eidesfrage die Mçglichkeit jederzeitiger Vertragsaufkndigung, indem die Treueverpflichtung des Eidleistenden nur so lange als wirksam gedacht werden kçnne, wie dieser die aus dem Eid resultierende Einschrnkung seiner Freiheit hinzunehmen bereit sei: „Wenn daher der Eid auch eine grçßere oder geringere Einschrnkung der Freiheit enthalte, so kçnne man sich doch davon befreien, indem man seinen Abschied nehme, seine Bestallung abliefere und so aus dem Verhltniß, an das die Verpflichtung geknpft sey, austrete.“55

Der in der Auffassung des dnischen Politikers vertragliche, seiner sakrosankten Qualitt entledigte Charakter des Homagialeides tritt deutlich zutage, wenn das Correspondenzblatt als diesbezgliches Resmee Orla Lehmanns mitteilt: „Jedenfalls sey es aber gewiß, daß der Amtseid kein Glaubensbekenntniß, sondern eine bereinkunft enthalte.“56

Die Alternative zwischen der Forderung nach fortdauernder unverbrchlicher Einhaltung des Homagialeides und der Mçglichkeit einer abnderungsfhigen, das besondere Treueverhltnis zwischen Monarchen und Untertan beendenden Aufhebung des Eides markiert in nuce die Trennlinie einer objektivistischen und einer subjektivistischen Ausrichtung in den Fragen gesellschaftlicher Gestaltung. Whrend der folgenden Jahre dehnt sich die Diskussion im Correspondenzblatt diesbezglich aus auf weitere durch einen Eid begrndete Rechtsverhltnisse. So verlangt der Particulier Christian Nicolai Ludwig Feldmann57 in einem durch Berufung auf ein Lutherwort programmatisch berschriebenen Essay „Du mußt es selbst beschließen!“58 eine Abnderung der von den Predigern auf die 55 Ebd. 56 Ebd. 57 Die Bezeichnung weist Feldmann als Schiffseigentmer aus; 1783 geboren, hatte Feldmann Rechtswissenschaften studiert und sich seit 1833 als Journalist in Kiel niedergelassen; hier starb er Anfang 1849. 58 KCB 12/1846, S. 45 – 47. Der Verfasser verlangt in diesem Essay eingangs die Rckbesinnung auf den Geist der Reformation, fr den die wesentliche Hinterfragung fremder Autoritten konstitutiv gewesen sei. Allerdings will Feldmann

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„sogenannten symbolischen Bcher und deren Auffassung“59 abzulegenden Eidesformel, weil die faktische Umsetzung diese Eidesgrundlage in Predigt und Seelsorge vielfach unterlaufe und „ein Eid nicht zum bedeutungslosen Spielwerk herabgewrdigt werden darf, am allerwenigsten von einem Geistlichen, der alljhrlich eine Eidespredigt zu halten hat“60. Auch wenn er den rationalistischen Geistlichen gerne abnehme, „daß sie sich in ihrem Gewissen durch jenen Eid nicht beschwert fhlen“, sieht Feldmann das Problem, ob dies dann auch fr ihre Amtsfhrung gelte61: „denn der Staat verleiht grçßtentheils die geistlichen mter, der Staat besoldet sie, der Staat removirt vom geistlichen Amte, und der Staat denkt ber die symbolischen Bcher anders, als die rationalistischen Geistlichen und ihr Anhang!“62

Keinesfalls, so Feldmann, kçnne es in der Folge der Eidleistung darum gehen, „der Gemeinde Stze einzureden, von denen man entweder gar nicht, oder doch nur unvollkommen berzeugt ist, sondern von den geringsten und allgemein anerkannten Voraussetzungen ausgehend, mit ihr gemeinschaftlich

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unter nationalistischen Vorzeichen durchaus zwischen Luther und Lutherischer Kirche differenzieren, denn der Reformator habe die Aufforderung „Du mußt es selbst beschließen!“ eben „nicht seinem Innern“ entnommen, sondern „dem ureignen Geiste des Deutschen Volkes selbst […] Luther weckte nur wieder, was die Priester in den Schlaf gesungen; er erkannte, daß wenn jemals ein Volk gewesen, bei dem Hoffnung vorhanden, daß die Verheißung des Propheten Jeremias (Cap. 31, V. 33,34) in Erfllung gehe: ,Ich will mein Gesetz in ihr Herz schreiben, und in ihren Sinn schreiben, und wird Keiner den Andern, noch ein Bruder den andern lehren, und sagen: Erkenne den Herrn; sondern sie sollen mich alle kennen, beide klein und groß!‘ dieses das Deutsche Volk sey! – Nachdem unser Volk dann abermals nach Luther 100 Jahre lang in geistigen Schlaf verfallen, wo, statt der Priester, die lutherischen Pastoren es blindlings leiteten, traten Spener und seine Gefhrten auf, und verlegten die Deutsche Religiositt neuerdings in das tiefinnerste Gemth. Aber neben dieser her, aus demselben Boden entsprossen, wandelte die Deutsche Aufklrung, und erhellte mehr und mehr die Dunkelheit, welche die Deutsche Erde bedeckte“. Mit bemerkenswerter Deutlichkeit zeigt sich in diesen ußerungen aus dem vormrzlichen Schleswig-Holstein die Verwobenheit einer einseitig in Richtung politischer Mndigkeit interpretierten Reformationsauffassung mit einem deutsch-nationalen Kulturbewußtsein, das unter Adaption romantischer Rhetorik nichts anderes intendiert als die Herauslçsung der Herzogtmer aus dem dnischen Gesamtstaat. KCB 12/1846, S. 46. Ebd. Ebd. Ebd. S. 47.

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zu denjenigen Wahrheiten vorzudringen, die in jeder Menschenbrust wurzeln.“63

Hier zeigt sich die Denkbarkeit einer Relativierung des Eides durch den Eidnehmer bis hin zum Handeln gegen die eigene berzeugung. Die im Correspondenzblatt gefhrte Diskussion um Sinnhaftigkeit und Verstndnis der politischen Eide sieht sich zu Beginn des Jahres 1848 auf die Spitze getrieben durch den Beitrag eines „Kieler Literaten“64, der aus Vernunftgrnden den Eid wiederholt als „Gespenst“ verurteilt65 und seine Ablehnung der Eidesleistung begrndet durch die sich mittlerweile gegen den Eid erklrende „çffentliche Meinung“, durch das jeden Eid als „Frevel“ wertende „aufgeklrte Christenthum“ sowie die hnliche Praxis der „freien Gemeinden“ wie auch einer den Eid untersagenden „christlichen Secte“66. Im Fazit dieses in jeder Hinsicht eidkritischen Beitrages heißt es: „Bei jedem heutzutage abgelegten Eide feiert entweder der Aberglaube, oder der Unglaube, seinen Triumph.“67

Diese „Lsterung des Heiligen“ in der Diffamierung des Eides als „Gespenst“ zieht unmittelbar einen Gegenartikel aus der Feder des Kieler Propsten Harms nach sich68. Harms bewertet den Eid an sich als „heilig“ und konkretisiert diese Einschtzung: „Heilig ist, was eine Bedeutung hat, die nicht begriffen, eine Kraft, die nicht gemessen, einen Werth hat, der nicht geschtzt werden kann, das mit seinem Vorhandenseyn das Wort spricht: Verkenne mich nicht! beschdige mich nicht! nahe dich mir, wenn du dich nahest, mit Scheu, in Reinheit und Wahrheit!“69

In diesem Zusammenhang zitiert Harms eine ußerung Friedrich Leopold Stolbergs, derzufolge der Eid ein „Goldstck [sc. sei], mit dem Namen des lebendigen Gottes geprgt, das legt der Schwçrende auf den Altar, und auch die reine Hand thut es mit Zittern.“70

63 Ebd. 64 „ber den gerichtlichen Gebrauch der Eidesleistung“, KCB 3/1848, S. 11. Als Verfasser offenbart sich spter im KCB 7/1848 Christian Feldmann. 65 KCB 3/1848, S. 11. 66 Gemeint sind die Mennoniten. 67 KCB 3/1848, S. 11. 68 Claus Harms, „Der Eid ein Gespenst“, KCB 6/1848, S. 21 f. 69 Ebd. S. 21. 70 Ebd.

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Gewiß, so Harms, stelle der Eid eine Menschenhandlung dar, doch gebe es keine weitere, in die Gott sich in gleicher Weise herabließe. Jesus Christus selbst habe geschworen, „und mit diesem Selbstthun ist der Verstand seiner Worte Matth. 5 gegeben, was er daselbst vom Schwçren sagt“71. Neben diversen Stellen der Schrift fhrt Harms den Landeskatechismus an, der in seiner Antwort auf die 96. Frage erklre, daß „wahre Christen Gott durch rechtmßige Eidschwre verehren“72. Wenn dagegen die Aufklrung eine „Hinterthr“ geçffnet habe fr ein gnzlich „andres Christenthum“, so liege dies an den „Rationalisten“, denn diese „haben Gott eine von ihren Hnden gestrickte Schlafmtze aufzusetzen gesucht, darin das Wort Liebe eingestrickt worden.“73

Insofern geht es Harms an dieser Stelle um die Frage, ob das „Objektive“ oder das „Subjektive“ gelten solle. Solle nun, wie aus der Haltung Feldmanns hervorgehend, das „Subjektive“ gelten, so wagt Harms den Kassandraruf: „dann giebt es zuerst keine Kirche mehr und keinen Cultus, bald auch keine Religion mehr.“74

Die Folgen dieser Entwicklung seien auf Grund der Gewissenlosigkeit des „Rationalismus, der nichts anders ist als Subjectivismus“, gnzliche Anarchie, die Diebstahl, Brandstiftung, Ehebruch und Mord zulasse75. Diese katastrophale gesellschaftliche Prognose veranlaßte Christian Feldmann dazu, in der Folgeausgabe des Correspondenzblattes zu erklren, sich mit Herrn Dr. Harms „knftig weder in schriftlichen noch mndlichen Verkehr“ einlassen zu wollen76. Damit standen liberal-demokratische und konservativ-orthodoxe Eidesauffassung am Beginn des Jahres 1848 einander diametral und unversçhnlich gegenber, an der Schwelle eben jenes Jahres, das zu Revolution und Erhebung fhren sollte – und auf den dnischen Gesamtstaat bezogen: auch zum Ende des Absolutismus.

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Ebd. Ebd. S. 22 [Hervorhebung im Original]. Ebd. Ebd. Ebd. Christian Feldmann, Ein paar ruhige Worte an das Publicum, nicht an Pastor Harms, in Bezug auf dessen Aufsatz: Der Eid ist ein Gespenst, KCB 7/1848, S. 26.

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2.2 Zwischen „Landesprivilegien“ und „Archivplunder“: Der Diskurs ber das Historische Recht Die Debatte um das Historische Recht wird im Correspondenzblatt erçffnet durch eine Rezension der 1834 in Altona erschienenen Abhandlung des Syndicus Carl Friedrich Hermann Klenze „ber die Staatseinheit des Dnischen Staats“77. Die fr die Einheit des Gesamtstaates eintretende Schrift begegnet bereits im Einleitungteil ihrer Rezension grundstzlichem Bedauern darber, berhaupt geschrieben worden zu sein; Klenzes Eintreten fr die absolute Monarchie als Garanten dauerhafter Einheit des Staates wird schlicht als „Befangenheit“ verurteilt78. Inhaltlich aber geht es der Rezension vor allem um die Frage nach der Legitimitt einer bestndigen Fortentwicklung des geltenden Rechtes. Klenze selbst geht vom historisch letzten Landtag der Herzogtmer im Jahre 171279 aus. Die damalige an den Kçnig gerichtete Huldigung der Stnde wertet er als Erledigung der zuvor in Kraft befindlichen landstndischen Verfassung und damit als den fr die Nachfahren rechtswirksamen Eintritt in den dnischen Absolutismus: „Diese Auflçsung der Stndeform wurde nun historisches Recht“80. Entscheidend an dieser Schlußfolgerung Klenzes ist fr den anonym bleibenden Rezensor die diesem nicht vermittelbar erscheinende Auswirkung eines 122 Jahre zu77 [Carl Friedrich Hermannn] Klenze, ber die Staatseinheit des Dnischen Staats. Eine staatswissenschaftliche Skizze aus dem Gesichtspuncte des historischen Rechts. Der stillen Jubel-Feier des 14. April 1784 gewidmet, Altona 1834; die Widmung bezieht sich auf den 50 Jahre zurckliegenden Regierungsantritt Friedrichs VI., vgl. die Rezension in Fortsetzung im KCB 32/1834, S. 153 f.; 33/ 1834, S. 157 – 159; 37/1834, S. 173 f. – Justizrat Klenze war seit 1827 „Syndicus und Klosterschreiber“ des Klosters Uetersen und als solcher gesamtstaatlicher Beamter, vgl. Gertrud Nordmann, Schleswig-Holsteinische Beamte 1816 – 1848, S. 288. 78 KCB 32/1834, S. 154; Klenze erklrt a.a.O. (Anm. 77) S. 86: „Die absolute Monarchie […] ist der persçnlichen Willkhr schwacher Menschen nicht unterworfen“. 79 Hierzu Ulrich Lange, Landtage in Schleswig-Holstein – ein Beitrag zu Formen politischer Reprsentation in Mittelalter und Neuzeit, S. 11 – 24. 80 Klenze, a.a.O. (Anm. 77). Das Postulat einer 1712 erfolgten bernahme der dnischen Verfassung und einer daraus abgeleiteten Verbindlichkeit der Lex Regia fr den Bereich beider Herzogtmer greift gut ein Jahrzehnt spter der dnische Offizier August von Baggesen noch einmal auf: Ders., Der Dnische Staat, oder das Kçnigreich Dnemark mit dessen Nebenlndern und den Herzogthmern Schleswig, Holstein und Lauenburg, Kopenhagen 1845; hierzu die ablehnende Rezension KCB 98/1845, S. 432 f.

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rckliegenden umstrittenen Rechtsaktes auf staatsrechtliche Fragen der Gegenwart. Zunchst lautet der Einwand: „Wenn auch der Landtag von 1712 kein vollstndiger Landtag oder vielleicht gar kein Landtag war, so kann doch eine solche einmalige unvollstndig convocirte und erschienene Versammlung nicht sogleich das bestehende Staatsrecht des Landes umstrzen; sie htte es nicht kçnnen, selbst wenn der versammelte einzige Stand in die angebliche Verfassungsnderung gewilligt htte.“81

Diese Argumentation fordert hinsichtlich der ganzheitlichen Legitimitt eines staatlichen Rechtsaktes eine ebenso ganzheitliche Reprsentation der Betroffenen durch eine umfassende, fr den Beschlußakt verantwortliche Volksvertretung. Weiterhin will der Rezensent seinerseits den „Werth und die Nothwendigkeit der allmhligen, unsichtbaren Fortbildung des Rechtes und der Staatsinstitutionen“ nicht verkennen, doch verwirft er „die fortwhrenden gewaltsamen Eingriffe oder Vorgriffe legislativer Theorien in die sich bildenden Rechtsansichten des Volkes“82. Mit diesem Ausschluß bevormundender Einflsse ist nicht lnger allein das berlieferte und im Prozeß seiner berlieferung Wandlungen unterliegende Recht maßgeblich; ebenso rcken in Fragen der Interpretation umstrittener Rechtskontexte auch die bestehenden staatlichen Einrichtungen auf einen Prfstand, der fortan allein dem Mehrheitswillen zu dienen hat. Von wegweisender Bedeutung sind fr den Rezensenten damit exklusiv die sich im Volk heranbildenden rechtlichen Ansichten. Entscheidend aber ist sein verhaltenes Bekenntnis zu einer denkbaren Legitimitt der Revolution: „Wir meinen auch, es gebe Zustnde, wo der sich schnell entwickelnde Geist die beengende Form gewaltsam zersprengen mßte, um neuen Spielraum fr seine Thtigkeit zu gewinnen, es gebe eine Begeisterung der Nationen, […] und diese unbedingt zu verdammen, sey eben so sehr ein Verkennen des gçttlichen Geistes in der Geschichte, als es Frevel ist, durch Machinationen eine falsche Begeisterung knstlich zu erzeugen, die ohne Erfolg fr das Ganze Bewegende und Bewegte ins Verderben strzt.“83

Die deutlich den Geist der Aufklrung atmende und mit der Vorstellung von Hegels „Weltgeist“84 wohlvertraute These lautet also: Die aus der 81 82 83 84

KCB 37/1834, S. 173. KCB 32/1834, S. 154. Ebd. Fr Georg Wilhelm Friedrich Hegel stellt sich die Weltgeschichte als ein notwendig fortschreitender Prozeß des absoluten Geistes dar, der sich in Kunst, Religion und Philosophie im dialektischen Dreischritt von These, Antithese und Synthese konkretisiert; hierzu Hans Joachim Stçrig, Kleine Weltgeschichte der

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Begeisterung von Nationen gewirkte Zersprengung „beengender Formen“ diene potentiell der Evolution des Geistes, und darin kçnne sich der im Ablauf der Geschichte agierende gçttliche Geist zeigen. Die Kritik an „beengenden Formen“ nimmt in der Erçrterung staatsrechtlicher Fragen im Kieler Correspondenzblattes whrend des Vormrzes erheblich zu; zugleich verschrft sich der Kampf gegen das Historische Recht. Gegen Ende der 30er Jahre bricht in diversen Artikeln die Debatte ber den sog. „Neuholsteinismus“ auf 85. Diese kreist um die Frage, ob der seit 1460 im Philosophie, S. 394 – 403; J.[ohannes] Rehmke und F.[riedrich] Schneider, Geschichte der Philosophie, S. 258 – 263; Golo Mann, Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, S. 103 – 111. Fr die Liberalen des Vormrz wurde Hegel zum einflußreichsten Philosophen, so Wolfgang Hock, Liberales Denken im Zeitalter der Paulskirche, Mnster 1957, S. 9; das fortschrittliche Moment der Hegelschen Anschauungen lag fr seine Rezipienten darin, daß nur das „Vernnftige“ fr ihn wirklich war; hierzu Hans Rosenberg, Politische Denkstrçmungen im deutschen Vormrz, Gçttingen 1972, S. 80. In verschiedenen Artikeln des Kieler Correspondenzblattes gelangt eine besondere Hochschtzung Hegels und seiner Schler zum Ausdruck, vgl. KCB 72/ 1837, S. 290 f.; ebd. S. 291 die Bewertung der „Hegelianismus“ als eines „in anerkannter Wirksamkeit stehenden philosophischen Systems“; vgl. hierzu ferner KCB 65/1842, S. 278; 69/1842, S. 302; 73/1842, S. 321 f.; 16/1844, S. 72; 53/1844, S. 223 – 225; 71/1847, S. 287 – 289. Wie ein Teil der hier aufgefhrten Artikel in seiner Darstellung konkret ausgetragener literarischer Konflikte zeigt, bezog die schleswig-holsteinische Geistlichkeit bereits frhzeitig Stellung gegen die seitens der Hegelschen Schule – darunter besonders Daniel Friedrich Strauß sowie Bruno Bauer – entwickelten Anschauungen; exemplarisch findet sich der Widerspruch formuliert in einer ußerung von Claus Harms im KCB 74/1845, S. 331: „Entwickelung ist Rationalismus, wenn er auch Hegel’sche Philosophie heißet. Und von der Entwickelung erwartet Ihr eine heilsame Lçsung des Kampfs?“. Zur Bedeutung des Hegelianismus fr Theodor Olshausen vgl. Joachim Reppmann, „Freiheit, Bildung und Wohlstand fr Alle!“. Schleswig-Holsteinische „Achtundvierziger“ in den USA 1847 – 1860, Wyk auf Fçhr 1994, S. 37 – 40; zur Rezeption Hegelscher Auffassungen bei Olshausens Weggefhrten Claussen cf. Ernst-Erich Marhencke, Hans-Reimer Claussen (1804 – 1894), Frankfurt/M. 1999, S. 80 f.; allgemein zum sog. Junghegelianismus cf. Wolfgang Eßbach, Die Junghegelianer. Soziologie einer Intellektuellengruppe, Mnchen 1988. 85 Vgl. KCB 64/65 / 1838, S. 266; 85/1840, S. 341; 88/1840, S. 352 – 354; 91/ 1840, S. 366; 97&98/1840, S. 389 f.; 89/1842, S. 389 – 391. Zu dieser Auseinandersetzung: Rudolph Schleiden, Erinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. II, S. 59 f.; Johannes Brock, Die Vorgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Erhebung von 1848, S. 103 – 105; Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 103 – 109; Nikolaus Schmidt, Hans-Reimer Claussen: Ein „Achtundvierziger“ in Amerika, 1804 – 1873. Wissenschaftliche Hausarbeit zur Erlangung des Grades eines Mag. Art. der Philosophisch-Historischen Fakultt der

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Ripener Vertrag86 bestehende, von Christian I. zugesagte Konnexus der Herzogtmer Schleswig und Holstein aufzugeben sei, um gemß der Bundesakte Art. 13 exklusiv fr Holstein eine liberale Verfassung87 zu erwirken und es – durchaus auf Kosten Schleswigs – noch enger an den Deutschen Bund zu binden88. Einer der strksten Befrworter dieser Intention ist Theodor Olshausen89, der das historische Recht auf Grund

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Ruprecht-Karls-Universitt Heidelberg, Heidelberg 1989, hier S. 11 – 13; Joachim Reppmann, „Freiheit, Bildung und Wohlstand fr Alle!“. Schleswig-Holsteinische „Achtundvierziger“ in den USA 1847 – 1860, S. 29; Peter Willer, Theodor Olshausen und die Auseinandersetzungen unter den schleswig-holsteinischen Liberalen ca. 1839 – 1848, S. 32 – 67; Ernst-Erich Marhencke, Hans-Reimer Claussen (1804 – 1894), S. 47 – 57; Janine Baumgart-Horn, Theodor Olshausen – Eine politische Biographie, S. 20 – 24. Hierzu o. S. 255 sowie S. 403 Anm. 9. Hierzu Alex.[ander] Thorsoe, Den danske Stats Historie fra 1814 – 1848 eller fra Freden i Kiel til Kong Kristian den Ottendes Død, Kjøbenhavn 1879, S. 426 f.; Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 51 f.; zum Art. 13 der Bundesakte: Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, S. 640 – 658; Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 22. ber die urschlichen Motive zu diesem Vorgehen wie auch ber den Kreis der Gleichdenkenden ußert sich Theodor Olshausen ausgiebig in einem Brief vom 22. Juni 1839 gegenber dem Nordschleswiger Stndeabgeordneten Peter Hjort Lorenzen, vgl. Anna-Elise Møldrup, Breve fra Th. Olshausen til P. Hjort Lorenzen, 1831 – 1839, S. 387 – 390. Deutlich auch Olshausens Bekenntnis: „Nie fasse bei uns der Gedanke an eine Trennung von unserm großen Vaterland Wurzel […] Deutschland fr immer und zuerst – dann Schleswig-Holstein“, KCB 43/1839, S. 171; hnlich konturiert auch ders. in seinem „Sendschreiben an den Jtlndischen Stndeabgeordneten, Obersten Brock. I“, KCB 89/1842, S. 389 – 391, passim; hier S. 390 f.: „Verlangen Sie nicht von dem Holsteiner, daß er den Dnischen Gesamtstaat dem Deutschen Bundesverein vorziehen solle […] es ist einmal so: unser beider Vaterland ist nicht dasselbe“. Zum hier im Hintergrund stehenden Verstndnis des Deutschen Bundes vgl. Hans Reimer Claussen, „Holstein, eine Provinz von Deutschland“, KCB 97 /98 / 1840, S. 389 f., hier S. 389: „Der deutsche Bund ist brigens nicht blos nach Außen, sondern in mancher Beziehung auch nach Innen Ein Staat, wovon Holstein eine Provinz bildet“. Alexander Scharff, Wilhelm Hartwig Beselers politische Wirksamkeit vor 1848, in: ders., Schleswig-Holstein in der deutschen und nordeuropischen Geschichte. Gesammelte Aufstze, hg. von Manfred Jessen-Klingenberg, Stuttgart 1969, S. 74 – 110, urteilt hier S. 78: „Olshausen erkannte scharfsichtig ein Problem, vor dem viele Deutsche in Schleswig-Holstein die Augen verschlossen hatten. Eben jetzt begann sich eine national-dnische Erweckungsbewegung in Nordschleswig zu rhren, im Geiste Grundtvigs suchte sie vor allem die dnischsprachige Bevçlkerung auf dem Lande fr die Werte von Sprache und Volkstum zu erwrmen. Olshausen zweifelte, ob der deutsche nationalpolitische Wille in Schleswig wirklich

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seiner privatrechtlichen Basis verwirft. Vertrge wie der Ripener Vertrag von 1460 erscheinen ihm als Kontrakte zwischen privilegierten Teilgesellschaften, nmlich zwischen Ritterschaft und Landesherrn; damit fehle ihnen die Qualitt einer von allen Stnde vereinbarten Rechtsgrundlage90 : „Das alte Recht der letzten Jahrhunderte vor dem Schlusse des 18ten betrachtete die Landesregierung wie ein Familien-Fideicommiß, Land und Leute wurden wie Habe und Gut vererbfllt […] Die Idee des Staats war schwach und unkrftig und wurde im Conflict mit den frstlichen Familien-Interessen diesen regelmßig untergeordnet. Trat auch einzeln ein Zeitpunct der Erhebung des Volks zu einer Mitbestimmung seines Schicksals ein, so sank dasselbe doch bald wieder in den Zustand der Ohnmacht und Passivitt zurck, es ließ sich im Ganzen wie ein Privat-Besitz verwalten und nur der Adel wagte noch um seine Sonderinteressen gegen die frstliche Macht anzukmpfen. Mit dieser Erniedrigung der çffentlichen Rechtzustnde ging die berhebung und berschtzung des Privat-Rechts Hand in Hand.“91

Jede Berufung auf die berlieferten Landesrechte, so Olshausen, kme einer Restaurierung der alten Stnde in ihrer frheren Gestalt gleich, nur diese seien die historischen Vertragspartner92. Er hlt es fr „eine beschrnkte Ansicht der historischen Schule […], die Dauer als etwas absolut Gutes zu betrachten. Das zeitlich Dauernste ist gewçhnlich das Gemeinste in der Welt; der Stein dauert, whrend die lebendige Schçnheit einen frhen Tod findet.“93

Alles Festhalten an den alten Urkunden und Privilegien – das Correspondenzblatt spricht in diesem Zusammenhang einmal von „aufge-

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so stark sei, um alle zu erfassen, und folgerte daraus, daß Holstein sein Schicksal zunchst von dem Schleswigs trennen msse“. In diesem Sinne ußert sich sehr deutlich ein anonymer Autor in einem Essay ber „Die hstorischen Landesrechte“ im KCB 61/1842, S. 259 f., hier: S. 259; bereits im KCB 83/1840 hieß es innerhalb der Rubrik „Streiflichter“ lapidar: „Dahlmann’s historisch-doctrinaire Lehre diente den ehrenwerthen Bestrebungen der Ritterschaft in den zwanziger Jahren als gute positive Unterlage. Das Volk hat diese Lehre nie verstanden“, a.a.O., S. 333 [Hervorhebung im Original]. Theodor Olshausen, Das alte und neue Staatsrecht, KCB 21/1842, S. 89 f., hier: S. 89. KCB 67/1839, S. 267. An dieser Stelle ußert sich zugleich die liberal-demokratische Grundhaltung gegen die feudal-oligarchische Tendenz alter staatsrechtlicher Vereinbarungen. KCB 19/1842, S. 81. Bereits 1831 urteilte Uwe Jens Lornsen hçchst kritisch ber die „historische Schule“, die zu den politischen „Holzwegen“ gehçre, ders., Brief an seinen Vater vom 8. September 1831, zit. n. dems., Politische Briefe, hg. von Alexander Scharff, Heide in Holstein 1938, S. 28.

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whltem Archivplunder“94 – fhrt unter dieser Sicht zu einer Erstarrung des politischen Lebens. Gegen die bei einer Heranziehung der „alten Lrmtrompete“95 – d. h. des Ripener Privilegs von 1460 – mit eingehandelte Konservierung mittelalterlicher gesellschaftlicher Zustnde in den staatsrechtlichen Diskurs formuliert der Kieler Redakteur daher seine Alternative: „Das neue Staatsrecht dagegen stellt den Staat wieder ber die Privat-Person des Frsten, ber seine Familien-Interessen und die der bevorzugten Stnde.“96

Die „Privat-Person“ des Frsten wird eingegliedert in die gesamte Gesellschaft, der das Recht zu dienen und aus der es hervorzugehen hat. Das Recht entsteht dementsprechend aus der Wechselwirkung von politischer Wirklichkeit und staatsbrgerlichem Bewußtsein des gesamten Volkes97. Damit fordert Olshausen „eindeutig den Vorrang der politischen Gestaltungsfreiheit vor dem positiven Recht“98. Gleichzeitig bringen Olshausen 94 KCB 91/1840, S. 367; Friedrich Hedde spricht in seinem Essay ber „Historisches Recht“, KCB 71/1843, S. 299 f., hier S. 299 von einem Suchen und Graben „in der Vergangenheit […], nicht etwa um sie zu begreifen und bis in die Gegenwart zu verfolgen, sondern um die Antiquitten und Reste frherer Zeiten, die als zerstçrte Ruinen stehen geblieben sind, in die lebendige Gegenwart hineinzuwerfen und uns als einen Theil unseres jetzigen Lebens vorzuhalten […] Nichts aber ist unhistorischer als diese vorzugsweise Geschichtlichkeit, welche die Geschichte nicht in ihrem steten Werden und Schaffen faßt, wie sie das heute Hervorgebrachte morgen wieder vernichtet, um ein Neues und Besseres daraus hervorgehen zu lassen“. Zu Friedrich Hedde als demokratischen vormrzlichen Journalisten vgl. Joachim Reppmann, Friedrich Hedde: 1848er Revolutionr als US-Stadtgrnder, in: 1848 – 1998: 150 Jahre Deutsche Revolution, hg. von Heinz-Werner Arens und Joachim Reppmann, o. O. 1999, S. 20 – 33, hier S. 20 – 22; ferner Dietrich Korth / Hartwig Molzow, SHBL 9, S. 138 – 141. 95 KCB 91/1940, S. 367. – Auch die sich als „Schleswig-Holsteinische Partei“ gegen den Neuholsteinismus wendenden Autoren negieren die Verbindlichkeit der 380 Jahre alten Urkunde; so ußert ein anonym bleibender Autor in KCB 21/ 1842, S. 90: „Vernderte Verhltnisse ergeben verndertes Recht […] Nicht blos auf dem Papier der Urkunden, nein, im Leben besteht die Einheit beider Herzogtmer, sie ist im besten Sinne historisch begrndet, lebt im Bewußtseyn des Volks […] Stillstand ist ungeschichtlich, ja Vernichtung aller Geschichte ebensowohl, wie unvernnftig. Bewegung nach dem eignen inneren Gesetze ist zugleich Vernunft- und geschichtlich begrndetes Recht“ [Hervorhebung im Original]. 96 KCB 21/1842, S. 89. 97 Vgl. hierzu Friedrich Heddes ußerung in seiner Abhandlung ber „Die Mngel unsers Militrwesens“, im KCB 83/1843, S. 349 f., hier S. 349: „Das Recht ist eine Erscheinung der tiefsten Eigenthmlichkeit eines Volks“. 98 Peter Willer, Theodor Olshausen und die Auseinandersetzungen unter den schleswig-holsteinischen Liberalen ca. 1839 – 1848, S. 40.

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und seine Anhnger einen hinlnglich bekannten natur- und vernunftrechtlichen Ansatz ein, demzufolge alle Vçlker einen Anspruch auf eine ihrer Bildungsstufe entsprechende politische Mitbestimmung besßen99. Die Etablierung einer dieser Anschauung korrespondierenden freiheitlichen Verfassung erscheint daher als folgerichtige geschichtliche Notwendigkeit, denn es dringe „frher oder spter doch immer die Vernunft durch, weil eine gçttliche Vorsehung die Geschichte der Menschen und der Staaten regiert, weil dem Rechte eine Kraft innewohnt, der menschliche Gewalt nicht zu widerstehen vermag.“100

Erneut zeigt sich die Beeinflussung durch die Hegelsche Vorstellung des „Weltgeistes“, wenn Olshausen den Blick von den Detailregelungen des Rechtes auf dessen ontologische Bedeutung lenkt: „Das, was am Rechte den hohen Werth hat, sind nicht die einzelnen positiven Satzungen, diese Stereotypisierung des menschlichen Geistes insofern er die socialen Verhltnisse ordnet, sondern dieser Geist selbst in der Bewegung, in der fortschreitenden Entwicklung.“101

Fr das kodifizierte Recht bedeutet diese Sicht einen bestndig zu bercksichtigenden Vorbehalt: Es bedarf grundstzlich einer zu dauerhafter Weiterentwicklung befhigten Flexibilitt, da ihm nur ein Grundlagencharakter innewohnt, der im Prozeß seiner Einbringung ins gesellschaftliche Leben auf Fortschritt und Wandel hin angelegt ist: „Will die Gegenwart streben, nicht denselben Fluch der Beknechtung ihrer Zukunft auf sich zu laden, so giebt es dagegen nur Ein Mittel: die Erschaffung eines Gesetzgebungsorganismus, d. h. eine mçglichst vollkommene Constitution, ein Grundgesetz, welches den jedesmaligen Fortschritt der Gegenwart in sich schließt, welches durch die Einrichtung selbst das Veraltete im Rechte und in den niederen Institutionen von sich stçßt und dagegen das heranwachsende Neue, die werdende Zukunft sich assimiliert.“102

Unter diesen Voraussetzungen werde niemand das „wahre Wesen des Rechts“ erkennen, „der es sich platterdings nicht anders als mittels Schreibmaterials verkçrpert zu denken weiß“103. Zum eigentlichen, jenseits seiner Buchstaben erst zu ermessenden Wesen des Rechtes aber gehçrt der 99 100 101 102 103

KCB 67/1839, S. 267. KCB 115/1840, S. 461. KCB 19/1842, S. 81. KCB 19/1842, S. 81; im gleichen Sinn: KCB 28/1846, S. 116. A. Springborn, Der „Schleswig-Holsteinismus“, KCB 104/1843, S. 447 f., hier: S. 448.

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zielgerichtete „Gedanke eines gleichberechtigten Staatsbrgerthums Aller“, der sich „tief in die Herzen des Volks gesenkt hat“104. Zwangslufig mndet der Diskurs ber das historische Recht damit ein in die Erçrterung einer die Gleichberechtigung „Aller“ gewhrleistenden, im Lauf der Geschichte zu erringenden Freiheit. Als Katalysator einer solchen Freiheit aber bleibt unter dem Aspekt des „Gemeinwillens“ nur ein einziger neuer „Souvern“ denkbar: Das Volk selbst105. 2.3 Die Entwicklung des Freiheitsbegriffes aus dem Gedanken der Volkssouvernitt Unter den Bedingungen der Zensur nhert sich das Kieler Correspondenzblatt der Freiheitsthematik zu Beginn der 30er Jahre in recht behutsamer Weise. Meist werden aktuelle Kontroversen zum Anlaß genommen, die eigentliche Botschaft postulierter brgerlicher Freiheit essayistisch zu transportieren. Dabei kommt es auch zu einer von liberalen Intentionen bestimmten Erçrterung zeitgençssischer kirchlicher und theologischer Konflikte. Diese Darstellungen strukturieren sich durch das paradigmatische Interesse einer durch Aufklrung und Rationalismus legitim gewordenen Erçrterung religiçser Sachverhalte in ausweitbarer Analogie gegenber den durch die Zensur unterdrckten gesellschaftspolitischen Fragen. Einen solchen Anlaß bietet etwa der sich wandelnde Umgang der Bevçlkerung mit der rechtskrftigen „Sabbath-Verordnung“106, gegen die 104 Friedrich Hedde, „Du, Er oder Sie“, KCB 102/1845, S. 431 f., hier S. 431. 105 Inhaltlich standen diese im Laufe der Jahre innerhalb des Correspondenzblattes zunehmend deutlicher zutage tretenden politischen Postulate im Kreis der demokratisch gesinnten Schleswig-Holsteiner bereits frhzeitig fest; so schreibt Uwe Jens Lornsen in einem am 13. August 1832 auf der Insel Sylt abgefaßten Brief an seinen Feund Franz Hermann Hegewisch nach Kiel: „Es gilt hier nicht […] einer Nance im System, sondern dem Wechsel des Systems selber. Der entschieden auf den Absolutismus gerichtete Wille […] muß erst durch Gewalt, durch Revolution gebrochen werden“, zit. n. dems., Politische Briefe, S. 77 f. 106 Cf. Christian VII., von Gottes Gnaden Kçnig zu Dnemark, Norwegen, der Wenden und Gothen, und von Desselben Gnaden Paul Petrowiz, Kayserlicher Kronprinz, Thronfolger und Großfrst aller Reussen, Gemeinschaftliche Verordnung wegen Einstellung und Verlegung einiger Feyertage in den gemeinschaftlichen Districten des Herzogthums Hollstein, Glckstadt 1771. Zahlreiche im Correspondenzblatt dargestellte Auseinandersetzungen sind dem kirchlichen Leben entnommen. Damit erscheint der religiçse Dissenz durchaus als „politischgesellschaftliche Ausdrucksform“ des vormrzlichen Brgertums, was Jçrn

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„Obrigkeiten und in hohen mtern stehende Personen“ ebenso verstoßen wie jene Dienstmgde, die „am ersten Pfingsttag ein Ringfahren mit nachfolgendem Tanz halten drfen“107. In einer hierarchischen Gesellschaft indiziere das Individualverhalten von Amtstrgern den rechtlichen status quo, und daher beweise jede bertretung der „Sabbath-Verordnung“ durch eine obrigkeitliche Person nichts anderes, als „daß die alte SabbathVerordnung nicht mehr gilt“108. Mit dieser Einschtzung der Lage verbindet sich die zu diesem Zeitpunkt notwendigerweise unausformulierte, gesellschaftspolitischen Zndstoff bietende These, derzufolge rechtliche Verordnungen entgegen ihrer formellen Verbindlichkeit durch Gewohnheit und Sitte faktisch aufgehoben werden kçnnen. Im August 1832 ußert sich der Kieler Professor Georg Christian Burchardi109 anscheinend vermittelnd zur Sabbathfrage110. Er sieht im zeitgençssischen Umgang mit ihr zwei Gegenpositionen: Zum einen die auf den formellen Aspekt der

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Brederlow, „Lichtfreunde“ und „Freie Gemeinden“. Religiçser Protest und Freiheitsbewegung im Vormrz und in der Revolution von 1848/49, Mnchen / Wien 1976, S. 49 – 81 ausfhrt. Zum Konflikt um die Sabbathverordnung neben den im Folgenden zitierten Artikeln: KCB 7/1830, S. 28; 22/1831, S. 23; 47/1837, S. 191; zur Kritik am Kanzleipatent vom 6. Mrz 1832 betr. den Vollzug der Taufe Neugeborener in einem Zeitraum von bis zu 6 Wochen: KCB 27/1832, S. 124; 32/ 1832, S. 147 f.; zur Debatte um den Symbolzwang in der Auseinandersetzung zwischen Orthodoxie und Rationalismus: KCB 92/1939, S. 375 f.; 2/1846, S. 5 – 7; 5/1846, S. 17 f.; 20/1846, S. 77 – 80; 24/1846, S. 93 f. und S. 96; 25/ 1846, S. 97 f.; 26/1846, S. 102; 28/1846, S. 114 – 116; zur Diskussion um die Mßigungsvereine: KCB 32/1832, S. 147; 1/1838, S. 2 f.; 18/1838, S. 73 f.; 9&10/1838, S. 40 – 42; 18/1838, S. 73 f.; 19&20/1838, S. 77 f.; 26/1838, S. 106 f.; 27/1838, S. 110; 11/1842; zum Verhltnis zwischen Kirche und Schule u. S. 559 – 562. Zum Ganzen auch Olshausens Studienfreund Arnold Ruge, „Selbstkritik des Liberalismus (1843)“, in: Ders., Werke und Briefe, Bd. 2, hg. von Hans-Martin Sass, Aalen 1988, hier S. 110: „Von der Reform der politischen Formen das Heil der Welt zu erwarten, ist der alte Fehler des Liberalismus; Alles liegt an der Reform des Bewußtseins. Die Reform des Bewußtseins ist die Reform der Welt und kein Gott kann sie hindern“. Dabei denkt Ruge an eine Religionskritik im Sinne Ludwig Feuerbachs und David Friedrich Strauß’ als Instrument politischer Vernderung; ein Referat ber seine Leitgedanken in KCB 24/1843, S. 104. KCB 64/1832, S. 231. Ebd. Zu diesem bereits o. S. 430 Anm. 146. KCB 64/1832, S. 285 f.

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Feiertagsverordnung zurckgreifende Oberservanz111, zum anderen die tatschlichen Verhaltensweisen derer, die bewiesen, daß die Verordnung „dem Leben unserer Zeit fremd“ sei und sich auch „nicht zeitgemß machen“ ließe, „weil sie Zwang setzt, wo wir Freiheit wollen“112. In diesen ußerungen ergreift der Autor bereits deutlich Partei, nimmt darber hinaus die anvisierte Problematik jedoch zum Anlaß, ber jene Grundlagen der Freiheit zu reflektieren, die geeignet seien, auch der „Altglubigkeit“ Recht angedeihen zu lassen in ihrer effektlosen „hohnvollen Brandmarkung“ der „Sabbaths- und Religionsschndung“113. Jede positive nderung der Verhltnisse, so Burchardi, sei nur denkbar „durch den Geist von Innen“. Wo immer „jenes regere Leben des Geistes, zugleich mit der edlen Freiheit erscheint, […] da entsteht wahrhafte Piett und ernste Sitte im Gegensatz jener faden und leeren Lustsucht, in welche die in Fesseln geschlagene […] tobende Kraft, voll Verzweiflung wie zur Selbstbetubung sich ergießt. Der Mensch ist nmlich groß und erhaben, wird ihm nur erlaubt dies zu seyn; er ist klein und gemein, zwngt man ihn in schmachbringende Dienstbarkeit. Freiheit ist des Christenthums hçchste Verheißung und Gabe, Freiheit ist die Mutter alles Großen in der Natur wie im Menschen; im Reiche der Welt wie im Reiche Gottes. Der wahrhaft freie Mensch ist fromm, sittlich und groß, wie der wahrhaft fromme und sittliche nothwendig frei ist.“114

111 Der formelle Aspekt ergibt sich fr Burchardi aus dem absoluten „Gesetz Gottes, den Feiertag zu heiligen“ und dem „durchaus nicht absoluten brgerlichen Gesetz“, der „Sabbathsverordnung“, a.a.O., S. 285. 112 KCB 64/1832, S. 285; eine Neuregelung der Sabbathfrage brachte das Feiertagsgesetz vom 10. Mrz 1840. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die berlieferten sabbatlichen Rechtsgrundlagen aus dem 17. und 18. Jahrhundert maßgelblich; hierzu Lorenz Hein, Die Auseinandersetzungen um eine neue Feiertagsordnung auf den Stndeversammlungen in Schleswig und Holstein 1836 – 1840, in: SSHKG 2. Reihe Bd. 17, Neumnster 1959/60, S. 78 – 143. 113 KCB 64/1832, S. 285; hierzu etwa Claus Harms, Pastoraltheologie in Reden an Theologiestudirende, Drittes Buch, Kiel 1834, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, Band II, S. 220 – 280, hier S. 248: „Es ist traurig, wenn so alle Zeit in Anspruch genommen wird zur Fristung des leiblichen, fr die Obliegenheiten des tglichen Lebens. Und das nimmt nicht ab, sondern das nimmt zu. Nur einige Jahre fortan so, dann werden unsere Sonntage vçllig fr alle Arbeit frei gegeben, wie bei den Trken ihre Freitage […] Was wir kçnnen, ist dieses, das eine: Wir erinnern bei den Behçrden an die noch unaufgehobenen Sabbathsgesetze; das andre: Wir machen den bertretern dieser Gesetze dieserhalb Vorstellungen, freundliche, vernnftige, bittliche“. 114 KCB 64/1832, S. 285.

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Die Nichtbeachtung der Sabbathordnung durch einen alternativen Zeitvertreib am Feiertag grndet sich fr Burchardi im triebstrukturierten Bedrfnis einer geist- und freiheitslosen Masse nach Selbstbetubung, allerdings einer Masse, die zu Grçße und Erhabenheit bislang nicht befhigt und zur Freiheit noch nicht legitimiert ist. Daher gehe es um „Verbreitung der wahren Religion des Geistes, nicht des Buchstabens und der Form“, der „keine noch so starke polizeiliche Gewalt […] neues Leben einzuhauchen und ihre Beobachtung zu erzwingen vermçgen“115. Freilich liegt die Aufhebung der berlieferten Sabbathordnung ganz auf der Linie dieses Denkens; Burchardi hofft, es werde knftig „eben so wenig eine Sabbathsverordnung wie die Jetzige mehr gelten, als ber die Sabbatschndung und den unkirchlichen Sinn, mit so vielem Rechte wie gegenwrtig starke Klagen gefhrt werden.“116

Offen bleibt die Frage, inwieweit die von Buchstaben und Form befreite „Religion des Geistes“ zwingend und konsequent einen Gebote und christliche berlieferung achtenden „kirchlichen Sinn“ hervorzubringen in der Lage sei. Dafr aber, so die Essayisten, resultiere aus dem von ihnen angestrebten freiheitlichen Geist der gesellschaftliche Gemeingeist. Dieser trage jedoch nicht unbedingt kirchliche Zge; als „Vaterlndischer Gemeingeist“117 wolle der neue Geist divergierende menschliche Intentionen miteinander „versçhnen“, die den Menschen sich „als Theil des Ganzen“ fhlen ließen und ihn motivierten, „in der Einheit mit diesem sich fortwhrend zu entwickeln“, um sich „auf Kosten eben dieses Ganzen, sich selbst zu erheben und auszubreiten“118. Sollte es nicht gelingen, diese individuellen Aspekte auszutarieren, sei vaterlndischer Gemeingeist „allzeit bereit, mit Unterdrckung des eigenen Interesse dem Ganzen ein Opfer zu bringen119. So leistet er allemal das Hçchste, was der einzelne Staatsbrger dem Ganzen zu leisten vermag, und schmckt seine Stirne mit 115 116 117 118 119

Ebd. Ebd. Die unterschiedliche Schreibweise des „Sabbath“-Begriffes im Original. „Vaterlndischer Gemeingeist.“, KCB 99/1833, S.445 f. Ebd. S. 445. Das „Interesse des Ganzen“ nimmt nicht das jenseits der individuellen Gestaltungskraft erbrachte Opfer Jesu Christi zum Fundament menschlichen Handelns, sondern das je und je reproduzierbare Opfer des einzelnen Brgers. Die verklrende Terminologie christlich gestimmter Rhetorik bleibt jedoch hier wie auch im folgenden Zitatzusammenhang erhalten. Vgl. zu diesem Zusammenhang auch die o. S. 264 – 267 dargestellten religiçsen Anschauungen des Kieler Hochschullehrers Carl Friedrich Cramer.

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jenem ewig grnenden Lorbeerkranze brgerlichen Verdienstes, welchen sterbliche Hnde nicht flechten und irdische Augen nicht schauen.“120

Hier spricht nicht lnger der Untertanengeist eines absolutistischen Gemeinwesens; unter einem durchaus romantisierenden eschatologischen Ausblick ußert sich nunmehr der seinen Staat fortan mitgestaltende Brger. Bleiben die Intentionen des Gemeinwesens innerhalb des hier betrachteten politischen Essays eher unkonkret und verschwommen121, so zeigt sich doch die Nhe der rousseauistischen Gesellschaftsauffassung, die ja nichts anderes postuliert als das „gnzliche Aufgehen jedes Gesellschaftsgliedes mit allen seinen Rechten in der Gesamtheit“ – im Kontext Rousseaus jedoch unter expliziter Benennung der „obersten Leitung des allgemeinen Willens“122. Der sich auf diese Weise politisch bettigende Brger bedarf zur Organisation seines Verhltnisses zur Allgemeinheit gewisser Voraussetzungen, die Individuum und Kollektiv in ein strukturiertes Verhltnis bringen. Im Sinne Rousseaus stellt sich dabei dem Einzelnen als vorrangige Notwendigkeit die grundstzliche Befhigung zur Erkenntnis des Allgemeinwillens. Da dieser nur in einem forensischen Diskurs transparent werden kann, ist dem Individualbrger die „ffentlichkeit unentbehrlich, denn ohne diese ist ein Jeder nur auf dasjenige beschrnkt und bedacht, was ihn selbst unmittelbar berhrt“123. In zahlreichen Beitrgen widmet sich das Correspondenzblatt dieser Programmatik der „ffentlichkeit“ ber Jahre hinweg im liberal-demokratischen Sinne124 und visiert dadurch immer neu deren einzelne Teilbereiche an: 120 KCB 99/1833, S.445. 121 Der Autor spricht von der „Wahrheit“ und „Gerechtigkeit“ als „himmlischen Urbildern“, die dem einzelnen Menschen zwar unerreichbar sind, die es aber in jener „gemeinschaftlichen allgemeinen Bestrebung“, der „große und herrliche Werke gelingen“, zu erringen und erkmpfen gilt. 122 Jean-Jacques Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundstze des Staatsrechtes, Erstes Buch, S. 33; hierzu o. S. 25 – 34. 123 KCB 99/1833, S. 445. 124 Im kollektiven Bewußtsein der in den Herzogtmern lebenden Bevçlkerung mußte sich der Sinn çffentlicher Transparenz des politischen Handelns whrend des Vormrzes erst erschließen. In einem Brief aus Itzehoe vom „2. October“ [1835] an seinen Bruder Justus klagt Theodor Olshausen ber seine diesbezglich in der holsteinischen Stndeversammlung gewonnenen Eindrcke: „Die ffentlichkeitsfrage wird mit so spitzen Fingern […] angefaßt, dass da unmçglich etwas herauskommen kann. Sie frchten sich alle vor Auflçsung der Kammer“, zit. n. Theodor Olshausen, Briefe an den Bruder Justus, hg. von Ingo Reppmann und Joachim Reppmann, S. 102. Friedrich Hedde, ber die ffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, KCB 100/1843, S. 425 – 428, zieht S. 428 das Fazit: „ffent-

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ffentliche Rechtspflege125, çffentliche Verwaltung126, çffentliche Meinungsfreiheit127 und Pressefreiheit128, spter die zunehmend einge-

lichkeit ist heute die notwendige Bedingung eines gesunden Staatslebens“. Hinter dem ffentlichkeitspostulat verbirgt sich im Vormrz neben der Intention einer ausgeweiteten sozialen Kontrolle stets auch das Ziel einer fr propagandistische Zwecke nutzbaren Einsehbarkeit der Verhltnisse; hierzu Uwe Backes, Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese. Zum Wechselverhltnis zweier politischer Strçmungen im Vormrz, S. 57: „Stand den Regierungen […] ein breit gefchertes Arsenal repressiver Instrumente zur Verfgung, sttzten sich die Liberalen und Demokraten vor allem auf die Mobilisation der ffentlichkeit. Als Mittel dienten Feste, Versammlungen, Bankette, die vielfltigen Formen der Publizistik und das aufblhende Vereinswesen“. Dies zeigt sich auch im Correspondenzblatt, das ausgiebig ber den eben genannten Kanon gemeinschaftsbildender Instrumente berichtet; zu den in den Herzogtmern wie auch im Kçnigreich Dnemark begangenen, hier wie dort zunehmend unter nationalistische Vorzeichen gerckten Volksfesten, Versammlungen und Banketten vgl. KCB 9/ 1835, S. 42; 51/1839, S. 206; 83/1841, S. 338; 60/1842, S. 256; 65/ 1842, S. 278; 69/1842, S. 302; 38/1843, S. 164; 41/1843, S. 175; 59/1843, S. 255; 64/ 1843, S. 273 f.; 65/1843, S. 280; 83/1843, S. 350; 109/1846, S. 444; 110/1846, S. 448; hierzu a. Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 145 – 155. Zum Vereinswesen, insbesondere zum Turnen, vgl. KCB 76/ 1831, S. 331 f.; 95/1839, S. 389; 11/1843, S. 45 – 47; 14/1843, S. 61 – 63; 24/ 1843, S. 104;41/1844, S. 176 f.; 44/1844, S. 190; 71/1846, S. 288. – Die Mobilisierung der ffentlichkeit wurde unter den Bedingungen ausgedehnter individueller Arbeitszeiten des lohnabhngigen Bevçlkerungsteils der Herzogtmer jedoch auch zu einem mit dem kirchlichen Leben konkurrierenden Faktor, ber den die zur Feiertagsruhe aufrufende Sabbathverordnung zu einer Farce zu werden drohte. Neben diesen zeitlichen Aspekt trat ein inhaltlicher, den die schleswigholsteinische Geistlichkeit frh hervorhob. So erklrt der Glckstdter Pastor Dr. Johann Lbkert im KCB 60/1842, S. 256 in seiner Beurteilung eines „deutschen Sngerfestes“: „Wenn das ordnungsgemße Verhltniß wieder hergestellt seyn wird, wenn Sngerfeste nicht von dem Glauben der christlichen Kirche abgewandt, wenn sie den Mitteln derselben nicht entgegengestellt werden, wenn der Gesang vielmehr allseitig in den Dienst des Heiligen gestellt wird, von den Singenden namentlich und von den Hçrenden, – dann wird aller Anstoß aufhçren, weder Anstoß gegeben noch genommen“. Zur anonym publizierten Erwiderung auf diesen „finsteren Dmon“, der nur „die geistige Freiheit austilgen“ wolle, cf. KCB 65/1842, S. 278; prononciert in diesem Kontext auch die „Lieder und Gesnge fr das Weltliche Concert des Sngerfestes in Schleswig“, Schleswig 1844 [Hervorhebung im Original]. 125 KCB 71/1831, S. 312; 9/1835, S. 41; 19&20/1838, S. 79 f.; 96/1843, S. 410 f.; 100/1843, S. 425 – 428; 40/1844, S. 168 – 171; 88/1847, S. 357; in diesen Kontext gehçrt auch die massiv vorgetragene Forderung nach Einfhrung von Geschworenengerichten in: KCB 85/1843, S. 357 f., 86/1843, S. 360 f. sowie 88/ 1843, S. 368 f. – Diese Bemhungen blieben nicht ohne Resonanz. Im juristischen

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forderte allgemeine Wehrpflicht129, die im Sommer 1848, einer Zeit, in der „das Volk zur Selbstregierung gelangen soll“130, als „nothwendig anerkanntes Institut der Freiheit“131 beurteilt wird. Mitte der 30er Jahre jedoch beeilt sich das Correspondenzblatt hervorzuheben, daß eine „cht republikanische Gesinnung“ sich „auch in monarchischen Staaten beweise […], wenn nur in diesen die Gerechtigkeit und Brgergleichheit besteht“132. Doch seien diese Vorbedingungen „in solchen Staaten“ nicht voraussetzbar, da hier nur zu leicht „der Standesgeist gewisser begnstigter Classen, welche sich allein zum Herrschen und die Andern zum Gehorchen bestimmt glauben, die sich allein Rechte, den Andern aber nur Pflichten beilegen, und den Herrscher, an welchen sie sich kriechend drngen, durch Schmeichelei verderben, die Oberhand“ gewinne133.

Die harsche Kritik am „oligarchischen Junkerthum“, das – „noch verderblicher als das monarchische“ und „ohne alles Gefhl wahrer Menschenwrde“ – seinen „Fuß auf den Nacken des Freien“ setzt134, erinnert an die dem Adel entgegengebrachte Privilegienschelte eines August Hennings, der jedoch unter Einbringung demokratischer Ideale der absoluten Monarchie erklrtermaßen positiv gegenberstand135.

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Amtsexamen zu Kiel wurde den Examinanden Michaelis 1845 eine Erçrterung abverlangt ber die Frage: „Kann durch ffentlichkeit und Mndlichkeit des Verfahrens in Criminalsachen den Mngeln der Strafrechtspflege abgeholfen werden?“, KCB 80/1845, S. 361. Zum Ganzen a. Ernst-Erich Marhencke, HansReimer Claussen (1804 – 1894), S. 72 – 77. KCB 50/1837, S. 202. KCB 71/1831, S. 307. KCB 56/1833, S. 254; 9/1835, S. 41; 50/1837, S. 202; 37/1843, S. 158; 72/ 1846, S. 289 – 291; 88/1847, S. 357. KCB 59/1843, 254; 83/1843, S. 350; 79/1844, S. 347 f.; 83/1844, S. 363 – 365; 94/1844, S. 415; 88/1845, S. 394; 100/1845, S. 439 f.; 28/1846, S. 116. August Hartmeyer, Die Revolution und das Kieler Correspondenzblatt. Anstatt eines Programms, KCB 84/1848, S. 327 f., hier S. 328. Ebd. S. 327. Ohne Verfasserangabe, „Gemeingeist und Brgersinn“, KCB 20/1835, S. 93 f., hier S. 93. Ohne Verfasserangabe, „Gemeingeist und Brgersinn“, KCB 20/1835, S. 93. Ebd. Vgl. o. S. 189 f.

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Im Hinblick auf die 30er Jahre gilt es jedoch, die mittlerweile im dnischen Gesamtstaat eingetretene Bedeutungsreduktion des Adels136 mitzubedenken, die es den demokratisch Gesinnten durchaus nahelegen konnte, unter den Gegebenheiten des absolutistischen Staates zunchst vorrangig und exemplarisch gegenber dieser gesellschaftlichen Gruppierung offensiv zu werden. Gerade die in vielerlei Hinsicht bevorrechtete Aristokratie erschien als gesellschaftliches Segment, das auf Grund eigener Interessen in gemeinschaftsloser Konkurrenz zum Brgertum stand. Ein solches auf Isolation bedachtes Verhalten widersprach grundstzlich den Intentionen eines Gemeinsinnes, in dem „niemand ein Interesse daran (sc. hat, L.-P.), es den anderen drckend zu machen“, da ein jeder „gemeinschaftlich seine Person und seine ganze Kraft unter die oberste Leitung des allgemeinen Willens“ stellt137.

Beurteilt das Correspondenzblatt im Mrz 1835 die privilegienorientierte „Thorheit, Auszeichnung zu suchen, indem man Alles um sich niederwirft,“ als Schndung „der Wrde des Menschen“138, so stellt es die „Brgerwrde“ durch einen neutestamentlichen Bezug dar: „Der ist der grçßte im Himmelreich139, der seinen Brdern am meisten dient: das thut der gerechte, freie Brger von gerechtem Gemeinsinn, der sich und 136 Vgl. o. S. 372 f. – Lornsen spricht im November 1831 davon, daß der Adel „fast in keinem andern deutschen Staat so wenig ist und gilt wie bei uns“, ders., Brief an [Franz Hermann] Hegewisch, zit. n. Lornsen, Politische Briefe, S. 33. 137 Jean-Jacques Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundstze des Staatsrechtes, Erstes Buch, S. 33. – Durchaus auf dieser Linie einer ideologisch bedingten Oppositionshaltung gegen den Adel schrft das Correspondenzblatt seinen Lesern die Mahnung ein, keinesfalls den Schulterschluß mit der schleswig-holsteinischen Ritterschaft „als den letzten Bewahrern der formalen Landesrechte“ suchen zu wollen, KCB 52/1835, S. 232. 138 KCB 20/1835, S. 93. 139 Cf. Mt 18,1 – 5; hier beantwortet Jesus die Frage nach „dem Grçßten im Himmelreich“ mit einer zeichenhaften Handlung: Er stellt ein Kind in den Kreis der Erwachsenen und fordert diese auf, „umzukehren“ und „wie ein Kind“ zu werden. Hierzu Ulrich Luck, Das Evangelium nach Matthus, Zrich 1993, S. 201: „Zum Kinde werden bedeutet fr den erwachsenen Menschen zurckzukehren in die Unmndigkeit und Abhngigkeit […] Die Gottes- oder Himmelsherrschaft fordert immer eine Wende, eine Umkehr, einen Verzicht auf eine dem Menschen in seinem Sein mit auf den Weg gegebene Grundausrichtung: Er will groß sein, und er hlt sich an die Großen“. Die ethische Zielrichtung einer Abkehr von den nur durch Bedrckung anderer zu erringenden gesellschaftlichen Idealen i. S. der berlieferten Privilegienordnung eint den eben genannten Artikel im Correspondenzblatt mit dem neutestamentlichen Kontext; an die Stelle der intendierten „Unmndigkeit und Abhngigkeit“ gegenber Gott rcken jedoch nunmehr die

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seinen Vortheil und Ruhm dem gemeinen Besten unterordnet, der sich nur groß fhlt in dem allgemein verbreiteten Gefhl der Brgerwrde, der seine Auszeichnung darin sucht, daß er jedem die Stelle sichert, die ihm in der Gesellschaft gebhrt, und das Gleichgewicht unter Gleichen herstellt […] Wo eine Ungleichheit, ein drckendes bergewicht entstehen will, da waltet er mit dem Geist der Mßigung; wo sich ein Streit entzndet, da tritt er als Friedenstifter140 und Versçhner141 ein; er nimmt sich jedes Schwachen und Verletzten an […] und vereinigt die guten Brger zum Widerstand gegen die schlechten.“142

Diese ußerungen erinnern in formaler Hinsicht an einen christlichen Tugendkatalog143 ; inhaltlich deuten sie jene rechtliche Intentionen an, die ein sich der Sylter Landschaftsverfassung widmender Artikel zuvor bereits im Sommer 1831144 durch ein germanische Rechtspraxis reflektierendes

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Gerechtigkeit und Freiheit jenes Brgers, der „seine Auszeichnung darin sucht, daß er jedem die Stelle sichert, die ihm in der Gesellschaft gebhrt“. An die Stelle der Gottesherrschaft tritt die freiheitliche brgerliche Herrschaft. Die Gottesherrschaft erscheint nicht mehr als zu erwartendes Geschenk des kommenden Gottes; ihre inhaltlichen Verheißungen geraten zu Zielsetzungen und unterliegen damit den Mçglichkeiten brgerlicher Machbarkeit. Vgl. Mt 5,9: „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gott Kinder heißen“. Vgl. 2. Kor 5,19c: Gott „hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versçhnung“. KCB 20/1835, S. 94. Im Hintergrund steht ein von antagonistischen Intentionen durchsetzter gesellschaftlicher Dualismus. Vgl. zu dieser biblisch berlieferten Form ethischer Unterweisung Hans Conzelmann, Grundriss der Theologie des Neuen Testaments, Mnchen 1976, S. 110 – 112. Die Anleihen innerhalb der biblischen Terminologie und Vorstellungsgehalte verbinden sich hier einmal mehr mit einer elementaren Umdeutung. Eine assoziativ sicherlich nicht unwirksame, weil der Schrift entliehene Rhetorik bemht sich, Inhalte postulierter gesellschaftlicher Vernderungen nicht zuletzt unter den Bedingungen der Zensur salonfhig werden zu lassen. KCB 70/1831, S. 306 f.; es handelt sich hier um die Rezension eines vom Sylter Landschaftsarzt Dr. G.[eorg] N.[icolaus] Wlfke verfaßten und von dem Kieler Professor Andreas Ludwig Jakob Michelsen herausgegebenen Werkes „ber die Sylter Landschaftsverfassung und ihre zeitgemße Verbesserung“, Kiel 1831; die Renzension nennt S. 306 als eingeforderte Verbesserungen administrative Mitbestimmung und freie periodische Wahlen, wçrtlich: „die gesetzliche Bestimmung der Wirksamkeit bauerschaftlicher Urversammlungen und ihres unmittelbaren Einflusses auf die landschaftliche Administration in wichtigen und außergewçhnlichen Angelegenheiten“ und die „freie Wahl aller communalen Reprsentanten durch die Gemeinde, […] und zwar periodische, mit Abschaffung der Lebenswierigkeit der communalen mter“. Wlfke war enger Freund Lornsens, der ihn als „guten Demagogen“ ansah, vgl. dens., Brief vom 28. Februar 1833 an Franz Hermann Hegewisch, in: Lornsen, Politische Briefe, S. 90. Die Rezension der Publikation Wlfkes wie auch diese selber stehen in einem breiten Strom zeitgençssischer Erçrterung ehemaliger regionaler und historisch aus dem ger-

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Tacitus-Zitat fokussiert hatte: „De minoribus rebus principes consultant, de majoribus omnes“145. Daher msse sich Jedermann „ber die constitutionellen Rechte und Pflichten“ belehren, „sich als Mitglied eines Gemeinwesens fhlen lernen und in Stand setzen, ber alle çffentlichen Angelegenheiten richtig zu urtheilen“146. Dieses Postulat verlangt pdagogische Bildung147, die den einzelnen Brger zu begrndetem Sachverstand und Urteilsvermçgen zu befhigen vermag. Es bedarf daher notwendigen Sachwissens und des Zugangs zu den entsprechenden Informationen, womit erneut das Erfordernis wesentlicher Transparenz der çffentlichen Diskurse und Verhltnisse hervortritt: „Es giebt keine Stadt- und keine Staatsgeheimnisse mehr!“, denn „das Privilegium der politischen wie der Religionskenntnisse hat aufgehçrt. Jeder Protestant darf in der Bibel lesen, jeder bezahlende active Brger darf wissen wie es mit dem Haushalt der Genossenschaft zusteht, zu deren Casse er kontribuiert.“148

Dienen die ber das Gemeinwesen erworbenen Sachkenntnisse der Gewinnung politischer Kompetenz, so stellt sich insbesondere unter den Konditionen einer absolutistischen Staatsverfassung die Problematik der Untertanenpflicht: Gehen Brgerwille und Untertanenpflicht auf Kollisionskurs, stellt sich die Gehorsamsfrage. Diesem Problem geht ein bereits im Sommer 1832 im Correspondenzblatt publizierter Essay nach, der „ber das gçttliche Recht der Frsten und ber die Pflicht der Unterthanen zu unbedingtem Gehorsam“149 handelt. Die brgerliche Ordnung erscheint hier unter einem „sittlichen und christlichen Gesichtspunkte“ als

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manischen Recht berlieferter Rechtspraxis. Der Grund fr diese literarische Produktivitt wurzelt im Motiv geschichtlicher Forschung, das die Zensur zu umschiffen vermag, ebenso wie im Verlangen einer Rckbesinnung auf die zwischenzeitlich verschtteten Quellen und Verhltnisse einer erstrebenswerten Vergangenheit, wie ihn die Reformation programmatisch in dem Ruf „ad fontes“ niederlegte: Zukunft braucht Herkunft. Publius Cornelius Tacitus, Germania 1/11, hg. von Manfred Fuhrmann, Stuttgart 1989, S. 17. KCB 10/1832, S. 44. Diesen betont das Correspondenzblatt immer wieder; vgl. etwa: „Giebt es also eine Angelegenheit, welche der çffentlichen Versprechung werth ist, so ist es die der Menschenbildung“, KCB 3/1836, S. 9. KCB 26/1835, S. 122. Einmal mehr zeigt sich hier die Nachhaltigkeit des reformatorischen Erlebnisses als Ermchtigung des Individuums zur eigenen Glaubensund Meinungsgewinnung. KCB 43/1832, S. 189 f.

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„hçchstwichtiges Geschenk Gottes“150, fr dessen Erhaltung jeder einzutreten habe. Umgekehrt sei jeder Zerstçrer dieser gottgegebenen Ordnung ein „Feind“ und msse als solcher behandelt werden. Ein solcher Angriff kçnnte auch „von der Landesherrschaft selbst ausgehen“, woraus sich „das Recht der Nothwehr“ ergbe, so daß „Verweigerung des Gehorsams und selbst thtlicher Widerstand nicht blos Recht, sondern unerlßliche Pflicht“ wrden151. Sich in diesen ußerungen ausdrcklich auf die Reformatoren berufend, hlt der Autor als „allgemeinen Grundsatz“ fest, daß, wo „Vernunft und positives Gesetz der obrigkeitlichen Gewalt Schranken setzen und die Unterthanen zum Widerstande berechtigen, ein solcher Widerstand den Vorschriften des Christenthums nicht zuwiderlaufe.“152

Das Widerstandsrecht gegen eine zum Feind der christlichen Ordnung gewordene Obrigkeit entspricht durchaus lutherischer Tradition153 ; doch bleibt fraglich, ob in dieser das Verhltnis von Obrigkeit und Gemeinwillen als so gleichwertig empfunden wird, wie dies das Correspondenzblatt suggeriert. Zudem ist es letztlich der in Opposition zur Obrigkeit tretende Gemeinwille154, der zum Widerstand auffordert, und dies nicht unbedingt im Kontext spezifisch christlicher Kausalitten155. Dies zeigt sich im Re150 Ebd. S. 189. 151 Ebd. 152 Ebd. – In seiner Differenzierung zwischen ministeriellem Regierungskabinett und dem Monarchen denkt ein Essay ber „Lornsen“ im Sommer des Jahres 1840 an die Mçglichkeit, daß gerade treue „Unterthanen, welche sich nicht scheuen den Wunsch nach Abstellung arger Mißbruche laut auszusprechen […] fr den Souverain gar leicht mehr werth seyn als hundert Schmeichler“; daraus folgert der Autor, daß es „keinesweges in den Pflichten eines guten Unterthanen“ liegen kçnne, „fr die Minister auf dieselbe Weise unerschtterlichen Respect zu haben wie fr den Souverain selbst“, KCB 79/1840, S. 317 f., hier S. 318. Damit antizipiert das Correspondenzblatt sehr frh die Grundlagenstruktur der whrend der Erhebung gegen Dnemark maßgeblichen These vom „unfreien Landesherrn“; hierzu unten S. 606 – 608. 153 Vgl. hierzu Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit. Wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei, Band 4 der Calwer Luther-Ausgabe, hg. von Wolfgang Metzger, 3. Aufl. Stuttgart 1978, hier: S. 11 – 60. 154 In einem Beitrag ber „Die freie Presse“ prognostiziert Friedrich Hedde im Sommer 1846: „Dem entschiedenen, auf allen gesetzmßigen Wegen sich ußernden, Willen des Volks kann keine Macht auf die Lnge widerstehen“, Ders., KCB 72/1846, S, 289 – 291, hier S. 291. 155 Bereits im November 1842 erklrt Theodor Olshausen: „Die Volksfreiheit ist berall heilig“, ders., „Sendschreiben an den Jtlndischen Stndeabgeordneten, Obersten Brock.II“, KCB 90/1842, S. S. 393 – 395, hier S. 394.

2. Der Diskurs ber die Frage der Volkssouvernitt

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volutionsjahr 1848, als die Herzogtmer whrend ihrer Erhebung das Widerstandsrecht gegen eine vom Gemeinwillen zum Feind erklrte Regierung wahrnehmen. Die an deren Stelle getretene provisorische Regierung befindet sich einen Tag im Amt156, als das Correspondenzblatt „die Entwicklung unserer Freiheit“ zur wichtigsten „Aufgabe unseres Volks“ erhebt157. Die „dauernde Organisierung unserer innern und ußern Verhltnisse fordert natrlich die Berufung einer neuen aus dem ganzen Volke hervorgegangenen Volksvertretung. Die jetzige, nur von Wenigen und unter vielen Beschrnkungen erwhlte Stndeversammlung ist kein wahrer Ausdruck des Volkswillens.“158

Mit dieser Zurckweisung eines vom Besitzstand abhngigen Wahlrechts159 im Postulat eines uneingeschrnkten Wahlrechts verbindet sich nunmehr der Ruf nach einer Volksvertretung, die nichts anderes realisiert als den Gemein- oder Volkswillen im Sinne des Gedankens der Volkssouvernitt. Dementsprechend lautet die Losung, die seit dem Mrz des Jahres 1848 keiner Zensur mehr begegnet: „Das Volk soll zur Selbstregierung gelangen!“ 160. In der konkreten Erhebungssituation bedeutet dies nichts anderes als die „Durchfhrung der Volksfreiheit“161. Zu diesem Zweck werden die çffentlichen mter unmittelbar durch brgerliche Deutungsaktivisten besetzt; gleichzeitig intendiert ein beginnender Auf- und Ausbau demokratischer Einrichtungen, die nunmehr realisierbar scheinende 156 Seit dem 24. Mrz 1848. Hierzu Hans Schultz Hansen, Demokratie oder Nationalismus – Politische Geschichte Schleswig-Holsteins 1830 – 1918, in: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, hg. von Ulrich Lange, S. 427 – 485, hier S. 442 – 444. 157 KCB 36/1848, S. 148. 158 Ebd. 159 Im Vormrz waren die Liberalen „weithin Gegner des allgemeinen Wahlrechts, die Demokraten hingegen berwiegend dessen Befrworter“, Uwe Backes, Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese. Zum Wechselverhltnis zweier politischer Strçmungen im Vormrz, S. 17. Ein Beleg fr die tatschliche Einforderung uneingeschrnkten Wahlrechtes fr das gesamte Volk i. S. eines auch das Frauenwahlrecht einschließenden Postulates findet sich in den von mir eingesehenen Quellen jedoch nicht. 160 August Hartmeyer, Die Revolution und das Kieler Correspondenzblatt. Anstatt eines Programms, KCB 84/1848, S. 327 f., hier S. 327 [Hervorhebung im Original]. Diese programmatische Forderung greift eines der klassischen Verfassungsprinzipien des politischen Radikalismus explizit auf; hierzu Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band II, S. 405 – 409. 161 Ebd. S. 328.

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Kapitel VI

Volkssouvernitt nicht in den Kanlen des seit 1834 auf dem Zensuswahlrecht aufbauenden reprsentativen Systems zerrinnen zu lassen.

3. Der Diskurs ber das „deutsche Vaterland“: Eine Antithese zur staatsrechtlichen Bindung der Herzogtmer an das Kçnigreich Dnemark 3.1 Zwischen kultureller Heimat und politischem „Vaterland“: Suchbewegung in eine deutsche Zukunft Im Sommer 1847 beklagt Friedrich Hedde, daß „im Norden Deutschlands, namentlich in unsern Herzogthmern“ wenig zu erkennen sei von jenem „Drngen und Treiben des thatlustigen Geistes“, der „Handel, Gewerbe und Industrie in vielen Gegenden Deutschlands wieder zu solcher Hçhe“ gebracht habe162. Diese ußerung rechnet Schleswig und Holstein geradezu selbstverstndlich jenem politischen Gebilde zu, das im zeitgençssischen Kontext als „Deutschland“ bezeichnet wird163. Als regionale Bestandteile desselben sieht Hedde die Herzogtmer in sozioçkonomischer Hinsicht hinter den wirtschaftlich strker entwickelten sdlichen Regionen zurckliegen164. Fr diesen Zustand macht Hedde angesichts des „Mangels einer krftigen Volksvertretung“ die „einseitige Auffassungsweise der Regierung“ verantwortlich, welche „die Interessen des Volks, insbesondere der Handel- und Gewerbetreibenden“ beschdige165. Dieser 162 Friedrich Hedde, „Lehren der gegenwrtigen Noth“, KCB 88/1847, S. 355 – 357, hier S. 356. 163 Zur „Deutschen Frage“ whrend der ersten Hlfte des 19. Jahrhunderts Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, I. Bd., 3. Aufl., Freiburg 1947, S. 546 – 553; Golo Mann, Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, S. 118 – 128. Dem Correspondenzblatt ist durchaus bewußt, daß der aktuelle deutsche Staatenbund politischer Einheit und Realitt entbehrt; dies zeigt eine im Herbst 1840 abgedruckte, im historischen Rckblick geradezu gespenstisch anmutende ußerung, die durch einen zum Krieg werdenden außenpolitischen Druck eine Beschleunigung der Einheitsbetrebungen erwartet: „Einem Weltkrieg ist es vorbehalten, die wirklich bestehende deutsche Einheit zum klarsten Bewußtseyn und zur hçchsten praktischen Bedeutung zu erheben“, KCB 96/1840, S. 385. 164 Hierzu bereits Heddes Ausfhrungen in seinem Beitrag „Der Deutsche Bund – der Deutsche Zollverein – Schleswig“, KCB 77/1843, S. 323 f. 165 KCB 88/1847, S. 356; hier auch die nhere Konkretisierung des Vorwurfs als die durch die dnische Außenpolitik angeordnete Unterbindung des Handels der

3. Der Diskurs ber das „deutsche Vaterland“

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Vorwurf kommt dem Bekenntnis zur Herauslçsung der Herzogtmer aus dem Gesamtstaat nahe. Die Grundlage fr dieses Bekenntnis hat das Correspondenzblatt zu diesem Zeitpunkt ber mehr als anderthalb Jahrzehnte hinweg in zahlreichen Beitrgen vorbereitet. Bereits Ende 1831 spricht Theodor Olshausen von „unserm deutschen Vaterlande“166, dem es „unter dem Panier der Geistes-Freiheit“ entgegenzustreben gelte in ungeteilter „Liebe […] zu einem gesetzlich freien Deutschland“, wobei „die Ansichten, welche zu diesem Ziele fhren, verschieden seyn kçnnen“167. Die gleiche Intention verrt ein Essay aus dem Frhjahr 1832 „ber das heimathliche Forstwesen; oder patriotische Wnsche eines holsteinischen Forstmanns“168 ; der Beitrag intendiert eine Umarbeitung der holsteinischen Forstgesetze in Anlehnung an legislative Vorbilder sddeutscher Staaten169. Auch im Bereich der Infrastruktur mit den „im Winter durchaus nicht zu passirenden Poststraßen“ liegt der Maßstab fr „unsere Herzogtmer“170 im Sden,

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Herzogtmer mit Spanien und Krakau. Der Beitrag setzt die lange Linie einer aus den Herzogtmern auf Grund wirtschaftlicher Beeintrchtigung durch die dnische Regierung gebten Kritik fort; hierzu a. Rudolph Schleiden, Erinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. II, Wiesbaden 1890, S. 67 f. KCB 94/1831, S. 412; die explizite vormrzliche Bezeichnung Deutschlands als politisches „Vaterland“ ferner in KCB 31/1834, S. 149; 73/1842, S. 322; 89/ 1842, S. 391; 93/1845, S. 413; 25/1848, S. 103. In rein kultureller Hinsicht intoniert den deutschen „vaterlndischen Lobpreis“ im KCB 144/1847 S. 587 mit dem Flensburger Pastor Christian August Valentiner dagegen ein treuer „Unterthan und Beamter des Dnischen Staates“; doch vgl. hierzu u. S. 631 Anm. 176 sowie S. 644 Anm. 213. KCB, a.a.O. (Anm. 165); Hervorhebung im Original. KCB 23/1832, S. 102 f. „Baiern, Wrtemberg, Baden, Hessen oder einzelne andere deutsche Staaten“, a.a.O., S. 102. Der Plural indiziert die Einbeziehung auch Schleswigs in die Reihe „deutscher Lnder“. Die Schleswiger Stndeversammlung, ber die ihr Prsident Graf Magnus Moltke KCB 63/1837 S. 253 f. referiert, nahm ihrerseits im Sommer 1837 die im Herzogtum praktizierte Zweisprachigkeit in den Blick und stellte den Antrag, „daß in den dnischen Schulen des Herzogthums Schleswig die deutsche Sprache mçge gelehrt werden, indem die Kenntniß dieser Sprache, bei dem fast ausschließlichen Verkehr mit dem Sden, ein dringendes Bedrfniß sey“, a.a.O., S. 254. Zu diesem Sprachkonflikt vgl. Rudolph Schleiden, a.a.O. (Anm. 165), S. 68 – 72; Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, Hg., Die Herzogthmer Schleswig-Holstein und das Kçnigreich Dnemark. Aktenmßige Geschichte der dnischen Politik seit dem Jahr 1806, S. 153 – 162; Alex.[ander] Thorsoe, Den danske Stats Historie fra 1814 – 1848, S. 429 f.; Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 77 – 79.

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d. h. konkret: in „allen andern deutschen Lndern“171. Im September 1836 setzt sich das Correspondenzblatt ein fr den im „Zuchthause zu Emden“ inhaftierten deutschen Patrioten Dr. G.[eorg] F.[riedrich] Kçnig und seine in der Haft geschriebenen „Deutschen Briefe“172, der „seiner berzeugung selbst die einem Familienvater theuersten Interessen zum Opfer brachte“173. In der Phase des von ihm propagandistisch vorangetriebenen „Neuholsteinismus“174 bemht sich das Correspondenzblatt um die Darstellung Holsteins als eines genuinen und aktuellen deutschen Landesteils: „Holstein ist ein integrirender Theil des deutschen Bundes und zu matrikelmßiger activer Theilnahme an den Kriegen desselben verpflichtet. […] Das Land Holstein hatte Jahrhunderte lang Grafen, darauf Herzçge, htte, wie verlautet, die Großherzogliche Wrde haben kçnnen 1815; aber niemals ist die holsteinische Krone eine Kçnigliche gewesen […] Die Færøer, Island, Grçnland mçgen dnische Nebenlnder seyn, Holstein ist’s nicht […] so bleibt der Holsteiner ein Deutscher.“175

Zunehmend verschrft sich der auf separatistische Tendenzen bedachte Ton des Correspondenzblattes. Ende 1842 zieht dessen Herausgeber eine Zwischenbilanz der Beziehungen zwischen Holstein und Dnemark und erhebt in diesem Zusammenhang politische Forderungen, die einer Herausforderung der dnischen Seite gleichkommen: 171 KCB 26/1835, S. 123. 172 Dr. G.[eorg] F.[riedrich] Kçnig, Deutsche Briefe, geschrieben im Zuchthause zu Emden, Emden 1837; Kçnig stammte aus Osterrode, war 1832 einer der Initiatoren fr das Hambacher Fest und engagierte sich fr die „Gçttinger Sieben“. Letzteres trug ihm eine 10jhrige Gefngnisstrafe ein. Eines seiner frhen Werke kreiste um den Gedanken eines hannoverschen Staatsgrundgesetzes: Ders., ber die politischen und brgerlichen Reformen und den Entwurf eines Staatsgrundgesetzes fr Hannover, Leipzig 1832. Der Hinweis im Correspondenzblatt deutet hin auf eine solidarische Vernetztheit der norddeutschen Verfassungspetendenten im Vormrz. 173 KCB 83/1836, S. 326. Die Solidaritt mit den deutschen Patrioten sdlich der Elbe wurde vom Correspondenzblatt als Ausdruck gemeinsamer Verklammerung stets gepflegt. So ruft das Blatt etwa KCB 52/1847 S. 210 auf zur Untersttzung der nach dem Tod ihres Ernhrers in Not geratenen Familie Steinacker unter der Begrndung, der Verstorbene sei ehemals „Prsident der letzten Braunschweigischen Stndeversammlungen“ und ein „Fçrderer jeder freiheitlichen Entwicklung in Deutschland“ gewesen. 174 S. o. S. 513 f. 175 KCB 4/1838, S. 16; hnlich Hans Reimer Claussen, „Holstein, eine Provinz von Deutschland“, KCB 97/98 / 1840, S. 389 f.

3. Der Diskurs ber das „deutsche Vaterland“

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„Die Holsteiner […] sind gute Deutsche, und ihr Deutsches Nationalgefhl ist seit den letzten zehn Jahren reger geworden. Hieraus erklrt sich die bittere Stimmung, die gegen das sonst so geachtete Nachbarvolk in Holstein leider herrschend geworden ist. Lassen Sie uns volle Gerechtigkeit widerfahren, so wird sich diese Stimmung sogleich in die entgegengesetzte verwandeln. Lassen Sie Holstein als von Dnemark unabhngigen Deutschen Bundesstaat organisirt werden, lassen Sie es seine Regierung, seine eigenen Finanzen, sein abgesondertes Deutsches Bundescontingent, […] lassen Sie es eine Verfassung erhalten, wie andere Deutsche Staaten sie haben in bereinstimmung mit der Bundesverfassung176 : so werden die Holsteiner so nachbarlich gegen die Dnen gesinnt seyn, wie vor den Versuchen, Dnische Sprache, Dnische Einrichtungen und Dnisches Geld177 in ihrem Lande heimisch zu machen.“178

Eine positive Nachbarschaft als unabhngiger deutscher Bundesstaat: Dies verheißt zu Beginn der 40er Jahre ein politisches Programm, das auf dem postulierten Wandel des çffentlichen Bewußtseins und dem aus diesem resultierenden neuausgerichteten Volkswillen aufbaut. Dieser inszeniert sich zunehmend in Volksfesten und im Vereinsleben179, aber auch in prodeutschen Kundgebungen whrend der Besuche des seit 1839 als dnischer Kçnig regierenden Christian VIII.180. Zu einer bemerkenswerten Demonstration deutsch-nationaler Bestrebungen gert die in Kiel und Dsternbrook abgehaltene „1000jhrige Feier der Grndung des Deut176 Hierzu auch Olshausens verfassungsrechtliche Ausfhrungen ber die sich aus der Verflechtung Holsteins mit dem Deutschen Bund ergebende „Nothwendigkeit der Verfassungstrennung zweier Lnder wie Dnemark und Holstein“ im „Sendschreiben[s] an den Jtlndischen Stndeabgeordneten, Obersten Brock. III“, KCB 92/1842, S. 404 – 407, hier S. 405 f. 177 Hierzu o. S. 381 – 385 178 Theodor Olshausen, „Sendschreiben an den Jtlndischen Stndeabgeordneten, Obersten Brock. I“, KCB 89/1842, S. 389 – 391, hier S. 390. 179 Vgl. o. S. 523 Anm. 124 und die dort genannten entsprechenden Beitrge aus dem Correspondenzblatt. 180 Vgl. den Bericht ber demonstrationsbedingte Tumulte im schleswigschen Tondern im KCB 66/1842, S. 286; von antidnischen Kundgebungen in der Stadt Schleswig 1846 weiß auch der Friedrichsberger Propst Nicolai Johannes Ernst Nielsen, vgl. dens. in: Andenken an Schleswig-Holstein. Nicolai Johannes Ernst Nielsen. Carl Grf: Zwei Lebenserinnerungen aus der Zeit der Erhebung, hg. von Martin Herrmann, Flensburg 1994, S. 46 – 48; antidnische Provokationen in Plçn schildert Rudolph Schleiden, Erinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. II, S. 182. Zu Christian VIII.: A. Thorsøe, DBL 3, S. 515 – 522; Johannes Brock, Die Vorgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Erhebung von 1848, S. 105 – 107; 119 – 123; Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 31 f.; 110 f.

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schen Reichs“181, deren einleitender Toast „Sr. Maj. Dem Kçnig, unserem Herzog“182 gilt. Als Vertreter der theologischen Fakultt weist Professor Anton Friedrich Ludwig Pelt183 „auf die Deutsche Zukunft hin“ und ußert „sein Vertrauen, daß die gemeinsame Deutsche Sache nicht erst nach einem Jahrtausend, nicht nach einem Jahrhundert, sondern in einem Decennium, in den nchsten Jahren einen starken Schritt vorwrts gemacht haben werde“184. Unverkennbar ußert sich hier die Hoffnung einer raschen Entwicklung der deutschen Einheit und damit einhergehender Vernderung der politischen Lage der Herzogtmer185 : Dem Prozeß innerhalb der 181 KCB 64/1843, S. 273 f.; zu dieser auf Veranlassung Droysens zustandegekommenen Verdunfeier a. u. S. 542 – 544. 182 Die Differenzierung zwischen Kçnig- und Herzogtum des Regenten rekurriert bewußt auf die Kinderlosigkeit des Kronprinzen, des spteren Friedrich VII. Als Landesherr der Herzogtmer blieb der dnische Kçnig jeweils Herzog; fr deren Erbfolge reklamierten die auf eine schleswig-holsteinische Separation ausgehenden politischen Krfte frhzeitig die auf germanisches Rechtsdenken zurckfhrbare Sukzession ausschließlich des „Mannesstamms“. Diese Einschrnkung schloß das dnische Kçnigsgesetz aus, vgl. o. S. 101 f. Grundstzlich weigerte sich der liberale Demokrat Hans Reimer Claussen, „in Dingen dieser Art das geschriebene Recht ber Alles“ gehen zu lassen: Ders., „Noch ein Wort ber die Holsteinische Thronfolge“, KCB 96/1843, S. 409 f.; hierzu Ernst-Erich Marhencke, HansReimer Claussen (1804 – 1894), S. 85 f.; ferner Reimer Hansen, Zur Geschichte der dnischen Politik 1840 – 1848, in: ZSHG 42 / 1912, S. 253 – 371, hier S. 253 – 256; Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 95 – 103; Dietrich Korth / Hartwig Molzow, SHBL 9, 78 – 81, hier S. 80 f. 183 Pelt hatte in Jena, wo er zur Burschenschaft gehçrte, studiert und war zunchst Privatdozent in Berlin. Seit 1835 in Kiel, nherte er sich „ausgehend von einem ursprnglich hegelianisch spekulativen Standpunkt einerseits […] der Theologie Schleiermachers sowie Neanders andererseits und versuchte beide in Verbindung zu setzen“, Thomas K. Kuhn, BBKL VII, Sp. 184 – 186, hier: Sp. 185. 184 KCB 64/1843, S. 273; vgl. hierzu auch ein „Deutsches Morgenlied. September 1846“, KCB 124/1846, S. 502, und den im KCB 102/1847 auf S. 413 geußerten Gedanken einer gegenwrtigen „bergangsperiode“ im Verhltnis zwischen den „Deutschen Regierungen“ und dem „Deutschen Volk“. 185 „Das Deutsche und das Dnische scheint ja leider sich immer feindlicher zu berhren“, bemerkt der dnische Etatsrat Bernhard Rathgen brieflich am 11. Dezember 1843 gegenber seiner Frau; am 19. August 1845 schreibt er ihr: „Die Zustnde in den Herzogtmern werden immer beunruhigender […] In welchen Zustand ist doch das Land in reichlich 5 Jahren gebracht“, zit. n. Justus von Olshausen, Briefe aus Schleswig-Holsteins schwerster Zeit, S. 192 f. – Einen Kassandraruf sandte Karl Samwer am 8. November 1845 dem Herzog Christian August von Augustenburg: „Geht es noch lange so fort, ein paar Jahre, so sind wir bei den Thtlichkeiten“, zit. n. Johannes Brock, Die Vorgeschichte der SchleswigHolsteinischen Erhebung von 1848, S. 168.

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deutschen Staatengemeinschaft im Sden korrespondiert der Prozeß einer zunehmend intendierten Herauslçsung Schleswigs und Holsteins aus dem dnischen Gesamtstaat im Norden186. Pelts Prophezeiung sollte sich fnf Jahre spter erfllen; es war in der Tat die Entwicklung der politischen Verhltnisse sdlich der Elbe, die den deutschgesinnten Politikern in den Herzogtmern Anlaß und Mçglichkeit gab, ihrer Kehrtwende gegen den dnischen Gesamtstaat den Charakter einer sich mit dem Volkswillen identifizierenden Erhebung zu geben. 3.2 Zwischen „Brudervolk“ und dem „Kampf zwischen uns und Dnemark“: Fluchtbewegung aus dem dnischen Gesamtstaat Aus der 1838er Jahresversammlung des „Litterarischen Vereins fr die Prediger der Probstei Flensburg“, an der neben Propst Georg Jacobsen187 ein Lehrer der Flensburger Gelehrtenschule, 21 Pastoren und vier Candidaten teilgenommen hatten, bermittelt das Correspondenzblatt einen „unter allgemeinem Applaus“ ausgebrachten Toast: „Gott wolle uns behten, / Daß wir nicht werden Jten!“188

Dem darauf in der dnischen Presse189 gegen den Flensburger Predigerverein einsetzenden Sturm prodnischer Entrstung begegnet der Propst durch die Erklrung, „daß der fragliche Reim ein Inpromptffl“ von ihm selber gewesen sei, „und zwar auf Veranlassung eines Gesprchs ber die den Bewohnern des Herzogtums Schleswig so anstçßige, […] selbst in der Schleswigschen Stndeversammlung mit Unwillen besprochene neue Olsen’sche Karte, auf welcher das Herzogthum Schleswig ganz weggestrichen und dafr Sdjtland gesetzt seyn soll190 ; daß 186 Im KCB 135/1846, S. 552 f. findet sich der Bericht ber den „Antrag auf Beitritt des Herzogthums Schleswig zum Deutschen Bunde“, der durch die Regierung eine harte Ablehnung erfuhr. 187 Zu diesem Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten I, S. 387. Jacobsen amtierte seit 1807 als Flensburger Propst; er wurde 1839 zum Ritter des Dannebrogsorden ernannt. 188 KCB 64&65/1838, S. 265. Das an Schleswig grenzende Jtland ist hier pars pro toto fr Dnemark. 189 Hierzu KCB 79/1838, S. 326. 190 Capitain O.N. Olsen, Skizze til et Physisk-Geographisk Kaart over Danmark, Holsteen og Lauenborg, udg. af Selskabet for Trykkefrihedens rette Brug, Kjøbenhavn 1837. Zu diesem Versuch kartographischer Vereinnahmung Schleswigs

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dieser Reim so lautete: Gott wolle uns behten / Daß wir nicht werden Sdjten […] in unserm Verein [werden, L.-P.] keine politische Lieder und berhaupt keine Lieder gesungen.“191

Die Begebenheit verdeutlicht den enormen Loyalittsdruck, dem sich die Beamten des dnischen Gesamtstaates einschließlich seiner Geistlichen in Fragen der nationalen Identitt ausgesetzt sahen192 : Ließ der Zwang zu politischer Korrektheit keinen Spielraum mehr fr ein humorvolles Apercu, so zeigte sich zunehmend das bereits 1806193 zutage getretene Interesse der Regierung und des prodnischen Bevçlkerungsanteils an einer verbindlichen Klrung der Sdgrenze des dnischen Territoriums. Da die Eider die nçrdliche Grenze des Deutschen Bundesgebietes markierte, konnte diese im dnischen Bewußtsein zunehmend als Sdgrenze des dnischen Staatsgebietes erscheinen194. Dem Bestreben exakter Fixierung dieser Grenze entsprach ein auf vielen Ebenen agierendes dnisches Handeln, das jenes erwachende Volksleben195 zur Folge hatte, das im

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als dnischem Territorium vgl. a. Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, Hg., Die Herzogthmer Schleswig-Holstein und das Kçnigreich Dnemark. Aktenmßige Geschichte der dnischen Politik seit dem Jahr 1806, S. 125 f.; allerdings gebraucht bereits der holsteinische Pastor und sptere Eutiner Superintendent Detlev Johann Wilhelm Olshausen die Bezeichnung Schleswigs als „Sdjtland“, vgl. dens., Kurze Beschreibung des Dnischen Staates. Zunchst zum Gebrauch in Schulen, dann auch fr nichtgelehrte Brger der dnischen Monarchie, 3. Aufl. Altona 1821, S. 4. KCB 79/1838, S. 326; in einem Brief vom 19. September 1834 an den Nordschleswiger Stndeabgeordneten Peter Hjort Lorenzen schrieb Theodor Olshausen einmal von der gnzlich „rechtlosen Stellung, in der sich die Herzogthmer der Staatsregierung gegenber befinden,“ und dem „Zauber, womit eine hufig eingebildete Unbeschrnktheit die Machthabenden gefesselt hlt“, zit. n. Anna-Elise Møldrup, Breve fra Th. Olshausen til P. Hjort Lorenzen, 1831 – 1839, S. 369. Rudolph Schleiden berichtet von einer Begegnung mit dem in Kiel lebenden Etatsrat [Theodor Friedrich] Wiese, der ihn im Juli 1842 „in hbscher Weise auf den schweren Stand aufmerksam“ gemacht habe, „welchen die Deutschen in Kopenhagen htten, seit sich die Frage des Verhltnisses der Herzogtmer zu Dnemark nicht lnger zur Seite schieben lasse“, ders., Erinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. II, S. 49. Vgl. o. S. 370 – 372 das dnische Bemhen um eine Inkorporation Holsteins. Wie sehr man in den Herzogtmern dieses Regierungsvorhaben als „ersten Anfang“ eines nie aufgegebenen „Systems“ der dnischen Politik empfand, zeigt sich bei Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, a.a.O., S. 96 – 108; cf. a. KCB 37/ 1834, S. 173 f., hier S. 174. Vgl. Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 73. Hierzu Hans Jensen, Dat se bliven tosamende. Eine Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 66 – 70.

3. Der Diskurs ber das „deutsche Vaterland“

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Correspondenzblatt whrend dessen neuholsteinistischer Phase einen gewissen Zuspruch fand: „Es ist eine mannigfach bewegte Zeit, in der wir jetzt hier leben. Das schwache Wetterleuchten eines erwachenden Volkslebens, welches in den letzten Regierungsjahren des verstorbenen Kçnigs196 bisweilen aufblitzte, bricht jetzt mit einer Kraft hervor, die auf eine Regeneration dieses Volkes hoffen lßt. Wer auch nicht die Richtung billigen kann, welche das neuerwachende Leben der dnischen Nation zu nehmen scheint, anerkennen muß er es, daß große Krfte, geistige wie moralische in derselben sich zu regen beginnen.“197

Aus dieser ußerung spricht die sachlich begrndete vormrzliche Bewunderung fr den Besinnungsprozeß eines nachbarlichen Volkes und die von diesem gewonnenen Ansatzpunkte einer gesamtgesellschaftlichen „Regeneration“. Daß diese Einstellung zu Beginn der 40er Jahre innnerhalb der Herzogtmer nicht verallgemeinerungsfhig ist, zeigen die literarischen Reaktionen der sog. „Landespartei“, d. h. der „Schleswig-Holsteiner“198. Im Ringen um den Neuholsteinismus, der fr seine Intentionen die Nordgrenze des Deutschen Bundes verbindlich macht und damit Schleswig und dessen Verklammerung mit Holstein preiszugeben droht, spiegelt sich das dnische Pendant des werdenden Eiderdnentums mit seiner Intention einer fixierten dnischen Sdgrenze; beide politischen Prozesse erfolgen vor dem Hintergrund einer 1840 grundstzlich denkbar scheinenden einvernehmlichen Grenzziehung zwischen dem dnischen und deutschen Element auf Grund eines staatlichen Rechtes, wie es in den entsprechenden Statuten des Deutschen Bundes fr Holstein kodifiziert ist. Daher kann die Bevçlkerung Dnemarks im Correspondenzblatt whrend dieser Zeitspanne auch als „Brudervolk“ angesehen werden199. Und deshalb kann auch Pastor Claus Harms im Hinblick auf die regierungsseitig fr das Herzogtum Schleswig anberaumten Sprachmaßnahmen200 besnftigend die Frage aufwerfen, ob die „gerhmte staatliche 196 Gemeint ist Friedrich VI., der 1839 verstorben war. 197 KCB 19/1840, S. 77. Hierzu Roar Skovmand, a.a.O., S. 64 – 73. 198 Vgl. etwa den Artikel ber „Die Polemik der Schleswig-Holsteiner“, KCB 91/ 1840, S. 366 f. 199 KCB 91/1840, S. 366. 200 Zum „Sprachrescript“ vom 14. Mai 1840 vgl. KCB 100/1840, S. 402 f.; 46/1844, S. 196 f.; 76/1845, S. 341 f. Zum nordschleswiger Sprachproblem ferner KCB 100/1840, S. 401 f.; 101/1840, S. 406 f.; 75/1841, S. 305 – 307; 9/1843, S. 35 f.; 40/1843, S. 171 f.; hierzu a. Rudolph Schleiden, Erinnerungen eines SchleswigHolsteiners, Bd. II, S. 62 f.; Hermann Hagenah, 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 113 – 116 und S. 159 f.; Jrgen Rohwedder, Sprache und

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Einheit“ nicht auch „bei verschiedenen Gesetzes- und Gerichtssprachen bestehen“ bleiben kçnne, „haben wir doch, Dnen und Deutsche, Einen Herrn, Eine Taufe, Einen Glauben, verkndet in zwei Sprachen und begrndet auf zwei Bibeln, Bibelbersetzungen“, woraus der Kieler Propst seinen an die Landespartei gerichteten regierungsfreundlichen Appell ableitet: „Gçnnt doch den Nordschleswigern das Licht im Recht, das Licht und das Recht, d. h. zu der dnischen Kirchen- und Schulsprache die dnische Gesetzes- und Gerichtssprache!“, schließlich seien „Seel’ und Seligkeit […] doch noch unverloren […] bei der dnischen Sprache.“201

Claus Harms ist sicherlich nicht der einzige Geistliche, der in diesen Jahren eines sich abzeichnenden Auseinanderdriftens der Nationalitten den verbindenden wie auch mahnenden Gedanken der kirchlichen Gemeinschaft wachzuhalten bemht ist202 ; erkennbarer Erfolg bleibt diesem Bemhen jedoch verwehrt. Gegen die Intentionen der Kopenhagener Amalgamisierungspolitik formiert sich in den Herzogtmern insbesondere nach der Aufgabe des Neuholsteinismus, der Schleswigs nach Sden gerichtete Interessen bestndig ausgeklammert hatte, jener Widerstand, der im Frhjahr 1845 offen von einem „Kampf zwischen uns und Dnemark“ spricht203. Nicht nur die Genese dieser Auseinandersetzung, auch das Ziel dieses Kampfes wird nunmehr klar benannt:

Nationalitt. Nordschleswig und die Anfnge der dnischen Sprachpolitik in der ersten Hlfte des 19. Jahrhunderts, Glckstadt 1976, S. 222 – 231. 201 Claus Harms, Die deutsche Gesetz- und Gerichtssprache in dem dnischen Theile des Herzogthums Schleswig, KCB 64&65/1840, S. 262 f., hier S. 263. Im Vorfeld dieser ußerung nimmt Harms Bezug auf 2. Mose 28, 30: „,Und sollt in das Amtsschildlein thun Licht und Recht, daß sie auf dem Herzen Aarons seyn, wenn er eingehet vor dem Herrn, und trage das Amt der Kinder Israel auf seinem Herzen vor dem Herrn allewege‘ […] Das Licht hat man den dnischredenden Schleswigern gelassen […] man lßt die Kirchen- und die Schulsprache die dnische sein […] dahingegen wenn ihre Obrigkeiten und Richter eingehen und diese das Amt der Kinder von Nordschleswig tragen, so sollen sie das thun drfen, thun mssen in einer Sprache, die ihren Brdern fremd ist“, a.a.O., S. 262 f. 202 So hebt im Jahre 1844 der Gastprediger C. Michelsen hervor: Den „GustavAdolph-Verein beschrnkt nicht die Grnze der Lnder, nicht die Verschiedenheit der Sprachen, […] er bezeugt in lebendiger Glaubensthat, daß die evangelischen Christen es wissen wollen, daß sie einen Heiland, eine Kirche, eine Liebe haben!“, ders., Der evangelische Verein der Gustav-Adolph-Stiftung. Predigt am Sonntag Reminiscere ber 2 Cor 9,12. u. 13., Hadersleben 1844, S. 15. 203 Friedrich Hedde in einer Rezension von [Constantin] Dirckinck-Holmfelds „Kritik ber die s.g. Holsteinische Rechtsverwahrung“, KCB 29/1845, S. 125 –

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„Anfnglich brachte das nationale Gefhl es nur zu der particularistisch Schleswig-Holsteinischen Ansicht, die nur nicht Dnisch seyn wollte und sich mit einem Staate ,Schleswig-Holstein‘ begngte. Wie dasselbe aber allmlig an Kraft zunahm, erkannte unser Stamm sich als Theil des großen Deutschen Volkes204 und begann an dem Ringen desselben nach einem gemeinsamen Deutschen Staatsleben Theil zu nehmen. Auf diesem Volksbewußtseyn beruht das ganze Streben, aus dieser unversiegbaren Quelle fließt die Kraft, die alle die einzelnen Anstrengungen mçglich macht und die Betheiligung des Volks an denselben hervorruft.“205

Hier artikuliert sich ein „Volksbewußtsein“, das seine Einbindung in den Gesamtstaat aufgekndigt hat. Offen bleibt zur Mitte der 40er Jahre unter den Bedingungen der Zensur, wie es um den dem Volksbewußtsein korrespondierenden „Volkswillen“ nher bestellt ist. Die durch Kçnig und Regierung in zunehmend ausuferndem Stil gepflegte Verleihung von Titeln und Ehrenzeichen206 an besondere Exponenten der Herzogtmer bietet jedenfalls eher ein Abbild der zwischenzeitlich eingetretenen Distanziertheit als einen sinnvollen Beitrag zu einer wiederbelebten Verklammerung zwischen Dnemark und den Herzogtmern. Von herausragendem Interesse bleibt fr das Correspondenzblatt dagegen die interne Entwicklung der dnischen Gesellschaft auf dem Weg ihrer fortschreitenden Entfremdung vom Absolutismus. So bernimmt Olshausen zu Beginn des Jahres 1848 einen Artikel der Aalborger Zeitung, in dem zuversichtlich heißt: „Ein wichtiger Schritt zur Entwicklung unserer çffentlichen Zustnde stehe nahe bevor; dafr sprchen alle Wahrscheinlichkeiten und man drfe sich der Hoffnung hingeben, daß das Jahr 1848 einen wichtigen Platz in der auf 127, hier S. 125; gemeint ist die „Kritik der holsteinischen Rechtsverwahrung wider die Staatseinheit des dnischen Reichs“, Altona 1845. 204 Im Hintergrund dieser Ausfhrungen von 1845 steht eine evolutionistische geschichtliche Sicht, derzufolge sich das Nationalgefhl innerhalb der Herzogtmer zunehmend als Teil eines deutschen Selbstbewußtseins entfaltet habe, woraus nunmehr die verpflichtende Teilhabe am „Kampf des deutschen Volkes“ auf dessen Weg zu staatlicher Einheit resultiere. Im geschichtlichen Rckblick des Jahres 1945 sollte sich zeigen, welchen Preis die Bewohner der Herzogtmer fr diese Teilhabe zu zahlen hatten. 205 Friedrich Hedde, a.a.O. (Anm. 203). 206 Vgl. die lange Auflistung entsprechender Dekorierungen in KCB 78/1847, S. 316 f.; ferner die Darstellung Rudolph Schleidens, Erinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. II, S. 183 ber die umfangreichen Titelverleihungen durch Christian VIII. anlßlich seines Aufenthalts in Plçn im Jahre 1846. Die anwachsende Zahl der Ehrungen erscheint durchaus proportional zur seitens der schleswig-holsteinischen Bevçlkerung kontinuierlich angewachsenen Entfremdung gegenber der kçniglichen Politik.

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Fortschritt bedachten Regierungsgeschichte Christians VIII. einnehmen und es fr Dnemarks Zukunft reich an glcklichen Zeiten seyn werde. Nach den Volks-Institutionen, die Freiheit und Wohlseyn knftiger Zeiten verbrgen wrden, sey auch die Rede davon, den inneren Regierungsrath mit neuen Krften zu strken.“207

Mochte der Nationalismus zur Spaltung der im Gesamtstaat vereinigten Vçlker fhren: das Bedrfnis nach Befreiung von absolutistischer Enge verband die Intellektuellen Dnemarks und der Herzogtmer in einer Weise208, wie sie von kirchlicher Seite nicht erbracht werden konnte. Die „neuen Krfte“209, die „den inneren Regierungsrath“ so bald strken sollten, ließen nach der Erledigung des Absolutismus jedoch rasch erkennen, daß sie gerade die Trger der neuen nationalistischen Bestrebungen waren. 3.3 Eine neue Zielbewegung in Nationalerziehung und Nationalbewußtsein „Die Deutschen sind von Haus aus eine erziehende Nation, wenn gleich auch dieser Ruhm jetzt von ihnen gewichen und auf die Franzosen bergegangen zu seyn scheint“, urteilt im September 1831 ein sichtlich unter dem Eindruck der Julirevolution stehender Essay des Correspondenzblattes ber „Nationalerziehung“210. Den Niedergang der Pdagogik in Deutschland sieht der Autor begrndet in dem Umstand, daß hier „die Erziehung keinen Bezug auf den Staat und das çffentliche Leben mehr hat, seit dem Erzieher zur Pflicht gemacht wird, bloß in einer lngst untergegangenen Welt heimisch zu seyn und vom Vaterlande keine Kenntniß zu nehmen.“211 207 KCB 9/1848, S. 36. 208 Vgl. hierzu „Dnische politische Ansichten. I“, KCB 15/1848, S. 61 f.; „Dnische politische Ansichten. II“, KCB 16/1848, S. 63 f. – Gerd Stolz, Die schleswigholsteinische Erhebung. Die nationale Auseinandersetzung in und um SchleswigHolstein von 1848/51, hebt S. 48 hervor, daß „Orla Lehmann spter in seinen Erinnerungen kein Geheimnis daraus gemacht hat, daß er sich als natrlicher Bundesgenosse Theodor Olshausens gefhlt htte; ihre sozial- und kulturpolitische Zielsetzung war dieselbe: den Einfluß des aufgeklrten Mittelstandes, des Brgertums verfassungsmßig zur Geltung zu bringen“. 209 Hierzu Svend Thorsen, De Danske Ministerier 1848 – 1901, S. 55 – 86; Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 99 – 103; Hans Vammen, Die Casino-„Revolution“ in Kopenhagen 1848, in: ZSHG 123 / 1998, S. 57 – 90. 210 KCB 76/1831, S. 331 f., hier; S. 331. 211 Ebd.

3. Der Diskurs ber das „deutsche Vaterland“

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Der Artikel verlangt in Forschung und Lehre einen fundamentalen Wandel der Inhalte zugunsten der Aufnahme vaterlandsbezogener aktueller statt allgemeiner historisch berlieferter Fragen und Aspekte212. Zwei Monate spter formuliert eine „Miscelle“ ein in dieser Weise aktuell-vaterlndisches Postulat: „Man erkenne, daß die Liebe zu einem gesetzlich freien Deutschland nur eine ist, daß aber die Ansichten, welche zu diesem Ziele fhren, verschieden seyn kçnnen.“213

Der Bemhung, das Selbstbewußtsein der Schleswig-Holsteiner stetig weiter im deutschen Vaterland zu verankern, dient in der Folge eine Reihe weiterer Artikel des Correspondenzblattes. Diese nehmen gesellschaftliche Probleme und çkonomische Gegebenheiten deutscher Staaten in den Blick, um sie mit denen der Herzogtmer – bis zum Beginn der 40er Jahre unter der neuholsteinistischen Prmisse214 vorrangig mit denen Holsteins –

212 Auch wenn der genannte Artikel des Correspondenzblattes sich nicht auf Fichte beruft, legt die Begrifflichkeit seiner berschrift eine sachliche Kenntnis und Beeinflussung seines Autors durch Johann Gottlieb Fichtes 10. sowie 11. Rede in dessen „Reden an die deutsche Nation“ nahe; diese waren zunchst in Berlin 1808 erschienen; vgl. die Neuausgabe, herausgegeben v. Reinhard Lauth, Hamburg 1978. 213 KCB 94/1831, S. 412. 214 Hierzu o. S. 513 f.; S. 532; 537 f.; das rechtliche Problem eines Vergleichs der schleswigschen Verhltnisse mit denen konkret zum Deutschen Bund gehçrender Staaten zeigt Hans Reimer Claussen im Oktober 1840 anhand des sich als Folge des Artikels 13 der Bundesakte stellenden Verfassungsproblems auf: Unter den derzeitigen Verhltnissen biete „die Vereinigung Schleswigs und Holsteins zu Einer Verfassung […] unauflçsliche Schwierigkeiten, wenn Schleswig nicht Bundesland wird. Denn ohne diesen Beitritt ist eine Verbindung dieser Art nicht viel anders, als wenn der Elsaß und Baden sich zu Einer Provinzialverfassung vereinigen wollten“, ders., Holstein, eine Provinz von Deutschland, KCB 97&98/1840, S. 389 f., hier S. 390 [Hervorhebungen im Original]. Da ein Beitritt Schleswigs zum Deutschen Bund fr die dnische Regierung eine vçllige Unmçglichkeit darstellte, kam es nach Aufgabe der verengenden Perspektivik des Neuholsteinismus notwendig darauf an, auf dem Wege der Nationalerziehung sowie mit Hilfe eines deutsch orientierten Nationalbewußtseins innerhalb der Bevçlkerung Schleswigs die Voraussetzungen dafr zu schaffen, daß sich die Einwohnerschaft dieses Herzogtums im Rahmen der zur Geltung zu bringenden Volkssouvernitt knftig einmal dem Deutschen Bund bzw. dem vereinigten Deutschland anschließen kçnnte. Insofern bestanden Aufgabe und Ziel der Nationalerziehung aus deutschgesinnter Sicht in der mittelfristigen Aushebelung des staatsrechtlichen status quo, aus dnischer Sicht hingegen in dessen dauerhafter Zementierung.

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zu vergleichen215. Darin zeigt sich das Ziel einer Unterminierung der Regierungsauffassung, derzufolge „das staatliche Element […] das nationale vollkommen“ beherrsche, um daraus zu folgern, „Dnen und Holsteiner wren Brder“216. Dieser Auffassung hlt das Correspondenzblatt khl entgegen: „Unser beider Vaterland ist nicht dasselbe, wir kçnnen und sollen nichts daran ndern“217. Zu einem gewichtigen vaterlndischen Bekenntnis wird im August 1843 die in Kiel und Dsternbrook begangene „1000-Jahr-Feier der Grndung des Deutschen Reichs“218. Bei der Erçffnung um 6 Uhr morgens auf dem Kirchhof von St. Nikolai singt die Kieler Liedertafel Luthers Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ sowie die Motette „Der Herr ist mein Hirt“219. Die Studenten begeben sich anschließend in Begleitung eines Musikcorps auf einen der vorstdtischen Pltze, wo „von dem Studiosus v. 215 Vgl. etwa den Aufsatz in KCB 23/1832, S. 102 f. „ber das heimathliche Forstwesen; oder patriotische Wnsche eines holsteinischen Forstmannes“, in dem S. 102 entsprechende Verhltnisse deutscher Staaten als administrative Vorbilder neuzuschaffender exekutiver Strukturen in den Blick genommen werden; ferner KCB 31/1834, S. 148 f.: „Einige Worte ber die Beschrnkung der Ehen“, der neben dem Problem der zunehmend unehelich geborenen Kinder S. 149 auch die Frage der regional unterschiedlich gehandhabten gesetzlichen „Beschrnkung der Heirathen Unvermçgender“ erçrtert. Fr den Kontext ebenso exemplarisch der Essay Dr. Gabriel Riessers „ber die Ansprche der Juden auf brgerliche Gleichstellung“ in KCB 69/1837, S. 277 f., der S. 278 die abweichenden Regelungen der wehrdienstlichen Pflichten in Holstein und „allen brigen Deutschen Staaten mit Ausnahme von Hannover“ erçrtert, um fr die in Holstein lebenden Juden mit der Einforderung der Wehrpflicht der emanzipatorischen Zielsetzung nherzukommen: „Gleiche Lasten, gleiche Pflicht der Vaterlandsvertheidigung, gleiche Rechte“ – dies sei „der Wahlspruch jeder wahrhaft freisinnigen Politik“, a.a.O., S. 278 [Hervorhebung im Original]. 216 So Olshausen in seinem „Sendschreiben an den Jtlndischen Stndeabgeordneten, Oberst Brock. I.“, KCB 89/1842, S. 389 – 391, hier S. 390. Ebd. noch im November 1842 das Schweigen zur Position Schleswigs: „Das Verhltniß Schleswigs darf ich hier bergehen […] Die Holsteiner aber sind gute Deutsche.“. 217 Theodor Olshausen, a.a.O., S. 391. 218 Hierzu KCB 64/1843, S. 273 f.; zum hier wiedergegebenen Ablauf der Feierlichkeiten vgl. M.[oritz] Liepmann, Hg., Von Kieler Professoren. Briefe aus drei Jahrhunderten zur Geschichte der Universitt Kiel, S. 197 f.; zum historischen Kontext und zur hinterfragbaren Interpretation des Verduner Vertragsschlusses als Datum der deutschen Reichsgrndung vgl. a. Theodor Mayer, Der Vertrag von Verdun 843, Leipzig 1943. 219 KCB 64/1843, S. 273. Der Bezug auf die Quellen nationaler Identitt nimmt mit Luthers EG 362 Bezug auf die Reformation; dem Werk von Heinrich Schtz entstammt die Motette „Der Herr ist mein Hirt“ (SWV 033), die den 1619 entstandenen Vertonungen der „Psalmen Davids“ angehçrt.

3. Der Diskurs ber das „deutsche Vaterland“

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Neergard220 vor einer großen Versammlung eine der Feier des Tages geweihte Rede gehalten wurde“221. Gegen 12 Uhr mittags findet die Feier ihren Hçhepunkt in der vçllig berfllten Aula der Universitt. Zum Eingang erklingt die Motette „Groß sind die Werke des Herrn“222 ; anschließend hlt Professor Johann Gustav Droysen223 eine „inhaltsreiche Rede, in welcher er Deutschlands Geschichte in großartigen Zgen vor Augen stellte, die Bedeutung des Tages fr die Gegenwart schilderte und in freimthiger und eindringlicher Rede das Ziel aufstellte, zu dessen Erreichung das Deutsche Volk und die Deutschen Frsten ihre ganze Kraft aufzubieten htten.“224

Droysen erinnert an jenem Tag, an dem „ein Jahrtausend deutscher Geschichte […] vollbracht ist“225, noch einmal an die uneingelçste Verfassungszusage: „Es ist unvergessen, daß derselbe Staat226 bei Begrndung der Bundesacte fr die landstndische Verfassung Mitbetheiligung aller Classen der Staatsbrger forderte“227. Dennoch begrßt der Festredner das „zweite Jahrtausend unserer Geschichte“ in der Zuversicht: „Ein neues schçneres Deutschland hat begonnen; freier geeint, an Hoffnungen reich, mit dem Bewußtsein seines hohen Berufes“228. Den Beschluß der universitren Feier macht der gemeinsam gesungene Choral „Nun danket alle Gott“. Dieser apostrophiert den sachlichen Ge220 Lucius Carl Joseph Andreas von Neergard, seit September 1845 als Kammerherr auf velgçnne, vgl. zu diesem H. R. Hiort-Lorensen, DBL 12, S. 165; Gertrud Nordmann, Schleswig-Holsteinische Beamte 1816 – 1848, Schleswig 1997, S. 354; zu ihm u. S. 600. 221 KCB 64/1843, S. 273. 222 Vermutlich eines der Werke aus dem kirchenmusikalischen Schaffen des Tbinger Universittsmusikdirektors Friedrich Silcher; mçglicherweise handelt es sich um Op. 10 no. 4. 223 Zu diesem: Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, III. Bd., 3. Aufl. Freiburg 1954, S. 108 – 110; Sigrid Wriedt, Die Entwicklung der Geschichtswissenschaft an der Christiana Albertina im Zeitalter des dnischen Gesamtstaates (1773 – 1852), S 133 – 156. 224 A.a.O. (Anm. 221). Zur Rede selbst: Johann Gustav Droysen, Rede zur tausendjhrigen Gedchtnisfeier des Vertrages zu Verdun, auf der Christian-Albrechts-Universitt zu Kiel am 10. August 1843 im Auftrag des akademischen Consistoriums gehalten, Kiel 1843; Wriedt, a.a.O., S. 148. 225 Ders., Rede zur tausendjhrigen Gedchtnisfeier des Vertrages zu Verdun, S 3. 226 Droysen spricht ungeachtet der Vielzahl deutscher Einzelstaaten fortwhrend vom „deutschen Staat“; darin rekurriert er auf Art. 13 der Bundesakte und die auf die staatliche Einheit gesetzten Hoffnungen. 227 A.a.O., S. 29. 228 Ebd. S. 36.

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halt der Rede Droysens – die historische wie die erneute Einigung Deutschlands – hnlich wie die eingangs der Feier erklungene Motette erneut als gçttliches Werk229. Am frhen Nachmittag beginnt das „eigentliche Volksfest“ in Dsternbrook. Hier zeigt sich die Badeanstalt an der Kieler Fçrde mit der „Deutschen Reichsfahne“ sowie zahlreichen „Deutschen Landesfahnen und Flaggen ausgeschmckt“230 ; allein die entsprechend hergerichteten Sle der Anstalt beherbergen zur Bekçstigung „etwa 1200 Teilnehmer […] aus verschiedenen Gegenden Holsteins und Schleswigs“231. Der erste, durch den Advokaten Friedrich Hedde çffentlich ausgebrachte Toast gilt „Sr. Maj. dem Kçnig, unserem Herzog“232, einzelne Redner sprechen sich anschließend fr die allgemeine Wehrpflicht und die Staatseinheit Schleswig-Holsteins aus233. Zu ihnen gehçren die Advokaten Hans Reimer Claussen, Friederici und August Hartmeyer234, der Theologieprofessor Anton Friedrich Ludwig Pelt235, der Literat Hansen236, Dr. Streit und der Candidat Karl Samwer. Die Pastoren der Herzogtmer zeigen sich hingegen als politisch abstinent, denn trotz aller whrend des 229 Vgl. Evangelisches Gesangbuch Nr. 321,1: „Nun danket alle Gott […], der große Dinge tut an uns und allen Enden“. 230 KCB 64/1843, S. 273. 231 Ebd.; hierzu a. eine briefliche Notiz vom 11. August 1843 des Etatsrates Bernhard Rathgen gegenber seiner Frau, der allein die „Zahl der Mittagsgste“ mit 1240 Personen wiedergibt, ders., zit. n. Justus von Olshausen, Briefe aus SchleswigHolsteins schwerster Zeit, in: ZSHG 68 / 1940, S. 180 – 278, hier S. 183. Dabei beziffert Hermann Hagenah die gesamte Einwohnerzahl der Herzogtmer Schleswig und Holstein nach einer Volkszhlung zur Mitte der 30er Jahre auf 773 783 Menschen, ders., 1830 – 1863. Die Zeit des nationalen Kampfes, S. 36. 232 In dieser mit dem possessiven Pronomen zugespitzten Differenzierung des Herzogstitels offenbart sich die Abweisung eines Legitimittsanspruches der Lex Regia und damit auch ihrer Erbfolgeregelung fr den Bereich der Herzogtmer. 233 A.a.O. (Anm. 230). 234 Hartmeyer war ab dem 1. Juli 1848 einer der Nachfolger Theodor Olshausens in der Herausgabe des Correspondenzblattes, vgl. KCB 84/1848, S. 327 f. und den hier aus seiner Feder abgedruckten Aufsatz „Die Revolution und das Kieler Correspondenzblatt. Anstatt eines Programms.“ 235 Vgl. zu seinem Beitrag das bereits o. S. 534 f. Mitgeteilte. 236 J.J. Heinrich Hansen, 1804 geboren, wirkte nach abgebrochenem Theologiestudium als Privatlehrer in Eckernfçrde und redigierte hier seit 1831 bis zu seinem Tod im Jahre 1846 das „Eckernfçrder Wochenblatt“; er war entschiedener Gegner des Neuholsteinismus, der sich um ein Mandat in der Schleswiger Stndeversammlung jedoch vergeblich bewarb. Zu ihm Anna-Elise Møldrup, Breve fra Th. Olshausen til P. Hjort Lorenzen, 1831 – 1839, S. 367, und Henning Unverhau, Literat Hansen – Journalist, verhinderter Politiker und Aktivist der Schleswigholsteinischen Bewegung, in: ZSHG 123 / 1998, S. 27 – 56.

4. Der Diskurs ber die soziale Frage

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Tages zu Gehçr gebrachter geistlicher Musik fehlt jedes Indiz einer Teilnahme von Pastoren an den Feierlichkeiten: An diesem nationalen Festtag schweigt die Stimme der schleswig-holsteinischen Geistlichen.

4. Der Diskurs ber die soziale Frage: Eine Antithese zur „christlichen Mildthtigkeit“ Als Beitrag „Zur socialen Frage“ erscheint whrend des Erhebungsjahres im Correspondenzblatt ein Essay, der eingangs postuliert, daß angesichts der an den Staat gestellten Aufgaben dieser „die Hebung und Pflege des Proletariats nicht mehr der christlichen Mildthtigkeit berlassen“ drfe, sondern „dieselbe zu seinem Princip“ zu machen habe237. Hinter diesem Postulat verbirgt sich die deutliche Differenzierung zwischen christlicher Lehre und kirchlicher Organisation: Die Bettigung der Kirche auf dem diakonischen Handlungsfeld will der Autor des Artikels ersetzt sehen durch die „Nchstenliebe als Princip des Staates“. Dementsprechend habe der bisherige „christliche Staat […] dem Rechtsstaate das Feld zu rumen“238 ; im letzteren realisiere sich die Nchstenliebe als „das offen ausgesprochene Princip der Gleichberechtigung aller Menschen“ und als jene „Brderlichkeit, welche dem allgemeinen Drange nach Freiheit und […] politischer Gleichheit hinzugefgt“239 werde. Angesichts der bedauernswerten „Lage ganzer Klassen der menschlichen Gesellschaft“, die „mit der Wrde der Menschheit nicht im Einklang“ stnde, erbrigt sich fr den Essayisten jeder Versuch einer Besitzstandswahrung der Vermçgenden; schließlich sei „das bel unserer Zeit, aus welchem das Proletariat entsteht […] die Centralisation großer Vermçgensmassen in einzelnen Hnden, welche, seitdem das Maschinenwesen immer mehr an die Stelle der Handarbeit getreten ist, einen großen Theil der Bevçlkerung von der Production ausschließt“240. Zeitgemß seien „Einkommensteuern und ein verndertes Erbrecht“241. 237 238 239 240

KCB 186/1848, S. 765 f., hier: S. 765. Ebd. Ebd. Ebd. Die erste Dampfmaschine in den Herzogtmern setzte 1824 die Tuchfabrik Hans Lorenz Renck in Rendsburg ein; hierzu KCB 7/1832, S. 31, und Franklin Kopitzsch, Die wirtschaftliche Entwicklung 1721 – 1830, in: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, hg. von Ulrich Lange, S. 287 – 302, hier S. 294. 241 A.a.O. (Anm. 237), S. 765.

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Kapitel VI

Bis zu diesen Forderungen, die einer Auflçsung des traditionell selbstverstndlichen Funktionszusammenhangs von Religion und Kirche durch das Verlangen nach einer Skularreligion gleichkommen, haben die Essayisten des Correspondenzblattes einen langen Weg gesellschaftlichen Wandels begleitet. Von Anfang an schenkt das Blatt der Armenfrsorge besonderen Raum242 ; zensurbedingt erscheinen die diesbezglichen Beitrge zunchst als reine Nachrichten, die expliziter politischer Positionierung entbehren. Diese folgt erst im Lauf der Zeit243. Dabei kommen immer wieder auch Stimmen aus dem Raum der Kirche zu Wort. Im Rahmen einer Reihe von Beitrgen unterschiedlicher Autoren, die sich durchgngig mit der Verelendung der Tagelçhnerschaft beschftigen, ußert ein anonymer Essayist sein „Bedrfniß einer innern Mission, nmlich eines planmßigen Arbeitens der rettenden Liebe an einer in unserer eigenen Mitte Gott und dem Gesetz sich entfremdenden Bevçlkerung […] Der gefhrdete Staat wird hier leeres Stroh dreschen, so lange die christliche Seelsorge sich dieses immer grçßer und bodenloser werdenden Feldes nicht bemchtigt und eigene Institute auf demselben begrndet, wie bereits dazu durch die Stiftung von Rettungsanstalten fr verderbte Kinder, Asyle fr entlassene Strflinge u.s.w. ein kleiner Anfang gemacht ist.“244 242 Exemplarisch KCB 26/1830, S. 109; 7/1831, S. 30; 37/1831, S. 160; 89/1831, S. 388; 104/1831, S. 451 – 455; 105/1831, S. 458 f.; 25/1832, S. 109; 20/1835, S. 93 f.; 11/1842, S. 50 f.; 107/1846, S. 433 f. 243 Vgl. etwa KCB 23/1832, S. 104: „Von Pastor Hansen zu Nottmark auf Alsen ist bei Aue in Altona eine kleine Schrift ,ber das Heirathen der Armen und das dabei beteiligte Recht der Commnen‘ erschienen, worin berzeugend bewiesen wird, wie es in der Natur eines gezwungenen Armenwesens gegrndet sey, daß die Commnen das Recht, ihren Armen das Heirathen zu untersagen, haben mssen“. Gegen diese Auffassung eines in der Armenfrsorge ttigen Geistlichen wendet sich ein anonymer Autor: „Einige Worte ber und gegen die Beschrnkung der Ehen“, vgl. KCB 30/1834, S. 141 f. und KCG 31/1834, S. 148 f. Hier verurteilt der Verfasser S. 141 „die Beschrnkung der natrlichen Freiheit“, mit der „ein Recht zertrmmert wird, das der Mann von der Natur selbst unmittelbar empfangen“ habe. In KCB 33/1834 finden sich S. 159 f. die „Bemerkungen eines Geistlichen zur ,Armensache‘“, die erklren, daß die Warnung vor dem „unvorsichtigen Heirathen […] auf der Kanzel nur gelegentlich vorkomme, weil wir dort Dringenderes zu treiben haben“, a.a.O., S. 159. Pastor Hansen ußert sich zur Armenverheiratung mit unverndertem Standpunkt in KCB 73/1836, S. 73 f.; kritisch gegen ihn KCB 72/1837, S. 290 f. – Im Jahre 1843 richtet sich ein Essay gegen die Verheiratung der „Mosaiten ohne alle Staatsaufsicht“, KCB 7/1843, S. 28. 244 Anonymer Verfasser, ber die Verhltnisse der Tagelçhner, KCB 72/1844, S. 320 f., hier S. 320 [Hervorhebungen im Original].

4. Der Diskurs ber die soziale Frage

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Um den Aufbau einer inneren Mission geht es dem ungenannten Essayisten jedoch nur sekundr; vorrangig zeigt er sich interessiert an einer kritischen Hinterfragung zuvor im Correspondenzblatt verçffentlichter geringer Quantifizierungen des objektiven Lebensbedarfes der Tagelçhnerschaft245. Ein weiterer Beitrag des Kieler Journals erçrtert whrend des Jahres 1844 Mçglichkeiten, den Tagelçhnern angesichts ihrer permanenten Abhngigkeit und der grundstzlichen Ungewißheit ber die Dauer ihres jeweiligen Beschftigungsverhltnisses „eine sichere Lage zu bereiten“246. Gegen die Instrumentalisierung der Religion zur Stabilisierung der empirisch vorfindlichen çkonomischen Verhltnisse wendet sich im April 1846 ein Autor, der mit den sich zeitgençssisch zuspitzenden wirtschaftlichen Bedingungen des Proletariats in den großen Industrienationen wie auch mit dem schlesischen Weberaufstand247 durchaus vertraut ist248, jedoch diese Notlagen gesellschaftlicher Gruppierungen anderenorts nicht als ausgewiesene Gegenstze zu den Lebensverhltnissen der in den Herzogtmern ansssigen Handwerker- und Tagelçhnerschaft einstufen will249. Schließlich htten die hierzu rechnenden Menschen „in Entbehrungen aller Art tgliche bung“250 ; hierfr sei jedoch „nicht der Mangel an Lebensmitteln und sonstigen Bedrfnissen des Lebens“ urschlich, sondern „die auf dem Zufall beruhende Vertheilung derselben, der nur die blinde Concurrenz, keine gerechte Ordnung zum Grunde“ liege251. Die Ungerechtigkeit der gesellschaftlichen Ordnung zeige sich in der zuneh-

245 Ebd.; hier auch die hinterfragten Bezifferungen des finanziellen Tagesbedarfs von Armenhaushalten. 246 Ungenannter Verfasser, ber die Verhltnisse der Tagelçhner, KCB 97/1844, S. 328 f., hier S. 328. 247 Hierzu Lutz Kroneberg, Weber-Revolte 1844. Der schlesische Weberaufstand im Spiegel der zeitgençssischen Publizistik und Literatur, Kçln 1979. 248 Anonymer Verfasser, Einige sociale Gedanken, KCB 39/1846, S. 157 – 159, hier S. 158. 249 Ebd. Die Rendsburger Tuchfabrik Renck & Sçhne gab bereits 1831 mehr als 300 Arbeiter durch schlechte Bezahlung „der eigentlichen Noth des Winters preis“ und schloß am Abend vor Weihnachten, KCB 7/1832, S. 31. Von Massenentlassungen bedroht war auch Thor Stratens Kupfer- und Messingfabrik in Flensburg, wo „gegen 300 Menschen […] in Gefahr waren brodlos zu werden“, bis ein Konsortium von Kaufleuten und Juristen den Betrieb bernahm; cf. KCB 32/1832, S. 148. 250 KCB 39/1846, S. 158; vgl. hierzu etwa den Armenbericht des Eggebeker Pastors Peter Nicolaus Nissen von 1841/42, KAF Prop Nr. 123 hs. 251 KCB 39/1846, S. 158.

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Kapitel VI

mend bemerkbaren Aufhebung jedes Zusammenhanges zwischen Leistung und Erfolg: „Wer ein Capital hat, der kann viel Geld damit verdienen, und je mehr er hat, desto mehr […]; der Besitzlose aber, der nichts als seine beiden Arme und den Willen zu arbeiten hat kann meistens nicht aus dem Elend heraus, er kann es meistens nur dahin bringen, im mhseligen Schweiße seines Angesichts den drftigsten Unterhalt zu erwerben und oft auch den nicht.“252

Diese Kritik am Prozess eines sich fortsetzenden Auseinanderdriftens der Gesellschaft infolge einseitiger Kapitalakkumulation deutet die Vertrautheit mit der vormrzlichen çkonomischen Debatte an. Die von dem anonymen Autor verwendete Begrifflichkeit der „Concurrenz“ als der eines gesellschaftlichen Gestaltungsmittels lßt ebenso wie die Vorstellung von der Akkumulation des Kapitals an die zwei Jahre zuvor von Karl Marx abgefaßten „konomisch-philosophischen Manuskripte“253 denken, in deren erstem Marx im Kontext seiner Erçrterung ber „das Profit des Kapitals“ auch ber „Die Akkumulation der Kapitalien und der Konkurrenz unter den Kapitalisten“ handelt254. Im zweiten Manuskript255 gelangt Marx zur folgenden Existenzanalyse des „Arbeiters“: Das Kapital ist „der sich ganz abhanden gekommene Mensch […] Der Arbeiter hat aber das Unglck, ein lebendiges und daher bedrftiges Kapital zu sein, das jeden Augenblick, wo es nicht arbeitet, seine Zinsen und damit seine Existenz verliert.“256

Zugespitzt formuliert: Das Problem des Menschen in der Welt liegt nicht mehr in seiner Trennung von Gott, sondern unter der Auswirkung seiner zunehmenden Selbstentfremdung in der Trennung von sich selbst. Diese gilt es durch nderung der gesellschaftlichen Verhltnisse zu berwinden. Dabei hlt der Essayist des Correspondenzblattes es fr unbegreiflich, „wie man das Vorhandenseyn der Noth in ihrer ganzen Grçße erkennen, und doch so ruhig sagen kann, an Abhilfe drften die Leidenden nicht denken, das

252 Ebd.; die gleiche Wahrnehmung im Essay „ber die Aufhebung des Proletariats“, KCB 104/1847, S. 419 f. – Zur Rezeption der biblischen Wendung aus dem Kontext der Vertreibung aus dem Paradies vgl. 1. Mose 3,19. 253 Vgl. Karl Marx / Friedrich Engels, Ausgewhlte Werke, zusammengestellt und eingerichtet von Mathias Bertram, 2. Ausgabe, Berlin 2004. 254 Karl Marx, konomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844, a.a.O. (Anm. 253), S. 570 – 821; Erstes Manuskript S. 577 – 679, hier S. 610 – 627. 255 Ders., Zweites Manuskript, a.a.O., S. 679 – 691. 256 Ders., ebd. S. 679.

4. Der Diskurs ber die soziale Frage

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Verlangen nach Hlfe sey nur dem ,Neid der rmeren gegen die Wohlhabenden und Reichen‘ entsprungen.“257

Mit der Ausklammerung des Sozialneides als eines gesellschaftsrelevanten Faktors verbindet sich der Hinweis auf die Reformation und die Aufhebung der Leibeigenschaft258. Hier habe sich ein tatkrftiger Fortschritt zum Besseren gezeigt, dessen es eben auch angesichts des gegenwrtigen menschlichen Elendes bedrfe. „Sich mit der Hoffnung auf den Himmel vertrçsten“259, „Eigenthum fr Erarbeitetes“ zu halten und dabei die Besitzlosen von der Teilhabe am Eigentum auszuschließen sei eine Haltung des „kalten Herzens“, die dem „Ebenbild Gottes“ in keiner Weise gerecht werden kçnne260. Bei solcher Schelte von Christentum und Kirche liegt das Ziel in einer neuen, soziale Unterschiede ausgleichenden und damit gerechten Verteilung von Eigentum und „Capital“. Dies sieht der Fehmarner Pastor Carl Eduard Mau261 in Bannesdorf ganz anders. Unter Bezug auf die „Schrift von Fr. Baltisch262 ,Eigenthum und Vielkinderei‘“ konzediert Mau, daß „es zu viel behauptet sey […] die 257 Anonymer Verfasser, Einige sociale Gedanken, KCB 39/1846, S. 158. 258 Ebd. – Die Befreiung von hierarchischer Bevormundung und feudalem Zwang wird damit in einen Zusammenhang mit der Befreiung des Mitmenschen aus sozialer Notlage gebracht. 259 Der Begriff des „Himmels“ begegnet im Correspondenzblatt zunehmend als Synonym fr die in der kirchlichen Verkndigung und Seelsorge berlieferte Jenseitsvertrçstung der Notleidenden. Er indiziert in rumlicher wie zeitlicher Dimension Gott als entscheidenden Akteur knftigen Handelns zugunsten einer besseren, gerechten Welt (vgl. 2 Petr 3,13; Offbg 21,1). Mit der Abweisung dieser Terminologie und der mit ihr verbundenen Geisteshaltung offenbart sich geradezu symbolhaft der nunmehr erhobene menschliche Anspruch auf Selbstherbeifhrung jener gerechten Verhltnisse, derer die Gegenwart entbehrt. 260 A.a.O. (Anm. 257); zu dieser neuerlichen Rezipierung einer biblischen Vorstellung, die einer kirchlichen Jenseitsvertrçstung und Stabilisierung der Besitzverhltnisse einen Spiegel vorhlt, vgl. 1. Mose 1,27. 261 Zu diesem Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Band II, S. 62. Der 1814 in Probsteierhagen geborene Mau wirkte nach seinem Studium als Hauslehrer in Nizza und wurde 1843 Pastor in Bannesdorf, wo er ber die Erhebungszeit hinaus bis zu seiner Emeritierung 1886 ttig blieb. 262 Fr. Baltisch [i.e. Franz Hermann Hegewisch; zu diesem o. S. 422 f.], Eigentum und Vielkinderei. Hauptquelle des Glcks und Unglcks der Vçlker, Kiel 1846. Hegewisch zeigt sich beeinflusst durch die von ihm z. T. auch bersetzten Schriften des Bevçlkerungstheoretikers Thomas Robert Malthus, der intendiert, die bervçlkerung als Armutsursache durch Anwendung moralischer Kriterien zu verhindern; cf. dens., Das Bevçlkerungsgesetz, hg. u. bersetzt von Christian M. Barth, Mnchen 1977, passim. Zur kritischen Auseinandersetzung mit Malthus cf. KCB 31/1835, S. 145 f. und 32/1835, S. 149 f.

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Noth der arbeitenden Classen einzig und allein auf die in Folge der frhen Heirathen zu sehr gesteigerte Concurrenz zurckzufhren“263. Auch Mau sieht „eine grçßere Hçhe der Noth in unsern Zeiten […], als je zuvor“264, wendet sich jedoch gegen die Forderung einer Umverteilung des Eigentums und findet wie sein Amtsbruder Jørgen Hansen265 auf der Insel Alsen einen „Hauptgrund dieser betrbenden Erscheinung“ sozialer Notlagen „in den voreiligen Heirathen der arbeitenden Classen“266. Daher sei es „sehr einseitig, wenn man, wie es in neuerer Zeit fast Ton geworden ist, die arbeitende Classe lediglich als die leidende und nicht auch als mitverschuldend darstellt“267. Stattdessen sei es „eines christlichen Geistlichen nicht unwrdig, vielmehr seine heilige Pflicht, jenem Leichtsinn entgegen zu arbeiten“ und das „sittliche Bewußtseyn des Arbeiters“ zu wecken und zu schrfen268. Es ist also eine individuelle, keine kollektive Leistung, die der Not verelendender Gruppierungen entgegenwirken soll; das Postulat, ein stetig zunehmendes bervçlkerungsproblem durch Enthaltsamkeit und Maßhaltung zu mindern, dient vordergrndig der Verringerung bestndiger Eigentumsaufteilung infolge einer Verringerung des Erbenkollektivs. Die im Gedanken der christlichen Nchstenliebe als gemeinschaftsorientierte Solidaritt angelegte Bereitschaft, den eigenen Besitz mit den Un263 [Carl Eduard] Mau, Miscelle, KCB 78/1846, S. 724. Dagegen schreiben die „Wagrisch-Fehmarnischen Bltter“ – gewissermaßen direkt vor Ort – nach der Katastrophe des Hungerjahres 1846: „Noch ein Jahr wie das verflossene! Und die unfruchtbare Erde wird das grausigste Gespenst des Kommunismus gebren“, zit. n. Heinz Volkmar Regling, Die Anfnge des Sozialismus in Schleswig-Holstein, Neumnster 1965, S. 34. 264 Mau, a.a.O. (Anm. 263). 265 Zu diesem und seinen Auffassungen bezglich der Verheiratung sozial Benachteiligter bereits o. S. 546 Anm. 243; cf. a. Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Band I, S. 317. 1802 in Tandslet geboren, wirkte Hansen seit 1830 in Nottmark, wurde 1848 Ritter des Danebrog und wirkte fortan bis 1864 als Bischof von Alsen und Ærø. ber die Betrauung mit diesem Amt berichtet das Correspondenzblatt im Februar 1848: „Der Pastor J. Hansen […], ein durch verschiedene Schriften und durch seine stark nationaldnische Richtung bekannter Geistlicher […] ist unter Belassung seines Amtes als Pastor, zum Bischof von Alsen und Arrç ernannt worden“, KCB 20/1848, S. 84. Die nationale, nicht die soziale Gesinnung erscheint Anfang 1848 von vorrangiger Bedeutung. 266 Mau, a.a.O. (Anm. 263). Bereits ein Vierteljahrhundert zuvor hatte der Diakon Georg Wilhelm Valentiner fr die Stadt Flensburg festgehalten: „Von 341 Geborenen waren erweislich 36 uneheliche“; gleichzeitig wurden „die meisten Ehen […] aus Noth vollzogen“, ders., Chronik von Flensburg vom Jahr 1820, S. 231. 267 Mau, a.a.O. 268 Ebd.

4. Der Diskurs ber die soziale Frage

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vermçgenden zu teilen, bleibt deutlich jenseits solcher Argumentation, die letztlich die bedrckenden Sozial- und Besitzverhltnisse der Gegenwart dauerhaft zementiert269. Vor diesem Hintergrund erklrt sich, wie ein Essay im November 1848 in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Tun und Lassen kirchlichen Handelns „den allgemein gesunkenen religiçsen Sinn“ dafr verantwortlich machen will, daß im gegenwrtigen „Socialkriege“ das „niedere Volk“ fr „alle materialistischen Theorien um so zugnglicher“ sei270. In solchem Kontext wird die konstatierbar gewordene Entfremdung zwischen den Angehçrigen der verarmten Gruppierungen und dem ihnen geltenden Handeln der Kirche in Predigt, Seelsorge und Diakonie als Befreiung von berlieferter Indoktrination interpretiert: Einer Befreiung, die neuen, alternativen gesellschaftlichen Gestaltungsinstrumenten und –systemen Raum und Zukunft ermçglichen soll. Rckblickend lßt sich sagen, daß sich die gesamtstaatlichen Agrarreformen der Aufklrungszeit271 fr die çkonomische Situation der sog. Ktner, Insten und Tagelçhner geradezu defizitr auswirkten272. Deren zuvor von gegenseitiger Verantwortung getragene Bindung an den jewei269 Noch im Mai 1849 druckt das Correspondenzblatt einen Artikel, der davon ausgeht, daß „in unzhligen Fllen der Mensch selbst seines Unglcks Schmied ist“, wobei die anfngliche Ursache dieser Entwicklung in einer „schlechten Erziehung“ gesehen wird. Dem htten die „Faktoren der Volkserziehung“ – Haus, Schule, Kirche und Staat – entgegenzutreten, um rechtzeitig die erstrebenswerte „tchtige Schul- und Geistesbildung“ der Jugend zu gewhrleisten, die in der frhzeitigen Gewçhnung „an Gehorsam, Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Gottesfurcht“ wurzele. Die kirchliche „Gemeinde aber dulde keine verwahrlosete Kinder in ihrer Mitte. Sie nehme es genauer mit dem Schul-, Kinderlehre- und Kirchenbesuche der Jugend“; zitiert aus dem von einem anonymen Autor publizierten Essay „Proletariat und Volkserziehung“, KCB 120/1849, S. 509 f. Hier zeigen sich auferlegter Gehorsam und die Bereitschaft zu erzwungener Bescheidenheit als Erziehungsziele der Gemeinde, die eine Vernderung der sozialen Notlage stets vom bedrftigen Individuum, nicht vom vermçgenden Kollektiv aus anzugehen hat. Zur Umgangsweise mit der Armutsproblematik im Kontext zeitgençssischer Predigten cf. u. S. 576 f. 270 Anonymer Verfasser, Fortschritte des Socialismus in Frankreich, KCB 191/1948, S. 788 f., hier S. 788. 271 Hierzu o. S. 111 – 113. 272 Robert Bohn, Geschichte Schleswig-Holsteins, sieht S. 82 in diesen „die eigentlichen Verlierer der Agrarreformen“; vgl. a. Johannes Brock, Die Vorgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Erhebung, S. 192 – 202; Heinz Volkmar Regling, Die Anfnge des Sozialismus in Schleswig-Holstein, S. 23 f.40 – 45. Zu den „Insten“ Heinrich Drger, Die Instleute oder Insten in Schleswig-Holstein: Ihre Geschichte, ihre Bedeutung fr den Großbetrieb und ihre Entlohnung, Langensalza 1927.

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ligen Grundherrn sah sich in der Folge der Reformen in verhngnisvoller Weise aufgelçst. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstand daher jenes Agrarproletariat, in dem und mit dem sich die soziale Frage im lndlichen Raum wesentlich verschrft sah273. Zudem verzeichnet die Bevçlkerungsentwicklung in den Herzogtmern einen raschen und dynamischen Anstieg; die Einwohnerzahl nimmt zwischen 1819 und 1847 um ca. 30 % zu274. Weiterhin wirken sich zwischenzeitlich immer wieder die Folgen einer Reihe von berproduktionsbedingten Agrarkrisen aus275, die allgemein zu Kaufkraftverlusten fhren, da im Zuge nachlassender Erlçse fr landwirtschaftliche Produkte dem Handel in den Stdten jeweils die entscheidende Liquiditt der Landbevçlkerung wegbricht276. Die beginnende Mechanisierung der Landwirtschaft277 trgt zur Entstehung industrieller Betriebe bei; in dieser sich aufbauenden Metallindustrie luft die Entwicklung hnlich wie in der lteren Textilindustrie der Herzogtmer auf eine Reduktion der manufakturellen Arbeitsprozesse zugunsten der Maschinenarbeit hinaus. Das Investitionskapital fr diese Vorhaben kommt auf Grund des erforderlichen finanziellen Volumens nicht aus den Kreisen der Handwerkerschaft; die Grndungsunternehmer sind „Kaufleute oder Techniker, die von Kaufleuten untersttzt werden“278. Unter diesen dynamischen Vorzeichen und Umbrchen fhrt die Bevçlkerungszunahme zwangslufig zum gravierenden Anstieg des Armenwesens sowie zu permanentem Druck auf den Arbeitsmarkt und damit zum so273 Pastor [Thomas] Rçhe zhlt im eiderstedtischen Tetensbll Ende 1831 in seiner aktuellen „Armenrechnung“ nicht weniger als „200 Arme …] fr etwa 1600 Einwohner“, ders., Das Armenwesen in Tetenbll, KCB 104/1831, S. 454 f. sowie 105/1831, S. 458 f., hier: S. 458. 1786 in Vester Ørsted geboren, wirkte Rçhe von 1820 bis zu seinem Tod 1838 in Tetensbll; zu ihm Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Band II, S. 216. 274 Einzelheiten bei Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt, Bevçlkerungsentwicklung 1830 – 1918, in: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, hg. von Ulrich Lange, S. 341 – 345, hier S. 342 275 Hierzu Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt, Zwischen Krise und Boom – Wirtschaftliche Entwicklung 1830 – 1864, in: Geschichte Schleswig-Holsteins (Anm 274), S. 368 – 384, bes. S. 368 f. 276 Ders., ebd. S. 369: In Krisenzeiten „war neben der Landbevçlkerung die stdtische insoweit betroffen, als bis auf sehr wenige Ausnahmen (Altona, Lbeck, Flensburg) alle Stdte und Flecken der Herzogtmer vom Gedeihen des Landmannes abhngig waren“. Die drei Ausnahmen begrnden sich in deren Status als Hafenstdte, die sich weniger auf den Binnen- als auf den Außenhandel konzentrierten. 277 Vgl. Lorenzen-Schmidt, Zwischen Krise und Boom – Wirtschaftliche Entwicklung 1830 – 1864, S. 374 f. 278 Ebd. S. 380.

5. Der Diskurs ber die Verortung der Kirche im Staat

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zialen Problem des Pauperismus, das sich in den entsprechenden Essays des Correspondenzblattes klar spiegelt279. Diese Umbrche der Zeit finden unterschiedliche Antworten: Die sich vom kollektiv strukturierten Gemeindeaspekt her errichtende Kirche formuliert durch ihre Geistlichen den individuell orientierten moralischen Appell, die sich dagegen erhebende Antithese das Postulat einer gewandelten gesellschaftlichen Verfaßtheit unter den bisweilen miteinander identifizierten Leitbildern skularisierter „Nchstenliebe“ und idealisierter „Brderlichkeit“280. Damit erhlt die soziale Frage jene Antworten, die letztendlich unvereinbar nebeneinander stehen: Hier jene sich an das leidende Individuum wendende Parnese, die die Besitzverhltnisse nachhaltig stabilisiert und den Mangel als selbstverantwortlich abzustellendes bel oder gçttliche Prfung auffaßt; dort der visionre Appell zu einer steuer- und vermçgensrechtlich praktizierten Solidaritt, die dem Kollektiv in der Herbeifhrung gewandelter Besitzverhltnisse die Grundlage zu einer wesentlich neu ausgerichteten Gemeinschaft in Staat und Gesellschaft vermitteln will281.

5. Der Diskurs ber die Verortung der Kirche im Staat: Eine Antithese zur traditionellen Staatskirche Nach kçniglichem Erlaß vom 5. Februar 1742 hatte jeder Geistliche vor seiner Ordination den Homagialeid282 abzulegen. Dieser begrndete ein durchaus dichotomisches Treueverhltnis, band er doch den zu Ordinierenden als Pastor an den Landesherrn in dessen Eigenschaft als summus episcopus und den geistlichen Beamten an den Monarchen als staatlichen 279 Der Herausgeber Theodor Olshausen engagierte sich ber zwei Jahrzehnte hinweg in der 1793 gegrndeten Armenfrsorge Kiels; hierzu Ernst Graber, Kiel und die Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde 1793 – 1953. Ihr soziales, kulturelles und wirtschaftliches Wirken, Kiel 1953, S. 108 – 110 und 214; Janine BaumgartHorn, Theodor Olshausen – Eine politische Biographie, S. 41 – 51. 280 Beide Begrifflichkeiten spiegeln unterschiedliche Traditionszusammenhnge : „Nchstenliebe“ verortet sich genuin im christlichen Kontext, „Brderlichkeit“ in den Idealen der Franzçsischen Revolution. 281 Zur alternativen Problemlçsung der Auswanderung und dem mit dieser verbundenen Aderlaß junger Menschen in Arbeit und Produktion vgl. KCB 31/1835, S. 145 f.; 32/1835, S. 149 f. 282 Zu diesem bereits o. S. 96 Anm. 236, S. 467, S. 494 und S. 502 Anm. 32. Zum Kontext des Untertaneneides vgl. a. o. S. 501 – 510. Den Wortlaut des Homagialeides druckt das Correspondenzblatt KCB 42/1835 S. 199 ab.

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Herrscher. Auch das sonntgliche Gebet fr den Kçnig gehçrte per Erlaßlage zu den Pflichten der Geistlichen und vermittelte die stetige Legitimierung des Monarchen im Kontext seines Gottesgnadentums283. War jede kritische Hinterfragung der absolutistisch geprgten gesellschaftlichen Verfaßtheit unter den Bedingungen der hart gebten Zensur undenkbar, so bot sich der brgerlichen Opposition die Kirchenkritik als probates Mittel an, stellvertretend mit dem Kirchenwesen als einem durchaus „geistlichen Staatszweig“284 die staatliche Verfaßtheit an sich auf den Prfstand der Erçrterung zu bringen. Neben dem Stellvertretungsaspekt einer solchen pars-pro-toto-Offensive offerierte gerade die Teilhabe der Staatskirche an der Bewahrung der bestehenden Ordnung den impliziten Angriff auf diese staatliche Verfaßtheit selbst. Jeder Angriff auf jene Einrichtung, die der Monarchie auf Dauer und immer wieder neu deren Fundamentierung im gçttlichen Willen besttigte, mußte am Ende einem Angriff auf die Monarchie selbst gleichkommen285. Insofern bt das Correspondenzblatt von Anfang an alle Kirchen- und Christentumskritik unter der Intention einer sublimierenden Funktion im Kontext politischer Theoriebildung. hnlich wie im literarischen Umfeld etwa Bruno Bauer286 und Arnold Ruge287 – letzterer als Burschenschaftler und Freund eng mit dem Her-

283 Zu dessen bestndiger Wachhaltung im Kontext des Absolutismus vgl. den Abdruck der Thronbesteigungsurkunde Christians VIII. in KCB 107&108 / 1839, S. 441: „Wir Christian der Achte, von Gottes Gnaden Kçnig […] Thun kund hiermit: Daß Wir, nachdem es dem Allmchtigen gefallen, den vielgeliebten Kçnig […] Frederik den Sechsten, aus dieser Zeitlichkeit abzurufen, den Uns angestammten Thron bestiegen haben […] indem Wir die Wichtigkeit des großen und mhevollen Berufs tief empfinden, welchen die gçttliche Vorsehung Uns anvertraut hat“. 284 Zu diesem Zitat Paul von Heedemann-Heespens o. S. 96 Anm. 236. 285 Hierzu Christian Albrecht, Art. „Vormrz“, TRE Bd. XXXV, Berlin / New York 2003, S. 291 – 301, hier S. 292: Im Vormrz werden „verdeckte oder unterdrckte gesellschaftskulturelle Problemstellungen […] weitgehend im Medium ihrer religiçs-theologischen Transformation reflektiert und diskutiert“; hierzu a. bereits o. S. 518 f. Anm. 106. 286 Zu diesem Theologen, Bibelkritiker und Philosophen Godwin Lmmermann, Kritische Theologie und Theologiekritik. Die Genese der Religions- und Selbstbewußtseinstheorie Bruno Bauers, Mnchen 1979. 287 Zu diesem bereits o. S. 519 Anm. 106. Ruge und Olshausen waren einander in Jena 1822 begegnet und beide fhrende Mitglieder im geheimen Jnglingsbund geworden, vgl. LAS 65.2 Nr. 134d Blatt 82 – 84. Zu Ruge: Robert Boxberger, ADB 29, S. 594 – 598; Friedrich Heyer, BBKL VIII, Sp. 972 – 979; Wolfgang Ruge, Arnold Ruge. 1802 – 1880, Fragmente eines Lebensbildes, Bonn 2004.

5. Der Diskurs ber die Verortung der Kirche im Staat

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ausgeber des Correspondenzblattes verbunden288 – verwenden die in diesem politischen Journal publizierenden Essayisten die Christentumskritik in der auch anderweitig begegnenden vormrzlichen Weise als „entscheidende Waffe, um das Legitimationsfundament der herrschenden Ordnung zu erschttern sowie religiçs begrndete monarchische Autoritt zu delegitimieren“289. Diese Auseinandersetzung luft im vormrzlichen Kieler Correspondenzblatt berwiegend auf drei Ebenen ab: Zunchst im Zusammenhang der Problematisierung des Verhltnisses von Staat und Kirche vor dem Hintergrund einer sich wandelnden gesellschaftlichen Wirklichkeit; zum zweiten in der Thematisierung des Verhltnisses zwischen Kirche und Schule vor dem Hintergrund des sich stetig auswachsenden emanzipativen Bemhens der Lehrerschaft, und drittens in der Auflistung freireligiçser Bewegungen vor dem Hintergrund ihrer Heranbildung zu freien Religionsgesellschaften. 5.1 Die Problematisierung des Verhltnisses von Staat und Kirche vor dem Hintergrund einer sich wandelnden gesellschaftlichen Wirklichkeit Die Erçrterung der Sabbathfrage290 lßt einen anonymen Einsender im August 1832 behaupten, eine „Theilnahme des Volks an der Sache selber“ sei nicht zu erwarten, denn „so gewiß neun Zehntel von dem Beamtenpersonal sich nicht um Kirche und Sabbath-Verordnung bekmmern, eben so gewiß bekmmert sich von der gesammten Bevçlkerung nur ein Zehntel darum.“291

Der zensurbedingt nicht geußerte Hinweis auf die infolge des abgelegten Beamteneides zwar einforderbare, faktisch aber weithin eben ausbleibende 288 Vgl. Ruge, Erinnerungen an Theodor Olshausen, Danziger Zeitung, No. 5649 v. 8. September 1869. 289 Friedrich Wilhelm Graf, Die Spaltung des Protestantismus. Zum Verhltnis von evangelischer Kirche, Staat und ,Gesellschaft‘ im frhen 19. Jahrhundert, in: Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, hg. von Wolfgang Schieder, Stuttgart 1993, S. 157 – 190, hier: S. 161. 290 D.h. der Einhaltung des sonntglichen Kirchgangs und der Sonntagsruhe; hierzu a. o. S. 518 – 521. Die Sabbathfrage begegnet im Correspondenzblatt wiederholt unter Hervorhebung der Kluft zwischen Gesetz und erudierter volkskirchlicher Praxis, vgl. KCB 7/1830, S. 28; 22/1831, S. 99; 47/1837, S. 191. 291 KCB 64/1832, S. 231 f., hier: S. 232.

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Befolgung der kçniglichen Sabbathverordnung durch die Staatsdienerschaft erscheint hier als pikantes Indiz eines durch die Realitt sich wandelnden Umgangs mit dem Gesetz: „Weder Obrigkeiten noch Untergebene kehren sich an die alten Gesetze“292. Im selben Jahr unterstreicht das Correspondenzblatt fr den Fall einer theoretisch dem „Zwecke des Staats“ zuwiderhandelnden Staatsgewalt die grundstzliche Begrenztheit der „Pflicht der Unterthanen zum Gehorsam“ und das „Recht der Nothwehr, das Recht zur Versagung, zur Aufkndigung des Gehorsams“293. Dabei rumt es unter Berufung auf Hugo Grotius294 dem Volk sogar „das Recht des thtlichen Widerstandes“295 ein. Zwei Jahre spter referiert der Bergstedter „Kirchenprobst“ Christian Detlev Dose296 den einer Beilage zur Leipziger Zeitung entnommenen Vortrag des Leipziger Superintendenten Dr. Großmann297, gehalten in der Sitzung der Schsischen Stnde am 11. Mrz 1832, in dem dieser auch ber die „oberbischçfliche Gewalt der Frsten“ handelt298. Ihren Ursprung habe diese Gewalt der Frsten nicht durch die Einheit von Staat und Kirche, sondern im Reflex auf eine historische Notsituation der Reformatoren; ihren Zweck finde sie allein in der Vertretung und im Schutz der Kirche gegen innere und ußere Feinde, und ihre Schranken in den Vorschriften des Evangeliums und der Grundstze der protestantischen Kirche299. Hier 292 Ebd. 293 Anonymer Autor, ber das gçttliche Recht der Frsten und ber die Pflicht der Unterthanen zu unbedingtem Gehorsam, KCB 42/1832, S. 185 f, und 43/1832, S. 189 f., hier: S. 185. 294 Zu diesem Begrnder des Vçlkerrechts auf naturrechtlichen Grundlagen Florian Mhlegger, Hugo Grotius. Ein christlicher Humanist in politischer Verantwortung, Berlin / New York 2007. 295 A.a.O. (Anm. 293), S. 190. 296 Zu diesem Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Band I, S. 204. 1775 in Rendsburg geboren, hatte Dose ausschließlich in Kiel studiert und ein Jahr vor seinem Glckstdter Examen ab 1798 das Wilsteraner Rektorat bernommen. 1801 wechselte er nach Segeberg, wurde 1803/04 zum Dr. phil. promoviert; 1805 bis 1822 Pastor in Bnstorp, amtierte er anschließend bis zur Emeritierung zunchst als Pastor, seit 1827 als Propst in Bergstedt. 1829 wurde ihm die Wrde eines Ritters des Dannebrogs zuteil. 297 Dieser war selbst Mitglied der schsischen Ersten Kammer, trat fr eine grçßere Freiheit der Kirche im Staat ein und begrndete mit Gleichgesinnten das GustavAdolf-Werk. Zu ihm Angelika Rotter, Christian Gottlob Leberecht Großmann (1783 – 1857): Leipziger Superintendent und Wegbereiter evangelischer Diasporaarbeit, Leipzig 2007. 298 Kirchenprobst [Christian Detlev] Dose, Miscelle, KCB 87/1834, S. 399. 299 Ders., ebd.

5. Der Diskurs ber die Verortung der Kirche im Staat

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zeigt sich die Bereitschaft eines vormrzlichen holsteinischen Geistlichen, grundstzlich ber eine Relativierung der landesherrlichen Position in der Kirchenordnung nachzudenken. In den Kontext der Kirchenordnung fllt auch die Anfrage eines „Kirchenfreundes“ im Dezember 1839300. Ihn interessiert, inwieweit das seitens der Kçniglichen Regierung verordnete tgliche Trauergelut „um den entschlafenen Landesvater“301 auch „am Sonntage von 10 bis 12 Uhr stattfinden“ solle. Sein Pastor habe diese Frage bejaht, „denn wenn nicht auch sonn- und festtglich gelutet werden sollte, so wre das wohl bestimmter von der Kçnigl. Regierung zu erkennen gegeben“. Konfrontiert mit dem Hinweis auf die Auswirkung des Lutens auf die christliche Andacht am Sonntagmorgen, habe der Geistliche – so der Einsender – entgegnet: „Herrendienst geht vor Gottesdienst“302. Wird dem mçglicherweise imaginren Pastor hier unreflektierte Verordnungsobservanz attestiert, so erscheint auch der dazu Anlaß gebende, auf jeden Fall konkretreale Regierungserlaß bezglich des Trauergelutes in negativem Licht. Die in den Artikel eingelassene ußerung des Vorrangs des Herrendienstes vor dem sonntglichen Gottesdienst indiziert eine obrigkeitshçrige Außerkraftsetzung der clausula Petri303, die deutlich macht, daß es dem Autor letztlich um die Frage der Gewichtung zwischen obrigkeitlicher Anordnung und biblischem Wort geht. Unter Einbeziehung einer gewissen sophistischen Kasuistik wird hier ein Keil zwischen den bibelkundigen Christen und seine Regierung getrieben; die disqualifizierende Darstellung des staatskirchlichen Geistlichen offenbart, wie sehr diesem vernunftgemßes Handeln und selbstbewußte Geisteshaltung ermangeln. Noch dazu verkennt er im Umgang mit der biblischen Gottesforderung die kirchlichen Grundlagen zugunsten eines unkritischen staatsbrgerlichen Observantentums. Einen solchen staatstreuen Gehorsam kirchlicher Amtstrger304 spiegelt das Correspondenzblatt kommentarlos und dennoch diskreditierend verschiedentlich auch in schlichten Kurzmeldungen wie etwa im folgenden Beitrag: „Der Pastor Blicher hat jetzt auch eine Aufforderung zur Untersttzung des ,Dannevirke‘ […] ergehen lassen. Er […] bezeichnet die 300 301 302 303 304

KCB 112/1839, S. 459. Es handelt sich um Friedrich VI. A.a.O. (Anm. 300). Apg. 5,29: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“. Mit harschem Vorwurf ausgesprochen KCB 19/1840, S. 76: „Wer das auch in unserm Vaterlande aus dem Schlummer erwachende politische Leben mit der Fackel des Christenthums beleuchtet, um es verdchtig zu machen, der macht in solchem hellen Wahrheitsschein sich selber verdchtig“.

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Holsteiner als ,Dnen‘“305. Vor diesem Hintergrund verhalten angeprangerten staatskirchlichen Handelns verwundert es nicht, daß das Correspondenzblatt in seiner weiteren vormrzlichen Entwicklung im Frhjahr 1846 eine Neuordnung des Kirchenwesens intendiert, die „das Princip der Reformation vollkommen verwirklicht“306. Wird das Ereignis der Reformation hier einmal mehr auf seine zwischenmenschliche Freiheit stiftende Qualitt reduziert, so verbinden sich mit dieser Perspektive die konkreten Forderungen einer Rckgabe der „reinen Kirchengewalt“ an die protestantischen Gemeinden, „denen sie ursprnglich gehçrt“, Gemeindewahl der Prediger unter Aufgabe des bislang praktizierten „Anciennittsprincips“307, „Autonomie der Gemeinde“308 nebst „Synodalverfassung“309 sowie freier Konfessionswahl infolge der Ermçglichung individuellen gemeindlichen „Austritts und […] bertritts“310. Das Verlangen, die Schule solle knftig „nicht in, sondern außer der Kirchenverfassung stehen“, da sie „nach den Forderungen unserer Zeit an Volksbildung nur als Staatsanstalt aufgefaßt werden“ kçnne311, rundet den Katalog der nunmehr entwickelten vormrzlichen Postulate einer Trennung von Staat und Kirche nachhaltig ab.

305 KCB 92/1839, S. 376. „Dannevirke“ ist ein zeitgençssisches nordschleswiger Blatt von dnischer Gesinnung; bei Pastor Steen Steensen Blicher handelt es sich um einen nçrdlich der Kçnigsau ttigen Geistlichen. Er versieht seit 1825 das Pfarramt in Spentrup bei Randers und bettigt sich zwischen 1839 und 1844 als Organisator der Freiluftversammlungen am Himmelsberg. Zu ihm: Annemarie Gjedde Jørgensen, Steen Steensen Blicher. En Bibliografie, udg. af Blicher-Selskabet ob Danmarks Biblioteksskole, København 1993. – Noch ein knappes Jahrzehnt spter resmiert ein liberaler Essayist im Mai 1848 KCB 71/1848, S. 278: „Die Kirche zeigt sich in diesem Augenblick dem çffentlichen Leben fast nur in den politisch reactionairen Bestrebungen, oder […] in den Dnischen Einwirkungen, zu welchen die Geistlichen vielfach ihr Amt mißbrauchen“. 306 Anonymer Autor, Der Staat und die Kirche, KCB 36/1846, S. 145 f. sowie 37/ 1846, S. 149 f., hier: S. 145 [Hervorhebung im Original]. 307 Ebd. S. 149. 308 Ebd. S. 150. 309 Die Forderung einer Synodalverfassung der Kirche entwickelt sich parallel zu den seit 1834 tagenden Provinzialstnden; vgl. hierzu KCB 70/1835, S. 313 f. 310 A.a.O. (Anm. 306). 311 Ebd.

5. Der Diskurs ber die Verortung der Kirche im Staat

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5.2 Die Debatte um das Verhltnis zwischen Kirche und Schule vor dem Hintergrund des fortschreitenden emanzipativen Bemhens der Lehrerschaft Ende Februar 1835 druckt das Correspondenzblatt die kurze Rezension312 einer soeben in Hamburg und Kiel erschienenen programmatischen Publikation des „Districtschullehrers Kolls“313, die sich an die „stndischen Versammlungen der Herzogthmer Schleswig und Holstein“ wendet und nicht weniger als die „Emancipation der Volksschule“ intendiert. Den Grund „alles bels, das die Schule drckt,“ sieht der Distriktschullehrer „in ihrer jetzigen Stellung […], wonach sie nichts als Staats-, sondern lediglich als eine von der Staatsregierung angeordnete Communalanstalt anerkannt werde“314. Kolls intendiert den Staat selbst als Trger der Volksschulen, will den Staat von daher auch in der Verantwortung fr die Besoldung der Lehrerschaft sehen – und die Beaufsichtigung des Lehrbetriebes „von einer eigenen Schul-Commission“ durchgefhrt wissen315. Eben hier liegt stillschweigend die Brisanz: Aktuell wird die Schulaufsicht nach § 74 der „Allgemeinen Schulaufsicht von 1814“ durch den jeweiligen „Prediger des Ortes“ als dem „bestndigen Schulinspektor, der […] jede Schule seiner Gemeinde fleißig zu besuchen hat“, ausgebt316. Implizit ußert sich in diesem Zusammenhang also jenes emanzipatorische Interesse, das weite 312 KCB 16/1835, S. 80. 313 Die Schrift selbst scheint heute nicht mehr greifbar zu sein: Kolls, Die Emancipation der Volksschule. Eine den stndischen Versammlungen der Herzogthmer Schleswig und Holstein geweihete Beherzigungsschrift, Hamburg und Kiel 1835. 314 KCB 16/1835, S. 80. 315 Ebd. 316 Zit. n. Franz M.[artin] Rendtorff, Die schleswig-holsteinischen Schulordnungen vom 16. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Texte und Untersuchungen zur Geschichte des Schulwesens und des Katechismus in Schleswig-Holstein, Kiel 1902, S. 175 f.; kritisch zum prçpstlichen Examen der angehenden Lehrer in den „Schulwissenschaften“ KCB 10/1832, S. 43 f. Ebd. S. 44: „Abgesehen davon, ob die Herren Prçbste smmtlich dazu im Stande sind, einen Schullehrer gehçrig zu prfen, mçchten sie denn wenigstens recht bald aufhçren in çconomischer Rcksicht eine drckende Last fr Seminaristen und Schullehrer zu sein! Es scheint wahrlich, als ob diese Prfungen nicht selten zu einer bloßen Geldquelle benutzt werden“. Dagegen eine „Erwiederung“ in KCB 15/1832, S. 65 f., hier S. 66: „Es ist unglaublich, wie grundfalsch oft die heimlichen Insinuationen ber Schulangelegenheiten sind […] das Loos der Kirchenprçbste ist in der That nicht beneidenswerth, indem sie sich fr ihre Dienste und Bemhungen gar keines fixen Gehaltes erfreuen, und die sprlichen Accidentien […] zur Bestreitung der jhrlichen Ausgaben fr Porto und Schreibmaterialien oft kaum hinreichend sind“.

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Teile der schleswig-holsteinischen Lehrerschaft ab Mitte der 30er Jahre bewegt und zu schweren Kontroversen zwischen Pastoren und Lehrern Anlaß gibt317. Doch berichtet das Correspondenzblatt auch von Bemhungen gegen eine Eskalation der emanzipativen Tendenzen der Lehrerschaft. Im Sommer 1838 verçffentlicht der Kieler Propst Claus Harms seinen Aufsatz „ber die Herstellung des Kieler Schullehrerseminars“318, in dem er sich fr einen Wiederaufbau der alten Bildungssttte fr Schullehrer in Kiel ausspricht319, da nunmehr ein betrchtlicher Teil holsteinischer Seminaristen seine Ausbildung in dnischen Seminaren wahrnehmen msse – „zum großen Nachtheil fr die Bildung in ihrer Mutter- und Lehrsprache“320. Die Neuerrichtung des Seminars in Kiel begrndet Harms u. a. auch mit der dadurch ermçglichten rumlichen Nhe zwischen Seminaristen und Theologiestudierenden, da letztere „sich durch das Seminar eine genaue und anschauliche Vorstellung von der materiellen und formellen Bildung knftiger Schullehrer“321 verschaffen kçnnten. Schließlich stnden „Lehrer an Kirchen und Schulen in einem wesentlich gleichen Beruf“, arbeiteten sie doch „an Einem großen Werk“ und sollten „ihre Krfte zu gemeinsamer und bereinstimmender Thtigkeit vereinigen“322. 317 Zu ersten Spannungen zwischen Geistlichen als Trger der Schulaufsicht und der von ihnen visitierten und daher durchaus abhngigen Lehrerschaft in den Herzogtmern vgl. bereits o. S. 297 f. – Zum Broschrenkampf der Kontroverse um Schulaufsicht und Lehrerbesoldung: Robert Patett, Das Schleswig-holsteinische Schulwesen zur Zeit des Vormrz im Spiegel der Wochenzeitung „Itzehoer Wochenblatt“, Kiel 1993, S. 85 – 88; entsprechende kirchenkritische Artikel im Correspondenzblatt etwa in KCB 95/1839, S. 388 f.; 31/1840, S. 123 – 125. 318 KCB 54 – 56/1838, S. 219 – 228. Die Zentrierung der Ausbildung von Seminaristen sowie der Examination der Studenten in Kiel war ein seit langem gehegtes Anliegen des Correspondenzblattes, vgl. KCB 16/1832, S.71; 23/1832, S. 101 f.; 26/1832, S. 119; 61/1832, S. 271 f.; 73/1832, S. 321 – 323; 68/1833, S. 315 f., hier S. 315 die Bitte des Brgger Organisten und Schulmeisters Stubbe: „Lieber, guter Herzenskçnig! gieb uns unser Schullehrerseminar wieder!“; KCB 42/1835, S. 188 f., hier S. 188: „Man sagt sich ins Ohr, daß die Abneigung unsers Kçnigs die Erneuerung der Thtigkeit des Kieler Seminars verhindert habe“; ferner KCB 70/ 1835, S.313; 93/1837, S. 374; 108/1837, S. 435. 319 Das alte Seminar war 1823 geschlossen worden; hierzu o. S. 301. 320 KCB 54 – 56/1838, S. 219. 321 Ebd., S. 228. 322 Claus Harms, ber die Herstellung des Kieler Schullehrerseminars, KCB 54 – 56/ 1838, S. 219 – 228, hier: S. 228. Im Vorwort seiner Publikation: Die Religionshandlungen der lutherischen Kirche. In neun Predigten, Kiel 1839, ußert Harms S. VIII: „Ich aber will hier nur den Wunsch aussprechen, daß die Kirche und die Schulen doch niemals noch weiter werden auseinander mçchten zu stehen kom-

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Dieser Ansicht folgen knapp zwei Monate spter die in den ostholsteinischen Ortschaften Khren und Deichkamp ttigen Lehrer Langfeldt und Nissen, die im brigen „viele Collegen kennen, die mit uns fest berzeugt sind, daß das Wohl der Schule und das Wohl der Kirche eine mçglichst enge Verbindung der Schule mit der Kirche verlangt“323. Unmittelbar nach Beginn der Erhebung sollen die Weichen jedoch anders gestellt werden, und daher setzt sich der Ltjenburger Brger Detlefsen324 Ende Mai 1848 mit der Frage auseinander: „Was muß in der nchsten Zukunft fr die Kirche und Schule unseres Landes geschehen?“325. Dabei gelangt er unter der Prmisse, daß nunmehr „die provisorische Regierung“326 die Rechtsnachfolge in der „obersten Leitung der Kirche und Schule und ihrer Angelegenheiten“ angetreten habe, zur Forderung einer regierungsseitig zu initiierenden „Reorganisation der Schule und der Kirche“327, um den „so lange und oft so heftig gefhrten Streit ber Emancipation der Schule“ und „die unfreie Stellung der Lehrer“328 endlich zu einem Abschluß zu bringen. Zwei Monate spter erhlt Detlefsen diesbezglich literarische Untersttzung durch den Kieler Archidiakon

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men, als daß sie gegenwrtig von einander stehen zu ihrer beyder großem Nachtheil“. Langfeldt und Nissen, ber eine Behauptung des Herrn Probsten Harms in No. 65 d.Bl., KCB 73/1838, S. 298. Ernst Adolf Lilie, Die Emancipation der Schule von der Kirche in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Kiel 1843, setzt sich S. 25 – 43 kritisch mit den pdagogischen Intentionen in Rousseaus „mile ou De l‘ducation“ (zu diesem o. S. 30 f.; S. 193; S. 229) auseinander, um S. 111 angesichts des zeitgençssischen religiçsen Indifferentismus in den amerikanischen Staaten sowie den Niederlanden festzuhalten: „Es ist dies die tiefste Erniedrigung der Schule: Sie geht um mit geistigen Gtern, und den Mittelpunct allen geistigen Lebens, die Religion, bannt sie aus ihrem Kreise, die Lehrer werden zu ntzlichen Maschinen auf dem geistigen Gebiet herabgewrdigt, indem […] durch den principiell durchgefhrten Indifferentismus alles Lernen seines sittlichen Gehalts entleert wird, den es nur durch die Beziehung des Bildens auf die Wiederdarstellung des Ebenbildes Gottes bekommt […] wie in Allem, das mit dem Geistlichen, wie die Schule, in Berhrung kommt, giebt es nur ein fr oder wider Christum und seine Kirche; am allertraurigsten stnde es mit der Schule, wenn das Verhltniß der Schule zur Kirche […] einen Zustand der Gleichgltigkeit“ erreichte, ders., a.a.O., S. 120. Whrend der 40er Jahre gelegentlicher liberaler Beitrger des Correspondenzblattes. KCB 71/1848, S. 276 – 278. Zu dieser sich mit der Erhebung formierenden Regierung der Herzogtmer u. S. 604 – 609. A.a.O. (Anm. 325), S. 276. Ebd. S. 276 f.

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Heinrich Sçnke Theodor Wolf 329, der einer „Lçsung des Verhltnisses zwischen Kirche und Staat“ das Wort redet und „das unnatrliche Verhltniß, worin die Schule zur Kirche steht, endlich einmal und zwar alsbald“ beendet sehen mçchte330. Mit diesen ußerungen gibt der Kieler Archidiakon unmittelbar nach dem Fall des Absolutismus jene jahrzehntelang gewahrte kirchliche Distanziertheit gegenber einer Trennung von Staat und Kirche auf, die diese vorrangig als revolutionres Postulat und damit als Erbe der franzçsischen Dechristianisierungsideologie331 bewertet hatte und dabei auch die empirische politische Obrigkeit nicht von ihrer Verantwortung gegenber Gottes Gesetz entbunden sehen wollte. Wenn die Mehrheit der schleswigholsteinischen Geistlichen whrend der Erhebung Wolfs kirchenpolitische Auffassungen sicher nicht ohne weiteres zu teilen vermochte, so erforderte der historische Moment doch die Einsicht, daß sich das aufgeklrte Naturrecht dem offensichtlichen Mehrheitswillen der Zeit klarer erschlossen hatte als der tradierte Gedanke einer strikten Zusammengehçrigkeit von Staat und Kirche332. Die Legitimitt von Gesetz und Verfaßtheit des Staates erschloß sich damit nicht mehr als Ausfluß des gçttlichen Willens, sondern begrndete sich im jeweils neuen voluntativen Akt ihrer Auslegung. Jenseits der Kirchenmauern war die reformatorische Grundanschauung von der gçttlichen Legitimation der empirischen Obrigkeit lngst preisgegeben worden, und im unmittelbaren historischen Kontext sah sich mit dem Ende des gesamtstaatlichen Absolutismus der Gedanke eines monarchischen Gottesgnadentums soeben auch politisch erledigt333. 329 Auch: Heinrich Sçncke Theodor Wolf; dieser war Amtsbruder von Claus Harms an der St. Nikolaikirche, der gegen Wolfs Wahl erhebliche Vorbehalte hatte, vgl. Heinrich Zillen, Hg., Claus Harms’ Leben in Briefen, meist von ihm selber, hier S. 320 – 322 die Briefe Harms’ an Martens vom 19. November 1835 und 6. Januar 1836 sowie an Hansen vom 20. November 1835. Zu Wolf cf. Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Bd. II, S. 383. 330 Beitrag Wolfs in einem „Extra-Blatt zum Correspondenz-Blatt“ vom 26. Juli 1848. 331 Zu dieser o. S. 42 Anm. 58 sowie S. 49 Anm. 79. 332 Hart fllt das Urteil A. Detlefsens in KCB 71/1848 aus: „Die Kirche entbehrt in diesem Augenblick fast allen Einflusses auf das Volksleben“. 333 Deutlich formuliert dies ein Beitrag des Correspondenzblattes Ende April 1848: „Die Zeit hat lngst ber das von ,Gottes Gnaden‘ gerichtet; die Geschichte der jngsten Tage hat bewiesen, wie fest die auf ,Gottes Gnaden‘ gebauten Throne stehen, wenn sie mit dem Willen des Volkes in Widerspruch treten. Hçher als alle Legitimitt steht der vernnftige Wille, die Freiheit, die Nationalitt des Volkes, jene besteht nur mit der vollen Anerkennung dieser“: KCB 58/1848, S. 224 – 226, hier S. 225.

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5.3 Die Darstellung freireligiçser Bewegungen vor dem Hintergrund ihrer Heranbildung zu freien deutschen Religionsgesellschaften Der Deutsche Bund kannte fr seine Gliedstaaten kein allgemein bergreifendes kirchliches Recht; garantiert war lediglich in Art. 16 seiner Bundesakte die Bekenntnisfreiheit fr das einzelne Gemeindeglied innerhalb der drei großen Konfessionen, also der Katholischen, der Evangelisch-Lutherischen sowie der Evangelisch-Reformierten Kirche334. Damit realisierte sich im positiven Recht ein fest etabliertes Staatskirchentum, das im Vormrz nur auf zweierlei Art und Weise angegriffen werden konnte: „Durch extensive Auslegung des Menschenrechts auf Glaubens- und Gewissensfreiheit“ und „durch Neubelebung einer spezifisch kirchlichen Religiositt, die sich mit einer nach Preußischem Allgemeinen Landrecht regulierten Kirche nicht zufriedengeben wollte“335. In jenem vormrzlichen Geistesklima, in dem „Religiositt als brgerliche Reflexionskultur“336 betrieben wurde und in dem religiçser Dissenz auch zu einem Interpretament politisch-gesellschaftlicher Unzufriedenheit geworden war, konnte es nicht ausbleiben, daß sich die Schere zwischen Religion und Religiositt zusehends çffnete. Diese Entwicklung begleitet auch das Kieler Correspondenzblatt. Im Februar 1840 setzt es sich mit einer ußerung des Kieler Propsten Claus Harms in dessen Trauerpredigt anlßlich des Todes Kçnigs Friedrichs VI.337 kritisch auseinander338. Harms hatte im Rckblick auf den Beginn

334 Hierzu Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band I, S. 412 – 415. 335 Peter Landau, Die Entstehung des neueren Staatskirchenrechtes in der deutschen Rechtswissenschaft der zweiten Hlfte des 19. Jahrhunderts, in: Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, hg. von Wolfgang Schieder, Stuttgart 1993, S. 29 – 61, hier S. 32. 336 So die These Friedrich Wilhelm Grafs, Die Spaltung des Protestantismus. Zum Verhltnis von evangelischer Kirche, Staat und ,Gesellschaft‘ im frhen 19. Jahrhundert, S. 208 – 213. 337 Vgl. Claus Harms, Des Volkes Trauer und Trost ber den Heimgang seines Kçniges. Trauerpredigt in Veranlassung des Ablebens Frederik VI, Kiel 1840. 338 Anonymer „Geistlicher“ (mçglicherweise Harms rationalistischer Widersacher und Amtsbruder an St. Nikolai Sçnke Heinrich Wolf ), Zwei Behauptungen des Probsten Harms, welche theils verkehrt gedeutet, theils bezweifelt werden kçnnen, KCB 19/1840, S. 76 f.

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der Regierungszeit des verstorbenen Kçnigs bemerkt: „Als Frederik VI.339 die Regierung antrat, war mehr Frçmmigkeit vorhanden, als jetzt“340. Ein namentlich nicht genannter Geistlicher rumt als Harms’ Widersacher diesbezglich ein, daß zum genannten historischen Zeitpunkt „noch manche Gegenden nicht so berfluthet waren von dem, was der christlichen Frçmmigkeit feindselig gegenbersteht, als nachher geschehen ist“, doch sei mittlerweile „ein neuer christlicher Geist vom Himmel herab auf die theologischen Lehrsthle gekommen“, der bereits „viele Kanle gefunden“ habe. Daher unterliege Harms negative Quantifizierung der gegenwrtigen Frçmmigkeit grundstzlichem Zweifel341. Mit seiner theologischen Floskel vom „neuen Geist“ reklamiert Harms’ Kritiker immerhin nicht weniger als ein pneumatisches Ereignis, das die kirchliche Gemeinschaft nach dem Willen des Himmels ber den Weg der universitren Lehrvermittlung erreicht habe und sie nun zu einer verbesserten Adaption der vernderten gemeindlichen Erfordernisse befhige: Kirchlicher Wandel als Antwort auf gesellschaftlichen Wandel. Doch sollte sich im weiteren Verlauf des Vormrzes zeigen, daß mit dem Rckgang staatskirchlicher Verankerung im gesellschaftlichen Leben zunehmend kirchenexterne religiçse Entwicklungen und Einflsse in Konkurrenz zur Staatskirche traten und dieser in Gestalt „freier Gemeinden“ zustzlich Reaktion und Antwort abnçtigten. Ein frhes Zeugnis der Reaktion schleswig-holsteinischer Geistlicher auf eine freie Religionsgemeinschaft findet sich im Correspondenzblatt vom 6. September 1845342. Es geht hier um eine „sogenannte ,liebevolle Erklrung‘“, die „Pastor Hansen343 in Rellingen abgefaßt hat“ und die sich 339 Zum Gebrauch des dnischen Namens als Ausdruck kçnigstreuer prodnischer Gesinnung vgl. bereits o. S. 490 Anm. 48. Harms’ Kritiker interpretiert dessen Trauerpredigt als „politisches Glaubensbekenntnis“ und fragt daher nach den politischen Auffassungen des „Predigerstandes“. 340 KCB 19/1840, S. 77. 341 Ebd. 342 bernahme eines Beitrages der „Hengstenbergischen Evangelischen Kirchenzeitung“ zur „Erklrung Schleswig-Holsteinischer Geistlicher gegen die Lichtfreunde“, KCB 72/1845, S. 320 f. 343 Christian Boe Hansen, geboren in Tating Ende 1797, war nach seinem Kieler Studium kurz in Reinfeld ttig, wurde 1824 Compastor in Rendsburg und elf Jahre spter Pastor in Rellingen. Als solcher fungierte er nach dem Ende der Erhebung whrend der Jahre 1852 bis 1854 als kommissarischer Propst und wechselte anschließend auf die Zarpener Pfarrstelle, die er bis zu seinem Tod im August 1871 verwaltete; zu ihm Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band I, S. 312.

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gegen die sogenannten Lichtfreunde344, namentlich gegen Wislicenus in Halle345, Uhlich in Pçmmelte346 und Kçnig in Anderbeck347“ wendet und

344 In den frhen 40er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die Hallenser Universitt, die seit Jahrzehnten eine Hochburg des theologischen Rationalismus war, zum Ausgangspunkt einer oppositionellen Massenbewegung auf religiçser Grundlage. Die in Halle ausgebildeten Geistlichen gerieten im Pfarrdienst oftmals in Gegenstze zu konservativen Intentionen ihrer jeweiligen Staatskirchen. Aus dem konkreten Widerstand gegen die disziplinarischen Maßnahmen insbesondere des Magdeburger Provinzial-Kirchenkonsistoriums gegenber rationalistischen Geistlichen – an denen auch der ehemalige Mçllner Pastor und nunmehrige Bischof Drseke seinen Anteil hatte – entwickelte sich in der Kirchenprovinz Sachsen zu Beginn der 40er Jahre ein innerkirchlicher Protest, der alsbald politische Zge annahm. Die Ende Juni 1841 von Pastor Leberecht Uhlich und einem guten Dutzend weiterer Geistlicher in Gnadau gegrndete „Vereinigung der protestantischen Freunde“ intendierte zunchst religiçse Erbauung auf der Grundlage der Vernunft sowie Verhinderung obrigkeitlicher Eingriffe in das gemeindliche Leben. Allmhlich formierten sich weitere Zielsetzungen: Trennung von Staat und Kirche, Gewhrung von Lehr- und Pressefreiheit, Kampf gegen die soziale Verelendung sowie Maßnahmen hinsichtlich einer optimierten Volkserziehung. Die Rezeption der „protestantischen Freunde“ verengte sich auf die aufklrerische Idee vom „Licht“ im kirchenpolitischen Dunkel: Dies eben fhrte zu ihrer Apostrophierung als „Lichtfreunde“. Zu diesen: Jrgen Gebhardt, Die pdagogischen Anschauungen der Lichtfreunde und Freien Gemeinde, in: Jahrbuch fr Erziehungs- und Schulgeschichte 4 / 1964, S. 73 – 113; Jçrn Brederlow, „Lichtfreunde“ und „Freie Gemeinden“. Religiçser Protest und Freiheitsbewegung im Vormrz und in der Revolution von 1848/49, Mnchen / Wien 1976; Maik Hattenhorst, Brgerliche Sektenbildung: Lichtfreunde und Freie Gemeinden in der Provinz Sachsen 1841 – 1859, in: ZfG 49 / 2001, S. 293 – 314; Andreas W. Daum, Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Brgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche ffentlichkeit 1848 – 1914, 2. Aufl. Mnchen 2002, S. 195 – 198; Ramona Myrrhe, Lichtfreunde und freie Gemeinden in der preußischen Provinz Sachsen in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, in: Geschichte als Beruf: Demokratie und Diktatur, Protestantismus und politische Kultur, Festschrift zum 65. Geburtstag von Klaus Erich Pollmann, hg. von Ramona Myrrhe, Halle / Saale 2005, S. 189 – 208. 345 Zu diesem: Arnold Ruge, Gustav Adolf Wislicenus, in: Volkstaschenbuch fr 1850, hg. von Wilhelm Lders, S. 143 – 154; Gustav Frank, ADB 43, S. 542 – 545; Martin Friedrich, BBKL XIII, Sp. 1424 – 1426. Wislicenus leugnet die Bibel als „hçchste Autoritt“ und setzt an ihre Stelle den „uns selbst einwohnenden lebendigen Geist der Wahrheit“, Gustav Frank, a.a.O., S. 543. 346 Zu diesem: Heinrich Prçhle, ADB 39, S. 171 – 173; Walter Breywisch, Leberecht Uhlich, in: Mitteldeutsche Lebensbilder, 2. Bd., Magdeburg 1927, S. 187 – 198. Uhlich war nach seinem Studium in Halle anfnglich Lehrer in seiner Geburtstadt Kçthen und erhielt 1824 im anhaltinischen Diebzig seine erste Pfarrstelle. Nach der Konversion seines Landesherrn Ferdinand von Anhalt-Kçthen zum Katholi-

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von 88 Angehçrigen der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit sowie den Predigern der Friedrichstdter Mennoniten- und Remonstrantengemeinde unterschrieben worden ist348. Die Rellinger Erklrung verurteilt die Leugnung „der wichtigsten und heiligsten Lehren des Evangeliums“ durch die genannten „Feinde des Evangelii, die sich ihrer Menge rhmen“, und verdammt „die Richtung der Lichtfreunde als unkirchlich, unbiblisch und unchristlich“349. Wenig spter bemht sich Archidiaconus Wolf um die Publikation einer weiteren Erklrung, die inzwischen in der Rheinwaldschen Allgemeinen Kirchenzeitung Nr. 49 dem „angeblich liebevollen Hansen’schen Bannfluch“ zur Seite getreten ist und unter 248 Unterschriften berwiegend „vom Magdeburgischen“ nicht weniger als 48 Namen protestantischer Prediger der Herzogtmer auflistet350. „Nicht ohne einige Bewegung“ publiziert Wolf die gesondert aufgefhrten Namen der schleswig-holsteinischen Geistlichen, sieht er doch „bei diesem Werk […] Zwietrachtsformeln, Feuerbrnden gleich hinein geworfen in den Schooß der Kirche“; dabei gehe es doch um die Sammlung „einer einigen Gemeine“351. Gottlob sei

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zismus hielt Uhlich an seinem Protestantismus fest und wechselte in die preußische Landeskirche, wo er seit 1827 in Pçmmelte wirkte. Am 29. Juni 1841 grndete er mit Gleichgesinnten in Gnadau den „Verein der Protestantischen Freunde“, der rasch çffentlichkeitswirksam wurde und auf seinen Versammlungen bereits Mitte der 40er Jahre Tausende von Besuchern anzog. Im September 1847 „wegen grober Verletzung gegen die Kirchenordnung“ amtsenthoben, erfuhr Uhlich enorme Untersttzung aus der Bevçlkerung. Der Kirchenaustritt von 112 Magdeburgern fhrte zur Grndung einer Freien Gemeinde, deren erster Pastor Uhlich nach seinem Austritt aus der Landeskirche Ende 1847 wurde. Wenige Monate spter umfaßte diese Freie Gemeinde bereits 8000 Menschen. Whrend der Revolution genoß der 1799 geborene „Vater“ Uhlich tribunhaften Glanz und gehçrte dem linken Zentrum der preußischen Nationalversammlung an. Zu Pastor Karl Bernhard Kçnig: Astrid Nachtigall, Die Auseinandersetzungen um die Kirchenunion in Preussen von 1845 bis 1853 und die Kabinettsorder von 1852, Bielefeld 2006, S. 25. KCB 72/1845, S. 320 f. Die Kieler Geistlichen fehlen in der Liste, die ansonsten alle Landesteile reprsentiert. Hierzu zhlen insbesondere Trinittslehre, Rechtfertigungslehre, Gottheit Christi – und das apostolische Glaubensbekenntnis, ebd. Archidiaconus [Sçnke Heinrich] Wolf, Mittheilung ber eine zweite Erkrung protestantischer Prediger Schleswig-Holsteins gegen das Princip der protestantischen Freunde, KCB 74/1845, S. 340 f. Die Kieler Geistlichen sind auch in dieser Erklrung nicht vertreten. Ebd. S. 341.

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„die Zeit vorber, wo die Welt unbesehen und auf guten Glauben das als Wahrheit hinnahm, was die Kirchenvter, die leider nicht immer Vter der Kirche waren, durch Stimmenmehrheit als Wahrheit aufgestellt“ htten352.

Im Anschluß an diese Hervorhebung des numerischen Aspektes im Prozeß historischer Symbolformulierung ußert Wolf vorsichtig seine Solidaritt353 mit den Lichtfreunden: „Glauben denn die, welche […] auf uns Rationalisten als auf Paria’s hinabsehen, glauben sie denn in Wahrheit, keine Mission an uns zu haben, wenn auch eine Mission unsererseits an ihnen eine Unmçglichkeit wre?“354

Dem sich selbst als Rationalisten ausweisenden Archidiakon liegt also die Erinnerung an die Verpflichtung zum jeweils „missionarischen“ Brckenschlag zwischen den getrennten Lagern am Herzen. Sein Desiderium einer von Toleranz geprgten Atmosphre verwirklicht sich jedoch nicht, denn nun ußert sich erstmalig Claus Harms zur Frage der Erklrungen wider die Lichtfreunde355 und verlangt „im Geist der protestantischen Kirche“ grundstzliches Festhalten am Bekenntnis, „steif und starr, weil es sich in der Schrift begrndet findet“356. Damit fordert Harms den Glauben an die Schrift ein, nicht den an die Kirche, die ihrerseits durchaus nicht ohne Wandel sein kçnne und im Verlauf ihrer Entwicklung „frh oder spt 352 Ebd. 353 In KCB 80/1845 S. 368 muß Wolf sich von dem Eckernfçrder Literaten Heinrich Hansen – zu diesem o. S. 544 Anm. 236 – die Frage gefallen lassen: „Warum nicht ganz entschieden auftreten, warum noch immer die Hauptgedanken zurckhalten und sich auf Pastoralklugheit beziehen?“ Aus dem konservativen Lager ereilte Wolf hingegen eine briefliche Mitteilung, derzufolge er „,nach Golgatha kriechen, das Blut Christi auffangen‘“ und sich „,durch dasselbe von den Snden rein waschen‘“ lassen solle – doch sei er, so der bel urteilende Absender jener Zeilen – ohnehin „dem Satan verfallen“; Miscelle Wolfs in KCB 82/1845, S. 370. 354 KCB 74/1845, S. 341. 355 Anonym publiziert [Claus Harms], Zur Orientierung ber den Einen und die acht und achtzig, KCB 78/1845, S. 357 f. Aus der berschrift des Beitrages geht hervor, daß der Kieler Propst die Anzahl der Unterschriften der in KCB 72/1845, S. 320 f. verçffentlichten Erklrung sehr wohl exakt nachgezhlt hat, die beiden Geistlichen der Friedrichstdter Mennoniten- und Remonstrantengemeinde jedoch aus seinen nunmehr publizierten Reflexionen ausschließt. – Wie „Redacteur Olshausen“ in einer Fußnote Harms’ Artikel beifgt, hatte die Redaktion des Itzehoer Kirchenund Schulblatts zuvor von einer Verçffentlichung des Beitrages Abstand genommen – „wie es“, so Olshausen, auch nicht das erste Mal wre, daß wer im Interesse der Kirche zu reden meine, bei deren Organen kein offenes Ohr finde und an anderen Thren anklopfen msse“. Journalistische Sffisance im Vormrz! 356 KCB 78/1845, S. 357.

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zu einer Verfassung“ gelangen msse357. Von diesem impliziten Pldoyer fr Dogma und Symbol her setzt sich Harms anschließend vehement mit der Apostolicumsleugnung der protestantischen Freunde auseinander358 und erhebt ihnen gegenber die Vorwrfe der „Enthusiasterei“ und der „Schwrmgeisterei, welche ist eine Art Raserei“359. Diese der Reformationsgeschichte entnommene Terminologie versteht ein sich gegen Harms richtender Opponent lediglich als reine Verbalinjurie und sieht in ihr ein Indiz dafr, daß „die orthodoxe Kirche anfngt zu fhlen, daß der Boden unter ihr schwanke, daß das religiçse Bewußtseyn der großen Mehrheit der Laien wenigstens ein ganz anderes ist, als welches die symbolischen Bcher fordern […] Die Zeiten haben sich gendert, Du und Deine Parthei aber sind dieselben geblieben, gleich glaubenshochmthig, gleich herrschschtig. Durch Einschchterung lßt sich die religiçse Bewegung weder innerhalb noch außerhalb der Kirche mehr zurckdrngen. Die Staatsgewalt selbst ist in der Freilassung aus den Banden des Symbolzwanges schon viel zu weit gegangen, als daß sie ohne Gefahr wieder um ein Jahrhundert zurckreisen kçnnte.“360

Ein sicherlich gebildeter brgerlicher Essayist zeigt hier sein mçglicherweise bewußt inszeniertes, vielleicht jedoch auch unbewußt praktiziertes Nichtverstehen kirchlicher Rhetorik. Harms’ aus der Historie reformatorischer Konflikte entlehnte Begrifflichkeiten reduzieren sich in der Rezeption ihres Kritikers geradezu verhngnisvoll; sie bezeichnen nicht mehr stellvertretend die Alternative schriftgebundenen oder spiritualistischen Glaubens, sondern erschließen sich dem Gegenber nur noch als Ausdrcke machtorientierter Abwertung. Hier manifestiert sich buchstblich jenes Vermittlungsproblem, vor dem die Geistlichen der Staatskirche whrend des Vormrzes im Gegensatz zu den freireligiçsen Theologen stehen. Deren Grundauffassung eines sich individuell regenden Geistes unter gleichzeitiger Hintansetzung der Schriftautoritt setzt vorrangig beim empirischen Menschen an, vermag so den politisch-gesellschaftlichen Wandel im Vormrz eher zu adaptieren und bedarf jenseits konfessioneller 357 Ebd. S. 358. 358 Claus Harms, Worauf es mit der Licht- oder protestantischen Freundschaft, mit der Vernunft- oder Geistesreligion, mit dem freien Protestantismus oder der Denkglubigkeit hinausgehe, KCB 87/1845, S. 387 f. sowie 88/1845, S. 391 f. 359 Ebd. S. 392; alle Beurteilungsaspekte rekurrieren auf das von den Lichtfreunden herausgestellte Geisterlebnis. 360 Ungenannter Autor, KCB 89/1845, S. 396 f., hier S. 397. Das gestiegene brgerliche Selbstbewußtsein gegenber der „Staatsgewalt“ zeigt sich in deren Vereinnahmung fr die Reflexion eigener Intentionen.

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Strukturen keiner Kraftanstrengung im Transfer berlieferter Dogmengeschichte. Nicht von ungefhr verlagert und verliert sich sich die anschließende Diskussion im Correspondenzblatt um die Protestantischen Freunde bzw. Lichtfreunde gerade in die Erçrterung komplexer zwischenmenschlicher Bezge. Initiiert wird die Beitragsreihe durch eine „Erklrung“361 der beiden Grnder und Herausgeber der „Norddeutsche[n] Monatsschrift“362, cand. theol. D.[avid Friedrich Ludwig] Greve363 sowie cand. 361 D. Greve – W. Schwartz, Offene Erklrung, KCB 90/1845, S. 400 f. 362 So die von den Herausgebern gewhlte Kurzform; exakt geht es um die „Norddeutsche Monatsschrift zur Fçrderung des freien Protestantismus. Fr die Gebildeten in der Gemeinde“, die in Schleswig vom Oktober 1845 bis zum Dezember 1846 erscheint. Den 15 Ausgaben wird eingangs jeweils ein „Verzeichnis der ordentlichen Mitarbeiter“ beigegeben; zu diesen rechnen neben vier Kandidaten der Theologie, von den zwei nicht aus den Herzogtmern stammen, Privatlehrer Eggers aus Schleswig und der Kieler Privatdozent Otto Fock. Die restlichen Mitarbeiter der Monatsschrift sind staatskirchliche Geistliche, die mit einer Ausnahme alle im Herzogtum Holstein ttig sind; letztere betrifft den in Kopenhagen als Pastor an der deutschen St. Petri-Kirche ttigen Dr. phil. Dr. theol. Johann Christian Gottberg Johannsen, geboren 1793, der zwischen 1818 und 1825 als Geistlicher in Glckstadt ttig war; zu ihm Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Bd. I, S. 411. Bei den weiteren Pastoren fllt auf, daß sie mehrheitlich gleichfalls eine biographische Anbindung an Glckstadt und Dithmarschen aufweisen: Es sind dies der Diakon Nicolaus Hartwig Bnz aus Glckstadt; der Colmarer Pastor Dr. phil. Joachim Heinrich Gerber, geboren 1815 in Michaelisdonn, Arends, a.a.O., S. 277; der Archidiakon Matthias Hansen aus Wilster, Jahrgang 1803, Arends, a.a.O., S. 318; Pastor Adolf Ulrich Hansen aus Wandsbeck, geboren in Meldorf 1804, Arends, a.a.O., S. 311; der 1798 geborene Glckstdter Schloß- und Garnisonsprediger Dr. theol. Dr. phil. Johann Heinrich Bernhard Lbkert, Arends, Bd. II, S. 43 f.; der Altonaer Pastor Georg Wilhelm Christian Eduard Mçller, Jahrgang 1797 und Nachfolger Nikolaus Funks – zu diesem o. S. 389 – 392 und S. 452 – 456 – in dessen Amt, Arends, a.a.O., S. 94 f.; der Giekauer Pastor Jacob Hinrich Hermann Schwartz, geboren 1788 und Vater eines der beiden Herausgeber, Arends, a.a.O., S. 256; Archidiakon Heinrich Sçnke Theodor Wolf, Jahrgang 1801 und aufgewachsen in Krummendiek, wie erwhnt gemeinsam mit Claus Harms in Kiel an St. Nikolai ttig, Arends a.a.O., S. 383. Das Verbindungsnetz der hier genannten landeskirchlichen „Fçrderer“ des „Freien Protestantismus“ scheint nicht zuletzt durch Gemeinsamkeiten der landsmannschaftlichen Herkunft geknpft worden zu sein. 363 David Friedrich Ludwig Greve war als Bckerssohn Ende 1817 in Kiel geboren, hatte dort studiert und wurde im Frhjahr 1848 zum Pastor in Colmar gewhlt, wo er dem verstorbenen Dr. Gerber – vgl. o. Anm. 362 – im Amt nachfolgen sollte. Durch seinen Tod im selben Jahr konnte Greve den Colmarer Pfarrdienst nicht mehr antreten; zu ihm Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Bd. I, S. 293.

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theol. [Georg Heinrich] W.[ilhelm] Schwartz364. Sie verwahren sich entschieden gegen die „unsittliche Polemik“ und die „schwersten Behauptungen“, die der „Lichtfreundschaft, Denkglubigkeit und dem freien Protestantismus“365 in den zuvor im Correspondenzblatt Nr. 87 / 88 des Jahrgangs publizierten Ausfhrungen366 entgegengebracht wurden; mitnichten fhre eine „rationale Auffassung des Christenthums konsequent zu einem irreligiçsen und unsittlichen Pantheismus“367. Allerdings werde „da vergeblich von Freiheit geredet, wo die Freiheit bestehen soll in der Gebundenheit an Luther’s Wort und Satzung“368. Das Correspondenzblatt druckt im weiteren Verlauf eine lngere Abfolge weiteren Widerspruchs und jeweils neuerlicher Entgegnung369 und offenbart das berdurchschnittliche eigene wie çffentliche Interesse an dieser Auseinandersetzung, in der orthodoxe Auffassungen auf die Gedankenwelt jngerer Theologen aus den Herzogtmern treffen, die sich ihrerseits als eine die Bestrebungen der Lichtfreunde untersttzende Gruppierung zu erkennen geben und die nunmehr einen Beweis erbracht sehen wollen dafr, „daß das Beugen vor einer ußerlichen Auctoritt wie der Schrift, daß das Festhalten an einmal aufgestellten Symbolen das Wesen des Christenthums ausmache“370. Hier wurzelt ein Schibboleth, das Claus Harms im Februar 1846 dazu motiviert, den interimistisch an der Kieler Gelehrtenschule ttigen David Greve „hçheren Orts“ anzuzeigen mit dem Ziel einer schulaufsichtlichen ber364 Georg Heinrich Wilhelm Schwartz war 1819 in Neuenkirchen geboren als Sohn des hier bis 1822 als Diakon wirkenden Jacob Hinrich Hermann Schwartz – vgl. zu letzterem o. Anm. 362 – und hatte in Kiel, Berlin sowie Halle studiert. In Jena erwarb er 1847 den Grad eines Licentiaten, wurde 1850 Diakon in Wilster, 1858 Pastor in Plçn und 1864 in Garding, wo er 1895 emeritiert wurde. 1875 wurde er Consistorialrat, 1894 Oberconsistorialrat. Er starb im September 1904. 365 D. Greve – W. Schwartz, KCB 90/1845, S. 400. 366 D.h. es geht um Harms’s erwhnten Beitrag „Worauf es mit der Licht- oder protestantischen Freundschaft, mit der Vernunft- oder Geistesreligion, mit dem freien Protestantismus oder der Denkglubigkeit hinausgehe“, KCB 87/1845, S. 387 f. sowie 88/1845, S. 391 f. 367 D.[avid] Greve – W.[ilhelm] Schwartz, KCB 90/1845, S. 400. 368 Ebd. S. 401. 369 KCB 92/1845, S. 408 (Verfaßt von adj. min. Ernst Theodor Valentiner); 93/1845, S. 412 – 413 (cand. theol. Reimers); 94/1845, S. 416 f. (David Greve); 97/1845, S. 428 f. (Valentiner); 98/1845 (Petition von 72 Eckernfçrder Brgern zugunsten der Wahl eines rationalistischen Kandidaten der Theologie wie David Greve auf eine vor Ort vakant gewordene Pfarrstelle); 99/1845, S. 437 f. (Wilhelm Schwartz). 370 Wilhelm Schwartz, KCB 99/1845, S. 438.

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prfung seiner Lehrauffassung371. Diese fhrt anschließend zur Entbindung Greves von seiner Ttigkeit an der Schule372. So bleiben trotz des „Erfolgs“ dieser formalistischen Maßnahme die fr den Konflikt urschlichen Gegenstze unaufgelçst nebeneinander stehen; die Redaktion des Correspondenzblattes hat die Beitragsreihe fr und wider die Lichtfreunde lngst beendet373. Dies ist jedoch fr den Herausgeber und seine Nachfolger kein Hinderungsgrund, den weiteren Weg der Protestantischen Freunde und ihrer Sache mit Wohlwollen zu begleiten374 und den Besuch Leberecht Uhlichs in Kiel375 mit einem erbaulichen Gedicht376 zu bedenken. Der revanchiert sich umgehend.377 371 372 373 374

KCB 24/1846, S. 96. KCB 40/1846, S. 164. Entsprechende Notiz Theodor Olshausens KCB 99/1845, S. 438. Zum umstrittenen Diskussionsgegenstand der symbolischen Bcher: KCB 108/ 1845, S. 471 – 473; 20/1846, S. 77 – 80; 24/1846, S. 93 f.96; 42/1846 S. 189 f.; 142/1846, S. 581 f.; zu den großen Versammlungen der Protestantischen Freunde: 71/1847, S. 287 – 289; 135/1847, S. 545 – 547: Hier der Bericht ber „Die freien Gemeinden und ihre Zusammenkunft in Nordhausen“. Tiefe Anteilnahme leuchtet auch aus dem kurzen Nachruf auf den am 5. Juli 1848 im Alter von 30 Jahren verstorbenen David Greve in KCB 86/1848, S. 338. 375 Uhlich traf auf seiner Reise nach Kopenhagen am 30. Juni 1846 in Kiel ein, KCB 76/1846, S. 307. 376 KCB 77/1846, S. 311, Nachruf an Pastor Uhlich: „Wenn uns der Meinung verworr’ne Menge / Auf unserm Weg umlagert Schritt fr Schritt, / Dann ist’s erquickend, wenn in dies Gedrnge / Ein edles Bild der schlichten Wahrheit tritt: / Als solch’ ein Bild, aus nahverwandten Landen, / Hast, Uhlich, Du in unserm Kreis gestanden […] Was vielen Tausenden als dunkle Ahnung / In diesen Zeiten auf der Seele schwebt, / Das sprichst Du aus und wie durch inn’re Mahnung / Fhlt jeder Hçrer sich befreit, belebt. / Und weil sie lngst Dein Wort in sich getragen, / Siehst Du die Herzen Dir entgegenschlagen […] der Menschenliebe freie That; / Das ist das Symbolum, das einzig echte, / Das Eine, alte Evangelium; / Fr diesen Hort erhebst Du Deine Rechte, / Und pflegest treu der Menschheit Heiligthum. / D’rum darfst Du frohen Muthes vorwrts schreiten; / Es wird der hçchste Feldherr fr Dich streiten“: Hier geht die Rede von einem menschengewirkten Evangelium und einem der Menschheit geweihten Heiligtum; der Kontext des berlieferten, nunmehr neu definierten Symbols mndet ein in eine nicht zu bersehende brgerlich-skulare Religion, die idealisierend ihren priesterlichen Protagonisten preist. 377 KCB 85/1846, S. 342 f.: „Ob wir rothe, gelbe Kragen, / Helme oder Hte tragen, / Stiefel oder Schuh’; / Oder ob wir Rçcke nhen / Und zum Schuh die Faden drehen, / Das thut nichts dazu! / Ob wir hurtig und geschftig, / Wo es gilt zu wirken krftig / Immer greifen zu; / Oder ob wir schlfrig denken: / Gott wird’s schon im Schlaf uns schenken – / Das thut was dazu! / D’rum ihr Brger, d’rum ihr Brder, / Alle eines Bundes Glieder, / Was auch jeder tu; / […] Thun wir was

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In alldem spiegelt sich im Kieler Correspondenzblatt jener Prozeß, in dem sich rumlich weit entfernt von den Herzogtmern die freireligiçse Gemeinde formiert, die abseits der staatskirchlichen Bindungen an Monarchen, Konsistorien und tradierte Lehrbegriffe fr demokratische Reformen zunchst in der Gemeinde378, spter auch im Staat eintritt. Durch einen frhzeitigen Import dieser vom brgerlichen Lager durchaus begrßten Auffassungen in die Herzogtmer sahen sich deren landeskirchliche Geistliche zu Stellungnahme und Abwehr herausgefordert. Die hierbei immer wieder virulent werdenden kommunikativen Probleme zwischen den Geistlichen und ihren Adressaten und die sachlich damit verbundene kirchliche Distanziertheit weiter Teile auch des schleswigholsteinischen Brgertums konnten durch Konvention und Formalismus kaum aufgefangen werden: Mehr und mehr drohten die gesellschaftlichen Entwicklungen im Vormrz Anlaß zu geben fr einen ausweisbaren Rckzug der Staatskirche aus dem çffentlichen Bewußtsein. Diese Entwicklung schloß die Gefahr einer kirchlichen Isolation379 im Denken der breiten Masse380 zumindest nicht aus. dazu!“: Die Botschaft an die brgerlichen Brder bzw. brderlichen Brger sieht gesellschaftlichen Fortschritt als Frucht menschlicher Aktivitt, nicht als Gabe Gottes. 378 Friedrich Wilhelm Graf hebt hervor, daß die freireligiçsen Gemeinden des Vormrz „in ihren Versammlungen weitgehend die sozialen Unterschiede zwischen Geistlichen und Laien, hçheren und niederen Stnden“ einebneten und „auch schon mehr als ein halbes Jahrhundert vor den Landeskirchen mit der kirchlichen Gleichberechtigung der Frauen ernst machten, indem sie diesen das aktive und passive Wahlrecht zu den presbyterialen Gemeindeorganen einrumten“; ders., Die Spaltung des Protestantismus. Zum Verhltnis von evangelischer Kirche, Staat und ,Gesellschaft‘ im frhen 19. Jahrhundert, S. 197 f. 379 Exemplarisch der Artikel ber „Holsteins und Schleswigs Stellung zu den neuesten kirchlichen Fragen“ in KCB 42/1845, S. 189 f., hier S. 190: „Vor einigen Sonntagen predigte Pastor Harms wider die protestantischen Freunde, und am Sonntag darauf vertrat dieselben der Archidiaconus Wolf. Der Kampf wird voraussichtlich in den Wochenblttern fortgesetzt werden, und so im eigentlichen Sinne vor das Forum des Volkes gelangen […] des Resultates darf man sich jedenfalls freuen; denn es ziemt den Herzogthmern nicht, von einer Bewegung sich auszuschließen, welche im gesammten brigen gebildeten Deutschland so lebendige Theilnahme erregt. Will aber unser Volk sich ein selbstndiges Urtheil bilden, so kann es dies nur durch die Verteidigungsschriften von Wislicenus und Uhlich selbst“. Es geht mittlerweile deutlich um die Frage des Volkswillens und – angesichts des „brigen gebildeten Deutschlands“ – um die Zugehçrigkeit zur deutschen Nation. Dies zeigt auch Otto Focks Essay „Die Prognose der kirchlichen Zukunft“ in KCB 108/ 1845, S. 471 – 473, hier S. 473: „Auch die jetzige kirchliche Bewegung hat eine

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6. Die Ausblendung des freiheitlichen, nationalen und sozialen Diskurses: Akzente der vormrzlichen Predigt in den Herzogtmern Ausgehend vom Reformationsjubilum des Jahres 1817 hatte nicht zuletzt Claus Harms dazu beigetragen, daß sich mit der Erweckungsbewegung und der wiedererstandenen Orthodoxie zwei kirchliche Richtungen verbanden, die jede fr sich Front machten gegen den Rationalismus und seine Auswirkungen. Zunehmend wurden die zuvor eingefhrten rationalistischen Neuerungen aus dem Kirchenleben gedrngt; zunehmend ußerte sich in der kirchlichen Predigt eine konservativ ausgerichtete Welt- und Geschichtssicht, in deren restaurativen Tendenzen die anwachsende Distanz zum sich fortentwickelnden weltanschaulichen und politischen Denken des Brgertums vorprogrammiert schien. In weiten Teilen des schleswig-holsteinischen Brgertums lebte der Rationalismus fort, der geradezu das geistige Fundament des gesellschaftlichen Diskurses und der brgerlichen Progressivitt lieferte. Dabei verharrte die Kirche in politischer und nationaler Hinsicht in fortwhrender Bindung an den Kopenhagener Monarchen. Dies zeigt etwa die Ansprache des Generalsuperintendenten Jakob Georg Christian Adwesentlich nationale Seite; der Gedanke einer deutschen Nationalkirche ist es, welche im Hintergrunde aller reformatorischen Bestrebungen wieder und immer wieder auftaucht, ein hohes, glnzendes, lange ersehntes, lange verfehltes Ziel“ [Hervorhebung im Original]. David Greve nennt im Januar 1846 in der „Norddeutschen Monatsschrift“ S. 2 als „Lebensfrage der Gegenwart: was soll das deutsche Volk tun, damit das gesammte deutsche Volksleben frei werde?“. Eine Staatskirche, die durch Eid und Kirchenordnung an ihren Kçnig als summus episcopus gewiesen war, stand von vornherein außerhalb eines solchen hochpolitischen Kontextes und konnte sich von derartigen nationalen und skular-religiçsen Intentionen nur beizeiten distanzieren. Sollte der Volkswille in den Herzogtmern sich jedoch fr die Zugehçrigkeit zur deutschen Nation erklren, mußte diese Entscheidung die Geistlichkeit vor die Alternative ihrer Loyalitt gegenber ihren Gemeinden oder ihrem Landesherrn stellen. 380 Es kommt jetzt im Vormrz zunehmend auf Quantifizierung an: Vereinsgrçßen, Teilnehmerzahlen von Volksfesten, numerische Aspekte bei Unterschriftensammlungen im Kontext von Petition und Meinungsußerung – auch diese mit dem ansteigenden Selbstbewußtsein des Brgertums einhergehende Entwicklung spiegelt sich im Correspondenzblatt. Hinter den Bezifferungen steht der brgerliche Wunsch nach Welterfassung und –gestaltung; darin zeigt sich jedoch auch eine grundstzliche Zersplitterung ehedem berlieferter und gelebter Einheitlichkeit.

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ler381 anlßlich der Einweihung der neuen Husumer Kirche im Juli 1833382, der unter Berufung auf 1. Mose 28,17 von der Erçffnung einer „Pforte des Himmels“383 spricht, um dann abschließend den gçttlichen Segen fr Kçnig, Bauhandwerker, Geistlichkeit und Gemeinde zu erbitten: „Segne unsern geliebten Kçnig und dessen ganzes kçnigliches Haus, segne […] alle, die an diesem Hause gearbeitet oder Aufsicht darber gehabt haben. Segne die rechtschaffenen Lehrer dieser Gemeinde mit Kraft und mit Amtsfreudigkeit. Ja, segne dies Haus und behte es, Segne diese ganze Gemeinde und sei ihr gndig.“384

Neben diese sich immer neu beweisende staatstragende Ausrichtung der Verkndigung tritt bisweilen die offene und direkte theologische Auseinandersetzung mit aufklrerischen Positionen. So kritisiert Claus Harms 1834 „die Hinneigung unsres Geschlechts zu einer Naturreligion“385. Daß Harms sich gegen die Auswirkungen der Rezeption Rousseauscher Gedanken wendet, wird sehr rasch deutlich: Die Naturreligion lßt uns die „Gotteshand nicht sehen, sondern nur eine Ordnung […] wenn jemand fr sein Thun und Lassen die Richtschnur findet in sich selbst und lßt das vornehmste und grçßte Gebot das heidnische Wort seyn: Der Natur gemß leben386“, geht er davon aus, „daß seine bertretungen gedeckt werden durch spteres Bessermachen und geduldiges Tragen der sogenannten natrlichen Folgen, betet nicht, denn unabnderlich seyen die Naturgesetze, glaubet nicht, denn was hier und dort aus ihm werde, lehrten die Thatsachen seines Bewußtseyns ihn, – und setzt die Offenbarung Gottes dabey hinten an, hat fr den Sohn Gottes und dessen Wort keine Sttte, so fern ihm Jesus mehr als ein natrlicher Mensch gelten soll und das Evangelium etwas anderes als die natrliche Stimme, wie sie in jedem Gebildeten sich vernehmen lasse.“387

Die Naturreligion, so der Kieler Geistliche, „weiß ja von der Snde kein Wort, lehret von der Kreutzigung des Fleisches sammt den Lsten und Begierden keine Sylbe, spricht immer, wenn sie von einem Gott und Herrn 381 Zu diesem bereits o. S. 157 Anm. 143 sowie S. 313 – 315. 382 Jakob Georg Christian Adler, Rede bey der Einweihung der Neu erbauten Kirche in Husum am Sonntage Dem 7ten July 1833. Das Original der Ansprache findet sich im Schleswiger Landesarchiv unter LAS Abt. 400.1 Nr. 604. 383 Ebd. S. 4. 384 Ebd. 385 So der Titel seiner ber 5. Mose 4,15 – 20 gehaltenen „Zweyten Predigt“ in: Ders., Von der Schçpfung. In neun Predigten, Kiel 1834, S. 16 – 31. 386 Vgl. zu Rousseaus Positionen o. S. 25 – 32. 387 Claus Harms, a.a.O. (Anm. 385), S. 21 f.

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spricht, von einem lieben Vater, und wir sind seine lieben Kinder“388. Damit wirft Harms den Epigonen Rousseaus die Ignorierung des Kreuzes Christi und die Verflachung des gçttlichen Willens und Anspruches gegenber dem Menschen als Gottesgeschçpf vor; dagegen stellt er den Bezug auf den wahren Hirten der Menschen: Seine „klein gewordene Heerde“ mahnt er zum Zusammenhalt, denn „Jesus, dein Hirte, verlßt dich nicht“389, und bekennt fr seine eigene Person: „Weder Welt noch Himmel ist’s, was mein sehnend Herz begehret, Du allein, mein Jesus, bist’s, Du mit Fluch fr mich beschweret“390. Auch der nordschleswiger Pastor Johannes Andreas Rehhoff 391, whrend seiner Studienzeit in Kiel von August Twesten 392 sowie Claus Harms positiv beeindruckt393, fordert den „bestimmten Glauben, daß Jesus Gottes Sohn ist“ als jene „Kraft, welche die Welt berwindet“394. In ihrer Nachfolge „erneuern“ Christen das ihnen innewohnende „Ebenbild Gottes“395, nachdem Christus ihre „Snden versçhnt“ habe und ihnen „ein Beyspiel“ geworden sei, indem er selbst „sich den Leiden unterworfen 388 Claus Harms, Von der Schçpfung. In neun Predigten, Kiel 1834, Zweyte Predigt (5. Mos. 4,15 – 20), S. 16 – 31, hier: S. 27. 389 Ebd. S. 30. 390 Ebd. S. 31. 391 Johannes Andreas Rehhoff, 1800 in Tondern geboren, hatte zwischen 1819 und 1824 in Kiel sowie Berlin studiert und wurde 1827 zum Diakon in Tellingstedt berufen. Drei Jahre spter wechselte er nach Tondern und wurde 1837 Pastor und Propst in Apenrade. Das Correspondenzblatt beschreibt ihn im Juli 1847 als „orthodoxen Geistlichen“ und „ausgezeichneten Prediger unserer Herzogthmer“, KCB 77/1847, S. 312. Seit 1848 im Auftrag der provisorischen Regierung als Superintendent fr den dnisch sprechenden Bevçlkerungsteil des Herzogtums Schleswig ttig, fungierte Rehhoff 1850/51 als Chef des Kirchendepartements in Kiel. Nach seiner Entlassung zum Ende der Erhebung wurde Rehhoff Pastor an St. Michael in Hamburg. 1880 emeritiert, starb er hier knapp drei Jahre spter. Zu ihm: [Carsten Erich] Carstens, ADB 27, S. 596 f.; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Band II, S. 188 f.; Lorenz Peter Wree, SHBL 9, S. 305 – 309; ders., Johannes Andreas Rehhoff – ein nordschleswigscher Glaubenszeuge nach 1800, Schriften der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft fr Nordschleswig Heft 56/57, Apenrade 1987/88. 392 Zu diesem o. S. 388 Anm. 130 sowie S. 458 Anm. 295. 393 So Carstens, a.a.O., S. 596. 394 Johannes Andreas Rehhoff, Predigt „Am Sonntage Quasimodogeniti. Epistel 1 Joh. 5,4 – 10“, S. 1 – 13, in: Ders., Homiletisches Magazin ber die epistolischen Texte des ganzen Jahres. Zweyter Theil, Hamburg 1834, hier S. 2. 395 Ders., Predigt „Am Sonntage Misericordias Domini. Epistel 1 Petr. 2,21 – 25“, a.a.O., S. 14 – 27, hier: S. 23.

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habe“396. Von daher befindet sich „der Glaube an Jesum Christum im Kampfe mit der Welt“397. In dieser Auseinandersetzung aber sieht Rehhoff den Christen „zum Dulden berufen“398 ; schließlich seien „Rache und Wiedervergeltung untersagt, welche die natrliche Vernunft“ verlange399. Christen sollten „das Unrecht um des Gewissens willen […] geduldig leiden“400 ; Beschwernisse gehçrten schließlich zu den Grundgegebenheiten menschlichen Daseins401. Die „meisten Mitglieder“ der ersten Christengemeinden „waren Sclaven und Untergebene, aber indem sie ihren Herren willig unterthan waren, wie erleichterten sie dadurch ihr Loos, ihre husliche Lage!“402. Daher msse „des Christen eifrigstes Bestreben […] die Erfllung des Willens Gottes“ sein, und „folglich bestrebt er sich auch ein guter Unterthan und Brger zu seyn“403. Von diesem Postulat her habe der Christ „doppelte Vorsicht“ aufzuwenden, „wenn aufrhrerische Umstnde“ ihn herausforderten404 ; grundstzlich habe er „sich in die bçse Zeit zu schicken“405. Allerdings wchsen „christliche Gesinnungen“ gerade „in ußern Trbsalen“406. In der Anwendung der individuell aufzubringenden Geduld gelte es, „angesichts der Gçttlichkeit der Quelle, aus welcher die 396 Ebd. Entsprechend wird „die Predigt von Christi Tod […] dem Prediger das erste Gebot“, ders., Predigt „Am elften Sonntage nach Trinitatis. Epistel 1 Cor 15,1 – 10“, a.a.O., S. 285 – 300, hier: S. 300. Vgl. hierzu auch Rehhoffs Feststellungen zum „Amt, welches die Versçhnung predigt“, Predigt „Am Pfingst-Montage. Apostelgesch. 10, 42 – 48“, a.a.O., S. 121 – 134, hier: S. 127. 397 Rehhoff, Predigt „Am Sonntage Quasimodogeniti. Epistel 1 Joh. 5,4 – 10“, S. 10. 398 Predigt „Am Sonntage Misericordias Domini. Epistel 1 Petr. 2,21 – 25“, S. 14. 399 Ebd. S. 26. 400 Ebd. S. 29; vgl. hierzu die programmatische ußerung „Unschuldig Leid’ ist Freud’“, ders., Predigt „Am Sonntage Jubilate. Epistel 1 Petr 2,11 – 20“, a.a.O., S. 27 – 41, hier: S. 40. Ohnehin erkennt Rehhoff „wenige eigenliche Leiden auf Erden […] abgerechnet die verschuldeten und die von falschen Brdern, bleiben nur die, von der Natur, und deren sind die wenigsten“, ders., Predigt „Am vierten Sonntage nach Trinitatis. Epistel Rçm. 8,18 – 23“, a.a.O., S. 187 – 199, hier: S. 197. 401 Predigt „Am Sonntage Jubilate. Epistel 1 Petr 2,11 – 20“, a.a.O., S. 35: „Kein Verhltniß des Lebens ist ohne Beschwerde“, a.a.O. S. 35; vgl. dens., Predigt „Am Sonntag Cantate. Epistel Jac. 1,16 – 21“, a.a.O., S. 41 – 56, hier S. 47: „Rein glcklich ist kein irdisches Verhltniß“. 402 Predigt „Am Sonntage Jubilate. Epist. 1 Petr 2,11 – 20“, a.a.O., S. 30. 403 Ebd. S. 32. 404 Ebd. S. 38. 405 Predigt „Am zwanzigsten Sonntage nach Trinitatis. Epist. Ephes. 5,15 – 22“, a.a.O., S. 411 – 424, hier: S. 422 f. 406 Predigt „Am sechsundzwanzigsten Sonntage nach Trinitatis. Epist. 2 Petr. 3,3 – 13 oder 2 Thess. 1,3 – 10“, a.a.O., S. 485 – 496, hier: S. 486.

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Wahrheiten der christlichen Religion fließen […] die Beschrnktheit unserer Vernunft“ zu erkennen407. Der „Darbende ist unser Bruder“, dessen „Bestimmung“ es fr jeden einzelnen ist, „zu heben, was Drftigkeit ihm in den Weg stellt“408 ; dennoch hebt Rehhoff in seiner Predigt nicht zuletzt auch „die Lust als die Quelle des Elendes“ hervor, die ihrerseits den Menschen um seinen „innern Frieden“ betrge und in ihm „Begierden“ entznde, „die ihn seiner Freyheit“ beraubten409. In einer Zeit allgemein „unruhiger Aufregung“ gelte es, sich auf die neutestamentliche Weisung „seid unterthan – in der Furcht Gottes“ zu besinnen: Wre dies „stets geachtet worden […], wre das Schwerdt der Obrigkeit nicht zu frchten, dann stnde es gut im Lande, im Hause“410. Am allgemein „waltenden Geist“ mçge die Gemeinde daher „nicht Theil nehmen […]: ehrt euer Bekenntniß, das Gehorsam gebietet!“411 Die Einfhrung beratender Provinzialstnde indizierte die Politisierung des Brgertums und eine grundstzlich gegen den Absolutismus gerichtete Bedeutungsverschiebung berlieferter gesellschaftlicher Ordnungsvorstellungen. Erscheint der politisch reflektierte brgerliche Umgang mit der Staatskirche im Vormrz in vielerlei Zusammenhngen geradezu als Katalysator des sich entwickelnden brgerlichen Selbstbewußtseins, so sind die anlßlich der Erçffnung von Stndeversammlungen gehaltenen Predigten von besonderem Interesse. Mitte der 30er Jahre spricht der soeben ins Amt berufene holsteinische Generalsuperintendent Johann Carl Julius Hertzbruch412 vor Beginn der ersten Itzehoer Stnde407 Predigt „Am Sonntage Cantate. Epistel Jac. 1,16 – 21“, a.a.O., S. 49. 408 Predigt „Am zweiten Sonntage nach Trinitatis. Epist. 1. Joh. 3,13 – 18“, a.a.O., S. 161 – 173, hier: S. 168. 409 Predigt „Am vierzehnten Sonntage Trinitatis. Gal. 5,16 – 24“, a.a.O., S. 329 – 344, hier: S. 342. 410 Predigt „Am zwanzigsten Sonntage nach Trinitatis. Epist. Eph 2,15 – 22“, a.a.O., S. 411 – 424, hier: S. 422. 411 Ebd. 412 Zu diesem Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band I, S. 349. Hertzbruch, 1779 in Altona geboren, studierte 1800 bis 1807 in Kiel, legte sein Examen 1815 ab, um von 1815 bis 1818 als Feldprediger in Frankreich zu dienen. 1819 wurde er Glckstdter Schloß- und Garnisonprediger; hier wirkte er zwischen 1825 und 1835 auch als Zuchthauspastor. Anschließend hatte Hertzbruch bis zu seiner Emeritierung 1855 – also ber die Erhebung hinaus – das Amt des holsteinischen Generalsuperintendenten inne. – Im Correspondenzblatt 79/ 1834 hatte sich S. 361 f. nach dem Tod des fr beide Herzogtmer zustndigen Generalsuperintendenten Adler – dieser verstarb whrend einer Visitation in Giekau – „ein Prediger“ zugunsten von Claus Harms als holsteinischen Amts-

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versammlung, die sich in der St. Laurentii-Kirche eingefunden hat413. Hatte der Art. 13 der Bundesakte den Landesherrn seit bereits zwei Jahrzehnten zur Einfhrung beratender Stnde fr Holstein verpflichtet, so war die politische Initiative zur Realisierung dieser Verpflichtung eine unmittelbare Folge des Auftretens Uwe Jens Lornsens im Jahr der Julirevolution414. Um den voraussetzbaren oppositionellen Geist der Stndeversammlung weiß der neue Generalsuperintendent durchaus; implizit bezieht er dagegen gleich eingangs Stellung, wie sein Lobpreis des Landesherrn sowie die relativierende Herausstellung des beratenden Status’ der Stndeversammlung verdeutlichen: „Beseelt von inniger Liebe zu Seinem Volke, hat Er, der hochverehrte Beherrscher unsers Vaterlandes, beschlossen, den Brgern desselben eine angemessene Theilnahme an der Verwaltung der çffentlichen Angelegenheiten zu verleihen. Versammelt sind hier in unserer Mitte die, theils durch Seine Berufung415, theils durch freie Wahl des Volkes416 erkohrenen Vertreter desselben, nachfolger ausgesprochen; dieser sei ein Bischof so voll apostolischen Geistes und Glaubens, so voll heiligen kirchlichen Eifers […] Und man lasse einmal Holsteins Prediger ihre Stimmen abgeben […] keinen andern als ihn werden sie whlen“ [Hervorhebung im Original]. Dagegen sieht ein anonymer Essayist in KCB 86/ 1834 S. 390 f. die Installation einer çffentlichen kirchlichen Presse „nçthiger als einen Generalsuperintendenten“, a.a.O., S. 391. Gegen Harms ußert sich zugunsten Hertzbruchs „ein Theolog“ in seinem Beitrag „ber den oder die zu erwartenden Generalsuperintendenten“, KCB 87/1834, S. 394 – 396: „So ausgezeichnet Harms als Prediger und Seelsorger in seiner Gemeine wirkt, so wenig wrde er nach unserer Meinung als Generalsuperintendent an seinem Platze seyn“, a.a.O., S. 395; ebd. wird auch hervorgehoben, daß „dieses Mal […] fr jedes Herzogthum ein Generalsuperintendent“ berufen werde. Die bis dato praktizierte Personalunion vermochte den neuerlichen landesherrlichen Intentionen bezglich einer Differenzierung des politischen Status’ beider Herzogtmer nicht lnger Rechnung zu tragen. 413 Hierzu Ulrich Lange, Landtage in Schleswig-Holstein – Ein Beitrag zu Formen politischer Reprsentation in Mittelalter und Neuzeit, in: Rudolf Titzck, Hg., Landtage in Schleswig-Holstein gestern – heute – morgen. Zum 40. Jahrestag der ersten demokratischen Wahl am 20. April 1947, Husum 1987, S. 11 – 46, hier: S. 25 – 30; Hans Schultz Hansen, Demokratie oder Nationalismus – Politische Geschichte Schleswig-Holsteins 1830 – 1918, in: Ulrich Lange, Hg., Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, S. 427 – 485, hier S. 432 f. Ein „Namensverzeichnis der Mitglieder der Stndeversammlungen in Schleswig und Holstein“ fr die Jahre 1834/35 druckt das Correspondenzblatt 95/ 1834 S. 433 f. ab. 414 Vgl. o. S. 482 – 486. 415 Der Kçnig berief vier Mitglieder der holsteinischen Ritterschaft, zwei Geistliche sowie den Vertreter der Kieler Universitt in die Stndeversammlung, d. h. sieben

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daß sie, vereint mit dem von Ihm zur Mittheilung Seines Willens, wie zur Vernehmung der Wnsche Seines Volkes Beauftragten417, ber das Gemeinwohl sich berathen sollen, daß Ihm, dem geliebten Landesherrn, dem das Heil seines418 Volkes innig am Herzen liegt, von den Mitteln, dasselbe zu fçrdern und zu erhçhen, die zuverlssigste Kunde werde, daß dadurch das Band, welches das Kçnigliche Haus mit unserm Volke vereinigt, fester und inniger noch geknpft werde.“419

Mit auffallendem Nachdruck ußert die Predigt die Verpflichtung zur Dankbarkeit fr die in der Stndebewilligung zutage getretene Liebe des Monarchen zu seinem Volk. Hertzbruch beschwçrt vor dem Hintergrund einer postulierten Identitt von Christ und Staatsbrger die Einheit des Vaterlandes: „Ein christlicher Geist und Sinn muß es seyn, der alle Brger des Vaterlandes, der insbesondere diejenigen erleuchtet und erwrmt, die einen mehr oder weniger unmittelbaren Einfluß auf die çffentlichen Angelegenheiten zu ußern berufen sind, wenn das gemeinsame Wohl auf festem, unerschtterlichem Grunde erbauet werden soll und zu immer hçherer Vollendung sich erheben soll.“420

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von 46 Mitgliedern; dies waren in der aktuellen Sitzungsperiode der Itzehoer Graf Rantzau, Conferenzrath Freiherr von Brockdorff auf Borstel, Graf von Schimmelmann auf Wandsbeck und Graf von Scheel-Plessen auf Sierhagen. Als Geistliche wurden der Rendsburger Kirchenpropst Callisen sowie der Barkauer Pastor Hensler berufen; die Universitt vertrat Professor Falck; hierzu KCB 95/ 1834, S. 434. ber das passive Wahlrecht verfgten lediglich Grundbesitzer. 36 Angehçrige der Stndeversammlung gingen aus den die Volkssouvernitt einschrnkenden Wahlen der Besitzbrger hervor; Ulrich Lange beziffert den Anteil der faktisch wahlberechtigten Bevçlkerung auf 2 % der Gesamtbevçlkerung der Herzogtmer, ders., Landtage in Schleswig-Holstein, a.a.O. (Anm. 413), S. 25. Unter den gewhlten Brgerlichen der Itzehoer Stndeversammlung befanden sich auch der revolutionsbegeisterte Kieler Kaufmann Jacob Friedrich Nicolaus Lorentzen – zu diesem o. S. 504 – und der Obergerichtsadvokat Georg Lçck – zu diesem o. S. 119 Anm. 1 –, die beide in enger Beziehung zu Theodor Olshausen standen, vgl. Hans Schultz Hansen, a.a.O. (Anm. 413), S. 431. Der Kçnig entsandte in die holsteinische wie auch die schleswigsche Stndeversammlung eine Person seines Vertrauens, die als „Kçniglicher Kommissar“ den zur Beratung eingehenden Antrgen politische Grenzen setzte und als Sprachrohr der beiderseitigen Interessen diente. Die Kleinschreibung des Pronomens stellt hier einen Druckfehler dar. [Johann] C.[arl] J.[ulius] Hertzbruch, Predigt, am Tage der Erçffnung der Versammlung der Stnde des Herzogthums Holstein, am 1sten October 1835, St. Laurentii-Kirche in Itzehoe, Schleswig 1835, S. 5. [Johann] C.[arl] J.[ulius] Hertzbruch, a.a.O. (Anm. 419), S. 6 f. [Hervorhebung im Original].

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Seine Vorstellung vom christlichen Geist und Sinn grndet der Prediger „auf die Worte des Apostels Petrus in seinem ersten Briefe. Cap. 2,17“421; wer von diesem Geist beseelt sei, der unterwerfe sich „um des Herrn willen jeder bestehenden Ordnung und blicket mit Achtung und Vertrauen auf zu dem Oberhaupte und Kçnige des Vaterlandes“422. Doch leider „ist ein ganz anderer Geist, ein Geist der Ungebundenheit, der Widersetzlichkeit gegen obrigkeitliche Anordnungen, der gewaltsamen Umkehrung der bestehenden brgerlichen Verfassung […] unter mehreren christlichen Vçlkern unserer Zeit verbreitet […] Doch, gelobt sey Gott! von solchen Verirrungen und Verderbnissen des herrschenden Zeitgeistes ist unser Vaterland noch frei geblieben; bewahrt hat unser Volk sich noch immer die von den Vtern stammende, treue Anhnglichkeit an das verehrte Kçnigshaus, die Liebe und das Vertrauen zu dem Oberhaupte und Regenten des Vaterlandes.“423

Einmal mehr erklingt im Gottesdienst der Lobpreis des abseits aller revolutionren Vçlker stehenden Gesamtstaates. Hier, so der Generalsuperintendent, habe „der edle Herrscher“ den Stimmen der Wnsche und Bedrfnisse seines Volkes „sein Ohr nicht verschlossen“, sondern sei dem Volk „mit Liebe und Vertrauen entgegengekommen“424. „Doch Liebe fordert Gegenliebe! Vertrauen fordert Erwiederung des Vertrauens! Und wie kçnnten Sie insbesondere, edle Vertreter unsers Volkes, diese Liebe, dieses Vertrauen wrdiger erwiedern, als wenn Sie, vom Geiste Christi, unseres Herrn, beseelt, und zugleich den von unserm Kçnige ausdrcklich ausgesprochenen Absichten gemß, die Mngel und Unvollkommenheiten unserer brgerlichen Verfassung, ebenso fern von blinder Neuerungssucht, als starrer Anhnglichkeit am Alten, mit weiser Mßigung zur Sprache bringen, […] die Wnsche und Bedrfnisse unsers Volkes mit ebenso offenem Freimuthe, als zuversichtlichem Vertrauen dem geliebten Kçnige durch den von Ihm Beauftragten darlegen und alle Ihre Einsichten und Krfte aufbieten, damit der Sinn und Eifer fr das Gemeinwohl in allen Stnden und Classen der brgerlichen Gesellschaft immer hçher belebet und das heilige Band der

421 Ebd. S. 7; 1. Petr 2,17 sagt aus: „Ehrt jedermann, habt die Brder lieb, frchtet Gott, ehrt den Kçnig!“. Mehr als vier Jahrzehnte zuvor hatte der Tçnninger Pastor Johann Tycho Hartz eine kçnigstreue, konservativ ausgerichtete Predigtsammlung unter diesem Motto herausgegeben, vgl. o. S. 305 f. 422 Hertzbruch, a.a.O., S. 8; wiederholt eingeschrft wird S. 17 – 21 solch „christlicher Geist“ als „Geist der Achtung gegen die bestehende Ordnung“, „der Liebe und des Vertrauens zu dem Kçnige“, „der Ehrfurcht vor Gott“, der innigen, sich selbst vergessenden, aufopfernden Liebe zu den Brdern“. 423 Ebd. S. 19 [Hervorhebungen im Original]. 424 Ebd. S. 20 f.

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Liebe und des Vertrauens, welches unser Volk mit seinem hochverehrten Kçnigshause verbindet, immer fester, inniger, heiliger geknpft werde.“425

Dergestalt parallelisiert Hertzbruch den Geist Christi und die „kçniglichen Absichten“ im Vorhaben einer Besserung der „Verfassung“ und erhebt gleichzeitig beide auch zur Grenze der legitimierten „Wnsche und Bedrfnisse des Volkes“. Gçttlicher und kçniglicher Wille begrenzen die Volkssouvernitt zugunsten einer stndig auszugestaltenden Verflechtung von Kçnigshaus und Regierten. Die Vorstellung vom „christlichen Geist“ definiert der Pastor der deutschen Gemeinde in Kopenhagen, Johann Christian Gottberg Johannsen426, mit Blick auf die Einberufung der ersten Stndeversammlung schlicht als „christliche Berufstreue“, die ihre „Vorbilder“ in den Aposteln habe427. Auch dieses vorbildorientierte Ethos hat die Identifikation des durch die Apostel in ihrer Evangeliumspredigt begrndeten Gottesreiches mit dem weltlichen Staat zur Voraussetzung. Konkret aber geht es fr Prediger und Hçrer bei diesem Staat eben um den Dnischen Gesamtstaat, der auf Grund der dynastischen Sukzession einen jeweils realen Exponenten an seiner Spitze weiß. Nicht von ungefhr manifestiert sich die kirchliche Kçnigsverehrung im Kontext von Trauerpredigten anlßlich des Kçnigstodes428. So ußert sich der Friedrichstdter Pastor Johann Christoph Biernatzki429 im Januar 1840 zum Tode Friedrichs VI.: 425 Ebd. S. 21. 426 Zu diesem bereits o. S. 466 Anm. 325. – 1825 wechselte Johannsen zur deutschen Gemeinde nach Kopenhagen, wo er anschließend bis 1854 wirkte, als er whrend eines Aufenthaltes in Ltjenburg verstarb. 1833 publizierte er in Altona seine „Allseitige wissenschaftliche und historische Untersuchung der Rechtmßigkeit der Verpflichtung auf symbolische Bcher berhaupt und die Augsburgische Konfession insbesondere“; cf. zu dieser Auffassung die zeitgençssischen kontroversen Positionen o. S. 502, S. 508 und S. 568. 427 J.[ohann] C.[hristian] G.[ottberg] Johannsen, Berufstreue. Ein Wort an das Volk zur Zeit der Stndeversammlung, Kopenhagen 1835, S. 5 und S. 11. Der Predigt liegt Apg 5,12 – 32 zugrunde. 428 Hierzu bereits o. S. 563 f.; in diesem Zusammenhang ferner Heinrich Egge sowie Propst Paulsen, Pastor Mçller, Todten-Feier zum Gedchtnisse des Hçchstseligen Kçniges Frederik des Sechsten in der evangelisch-lutherischen Hauptkirche zu Altona am 16. Januar 1840, Altona 1840, passim; J.[ohann] C.[hristian] G.[ottberg] Johannsen, Gedchtnispredigt auf den Hochsel. Kçnig Friedrich VI von Dnemark am 16. Jan. 1840 in der deutschen St. Petri Kirche zu Kopenhagen gehalten, Kopenhagen 1840, passim. Nach dem Tode Christians VIII.: Claus Harms, Trauerpredigt, am 26. Februar 1848, am Tage der Bestattung Kçnig Christian’s des Achten in der Nicolaikirche zu Kiel, Kiel 1848, passim; J.[ohann] C.[hristian] G.[ottberg] Johannsen, Der Kçnig ist todt. Zwei Predigten, am 30sten

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„Es ist Trauer im Hause, wenn der Vater gestorben ist […] Wie dem Hause, so geht’s heute auch dem Lande […] Es sind die letzten funfzig Jahre so reich gewesen an wunderbaren Fgungen Gottes im Leben der Vçlker, wie noch wenige frher […] Vçlker standen auf und verjagten ihre Herrscher, um vor viel rgeren Tyrannen zu kriechen; ein Eroberer, als eine Geißel Gottes die Lnder durchziehend, strzte Throne, die Jahrhunderte bestanden hatten und errichtete neue, die mit ihm wieder zerfielen […] eine der glnzendsten Kronen Europa’s fiel dem Manne zu, der als heimathsloser Verfolgter in unsern Mauern gewohnt hatte430. In all diesem wunderbaren Wechsel und Wandel wurde unser Friedrich behtet, die Krone seiner Vter blieb unerschttert auf seinem Haupte bis an seinen Tod.“431

Bemerkenswert erscheint in Biernatzkis Ausfhrungen die verhaltene Bercksichtigung der rationalistischen Anschauungen, die Friedrich VI. dem Christentum und der Kirche entgegengebracht hatte432 ; allerdings unterlegt der Geistliche dieser Haltung des Kçnigs eine entwicklungspsychologische Deutung: „Wir kçnnen nicht zeugen von der Innigkeit der Empfindungen, die unsers Kçnigs Seele bewegten in den Stunden der Andacht, nicht zeugen von den stillen Gebeten, die aus dem frommen Blicke seines Auges emporstiegen zum Vater in die Hçhe, nicht zeugen von der Tiefe seines Glaubens und seiner Gottesliebe“; doch sei nicht zu „vergessen, daß die Kindheit und Jugend unseres verstorbenen Kçnigs in eine Zeit fiel, in welcher der Unglaube alle Schranken ungestm einbrach und selbst die Besten mit seinen Zweifeln und seinem Spott betubte, in eine Zeit, in welcher Christenglaube und Kirchenfeier nur noch als Erbtheil der Blinden und Blçden gelten durfte.“433

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Januar und am 26sten Februar 1949 in der deutschen St. Petri-Kirche zu Kopenhagen gehalten, Kopenhagen o. J., passim; A.[dolf Gottfried Heinrich] Nielsen, Trauerpredigt am Tage der Beisetzung des hochseligen Kçnigs Christians VIII., dem 26. Februar 1848, Plçn o. J., passim. Hinsichtlich der zeitgençssischen Trauerpredigten im Kçnigreich vgl. a. Michael Bregnsbo, Samfundsorden og statsmagt set fra prædikestolen. Danske præsters deltagelse i den opinionsdannelse vedrørende samfundsordenen og statsmagten 1750 – 1848, S. 305 – 310. In lterer Zeit auch Biernatzky; vgl. zu diesem bereits o. S. 491 – 493. Gemeint ist der sptere „Brgerkçnig“ Ludwig Philipp von Orlans, der 1796 als Hauslehrer unter dem Namen Ludwig Philipp de Vries in Friedrichstadt gelebt hatte; hierzu o. S. 176 f. Johann Christoph Biernatzki, Trauerpredigt am Tage der Beisetzung Kçnig Friedrich’s des Sechsten, den 16 Januar 1840, in: J.[ohann] C.[hristoph] Biernatzki, weiland Pastor an der evangelischen Kirche zu Friedrichstadt an der Eider, Predigten und Casualreden, Kiel 1841, S. 377 – 392, hier: S. 380 f. Die Predigt greift den vorgeschriebenen Text Spr. Sal. 20,28 auf [Hervorhebung im Original]. Vgl. o. S. 302 Anm. 696 und S. 367 f. Anm. 50. Johann Christoph Biernatzki, Trauerpredigt am Tage der Beisetzung Kçnig Friedrich’s des Sechsten, den 16ten Januar 1840, S. 381.

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Angesichts dieser zeitgeistabhngigen Umstnde der biographischen Entwicklung „unseres Kçnigs Friedrich“ schließt der Friedrichstdter Pastor seine Wrdigung des Verstorbenen mit dem Urteil, dieser habe vor seinem Volke seine „Ehrfurcht fr das Heilige“ bezeugt434. Auffllig bleibt dabei die implizite positive Konnotation, die Biernatzki der aktuellen Gegenwart verleiht gegenber jener rationalistisch geprgten Vergangenheit, in der Christentum und Kirche den Zugang zu vielen Menschen verloren hatten435. Diesbezglich haben sich die Verhltnisse zwischenzeitlich durchaus gewandelt; zumindest kreisen die Predigten und Predigtsammlungen des berwiegenden Teils der schleswig-holsteinischen Geistlichen sptestens seit den 30er Jahren um die großen Themen Offenbarung und Sndenvergebung, Gottessohnschaft Jesu Christi und Erlçsung der ihm Nachfolgenden436. Dies spiegeln zahlreiche neu herausgegebene Predigtsammlungen; besonders engagiert zeigt sich in dieser Hinsicht Claus Harms437. 434 Ebd. S. 383. 435 Ebd. 436 Claus Harms hebt in seiner Antrittspredigt als neu erwhlter Kieler Propst Ende 1835 hervor: „Ich erinnere mich der Vorstellung, die mir jemand im ersten Jahre meines Hierseins machte: Moral sollte ich predigen, wie er es nannte, Moral, dann wrde die Nicolaikirche mssen grçßer gebaut werden. Ich habe es nicht gethan, wie ihr bezeugen mßt, habe von meinem ersten Auftreten an Evangelium gepredigt, Christum gepredigt, den Rath Gottes zu unserer Seligkeit durch diesen verordneten Mann, den hohen heiligen Artikel, wie ihn Luther nennt, von der Rechtfertigung des Snders durch den Glauben allein, habe ich gepredigt, und – leer ist die Nicolaikirche nicht geworden, wie ihr wisset“, ders., Einfhrungspredigt, gehalten Trinitatis 22, am 15ten November 1835, Kiel 1835, S. 13. 437 Vgl. dens., Die heilige Passion. In acht whrend der Fastenzeit 1837 gehaltenen Predigten, Kiel 1838, hier etwa die Predigt am Sonntag Reminiscere, S. 27 – 37 (Ebr. 4,14 – 16), mit ihrer Conclusio S. 37: „Und wird ja etwas uns zuzuschreiben seyn, so mçcht es das seyn, daß wir nicht widerstrebt haben einzutreten in die Lebensgemeinschaft mit Gott, durch die Thr der Passion seines Sohnes“, Predigt Oculi, a.a.O., S. 38 – 51 (Rçm 8,31 – 39), hier S. 43: „Jesum im Werk sehen heißt in der Passion ihn sehen […] Ja, er fordert einmal ber das andere zu seiner Nachfolge auf, aber das heißt zum Glauben an ihn, welcher besteht in der Aufnahme seiner“; ders., Das Vaterunser. In eilf Predigten, Kiel 1838, passim; ders., Die Religionshandlungen der lutherischen Kirche. In neun Predigten, Kiel 1839, passim; ders., Die Bergrede des Herrn. In einundzwanzig Predigten, Kiel 1841, passim; ders., Predigten ber die Bibel, ihrer zehn, im Sommer 1841 gehalten, Kiel 1842, hier etwa die 9. Predigt, a.a.O., S. 118 – 132, unter der Thematik: „Welchen Dienst die Bibel dem çffentlichen Leben leiste“, S. 120: „Die Bibel schließt ein çffentliches Leben auf, weist jedwedem seine Stelle darin an, setztet Maaß, wie weit zu gehen, hlt die Hnde rein, mit welcher wir die Werke anfassen, bewahrt das Herz vor Verzagtheit und Ermdung“; ebd., S. 132: „Freuen wir uns auch des

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Ihm zur Seite stehen die publizistisch aktiven Geistlichen der Herzogtmer in der Herausgabe sowohl einzelner Predigten438 als auch ganzer Sam-

çffentlichen Lebens halber, daß die Bibel zu grçßeren Ehren gekommen ist und wiederum mehr in Gebrauch wie durchgngig insonderheit bey denen auch, die von dem çffentlichen Leben mehr als Andre unter ihren Augen haben und in ihren Hnden tragen“. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Claus Harms, Eine Reformationspredigt. 1843 gehalten, Kiel 1843. 438 Vgl. etwa P.[eter] Martens, Predigt ber Joh 3, V. 16, zum Abschiede gehalten in der Kirche St. Marien zu Flensburg am zweiten Pfingsttage, den 23. Mai 1836, Husum 1837, S. 3: „In einer kleinen Reihe von Jahren, Geliebte in dem Herrn, bin ich es gewohnt, an den hohen Festtagen von dieser heiligen Sttte euch eine Festbetrachtung zu halten, und den beseligenden Rathschluß Gottes zu unserer Erlçsung euch vorzulegen“; die Predigt schließt parnetisch: „Daß wir die Liebe Gottes im Glauben ergreifen und das Ende unsers Glaubens mçgen davon tragen, nmlich unserer Seelen Seligkeit, dazu mahnt uns die Liebe Gottes, und diese Mahnung ist eine ernste Mahnung“, a.a.O., S. 15 [Hervorhebung im Original]; ferner ders., Antrittspredigt ber Joh. 21,V.15 – 17, den zum Hirten berufenen Jnger des Herrn, gehalten am 7ten August 1836, o. O., hier S. 30: „In dieser Kirche spiegelt sich ein Abglanz der Herrlichkeit Gottes, und ein Strom des Friedens ergießt sich durch dieselbe“; S. 37 f.: „Ich soll wachen ber euer Seelenheil, und euch warnen und ermahnen, daß ihr abstehet von der Snde und das ewige Heil ergreifet; ich soll die Snde strafen, wo ich sie finde und ungescheut jedem die Snde vorhalten […]“. Vgl. zu Peter Martens Eduard Alberti, Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Schriftsteller von 1829 bis Mitte 1866, II. Abt., Kiel 1868, S. 19 f.; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band I, S. 56; Martens war 1804 in Flensburg geboren, studierte ab 1826 in Kiel und Halle und legte auf Gottorf 1831 sein Examen ab. Nach einem mehrjhrigen Aufenthalt in Flensburg wurde er 1836 zum Diakon und Rektor in Tçnning berufen. Seit 1847 wirkte er als Pastor an der Dnischen Kirche in Flensburg, wechselte jedoch 1850 an den Schleswiger Dom. Hier wurde er nach der dnischen Niederlage 1864 entlassen. Er verstarb 1886 in Kiel. Peter Martens war Sohn des Flensburger Gerbers und Schuhmachers Johann Hinrich Mahrt[ens]; zu diesem und seinem in den Wirren der postrevolutionren ngste im Jahre 1795 gegen ihn seitens der Obrigkeit betriebenen Prozeß vgl. o. S. 167 f., zu seinem Sohn das ebd. Anm. 179 Gesagte. – Der Eiderstedter Pastor C.[onrad] W.[ilhelm] M.[oritz] Wolf verçffentlicht 1843 in Tçnning seine Ansprache: „Das Christenleben eine Reise nach oben. Predigt ber Ebraer 12,1.2“, in der er das Erlçsungswerk Jesu und das Vorbild des Heilandes mit Nachdruck zu Gehçr bringt; der Herr „entsagte jeder irdischen Freude und nahm Bande und Tod auf sich, um uns zu befreien, um uns das Leben zu geben – und wir sollten die Freiheit verschmhen und wieder in das Joch der Snde zurckkehren? wir sollten den Tod der Snde vorziehen dem Leben in Christo? Er ist uns voraufgegangen, er hat Tod und Grab berwunden und sitzet zur Rechten Gottes, ihm lasset uns folgen“, a.a.O., S. 5. Das Ziel des christlichen Menschen beschreibt Wolf in seiner Schlußparnese: „Der Heiland wartet unser und sieht mit Freuden auf uns herab, wenn wir treu die Bahn verfolgen, die er uns

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vorgezeichnet. Er wartet unser, um die Krone des ewigen Lebens dem zu geben, der durch Geduld den Kampf bestand, der ihm verordnet war. Amen.“, a.a.O., S. 14. Anders als etwa der whrend der Erhebung sich als prodnisch beweisende Peter Martens trat der 1806 in Krummendiek geborene Conrad Wilhelm Moritz Wolf in den Jahren nach 1848 auf die schleswig-holsteinische Seite; er hatte whrend der Jahre 1830 – 34 in Kiel studiert und war 1836 Pastor von St. Peter im Kirchenkreis Eiderstedt geworden. Dieses Amt mußte er 1850 aufgeben; daher wanderte er nach dem Niedergang der Erhebung als geistlicher „48er“ nach Port Hudson, Louisiana, aus, wo er weiterhin in seinem Beruf wirkte und 1882 verstarb. – Auch der in die Herzogtmer eingereiste Gastprediger Pastor Michelsen enthlt sich angesichts der Grndung des Gustav-Adolph-Vereins jedes direkten politischen Bezuges, betont dem Ansatz der Vereinsziele entsprechend weitaus eher die konfessionell einigenden Aspekte: „Diesen Verein beschrnkt […] nicht eine einzelne Gabe noch eine Reihe von Jahren […]– Hier […] reicht Einer dem Andern die Hand, denn – mçgen sie auch noch so verschieden sein an Rang, Reichthum, Gewerbe, ja Meinungen und Einsichten – hier sind sie Eins – protestantische Brder!“, in: C. Michelsen, Der evangelische Verein der Gustav-Adolph-Stiftung. Predigt am Sonntag Reminiscere ber 2 Cor 9,12. u. 13., Hadersleben 1844, S. 15. Die Frage nach dem Verbleib der menschlichen Snde treibt auch den in Neumnster geborenen 23jhrigen stud. theol. Friedrich Otto Clausen um; in seiner 1846 in Kiel publizierten „Predigt ber 1. Cor. 13,13 zufolge der Anordnung der TilemannMller’schen Stiftung, am Sonntage Invocavit d.J. gehalten“ ußert er: „Die ganze Wirklichkeit des Lebens, reich an berdruß und Schmerz, empfngt ein liebliches Kleid von unserer Phantasie, wenn es ein Knstler oder Dichter recht versteht, sie auszuschmcken. Aber, wo sollen wir mit unsern Snden hin, wenn wir aus dieser Welt hinaus vor Gottes Angesicht gestoßen werden?‘ – die Frage, – wo sie gethan wird, und wehe, wenn sie nicht gethan wird, – die Frage reißt eine Wunde im Menschenherzen so tief, daß kein Balsam aus keinem Genusse fließt und alle Freuden dem Herzen verleitet werden, die ein Bleiben nicht haben, weil sie dieser Welt angehçren“, a.a.O., S. 6 f.; die Antwort findet Clausen im Shnetod Jesu: „Der Glaube ist die gewisse Zuversicht, daß wir gereinigt sind von unsern Snden durch das Blut Jesus Christi, des Sohnes Gottes, der fr uns gestorben ist“, a.a.O., S. 8 Entscheidend ist dem jungen Prediger, daß „die christliche Hoffnung […] Christi und seines Heiles einst sich zu freuen ungetrbt“ gewiß sei, „und dies letzte Ziel liegt freilich in der Zukunft, hat aber schon eine Gegenwart in unserer Seele, so wahr Christus in uns leben und unser Herz regieren will und schon jetzt bei uns ist“, a.a.O., S. 12. Dies ist auch die Botschaft der im Jahre 1843 gehaltenen Weihnachtspredigt von C.[arl Peter Matthias] Ldemann, „Frchtet euch nicht!“, Kiel 1843; hier heißt es etwa S. 9: „Kann die geheiligte Menschheit mich schtzen vor der ungeheiligten, rohen, in Snde versunkenen? […] Gegen die bel, welche aus unserem Zusammenhange mit der Natur entspringen, liegen die strksten und wunderbarsten Schutzwaffen in der Menschheit, so weit sie vom Leben des Sohnes Gottes durchdrungen ist. Nimm’s nur in dich auf, dieses Leben, laß dich nur regieren vom Geist des Herrn, und auch dein Leib wird fhlen, wie wohl ihm das thut. Aber dennoch geb’ ich dir Recht, wenn du den vollen Schutz und den Schutz wider alles, was Welt heißt, nicht in, sondern ber der Menschheit suchst, und deine

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melbnde439. Je weniger sich in diesen Predigten konkrete politische Bezge erkennen lassen, um so ausgiebiger ignorieren ihre Urheber die BeArme ausstreckst nach oben, als von wo ja auch gekommen ist, und kommen muß alles, was in dir und in der Menschheit um dich her ein Hlfe und ein Schutz fr dich werden soll“ [Hervorhebungen im Original]. Der 1805 in Kiel geborene Ldemann hatte hier auch seit 1823 studiert, 1828 sein Examen absolviert und war 1834 zum Dr. phil. promoviert worden. Er wurde im gleichen Jahr 1834 in Kiel Klosterprediger, Garnisonsseelsorger und Privatdozent; 1847 erhielt er die Wrde eines Ritters des Dannebrog; Kieler Klosterprediger blieb er bis zu seiner Emeritierung 1868. Er starb 1889 – in Kiel. Zu ihm Eduard Alberti, Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Schriftsteller von 1829 bis Mitte 1866, I. Abt., Kiel 1867, S. 558 – 560; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band II, S. 44. 439 Die „Sechzehn in Altona gehaltene[n] Vacanz-Predigten“, erschienen in Altona 1837, von G.[eorg] W.[ilhelm] C.[hristian] E.[duard] Mçller finden nirgends zu einer fr die Gestaltung des politischen Lebens bzw. der sozialen Frage relevanten Aussage. Der gleiche Befund ergibt sich hinsichtlich der weiteren zeitgençssischen Predigtsammlungen; vgl. Nicolai Johannes Ernst Nielsen, Die Seligpreisungen unsers Herrn in seiner Bergpredigt, in neun Predigten vorgetragen, Lbeck 1838; ders., Die sieben Sendschreiben in der Offenbarung Johannis, in acht Predigten vorgetragen, Lbeck 1840; ferner die mit einem Vorwort von Claus Harms versehenen Ansprachen Jrgen Bookmeyers: J.[rgen] Bookmeyer, weil. Pastor in Marne, frher Klosterprediger in Kiel. Predigten, Altona 1839; cf. a. den Hooger Pastor [Samuel Friedrich] Koch, Fnf Predigten, Kiel 1841, den bereits genannten J[ohann] C.[Christoph] Biernatzki, weiland Pastor an der evangelischen Kirche zu Friedrichstadt an der Eider, Predigten und Casualreden, Kiel 1841; cf. a. die Sammlung des Preetzer Diakons Carl Wilhelm Brodersen, Hg., Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben. Dreißig Predigten, von dreißig Predigern SchleswigHolsteins, Itzehoe 1842, und C.[arl] N.[icolaus] Khler, Pastor in Flemhude, Christ.[ian] Sam.[uel] Ulber’ s erbauliche Denkzettel, oder Entwrfe zu Predigten ber die Sonntags-Evangelien, Kiel 1847 [Ulber war lt. Vorwort ebd. „ein sehr beliebter Prediger zu Hamburg um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts“. Khler berliefert seine ein Jahrhundert zuvor niedergelegten Denkanregungen]. Die sich immer drngender stellende nationale wie auch die soziale Frage werden gleichfalls ignoriert in der „Sammlung christlicher Predigten und Gelegenheitsreden. Zum Besten der Kinder des weil. Pastors Dr. Gerber in Collmar herausgegeben von einigen Freunden des Verstorbenen, Itzehoe 1847; der Herausgeberkreis umfaßt den Glckstdter Schloß- und Garnisonsprediger Dr. Lbkert, Justitiarius Matthiesen, Subrector A. Petersen sowie den Glckstdter Diaconus Nik.[olaus] Hartw[ig] Bnz. Joachim Heinrich Gerber war 1815 in Michaelisdonn geboren, hatte in den Jahren 1834 bis 1839 in Kiel und Jena studiert und war nach einem Jahr als Diakon in Marne 1842 zum Kollmarer Pastor erwhlt worden; hier verstarb er im Alter von nur 31 Jahren. Er war ein Schwiegersohn des o. g. Jrgen Bookmeyer; vgl. zu Gerber Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band I, S. 277. Unter den an den Herausgeberkreis eingesandten Predigten findet sich auch als Predigt Nr. 31, a.a.O., die S. 265 – 276 abgedruckte „Predigt am

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strebungen eines seit den 30er Jahren immer nachdrcklicher zur politischen Vernderung drngenden Brgertums. Die schleswig-holsteinische Geistlichkeit, selbst genuiner Bestandteil des Brgertums, distanziert sich in diesem Schweigen von der anwachsenden Petitionsbewegung des politisch aktiven Teils des dritten Standes in den Herzogtmern. Im weiteren Verlauf der 40er Jahre wandelt sich die politische Lage440 : Ereignisse und Entwicklungen wie das sog. Sprachreskript441 aus dem Jahr 1840, die zahlreichen Volksfeste mit der Folge einer Verfestigung des Nationalbewußtseins442, die Konzipierung des „Eiderdnentums“443, im zweiten heil. Ostertage (Nachmittags) von H.[einrich Sçnke] Wolf, Archidiakonus an St. Nikolai in Kiel: „Das Bild des Meineidigen“ (Zachari 8, 16 – 17); hier heißt es S. 267: „Zur vorgeschriebenen Predigt gehçrt ein vorgeschriebener Text. Und wer ein Schriftwort sucht zur Eidespredigt, findet es im alten Bunde […] Es ist das Wort eines Mannes vom alten Bunde, gerichtet an Mnner vom alten Bunde.“ Die staatskirchliche Anordnung regelmßiger Vergegenwrtigung der mit dem Eid einhergehenden Bindung an den Eidnehmer nimmt Wolf zum Anlaß, den Eid dem explizit prneutestamentlichen Bereich zuzuordnen: Eine Wertung, die der im Lande aktuell gefhrten Diskussion um Wesen und Bedeutung des Eides – vgl. o. S. 501 – 510 – erkennbar Tribut zollt. 440 Cf. Reimer Hansen, Zur Geschichte der dnischen Politik 1840 – 1848, in: ZSHG 42 / 1912, S. 253 – 371. 441 Am 14. Mai 1840 erlßt Christian VIII. jenes Sprachreskript, das in Regionen mit dnischer Kirchen- und Schulsprache zugleich die dnische Gerichts- und Verwaltungssprache einfhrt und in Nordschleswig alsbald durchgesetzt wird; zum Sprachkonflikt a. o. S. 531 Anm. 170. Die Maßnahme hatten die Schleswiger Stnde mit knapper Mehrheit beschlossen; hierzu Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 69 f.; Jrgen Rohwedder, Sprache und Nationalitt. Nordschleswig und die Anfnge der dnischen Sprachpolitik in der ersten Hlfte des 19. Jahrhunderts, Glckstadt 1976, S. 222 – 227; Erich Hoffmann, Frstlicher Absolutismus oder Mitbestimmung der Staatsbrger: Gesamtstaat oder Doppelmonarchie, S. 44 – 47; Gerd Stolz, Die schleswig-holsteinische Erhebung, S. 23 f. 442 So berichtet KCB 38/1843 S. 164 von einem „Schleswig-Holsteinischen Volksfest“ am „13ten Juni bei dem Dorfe Sons in der Riesharde, Amts Apenrade“, KCB 40/ 1843 S. 170 f. von den Planungen zu einem „Volksfeste“ in Jevenstedt; im gleichen Jahr folgt die Tausend-Jahr-Feier der deutschen Reichsgrndung, cf. o. S. 351 f. Mit Blick auf die dnische Seite berichtet KCB 41/1843 S. 176 von der Zusammenkunft auf der Skamlingsbanke, KCB 65/1843 S. 255 von einem großen dnischen „Volksfest auf dem Himmelsberge“ und KCB 83/1843 S. 350 vom Volksfest zu Bovense auf Fnen. Folgten 1843 etwa 6000 Menschen dem Ruf zur Skamlingsbanke, waren es im Folgejahr bereits 12000, darunter 8000 Nordschleswiger und Jten sowie 4000 von den Inseln Angereiste, unter diesen auch der Theologe, Dichter, Volkshochschulgrnder, Volkserwecker und sptere Bischof Nikolai Frederik Severin Grundtvig; hierzu Gerd Stolz, a.a.O., S. 26; Johannes Brock, Die Vorgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Erhebung, S. 135 – 141.

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weiteren Verlauf schließlich der „Offene Brief“ von 1846444 fhrten die Geistlichen immer strker an jene auf den Handlungsfeldern des Nationalismus und des hinterfragten Absolutismus aufbrechenden Alternativen heran, die individuell zu entscheiden waren. Bereits im Jahre 1842 zeigt sich eine leichte Verschiebung im Kontext kirchlicher Predigt: Nicolai Johannes Ernst Nielsen hlt die Predigt zur Erçffnung der vierten Schleswiger Stndeversammlung445. Dabei streicht er eingangs zwar heraus: „1.Vom Legen eines neuen Grundes fr unsern Staat kann nicht die Rede sein. 2. Nur mit einem Ausbauen auf diesem Grunde darf sich der

443 Hierzu bereits o. S. 537 f. 444 In den Herzogtmern war die Erbfolge angesichts des absehbar fehlenden mnnlichen Nachwuchses des Hauses Oldenburg umstritten; im Kçnigreich galt mit der lex regia – zu dieser o. S. 98 – 100 – die weibliche Erbfolge, in den Herzogtmern schien diese nach salischem Gesetz ausgeschlossen. Um den Gesamtstaat ggfs. mit einer Garantie der europischen Großmchte auch knftig als Enevælde zu erhalten, erließ Christian VIII. am 8. Juli 1846 seinen „Offenen Brief“, der die gemeinsame Thronfolge fr Kçnigreich und Herzogtmer anbefahl; Abdruck des Briefes bei Detlev von Liliencron, Up ewig ungedeelt, S. 467 f. Hierzu Johannes Brock, a.a.O. (Anm. 442), S. 171 – 176; Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, S. 642 – 651; Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 247 – 250; Hans Jensen, De danke Stænderforsamlingens Historie 1830 – 1848, Bd. 2, København 1934, S. 399 – 408. Dem offenen Brief folgte ein rasches Anwachsen von Petitionen, Publizistik und Volksversammlungen. Besonders letztere hatten zur Folge, daß im September 1846 alle politischen Vereinigungen, Volksfeste und –versammlungen untersagt wurden. Zur durch den offenen Brief ausgelçsten „grçßten Bestrzung bei allen Deutschen“ Rudolph Schleiden, Erinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. II, Wiesbaden 1890, S. 148; Lotte Hegewisch, Erinnerungen frherer Stunden fr Letzte Stunden, Kiel 1902, spricht S. 132 von einem „Schlag in unser Allerheiligstes“. Whrend eines Aufenthaltes in Plçn machte Claus Harms dem Kçnig wegen des Offenen Briefes heftige Vorhaltungen, vgl. Michael Baumgarten, Ein Denkmal fr Claus Harms, Braunschweig 1855, S. 12. Es ist nicht auszuschließen, daß Harms dabei die berlieferte staatskirchliche Vorstellung vom Gottesgnadentum der Herrscher berhrt sah. Der Gastwirtssohn Mewes Khl aus Sorgbrck, in dessen Elternhaus der Kçnig gelegentlich einkehrte, erinnert sich: „Nachdem der offene Brief erlassen war, konnte kein guter Schleswig-Holsteiner den ungetreuen KçnigHerzog mehr freudig empfangen. Man mied die Begegnung mit ihm“, ders., Im Kruge zu Sorgbrck, in: Anno 1848/1851. Berichte nach Augenzeugen aus der Erhebungszeit Schleswig-Holsteins, hg. von Felix Schmeißer, Langensalza o. J., S. 15 – 22, hier S. 16. 445 N.[icolai Johannes Ernst] Nielsen, Predigt am Tage der Erçffnung der vierten Versammlung der Stnde des Herzogthums Schleswig am 12ten October 1842 ber 1 Kor 3,11 – 13 u. 21 – 23, Schleswig 1842.

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Staatsdienst befassen“446 ; auffallend ist jedoch jener Zuspruch an die Parlamentarier, der diese nicht nur in ihrer dienenden Funktion sieht, sondern sie als Christen in freie Verantwortung stellt: „3. Wie aber die Dienenden dies Ausbauen anfassen wollen, darin sind sie auf ihre eigene Gefahr vçllig frei. 4. Daß sie es recht anfassen kçnnen ist außer Zweifel, denn sie sind Christi, und Christus ist Gottes.“447

Nielsen will den Staat also weiterhin auf dem berlieferten Fundament gestaltet sehen448, doch bertrgt er den fortwhrenden Ausbau des staatlichen Gefges an die verantwortete Freiheit seiner Parlamentarier, die ihrerseits als Christen ber die Mçglichkeit verfgen, mit Gott verbunden handeln zu kçnnen. Die Angehçrigen der Stndeversammlung sind zu ihrem Tun „berufen“: Gerade diese objektiv infolge von Wahlen geschehene „Berufung“ verleiht den Stndeangehçrigen in Verbindung mit dem Gedanken ihrer Option zu einem politisch gottgemßen Handeln eine Dignitt, die durchaus einen Konkurrenzcharakter zum berlieferten monarchischen Gottesgnadentum annehmen kann. Damit ußert sich Nielsen positiv gegenber dem Gesamtstaat, den er beibehalten sehen mçchte, wrdigt in verhaltener Form jedoch das politische Modell brgerlicher Mitwirkung in der Gestaltung dieses Staates. Zugespitzt gesagt: Nielsen beteiligt sich nicht am nationalen, wohl aber am demokratischen Diskurs der Zeit. Nicht umsonst umschreibt Nielsen den Gegenstand der „Berufung“ vage und unkonturiert: „Wir nennen es einen eigenthmlichen Staatsdienst, wozu Ihr berufen seid.“449

446 Ebd. S. 6. 447 Ebd. 448 In seinen Lebenserinnerungen schreibt Nielsen im Rckblick auf den Zeitraum der frhen 40er Jahre: „Ich fr meine Person war schon von der Zeit her, wo ich in Kiel lebte, mit Professor Falck und Dahlmann verkehrte, und Lornsens Auftreten, Verhaftung und Verurtheilung erlebte, genug orientirt, um zu wissen, daß es bei allem erwhnten im letzten Grunde sich um die Frage handelte, ob wir in den Herzogthmern fr immer an Dnemark gekettet, oder Angehçrige Deutschlands bleiben sollten? Dabei jedoch war ich, wie alle guten Schleswig-Holsteiner, viel zu loyal, als daß ich gegen die Obrigkeit, die es zur Zeit noch war, mich htte auflehnen kçnnen“, in: Andenken an Schleswig-Holstein. Nicolai Johannes Ernst Nielsen. Carl Grf: Zwei Lebenserinnerungen aus der Zeit der Erhebung, hg. von Martin Herrmann unter Mitarb. von Gerhard Kraack, S. 46. 449 Nielsen, a.a.O. (Anm. 445).

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Am 8. Sonntag nach Trinitatis 1846 hlt Propst Harms seine Predigt in der Kieler Nikolaikirche ber den 16. Artikel der Confessio Augustana450. Die sich zuspitzenden politischen Verhltnisse machen dem Prediger erkennbar zu schaffen; die Ansprache nimmt ausdrcklich Bezug auf den Offenen Brief und die soeben erçffnete Stndeversammlung Dennoch weicht Harms nicht ab von einer loyalen staatsbrgerlichen Haltung: „Des Kçnigs offner Brief, der vor ein vierzehn Tagen ausgegeben ist, sammt der Erçffnung der Stndeversammlung […] dadurch lassen wir uns doch ja nicht ablenken von unserer Bahn […] unsere Religion nimmt Notiz von Allem, schwebt ber Allem, dringet in Alles ein und will ihr Wort sprechen zu Allem, und unsere lutherische Religion, die ihren reinen und hellen Ausdruck in der Augsburgischen Confession hat, leitet mit ihrem sechzehnten Artikel in die Welt, die ußerliche, brgerliche hinein, die uns nirgends lehrlos und ratlos lassende Confession.“451

Will die Religion sich Harms zufolge gegenber „Allem“ ußern, so stellt sich angesichts des nach Wandel drngenden politischen Diskurses in den Herzogtmern erneut die Frage nach der Position der Kirchengemeinschaft innerhalb dieses Prozesses. Diesbezglich bezieht Harms im August 1846 eindeutig Stellung: „Was von weltlichen Dingen zu tun ist, zu befehlen, zu beaufsichtigen, zu richten und zu ordnen, dazu finden sich angestellte Personen, verordnete Obrigkeiten, zu oberst von Gott gesetzte Frsten, wie sie sich schreiben, von Gottes Gnaden. Allein wir wissens wohl, wie ein ganz anderer Sinn dem Volk ist beigebracht worden und demselben ein ganz anderes Urtheil ber Obrigkeiten und Frsten vorgeurtheilt. Mein Volk, habe auf die Personen Acht, 450 Dieser 16. Artikel wurde der Gemeinde nach Vorschrift des Kirchenregiments alljhrlich am 8. Sonntag nach Trinitatis ausgelegt; er besagt: „Von Polizei und weltlichem Regiment wird gelehret, daß alle Obrigkeit in der Welt und geordnete Regiment und Gesetze gute Ordnung, von Gott geschaffen und eingesetzt seind, und daß Christen mçgen in Oberkeit, Frsten- und Richter-Amt ohne Snde sein, nach kaiserlichen und anderen blichen Rechten Urteil und Recht sprechen, beltter mit dem Schwert strafen, rechte Kriege fhren, streiten, kaufen und verkaufen, aufgelegte Eide tun […]“, zit. n.: Die Augsburgische Konfession. Confessio oder Bekanntnus des Glaubens etlicher Frsten und Stdte berantwortet Kaiserlicher Majestat zu Augsburg Anno 1530, in: Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, hg. im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930, 8. Aufl, Gçttingen 1979, S. 31 – 137, hier: S. 70 f. Bei der oben erwhnten Ansprache handelt es sich um Claus Harms Predigt „Der sechszehnte Artikel der Augsburgischen Confession: Von Policei und weltlichem Regiment, gepredigt am 8. Sonntag nach Trin., 2. Aug. 1846“, Kiel 1846; als biblischer Predigttext ist der Ansprache 1. Petr 2,13 – 17 unterlegt. 451 Claus Harms, ebd., S. 3 f.

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welche dich versammlen und reiten dich und reden in den, wie man sie nennt, Volksfesten zu dir! […] ihr habt das Wort gehçrt: Seid untertan aller menschlichen Ordnung, um des Herrn willen.“452

Harms’ ußerungen erwecken den Eindruck, als habe er sich angesichts der politischen Entwicklung in den Herzogtmern noch einmal trotzig zur Aufrechterhaltung seiner berlieferten Position durchgerungen. Fnf Wochen spter bekennt er seine Schwierigkeit im rechten Umgang mit den im Raum stehenden politischen Alternativen453. Im Altonaischen Mercurius erscheint am 8. September 1846 der Auszug einer Erntepredigt, die Harms soeben am 13. Sonntag nach Trinitatis gehalten hat454. Auch hier bemerkt er „die Aufregung im Volk, die Bewegung im ganzen Lande, welche schon recht schlimme Erscheinungen zu Wege gebracht hat und wahrlich noch schlimmere frchten lsset: Es ist hier freilich der Ort fr politische Verhandlungen nicht, das hab’ ich selber mir gesagt in meiner Vorbereitung auf diese Predigt, aber die Handlungen, die politischen auch, wenn sie bedrohlich sind, was sie sind, ihrer mehrere, die mssen, mein’ ich, mit allen anderen Handlungen der Menschen an das Licht, welches hier trennt, gezogen werden und nach Befund ein Urtheil empfahn. Von mir? Wer bin ich? Derjenige Mann bin ich nicht, welcher sagen kann, da ist das Recht und da ist das Unrecht, da ist lauter Recht und da ist lauter Unrecht. So sagen zwar Viele und treten mit ihrem Ausspruche vor, der ein Abspruch ist und ein Anspruch ist, daß man ihnen glauben msse. Glaub’ ihnen, wer will, ich glaube keinem Einzigen.“455

In diesem Dilemma nimmt Harms seine Zuflucht zum „Wort Jesu: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gotte, was Gottes ist, – das Wort seines Apostels, 1 Petri 2: Seid unterthan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, es sei dem Kçnig als dem Obersten oder den Hauptleuten als seinen Gesandten. Dies Wort stehet bei mir fest, und wenn jemand, wenn ein ganzes Volk es umstieße, – ist eher geschehn – so stellt dieses Wort sich allezeit und baldigerzeit in seiner eigenen Gotteskraft, die ihm innewohnet, wieder auf und wieder oben. Nur ein Fall ist ausgenommen, die Snde, lasse Gott die Jedermann klar sehn, wer aber sie nicht siehet und widerstrebt doch, der thut Snde.“456 452 Ebd. S. 15 f. 453 Immerhin hatte die von Christian VIII. intendierte Erbfolgeregelung Harms zu deutlichem Widerspruch herausgefordert, den er anlßlich einer Unterredung mit dem Kçnig auch artikulierte. 454 Claus Harms, Ein Frgutachten, unter den Mishlligkeiten in unserm Lande. (Theil einer rntepredigt am 13. Trinitatis. Capt. Jer. 5,24), Altonaischer Mercurius Nr. 211, 8. September 1846. 455 Ebd. 456 Ebd.

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Kapitel VI

Uneins mit den politischen Bemhungen der Petitionsbewegung und der liberalen Krfte in den Herzogtmern erneuert Harms seinen Rckgriff auf die biblische Weisung zum Untertanengehorsam. Zwar sieht er die Erfolge und den Rckhalt jener oppositionellen Krfte; um so vehementer fllt sein Appell zur Bewahrung des Friedens aus: „Stdte, Flecken und Dçrfer des ganzen Landes, wenn man weiter als hier mich hçret, ach zerreißt das Band der Ordnung nicht! brecht den Stab des Lichts nicht! […] Du lieber Gott, […] siehe du darein, rede du darein, der du ja allein der Frsten und aller Menschen Herzen gleich Wasserbchen leiten kannst, leite du zum Frieden […] Wende, wehr’ab, daß unser ,meerumschlungenes‘ Land nicht von den Wogen innerer Fehden verschlungen werde. Die blaue Flut umsplt es, ach wend’ ab, wehr’ ab, daß es nirgendwo von vergoßnem Blut gerçthet werde.“457

Harms’ geradezu kassandrahafte Metapher vom gerçteten Land bewahrheitete sich anderthalb Jahre spter. Die Predigt lßt die Sorge erkennen, die den Kieler Propsten in seiner geistlichen Verantwortung als Lehrer und Seelsorger der Menschen umtrieb und die ihn jene Konsequenzen und Nçte aus- und ansprechen ließ, die durchaus zu unmittelbaren Folgen des in den Herzogtmern weithin betriebenen politischen Diskurses werden konnten. Diese Folgen ließen nicht auf sich warten.

457 Ebd.

Kapitel VII Revolutionres Verhalten ohne revolutionres Bewußtsein: Die „Unfreiheit des Landesherrn“ als Legitimierung und Motivation der Erhebung gegen die Staatsgewalt 1. Die schleswig-holsteinische Erhebung 1848 – 1851 „Wir kçnnen nicht ruhig, die Hnde im Schooß, erwarten, bis die Freiheit einmal als Geschenk vom Himmel fllt“, postuliert am Vorabend der Erhebung ein Essay des Kieler Correspondenzblattes in seiner Analyse der gegenwrtigen politischen Lage der Herzogtmer1. Denn jetzt sei „die Zeit gekommen, wo Deutschland sich in voller Grçße erhebt“2, und mit dem Fall aller politisch reaktionren Bastionen in der Folge der „Pariser Revolution vom 24. Februar“3 gelte die Maxime: „Ist Deutschland frei4, so sind auch wir frei […] es giebt jetzt nur noch eine rein Deutsche Frage. Diese aber hat Deutschland allein zu entscheiden, und Dnemark hat gar nicht dabei mitzusprechen“, ja „Dnemark hat einem solchen Volk gegenber, unter solchen Umstnden, gar keine Bedeutung. Die Drohung mancher Dnen, Schleswig mit Gewalt zu zwingen, das Faseln von Dnischen Freischaarenzgen, erregt uns nur ein Lcheln.“5

Der aus diesen Zeilen hervorleuchtende Nationalstolz verbindet sich mit den im Vormrz auch in den Herzogtmern zunehmend deutlicher artikulierten Forderungen „nach freier Presse, freiem Versammlungsrecht, Schwurgerichten, Volksbewaffnung“6. Es ging nun also expressis verbis um das Herzogtum Schleswig; der berlieferte Gesamtstaat erschien als erledigt. Der traditionelle Absolutismus hatte sich whrend der anderthalb 1 2 3 4 5 6

Ohne Verfasserangabe (vermutlich der Redakteur und Herausgeber Theodor Olshausen), „Unsere jetzige Lage“, KCB 34/1848, S. 137 f., hier S. 137. Ebd. Vgl. die Eilmeldung der Ausgabe vom 29. Februar, KCB 25/1848, S. 103. Der Artikel nimmt ausdrcklich Bezug auf die seitens zahlreicher Frsten in den deutschen Kleinstaaten eingeleiteten „Verfassungsconcessionen“ sowie den Niedergang des Absolutismus in der Folge der Februarrevolution. KCB 34/1848, S. 137. Ebd.

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Kapitel VII

Jahrzehnte langen Zeitspanne der Stndeversammlungen als zu starr erwiesen, den hier vorgelegten Reformvorschlgen auf den Handlungsfeldern der Jurisdiktion, Exekutive und Staatsfinanzen elastisch entgegenzukommen. Die Stndeversammlungen waren „stattdessen in erster Linie zu national-politischen Foren“7 geronnen; die nationalen Ideen des deutschen Vormrzes hatten durch ihre universitre und burschenschaftliche Vermittlung jene Proselyten gefunden, die den dnischen Nationaliberalen im Norden nunmehr unversçhnlich gegenberstanden. Der plçtzliche Tod Christians VIII.8 im Januar 1848 zog die Proklamation seines Sohnes Friedrich VII.9 nach sich. Dieser begegnete von vornherein allgemeinen Zweifeln an seiner Befhigung, die ihre Ursache in seinem unsteten Lebenswandel hatten10. Zum Zeitpunkt seiner Thronbesteigung zweimal geschieden11; „von seinem Vater her begabt, […] aber […] ein hemmungsloser Psychopath“12, eine „unselbstndige, materiell denkende Natur“13, erwies er sich als „den sidste Mand af en degenereret Slægt“14. 7 Robert Bohn, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 90. 8 Christian VIII. starb am 20. Januar 1848 im Alter von 61 Jahren an den Folgen einer Erkltung, die er sich am 5. Januar whrend der Verabschiedung der Korvette „Valkyrie“ vor deren Fahrt in den Fernen Osten zugezogen hatte; hierzu Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 89 f. 9 Friedrich VII. regierte bis zu seinem frhen Tod im Alter von 55 Jahren im Jahre 1863. Zu ihm: A.D. Jørgensen, DBL 5, S. 315 – 324; Jan Møller, Frederik 7. En Kongeskæbne, 3. Udg. København 2007. 10 Hierzu und zum Folgenden: Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 89 – 92; Claus Bjørn, 1848: Borgerkrig og Revolution, 2. Udgave. 1. Oplag, København 1999, S. 25 – 39. 11 Als 20jhriger heiratete Friedrich 1828 Vilhelmine, die jngere Tochter Friedrichs VI., die mit ihrer Schwester als einzige aus einer ursprnglich sechskçpfigen Kinderschar berlebt hatte; nach rascher Auflçsung dieser Ehe heiratete der Thronfolger die mecklenburgische Prinzessin Marianne. Diese Ehe endete nach drei Jahren durch Dazwischentreten der brgerlichen Louise Rasmussen, die Friedrich als Geliebte des Verlegers Carl Berling kennengelernt hatte. Sie hatte ihren Beruf beim Ballett nach der Geburt eines Kindes aufgegeben und betrieb in Kopenhagen einen Modehandel. Als Louise Christine Grfin Danner wurde sie dem Kçnig dreizehn Tage nach der Schlacht bei Idstedt am 7. August 1850 zur Linken angetraut; Berling wurde kçniglicher Privatsekretr und Kammerherr. 12 Roar Skovmand, a.a.O. (Anm. 10), S. 90. 13 Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 252. 14 A.D. Jørgensen, DBL 5, S. 323. Mit Friedrich VII. starb das Haus Oldenburg aus; schon vor seiner Thronbesteigung spiegelte sich das Fehlen eines mnnlichen Nachkommen in einem Anwachsen publizistischer Erçrterung und Kontroversen. Der „offene Brief“ Christians VIII. aus dem Jahr 1846 – hierzu o. S. 588 – bercksichtigte die sich abzeichnende epigonale Problematik mit einer bewußten

1. Die schleswig-holsteinische Erhebung 1848 – 1851

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Zeitweilig offenbarte er eine gewisse Politikverdrossenheit. Gelegentlich drohte er whrend der Kopenhagener Mrzereignisse mit Abdankung. Tatkraft und Fhrungsstrke ermangelten ihm weitgehend15. Der Staatsrat bestand zu diesem Zeitpunkt berwiegend aus Angehçrigen der lteren Generation16 ; die beiden fhrenden Vertreter der politischen Avantgarde waren zunchst ortsabwesend: Orla Lehmann17 befand sich in Italien und Pastor Ditlev Gothard Monrad18 in seiner Gemeinde auf Lolland. Doch andere liberal-oppositionelle Politiker ergriffen die Initiative zur Propagierung ihrer staats- und verfassungsbezogenen Absichten und Vorhaben. Es waren dies der Theologieprofessor Henrik

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Ausdehnung der weiblichen Erbfolge auf die Herzogtmer Schleswig und Holstein. Lotte Hegewisch, Erinnerungen frherer Stunden fr Letzte Stunden, spiegelt S. 136 die Empfindungen der Schleswig-Holsteiner im Januar 1848: „Nur noch auf zwei Augen, Friedrich VII., steht unser Zusammenhang mit Dnemark, und hinter diesen Augen nur ein kleines Gehirn. Wir wussten, unter welcher Regierung wir jetzt waren und hatten in nichts Sicherheit“. Im April 1849 verließ der Kçnig seine bei Kolding kmpfenden Truppen, um auf einem nahen Gehçft bei einem ihm bekannten Bauern zunchst zu speisen und anschließend seine Mittagsruhe zu pflegen. In solchem Verhalten spiegelte sich seine Volksnhe ebenso wie ein grundlegender Mangel an Fhrungsqualitt; zum Vorgang selbst Detlev von Liliencron, Up ewig ungedeelt. Die Erhebung Schleswig-Holsteins im Jahre 1848, S. 317 – 319. Es waren dies Anders Sandø Ørsted, Adam Wilhelm Lehnsgraf Moltke, der 84jhrige Poul Christian Stemann, Heinrich Reventlow-Criminil, Carl Graf Moltke sowie der 41 Jahre Jurist Carl Emil Bardenfleth, den der Kçnig als seinen Freund und Vertrauten neu berief; zu diesem Gremium Svend Thorsen, De Danske Ministerier 1848 – 1901 et hundrede politisk-historiske Biografier, S. 19 – 50. Zu diesem bereits o. S. 505 – 507 sowie S. 540 Anm. 208. Der 1811 geborene Pastor und Liberale Ditlev Gothard Monrad hatte bis 1846 die Redaktionsleitung des „Dansk Folkeblad“, des Blattes der „Gesellschaft fr Druckfreiheit“ innegehabt, bis ihn die Dauerhaftigkeit liberaler Opposition im dnischen Absolutismus ermdete und er sich im September 1846 zum Geistlichen in Vester Ulslev auf Lolland whlen ließ. Er gehçrte zu den jungen „Eiderdnen“; zu dieser Gruppierung o. S. 537 f. und S. 587. Monrad wurde 1849 zum Bischof von Lolland und Falster berufen; dieses Amt versah er bis 1854. Anschließend wandte er sich erneut der Politik zu und wirkte in der Auseinandersetzung mit Preußen und sterreich whrend der Jahre 1864/65 als dnischer Regierungschef. Nach der militrischen Niederlage Dnemarks ging er Ende 1865 ins Exil nach Neuseeland, wo er sich zuletzt in Auckland niederließ, und kehrte erst im April 1869 nach Dnemark zurck. Nach 1871 bernahm er sein altes Amt als Bischof fr Lolland und Falster. Zu ihm P. Vedel og Fr. Nielsen, DBL 11, S. 446 – 461, Frederik Nørgaard, D.G. Monrad. Et Levnedsløb, København 1918; Wolfdietrich von Kloeden, BBKL VI, Sp. 68 – 71.

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Nikolai Clausen19, der Prsident der Kopenhagener Stndeversammlung Laurits Nicolai Hvidt20 und der Botanikprofessor Joakim Frederik Schouw21. Diese gaben eine Publikation „Beim Thronwechsel 1848“22 heraus, die unmittelbar nach dem Ableben Christians VIII. zum 20. Januar in die Regale der Buchhndler gelangte und mehrtausendfachen Absatz fand. Die Schrift postulierte eine konstitutionelle Verbindung zwischen „Danmark“ und „Slesvig“ unter Einschluß selbstndigen Steuerbewilligungs- und Gesetzgebungsrechtes der gewhlten Provinzialstnde. Damit sollte der berlieferte nexus socialis zwischen Schleswig und Holstein zerrissen werden23. Noch in der Nacht zum 21. Januar berief der neue Kçnig den Staatsrat ein. Die oppositionellen Eiderdnen baten dringend um eine Audienz; diese Bitte schlug der Kçnig mit zweitgiger Verzçgerung ab. Einem zukunftsorientierten politischen Ratschlag seines soeben verstorbenen Vaters folgend, beabsichtigte Friedrich VII. hingegen gleich zu Anfang seiner Regierung, dem dnischen Volk und den Herzogtmern eine gemeinsame konstitutionelle Verfassung zu geben. Am 28. Januar 184824 erließ er das sog. Forfatningsreskript, demzufolge 52 Reprsentanten aus dem Gesamtstaat einberufen werden sollten, die den bergang zu einer freien Verfassung mit dem Instrument knftig beschließender Stnde gestalten sollten25. Die hier im Hintergrund waltenden politischen Inten19 Zu diesem Fr. Nielsen – C.[arl] St.[een] A.[ndersen] Bille, DBL 3, S. 612 – 624. 20 Zu diesem C.[arl] St.[een] A.[ndersen] Bille, DBL 8, S. 200 – 203. 21 Zu diesem C.[arl] St.[een] A.[ndersen] Bille, Hg., Stimmen aus Dnemark ber die schleswigschen Verhltnisse. Eine Sammlung von Aufstzen aus dem dnischen Wochenblatte, Kopenhagen 1843; ferner Eug.[enius] Warming – Emil Elberling, DBL 15, S. 274 – 280. 22 H.[enrik] N.[ikolai] Clausen og J.[oakim] F.[rederik] Schouw, Ved Thronskiftet 1848, Kjøbenhavn 1848; zur breiten Wirkung der Schrift Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 91 f. 23 Vgl. hierzu auch Caspar Friedrich Wegener, ber die unzertrennliche Verbindung Schleswigs mit Dnnemark in staatsrechtlicher Beziehung, Copenhagen 1848. 24 Vom Datum handelte es sich um den Geburtstag Friedrichs VI., der 1833 die Installation beratender Provinzialstnde bewilligt hatte. 25 Da der Kçnig sich vorbehielt, einen Teil dieser 52 Reprsentanten selbst zu ernennen, entfielen auf Holstein sieben zu whlende Persçnlichkeiten aus vier sozialen Gruppierungen. Nach Durchfhrung der Wahl am 11. und 13. Mrz 1848 wurden in Itzehoe benannt: „Von den Abgeordneten der grçßeren Gutsbesitzer: Klosterprobst Graf Reventlou von Preetz und Schwerdtfeger zu Wensien […] von den Abgeordneten der kleineren Landbesitzer: Rohwer sen. in Holtorf und Landesgevollmchtigter Witt in Deichhausen bei Bsum […] von dem Generalsuperintendenten und den Kirchenprçbsten: Probst Paulsen in Altona […] von den Abgeordneten der Stdte: O.-G.-Advocat Claussen in Kiel und Theodor Ols-

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tionen waren Resultat der im letzten Lebensjahr Christian VIII. zwischen diesem und dem Kronprinzen gefhrten Unterredungen, whrend derer der Stiftsamtmann Carl Emil Bardenfleth26 aus Odense beratend hinzugezogen worden war27. Eine Besonderheit des nunmehr eingebrachten Verfassungserlasses lag darin, daß Schleswig, Holstein und Lauenburg ebenso viele Berater entsenden sollten wie das Kçnigreich. Tagungsorte der Stnde sollten alterierend die Kopenhagener Residenz und Schloß Gottorf werden. Der Federstrich, mit dem Friedrich VII. seinen Namenszug unter das Reskript setzte, beendete den dnischen Absolutismus28. Mit den Gewichtungen des Forfatningsreskriptes zwischen Kçnigreich und Herzogtmern waren weder die Eiderdnen noch die Anhnger der schleswig-holsteinischen Bewegung zufrieden. Letztere bewerteten die anvisierte Gleichheit nur als leeres Versprechen; der Gegenseite war gerade die parittische Ausrichtung ein Dorn im Auge29. Mitten in den Erçrterungsdiskurs fiel die Nachricht vom Ausbruch der Februarrevolution in Paris und dem Sturz des „Brgerkçnigs“ Ludwig Philipps am 24. Februar 184830. Etwa eine Woche bençtigte die Nachricht, um nach Kopenhagen zu gelangen; das Kieler Correspondenzblatt berichtete in seiner Ausgabe vom 29. Februar des Jahres, daß am Vortag sich abends „die Nachricht von

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hausen daselbst“, so die Meldung KCB 31/1848, S. 130. Zum anfnglich positiven, sich bald unter Einwirkung des Deutschnationalismus wandelnden Echo auf das Reskript in den Herzogtmern vgl. Gerd Vaagt Die letzten Monate vor dem 24. Mrz 1848. Nach dem Briefwechsel des von 1846 bis 1848 in SchleswigHolstein-Gottorf amtierenden L.N. Scheel, in: Grenzfriedenshefte 1 / 1973, S. 7 – 23, hier S. 8 – 10. Zu diesem Vertrauten und Hofchef des Kronprinzen vgl. C.[arl] St.[een] A.[ndersen] Bille, DBL 1, S. 519 – 521. Details hierzu bei Hans Vammen, Die Casino-„Revolution“ in Kopenhagen 1848, in: ZSHG 123 / 1998, S. 57 – 90, hier S. 60 – 62. Zum Vorgang selbst und zu den Intentionen Benito Scocozza og Grete Jensen, Politikens etbinds Danmarkshistorie, 6. Udg. København 2007, S. 232. Unter Fhrung des eilends nach Kopenhagen zurckgekehrten Orla Lehmann verabschiedeten 43 „Notabilitten der nationaldnischen Partei“ am 23. Februar 1848 eine „Erklrung ber die Verfassungssache“, die eine wahlrechtliche Gleichstellung von 1,3 Millionen Dnen und 800 000 Menschen in den Herzogtmern zurckwies. Stattdessen solle Holstein als Territorium des deutschen Bundes eine eigene Verfassung erhalten. Die deutsche bertragung dieser Erklrung findet sich KCB 27/ 1848, S. 110 f.; hierzu a. Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, Hg., Die Herzogthmer Schleswig-Holstein und das Kçnigreich Dnemark. Aktenmßige Geschichte der dnischen Politik seit dem Jahr 1806, S. 282 f. Zu diesem o. S. 176 f.

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der Pariser Revolution vom 24. Februar wie ein Lauffeuer durch die Stadt verbreitet“ habe31. Zu diesem Zeitpunkt waren in Auswirkung der Pariser Ereignisse bereits in vielen deutschen Staaten die „Forderungen des Volkes“ nach Volksbewaffnung, Pressefreiheit und einem gesamtdeutschen Parlament erhoben worden32 ; diese Postulate spiegelt die Eilmeldung des Kieler Journals: „Was zunchst den Deutschen als unerlßlich und notwendig erscheinen muß, ist die engere Vereinigung des zerstckelten Deutschlands und großartige feste volkstmliche Institutionen; ohne sie kann Deutschland eine hnliche Verheerung treffen, wie sie vielleicht Frankreich von Neuem bevorsteht. Die Blicke aller Vaterlandsfreunde werden zunchst auf Berlin gerichtet sein.“33

Diese im Nachhinein geradezu prophetisch anmutende Orientierung auf die preußische Hauptstadt sollte nur allzu bald eine Antwort erhalten. Denn wenige Wochen spter marschierten preußische Truppen in die Herzogtmer, stießen nach dem 2. Mai 1848 weit ins dnische Kernland vor, um sich 1850 jedoch gnzlich zurckzuziehen – und erst 1864 mit dem Ziel einer Annexion der Herzogtmer zurckzukehren. In den Herzogtmern beriefen die Stndedeputierten zum 18. Mrz 1848 eine Volks- und Abgeordnetenversammlung ohne landesherrliche Erlaubnis ein34. Zum Leiter der Versammlung wurde der Schleswiger Advokat Wilhelm Hartwig Beseler35 berufen, als Hauptredner fungierte 31 KCB 25/1848, S. 103. 32 Zu den unmittelbaren Auswirkungen der Februarrevolution in den deutschen Staaten Golo Mann, Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, S. 194 – 199; Walter Grab, Die Revolution von 1848. Eine Dokumentation, Mnchen 1980, S. 37 – 79; mit Hinblick auf die Herzogtmer a. Veit Valentin, Geschichte der deutschen Revolution von 1848 – 49, Erster Band, Berlin 1931, S. 332 – 337; der Kanon brgerlicher Postulate des Jahres 1848 findet sich abgedruckt am 14. Mrz in KCB 31/1848, S. 126. 33 A.a.O. (Anm. 31). 34 Vgl. KCB 33/1848, S. 133 – 135. Die Versammlung fand unter den schwarz-rotgoldenen Farben statt. Zu ihr: Otto Fock, Schleswig-Holsteinische Erinnerungen, besonders aus den Jahren 1848 – 1851, Leipzig 1863, S. 58 – 63; Hermann Hagenah, Revolution und Legitimitt in der Geschichte der Erhebung SchleswigHolsteins. Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte und zur Politik der Provisorischen Regierung, Kiel 1916, S. 34 – 44 und Ernst-Erich Marhencke, HansReimer Claussen (1804 – 1894), S. 138 – 140; Otto Brandt, Geschichte SchleswigHolsteins, S. 253. 35 Zu diesem August Sach, ADB 46, S. 473 – 479; Eduard Alberti, Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Schriftsteller von 1829 bis Mitte 1866, I. Abth., S. 50 f.; Gertrud Schweickhardt, Wilhelm Beseler als Politiker, Kiel 1927; Alexander Scharff, Wilhelm Hartwig Beselers politische Wirksamkeit vor 1848, in:

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Theodor Olshausen. Dieser publizierte seine Leitgedanken am selben Tag im Correspondenzblatt, dem drei Fundamentalforderungen zu entnehmen sind: „1. die Constituierung Schleswig-Holsteins, als eines von Dnemark und Dnischem Einflusse unabhngigen Staats; 2. der Anschluß dieses ganzen, ungetheilten Staates an den Deutschen Bund; 3. die grndliche Reform der Deutschen Bundesverfassung, zunchst durch Berufung einer Volksvertretung smmtlicher Deutscher Vçlker beim Bundestage.“ 36

Ausdrcklich wandte sich Olshausen gegen eine Beteiligung von Schleswig-Holsteinern an dem durch das Forfatningsreskript vorgesehenen 52kçpfigen Reprsentantenkreis37. Dies waren fr Kçnig und Regierung unannehmbare Forderungen, die der Klosterprobst von Preetz, Graf Friedrich Reventlou 38, bislang konservativer spiritus rector der Itzehoer Stndeversammlung, vergeblich zu dmpfen versuchte39. Nach langwieriger Erçrterung einigten sich die politischen Akteure der Rendsburger Versammlung, fnf „erfahrene Mnner“ als Deputation nach Kopenhagen zu entsenden40 ; es waren dies der Eisenbahndirektor Th. Olshausen41, Obergerichtsadvokat Claussen42, Obergerichtsadvokat Dr. Glich43,

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ders., Schleswig-Holstein in der deutschen und nordeuropischen Geschichte. Gesammelte Aufstze, hg. von Manfred Jessen-Klingenberg, Stuttgart 1969, S. 74 – 110. KCB 33/1848, S. 133 [Hervorhebungen im Original]. Ebd. Zu diesem August Sach, ADB 28, S. 338 – 345; Johannes Brock, Die Vorgeschichte der Schleswig-Holsteinischen Erhebung, S. 203 f.; Manfred JessenKlingenberg, SHBL 7, S. 190 – 194; H. R. Hiort-Lorensen, DBL 14, S. 59 f.; Otto Fock, Schleswig-Holsteinische Erinnerungen, besonders aus den Jahren 1848 – 1851, S. 31 – 37; Gottfried Ernst Hoffmann, Die Erinnerungen des Statthalters Friedrich Reventlou. Ihr biographischer und landesgeschichtlicher Gehalt in Bericht und Auszgen verçffentlicht, Neumnster i. H. 1932. Vgl. Ernst-Erich Marhencke, Hans-Reimer Claussen (1804 – 1894), S. 139. Immerhin setzte Reventlou durch, daß in Einhaltung der Zusage der Itzehoer Stndeversammlung berhaupt eine Deputation entsandt wurde. Damit blieb die Dialogfhigkeit vorerst gewahrt. Hierzu Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, Hg., Die Herzogthmer Schleswig-Holstein und das Kçnigreich Dnemark. Aktenmßige Geschichte der dnischen Politik seit dem Jahr 1806, S. 286. Theodor Olshausen wirkte seit Beginn des Fahrdienstes im September 1844 als Direktor der Altona-Kieler Eisenbahngesellschaft, deren Realisierung er tatkrftig mit ermçglicht hatte. Er behielt diese Position bis zu seinem Eintritt in die provisorische Regierung; hierzu Lorentzen, ADB 24, S. 331. Vgl. zu diesem o. S. 534 Anm. 182 und S. 541 Anm. 214.

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Kammerherr v. Neergard44 und Regierungsrat Engel45. Diese sollten dem „Kçnig-Herzog“ in Kopenhagen „auf vorgeschriebene Weise die Wnsche seiner Unterthanen in den Herzogthmern“ vorlegen und „demselben die Lage des Landes“ dartun46. Die „Wnsche“ entsprachen einem politischen Konzept: Es ging um Vereinigung der Stnde beider Herzogtmer, um die Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund47, allgemeine Volksbewaffnung48, Presse- und Versammlungsfreiheit sowie die Entlassung des aktuell amtierenden Regierungsprsidenten v. Scheel49. 43 Der Schleswiger Jurist Jacob Guido Theodor Glich war Sohn des jakobinerfreundlichen Flensburgers Ludwig August Glich; zu diesem o. S. 164 – 168. Jacob Glichs 1829 geborener Sohn Johannes Hesdorf Theodor setzte die auf Vernderung gesellschaftlicher Mißstnde bedachte Familientradition fort; bei Idstedt schwer verwundet, wurde er aus der schleswig-holsteinischen Armee entlassen auf Grund eines kritischen Gedichtes ber den Kçnig. 1851 ließ er sich in Davenport, Iowa, nieder; hier grndete er die Zeitung „Der Demokrat“ und 1852 den „Socialistischen Turnverein“. 1856 verußerte er die Zeitung an Theodor Olshausen. Whrend des Brgerkrieges kmpfte Theodor Glich als Unionsoffizier gegen die die Sklaverei befrwortenden Sdstaaten. Zu ihm: Theodor Olshausen 1802 – 1869. Briefe an den Bruder Justus, hg. von Ingo Reppmann und Joachim Reppmann, S. 329. 44 Vgl. zu Kammerherrn Lucius Carl Joseph Andreas von Neergard auf velgçnne o. S. 543. Neergard war vom 20. Mai bis zum 23. Oktober 1848 Abgeordneter des Paulskirchenparlamentes und vertrat dort den holsteinischen 2. Wahlkreis Itzehoe. 45 Fock weist a.a.O. (Anm. 38) S. 60 darauf hin, daß wie die anderen vier Delegierten auch Caspar Arnold Gotthold Johann Engel „zur Linken der Stndeversammlung“ gerechnet habe. 46 Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, a.a.O. (Anm. 40). 47 Vgl. hierzu [Heinrich Karl] Esmarch, Schleswigs Aufnahme in den Deutschen Bund, Schleswig 1848. 48 Hierzu Eberhard Schwalm, Volksbewaffnung 1848 – 1850 in Schleswig-Holstein. Vorarbeiten zu einer Psychologie und Soziologie der Schleswig-Holsteinischen Erhebung, Neumnster 1961. 49 Zu diesem und der mit seiner Amtsfhrung verbundenen Kritik in zeitgençssischer Sicht: Otto Fock, a.a.O., S. 18; Gerd Vaagt, Die letzten Monate vor dem 24. Mrz 1848. Nach dem Briefwechsel des von 1846 bis 1848 in Schleswig-HolsteinGottorf amtierenden L.N. Scheel, in: Grenzfriedenshefte 1 / 1973, S. 7 – 23. – Holger Hjelholt, British Mediation in the Danish-German Conflict 1848 – 1850. Part One: From the March Revolution to the November Government, København 1965, sieht S. 21 in den Geschehnissen des 18. Mrz den Beginn des schleswigholsteinischen Aufruhrs; so auch der Zeitzeuge Fock, a.a.O., S. 61. Anders Hans Vammen, Die Casino-„Revolution“ in Kopenhagen 1848, der S. 85 den Aufruhr auf den 23. Mrz datieren will, als die Politiker der Herzogtmer die Nachrichten vom Kopenhagener Casinotreffen am 20. Mrz sowie vom Rcktritt der Regierung erhielten; hierzu sogleich im Folgenden.

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Am 20. Mrz reist die Delegation nach Kopenhagen ab, wo die Nachrichten ber die Rendsburger Versammlung und deren Ergebnisse den Ruf nach „Krieg“ laut werden lassen und das Urteil heraufbeschwçren, „die Brger drben“ seien „smmtlich vom Geiste der Revolution ergriffen“50. Auf Initiative Orla Lehmanns hat sich in Kopenhagen zwischenzeitlich ein „Komitee“ liberaler Politiker formiert, das sich – darin durchaus in die nahe Zukunft weisend – „Regierung“ nennt51. Laurits Nicolai Hvidt fungiert formal als Leiter der Gruppierung, Orla Lehmann motiviert und intensiviert die Aktivitten. Nacheinander werden Volksversammlungen im neuen Gebude des Casino-Theaters, in der Universitt und im Hippodrom organisiert, die jeweils von Tausenden besucht werden. Eine solche Veranstaltung schließt sich auch dem Bekanntwerden der Rendsburger Versammlung vom 18. Mrz an; am Abend des 20. Mrz wird eine Volksversammlung ins Casino einberufen, auf der eine von Lehmann im voraus entworfene und von den Brgerreprsentanten unterschriebene Erklrung verlesen und mit Begeisterung angenommen wird, die dem Kçnig unter Androhung einer Revolution52 den Verzicht auf das Projekt einer schleswig-holsteinischen Verfassung53 bei gleichzeitiger Entlassung seiner Minister54 abverlangt. Die von den dreitausend Anwesenden unter ußerungen außerordentlicher Emotionen gebilligte Resolution wird dem Kçnig am 21. Mrz mittags im Anschluß an den „Volkszug nach Christiansborg“55 bergeben. Friedrich VII. gibt nach mehrstndiger Erçrterung mit seinen Ratgebern dem Druck der Straße nach und lçst sein Ministerium auf. Das von ihm 53 Tage zuvor unterzeichnete Forfatningsreskript mit seiner Zusage einer knftigen gemeinsamen konstitutionellen Ver50 Anonymer Verfasser, Die Mrztage 1848 in Kopenhagen. Stimmungen und Erlebnisse eines Augenzeugen, herausgegeben und mit einer politischen Nachschrift versehen von einem Schleswiger, Kopenhagen 1851, S. 19 [zit. n. Aufzeichnungen unter dem Datum des „20sten Mrz“]. 51 Hierzu Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 95. 52 Ebd. S. 96: „Wir rufen Eure Majestt an, die Nation nicht zur Selbsthilfe der Verzweiflung zu treiben“. 53 Der Augenzeugenbericht (Anm. 50) gibt Lehmanns diesbezgliche ußerung S. 21 wie folgt wider: „Eine schleswig-holsteinische Verfassung ist ein Aufgeben des Rechts der dnischen Krone ber Schleswig. Dazu ist der Kçnig von Dnemark nicht berechtigt und dies kçnnte das dnische Volk nimmer geschehen lassen“. 54 Ebd. S. 22: „Dnemarks Wohlfahrt erfordert, dass der Kçnig unverzglich den Thron mit Mnnern umgebe, deren Einsicht, Energie, und Vaterlandsliebe der Regierung Kraft, der Nation Vertrauen gibt“. 55 Details im Augenzeugenbericht (Anm. 50), S. 27 – 29, und bei Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 97 – 99.

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fassung fr das Kçnigreich und die Herzogtmer unter Bewahrung der Zusammengehçrigkeit Schleswigs und Holsteins ist damit erledigt. An diesen Aspekt wird in der Folgezeit immer wieder von neuem die Berufung der schleswig-holsteinischen Erhebungsprotagonisten auf das Legalittsprinzip anknpfen. Am gleichen Tag erhlt Carl Emil Bardenfleth vom Kçnig den Auftrag zur Neubildung des Kabinetts, um so rasch wie mçglich eine neue Regierung zu errichten, die der erwarteten Delegation der Schleswig-Holsteiner Rede und Antwort stehen kçnnte. Nach einer langwierigen Erçrterung der politischen Ausrichtung des neuen Kabinetts, whrend der Friedrich VII. mit seiner Abdankung droht, formiert sich in der Frhe des 22. Mrz als Kopenhagener „Casinoministerium“56 das „Ministeriet A.W. Moltke I“, eine konservativ-liberale Koalitionsregierung mit stark liberaleiderdnischer Tendenz57. Friedrich VII. erklrt seinen neuen Status als nunmehr konstitutioneller Kçnig58. Noch am selben Tag erreicht die fnfkçpfige schleswig-holsteinische Delegation mit dem linienmßig zwischen Kiel und Kopenhagen verkehrenden Dampfschiff die Residenzstadt. Die Abgesandten der Herzogtmer treffen auf eine vçllig verndertes Kopenhagen; eine drohende Volksmenge veranlaßt den Großkaufmann Alfred Hage, ihnen statt des in Aussicht genommenen Htels d’Angleterre sichere Unterkunft in seinem Haus zu gewhren. Studenten mit weißen Armbinden geleiten die Dele56 Der Name rhrt her von der Bezeichnung der eiderdnischen Partei als „Casinopartei“ und indiziert den besonderen Bedeutungsanteil jungliberaler Minister innerhalb des Kabinetts. 57 Gegenber dem absolutistischen Kollegialsystem ist die Installation verantwortlicher Ressortminister ein entscheidendes Novum. Dem neuen vom 22. Mrz bis zum 16. November 1848 ttigen Kabinett gehçrten unter dem Lehnsgrafen Adam Wilhelm Moltke als Premier- und Finanzminister folgende Minister an: Carl Emil Bardenfleth als Justizminister, Graf Frederik Marcus Knuth als Außenminister, Christian Albrecht Bluhme als Handelsminister, der Kommandeurskapitn Christian Christopher Zahrtmann als Marineminister sowie die vier liberalen Minister Ditlev Gothard Monrad als Minister fr das Kirchen- und Schulwesen, der Artillerieoffizier Anton Frederik Tscherning als Kriegsminister und die beiden Minister ohne Portefeuille Orla Lehmann und Laurits Nicolai Hvidt; zur Bildung des neuen Ministeriums: Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, Hg., Die Herzogthmer Schleswig-Holstein und das Kçnigreich Dnemark. Aktenmßige Geschichte der dnischen Politik seit dem Jahr 1806, S. 301 – 315; Svend Thorsen, De Danske Ministerier 1848 – 1901 et hundrede politisk-historiske Biografier, S. 53 – 86. 58 Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 103.

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gation durch die Stadt59. Anlßlich einer ersten Unterredung mit Orla Lehmann im Hause Alfred Hages ziehen die fnf Schleswig-Holsteiner auf einer Landkarte des Herzogtums Schleswig eine Linie von der Flensburger Fçrde quer zur Nordsee und bieten eine Abstimmung nach Gemeinden an60. Dies entspricht der Auffassung Theodor Olshausens, der sich mit diesem Verhandlungsangebot als unbedingter Anhnger des Gedankens von der Volkssouvernitt erweist61 und „im Sinne der demokratischen Nationalidee […] in diesen Tagen eine Teilung Schleswigs“ befrwortet62. Um die Mittagszeit des 23. Mrz empfngt der Kçnig die Delegation, als deren Sprecher Lucius v. Neergard die fnf Forderungen der Rendsburger Abgeordnetenversammlung vortrgt63. Die erbetene Entlassung des Regierungsprsidenten bewilligt der Kçnig sofort; anschließend beruft er seinen neuen Staatsrat ins Spare, um am 24. Mrz hinsichtlich der verbleibenden Forderungen der Schleswig-Holsteiner Stellung beziehen zu kçnnen. Den im Staatsrat erçrterten Gedanken einer Teilung Schleswigs weist Monrad entschieden zurck. Am Morgen des 24. haben alle in Kopenhagen ttigen schleswigholsteinischen Beamten ihren Abschied genommen; in diesem Vorgang findet eine jahrhundertealte Regierungsgemeinschaft des dnisch-deutschen Gesamtstaates ihr Ende. Die Deputation wartet im Vorzimmer Friedrichs VII. auf Christiansborg – und wird von dort ohne Begegnung mit Kçnig und Staatsrat auf das dnische Kriegsschiff „Hekla“ eskortiert. Hier verliest ihnen kurz vor der Abreise nach Kiel Orla Lehmann die vom Kçnig unterzeichnete Antwort des Staatsrates: Holstein solle als selbstndiger deutscher Bundesstaat eine freie Verfassung erhalten, Schleswig mit Dnemark dagegen durch eine gemeinsame Verfassung bei Installation eines eigenen Landtages und separater Verwaltung verbunden werden. Die

59 Rudolph Schleiden, Erinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. II, S. 269. 60 Olshausen wich damit deutlich von seinen in Rendsburg vorgebrachten Intentionen – vgl. o. S. 599 – ab, um einen Krieg zu vermeiden. Hierzu Roar Skovmand, a.a.O. (Anm. 58), S. 104 f. 61 Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, spricht S. 254 von Theodor Olshausen als „unbedingtem Demokraten, in dem das Gedankengut der Franzçsischen Revolution am strksten fortlebte“. 62 Eberhard Schwalm, Volksbewaffnung 1848 – 1850 in Schleswig-Holstein. Vorarbeiten zu einer Psychologie und Soziologie der Schleswig-Holsteinischen Erhebung, S. 64. 63 Zu dieser Audienz beim Kçnig Johann Gustav Droysen und Karl Samwer, a.a.O. (Anm. 57), S. 316 – 333.

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Verlautbarung aus dem Staatsrat wird als „Proklamation des Kçnigs“ unmittelbar an den Kopenhagener Straßenecken ausgebracht64. Die Nachrichten von der Volksversammlung am 20. Mrz sowie die Information vom Regierungsrcktritt in Kopenhagen am 21. erreichten Kiel am Morgen des 2365. Die Hoffnung auf eine positive Reaktion gegenber den in Kopenhagen bermittelten „Wnschen“ der Herzogtmer senkte sich auf den Nullpunkt. In der folgenden Nacht wurde eine „provisorische Regierung“ eingesetzt66. Ihr stand als Prsident Wilhelm Hartwig Beseler vor, der Exponent des „nationalliberalen Zentrums“67; der politisch mit ihm konforme Flensburger Advokat Jrgen Bremer wurde mit Hinblick auf seine guten Beziehungen nach Nordschleswig aufgenommen68. Graf Friedrich Reventlou-Preetz reprsentierte den auf Vermittlung bedachten konservativen Flgel, whrend der extrem konserva-

64 Anonymer Verfasser, Die Mrztage 1848 in Kopenhagen. Stimmungen und Erlebnisse eines Augenzeugen, S. 34; die „Antwort Seiner Majestt des Kçnigs an die Schleswig-holsteinische Deputation. Christiansborg, den 24sten Mrz 1848. Frederik R.“ wurde in Kopenhagen umgehend publiziert. 65 Hans Schultz Hansen, Demokratie oder Nationalismus – Politische Geschichte Schleswig-Holsteins 1830 – 1918, in: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, hg. von Ullrich Lange, S. 427 – 485, hier: S. 442. 66 „Am Abend des 23.3. versammelte sich im Kontor des Advokaten Ludolf Conrad Hannibal Bargum ein Kreis fhrender Persçnlichkeiten, die der berzeugung waren, daß nunmehr die Zeit zum Handeln gekommen sei. ,Aut nunc aut nunquam‘, soll Beseler pathetisch ausgerufen haben. Reventlou, heißt es, habe bedchtig auf Plattdeutsch erwidert: ,Na, denn man los!“, zit. n. Manfred JessenKlingenberg, SHBL 7, S. 192; vgl. a. Hermann Hagenah, Die Mnner der Provisorischen Regierung, Flensburg o. J., S. 19, der zuvor S. 9 auf die zum Vorbild genommene Grndung einer provisorischen Regierung im „Vorgang der vier Wochen zurckliegenden Pariser Revolution“ hinweist. Zu den Geschehnissen des 24. Mrz 1848 in Kiel ferner: Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 253 – 255; Hermann Hagenah, Der 24. Mrz 1848, Flensburg 1923; ders., Der 24. Mrz 1848 in Kiel und seine Bedeutung fr die deutsche Geschichte, in: Mitteilungen der Gesellschaft fr Kieler Stadtgeschichte 39 / 1936, S. 145 – 159; Friedrich Kleyser, Mrzrevolution in Kiel. Zur Erinnerung an den 24. Mrz 1848, in: Rundschreiben der Mitteilungen der Gesellschaft fr Kieler Stadtgeschichte 45 / 1948; Alexander Scharff, Schleswig-Holsteinische Geschichte, S. 51 – 53; ders., Wesen und Bedeutung der schleswig-holsteinischen Erhebung 1848 – 1850, Neumnster 1978. 67 Hans Schultz Hansen, a.a.O. Zu Wilhelm Hartwig Beseler als prgendem Mitglied der provisorischen Regierung Otto Fock, Schleswig-Holsteinische Erinnerungen, besonders aus den Jahren 1848 – 1851, S. 24. 68 Zu diesem Zusammenhang und der Person Bremers Fock, a.a.O., S. 73.

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tive augustenburgische Prinz Friedrich von Noer69 auf Grund seiner militrischen Ausbildung und Befhigung fr unentbehrlich erachtet wurde. Durch Vermittlung des Kieler Bankiers Hans Wilhelm Ahlmann70 wurden nacheinander vom entschieden liberal-demokratischen Spektrum zwei weitere holsteinische Politiker berufen71: Martin Thorsen Schmidt72, „Fhrer der revolutionren Brgerbewaffnung“73, sowie der zum Zeitpunkt seiner Ernennung noch auf dem Rckweg von Kopenhagen nach Kiel befindliche Theodor Olshausen74. Die Proklamation der provisori69 Der jngere Bruder Herzog Christians von Augustenburg benannte sich nach seinem Besitz vor den Toren Eckernfçrdes, war dnischer Generalleutnant und amtierte von 1842 bis 1846 als Statthalter auf Gottorf. Als Reaktion auf den „Offenen Brief“ Christians VIII. – vgl. o. S. 588 – demissionierte Friedrich im August 1846. Zu ihm: Ders., Aufzeichnungen des Prinzen Friedrich von Schleswig-Holstein-Noer aus den Jahren 1848 – 1851, Zrich 1861; ebd. zu seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst S. 31 f. und zur Bildung der „provisorischen Regierung“ S. 35 – 59; vgl. a. Otto Fock, a.a.O., S. 39 – 54. 70 Zu diesem Werner Pfeiffer, SHBL 1, S. 24 f. – 1817 in Gravenstein als Kaufmannssohn geboren, arbeitete Ahlmann nach einer Handelslehre in Kiel bis 1841 in Hamburg. Anschließend studierte er Nationalçkonomie in Hamburg, Berlin und Tbingen. Nach der Promotion in Tbingen und der Habilitation in Kiel wurde er in der schleswig-holsteinischen Frage publizistisch aktiv. Als Sekretr der provisorischen Regierung gelang ihm „die Einigung der divergierenden Krfte der Erhebung“, Pfeiffer, a.a.O., S. 24. Seit 1849 gab Ahlmann mit dem spteren Nobelpreistrger Theodor Mommsen die „Schleswig-Holsteinische Zeitung“ heraus; als Chef des Postwesens fhrte er in den Herzogtmern ab Ende 1850 die Briefmarken ein. Er starb nach einem als Journalist, Politiker und Bankier verbrachten Leben im Herbst 1910 in Kiel. 71 Ein handschriftliches „Circulair“ aus Rendsburg vom 25. Mrz 1848 nennt nur fnf Regierungsmitglieder: „Prsident: Beseler, Militair-Departement: Friedrich Prinz zu Schleswig-Holstein, Justiz-Departement: Bremer, Departement des Innern und der auswrtigen Angelegenheiten: Graf F. Reventlou; Finanz-Departement: M.T. Schmidt“; LAS Abt 22 III EE Nr. 1. 72 Zu diesem gebrtigen Flensburger Hermann Hagenah, Die Mnner der Provisorischen Regierung, S. 6 f. 73 Ernst-Erich Marhencke, Hans-Reimer Claussen, S. 144; cf. die „Provisorische Verfgung die Brgerbewaffnung betreffend, Rendsburg, den 25sten Mrz 1848“, hg. von der provisorischen Regierung. 74 Vgl. die handschriftliche Verlautbarung der zuvor ernannten Angehçrigen der provisorischen Regierung: „In Folge unserer Aufforderung ist der Eisenbahndir. Th. Olshausen in die provisorische Regierung mit eingetreten und hat in derselben das Departement der Polizei: „Sicherheits-, Gesundheits und Landpolizei, Hilfsanstalten und Armenwesen“] bernommen. Rendsburg 28. Mrz 48. Die provisorische Regierung. Beseler Reventlou MTSchmidt. J. Bremer.“, LAS Abt 22 III EE Nr. 1 – 3 hs.

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schen Regierung erfolgte in der Nacht zum 24. Mrz auf dem Kieler Marktplatz75. Mit Rcksicht auf loyale Bedrfnisse der Beamten, Soldaten und noch im gesamtstaatlichen Denken begriffener Bevçlkerungsteile wurde sie rhetorisch mild abgefaßt. Die Bemhung um eine legale, nicht revolutionre Grundlage der „Erhebung“ zeigt das handschriftliche Original: „Mitbrger! Unser Herzog ist durch eine Volksbewegung in Kopenhagen gezwungen worden, seine bisherigen Ratgeber zu entlassen und eine feindliche Stellung gegen die Herzogthmer einzunehmen. Der Wille des Landesherrn ist nicht mehr frei und das Land ohne Regierung. Wir werden es nicht dulden wollen, dass deutsches Land dem Raube der Dnen preisgegeben werde. Grosse Gefahren erfordern grosse Entschliessungen; zur Verteidigung der Grenze, zur Aufrechterhaltung der Ordnung bedarf es einer leitenden Behçrde. Folgend der dringenden Notwendigkeit und gestrkt durch das bisher uns bewiesene Zutrauen haben wir, dem ergangenen Rufe folgend, vorlufig die Leitung der Regierung bernommen, welche wir zur Aufrechterhaltung der Rechte des Landes und der Rechte unsres angestammten Herzogs in seinem Namen fhren werden. Wir werden sofort die vereinigte Stndeversammlung berufen und die bernommene Gewalt zurckgeben, sobald der Landesherr wieder frei sein wird oder von der Stndeversammlung andre Personen mit der Leitung der Landesangelegenheiten beauftragt werden. Wir werden uns mit aller Kraft den Einheits- und Freiheitsbestrebungen Deutschlands anschliessen. Wir fordern alle wohlgesinnten Einwohner des Landes auf, sich mit uns zu vereinigen. Lasst uns durch Festigkeit und Ordnung dem deutschen Vaterland ein wrdiges Zeugnis des patriotischen Geistes geben, der die Einwohner Schleswig-Holsteins erfllt. Der abwesende Advokat Bremer wird aufgefordert werden, der provisorischen Regierung beizutreten. Kiel, den 24. Mrz 1848.

Die provisorische Regierung Beseler; Friedrich, Prinz zu Schleswig Holstein; F. Reventlou; M.T. Schmidt.“76

75 Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 253 f.; Lotte Hegewisch, Erinnerungen frherer Stunden fr Letzte Stunden, berichtet S. 138 zum 24. Mrz 1848 in Kiel: „Zum ersten Mal wehte die Deutsche Fahne, ein kleiner Lappen, vom Nicolai-Kirchthurm“. Ein solches politisches Bekenntnis war nur denkbar unter Zustimmung des Nikolai-Pastors und Kieler Propsten Claus Harms. 76 LAS Abt 22 III EE Nr. 1 – 4, hs.

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Der Text der Proklamation ist nicht aus einem Guß. So stammt der „legitimistische Entwurf mit der These vom unfreien Herzog77, in dessen Namen man das Land regieren wolle, […] aus Reventlous Feder. Zeile fr Zeile, gelegentlich Wort fr Wort, zeigt der Entwurf, wie beide Grundpositionen, Revolution und Legitimitt, miteinander rangen. Der revolutionre Satz, man wolle sich mit aller Kraft den Einheits- und Freiheitsbestrebungen Deutschlands anschließen, wurde auf Wunsch Johann Gustav Droysens78 in die Proklamation aufgenommen.“79

Aus diesem Ringen zwischen legitimer und illegitimer Revolution blieb der von Graf Reventlou eingebrachte legitimistische Entwurf wirkungsgeschichtlich ber die gesamte Zeit der Erhebung hinweg entscheidend. Anders als Theodor Olshausen, Hans Reimer Claussen, Jacob Guido Theodor Glich, Johannes Hesdorf Theodor Glich und Theodor Mommsen, deren politische Auffassungen erkennbar auf dem Gedanken der Volkssouvernitt aufbauten, verortete sich ein Großteil80 der an der 77 Im Hintergrund dieser Auffassung stehen Ereignisse aus der Zeitspanne zwischen dem 28. Januar und dem 21. Mrz, in deren Folge Friedrich VII. seine politischen Ziele grundlegend revidierte und eine neue konstitutionelle Regierung ernannte. Die politische Fhrung der Herzogtmer rekurrierte in ihrer Anrufung des „Landesherrn“ whrend der Erhebung stets auf diesen als unfreiwillig dargestellten Gesinnungswandel Friedrichs VII. Insofern hatte die politische Schwche des Kçnigs, die sich in seiner Aufgabe des Absolutismus dokumentierte, weitreichende Folgen. Der Linksliberale Otto Fock wertete die Vorstellung vom „unfreien Herzog“, der nach dem Verstndnis der konservativeren schleswig-holsteinischen Politiker in seiner Funktion als Herzog eben jene Landesrechte zu schtzen htte, die der nunmehrige konstitutionelle Kçnig aus ihrer Sicht bedrohte, als eine „Fiktion“, vgl. dens., Schleswig-Holsteinische Erinnerungen, besonders aus den Jahren 1848 – 1851, S. 29. 35. Zur vergleichbaren Sicht dieser Auffassung in der dnischen Geschichtswissenschaft vgl. Knud Fabricius, Den ufri Konge – Et tilbagevendende Revolutionsmotiv, Tilskueren LII, København 1935, passim; Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 105 f.; Claus Bjørn, 1848: Borgerkrig og Revolution, 2. Udgave. 1. Oplag, København 1999, S. 40 – 51; Johannes Nielsen, Die schleswig-holsteinische Erhebung 1848 – 1850, Hadersleben 1993, S. 4 f. Vgl. zum Kontext a. Hermann Hagenah, Revolution und Legitimitt in der Geschichte der Erhebung Schleswig-Holsteins. Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte und zur Politik der Provisorischen Regierung, Kiel 1916, S. 109 f.; Paul von Hedemann-Heespen, Die Herzogtmer SchleswigHolstein und die Neuzeit, S. 654 – 679. 78 Zu Droysen o. S. 542 – 544; diese programmatische ußerung verwob Verfassungs- und nationale Frage. 79 Manfred Jessen-Klingenberg, SHBL 7, S. 192. 80 Nahezu alle Staatsbeamten und Stdte erkannten die provisorische Regierung an; hierzu Hans Schultz Hansen, Demokratie oder Nationalismus – Politische Ge-

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Erhebung teilnehmenden Schleswig-Holsteiner auf dem Boden berlieferten Rechtes und intendierte damit die grundstzliche Legitimierung des eigenen politischen Handelns81: Drei Jahre lang regierte „man in Schleswig-Holstein […] ohne bzw. gegen den Frsten“82. Die berlieferte Personalunion zwischen den Herzogtmern und Dnemark erfuhr eine berpersçnliche Interpretation: Die Schleswig-Holsteiner sahen vor dem Hintergrund einer absehbar ohne mnnlichen Erben bleibenden Dynastie ihren Landesherrn in einem Herzog, der fr sein dnisches Volk jener Monarch war, der sein berliefertes absolutistisches Gewicht zugunsten eines konstitutionellen Kçnigtums aufgegeben und damit verbunden die zuvor noch unmittelbar als absolutistischer Herrscher den Herzogtmern gegebenen Zusagen gebrochen hatte. Die dem Landesherrn deswegen unterstellte Unfreiheit interpretierte den kçniglichen Herzog als gezwungenermaßen verrterisch agierendes Opfer seines konstitutionell orientierten Mrzministeriums, das sich nur mittels der Gewalt von der Straße habe etablieren kçnnen. Offizielle Verlautbarungen der Kçniglich Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Kanzelei dementierten frhzeitig jede Rechtmßigkeit eines stellvertretenden politischen Handelns fr „Seine Kçnigliche Majestt“83 und ignorierten so von vornherein in durchaus fragwrdiger Weise die Differenzierung zwischen dem Kçnig und dem Herzog bezglich Schleswigs und Holsteins, deren Landesherr auch als Kçnig von Dnemark stets Herzog geblieben war. Das Kopenhagener Ministerium bezeichnete die Protagonisten der Erhebung bereits im Mrz 1848 als „aufrhrerische Unterthanen“, die „fr alle von ihnen ausgehenden aufrhrerischen Handlungen und Bestrebungen zur Verantwortung gezogen“ wrden84. Ein gesondert an die holsteinische Bevçlkerung gerichteter Aufruf des „tief betrbten Herzogs“85 rief beschwçrend die

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schichte Schleswig-Holsteins 1830 – 1918, in: Geschichte Schleswig-Holsteins. Von den Anfngen bis zur Gegenwart, hg. von Ulrich Lange, S. 427 – 485, hier S. 442. Hierzu Alexa Geisthçvel, Eigentmlichkeit und Macht. Deutscher Nationalismus 1830 – 1851: Der Fall Schleswig-Holstein, S. 73 – 77. Dies., ebd., S. 73. Vgl. etwa das von Graf Knuth unterzeichnete „Circulair an smmtliche Behçrden in den Herzogthmern Schleswig und Holstein“ vom 29sten Mrz 1848, LAS Abt 22 III EE Nr. 1.8. Ebd. Friedrich VII., „Holsteiner!“, plakatierter Aufruf, LAS Abt 22 III EE Nr. 1.10; durchgngig findet sich hier die Kleinschreibung der dem Landesherrn zugeordneten Possessivpronomina entgegen der im Absolutismus diesbezglich gebrauchten Großschreibung unter Aufgabe des tradierten pluralis majestatis. Ferner

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Erinnerung an die berlieferte „Holstentreue“ wach, die von „Verfhrern“ getuscht worden sei: „Nur indem sie meine Freiheit lugneten, haben sie Euch bewogen, ihnen zu folgen“86. Gleichzeitig bot Friedrich VII., darin eiderdnischen Prmissen folgend, den Holsteinern unter Auslassung Schleswigs individuelle „Selbstndigkeit als eigener Staat“ sowie „krftiges Mitwirken zur volksthmlichen Entwickelung von Deutschlands Einheit“; dieses Angebot ging einher mit der Drohung: „Bald werde ich an den Grnzen des Kçnigreichs stehen“. Diese unmißverstndliche militrische Ankndigung verband sich mit der Aufforderung, dem Landesherrn unmittelbar „eine Bothschaft des Friedens und der Unterwerfung“ zu senden87. Die mit der These vom unfreien Landesherrn begrndete Legitimierung der Erhebung traf somit von Anfang an auf allerhçchsten Widerspruch Friedrichs VII. und seiner Administration. Nicht zuletzt deswegen brandmarkten die Gegner der Erhebung diese als Aufruhr und Revolution; immer wieder wurde auf ihrer Seite die in den Herzogtmern vorgenommene landesherrliche Differenzierung zwischen Herzog und Kçnig als artifiziell und mutwillig zurckgewiesen, gelegentlich auch verhçhnt88. Die Verwendung des spezifischen landesherrlichen Titels wurde im alltglichen Sprachgebrauch zum entscheidenden politischen Bekenntnis. Dabei zahlten jene, die ihre Teilnahme an der Erhebung mit der Unfreiheit des kçniglichen Herzoges in Kopenhagen legitimiert sehen wollten, den im allgemeinen Zeitgeist des Kontinents soeben außer Kraft gesetzten Preis einer impliziten Absolutismusverbundenheit; denn wer auch immer die Unfreiheit Friedrichs VII. im erzwungenen Bruch seiner im Januar 1848 motiviert die Bercksichtigung der Eidergrenze die dnische Seite zur Verwendung des Herzogstitels in Bezug auf Holstein; ansonsten zeigen die regierungsseitigen Aufrufe und Erlasse aus dem Mrz 1848 gerade jene Vermeidung des Herzogszugunsten des Kçnigstitels, die die Intention einer schrittweise vorbereiteten Inkorporation Schleswigs in das dnische Kçnigreich erkennen lßt. 86 A.a.O. (Anm. 85). 87 Ebd. 88 Vgl. die von einem anonymen Verfasser publizierte „Darstellung derjenigen Charaktere, welche in der Stadt Flensburg an unserer so ganz ohne Veranlassung hervorgerufenen Revolution ttigen Antheil genommen haben, veranlaßt durch das Gercht: es sei bereits eine Proclamation fertig, worin Seiner Majestt der Kçnig eine allgemeine Amnestie verspricht, und nur 22 der rgsten Verrther ausschließt“, Flensburg 1850; hier S. 14: Dem „Willkhrregiment“ der provisorischen Regierung und der Statthalterschaft ergeben, htten „charakterlose“ Flensburger Beamte ja von jeher niemand anderem als eben „nur ihrem Herzog“ gedient.

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den Herzogtmern gegebenen Zusagen begrndet sehen wollte, griff damit auf einen Zeitpunkt unmittelbar nach dem Tod Christians VIII. zurck – mithin auf einen Zeitpunkt am Vorabend der sich in Kopenhagen machtvoll in Szene setzenden Volkssouvernitt und damit auf einen Zeitpunkt im unmittelbaren Vorfeld der hier mittlerweile legitimierten konstitutionellen Monarchie. Faktisch griff die Behauptung einer Gesetzmßigkeit der Erhebung auf die Vorstellung eines nicht an den Volkswillen gebundenen absolutistisch regierenden Herzogs zurck; mit dieser Auffassung verband sich das Postulat einer Aushebelung der Rechte dieses herzoglichen Landesherrn durch das dnische Mrzministerium und dessen eiderdnisches Konzept. Aus dieser historischen Interpretation der Person des Regenten leiteten die Protagonisten der Erhebung ihre Verpflichtung ab, nunmehr fr die „gekrnkten Landesrechte“ einzutreten, die von Christian I. her auf dem „ob ewig ungedeelt“ Schleswigs und Holsteins basierten89. Damit amalgamisierten sich in der Erhebung der Herzogtmer konservativer Absolutismus und das sich zur Darstellung bringende historische Recht; der motivierende Kontext der sich in dieser Weise legitimierenden Erhebung wurzelte ideell also in der geschichtlichen berlieferung. Die auf solche Weise geistig in die Vergangenheit orientierte Erhebung unterschied sich daher grundlegend von den auf dem Gedanken der Volkssouvernitt aufbauenden progressiven Revolutionen in Paris und Kopenhagen. Erst sekundr spielte der Volkswille auch in der ideologischen Unterftterung der Erhebung seine Rolle: In der Ausformulierung der Absicht, Schleswig-Holstein von Dnemark zu lçsen und dem Deutschen Bund anzuschließen. Aus der Erhebung ging ein drei Jahre andauernder Krieg90 hervor, der mit einem prventiven Coup schleswig-holsteinischer 89 In diesem die berlieferte Rechtslage fokussierenden Schlagwort des schleswigholsteinischen Verfassungskampfes zeigt sich whrend der Erhebungszeit die wirkungsgeschichtliche Effizienz des langjhrigen Kieler Hochschullehrers Friedrich Christoph Dahlmann; vgl. zu diesem und der von ihm dem historischen Recht zugemessenen Bedeutung o. S. 409 – 418. Zum Kontext a. Alexa Geisthçvel, Eigentmlichkeit und Macht. Deutscher Nationalismus 1830 – 1851: Der Fall Schleswig-Holstein, S. 75: „Durch den Kunstgriff, den national-dnisch agierenden Kçnig zum Gefangenen der Kopenhagener Revolution zu erklren, blieb seine legitime frstliche Herrschaft intakt“. 90 Im Herzogtum Lauenburg setzte noch Ende Mrz 1848 eine intensive Auseinandersetzung ber das Vorgehen der Schleswig-Holsteiner ein. Faktisch erklrte das Ratzeburger Landratskollegium am 26. Mrz Lauenburg fr neutral bei gleichzeitigem Bekenntnis zum gesamtdeutschen Reformwillen; in der Folge schieden die lauenburgischen Streitkrfte aus dem Kampf gegen Dnemark aus. Hierzu Detlev von Liliencron, Up ewig ungedeelt. Die Erhebung Schleswig-Holsteins im

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Soldaten, Milizen und Turner auf die Festung in Rendsburg seinen Anfang nahm. Vorerst konnte dabei noch jedes Blutvergießen vermieden werden91. Auf dnischer Seite waren die Mobilisierungsbefehle noch von der „alten Regierung“ erlassen worden92. Die Intention, dem militrischen Gegner Jahre 1848, S. 96 f.; Gerd Stolz, Die schleswig-holsteinische Erhebung. Die nationale Auseinandersetzung in und um Schleswig-Holstein von 1848/51, S. 49. Zum unter Einschluß von Waffenstillstandsphasen drei Jahre whrenden Krieg infolge der Erhebung der Herzogtmer vgl. als Quellenmaterial: Ewald Christian Victorin Dietrich, Blicke auf Schleswig-Holstein und den dortigen Kriegsschauplatz, Dresden 1848; anonymer Verfasser, Aufruf aus Schleswigholstein an unsre Deutschen Brder aller Stmme und zunchst an die Bewohner Hannovers, Braunschweigs und Mecklenburgs, Hamburg 1848; anonym publiziert [Wilhelm Roller], Der Freischaaren-Feldzug in Schleswig-Holstein und Jtland, von einem Freiwilligen des von der Tann’schen Corps, Frankfurt am Main 1848; Anonymer Verfasser, Nachrichten vom Kriegsschauplatz in Schleswig-Holstein, Braunschweig 1848; anonymer Verfasser, Der Krieg in Schleswig-Holstein, nebst einer kurzen historischen bersicht der Ursachen, welche diesen Krieg veranlaßt haben. Mit dem Liede „Schleswig-Holstein stammverwandt“, Halle 1848; anonymer Verfasser, Neueste Nachrichten aus Schleswig-Holstein. Die Preußen ob Jtland vor der Kçnigs-Au, Berlin 1848; anonymer Verfasser, Warum zieht das Deutsche Volk in offnen Kampf gegen Dnemark? Wie kommt es, daß Schleswig-Holstein und Dnemark denselben Landesherrn haben? Das Herzogthum Holstein gehçrt seit den ltesten Zeiten zu Deutschland, Flugblatt, St. Pauli, den 24. 03. 1848; anonymer Verfasser, Kriegsereignisse von Schleswig-Holstein. Der Untergang Christians VIII. im Eckernfçrder Hafen sowie die Erstrmung der Dppeler Schanzen, ersterer am 5., letzterer am 13. April 1849, Mgeln 1849; Christian August, Herzog zu Schleswig-Holstein-Sonderburg, Wer ist schuld am Kriege zwischen Dnemark und Deutschland?, Hamburg 1849. – Cf. ferner Holger Hjelholt, Sønderjylland under Tre rskrigen. Et bidrag til des politiske Historie. Del 1: Fra revolutionens utbrud til v benstilstandens ophør for ret 1849. København 1959; Del 2: Fra for ret 1849 tilfreden med Preussen Juli 1850, København 1961; W.[illiam] Carr, Schleswig-Holstein 1815 – 48. A Study in National Conflict, London 1963, S. 265 – 300; Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 106 – 122; Gerd Stolz, Die schleswig-holsteinische Erhebung, S. 38 – 191; Manfred Jessen-Klingenberg, Die schleswig-holsteinische Erhebung – nationaler Konflikt und liberal-demokratische Reformen, in: Grenzfriedenshefte 1 / 1998, S. 5 – 20; Nikolaus Buschmann, Einkreisung und Waffenbruderschaft: Die çffentliche Deutung von Krieg und Nation in Deutschland 1850 – 1871, Gçttingen 2003, S. 241 – 250; Nick Svendsen, The first Schleswig-Holstein War 1848 – 50, Solihull (West Midlands) 2008, passim. 91 Cf. Stolz, a.a.O., S. 49 – 51; Edward Hoop, Der 24. Mrz 1848 – Erhebung, Aufstand oder Revolution?, in: Rendsburger Jahrbuch 48 / 1998, S. 7 – 13; Claus Bjørn, 1848: Borgerkrig og Revolution, S. 94 – 99. 92 Hierzu Detlev von Liliencron, Up ewig ungedeelt. Die Erhebung SchleswigHolsteins im Jahre 1848, S. 77 – 111; Gerd Vaagt, Die Jahre der nationalen

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durch einen rasch nach Norden fhrenden prventiven Feldzug mit jedoch unzureichend ausgebildeten und ausgestatteten Streitkrften zuvorzukommen, fhrt am 9. April 1848 zu einem ersten großen Gefecht bei der Ortschaft Bau in der Nhe Flensburgs93, in dem die Schleswig-Holsteiner unter großen Verlusten unterliegen. Fnf Tage zuvor haben die in Frankfurt tagenden vorparlamentarischen Gremien94 die provisorische Regierung der Herzogtmer als rechtmßig anerkannt; bereits Ende Mrz entsendet das Kçnigreich Preußen unter der Begrndung, deutsches Bundesgebiet zu sichern, erste Truppen in die Herzogtmer95. Nachdem dnische Truppen die Stadt Schleswig besetzt haben, werden die in der Region ttigen Beamten, insbesondere die Geistlichen von dnischer Seite mit Hilfe eines sieben Fragen umfassenden Kataloges auf ihre Haltung gegenber der provisorischen Regierung und die Wahrnehmung ihrer „Unterthanenpflicht“ angesichts des von ihnen „geleisteten Amtseides“ befragt96. In der Folge ereignen sich zahlreiche Festnahmen schleswigholsteinisch Gesinnter; auch der direkt am Ufer der Schlei amtierende Haddebyer Pastor Volquard Georg Friedrich Haack97 wird von dnischen Soldaten verhaftet98. Durch das Vordringen preußischer Truppen kommt

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Auseinandersetzung, in: Flensburg. Geschichte einer Grenzstadt, hg. von der Gesellschaft fr Flensburger Stadtgeschichte, S. 301 – 346, hier S. 305 f.; Claus Bjørn, a.a.O., S. 121 – 123. Dnischer Ortsname ist Bov; zum Gefecht Roar Skovmand, a.a.O., S. 107. Gerd Stolz, a.a.O., S. 66; zu den Anfngen des Frankfurter Parlamentes Veit Valentin, Geschichte der deutschen Revolution von 1848 – 49, Erster Band, S. 1 – 41. Stolz, ebd. J.H. Weiland, Die Geistlichkeit Schleswig-Holsteins whrend der Erhebung, in: Beitrge und Mitteilungen des Vereins fr schleswig-holsteinische Kirchengeschichte, II. Reihe. 3. Heft, Kiel 1898, S. 1 – 94, hier: S. 22; zum Kontext ebd. S. 22 – 24. Zu diesem Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten I, S. 304. 1808 in Heide geboren, studierte Haack seit 1829 in Kiel, wurde 1838 Diakon in Garding und 1842 Pastor in Haddeby. 1849 von der im Namen des dnischen Kçnigs regierenden Landesverwaltung seines Amtes enthoben, wirkte er bis 1853 als Pastor in Zarpen, wechselte nach seiner dort erneut von dnischer Seite betriebenen Entlassung bis 1854 ins schsische Neuhaldensleben; nach Neustadt-Magdeburg berufen, zog es ihn nach fnf Jahren nach Zinna an der Elbe, wo er 1864 verstarb. Haacks unstete Biographie zeigt den Preis, der Geistlichen auferlegt sein konnte, die in der Erhebung einen rechtmßigen Vorgang sahen. Hierzu Nicolai Johannes Ernst Nielsen, Lebensbeschreibung, in: Martin Herrmann, Hg., unter Mitarb. von Gerhard Kraack, Andenken an Schleswig-Holstein. Nicolai Johannes Ernst Nielsen. Carl Grf: Zwei Lebenserinnerungen aus der Zeit der Erhebung, Flensburg 1994, S. 11 – 97, hier: S. 52. Nielsen fhrt keinen Grund

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es am 23. April zur „Osterschlacht“ bei Schleswig, deren 111 Opfer vom Friedrichsberger Propsten Nicolai Johannes Ernst Nielsen unter Beteiligung eines namentlich ungenannten katholischen Militrgeistlichen sowie des evangelischen Feldpredigers Strauß99 bestattet werden100. Sowohl auf dem administrativen als auch auf ihrem seelsorgerlichen Handlungsfeld101 tritt die Frage nach der rechtmßigen Staatsgewalt unter diesen Ereignissen frh an die Geistlichen insbesondere des Herzogtums Schleswig heran102 ; nur wenige unter ihnen verwerfen den ansonsten allgemein handlungsleitenden Aspekt der landesherrlichen Unfreiheit und erkennen die provisorische Regierung nicht als interimistische Regierung an. Im Herzogtum

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fr die rasche Verhaftung Pastor Haacks an, ußert sich jedoch ausfhrlich ber seinen sofort unternommenen Versuch, gemeinsam mit dem Rendsburger Generalsuperintendenten die Freilassung des Amtsbruders zu erwirken. – Auf der anderen Seite zwar nicht verhaftet, wohl aber mehrfach heftig bedrngt, an seinem Pfarrhaus die schleswig-holsteinische Trikolore zu hissen, wurde der Flensburger Geistliche Christoph Carl Julius Asschenfeldt, der seit 1829 als Pastor an St. Nikolai ttig war. Er blieb trotz seiner Weigerung im Amt; auf Grund seiner Loyalitt setzte ihn die dnische Regierung im April 1850 als Flensburger Propsten und Superintendenten fr den deutschsprachigen Teil Schleswigs ein; hierzu Gerd Vaagt, a.a.O. (Anm. 92), S. 304 f.; Nielsen, Lebensbeschreibung, S. 66. Dieser war Militrgeistlicher des preußischen Heeres; cf. Friedrich Adolph Strauß, Predigt nach dem Kampfe bei Dppel vor dem Ersten Bataillon Kçnigl. Zwçlften Infanterie-Regiments in der Kirche bei Tapfuhr am 28. Juli 1848, 2. Aufl. Berlin 1848. Nielsens Ansprache erscheint umgehend als „Rede am Grabe von neun Officieren und einhundert und zwei andern Kriegern, die am ersten Ostertage, den 23sten April 1848 bei Schleswig gefallen waren, und am 25sten April auf dem Friedrichsberger Kirchhofe bestattet wurden“, Schleswig 1848. Nicolai Johannes Ernst Nielsen, Lebensbeschreibung, schildert S. 50 den Fall seelsorgerlicher Beratung eines Rittmeisters, der seine sich fr die „deutsche Seite“ entscheidende Escadron als gebrtiger Dne verlassen hatte, diese Haltung jedoch noch mit seinem Pastor zu besprechen wnschte. In diesen Kontext gehçrt auch Nielsens im Sommer 1848 vorgelegte Verçffentlichung „Den Schleswig-Holsteinischen Kriegern, die frher Mitglieder der Friedrichsberger Gemeinde in Schleswig waren“, in der die Eidesbindung der Soldaten an den dnischen Kçnig theologisch aufgearbeitet und auf die Ebene freier persçnlicher Gewissensentscheidung gehoben wird, in: Ders., Materialien zu einer Appellation fr SchleswigHolstein und dessen Geistlichkeit; unter Mittheilung von Acten an alle, in Dnnemark nicht weniger als in Deutschland, die Gott frchten und Recht thun, Schleswig 1849, S. 29 – 33. Mit diesem Titel offeriert Nielsen klar den nationenbergreifenden Aspekt der im Christentum global zutage tretenden Gottesforderung. Hierzu K.[arl] Jansen, Die Haltung der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit in der schleswig-holsteinischen Erhebung, Kiel 1891, S. 13.

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Schleswig sind dies unter den aktuell 419 Pfarrstelleninhabern nicht mehr als 10 Geistliche103, mithin 2 12 % der hier amtierenden Pastoren. Der fr die vereinigten Preußen und Schleswig-Holsteiner siegreiche Ausgang der Schleswiger Osterschlacht104 lßt die Allierten bis Anfang Mai bis zur Kçnigsau vorstoßen. Nachdem der Deutsche Bundestag in Frankfurt am 12. Mai 1848 den Beschluß zur Gewhrung militrischer Hilfe105 gefaßt hat, schließen sich auch Streitkrfte aus weiteren deutschen Staaten den Schleswig-Holsteinern an106. Einer ersten mit dem Gefecht bei Bau endenden Phase des Krieges, in der die Herzogtmer allein auf sich gestellt waren, schließt sich nach dem 9. April 1848 also jene zweite Phase an, in der die Bundestruppen ihnen zur Seite stehen. Mit Fortschreiten dieser zweiten Phase befindet sich das gesamte Herzogtum Schleswig in der Hand jener Streitkrfte, die der provisorischen Regierung zuarbeiten. Gleichzeitig sieht sich Preußen jedoch starkem internationalem Druck ausgesetzt: Hatten bereits die dnischen Seestreitkrfte den seewegabhngigen Teil des preußischen Außenhandels zum Erliegen gebracht, droht nun auch Rußland mit einem Abbruch der gegenseitigen Beziehungen. Wie das zunchst behutsamer agierende Kçnigreich Großbritannien wnscht auch das Zarenreich 103 Nach J.H. Weiland, Die Geistlichkeit Schleswig-Holsteins whrend der Erhebung, S. 19, waren dies die Pastoren Thieß in Tolk und Nbel – zu diesem o. S. 487 – 491 –, [Peter] Otzen in Olderup sowie Geistliche mit dnischer Herkunft: die Pastoren [Hermann Peter Johannes] Høcker in Løgumkloster, Boisen in Wonsbeck, [Hans Vilhelm] Hertel in Moltrup, [Jep] Hansen in Jordkirch, [Peter] Jrgensen in Oxenwatt, [Nicolaj Laurentius] Feilberg in Ulderup [Ullerup], [Kristen] Karstensen in Dybbøl und [Jørgen] Steffensen [Stephensen] in Broager. Diese zum dnischen Standpunkt haltenden Geistlichen wurden durch die provisorische Regierung sofort ihres Amtes enthoben, seitens der ab 1849 installierten Landesverwaltung z. T. jedoch erneut in ihre alte Pfarrstelle eingesetzt bzw. anderweitig rehabilitiert. Daß es auch prodnische Geistliche gab, die zunchst Stillschweigen bewahrten und ihrer Pfarrstelle nicht unmittelbar verlustig gingen, zeigt das Beispiel des Pastors Peter Martens, vgl. o. S. 584 f. Anm. 438. 104 Hierzu Gerd Stolz, Die schleswig-holsteinische Erhebung. Die nationale Auseinandersetzung in und um Schleswig-Holstein von 1848/51, S. 74 – 79; Claus Bjørn, 1848: Borgerkrig og Revolution, S. 123 – 134. 105 Hierzu Dt. Bundestag, Hg., Fragen an die deutsche Geschichte: Ideen, Krfte, Entscheidungen von 1800 bis zur Gegenwart, 14. Aufl. Bonn 1988, S. 132 f. 106 Außer Preußen stellen Ende Juli / Anfang August 1848 zwçlf weitere deutsche Staaten Truppen gegen das dnische Heer: Hannover, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, die Hansestdte Bremen, Hamburg und Lbeck, Nassau, Sachsen-Weimar, die Stadt Frankfurt am Main, Baden, Wrttemberg sowie das Großherzogtum Hessen. Etwas mehr als ein Drittel der den Schleswig-Holsteinern zu Hilfe eilenden 40 Bataillone kam aus Preußen; hierzu Stolz, a.a.O., S. 83.

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keine preußische Kontrolle der Ostseezugnge107. Am 26. August 1848 kommt es in Malmç ohne Heranziehung der provisorischen Regierung unter schwedischer Vermittlung zu einem auf sieben Monate befristeten Waffenstillstandsabkommen108 ; die Zentralgewalt der Paulskirche hat zuvor Preußen mit der Wahrnehmung der gesamtdeutschen Interessen beauftragt. Das Malmçer Abkommen vereinbart die sofortige Ablçsung der provisorischen Regierung und ihren Ersatz durch eine von Dnemark und Preußen zu bestimmende „Gemeinsame Regierung“, den Rckzug sowohl der dnischen als auch der Bundestruppen aus den Herzogtmern bis auf 2000 auf Alsen verbleibende dnische und 2000 in Altona stationierte Soldaten der Bundestruppen sowie die unmittelbare Beendigung der Blockade preußischer Hfen durch die dnische Marine. Die zwischenzeitlich neu gewhlte vereinigte Stndeversammlung der Herzogtmer und nunmehrige Landesversammlung109 wird von Theodor Olshausen energisch zu scharfem Protest gegen den Waffenstillstand aufgefordert; dagegen interveniert das Frankfurter Reichsministerium durch seinerseitigen Einspruch, den Max von Gagern110 persçnlich berbringt. Als Konsequenz seiner Abstimmungsniederlage in der Landesversammlung – mit ihm stimmt lediglich Martin Thorsen Schmidt fr einen Protest gegen das Malmçer Abkommen – tritt Theodor Olshausen aus der provisorischen Regierung aus111. Wenige Wo107 Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 257; Stolz, Die schleswig-holsteinische Erhebung. Die nationale Auseinandersetzung in und um SchleswigHolstein von 1848/51, S. 82.88. 108 Hierzu und zum Folgenden Volker Weimar, Der Malmçer Waffenstillstand von 1848, Neumnster 1959; Stolz, a.a.O., S. 88 f. 109 Vgl. zu dieser mit Beginn der Erhebung nicht mehr beratenden, sondern beschließenden Versammlung, die die provisorische Regierung legitimert hatte: Ernst-Erich Marhencke, Hans-Reimer Claussen (1804 – 1894), S. 153 – 165; Ulrich Lange, Landtage in Schleswig-Holstein – ein Beitrag zu Formen politischer Reprsentation in Mittelalter und Neuzeit, S. 31 – 38; Heiko Vosgerau, Die parlamentarischen Auseinandersetzungen um innere Reformen whrend der schleswig-holsteinischen Erhebung, in: ZSHG 123 / 1998, S. 91 – 114, hier S. 95 – 98. 110 Zu diesem nassauschen Politiker und Diplomaten, einem jngeren Bruder des Parlamentsprsidenten Heinrich von Gagern: Gustav von Pacher, ADB 55, S. 479 – 483. 111 Hierzu L.[udolf ] C.[onrad] H.[annibal] Bargum, Schr. des Prsidenten der Landesversammlung v. 21. August 1848 an Theodor Olshausen betr. dessen Gesuch um Entlassung aus der provisorischen Regierung v. 18. d. M., LAS Abt 22 III EE Nr. 1; cf. Theodor Olshausens an den Bruder Justus gerichteten Brief v. 4. September 1848 aus Frankfurt, in dem sich seine Enttuschung ber den Waffenstillstand spiegelt, ders., Brief an Justus Olshausen v. 4. September 1848, in: Theodor Olshausen 1802 – 1869. Briefe an den Bruder Justus, hg. von Ingo

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chen spter konstituiert sich am 22. Oktober 1848 die fr die Restdauer des Waffenstillstands vereinbarte „Gemeinsame Regierung“ fr die Herzogtmer112. Mit Ablauf des Waffenstillstands setzt die Frankfurter „Centralgewalt Deutschlands“ am 26. Mrz 1849 die sog. „Statthalterschaft“ als Regierungsgewalt ein; als diese fungieren Friedrich Graf von Reventlou und Wilhelm Hartwig Beseler113. Fr die sich auf die Legitimitt der Erhebung berufenden Verwaltungsbeamten und Geistlichen bildet die Statthalterschaft nach der provisorischen sowie der Gemeinsamen Regierung binnen Jahresfrist die dritte „Obrigkeit“. Militrisch beginnt mit dem Auslaufen des Malmçer Waffenstillstandes die dritte Phase des Dreijahreskrieges: Erneut rckt die schleswig-holsteinische Armee nach Norden vor, erneut folgen ihr die von den Frankfurter Parlamentarieren entsandten Bundeskontingente, deren preußischer Befehlshaber fortan den Gratwandel zwischen den auf Grund differierender Intentionen zunehmend auseinanderdriftenden Weisungen aus Berlin und Frankfurt absolvieren muß114. Am 23. April 1849 nimmt das schleswig-holsteinische Heer Kolding ein115 ; die der Erhebung und mit ihr der Statthalterschaft zuneigenden Geistlichen Nordschleswigs entgehen damit vorbergehend jenem Druck, dem sie zuvor seitens der Gemeinsamen Regierung ausgesetzt waren. Doch dem erfolgreichen Ausfall der Dnen aus der Festung Fridericia am 6. Juli folgt mit dem 10. Juli 1849 ein durch den Druck der Großmchte Rußland und Großbritannien erzwungener erneuter Waffenstillstand, dieses Mal vereinbart in Berlin zwischen Dnemark auf der einen sowie Preußen und dem Deutschen Bund auf

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Reppmann und Joachim Reppmann, S. 134 – 138; Janine Baumgart-Horn, Theodor Olshausen – Eine politische Biographie, sieht S. 60 – 63 Olshausens Rcktritt als Protest gegen die seitens der Landesversammlung unzureichend realisierte Volkssouvernitt. KCB 110/1848 S. 449 bringt Olshausens Amtsaufgabe mit seiner Daseinshaltung „frangor non flector“ in Verbindung; zu diesem Motto des 1794 verstorbenen prorevolutionren Literaten Woldemar Friedrich von Schmettow o. S. 209 Anm. 325. Dieser gehçrten insgesamt fnf „Notabeln“ an, von denen der dnische Kçnig zwei fr Schleswig, Preußen wiederum zwei fr Holstein berief; als Prsident wurde von beiden Mchten gemeinsam Graf Carl Moltke-Ntschau gewhlt, der fr die Anhnger der Erhebung lngst zur ausgewiesenen persona non grata geworden war, vgl. Volker Weimar, Der Malmçer Waffenstillstand von 1848, S. 77 f. Hierzu Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 258; Gerd Stolz, Die schleswig-holsteinische Erhebung. Die nationale Auseinandersetzung in und um Schleswig-Holstein von 1848/51, S. 115 f. Hierzu Gerd Stolz, a.a.O., S. 116 – 121. Cf. Stolz, a.a.O., S. 126 – 130.

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der anderen Seite116. Seinen Bestimmungen zufolge wird das Herzogtum Schleswig geteilt: Sein nçrdlicher Teil wird von schwedischen Truppen besetzt, die sdliche Hlfte hingegen unter eine in Flensburg installierte dnisch-preußische „Landesverwaltung“ gestellt. Fr Holstein bleibt vorerst die Statthalterschaft im Amt. Die Bundestruppen ziehen sich in der Folge aus Schleswig-Holstein zurck, dessen Heer nach Sden zur Eider zurckweicht, die Statthalterschaft verlegt ihren Sitz von Schleswig nach Kiel117. Damit unterliegen smtliche der Erhebung zuneigenden Beamten und Geistlichen des Herzogtums Schleswig der in Flensburg ansssigen dnisch-preußischenglischen118 Landesverwaltung, nominell und nunmehr faktisch der vierten Staatsgewalt seit Beginn der Erhebung. Dem Berliner Waffenstillstand folgt am 2. Juli 1850 der separate Friedensschluß zwischen Dnemark und Preußen sowie dem Deutschen Bund119 ; elf Tage spter zieht das schleswigholsteinische Heer – damit den Beginn der vierten und letzten Phase der Kriegshandlungen markierend – erneut in den Norden, den die neutralen Schweden mittlerweile verlassen haben. Vom 24. auf den 25. Juli kommt es zur großen Feldschlacht zwischen der dnischen und der schleswig-holsteinischen Armee bei Idstedt, die im Zusammenbruch der letzteren endet120. Im weiteren Verlauf des Krieges lçst sich zum 11. Januar 1851 die Landesversammlung auf; zuvor votiert sie mit 47 gegen 28 Stimmen fr die Aufgabe des Krieges und Unterwerfung unter das siegreiche Dnemark121. Die Besetzung çffentlicher Schlsselpositionen im Beamtenapparat wie auch im Pfarrstellenwesen erfhrt anschließend jene Redanisierung, von der im Folgenden hinsichtlich der Geistlichen noch zu reden sein wird. Exponenten der Erhebung – Regierungsmitglieder, die Augustenburger122, aber auch eine 116 Hierzu Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 259; Roar Skovmand, Die Geburt der Demokratie 1830 – 1870, S. 118 – 120; Hans Schultz Hansen, Demokratie oder Nationalismus – Politische Geschichte Schleswig-Holsteins 1830 – 1918, S. 448. 117 Stolz, a.a.O., S. 136 – 139. 118 Brandt, a.a.O. 119 Ebd. 120 Hierzu Roar Skovmand, a.a.O., S. 120 – 122; Stolz, a.a.O., S. 150 – 161. 121 Heiko Vosgerau, Die parlamentarischen Auseinandersetzungen um innere Reformen whrend der schleswig-holsteinischen Erhebung, S. 111; Otto Brandt, a.a.O., S. 261. 122 Die Großmchte schlossen die Augustenburger im Zweiten Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 von der Thronfolge aus zugunsten des Prinzen Christian von Schleswig-Holstein-Glcksburg, des Ehemanns einer Nichte Christians VIII.; dieser folgte Friedrich VII. nach dessen Tod im Jahre 1863 als Christian IX. Hierzu Otto Brandt, a.a.O., S. 261 f.

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enorme Zahl von Geistlichen – mssen die Heimat verlassen. Zusammenfassend lßt sich fr die Erhebung damit bilanzieren: Whrend der Jahre unmittelbar vor Ausbruch der Erhebung gegen Dnemark war es in Holstein und zumindest in Sdschleswig mehrheitlich Konsens geworden, der dnischen Herrschaft zwecks Bewahrung der Unzertrennlichkeit beider Herzogtmer ein Ende setzen zu wollen123. Die Hoffnung auf eine Beendigung der in der Personalunion begrndeten Anbindung an Dnemark konnte sich dabei im Kontext einer am Gottesgnadentum des Monarchen orientierten Vorstellung sehr wohl auf das absehbar gewordene Aussterben des oldenburgischen Kçnigshauses in seinem „Mannesstamm“ richten124. Dabei htte nach dem Ableben Friedrichs VII. als des letzten Herzogs von Schleswig und Holstein aus oldenburgischem Hause unter Abweisung der weiblichen Erbfolge nach berliefertem salischen Recht ein dynastischer Wechsel eintreten mssen125. Die europischen Ereignisse des Jahres 1848 leisteten jedoch auch jenen Krften Vorschub, die unmittelbar den Wechsel vom monarchisch-absolutistischen System hin zur realisierten Demokratie intendierten126. Zunchst waren beide Richtungen in der provisorischen Regierung personaliter dargestellt127; der Austritt Theodor Olshausen aus diesem Gremium indiziert jedoch die Schwierigkeiten, vor die sich konsequente Demokraten nach dem Mrz 1848 in den Herzogtmern gestellt sahen. Scheinbar war der Masse der Bevçlkerung der Gedanke des unfreien Landesherrn eher als jedes bewußt revolutionre Handeln zu vermitteln. Insofern richteten die schleswig-holsteinischen Deutungsaktivisten ihre Perspektive mehrheitlich auf die monarchische Spitze, nicht jedoch auf die kollektive Basis des Volkes. Unter Entrichtung dieses der Historie und dem Erbe des Absolutismus geschuldeten Preises erschien die Erhebung als le123 Vgl. o. S. 530 – 544. 124 S. o. S. 100 f. Anm. 248, S. 534 Anm. 182 und S. 594 f. Anm. 14. 125 Starke Hoffnungen in der Erbfolgefrage hegte der Augustenburger Christian August; hierzu Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, S. 229 und 240. 126 Insofern ging es in der Erhebung stets auch um die Alternative zwischen latentem Absolutismus und realer Volkssouvernitt. Beide Optionen hatten ihre Anhnger, die sich durch die Zielsetzung staatsrechtlicher Einheit der Herzogtmer bei gleichzeitiger Trennung vom Kçnigreich geeint wußten. Zu diesem Konsens [Eugen Graf Reventlow], Einige Worte zur Verstndigung ber den Krieg mit Dnemark, Berlin 1849, S. 15: Wie „Ein Mann“ standen die Schleswig-Holsteiner hinter ihrer provisorischen Regierung. Entsprechendes galt bis 1851 fr jede proschleswig-holsteinische Staatsgewalt. 127 Das Herzogtum Lauenburg hatte sich neutral gestellt, vgl. o. S. 610 f. Anm. 90; zu den kirchlichen Verhltnissen in der Hansestadt Lbeck nach 1848 vgl. WolfDieter Hauschild, Kirchengeschichte Lbecks, S. 412 – 430.

2. Das Verhalten der Geistlichen whrend der Erhebung

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gitime Antwort auf eine Kopenhagener Revolution, die sich ihrerseits durch den Bruch berlieferter schleswig-holsteinischer Landesrechte negativ qualifiziert sah. Verbndete suchten die Erhebungsprotagonisten im Kontext wesentlich dichotomischer Staatsgewalten, nmlich sowohl in der preußischen Monarchie als auch in der aus der Revolution hervorgegangenen deutschen Nationalversammlung. Diese beiden Staatsgewalten gingen nach dem Mrz 1848 durch eine wechselseitige Auseinandersetzung, die sie am Ende der Erhebung nicht nur als wesentlich vernderte, sondern auch als treulose Bndnispartner erscheinen ließ. Durch eine dichotomische Struktur qualifizierte sich in der Sicht der Schleswig-Holsteiner auch ihr „Landesherr“, der als „Kçnig-Herzog“ keine Bereitschaft zeigte, in seinem Auftreten und Handeln bezglich Schleswigs funktional und regional zu differenzieren. Fr seine Herzogtmer hatte Friedrich VII. als Herzog kein Ohr, whrend seine kçniglichen Erlasse und Postulate hier auf jenen Widerstand trafen, der erst nach dreijhrigem Krieg gebrochen werden konnte. Die zu Beginn der Erhebung nicht mehr „als Geschenk vom Himmel“ erwartete Freiheit128 blieb trotz aller Mhen und Opfer der Menschen in den Herzogtmern aus.

2. Das Verhalten der Geistlichen whrend der Erhebung Nahezu ein Viertel aller im Herzogtum Schleswig whrend der Erhebung ttig gewesenen Geistlichen wird im Jahr 1851 des Amtes enthoben129. Dabei begrndet sich jede einzelne Amtsenthebung durch individuelle Gesichtspunkte130 : Nach den im Kirchen- und Schulblatt des entsprechenden Jahrgangs enthaltenen Angaben findet ein Katalog von zehn zur Entlassung 128 Vgl. o. S. 593. 129 Dieser Ansatz ergibt sich in Auswertung des Verzeichnisses, das J.H. Weiland, Die Geistlichkeit Schleswig-Holsteins whrend der Erhebung, S. 90 – 94 nach dem offiziellen Kirchen- und Schulblatt 1851, S. 219, wiedergibt; zugrunde liegt der o. S. 614 genannte Bestand von maximal 419 besetzten Pfarrstellen im Herzogtum Schleswig im Verhltnis zu 99 Amtsenthebungen. In die vakanten Pfarrstellen rckten zu nahezu 75 % in Dnemark geborene und dort ausgebildete Theologen, Weiland, a.a.O., S. 94. 130 Im jeweiligen Entlassungsschreiben wurden den Adressaten keinerlei Angaben gemacht; sie wurden erst im Kirchen- und Schulblatt publiziert. Detailliert ber den Vorgang seiner „Absetzung“ berichtet Gustav Schumacher, Leiden und Erquickungen eines von den Dnen in Gefangenschaft gehaltenen und aus der Heimath vertriebenen Schleswig’schen Geistlichen, Barmen 1861, S. 132 – 138.

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fhrenden Kausalitten Anwendung. Bezogen auf die 99 ihres Amtes enthobenen Pastoren131 ergibt sich dabei folgende prozentuale Verteilung: 1. Anstellung seit dem 24. Mrz 1848, zum berwiegenden Teil durch die provisorische Regierung: 12 %, 2. Weigerung, als kirchlicher Vorgesetzter an Entlassungsakten amtlich mitzuwirken: 4 %, 3. Unterzeichnung einer Erklrung gegen den durch die Landesverwaltung eingesetzten Pastor Boesen und Verweigerung eines Widerrufs in der dnischen Zeitung „Dannevirke“: 10 %, 4. Weigerung, eine spezielle Gehorsamserklrung abzugeben: 7 %, 5. Protest gegen Propst Rehhoffs Entlassung zugunsten der Ernennung Pastor J. Hansens132 : 7 %, 6. Weigerung, den seitens der Landesverwaltung eingesetzten Pastor Aschenfeldt als Flensburger Propsten anzuerkennen: 5 %, 7. Verweigerung von Gesetzes-Publikationen im gottesdienstlichen Kontext: 1 %, 8. Zeitweilige Entfernung von den Gemeinden, um der Verbringung in die dnische Gefangenschaft zu entgehen: 20 %, 9. Weigerung, das von der Landesverwaltung vorgeschriebene Kirchengebet zu halten: 11 %, 10. Denunziationsakte als „gefhrliche Deutschgesinnte“: 5 %. Das restliche knappe Fnftel der Entlassenen wurde ohne weitere qualifizierte Begrndung des jeweiligen Amtes enthoben. Auch unter Bercksichtigung der Mçglichkeit einer Einflußnahme von Willkraspekten ergibt die Statistik das Bild einer kollektiven Abstrafung eines Berufsstandes, der in sich solidarisch seine Opposition gegenber einer zuletzt siegreichen Staatsgewalt artikulierte. Der durch militrische Macht reinstitutionalisierten Obrigkeit erscheinen die 99 im Herzogtum Schleswig entlassenen Geistlichen als Beteiligte einer Revolution, der sich ihre Gemeinden mit jeweils großer Mehrheit im Vorgang der Erhebung angeschlossen hatten133. Im Hintergrund der Entlassungs131 Nach Weiland, a.a.O. S. 94 waren unter den Amtsenthobenen „einige mit 9 und 10 Kindern, ber 70 von ihnen verheiratet“. In jedem Fall zahlten die betreffenden Geistlichen einen hohen existentiellen Preis. 132 Hierzu a. u. S. 651 Anm. 230. 133 Die Massenabsetzung schleswigscher Geistlicher war durchaus mit den rechtlichen Vorgaben der Kirchenordnung vereinbar, nach der die Absetzung der Geistlichen dem Bischof und den Prçpsten und als summus episcopus eben dem Kçnig „reservirt“ war: N.[ikolaus] Falck, Die Gerichtsverfassung der Herzogthmer

2. Das Verhalten der Geistlichen whrend der Erhebung

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welle steht somit auch ein Urteil ber die Solidaritt der Pastoren mit ihren Gemeinden nach dem 24. Mrz 1848. Neben den Vorwurf illegitimer Verbundenheit der Geistlichen mit den „Insurgenten“134 tritt die Beobachtung, daß in nahezu der Hlfte aller Entlassungsvorkommnisse Sachverhalte einer Gehorsamsverweigerung geltend gemacht werden. Dabei hatte die Geistlichkeit beider Herzogtmer vor dem Mrz 1848 in politischer Hinsicht durchaus konservativ agiert; in ihrer Bejahung des gesellschaftlichen und verfassungsmßigen status quo hatte sie sich vielmehr als staatstragend denn als absolutismusfeindlich und progressiv dargestellt135. Die Kieler Mrzgeschehnisse fhrten jedoch zu jener bemerkenswerten Politisierung der Geistlichen136, wie sie sich nicht zuletzt in ihrem starken Kontingent in der Konstituierenden Landesversammlung der Herzogtmer abbildete, in der Pastoren und Kandidaten des Predigtamtes 13,3 % der Abgeordneten stellten, whrend ihr Berufsstand in der Frankfurter Nationalversammlung nur mit 3,9 % vertreten war137.

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Schleswig und Holstein nach ihrer geschichtlichen Bildung und jetzigen Gestalt, in: Ders., Handbuch des Schleswig-Holsteinischen Privatrechts, Dritter Band, Altona 1835, S. 302. Ebd. hebt Falck hervor, daß die entsprechende geistliche Gerichtsbarkeit im Herzogtum Holstein den „Consistorien“ – also staatlicher Administration – anvertraut war. So whrend der Erhebung die dnische Bezeichnung fr die Schleswig-Holsteiner; cf. Gustav Schumacher, Leiden und Erquickungen eines von den Dnen in Gefangenschaft gehaltenen und aus der Heimath vertriebenen Schleswig’schen Geistlichen, S. 55. Zu Beginn der Erhebung hatten sich dort, wo die Geistlichen an der vorgeschriebenen Frbitte fr den Kçnig und der anbefohlenen Publikation kçniglicher Erlasse festhielten, die Kirchen schlagartig geleert; in Altona war es sogar zu Ausschreitungen gekommen. Zur von den Gemeinden whrend der Erhebung ihren Geistlichen abverlangten Solidaritt cf. Schumacher, a.a.O., S. 44 und S. 126; K.[arl] Jansen, Die Haltung der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit in der schleswig-holsteinischen Erhebung, Kiel 1891, S. 13 f. Vgl. o. S. 325 – 327; S. 478 f.; S. 487 – 495 und S. 573 – 592. Exemplarisch der Schleswiger Pastor Michael Baumgarten, der in einer autobiographischen Notiz bekannte, daß er „bis zum Jahre 1848 ungefhr auf dem Standpunkt des wrttembergischen Indifferentismus gegen alles politische Wesen und Treiben stand“, zit. n. J.H. Weiland, Die Geistlichkeit Schleswig-Holsteins whrend der Erhebung, S. 20. So Hans-Georg Skambraks, Die Entstehung des Staatsgrundgesetzes fr die Herzogtmer Schleswig-Holstein vom 15. September 1848. II. Teil, ZSHG 85/86 / 1961, S. 131 – 242, hier S. 166. Auch Hans Beyer, Recht, Volk und Obrigkeit in der schleswig-holsteinischen Erhebung 1848/49, in: Jahrbuch fr die Schleswigsche Geest 5 / 1957, S. 74 – 103, hier S. 79 hebt den besonderen „Einfluß der Geistlichkeit“ in den „damals noch durchaus kirchlichen“ Herzogtmern hervor, in denen „der Bauer von seinen Pastoren in der Konfliktzeit eine Aussage darber

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Wie rasch die schleswig-holsteinischen Pastoren jenseits des 24. Mrz von der Tatsache einer alternativen politischen Obrigkeit eingeholt wurden, zeigt sich in ihrer unmittelbaren Variierung des Kirchengebetes. Der Kirchenordnung zufolge hatte dieses des von Gott eingesetzten Kçnigs und aller Obrigkeit zu gedenken. Doch bereits am 26. Mrz 1848 formuliert der Httener Propst Nicolaus Johannes Ernst Nielsen in Friedrichsberg mit besonderer Differenzierung und aktuell durchaus ergebnisoffenem Duktus „an der Stelle, wo des Landesherrn frbittend zu gedenken war, im Anschluß an das bliche: Segne, die du an die Spitze der Reiche und Lande gestellt hast, und fr die besondere Frbitte zu tun dein Wort uns gebietet […] wir berufen uns auf dich von dem Kçnige, den wir auch hier so nannten in unseren Gebeten und ist unser Landesherr auch noch zur Stunde, dem wir die Eide nicht brechen wollen, die wir ihm geschworen, aber, himmlischer Vater, sie sollen dem Landesvater gesagt haben, daß wir das wollten, segne du ihn […] mit Weisheit, daß er erkenne, wo Wahrheit und wo nicht.“138

Deutlich zeichnet sich in diesen ußerungen ein Reflexionsprozeß in der Benennung des Landesherrn ab, der nicht mehr unvoreingenommen als „Kçnig“ bezeichnet werden kann, whrend er in dieser Frbitte bereits zwei Tage nach dem 24. Mrz als Opfer wahrheitswidriger Einflsterungen dargestellt wird. Ebenso auffallend ist die seit dem Beginn der Erhebung dauerhaft anhaltende Zurckweisung eines Eidbruches gegenber dem Landesherrn139 ; es geht Nielsen dabei erkennbar nicht um Friedrich VII. als erwartete, ob es Recht sei, dem in Kopenhagen angeblich […] bedrngten und unfrei gewordenen Kçnig Widerstand zu leisten“. Die Predigt zur Erçffnung der Landesversammlung als des neuen legislativen Gremiums der Herzogtmer hielt am 15. August 1848 Claus Harms; hierzu u. S. 640 f. 138 [Nicolai Johannes Ernst] Nielsen, Die Gottesdienste in der Friedrichsberger Kirche in Schleswig vom Sonntag Oculi, den 26. Mrz, bis Sonntag Quasimodogeniti, den 30. April 1848, Hamburg 1848, „Am Sonntage Oculi, den 26sten Mrz“, ebd. S. 1 – 12, hier S. 11 f. Nach dem Vorwort S. IV gab Nielsen die Sammlung eilends am 1. Juli 1848 in Druck. 139 Die Abweisung des Eidbruches bleibt signifikantes Merkmal aller Stellungnahmen schleswig-holsteinischer Geistlicher zur Erhebungsfrage; cf. Christian August Hinrich Decker, Die Revolution in Schleswig-Holstein. Eine Zuschrift an alle ernste Christen unter Deutschen und Dnen, die Gottes Wort lieben und hçren, Hamburg 1850, S. 73: „Schleswig-Holstein blieb treu. Seines angestammten Frsten Recht glnzt ungetrbt. Das Dnenvolk ist unser Feind“. Auch der Itzehoer Archidiakon Ernst Friedrich Versmann wendet sich gegen den Vorwurf, „daß unsre Sache Revolution sei. Dem mssen wir mit aller Entschiedenheit widersprechen“, ders., Schleswig-Holstein und seine Verklger, 2. Aufl. Kiel 1850, S. 15. Der 1851 abgesetzte Tçnninger Pastor Gustav Schumacher urteilt rckblickend: „Der Eid […] gilt noch etwas, wenigstens in Schleswig-Holstein! […] Und nun

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Kçnig Dnemarks, sondern als Herzog Schleswigs und Holsteins140. Eine Woche spter bezieht Nielsen eindeutig Stellung und betet fr „unsere dahingezogenen Krieger“141, denn „zweifelsohne“ haben „wir Krieg […] der Unfreiheit wegen“142. Mit dem sdwrts gerichteten Vordringen des dnischen Heeres nach dem Gefecht von Bau nimmt die Zahl der Dnen in den Gottesdiensten des Herzogtums Schleswig zu. Am Tage der Osterschlacht hat die Friedrichsberger Gemeinde soeben den Choral „Mein Jesus sollten die Schleswig-Holsteiner, um dem Inkorporationsgelste des gegen seinen Kçnig in offener Revolution aufgestandenen Dnemark zu gengen, ihren Eid verleugnen und ihre rechtmßigen Landesherren dem Feinde verraten?“, ders., Leiden und Erquickungen eines von den Dnen in Gefangenschaft gehaltenen und aus der Heimath vertriebenen Schleswig’schen Geistlichen, S. 21. Deutlich erscheint die mit nationalem Pathos aufgeladene Eidestreue hier als Erhebungsmotiv, wobei der Plural am Ende des Zitates die Fokussierung auf den aktuell rechtmßig herrschenden nachkommenlosen Herzog Friedrich zugunsten alternativer Sukzessoren durchaus aufhebt. 140 Die von Nielsen unmittelbar nach dem 24. Mrz 1848 verwendeten gottesdienstlichen ußerungen wurden spter zu apologetischen Zwecken publiziert. Mit ihnen steht Nielsen indessen nicht allein; allen Geistlichen der Herzogtmer, insbesondere Schleswigs, wurde der konkrete Inhalt obrigkeitlicher Frbitte zu einem entscheidenden Kriterium. Mit Blick auf den restaurierten dnischen Einfluß nach dem Waffenstillstand von Malmç spricht Gustav Schumacher, a.a.O., S. 22 von jenem „passiven Widerstand“, der die Geistlichen anstelle der gebotenen Gebetswendung „fr unsern Kçnig“ nunmehr „fr unsern kçniglichen Herzog“ beten ließ, um „nicht an heiliger Sttte die Herzogthmer fr kçniglich dnische Provinzen zu erklren“ [Hervorhebungen im Original], denn, so ders. ebd. S. 73, „das vorgeschriebene Kirchengebet“ sei „ein politisches Glaubensbekenntniß, welches die Inkorporierung Schleswig als eine vollendete Thatsache“ darstelle; im gleichen Sinn auch ders., ebd. S. 125. Die provisorische Regierung sah sich veranlaßt, den obrigkeitlichen Gegenstand der gottesdienstlichen Frbitte per Erlaß zu regeln; so erging in ihrem Namen unter dem Datum des 14. Mai 1848 ein Circulair der Schleswigschen Generalsuperintendentur, demzufolge „statt der bisherigen blichen und vorgeschriebenen Frbitte fr den Kçnig, das Kçnigliche Haus und die Beamten des Landes die Prediger sich im Kirchengebete der Worte: ,Segne unsern Frsten und alle Obrigkeit‘ zu bedienen“ htten, zit. n. [P. Michelsen], Aktenstcke zur Geschichte unserer Landeskirche in den Jahren 1848 – 50, in: Beitrge und Mitteilungen des Vereins fr schleswig-holsteinische Kirchengeschichte, II. Reihe 3. Heft, Kiel 1898, S. 95 – 147, hier S. 104. 141 Nielsen, „Am Sonntag Laetare, den 7ten [Anm. L.-P.: Druckfehler, richtig: 2ten] April, in: Ders., Die Gottesdienste in der Friedrichsberger Kirche in Schleswig vom Sonntag Oculi, den 26. Mrz, bis Sonntag Quasimodogeniti, den 30. April 1848, S. 13 – 21, hier S. 17. 142 Ebd. S. 19; vgl. zum Kontext a. Nielsens o. S. 613 Anm. 101 genannte seelsorgerliche Entscheidungshilfe fr den Dienst der gegen Dnemark kmpfenden schleswig-holsteinischen Soldaten aus dem „Sommer 1848“.

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lebt, mag ich doch sterben“ angestimmt; nach dessen dritter Strophe „Mein Jesus lebt, das Grab ist offen, mit Frieden geh ich in die Gruft“ wird direkt neben der Kirche der zu den Waffen rufende Generalmarsch der dnischen Streitkrfte angeschlagen. Ein nicht geringer Teil der morgens mit der Gemeinde im Gottesdienst vereinten dnischen Soldaten fllt im Verlauf der unmittelbar einsetzenden Kampfhandlungen und liegt noch am Abend desselben Tages aufgebahrt in derselben Kirche143. Deutlich zeigt sich in dieser dramatischen Entwicklung jene verheerende Sprengkraft des Nationalismus, die die am Morgen gelebte christliche Einheit zu zerstçren vermochte. Dies macht Nielsen in den nachfolgenden Gottesdiensten in durchaus Partei ergreifender Weise auch rhetorisch deutlich; so ußert er sich eine Woche spter durchaus doppeldeutig-hintergrndig: „Durch den Glauben habt Ihr das Leben in Jesu Namen […] Das ist Osterbotschaft, nun haben wir doch Osterfreude jetzt wie damals an unserm Abend des ersten Ostertags und heute 8 Tage nach Ostern. Laßt uns mit frommer Frçhlichkeit das Siegesfest erneuern.“144

Das den Gottesdienst an diesem Sonntag Quasimodogeniti 1848 in Friedrichsberg beschließende Kirchengebet bittet Gott um seinen Segen fr „unsere Verwundeten […], die Wittwen und Waisen, die es gewesen sind, und nun so viele geworden.“145

Dabei ideologisiert Nielsen den Krieg in der Segensbitte als einen im Namen Gottes zu fhrenden Krieg: „Segne unsere Krieger, daß sie als deinen Krieg diesen Krieg fhren, in deinem Namen und Geist, zu deiner Ehre.“146 143 Vgl. Nielsen, „Ostersonntag, den 23sten April“, ebd., S. 54 – 64, hier: S. 55 f. 144 [Nicolai Johannes Ernst] Nielsen, „Quasimodogeniti, den 30. April“, in: Ders., Die Gottesdienste in der Friedrichsberger Kirche in Schleswig vom Sonntag Oculi, den 26. Mrz, bis Sonntag Quasimodogeniti, den 30. April 1848, S. 65 – 74, hier: S. 73. 145 Ebd. S. 74. 146 Ebd. Im Folgejahr 1849 pldiert auch der an St. Michaelis in Schleswig ttige Geistliche Michael Baumgarten fr den Fall, daß „unser teures Recht nicht mehr auf friedlichem Weg kann gewahrt werden, auf Krieg!“, ders., Die berreichung der schleswig-holsteinischen Adresse an die Landesversammlung am fnften November, Kiel 1849, S. 27. Baumgarten nahm im Verlauf der Erhebung gemeinsam mit Nielsen eine fhrende Rolle auf der Seite der schleswig-holsteinischen, insbesondere der schleswigschen Geistlichen ein – hierzu im Folgenden – und mußte sich daher nicht anders als Nielsen 1851 außer Landes begeben. 1812 in Haseldorf geboren, hatte er in Kiel und Berlin studiert, war stark von Claus Harms beeinflusst, dessen Freund Nikolaus Falck sein Schwiegervater wurde,

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Eine solche Ideologisierung des Krieges begrndet sich fr Nielsen in der kompromißlosen Akzeptanz der Auffassung vom „unfreien Landesherrn“ und der seitens der Schleswig-Holsteiner unbedingt zu wahrenden Rechte der Herzogtmer. berliefertes staatliches Recht wird so zum Ausgangspunkt theologisch legitimierten Widerstandsrechtes gegen eine das Recht beugende Obrigkeit. Die damit einhergehende Anerkennung der provisorischen Regierung eint Nielsen mit der berwiegenden, nahezu vçlligen Mehrzahl der schleswig-holsteinischen Geistlichen147. Nachdem eine kçnigliche Proklamation aus Sonderburg vom 6. April 1848 den Beamten und Geistlichen erçffnet hatte, sich auf eine verantwortliche Erklrung fr ihr Verhalten nach dem 24. Mrz d.J. vorzubereiten, versammelten sich eine Woche spter in der Stadt Schleswig die çrtlichen Pastoren und Lehrer der Domschule, um eine gemeinsame Absprache ihrer Verantwortung zu verschriftlichen, die sich klar auf die „Basirung“ der provisorischen Regierung im unfreien Willen des Landesherrn berief 148. Am 17. April –

wirkte von 1839 bis 1846 als Privatdozent in Kiel, um dann die freigewordene Pfarrstelle an St. Michaelis in Schleswig zu bernehmen. Jenseits der Erhebung wurde Baumgarten Professor an der Universitt Rostock, geriet hier jedoch wegen seiner besonderen oppositionellen Auffassungen gegenber dem etablierten Staatskirchentum in neuerliche Konflikte, die mit seiner anhçrungslosen Entlassung aus dem Hochschuldienst endeten. Politisch engagierte er sich auch weiterhin; im neuen Deutschen Reichstag wurde er Abgeordneter. Baumgarten starb 1889 in Rostock. Zu ihm: Walter Nigg, Kirchliche Reaktion. Dargestellt an Michael Baumgartens Lebensschicksal, Bern / Leipzig 1939; Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten Bd. I, S. 35; Friedrich Heyer, SHBL I, S. 65 – 67; Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL I, Sp. 422. 147 Nur wenige Pastoren – diese ausnahmslos aus dem Herzogtum Schleswig – wiesen den Anspruch der provisorischen Regierung und mit diesem die Berechtigung der Erhebung zurck; zu diesen bereits o. S. 614 Anm. 103. 148 Vgl. „Anlage 1“ in N.[icolai Johannes Ernst] Nielsen, Materialien zu einer Appellation fr Schleswig-Holstein und dessen Geistlichkeit; unter Mittheilung von Acten an alle, in Dnnemark nicht weniger als in Deutschland, die Gott frchten und Recht thun, Schleswig 1849, S. 26. Die Erklrung wurde unterzeichnet von Nielsen in seinen Eigenschaften und Funktionen als „Oberconsistorialrath, Propst der Propstei Htten, Pastor am Friedrichsberg und R.[itter] d.[es] D.[annebrogs] O.[rdens]“, von Pastor [Peter August] Dieckmann, „Rector am Friedrichsberg“, dem Haddebyer Pastor Haak, von Pastor Baumgarten, Domcompastor Hansen, Domschulconrektor Dr. Lbker, Subrector Schumacher, Collaborator Dr. Henrichsen sowie dem Domschullehrer Dr. Hudemann. Zur Versammlung der Schleswiger Geistlichen und Lehrer a. Nicolai Johannes Ernst Nielsen, Lebensbeschreibung, S. 55 f.; ebd. S. 56 die Weigerung Nielsens und der ihm unterstellten Geistlichen und Lehrer, den aktuell auf dem Weg nach Schleswig be-

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sechs Tage vor der Osterschlacht und unter den Bedingungen der noch aufrecht erhaltenen dnischen Kontrolle ber die Stadt Schleswig – beantwortet Nielsen schriftlich die investigativen Fragen der RegierungsKommission149 ; dabei rekurriert er auf die fr den Kopenhagener Regierungswechsel verantwortliche „Volksbewegung“150 sowie die Tatsache, „daß unter den nun ernannten neuen Rathgebern sich keiner aus den Herzogthmern befand, weshalb die Stellung gegen die Herzogthmer, die nun Se. Majestt einnahmen, sich jedenfalls als eine vernderte zeigte“, whrend die neuen Ratgeber unter der Losung „Dnnemark bis zur Eider […] das, was mir als ein Kleinod des Herzogthums Schleswig gilt, seine bestehende Verbindung mit Holstein aufheben wollten.“151

Deutlich und mutig ußert der Httener Propst hier seine Kritik und Vorbehalte gegen die Haltung Friedrich VII., dem er den Wechsel seiner staatspolitischen Zielrichtung zwischen dem Forfatningsreskript vom 28. Januar des Jahres152 und dem Regierungswechsel unter eiderdnischer Orientierung153 zum krassen Vorwurf macht154. Sein dem Landesherrn gegebener Eid verpflichte ihn daher, „mit allen Krften und Vermçgen mit darber aus zu sein, daß unvernderlich erhalten werde des Landesherrn – und des Landes – alt heiliges Recht, was, insoweit darunter fr Schleswig seine bestehende Verbindung mit Holstein zu verstehen ist, zugleich meines innersten Lebens und Herzens liebes Anliegen ist.“155

Mit dieser in der landesrechtlichen Legitimitt wurzelnden Haltung wird Nielsen qua Amt und persçnlichen Einfluß zum Anfhrer der schleswigschen Geistlichkeit. Noch im Sommer 1848 ernennt ihn die provisorische Regierung zum Generalsuperintendenten fr die deutschsprachigen Gemeinden in

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findlichen Kçnig bei dessen Ankunft protokollgemß zu begrßen und statt dessen auf einer „Privataudienz“ zu insistieren. Vgl. Nielsens „Anlage 2“ in dessen „Materialien“, a.a.O., S. 27 f. Unter dieser zeitgençssisch in den Herzogtmern rasch verbreiteten Argumentation wird der seitens der dnischen Obrigkeit und der konservativen Kreise erhobene Vorwurf einer Revolution in den Herzogtmern abgewehrt mit dem Hinweis auf die Erhebung als legitime Antwort gegenber einer zuvor im Kopenhagener Regierungswechsel kulminierenden dnischen Revolution. Nielsen, a.a.O., S. 27. Hierzu o. S. 596 f. Vgl. o. S. 601 f. Nielsen, a.a.O., S. 27 f. Ebd. S. 28.

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Schleswig156 ; an die Spitze der dnisch sprechenden Kirchspiele des Herzogtums tritt durch Berufung der provisorischen Regierung der Apenrader Propst und gebrtige Nordschleswiger Johannes Andreas Rehhoff 157. Im Herzogtum Holstein findet die Erhebung im Itzehoer Archidiakon Ernst Friedrich Versmann158 und im Klein Wesenberger Pastor Christian August Hinrich Decker159 – beide gebrtige Sdschleswiger – zwei literarisch engagierte Theologen160, die insbesondere die von Berlin ausgehenden 156 Hierzu Nicolai Johannes Ernst Nielsen, Lebensbeschreibung, S. 59; Walter Gçbell, Kirche und Geistlichkeit zwischen Revolution und Legitimitt in der schleswig-holsteinischen Erhebung 1848/1849, Sonderdruck aus: Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus, hg. von Martin Brecht u. a., Band 5: Die evangelischen Kirchen und die Revolution von 1848, Gçttingen 1979, S. 84 – 104, hier S. 90 f. 157 Zu diesem bereits o. S. 575 – 577. 158 Zu diesem ders., Schleswig-Holstein und seine Verklger, 2. Aufl. Kiel 1850; ferner Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band II, S. 334. 1814 in Tçnning geboren, nach dem Studium in Kiel und Berlin 1840 Diakon in Itzehoe, amtierte Versmann zwischen 1848 und 1857 als Itzehoer Archidiakon und wurde 1850 Feldprediger im schleswig-holsteinischen Heer. 1850/51 bernahm er ein Mandat in der Stndeversammlung. Seit 1858 war Versmann bis zu seinem Tod 1873 Itzehoer Hauptpastor. 159 Zu diesem ders., Die Revolution in Schleswig-Holstein. Eine Zuschrift an alle ernste Christen unter Deutschen und Dnen, die Gottes Wort lieben und hçren Hamburg 1850; bereits der Titel hebt die nationenbergreifende Klammer des christlichen Glaubens hervor, der seine Jngerschaft auch in miteinander verfeindeten Vçlkern zur hçheren Einsicht der Verbundenheit aufruft. Zum Autor: Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band I, S. 196. Decker, 1806 in Husum geboren, hatte in Berlin und Kiel studiert, amtierte nach seinem 1830 abgelegten Examen seit 1833 als Collaborator in Meldorf, wo er drei Jahre darauf Subrektor wurde. Seit 1843 Pastor in Klein Wesenberg, wirkte er hier bis 1863. Anschließend in Leezen ttig, wechselte er 1875 nach Thumby, wo er im Juni 1884 im Amt verstarb. 160 Walter Gçbell hat darauf aufmerksam gemacht, daß ungeachtet ihres leicht variierenden Lebensalters Nicolai Johannes Ernst Nielsen, Ernst Friedrich Versmann, Christian August Hinrich Decker, Johannes Andreas Rehhoff und Michael Baumgarten alle eine „nahezu identische Ausbildung“ in „ihrem Studium in Kiel und Berlin“ empfingen, woran „man bereits ußerlich ablesen“ kçnne, „daß sie von den beiden theologisch-dogmatisch und praktisch-theologisch maßgebenden Persçnlichkeiten des damaligen Kiel geprgt worden sind: von August Twesten […] und von dem Kirchenmann Claus Harms. Doch hatten diejenigen Theologiestudenten, die in Berlin bei Schleiermacher, Friedrich Tholuck (1826 in Halle) und Aug. Neander studiert hatten, Gedanken und Kriterien kennen gelernt, die durchaus nicht mit den konservativen und absolutistischen Vorstellungen ihres Lehrers Claus Harms in Einklang zu bringen waren. Der Kieler ,Erweckungsprediger‘ Claus Harms, gegrndet in den patriarchalischen Anschauungen des

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theologischen Angriffe auf die schleswig-holsteinischen Geistlichen apologetisch bedenken. Diese orthodoxen Angriffe sehen die Pastoren der Herzogtmer nicht nur als Staatsdiener in einem illegitimen Konflikt mit ihrer Obrigkeit, sondern stellen sie darber hinaus auch in ihrem Versagen als Interpreten der biblischen Obrigkeitslehre an den Pranger. Aufflligerweise beginnen die in die ffentlichkeit hineingetragenen Vorwrfe mit dem außenpolitisch erzwungenen Nachlassen der preußischen Bundesgenossenschaft. Mit der Einsetzung zunchst der von Dnemark und Preußen im Waffenstillstandsabkommen von Malmç vereinbarten „Gemeinsamen Regierung“161 und noch sprbarer nach der Installation der „Landesverwaltung“162 nach den Berliner Verhandlungen vom 10. Juli 1849 erhalten die Geistlichen des Herzogtums Schleswig jeweils eine neue Obrigkeit163, die eindeutig dnischen Interessen Folge leistet und die Pastoren vehement zur persçnlichen Entscheidung fr oder gegen den Kçnig als Landesherrn drngt164. Mit dem Festhalten an der „Statthalterschaft“165 als der von ihnen als rechtmßig angesehenen Obrigkeit geraten gerade die Pastoren in jenen Konflikt, der ihnen seitens der „Neuen Preußischen Zeitung“166 sowie der

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lteren Luthertums, ist trotz seiner kirchlichen Bedeutung und Einwirkung auf die junge Theologengeneration in Kiel nicht zu einem geistig fhrenden Kopf seiner Heimat geworden wie Grundtvig in Dnemark“, Gçbell, Kirche und Geistlichkeit zwischen Revolution und Legitimitt in der schleswig-holsteinischen Erhebung 1848/49, S. 93. Mit Blick auf die von den genannten Studenten gewhlten Universitten ließe sich diesen Beobachtungen anfgen, daß weder die Hochschule in Kiel noch diejenige Berlins im zeitgençssischen Umfeld zu jenen Bildungseinrichtungen gehçrten, an denen durch burschenschaftliche Vermittlung der Gedanke einer deutschen Einheit und Zukunft besonders ausgeprgt belebt wurde. Zu dieser o. S. 615 f. Zu dieser o. S. 617. Hierzu Friedrich Petersen, Die Schleswig’sche Geistlichkeit unter den wechselnden Staatsgewalten. Zugleich ein Beitrag zur Wrdigung des Kampfes der Evangelischen Kirchen-Zeitung wider die vertriebenen Geistlichen, Kiel 1851. Gustav Schumacher, Leiden und Erquickungen eines von den Dnen in Gefangenschaft gehaltenen und aus der Heimath vertriebenen Schleswig’schen Geistlichen, charakterisiert S. 73 das seitens der Landesverwaltung seit dem 17. September 1849 „vorgeschriebene Kirchengebet als ein politisches Glaubensbekenntnis, welches die Incorporirung Schleswigs als eine vollendete Tatsache“ dargestellt habe und daher einem „Kanzelverbot“ gleichgekommen sei. Zu dieser o. S. 616 f. Diese ging u. a. zurck auf Ernst Ludwig von Gerlach, einem Wortfhrer des hochkonservativen preußischen Brgertums; zu diesem Wippermann, ADB 9, S. 9 – 14; Matthias Stickler, BBKL XIX, Sp. 537 – 550. Erscheinungsbeginn der Zeitung, die rasch wegen ihres prgnanten Emblems in „Kreuzzeitung“ umbenannt

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„Evangelischen Kirchenzeitung“ als Verletzung des Amtseides und Verstoß gegen die biblische Obrigkeitslehre angerechnet wird167. Nicht von ungefhr erscheint in Kopenhagen im Jahre 1850 in deutscher Sprache eine Publikation des Herausgebers der „Evangelischen Kreuzzeitung“ Ernst Wilhelm Hengstenberg168, die sich bereits im Titel prjudizierend ußert: „Auflehnung der schleswigschen Geistlichkeit, beurtheilt von einem berhmten deutschen Theologen“169. Darin setzt sich der Autor kritisch und ußerst ablehnend mit maßgeblichen publizistischen Verlautbarungen schleswig-holsteinischer Geistlicher auseinander. Dabei geht es im einzelnen um Michael Baumgartens Publikationen „Die Gewissensfrage der schleswigschen Beamten“ sowie „Die verbotene Frbitte und die schleswigschen Prediger“170, Nicolai Johannes Ernst Nielsens „Materialien zu

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wurde, war der 30. Juni 1848. Hierzu Christof Dipper, Zerfall und Scheitern. Das Ende der Revolution, in: 1848. Revolution in Deutschland, hg. von Christof Dipper und Ulrich Speck, Frankfurt/M. / Leipzig 1998, S. 401 – 419, hier S. 412 f.; Dagmar Bussiek, „Mit Gott fr Kçnig und Vaterland!“: Die Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung) 1848 – 1892, Mnster / Hamburg 2002. Hierzu Alexa Geisthçvel, Eigentmlichkeit und Macht. Deutscher Nationalismus 1830 – 1851: Der Fall Schleswig-Holstein, S. 78 f. Zu diesem O.[tto] v. Ranke, ADB 11, S. 737 – 747; Friedrich Wilhelm Bautz, BBKL II, Sp. 713 f.; vgl. ferner Anneliese Kriege, Geschichte der Evangelischen Kirchenzeitung unter der Redaktion Ernst Wilhelm Hengstenbergs (vom 1. 7. 1827 bis zum 1. 6. 1869). Ein Beitrag zur Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts, Diss. Bonn 1958. [Ernst Wilhelm Hengstenberg], Auflehnung der schleswigschen Geistlichkeit, beurtheilt von einem berhmten deutschen Theologen, Kjçbenhavn 1850. Michael Baumgarten, Die Gewissensfrage der schleswigschen Beamten, Schleswig 1849; ders., Die verbotene Frbitte und die schleswigschen Prediger, Schleswig 1849. Die erste Schrift zeigt das Bemhen der schleswigschen Geistlichkeit um seelsorgerliche Hilfestellung gegenber ihren Gemeinden whrend der Erhebung; Baumgarten ußert hier S. 71: Wir sind „unsern Gemeinden […] in der Zeit des Kampfes mit belehrendem, trçstendem Wort vorangegangen und zur Seite gestanden und Angesichts unseres gegenwrtigen Interims haben wir auch vor ihnen unsere gewissenhafte berzeugung ausgesprochen. Wir haben ihnen damit den Maßstab in die Hand gegeben, unser Gewissen und Pflichtbewußtsein genau abzuschtzen. Das Vertrauen ist in der letzten Zeit sehr geschwcht worden in der Welt, […] in unserem Stande aber kommt Alles auf Vertrauen an und ohne Vertrauen kann Nichts gewirkt werden. So ist es denn fr uns eine große Sache, […] unsern Gemeinden zu zeigen, daß unser in Gottes Schrift, auf welche wir uns berufen haben, gegrndetes Gewissen nicht kann wie eine Wetterfahne hin und her gewendet werden, sondern dem Felsen gleicht, dem alle Wetter und Wogen Nichts anhaben, den auch die Pforten der Hçlle nicht berwltigen kçnnen“. Die zweite hier genannte Publikation Baumgartens setzt sich mit der Weisung der Landesverwaltung vom 17. September 1849 auseinander, nicht mehr wie seitens der

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einer Appellation fr Schleswig-Holstein und dessen Geistlichkeit“ sowie Ernst Friedrich Versmanns Publikation „Schleswig-Holstein und seine verklger“. Hengstenberg leugnet nicht sein „Mitgefhl der schwierigen Alternative, worin die Geistlichkeit von SchleswigHolstein durch die politischen Verhltnisse des Landes gestellt war“; er vergißt nicht, daß er „jenseits der Elbe Brder voraussetzen kann, die […] Gottes Wort zu ihres Fußes Leuchte zu machen bemht sind.“171

Entsetzt ber die nordelbischen Mrzereignisse, vermißt Hengstenberg die „staatsbrgerliche Nothwendigkeit jener Auflehnung“ und „die Nçthigung“, die die Pastoren „als Schleswig-Holsteiner zum Anschluß an den Aufstand des Landes zu haben glaubten“172, und er bestreitet „noch viel entschiedener die sittliche Befugniß dazu.“173

Deutlich markiert der Kritiker den sophistisch konstruierten wunden Punkt: „Wer weiß nicht, daß die Behauptung von der Unfreiheit eines Landesherrn ein gewçhnliches Mittel ist, dessen sich die Revolutionre bedienen, um die Bande des Unterthanengehorsams zu lçsen und die Gewalt an sich zu reissen? […] Kann nun auch das Gewaltsame der çfter berhrten Kopenhagener Vorgnge nicht abgelugnet werden, so ist man doch schwerlich berechtigt, daraus eine Unfreiheit des Landesherrn im juristischen Sinne zu folgern, noch weniger dieselbe als fortdauernd anzunehmen, nachdem er nicht nur feierlich gegen die zugeschobene Stellung protestirt, sondern auch lngst seine Freiheit durch Entlassung jenes tumultuarisch entstandenen Ministeriums documentirt hat.“174

Damit entblçßt Hengstenberg die handlungsleitende Option der schleswigholsteinischen Deutungsaktivisten zum einen durch den jngsten geschichtlichen Verlauf der „Auflehnung“ und brandmarkt die Erhebungsprotagonisten zugleich als gewçhnliche „Revolutionre“. Weiterhin setzt er den Hebel an den Schwachpunkt des Konstruktes vom „unfreien Landesherrn“, das nicht dem von der neutestamentlichen Obrigkeitslehre her ohnehin untersagten revolutionren Aspekt der Volkssouvernitt verhaftet

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provisorischen Regierung und der Statthalterschaft legitimiert fr den „Frsten“, sondern nunmehr endgltig wieder fr den „Kçnig“ als Landesherrn zu beten. Hengstenberg, a.a.O. (Anm. 169), S. 5. [Ernst Wilhelm Hengstenberg], Auflehnung der schleswigschen Geistlichkeit, beurtheilt von einem berhmten deutschen Theologen, S. 7 [Hervorhebung im Original]. Ebd. S. 12 f. Ebd. S. 14. Friedrich VII. entließ das Mrzkabinett am 16. November 1848, vgl. o. S. 602 Anm. 57.

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ist, sondern einer ideellen Auffassung wahren Gehorsams gegenber dem unter den Bedingungen geschichtlichen Rechtes imaginierten Landesherrn. Hengstenberg druckt den im Gesamtstaat verwendeten Homagialeid175 in vollem Wortlaut ab und bilanziert anschließend nchtern: „Diese Worte binden nicht an eine ideelle Obrigkeit, deren Reprsentanten mçglicherweise nach dem Ermessen des Landes vertauscht werden kçnnten, sondern an die Person des Kçnigherzogs. Daß in der Form eines Eides, der lediglich die Pflicht gegen den Landesherrn, und nicht zugleich die gegen das Volk hervorhebt, etwas sittlich Unzulssiges dem Reiche des Antichrist Zufhrendes liege, wie Dr. Baumgarten (die verb. Frb. S. 49 ff.) behauptet176, das wre freilich besser vor dessen Ablegung zu erwgen, oder, wenn erwogen, auch geltend zu machen gewesen, als nachher zu dessen bequemer Auslegung zu benutzen.“177 175 Vgl. o. S. 96 Anm. 236. 176 Baumgarten publizierte 1849 „Die verbotene Frbitte und die schleswigschen Prediger“; hier heißt es S. 48 f.: „Der Buchstabe unseres Eides […] lautet ganz einseitig dynastisch. Wenn nun Jemand so skrupulçs ist, daß er sich schlechterdings durch den Eid an diesen Buchstaben gebunden hlt, so darf er als Christ diesen Eid gar nicht leisten, denn dann ist dieser Eid eine falsche Verpflichtung […] Ich glaube daher, daß wir die vollkommene Berechtigung ja Verpflichtung haben, unsern Eid, der dem Buchstaben nach auf den Kçnig lautet, so zu verstehen, daß wir den als Kçnig betitelten Landesfrsten oder Herzog als Haupt des Volkes fassen; so daß wir uns nach unserm Eide nicht als Kçnigsdiener oder Frstendiener wissen, sondern als Beamte des Staates, der Frst und Volk gleichsam umschließt“. Eindeutig interpretiert Baumgarten den Eidnehmer als Stellvertreter des wahren Souverns: Der Kçnig-Herzog avanciert zum Exponenten seines Volkes. Mit dieser am Kollektiv orientierten Eidesauffassung liegt Baumgarten auf der im Kreis der politischen Avantgarde der Herzogtmer seit langem vorbereiteten Linie der Eidesinterpretation, vgl. o. S. 501 – 510 sowie den ebd. S. 502 f. exegesierten Artikel aus KCB 73/1833. Der Schwierigkeit verantwortlicher Interpretation des Eides unter den nach dem 24. Mrz 1848 herrschenden Bedingungen stellte sich auch der Flensburger Pastor Christian August Valentiner; nach dem Ende der Erhebung ußerte der aus der Heimat Vertriebene in Analogie zum Reformationsereignis: „Als Luther 1512 Doctor der Theologie wurde, und zwar der katholischen Theologie, da mußte er schwçren, dass er niemals etwas lehren und predigen wolle, was gegen die Kirche sey, und dennoch fnf Jahre spter warf er gerade durch Lehre und Predigt so zu sagen die ganze Kirche ber den Haufen. Hat ihm in kindlich reiner und frommer Seele die Bibel, das heilige Wort Gottes, ber alle jene Eide hinweggeholfen, die er ohne die Bibel als Katholik dem Papste, als Mçnch dem Kloster, als Priester dem Coelibat geschworen hatte, wer darf es wagen, ihn des Meineids zu beschuldigen? […] Drfen wir um eines Eides willen unser Vaterland opfern?“, ders., Erinnerungen aus Kriegs- und Friedenszeiten, geschrieben auf einer Reise von Hamburg nach Helgoland im August 1851. Von einem abgesetzten Schleswiger Geistlichen, Altona 1852, S. 60. 177 [Ernst Wilhelm Hengstenberg], Auflehnung der schleswigschen Geistlichkeit, beurtheilt von einem berhmten deutschen Theologen, S. 17.

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Die konservative Interpretation des Eides zeigt Hengstenbergs Verwurzlung in der Idee eines frstlichen Gottesgnadentums. Gerade dieses nahm mit Friedrich Wilhelm IV. von Preußen nicht zuletzt der mchtigste Monarch unter den schleswig-holsteinischen Bundesgenossen fr sich in Anspruch178 ; daher suchten die Geistlichen des Herzogtums Schleswig eilends den persçnlichen179 wie auch çffentlichen180 Kontakt mit den 178 Am 13. Dezember 1848 schreibt Friedrich Wilhelm IV. an seinen Londoner Botschafter vor dem Hintergrund seiner Ablehnung der ihm angetragenen deutschen Kaiserkrone: „Die Krone, die ein Hohenzoller nehmen drfte, wenn die Umstnde es mçglich machen kçnnten, ist […] eine die den Stempel Gottes trgt, die den, dem sie aufgesetzt wird, nach der heiligen lung, ,von Gottes Gnaden‘ macht, weil und wie sie mehr denn 34 Frsten zu Kçnigen der Deutschen von Gottes Gnaden gemacht und den letzten immer der alten Reihe gesellt“: Schreiben Friedrich Wilhelms IV. an den Botschafter in London, v. Bunsen, ber Gottesgnadentum, Kaiserwrde und Revolution, in: Die Revolution von 1848/49. Eine Dokumentation, hg. von Walter Grab, Mnchen 1980, S. 225 f., hier S. 225 [Hervorhebungen im Original]. 179 Nachdem Nielsen als „sicher in Erfahrung“ gebracht hatte, „daß man in Berlin mit dem bittersten Ernste unsre ganze Sache Revolution nenne und Schleswig-Holstein ganz auf eine Linie mit Baden und der Pfalz stelle“, faßte er den Entschluß, sich persçnlich an Consistorialrath Otto von Gerlach zu wenden, der mit seinem Bruder jene Zeitung gestaltete, „die auch dem Kçnig [Friedrich Wilhelm IV., L.-P.] zu Gesicht kommt“; Nielsen wagte ferner „an Se. Majestt eine Zuschrift zu verfassen. Ich habe sie selbst berreichen und bei derselben Gelegenheit mndlich ber unsere Lage und unser Verhalten Vorstellung machen drfen. Die Discretion verbietet mir natrlich von dem Einen wie von dem Anderen etwas in die ffentlichkeit zu bringen“, ders., Materialien zu einer Appellation fr SchleswigHolstein und dessen Geistlichkeit, S. 23 f. Auch Claus Harms sandte Friedrich Wilhelm IV. einen Brief, in dem er sich gegen den Vorwurf, die Schleswig-Holsteiner seien Rebellen, mit klaren Worten verwahrte und die dnische Nation „zur Zeit“ als „eine Feindin der Herzogtmer“ bezeichnete. Dabei gehçre „Schleswig nicht zu Deutschland. Mit Deutschland es zu verbinden, das ist ein bçses Ding voriges Jahr gewesen und htte nicht geschehen sollen. Allein es ist auch kein dnisches Land, auch in seinem nçrdlichsten Dorf nicht“, zit. n. dem Abdruck des Briefes bei [P. Michelsen,] Aktenstcke zur Geschichte unserer Landeskirche in den Jahren 1848 – 50, S. 129 f., hier S. 130. – Nielsens Kontakt zu Otto von Gerlach kam wegen des plçtzlichen Todes des Konsistorialrates nicht mehr zustande; erhalten blieb jedoch sein an von Gerlach gerichteter Brief vom 19. September 1849, abgedruckt bei J.H. Weiland, Die Geistlichkeit Schleswig-Holsteins whrend der Erhebung, S. 38 – 40; ebd. S. 39 unter Hinweis auf den die nationale Trennung grundstzlich berbietenden christlichen Gemeinsinn die ußerung: „Ich selbst habe in der denkwrdigen vorjhrigen Osterzeit unter den Dnen, die Schleswig besetzt hielten, viele Kinder Gottes kennen gelernt, mit welchen ich liebliche Beichte und Abendmahlsstunden gehalten habe, und wir alle wissen, dass auch unsere Seite nicht von allem Unheiligen frei ist, aber wissen auch, dass eine Sache,

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Urhebern ihrer Verurteilung, blieben jedoch bei diesem Bemhen recht erfolglos. Zwar fanden sie ebenso wie die Delegierten aus einzelnen Landschaften181 beim Kçnig von Preußen durchaus Gehçr; doch hatten zu welcher unsere glubigsten Christen sich mit erhoben haben […] nicht ohne einen heiligen Kern ist, den jetzt nur so ohne Weiteres in das Fluchkleid der Empçrung einzuwickeln und dann wegzuwerfen, unsere ,Brder in Christo‘ bei Gott nimmermehr verantworten kçnnen. Es ist ein hartes, schweres Kreuz, was der verborgene Rath des Herrn uns damit auferlegt hat, dass unseres Landes That mit so mancher Unthat in Einem und Demselben Moment hat zusammenfallen mssen […] sollten wir irren und schon immer geirrt haben, warum habt ihr uns nicht lange zurecht geholfen mit sanftmtigem Geiste?“ [Hervorhebung im Original]. Auch eine Unterredung Nielsens mit Friedrich Julius Stahl, dem konservativen Vizeprsidenten des evangelischen Kirchentages, blieb ohne Resultat; hierzu Nielsen, Lebensbeschreibung, S. 61 – 56. 180 Nielsen richtete am 24. September 1849 an die Berliner Geistlichkeit einen offenen Brief, vgl. dens., „An die smtlichen Herrn Geistlichen der Stadt Berlin“, abgedruckt bei J.H. Weiland, a.a.O., S.40 – 42. Hier verweist er auf die zum Problem gewordene Tatsache, „in dem Herzogtume seit dem 1sten Januar 1848 nacheinander 5 und resp. 6 verschiedene Regierungen gehabt“ zu haben. Wenig spter wurde ein weiterer Briefwechsel Nielsens der ffentlichkeit bekannt gemacht – dieses Mal mit dem von Preußen entsandten Mitglied der Landesverwaltung, dem katholischen, wie sein Kçnig dem Gedanken des Gottesgnadentums verhafteten Botho Graf Eulenburg; hierzu J.H. Weiland, a.a.O., S. 54 – 62. berhaupt weckte Nielsen mit seinen apologetischen Publikationen zahlreiche Reaktionen in der ffentlichkeit, vgl. aus dem entsprechenden Schrifttum a. Ludwig Nicolaus von Scheel, Zeugniss, abgefordert von dem Kirchenprobsten Nielsen in Schleswig in dessen Materialien zu einer Appellation fr SchleswigHolstein und dessen Geistlichkeit, Kopenhagen 1850; P.[eter] Martens, Ein Votum zur Gewissensfrage der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit, Flensburg 1850; H.[ans Lassen] Martensen, Sendschreiben an den Herrn Oberconsistorialrath Nielsen in Schleswig. Ein Wort ber den Amtseid und die schleswig-holsteinische Geistlichkeit, Kopenhagen 1850; letzterer, in Flensburg geboren, spter Bischof von Seeland, war ein Cousin Nielsens; zu ihm Friedrich Wilhelm Graf, BBKLV, Sp. 894 – 901. Martensen erhielt Widerspruch durch den Altonaer Pastor Th.[yge] Thygesen, Das Sendschreiben des Dr. H. Martensen in Copenhagen an den Oberconsistorialrath Nielsen in Schleswig (Ein Wort ber den Amtseid und die schleswig-holsteinische Geistlichkeit), Altona 1850. 181 So gelangte eine Delegation von mehr als 2000 Petenten aus der Landschaft Angeln in Schleswig zu einer Audienz bei Friedrich Wilhelm IV.; hierzu die anonym publizierten Beitrge „Bericht ber die Deputation aus Angeln nach Berlin, verçffentlicht von den Mitgliedern derselben“, Flensburg 1849, sowie die „Erklrung von 2016 Bewohner[n] Angelns“, Flensburg 1851. Auch die Angeliter Delegierten widersetzten sich ihrer Bezeichnung als „Insurgenten“ und wiesen den Vorwurf der „Rebellion“ zurck, vgl. den eben gen. „Bericht“ S. 10. Sich unter den Schutz Preußens stellend, beklagten sie ebd. S. 12 den wachsenden dnischen Einfluß in der nach dem Berliner Waffenstillstand installierten Landesverwaltung.

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zuvor bereits der Malmçer wie auch der Berliner Waffenstillstand hinlnglich verdeutlicht, in welchem Ausmaß die preußische Haltung notwendigerweise durch die Intentionen und Konditionen nichtdeutscher Großmchte beeinflußt und bestimmt war. Insofern ging es in dem zwischen den preußischen Konservativen und den schleswig-holsteinischen Geistlichen entstandenen theologischen Streit sowohl um die rechte Auslegung des christlichen Obrigkeitsverstndnisses als auch – daraus hervorgehend – um ein Urteil ber das Verhalten der in den Herzogtmern ttigen Pastoren und ihrer Gemeinden whrend der Erhebung. Am Ende blieb Nicolai Johannes Ernst Nielsen und den mit ihm fr die Haltung der schleswig-holsteinischen Geistlichen eintretenden Theologen jedoch kaum eine andere Mçglichkeit als ein trotziges Bekenntnis: „Ich weiß, dass […] ich durch gute und bçse Gerchte bei Menschen hindurch muss, aber ich habe den Muth, in dieser Beziehung mit dem Apostel zu sprechen: ,es ist mir ein geringes, dass ich von einem menschlichen Tage gerichtet werde‘182 ; auch das Lob der Einverstandenen bestimmt mich nicht in meinem Handeln. Der Herr ist es, der mich richtet.“183

Nahezu geschlossen traten die Pastoren der Herzogtmer durch ihre Unterschrift unter Solidarittserklrungen Nielsen und Baumgarten als den Fhrern der schleswigschen Geistlichkeit zur Seite184 ; nicht wenige ußerten ihre Zustimmung in publizistischer Weise185. In welchem Ausmaß 182 Verkrztes Zitat von 1. Kor. 4,3 f. nach der 1545 erschienenen bersetzung Luthers: „Mir aber ists ein geringes das ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Tage. Auch richte ich mich selbs nicht. Ich bin wol nichts mir bewust Aber darinnen bin ich nicht gerechtfertiget. Der Herr ists aber der mich richtet“. Zeitlich wie rumlich meint der „menschliche Tag“ hier den „menschlichen Gerichtstag“. 183 J.H. Weiland, Die Geistlichkeit Schleswig-Holsteins whrend der Erhebung, S. 62. 184 Vgl. ebd. S. 21.31 – 36.47 – 53.68 f. 185 Vgl. L.[udwig] Schrader, Professor Hengstenberg und die Schleswig-Holsteinische Sache. Ein Beitrag zur Wrdigung Hengstenbergischer Ethik [Motto: veritas claudi et ligari potest, vinci non potest.]. Kiel 1851; deutlich appelliert Schrader an die deutsche ffentlichkeit: „Ein Urtheil zu gewinnen in einer so tief einschneidenden Angelegenheit, als das offene und çffentliche Eintreten der SchleswigHolsteinischen Geistlichkeit in den letzten Jahren unleugbar ist, sollte jeder deutsche Theolog sich angelegen sein lassen […] unberufenerweise aber sich zum Richter aufwerfen, ist etwas hiervon sehr Verschiedenes“, a.a.O., S. 5. Grundstzlich bestreitet Schrader S. 7 eine Erhebung gegen den Landesherrn; er definiert die Geschehnisse ebd. als „Abwehr eines Volkes wider den gewaltsamen Angriff eines andern Volkes“. Maßstab des Gewissensentscheides eines jeden Geistlichen sei die clausula Petri aus Apg 5,29: „Nicht in einzelnen Fllen, sondern allerwege und

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die Kontroverse um das Verhalten der schleswig-holsteinischen Geistlichen nach dem Mrz 1848 einen deutschlandweiten Nachhall ausgelçst hatte, zeigte sich in der Thematisierung des christlichen Obrigkeitsverstndnisses auf dem evangelischen Kirchentag in Stuttgart im Jahre 1850186. Hier immerfort haben wir Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, unser ganzes Leben in seinem einzelnsten Thun soll ein Gottesgehorsam sein, und nur wenn wir Gott gehorchen […], gehorchen wir wirklich auch den Menschen, die auf unsern Gehorsam Anspruch zu machen haben; im entgegengesetzten Falle ist es nimmermehr christlicher Gehorsam, sondern nichts als Unterwrfigkeit, Knechtschaft, der jede Gelegenheit willkommen sein wird, der Ruhe zu entlaufen. Es ist das eine entsetzliche, die herrliche Freiheit der Kinder Gottes, die alleinige, sittliche Freiheit vçllig vernichtende Lehre, daß wir Menschen, und seien sie auch die gewaltigsten, so auf ’s Blinde hin zu gehorchen haben, ohne uns darber Rechenschaft zu geben, was wir hierbei Gott schuldig sind. Nein […], fr jedes Thun und fr jedes Lassen sind wir Gott verantwortlich“, ders. ebd. S. 11. Zum Kontext gehçrt auch die anonym 1850 in Kiel erschienene Schrift „Die Kirche und Schule im Kampfe mit der sogenannten Landesverwaltung. Actenmßige Darstellung“, die neben der durch den Nationalismus begrndeten Feindlichkeit der Landesverwaltung auch deren durch das skulare Moment gegen die Kirche gerichteten indifferenten Geist bemerkt: „Der durch den jetzigen Frieden vom 2. Juli 1850 beseitigte Berliner Waffenstillstandsvertrag […] hat sich als dem Rechte des Landes gnzlich widerstreitend und vçllig unhaltbar ausgewiesen. Die Unmçglichkeit, darnach das Land zu verwalten, lag vom ersten Augenblicke an allen Einsichtigen vor Augen; die ,Landesverwaltung‘ that aber auch das nicht einmal, was sie darnach zu thun schuldig und verbunden war. Sie durfte weder die vormrzlichen Gesetze, noch die altherkçmmlichen Rechte des Landes versetzen; sie sollte berall nur das Land verwalten, und zwar ,im wohlverstandenen Interesse‘ desselben, und auf Ruhe und Ordnung halten. Sie hat berall von allem dem das Gegentheil gethan. Daß dies die Kirche insonderheit treffen wrde, war vorauszusehen; das Herz und die Liebe fr sie fehlten ja gnzlich“, a.a.O., S. 4 [Hervorhebungen in den jeweiligen Originalen]. Besonnene Kritik an der Landesverwaltung und der hinter dieser stehenden dnischen Politik ußerte auch der ehemals in Kiel ttige Professor Anton Friedrich Ludwig Pelt – zu diesem o. S. 534 u. 544 –, cf. dens., Die Schleswigschen Prediger im Verhltniß zu der im Herzogthum Schleswig eingesetzten Verwaltungscommission – ein theologisches Gutachten, Kiel 1850. Unverkennbar zeigt sich in diesem Schrifttum die mit der Einsetzung der Landesverwaltung ansteigende existentielle Not der Pastoren im Herzogtum Schleswig. 186 Hierzu W. Krafft, Der Kirchentag in Stuttgart, Monatsschrift fr die evangelische Kirche der Rheinprovinz und Westphalens, 9. Jg. 11./12. Heft, Bonn 1850, S. 227 – 260 und 275 – 292; ebd. S. 239 – 245 das Referat des Bonner Theologieprofessors Isaak August Dorner ber „Das Verhalten der Christen, insbesondere der Geistlichen, in Bezug auf die politischen Dinge“. Im Zusammenhang der weiteren Erçrterung der staatsrechtlichen Frage wurde dem Referenten „vom Prsidenten das Wort abgeschnitten; er solle sich bloß an die theologische Seite der Frage halten“, Walter Gçbell, Kirche und Geistlichkeit zwischen Revolution und

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stellte Nielsen persçnlich heraus, daß den Herzogtmern situationsbedingt auferlegt worden sei, jene Frage, wie sich der Christ in politischen Dingen zu verhalten habe, zu beantworten, ehe denn die „Stimme der Wissenschaft“ sie zu erreichen vermochte187. Es sei die Pflicht eines Christen, sich in politischen Angelegenheiten nicht gleichgltig zu verhalten; ungeachtet des Urteils ber die Geistlichen der Herzogtmer ersuchte Nielsen die Stuttgarter Versammlung um ihre Frbitte vor Gott: „Betet fr SchleswigHolstein, daß der Herr eine Gestalt gewinne unter uns. Wenn ich auf diese Bitte eine Zusicherung erhalten kçnnte, da wrde ich reich in mein Land zurckkehren!“188. Doch als besonders groß erwies sich der von Nielsen zurckgebrachte Reichtum nicht. Zwar versicherte die Stuttgarter Versammlung die geistlichen Brder im Norden, die „nicht ohne ernste Prfung vor Gott gehandelt“ htten, ihrer Anteilnahme und Frbitte, doch erklrte sie sich in der entscheidenden Frage als „nicht in der Lage, ber das Verhalten der schleswig-holsteinischen Geistlichen ein begrndetes Urtheil abzugeben“189. Damit blieben diese auf ihrem Weg allein; als hilfreich aber sollte sich in nicht allzu ferner Zukunft das auf dem Stuttgarter Kirchentag geweckte Verstndnis und Mitgefhl erweisen, das vielen mit dem Niedergang der Erhebung amtsenthobenen Pastoren zur Voraussetzung anschließender Beschftigung sdlich der Elbe wurde. Die gewiß nicht aus dem Hintergrund der geistlichen Publizistik hervorgehende politische Satire stellte sich frhzeitig unter metaphorischer Verwendung zentraler kirchlicher Texte wie der Zehn Gebote und des Vaterunsers in den Dienst antidnischer Propaganda. So verçffentlicht „Friedrich August Wahrheit“ in Neustadt bereits 1848 ein Flugblatt mit dem Inhalt „Die zehn Gebote der freien Schleswig-Holsteiner oder was sie in politischen Dingen thun und nicht thun sollten“190. Stilistisch an den Kleinen Katechismus angelehnt, zeigt das Pamphlet in der Auswechslung Gottes durch die Freiheit ein kategorischer Wertewandel: „Erstes Gebot. Die Freiheit sei und bleib dein Gott; die Dnenherrschaft mach zu Spott.

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Legitimitt in der schleswig-holsteinischen Erhebung 1848/1849, S. 102. Zu Dorner a. A.[ugust] Dorner, ADB 48, S. 37 – 47; C.[arsten] E.[rich] Carstens, Geschichte der theologischen Facultt der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, in: ZSHG 5 / 1875, S. 1 – 132, hier S. 98 – 103, sowie o. S. 3 f. W. Krafft, a.a.O., S. 246. Ebd. S. 247. Ebd. S. 252. LAS Abt. 399.52 Nr. 46.

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Was ist das? Die Freiheit sollen wir, auf Tod und Leben, Bewahren gegen Dn’marks arge List, Und unserm Feind die Bastonade geben, Der uns auf ’s Neu zu knechten kommen ist. Zweites Gebot. Den Namen Deutsche sollt ihr wrdig fhren. Die „Danske Rçver“ zeichnen nach Gebhren. Was ist das? Wir sollen so an’s Vaterland uns schmiegen, An’s große, ein’ge, so mit aller Gluth, daß nie auch uns, sollt’s brechen oder biegen, Man fehlen sieht im Kampf fr deutsches Blut. Wir sollen nun mit Stolz uns Deutsche nennen. Die wir nicht mehr mit Dnemark gepaart, Fr unser Volk treu in Vergeltung brennen, Weil es nicht Kampf, nicht Blut fr uns gespart. Die Dnen bleiben ewig fortgejagt, Die uns und unser Land so lang geplagt. Drittes Gebot. Den Tag des Siegs bei Schleswig sollst du halten, Treu im Gedchtnis und zum Fest gestalten. Was ist das? Wir sollen hoch die deutschen Brder ehren, Die fr uns khn ihr Leben dargebracht, Und uns’re Enkel noch voll Innbrunst lehren, Wie Deutsche frei von Dnen uns gemacht; Gedenken, wie getncht mit Blut die Erde Bei Schleswig ward, im Sturm auf Dannewerk, Daß nie die Frucht des Siegs vergessen werde, Daß ewig sich das Volk die Thaten merk’. Viertes Gebot. Den Dnenvater sollst du nicht mehr ehren; Bleib fr Dich selbst, das wird den Reichtum mehren. Was ist das? Mein Schleswig-Holstein wird erst hoch erglhen, Wenn es nicht mehr die mag’ren Seehund’ nhrt, / Die fetten Triften werden doppelt blhen, Wenn sie nicht mehr die Dnengier verheert. Fnftes Gebot. Abtçdten mußt du alles dn’sche Wesen, Im Holstenland, auskehren mit dem Besen. Was ist das? Aus unsern Herzogthmern mußt du treiben Den alten Zopf vom frechen, dn’schen Quark, Dadurch man dich wollt knechtisch einverleiben, Damit du nie selbststndig wrst und stark. Sechstes Gebot. Mit Dn’mark mußt du ganz und ewig brechen; Durch keinerlei Union laß dich bestechen. Was ist das? Und ob der Fried’rich dich bethçren wollte Durch mancherlei Versprech’n, und Schwr und Trug,. Du weißt ja wie man Treu’ den Schwren zollte Auf die neun Punkte, – das sei genug. Siebentes Gebot. Bestehlen sollst du dich nun nicht mehr lassen, Vielmehr den Dieb auch auf dem Throne hassen. Was ist das? Die Landeskasse sollst du selbst behalten; Die Millionen deiner Steuermacht, Die soll man nun fr dich allein verwalten, Stets Schleswig-Holstein hab’n in seiner Macht. Achtes Gebot. Daß nie ein Dnenkçnig falsch mehr schwçre, Ist’s nçthig, daß dein Volk sich aller wehre. Was ist das? Allein darf Friedrich auch nicht Herzog bleiben, Wir sollen selbst der Kçnig-Herzog sein, Er wrde uns doch wieder einverleiben, Wenn’s ging, wenn es sich machte, dort und hier.

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Neuntes Gebot. Will Dnemark dein Schleswig noch begehren, So soll’st du’s ihm mit Schwert und Kugeln wehren. Was ist das? Wir sollen keine Ruh’, nicht Frieden geben, So lang ein Eiderdn’ nach Schleswig schreit, Denn Schleswig-Holsteiner haben nur ein Leben, Ihr Blut ist einer Seele nur geweiht. Und muß auch Dnemark mit seinen Schulden Vergehen und in’s Nichts versinken hin, Bezahlt’s auch Jtland zu als Kriegsteu’r, ruhig dulden Mußt du den Fall, zuseh’n mit leichtem Sinn. Zehntes Gebot. Laß nicht begehren mehr dein Recht und Geld, Dein Selbst, dein Wrd’, was Dnen sonst gefllt. Was ist das? Wir soll’n nicht mehr auf dnisch commandieren, Nicht dn’sche Mnzen dulden mehr im Land, Als rothrçckige Seehund’ nicht mehr marschieren, Nicht tragen mehr ein Dan’brogs Ordensband. Wir kehren aus den ganzen dn’schen Kramen, Leb ewig wohl Frau Dania – Amen.“

Das Flugblatt ersetzt Gott im Gebotskanon durch neue absolut gesetzte Werte: Es redet entsprechend von der „Freiheit“, von deutscher Identitt und von der Zusammengehçrigkeit der Schleswig-Holsteiner mit Deutschland sowie vom daraus entstehenden „Vaterland“; Anstze einer Ideologisiserung des Bodens durch das auf diesem vergossene Blut sind unverkennbar, ebenso die sich hier im „Siebenten Gebot“ findende Aufforderung zum Haß. Die genuinen Verbote des fnften bis siebten Gebotes werden strukturell umformuliert zu neuen Geboten, die die „Abtçtung allen dnischen Wesens“, den vollstndigen „Bruch mit Dnemark“ sowie ein Ende der dnischen Bereicherung in den Herzogtmern anbefehlen. Gert anschließend das achte Gebot zu einem unverhllten Bekenntnis gnzlicher Volkssouvernitt, variiert sich abschließend der individuelle Hausstandsgedanke des neunten und zehnten Gebotes in den kollektiven Aspekt eines eigenstndigen staatlichen Gebildes der beiden Herzogtmer. Gleiche Intentionen verrt auch „Das Vater Unser der freien SchleswigHolsteiner gewidmet ihrem Herzog Frederek VII in Kopenhagen“191: „Danske Vader, der du warst im Himmel, Als du uns noch aussogst Jahr fr Jahr, Als noch Deine gier’gen Dansken-Lmmel Bei uns nie als Commandçre rar, Als noch Schleswig-Holsteins Millionen Ftterten Dein magres SeehundHeer, Als aus uns’ren Wldern Du Gallonen Bautest fr die Ruberei am Meer. Ach! schimpfirt bei uns ist lngst Dein Name, Fredrick Rex, du Kçnig ohne Land, Blieb noch Schaam in Dir, denk’ „Preußer192 kame“, Prgel gab’s sogar 191 Erschienen in „Rendsburg, Verlag von F.A. Oberreich“ o. J., LAS Abt. 399.52 Nr. 46. 192 Gemeint ist Ludwig Theodor Preußer, der bei einem Rettungsversuch dnischer Seeleute um sein Leben gekommene Befehlshaber der 1848 durch Leutnant Werner von Siemens – den spteren Großindustriellen – errichteten Eckernfçrder

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im eig’nen Land! Packe Dich von uns mit Deinen Dnen, Scheere Dich von uns mit Deinem Jammerreich. Herrsche ber Seehund’ nun mit Grmen, Mach durch Constitution sie thrnenweich; Denn bei uns geschieht nicht mehr dein Wille, Du bekçmmst nicht mehr Dein tglich Brod Von uns, aber Dein hochnasiger Steen Bille193 Kriegt noch Schmerebrç mit Schwerenoth. Wir bezahlen nicht mehr Deine Schulden, Und Du hast doch tchtig angepumpt, Wollen die Pfandjuden ihre Gulden, Trink mit ihnen Schmollis, selbst zerlumpt. Deine Schuld, was Du an uns versndigt, Brandmarkt Dich fr alle Ewigkeit, Als Papa den „offnen Brief“ verkndigt, War zur Antwort Deutschland ja bereit. Laß von Lehmann Dich nicht mehr versuchen, Gieb das Ruberhandwerk endlich auf, Stelle Dich getrost zu den Eunuchen, Impotent war ja Dein Lebenslauf 194. Deutschland hat erlçst uns von dem bel, Zu gehçr’n zu Deinem Lumpenreich, Ach! zum Weinen bringt uns keine Zwiebel, Denken wir, was wir verlier’n, sogleich. Kraft hat Deine Sippschaft nur im Prahlen, Und das ist die ganze Herrlichkeit, Laß Dir nun ein SchleswigHolstein malen, Fahre ab fr uns in Ewigkeit. Horch! Wir jubeln freudig: Amen, Amen! Danske Vader, Kçnig ohne Land, Merke Dir, daß uns’re Brder kamen, Denen Schleswig-Holstein stammverwandt“.

Unverkennbar erscheint in diesem Text das Gefhl der Zugehçrigkeit zur deutschen Nation, deren hier bersehene Problematik jedoch ihre aktuell nur der Vision vorbehaltene Existenz ist. Abgesehen von seiner geringen lyrischen Qualitt zeigt auch dieses Pamphlet die Bereitschaft, nicht nur einen sich auf Jesus zurckfhrenden christlichen Text verfremdet in den Dienst politischer Propaganda zu stellen, sondern diesen auch in den entscheidenden Aspekten zugunsten einer rein immanent-menschlichen Auslegung seiner genuinen Gottesorientierung zu berauben. Mçglicherweise zeigt sich hier ein Ventil fr den im Absolutismus mit seiner Maxime des Gottesgnadentums von jeher unterdrckten Leidensdruck infolge einer schlechterdings nicht zu realisierenden Frstenkritik. Es liegt kein Zeugnis vor, wie die schleswig-holsteinischen Geistlichen auf derartige politisch-satirische Propaganda reagierten. Grundstzlich blieben sie mit dem fr sie wesentlichen Aspekt einer Wahrnehmung der Rechte des „unfreien Landesherrn“ im Horizont eines Denkens, das dem Sdschanze, durch deren Kanonade am 5. April 1849 das dnische Linienschiff „Christian VIII.“ bewegungsunfhig wurde. Die Unbeweglichkeit fhrte im Verlauf des Seegefechtes in der Eckernfçrder Bucht zum Totalverlust des Großseglers; hierzu Detlev von Liliencron, Up ewig ungedeelt. Die Erhebung Schleswig-Holsteins im Jahre 1848, S. 255 – 279, bes. 270 – 277; Gerd Stolz, Die schleswig-holsteinische Erhebung. Die nationale Auseinandersetzung in und um Schleswig-Holstein von 1848/51, S. 121 – 125. 193 Bille war dnischer Seebefehlshaber vor Eckernfçrde. 194 Vgl. o. S. 594 f. Anm. 14.

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revolutionren Geist der eben anvisierten Flugbltter und ihrer satirischen Hme notwendigerweise weit entfernt blieb. Insofern deutet die Propaganda dieser beiden Flugbltter durchaus darauf hin, daß der Geistlichkeit der Herzogtmer im Fortgang der Erhebung zwar die Wahrung eines Schulterschlusses mit weiten Teilen der Bevçlkerung gelungen war, daß es jedoch nichtsdestoweniger Deutungsaktivisten gab, die dem Raum kirchlicher Rede und Spiritualitt grundstzlich den Rcken gekehrt hatten – vielleicht nicht zuletzt auch ein zu entrichtender Preis fr die lang anhaltende kirchliche Staatsnhe und die Vernachlssigung gemeindlicher Bedrfnisse in der seit 1789 zunchst sehr verhalten, dann jedoch zunehmend aufgebrochenen Kritik an der berlieferten Staatsgewalt. Immerhin jedoch hatte mit Claus Harms der prominenteste Geistliche der Herzogtmer im August 1848 die Predigt zur Erçffnung der SchleswigHolsteinischen Landesversammlung gehalten und sich in diesem Vorgang eindeutig zur Erhebung bekannt195. Als dienstltestem Geistlichen vor Ort oblag Harms jene Kanzelrede, welche die eben gewhlte Abgeordnetenschaft der Landesversammlung, die Angehçrigen der provisorischen Regierung196 und deren Gste einzustimmen hatte auf „das wichtige Werk“ einer „Feststellung der Schleswig-Holsteinischen Staatsverfassung“197. Noch Ende Februar 1848 hatte der Kieler Propst seine besondere Verbundenheit mit dem oldenburgschen Kçnigshaus dokumentiert, indem er auf die Stunde genau zeitgleich mit den Staatsfeierlichkeiten anlsslich der Beisetzung Christians VIII. in Roskilde seinerseits in St. Nikolai zu Kiel einen Trauergottesdienst hielt, an dessen Ende er den neuen Kçnig Friedrich VII. als „gerechten“, „milden“ und „gottgegebenen Hirten“ in 195 Claus Harms, Predigt bei der Erçffnung der Landesversammlung am Tage Mari Himmelfahrt oder Copernikus, am 15ten August 1848, Kiel 1848; Neuabdruck als: Befiehl dem Herrn deine Werke, so werden deine Anschlge fortgehen. Predigt ber Spr. Sal. 16,3 bei der Erçffnung der Landesversammlung am 15. August 1848, in: Harms, Ausgewhlte Schriften und Predigten, Band II, S. 374 – 380; es war Harms letzte mit eigener Hand niedergeschriebene Predigt vor dem Ausbruch der Erblindung. Hierzu und zum Kontext der Predigtsituation: Kurt Jrgensen, „Das nennen sie Rebellion, wir nicht also… So sind die Herzogtmer fr ihr nationales Recht aufgestanden“. Claus Harms und die Erçffnung der SchleswigHolsteinischen Landesversammlung am 15. August 1848 in Kiel, in: Adel – Geistlichkeit – Militr. Festschrift fr Eckardt Opitz zum 60. Geburtstag, hg. von Michael Busch und Jçrg Hillmann, Bochum 1999. S. 45 – 57. 196 11 Tage vor dem Abschluß des Malmçer Waffenstillstandsabkommens befand sich die provisorische Regierung noch inklusive Theodor Olshausens voll umfnglich im Amt, vgl. o. S. 615. 197 Claus Harms, a.a.O., S. 374.

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seine Frbitte eingeschlossen hatte198. Ein solches Bekenntnis zum Gottesgnadentum unmittelbar vor dem Ausbruch der Erhebung schien nunmehr dazu angetan, im gottesdienstlichen Auditorium des 15. August erhebliche Bedenken zu wecken199 ; doch griffen die Spitzenaussagen der Harmschen Ansprache die Erhebung nicht an, sondern besttigten sie200, wobei der altersweise Prediger so frei war, verhaltene Versuche einer die Beratungen der Stndeversammlung beeinflussenden Anregung nicht auszulassen201. Diese, auf die Vermeidung einer Trennung von Staat und 198 Hierzu Jrgensen, a.a.O., S. 46. Auf die Vorhaltungen Ernst Wilhelm Hengstenbergs gegenber den schleswig-holsteinischen Geistlichen erklrte sich Harms noch im Mrz 1851 in einem offenen Brief, der am 11. des Monats in den Hamburger Nachrichten erschien: „Ich bin Absolutist, bin es mehr, als vielleicht einer im Lande, gleichwohl heiße ich die Erhebung rechtmßig, wenn diese auf so vielen guten Grnden beruht als die unsrige“, zit. n. Friedrich Wintzer, Claus Harms. Predigt und Theologie, Flensburg 1965, S. 85. Harms argumentiert wie die weiteren an der Erhebung beteiligten Geistlichen mit dem Rechtsgedanken, von dem aus er die Erhebung zu billigen bereit ist. Der Gedanke einer nationalstaatlichen Einigung Deutschlands erscheint bei Harms nicht. 199 Vgl. Jrgensen, a.a.O., S. 46. 200 Vgl. das in Jrgensens Essay genannte Titelzitat der Harmschen Predigt: „Wollet auch daran denken, aus welchem Tun es sich herschreibt, was jetzt getan werden soll. Es ist das die Proklamation am vierundzwanzigsten Mrz dieses Jahres, frhmorgens; das nennen sie Rebellion, in etwas milderem Ausdruck Insurrektion, wir nicht also, wir nennen es Aufstand, ja einen Aufstand, aber wie jemand wider den aufsteht, der ihn beraubet und hat schon eingepackt, will schon forttragen. So sind die Herzogtmer fr ihr Recht, fr ihr nationales Recht aufgestanden, wollten es nicht nehmen lassen“, Harms, a.a.O., S. 376. 201 Harms ebd. S. 376 f.: „Befaßt sie [die Verfassung, L.-P.] auch die Kirche? Zur Antwort: allerdings. Sie ausscheiden aus dem Staat, das wre dem Staat sein Ehrenkleid ausziehen, auf sich selbst die Kirche stellen, das wre die Kirche auf losen Sand setzen, dem Winde der Zeit, welches ist der Zeitgeist, ausgesetzt und den politischen Wogen unserer Tage. Vom Staat die Kirche trennen wrde beider, des Staates wie der Kirche Verfall sein binnen kurzem. Ihr Beisammensein ist das Erstehen beider gewesen, ihre Trennung voneinander wrde das Vergehen beider sein“; Harms hatte sich seit der Mitte der 40er Jahre wiederholt gegen eine Trennung von Staat und Kirche ausgesprochen, ja im beiderseitigen Interesse vor einer solchen Trennung eindringlich gewarnt. Hierzu Friedrich Wilhelm Graf, Die Spaltung des Protestantismus. Zum Verhltnis von evangelischer Kirche, Staat und ,Gesellschaft‘ im frhen 19. Jahrhundert, S. 179: „In einer Trennung der Kirche vom Staat“ sehen konservative Theologen „primr eine aus Frankreich kommende revolutionre Forderung. Eine Trennung der Kirche vom Staat gilt ihnen als gleichbedeutend mit einer christlich illegitimen Emanzipation der politischen Obrigkeit von Gottes Gesetz. Wer im Sinne des aufgeklrten Naturrechts Staat und Kirche zu trennen fordere, gebe eine Grundeinsicht der Reformation, den Glauben an eine eigene gçttliche Legitimitt und Dignitt von Obrigkeit und Stnden,

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Kirche sowie die Verankerung des Staatsgrundgesetzes im verantwortungsethischen Bezugspunkt des christlichen Gottesbildes hinauslaufend, wurden im anschließend exakt einen Monat spter kodifizierten „Staatsgrundgesetz fr die Herzogthmer Schleswig-Holstein“202 jedoch nicht durchgngig umgesetzt. Art. 3 des Staatsgrundgesetzes erklrte die Herzogtmer zu einem „Bestandteil des deutschen Staatsgebietes“203, so daß nach Art. 4 die aktuelle oder knftige „Verfassung Deutschlands“ auf Schleswig-Holstein „ihre volle und unbeschrnkte Anwendung“ fnde204. Neben der Aufhebung jeglicher Privilegien in Art. 12205 und der nach Art. 13 fr alle mnnlichen Staatsbrger unabhngig von der Konfession geltenden Waffen- und Wehrpflicht206 handeln die Art. 33 – 62 „Vom Herzoge“207. Dem knftig selbst eidpflichtigen Herzog208 sichert das

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preis.“ Durchaus auf dieser Linie liegend, behlt Claus Harms auch im Erhebungsjahr 1848 seine Deutung des Weltlichen Regimentes in exklusiv religiçsen Deutungsmustern bei. – Ein weiterer Fingerzeig des Kirchenmannes gegenber den zusammentretenden Stnden findet sich a.a.O. S. 378 f.: „Werden sie dem Herzog eine Sttte, seine Sttte behalten lassen in einer neuen Verfassung? Wir erwarten das. Aber nçtiger noch als der Herzog, ist der Herr, ist Gott, dass er sich zu derselben [der Verfassung, L.-P.] mit seiner Macht und Gnade bekenne“. Damit benennt Harms unter letztlicher Offenlassung der Positionierung des Herzogs eine klare verantwortungsethische Grundlage der anstehenden Bemhungen um das Staatsgrundrecht. Neudruck hg. vom Verein zur Fçrderung des Landesarchivs Schleswig-Holstein e.V.: Die Staatsgrundgesetze 1848/49 in Schleswig-Holstein und Lauenburg, Schleswig 1998, hier S. 17 – 40. Hierzu Manfred Jessen-Klingenberg, Die Schleswig-holsteinische Landesversammlung und das Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, in: Gçttrik Wewer, Hg., Demokratie in Schleswig-Holstein. Historische Aspekte und aktuelle Fragen, Opladen 1998, S. 93 – 106; Claus Bjørn, 1848: Borgerkrig og Revolution, 2. Udgave. 1. Oplag, København 1999, S. 217 – 219; Lorenz Hein, Die Kirche zur Zeit der Stndeversammlungen und der Herauslçsung der Herzogtmer aus dem dnischen Gesamtstaat (Kirche und Staat vor 1864), in: Verein fr Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte. Hans Joachim Ramm u. a., Hg., Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte. Band 5: Kirche im Umbruch, Neumnster 1989, S. 125 – 161; Hans Schultz Hansen, Demokratie oder Nationalismus – Politische Geschichte Schleswig-Holsteins 1830 – 1918, S. 445 f. Die Staatsgrundgesetze 1848/49 in Schleswig-Holstein und Lauenburg, S. 20. Ebd. Diese Erklrung der Legislative implizierte bereits die Entwicklung einer Trennung von Staat und Kirche; hierzu im Folgenden. A.a.O., S. 21. Ebd. Ebd. S. 24 – 28. Die Eidesformel in Art. 34 verlangt vom Herzog folgenden Wortlaut: „Ich gelobe und schwçre die Verfassung und die Gesetze der Herzogthmer Schleswig-Hol-

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Staatsgrundgesetz auf Lebenszeit die Position eines Premierministers zu. Die Art. 100 – 102 ußern sich zum „Verhltniß des Staates zu den religiçsen Gemeinschaften“209 : Nach Art. 100 gewhrt „der Staat […] allen Kirchen- und religiçsen Gemeinschaften gleichen Schutz, Art. 101 sichert das freie religiçse Bekenntnis, und Art. 101 gibt allen Religionsgemeinschaften mit den „Staatszwecken“ eine nicht zu berschreitende Grenze vor210. Die Trennung von Staat und Kirche, vor der Claus Harms nachdrcklich gewarnt hatte, scheint mit diesen Artikeln nicht vollzogen; doch legt genau diese Intention der Art. 103 nahe, der – bezugnehmend auf das Schulwesen – in lapidarer Krze die bisherige kirchliche Schulaufsicht beendet: „Die Verwaltung der Schule wird einer besonderen Behçrde anvertraut werden.“211 stein zu beobachten und die Rechte des Volkes aufrecht zu halten. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort“. An dieser Stelle weist das Staatsgrundgesetz seinen einzigen Gottesbezug auf. 209 A.a.O., S. 33. 210 Mit diesen Anschauungen legt sich das Staatsgrundgesetz der Herzogtmer zumindest nicht expressis verbis auf eine Trennung von Staat und Kirche fest, wie sie wenig spter in der Paulskirche erwogen und angenommen wurde – und bei dauerhafter Geltung des schleswig-holsteinischen Staatsgrundgesetzes gem. Art. 4 eindeutig htte durchgefhrt werden mssen; hierzu Peter Landau, Die Entstehung des neueren Staatskirchenrechte in der deutschen Rechtswissenschaft der zweiten Hlfte des 19. Jahrhunderts, in: Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, hg. von Wolfgang Schieder, Stuttgart 1993, S. 29 – 61, hier S. 34: Die Frankfurter Reichsverfassung von 1848/49 „entwickelte […] nicht nur zum ersten Mal ein umfassendes Grundrecht der Glaubensfreiheit, das ber ltere Toleranzbestimmungen weit hinausging, sondern brachte auch als erste deutsche Verfassung eine normative Regelung der Grundstrukturen eines Staatskirchenrechts, die teilweise bis in die Formulierungen von Weimar und damit auch fr das Bonner Grundgesetz bernommen wurde. Es sind vier Grundstze des Staatskirchenrechts, die in dieser Verfassung festgelegt werden: 1. die Freiheit der Bildung von Religionsgemeinschaften ohne staatliche Genehmigung – Ausdehnung des Prinzips der Vereinigungsfreiheit auf den religiçsen Bereich [Art. V, § 147, Abs. 2 RV]; 2. die Ablehnung des Gedankens einer Staatskirche und damit das Prinzip der Gleichberechtigung aller Religionsgesellschaften [Art. V, § 14, Abs. 2 RV]; 3. die Selbstndigkeit der Religionsgemeinschaften in der Ordnung ihrer Angelegenheiten [Art. V, § 147, Abs. 1 RV]; 4. die Unterwerfung der Religionsgemeinschaften unter die allgemeinen Staatsgesetze“ [Art. V, § 147, Abs. 1 RV].“ 211 Die Staatsgrundgesetze 1848/49 in Schleswig-Holstein und Lauenburg, S. 34; nach Art. 104 scheinen Geistliche von der Teilnahme an der Schulaufsicht nicht grundstzlich ausgeschlossen: Hier findet sich ein Verweis auf ein noch zu beschließendes Regulierungsgesetz.

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Sechs Tage vor der Erçffnung der in Kiel tagenden Stndeversammlung hatte Michael Baumgarten sein Vorwort zur Niederlegung seiner „Zwçlf Thesen ber die Gegenwart und Zukunft der Kirche“212 abgefaßt, die anschließend rasch in Druck gingen und „damals berechtigterweise grosses Aufsehen“ erregten, „weil ihr Verfasser den Mrzsturm nicht als Ausgeburt der Snde verdammte […], sondern sie als ein Warnungszeichen Gottes zu verstehen suchte“213. Die Mrzereignisse und ihre Folgen als gçttlichen Bußruf verstehend, postuliert Baumgarten eine Neuorientierung des Verhltnisses von Staat und Kirche; von jeher voller Opposition gegen alles Staatskirchentum hatte er die Frsten nie als Gesalbte Gottes anzuerkennen vermocht. Nun gelangt er im Verlauf des Sommers 1848 zu folgenden zwçlf Thesen: „1. Die durch Constantin gegrndete und in Anlaß der Kirchreformation weiter ausgebildete Verbindung der Kirche mit dem Staate ist durch die neuesten politischen Bewegungen dem Princip nach aufgehoben.

212 M.[ichael] Baumgarten, Zwçlf Thesen ber die Gegenwart und Zukunft der Kirche, Schleswig 1848; vgl. hier das Vorwort ohne Seitenzahl. 213 Walter Nigg, Kirchliche Reaktion. Dargestellt an Michael Baumgartens Lebensschicksal, Bern / Leipzig 1939, S. 34 f.; ebd. S. 35: „Fr Baumgarten war die 48er Revolution eine Mahnung und ein Bussruf an das Gewissen der Christen, und er sah in ihr die ersten Geburtswehen einer neuen Zeit. Aus diesem Geschehen erwuchs fr ihn die Frage, ob die Kirche auf diese Ansprache vom Himmel auch die richtige Antwort gebe oder ob sie nach anfnglicher, vorbergehender Anpassung nur daran denke, den ihr in die Glieder gefahrenen Schreck baldigst wieder zu vergessen, wie es hernach auch geschehen ist“. Auch der Flensburger Pastor Christian August Valentiner, Kommilitone und Freund Uwe Jens Lornsens, interpretierte die Ereignisse des Jahres 1848 unter Inanspruchnahme der „Vorsehung“, wenngleich ganz anders als Baumgarten; im Schlußwort eines 1848 abgefaßten politischen „Bekenntnisses“ ußert dieser: „Das will ich gerne bekennen: der hçchsten Freude hielt’ ich es fr werth […] wenn, wie wir jetzt glauben mssen, in dem Rath der Vorsehung es beschlossen ist, dass unsere deutschen Herzogthmer fortan auch ußerlich dem deutschen Volk und deutscher Lebensgemeinschaft angehçren sollen“, [Valentiner], Erinnerungen aus Kriegs- und Friedenszeiten, geschrieben auf einer Reise von Hamburg nach Helgoland im August 1851. Von einem abgesetzten Schleswiger Geistlichen, S. 74. Valentiners Erlebnis der Revolution als Bruch des Zeitbewußtseins spiegelt sich auch in der folgenden Bemerkung, ebd. S. 73: „Am 6. August 1848 wollen deutsche Herzen und Hnde das deutsche Reich wieder herstellen. Alle Frsten und alle Heere des Volks werden dem Erzherzoge Johann von Oestreich als erwhltem Reichsverweser ihre Huldigung leisten […] Grçßere Tage, als in diesem Sinne der 6. August d. J. sein wird, haben wir, auch wenn wir alt sind, fr die Geschichte nicht erlebt“.

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2.

In dieser Thatsache haben wir ein Gottesgericht ber den in dieser Verbindung liegenden Fehler zu erkennen. 3. Demnach ist die Auflçsung dieser Verbindung auf keine Weise zu hindern, im Gegentheil, sowie die Kirche dringend verpflichtet ist, einerseits der Advocatie des Staates vçllig zu entsagen, so hat sie andererseits ihre Autonomie von dem Staate zurckzufordern. 4. Dieser Entsagung sowohl als dieser Anspruch, nçthigen uns, mit dem Glauben an den heiligen Geist und an die allgemeine christliche Kirche mehr Ernst zu machen, als bisher. 5. Der neubelebte Glaube an den Grund und an das Wesen der Kirche wird uns zeigen, daß die Verschiedenheiten der einen allgemeinen Kirche unter Mitwirkung der sich einmischenden Staatsgewalt zu feindlichen Gegenstzen geworden sind. 6. Dieser Glaube erweckt im Hinblick auf die Zukunft, welche die Einmischung politischer Rcksichten und Mittel von dem Gebiete der Religionsstreitigkeiten verbannen wird, die Hoffnung auf eine Verstndigung und Vereinigung der confessionellen und religiçsen Parteien. 7. Bei solchem Glauben und solcher Hoffnung ist die Selbstorganisierung der Kirche im umfassendsten Sinne eine Mçglichkeit und eine Aufgabe, welcher sich alle Krfte der Kirche zu unterziehen haben. 8. In der Kirche hat die breite Basis noch mehr Berechtigung als im Staate. 9. Das Recht, als Mitglied der Kirche betrachtet zu werden, kann nur durch Selbstentscheidung erworben werden. 10. Die Selbstentscheidung muß einen mehr ethischen, als dogmatischen Inhalt haben. 11. Diese Selbstentscheidung, welche durch die Zeit und die Thtigkeit der selbstbewußten Glieder der Kirche herbeigefhrt wird, giebt sich kund in der Erklrung, auch in Zukunft der nunmehr allen fremden Wesens entußerten Kirche angehçren zu wollen. 12. In der auf dieser Basis ruhenden Gemeinschaft wird leiten, bestimmen und constituiren der Glaube der Individuen der theologischen und praktischen Richtungen und der Confessionen je nach dem Maße der ihm innewohnenden Kraft, dem durch jene Selbstentscheidung zum Bewußtsein gekommenen rein kirchlichen Bedrfniß Befriedigung zu gewhren.“214 214 Michael Baumgarten, Zwçlf Thesen ber die Gegenwart und Zukunft der Kirche, Kiel 1848, S. 5.

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Baumgarten postuliert in seiner Thesenreihe eine geistgeleitete Kirche215, die ihrer im Gottesgericht der jngsten revolutionren Ereignisse verurteilten Verbindung mit dem Staat vçllig entsagt, sich fr çkumenische Intentionen çffnet, Religionsfreiheit praktiziert und sich im neubelebten Glauben auf ihr eigenes „Wesen“216 konzentriert. Maßgeblich fr die Leitung der Kirche hlt Baumgarten jene konfessionellen und theologischen Auffassungen, die sich am Ende eines kollektiven Auseinandersetzungsprozesses letztlich durch Mehrheitsentscheid der vom Geist gefhrten Kirchenglieder herauskristallisieren. In Baumgartens Thesen zeigt sich somit ein konsequent pneumatologisches Verstndnis von Kirche und eine endzeitliche, zur Entscheidung und zur Buße rufende Auffassung von Revolution und Erhebung. Damit spiegelt sich in diesen ußerungen der Versuch, die mit Revolution und Erhebung einhergehenden Wandlungen der Gesellschaft fr die kirchliche Gemeinschaft adaptierbar werden zu lassen. Der Tribut dieses Versuches liegt in der Hochschtzung des demokratischen Prinzips hinsichtlich der Gewinnung und Feststellung verbindlicher kirchlicher Inhalte zuungunsten einer im reformatorischen Erbe beibehaltenen Autoritt der Heiligen Schrift: Baumgarten betont damit den Geist strker als den Buchstaben der berlieferung und kann deswegen sowohl das Postulat jeweiliger Aktualitt der Verkndigung als auch die demokratischen Intentionen seines Zeitalters von vornherein in seinen ekklesiologischen Ansatz integrieren217. Mit solcher Akzentuierung einer 215 Auch die Predigt hat fr Baumgarten ein Erzeugnis des Geistes sein; sie muß ihre Entstehung einer „Inspirationswirkung verdanken“, ders, Liturgie und Predigt. Ein theologischer Tractat, Kiel 1843, S. 79; ebd.: „Die Predigt beruht auf der Gabe der Prophetie, welche der Kirche so gewiss verbleiben muss, als sie nicht in die Welt und in den Geist der Welt versinken darf“. Damit bleibt die Kirche außerhalb der Welt – die Konsequenz fr Baumgartens rckwirkende Beurteilung der Staatskirche liegt mit diesem Postulat auf der Hand. 216 Aufflligerweise spricht Baumgarten in diesem Zusammenhang nicht von der Heiligen Schrift. 217 Hierzu Walter Nigg, Kirchliche Reaktion. Dargestellt an Michael Baumgartens Lebensschicksal, S. 34: „Es stand fr ihn [Baumgarten, L.-P.] ausser jeder Diskussion, dass vor allem die Predigt einer eingehenden Reformation bedrfe, die nicht bloss in kleinen usseren Zutaten bestehen kçnne, sondern nur durch eine Vertiefung in ihren ewigen Urgrund zu erreichen sei, wodurch die verstopften Quellen wieder zum Sprudeln kmen. Die damalige Predigt litt nach Baumgarten an einer beispiellosen Ohnmacht, indem sie fast wirkungslos verhallte“. Ein halbes Jahrzehnt nach dem Ende der Erhebung ußerte Baumgarten sich als heimatvertriebener Rostocker Professor nher zur Wirkungslosigkeit der zeitgençssischen kirchlichen Predigt, die den Stempel des Geistes nicht mehr erkennen lasse: „Die Predigt, wie sie durchwegs beschaffen ist, faßt nur das Individuum ins Auge, und zwar mçglichst getrennt und

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demokratischen Verfassung der Kirche bleibt Michael Baumgarten nicht allein; auch Ludwig Christian Schrader,218 zunchst Pastor in Bredstedt, spter an St. Nikolai in Kiel, erçrtert im Jahre 1849 die knftig denkbare Gestalt der Kirche jenseits des im Staatsgrundgesetz der Herzogtmer wie gesondert, sowohl von seinen natrlichen wie von seinen geheiligten Zusammenhngen; sie hat berhaupt ihren eigentlichen ursprnglichen Ton fast ganz verloren. Die meisten Predigten der Gegenwart, soweit sie nicht Schriftauslegung sind und dies berwiegend in atomistischer Weise, sind wesentlich Conventikelreden. Ich frage: wo ist der weltberwindende Ton, der der Predigt von Christo verheißen ist, der Ton, den Himmel und Erde verstehen, dem kein Gewissen sich entziehen kann, sondern es muß sich entscheiden fr und wider? […] Wir sind der Gegenwart nicht mehr mchtig und darum greifen wir zu allerlei knstlichen und unreinen Mitteln, um unsere angeerbte Stellung in der Welt zu behaupten und merken nicht, daß wir uns damit das Zeugniß unserer Ohnmacht ausstellen und zwar einer bewußten, whrend wir uns aufraffen sollten, und in die gçttlichen Urtiefen unseres Glaubens und unserer Wissenschaft eindringen, um in der Kraft des Heiligen Geistes dem tief beschmenden Mangel abzuhelfen“, Michael Baumgarten, Nothgedrungenes Wort in einer schleswigschen Sache. Eine theologische Appellation an das deutsche Volk, Braunschweig 1856, S. 58 f. – Es ging Baumgarten also gerade nicht um eine simple Besitzstandswahrung kirchlicher Rechte und Pfrnde, wie sie das weithin wieder erneuerte Staatskirchentum – gerade auch in den Herzogtmern Schleswig und Holstein unter dem Vorzeichen der Danisierung – nach 1851 reetablierte: Ein Jahrzehnt nach Beendigung der Erhebung forderte der Rostocker Ordinarius Baumgarten, die Kirche habe „in ihrer Ethik ein grosses Kapitel nachzutragen […], nmlich die Lehre, dass man vom biblischen Standpunkt aus immer nur vom Rechte des Frsten zu sprechen pflegt, von den Rechten des Volkes aber niemals“, ders., Der kirchliche Nothstand in Mecklenburg. Ein fliegender Brief an die deutsche Christenheit, Leipzig 1861, S. 13. Schon Friedrich Christoph Dahlmann hatte 1815 die Auffassung vertreten: „Eine heilige Sache ist der Staat. Wohl hat die Schrift recht, wenn sie Kçnige und Obrigkeiten von Gott eingesetzt nennt, aber sie sind es doch nur in sofern, als das Volk es selber ist“, ders., Ein Wort ber Verfassung, in: Kieler Bltter 1 / 1815, S. 47 – 84 S. 56. 218 Zu diesem bereits o. S. 634 Anm. 185; cf. a. Otto Fr. Arends, Gejstligheden i Slesvig og Holsten, Band II, S. 241 f. – 1815 in Hadersleben geboren, hatte Schrader in Kopenhagen, Kiel und nach 1837 auch in Jena studiert. 1840 legte er sein Examen in Gottorf ab und wurde fnf Jahre spter Pastor in Bredstedt. Whrend der Erhebung gelangt er nach der Emeritierung von Claus Harms, dem Archidiakonus Wolf im Amt folgte, auf die frei gewordene Stelle des letzteren; 1860 – also noch whrend der dnischen Herrschaft – wurde Schrader zum Mitglied der holsteinischen Stndeversammlung erwhlt, drei Jahre spter jedoch aus dem Archidiakonat entlassen. Einer Wiederaufnahme seiner Ttigkeit im selben Amt folgte eine zweite Entlassung aus demselben zu Beginn der preußischen ra im Jahre 1866. Seit 1868 amtierte Schrader kurzzeitig als Pastor in Ansbach, wechselte im Folgejahr nach Regensburg, wo er dreizehn Jahre ttig blieb, bis er 1882 nach Aeschbach am Bodensee berufen wurde. Schrader starb im Oktober 1907 in Kiel.

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auch seitens der Paulskirche aufgegebenen Staatskirchentums219, wenn auch unter gegenber Baumgarten variierenden Gesichtspunkten. Schrader definiert die Kirche als „gottgeordneten, gemeinschaftbildenden Lebensorganismus zur Entwicklung des gottmenschlichen Lebens auf Erden“220. Unverkennbar zeugt diese ußerung von einer dynamischen Auffassung der Kirche, die „auf Erden“ eine zwar letztlich partikulare, dafr jedoch einzigartige Aufgabe und Funktion einzunehmen habe: Die Realisierung „gottmenschlichen Lebens“. In der Wahrnehmung ihrer Ziele kçnne die Kirche, so Schrader, „unter allen Umstnden nicht revolutionr zu Werke“ gehen221; ohnehin sei die „Landesregierung Inhaberin der Kirchengewalt“222. Mit dem grundstzlichen Revolutionsverbot fr die Kirche verbindet der Autor den unmittelbaren Hinweis auf die Gehorsamspflicht der kirchlichen Gemeinschaft gegenber der gesamtheitlich erwhlten Gewalt und damit gegenber einer Obrigkeit, die sich ihrerseits nicht unbedingt und in jeder Hinsicht der „Gottesordnung“ verpflichtet sehen muß. Innerkirchlich jedoch will Schrader im „gottgeordneten Lebensorganismus“ demokratischen Prinzipien zum Zuge verhelfen. Die Leitung der Kirche solle nicht mehr den Geistlichen vorbehalten sein, sondern durch eine gewhlte „Kirchenversammlung“ als Reprsentanzorgan der gesamten Gemeinde wahrgenommen werden. Denn „damit daß etwa Geistliche regieren, ist das Regiment um nichts kirchlicher, ihren kirchlichen Charakter kann die Kirchenversammlung nur als eine Reprsentation der Gesammtgemeinde, durch ordnungsgemße Wahl aus der Gesammtgemeinde hervorgegangen, erhalten“223. Von daher postuliert Schrader die „Einrichtung eines Presbyteriums in jeder Gemeinde“ als unverzgliche gesetzliche Anordnung224. Die Gemeinsamkeit der ekklesiologischen Intentionen und Postulate Baumgartens und Schraders liegt neben der geistigen Anleihe beim demokratischen Prinzip hinsichtlich der Kirchengestaltung in der deutlichen Bereitschaft beider Pastoren zu einer Verabschiedung vom Leitbild eines 219 L.[udwig Christian] Schrader, Die Kirchenverfassungsfrage mit Rcksicht auf die nothwendig gewordene Verfassungsreform der evangelisch-lutherischen Kirche Schleswig-Holsteins, Altona 1849. 220 Ders., ebd. S. 51. 221 Ebd. S. 240 [Hervorhebung im Original]. 222 Ebd. An die Stelle des frstlichen Souverns mit seiner Stellung als summus episcopus im reformatorischen Erbe tritt bei Schrader nunmehr die aktuell durch allgemeine Wahl berufene „Landesregierung“. 223 L.[udwig Christian] Schrader, a.a.O., S. 242. 224 Ebd. S. 243.

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christlichen Staates. Sowohl Michael Baumgarten als auch Ludwig Christian Schrader erkannten im Umfeld der 1848er Ereignisse in Schleswig-Holstein, daß unter den nunmehr mit dem Ende des Absolutismus eingetretenen Verhltnissen die politisch-soziale Ordnung nicht mehr durch einen berlieferten christlichen Staat zu verwirklichen sei, sondern durch jenen Staat, der sich in seinem „Staatsgrundgesetz“ durchaus als weltanschaulich neutral zu erkennen gegeben hatte. Wenn daher der Staat auf Distanz zur Kirche gegangen war, stellte letzterer sich die Frage nach ihrer Positionierung innerhalb der neu entstandenen Situation. Bereits die Erhebung der Herzogtmer gegen Dnemark ließ sich – auch im eigenen Selbstverstndnis als legitime Antwort auf eine illegitime Kopenhagener Revolution – interpretieren als ein dem Gewissen und dem Recht verpflichtetes, die Grenzen des Staates aufzeigendes Geschehen. Zwischenzeitlich hatte eine Geistlichkeit, die dieser Erhebung ihre Zustimmung nicht verweigerte, eben hierdurch fr sich zum Ausdruck gebracht, daß es fr einen Christen keinen absoluten, d. h. bedingungslosen Gehorsam gegenber dem Staat und jedweder Obrigkeit geben kçnne. Auch wenn die Geistlichen der Herzogtmer stets bemht waren, die Legitimitt der provisorischen Regierung bzw. der Statthalterschaft als Vertretungsinstitution des „unfreien Herzogs“ herauszustellen, so folgten sie damit einer sich gegen den „Kçnig-Herzog“ stellenden, faktisch revoltierenden Obrigkeit. Dies war nur mçglich nach einer zuvorigen Wahl zwischen den Obrigkeitsalternativen, die die dnische Herrschaft und ihren aktuell eiderdnisch orientierten politischen Willen als verwerflich beurteilte, um statt dessen dem von den Protagonisten der Erhebung benannten politischen Gegenprogramm Folge zu leisten. Damit hatte die Kirche in den Herzogtmern ihre Stellung als integraler Bestandteil des dnischen Gesamtstaates aufgegeben. Der im Staatsgrundgesetz der Herzogtmer neu formierte Staat wies der Kirche seinerseits unter dem Leitaspekt eines zur Toleranz bereiten religiçsen Pluralismus einen neuen Ort zu, von dem aus der kirchlichen Gemeinschaft als Teilmenge des gesellschaftlichen Gebildes nur dort Grenzen gesetzt waren, wo sich staatliche Interessen gefhrdet gesehen htten. Insofern zeichnete sich eine Zukunft der Kirche in den Herzogtmern ab, in der diese frei und unabhngig von staatlicher Bevormundung ihre Verhltnisse zu ordnen in der Lage gewesen wre, ohne dabei auf eigene gesetzlich ermçglichte Bindekraft und Normativitt gegenber ihren Angehçrigen zu verzichten225. 225 Vgl. zu diesem sich im Erhebungszeitraum abzeichnenden kirchlichen Verhltnissen die Intentionen der Philalethen aus dem Jahre 1830, o. S. 498 f.

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Die von Baumgarten und Schrader zu Beginn der Erhebung gegebenen Impulse fr eine Neupositionierung der evangelischen Kirche im Staatsgefge nahmen den mit der Erhebung entstandenen status quo auf und offerierten konkrete Handlungsmçglichkeiten fr die Neugestaltung des Kirchenwesens in den Herzogtmern226. Der in der Reformation wiederentdeckte biblische Gedanke eines „Priestertumes aller Glubigen“227 sah sich in den berlegungen beider Theologen durchaus modern rezipiert; unter den aus den revolutionren Ereignissen adaptierten demokratischen Intentionen trat er im Postulat presbyterialer Gemeindeverfassung ebenso zutage wie in der Vorstellung einer durch die Gemeinden whlbaren Kirchenleitung. Auch fanden individuelles Gewissen und persçnliche Vernunft wieder jenen Raum zur Erçrterung, den ihnen eine von Harms in den Herzogtmern jahrzehntelang beeinflußte Theologie verengt hatte, in der beide als zweckhafte Berufungsinstrumente des gegen Gott handelnden Menschen beurteilt worden waren228. Realisiert werden konnten diese berlegungen und die von ihnen ausgehenden Anregungen jedoch nicht; notwendigerweise blieben sie mit dem Niedergang der Erhebung auf dem Papier229. Die Heranbildung einer selbstbewußt dem Staat gegenberstehenden Kirche sollte einer ferneren Zukunft vorbehalten bleiben, ebenso die Antwort auf die fr die Geistlichen whrend der Erhebung so verhngnisvolle Frage nach dem angemessenen Verhltnis zwischen Christen und den Inhabern der Staatsgewalt. 1850/51 endeten die Bemhungen um 226 Das Gewicht der Persçnlichkeit Michael Baumgartens im zeitgençssischen Kontext der schleswig-holsteinischen Erhebung zeigt nicht zuletzt die Tatsache, daß dieser Schleswiger Geistliche in einem Wahlakt dazu bestimmt wurde, der in Kiel tagenden Landesversammlung eine danksagende und ermutigende, aus den verschiedenen Regionen der Herzogtmern zusammengetragene „Adresse“ zu berreichen; vgl. Baumgarten, Die berreichung der Schleswig-holsteinischen Adresse an die Landesversammlung am 5. November, Kiel 1849. Seine Impulse fr eine knftige vom Staat getrennte Kirche htten – so lßt sich zumindest vermuten – durchaus breitflchig Gehçr und Realisierung gefunden. 227 Vgl. 1 Petr 2.9 f.; Apk 1,6. 228 In seiner 1861 in Rostock erschienenen Publikation ber „Christliche Selbstgesprche“ ußert Baumgarten, daß sein geistlicher Ziehvater Claus Harms „allzu rasch Vernunft und Gewissen als seine Ppste und Antichristen“ benannte, „auf die sich doch Luther in Worms berufen“ habe, a.a.O., S. 120. 229 Geradezu exemplarisch fr den Weg zahlreicher schleswigscher Geistlicher ins Exil schildert Walter Nigg, Kirchliche Reaktion. Dargestellt an Michael Baumgartens Lebensschicksal, S. 47 die Flucht Baumgartens „auf einem Bauernwagen mitsamt Frau und zwei kleinen Kindern; mit knapper Not entkam er ber die Eider und mußte auf mecklenburgischem Boden Zuflucht suchen“.

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einen Neuaufbau der evangelischen Kirche in den Herzogtmern Schleswig und Holstein in einer Katastrophe: In eben jenem geschichtlichen Augenblick, in dem die Pastoren ganz an der Seite der sich erhebenden Gemeinden standen und diese Gemeinden ihnen mit Zutrauen und Zuneigung230 begegneten, bereiteten Amtsenthebungen und Vertreibungen auf der einen sowie die Restaurierung einer dnischen Staatskirche auf der anderen Seite diesem in Konflikt, Krieg und Not geronnenen engen Verhltnis ein jhes Ende.

230 Wiederum beispielhaft der schriftlich dokumentierte Protest von 438 Haushaltsvorstnden der Gemeinde Apenrade sowie der çrtlichen Lehrerschaft gegenber der Landesverwaltung nach der Zwangsverabschiedung des Generalsuperintendenten fr die dnischsprachigen Gemeinden Schleswigs sowie Propsten von Apenrade, Johannes Andreas Rehhoff – zu diesem o. S. 575 – 577 sowie S. 627 –, am 21. Januar 1850. Rehhoff hatte zuvor bei der Landesverwaltung verschiedentlich Widerspruch gegen die begrndungslose Entlassung von Geistlichen aus seinem Verantwortungsbereich eingelegt; hierzu Lorenz Peter Wree, Johannes Andreas Rehhoff – ein nordschleswigscher Glaubenszeuge nach 1800, S. 95 – 99. Immerhin sieben Prozent der Geistlichen des Herzogtums Schleswig – vgl. o. S. 620 – verloren ihr Amt im weiteren Verlauf der Entwicklung auf Grund ihres mit Rehhoff solidarischen Protestes. Dieser wurde am 25. Mai 1861 Hauptpastor an der St. Michaelis-Kirche in Hamburg.

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Die Ideen der Franzçsischen Revolution von 1789 von der Freiheit und Rechtsgleichheit der Menschen (Menschenrechtserklrung) und das durch Rousseau begrndete Postulat der Bruderschaft aller Menschen treten mit religiçser Intensitt ins Bewußtsein der Zeitgenossen. Die Franzçsische Revolution von 1789 intendiert eine Neuformierung der Gesellschaft nach den Idealen der brgerlichen Aufklrung. Mit der revolutionren Alternative eines zunehmend skularisierten Weltbildes verbinden sich eine Verwerfung des institutionalisierten kirchlichen Anspruches gegenber der Welt sowie eine wesentliche Entsakralisierung der Monarchie. Der wesentlich sittliche Gehalt der revolutionren Ideen von 1789 kann durchaus als skularisiertes Christentum verstanden werden. Das statische, nicht zuletzt in der protestantischen Theologie berlieferte Bild der verderbten Welt trifft in und mit der Revolution auf ein dynamisches Gegenbild von Welt und Weltgeschehen, das seinerseits dem Gedanken an eine durch den Menschen mit immanenten Mitteln herbeifhrbare Vervollkommnung von Mensch und Welt Raum gibt. Der Erfolg der revolutionren Ideen wurzelt im Bild des aufgeklrten Menschen, der sich auf sich selbst gestellt sehen will und das Evangelium – wenn berhaupt – von der Ethik her interpretiert. Medien, franzçsische Revolutionsflchtlinge und aus Schleswig und Holstein stammende direkte Augenzeugen schildern den revolutionren Terror wie auch die Auswirkungen der Dechristianisierungsideologie. Diese Informationen stellen die Menschen in den Herzogtmern in die Entscheidung fr und wider die Revolution. Dabei spaltet sich die Revolutionsrezeption in den beiden Herzogtmern in eine brgerliche und eine konservativ-kirchliche Auswertung der revolutionren Ursachen und Geschehnisse. Das spezifisch brgerliche Interesse an der Revolution knpft am menschheitlichen Fortschrittsgedanken an. Nachhaltiger Trger dieser wohlwollenden Erçrterung der revolutionren Ideen wird das politisch aktive Brgertum der Herzogtmer, das neben der Idee des

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Allgemeinen Willens die revolutionren Intentionen der Freiheit, Rechtsgleichheit und Brderlichkeit der Menschen intensiv erçrtert, sich von aller revolutionren Gewalt jedoch vehement distanziert. In den gesellschaftlichen Teilbereichen der Staatskirche, der orthodoxkonservativen christlichen Gemeinde sowie des Erbadels macht sich die Revolutionsrezeption nach 1789 vorrangig am Umsturz der berlieferten, als gottgewollt verstandenen Gesellschaftsordnung fest. Dies fhrt zu grundstzlicher Distanzierung von den revolutionren Ereignissen in deren Grundlagen und Auswirkungen. Eine wesentliche Gemeinsamkeit zwischen dem der Revolution zugrunde liegenden, aus der Aufklrung hervorgegangenen Gedankengut und der in den Herzogtmern bis ins 19. Jahrhundert hinein weit verbreiteten Aufklrungstheologie liegt in der gemeinsamen Vorstellung einer grundstzlichen Perfektibilitt des Menschen. In der Inanspruchnahme Luthers als Mittler eines sich in der Reformation auswirkenden Heilsprozesses zeigt sich fr die rationalistische Predigt eine wesentliche geistige Nhe zum aufklrerischen Menschenbild, das dem Menschen letztlich die Befhigung zur eigenen Erlçsung zubilligt und eine theologia crucis mit deren wesentlichem Aspekt eines stellvertretenden Shnetodes Christi ausklammert. Entscheidend fr die Weitergabe aufklrerischer Intentionen in den Herzogtmern wird nach 1789 im Bereich der Herzogtmer Schleswig und Holstein die Landesuniversitt in Kiel. Von sekundrer Bedeutung ist diesbezglich das Kieler Schullehrerseminar. An der Christian-Albrechts-Universitt zu Kiel wird bereits zu Beginn der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts – also nicht erst durch Friedrich Christoph Dahlmann nach 1815 – zum ersten Mal durch den Rechtswissenschaftler Wilhelm Ernst Christiani die Erinnerung an die historischen Fundamente der Landesrechte und damit die Frage nach der Dauerhaftigkeit der Bindung an den dnischen Landesherrn wachgerufen. Die whrend der Befreiungskriege sdlich der Elbe in Deutschland vollzogene Amalgamierung religiçser, nationaler und demokratischer Impulse wird prgend fr die burschenschaftliche Bewegung. Studenten aus Schleswig und Holstein bringen diese Impulse mit ihrer Rckkehr in die Herzogtmer. Auffallend ist der Anteil von Studenten der Theologie aus Holstein und Eutin in der Ausrichtung des Wartburgfestes. Die whrend der Freiheitskriege geronnene Suche nach deutscher Identitt und Einheit stellt unterschwellig auch ein theologisches Problem dar, da die hier

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zutage tretenden Skularisierungstendenzen neue innere berzeugungen und Positionen einfordern. Bleibt der durch Friedrich Graf Reventlow unternommene Versuch einer Restaurierung der lutherischen Theologie in den Herzogtmern auf institutionell-organisatorischem Weg erfolglos, so bleibt es dem brgerlichen Pastor Claus Harms vorbehalten, mit dem Reformationsjubilum 1817 den innerkirchlichen Diskurs ber die der Sptaufklrung nicht faßbaren Lehren – insbesondere der Trinitts-, der Zwei-Naturen- und der Versçhnungslehre – erfolgreich wachzurufen. Die Geistlichkeit der Herzogtmer zeigt sich in der Folge des Reformationsjubilums primr damit beschftigt, den Gemeinden die neu aufgeworfene Alternative zwischen etablierter Aufklrungs- und wiederentdeckter Offenbarungstheologie darzustellen. Die aktuellen politischen Entwicklungen werden dabei genauso wenig in die Verkndigung einbezogen wie die sich im zeitgençssischen Umfeld zunehmend dringlicher stellende soziale Frage. Das soziale Problem einer teilweise verarmten Bevçlkerung erscheint in den Predigten beider Richtungen – der Aufklrungstheologie wie auch der Neoorthodoxie – als selbstverschuldet oder als individuell auferlegte Tugendprfung. Soziale Mißstnde werden damit nicht in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung gesehen. Mit der Verleihung staatlicher und politischer mter zunehmend an jene Studienabsolventen, die sich als Angehçrige deutscher Burschenschaften entschlossen den Zielen der brgerlichen Verfassungsbestrebungen verpflichtet sehen, driften politisiertes Brgertum und staatskirchliche Geistlichkeit zunehmend auseinander. Vor diesem Hintergrund reprsentieren die schleswig-holsteinischen Geistlichen im gesellschaftlichen Diskurs der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts eine konservative Gruppierung, die die entscheidenden gesellschaftlichen Entwicklungen ihrer Zeit wesentlich ignoriert und diese de facto in der Durchfhrung ihrer Kanzelrede sich selbst berlßt. In der Folge der Julirevolution von 1830 offenbaren die Pastoren der Herzogtmer Intentionen, die der vorerst noch ruhigen politischen Lage in ihrer Intensitt kaum entsprechen, dafr aber geeignet sind, eine Trennung zwischen staatsbefrwortender, absolutismusbejahender Geistlichkeit auf der einen und erstarkendem, oppositionellem Brgertum auf der anderen Seite herbeizufhren. Als kirchlich distanzierte politische Avantgarde formiert sich seit der franzçsischen Revolution des Jahres 1830 ein anwachsender Kreis

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junger, in hoher Verantwortung stehender Juristen, dem die offenbare Treue der Geistlichen gegenber der Krone als ein religiçs fundiertes Bndnis zwischen Kirche und Absolutismus erscheint. Denunziatorische Vorkommnisse, in denen einzelne Geistliche wie der Kieler Pastor Claus Harms unter Berufung auf den von ihnen abgelegten Homagialeid der Regierung Mitteilungen ber Zusammenknfte politisch Oppositioneller zugehen lassen, indizieren eine wesentliche Distanz zwischen Staatskirche und vormrzlichen Deutungsaktivisten. Mit der Behauptung einer Unfreiheit des Landesherrn verstehen es die politischen Protagonisten der Herzogtmer seit dem 24. Mrz 1848, auch fr die im berlieferten protestantischen Obrigkeitsdenken verwurzelte Geistlichkeit der Herzogtmer adaptionsfhig zu werden. Als Inhaber der Staatsgewalt gilt der herzogliche Landesherr; damit bleibt die Vorstellung des Gottesgnadentums des Souverns ideell bewahrt. Jede Volkssouvernitt wird definitorisch ausgeschlossen, wenngleich sie implizit definitiv Wirkungen zeigt. Hinter dem Dissenz zwischen den schleswig-holsteinischen Geistlichen und den preußischen Konservativen um Ernst Wilhelm Hengstenberg ber die angemessene Auslegung von Rçm 13, 1 – 7 stehen als politisch-ideologische Grundlagen die Alternativen der neuen Solidaritt der Nation und der alten Autoritt des Staates. Zu den wenigen Geistlichen der Herzogtmer, die ihre absolutismuskonformen Auffassungen aufgeben, gehçrt Michael Baumgarten. Seine Vorstellungen einer demokratischen, geistgeleiteten und vom Staat getrennten Kirche antizipieren diesbezgliche Ziele und Entwicklungen in den deutschen Landeskirchen des 20. Jahrhunderts. Durch die Fiktion der landesherrlichen Unfreiheit gelingt den Geistlichen der Herzogtmer zwischen 1848 und 1851 ideell der Spagat zwischen Obrigkeitsgehorsam – und damit einer wesentlichen Wahrung des berlieferten Bekenntnisstandes – und realisierter Nhe zu ihren Gemeinden.

Abkrzungsverzeichnis ADB

Allgemeine Deutsche Biographie, hg. durch die historische Commission bei der Kçniglichen Akademie der Wissenschaften, Leipzig 1875 – 1912 ApuZ Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament BBKL Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, begr. von Friedrich-Wilhelm Bautz, Bd. I – II Hamm 1990, hg. von dems.; Bd. III – XVIII Herzberg 1992 – 2001, Bd. XIX – XXXI Nordhausen 2001 – 2010, hg. von Traugott Bautz DBL Dansk Biografisk Leksikon, udg. fra Carl Frederik Bricka, Bd. 1 – 15, Kjøbenhavn 1887 – 1905 Dansk Biografisk Leksikon, red. fra Sven Cedergreen Bech, Bd. 1 – 16, København 1979 – 1984 EG Evangelisches Gesangbuch FJbSH Familienkundliches Jahrbuch Schleswig-Holstein KAF Kirchenkreisarchiv Ev.-luth Kirchenkreis Flensburg KCB Kieler Correspondenzblatt, Kiel 1830 – 1852 LAS Landesarchiv Schleswig NE Nordelbingen. Beitrge zur Heimatforschung in SchleswigHolstein, Hamburg und Lbeck NSHPB Neue Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte QuFGSH Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins RGG3 Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwçrterbuch fr Theologie und Religionswissenschaft, hg. in Gemeinschaft mit Hans Fr. v. Campenhausen von Kurt Galling, 3. Aufl.,Tbingen 1957 – 1965 RGG4 Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwçrterbuch fr Theologie und Religionswissenschaft, hg. von Hans Dieter Betz, 4. Aufl., Tbingen 1998 – 2008 S r Sønderjyske rbøger SHA Schleswig-Holsteinische Abhandlungen SHBL Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon, Neumnster 1970 – 1991

Abkrzungsverzeichnis

SSHKG SHPb ThLZ TRE UTB ZRGG ZSHG ZfG ZThK

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Schriften des Vereins fr Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte Theologische Literaturzeitung Theologische Realenzyklopdie, Berlin / New York Bd. I / 1977 – 36/2004 Uni-Taschenbcher Zeitschrift fr Religions- und Geistesgeschichte Zeitschrift der Gesellschaft fr Schleswig-Holsteinische Geschichte Zeitschrift fr Geschichtswissenschaft Zeitschrift fr Theologie und Kirche

Quellen- und Literaturverzeichnis I. Ungedruckte archivalische Quellen Acta des Kçniglichen Staats-Archivs zu Schleswig betr. die Verbindung Holsteins mit dem Deutschen Bund. Demagogische Umtriebe. Betr. August Theodor Brçmel, Theodor Olshausen und Joh. Ferd. Witte sowie Riemann. 80 Folien de 1824 [LAS Abt. 65.2 Nr. 134 c] Actum Schloß Coepenick bei Berlin d. 5ten Februar 1824 [LAS Abt. 65.2 Nr. 134 c Nr. 16] Akten betr. die Untersuchung gegen den Studenten Herrn Olshausen wegen Teilnahme an einer geheimen Verbindung. 1824 – 1828 [LAS Abt. 47 Nr. 786] Allerunterthnigster Bericht des Curators der Kieler Universitt betreffend die Abhçrung des Studiosi iuris Theodor Olshausen vom 10. Mai 1824, hs. an die Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgische Kanzlei zu Kopenhagen [LAS 65.2 Nr. 134d Blatt 3] Armenbericht aus Eggebek von 1841/42 [KAF Prop Nr. 123 hs.] Bargum, L.[udolf ] C.[onrad] H.[annibal], Schr. des Prsidenten der Landesversammlung v. 21. August 1848 an Theodor Olshausen betr. dessen Gesuch um Entlassung aus der provisorischen Regierung v. 18. d. M. [LAS Abt 22 III EE Nr. 1] Circulair betreffend die Bekanntmachung der provisorischen Regierung, hs., gegeben in Rendsburg den 25. Mrz 1848 [LAS Abt 22 III EE Nr. 1] Consistorium Academicum, Besttigung der eingegangenen Ernennung Sr. Exzellenz, des Herrn Geheimraths, Grafen Friedrich von Reventlow, Ritter auf Emkendorf zum Curator der hiesigen Akademie. An den Allerdurchlauchthigsten, Großmchtigsten Kçnig, Allergndisten Erbkçnig und Herrn. Kiel den 12ten Mrz 1800 [LAS Abt. 65.2 Nr. 509] Cramer, Carl Friedrich, Handschriftliche Bittschrift an Andreas Peter Bernstorff, 44 S., geb., ohne Orts- und Jahresangabe [UB Kiel SH 405 BB] Ders., Brief vom 19. Dezember 1793 an Thomas Thorild [UB Kiel SH 406 H Fasz. 7 Nr. 3] Ders., Rechtfertigungsschrift an den Grafen Andreas Petrus von Bernstorff vom 28. Dezember 1792 [Cramers Personalakte, LAS Abt. 65.2 Nr. 561] Christiani, Wilhelm Ernst, „An die hçchstpreißliche kçnigliche deutsche Kanzley in Copenhagen. Ganz gehorsamstes Pro Memoria“ v. 22. Januar 1793 [LAS 47.Nr. 117.11; Abschrift LAS 65.2 Nr. 681, Fol. 24 – 33] Ders., Consistoriumsbericht der Kieler Universitt ber die Kieler Studentenverbindung vom 29. Juni 1824 [LAS 47 I Nr. 7] Demagogische Umtriebe. Spez. Betr. Theodor Olshausen. Akten der deutschen Kanzlei, betr. die Untersuchungs-Verfahren des Akademischen Senats zu Kiel gegen den Studierenden der Rechte Theodor Olshausen aus Glckstadt wegen

I. Ungedruckte archivalische Quellen

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Theilnahme an einem hochverrterischen Bunde in Jena (1824 Mai – September; 1826 Nov. – 1827 Januar; 1828 Dez. – 1829 April) [LAS 65.2 Nr. 134d] Deutsche Kanzley, Kopenhagen, Demissionspatent des außerplanmssigen Professors Johann Otto Thieß vom 14. Februar 1800 [Personalakte Johann Otto Thieß LAS 65.2, Nr. 562] Deutsche Kanzley, Kopenhagen, An 1) den Herrn Geh.Rath und Oberprsidenten von Schack zu Kiel, 2) den Etatsrath und Brgermeister Thorstraten zu Flensburg (Anweisung auf Unterbindung weiterer Verbreitung des „Niederschsischen Merkurius“) [LAS 65.2 Nr. 681, Fol. 15] Die provisorische Regierung. [Wilhelm Hartwig] Beseler [Friedrich] Reventlou M [artin] T[horsen] Schmidt. J.[rgen] Bremer., Eintritt des Eisenbahndir. Th.[eodor] Olshausen in die provisorische Regierung, Rendsburg 28. Mrz 1848 [LAS Abt 22 III EE Nr. 1 – 3] Gerstenberg, Heinrich Wilhelm von, Brief vom 19. Juni 1785 an Carl Friedrich Cramer [UB Kiel SH 406 H Fasz. 3 Nr. 5] Harms, Claus, Predigt ber Psalm 91,1.2.4.14.15 aus dem Jahre 1801 (ohne weiteres Datum), handschriftlich [NEK-Archiv, 98.05 Nachlaß Harms Nr. 5.2 – 1] Johannsen, Nikolaus, Anklageschrift gegen Georg Conrad Meyer „An den Allerdurchlauchthigsten, Großmchtigsten Kçnig. Allergndigsten Erbkçnig und Herrn“, eingereicht beim Gottorfer Obergericht am 24. Juli 1797 [Stadtarchiv Flensburg A 870 I Nr. 8 hs] Kleuker, Johann Friedrich, An S. Kçnigl. Majestt von Dnemark u. Norwegen etc. etc. Frederick VI. allerunterthnigste Vorstellung v. 03. Februar 1810 [LAS 65.2 557 II Nr. 16] Ders., handschr. Konzept seines Briefes v. 02. Juli 1792 an den Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig und Lneburg [SUB Hamburg Kn 42/ 9c (2)] Klopstock, Friedrich Gottlieb, Brief vom 13./15./22. Juli 1801 an Carl Friedrich Cramer [UB Kiel SH 406 H Fasz. 1 Nr. 31 – 33] Kçnigl. Bestallungsurkunde fr den Doctor der Theologie und Pastor am Gymasium zu Osnabrck, Johann Friedrich Kleuker, als ordentlichen Professor der Theologie auf der Universitt zu Kiel, gegeben auf Friederichsberg, den 17. Aug. 1798, Dienstakte Johann Friedrich Kleuker [LAS 65.2 557II Nr. 16 P 38] Kçnigl. Bestallungsurkunde an den hiesigen Diaconus an der Stadt-Kirche zu Kiel Heinrich Mller als Professorum Theologiae Extraordinarium bey der dortigen Universitt, gegeben auf Christiansburg, den 19. Dec. 1788, Dienstakte Heinrich Mller [LAS 65.2 Nr. 557 II] Moritzen [Mauritius Andreas], [Ludwig Carl Friedrich] Schmidt, [Christian August] Valentiner, [Johann Wilhelm] Matthiesen und [Johann David Thomas] Prehn, Auflçsungserklrung der Kieler Burschenschaft vom 31. August 1819 [LAS 47 Nr. 776] Olshausen, Theodor, „Allerunterthnigste Bitte des Candidaten der Rechte Theodor Olshausen um Zusicherung von sicherem Geleit“, 5. Juli 1824. Hs.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Gesandt an die Kçnigliche schlesw.-holst.-lauenburgische Kanzlei [LAS 65.2 Nr. 134d. Bl. 21 – 23] Ohne Verfasserangabe, „Actum Schloß Coepernick, den 31. July 1824. Verhçrprotokoll Stud. juris Moritz Grosser“ [LAS 65.2 Nr. 134d, Blatt 82 – 84] Ohne Verfasserangabe, „Comment fr die Kieler Burschen“ aus dem Jahre 1813 [LAS 47 Nr. 776] Reventlow, Friedrich [Fritz] Graf von, Pro memoria an das akademische Konsistorium zu Kiel vom 14. Mrz 1800 [LAS 47, Nr. 68] Ders., Pro memoria an die Kçniglich Deutsche Kanzley in Kopenhagen vom 17. Mrz 1800 [LAS 65.2 Nr. 509] Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgische Kanzley, Kopenhagen, Confirmation des an den Actuarius Theodor Olshausen in Kiel mitgetheilten Privilegii zur Herausgabe eines çffentlichen Blattes unter dem Namen Kieler Correspondenzblatt fr die Herzogthmer Schleswig, Holstein und Lauenburg vom 18. May 1830 durch Christian VIII. v. 29. April 1842 [LAS 65.2 Nr. 696 II] Thorild, Thomas, Brief vom 19. November 1793 an Carl Friedrich Cramer [UB Kiel SH 406 H Fasz. 7 Nr. 1] Ders., Brief vom 10. Dezember 1793 an Carl Friedrich Cramer [UB Kiel SH 406 H Fasz. 7 Nr. 1] Ders., Brief vom 20. Dezember 1793 an Carl Friedrich Cramer [UB Kiel SH 406 H Fasz. 7 Nr. 2] Ders., Brief vom 24. Juni 1794 an Carl Friedrich Cramer [UB Kiel SH 406 H Fasz. 7 Nr. 8] Ders., Brief vom 11. Juli 1794 an Carl Friedrich Cramer [UB Kiel SH 406 H Fasz 7 Nr. 9] Valentiner, Georg Wilhelm, Selbstbiographie aus dem Jahre 1831, handschriftlich [Stadtarchiv Flensburg Predigerbibliothek XII hs 1526]

II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten) Adler, Jakob Georg Christian, Neue Schleswig-Holsteinische Kirchenagende. Einrichtung der çffentlichen Gottesverehrung. Formulare fr die çffentlichen Religionshandlungen. Sonntags- und Festtags-Perikopen, Schleswig 1797 Albrecht, Heinrich Christoph, Geheime Geschichte eines Rosenkreuzers, aus seinen eigenen Papieren, Hamburg 1792 Ders., Die Revolution in England. Ein historisches Schauspiel, 1. Theil; auch unter dem Titel: Leben und Tod Carl des Ersten, Kçnigs von England, Schleswig 1796 Albrecht, Johann Friedrich Ernst, Der Neutralitts-Krieg der Dnen im Jahr 1801, Leipzig 1801 Allgemeines Gesangbuch, zum çffentlichen und huslichen Gebrauche in den Gemeinen des Herzogthums Schleswig, des Herzogthums Holstein, der Herrschaft Pinneberg, der Stadt Altona und der Grafschaft Rantzau, Altona, 4. Aufl. 1793 Allgemeines Gesetz wegen Anordnung von Provincialstnden in den Herzogthmern Schleswig und Holstein. Vom 28sten Mai 1831

II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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Andresen, Andreas P., Briefe ber Flensburg. Erster Brief. Anbau und Verschçnerung der Stadt, in: Schleswig-Holsteinische Bltter fr Polizei und Kultur, Bd. 2 / 1799, S. 241 – 262 Angiviller, Charles d’, Episodes de ma vie, in: Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds, Syvende Bind, udg. af Louis Bob, S. 171 – 213 Anonym publiziert [Karl Friedrich Carstens], Gedanken und Wnsche eines Holsteiners auf die erwartete stndische Verfassung, Altona 1817 Anonym publiziert [Ernst Wilhelm Hengstenberg], Auflehnung der schleswigschen Geistlichkeit, Kjøbenhavn 1850 Anonym publiziert [August Hennings], „Patriotische Gedanken ber Landstnde in den Herzogthmern Schleswig und Holstein: Umgearbeitet und umgendert von R….1. Den 24. Mrz 1815“, o. O. 1815 Anonym publiziert [Christian Gotthilf Hensler], Erinnerungen wider die Antwort auf das Sendschreiben eines Ungenannten an den Herrn Grafen Reventlow und wider die Schrift: An den Nachbar mit Rath u.s.w. (v. Theophilus Irenus), Lbeck 1805 Anonym publiziert [Friedrich Johannsen], Ehrenrettung der Kieler Seminaristen. Sendschreiben an den Herrn August Hennings ber dessen im 6. Stck, 1801, des Genius des neunzehnten Jahrhunderts befindliche Anzeige, Hamburg 1801 Anonym publiziert [Johann Daniel Timotheus Manthey], Ist es England gelungen, seinen Raubzug gegen Dnemark zu rechtfertigen? Eine Untersuchung, veranlaßt durch die englische Deklaration vom 25. Sept. 1807, Kiel 1807 Anonym publiziert [Theodor Olshausen], Grundstze der religiçsen Wahrheitsfreunde oder Philalethen, Kiel 1830 Anonym publiziert [Eugen Graf Reventlow], Einige Worte zur Verstndigung ber den Krieg mit Dnemark, Berlin 1849 Anonym publiziert [Julius Rodenberg], Fr Schleswig-Holstein, Vierzehn geharnischte Sonette, Hamburg 1850 Anonym publiziert [Wilhelm Roller], Der Freischaaren-Feldzug in SchleswigHolstein und Jtland, von einem Freiwilligen des von der Tann’schen Corps, Frankfurt am Main 1848 Anonym publiziert [Robert Wesselhçft], Teutsche Jugend in weiland Burschenschaften und Turngemeinden, Magdeburg 1828 Anonym publiziert [Johann Friedrich Wilhelm], ber die staatsrechtliche Verbindung der Herzogthmer Schleswig und Holstein und ber die Ansprche beider Lnder auf eine stndische Verfassung, hg. von Nikolaus Falck, Kiel 1816 Anonym publiziert [Friedrich Markus Paul Witthçft], Patriotische Gedanken ber Landstnde in den Herzogthmern Schleswig und Holstein, o. O. 1815 Anonymer Verfasser, lteres Zeugniß ber das Verhltniß Schleswigs zu Dnnemark, in Westphalen monumenta inedita. T. IV p. 1703, in: NSHPB 6 / 1816, S. 509 f. Anonymer Verfasser, Antwort auf das Schreiben an den Verfasser des ,Etwas ber die Stadt Hadersleben etc.‘, in: Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte Bd. 1 / 1792, S. 71 – 74

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Anonymer Verfasser, Ansichten bey der Beleuchtung der von R…1 umgearbeiteten und umgenderten Patriotischen Gedanken ber Landstnde in den Herzogthmern Schleswig und Holstein. Den 16. August 1815, o. O. 1815 Anonymer Verfasser, Aufruf aus Schleswigholstein an unsre Deutschen Brder aller Stmme und zunchst an die Bewohner Hannovers, Braunschweigs und Mecklenburgs, Hamburg 1848 Anonymer Verfasser, Betrachtungen ber die jezzige Ghrung in Frankreich, in: Deutsches gemeinnziges Magazin, Bd. 3 / 1789, S. 79 – 98 Anonymer Verfasser, Brissots Lebensgeschichte, in: Minerva Bd. 1 / 1794, S. 284 – 304 Anonymer Verfasser, Das Vater Unser der freien Schleswig-Holsteiner gewidmet ihrem Herzog Frederek VII in Kopenhagen, Rendsburg o. J. [LAS Abt. 399.52 Nr. 46] Anonymer Verfasser, Darstellung derjenigen Charactere, welche in der Stadt Flensburg an unserer so ganz ohne Veranlassung hervorgerufenen Revolution thtigen Antheil genommen haben, Flensburg 1850 Anonymer Verfasser, Deputation aus Angeln nach Berlin, Flensburg 1849 Anonymer Verfasser, Der Krieg in Schleswig-Holstein, nebst einer kurzen historischen bersicht der Ursachen, welche diesen Krieg veranlaßt haben. Mit dem Liede „Schleswig-Holstein stammverwandt“, Halle 1848 Anonymer Verfasser, Die Kirche und Schule Schleswigs im Kampfe mit der sogenannten Landesverwaltung. Actenmßige Darstellung, Kiel 1850 Anonymer Verfasser, Die Mrztage 1848 in Kopenhagen. Stimmungen und Erlebnisse eines Augenzeugen, herausgegeben und mit einer politischen Nachschrift versehen von einem Schleswiger, Kopenhagen 1851 Anonymer Verfasser, Die Reichsbank, in: NSHPB 3 / 1813, S. 248 – 253 Anonymer Verfasser, Ein Wort ber den Verfall der Religiositt im Vaterlande, in: NSHPB 3 / 1813, S. 165 – 174 Anonymer Verfasser, Einige hnlichkeit der Reformation und der Revolution, in: Schleswigsches Journal 1792, S. 173 – 198 Anonymer Verfasser, Erklrung von 2016 Bewohner[n] Angelns, ohne Hg., Flensburg 1851 Anonymer Verfasser, Freiheitsgeschichte Dnemarks, in: Neues Deutsches Museum, Bd. 1 / 1791, S. 229 – 270 Anonymer Verfasser, Landesherrliche Propositionen auf dem jngsten SchleswigHolsteinischen Landtage im Jahre 1711, in: Deutsches Magazin Bd. 10 / 1795, S. 242 – 249 Anonymer Verfasser, Lieder und Gesnge fr das Weltliche Concert des Sngerfestes in Schleswig, Schleswig 1844 Anonymer Verfasser, Nachrichten vom Kriegsschauplatz in Schleswig-Holstein, Braunschweig 1848 Anonymer Verfasser, Neueste Nachrichten aus Schleswig-Holstein. Die Preußen ob Jtland vor der Kçnigs-Au, Berlin 1848 Anonymer Verfasser, Rede am Feste des Gewissens, in der Versammlung der Philalethen, Schleswig 1830 Anonymer Verfasser, ber die Eide, in: Minerva Bd. 1 / 1796, S. 483 – 488

II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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Anonymer Verfasser, ber die neueste Verordnung zur Bestimmung der Grenzen der Presfreiheit in Dnnemark, in: Neues Deutsches Magazin, Bd. 1 / 1801, S. 135 – 142 Anonymer Verfasser, ber die von der Obrigkeit geforderten Eide, Deutsches Magazin 12 / 1796, S. 438 – 450 Anonymer Verfasser, Unmaaßgebliche Wrdigung des Entwurfs einer Bittschrift an deutsche Frsten, Kiel 1830 Anonymer Verfasser, Vorlufige Nachricht ber den, im Mrz 1842 gestifteten, holsteinischen Philalethen-Verein, Hamburg-St. Pauli 1842 Anonymer Verfasser, Warum zieht das Deutsche Volk in offnen Kampf gegen Dnemark? Wie kommt es, daß Schleswig-Holstein und Dnemark denselben Landesherrn haben? Das Herzogthum Holstein gehçrt seit den ltesten Zeiten zu Deutschland, Flugblatt, St. Pauli, den 24. 03. 1848 Anonymer Verfasser, Wissenschaftliche Beleuchtung der Grundstze der religiçsen Wahrheitsfreunde oder Philalethen. Eine Zuschrift an Religions- und Staatsfreunde, Halle 1831 Archenholz, J.[ohann] W.[ilhelm] von, Ein paar Worte ber den Proceß des Grafen von Schmettau und die Preßfreyheit, in: Minerva Bd. 2 / 1794, S. 332 – 336 Ders., F. Freiherr v.d. Trenck, in: Minerva Bd. 1 / 1794, S. 568 Ders., La Fayette, in: Minerva Bd. 2 / 1794, S. 94 – 97 Ders., Noch ein Beitrag zur Geschichte des Generals la Fayette, in: Minerva Bd. 4 / 1795, S. 108 – 121 Ders., Was ist ein Jacobiner?, in: Minerva 2 / 1800, S. 375 f. Bte, Ludwig, Hg., Vossische Hausidylle. Briefe von Ernestine Voß an Heinrich Christian und Sara Boie (1794 – 1820), Bremen 1925 Baggesen, Jens Immanuel, Das Labyrinth oder Reise durch Deutschland in die Schweiz 1789, Neudruck in dt. bersetzung hg. von Gisela Perlet, Leipzig / Weimar 1985 Ders., Labyrinthen, Tredie Deel. Danske Værker, Bd. X, udgivne af Forfattarens Sønner og C.[aspar] J.[ohannes] Boye, Kjøbenhavn 1830 Baltisch, Fr.[anz], [i.e. Franz Hermann Hegewisch], Eigentum und Vielkinderei. Hauptquelle des Glcks und Unglcks der Vçlker, Kiel 1846 Baumgarten, Michael, An meine ehemaligen holsteinischen Amtsbrder, Rostock 1863 Ders., Christliche Selbstgesprche, Rostock 1861 Ders., Der kirchliche Nothstand in Mecklenburg. Ein fliegender Brief an die deutsche Christenheit, Leipzig 1861 Ders., Die verbotene Frbitte und die schleswigschen Prediger und Gemeinden, Schleswig 1849 Ders., Die berreichung der Schleswig-holsteinischen Adresse an die Landesversammlung am 5. November, Kiel 1849 Ders., Ein Denkmal fr Claus Harms, Braunschweig 1855 Ders., Liturgie und Predigt. Ein theologischer Tractat, Kiel 1843 Ders., Nothgedrungenes Wort in einer schleswigschen Sache. Eine theologische Appellation an das deutsche Volk, Braunschweig 1856 Ders., Zwçlf Thesen ber die Gegenwart und Zukunft der Kirche, Schleswig 1848

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Behrens, Jrgen, Hg., Briefwechsel zwischen Klopstock und den Grafen Christian und Friedrich Leopold zu Stolberg, Neumnster 1964 (Kieler Studien zur Deutschen Literaturgeschichte Bd. 3) Ders., Hg., Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. Briefe, Neumnster 1966 (Kieler Studien zur Deutschen Literaturgeschichte Bd. 5) Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, hg. im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930, 8. Aufl, Gçttingen 1979 Bernstorff, Andreas Peter Graf von, Originale Aktenstkke die Neutralitt Dnnemarks bei dem jezigen Kriege betreffend, in: Deutsches Magazin 1794, S. 1 – 33 Bernstorff, A.[ndreas] P.[eter] Graf von, und Baron E.[rich] M.[agnus] de StalHolstein, Convention zur gemeinschaftlichen Vertheidigung der Freyheit und Sicherheit der dnischen und schwedischen Handlung und Schiffahrt zwischen Sr. Majestt, dem Kçnige von Dnemark und Norwegen, und Sr. Majestt, dem Kçnige von Schweden; geschlossen zu Copenhagen den 27sten Mrz 1794, in: Historisch-politisches Magazin, nebst litterarischen Nachrichten Bd. 15 / 1794, S. 411 – 416 Beseler, Georg, Erlebtes und Erstrebtes 1809 – 1859, Berlin 1884 Binzer, August [Daniel], Beitrag zur Beantwortung der Frage: Was kann zur Fçrderung des allgemeinen Wohlstandes gegenwrtig in Teutschland geschehen?, Jena 1820 Bolten, Johann Adrian, Historische Kirchen-Nachrichten von der Stadt Altona und deren verschiedenen Religions-Partheyen , von der Herrschaft Pinneberg und von der Grafschaft Rantzau, Bd. 1 – 2, Altona 1790 – 91 Boysen, Jasper, Kurzgefaßte Darstellung der Geschichte, des Zwecks und Wesens und der wohlthtigen Folgen der Reformation Luthers, mit besonderer Rcksicht auf die Dnischen Staaten, auf Veranlassung des dritten Reformations-Jubelfestes fr das gebildete Publikum, Altona 1818 Burchardi, Georg Christian, Lebenserinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, hg. von Wilhelm Klwer, Flensburg 1927 Burke, Edmund, Reflections on the Revolution in France, ed. Jonathan C.D. Clark, Stanford, CA 2001 Ders., Betrachtungen ber die Franzçsische Revoluzion und das Betragen einiger Gesellschaften in London bey diesen Ereignissen, aus dem Englischen nach der vierten Auflage bersezt, Wien 1791; neu in deutscher bersetzung als: Betrachtungen ber die Franzçsische Revolution hg. von Dieter Henrich, Frankfurt/M. 1967 Caecilius Cyprianus, Des heiligen Kirchenvaters Caecilius Cyprianus Briefe, bersetzt von Julius Baer, Kempten 1928 (BKV 60) Callisen, Christian Friedrich, Anleitung fr Theologie Studirende und angehende Prediger in den Herzogthmern Schleswig und Holstein, mit den landesherrlichen Kirchenverordnungen zur Wahrnehmung ihrer Pflichten bekannt zu werden, Altona 1810 Callisen, J.[ohann] L.[eonhard], Ist es rathsam (,) bei unserm bisherigen Glauben an die Weissagungen der Bibel von unserm Herrn Christo zu bleiben?, Lbeck 1792

II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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Ders., Warum wird im gemeinen Leben so wenig von Gott geredet, da es doch der ntzlichste Gegenstand der Unterhaltung ist ?, Kopenhagen 1791; 2. Aufl. Schleswig 1793 Ders., ber den Werth der Aufklrung unserer Zeit. Ein Versuch die Holsteinische Geistlichkeit bey jetziger Ghrung der Meinungen zur Befçrderung der wahren Aufklrung, eines thtigen Christenthums, und der Ruhe in unserm Vaterlande zu vereinigen, Schleswig 1795 Christian VII., Reskript vom 14. September 1770, die Pressfreyheit betreffend [LAS 65 Nr. 677] Ders., Reskript vom 18. Oktober 1771, die Pressfreyheit betreffend [LAS 65 Nr. 677] Ders., Sorgfalt der Dnischen Regierung fr die Erfllung der Pflichten der Neutralitt, in: Neues deutsches Magazin 6 / 1803, S. 118 – 145 Ders., von Gottes Gnaden Kçnig zu Dnemark, Norwegen, der Wenden und Gothen, und von Desselben Gnaden Paul Petrowiz, Kayserl. Kronprinz, Thronfolger und Großfrst aller Reussen, Erbe zu Norwegen, Gemeinschaftliche Verordnung wegen Einstellung und Verlegung einiger Feyertage in den gemeinschaftlichen Districten des Herzogthums Hollstein, Glckstadt 1771 Christiani, Christoph Johann Rudolph, Hg., Beytrge zur Veredlung der Menschheit, Band 1, Heft 1, Kopenhagen 1800 Ders., Hg., Beytrge zur Veredlung der Menschheit, Band 2, Heft 2, Kopenhagen / Leipzig 1800 Christiani, Wilhelm Ernst, Geschichte der Glaubensreinigung in Deutschland und in den Herzogthmern Schleswig und Holstein, Hamburg 1773 Ders., Von der ehemaligen Befugniß der Schleswig-Hollsteinischen Landstnde, sich ihre Landesherrn zu erwhlen, und von der Einfhrung des Rechts der Erstgeburt in Schleswig und Holstein, Deutsches Magazin, Bd. 7 / 1794, S. 591 – 623 Circular-Verfgung gegen die Misbruche der Preßfreiheit, an alle Obrigkeiten des Herzogthums Schleswig, gegeben auf Gottorf, den 25sten November 1799, Schleswig 1799 [Stadtarchiv Flensburg A 870] Chronologische Sammlung der in den Jahren 1791 – 1805 ergangenen Gesetze, Verordnungen und verfgungen fr die Herzogthmer Schleswig und Holstein, die Herrschaft Pinneberg, Grafschaft Rantzau und Stadt Altona, Kiel 1792 – 1807 [SHLB SHf 7] Claudius, Matthias, An den Naber mith Radt: „Sendschreiben an Sr. Hochgrflichen Exzellenz den Herrn Grafen Friedrich von Reventlow, Ritter vom Dannebrog, Geheimen-Rath und Curator der Universitt Kiel“. Van enen Holstener, Hamburg 1805; neu abgedruckt in: Matthias Claudius. Werke des Wandsbecker Boten, Zweiter Band, hg. von Gnter Albrecht, Schwerin 1958, hier S. 171 – 177; auch ins Hochdeutsche bersetzt: An den Nachbar mit Rath: „Sendschreiben an Sr. hochgrflichen Excellenz den Herrn Grafen Friederich von Reventlow, Ritter vom Danebrog, Geheimen-Rath und Curator der Universitt Kiel“, von einem Holsteiner. Aus dem Plattdeutschen ins Hochdeutsche bersetzt von einem Freunde alter deutscher Art, Hamburg 1805

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Ders., Auch ein Beitrag ber die neue Politick, hg. von Asmus, Hamburg 1795 Ders., Botengnge. Briefe an Freunde, hg. von Hans Jessen, 2. Aufl., Berlin 1965 Ders., Cron und Scepter, 1795, S. 51 f. in: Matthias Claudius, Werke, Zweiter Band, Siebender Theil, 8. Aufl. Gotha 1865 Ders., „Gegen den Genius der Zeit“, gezeichnet Asmus, Hamburger Neue Zeitung vom 24. November 1793, abgedruckt in: Ders., Werke, Band III, hg. von Bruno Adler, Weimar 1924, S. 413 f. Ders., ber die neue Politick, Flugschrift 1794, in: Matthias Claudius, Werke, Zweiter Band, Sechster Theil, 8. Aufl. Gotha 1865, S. 1 – 31 Ders., Urians Nachricht von der neuen Aufklrung, oder Urian und die Dnen, in: Matthias Claudius, Werke, Zweiter Band, Sechster Theil, 8. Aufl. Gotha 1865, S. 49 – 51 Ders., Von und Mit dem ungenannten Verfasser der: „Bemerkungen“ ber des H.O.C.R. und G.S. Callisen Versuch den Werth der Aufklrung unserer Zeit betreffend, Hamburg 1796, Neudruck in: Matthias Claudius, Werke, Zweiter Band, Achter Theil, 8. Aufl. Gotha 1865, S. 101 – 150 Ders., Werke des Wandsbecker Boten, Zweiter Band, hg. von Gnter Albrecht, Schwerin 1958 Clausen, H.[enrik] N.[ikolai], og J.[oakim] F.[rederik] Schouw, Ved Thronskiftet 1848, Kjøbenhavn 1848 Conac, Grard, Marc Debene et Grard Teboul, La dclaration des droits de l’homme et du citoyen de 1789: histoire, analyse et commentaires, Paris 1993 Condorcet, Marie Jean Antoine, Esquisse d’un tableau historique des progr s de l’esprit humain, Paris 1795; dt. Entwurf einer historischen Darstellung der Fortschritte des menschlichen Geistes, hg. von Wilhelm Alff, Franfurt/M. 1963 Ders., Robespierre, in: Minerva Bd. 1 / 1794, S. 8 – 12 Cramer, Carl Friedrich, Cramers Tagebuch aus Paris, Erstes Heft, Vom 1 bis zum 20 Vendem. 8, Paris 1800 Ders., Friedrich Gottlieb Klopstock. In Fragmenten aus Briefen von Tellow an Elisa, Bd. 1, Hamburg 1777; Bd. 2, Hamburg 1778; Nachdruck Bern 1969/ 71 Ders., Jean Jacques Rousseaus Smmtliche Werke, Band 1 – 4, Berlin 1785 – 1791 Ders., Klopstock. Er und ber ihn, In 5 Theilen, Hamburg 1780 / Dessau 1781/82 / Leipzig u. Altona 1790/92/95 Ders., Menschliches Leben., 20 Bnde, St. 1 – 19: Altona/Leipzig 1791 – 1797; St. 20: Paris/Leipzig 1798. Darin St.. 17: ber mein Schicksal. Manuscript fr Freunde, Altona / Leipzig 1795; St. 18: Ehrenrettung der Gironde, Altona / Leipzig 1795 Cramer, Johann Andreas, Johann Andreas Cramer’s, Prokanzlers der Universitt Kiel Smmtliche Gedichte. Zweyter Theil, Carlsruhe 1783; Dritter Theil, Carlsruhe 1784 Dahlmann, F[riedrich] C[hristoph], Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustnde zurckgefhrt, Erster Band: Staatsverfassung. Volksbildung, Gçttingen 1835; Neudruck hg. von Wilhelm Bleek, Frankfurt/M. und Leipzig 1997

II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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Ders., Ein Wort ber Verfassung, in: Kieler Bltter 1 / 1815, S. 47 – 84 sowie S. 245 – 303 Ders., Geschichte der franzçsischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik, Leipzig 1845 Ders., Rede zur Feier des Siegs vom 18ten Junius 1815; gehalten am 7ten Julius, im großen academischen Hçrsale, bei der durch die Kieler Universitt angeordneten Festlichkeit, Kiel 1815 Ders., Sammlung der wichtigsten Aktenstcke, die gemeinsamen Angelegenheiten des Corps der Schleswig-Holsteinischen Prlaten und Ritterschaft und der brigen Gutsbesitzer betreffend, von August 1815 bis Januar 1819, Kiel 1819 Ders., ber die letzten Schicksale der deutschen Unterthanen Dnemarks und ihre Hoffnung auf die Zukunft. Im Mrz 1814, in: ZSHG 17 / 1887, S. 1 – 57 Danmarks Riges Grundlov, det er den saa kaldede Souveraine Konge-Lov, sat og given af Friderich den Tredie, Konge til Danmark, underskreven den 14. November 1665, Men efter Kong Friderich den Fierdes Befahling Første gang stukket paa Kaaber-Plader, og offentlig bekient giort ar 1709. Nu atter paa nye oplagt ved C. Peter Rothe, Kjøbenhavn 1756 Dauban, C. A. (Ed.), Mmoires indites de Ption et mmoires de Buzot et de Barbaroux, accompagns de notes indites de Buzot et de nombreux documents indits sur Barbaroux, Buzot, Brissot, etc., Paris 1866 Decker, [Christian] A.[ugust Hinrich], Die Revolution in Schleswig-Holstein. Eine Zuschrift an alle ernste Christen unter Deutschen und Dnen, die Gottes Wort lieben und hçren, Hamburg 1850 Devaux, L.F., Was ist ein Jacobiner?, in: Minerva 3 / 1797, S. 193 – 201 Dietrich, Ewald Christian Victorin, Blicke auf Schleswig-Holstein und den dortigen Kriegsschauplatz, Dresden 1848 Diguemann, O.J.P., Systematisches Verzeichnis der Bcher und Schriften der drei deutschen Lesegesellschaften in Flensburg, Flensburg 1794 Dirckinck-Holmfeld, Constantin von, Kritik der holsteinischen Rechtsverwahrung wider die Staatseinheit des dnischen Reichs, Altona 1845 Droysen, Joh.[ann] Gust.[av], Die gemeinsame Verfassung fr Dnemark und Schleswig-Holstein. Eine deutsche Frage, Bremen 1848, 2. Aufl. Kiel 1848 Ders., Rede zur tausendjhrigen Gedchtnisfeier des Vertrages zu Verdun, auf der Christian-Albrechts-Universitt zu Kiel am 10. August 1843 in Auftrag des akademischen Consistoriums gehalten, Kiel 1843 Ders., und Karl Samwer, Hg., Die Herzogthmer Schleswig-Holstein und das Kçnigreich Dnemark. Aktenmßige Geschichte der dnischen Politik seit dem Jahr 1806, Hamburg 1850; Neudruck Vaduz, Liechtenstein 1989 Duvergier, Jean-Baptiste, Collection compl te des lois, dcrets, ordonnances, rglements, avis du Conseil d’Etat, Band III, 2. Aufl., Paris 1834 Efterladte Papirer fra den Reventlowske Familiekreds i Tidsrummet 1770 – 1827. Meddelelser af Arkiverne paa Pederstrup og Brahe-Trelleborg, Bind 1 – 10, udg. paa foranledning af Kammerherre, Lensgreve C.E. Reventlow ved Louis Bob, Kjøbenhavn 1895 – 1931 Eggers, Christian Ulrich Detlev Freiherr von, Anekdoten von der Ermordung Ludwig XVI., in: Deutsches Magazin Band 6 / 1793, S. 1109 f.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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Ders., Theodor Olshausen, Kieler Zeitung Nr. 1381 – 1384 v. 10., 11., 13., und 14. April 1869 Friedrich VI., Kronprinz, Brief an Friedrich Graf Reventlow vom 8. April 1800 [LAS 471, Nr. 1a] Friedrich VII., Antwort Seiner Majestt des Kçnigs an die Schleswig-holsteinische Deputation. Christiansborg, den 24sten Mrz 1848. Frederik R., Kopenhagen 1848 [SUB Hamburg A 1946/3096] Ders., „Holsteiner!“, Aufruf vom 29sten Mrz 1848, LAS Abt 22 III EE Nr. 1.10 Friedrich Wilhelm IV. von Preußen an den Botschafter in London, v. Bunsen, in: Die Revolution von 1848/49. Eine Dokumentation, hg. von Walter Grab, Mnchen 1980, S. 225 f. Friedrich, Karl Johann, Hg., Jacobi, F.[riedrich] H.[einrich], Auserlesener Briefwechsel, Band 1 und 2 Funk, Nikolaus, Die Altonaer Armenanstalt in den Jahren 1822 und 1832 oder Zusammenstellung ihrer Einnahme und Ausgabe in den Adreß-ComtoirNachrichten im Jahrgange 1823, Nr. 50 und im Jahrgange 1833, Nr. 87 abgedruckten Berichten, Altona 1834 Ders., Hg., Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments nach der bersetzung D. Martin Luthers. Unter Zustimmung des Herrn Generalsuperintendenten Adler bearbeitet und herausgegeben. Mit Kçniglichem Allerhçchsten Privilegium, Altona 1815 Ders., Einige, wol noch nicht genug beobachtete, Ursachen der Verarmung in Altona, wie in den, ihm benachbarten, Handelsstdten, Altona 1832 Ders., Geschichte und Beschreibung des Waisen-, Schul- und Arbeitshauses in Altona, Altona 1803 Ders., Geschichte der neuesten Altonaer Bibelausgabe nebst Beleuchtung der vorzglichsten wider sie erhobenen Beschuldigungen, Altona 1823 Ders., Sendschreiben an Se. Hochgrfliche Excellenz den Herrn Grafen Friederich von Reventlow, Ritter vom Danebrog, Geheimen Rath und Curator der Universitt Kiel, o. O. 1805 Ders., Sendschreiben (wider Hermann Daniel Hermes als Nachfolger Mllers) an den Grafen von Reventlow, o. O., 1805 Ders, Versuch ber das Armenwesen in Altona, Altona o. J. Geyser, Samuel Gottfried, Eigenhndige Aufzeichnungen aus seinem Leben, in: Staatsbrgerliches Magazin mit besonderer Rcksicht auf die Herzogthmer Schleswig, Holstein und Lauenburg 5 / 1826, S. 199 – 212 Goethe, Johann Wolfgang von, Kampagne in Frankreich 1792, in: Ders., Poetische Werke, Zehnter Band, Augsburg o.J, S. 154 – 275 Grab, Walter, Hg., Die Revolution von 1848/49. Eine Dokumentation, Mnchen 1980 Glich, Ludwig August, Lied, in: Der Neue Mensch, Erster Band 1796, S. 227 – 230 Ders., Roma erwache!, in: Der Neue Mensch, Zweiter Band 1797, S. 472 – 480 Gundlach, Franz, Hg., Das Album der Christian-Albrechts-Universitt zu Kiel 1665 – 1865, Kiel 1915 Halem, Gerhard Anton von, Selbstbiographie nebst einer Sammlung von Briefen an ihn, zum Druck bearbeitet von seinem Bruder Ludwig Wilhelm Christian

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Quellen- und Literaturverzeichnis

v. Halem, hg. von C.F. Strackerjan, Oldenburg 1840, Neudruck Bern 1970 [Zitierte Briefe unter der Angabe „Bd. II“] Hamberger, Georg Christoph, und Johann Georg Meusel, Das gelehrte Teutschland oder Lexicon der jetztlebenden teutschen Schriftsteller, 4. Aufl., Erster und Zweyter Band Lemgo 1783; Dritter und Vierter Band Lemgo 1784; Erster Nachtrag Lemgo 1786; Zweyter Nachtrag Lemgo 1787; Dritter Nachtrag Lemgo 1788; 1795; Bd. 1 – 23 Lemgo 1796 – 1834 Hansen, Christen, Dagbog, Estrup 1766 – 1810, udg. fra Landbohistorisk Selskab, o. O. 1986 Harms, Claus, Das sind die 95 theses oder Streitstze Dr. Luthers, theuren Andenkens. Zum besonderen Abdruck besorgt und mit andern 95 Stzen, Kiel 1817 Ders., Lebensbeschreibung, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, Band I, hg. von Peter Meinhold, Flensburg 1955, S. 13 – 203 Ders., Pastoraltheologie in Reden an Theologiestudierende, Zweites Buch: Der Priester, in: Ders., Ausgewhlte Schriften und Predigten, Band II, hg. von Peter Meinhold, Flensburg 1955, S. 86 – 217 Ders., Vermischte Aufstze publicistischen Inhalts. Ein patriotischer Nachlaß bey meinem Weggang aus Dithmarschen, Friedrichstadt 1816 Haase, Friedrich, Hg., L. Annaei Senecae opera quae supersunt, Vol. 1, Leipzig 1895 Hegewisch, Caroline, Auszge aus ihren Briefen an Eltern und Geschwister von 1807 – 1856, Kiel 1892 Hegewisch, Dietrich Hermann, Bernstorff, in: Der neue Teutsche Merkur Bd. 1 / 1798, S. 75 – 81 Ders., Geschichte der Gracchischen Unruhen in der rçmischen Republik, Hamburg 1801 Ders., Geschichte der englischen Parlamentsberedsamkeit, Altona 1804 Ders., Geschichte der schwedischen Revolution bis zur Ankunft des Prinzen von Ponte Corvo als erwhlten Thronfolger. Mit den authentischen Staatspapieren, Kiel 1811 Ders., Schreiben an einen Freund ber Herrn Fichtes Reden an die deutsche Nation; – enthaltend insbesondre einige Bemerkungen ber Ursprachen, Nationalstolz und Erziehung, in: Ders., Neue Sammlung kleiner historischer und literarischer Schriften, Altona 1809, S. 109 – 165 Ders., ber die Wahrscheinlichkeit eines knftigen vollkommenen Zustandes der Menschheit. An Prof. Eggers, in: Deutsches Magazin Bd. 10 / 1795, S. 36 – 69 Ders. [u.a.], ber eine angebliche franzçsische Propaganda im Holsteinischen, in: Schleswig-Holsteinische Bltter fr Polizei und Kultur Bd. 1 / 1799, S. 158 – 168 Hegewisch, Lotte [Charlotte Friederike Dorothee], Erinnerungen frherer Stunden fr Letzte Stunden, Kiel 1902 Hellinghaus, Otto, Hg., Briefe Friedrich Leopolds Grafen zu Stolberg und der Seinigen an Johann Heinrich Voß, Mnster 1891 Henke, Heinrich Philipp Conrad, Beurtheilung aller Schriften welche durch das Kçniglich Preußische Religionsedikt und durch andre damit zusammen-

II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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hngende Religionsverfgungen veranlaßt sind, Kiel 1793; Reprint hg. von Jçrn Garber, Kçnigstein / Ts. 1978 Hennes, Johann Heinrich, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg und Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg. Aus ihren Briefen und anderen archivalischen Quellen, Mainz 1870 Hennings, August von, Antwort auf einen Aufruf, in: Minerva 2 / 1797, S. 364 Ders., Anzeige des Genius der Zeit, Beilage zu den Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichten Bd. 2 / 1793, S. 4 – 6 Ders., Asmus. Ein Beitrag zur Geschichte der Litteratur des Achtzehnten Jahrhunderts, Altona 1798 Ders., Denk- und Schreibfreyheit. Einleitung zum Schleswigschen Journal, in: Schleswigsches Journal 1793, S. 12 – 14 Ders., Doctor Martin Luther! Deutsche gesunde Vernunft, von einem Freunde der Frsten und des Volks; und einem Feinde der Betrger der Einen und Verrther des Andern, Nicht in Berlin, auch leider! nicht in Braunschweig, eher noch in Wien! [Altona,] 1792 Ders., Ein Wort ber und wider Herrn Matthias Claudius in Wandsbeck: Von dem Verfasser der Bemerkungen ber des Herrn Superintendenten Callisens Buch vom Werth der Aufklrung unserer Zeit, anonym ersch., Altona, 1796 Ders., Hat die franzçsische Revolution der Sache der Freyheit und der Menschheit genutzt?, in: Annalen der leidenden Menschheit 5 / 1799, S. 88 – 112 Ders., Historisch-Moralische Schilderung des Einflusses der Hofhaltungen auf das Verderben der Staaten, in: Schleswigsches Journal 1792, S. 385 – 424 Ders., J.J.Rousseau, in: Annalen der leidenden Menschheit 8 / 1800, S. 151 – 154 Ders., Olavides [Pablo Antonio Jos de Olavide y Juregui]. Herausgegeben und mit einigen Anmerkungen ber Duldung und Vorurtheile begleitet, Kopenhagen 1779 Ders., Philosophische Versuche, Zweyter Theil, 2. Aufl. Kopenhagen 1779[80] Ders., Hg., Resultate, Bemerkungen und Vorschlge genannter und ungenannter Schriftsteller aus dem Gebiet der Pdagogik, Religionslehre, Philosophie und Politik, Altona 1800 Ders., Rousseau, Berlin 1797 Ders., Tod des Grafen Schmettow in Plçn, in: Der Genius der Zeit 2 / 1794, S. 507 – 512, und 3 / 1794, S. 641 Ders., ber das Schiksal der Tugend. Nach dem ersten, zweiten und sechsten Buche der Republik des Plato, in: Deutsches Museum Bd. 1 / 1781, S. 98 – 116 Ders., ber die wahren Quellen des Nationalwohlstandes, Freyheit, Volksmenge und Fleiß, im Zusammenhange mit der moralischen Bestimmung der Menschen und der Natur der Sachen, Copenhagen / Leipzig 1785 Ders., Vorurtheilsfreie Gedanken ber Adelsgeist und Aristocratism, Altona 1792 Ders., Wahrheiten, in: Minerva, Bd. 4 / 1803, S. 161 – 171 Herbart, Johann Friedrich, Umriß pdagogischer Vorlesungen, hg. von Eva Matthes, Darmstadt 2003 Herder, Johann Gottfried, ltere Schriften und ausgesonderte Stcke, in: Ders., smtliche Werke XVIII, hg. von Bernhard Suphan, Zweite Nachdruckaufl., Darmstadt o. J., S. 330 – 356

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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Ders., Versuch einer kirchlichen Statstik des Herzogthums Schleswig, Dritte Lieferung, enthaltend die Propsteien Flensburg, Gottorf und Htten, Flensburg 1841 Ders., Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogthums Schleswig, Vierte Lieferung, enthaltend Femern, die unmittelbar unter dem Schleswigschen Generalsuperintendenten, so wie die unter den Bischçfen von Ripen und von Alsen bestehenden Kirchen, nebst Zustzen und Registern, Flensburg 1842 Johannsen, J.[ohann] C.[hristian] G.[ottberg], Allseitige wissenschaftliche und historische Untersuchung der Rechtmßigkeit der Verpflichtung auf symbolische Bcher berhaupt und die Augsburgische Konfession insbesondere, Altona 1833 Johannsen, Nikolaus, Ein Versuch, das Canonische Recht, in so ferne es fr die Protestanten brauchbar ist, mit den eigenen Worten der Kirchen-Gesetze fr die Herzogthmer Schleswig und Holstein etc. zu belegen, Th. 1 – 2, Friedrichstadt 1804 Kant, Immanuel, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklrung?, in: Ders., Werke in zehn Bnden, Band 9, hg. von Wilhelm Weischedel, 5. Aufl., Darmstadt 1983, S. 53 – 61 Ders., Der Streit der Fakultten, in: Ders., Werke in zehn Bnden, Band 9, hg. von Wilhelm Weischedel, 5. Aufl., Darmstadt 1983, S. 267 – 393 Ders., Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, in: Ders., Werke in zehn Bnden, Band 7, hg. von Wilhelm Weischedel, 5. Aufl., Darmstadt 1983, S. 645 – 879 Ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in: Ders., Werke in zehn Bnden, Band 7, hg. von Wilhelm Weischedel, 5. Aufl., Darmstadt 1983, S. 309 – 634 Ders., Kritik der reinen Vernunft. Erster Teil in: Ders., Werke in zehn Bnden, Erster Teil. Band 3, Zweiter Teil. Band 4, hg. von Wilhelm Weischedel, 5. Aufl., Darmstadt 1983 Ders., ber den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht fr die Praxis, in: Ders., Werke in zehn Bnden, Band 9, hg. von Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1983, S. 125 – 172 Kellner, G.C., ber Fichte’s Lehre von Gott, Deutsches Magazin Bd. 18 / 1799, S. 337 – 369 Klausen, Gottlieb Ernst, Der Mordbrandraub der Dnenflotte. Ein historisches Gedicht. Bei der Feier des Kçniglichen Geburtstagsfestes am 29sten Januar 1808 im grçßeren Hçrsaale des Christianei zu Altona gelesen, Altona 1808 Klenze, [Carl Friedrich Hermann], ber die Staatseinheit des Dnischen Staats. Eine staatswissenschaftliche Skizze aus dem Gesichtspuncte des historischen Rechts. Der stillen Jubel-Feier des 14. April 1784 gewidmet, Altona 1834 Kleuker, Johann Friedrich, Biblische Sympathien oder erluternde Bemerkungen und Betrachtungen ber die Berichte der Evangelisten von Jesu Lehren und Thaten, Schleswig 1820 Ders., Die Geschichte Jesu nach dem Matthus als Selbstbeweis ihrer Zuverlssigkeit betrachtet, nebst einem Vorbereitungsaufsatz ber das Verhltniss der israelitischen Geschichte zur Christlichen, ein nachgelassenes Werk von Thomas Wizenmann. Mit Vorrede von Johann Friedrich Kleuker, Leipzig 1789

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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Leibniz, Gottfried Wilhelm, Die Theodizee, in: Ders., Philosophische Schriften Bd. 2: Die Theodizee von der Gte Gottes, der Freiheit des Menschen und dem Ursprung des bels, hg. von Herbert Herring, Frankfurt/M. 1986 Ders., Vernunftprinzipien der Natur und der Gnade, hg. von Herbert Herring, Hamburg 1969 Lexicon over Adelige Familier i Danmark, Norge og Hertugdomene, udgivet af det Kongelige Danske genealogiske og heraldiske Selskab, Fçrste Bind, Kopenhagen 1787 Liepmann, M.[oritz], Hg., Von Kieler Professoren. Briefe aus drei Jahrhunderten zur Geschichte der Universitt Kiel, Stuttgart / Berlin 1916 Lilie, E.[rnst] A.[dolf ], Die Emancipation der Schule von der Kirche in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Kiel 1843 Locke, John, An essay concerning human understanding, London 1690; dt. als „Versuch ber den menschlichen Verstand“ in vier Bchern hg. von Julius Hermann von Kirchmann, Berlin 1872 – 74 Lorenz, Kann man bei republikanischen Gesinnungen ein guter Brger eines monarchischen Staates seyn?, Deutsches Magazin Bd. 18 / 1799, S. 184 – 198 Lornsen, Uwe Jens, Politische Briefe, hg. von Alexander Scharff, Heide in Holstein 1938 (Politische Schriften Schleswig-Holsteins 2) Ders., ber das Verfassungswerk in Schleswigholstein, Kiel 1830; Nachdruck der Ausgabe Kiel, 1830, anlßl. ihres 150. Erscheinungsjahres herausgegeben von der Gesellschaft fr Schleswig-Holsteinische Geschichte, Schleswig 1980 Lbker, D.[etlev] L.[orenz], und Schrçder, H.[ans], Lexikon der Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1796 – 1828, Abth. 1 – 2, Altona 1829 – 30; Nachtrag und Register Schleswig 1831 Lbkert, Johann Heinrich Bernhard, Hg., Versuch einer kirchlichen Statistik Holsteins. Ein Beitrag zur Vaterlandskunde, Glckstadt 1837 Ldemann, C.[arl], ber das Verhltniß des Christenthums zum Staatsbrgerthum. Rede am 18. Sept. bei der Feier des Geburtstags Sr. Majestt des Kçnigs in der academischen Aula, Kiel 1846 Luther, Martin, De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium, in: WA Bd. 6, 1888, S. 484 – 574 Ders., Von weltlicher Obrigkeit. Wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei, in: Calwer Luther-Ausgabe Band 4, hg. von Wolfgang Metzger, 3. Aufl. Stuttgart 1978, S. 11 – 60 Mansbach, Johan Friedrich Freiherr von, Gedanken eines norwegischen Offiziers ber die Gedanken eines Dnen von stehenden Heeren, o. O. 1793 Martens, A.[nton] N.[icolaus], Die erste Verkndigung und Einfhrung der christlichen Religion in Dithmarschen, Itzehoe 1826 Martens, P.[eter], Ein Votum zur Gewissensfrage der schleswig-holsteinischen Geistlichkeit, Flensburg 1850 Martensen, H., Sendschreiben an den Herrn Oberconsistorialrath Nielsen in Schleswig. Ein Wort ber den Amtseid und die schleswig-holsteinische Geistlichkeit, Kopenhagen 1850 Marx, Karl, und Friedrich Engels, Ausgewhlte Werke, zusammengestellt und eingerichtet von Mathias Bertram, 2. Ausgabe, Berlin 2004

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Matthiae, Wolf Christian, ber die Toleranz in den dnischen Staaten, Flensburg 1780 Matthisson, Friedrich von, Erinnerungen, Band 2, Zrich 1810; Ausgabe letzter Hand Zrich 1825 Meyer, Georg Conrad, Vox Populi, in: Der Neue Mensch, Zweiter Band, 37. Stck, 1797, S. 577 – 589 [Michelsen, P.], Aktenstcke zur Geschichte unserer Landeskirche in den Jahren 1848 – 50, in: Beitrge und Mitteilungen des Vereins fr schleswig-holsteinische Kirchengeschichte, II. Reihe 3. Heft, Kiel 1898, S. 95 – 147 Møldrup, Anna-Elise, Breve fra Th. Olshausen til P. Hjort Lorenzen, 1831 – 1839, in: Danske Magazin Syvende Række, Første Bind 1936, S. 352 – 391 Moltke, Adam von [anonym ersch.], Worte eines Holsteiner’s im Jahre 1814, Germanien 1814 Mller, Heinrich, Johann Andreas Cramer’s Verdienste um das Kçnigliche Schulmeisterseminarium in Kiel. Eine Rede zu seinem Gedchtniss am 6ten August 1788 im Lehrsaal des Seminariums gehalten, Kiel 1788 Mussmann, J.G. [anonym ersch.], Wissenschaftliche Beleuchtung der Grundstze der religiçsen Wahrheitsfreunde oder Philalethen. Eine Zuschrift an Religions- und Staatsfreunde, Halle 1831 Nielsen, Lars, Sognefoged i Stavnsholt, Dagbog 1789 – 1794, udg. fra Landbohistorisk Selskab og Jørgen Dieckmann Rasmussen, Kopenhagen 1978 Nielsen, N.[icolai Johannes Ernst], Materialien zu einer Appellation fr SchleswigHolstein und dessen Geistlichkeit; unter Mittheilung von Acten an alle, in Dnnemark nicht weniger als in Deutschland, die Gott frchten und Recht thun, Schleswig 1849 Nissen, Lorenz, Meine Wege und Umwege zur Kirche. Eine autobiographische Erzhlung, Altona 1826 Ohne Verfasserangabe, Die Kirche und Schule Schleswigs im Kampfe mit der sogenannten Landesverwaltung. Actenmssige Darstellung, Kiel 1850 Ohne Verfasserangabe, Entwurf eines Staatsgrundgesetzes der Herzogthmer Schleswig-Holstein (Arbeit der am 24sten Juli 1848 von der provisorischen Regierung niedergesetzten Commission), Kiel 1848; Neudruck hg. vom Verein zur Fçrderung des Landesarchivs Schleswig-Holstein e.V., Schleswig 1998 Olsen, Capitain O.N., Skizze til et Physisk-Geographisk Kaart over Danmark, Holsteen og Lauenborg, udg. af Selskabet for Trykkefrihedens rette Brug, Kjøbenhavn 1837 Olshausen, Detlev Johann Wilhelm, Einige Bemerkungen die zwei Fragen betreffend: „Hat das menschliche Geschlecht bisher an Moralitt gewonnen?“ und „muß man glauben, daß es auch immer fort an moralischer Vollkommenheit zunehmen werde?“, in: Deutsches Magazin 1 / 1796, S. 347 – 362 Ders., Kann denn wirklich der Determinismus mit der Moral bestehen?, in: Deutsches Magazin Dez. 1793, S. 133 – 153 Ders., Kurze Beschreibung des Dnischen Staates. Zunchst zum Gebrauch in Schulen, dann auch fr nichtgelehrte Brger der dnischen Monarchie, 3. Aufl. Altona 1821

II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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Ders., Lehrbuch der Moral und Religion, vorzglich fr die gebildetere Jugend, nach reinen Grundstzen, Schleswig 1796; 2. Aufl. Schleswig 1798 Ders., Leitfaden zum ersten Unterrichte in der Geographie in Gelehrten-Schulen, und zum Gebrauch in Brger- und Landschulen, Altona 1812; 4. Aufl, Altona 1827 Ders., Leitfaden zum Unterricht in der christlichen Religion, zunchst fr Brgerund Landschulen, Schleswig 1811; 7. Aufl. Schleswig 1831 Ders., Leitfaden zum Unterricht in der Erfahrungs-Seelenlehre fr Anfnger, Schleswig 1800 Ders., Seneca. Trostschreiben an Polybius nebst einigen seiner interessantesten Briefe an Lucilius. Fr Freunde einer strkenden und veredelnden Lectre aus dem Lateinischen bersetzt und mit Anmerkungen begleitet, Altona 1806; Zweite vermehrte Aufl. Altona 1822 Ders., Sollen wir wieder von vorn anfangen?, in: Deutsches Magazin 1797, S. 389 – 400 Ders., ber die Anwendung philosophischer Systeme auf positive Religionssysteme, in: Deutsches Magazin Mrz 1794, S. 282 – 285 Ders., ber die Aufklrung. Ein Sendschreiben an einen Freund, in: Beytrge zur Verdelung der Menschheit, hg. von Christoph Johann Rudolph Christiani, Band 2, Heft 2, Kopenhagen / Leipzig 1798, S. 119 – 139 Olshausen, Justus von, Briefe aus Schleswig-Holsteins schwerster Zeit, in: ZSHG 68 / 1940, S. 180 – 278 Olshausen, Theodor, Entwurf einer Bittschrift an deutsche Frsten, 1. sowie 2. Aufl. Kiel 1830 Ders., Briefe an den Bruder Justus, hg. von Ingo Reppmann und Joachim Reppmann, Wyk auf Fçhr 2003 Ders., Das dnische Kçnigsgesetz, das ist das fortwhrend geltende Grundgesetz fr das Kçnigreich Dnemark, nach der dnischen officiellen Ausgabe bersetzt und mit einer historischen Einleitung versehen, Kiel und Eutin 1838 Ders. [anonym verçffentlicht], Grundstze der religiçsen Wahrheitsfreunde oder Philalethen, Kiel 1830 Ders., „Im Herbst 1830 als Lornsen in das Herzogtum kam und seine Bewegung begann“. In St. Louis 1864 verfaßt, in: Theodor Olshausen 1802 – 1869. Briefe an den Bruder Justus, hg. von Ingo Reppmann und Joachim Reppmann, Wyk auf Fçhr 2003, S. 306 – 309 Olshausen, Wilhelm, Wanderfahrt zum ersten Wartburgfest, Kiel 1817 Paine [s.a. Payne], Thomas, Die Rechte des Menschen, hg. von Theo Stemmler, Frankfurt/M. 1973 Paisen, Matthias Friedrich, Was ist und ntzt positive Religion?, in: Flensburgsches Wochenblat fr Jederman v. 27. August 1794, S. 65 – 71 Payne, Thomas, Kurzer Abriss der Entstehung der franzçsischen Revolution von Thomas Payne, einem Amerikaner, Leipzig 1791 Pelt, Anton Friedrich Ludwig, Die Schleswigschen Prediger im Verhltniß zu der im Herzogthum Schleswig eingesetzten Verwaltungscommission – ein theologisches Gutachten, Kiel 1850 Pestalozzi, Johann Heinrich, Lienhard und Gertrud. Ein Buch fr das Volk, Berlin / Leipzig 1781; 4. Aufl. hg. von Albert Reble, Bad Heilbrunn / Obb. 1993

678

Quellen- und Literaturverzeichnis

Petersen, Friedrich, Die Schleswig’sche Geistlichkeit unter den wechselnden Staatsgewalten. Zugleich ein Beitrag zur Wrdigung des Kampfes der Evangelischen Kirchen-Zeitung wider die vertriebenen Geistlichen, Kiel 1851 Petersen, G.[eorg] P.[eter], Hg., Chronik der Reformationsjubelfeier in den Dnischen Staaten. Am 31. Oct. und 2. Nov. 1817, Kiel 1819 Ders., Detlev Johann Wilhelm Olshausen. Nekrolog, in: SHPb 1823, Heft 2, S. 100 – 105 Ders., Erinnerungen aus dem Leben des Kçniglichen Justizrathes Peter Matthiessen, Altona 1825 Ption de Villeneuve, Jerme, Oeuvres de Jerme Ption I-IV, Paris 1792/93 Pfaff, Christoph Heinrich, Lebenserinnerungen, hg. von H.[enning] Ratjen, Kiel 1854 Portalis, Jean-Etienne-Marie, De l’usage et de l’abus de l’sprit philosophique durant le dix-huiti me si cle, Bd. 1 – 2, Paris 1827 Poel, Peter, Beleuchtung der von R…1 umgearbeiteten und umgenderten Patriotischen Gedanken ber Landstnde in den Herzogthmern Schleswig und Holstein, o. O. 1815 Provisorische Regierung, Provisorische Verfgung die Brgerbewaffnung betreffend, Rendsburg, den 25sten Mrz 1848, o. O. 1848 Quellen zur Geschichte Schleswig-Holsteins Teil I und II, hg. v. Institut fr Regionale Forschung und Information im Deutschen Grenzverein e.V. und dem Landesinstitut Schleswig-Holstein fr Praxis und Theorie der Schule, Teil I 2. Aufl., Kiel 1987, Teil II Kiel 1980 Raabe, Adv., Georg Lçck, in: Jahrbcher fr Landeskunde der Herzogthmer Schleswig, Holstein und Lauenburg, Bd. II, Kiel 1859, S. 182 – 199 Ratjen, Henning, Hg., Johann Friedrich Kleuker und Briefe seiner Freunde, Gçttingen 1842 Rehberg, August Wilhelm, Rezension von Edmund Burkes „Reflections on the Revolution in France“, in: Die Franzçsische Revolution in Deutschland. Zeitgençssische Texte deutscher Autoren, hg. von Friedrich Eberle und Theo Stammen, Stuttgart 1989, S. 170 – 177 Reimarus, Johann Albert Heinrich, Freiheit. Eine Volksschrift, Hamburg 1791 Ders., Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgesetzt. Nebst dem Entwurf einer Teleologie, zu seinen Vorlesungen bestimmt, hg. von seinem Enkel K.[arl] Sieveking, Hamburg 1814; Microfiche-Ausgabe Mnchen 1990 – 1994 Reinhold, Ernst, Hg., Karl Leonhard Reinholds Leben und litterarisches Wirken nebst einer Auswahl von Briefen Kant’s, Fichte’s, Jacobi’s und anderer philosophirender Zeitgenossen an ihn, Jena 1825 Reinhold, Karl Leonhard, An seine in Jena zurckgelassenen Zuhçrer, in: Der neue Teutsche Merkur, Bd. 2 / 1794, S. 315 – 323 Ders., Brief v. 14. Juni 1789 aus Jena an Immanuel Kant, in: Briefe an Kant, hg. von Jrgen Zehbe, Gçttingen 1971, S. 76 – 78 Ders., Briefe ber die Kantische Philosophie, in: Der Teutsche Merkur Bd. 3 / 1786, S. 99 – 141; Bd. 1 / 1787, S. 3 – 39.117 – 142; Bd. 2 / 1787, S. 167 – 185; Bd. 3 / 1787, S. 67 – 88.142 – 165.247 – 278 Ders., Ehrenrettung des positiven Rechtes, in: Der neue Teutsche Merkur Bd. 3 / 1791, S. 3 – 40. 278 – 311

II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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Ders., Sendschreiben an J.[ohann] C.[aspar] Lavater und J.[ohann] G.[ottlieb] Fichte ber den Glauben an Gott, Hamburg 1799 Ders., ber das bisherige Schicksal der Kantischen Philosophie, in: Der Teutsche Merkur, Bd. 2 / 1789, S. 3 – 37 Ders., ber die bisherigen Schicksale der Kantischen Philosophie, in: Der Teutsche Merkur, Bd. 2 / 1789, S. 113 – 135 Ders., ber die Teutschen Beurtheilungen der franzçsischen Revoluzion. Ein Sendschreiben an den Herausgeber, in: Der neue Teutsche Merkur, Bd. 1 / 1793, S. 387 – 424 Ders., ber den Geist unsres Zeitalters in Teutschland, in: Der neue Teutsche Merkur, Bd. 1 / 1790, S. 225 – 255 und 337 – 378 Ders., Wie und worber lßt sich in der Philosophie Einverstndniß der Selbstdenker hoffen?, in: Der neue Teutsche Merkur, Bd. 2 / 1791, S. 134 – 147 Rendtorff, Franz M.[artin], Die schleswig-holsteinischen Schulordnungen vom 16. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Texte und Untersuchungen zur Geschichte des Schulwesens und des Katechismus in Schleswig-Holstein, Kiel 1902 Reventlow, Friedrich [Fritz] Graf von [anonym publiziert], Antwort auf das Sendschreiben eines Ungenannten an Se. Excellenz den Herrn Grafen Friedrich zu Reventlow, Hamburg 1805 Reventlow, Julia Grfin von, Kinderfreuden oder Schulunterricht in Gesprchen, Kiel / Leipzig 1793 Rist, Johann Georg, Lebenserinnerungen, Theil II, hg. von Gustav Poel, Gotha 1880 Roederer, P.[ierre] L.[ouis], ber die franzçsischen Emigrirten und Flchtlinge, Minerva Bd. 4 / 1795, S. 149 – 189 Rousseau, Jean Jacques, Abhandlung welche bey der Akademie zu Dijon im Jahr 1750 den Preis ber folgende von der Akademie vorgelegte Frage davon getragen hat: ob die Wiederherstellung der Wissenschaften und Knste etwas zur Luterung der Sitten beygetragen hat?, in der ersten deutschen bersetzung von Johann Daniel Tietz hg. von Ralf Konersmann und Gesine Mrtens, St. Ingbert 1997 Ders., Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundstze des Staatsrechtes, in der verbesserten bersetzung von Hermann Degenhardt hg. von Heinrich Weinstock, Stuttgart 1971 Ders., Jean Jaques Rousseaus Smmtliche Werke, bersetzt von C.[arl] F[riedrich] Cramer, Theil 1, Berlin 1785; Theil 2/3 [Die Neue Heloise], Berlin 1786; Theil 4 [ðmile] Berlin 1791. „Die Neue Heloise“ in neuer dt. Fassung hg. von Reinhold Wolff, Julie oder die neue Heloise: Briefe zweier Liebenden aus einer kleinen Stadt am Fuße der Alpen, Mnchen 1988 Ders., Diskurs ber die Ungleichheit, hg. von Heinrich Meier, 5. Aufl., Paderborn 2001 Ders., Du contrat social; ou principes du droit publique, Amsterdam 1762 Ders., ðmile, ou de l’ducation, Amsterdam 1762, dt. hg. von Johann Joachim Schwabe, Berlin/ Frankfurt / Leipzig 1762; dt. hg. von C.[arl] F.[riedrich] Cramer, Wien und Braunschweig 1791 (Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens Theil 15, hg. von J.[ochim] H.[einrich] Campe)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

[UB Kiel H 2500 – 15]; in neuer dt. Fassung hg. von Ludwig Schmidts, Emil oder ber die Erziehung, 12. Aufl., Paderborn / Mnchen / Wien / Zrich 1995 Ders., Profession de foi du Vicaire Savoyard, dt. als: Jean Jacques Rousseaus Glaubensbekenntnis eines savoyischen Vikars von J.[ohannes] Reinke, Heilbronn 1908 Ders., Smmtliche Werke, bersetzt von C.[arl] F.[riedrich] Cramer, Berlin 1785 – 1791 Rder, F.[riedrich] A.[ugust], Winke fr die Bildung eines Holsteinischen Landtags und neuer Verfassung, Altona 1817 Ruge, Arnold, Erinnerungen an Theodor Olshausen, Danziger Zeitung, No. 5649, 08. September 1869 Schlegel, August Wilhelm, Betrachtungen ber die Politik der dnischen Regierung, o. O. 1813 Ders., [in bersetzung aus dem Franzçsischen hg. von Nikolaus Falck], ber die staatsrechtliche Verbindung der Herzogthmer Schleswig und Holstein und ber die Ansprche beider Lnder auf eine stndische verfassung, Kiel 1816 Schleiden, Rudolph, Jugenderinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. I, Wiesbaden 1886 Ders., Erinnerungen eines Schleswig-Holsteiners, Bd. II, Wiesbaden 1890 Schleswig-Holstein-Noer, Friedrich Prinz von, Aufzeichnungen aus den Jahren 1848 bis 1850, Zrich 1861 Schmeißer, Felix, Hg., Anno 1848/1851. Berichte nach Augenzeugen aus der Erhebungszeit Schleswig-Holsteins, Langensalza o. J. Schmettow, Woldemar Friedrich Graf, Des Grafen Woldemar Friedrich von Schmettows Kleine Schriften. Nach seinem Tode gesammelt, Erster und Zweiter Theil, Altona 1795; Microfiche-Ausgabe Mnchen 1990 – 1994 Ders., Freyheit und Schwrmerey, in: Ders., Kleine Schriften. Nach seinem Tode gesammelt, Erster Theil, Altona 1795, S. 207 – 309 Ders., Patriotische Gedanken eines Dnen, ber stehende Heere, politisches Gleichgewicht und Staatsrevolutionen, Altona 1792 Ders., Was ist begnadigen?, in: Schleswigsches Journal 1793, S. 97 – 137 Schrader, Ludwig, Die Kirchenverfassungsfrage mit Rcksicht auf die nothwendig gewordene Verfassungsreform der evangelisch.lutherischen Kirche SchleswigHolsteins, Altona 1849 Ders., Professor Hengstenberg und die Schleswig-Holsteinische Sache. Ein Beitrag zur Wrdigung Hengstenbergischer Ethik [Motto: veritas claudi et ligari potest, vinci non potest.], Kiel 1851 Schreiber, Christian, et al., Allgemeine Chronik der dritten Jubel-Feier der deutschen evangelischen Kirche. Im Jahre 1817, Zweiter Band, Erste Abth., Erfurt und Gotha, 1819 Schrçder, Hans, Hg., Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, fortges. von C.R.W. Klose, Sechster Band, Hamburg 1873 Schtz, Friedrich Wilhelm von, Apologie, Lessings dramatisches Gedicht Nathan den Weisen betreffend, nebst einem Anhang ber einige Vorurtheile und nçthige Toleranz, Leipzig 1781

II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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Ders., Leben und Meinungen Moses Mendelssohns nebst dem Geiste seiner Schriften in einem kurzen Abrisse dargestellet, Hamburg 1787 Schumacher, Georg Friedrich, Genrebilder aus dem Leben eines siebenzigjhrigen Schulmannes – ernsten und humoristischen Inhaltes, Schleswig 1841. Fotomechanischer Nachdruck der Ausgabe, erweitert um ein Nachwort und Register von Franklin Kopitzsch, Flensburg 1983 Schumacher, Gustav, Der gerechtfertigte Schleswig-Holsteinismus. Letztes Wort ber und gegen die verleumderischen „Actenmßigen Beitrge“ und „Neuen actenmßigen Beitrge“ eines Dnenfreundes zu Schumachers Buch: „Leiden und Erquickungen.“, Barmen 1862 Ders., Leiden und Erquickungen eines von den Dnen in Gefangenschaft gehaltenen und aus der Heimath vertriebenen Schleswig’schen Geistlichen, Barmen 1861 Seidlin, K.[laus] H.[enrik], Kriegsereignisse zwischen Dnemark und England, von dem 30. Mrz 1801 bis zum Anfang der Stillstands-Unterhandlungen am 2. April. Nach officiellen Berichten und Augenzeugen gesammelt. Nebst den Berichten des Lord St. Vincent, der Admirale Hyde, Parker, Nelson und des Mr. Addington, mit erluternden und berichtigenden Anmerkungen versehen, 2 Teile in 1 Buch, Kopenhagen u. Leipzig 1801 Sieveking, Georg Heinrich, An meine Mitbrger, Hamburg 1793 Siey s, Emmanuel Joseph Comte, Qu’est-ce que le tiers tat?, in deutscher bersetzung auszugsweise S. 24 – 30 bei Walter Grab, Die Franzçsische Revolution. Eine Dokumentation, Mnchen 1973 Staatsgrundgesetz fr die Herzogthmer Schleswig-Holstein, gegeben zu Rendsburg, den 15. September 1848, Kiel 1848 Stolberg, Friedrich Leopold. Briefe, hg. von Jrgen Behrens, Neumnster 1966 (Kieler Studien zur Deutschen Literaturgeschichte Bd. 5) Ders., Gesammelte Werke der Brder Christian und Friedrich Leopold Stolberg, 20 Bnde, Hamburg 1820 – 1825 Ders., Die Westhunnen, Separatdruck Eutin 1794 Ders., Numa. Ein Roman, hg. von Jrgen Behrens, Neumnster 1968 (Kieler Studien zur Literaturgeschichte Bd. 7) Struve [Jakob], Sendschreiben des Professors und Directors des Altonaischen Gymnasii an den Herrn Professor Mller in Kiel ber des leztern vor kurzem in die Neuen Schleswig-Holsteinischen Provinzialberichte eingerckten, die in den lezten 12 Jahren in Kiel fr die academischen Beneficien geprften Jnglinge betreffenden Aufsatz, Altona 1813 Thieß, Johann Otto, Andachtsbuch fr aufgeklrte Christen, Th. 1 und 2, Leipzig / Gera 1797 Ders., Anleitung zur Bildung der çffentlichen Religionslehrer des 19. Jahrhunderts, Altona 1802 Ders., Apostelgeschichte. Das Neue Testament oder die heiligen Bcher der Christen, neu bersetzt mit einer durchaus anwendbaren Erklrung, Bd. 4, Leipzig / Gera 1800 Ders., Die Feier des neuen Jahrhunderts, Altona 1801

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Ders., Friedrich Gottlieb Klopstock. Wie er seit einem halben Jahrhundert als Dichter auf die Nazion und als Schriftsteller auf die Literatur gewirkt hat, Altona 1805 Ders., Gelehrtengeschichte der Universitt zu Kiel, Band I-II, Kiel 1803 Ders., Geschichte seines Lebens und seiner Schriften, aus und mit Aktenstkken. Ein Fragment aus der Sitten- und Gelehrtengeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, Teil 1 – 2, Hamburg 1801/02 Ders., Jesus und die Vernunft, Leipzig 1794 Ders., Letzte çffentliche Rechenschaft von seinen akademischen und schriftstellerischen Bemhungen, Kiel und Hamburg 1805 Ders., Theses Theologiae Dogmaticae ad Disceptandum Propositae, Leipzig 1793 Ders., ber den Tod und das Leben, Leipzig und Gera 1799 Thieß, [Hermann] Wilhelm [Markus], Arzenei wider das Revoluzions-Fieber. Oder: Das Elend des Landes, das in Empçrung steht gegen seinen Kçnig, Schleswig 1830 Thiessen, Johann Peter, Ein Holsteiner an seine Landsleute in den dnischen Provinzen, um sie gegen den unsinnigen Freyheitsschwindel zu bewahren, Flensburg 1793 Thor Straten, J.[osias], An meine Mitbrger ein paar Worte!, Flensburg 1814 Thygesen, Th.[yge], Das Sendschreiben des Dr. H. Martensen in Copenhagen an den Oberconsistorialrath Nielsen in Schleswig (Ein Wort ber den Amtseid und die Schleswig-holsteinische Geistlichkeit), widerlegt, Altona 1850 Trenck, Friedrich Freiherr von der, Der Menschenfreund, Bd. 2, o. O. [Aachen] 1772 Ders., Des Freiherrn Friedrich von der Trenck merckwrdige Lebensgeschichte: Von ihm selbst als ein Lehrbuch fr Menschen geschrieben, die wirklich unglklich sind, oder noch guter Vorbilder fr alle Flle zur Nachfolge bedrfen. Vierter und merckwrdigster Band, Altona 1792 Valentiner [Christian August], ohne Verfasserangabe publiziert, Erinnerungen aus Kriegs- und Friedenszeiten geschrieben auf einer Reise von Hamburg nach Helgoland im August 1851. Von einem abgesetzten Schleswiger Geistlichen, Altona 1852 Ders., Letztes Wort an die Flensburger. Von ihrem frheren Prediger, jetzt Privatlehrer, Hamburg Ders., Nachahmungssucht und Mode im Gebiete des religiçsen Glaubens. Eine Rede, gehalten im Flensburger Predigerverein den 7ten Julius 1840, Flensburg 1840 Valentiner, Georg Wilhelm, Chronik von Flensburg vom Jahr 1820, o. O. 1820 Verein zur Fçrderung des Landesarchivs Schleswig-Holstein e.V., Hg., Die Staatsgrundgesetze 1848/49 in Schleswig-Holstein und Lauenburg. Reprint zeitgençssischer Drucktexte, Schleswig 1998 Verordnung ber die Reichsbankhaft [LAS 66 Nr. 3698] Versmann, E.[rnst Friedrich], Schleswig-Holstein und seine Verklger, 2. Aufl. Kiel 1850 Voß, Johann Heinrich, Abriß meines Lebens, Rudolstadt 1818; neu hg. von Heike Menges, Eschborn o. J.

II. Gedruckte Quellen (mit Ausnahme von Predigten)

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Ders., Briefe, hg. von Abraham Voß, Erster Band, Halberstadt 1829; Zweiter Band, Halberstadt 1830; Dritter Band, 1. u. 2. Abtheilung, Halberstadt 1832 – 33 Ders., Smtliche Gedichte. Sechster Theil, Kçnigsberg 1802 Ders., Wie ward Friz Stolberg ein Unfreier? beantwortet von Johann Heinrich Voß, Sophronizon, oder unpartheyisch-freymthige Beytrge zur neueren Geschichte, Gesetzgebung und Statistik der Staaten und Kirchen, hg. von Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, 3. Heft, Frankfurt/M. 1819, S. 1 – 112; mit Index nominum u. Nachwort neu hg. von Klaus Manger, Heidelberg 1984 „W.“, Brittische Parlaments-Debatten ber die Gefangenschaft des la Fayette, in: Minerva Bd. 2 / 1794, S. 97 – 123 Wahrheit, Friedrich August (Pseudon.), Die zehn Gebote der freien SchleswigHolsteiner oder was sie in politischen Dingen thun und nicht thun sollen, Neustadt i. H. 1848 Wegscheider, J.[ulius] A.[ugust] L.[udwig], Versuch die Hauptstze der philosophischen Religionslehre in Predigten darzustellen nebst einer Abhandlung ber Befçrderung des Religionsinteresse durch Predigten, Hamburg 1801 Wiegmann, Christian Ludwig, Kurzgefaßte Geschichte der christlichen Religion und des Kirchenwesens in den dnischen Staaten, besonders in den Herzogthmern Schleswig und Holstein, Kiel / Flensburg 1840 Wieland, Christoph Martin, Anzeige eines merkwrdigen neuen Werkes ber die franzçsische Revolution, in: Der neue Teutsche Merkur, 2 / 1794, S. 87 – 98 Ders., ber die Rechtmßigkeit des Gebrauchs welchen die Franzçsische Nation dermalen von ihrer Aufklrung und Strke macht. Eine Unterredung zwischen Walther und Adelstan, in: Der Teutsche Merkur 3 / 1789, S. 225 – 262 Ders., Unparteyische Betrachtungen ber die dermalige Staatsrevolution in Frankreich, in: Der neue Teutsche Merkur 2 / 1790, S. 40 – 69 Ders., Fortsetzung der Betrachtungen ber die Franzçsische Staatsrevolution, in: Der neue Teutsche Merkur, 2 / 1790, S. 144 – 164 Ders., Was ist Volkssouvernitt?, in: Der neue Teutsche Merkur Bd. 2 / 1798, S. 232 – 242 Ders., ber hçchstnçthige Verbesserungen der Landschulen, in Rcksicht auf das Seminarium in Kiel; in einem Briefe an den Herausgeber, in: Deutsches Magazin 6 / 1793, S. 846 – 863 sowie Deutsches Magazin 7 / 1794, S. 145 – 195 Woynar, Karl, sterreichs Beziehungen zu Schweden und Dnemark, vornehmlich seine Politik bei der Vereinigung Norwegens mit Schweden in den Jahren 1813 und 1814. Wien, Tempsky 1891 (Archiv fr çsterreichische Geschichte, hg. v. der Akadademie der Wissenschaften, Bd.77,2) Wrzer, Heinrich, Heinrich Wrzer, Das Revolutions-Tribunal durch sich selbst geschildert in dem grossen Processe Brissots und seiner Mitangeklagten, in: Minerva Bd. 3 / 1794, S. 184 – 188 Ders., Ein Spazziergnger in Altona, hg. von Hans-Werner Engels, Hamburg 1997 Zehbe, Jrgen, Hg., Briefe an Kant, Gçttingen 1971 Zeise, Heinrich, Kriegs-Lieder aus Schleswig-Holstein, Hamburg 1848 Zillen, Heinrich, Hg., Claus Harms’ Leben in Briefen, meist von ihm selber, Kiel 1909 (SSHKG I. Reihe, 4.H.)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

III. Predigten Adler, Jakob Georg Christian, Einige Predigten gehalten vor den Kçnigl. Dnischen Herrschaften und auf allerhçchsten Befehl herausgegeben, Kopenhagen 1790 Ders., Rede bey der Einweihung der Neu erbauten Kirche in Husum am Sonntage Dem 7ten July 1833 Ders., Sammlung von Predigten in der Friedrichs-Kirche zu Kopenhagen gehalten, und seiner vormaligen ihm immer unvergeßlichen Gemeine zu seinem Andenken gewidmet, Erster Band, Kopenhagen 1796; Zweiter Band, Kopenhagen 1796 Biernatzky, J.[ohann] C.[hristoph], Die Pflichten des Brgers in einer unruhigen Zeit. Predigt, gehalten in Friedrichstadt an der Eider, Friedrichstadt 1830 Ders., Predigten und Casualreden, Kiel 1841 Bookmeyer, J.[rgen], weil. Pastor in Marne, frher Klosterprediger in Kiel. Predigten, Altona 1839 Boysen, Jasper, Die Feyer des Reformations-Jubelfestes am 31sten October und 2ten November 1817 in der Kirche zu Borsfleth, im Holsteinischen, Altona 1818 Brodersen, Carl Wilhelm, Hg., Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben. Dreißig Predigten, von dreißig Predigern Schleswig-Holsteins, Itzehoe 1842 Clausen, Friedrich Otto, Predigt ber 1. Cor. 13,13 zufolge der Anordnung der Tilemann-Mller’schen Stiftung, am Sonntage Invocavit d.J. gehalten, Kiel 1846 Clausen, Henrik Georg, Prædikener, udgivne med Hensyn til Reformationsjubelfesten i Aaret 1817, Kjøbenhavn 1817 Ders., Predigten, herausgegeben in Beziehung auf die Jubelfeier der Reformation im Jahre 1817, Altona 1819 Christiani, Christoph Johann Rudolph, Predigten, Kopenhagen 1794 Friederici, Ernst Ludewig, Predigten am Pfingstfest gehalten und auf hçchsten Befehl in Druk gegeben, Schleswig 1794, Faksimiledruck Grevenbroich 1985 Egge, Heinrich, Einige Predigten in Kopenhagen gehalten, und dortigen Freuden und Zuhçrern zum liebevollen Andenken, ihnen und Andern zur Erbauung, Schleswig 1827 Ders., Predigten zur Belebung des Glaubens an die gçttliche Weltregierung, Erstes Heft, Altona 1809 Ders., sowie Propst Paulsen, Pastor Mçller, Todten-Feier zum Gedchtnisse des Hçchstseligen Kçniges Frederik des Sechsten in der evangelisch-lutherischen Hauptkirche zu Altona am 16. Januar 1840, Altona 1840 Goos, Israel, Zwei Predigten am Reformations-Jubelfeste, gehalten im Jahre 1817, Altona o. J. Harms, Claus, Das Vaterunser. In eilf Predigten, Kiel 1838 Ders., Der sechszehnte Artikel der Augsburgischen Confession: Von Policei und weltlichem Regiment, gepredigt am 8. Sonntag nach Trin., 2. Aug. 1846, von Oberconsistorialrath Dr. Claus Harms, Kiel 1846 Ders., Des Volkes Trauer und Trost ber den Heimgang seines Kçniges. Trauerpredigt in Veranlassung des Ablebens Frederik VI, Kiel 1840

III. Predigten

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Ders., Die Bergrede des Herrn. In einundzwanzig Predigten, Kiel 1841 Ders., Die Religionshandlungen der lutherischen Kirche. In neun Predigten, Kiel 1839 Ders., Drei Reformationspredigten, gehalten an den jhrlichen Reformationsfesten 1820, 1821, 1822, Altona 1823 Ders., Einfhrungspredigt, gehalten Trinitatis 22, am 15ten November 1835, Kiel 1835 Ders., Ein Frgutachten, unter den Mishlligkeiten in unserm Lande. (Theil einer rntepredigt am 13. Trinitatis. Capt. Jer. 5,24), in: Altonaischer Mercurius Nr. 211, 8. September 1846 Ders., Eine Reformationspredigt. 1843 gehalten, Kiel 1843 Ders., Neue Sommerpostille oder Predigten vom ersten Sonntage nach Ostern bis zum letzten Sonntage nach Trinitatis, Altona 1827 Ders., Predigt bei der Erçffnung der Landesversammlung am Tage Mari Himmelfahrt oder Copernikus, am 15ten August 1848, Kiel 1848 Ders., Predigten. Christologische, Kiel 1821 Ders., Predigten ber die Bibel, ihrer zehn, im Sommer 1841 gehalten, Kiel 1842 Ders.,Trauerpredigt, am 26. Februar 1848, am Tage der Bestattung Kçnig Christian’s des Achten in der Nicolaikirche zu Kiel, Kiel 1848 Ders., Von der Schçpfung. In neun Predigten, Kiel 1834 Ders., Winterpostille oder Predigten an den Sonn- und Feiertagen von Advent bis Ostern, 4. Aufl., Kiel 1820 Ders., Zwey Reformationspredigten, gehalten am dritten Scular-Jubelfeste im Jahre 1817, Kiel 1817 Hasselmann, K.[arl Friedrich Christian], Zwei Predigten ber die Episteln am zweiten und dritten Sonntage in der Fasten, Plçn 1824 Hartz, Johann Tycho, Predigten zur Befçrderung christlicher Gesinnungen, zum Theil in Beziehung auf Mitbrger des Vaterlandes unter der glcklichen Dnischen Regierung, Flensburg / Leipzig 1794 Hertzbruch, [Johann] C.[arl] J.[ulius], Predigt, am Tage der Erçffnung der Versammlung der Stnde des Herzogthums Holstein, am 1sten October 1835, in der St. Laurentii-Kirche in Itzehoe, Schleswig 1835 Jensen, K., Wie ein Christ sich recht verhlt gegen seinen Landesherrn. Predigt ber das Evangelium am 23. Sonntage nach Trinitatis, Sonderburg 1846 Johannsen, J.[ohann] C.[hristian] G.[ottberg], Berufstreue. Ein Wort an das Volk zur Zeit der Stndeversammlung, in einer Predigt, Kopenhagen 1835 Ders., Der Kçnig ist todt. Zwei Predigten am 30sten Jan. und am 26sten Febr. 1848 in der deutschen St. Petri Kirche zu Kopenhagen gehalten, Kopenhagen 1848 Ders., Gedchtnispredigt auf den Hochsel. Kçnig Friedrich VI von Dnemark am 16. Jan. 1840 in der deutschen St. Petri Kirche zu Kopenhagen gehalten, Kopenhagen 1840 Ders., Von der Wichtigkeit des Gebrauchs der Vernunft in der Religion. Eine Predigt gehalten in der St. Nicolaikirche zu Kiel am 1sten Advent 1817, Kiel 1817 Johannsen, Nikolaus, Predigt am 10. Sont. nach Trinitat. 1789 ber Luc.19,41 – 48, in: Ders., Abrisse der Predigten, welche an den Sonn- und Feyertagen,

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Quellen- und Literaturverzeichnis

vom ersten Advent 1788 bis dahin 1789, in der Kirche zu St. Nicolai in Flensburg gehalten worden sind, Flensburg 1789, S. 185 – 188 Ders., Predigt am Pfingstmontage 1791 ber Joh 3,16 – 21, in: Ders., Grundrisse der Predigten, welche an den Son- und Festtagen vom ersten Advent 1790 bis dahin 1791, in der Kirche zu St. Nicolai in Flensburg gehalten worden sind, Flensburg 1791, S. 145 – 148 Ders., Rede bey der Einfhrung des Herrn C.[onrad] H.[einrich] Friese zum Pastor in Rlschau, den 30sten October, in: Ders., Grundrisse von Predigten, deren Eingnge nach dem Bedrfniß unserer Zeit eingerichtet, und welche an Son- und Festtagen vom ersten Advent 1795, bis dahin 1796, in der Kirche zu St. Nicolai in Flensburg gehalten worden sind, Flensburg 1796, S. 245 – 248 Ders., Rede bey der Introduction des Herrn Diaconi [Friedrich Heinrich Wilhelm] Frçlich in Grundhoff, den 19ten April 1795, in: Ders., Grundrisse von Predigten, deren Eingnge nach dem Bedrfniß unserer Zeit eingerichtet, und welche an Son- und Festtagen vom ersten Advent 1794, bis dahin 1795, in der Kirche zu St. Nicolai in Flensburg gehalten worden sind, Flensburg 1796, S. 245 – 248 Khler, C.[arl] N.[icolaus], Pastor in Flemhude, Christ.[ian] Sam.[uel] Ulber’s erbauliche Denkzettel, oder Entwrfe zu Predigten ber die Sonntags-Evangelien, Kiel 1847 Koch, [Samuel Friedrich], Fnf Predigten, Kiel 1841 Kçster, [Johann] Friedrich Burchard, Zwei Predigten, Kiel 1826 Lbker, Detlev Lorenz, Predigt am Dankfeste fr den Frieden, geh. am Sonntage Septuagesim d. 6ten Febr. 1814, Husum 1814 Lbkert, [Johann Heinrich Bernhard], u. a., Hg., Sammlung christlicher Predigten und Gelegenheitsreden. Zum Besten der Kinder des weil. Pastors Dr. Gerber in Collmar herausgegeben von einigen Freunden des Verstorbenen, Itzehoe 1847 Ldemann, C.[arl Peter Matthias], „Frchtet euch nicht!“. Eine Weihnachtspredigt, Kiel 1843 Martens, A.[nton] N.[icolaus], Ziel und Weg eines evangelischen Predigers, der sein Amt redlich ausrichtet. Eine Predigt ber 2. Tim. 4,5 bei bernahme des Amtes, das die Versçhnung predigt, gehalten am 12. Trin.- Sonntage 1825, Hamburg 1826 Martens, P.[eter], Antrittspredigt ber Joh. 21,V.15 – 17, den zum Hirten berufenen Jnger des Herrn, gehalten am 7ten August 1836, o. O. Ders., Predigt ber Joh 3, V. 16, zum Abschiede gehalten in der Kirche St. Marien zu Flensburg am zweiten Pfingsttage, den 23. Mai 1836, Husum 1837 Meding, Wichmann von (Hg.), Predigten von protestantischen Gottesgelehrten der Aufklrungzeit, Nachdruck der Original-Ausgabe Berlin 1799, Darmstadt 1989 Michelsen, C., Der evangelische Verein der Gustav-Adolph-Stiftung. Predigt am Sonntag Reminiscere ber 2 Cor 9,12. u. 13., Hadersleben 1844 Mçller, G.[eorg] W.[ilhelm] C.[hristian] E.duard], Sechszehn in Altona gehaltene Vacanz-Predigten. Nebst zwey Beylagen ber die Kirche und das Schulwesen daselbst, Altona 1837

III. Predigten

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Mller, Wolfgang Erich, Hg., Kirchenverbesserung in Oldenburg. Dokumente zum Reformationsjubilum 1817, Gçttingen 1988 (Studien zur Kirchengeschichte Niedersachsens Bd. 28) Nielsen, A.[dolf Gottfried Heinrich], Trauerpredigt am Tage der Beisetzung des hochseligen Kçnigs Christians VIII., dem 26. Februar 1848, Plçn 1848 Nielsen, N.[icolai Johannes Ernst], Betstunden. Vortrge, in Bezug auf die Schleswig-Holsteinische Landessache in der Klosterkirche zu Kiel gehalten (Zum Besten der ihres Amtes entsetzten Schleswigschen Geistlichen), Kiel 1851 Ders., Die Gottesdienste in der Friedrichsberger Kirche in Schleswig vom Sonntag Oculi, den 26. Mrz, bis Sonntag Quasimodogeniti, den 30. April 1848, Hamburg 1848 Ders., Die Seligpreisungen unsers Herrn in seiner Bergpredigt, in neun Predigten vorgetragen, Lbeck 1838 Ders., Die sieben Sendschreiben in der Offenbarung Johannis, in acht Predigten vorgetragen, Lbeck 1840 Ders., Predigt am Tage der Erçffnung der vierten Versammlung der Stnde des Herzogthums Schleswig am 12ten October 1842, Schleswig 1842 Ders., Predigt ber Psalm 43 Vers 3 u. 4, am Sonntage Judica den 6. April 1851 bei Gelegenheit des Antritts der Superintendentur in Eutin, Eutin 1851 Ders., Rede am Grabe von neun Officieren und einhundert und zwei andern Kriegern, die am ersten Ostertage, den 23sten April 1848 bei Schleswig gefallen waren, und am 25sten April auf dem Friedrichsberger Kirchhofe bestattet wurden, Schleswig 1848 Olshausen, Detlev Johann Wilhelm, Entwrfe zu Beichtreden, in: Ders., Hg., Zugabe zu den beyden homiletischen Handbchern ber die in der neuen Schleswig-Holsteinischen Kirchenagende verordneten Texte von Wolfrath, Teller und Olshausen, bestehend in einer Sammlung von Gelegenheitsreden nebst Entwrfen und Materialien zu Casualvortrgen, Zweyter band. Erste Abtheilung, Schleswig und Flensburg 1809 Ders., Hg., Gelegenheitsreden nebst Entwrfen und Materialien zu Casualvortrgen, Schleswig und Flensburg 1809 Ders., Homiletisches Handbuch ber einige der gewçhnlichen Episteln und ber freye Texte. Des dritten Theils erster Band, Schleswig 1802; Des dritten Theils zweyter Band, Schleswig 1803; Des dritten Theils dritter Band, Schleswig 1803 Ders., Hg., Homiletisches Handbuch ber einige der gewçhnlichen Evangelien und ber freye Texte, anfangs bearbeitet von D. Friedrich Wilhelm Wolfrath, dann von D. Wilhelm Abraham Teller, nun fortgesetzt von M. Detlev Joh. Wilh. Olshausen, Des vierten Theils erster Band, Schleswig 1803; Des vierten Theils zweyter Band, Schleswig 1804 Ders., Predigt am 25. Sonntage nach Trin. 1806, S. 182 – 192, in: Ders., Hg., Zugabe zu den beyden homiletischen Handbchern ber die in der neuen Schleswig-Holsteinischen Kirchenagende verordneten Texte von Wolfrath, Teller und Olshausen, bestehend in einer Sammlung von Gelegenheitsreden nebst Entwrfen und Materialien zu Casualvortrgen, Zweyter Band. Erste Abtheilung, Schleswig und Flensburg 1809

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Ders., Zugabe zu den beyden homiletischen Handbchern ber die in der neuen Schleswig-Holsteinischen Kirchenagende verordneten Texte von Wolfrath, Teller und Olshausen, bestehend in einer Sammlung von Gelegenheitsreden nebst Entwrfen und Materialien zu Casualvortrgen, Zweyter Band. Erste Abteilung, Schleswig und Flensburg 1809 Paulsen, Ingwer Carsten, Predigt am ersten Feyertage des Jubelfestes der Reformation, nachmittags den 31. October 1817, Itzehoe 1817 Rehhoff, J.[ohannes] A.[ndreas], Achtzehn Predigten. Zehn ber das Vater Unser und acht ber das Gleichnis vom verlorenen Sohne, Kiel 1850 Ders., Homiletisches Magazin ber die epistolischen Texte des ganzen Jahres, Zweyter Theil, Vom Sonntage Quasimodogeniti bis zum 27. Sonntage nach Trinitatis, Hamburg 1834 Rendtorff, Heinrich, Die Trbsal unsrer Zeit im Lichte des Friedens. Sieben Predigten aus dem Herzogthum Schleswig, Kiel 1851 Schreiter, Johann Christoph, Die Reformation, ein mchtiger Aufschwung des menschlichen Geistes zum hçheren, christlichen Wissen und Wirken. Eine Predigt am dritten Reformationsjubilum und bey der Wiedererçffnung der fr die Andachtsbungen des Homiletischen Seminars hergestellten Schloßkirche gehalten d. 31. Octbr. 1817, Kiel 1818 Schulze, J.H., Predigten bei der dritten Scularfeier der Reformation, Lauenburg 1817 Strauß, Friedrich Adolph, Predigt nach dem Kampfe bei Dppel vor dem Ersten Bataillon Kçnigl. Zwçlften Infanterie-Regiments in der Kirche bei Tapfuhr am 28. Juli 1848, 2. Aufl. Berlin 1848 Struve, Heinrich Christoph Gottfried von, Dem Andenken des Kçnigl. Dnischen Etatsraths und Ritters, Caspar Freiherrn von Voght, Hamburg 1839 Thieß, Johann Otto, Christliche Predigten, Hamburg 1788 Ders., Neue Predigten, Gl[c]kstadt 1808 Ders., Predigten nach den besonderen Bedrfnissen der Zeit und des Orts, Hamburg 1790 Thieß, [Hermann] Wilhelm [Markus], Arzenei wider das Revoluzions-Fieber. Oder: Das Elend des Landes, das in Empçrung steht gegen seinen Kçnig, Schleswig 1830 Ders., Evangelische Predigten, in welchen Jesus Christus der Eckstein ist, Schleswig 1821 Ders., Moses, oder der Stab Wehe. Eine Sammlung Christlicher Predigten, Schleswig 1828 Vent, H.[ans] L.[orenz] A.[ndreas], Die Stimme der Religion an die Menschen, bey der gegenwrtigen Besorgniß vor ansteckender Krankheit. Eine Predigt, gehalten am 31. Juli 1831, Schleswig 1831 Ders., Worte der Beruhigung und Ermunterung an das Volk, veranlaßt durch die gegenwrtigen Gerchte und Umtriebe, Schleswig 1830 Wolf, C.[onrad] W.[ilhelm] M.[oritz], Das Christenleben eine Reise nach oben. Predigt ber Ebraer 12,1.2, Tçnning 1843

IV. Historische Zeitungen, Zeitschriften und Journale

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IV. Historische Zeitungen, Zeitschriften und Journale Altonaischer Mercurius, hg. von Peter Poel, Altona, 1789 – 1800 Annalen der leidenden Menschheit, hg. von August von Hennings, Altona, Bd. 1 / 1795 – 10 / 1801; Reprint Nendeln / Liechtenstein 1972 Berlinische Monatsschrift, hg. von Johann Erich Biester und Friedrich Gedike, Berlin, Bd. 1 / 1784 – 2 / 1797 Der Genius der Zeit, hg. von August von Hennings, Altona 1794 – 1800 Der Genius des 19. Jahrhunderts, hg. von August von Hennings, Altona 1801 / 1802 Der Neue Mensch, hg. von Georg Conrad Meyer, Flensburg, 1 / 1796 und 2 / 1797 Der Neue Proteus, hg. von Friedrich Wilhelm von Schtz, 1. – 4. Stck, Altona 1793; Nachdruck 1973 Der neue Teutsche Merkur, hg. von Christoph Martin Wieland, Weimar, Bd. 1 / 1790 – 3 / 1810 Der Teutsche Merkur, hg, von Christoph Martin Wieland, Weimar, Band 1 – 4 / 1789 Deutsches gemeinnziges Magazin, hg. von Christian Ulrich Detlev Freiherr von Eggers, Berlin, Bd. 1 / 1787 – 1 / 1790 Deutsches Magazin, hg. von Christian Ulrich Detlev Freiherr von Eggers, Hamburg (1791) – Altona (seit 1792 f ), Bd. 1 / 1791 – 20 / 1800 Deutsches Museum, hg. von Heinrich Christian Boie, Leipzig, Bd. 1 / 1780 – 2 / 1788 Flensburgsches Wochenblat fr Jederman, hg. von G.[erhard] C.[hristoph] Jger, Flensburg, 1789 – 1799 Historisch-politisches Magazin, nebst litterarischen Nachrichten, hg. von A.[lbrecht] Wittenberg, Hamburg, Bd.1 / 1787 – 18 / 1795 Hof- und Staats-Schematismus des çsterreichischen Kaiserthums, Wien 1828 Kieler Bltter, hg. von einer Gesellschaft Kieler Professoren, red. von F.[riedrich] C.[hristoph] Dahlmann, Bd. 1 / 1815 – 5 / 1818 sowie Bd. 1 und 2 / 1819 Kieler Correspondenzblatt, hg. von Theodor Olshausen, Kiel, 11. September 1830 – 28. Mrz 1848; hg. von Friedrich Hedde, 29. Mrz – 08. April 1848; hg. von Lorenz Stein, 09. April – 19. Juni 1848; hg. von Friedrich Hedde, 20. Juni – 30. Juni 1848; hg. von August Hartmeyer u. a., 01. Juli 1848 – 5. November 1852 Minerva. Ein Journal historischen und politischen Inhalts, hg. von J.[ohann] W.[ilhelm] von Archenholz, Hamburg, Bd. 1 / 1792 – 1 / 1801 Neues Archiv der Schwrmerey und Aufklrung, hg. von Friedrich Wilhelm von Schtz, Altona und Leipzig, 1797 Neues Deutsches Magazin, hg. von Christian Ulrich Detlev Freiherr von Eggers, Hamburg / Kopenhagen / Leipzig, Bd. 1 / 1801 – 6 / 1803 Neues Deutsches Museum, hg. von Heinrich Christian Boie, Leipzig, Bd. 1 / 1789 – 4 / 1791 Niederschsischer Merkur, hg. von Friedrich Wilhelm von Schtz, Altona 1792/93 Norddeutsche Monatsschrift zur Fçrderung des freien Protestantismus. Fr die Gebildeten in der Gemeinde, hg. von D.[avid Friedrich Ludwig] Greve und W.[ilhelm] Schwartz, Oktober 1845 – Dezember 1846

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte, hg. von A. Niemann, Altona und Kiel, seit 1792 zustzlich auch Kopenhagen, 1787 – 1798 Schleswig-Holsteinische Bltter fr Polizei und Kultur, hg. von August Niemann, Altona und Kiel, 1799 – 1800 Schleswig-Holsteinische Bltter fr Polizei und Kultur, hg. von August Niemann, Altona und Kiel, 1801 – 1803 Neue Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte, hg. von G.[eorg]P.[eter] Petersen, Kiel, 1811 – 1816 Schleswig-Holsteinisch-Lauenburgische Provinzialberichte, hg. von G.[eorg] P.[eter] Petersen, Altona und Kiel, 1817 – 1821; Lbeck und Altona, 1822 – 23; Altona 1824 – 1825 Schleswigsches Journal, hg. von August von Hennings, Altona und Flensburg, 1792/1793, Reprint Nendeln / Liechtenstein 1972 Sontags-Blat fr Wahrheitsfreunde, Jahrgang 1 – 2, Flensburg 1797 – 1798 Staatsbrgerliches Magazin mit besonderer Rcksicht auf die Herzogthmer Schleswig, Holstein und Lauenburg 1 / 1821 – 10 / 1831, hg. von Falck, Schleswig 1821 – 1831 Trencks Monatsschrift fr das Jahr 1792/1793, hg. von Friedrich Freiherrn von der Trenck, Altona 1792/ 1793, Reprint Nendeln / Liechtenstein 1976

V. Klassische Prosa und Lyrik Boehlendorff, Casimir [Ulrich], Werke in drei Bnden, hg. von Frieder Schellhase, Frankfurt/M. 2000 Gerstenberg, Heinrich Wilhelm von, Ugolino. Eine Tragçdie in fnf Aufzgen, Hamburg und Bremen 1768; Neuausgabe Stuttgart 2001 Goethe, Johann Wolfgang von, Der Groß-Cophta, in: Ders., Poetische Werke, Dritter Band, Augsburg o. J., S. 645 – 713 Ders., Faust. Der Tragçdie Erster Teil, in: Ders., Poetische Werke, Fnfter Band, Augsburg o. J., S. 127 – 237 Ders., Hermann und Dorothea, in: Ders., Poetische Werke, Zweiter Band, Augsburg o. J., S. 397 – 447 Ders., Reineke Fuchs. In zwçlf Gesngen, in: Ders., Poetische Werke, Zweiter Band, Augsburg o. J., S. 289 – 394 Ders., Tag- und Jahreshefte, in: Ders., Poetische Werke, Achter Band, Augsburg o. J., S. 537 – 740 Ders., Venezianische Epigramme, in: Ders., Poetische Werke. Erster Band, Augsburg o. J., S. 181 – 198 Ders., Xenien, in: Ders., Poetische Werke, Erster Band, Augsburg o. J., S. 957 – 988 Hçlderlin, Friedrich, Hymne an die Freiheit, Werke in zwei Bnden. Erster Band, hg. von Gnter Mieth, o. O. 1982, S. 125 – 128 (Die Bibliothek deutscher Klassiker Band 20) Klopstock, Friedrich Gottlieb, Der Messias, Erster und Zweiter Teil, in: Klopstocks gesammelte Werke in vier Bnden, mit einer Einleitung von Franz Muncker, Bd. I-II, Stuttgart und Berlin o. J. [1887]

VI. Ortschroniken und Beitrge zur jeweiligen Stadtgeschichte

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Ders., Smmtliche Werke, Siebenter Band, Leipzig 1823 Lessing, Gotthold Ephraim, Nathan der Weise, in: Lessings Werke in fnf Bnden, ausgewhlt von Karl Balser, Zweiter Band, hg. von den Nationalen Forschungs- und Gedenksttten der Klassischen Deutschen Literatur in Weimar, 5. Aufl., Berlin / Weimar 1965, S. 5 – 148 Ders., ber die Entstehung der geoffenbarten Religion, in: Lessings Werke in fnf Bnden, ausgewhlt von Karl Balser, Zweiter Band, hg. von den Nationalen Forschungs- und Gedenksttten der Klassischen Deutschen Literatur in Weimar, 5. Aufl., Berlin / Weimar 1965, S. 232 f. Schiller, Friedrich von, An die Freude, in: Ders., Gesammelte Werke in drei Bnden. Zweiter Band, Gtersloh o. J., S. 675 – 678 Stolberg, Friedrich Leopold Graf von, Ders., Die Insel, Leipzig 1788; ersch. a. S. 89 – 374 in: Gesammelte Werke der Brder Christian und Friedrich Grafen zu Stolberg, Dritter Band, Hamburg 1821 Ders., Servius Tullius. Ein Trauerspiel mit Gesngen. 1768, in: Gesammelte Werke der Brder Christian und Friedrich Leopold Stolberg, Fnfter Band Hamburg 1821, S. 111 – 173 Ders., Timoleon. Ein Trauerspiel mit Chçren. 1784, in: Gesammelte Werke der Brder Christian und Friedrich Leopold Stolberg, Fnfter Band, Hamburg 1821, S. 1 – 57 Tacitus, Publius Cornelius, Germania, hg. von Manfred Fuhrmann, Stuttgart 1989

VI. Ortschroniken und Beitrge zur jeweiligen Stadtgeschichte Andresen, Asmus, u. a., Hg., Chronik des Kirchspiels Handewitt, o. O. 1990 Beig, Dieter, Pinneberg whrend der Napoleonischen Kriege, Pinneberger Tageblatt v. 13. Mrz 2000 Clausen, Wilhelm, Eggebeker Heimatbuch. Chronik der Dçrfer Keelbek-Tornschau, Esperstoft-Hnding, Bollingstedt, Langstedt, Jerrishoe, Eggebek, Flensburg 1939. Neudruck Schleswig 1980 Freytag, Erwin, Aus der Chronik des Kirchspiels Sieverstedt, Sieverstedt 1951 Gesellschaft fr Flensburger Stadtgeschichte, Flensburg. Geschichte einer Grenzstadt, Flensburg 1966 Hansen, Reimer, Geschichte der Stadt und des Kirchspiels Marne, Marne i.H. 1923 Hanssen, C.G., Versuch einer Chronik von Eckernfçrde, Kiel 1833 Irmisch, Rudolf, Geschichte der Stadt Itzehoe, Itzehoe 1960 Jensen, Jrgen, und Peter Wolf, Hg., Geschichte der Stadt Kiel, Neumnster 1991 Kinder, Johannes C., Urkundenbuch zur Chronik der Stadt Plçn, Plçn 1890; Neudruck Kiel 1977 Kçhncke, Hans Hinrich, Elmshorn. Chronik einer Stadt, o. O. 1970 Krtz, Jutta, 700 Jahre Stadt Wilster. Skizzen aus der Geschichte einer alten Marschenstadt, Wilster 1982 Pasche, Georg, Chronik des Kirchspiels Bornhçvede, Schleswig 1839 (FaksimileNachdruck hg. vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund, Bornhçved 1979)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Peters, Gustav, Geschichte von Eutin, Neumnster 1958 Pont, Ferdinand, Friedrichstadt an der Eider. Zweiter Teil: Der Remonstrantismus und die Religionsfreiheit in Friedrichstadt, Erlangen 1921 Prhs, Ernst-Gnther, Geschichte der Stadt Eutin, Eutin 1993 Sell, Wilhelm, Hg., Rllschau in Angeln, Husum 1990 Stadt Flensburg, Hg., Flensburg. 700 Jahre Stadt. Eine Festschrift – Bd. 1: Flensburg in der Geschichte, Flensburg 1984 (Schriften der Gesellschaft fr Flensburger Stadtgeschichte 36 Bd. 1) Valentiner, Georg Wilhelm, Chronik von Flensburg vom Jahr 1820, o. O. 1820

VII. Forschungsliteratur Achelis, Thomas Otto, Matrikel der schleswigschen Studenten 1517 – 1864, Band II: 1741 – 1864, Kopenhagen 1966 ADB, Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 1 – 56, hg. durch die historische Commission bei der Kçniglichen Akademie der Wissenschaften, Leipzig 1875 – 1912 Ahlefeldt, v. – A. Michelsen, Art. „Kai Lorenz von Brockdorff“, ADB Bd. 3, Leipzig 1875, S. 336 Alberti, E.[durard], Art. „Johann Christoph Biernatzki“, ADB Bd. 2, Leipzig 1875, S. 630 Alberti, Eduard, Hg., Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1829 bis Mitte 1866,Abth. 1 – 2, Kiel 1867 – 68 Albrecht, Christian, Art. „Vormrz“, in: TRE Bd. XXXV, Berlin / New York 2003, S. 291 – 301 Ders., Art. „Revolution. I. Neuzeit“, in: TRE Bd. XXIX, Berlin / New York 1998, S.109 – 126 Allen, C.[arl] F.[erdinand], Haandbog i Fædrelandets Historie med henblik paa Folkets og Statens indre Udvikling, 6. Udg., Kjøbenhavn 1863 Alnor, Karl, Uwe Jens Lornsen. Eine historisch-politische Skizze, Flensburg o. J. (Heimatschriften des Schleswig-Holsteiner-Bundes 14) Alwast, Jendris, Art. „Johann Friedrich Kleuker“, BBKL Bd. IV, Herzberg 1992, Sp. 51 – 54 Ders., Art. „Karl Leonhard Reinhold“, SHBL Bd. 5, Neumnster 1979, S. 227 – 231 Ders., Art. „Karl Leonhard Reinhold“, BBKL Bd. VII, Herzberg 1994, Sp. 1555 – 1558 Ders., Art. „August Detlev Christian Twesten“, SHBL Bd. 8, Neumnster 1987, S. 353 – 356 Andresen, Ludwig, Hg., Kieler Studenten im Vormrz, Festgabe der Stadt Kiel zum 275jhrigen Bestehen der Christian-Albrechts-Universitt in Kiel, Kiel 1940 Angelow, Jrgen, Edmund Burke und die Franzçsische Revolution. Von konservativer Kritik zur Idee des modernen Weltanschauungskrieges, in: ZRGG 52 / 2000, S. 97 – 114

VII. Forschungsliteratur

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Anonymer Verfasser, Heinrich Mller. Nekrolog, Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte 4 / 1813, S. 758 – 761 Antonetti, Guy, Louis Philippe, Paris 1994 Amsberg, Gad, Zur Semantik der Franzçsischen Revolution im Aktionsfeld des Deutschen Vormrz, in: Tel Aviver Jahrbuch fr deutsche Geschichte, Band XVIII: Die Franzçsische Revolution und Deutschland – Rezeption und Historiographie, hg. von Shulamith Volkov und Frank Stern, Tel Aviv 1989, S. 87 – 108 Asendorf, Manfred, und Rolf von Bockel, Hg., Demokratische Wege. Deutsche Lebenslufe aus fnf Jahrhunderten, Stuttgart 1997 Arends, Otto Fr., Gejstligheden i Slesvig og Holsten fra Reformationen til 1864. Personalhistoriske Undersøgelser, Band I-III, København 1932 Arnold, Heinz Ludwig, Hg., Friedrich Gottlieb Klopstock, Mnchen 1981 Ders., Vita Klopstocks, in: Friedrich Gottlieb Klopstock, hg. von Heinz Ludwig Arnold, Mnchen 1981, S. 122 – 124 Arvidson, Erik Stellan Ake, Thorild och den franska revolutionen, Stockholm 1938 Aschoff, Frank, Der theologische Weg Johann Friedrich Kleukers (1749 – 1827), Frankfurt/M. / Bern 1991 Backes, Uwe, Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese. Zum Wechselverhltnis zweier politischer Strçmungen im Vormrz, Dsseldorf 2000 (Beitrge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, hg. von der Kommission fr Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 120) Barz, Paul, Doktor Struensee. Rebell von oben, Berlin 1989 Batscha, Zwi, Hg., Materialien zu Kants Rechtsphilosophie, Frankfurt/M. 1976 Baudach, Frank, und Hntzschel, Gnter, Hg., Johann Heinrich Voss (1751 – 1826). Beitrge zum Eutiner Symposium im Oktober 1994, Eutin 1997, Eutin 1997 (Eutiner Forschungen Band 5) Bauer, Volker, Hofçkonomie. Der Diskurs ber den Frstenhof in Zeremonialwissenschaft, Hausvterliteratur und Kameralismus, Wien / Kçln / Weimar 1997 Baumgart-Horn, Janine, Theodor Olshausen – Eine politische Biographie, Fachwissenschaftliche Arbeit zur Anerkennung des 1. Staatsexamens fr das Lehramt an Gymnasien, Christian-Albrechts-Universitt Kiel, 2003 Baur, Jçrg, Hg., Zum Thema Menschenrechte. Theologische Versuche und Entwrfe, Stuttgart 1977 Bautz, Friedrich Wilhelm, Art. „Jakob Georg Christian Adler“, BBKL Bd. I, Hamm 1990, Sp. 37 Ders., Art. „Michael Baumgarten“, BBKL Bd. I, Hamm 1990, Sp. 422 Ders., Art. „Johann Christoph Biernatzki“, BBKL Bd. I, BBKL Bd. I, Hamm 1990, Sp. 587 Ders., Art. „Matthias Claudius“, Hamm 1990, Sp. 1038 – 1044 Ders., Art. „Johann Andreas Cramer“, BBKL Bd. I, Hamm 1990, Sp. 1147 – 1149 Ders., Art. „Claus Harms“, BBKL Bd. II, Hamm 1990, Sp. 540 – 543 Ders., Art. „Ernst Wilhelm Hengstenberg“, BBKL Bd. II, Hamm 1990, Sp. 713 f. Ders., Art. „Johann Gottfried Herder“, BBKL Bd. II, Hamm 1990, Sp. 738 – 745

694

Quellen- und Literaturverzeichnis

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736

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VII. Forschungsliteratur

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Personenregister Adler, Jakob Georg Christian 157, 160, 163, 284, 313-315, 357, 359, 438, 444, 452, 455, 574, 577 Adolf VIII., Herzog zu Schleswig und Graf zu Holstein 254 Ahlmann, Hans Wilhelm 605 Alberti, Dorothea Charlotte geb. Offeney 161 Alberti, Julius Gustav 161 Albrecht, Heinrich Christoph 139142, 155 Andresen, Andreas Peter 164, 450 Aristoteles 141, 165 Arndt, Ernst Moritz 260, 430 Asschenfeldt, Christoph Carl Julius 613 Bachmann, Friedrich 140 Baggesen, August von 511 Baggesen, Jens Immanuel 26, 73, 104, 224, 243, 249f., 259 Baltisch, Friedrich [Pseudonym Franz Hermann Hegewisch, s. u. diesem] 549 Bang, Frederik Ludvig 376 Bardenfleth, Carl Emil 595, 597, 602 Bargum, Ludolf Conrad Hannibal 604, 615 Barnave, Antoine-Pierre-JosephMarie 230 Baudissin, Heinrich Friedrich Graf von 219, 297 Baudissin, Wolf Heinrich Graf von 360 Bauer, Bruno 513, 554 Baumann, L.E. 441f. Baumgarten, Michael 18, 588, 621, 624f., 627, 629, 631, 634, 644650, 655 Bayle, Pierre 368 Berger, Johann Erich von 413

Bernadotte, Jean Baptiste 236, 379, 386, 403 Bernstorff, Andreas Peter Graf von 76f., 101, 105-107, 115-117, 135, 143f., 155, 157, 168, 170, 177, 217, 224, 251, 257, 268-273, 275, 283, 302, 354-358, 361, 365, 367 Bernstorff, Auguste Grfin von 224 Bernstorff, Johann Hartwig Ernst Graf von 94 Beseler, Georg 418 Beseler, Wilhelm Hartwig 598, 604606. 616 Biernatzky, Johann Christoph 491493, 504, 581-583, 586 Bille, Steen 639 Binder von Kriegelstein, Carl 147 Binzer, August Daniel von 428 Binzer, Ludvig Jacob von 251 Blicher, Steen Steensen 558 Block, Friedrich Christian 438, 441 Blcher, Gebhardt Leberecht 409, 421 Bluhme, Christian Albrecht 602 Boehlendorff, Casimir Ulrich von 295 Boie, Heinrich Christian 261, 340, 343, 350 Boisen, Pastor 614 Bonal, Francois de 173 Bookmeyer, Jrgen 586 Boysen, Jasper 299, 440, 445-447, 463 Brandis, Joachim Dietrich 411 Breckling, Johann 451 Bredow, Gabriel Gottfried 350 Brekling, Johann Hans 451 Brekling, Johannes Hans 451 Bremer, Jrgen 168, 604-606 Brissot, Jacques Pierre 74, 123, 265 Brockdorff, Cai Friedrich von 152f.

Personenregister

Brockdorff, Cay Lorenz von 420, 431f. Brodersen, Carl Wilhelm 586 Brckner, Ernst Theodor Johann 340f. Bugenhagen, Johannes 95 Bunsen, Christian Carl Josias von 632 Bnz, Nicolaus Hartwig 569 Burchardi, Georg Christian 430f., 519-521 Burke, Edmund 37-39 Cagliostro, Alessandro Comte de 209 Callisen, Johann Friedrich 440 Callisen, Johann Leonhard 124, 158, 324 Campe, Joachim Heinrich 79, 259 Carl, Landgraf von Hessen 152, 176, 205, 362 Carl August, Großherzog von Weimar 66, 421, 428 Carl Johann, schwedischer Kçnig 379 Caroline Mathilde, dnische Kçnigin 94, 102 Cato, Marcus Porcius 187 Celano, Thomas von 137 Christian, Prinz von SchleswigHolstein-Glcksburg 617 Christian Albrecht, Herzog von Schleswig-Holstein 92 Christian I., dnischer Kçnig 12, 254, 404, 514, 610 Christian II., dnischer Kçnig 370f. Christian IV., dnischer Kçnig 97 Christian VII., dnischer Kçnig 94, 100, 149, 309, 354, 372, 518 Christian VIII., dnischer Kçnig 496, 533, 539, 587f., 591, 594, 597, 639 Christian IX., dnischer Kçnig 617 Christiani, Christoph Johann Rudolph 110, 315-317 Christiani, Wilhelm Ernst 59, 95, 253-256, 653 Cicero, Marcus Tullius 141 Clasen, Hinrich Christoph 440 Clasen, Joachim Friedrich 452

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Claudius, Matthias 172, 175, 196204, 276, 299, 302 Claußen, Carsten Christian 449f. Clausen, Christian 123 Clausen, Friedrich Otto 585 Clausen, H.G. 393f. Clausen, Henrik Nikolai 596 Clausewitz, Carl Christian 340 Claussen, Hans Reimer 513f., 532, 534, 541, 544, 596, 599, 607 Condorcet, Marie Jean Antoine 35, 194 Constantin, rçmischer Kaiser 644 Corday, Charlotte 79 Couthon, Georges-Auguste 50 Cramer, Andreas Wilhelm 273, 413 Cramer, Carl Friedrich 26, 30, 76, 82, 115, 151, 153, 175, 223, 241, 253, 258-274, 281, 340f., 344, 521 Cramer, Johann Andreas 98, 103, 175, 251f., 259, 264, 290, 292, 294 Crantz, David 226 Cruse, Johann Christian 446, 451f. Custine, Adam Philippe de 241 Cyprianus, Caecilianus 459 Dahlmann, Friedrich Christoph 11, 384, 407–418, 434f., 439, 484, 515, 589, 610, 647, 653 d’Alembert, Jean le Rond 179, 194 d’Angiviller, Charles-Claude de Flahault de la Billarderie, Comte 171f., 180 Danner, Louise Christine Grfin 594 Danton, Georges Jacques 79 Decker, Christian August Hinrich 10, 622, 627 Detlefsen, A. 561f. Detze, Thomas Friedrich 140 Diderot, Denis 179 Dieckmann, Peter August 625 Diguemann, O.J.P. 38, 123, 155, 182 Dohna-Schlobitten, Friedrich Ferdinand Alexander Burggraf und Graf zu 133 Dorner, Isaak August 4, 635f.

740

Personenregister

Dose, Christian Detlev 556 Droysen, Johann Gustav 534, 543f., 607 Dumas, Mathieu 175 Dumouriez, Charles Francois 176, 359 Ebeling, Gerhard 5f. Eckermann, Jakob Christoph Rudolf 253 Eckermann, Johann Peter 88 galit, Louis Philippe 7, 176 Egge, Heinrich 475f., 581 Eggers, Christian Ulrich Detlev Freiherr von 26, 112, 126, 232, 254-256, 423 Engel, Caspar Arnold Gotthold Johann 600 Erasmus von Rotterdam 285 Eulenburg, Botho Graf 633 Ewald, Johann 104 Fabricius, Anna Ccilie 174, 240f. Fabricius, Johann Christian 121, 240f., 253. Falck, Nikolaus 405, 407, 413, 416f., 464, 485, 579, 589, 620f., 624 Feddersen, Hans Rudolf 387 Feilberg, Nikolaj Laurentius 614 Feldmann, Christian Nicolai Ludwig 507f., 510f. Feldmann, Masius 140 Ferdinand III., deutscher Kaiser 256 Feuerbach, Johann Anselm 126 Feuerbach, Ludwig 519 Fichte, Johann Gottlieb 66-71, 195, 211, 217, 243, 283, 295, 541 Fock, Johann Georg 440, 461 Fock, Otto 500, 569, 600, 605 Francke, A.F. 358 Francke, August Hermann 289 Francke, Georg Samuel 408 Friederici, Advokat 544 Friederici, Ernst Ludewig 311f. Friedrich, Prinz von Noer 605f. Friedrich August, Frstbischof von Lbeck und Herzog von Oldenburg 108f., 328

Friedrich Carl Ferdinand, Herzog zu Braunschweig-Lneburg-Bevern 311 Friedrich Christian, Herzog von Augustenburg 125, 211, 227, 229f., 367 Friedrich Christian II., Herzog von Augustenburg 370f., 379 Friedrich II., preußischer Kçnig 154 Friedrich III., dnischer Kçnig und Herzog von Schleswig und Holstein 256 Friedrich III., Herzog von Gottorf 97, 108 Friedrich VI., dnischer Kçnig 95, 100, 121, 288, 316, 362, 367f., 379, 385, 388, 401, 411, 417f., 420, 443f., 470, 475, 481f., 490, 497, 537, 554, 557, 563f., 581f. Friedrich VII., dnischer Kçnig 534, 594-597, 601f., 607-609, 617, 619, 622, 626, 630, 640 Friedrich Wilhelm IV., preußischer Kçnig 632f. Friese, Conrad Heinrich 159f. Frçlich, Friedrich Heinrich Wilhelm 159 Funk, Elias 175 Funk, Gottlieb Benedikt 175 Funk, Nikolaus 180, 275, 300f., 357, 389-392, 398, 452-458, 461, 463, 569 Frstenberg, Franz Freiherr von 180 Gabert, Adolph Ludewig Christoph 432 Gagern, Heinrich von 428, 615 Gagern, Max von 615 Gallitzin, Amalia Frstin von 180, 208, 350 Gambier, John 376 Gellius, Aulus 165 Gentz, Friedrich 123 Georg III., Kçnig von Großbritannien 348 Gerber, August Heinrich 504 Gerber, Joachim Heinrich 569, 586 Gerlach, Ernst Ludwig von 628

Personenregister

Gerlach, Otto von 632 Gerstenberg, Heinrich Wilhelm von 104, 150f., 259, 261 Geyser, Samuel Gottfried 253, 294, 358 Girtanner, Christoph 273 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig 60, 276, 338, 347f., 351 Goethe, Johann Wolfgang 52, 84-88, 176, 184, 209, 217, 260, 284f., 295 Goeze, Johann Melchior 161 Grgoire, Henri 241, 269 Greve, David Friedrich Ludwig 569571, 573 Grimm, Friedrich Melchior von 179 Großmann, Christian Gottlob Leberecht 556 Grundtvig, Nikolai Frederik Severin 363, 514, 588, 628 Guldberg, Ove s. Ove HøghGuldberg Glich, Jacob Guido Theodor 170, 600, 607 Glich, Johannes Hesdorf Theodor 170, 600, 607 Glich, Ludwig August 164, 168, 600 Gundermann, Johann Heinrich 140 Gustav III., schwedischer Kçnig 260 Gustav IV., schwedischer Kçnig 378 Haack, Volquard Georg Friedrich 612f. Hage, Alfred 602 Hahn, Johann Friedrich 340 Halem, Gerhard Anton Graf von 64, 74, 187-189, 195, 203, 205, 207, 212, 262-264, 270, 273, 332, 334336, 351f. Hansen, Adolf Ulrich 569 Hansen, Christen 128 Hansen, Christian Boe 564, 566 Hansen, J.J. Heinrich 544, 567 Hansen, Jep 614, 620 Hansen, Jørgen 550 Hansen, Matthias 569 Hansen, Pastor 546

741

Harms, Claus 17f., 119, 121, 124126, 128, 224, 236-237, 277f., 296, 394-397, 412, 440, 453–461, 463, 467-469, 471f., 474, 476f., 490, 494, 498, 503f., 509f., 513, 537f., 560-564, 567-570, 572575, 577f., 581, 583f., 586, 588, 590-592, 606, 622, 624, 627, 632, 640-643. 647, 650, 654f. Harmsen, Rektor 440 Harries, Heinrich 165 Hartmeyer, August 524, 529, 544 Hartz, Johann Tycho 305-310, 444, 447, 580 Hasselmann, Karl Friedrich Christian 472 Hedde, Friedrich 516, 518, 522, 528, 530, 538f., 544 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 512f., 517, 534 Hegewisch, Caroline 219, 411 Hegewisch, Dietrich Hermann 253, 256, 273, 356, 358, 379, 423 Hegewisch, Franz Hermann 413, 422f., 518, 525f., 549 Hegewisch, Julie 411 Hegewisch, Lotte (Charlotte Friederike Dorothee) 221, 411, 588, 595, 606 Heinze, Valentin August 253, 257 Hengstenberg, Ernst Wilhelm 629632, 634, 641, 655 Henke, Heinrich Philipp Conrad 163 Hennings, August von 99, 104, 111, 123, 132, 171, 175, 177-179, 182208, 210, 212, 229, 273, 298, 329, 336, 345-347, 350, 366, 375f., 387, 406, 524 Hennings, Martin Nikolaus 183 Hensler, Christian Gotthilf 253, 291f., 301 Hensler, Grete 411 Hensler, Pastor 579 Hensler, Philipp Gabriel 358 Hensler, Philipp Georg 153 Herbart, Johann Friedrich 295 Herder, Johann Gottfried 59-63, 104, 184, 216, 221, 275, 328

742

Personenregister

Hermannsen, A.N. 168 Hermes, Hermann Daniel 300f. Hertel, Hans Vilhelm 614 Hertzbruch, Johann Carl Julius 577581 Hobbes, Thomas 34 Høcker, Hermann Peter Johannes 614 Høgh-Guldberg, Ove 94, 102, 105, 114, 183, 215, 354, 368 Holck, Ina 172 Hçlderlin, Friedrich 60 Hçlty, Ludwig Christoph 340 Hçpfner, Dieterich Leberecht 440 Høpp, Johan Paul 482 Hudemann, Dr., Domschullehrer 625 Hudtwalker, Pastor 376 Hlsen, August Ludwig 66, 295 Humboldt, Alexander von 433 Hvidt, Laurits Nicolai 596, 601f. Iffland, August Wilhelm Israel, Elias 140

164

Jacobi, Friedrich Heinrich 83, 151, 175, 206f., 217, 235, 328, 337 Jacobsen, Friedrich Johann 354, 356 Jacobsen, Georg 535 Jahn, Friedrich Ludwig 260 Jensen, Friedrich Christoph 251, 253, 411f. Jephta, altt. Richter 471 Jesus Christus 128, 161, 237, 243, 266, 282, 309f., 342, 448f., 453, 460-462, 466-469, 475f., 490, 494, 510, 525, 574f., 585, 589, 623f., 639 Jochimsen, J.W.H. 168 Johann, Erzherzog von sterreich 644 Johannsen, Friedrich 298 Johannsen, Johannes Christian Gottberg 581 Johannsen, Nikolaus 156, 158-162, 167 Johannsen, Thomas 123

Joseph II., çsterreichischer Kaiser 109, 174 Juergensen, Johannes Heinrich 451 Jrgensen, Peter 614 Kaas, Friedrich Julius 367, 370 Khler, Carl Nicolaus 586 Kant, Immanuel 53-59, 63, 69, 224, 233, 242, 260, 265 Karck, Marcus 442, 450 Karl I., englischer Kçnig 155 Karl X., franzçsischer Kçnig 41, 480f. Karl XIII., schwedischer Kçnig 109, 378 Karl Friedrich, Gottorfer Herzog 108 Karl Peter Ulrich von Gottorf 108 Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog zu Braunschweig und Lneburg 77 Karstensen, Kristen 614 Katharina II., russische Zarin 171 Kleist, Heinrich von 407 Klenze, Carl Friedrich Hermann 511 Kleuker, Johann Friedrich 275-281, 408, 453 Klopstock, Friedrich Gottlieb 52, 7184, 103f., 131-133, 175, 206, 223, 235, 240, 251, 259, 261, 265f., 273, 341, 469 Knigge, Adolph Franz Friedrich Ludwig von 132f., 211 Knçlck, stud. 154 Knuth, Frederik Marcus Graf 602 Koch, Samuel Friedrich 586 Kochen, Albrecht Heinrich 421 Kolls, Distriktschullehrer 559 Konfuzius 236 Kçnig, Karl Bernhard 566 Kçster, Johann Friedrich Burchard 473 Kotzebue, August von 425, 428 Krafft, Dethlev Nikolaus 448 Khl, Mewes 588 La Rochefoucauld-Liancourt, Francois Alexandre Frdric, Duc de 74f., 230 Labatt, Jakob 140

Personenregister

Lafayette, Marie Joseph Motier de 7, 171, 174-176, 179, 181, 207f., 230, 240f. Lameth, Alexandre-Thodore-Victore comte de 230 Lautrup, Erasmus 500 Lavater, Johann Caspar 66, 82-84, 276 Lawaetz, Johann Daniel 478f. Lehmann, Orla 505-507, 540, 595, 597, 601-603 Lehoc, Francois 132, 135 Leibniz, Gottfried Wilhelm 34 Leisewitz, Johann Anton 341 Lessing, Gotthold Ephraim 28, 131, 138, 161, 165, 227, 267 Lindenhan, A.C. 450 Linn, Carl von 240 Lçck, Georg 119, 579 Locke, John 110 Lorensen, Jrgen Jens 119f., 427, 429, 515 Lorentzen, Jacob Friedrich Nicolaus 504, 579 Lorentzen, Lorenz 494 Lorenzen, Peter Hjort 500, 502, 504, 514, 536 Lornsen, Uwe Jens 7, 11, 20, 66, 120, 168, 411, 420, 423, 425, 427-430, 434, 437, 482-486, 490, 494, 503, 515, 518, 525f., 528, 578, 589, 644 Louis Philippe, franzçsischer Brgerkçnig 7, 175-177 Louise Augusta, Kronprinzessin 26 Lbker, Detlev Lorenz 398-400 Lbkert, Johann Heinrich Bernhard 569 Luckner, Johann Nikolaus Graf von 121, 206 Luckner, Nikolaus Graf von 206 Ldemann, Carl Peter Matthias 585 Luden, Heinrich 424 Ludewig, Nicolaus Matthias 440 Ludwig XIV., franzçsischer Kçnig 40 Ludwig XVIII., franzçsischer Kçnig 177, 480 Luther, Daniel 451

743

Luther, Martin 319, 437, 450-452, 471, 528 Luther, Theodor 451 Mably, Gabriel Bonnot de 188 Mahrt, Johann Hinrich 167f., 584 Mansbach, Johan Friderich Freiherr von und zu 211 Manthey, Johann 375 Marat, Jean Paul 79, 149 Maria-Josepha, Grfin der Provence und Gemahlin des designierten franzçsischen Kçnigs Ludwig XVIII. 177 Maria-Theresia, çsterreichische Kaiserin 209 Marianne, Prinzessin von Mecklenburg 594 Martens, Anton Nicolaus 473 Martens, Peter 168, 584 Martensen, Hans Lassen 633 Marxen, Max Christian 440 Matthiesen, Johann Wilhelm 425 Matthiesen, Justitiarius 586 Matthisson, Friedrich von 234 Mendelssohn, Moses 28, 138, 205 Metternich, Klemens Lothar Frst 418 Meyer, Friedrich Marquard 120f. Meyer, Georg Conrad 152-164, 239 Meyn, Johann Jacob Martin 440 Michelsen, Andreas Ludwig Jakob 526 Michelsen, C. 538, 585 Miller, Johann Martin 340 Millin-de Grandmaison, AubinLouis 123, 241 Mirabeau, Honor Gabriel de Riqueti, Comte de 122, 154, 173f., 262 Mohammed 455 Mçller, Georg Wilhelm Christian Eduard 569 Moltke, Adam Graf 406 Moltke, Adam Wilhelm Lehnsgraf 595, 602 Moltke, Carl Graf 595, 616 Moltke, Magnus Graf 531 Mommsen, Theodor 605, 607

744

Personenregister

Monrad, Ditlev Gothard 595, 602f. Montague, Anne-Paule-Dominique de Noailles, Marquise de 181 Montesquieu, Charles Louis de Secondat, Baron de la Br de et de 27, 46, 172, 220, 231, 334 Moritzen, Moritz Andreas 424f. Møsting, Johann Sigismund von 367, 372, 417 Mozart, Wolfgang Amadeus 179 Mller, Heinrich 66, 221, 290-299 Mller, Johann Georg 221 Mller, stud. med. 239 Mnter, Friedrich 332

Olshausen, Theodor 20, 74, 98, 101, 209, 390, 397, 420, 426f., 429434, 494, 496-501, 504, 506, 513517, 522, 528, 531, 533, 536, 539, 542, 553-555, 567, 579, 593, 599f., 603, 605, 607, 615, 618 Olshausen, Wilhelm 390, 421, 424, 433, 437 Orlans, Ludwig Philipp von 7, 176f., 481, 582 Ørsted, Anders Sandø 595 Otzen, Peter 614 Outzen, Nicolaus 451 Overberg, Bernhard Heinrich 181

Napoleon Bonaparte 7, 11, 51, 62, 91, 171f., 174f., 178, 234, 334, 361, 374f., 377-379, 385, 401f., 408 Narbonne-Lara, Louis Marie Jacques Amalric Comte de 206 Neander, August Johann Wilhelm 534, 627 Neergaard, Lucius Carl Joseph Andreas von 543, 600, 603 Nelson, Horatio 363, 376 Newton, Isaac 266 Nichelmann, Gottlob Christoph 140 Nielsen, Adolf Gottfried Heinrich 582 Nielsen, Nicolai Johannes Ernst 4, 8, 110, 426, 533, 586, 588f., 613, 622-627, 629, 632-634, 636 Niemann, August Christian Heinrich 126, 240, 252, 273, 413 Nissen, Hans Friedrich 393f., 440, 461-463 Nissen, Lehrer 561 Nissen, Lorenz 26, 156, 457 Nissen, Peter Nicolaus 547 Niebuhr, Barthold Georg 364

Paap, Johann Wilmsen 140 Paine, Thomas 37-39, 123, 149, 155 Paisen [auch: Paysen], Matthias Friedrich 156-160, 163 Parker, Hyde 363 Paul, Großfrst von Gottorf 108 Paulsen, Christian 484 Paulsen, Ingwer Carstens 440, 462f. Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob 129, 296, 353 Pechel, Friedrich [Pseudonym Theodor Olshausen] 434 Pelt, Anton Friedrich Ludwig 534f., 544, 635 Perthes, Friedrich Christoph 175 Pestalozzi, Heinrich 79, 225 Peter Friedrich Ludwig, (Groß-)Herzog von Oldenburg 109, 317, 328331, 346 Peter Friedrich Wilhelm, Herzog von Oldenburg 109, 329 Peter III., russischer Zar 108 Petersen, A. 586 Petersen, Georg Peter 438-440, 444, 451, 462 Ption de Villeneuve, Jerme 271 Peymann, Stadtkommandant von Kopenhagen 376 Pfaff, Christoph Heinrich 215f., 278, 407, 413 Pius VII., rçmischer Papst 165, 377 Plmicke, Carl Martin 164 Plutarch 73

Oertling, Friedrich Ernst Christian 444, 450 Olsen, O.N. 535 Olshausen, Detlev Johann Wilhelm 286, 317-324, 390, 421, 441, 536 Olshausen, Justus 390, 420-422., 424, 426f., 433f., 437, 522, 615

Personenregister

Portalis, Jean-Etienne-Marie 172, 178 Portalis, Joseph-Marie 172 Prehn, Johann David Thomas 425 Preußer, Ludwig Theodor 638 Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von 133 Rantzau-Ascheberg, Hans Graf von 31 Rasmussen, Louise Christine 594 Rathgen, Bernhard 534, 544 Rebmann, Andreas Georg Friedrich 91, 137, 142 Rehberg, August Wilhelm 37 Rehhoff, Johannes Andreas 575-577, 620, 627, 651 Reimarus, Hermann Samuel 161 Reimarus, Johann Albert Heinrich 132, 134, 205 Reimarus, Sophie 74 Reimer, Nicolaus Theodor 413 Reimers, cand. theol. 570 Reinhard, Graf 207 Reinhold, Karl Leonhard 59, 66f., 125, 180, 195, 205, 217, 223f., 234f., 239f., 242-251, 299, 358, 405, 412 Renck, Hans Lorenz 545, 547 Reventlou, Friedrich Graf 596, 599, 604-607, 616 Reventlow, Cai Graf von 222, 269, 274f., 283, 288, 299, 367 Reventlow, Christian Detlev Friedrich Graf von 143, 204, 231f., 364, 367, 380, 382f., 405, 458 Reventlow, Detlev Friedrich 143 Reventlow, Friedrich [gen. Fritz] Graf von 107, 115, 153, 172, 189, 204, 216, 219-223, 269, 274f., 283, 287-292, 300-302, 361, 654 Reventlow, Johan Ludwig Graf von 231f., 458 Reventlow, Julia Grfin von 83, 114, 171f., 216, 220, 223-228, 231 Reventlow-Criminil, Heinrich Graf von 595

745

Riemann, Heinrich Arminius 420f., 429f., 437 Rist, Johann Georg 389 Rixen, Claus 291, 296f. Robbespierre, Maximilian 35, 41, 265 Rohan-Gumen, Louis Ren douard Prince de 209f. Rçhe, Thomas 552 Rohwer, Landwirt 596 Roland de la Plati re, Jean-Marie 77, 80, 241 Roquemorel, Marquis de 179 Rothe, Tyge 368 Rousseau, Jean-Jacques 25-36, 41f., 46f., 56, 59, 67, 76, 106, 136, 154, 186, 188, 190, 192-195, 229, 231, 258, 260f., 265, 318, 332, 334, 484, 522, 525, 561, 574f., 652 Roux, Jacques 48 Ruge, Arnold 432, 519, 554f., 565 Saint-Just, Louis-Antoine-Lon de 50 Saint-Martin, Louis Claude de 276 Samwer, Karl 544 Sand, Karl 425, 428 Schack, von 253 Scheel, Ludwig Nicolaus von 633 Scheel.Plessen, Graf von 579 Schiller, Friedrich 79, 82, 184, 216, 227, 232f., 242 Schimmelmann, Charlotte Grfin von 106, 275 Schimmelmann, Heinrich Ernst Graf von 104, 114, 143, 211, 216, 218, 222f., 226-230, 367, 371f., 383 Schimmelmann, Heinrich Graf von 223, 228 Schirach, Gottlob Benedict von 187f. Schlegel, August Wilhelm von 403406, 435 Schlegel, Friedrich von 180, 200 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 388, 411f., 627 Schmettow, Woldemar Graf von 115, 123, 191, 203, 208-214, 357, 616 Schmidt, Jacob 167

746

Personenregister

Schmidt, Johannes Georg 440, 457 Schmidt, Ludwig Carl Friedrich 424f. Schmidt, Martin Thorsen 605f., 615 Schouw, Joakim Frederik 596 Schrader, Ludwig 634, 647-650 Schreiter, Johann Christoph 440, 445, 448 Schrçder, Friedrich Ludwig 139 Schulz, Johann Abraham Peter 104, 259, 274, 343-345 Schulze, J.H. 440f., 444 Schumacher, Georg Friedrich 125, 127, 140, 153, 235, 237, 242, 258, 279, 296, 300, 363, 379, 458, 485 Schumacher, Gustav 125, 619, 621623, 628 Schtz, Friedrich Wilhelm von 132, 135, 138f., 253 Schwartz, Georg Heinrich Wilhelm 570 Schwartz, Jacob Hinrich Hermann 569 Schwartz, Wilhelm 570 Schwennsen, Claus 168. Schwerdtfeger, Gutsbesitzer 596 Seneca, Lucius Annaeus 285f. Siemens, Werner von 638 Sieveking, Friedrich 205 Sieveking, Georg Heinrich 78, 131134, 148, 274 Sieveking, Louise Marianne Johanne geb. von Hennings 295 Sievers, Juliane 234 Sieverts, Johann Joachim 440, 444f., 448f. Smidt, Johann 295 Sneedorf, Jens Schielderup 112, 367 Sokrates 138, 236, 296 Spalding, Johann Joachim 325f. Spinoza, Baruch 236 Stahl, Friedrich Julius 633 Steffensen [Stephensen], Jørgen 614 Steinacker, Prsident der Braunschweigischen Stndeversammlung 532 Stemann, Ludwig von 146f. Stemann, Poul Christian 595

Stolberg, Christian Graf von 83, 172, 175f., 235-237, 341, 412 Stolberg, Friedrich Leopold Graf von 83, 109f., 172, 180, 204f-206, 223, 264, 272f., 277, 328341,350-353, 509 Stolberg, Louise Grfin von 62f., 83, 106, 143, 172, 180f., 204, 214, 216, 218, 222, 231-235, 275, 364f., 380, 382f., 405, 458 Strauß, Daniel Friedrich 513, 519 Strauß, Friedrich Adolph 613 Streit, Dr. 544 Struensee, Johann Friedrich Graf von 94, 100-102, 105 Tacitus, Publius Cornelius 73, 527 Talleyrand-Perigord, Charles Maurice de 173, 370 Tess, Adrienne-Catherine Marquise de 179 Tettenborn, General 387 Thieß, Dorothea Catharina 284 Thieß, Hermann Wilhelm Markus 286, 469f., 487-491, 493, 614 Thieß, Johann Otto 72, 150, 281286, 303-305 Thiessen, Johann Peter 124 Tholuck, Friedrich 627 thor Straten, Josias 156f., 168, 415, 547 Thorild, Thomas 260-264, 267f., 270f., 273 Thukydides 73. Thygesen, Thyge 633 Tiedemann, Johann Peter 387 Tillisch, Fritz (Frederik) von 437 Timmermann, Conrad H. 164 Trapp, Ernst Christian 199 Trenck, Friedrich Freiherr von der 142-146, 156 Trendelenburg, Adolf Friedrich 253 Tscherning, Anton Frederik 602 Turgot, Anne-Robert-Jacques Baron de l’Aulne 154 Twesten, August Detlef 277, 296, 388, 407, 411-413, 429, 458, 575, 627

747

Personenregister

Uhlich, Leberecht 565f., 571f. Ulber, Christian Samuel 586 Uthof, Pastor 441-443 Valentiner, Christian August 425f., 436f., 531, 631, 644 Valentiner, Ernst Theodor 570 Valentiner, Friedrich 258 Valentiner, Georg Wilhelm 158f., 465, 550 Vent, Hans Lorenz Andreas 493f. Vergniaud, Pierre Victurnien 265267, 271 Versen, Pfarrer 171 Versmann, Ernst Friedrich 9, 622, 627, 630 Vilhelmine, dnische Prinzessin 594 Vischering, Adolf Heidenreich Droste Freiherr von 181 Vischering, Caspar Max Droste Freiherr von 181 Voght, Caspar 74, 131, 134 Volchersen, Abraham 303 Volquardts, Hans Andreas Friedrich 419, 437 Voltaire (Francois Marie Arouet) 26, 94, 141, 179, 185, 188, 236, 264, 335, 368 Voß, Ernestine 338f., 350 Voß, Johann Heinrich 74, 129, 151, 172, 274, 276f., 300, 328, 332, 334, 336, 338-353 Vries, Ludwig Philipp de 58

Washington, George 7, 173-175 Wattenbach, Ccilie 375 Weber, Ferdinand 413 Weber, Georg Heinrich 364 Wehrs, stud. theol. 340 Weishaupt, Adam 205 Welcker, Karl Theodor 407, 413f. Wellington, Arthur 409 Wendt, Carl 214 Wesselhçft, Robert 420, 422, 429f. Wiedemann, Christian Rudolf Wilhelm 413, 427, 431-433 Wieland, Christoph Martin 64-66, 173, 180, 187, 200, 239f., 243f., 246, 248, 341, 428 Wiese, Theodor Friedrich 536 Wislicenus, Gustav Adolf 565, 572 Witt, Johann Gottfried 440 Witt, Landesgevollmchtigter 596 Woellner, Johann Christoph von 163, 300 Wolf, Conrad Wilhelm Moritz 584f. Wolf, Heinrich Sçn(c)ke Theodor 562f., 566f., 569, 572, 587, 647 Wlfke, Georg Nicolaus 526 Wyneken, Carl Johann Conrad 441 Xenophon

141

Ziegler, Johann Conrad

221

Sachregister Aalborger Zeitung 539 Abendmahl 392, 436, 450, 465, 632 Aberglaube 160, 202, 210, 293, 314, 476, 509 Absoluter Monarch 10, 15, 36, 100, 110, 113, 239, 373, 378, 524 Absolutismus 1, 15, 17, 26, 47, 84, 91, 93-118, 127, 136, 147, 150, 152, 171, 185f., 189f., 204, 209, 229f., 325f., 329, 331, 367, 373f., 384f., 401, 403, 414, 416, 418, 494, 500, 502f., 505, 510f., 518, 539f., 554, 562, 577, 588, 593, 595, 597, 607-610, 618, 621, 639, 649, 655 Adel, Adlige 25, 68, 83, 85, 87, 91, 95, 98f., 101, 106f., 111, 117f., 178, 180, 183, 189, 190f., 192196, 215f., 222, 224, 233, 235, 247, 331, 333, 336, 342, 354, 360f., 367, 373, 401, 412f., 480f., 515, 524f., 653 Agrarreform 111-113, 551 Allmacht 32, 70 Altes Testament 365, 452 Altonaer Bibel 452, 454-458, 461, 463 Altonaischer Mercurius 122, 126, 139, 176, 433, 591 Amerikaner 37, 39, 149, 174, 259 Amtseid 13, 507, 612, 629, 633 Amtsenthebung 619, 651 Anarchie 58, 66, 79, 123, 134, 144, 186, 188, 198, 248f., 334, 337, 510 Ancien Rgime 38, 41, 93, 96, 118, 178, 188, 209, 221 Angeln 633 Annalen der leidenden Menschheit 184, 189, 192

Anthropologie 36, 39, 69, 158 Apotheose 202, 267, 310, 337, 399 Arbeitsmarkt 552 Aristokratie 86, 107, 121, 138, 189, 215, 220, 249, 288, 328-339, 354f., 367, 372, 401, 525 Armenfrage 478f. Armut 28, 240, 284, 322f., 324, 477479, 549, 551 Atheismus 49, 202, 221 Auferstehung 161, 252, 285, 468 aufgeklrt 18, 26, 64, 66, 78, 93-117, 126f., 135, 141f., 154, 178, 185f., 199, 229f., 233, 276, 283, 292, 302, 307, 325f., 329, 344, 346, 476, 509, 540, 562, 641, 652 Aufklrungstheologie 303-327 Augsburgisches Bekenntnis / Augsburgische Konfession 95, 99, 438, 590 Avantgarde 233, 439, 494, 503, 595, 631, 654 Baden 16, 369, 531, 541, 614, 632 Bastille 25, 59, 76, 84, 120, 123, 132f., 222, 265, 315, 358 Bauer 25, 110-113, 118f., 127f., 134, 156, 194, 211, 231, 240, 291, 295f., 342, 346, 382-384, 486, 595, 621 Bauernreform 231 Bayern 16, 369, 438, 531 Beamte(r) 368, 434, 511, 531 Befreiungskriege s. Freiheitskriege 3, 17, 334, 402, 653 Bekenntnis 15, 49, 68, 81, 99,104, 111, 124, 142, 146, 158, 204, 238, 265, 286, 288, 295, 305, 346, 415, 424, 436, 442, 451, 465, 498, 502, 542,

Sachregister

563f., 566f., 590, 606, 609, 628, 641, 643f., 655 Bekenntnisschriften 451, 590 Belgien 176, 369, 489 Besitzbrgertum 47f., 168f., 381, 383, 417, 423, 486, 579 Bewaffnete Neutralitt 92, 170, 356, 358, 361, 366 Bibel (s.a. Heilige Schrift) 17, 123, 158, 221, 245, 290, 319, 325, 337, 392, 436, 441, 449, 451-453, 455458, 461, 463f., 470, 476, 488, 527, 538, 565, 583f., 631 Biblische berlieferung 6, 221, 264, 267, 326f., 364, 457, 487, 526, 548, 549, 647, 650 Bildung 1, 4, 6, 10f., 13, 16–19, 29, 32f., 35, 44, 51, 65, 70, 76 Brasilien 485 Braunschweig, Herzogtum 77, 311, 481, 611, 614 Braunschweigisches Journal 199 Braunschweigisches Manifest 77, 144 Bund der freien Mnner 66, 295f. Bundesakte 14, 20, 99, 401-418, 423, 481-484, 514, 541, 543, 563, 578 Brgerkçnig 7, 175, 177 Brgertum 1-3, 5, 17-20, 44, 48, 51f., 78, 84f., 87, 90, 100, 113, 118, 128, 131f., 134f., 147, 157, 168f., 248, 292, 300, 302, 306, 312, 327, 328-353, 354, 358, 362, 364, 367, 373f., 380f., 389, 401f., 405, 417, 423, 467, 479, 481, 486, 494, 518, 525, 540, 572f., 577, 587, 628, 652, 654f. Burschenschaft 20, 238, 295, 419437, 439, 479, 534, 554, 594, 628, 653f. Casinoministerium 602 Christentum 42, 48, 56f., 141f., 144, 157, 161, 185, 202, 204, 220, 224, 265, 275, 285, 296, 307, 312, 315, 325, 337, 393, 459, 463, 466, 469, 473, 475, 549, 554, 555, 582f., 613, 652

749

Christian-Albrechts-Universitt (s.a. Kieler Universitt) 4, 153, 217, 221, 237-289, 419, 543, 653 Christologie 158, 252 clausula Petri 319, 557, 634 communio sub utraque 450 Confessio Augustana 95, 99, 438, 502, 590 Contrat social 26, 31 Dnemark 1, 5, 9, 12, 18f., 72, 92, 93-118, 126, 143, 148, 154f., 168, 177, 191, 206, 209, 213, 215f., 227, 231, 255, 269, 274, 303, 308f., 321, 354-378, 379, 382, 385, 388, 404, 411, 436, 439, 444, 464, 482f., 489f., 497, 502, 506, 523, 528, 530, 532f., 535-540, 593, 595f., 599, 601, 603, 608, 610, 615-619, 623, 626, 628, 637f., 649 Dnische Kanzlei 102, 367, 370 Dnischer Gesamtstaat 1, 4, 7, 15, 19f., 23, 26, 30, 66, 71, 92, 93118, 129f., 135, 143, 146, 147, 151f., 170, 177, 187, 205, 209, 212f., 215f., 218, 261, 288, 290, 305, 308, 320, 321, 330, 345, 354378, 379f., 382, 384f., 388, 402, 405, 428f., 434, 436, 438, 441, 451, 486, 508, 510, 511, 514, 525, 531, 535f., 539f., 551, 580f., 588f., 593, 596, 603, 631, 649 Danisierung 110, 215, 316, 374, 384f., 411, 617, 647 Danizismus 102f. Dannebrog 102 Dannevirke 557f., 620 Danske vej 93, 118 Dansk Folkeblad 3 Dechristianisiserung 7, 18, 21, 42, 49, 562, 652 Deismus, deistisch 48, 88, 179, 185, 190, 205, 265, 499 Deist 229, 266 Demokratie 32, 66, 90, 192, 201, 221, 348, 423, 618

750

Sachregister

Demokratisch 3, 20, 32f., 37, 39, 42, 47, 67, 71, 90, 93, 130, 144, 146149, 153, 163f., 169, 182, 185, 192, 204, 218, 220, 238f., 247, 250f., 257, 260, 342f., 346f., 350, 368f., 372-374, 417, 420, 427, 456, 484, 495f., 501, 510, 515f., 518, 522, 524f., 529, 572, 589, 603, 605, 646, 648-650, 653, 655 Demokratisierung 25, 35 Despotismus 115, 133, 135, 144, 160, 192, 210, 236, 248f., 331, 335, 426, 502 Deutsche Kanzlei 100, 102, 115, 147, 152f., 163, 177, 253, 257, 268f., 271, 283, 299, 301, 354, 359, 367, 374 Deutscher Bund 1, 99, 321, 402, 410f., 418, 421, 423f., 429f., 439, 481, 486, 505, 514, 530, 532f., 537, 541, 563, 597, 599f., 610, 616f. Deutscher Bundestag 412f., 481, 599, 614 Deutsches Reich 63, 90, 92f., 107, 114, 127, 135, 137, 272, 371, 373, 374, 402, 542, 544 Deutsches Volk 61, 436, 508, 534, 539, 644 Deutschland 11, 13, 37, 43f., 51-88, 91, 93, 104, 118, 126f., 129f., 132f., 135f., 138, 145-147, 150, 192, 196, 215, 218, 232, 236, 238, 247f., 255, 348f., 409-411, 420, 423, 426f., 431, 436, 441, 514, 530-532, 540f., 543f., 572, 589, 593, 598, 606f., 609, 616, 632, 635, 638f., 641f., 653 Diakonie 551 Diakonisches Handlungsfeld 545 Dithmarschen 107, 125, 154, 394f., 397, 449, 474f., 503, 569 Dogmen 16, 39, 88, 160, 183, 265, 569 Dritter Stand 18, 32, 44, 47f., 207, 220, 262, 329, 343, 367

Eid

13f., 43, 46, 67, 96, 98f., 173, 210, 256, 269, 273, 325, 337, 467, 501-510, 555, 573, 587, 590, 613, 622, 629, 631, 633, 642 Eidbruch 622 Eider 13f., 90, 97f., 185, 365, 373f., 421, 481, 486, 491, 492, 536, 626, Eiderdnen, -dnisch 14, 537, 587, 595-597, 602, 609f., 626, 638, 649 Eidesleistung 99, 509 Einigung Deutschlands 295, 410, 544, 598, 641 Einkommensteuer 545 Ekklesiologie, ekklesiologisch 459, 646, 649 Elbe 2f., 7, 17, 84, 105, 109, 185, 216, 325f., 334, 359, 373, 389, 401f., 429, 434f., 438, 451, 481, 487, 532, 535, 612, 630, 636, 653 Emanzipation 35, 139f., 155, 164, 244, 289, 407, 435, 467, 641 Emigrant(en) 77, 119f., 127, 170181, 221, 274, 330f., 352 mile 30f., 193, 229, 261, 265, 561 Empirie 410 Enevælde 99, 356, 373f., 418, 505, 588 England 123, 155, 192, 227, 229, 260, 361, 363, 375 Erbfolge 13, 92, 99, 256, 371, 534, 544, 588, 591, 595, 618 Erbrecht 13, 545 Erbsndenlehre 29, 55, 202f., 252 Erhebung 1-21, 25, 78, 101, 110, 125, 137, 152, 168, 209, 246, 298, 320, 370, 372, 404, 425, 436, 467, 469, 481, 485, 494, 510, 515, 528f., 535, 561f., 564, 575, 585, 593-651 Erlçsung 36, 164, 318, 448, 460462, 467, 583f. Ethnie(n) 111, 360, 370, 377 Europa 18, 50, 61f., 72, 75, 90, 98, 117, 125f., 131, 140, 143, 145, 173, 188, 193, 212f., 257, 263, 305, 334, 336, 345, 358, 365f., 582

Sachregister

Evangelische Kirchenzeitung 564, 566, 629 Evangelium 11, 19, 159, 207, 229, 241, 245, 308, 351, 445, 474, 556, 566, 571, 574, 581, 583, 652 Evolution, evolutionr 28, 38, 58f., 118, 377, 417, 464, 513 Frçer Inseln 92, 107 Februarrevolution 1,3, 7, 593, 597, 598 Feiertage 520f. Feste 48, 499, 523 Feudaladel 99 Feudalherrschaft 137 Feudalordnung 35 Finnland 378f. Flensburgsches Wochenblatt 122f., 157 Flchtlinge 7, 170, 172, 177f., 330f., 652 Flugblatt 149-151, 611, 636, 638 Forfatningsreskript 596f., 599, 601, 626 Fortschrittsglauben 222, 392 Fortwhrende Deputation 107, 302, 412f. Frankreich 19, 22-51, 53, 58, 60, 62, 64, 67, 71-7-75, 78-83, 85-87, 89, 91-93, 116-118, 123, 127-130, 135f., 143f., 147, 149, 166, 169, 171176, 178, 186f., 190f., 206, 210, 212, 214, 218, 228, 232f., 236, 238, 247, 249, 263, 268, 270, 272, 302, 304f., 309, 313, 324, 332-33335, 337, 345, 348, 350, 358, 369, 374f., 377f., 384, 402, 409, 427, 480, 484, 489, 551, 577, 598, 641 Frauenemanzipation 155 Frauenwahlrecht 529 Freiheit IX, 17, 20, 22f., 25, 29, 31f., 36, 41, 58, 60, 64, 67, 70f., 73, 75, 78-80, 82, 84, 87f., 90, 97, 111, 117, 120, 125, 129, 134, 136-139, 163, 165f., 184, 186, 188, 191, 193, 202, 207, 213, 228, 230, 232, 234, 240, 243, 245f., 249, 264,

751

295, 299, 307f., 311, 316, 318, 324f., 332, 334f., 337, 341f., 344-346, 349f., 359, 402, 408, 421, 424, 429, 442, 464, 488-490, 496, 500, 507, 518, 520f., 524, 526, 529, 531, 540, 545f., 556, 558, 562, 570, 589, 593, 609, 630, 635-638, 643, 652f. Freiheitskriege 91, 389, 402, 407, 435, 653 Frbittengebet 10, 622 Gebote 203, 210, 417, 447, 462, 488, 521, 636, 638 Geistesbildung 27, 158, 551 Geistlichkeit 2, 4, 8-14, 16f., 21, 91, 122, 196, 247, 293, 297, 324, 327, 343f., 467, 472, 478f., 486, 494, 501, 513, 523, 566, 573f., 587, 619-651, 654f. gekreuzigt 6 Gemeingeist 521, 524 Gemeinsame Regierung 615f. Gemeinwesen 26, 33, 49, 84, 89, 200, 202, 222, 229, 310, 332, 343, 349, 453, 493, 522, 527 Gemeinwille 26, 32, 37, 46, 69, 169, 200, 518, 522, 528f. Genius der Zeit 183-185, 188, 197, 204, 208 Gerechtigkeit 20, 65, 126, 134, 138, 145, 150, 212, 227, 234, 264, 309, 322, 349f., 389, 422, 448, 461, 490, 496, 522, 524, 526, 553 Germanisch 14, 84, 260, 341, 526, 534 Gesalbter 48, 100, 303, 337, 443, 488, 644 Gesellschaft 23, 30, 35f., 39f., 42, 44, 51, 59, 71, 76, 78, 80, 86, 88, 91, 111, 113, 122, 129, 138f., 141, 145, 159, 185, 187, 190, 191, 196, 209, 231, 239, 248, 251, 260, 303f., 306, 308, 317f., 321f., 324, 331, 342, 374, 391, 401, 411, 475, 478, 502, 516, 519, 526, 539, 545, 548, 553, 580, 646, 652

752

Sachregister

Gesellschaftsordnung 18, 50, 57, 152, 205, 251, 316, 324, 335, 341, 653 Gesellschaftsvertrag 31, 35, 41f., 46f., 106, 136, 522, 525 Gewaltenteilung 39, 45f., 331, 334 Gewerbefreiheit 155, 190 Gewissen 282, 307, 315, 319, 322, 392, 454, 489, 491, 499, 508, 629, 644, 647, 649f. Gewissensfreiheit 35, 563 Gewohnheitsrecht 506f. Gironde 47, 49, 78, 80, 132, 134, 171, 176, 178, 262f., 265, 271 Glaube 35, 99, 224, 234, 280, 460, 468, 576, 585, 645 Glaubensartikel 17 Glaubensbekenntnis 265, 424, 465, 564, 566, 628 Glaubensfreiheit 70, 643 Gleichberechtigung 260, 518, 545, 572, 643 Gleichheit 22f., 25, 31f., 35, 41, 58, 67, 89, 124, 129, 138f., 144, 186, 193f., 230, 249f., 256, 307, 316, 331f., 359, 545, 597 Gott 17, 28, 36, 55f., 60, 63, 70f., 77, 87f., 104, 124, 126, 145, 158, 160, 164, 198, 200f., 204, 211f., 224, 233f., 243, 265, 267, 279, 283, 286, 303f., 306f., 310, 312314, 319f., 322f., 325, 337, 344, 348-352, 357, 364f., 381f., 390f., 393, 406, 436, 442, 445, 449, 453, 455, 462f., 467, 470-472, 474, 476f., 479, 488-491, 510, 519, 525f., 535f., 542-544, 546, 548f., 557, 571, 574, 580, 583, 589-592, 622, 624f., 633, 635f., 638, 642f., 647, 650 Gottesgnadentum 3, 40f., 320, 347, 443, 488, 490, 588f., 618, 641 Gottessohnschaft 583 Gottheit Christi 159, 161, 224, 566 Gçttinger Sieben 532 Gçttlicher Wille 581 Gottmenschlichkeit 351 Grçnland 226

Großbritannien 114, 369, 374, 614, 616 Großbrgertum 47, 51, 113, 358, 362 Grundrechte 35 Gustav-Adolf-Verein, -Werk 538, 556, 585 Gutsbesitzer 222, 360, 383, 596 Hainbund 340f. Halsbandaffre 209 Hambacher Fest 532 Hamburger Nachrichten 641 Handwerker 69, 547 Handwerkerunruhen 133, 168f. Hannover, Kçnigreich 135, 154, 238, 438, 441, 481, 542, 614 Heiland 237, 252, 282, 448, 462, 465, 472, 474, 538, 584, 585 Heilige Schrift (s.a. Bibel) 280, 286 Heiliges Rçmisches Reich Deutscher Nation s. Deutsches Reich Helgoland 388 Herrnhuter 226f. Historie 29, 32, 106, 166, 189, 410, 443, 464, 507, 568, 618 Homagialeid 4, 96, 419, 467, 502, 505, 655 Humanismus 464 Humanitt 63, 117, 188, 295, 348, 422, 463, 500 Hungerunruhe 166f. Ideologie 33, 40, 196 Ideologisierung 625 Illuminaten 205, 338 Immoralitt 263, 317, 334 Indigenatsgesetz 103, 215, 239 Innere Mission 546f. Insten 551 Insurgenten 621, 633 Irreligiositt 134, 180, 228, 287, 317 Island 45, 92, 107, 215, 532 Italien 84, 595 Jakobiner 44, 47, 78, 80, 118, 129170, 176, 185, 236, 263 Jakobinertum 44, 78, 164

Sachregister

Jesuit 243, 269 Juden 43, 97, 139-142, 155, 163, 172, 351, 542 Judenemanzipation 155 Judentum 142 Julirevolution 7, 20, 470, 480f., 486, 488, 494, 496, 540, 654 Junghegelianismus 513 Jnglingsbund 420, 429, 431, 554 Junkerherrschaft 343 Jtland 486, 535f., 611, 638 Kanzelpublikation 10, 96, 504 Kapital (Capital) 356, 383, 548f. Kapitalisten 548 Karlsbader Beschlsse 418, 426, 430, 497 Katechetik 296 Katechismus 636 Katholiken 97, 163 Ktner 551 Kaufmann, Kaufleute 131f., 164, 177, 190, 205, 292, 356, 380. 450, 504, 552, 579 Kaufmannschaft 167 Kieler Correspondenzblatt 1IX, 96, 101, 177, 385, 397, 496-572, 573, 575, 578, 597, 599 Kieler Frieden 379, 401, 419 Kieler Universitt (s.a. ChristianAlbrechts-Universitt) 26, 59, 76, 104, 107, 110, 153, 156, 164, 189, 217, 219, 237-289, 302, 356, 407, 424f., 427, 430, 435, 457 Kirchenagende 160 Kirchengebet 490, 620, 623f., 628 Kirchengeschichte 5f. Kirchenleitung 650 Kirchenlied 137 Kirchenordnung 95, 557, 566, 573, 620, 622 Kirchentag 3, 6, 8, 633, 635f. Kirchenvter 351, 459, 567 Kirchenversammlung 648 Klasse(n) 47, 119, 130, 138, 158, 194, 322, 382, 478, 545 Klassenkampf 382 Klassizismus 106, 260

753

Konfirmation 228, 464 Kçnigherzog (Kçnig-Herzog) 10, 588, 600, 619, 631, 637, 649 Kçnigsau 105, 356, 359, 388, 438, 558, 614 Kçnigsgesetz (s.a. lex regia) 92, 94, 98, 101, 373, 403f., 506, 534 Kçnigsideologie 309, 365 Konservativ 187, 225, 510, 573, 580, 602, 621, 652 Konstitutionell 15, 24, 45-47, 51f., 66, 118, 174, 176, 185, 218, 220, 232, 265, 346f., 378, 408, 414416, 423, 481, 596, 601f., 607f., 610 Kontinentalsperre 375, 381 Konversion, konvertiert 180f., 205, 208, 330, 352f., 565 Kosakenwinter 386 Kreuz Christi 164, 448, 468f., 575 Kreuzestheologie 351, 448, 468 Kreuzigung 161 Kreuzzeitung 628f. Kriegsgewinnler 395 Kurhessen 481 Landesherr 1f., 10, 12, 15, 94, 99, 104, 106f., 116, 125, 152, 205, 212, 214, 254-256, 302, 321, 329, 360f., 401f., 404, 421, 435, 443, 446, 456, 467, 502-504, 515, 528, 534, 553, 565, 573, 578f., 593, 606f., 608-610, 618f., 622f., 625f., 628, 630f., 634, 639, 653, 655 Landeskirche 5, 8, 16, 566, 569, 572, 655 Landespartei 537f. Landesrechte 13, 246, 255f., 302, 361, 371, 376, 384, 414, 416, 419, 435, 515, 525, 607, 610, 619, 626, 653 Landesversammlung 425, 615-617, 621f., 640, 650 Lauenburg, Herzogtum 321, 374, 388, 402,406, 437-439, 441f., 444, 481, 496f., 511, 597, 610, 618

754

Sachregister

Lebensgewohnheiten 465f. Legitimitt 10, 13, 91, 418, 484, 511f., 544, 562, 607, 616, 626, 641, 649 Lehrerseminar 221, 237, 288-302, 390, 401, 560, 653 Leibeigenschaft 113, 190, 220, 222, 231, 240, 342, 549 Leve en masse 93 lex regia 98-101, 110, 371, 373, 405, 416, 489, 505, 511, 544, 588 Liberal 13, 26, 47, 116, 118, 132, 134, 168, 173f., 178f., 185, 194, 196, 205, 214, 217, 231, 364, 368, 407, 416, 420, 426, 481f., 497, 500f., 510, 514f., 518, 522f., 534, 558, 561, 592, 595, 601f., 604f. Liberale(r) 51, 93, 147, 169, 185, 513, 523, 529, 594f., 607 Liberalisierung 115 Liberalismus 47, 134, 214, 529 Libertinismus 304 Lichtfreunde 564-571 Liebesgebot 226 Loge 139f., 209 Loyalitt 14, 151, 260, 359, 384, 536, 573, 613 Lbeck, Frstbistum 107-109, 118, 328f., 330, 345 Lutherbilder 449, 451, 461 Luthert[h]um 15f., 96, 221, 224, 288, 454, 460, 628 Lutherverehrung 449 Lyna 500 Machbarkeit 73, 399, 526 Marseillaise 206, 337, 345 Mrzkabinett 630 Mßigungsvereine 519 Mecklenburg-Schwerin, Herzogtum 342, 614 Mecklenburg-Strelitz, Herzogtum 614 Medienereignis 121 Mehrheitsentscheid 646 Mehrheitswille 68, 512, 562 Meinungsfreiheit 43, 114, 368, 523

Mennoniten 440, 445, 509, 566f. Menschenbild 33, 36, 164, 196, 202, 417, 448, 653 Menschenrecht(e) 42, 67, 80. 122, 136, 149, 151, 174, 186f., 190, 194, 348f., 563 Menschenrechtserklrung 7, 42, 48, 652 Meritokratie 349f. Messias 83, 142, 161, 206, 266f. Messiastum 142 Mittelstand 191, 312, 540 Mittelstandsethik 312 Monarch 1, 4, 15, 24, 33, 50, 96, 100, 105, 110, 144f., 151, 154, 162, 186, 189, 214, 266, 288, 309, 348, 367, 378, 396, 404, 445, 470, 489f., 507, 528, 553f., 572f., 579, 608, 618, 632 Monarchie 26, 34, 44f., 47-50, 52, 59, 89, 118, 136, 146, 155, 162, 174, 176, 185-187, 189, 193, 196, 218, 239, 265, 272, 333, 346, 354, 373, 377, 404, 408, 415, 511, 524, 554, 610, 619, 652 Monarchist 182 Moralitt 56, 161f., 179, 195, 243f., 298, 318, 479 Mosaiten 546 Nchstenliebe 114, 309, 314, 323, 327, 446, 545, 550, 553 Nation 4, 19, 24, 32, 43, 46, 61f., 64f., 73, 80-82, 84, 87, 90f., 94, 102, 104, 125, 129, 133, 140f., 148, 173, 191, 194, 202, 216, 248, 262, 269, 293, 334f., 347, 365, 374, 377, 389, 451, 483, 512f., 537, 540, 572f., 601, 632, 639, 655 Nationalbewegung 91, 450 Nationalbewußtsein 359, 402, 436, 455, 540-545, 587 Nationalgefhl 13, 103, 106, 533, 539 Nationalgott 351 Nationalismus 5, 540, 588, 624, 635

Sachregister

Nationalistisch 8, 14, 84, 334, 415, 435, 508, 523, 540 Nationalkirche 573 Nationalversammlung 35, 43-46, 60, 75, 79, 80-82, 122, 173-175, 334, 428, 566, 619, 621 Natur 27, 30, 32, 34, 39, 49, 55, 58, 68, 78, 110, 143, 164, 184, 192195, 197, 237, 244-246, 282, 307, 315, 318, 461, 576, 585 Natrliche Religion 244 Naturrecht 29, 33-35, 89, 253, 562, 641 Naturrechtlich 25, 33f.,38, 41, 58, 129, 149, 169, 326f., 484f., 556, Naturreligion 574 Neologen 170, 275, 352 Neologie 297, 302, 327, 352, 464 Neologisch 297, 325, 344 Neoorthodoxie 17, 20, 654 Neue Preußische Zeitung 629 Neues Testament 158, 264, 278, 281f., 285, 310, 452, 525, 630 Neu-Holsteinismus 405 Neutralittspolitik 360f. nexus socialis 255, 596 Niederlande 348, 481, 561 Niederschsischer Merkur 136, 138 Norddeutsche Monatsschrift zur Fçrderung des freien Protestantismus 569 Nordschleswig 514, 536-538, 558, 575, 587, 604, 616, 627 Norwegen 45, 92, 99, 104, 107, 215, 236, 251, 277, 308, 358, 378f., 385, 388, 403 Obrigkeit 2-4, 8, 15, 19, 29, 65, 89, 119, 136, 198, 200, 204, 214, 278, 283, 304, 306f., 310, 313f., 319322, 394, 396f., 402, 430, 444, 446, 454, 489, 491, 493, 519, 528, 538, 556, 562, 577, 584, 589f., 616, 620, 622f., 625f., 628, 631, 641, 647-649 Obrigkeitlich 2, 10, 15, 168, 199, 256, 281, 305, 319, 346, 397, 417, 455, 528, 557, 565, 580, 623

755

Obrigkeitsgehorsam 58, 119, 305, 313, 655 Obrigkeitslehre 10, 628-630 Obrigkeitsverstndnis 6, 634f. Offenbarung 16, 57, 141, 157, 221, 266, 276, 282, 351f., 408, 454f., 463, 467, 471f., 476, 478, 574, 583, 586, 654 Offener Brief 588, 594 ffentlich 79, 90, 112, 117, 122, 146f., 153, 159, 164, 181, 198f., 203f., 208f., 213, 230, 234, 236, 238, 254, 257, 270-272, 282, 283, 297, 301, 310, 319, 335, 351f., 357, 363, 397, 409, 431, 465, 471, 486, 493, 496, 499-502, 504, 515, 522f., 527, 529, 533, 539f., 544, 558, 570, 572, 578f., 583f., 617, 632, 634 ffentliche Meinung 345, 509 ffentlichkeit 80, 124, 130, 163, 249, 298, 397, 407, 468, 471, 493, 497, 504f., 522, 524, 632-634 Oldenburg, Herzogtum 109, 316f., 328-330, 438, 441, 614 Oldenburger (Oldenburgsches Kçnigshaus) 12f., 92, 95, 107, 403, 444, 588, 594, 618, 640 Oligarchie 263, 349 Opfer 48, 51, 123, 136, 166, 227, 260f., 351, 361, 377, 385, 387, 452, 462, 490, 521, 532, 608, 613, 619, 622 Orthodox 88, 142, 161, 185, 197, 199, 202, 204, 211, 220, 223f., 226, 236, 264, 277, 286, 288, 297, 302, 343, 456, 488, 490, 510, 568, 570, 575, 628, 653 Orthodoxie 121, 157, 204, 220, 237, 275, 277f., 281, 287, 301-303, 344, 519, 573 sterreich 45, 60, 135f., 171, 174, 176, 369, 388, 418, 595 Pdagogik 30, 33, 289, 540 Pantheismus 570 Parlament 25, 31, 148, 598, 600, 612 Parlamentarier 589, 616

756

Sachregister

Parlamentarisch 45, 176, 483 Patriotischer Klub 132, 151f. Patriotismus 84, 104, 157, 190, 401 Paulskirche 600, 615, 643, 648 Paulskirchenparlament 600 Perfektibilitt 17, 33, 36, 86, 89, 158, 194, 196, 293, 417, 447, 466, 653 Petitionsbewegung 20, 418, 587, 592 Philalethen 498f., 650 Philosophie 63, , 67, 69, 138, 139, 172, 184, 186, 234f., 242f., 247f., 250, 253, 264, 281f., 287f., 295, 413, 421, 512f. Physikotheologisch 233 Pietismus 106, 220, 289 Pluralismus 89, 649 Polen 481 Politisierung 54, 127, 291, 302, 419, 427, 479, 500, 577, 621, 654 Polizei 120, 179, 418, 429f., 504, 521, 590, 605 Predigerverein 535 Presbyterial 572, 648, 650 Presse 115, 486, 528, 578, 593, 600 Pressefreiheit 75, 114f., 130, 154, 190, 210, 480, 497, 523, 565, 598 Presseverordnungen 115, 214 Preußen 45, 60, 135f., 144, 163, 174, 240, 333, 362, 378, 386, 388, 438, 456, 595, 611f., 614-617, 628, 632f. Priestertum aller Glubigen 650 Privilegien 23, 35, 38, 42, 52, 59, 65, 68, 106, 130, 137, 145, 155, 169, 173, 189f., 195, 229, 255, 316, 331, 344, 348, 350, 401, 414, 511, 515, 524f., 642, Privilegiengesellschaft 38 Privilegiensystem 42, 130, 145, 169, 316 Produktivitt 355, 527 Proletariat 545, 547f., 551f. Prosperitt 97, 355, 382 Protestantische Theologie 89, 652 Protestantismus 326, 464, 566, 570 Provisorische Regierung 1f., 10, 110, 168, 421, 437, 529, 561, 575, 599,

604-607, 609, 612-616, 618, 620, 623, 625-627, 630, 640, 649 Publizistik 114, 124, 130, 523, 636 Rationalismus 16, 30, 121, 157, 159f., 180, 182, 185, 202, 222, 224, 237, 275, 277f., 281-283, 291, 296, 302, 312, 317, 351, 353, 389, 408, 463, 466, 471, 510, 513, 518f., 565, 573 Rationalist(en) 203f., 422 Reaktion 38f., 116, 119, 213, 237, 239, 271, 273, 281, 289, 303, 328, 363, 421, 564, 604f. Recht 4, 12, 14f., 28, 31f., 39, 66, 68, 70, 89, 99f., 106, 148, 156, 198, 200f., 214, 249, 255, 260, 307, 310, 320, 344-346, 372, 396, 403-406, 416f., 431, 435, 484, 503, 511-518, 527f., 534, 538, 546, 556, 563, 590f., 610, 618, 622, 624-626, 638, 641, 645, 649 Rechtfertigung 34, 249, 258, 299, 326, 397, 461, 583 Rechtfertigungslehre 566 Rechtsbegriff 13 Rechtspraxis 526f. Rechtsstaat 545 Reeder 120, 357, 362, 379, 380 Reform(en) 35, 38, 43f., 54f., 57-59, 75, 85f., 89, 91, 102, 106, 111, 113, 118, 127, 134, 189, 203, 326f., 329, 346, 354, 481, 483, 519, 552, 572, 599 Reformation 19, 44, 61f., 75, 95, 105, 141, 157, 191f., 248, 393, 420, 437-464, 468, 471, 504, 507, 527, 542, 549, 558, 641, 646, 650, 653 Regent 65, 115, 189, 192, 198, 201, 230, 244, 248, 321, 329, 346f., 354, 362, 367, 370f., 405, 446, 470, 475, 498, 534, 580, 610 Reich Gottes 57, 391, 393 Reichsbank 383-385 Reichsdeputationshauptschluß 92, 328, 333, 368, 369, 401 Religion 36, 42, 54, 57, 69-71, 75, 83, 88f., 91, 97, 138-140, 157, 160,

Sachregister

162, 166, 180f., 191, 204f., 210f., 233, 237, 243f., 264-267, 279f., 282f., 286f., 297, 303f., 311f., 317f., 320, 325f., 334f., 340, 344, 348f., 351, 393, 422, 454, 463, 466, 492-494, 498, 510, 512, 521, 546f., 561, 563, 571, 577, 590 Religionsedikt 162f., 300 Religionsfreiheit 43, 49, 97, 99, 122, 178, 190, 646 Religionsgesellschaften 555, 563572, 643 Religiositt 9, 105, 220, 224, 317f., 428, 463-465, 508, 563 Remonstranten 566f. Reprsentanten 1, 25, 46f., 405, 489, 526, 596, 599, 601, 631 Reprsentation 40, 106, 169, 200, 261, 403f., 406, 512, 648 Reprsentativverfassung 46, 483 Republik 32, 39, 42, 77, 80, 129, 136, 147, 149, 151, 173, 257, 263, 408, 481 Republikaner 119, 146, 154 Republikanisch 1, 23, 25, 33, 51, 59, 130, 155, 174, 257, 262, 378, 524 Restauration 11, 278, 374, 429 Revolution passim Revolutionismus 169 Ripener Privileg v. 1460 1, 12, 255, 403, 414, 514-516 Ritterschaft 106f., 205f., 344, 360, 372, 401, 404, 412, 485f., 515, 525, 578 Rgen 388 Rußland 107f., 176, 328, 358, 362, 369, 378, 382, 386, 388, 614, 616 Rstung 114, 357, 360 Sabbathfrage 555 Sabbath-Verordnung 518-521, 523, 555f. Sachsen 333, 481, 565 Sachsen-Weimar 85, 614 Sakrament(e) 282, 471, 474 Skular 11, 40, 283, 288, 302, 350, 377, 546, 571, 573, 635

757

Skularisierung 19, 173 Skularisierungsprozeß, -schub, -tendenzen 19, 166, 283, 369, 654 Sansculotte(n) 25, 83, 168, 185, 220 Schleswig-Holsteinische Zeitung 605 Schleswig-HolsteinischLauenburgische Kanzlei 374, 413, 431f., 502 Schleswigsches Journal 140f., 187, 195, 206, 208, 210, 345f. Schçpfung 17, 29, 34, 55, 57, 60, 73, 117, 293, 364f., 466 Schule 104, 125, 225, 227, 287f., 291f., 297, 339, 343, 350f., 385, 392, 398f., 456f., 470, 478, 513, 515, 519, 531, 535, 551, 555, 558, 559-562, 570f., 625, 635, 643 Schullehrerseminar 237, 289-302, 390, 401, 560, 653 Schulreformen 232 Schweden 109, 260, 358, 362, 371, 378f., 385, 388, 403, 617 Schwedisch-Vorpommern 388 Schweiz 175, 177, 228f., 236, 331 Schwurgerichte 593 Seelsorge, seelsorgerlich 12, 20, 323, 390-393, 442f., 474, 491, 508, 546, 549, 551, 578, 592, 613, 623, 629 Selbstentfremdung 548 Selbstentscheidung 645 Septembermorde 48, 336 Sittengesetz 56 Sittlichkeit 27, 217, 263, 303f., 317f., 334 Sklave(n) 30, 42, 75, 110f., 113f., 115, 143f., 145, 174, 188, 226f., 600 Sklavenhandel 111, 113f., 227 Sozial 129, 135, 151, 331, 540, 550 Soziale Frage 225, 545-553, 586, 654 Sozialer Diskurs 3, 86, 368, 575 Soziales Problem 323, 654 Sozialordnung 39, 89, 195, 214, 307, 338, 341, 464, 501 Sparkasse 252, 329, 479 Sprachreskript 385, 587

758

Sachregister

Staat 1, 3, 14, 31f., 34, 36, 43, 53, 57, 65, 68, 70f., 88f., 92f., 100, 105, 113, 129, 162, 186f., 199, 205, 212, 229, 257, 269, 272, 301, 304, 308-310, 314, 324f., 331, 348f., 361, 369, 371, 376f., 396, 401, 414, 428, 436, 446, 464, 475, 478, 488, 493f., 498, 508, 514, 516, 522, 525, 540, 543, 545f., 551, 553, 555f., 558f., 562, 565, 572, 581, 588f., 609, 641-644, 646f., 649-651, 655 Staatsbankrott 382, 398 Staatsbeamte(r) 9, 96, 607 Staatsgewalt IX, 1, 7f., 10, 46f., 129, 168, 372, 376, 381, 556, 568, 593, 613, 617-620, 640, 645f., 655 Staatskirche 2, 4, 8, 17-20, 43, 95f., 98, 204, 294, 303, 401f., 437, 496, 553f., 564f., 568, 572f., 577, 643, 646, 651, 653, 655 Staatskirchentum 14, 43, 563, 625, 644, 647 Staatskirchlich 2f., 8, 12, 18, 36, 169, 293, 467, 500f., 557f., 564, 569, 572, 587f., 654 Standesbewußtsein 226 Stndestaat 47, 335 Stndeversammlung 72, 486, 496, 522, 529, 531f., 535, 544, 577579, 581, 588-590, 594, 596, 599f., 606, 615, 627, 641, 644, 647 Statthalterschaft 10, 609, 616f., 628, 630, 649 Stoiker 285f. Sdschleswig 439, 618, 627 Shnetod 585, 653 summus episcopus 4, 95, 294, 456, 553, 573, 620, 648 Snde 29, 38, 55, 203, 264, 461f., 469, 474, 574f., 584f., 590f., 644 Sndenvergebung 224, 583 Supranaturalismus 277 Symbolische Bcher 436, 508, 568, 571, 581

Tagelçhner 162, 166, 169, 240, 342, 546f., 551 Taufe 59, 236, 282, 345, 464f., 519, 538 Techniker 552 Terreur 93, 207 Theodizeefrage, -problem 146, 312 Thor Stratens Kupfer- und Messingfabrik 547 Toleranz 97, 116, 139, 141, 146, 162, 170, 229, 245, 265, 300, 349f., 368, 491, 567, 643, 649 Trennung von Schule und Kirche Trennung von Staat und Kirche 43, 88, 558, 562, 565, 641-643 Triebnatur 29 Triebstruktur 200, 521 Trinitt 16, 42, 566, 654 Trinittsdogma 16 Trinittslehre 566 Tuchfabrik Renck und Sçhne 545, 547 bervçlkerung 549f. berseehandel 360, 362, 380 Unfreier Landesherr 1f., 12, 15, 125, 528, 606f., 609, 618, 622, 625, 630, 639, 649 Untertan 30, 54, 57, 66, 113, 115, 137, 183, 201, 214, 226, 256, 311, 319-321, 376, 489, 498, 504f., 507, 591, Untertaneneid 505, 553 Untertanengehorsam 447, 592 Untertanengesellschaft 327 Untertanenjubel 446 Untertanenpflicht(en) 326, 527 Untertanentreue 12, 504 Vaterland 11f., 61, 75, 104, 125f., 154, 157, 162, 166, 178, 237, 303307, 309-311, 321, 348, 354, 357, 363, 364, 377, 395, 398f., 411, 421, 424, 428, 421, 436, 451f., 455, 457, 464, 467, 473, 487, 489, 514, 530-545, 557, 578-580, 598, 601, 606, 631, 637f. Verantwortlichkeit 234, 397

Sachregister

Verantwortungsethisch 4, 39, 49, 56, 89, 226, 267, 642 Vereinigte Staaten 437 Vereinswesen 501, 523 Verfassung 8, 31, 35, 43-47, 49, 51, 58, 118, 134, 139f., 154, 173, 190-192, 199, 202, 210, 236, 248, 269, 306, 322, 335, 346f., 402406, 410, 414f., 417, 421, 428, 431, 456, 466, 480f., 483f., 489f., 492, 503, 511, 517, 533, 541, 543, 568, 580f., 596f., 601, 603, 641-643, 648 Verfassungsbewegung 47, 134, 402, 484 Verfassungspostulat 20, 403-418, 423 Verkndigen, Verkndigung 150, 161, 229, 267, 327, 468, 474, 478, 538, 549, 574, 646, 654 Verlagswesen 130 Vernunft 32,35, 48, 54, 58, 110, 136, 141, 157-160, 164, 166, 178, 183, 185f., 190, 195f., 200-204, 228f., 237, 243, 245-247, 260, 264f., 276, 280, 289, 304, 337, 344, 346, 348f., 399, 415, 454f., 459f., 463, 466, 472, 488, 499, 516f., 528, 565, 576f., 650 Versammlungsfreiheit 600 Versçhnung 10, 84, 161, 314, 326, 473, 526, 576 Versçhnungslehre 16f., 221, 460, 473, 654 Versçhnungstat Christi 161, 164 Versçhnungstod 252, 470 Vierter Stand 128, 134 Virginia Bill of Rights 42 Volk 4, 12, 33, 46, 49, 53, 57, 60-62, 65, 67. 76, 80, 88, 103f., 120, 122, 126, 128, 131, 136f.,141, 144f., 149, 159, 186f., 189, 203, 212214, 230, 232, 264, 298, 304, 308310, 319f., 325, 330, 336f., 342, 345f., 349, 363-366, 381, 388, 405, 409, 414-416, 455f., 483f., 486, 493f., 503, 508, 512, 515, 518, 524, 529, 534, 543, 551, 556,

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572f., 579, 580f., 590f., 593, 596, 601, 608, 611, 631, 637, 644, 647 Volksbewaffnung 593, 598 Volksleben 410, 562, 573 Volksschulen 291, 559 Volkssouvernitt 2f., 14, 23f., 3235, 45, 47, 49, 61, 70, 88f., 106, 136, 147f., 150, 169, 193, 196, 200, 226, 322, 347, 410, 484, 501, 504, 506, 518, 529f., 541, 579, 581, 603, 607, 610, 616, 618, 630, 638, 655 Volkstum 260, 514 Volksvertretung 429, 512, 529f., 599 Volkswillen 2, 260, 335, 372, 415, 507, 529, 533, 535, 539, 572, 610 Volont gnerale 26, 42, 46 Vormrz 3, 7, 9, 17, 30, 305, 486, 501, 513, 522f., 529, 532, 554, 563-565, 567f., 572f., 577, 593f. Vormrzlich 5, 12, 16, 20, 500f., 506, 508, 516, 518, 531, 537, 548, 555, 557f., 563, 573, 635, 655 Vorsehung 17, 60, 186, 282, 320, 517, 554, 644 Waffenstillstand 615-617, 623, 628, 633-635, 640 Wahlrecht 45, 51, 255, 405, 529, 530, 572, 579 Waldeck 438 Wartburgfest 20, 411, 419–425, 435–437, 653 Weberaufstand 547 Weltbild 24, 89, 170, 652 Weltbrger(lich) 105, 194, 247-249, 334, 348 Weltenrichter 138 Weltkrieg 147, 530 Werte 36, 289, 316, 337, 341, 360, 514, 638 Werteordnung 202 Widerstandsrecht 36, 54, 66, 136, 214, 325, 491, 528f., 625 Wiener Kongreß 20, 45, 99, 388, 402, 410, 418

760

Sachregister

Wohlfahrt 105, 145, 240, 308, 317f., 447, 478, 601 Wrttemberg 16, 234, 438, 614, 621 Zeitbewußtsein 644 Zeitgeist 160, 246, 279, 297, 305, 453, 501, 580, 609, 641

Zensur 7, 20, 37, 111, 114f., 154f., 166, 190, 212, 217, 418, 434, 497, 500, 505f., 518, 526f., 529, 539, 546, 554 Zwei-Naturen-Lehre 16f., 654 Zwei-Reiche-Lehre 319, 447, 488

Ortsregister Aachen 145 Adelby 494 Ærøskøbing 416 Ahrensbçk 183, 425 Ahrensburg 228 Algier 375 Altona 97, 118f., 130, 132, 135, 137, 140, 142f., 145-150, 156, 171173, 178, 180, 234, 343, 354, 357, 376, 38f., 389, 391, 438f., 445, 452, 454, 511, 552, 577, 581, 586, 596, 599, 615, 621, 633 Apenrade 425, 500, 575, 587, 627, 651 Archsum 125, 411, 420, Arnis 120, 313, 469f., 487 Aspern 407 Auckland 595 Augsburg 434 Bannesdorf 448, 549 Basel 433 Bau 123, 612, 614, 623 Berlin 16, 28, 30, 205, 300, 325, 330, 350f., 375, 420-422, 429f., 432f., 437, 534, 570, 575, 598, 605, 616f., 624, 627-628, 632-635 Bockhorn 383 Boel 340 Bonn 3, 430, 635, 643 Bornhçved 206, 383, 444, 449f. Borsfleth 440, 445-447 Brahetrolleborg 231, 458 Bramstedt 330, 442, 450 Breklum 451 Bremen 438, 614 Broager 311, 614 Brunswik 251 Campo Formio

174

Celle 94, 209, 330 Cham 206 Christianssæde 231, 458 Cuxhaven 343, 433 Dammtor 132 Davenport, Iowa 600 Depenau 206, 383 Dijon 27, 44, 318 Dresden 209, 385 Dybbøl 614 Eckernfçrde 176, 225, 386, 544, 567, 570, 605, 611, 638f. Eddelak 446, 449 Edinburgh 364 Eggebek 448, 451, 547 Eisenach 423, 436 Elmshorn 379, 491 Emden 419, 532 Emkendorf 115, 171f., 175f., 178f., 185, 189, 196f., 204, 215-237, 274, 283, 290, 334f., 337, 401 Erfurt 238 Ermenonville 35 Eutin 19, 83, 108-110, 151, 180, 205f., 209, 216f., 261, 276, 316f., 328-353, 388, 420f., 426f., 441, 536, 653 Fehmarn 311, 549 Flensburg 38, 122f., 135, 142, 152168, 240, 253, 292, 298, 355f., 380, 387, 415f., 419, 425, 435f., 437, 439, 445, 449-451, 465, 494, 531, 535, 547, 550, 552, 584, 600, 603-605, 609, 612f., 617, 620, 631, 633, 644 Fontainebleau 377

762

Ortsregister

Frankfurt/M. 413, 428, 438, 481f., 612, 614-616, 621 Fridericia 616 Friedland 421, 437 Friedrichsberg 110, 445, 533, 613, 622-625 Friedrichsort 485 Friedrichstadt 7, 97f., 176f., 416, 481, 491, 582, 586 Garding 416, 445, 570, 612 Genf 26. 228, 335, 437, 485 Giekau 440, 444f., 448f., 569, 577 Glcksburg 311f., 617 Glckstadt 97f., 121, 277, 294, 305, 317, 359, 375, 432, 439, 466, 569 Gnadau 565f. Gçteborg 260 Gçttingen 153, 238, 305, 311, 317, 340f., 418, 425, 432, 462, 472 Greifswald 260 Grumtoft 425 Grundhof 159 Hademarschen 493 Hadersleben 103, 167, 450, 647 Halle 168, 289, 300, 426, 432, 446, 491, 565, 570, 584, 627 Hamburg 71, 73f., 78, 80, 83f., 130136, 139, 142, 145-148, 160f., 175, 205, 254, 274, 330, 362, 375, 381f., 433, 437f., 440f., 605, 614, 651 Handewitt 123, 385 Hannover 135, 154, 238, 317, 438, 441, 481, 542, 611, 614 Harvestehude 76, 82, 133 Heidelberg 349 Heiligenhafen 435, 450 Hohenfelde 317, 321 Hçrnerkirchen 387 Husum 294. 306, 363, 398, 400, 439, 444, 447, 574, 584, 627 Idstedt 594, 600, 617 Itzehoe 107, 286, 379, 486, 522, 577, 579, 596, 599f., 622, 627

Jemappes 176f. Jena 66, 82, 126, 217, 223, 238, 242f., 295f., 349, 420, 42442429, 431f., 436, 450, 491, 534, 554, 570, 586, 647 Jordkirch 614 Jçrl 293 Kahleby-Moldenit 311, 316 Kaltenkirchen 167 Kappeln 469 Karlsbad 330, 418, 426, 430, 497 Kegnæs 457 Ketting 430 Kiel 59, , 66f., 72, 74, 76, 98, 125, 132, 151, 153, 156, 168, 171, 174, 180, 215, 217, 221, 225, 237-303, 305, 316, 356, 358, 364, 366, 370f., 376, 379, 379, 386, 388, 390, 405, 407-414, 416-418, 420f., 424-427, 430, 432, 434f., 444f., 448, 454, 459, 461, 464, 472f., 475, 477, 485, 493f., 504, 519, 524, 533f., 542-544, 560f., 564, 566, 570f., 575, 583, 589, 590, 602f., 604-606, 617, 621, 624f., 627, 627f., 640, 644, 647, 648, 650, 653 Kielseng 155 Knoop 178, 217, 219, 297 Koblenz 77, 177 Kolding 595, 616 Kçnigsberg 56, 242, 422, 433 Kopenhagen 1, 7, 66, 71, 75, 77, 83, 101f., 110, 112, 147, 152f., 156f., 170, 215f., 229, 251f., 256, 268, 273f., 283, 287, 299, 313, 315, 317, 330, 360, 363f., 366-368, 374-376, 378, 383f., 394, 398, 401, 433-435, 438, 452, 466, 470, 475, 480-482, 485, 504f., 536, 569, 571, 581f., 594f., 596f., 599-606, 608-610, 619, 622, 626, 630, 638, 647, 649 Kçpenick 429f., 430 Lausanne 228 Lehmkuhlen 207

763

Ortsregister

Leipzig 142, 243, 251, 385f., 556 Lensahn 124, 438, 440, 444 Løgumkloster 614 London 37, 220, 364, 617, 632 Louisenlund 152, 176, 205, 367, 411 Lbeck, Frstbistum 107-109, 118, 328f., 330, 345 Lbeck, Hansestadt 251, 260, 264, 270, 362, 381, 441, 552, 614, 618 Lunden 124, 394-397, 473f. Lunville 361, 369 Ltau 442 Lttich 369 Madrid 209 Mainz 129, 238, 241 Malmç 615f., 623, 628, 634, 640 Mannheim 209 Mauersberg 445 Meldorf 343, 364, 440, 452, 462f., 569, 627 Mnchen 434 Neerwinden 176 Neuenbrook 425 Neuenburg 330 Neuendorf 425 Nizza 549 Nordstrand 98 Nordstrandischmoor 491 Odense 405, 597 Olderup 455, 614 Oldesloe 317f., 386, 421 Olmtz 175 Otterndorf 340, 343 Oxenwatt 614 Paris 7, 26, 31, 41, 43f., 48, 51, 77, 79, 82, 120-123, 129, 135, 137, 143, 146, 149, 155, 165, 171, 174176, 179, 193, 209f., 218, 230, 241f., 271, 274, 276, 315, 335, 345, 348, 370, 375, 377, 421, 426, 433f., 480f., 593, 597f., 604, 610 Pempelfort 206 Pinneberg 183, 386 Plçn 109, 182-214, 588

Port Hudson, Louisiana 585 Probsteierhagen 425, 549 Providence, Rhode Island 175 Quedlinburg

52, 71, 80, 251

Randers 558 Rantzau 182, 206, 387, 406 Ratzeburg 438, 441, 610 Reims 41, 48, 480 Rellingen 446, 564 Rendsburg 95, 97f., 311, 340, 367, 374, 382, 440, 485, 545, 547, 556, 564, 579, 599, 601, 603, 605, 611 Ribe (Ripen) 1, 12, 414, 514-516 Roskilde 640 Rostock 625, 646f. Rllschau 119, 159f. Sarskoje Selo 108, 114f., 370 Schierensee 177f., 480 Schleswig, Stadt 107, 125, 163, 438, 444, 531, 533, 569, 588, 598, 600, 612-614, 625f. Schçnberg 440, 457 Segeberg 368, 392, 444, 446, 451f., 556 Sehestedt 409 Sieverstedt 121, 165 Sommersdorf 342 Sonderburg 311, 625 Sorgbrck 588 Spentrup 558 St. Croix 226 St. Louis, Missouri 429 Stockholm 220, 371, 378f., 385 St. Petersburg 371 St. Thomas 226 Stuttgart 3, 6, 635f. Ssel 392 Tetensbll 449, 451, 552 Tolentino 165 Tolk 469, 475, 614 Tondern 151, 156, 239, 533, 575 Tçnning 305f., 308, 439, 449, 452, 580, 584, 622, 627

764

Ortsregister

Trafalgar 376 Tremsbttel 63, 175f., 178, 234f. Ullerup

614

Valmy 176f. Vester Ulslev 595 Wagersrott 295 Wagram 407 Wandsbek 98, 175, 199, 569, 579 Warschau 209 Weimar 63, 66, 85, 88, 243, 331, 420, 614, 643

Wien 20, 45, 98, 131, 209, 243, 256, 388, 402, 410f., 418 Wilster 124, 363, 452, 475, 556, 569f Windbergen 473 Wismar 409 Wittenberg 409 Wittmold 171, 173, 179, 181, 207 Wonsbeck 614 Worms 129, 650 Yorktown, Virginia Zrich

84

174, 241

Bibelstellen Altes Testament 1. Mose 1,2 55 1. Mose 1,27 549 1. Mose 3,19 548 1. Mose 28,17 574 2. Mose 3,17 264 2. Mose 13,5 264 2. Mose 28,30 538 2. Mose 33,3 264 5. Mose 4,15–20 574f. Richt 12,6 471 1. Sam 8,6.7 268 1 Sam 8, 11–20 269 2. Chr 12,5 310 1. Kçn 8,54–58 357 Ps 2 443 Ps 2,1–3 443 Ps 2,1–3.6 303 Ps 2,6 443 Ps 35,27 364 Ps 40,17.18 364

Ps 43,3–4 110 Ps 68,20 364 Ps 70,5.6 364 Ps 85,9–14 398 Ps 85,10.11 227 Ps 91,1.2.4.14.15 236 Spr 3,34 364 Spr. 20,28 582 Jes 1,18 264 Jes 1,23; 3,4 310 Jes 13,6.8f. 487 Jes 58,8; 60,1f. 264 Jer 4,1.2 504 Jer 5,24 591 Jer 19,13; 24,8; 25,18; 29,16f. Jer 26, 20-23 310 Jer 31,33.34 508 Dan 4,33.34 364 Mich 5,1 365 Sach 8,16–17 587

Apokryphen Weish Sal 2,10.11

304

Neues Testament Mt 2,16–18 310 Mt 5 510 Mt 5,9 526 Mt 5,16 396 Mt 7,15–23 476 Mt 11,21 337 Mt 13,13–15 476 Mt 15,8f. 442 Mt 18,1–5 525 Mt 18,3 315

Mt 20,28 468 Mt 21,1–9 392, 475, 490 Mt 22,15–22 488f., 491 Mt 22,37–39 314 Mt 23,34–39 283, 303f. Mt 23,37 310 Mt 24,7 487 Mt 24,15–28 320, 322 Mk 16,16b 211 Lk 1,68 364

310

766 Lk 2,21 475 Lk 10,13 337 Lk 11,14–21 468 Lk 15,1–10 476 Lk 19,41–48 162 Lk 21,25–28 391 Lk 24,26 449 Joh 3,8 469 Joh 3,13-18 577 Joh 3,16 584 Joh 3,16–21 158, 312 Joh 3,16.36 267 Joh 8,12 438, 442, 444 Joh 14,6 499 Joh 14,23–31 311 Joh 21,15–17 584 Apg 2,4 452 Apg 5,29 319, 557, 634 Apg 10,42–48 473 Apg 17,22–28 390 Apg 17,22–31 473 Rçm 5,3–5 264 Rçm 8,10b 461 Rçm 8,18–23 576 Rçm 8,19–25 391 Rçm 8,31–39 583 Rçm 13 3f., 6, 12 Rçm 13,1a 319 Rçm 13,1–7 318f., 320f., 655 Rçm 13,1–10 308 1 Kor 3,11 443 1 Kor 3,11–13 u.21–23 588 1 Kor 4,3f. 634 1 Kor 10,6–13 468 1 Kor 13,13 585 1 Kor 15,1–10 469, 576 2 Kor 1,3 364 2 Kor 5,19c 526 2 Kor 9,12.13 538, 585 2 Kor 11,31 364 2 Kor 12,7–9 391 Gal 1,8 159 Gal 2,16 267 Gal 3,1 468 Gal 3,23–28 309f. Gal 5,1 449

Bibelstellen

Gal 5,16–24 577 Eph 2,8f. 267, 459 Eph 2,8–10 438, 463 Eph 2,15–22 577 Eph 4,1-6 150 Eph 5,1-9 472 Eph 5,14-19 472 Eph 5,15–21 306f. Eph 5,15-22 576 Eph 5,16 305 Phil 3,20 449 1 Thess 4,1–7 472 1 Thess 5,20f. 466 1 Thess 5,21 60, 307 2 Thess 1,3-10 576 1 Tim 1,5 318 1 Tim 2,1 314 1 Tim 2,4 391 1 Tim 6,6–19 477 2 Tim 2,16.17 160 2 Tim 4,5 473 1 Petr 1,3 364 1 Petr 2, 9f. 650 1 Petr 2,11-20 576 1 Petr 2,13.17 489, 590 1 Petr 2,17 306, 580 1 Petr 2,21–25 575f. 1 Petr 4,8–11 321 1 Petr 5,5.6 364 2 Petr 3,3-13 576 2 Petr 3,13 549 1 Joh 3,13–18 577 1 Joh 4,1–3 476f. 1 Joh 4,16 286 1 Joh 5,4 392 1 Joh 5,4–10 575f. Hebr 9,28 449 Hebr 10,14 449 Hebr 12,1,2 584 Jak 1,16–21 577 Jak 4,6 364 Offbg 5,1–8 337 Offbg 15,1 337 Offbg 17,6 337 Offbg 21,1 549