Kaiserliche Autorität in Kult- und Göttermotiven: Eine Analyse der Münzen von Augustus bis Trajan 9783170420496, 9783170420502, 3170420496

Noch heute zeigen die Motive auf römischen Münzen, wie die Macht des Kaisers begründet und vermittelt wurde. Auffällig i

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Kaiserliche Autorität in Kult- und Göttermotiven: Eine Analyse der Münzen von Augustus bis Trajan
 9783170420496, 9783170420502, 3170420496

Table of contents :
Deckblatt
Titelseite
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
1 Einleitung
Kaiserherrschaft und Religion
Zur Struktur dieses Buches
Der Zugang über die Münzen
1.1 Methodisches Werkzeug bei der Arbeit mit und der Interpretation von Münzen
1.1.1 Grundannahmen
1.1.2 Kommunikationskontexte und Zielgruppen
1.1.3 Quantitative Arbeit mit Münzmotiven
1.2 Überblick und Schwerpunktsetzung
2 Priesterämter und Kultwesen
2.1 Augurat und lituus
2.1.1 Augurat und lituus auf republikanischen Münzen
2.1.2 Augurat und lituus auf Münzen des ersten Jahrhunderts n. Chr.
2.2 Die quattuor amplissima collegia im Münzbild
2.3 Vitellius’ Dreifuß mit Rabe und Delfin
2.4 Selbstverständlichkeit statt Profilierung – Beobachtungen zur Verwendung des Oberpontifikats
2.5 Priesterämter – eine Rolle für elitäres Publikum?
2.6 Altäre und Opfer
2.6.1 Altarabbildungen als Ausdruck von und Aufforderung zu Loyalität
2.6.2 Der opfernde Kaiser
3 Die Vereinnahmung der Götter
3.1 Die Kaiser und ihre Gottheiten. Einige Auffälligkeiten in der Motivauswahl des ersten Jahrhunderts
3.2 Ceres Augusta und Annona Augusti. Zur kommunikativen Nutzung von Göttern und Personifikationen
3.3 Göttermotive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität
3.3.1 Pietas – Aufrichtigkeit und Demut
3.3.2 Vesta – Sicherheit und Kontinuität
3.4 Götter beim Opfer? Spendende Götter als Unterstützung des Kaisers durch höhere Mächte
3.5 Der Kaiser als Gott?
4 Zusammenfassung und Fazit
Der Kaiser, seine Priesterämter und seine Rolle im Kultwesen
Kaiserautorität und Götterbilder
Literaturverzeichnis
Zitierte Quellen
Münzkataloge und -korpora
Weitere Forschungsliteratur
Abbildungsnachweise
Index

Citation preview

Forum historische Forschung: Antike Herausgegeben von Prof. Dr. Ralf Behrwald (Bayreuth), Prof. Dr. Kaja Harter-­ Uibopuu (Hamburg), Prof. Dr. Hilmar Klinkott (Kiel), Prof. Dr. Christian Mann (Mannheim), Prof. Dr. Werner Tietz (Köln). Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/fhf-antike

Mareile Rassiller

Kaiserliche Autorität in Kult- und Göttermotiven Eine Analyse der Münzen von Augustus bis Trajan

Verlag W. Kohlhammer

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung:

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt. Dieses Werk enthält Hinweise/Links zu externen Websites Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat und die der Haftung der jeweiligen Seitenanbieter oder -betreiber unterliegen. Zum Zeitpunkt der Verlinkung wurden die externen Websites auf mögliche Rechtsverstöße überprüft und dabei keine Rechtsverletzung festgestellt. Ohne konkrete Hinweise auf eine solche Rechtsverletzung ist eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten nicht zumutbar. Sollten jedoch Rechtsverletzungen bekannt werden, werden die betroffenen externen Links soweit möglich unverzüglich entfernt.

Umschlagabbildung: Links: Denar des Vitellius (Revers) mit Dreifuß, Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, 18228097, Foto: Dirk Sonnenwald. Rechts: Denar des Vespasian (Revers), Jupiter mit Opferschale, mit freundlicher Genehmigung der American Numismatic Society, 2004.14.91

1. Auflage 2022 Alle Rechte vorbehalten © W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Print: ISBN 978-3-17-042049-6 E-Book-Format: pdf: ISBN 978-3-17-042050-2

Inhaltsverzeichnis Danksagung ..................................................................................................

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Einleitung ..............................................................................................

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1.1 Methodisches Werkzeug bei der Arbeit mit und der Interpretation von Münzen .......................................................... 1.1.1 Grundannahmen .......................................................................... 1.1.2 Kommunikationskontexte und Zielgruppen ........................... 1.1.3 Quantitative Arbeit mit Münzmotiven .....................................

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1.2 Überblick und Schwerpunktsetzung ..................................................

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Priesterämter und Kultwesen .................................................... 51

2.1 Augurat und lituus ................................................................................... 2.1.1 Augurat und lituus auf republikanischen Münzen .................. 2.1.2 Augurat und lituus auf Münzen des ersten Jahrhunderts n. Chr. ....................................................................

53 54

2.2 Die quattuor amplissima collegia im Münzbild ....................................

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2.3 Vitellius’ Dreifuß mit Rabe und Delfin ...............................................

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2.4 Selbstverständlichkeit statt Profilierung. Beobachtungen zur Verwendung des Oberpontifikats .......................................................

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2.5 Priesterämter – eine Rolle für elitäres Publikum? .......................... 108 2.6 Altäre und Opfer ...................................................................................... 111 2.6.1 Altarabbildungen als Ausdruck von und Aufforderung zu Loyalität ..................................................................................... 111 2.6.2 Der opfernde Kaiser ..................................................................... 119

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Die Vereinnahmung der Götter ................................................ 137

3.1 Die Kaiser und ihre Gottheiten. Einige Auffälligkeiten in der Motivauswahl des ersten Jahrhunderts ............................................ 141 3.2 Ceres Augusta und Annona Augusti. Zur kommunikativen Nutzung von Göttern und Personifikationen .................................. 154

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Inhaltsverzeichnis

3.3 Göttermotive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität ................................................................................................ 159 3.3.1 Pietas – Aufrichtigkeit und Demut ............................................ 161 3.3.2 Vesta – Sicherheit und Kontinuität .......................................... 181 3.4 Götter beim Opfer? Spendende Götter als Unterstützung des Kaisers durch höhere Mächte ....................................................... 203 3.5 Der Kaiser als Gott? ................................................................................ 222

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Zusammenfassung und Fazit ...................................................... 227

Literaturverzeichnis ................................................................................ 239 Zitierte Quellen ................................................................................................ 239 Münzkataloge und -korpora ......................................................................... 240 Weitere Forschungsliteratur ........................................................................ 240

Abbildungsnachweise ............................................................................. 254 Index ................................................................................................................. 257

Danksagung Ohne ein ermutigendes Arbeitsumfeld wäre mir das Verfassen dieses Buches deutlich schwerer gefallen. Für Chancen, Vertrauen, Ermutigungen, Ansporn, Empathie und Gesellschaft danke ich von Herzen den Mitarbeitenden am Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität Mannheim in den Jahren 2018–2020: Melanie Meaker, Alexander Meeus, Christoph Begass, Judith Schönholz, Alberto Esu und natürlich insbesondere den beiden, die betreut und begutachtet haben: Christian Mann und Johannes Wienand (TU Braunschweig). Sie haben mir viel Freiraum gelassen, waren immer verfügbar, wenn ich Feedback brauchte, und konnten mehr als einmal meine Ideen präziser in Worte fassen als ich selbst. Das vorliegende Buch ist eine leicht überarbeitete Fassung meiner am 1. September 2020 an der Universität Mannheim vorgelegten und am 21. Dezember 2020 verteidigten Dissertation. Dem dortigen Förderverein des Historischen Instituts danke ich sehr herzlich für die Unterstützung bei den Druckkosten. Ich möchte insbesondere auch den beiden anonymen Gutachtern für die Reihe Forum historische Forschung: Antike für ihre gründliche Lektüre und die hilfreichen Hinweise zu meinem Manuskript danken. Auch für die zahlreichen offenen Ohren, Feedback, Tipps und Inspiration aus der althistorischen und insbesondere der engagierten numismatischen Community: Danke! Alle verbliebenen Verirrungen und Ungenauigkeiten, hoffentlich nicht allzu viele, sind meine eigenen. Den im Abbildungsverzeichnis genannten, bildstellenden Institutionen mit all ihren an der Digitalisierung numismatischer Bestände beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bin ich zu besonderem Dank verpflichtet: Der American Numismatic Society, den Münzsammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin, des Kunsthistorischen Museums Wien und der Stadt Winterthur, dem British Museum, der Münzsammlung des Seminars für Alte Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität Universität Freiburg sowie der Numismatik Naumann GmbH. Hannover, im Juni 2022

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Einleitung

Die römische Kaiserzeit ist für uns heute als ein politisches System interessant, in dem die Mehrheit der Bevölkerung, über verschiedene Wirren hinweg, letztlich jahrhundertelang die Existenz eines Alleinherrschers als Notwendigkeit für Sicherheit und Wohlstand erachtete. Angesichts dessen, dass man zuvor ebenso jahrhundertelang teils störrisch bis ins Detail an einem System festgehalten hatte, in dem deutlich breitere Kreise an der politischen Willensbildung beteiligt waren, mag die Geschwindigkeit, mit der sich dieser Sinneswandel ab der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr. vollzog, erstaunlich erscheinen. Eine entscheidende Rolle spielte dabei, dass der Prinzeps von Beginn an nicht nur gewaltige ökonomische Ressourcen an sich zog, sondern auch die öffentliche Kommunikation und Bildsprache monopolisierte. Damit konnte er nicht nur beeinflussen, was gesagt, sondern auch mit welchen Mitteln es in die Breite getragen werden konnte. Dieses Buch bewegt sich auf dem Feld der Herrschaftsrepräsentation römischer Kaiser. Es widmet sich der Frage, wie man die exzeptionelle Autorität des Kaisers konzeptionalisierte und, gerade in der Phase, in der sie sich erst etablierte, aus dem Zentrum der Macht akzeptabel vermittelte. In der frühen Kaiserzeit wurde die „abstrakt definierte Rolle des Kaisers mit ihren politischen, sozialen und charismatischen Elementen“1 dabei noch viel stärker als in späteren Monarchien maßgeblich in einem ständigen, wenn auch vornehmlich von oben gesteuerten Diskurs zwischen dem Herrscher und anderen Akteuren ausgestaltet. Entscheidend ist die Annahme, dass die ideologische Repräsentation kaiserlicher Macht dabei nicht etwa nur eine „Verschleierung“ der eigentlichen Verhältnisse war, sondern ein ebenso elementarer Bestandteil des Prinzipats wie seine formalen Aspekte. Die Kaiserherrschaft als Institution ist gerade auch in ihrer kontingenten, sich im ersten Jahrhundert erst etablierenden Form als „the results of agents’ thoughts, words, and actions“ zu begreifen.2

Kaiserherrschaft und Religion Ein wichtiges Bindeglied zwischen Republik und monarchischer Kaiserherrschaft war die römische Religion. Während die politische Realität großem Wandel unterlag, zeigen sich auf religiöser Ebene zunächst vor allem Kontinuitäten. 1 2

Zimmermann 2003, 317. Schmidt 2008, 305, 314 mit dem für die Betrachtung des frühen Prinzipats passenden Konzept eines „diskursiven Institutionalismus“; siehe auch Schmidt 2010 und zur potenziell fruchtbaren Verbindung von „ideas and historical institutionalism“ Blyth/Helgadottir/ Kring 2016.

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1 Einleitung

In der frühen Kaiserzeit, in der der Anschein einer Weiterführung der Republik sensibel aufrechterhalten wurde, kam der Kohäsionskraft gemeinsamer, althergebrachter Rituale besondere Relevanz zu. Um den Staat und damit auch seinen eigenen Status durch den Glauben an eine Schicksalsgemeinschaft der Römer zu stabilisieren, förderte der erste Prinzeps Augustus gezielt alte religiöse Traditionen und Priesterämter.3 Mit der Wiedereinführung des augurium salutis nahm er die Deutungshoheit über den metaphysischen Zustand der res publica für sich in Anspruch. Die große Bedeutung von Tradition und echter oder suggerierter Kontinuität für die Stabilität und Akzeptanz der Kaiserherrschaft ist schon lange erkannt worden. Der Bezug zu Ritualtraditionen und Göttern half dabei, neue Impulse und Entwicklungen, vor allem aber auch die autokratische Position des Kaisers selbst in vertrauter Weise an die Gesellschaft rückzukoppeln.4 Mit seiner ehrwürdigen Seniorität und unhinterfragten Gültigkeit hatte das römische Kultwesen genau das, was dem noch jungen Prinzipat fehlte. Die akribische Aufmerksamkeit und Ernsthaftigkeit, mit der sich die Römer höheren Mächten zuwandten, fiel schon antiken Beobachtern als außergewöhnlich ausgeprägt auf. Glaubensvorstellungen und Kulte der Antike sind Untersuchungsgegenstände, die auf uns heute teils befremdlich wirken, aber gerade deshalb besonders vielversprechend sind – denn wo Irritation ist, ist immer auch eine Chance für Verständnis und Neukonzeptualisierung. Der Versuch, sich antiken Glaubensvorstellungen anzunähern, läuft jedoch stets Gefahr, entweder allzu unkonkret zu bleiben oder das moderne Verständnis von Religionsgemeinschaften mit Konfessionen und Wahrheitsanspruch anachronistisch auf die antiken Vorstellungen zu übertragen. Im antiken Rom hat man sich die Frage danach, ob etwas „religiös“ sei oder nicht, nie so gestellt. Weniger Schwierigkeiten als der Begriff „religiös“, der im Grunde nur behelfsmäßig verwendet werden kann, bereitet die Formulierung „kultisch“, welche den sichtbaren, praktizierenden Aspekt beschreibt. In Rom konnten auch ganz sachliche Maßnahmen konnten als kultische Vorgänge behandelt werden. Hinter einer stadtrömischen Inschrift aus der Zeit Domitians, die zunächst die kaiserliche Sorge um die Wiederherstellung eines Gelübdes zu dokumentieren scheint, verbirgt sich, rein nüchtern betrachtet, eine Brandschutzmaßnahme: Der Kaiser bestätigte ein Gelübde aus der Zeit Neros, nach dem eine markierte geweihte Fläche in der Stadt nicht bebaut oder bewirtschaftet werden durfte. Gesichert wurde dies zusätzlich 3 4

Price 1996, 830 merkt richtig an, dass die Wiederherstellung alter Kulte „should not blind us to the fact that ‚restoration‘ entailed a radical shift in focus“. Die Strategie, neue Konzepte an bestehende Vorstellungen anzuknüpfen, wie auch der dahinterstehende mentale Prozess wurden und werden ausführlich im Forschungsprogramm „Anchoring Innovation“ (OIKOS, National Research School in Classical Studies, The Netherlands) thematisiert, siehe Sluiter 2017. „Anchoring“ beschreibt dabei ein gerade im römischen Bereich und auf Münzen zweifellos ständig sichtbares Diskursphänomen. Zu „Anchoring“ im Kontext römischer Kaiserherrschaft siehe insbesondere Hekster 2015 und 2017, 13–34.

1 Einleitung

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durch ein jährliches, genauer spezifiziertes Opfer an den Volcanalien auf dem vor Ort errichteten Altar.5 Ist diese Inschrift ein Hinweis auf Domitians religiösen Eifer? Oder belegt sie seine kluge Sorge für die pragmatischen Dinge? Die richtige Antwort ist wohl: Es gab keinen Grund, beide Beweggründe grundsätzlich voneinander zu unterscheiden. Auch wenn es einen pragmatischen Anlass für das Gelübde gab, so sicherte doch erst der ritualisierte Rahmen Gültigkeit und Fortbestand der Maßnahme. Für die Römerinnen und Römer war es selbstverständlich, dass weltliche Ereignisse in religiösem Handeln resonieren mussten, aber auch umgekehrt. Den vielbesprochenen Fokus der römischen Religion auf Orthopraxie, d. h. die formal korrekte Ausführung der Kulte im Gegensatz zum Festhalten an einer bestimmten Glaubensnorm, hat Ando (2008) durch die meines Erachtens wichtige Erklärung erweitert, dass die römische Religion auf einer „empiricist epistemology“ basiere. Damit ist Wissen gemeint, das aus der Beobachtung des vermeintlich göttlichen Wirkens in der Welt gewonnen wurde und auf dessen Grundlage religiöses Handeln nach Bedarf angepasst werden konnte.6 Dem Erstaunen über die schnelle und weitgehend unproblematische Eingliederung des Kaisers in die römische Religion lässt sich entgegenhalten, dass zwar Inhalte an neue politische Gegebenheiten angepasst wurden, die Grundprinzipien religiösen Denkens sich zum Beispiel durch die Verehrung neuer, kaiserlicher Gottheiten jedoch nicht zwangsläufig veränderten.7 Auch der Kaiserkult selbst ist aus diesem Blickwinkel primär weder Ausdruck von Schmeichelei, Manipulation oder gar Naivität, sondern die logische Reaktion auf die beobachtbare Gestaltungsmacht des Kaisers und das Bemühen, mit ihr, genauso wie mit anderen entscheidenden Kräften, in ein ritualisiertes, positives Verhältnis zu treten. Die kaiserliche Autorität fand von Beginn an auf religiöser Ebene Widerhall und konnte auf dieser für eine breite Masse auch anschlussfähiger als durch die einzelnen Amtsvollmachten oder spezifischen Leistungen vermittelt werden. Die Römerinnen und Römer – zumindest diejenigen von ihnen, die sich mit dieser Frage überhaupt schriftlich auseinandersetzten – definierten ihre Religion weniger über die diversen Gottheiten als über die Spezifika ihres Kultwesens.8 Individueller Glaube war als Kriterium für ein religiöses Selbstverständnis in der griechisch-römischen Antike von geringer Bedeutung und kann zudem auch kaum rekonstruiert werden. Wenn ich von einer römischen „Religion“ spreche, meine ich deshalb das sichtbare, innerhalb der römischen Gesellschaft verständliche Zeichensystem, das nach der vielgenutzten Definition von Geertz 5 6 7 8

CIL VI 30837 (= ILS 4914); mit einer anderen, m. E. zu stark programmatischen Deutung Cline 2013, 223–224, 227, 242. Ando 2008, xvii. Wissowa 1902, 74 sah etwa die neuen kaiserlichen statt der bisherigen älteren Gottheiten in den öffentlichen vota als Zeichen dafür, dass „das Band zwischen dem alten und dem neuen Gottesdienste […] zerrissen“ sei. Vgl. Gordon 1990b, 179–180.

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1 Einleitung

„conceptions of a general order of existence“ etablierte.9 Auch wenn Gottheiten in vielen religiösen Systemen vorkommen, sieht Geertz sie nicht als definierenden Aspekt einer Religion. Zu dem Zeichensystem, das für die Römer eine allgemeine Seinsordnung beschrieb, gehörten neben dem bereits erwähnten Kultwesen mit gemeinsamen Priestern, Opfern, Tempeln, Feiertagen und Ritualen auch mythologische Erzählungen und, trotz der großen Flexibilität des römischen Götterhimmels, durchaus auch einzelne zentrale Gottheiten selbst. Darüber hinaus verfügte man in Rom zumindest auch über eine gemeinsame Vorstellung davon, was eine Gottheit ausmachte und wie sie abgebildet werden konnte. So war sich eine große Menge weitgehend einig, dass der schwarze Stein, den der Kaiser Elagabal im dritten Jahrhundert in Rom als Sonnengott etablieren wollte, jedenfalls nicht so recht ins Konzept passte. Mit Geertz ist Religion als Ersatzsystem zu betrachten, das dem Menschen „at the limits of his analytic capacities, at the limits of his powers of endurance, and at the limits of his moral insight“ ein Deutungsangebot schafft und so sein Bedürfnis erfüllt, „that this elusiveness be accounted for“.10 Die Verbindung zwischen Religion und Machtpolitik ist bereits insofern interessant, als dass jedes religiöse System die Akzeptanz einer unangreifbaren, höheren Autorität, seien es Götter oder traditionelle Erzählmuster, voraussetzt.11 Der Anreiz für die Herrscher, sich religiöser Symbolsprache zur Kommunikation ihrer Autorität zu bedienen, ist dabei offensichtlich: Eine religiöse Sichtweise zielt in der Regel nicht darauf ab, bestehende Realitäten zu verändern oder zu korrigieren, sondern, im Gegenteil, einen Weg zu finden, diese zu akzeptieren und auf sie zu vertrauen.12 Damit liefert Religion grundsätzlich genau das, was auch einem politischen System, insbesondere einem, das breite Massen von der Teilhabe ausschließt, Stabilität gibt.13 In Rom war die Beziehung von realer und metaphysischer res publica wegen der korrespondierenden Verbindung von Ritualausübung und politischem Handeln bereits seit der frühen Republik besonders eng. Auch in der Kaiserzeit wird keine Senatssitzung ohne vorherige Auspizien, kein Feldzug ohne vorherige Opfer abgelaufen sein. Als politische Zentralfigur war der Kaiser schon bald selbstverständlich in die Kulte eingebunden, die das öffentliche Leben in Rom strukturierten. Dies war kein Phänomen der Monarchie als solche, sondern eine Anpassung an die bestehenden Erwartungshaltungen. Die Rolle des Kaisers im

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Geertz 1966, 90. Geertz 1966, 99–100, 108. Geertz 1966, 109–110. Vgl. Geertz 1966, 112. Bellah 2011, xix geht davon aus, dass religiöse Symbolsysteme im Zuge komplexerer Sozialstrukturen zwangsläufig aufkamen, um bereits in den ersten autoritären Herrschaften „the increasing hierarchical division of social classes in terms of wealth and power“ mit Sinn zu hinterlegen.

1 Einleitung

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religiösen Leben der Hauptstadt haben Beard, North und Price (1998) treffend als diffuse Omnipräsenz beschrieben: „The religious position of the Roman emperor was dominant within the city; his authority was pervasive, but also strikingly diffuse. There was no one major ceremony, such as a coronation or new year’s festival, at which the emperor himself was – as emperor – the leading actor; not did any one religious ritual sum up his religious status and role. Rather, a range of rituals developed which clearly associated the emperor with the gods or linked him with religious institutions and ceremonies; in a variety of different ways he became incorporated within the religious framework of the city […].“14

Unsere Befürchtung, die Andersartigkeit der antiken Gesellschaft und gerade ihre so wenig greifbaren Glaubensvorstellungen nicht oder gar falsch zu verstehen, kann eine tiefergehende Untersuchung des Themas behindern. Dies gilt insbesondere für die oftmals als Ausweichmanöver gebrauchte Auffassung, dass Politik und Religion in der römischen Antike grundsätzlich nicht hätten getrennt werden können. Gegen eine daraus folgende Überbewertung des religiösen Rahmens für Macht und Herrschaft in Rom sprach sich besonders deutlich Veyne (2007) aus, der argumentierte, dass die „heidnischen Kaiser […] als Stütze ihrer Herrschaft keine Religion“ benötigten.15 Auch wenn die Notwendigkeit zur Legitimation an sich unter den einzelnen Kaisern ganz unterschiedlich gelagert sein konnte, ist dennoch unübersehbar, dass man zur Darstellung des kaiserlichen Status immer wieder gezielt auch auf die Rolle des Prinzeps in den traditionellen Kulten oder eine vermeintlich privilegierte Beziehung zu den Göttern zurückgriff. Wie ist dies nun zu bewerten? Wie, wann und warum die Autorität der römischen Kaiser im ersten Jahrhundert in das bestehende Zeichensystem der römischen Religion eingeschrieben wurde, habe ich in diesem Buch genauer untersucht. War der Rückgriff auf alte religiöse Traditionen auch dann noch von Bedeutung, als im Laufe des ersten Jahrhunderts die Monarchie zur in der Sache schon bald kaum noch hinterfragten Normalität wurde und die Erinnerung an die Republik verblasste? Dabei lässt sich beobachten, wie für den römischen Kaiser religiöse Bilder und Denkmuster weiterentwickelt – und neue Ideen über seine Machtposition so in vermeintlich alte Gewänder gekleidet wurden. Die Analyse der kommunikativen Funktion religiöser Elemente im staatlichen Medium Münze ermöglicht einen systematischen Blick auf diese Fragen nach einerseits betonter Konformität und andererseits mit neuen Mitteln ausgedrückter Exzeptionalität der römischen Kaiser. Für die Erforschung der römischen Religion im ersten Jahrhundert wurden die Münzen bisher nicht umfänglich ausgewertet. Dort, wo religiöse Gesten und Vorstellungen zur Vermittlung kaiserlicher Autorität eingesetzt wurden,

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Beard/North/Price 1998, 206. Veyne 2007, 137; siehe auch Barceló 1996 für Überlegungen weniger zur Repräsentation, aber zu Alleinherrschaft, Religionspolitik und Monotheismus in der römischen Kaiserzeit.

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1 Einleitung

erlaubt uns das Material einen Einblick in die sonst schwer greifbare Wirkungsmacht des antiken Glaubens und seinen potenziellen Einfluss auf die Machtpolitik.

Zur Struktur dieses Buches Vor der inhaltlichen Einordnung und Auswertung der Münzbilder muss notwendigerweise methodische Transparenz über die spannende aber voraussetzungsreiche Arbeit mit dem numismatischen Material hergestellt werden. Dies erfolgt auf den folgenden 35 Seiten. Dabei gilt es, neben dem schon besprochenen Religionsbegriff zunächst auch noch weitere Fallstricke, etwa zum Konzept von „Propaganda“ und zur Arbeit mit Münztypen, zu vermeiden. Am Ende dieses einführenden Teils biete ich als Ausgangspunkt für die weiteren Untersuchungen einen Überblick über zunächst rein quantitative Entwicklungen in der Verwendung religiöser Themen für die numismatische Repräsentation der Kaiser im Verlauf des ersten Jahrhunderts an. Die zwei großen Kapitel im Hauptteil des Buches zu Motiven des Kultwesens einerseits und Götterabbildungen andererseits lassen sich zwar auch unabhängig lesen, nehmen aber aufeinander Bezug. Anhand von Motiven aus dem Kultwesen lässt sich schwerpunktmäßig die Darstellung der Konformität kaiserlicher Autorität, anhand von Götterabbildungen hingegen die Betonung ihrer Außergewöhnlichkeit aufzeigen. Eine klare Trennung gibt es jedoch nicht – beide Aspekte finden sich stellenweise auch im jeweils anderen Teil. Wer weniger Zeit hat oder auf der Suche nach meinen Ideen zu bestimmten Motiven ist, kann Münztypen und einzelne Kaiser aber auch über den Index gezielt ansteuern.

Der Zugang über die Münzen Ob in Form von öffentlichen Opfern oder Priesterämtern hoher Beamter – dass religiöse Elemente auf staatlicher Ebene einen prominenten Platz hatten, können wir für die Antike bereits in den frühesten Texten greifen. Somit ist es kaum verwunderlich, dass auch die frühesten römischen Münzen, stark beeinflusst von griechischen Vorbildern, Götterbilder und religiöse Symbole zeigen.16 Bevor die Mächtigen der späten Republik und dann die Kaiser den Avers der Münzen mit ihrem Bild versahen, traten den Römern auf ihrem Geld im Alltag bereits zahlreiche Götterköpfe entgegen. Der Grund dafür muss nicht unbedingt in einer besonderen Frömmigkeit der antiken Menschen liegen: Anhand der dargestellten Gottheiten können durch kleine Bilder große Konzepte vermittelt werden. Im Durchschnitt sind es von Augustus bis Trajan 72 % aller Münztypen pro Kaiser, die in irgendeiner Form religiöse Motive zeigen. 16

Williams 2007, 143.

1 Einleitung

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Aufgrund der Kontinuität religiöser Traditionen und ihrer hohen Selbstverständlich- und Alltäglichkeit sind die römischen Vorstellungen zum Kultwesen in den literarischen Quellen hingegen wenig sichtbar und werden kaum explizit thematisiert. Aussagen über die Veränderungen in der römischen Religion über eine lange Zeitspanne hinweg zu treffen, ist deshalb eine herausfordernde Aufgabe.17 Epigrafische wie auch archäologische Quellen werfen zwar wichtige Schlaglichter, sind jedoch in ihren Entstehungs-, Aufstellungs- und vor allem auch Erhaltungskontexten meist zu heterogen, um vergleichende Aussagen in größeren Zeitperioden treffen zu können. Während das detaillierte Relief der Ara Pacis vielfach besprochen wurde, sind etwa von einem ähnlichen Altar aus claudischer Zeit nur noch Fragmente erhalten.18 Epigrafische Quellen eignen sich auch deshalb weniger gut für die skizzierte Fragestellung, da sie als Dokumente, die nur statisch an einem Ort einsehbar waren, ein im Vergleich zu Münzen „less attractive medium for subtle though obvious changes in imagery“ darstellten. Hekster/Claes et al. (2014) konnten etwa anhand einer Fallstudie zeigen, dass zu Beginn der Regierungszeit Neros eine Entscheidung gefällt wurde, die elterlichen Vorfahren besonders zu betonen, diese Botschaft sich jedoch in den Inschriften deutlich länger niederschlug, während sie auf Münzen nach wenigen Jahren durch neue Motive (laut Hekster/Claes et al. regelrechte „PR-Entscheidungen“) überschrieben wurde.19 Fest steht: Während Inschriften wegen ihres bürokratischen und dokumentarischen Charakters weniger Varianz zeigen, wurde auf Münzen deutlich schneller auf neue Gegebenheiten reagiert. Dennoch sind es nicht so sehr die Unzulänglichkeiten anderer Quellengattungen, sondern vor allem die Vorteile des numismatischen Materials, die meinen Fokus auf die Münzen gelenkt haben. Münzen bieten eine über das gesamte Jahrhundert hinweg stabile und hohe Überlieferungsdichte. In den Worten 17

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Liebeschuetz 1979 hatte zwar den Anspruch „Continuity and Change“ der römischen Religion über mehrere Jahrhunderte hinweg zu beschreiben, blieb letztlich jedoch bei einer exemplarischen Analyse einzelner antiker Stimmen aus der Literatur (Plinius, Tacitus, Cassius Dio), deren Fokus zu unterschiedlich ist, um mehr als grobe Vermutungen über ein allgemeines Bild zuzulassen. Für das, was wir aus vornehmlich literarischen Quellen über die Rolle von Religion in der frühen Kaiserzeit wissen, siehe Price 1996. Neben dem vielgelesenen Einführungswerk von Rüpke 2001, fast 100 Jahre nach Wissowas Handbuch zu Religion und Kultus der Römer (1902) erschienen, und seinem Buch zur „Geschichte der antiken Religionen“ (2016), haben Mary Beard, John North und Simon Price 1998 eine anschauliche und ausführliche Gesamtschau der (stadt-)römischen Religion samt zugehörigem Quellenband vorgelegt. Für die Kaiserzeit hat insbesondere die Rolle des Prinzeps als Priester besondere Aufmerksamkeit erfahren, siehe dazu vor allem Stepper 2003. Steppers Beobachtungen können durch eine gründlichere Bearbeitung des numismatischen Materials präzisiert und ergänzt werden. U. a. besprochen bei Scott Ryberg 1955, 66–75. Hekster/Claes 2014, 18; zu den Chancen und insbesondere auch Einschränkungen bei der Arbeit mit Inschriften als Quelle für die römische Kaisergeschichte siehe auch Witschel 2011, 107–112.

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1 Einleitung

Sutherlands (1951) sind sie „the most voluminous, the most constant, the most official and the most accurate series of documents which has come down to us“.20 Um das Vertrauen in die Währung zu gewährleisten, mussten Münzen mit ihren Stempeln staatliche Autorität und – im doppelten Sinne – gemeinsame Werte ausdrücken. Sie befinden sich so an einer idealen Schnittstelle zwischen kaiserlicher Autorität und deren öffentlicher Wahrnehmung. Für die Erforschung römischer Religion sind Münzbilder in ihrer Aussagekraft zwar auf die kaiserliche Repräsentation begrenzt, für diese jedoch die authentischste und vollständigste Quelle mit einer über Jahrhunderte hinweg vergleichbaren internen Kommunikationslogik.21 Der auf den Münzen als Kommunikationsmedium dokumentierte jahrhundertelange Diskurs über kaiserliche Autorität lässt uns diese als eine sich wandelnde und sowohl vom einzelnen Kaiser beeinflusste als auch über den einzelnen Amtsinhaber hinausgehende Institution begreifen.22 Die Arbeit mit diesem Material kann somit auch die von Winterling (2011) geforderte Zusammenführung von strukturgeschichtlicher und biografischer Herangehensweise an die römische Kaiserzeit samt Fokus auf die „aristokratische Kommunikation“ besonders gut leisten.23 Die politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen des ersten Jahrhunderts vor und nach Chr. führten zu einer lebendigen, variantenreichen Münztypologie.24 Dieses numismatische Material macht es möglich, anhand der Motivschwerpunkte als auch der Verwendung und Entwicklung einzelner Motive

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Sutherland 1951, 184. Religiöse Motive wie Opferszenen, in Reliefs besonders häufig, spielen etwa eine größere Rolle, wenn es darum geht, den Kaiser und seine Leistungen von außen zu ehren, als sie es in der kaiserlichen Münzprägung tun. Siehe Scott Ryberg 1955 mit einem Survey entsprechender Abbildungen in der römischen Kunst. Nur aus dieser zweiten, suprapersonalen Blickweise lässt sich z. B. die immer wieder Erstaunen hervorrufende Tatsache sinnvoll betrachten, dass einige Kaiser auch Repräsentationselemente in Ungnade gefallener Vorgänger übernahmen. Viele, wenn auch längst nicht alle Studien zum Prinzipat, insbesondere zu Repräsentationsstrategien, folgen zumindest implizit einem ähnlichen Verständnis – so etwa Ruff 2012, 14, die lieber von „Herrschaftsdarstellung“ statt „Selbstdarstellung“ sprechen möchte, da „Herrschaft ein Verhältnis, eine Beziehung thematisiert“, die dem „Charakter des Principats in der auf dem Klientelwesen basierenden Gesellschaft am ehesten gerecht“ wird. Downey 1975, 96 spricht von einer „official personality“ des Prinzeps, die „some degree of continuity even in the reigns of unworthy rulers“ garantiert hätte. Vgl. Winterling 2011, hier 10. Verwunderlich ist deshalb, dass in Winterlings Sammelband zur Diskussion und Vorbereitung einer „neuen Römischen Kaisergeschichte“ zwar die Arbeit mit Kaiserporträts, Inschriften und literarischen Quellen einzeln besprochen wird, gerade die numismatische Überlieferung aber keine separate Berücksichtigung findet. Vgl. u. a. Levick 1999, 46, im Vergleich zur weniger kreativen Münzprägung schon des zweiten Jahrhunderts zeige die Varianz dieser beiden Jahrhunderte „the pressures to which the Roman value system was subjected.“

1 Einleitung

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zeitübergreifende Feststellungen bezüglich der Gewichtung verschiedener Aspekte im Diskurs über kaiserliche Autorität zu treffen.25 Dabei gilt es einerseits die „ideas that are the substantive content of discourse“, in unserem Fall die auf den Münzbildern zum Ausdruck gebrachten Ideen über die Kaiserautorität, zu betrachten, aber auch „the interactive processes involved in discourse“, das heißt die Art, Häufigkeit und den Kontext, in dem diese Ideen platziert wurden.26 Im Fall der Münzbilder lässt sich die dahinterstehende Idee zudem oft erst durch gründliche Kontextualisierung zuverlässig rekonstruieren. Nicht jede Kommunikationsstrategie war gleich erfolgreich und während manche Motive nachgeahmt wurden und sich als fester Bestandteil in der Darstellung kaiserlicher Macht etablierten, tauchen andere Gestaltungselemente nur sporadisch auf – und dann wieder unter. Für die Arbeit mit Münzmotiven lassen sich die oben gestellten Fragen noch wie folgt präzisieren: Welche religiösen Aspekte wurden über die innerhalb Roms öffentlich sichtbare Kultperformanz hinaus für geeignet befunden, kaiserliche Autorität zu vermitteln und sein symbolisches Kapital zur Schau zu stellen? Konnte sich ein Kaiser durch die Anspielung auf Religiöses, das in Rom als selbstverständlicher Bestandteil auch von politischer Macht gelten muss, überhaupt profilieren? Wenn ja – über welche Motive funktionierte eine solche Kommunikation und in welchen Kontexten wurde dies eingesetzt? In einer derart selbstverständlich von göttlichen Zeichen durchwirkten Welt wie dem antiken Rom ist die Mehrschichtigkeit der Bilder dabei grundsätzlich vorauszusetzen. Durch eine Kontextualisierung der religiösen Motive können ihre Interpretationsmöglichkeiten jedoch sinnvoll eingeengt und ihre Rolle im Spannungsfeld von Religion und kaiserlicher Autorität rekonstruiert werden. Als Grundlage meiner Arbeit dienen mehr als 7.400 Münztypen der reichsrömischen Prägung von Augustus bis Trajan. Nicht untersucht habe ich die Gestaltung der Münzen aus Städten in den Provinzen, die zwar ergänzende Informationen über die Rezeption der kaiserlichen Motive liefern könnten, über die hier zunächst verfolgte Frage danach, wie man aus dem Zentrum der Macht heraus kaiserliche Autorität kommuniziert wissen wollte, jedoch nichts verraten.

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26

Mit der Frage nach der „gesellschaftlichen Akzentuierung“ der Münzprägung und der Bedeutung verschiedener Statusgruppen für die römischen Kaiser hat Lummel 1991, insb. 34–101, bereits eine Übersicht über die offenkundig an Senat, Militär oder plebs gerichteten Münztypen des ersten Jahrhunderts zusammengestellt – leider ohne weiterführende Schlussfolgerungen. Schmidt 2008, 304–305: „Discourse, as defined herein, is stripped of postmodernist baggage to serve as a more generic term that encompasses not only the substantive content of ideas but also the interactive processes by which ideas are conveyed. Discourse is not just ideas or ‚text‘ (what is said) but also context (where, when, how, and why it was said). The term refers not only to structure (what is said, or where and how) but also to agency (who said what to whom).“

18

1 Einleitung

Medaillons, mit deren Hilfe Mittag (2014) etwa frische Einblicke in das Verhältnis des Antoninus Pius zur Religion geben konnte, sind für das erste Jahrhundert nicht in größerem Umfang erhalten und verwenden sogar Stempel der regulären Münzprägung. Mittag hielt fest, dass die Medaillons, die der intimeren Kommunikation innerhalb eines engeren Kreises dienten, zahlreiche ungewöhnliche Gottheiten und mythische Szenen zeigten, die auf Münzen nicht verwendet wurden. Im Fall des Antoninus Pius gibt es gute Gründe für die Annahme, dass die Motive gar die sonst kaum zugänglichen, persönlichen Glaubensvorstellungen des Kaisers spiegeln. Diese großen Unterschiede in der Motivauswahl je nach Kommunikationssituation stärken umgekehrt die Annahme, dass die für eine breitere Öffentlichkeit produzierten Münzmotive hinsichtlich des Zusammenhangs von Religion und Kaiserautorität sinnvoll ausgewertet werden können. Im Detail lässt sich vielfach eine wohlüberlegte Motivkomposition erkennen, die nicht durch Launen der Stempelschneider erklärbar ist. Auch wenn die teilweise subtilen Bedeutungselemente schon in der Antike sicherlich nicht von jedem Geldempfänger verstanden worden sind, ist doch davon auszugehen, dass die visuelle Sensibilität der antiken Römerinnen und Römer diesbezüglich deutlich höher war als im heutigen „age unattuned to symbolism“.27

1.1

Methodisches Werkzeug bei der Arbeit mit und der Interpretation von Münzen

Aufgrund der Fülle des Materials, der guten Datierbarkeit und der hohen Authentizität als Primärquellen ist die Arbeit mit Münzen ausgesprochen vielversprechend. Was aber tun, wenn Münzen nicht nur zur Illustration bestehender Erkenntnisse dienen sollen, sondern selbst die zentrale Quelle sind? Im Zweifelsfall stelle ich im Folgenden Thesen lieber zur Diskussion, als mögliche interessante Beobachtungen übervorsichtig unter den Tisch fallen zu lassen. Auch dafür gilt es aber, die Grenze zwischen einer „mutigen“ und einer unfundierten Argumentation nicht zu überschreiten. In der althistorischen Arbeit mit numismatischen Quellen wurden in den letzten Jahrzehnten durch die Digitalisierung großer Bestände gänzlich neue Möglichkeiten geschaffen. Das Potenzial des Münzmaterials für die historische Arbeit tritt in vielen Detailstudien deutlich hervor – jedoch gelingt es vor allem 27

Grant 1950, 25. Für die Wahrnehmung der Münzbilder und -legenden argumentiert gegen ältere Skeptiker besonders engagiert bereits Ehrhardt 1984, hier 52: „we have irrefutable, even if not literary, evidence that Romans of the highest classes did read and understand the types of past coins, and did suppose that the primary recipients of the coins would do the same“.

1.1 Methodisches Werkzeug

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den Arbeiten, die sich durch besondere methodische Gründlichkeit auszeichnen, dieses Potenzial auch überzeugend auszuschöpfen. Als Objekte, die in Bild und Text eng mit der Person des Kaisers verbunden sind, werden Münzen besonders oft zur Erforschung der Repräsentation antiker Herrscher herangezogen. Zu methodischen Grundproblemen dieser Lesart des Materials liegen bereits zahlreiche Beiträge vor, sodass ich meine eigenen Ausführungen an dieser Stelle möglichst kurz halten und nicht jede mittlerweile verworfene Meinung erneut referieren möchte.

1.1.1 Grundannahmen Für meine Argumentation sind vor allem drei Grundannahmen zentral, die ich im Folgenden erläutere: 1) Münzbilder drücken staatliche Autorität aus Jede Interpretation antiker Münzen muss sich dem Material zunächst über seine primäre Funktion annähern: Münzen sind mit wenigen Ausnahmen vor allem Zahlungsmittel und damit Alltagsobjekte mit einer pragmatischen Funktion. Münzlegende und Münzmotiv müssen gemeinsam anzeigen, dass der Wert der Metallscheibe durch eine relevante Autorität garantiert wird. Aus der Perspektive der ausgebenden Instanz wurde mit dem Münzstempel auch den Anspruch kommuniziert, ebendiese relevante Autorität zu sein. Besonders eindeutige Belege dafür finden sich im dritten und vierten Jahrhundert. Ammianus hält fest, wie der Usurpator Procopius versuchte, Goldmünzen mit seinem Porträt als novus princeps zu verteilen, um sich Unterstützung zu sichern.28 Wienand (2012) wies auf Münzen des Usurpators Carausius hin, der sogar einen Wertverlust in Kauf nahm, um alte Münzen gleichen Nominals – somit ohne pragmatischen Grund – zu überprägen und sein eigenes Bild bei den Soldaten in Britannien in Umlauf zu bringen.29 Auch während des Bar-Kochba-Aufstands wurden in Judäa römische Münzen überprägt, um sich explizit von der römischen Autorität abzuwenden und die eigene Souveränität auszudrücken. Viele Exemplare zeigen noch deutlich die Spuren des ursprünglich sichtbaren Kaiserporträts.30 Wie Ellithorpe (2017) zu Recht bemerkt, belegt nicht zuletzt die Durchführung der damnatio memoriae auf Münzen, auf denen Portraits unkenntlich gemacht oder mit einem Gegenschlag versehen wurden, dass „many coin users recognized the

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Amm. 26,7,11. Wienand 2012, 65 mit Verweis auf Williams 2004, 22–23. Die numismatischen Zeugnisse des Aufstandes wurden gesammelt und besprochen insb. von Mildenberg 1984. Beispielexemplare aus dem Handel sind online, z. B. über CoinArchives, leicht zu finden.

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1 Einleitung

symbolic nature of imperial coinage: most conspicuously, perhaps, the simple relationship of: presence on coinage = legitimacy.“31 Dass nicht nur das Kaiserporträt und die Titulatur dazu dienten, Vertrauen in eine Währung zu schaffen, konnte u. a. Noreña (2011) zeigen, der einen statistisch relevanten Zusammenhang zwischen der Qualitätsminderung des geprägten Silbers und der Häufigkeit von Abbildungen der Aequitas auf der Rückseite von Denaren nahelegte. Offenbar sollte die Personifikation mit ihren Eigenschaften auch den gleichen und gerechten Wert der Münze bezeugen.32 Obwohl auf einer Münze die wechselnden Bildbotschaften auf dem Revers in direkte Verbindung zum Kaiser auf der Vorderseite gesetzt wurden, hatten die deutlich präsenteren, weil weniger häufig veränderten Porträts auf dem Avers zumindest für die Autorisierung des Geldstücks sicherlich eine größere Bedeutung. Auch wenn die Bilder auf den Rückseiten der Münzen häufiger wechselten und damit interessanter waren als heute, ist doch davon auszugehen, dass das nur selten variierende Porträt des Kaisers in der Masse am prominentesten wahrnehmbar war.33 Diese Untersuchung stellt jedoch nicht die Frage, welchen messbaren Eindruck religiöse Abbildungen auf Münzen auf die Rezipienten gemacht haben, sondern setzt lediglich voraus, dass die Entscheidungen über Motive im Gesamtbild eine gute Ausgangsgrundlage bieten, um den Stellenwert von Kultwesen und Gottheiten für die Darstellung der Kaiserautorität zu umreißen. Für diejenigen, die für die Gestaltung der Münzmotive zuständig waren, war das Interesse an der nahezu gleichbleibenden Vorder- und stetig wechselnden Rückseite sicherlich genau umgekehrt. Um eine Münze als gültiges Zahlungsmittel zu kennzeichnen, brauchte es jedoch an sich keine ausgefeilten Bildstrategien. Wozu also die aufwendigen Bildprogramme gerade auch bei den Kaisern, die nicht erkennbar unter Druck standen, ihre Legitimation unter Beweis zu stellen? 2) Münzbilder halten fest, welche Eigenschaften oder Leistungen von kaisernahen Instanzen und auch dem Kaiser selbst als Elemente von Bedeutung für die kaiserliche Repräsentation erachtet wurden. Das Verschwinden der Namen von Münzmeistern aus den Münzlegenden unter Augustus sowie vor allem die zunehmende, Mitte des ersten Jahrhunderts dann

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Ellithorpe 2017, 21, zur damnatio memoriae auf Münzen 185–191; siehe auch das spannende Beispiel einer umgearbeiteten (Spott-)Münze des Maximinus Thrax bei Wienand 2016. Noreña 2011, 68–70; kritische Anmerkungen dazu in der Rezension von Riggsby (2012). Verwiesen sei auf die zu diesem Thema häufig zitierte Bibelstelle Lk 20,24–25 („So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist.“). Dass jedoch z. B. Augustus laut Suet. Aug. 75 offenbar eine Münzsammlung besaß, beweist ein bereits in der Antike vereinzelt auch intensiveres Interesse für Münztypen. Eine Besprechung der literarischen Belegstellen für die Aufmerksamkeit gegenüber Münzbildern und -legenden in der Antike findet sich u. a. bei Ellithorpe 2017, 6–16.

1.1 Methodisches Werkzeug

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vollständige Zentralisierung der Münzproduktion auf die stadtrömische Prägestätte belegen ohne Zweifel das kaiserliche Interesse an einer Kontrolle der Münzproduktion.34 Für die Analyse der Repräsentation kaiserlicher Autorität sind die Münzen des ersten Jahrhunderts, deren Motive größtenteils im Zentrum der Macht ausgewählt werden, deshalb besonders gut auszuwerten. Daran, dass die Münzprägung aber tatsächlich als politisch bedeutungsvoller Diskurs zwischen Kaiserautorität und Öffentlichkeit zu sehen ist, wurde in der Vergangenheit aus mehreren Richtungen Zweifel geäußert. Lendon (2006) übte bedenkenswerte Kritik an den Grundannahmen vieler numismatischer Studien: Wir sollten nicht unkritisch davon ausgehen, dass es überhaupt nötig war, den kaiserlichen Machtanspruch ständig neu im „Massenmedium“ Münze zu kommunizieren.35 Die im Vergleich sehr geringe Anzahl und Vielfalt der Münztypen etwa unter Tiberius (95 nach RIC I²) – der es doch als zweiter Kaiser noch besonders nötig gehabt haben müsste, die Legitimität seiner Position zu kommunizieren – als auch die Wiederholung alter und abstrakter Motive spricht in der Tat zunächst dagegen. Die „comic vision of the emperor and his advisors solemnly debating whether putting Aequitas or Liberalitas on the silver penny would contribute more legitimacy to the regime“ erscheint in der Tat „absurd“ – ebenso absurd ist jedoch angesichts der detailliert und nachweislich aufmerksam gestalteten Münzbilder die Behauptung, die Motive auf den Rückseiten seien weitgehend bedeutungslose Platzfüller gewesen.36 Argumente für eine kaisernahe Entscheidung über Münzbilder sind meines Erachtens in den letzten Jahren ausreichend vorgelegt worden, sodass ich diese zentrale Methodenfrage mit einem Hinweis auf relevante Literatur aus dem Weg räumen möchte.37 Zusammenfassend kann zwar belegt werden, dass die Kaiser Einfluss auf die Gestaltung der Münzbilder nahmen38 – wie oft und detailliert sie dies taten, ist jedoch unklar. 34 35 36 37

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Vgl. Wolters 1999, 59–60, der politischen Willen als ausschlaggebenden Faktor dieser Zentralisierung sieht. Lendon 2006, 60. Lendon 2006, 60–61 („Something, after all, had to go on the reverse of the coins“). Zusammenfassung u. a. bei Manders 2012, 31–33; ebenso auch mit weiteren zentralen Punkten Wolters 2003, zur entscheidenden Autorität siehe insb. 185–189. Eine sehr ausführliche Diskussion methodischer Kernfragen auch in der Einleitung bei Wienand 2012; knappe aber treffende Bemerkungen außerdem bei Hekster/Claes et al. 2014, insb. 9 und 19; vgl. auch Lummel 1991, 103–104. Mehr Kritik denn positive Resonanz gefunden hat Duncan-Jones 2005, dessen Argumentation, dass die Münzprägung „lay outside the normal concerns of the Emperor and his councillors“ (464), methodisch nicht überzeugen kann. Für die bisher ausführlichste und gründlichste Diskussion der Grundlagen des Arbeitens mit römisch-kaiserzeitlichen Münzen sei verwiesen auf Wolters 1999. Suet. Aug. 94,12; Suet. Ner. 25,2; für Monarchen war dies wohl ohnehin üblich, siehe Plut. Alex. 4,9 für Philipp II. Angesichts der oben genannten Sensibilitäten bezüglich des Kaiserporträts auf Münzen ist es zumindest völlig unplausibel, dass die seltenen Exemplare ohne Porträt des amtierenden Prinzeps, etwa Denare mit dem Porträt des Sol auf dem

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1 Einleitung

Auch wenn die Münzmeister nicht mehr genannt wurden, waren selbstverständlich weiterhin Amtsträger innerhalb des kaiserlichen Beamtenapparats für die Münzgestaltung verantwortlich. Deren eigene Wahrnehmung kaiserlicher Autorität, maßgeblich geprägt durch ihre Nähe zum Kaiser, wird sich in den Motiven niedergeschlagen haben. Hieb- und stichfest kann (und muss) ein „creative director“ der Münzprägungen in Rom zwar nicht bestimmt werden, dass die Bildprogramme aber vom Kaiserhof ausgingen, ist unumstritten.39 Um das Gedankenspiel von Lendon über die Abläufe in der kaiserlichen Verwaltung weiterzuführen: Wenn selbst Angelegenheiten wie die Abdeckung eines Abwasserkanals in einer entfernten Provinzstadt direkt an den Kaiser adressiert wurden,40 wäre es höchst unplausibel, davon auszugehen, dass ein so wichtiges Thema wie die Prägemenge und auch das Gestaltungsprogramm der staatlichen Münzen nicht zumindest in Entwürfen an den Kaiser herangetragen und von diesem abgesegnet wurde, zumal dies nur wenige Male im Jahr geschehen musste. Die auf Levick (1982) zurückgehende These, dass der Kaiser weniger Autor denn Empfänger der Münzbilder gewesen sei, während zuständige Beamten hofften, sich auf diesem Weg das Wohlwollen des Kaisers zu verschaffen, halte ich in der Praxis für von geringerer Relevanz, als ihr manchmal zugemessen wird.41 Wienand (2012) bemerkt dazu, dass sich in jedem Fall „auch die Freiheiten der untergeordneten Instanzen […] meist in einem von zentralen Stellen vorgegebenen Spektrum an Möglichkeiten“ abgespielt haben müssen.42 Kurz gesagt:

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Avers unter Vespasian (RIC II,1² 689), ohne dessen Autorisierung in dieser Form geprägt wurden. Für die flavische Zeit ist bei Stat. Silv. 3,3,86–105 belegt, dass ein einzelner hoher Beamter für die allgemeine Finanzplanung verantwortlich war – inklusive der Entscheidung darüber, wie viele Münzen in welchen Metallen geprägt wurden. Daran, dass dieser bereits gut ausgelastete a rationibus oder gar der Kaiser selbst direkt für das Design verantwortlich war, gibt es berechtigte Zweifel, vgl. Wolters 1999, 290, hier auch 303–308 mit Beispielen, die Vorsicht dabei anmahnen, die Auswahl der Münzbilder gerade in entfernten Münzstätten, etwa in Lugdunum in julisch-claudischer Zeit, direkt beim Kaiser zu verorten. Claes 2014, 172, die noch einmal für den schon zuvor oft verdächtigten a rationibus als Entscheidungsträger argumentierte, hielt fest, dass „the forced retirement of Nero’s a rationibus, Pallas, as well as the removal of Domitian’s a rationibus, Etruscus Pater, both coincided with an alteration of coin designs under these emperors, which suggests that the a rationibus was involved in the type selection“; vgl. Hekster/Claes et al. 2014, 19: „It also seems clear that the exceptional watershed of 56, when the number of central Neronian coins referring to ancestry dropped from a 100 percent to nothing, cannot be understood without assuming a decision taken at the highest level.“ Zu Pallas’ Entlassung und dem zeitgleichen Wandel der Münztypen bereits vorher Cheung 1998, 60. Plin. epist. 10, 98–99 mit Antwort des Kaisers. Plinius’ Anfragen an Trajan mögen, ohne dass es eine vergleichbare Quelle gäbe, ein spezielles Beispiel sein – aber auch zahlreiche andere Quellen aus der früheren Kaiserzeit belegen, dass sich die Kaiser persönlich mit zahlreichen kleinteiligen Aufgaben befassten. Siehe auch Wallace-Hadrill 1986, 79. Wienand 2012, 55–56; ähnlich mit einem gut verständlichen Beispiel Rowan 2013, 213.

1.1 Methodisches Werkzeug

23

Begreifen wir die kaiserliche Autorität als Institution, die über die „personal agency“ des einzelnen Amtsinhabers hinausgeht, ist die Unterscheidung irrelevant.43 Wie eng der Kaiser in die konkrete Entscheidung über das Bildprogramm eingebunden war, variierte sicherlich mit den Umständen und ist nur in Einzelfällen greifbar. Kaum bestreitbar ist etwa, dass Münzstätten außerhalb Roms, deren Fassung der Kaisertitulatur als auch Bildprogramm sich oftmals von den stadtrömischen deutlich unterschied, wenn überhaupt nur indirekter von kaisernahen Instanzen oder gar kaiserlichen Wünschen beeinflusst wurden. Stattdessen lassen sich viele Münzbilder aus etwa Caesarea aber auch aus der bis in die Zeit Neros für Edelmetall betriebenen Münzstätte in Lugdunum als Bekundungen von Loyalität und Nähe zu Rom deuten.44 Sie sind somit eher als stadtrömische Prägungen im Sinne der Levickschen Vorstellung eine Botschaft an den Kaiser oder, etwas breiter gefasst, das Zentrum der römischen Welt. Durch die Zentralisierung der Münzprägung, die seit den Flaviern bis ins dritte Jahrhundert fast ausschließlich in Rom stattfand, ist diese Lesart nur für wenige Prägungen aus den Provinzen relevant. Motivunterschiede zwischen den verschiedenen Metallen lassen unterschiedliche Autorisierungen und Zielgruppen vermuten, was bei der Interpretation des Materials mehrfach eine Rolle spielen wird. Aufgrund des regelmäßigen Auftretens der Buchstaben S C auf Buntmetallnominalen seit Augustus wurde lange von einer Trennung in „kaiserliche“ Edelmetall- und „senatorische“ Aesprägungen ausgegangen.45 Bay (1972) und noch einmal ausführlicher Wolters (1999) konnten die Kennzeichnung mit S C hingegen überzeugend auf pragmatische Gründe in der Münzproduktion zurückführen. So wurde S C nach den vermutlich in Form eines senatus consultum beschlossenen Münzreformen des Augustus 43

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Mit den Begrifflichkeiten von Schmidt 2008, 305 ließe sich auch sagen: Der „coordinative discourse“, der möglicherweise in der Black Box zwischen Kaiser und Münzstätte stattfand, ist für unser Erkenntnisinteresse weitgehend irrelevant, weil er innerhalb desselben institutionellen Rahmens stattfindet und damit, anders als der „communicative discourse“ zwischen kaiserlicher Autorität und Öffentlichkeit, unpolitisch ist. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Abbildungen in Verbindung mit dem Kaiserkult (v. a. der Altar der Roma und des Augustus in Lugdunum, aber auch der Tempel für den Kaiserkult in Pergamon, vgl. RIC I² Augustus 506, Claudius 120) oder der kaiserlichen Familie zu nennen (RIC I² Tiberius 84–88, ein Münztyp mit Porträt des Drusus, wird nur in Caesarea geprägt; ebenso RIC I² Claudius 124 für Messalina, Britannicus, Octavia und Antonia sowie RIC I² Nero 607–612 mit dem Porträt Agrippinas d. J.). Entsprechende Abbildungspräferenzen auch auf den provinzialen, nicht römisch autorisierten Prägungen bestätigen den lokalen Einfluss auf die Münzbilder, vgl. Horster 2013. Ich schließe mich dabei der Argumentation von insbesondere Metcalf 1989 und Wolters 1999, 61–85 an, dass die Verlagerung der Edelmetallprägungen nach Rom mit der Münzreform Neros 64 n. Chr. einherging. Auch die Münzstätte in Caesarea in Kappadokien stellt unter Nero ihren Betrieb ein, Silber für den Osten kommt von nun an für viele Jahrzehnte aus Rom. Prominent von Mommsen 1871–1888, II,2, 1025–1028 und III,2, 1146; dagegen Kraft 1962; contra Kraft wiederum Burnett 1977, 45–57; siehe auch Sutherland 1976, 11–22.

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1 Einleitung

dazu verwendet, nach einer Zeit schwankender Kurse den Wert der neuen Bronzemünzen zu garantieren, und blieb letztlich als gewohnter Bestandteil des Münzbilds erhalten.46 Von dezidiert senatorischem Einfluss auf die Münzprägung ist spätestens nach dem Ende der Münzmeisterprägungen bei Augustus nicht mehr auszugehen.47 Nicht zu vergessen ist schließlich, dass der Großteil des Senates stets den jeweiligen Kaiser unterstützte und fast alle Ehren, ob in Form von Titeln, Bauwerken oder kultischer Verehrung, vom Senat an den Kaiser herangetragen wurden, wenn auch sicherlich nicht gänzlich ohne dessen direkte oder indirekte Einwirkung. Aufgrund dieses reziproken Verhältnisses halte ich es für ohnehin unmöglich, in Münzbildern eine kaiserliche oder aristokratische Perspektive voneinander zu trennen, hat sich doch auch das Bild der kaiserlichen Autorität in der gegenseitigen Interaktion geformt. Auszugehen ist in jedem Fall von einer Entscheidung über die Motive im Sinne des Kaisers, die sich zwangsläufig, wie auch der Prinzeps selbst, auch an bestehenden Erwartungshaltungen orientierte. Wie Levick (1999) in Auseinandersetzung mit ihrer eigenen These schlichtend zusammenfasste: Die Münzprägung „presents in image and words […], thinking about power within the state and thinking by the very men who were engaged in the struggle for power“.48 Für die vorliegende Fragestellung nach der Bedeutung von religiösen Motiven bei der Vermittlung kaiserlicher Autorität auf Münzen reicht diese Eingrenzung völlig aus. Eine andere weiterhin mögliche Differenzierung der Interpretation von Bronze- und Edelmetallprägungen bespreche ich separat im folgenden Teilkapitel. Münztypen zeigen eine große Bandbreite von Botschaften, auf die man positive Reaktionen von Seiten der Rezipienten erwartete.49 Die erhebliche thematische Varianz legt nahe, dass kein Feld, das für die Herrschaftsdarstellung relevant war, in diesem Medium grundsätzlich ausgespart wurde. Wie Wolters (2003) betonte, sorgte der indirekte Einfluss von Traditionen und Voreinstellungen dafür, dass „Bilder und Darstellungen“ auf Münzen „im Regelfall im Rahmen des zu Erwartenden“ blieben und „trotz aller Typenvielfalt insgesamt zurückhaltend und von eher konservativem Charakter“ waren.50 Wolters’ Einschätzung gilt dabei sicherlich etwas stärker für das zweite Jahrhundert, in dem die Kaiserherrschaft organisatorisch wie ikonografisch bereits stärker etabliert war als für 46

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Für die ausführliche Argumentation siehe Bay 1972 sowie die Neudiskussion auch der gegen Bay vorgebrachten Argumente bei Wolters 1999, 115–169. Gegenargumente, von Wolters jedoch aus dem Weg geräumt, bei Burnett 1977. Zuletzt übernahm auch Woytek 2018, 367 Bays Argumentation. Wolters 1999, 166, 169. Levick 1999, 58. Einen Versuch, diese Elemente systematisch zu gruppieren, hat Manders 2012 mit ihrer quantitativen Analyse von Münztypen des dritten Jahrhunderts vorgenommen. Ihr Katalog an Münzbilderkategorien ist bereits an sich ein guter Überblick über die möglichen Themenfelder der Herrschaftsdarstellung in der Kaiserzeit. Wolters 2003, 201.

1.1 Methodisches Werkzeug

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das erste. Dennoch zeigt seine Beobachtung, dass mit dem häufig auch im Kontext der Bildauswahl für Münzen verwendeten Begriff „Propaganda“ vorsichtig umzugehen ist. Auch wenn der Begriff zu Recht betont, dass es sich um eine von oben gesteuerte und erwünschte Art der Kommunikation handelt, ist eine systematische Manipulation der öffentlichen Meinung durch Verschleierung oder gar Falschdarstellung, die in der modernen Konnotation des Propagandabegriffs mitschwingt, für die römischen Kaiser so kaum festzustellen. Noreña (2011) schlug, angelehnt an die Überlegungen des Soziologen Jaques Ellul, für die Arbeit mit Kaisermünzen eine Präzisierung des Begriffs vor: Die kaiserlichen Münzprägungen seien zwar kein Teil einer „agitation propaganda“, die neue Ideen und Meinungen durchsetzen wolle, aber als Instrumente einer „integration propaganda“ zu verstehen, die bestehende Wertvorstellungen zu verfestigen und zu betonen suche.51 Obwohl in meiner eigenen Untersuchung viele Münzmotive aus dem religiösen Spektrum sicherlich potenziell passende Beispiele liefern, gehen wiederum genug Münztypen weit genug über die bloße Zurschaustellung von Konformität hinaus, als dass dieser Definitionsversuch insgesamt zufriedenstellend wäre. Angemerkt sei zudem, dass Ellul selbst seinen Propagandabegriff vor allem vor dem Hintergrund moderner Diktaturen entwickelte und dabei explizit festhielt, dass „integration propaganda“ im von ihm gedachten Sinne vor dem 20. Jahrhundert nicht existiert habe.52 Statt sich auf eine in vielen Fällen nicht hinlängliche Gesamtcharakterisierung der Kommunikation auf kaiserlichen Münzen festlegen zu müssen, bleibt es meines Erachtens vor allem notwendig, die einzelnen Motive in ihren jeweiligen, soweit rekonstruierbaren, Kommunikationssituationen zu betrachten. 3) Die Anzahl, wie oft man sich für einen bestimmten Münztyp entschied, kann als grober Anhaltspunkt für die Gewichtung von Elementen in der Wahrnehmung kaiserlicher Autorität durch kaisernahe Instanzen dienen. Kaiserliche Münztypen geben vor allem über eine Kommunikationsrichtung Aufschluss: von oben nach unten. Einflüsse auf den Diskurs von „unten“, also von Nicht-Entscheidungsträgern, können nur insofern angenommen werden, als dass die Lebenswelt der Rezipienten und ihre bestehenden Erwartungshaltungen als Resonanzraum bei der Auswahl von Münzbildern selbstverständlich miteinbezogen wurden.53 Studien wie die von Noreña (2011) und Rowan (2013) 51

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Noreña 2011, 18 mit Ellul 1973 (frz. Original zuerst 1962), 70–79. Auch Elkins 2017, 12 greift über Noreña auf die Idee von Ellul zurück. Ellithorpe 2017, 175, der sich ebenfalls auf Ellul stützt, sieht in den Münzbildern der Bürgerkriegskaiser durchaus „‚agitation‘ propaganda“. Ellul 1973 (frz. Original zuerst 1962), 74. Blenden wir die römische Gesellschaft als Resonanzraum aus, bleibt die kaiserliche Repräsentation „gleichsam in der Luft hängen und verliert die Anbindung an den Prozeß, der ihr oft erst zu ihrer eigentlichen Wirkung verhalf“ (Witschel 1996, 528 über Kuhoffs 1993 stark kaiserzentrierte Auswertung der Bildprogramme).

26

1 Einleitung

berücksichtigen in ihren Überlegungen neben der Typenanzahl auch die Häufigkeit einzelne Münzbilder im Fundmaterial, um sich an die Frage nach den „impressions received by a user of the coinage“54 heranzutasten. Da die Analyse von Münzfunden unbestritten wertvolle Informationen liefern können, möchte ich zunächst etwas ausführlicher erläutern, warum ich sie dennoch nicht systematisch berücksichtige. Um über das Einzelstück hinauszugehen, möchte ich in einem ersten Schritt die Gewichtung bestimmter Motivgruppen in der kaiserlichen Münzprägung erfassen. Aber auf welche Weise ist dies am aussagekräftigsten zu leisten? Wie und was soll gezählt und verglichen werden? Während Kataloge und Onlinedatenbanken nach Münztypen organisiert sind, gibt es Zweifel daran, ob diese modernen Einteilungen die antike Prägepraxis angemessen wiedergeben. Wenn allerdings jede kleine beschreibungsrelevante Änderung einer Avers-ReversKombination als neuer Typ gezählt wird, können Typenzahlen meines Erachtens durchaus ein Indiz dafür liefern, was Standardmotive sind und was nicht. Dies trifft besonders für Regierungszeiten mit einer hohen Typenvielfalt und regelmäßigen, jährlich neuen Emissionen zu. Oft wurden hier die gleichen Motive mehrfach hintereinander ausgewählt, welche wegen der kleinen Aktualisierungen (zumeist der Titulatur) heute als neuer Typ erfasst werden. Für Domitian verwundert also nicht, dass es unzählige Typen mit Minerva-Motiv gibt, während Minerva auch das am weitesten verbreitete und am häufigsten gefundene Münzmotiv Domitians darstellt. Dieser Schwerpunkt wird in der Zählung nach Typen abgebildet. Problematisch wird es, wenn ungewöhnliche Einzelmotive eine besonders hohe Auflage erfuhren, da diese – nur als ein Typ wie alle anderen gezählt – nicht als entsprechend bedeutsam identifiziert werden können.55 Münzexemplare statt -typen zu zählen, ist als Ausgangspunkte jedoch eine schlechte Alternative. Zunächst stellt sich für mich die Frage nach der Wirkung der Motive in der Masse ohnehin nur sekundär. Stattdessen interessiert mich anhand der ganzen Bandbreite von Motiventscheidungen, wie stark und in welchen Kontexten man im Zentrum der Macht meinte, dass staatliche Autorität mit religiösen Inhalten verbunden gehöre. Die Schwierigkeit in der Arbeit mit Fundmünzen für einen solchen Überblick ist die Auswahl repräsentativen Materials. Unterschiedliche Distributionsschwerpunkte, Sammlungszeiträume und Entstehungskontexte von Münzhorten verzerren die Zusammensetzung der Münzen selbst bei einer reflektierten Auswahl der untersuchten Horte auf eine kaum noch rekonstruierbare Weise.56 Im Réka-Devnia-Hort, der wegen seiner 54 55 56

Rowan 2013, 214. Siehe dazu Carradice 1998, 97–98. Die Ergebnisse von Duncan-Jones 1999, der anhand einer quantitativen Analyse von Münzen und Typen Trajans, Hadrians und des Commodus in Horten festzustellen meint, dass „representation [of types] seems to remain potentially the same whether the hoard is very close to the reign or whether it is as much as a century later“ (70), lassen sich nicht ohne Weiteres auf das erste Jahrhundert mit der neronischen Münzreform, den großen

1.1 Methodisches Werkzeug

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Größe von mehr als 80.000 veröffentlichten Münzen besonders häufig herangezogen wird, um Häufigkeiten zu bestimmen, finden sich etwa von 1985 Münzen Vespasians allein 229 Exemplare eines Typs (RIC II² 772), der in anderen Horten zwar auch, aber längst nicht in dieser relativen Menge vorhanden ist.57 Zwar ist der Réka-Devnia-Hort aufgrund der schieren Menge der Exemplare über Bedenken bezüglich möglicher „Sammelkriterien“ weitgehend erhaben, für die vorliegende Untersuchung ist der Fund aber auch deshalb nicht sehr hilfreich, weil er keine Münzen aus den Regierungszeiten des Augustus bis Claudius enthält, die Menge der jeweiligen Exemplare auf eine zeitliche Verzerrung hinweist (102 Typen Neros oder auch immerhin 5.215 Exemplare Trajans gegenüber über 15.000 des Septimius Severus) und nur Silbermünzen enthalten sind.58 Insbesondere für die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts ist bisher keine signifikante Anzahl geografisch unterschiedlicher und auch mengentechnisch repräsentativer Münzhorte greifbar, anhand derer sich eine ursprüngliche Ausstoßmenge auf Ebene einzelner Typen systematisch und einigermaßen zuverlässig rekonstruieren ließe.59 Funde aus dem Kontext ehemaliger Militärlager beinhalten meist nur Bronzegeld, dessen Zusammensetzung zudem geografisch spezifisch zu sein scheint.60 Solche Befunde sind keinesfalls uninteressant – lässt sich doch hier zielgerichtete Kommunikation fassen – für einen systematischen

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Veränderungen in Regelmäßigkeit und Menge der Produktion und etwa auch der sich neu etablierenden Verwaltungsstruktur des Reiches übertragen. In seiner Studie zu den Häufigkeiten und Emissionsgrößen flavischer Münztypen behandelt Carradice 1998 den Réka-Devnia-Hort deshalb separat und räumt trotz seiner Auswertung von insgesamt 31 Horten noch immer einige unvermeidbare Ungenauigkeiten im Gesamtbild ein. Zudem sei darauf verwiesen, dass gerade besonders große Hortfunde möglicherweise aufgrund der offenbar nicht alltäglichen Art ihrer Zusammenstellung möglicherweise gerade weniger repräsentativ für den durchschnittlichen Münzumlauf sind; vgl. Lockyear 1999, 220. Da weniger wertvolles Kleingeld seltener gehortet wurde, sind Hortuntersuchungen im Umfang wie bei Noreña 2001 mit 148.421 Denaren, anhand derer er die Motivgewichtung von Kaisertugenden zwischen 69 und 235 n. Chr. festzustellen versucht, fast nur für Edelmetalle durchführbar. Diese Sondersituation für Bronzemünzen räumt auch Noreña 2001, 149 ein. Die von ihm untersuchten Denare weisen Clementia als eher selten abgebildete Kaisertugend aus, wofür Noreña mehrere inhaltliche Gründe diskutiert (157). Tatsächlich aber werden 60 von 95 Clementia-Typen (nach RIC) im untersuchten Zeitraum in Bronze geprägt. Zudem sind 116.717 der verwendeten Denare erst nach 200 n. Chr., zahlreiche weitere im letzten Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts in den Boden gekommen. Ob ein solches Sample auch noch repräsentativ für die Umlaufmengen der Denare von vor über hundert Jahren zuvor ist, halte ich trotz der groben Studie von Duncan-Jones 1999 für noch nicht ausreichend erwiesen. Rowan 2013 untersucht den günstigen Fall von Antoninus Pius und nennt genau dieses Vorhandensein von Hortfunden aller Metalle die Grundlage dafür, ein „quantitative understanding of the emperor’s entire coinage“ aufbauen zu können (214). Zur Problematik der Arbeit mit Fundmünzen für Häufigkeit und Distribution siehe auch die Bemerkungen bei Wienand 2012, 57–61. Siehe dazu unten S. 32, Anm. 74 und S. 37, Anm. 100.

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1 Einleitung

Überblick über das erste Jahrhundert hinweg sind sie jedoch schlecht nutzbar. Ein brauchbarer, aber leider einzigartiger Sonderfall sind Münzfunde aus Pompeji für die Regierungszeit Vespasians. Aus der durch den Vulkanausbruch 79 n. Chr. verschütteten Stadt lassen sich ein zeitgenössischer Geldbeutel wie auch die Geldrücklage der Haushalte zu diesem Zeitpunkt rekonstruieren. Die Funde bestätigen hier erneut die enorm lange Umlaufdauer republikanischen Silbers, das sich in jedem größeren Hort findet und offenbar als Wertanlage betrachtet wurde. Während die Geldschatullen der Häuser vornehmlich Edelmetalle enthalten, finden sich in Pompeji Bronzemünzen aktuelleren Datums erwartungsgemäß in geringer Anzahl in den Taschen unglücklicher Vulkanopfer, in Werkstätten und Gasthäusern oder als geringe, wohl eher kurzzeitig zusammengefügte Geldmenge.61 In größeren Horten der Stadt findet sich durchaus einiges an flavischem Silber und Gold, weniger jedoch aus der julisch-claudischen Zeit, gerade vor Nero. Italien muss noch lange aus der aufgeblähten Prägemenge aus republikanischen Bürgerkriegszeiten ausreichend mit Silber versorgt gewesen sein, während die neuen Edelmetallprägungen, die von Augustus bis Nero in Lugdunum produziert wurden, vornehmlich gleich wieder in den nördlichen Provinzen in Umlauf gebracht wurden und dort bis heute in Münzhorten flavischer Zeit deutlich häufiger zu finden sind.62 In einem Hort mit 214 Münzen aus Pompeji hingegen, vermutlich die Vermögenssammlung eines Haushaltes, befinden sich 147 republikanische Denare, während die aktuelleren Münzen fast ausschließlich flavisch sind: Es sind 32 Aurei und 33 Denare Vespasians, aber auch zwei Denare des Titus, die entsprechend der Titulatur erst ab Juli 79 geprägt wurden und somit innerhalb kürzester Zeit von der römischen Münzstätte aus, wenn auch noch nicht in großen Mengen, in den italischen Städten in den Umlauf gekommen sein müssen.63 Eine Stichprobe mit 144 nach Typen identifizierten Bronze- und Edelmetallmünzen Vespasians aus 15 Fundkontexten in Pompeji weist von 83 verschiedenen Münztypen insgesamt knapp 14 % Motive mit Ritualhandlungen auf und liegt damit nur 2 % über dem nach RIC II,1² für alle vespasianischen Typen ermittelbaren Wert. Auch die Häufigkeit militärischer Motive liegt nur um einen Prozentpunkt auseinander.64 Sicherlich ist Pompeji 61

62 63 64

Pompeji IX,14, C, Ca; Pompeji IX,13,1.3, 3r; Pompeji IX,11,2, 2f; Pompeji IX,9,6,6f; Pompeji VI,16,13,13a; Zugriff für alle 13.12.2018 über das Coin Hoards of the Roman Empire Project (http://chre.ashmus.ox.ac.uk). Ein Fund von 17 Münzen, der im Eingang eines Hauses gemacht wurde (Pompeji IX,9,Fa), beinhaltet so etwa vier Denare des Antonius, vier unidentifizierbare Silbermünzen, einen Sesterz und einen Dupondius aus der Regierungszeit Galbas sowie einen Denar, drei Sesterze und drei Dupondien aus der Zeit Vespasians. Wolters 1999, 253. Pompeji VI,17,42,42b; RIC II,1² Titus 34 und 37. Dies sind freilich sehr stichprobenartige Überprüfungen, die anders kaum möglich (und, wie ich meine, auch nicht unbedingt relevant) sind. Dennoch sei erwähnt, dass auch Manders 2012, 53–61 für das dritte Jahrhundert in Stichproben (Sol, Apollo, Jupiter, der Kaiser beim Opfer) nachweisen konnte, dass zwischen der Anzahl von Typen und erhaltenen

1.1 Methodisches Werkzeug

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nicht repräsentativ für etwa die in den Provinzen an das Militär ausgegebenen Prägungen, dafür aber eine unteritalische Stadt mit einer im Vergleich zu den Provinzen kurzen Verbindung zum Waren- und Geldumlauf in Rom. Auch wenn kleinere Stichproben dieser Art auch für andere Kaiser möglich sind, ist die Anzahl der Münzen in den wenigen geeigneten Horten gerade für die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts jedoch so gering, dass ihre Aussagekraft zumindest auf der Ebene einzelner Motive fraglich ist. Münztypen sind nicht nur in der Praxis einfacher zu bearbeiten, sondern schlicht zweckdienlicher, geben sie doch einen vollständigeren Überblick über Motiventscheidungen innerhalb einer Regierungszeit. Wie oft wurde die Entscheidung getroffen, ein religiöses oder rituelles Motiv für eine Emission auszuwählen? Eine Auflistung der Münztypen erfasst diese Gestaltungsentscheidungen im Gesamtbild zuverlässiger, als es Motivmengen von Fundmünzen aus den oben genannten Gründen wiedergeben könnten. Auch wenn die (sofern rekonstruierbare) Prägemenge eines Typs für die Auswertung des Einzelmotivs relevant bleibt, ist zudem zu bedenken, dass die Häufigkeit eines Typs nicht zwangsläufig auf dessen programmatische Bedeutung schließen lässt, sondern von der aus pragmatischen Gründen bestimmten Ausstoßmenge einzelner Prägejahre abhängen kann. Eine Mischung aus beiden Zählungen führt manchmal zum Ziel. Dort, wo sie sinnvoll und zuverlässig feststellbar ist, werde ich die Häufigkeit eines Typs bei der Auswertung deshalb stellenweise berücksichtigen. Zwar finden sich in den RIC-Bänden Angaben von „Rarity“ oder „Commonness“, jedoch wurden nur für die bisherigen Aktualisierungen des zweiten Bandes (Flavier, Hadrian) auch Fundexemplare berücksichtigt.65 Woyteks (2010) Bearbeitung der Münzen Trajans führt für jeden der zahlreichen Untertypen die bekannten Exemplare auf. Stempelstudien bieten durch die Zählung der verschiedenen Avers- und Reversstempel der bekannten Exemplare grundsätzlich eine weitere Möglichkeit, das Prägevolumen eines Typs zumindest grob einzuschätzen. Auch sie können jedoch nur ungenaue Häufigkeitsbereiche angeben, da es nicht möglich ist festzustellen, wie viele Exemplare tatsächlich mit einem einzelnen Stempel geprägt wurden66 – für selten erhaltene Exemplare sind sie zudem nicht durchführbar.

65

66

Exemplaren eines Motivs in Horten eine Verbindung besteht – zwar nicht im Detail für jede Herrschaft, wohl aber für das Gesamtbild. Eine Aktualisierung für Vespasian liefert Ziegert 2020. Die Ergebnisse aus RIC I², die nur Exemplare aus Sammlungen berücksichtigen, sind weniger aussagekräftig. Auch die Menge der in OCRE eingetragenen Exemplare eines Typs ist insofern in vielen Fällen nicht Hinweis genug auf Häufigkeiten, als dass viele der beteiligten Institutionen dem „collectors bias“ unterliegen – d. h. vermutlich mit größerer Präferenz schöne, seltene und wertvolle Stücke gesammelt haben. Ein Extremfall: Howgego 1992, 3 vermerkte, dass für mittelalterliche – ebenfalls vorindustrielle – Stempel Prägemengen von 5.000–74.000 Münzen belegt sind. Die Stempelabnutzung ist jedoch für mittelalterliche Blechprägungen eher geringer als für die Prägung

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1 Einleitung

Mehr noch als die oft nur schwer feststellbare Prägehäufigkeit ist mit Hinblick auf die kommunikative Rolle der Münzbilder von Bedeutung, ob sie mit Blick auf ihre Wirkung bei bestimmten Rezipienten gestaltet wurden und somit etwas über das Verhältnis einzelner Statusgruppen zur kaiserlichen Autorität aussagen können. In der Tat gibt es dafür einige Anhaltspunkte, die ich im Folgenden darlegen möchte.

1.1.2 Kommunikationskontexte und Zielgruppen Trotz einer stellenweise erkennbar gezielten Auswahl von Münzbildern ist zweifelhaft, dass Münzen systematisch als „Massenmedium“ zur Propagierung kaiserlicher Macht genutzt wurden. Sicherlich erreichten Münzen geografisch weit verstreute Rezipienten – jedoch geschah dies insgesamt mit einer zu wenig kontrollierbaren Geschwindigkeit und Intensität, als dass zumindest aktuelle Botschaften regelmäßig in diesem Medium hätten reichsweit kommuniziert werden können.67 Dank einer Nebenbemerkung über den Geiz Galbas wissen wir jedoch immerhin, dass die Kaiser des ersten Jahrhunderts offenbar regelmäßiger und häufiger Geldgeschenke an die Stadtbevölkerung austeilten, als es in den Quellen explizit Erwähnung findet: So wird Galba vorgeworfen, er habe während seiner kurzen Amtszeit dem Volk mehrfach statt Denaren, die offenbar üblich waren, nur Sesterze zum Geschenk gemacht.68 Dort wo Ausgabekontexte greifbar sind oder zumindest eingeengt werden können, sollten sie unbedingt Berücksichtigung finden, da gerade hier die „kommunikative Logik von Münzen und Medaillons im Gesamtspektrum römischer Herrschaftsrepräsentation“ untersucht werden kann.69 Eine rezipientenscharfe Propagierung konkreter Botschaften war nur in Form von Geldgeschenken und Löhnungen in frischer Münze möglich. Auch hier bietet sich über das erste Jahrhundert hinweg jedoch keine homogene Situation:

67 68 69

auf Schrötlingen. Wolters 1999, 110–111 plädiert für eine niedrigere Prägemenge pro Stempel von 10.000–15.000 Exemplaren in Edelmetall; Callataÿ 2011, 9 u. 13 geht von 10.000–40.000 Münzen pro Stempel für die griechisch-römische Antike aus und verweist darauf, dass es ein erstrebenswertes und realistisches Ziel sei „to circumscribe the uncertainty to an acceptable level“. Selbst wenn eine rechnerische Durchschnittsmenge von Exemplaren pro Stempel angenommen wird, um zumindest die relative Prägemenge zu bestimmen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese über mehrere Jahrzehnte die gleiche blieb – zudem muss sie für die unterschiedlich harten Metalle angepasst werden. Zweifel am Verständnis von Münzen als „Massenmedium“ mit Verweis und Diskussion dieser zuvor und noch immer breit vertretenden Meinung äußern wiederum u. a. Wienand 2012, 62–63 und Wolters 2003, 91–93. Dio. 64b,2,1. Wienand 2012, 66, ausführlicher 66–86.

1.1 Methodisches Werkzeug

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Während in den Bürgerkriegen nach Neros Tod das von Galba, Otho oder Vitellius frisch und in großer Menge ausgeprägte Geld sicherlich direkt für Lohnzahlungen und Geldgeschenke an die Soldaten eingesetzt wurde, kann das Heer in julisch-claudischer Zeit allein aufgrund der langen Prägepausen nicht immer mit frischer Münze bezahlt worden sein.70 Durch den Beginn einer regelmäßigen jährlichen Münzprägung unter Nero71 dürfte sich auch der Blick auf die Objekte als mögliche Träger von Kommunikation in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts verändert haben. Die Soldaten, deren Sold einen maßgeblichen Haushaltsposten ausmachte, sind die Gruppe, welche die kaiserliche Repräsentation auf Münzen am meisten wahrgenommen haben dürfte. Die stetigen Erhöhungen von Antrittsgeschenken und die Einforderung von Donativen seitens des Heeres lassen keinen Zweifel daran, dass die dreimal jährlich ausgezahlten stipendia und mehr noch die vereinzelt hinzutretenden donativa die maßgeblichen Werkzeuge zur Loyalitätssicherung waren. Für Sonderzahlungen war ein zeremonieller und kommunikativer Charakter bei der Ausgabe sicherlich relevant, aber auch bei den regulären stipendia ist anzunehmen, dass die Auszahlung der Beträge in einem besonderen Rahmen stattfand, in dem man sich der Loyalität des Heeres durch seine Entlohnung versicherte. Livius berichtet davon, dass sich eine Soldzahlung wegen des schlechten Gesundheitszustandes des Feldherrn verzögerte, der die Löhnung offenkundig persönlich vornahm.72 Flavius Josephus schildert gar eine viertägige Löhnungszeremonie, bei der den Soldaten vor den Stadtmauern Jerusalems nacheinander der Sold ausgezahlt wurde. Zwar nutzte Titus den Anlass zu einer Machtdemonstration gegenüber den Belagerten und dehnte womöglich das Prozedere, jedoch scheint in Josephus’ Darstellung eher der Ort der Auszahlung, nicht das zeremonielle Aufmarschieren des gerüsteten Heeres zu diesem Zweck das Besondere zu sein.73 Das in solchen Kontexten ausgehändigte Geld erfuhr eine besondere Aufmerksamkeit, wurde direkt mit dem Kaiser verbunden und wäre somit geeignet, um Bilder und Botschaften gezielt zu platzieren. Die Ergebnisse von Kemmers (2006) für Nijmegen und zuletzt Ellithorpe (2017) für die canabae legionis bei Apulum legen nahe, dass eine Auswahl der Münzmotive mit Blick auf eine militärische Zielgruppe durchaus stattfand. Beide konnten in ih-

70 71 72 73

Wolters 2001, 587; Wolters 1999, 243. Wolters 2001, 583; Wolters 1999, 240–242. Liv. 28,29,2. Ios. bell. Iud. 5, 349–356. Tert. coron. 1 berichtet, dass Soldaten mit Kränzen aufmarschierten, um eine Geldspende des Kaisers zu empfangen. Auch wenn Livius und Tertullian vor und nach dem ersten Jahrhundert datieren, besteht kein Grund zur Annahme, dass eine persönliche, zeremonielle Soldzahlung nicht auch hier vorgenommen wurde. Vgl. auch Wienand 2012, 68.

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1 Einleitung

ren Fallstudien eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von Münzen mit militärischen Motiven im militärischen Fundkontext nachweisen.74 Eine Zuordnung von bestimmten Münzbildern zu einzelnen stipendia ist jedoch kaum möglich. Vielversprechender ist die Untersuchung der Verbindung zwischen Motiven und Nominalen und die Frage danach, wer welche Nominale in die Hand bekam. Für das vierte Jahrhundert konnte Wienand (2012) rekonstruieren, „dass die gängige Besoldungspraxis eine an der militärischen Hierarchie orientierte, nominalspezifisch ausdifferenzierte Kommunikation zumindest ermöglichte“, da sich das Verhältnis des auszuzahlenden Goldes zu den niedrigeren Nominalen mit dem Dienstrang signifikant verschob, einfache Soldaten in constantinischer Zeit also „in der Regel nur Bronzemünzen, Soldaten der mittleren Dienstgrade einiges Gold, aber noch immer einen hohen Anteil an Bronzemünzen, und höherrangige militärische Funktionsträger einen hohen Anteil an Edelmetallprägungen“ erhielten.75 Diese Beobachtung kann grundsätzlich auch auf das erste Jahrhundert übertragen werden. Lediglich die von Wienand festgestellte im Detail „fehlende trennscharfe Distribution unterschiedlicher Nominalstufen“76 wird durch die signifikant höhere Ausprägung von Denaren im ersten Jahrhundert und deren Einsatz bei Besoldung und Geldgeschenken sowohl an das Heer als auch an die Stadtbevölkerung noch verstärkt. Wenn unter Constantin der Restbetrag des Soldes, der nicht durch einen solidus abgedeckt wurde, in nummi ausgezahlt wurde, so erhielten die Soldaten mit steigendem Dienstgrad eine hohe Anzahl Münzen.77 Im ersten Jahrhundert, wo noch große Mengen Silber geprägt wurden, dürfte diese Menge noch kleiner und somit auch leichter zu transportieren, zu sichern und handzuhaben gewesen sein. Die Emissionsdichte und Hortfunde legen nahe, dass die Menge der Silberprägungen ab Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. anstieg und zum Ende der Republik auch Gold in die Besoldung des Heeres einfloss.78 Die Prägepausen der Bronzenominale, deren Produktion etwa zwischen Claudius und Nero circa 20 Jahre aussetzen konnte, machen es unmöglich, dass Bronzeprägungen eine strukturell signifikante Rolle bei der Besoldung des Heeres im ersten Jahrhundert gespielt haben sollten.79 Im Sinne der Handhabbarkeit für die Soldaten werden die größtenteils in Silber getätigten Zahlungen durch lokale Bronzeprägungen ergänzt worden sein.80 Ellithorpe (2017) weist mit Blick auf den Denar darauf hin, dass dieses während 74 75 76 77 78 79

80

Ellithorpe 2017, 44–45 mit Abb. 22–23. Für Details siehe Wienand 2012, 66–86, hier 72. Wienand 2012, 72. Ebd. Wolters 2001, 581–582; Crawford 1985, 143–144. Wolters 2001 setzt sich mit genau dieser Frage nach der Besoldung des Heeres auseinander und stellt fest, dass die häufigen Bronzemünzfunde an ehemaligen Heereslagern weder für den Umlauf des Geldes noch für die Besoldungspraxis der römischen Armee repräsentativ waren. Siehe auch dazu Wolters 2001.

1.1 Methodisches Werkzeug

33

dem Prinzipat am stärksten mit dem römischen Militär assoziierte Nominal auch „a monopoly on militaristic reverse types“ aufweise.81 Auffällig ist insbesondere, dass der Kriegsgott Mars von 31 v. Chr. bis 235 n. Chr. als einziger der Hauptgötter mit deutlichem Schwerpunkt auf Denaren abgebildet wurde.82 Die exponentiell steigenden Gehälter für die höheren Ränge des Heeres83 lassen keinen Zweifel daran, dass es vor allem die Bessergestellten in der Armee waren, die mit dem Sold auch Goldmünzen ausgezahlt bekamen. So ergibt sich, dass ein einfacher miles, der von den 300 Sesterzen pro Löhnung nach Abzügen für Kleidung und Verpflegung vielleicht im besten Fall noch die Hälfte ausbezahlt bekam, wohl keinen Aureus (der zwei Drittel des Gehaltes ausmachen würde), wohl aber einige Denare erhielt – denn ohne dieses höhere Nominal hätten für jeden Soldaten mindestens vier Kilogramm Bronze herangeschafft und deponiert werden müssen.84 Angesichts dessen, dass auch die Auszahlung in solidi und nummi im vierten Jahrhundert die Heereslogistik nicht überforderte, kann zumindest ein erhöhter Transportaufwand für massigere Bronzeprägungen nicht als Argument für eine Auszahlung großer Summen in höheren Nominalen in Anschlag gebracht werden,85 unnötig unpraktisch wäre es dennoch gewesen. Für einen Zenturio mit einem Grundgehalt von 4.500 Sesterzen pro Löhnung, dessen Abzüge nicht in gleichem Maße stiegen wie sein Gehalt, hätte eine Auszahlung allein in Sesterzen wiederum einen Lohnbeutel von über 100 Kilogramm bedeutet. Auch wenn hier nicht alles in Silber gezahlt wurde, muss der Anteil an Edelmetallen bereits aus praktischen Gründen erheblich größer gewesen sein als für einen miles. Zum Vergleich: Die gleiche Summe nur in Denaren wäre mit circa 600 Gramm abgedeckt gewesen. Ein Zenturio der ersten Kohorte erhielt wiederum den doppelten Sold und sicherlich nicht 215 Kilogramm Sesterze, sondern wahrscheinlicher eine Mischung mit maximal ca. einem Kilogramm Silber. Bereits hier, aber spätestens ab dem Rang des primus pilus, dessen Sold wiederum auf 54.000 Sesterze im Jahr (dies entspräche ca. 430 Kilogramm Bronze oder 2,5 Kilogramm Silber pro Löhnung) verdoppelt wurde, ist aus Praktikabilitätsgründen mit einer Beimischung von Goldmünzen in der Auszahlung zu rechnen.

81 82 83 84

85

Ellithorpe 2017, 166. Ellithorpe 2017, 171 mit Fig. 12. Zum Sold der römischen Armee siehe die Tabelle bei Speidel 1992, 106. Ich rechne im Folgenden mit ca. 24 g pro Sesterz, 3,6 g pro Denar und 7,5 g pro Aureus. Die Zahlen sind eine Annäherung, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sind die Gewichte gerade der Edelmetallmünzen geringer. Wolters 2001, der bereits ähnliche Überlegungen anstellte, verweist darauf, dass Sesterze keine große Rolle in augusteischer Zeit spielten, für die Auszahlung in Assen würde das Gewicht noch einmal deutlich ansteigen (580). Auch Sutherland 1986, 91 geht davon aus, dass Sold und größere Geldgeschenke an das Militär aus Gewichtsgründen größtenteils in Silber gezahlt wurden. Siehe Wolters 2001 zu Überlegungen bezüglich Gewicht und Handhabbarkeit.

34

1 Einleitung

Für die Frage nach einer möglichen Zielgruppenorientierung der Edelmetallprägungen ist zudem wichtig, dass ein hohes Gehalt im Militärdienst eng an den sozialen Status gekoppelt war. Mit dem legatus legionis und dem tribunus laticlavius waren die beiden ranghöchsten Posten im Stab einer römischen Legion dem Senatorenstand vorbehalten und aussichtsreiche Sprungbretter für eine zivile Karriere. Unterhalb des senatorischen Offiziersstabes folgten mit Rittern besetzte Posten. Der höchstrangige Centurio (primus pilus), der mehr als das Fünfzigfache eines einfachen Soldaten und eine hohe Entlassungsprämie erhielt, konnte nach seiner einjährigen Dienstzeit zumindest die Zensusgrenze zum Ritterstand überspringen und zum ranghohen Lagerpräfekten oder auch in der Prätorianergarde aufsteigen.86 Der oft maßgebliche Faktor für den Aufstieg eines Militärs in der sozialen Hierarchie und damit der Lohnordnung des kaiserzeitlichen Heeres war der Kaiser selbst, der durch die von ihm gewährten Beförderungen und Auszeichnungen die „Mobilität in der römischen Gesellschaft steuern“ konnte.87 Gerade Edelmetalle erreichten somit in größerer Menge eine absehbare Zielgruppe. Über die Münzbilder hoher Nominale, insbesondere Aurei, konnten bei der Besoldung im Heer zielsicher Mitglieder der Aristokratie erreicht werden, deren Familien oder die später selbst auch außerhalb der Armee relevante Posten einnehmen würden. Außer bei Geldspenden des Kaisers an die plebs waren Gold- und Silbermünzen hingegen nicht geeignet, um schnell ein breites Publikum zu erreichen, sondern kamen eher über privilegierte Kreise in den Umlauf. Mehrere Forschungsbeiträge haben bereits versucht, entsprechende Motivunterschiede zwischen Edelmetallen und Bronzeprägungen auf verschiedene Zielgruppen zurückzuführen. Marzano (2009) argumentierte anhand der Abbildungen von Bauwerken auf Münztypen Trajans, dass für die untersuchten Bronzeprägungen gezielt Motive ausgewählt wurden, zu denen besonders die plebs urbana einen Bezug hatte.88 Bereits Metcalf (1993) meinte, dass die unterschiedliche Ausgestaltung von Münztypen ab Vespasian, welche auf die Distribution von Getreide oder Geld an die Stadtbevölkerung verwiesen, für Bronze und Edelmetalle unterschiedliche Zielgruppen erkennen ließe. So sei in der Bronzeprägung „with its primarily Italian and indeed urban circulation, largely among lower classes“ eine konkrete, leicht verständliche Distributionsszene abgebildet worden, auf Edelmetall, mit einer „limited but longer circulation“, aber in abstrakterer Form die Gottheit Liberalitas, um die Freigiebigkeit des Kaisers für die „higher classes of ancient society“ auf Dauer festzuhalten.89 In der Tat zeigen 86 87 88 89

Zur Hierarchie des römischen Heeres siehe Le Bohec 1990, insbesondere 37–47, oder etwas ausführlicher Wesch-Klein 1998, insbesondere 13–30. Alföldy 2002, 127. Marzano 2009, 138, die Ähnliches auch für die flavische Münzprägung vorschlägt (151). Metcalf 1993, 344 mit der die Allgemeingültigkeit der Aussage einschränkenden Kritik bei Rowan 2013, 229–231. Zu Zielgruppen auch Wolters 1999, 288–289 und Hekster 2003 mit weiteren Beispielen, der u. a. auch betont, dass ein „lack of consistent differentiation of

1.1 Methodisches Werkzeug

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Sesterze häufiger detaillierte und konkrete Szenen, bei denen eine breite Masse auch in der Realität Zeuge war.90 Dies lässt sich jedoch zumindest teilweise auch ganz pragmatisch damit begründen, dass auf einem Sesterz schlichtweg mehr Platz war, um einen detaillierten Stempel zu gestalten.91 Dafür, dass aufwendige Motive häufig auf Sesterzen oder Aurei, seltener aber auf Denaren vorkommen, hat zudem Beckmann (2009) eine plausible Erklärung gefunden: Aufgrund der deutlich höheren Produktionsmenge von Silbermünzen war es in der Münzstätte, die einen kontinuierlichen Prägeprozess gewährleisten musste, schlichtweg nicht praktikabel, aufwendige Stempel für die massige Silberprägung zu schneiden und ständig zu erneuern. Beckmann konnte für die Münzen Trajans feststellen, dass es gerade die in geringerer Auflage ausgeprägten Goldmünzen sind, die „topical“ waren, also auf aktuelle Ereignisse anspielten, während die Denare oftmals generische und ältere Motive beibehielten.92 Zu beobachten ist dieses Phänomen im ersten Jahrhundert auch bei Domitian, woraus sich in Kapitel 2.4 auch interpretatorische Relevanz ergibt: Domitians Priestertitel wurde vor allem auf seinen Silbermünzen „mitgeschleppt“, während man ihn auf Bronze und Gold schon fallen gelassen und ersetzt hatte. Ein Anhaltspunkt für eine Zielgruppenorientierung von Bronzeprägungen gibt die Verteilung von Abbildungen der Gottheiten Ceres und Annona auf die unterschiedlichen Metalle. Zwar finden die mit der Getreideversorgung assoziierten Göttinnen auch immer wieder auf Denaren und Aurei ihren Platz, im Gegensatz zu anderen Götterfiguren werden sie jedoch schwerpunktmäßig auf niedrigen Buntmetallnominalen abgebildet (siehe Abb. 1). Einerseits ergibt es Sinn, dass man das für die breite Masse besonders relevante Thema der Getreideversorgung auf den alltäglichsten Münzen platzierte, im Fall von Ceres ist jedoch auch ein weiterer Bedeutungsinhalt nicht auszuschließen. So hat Spaeth (1996) neben der Verbindung zum Ackerbau auch die Bedeutung von Ceres für das Klassenbewusstsein der Plebejer herausgestellt. Der bedeutende Kult für Ceres, Liber und Libera auf dem Aventin, dessen Tempel auch ein administratives Zentrum war, sei der „nucleus for developing a plebeian social consciousness“ und Ceres selbst ein „integrative symbol for the plebs“ gewesen.93 Tatsächlich scheint Ceres für Caesar anlässlich eines Geldgeschenkes an das Volk nach der Schlacht von Thapsus auf Münzen geprägt worden zu sein, um plebeische Un-

 

90 91 92 93

messages on coins of different values“ unter manchen Kaisern nicht bedeute, dass zu anderen Zeiten kein „audience targeting“ vorgenommen wurde (24). Dies gilt auch für die Prägereihe mit Szenen im Zuge der ludi saeculares Domitians, besprochen bei Grunow Sobocinski 2006, 597. Ellithorpe 2017, 152–159 steht diesem Argument in seiner Überprüfung von Metcalfs Liberalitas-Argumentation eher skeptisch gegenüber und führt einige aufwendig gestaltete Szenen auf Aurei und Denaren als Gegenbeispiele an. Beckmann 2009, 154. Spaeth 1996, 23 und 90, siehe auch Kapitel 2 „The Plebs“ (81–102) für die gesamte Ausführung; vgl. bereits Wissowa 1902, 245.

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1 Einleitung

Abb. 1:

Anzahl der Münztypen mit Ceres/Annona von Augustus bis Trajan nach Metallen.

terstützung zu sichern (RRC 467/1).94 Dafür, dass Ceres auch in der Kaiserzeit noch aus diesem Grund abgebildet wurde, gibt es keinen Anhaltspunkt. Klar erkennbar ist auch hier jedoch die Präferenz niedriger Nominale zur Abbildung der Gottheit. Ceres verschwindet im dritten Jahrhundert zudem nahezu gleichzeitig mit Vesta gerade dann von den Münzen, als die Prägestätte dezentralisiert und von Rom losgelöst wurde.95 Die Vermutung liegt nahe, dass hier, aber wohl nicht nur in diesem Fall, die Sensibilitäten der stadtrömischen Bevölkerung eine Rolle bei der Motivauswahl spielten. Bronzeprägungen waren die Münzen, welche im Alltag am häufigsten durch die Hände liefen. Den Beteiligten wird zweifelsohne klar gewesen sein, dass gerade hier auch breiter anschlussfähige Motive gefragt waren. Auch wenn der erdrückende Großteil des Geldwertes in den um ein vielfach höherwertigen Edelmetallmünzen steckte,96 müssen wir beim Tageslohn eines Arbeiters von einem Denar,97 in Rom vermutlich etwas mehr,98 davon ausgehen, dass alltägliche Einkäufe in Sesterzen, Assen und Dupondien durchgeführt wurden. Ein Becher Wein kostete in Pompeji je nach Qualität zwischen einem und vier Asse.99 Dass Geldsummen in lateinischen Quellen zumeist in Sesterzen angegeben werden, 94 95 96 97

98 99

Spaeth 1996, 99. Vgl. Kap. 3.3.2, S. 183–184. Vgl. von Kaenel 1999, insb. 372–373. Matth. 20,1–2. Bei höhergestellten Berufen und gerade Athleten und Künstlern konnten freilich, wie heute, deutlich höhere und unproportionale Summen gelten. Iuv. 7,112–114 stellt etwa das Einkommen von 100 Anwälten – die nach ihm auch schon gar nicht schlecht verdienten – dem Lohn eines einzigen Wagenlenkers der „Roten“ gegenüber. Siehe insgesamt Szaivert/Wolters 2005. Plin. epist. 2,14,6 berichtet allein von drei Denaren Lohn für angeheuertes Applaudieren. CIL IV 1679. Weitere Preise des alltäglichen Lebens sind auf „Einkaufslisten“ aus Pompeji festgehalten, siehe etwa CIL IV 4000, 4422, 5380, 8561.

1.1 Methodisches Werkzeug

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bezeugt zudem die herausragende Bedeutung dieses Nominals als Standardreferenz im Zahlungsverkehr. Darüber hinaus scheinen Bronzeprägungen tendenziell in den regionalen, gegebenenfalls städtischen Tauschsystemen ihrer Ausgabeorte geblieben zu sein. Sesterze, Asse und Dupondien aus der römischen Münzstätte verblieben im Westen des Reiches und hatten im ersten Jahrhundert, wie oben angedeutet, vielfach einen erkennbaren, eher „römisch-italischen Rezipientenkreis im Blick“,100 während die Städte im Osten von regionalen Prägestätten mit eigenem Kleingeld versorgt wurden. Die an Soldaten, Anwälte, Rhetoren und Künstler ausgezahlten Summen und gerade Ausgaben des Kaiserhauses stehen dabei in keinem Verhältnis zu den Löhnen, die für einfache Arbeiter angenommen werden müssen. Die uns bekannten Quellen über Preise, Löhne und Geldgeschenke für das erste Jahrhundert legen nahe, dass größere Geldsummen an Einzelpersonen neben den Soldzahlungen in der Regel als Honorare oder Geschenke seitens des Kaiserhauses ausgegeben wurden. Vom Kaiser wurden größere Geldzuwendungen erwartet. Bereits ein Lohn von fünf Denaren, oder 20 Sesterzen, damit das Fünffache eines niedrigen Arbeitergehaltes, den Galba einem Flötenspieler zahlte, wurde offenbar als ausgesprochen knausrig empfunden.101 Tiberius hingegen gab 200.000 Sesterze (= 2.000 Aurei) für einen Vortrag des Asellius Sabinus aus102 und der als verschwenderisch gebrandmarkte Nero soll seinem Chefeinklatscher pro Auftritt sogar 400.000 Sesterze gezahlt haben.103 Claudius zahlte den Soldaten im Zuge seiner Thronerhebung 15.000 Sesterzen, 2.500 mehr als Caligula bereits für großzügig empfunden hatte.104 Wären diese Zahlungen aber in Sesterzen getätigt worden, wäre Asellius Sabinus, bei einem Durchschnittsgewicht von ca. 26 Gramm pro tiberischem Sesterz, mit 5.200 Kilogramm Geld in der Tasche nach Hause gegangen.105 Selbst wenn man ihm die Summe in Raten gezahlt und ins Haus geliefert hätte, ist es deutlich wahrscheinlicher, dass auch in solchen Kontexten Edelmetall, gerade Gold aus dem Privatvermögen des Kaisers, in den Umlauf kam. Insbesondere Aurei, die im alltäglichen Gebrauch eine geringe Rolle gespielt haben dürften, werden vielfach eng mit der Großzügigkeit und Zahlungskräftigkeit des Kaisers verbunden worden sein und hatten somit einen anderen Charakter als die Alltagswährung. Nicht nur die Ausgabekontexte, auch die Herkunft des Geldes können hier mit dem Kaiser in direkte Verbindung gebracht werden, da Geldgeschenke in der Regel aus der Privatkasse des Kaisers

100 Wolters/Ziegert 2014, 45–46. Zur Regionalität von Bronzeprägungen siehe Crawford 1970, 42–45; Hobley 1998 (mit Noreña 1999); Duncan-Jones 2005, 471–479; Kemmers 2006, 223– 240; Kemmers 2009; Werz 2020. 101 Suet. Galb. 12,3 als eines der Beispiele für Galbas Geiz. 102 Suet. Tib. 42,2. 103 Suet. Nero 20,3. 104 Suet. Claud. 10,4; Suet. Cal. 46. 105 Die gleiche Geldsumme wiegt in Aurei (knapp unter 8 g/Stück unter Tiberius) max. 16 kg.

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1 Einleitung

getätigt wurden. Für Augustus ist belegt, dass er ihm geweihte Statuen einschmelzen und das Metall ummünzen ließ.106 Neben Militärs, Senatoren und hochrangigen Angestellten des Kaiserhofes erhielten in vielen der überlieferten Fälle auch Künstler und Dienstleister, und somit für die Stabilität der Kaiserherrschaft weniger direkt relevante Gruppen, hohe kaiserliche Zuwendungen. Eine pauschale Deutung der Motive auf Edelmetallen als gezielte Propaganda ausschließlich für die Eliten wäre somit in mehrfacher Hinsicht falsch. Nicht zu vergessen ist zudem, dass auch Geldgeschenke des Kaisers zumindest zum Teil in Sesterzen ausgezahlt worden sein müssen, auch die zweifelsohne an das Militär gerichteten adlocutio-Szenen Caligulas, Neros und Galbas wurden ausschließlich in Sesterzen gemünzt.107 Für donativa kann ebenso wie für die stipendia eine Zuordnung einzelner Prägungen zu Ausgabeanlässen außer in Einzelfällen zumeist nicht getroffen werden. Verdächtig für den Einsatz in zeremoniellen Ausgabekontexten sind geringe Emissionsgrößen und besonders aufwendig gefertigte Münzstempel, deren Produktion als vielfach ausgeprägte Standardwährung schlicht unpraktikabel wäre.108 Nachweislich wurden von den Kaisern zu besonderen Anlässen auch Denare als Geschenke an die Stadtbevölkerung ausgegeben.109 Tiberius und Caligula verteilten zu verschiedenen Anlässen Geld im Wert von 300 Sesterzen pro Kopf an das Volk,110 andere Kaiser übertrafen dies. So schenkte Trajan anlässlich des Dakertriumphes jedem Einwohner Roms sogar 2.600 Sesterze (entspricht 650 Denaren oder 26 Aurei).111 Auf Silber und Gold wurden häufig dieselben Münzbilder verwendet. Aurei und Denaren dürfte dabei grundsätzlich als wertvolleren, selteneren Münzen und wegen ihrer oftmals engeren Assoziation mit dem Kaiser als Spender größere Aufmerksamkeit zugekommen sein. Über Soldzahlungen und Geschenke konnten große Summen und womöglich ganze Prägereihen auf einmal in den Umlauf gebracht werden. Dass eine aristokratische Zielgruppe über Münzmotive am ehesten auf Edelmetall erreicht werden konnte, ist plausibel, jedoch kann dieser Empfängerkreis in der Regel gerade bei Denaren nicht exklusiv gewesen sein. Eine gezielte Ansprache der einfachen Stadtbevölkerung Roms dürfte hingegen nur über die Bronzemünzen sinnvoll möglich gewesen sein. Sesterze, Asse und Dupondien wurden vielfach verwendet, um Bekanntes festzuhalten, Zugehörigkeit anzuzeigen und in der breiten Masse eine positive Grundstimmung gegenüber der herrschenden Autorität zu festigen. 106 Dio. 53,22,3, R. Gest. div. Aug. 24. 107 Wolters 1999, 150 hält es jedoch für möglich, dass die adlocutio-Prägungen Caligulas, ohne Kennzeichen SC, Medailloncharakter hatten. 108 Vgl. etwa Elkins 2006. 109 Dio. 64b,2,1. 110 Tac. ann. 2,42,2; Suet. Cal. 17,2; 111 Chronica urbis Romae, bei Mommsen 1892 (= MGH AA 9), 146 als Teil des Kalenderhandbuches des Jahres 354. Hier auch mit nur kleinen Abweichungen die Bestätigung der Summenangabe bei Sueton für Claudius und Caligula.

1.1 Methodisches Werkzeug

39

1.1.3 Quantitative Arbeit mit Münzmotiven Die hohe Anzahl überlieferter Objekte und deren systematische Erfassung macht es möglich, die Untersuchung religiöser Elemente in der Kommunikation kaiserlicher Autorität auf Münzen mit einem Überblick über entsprechende Tendenzen in der Münzprägung im ersten Jahrhundert insgesamt zu beginnen. Dieser Grobüberblick (Kapitel 1.2) soll auffällige Entwicklungen identifizieren und damit die Stoßrichtungen der weiteren Arbeit vorgeben. Zuvor jedoch noch einige Bemerkungen zur methodischen Vorgehensweise, bei der es manche Klippen zu umschiffen gilt. Für den quantitativen „Adlerblick“ auf die Münzmotive habe ich sämtliche bekannten Typen der Reichsprägung im ersten nachchristlichen Jahrhundert erfasst. Ich nutze für die Analyse die für einen Kaiser jeweils beste verfügbare Typensystematik. In der Regel sind dies für das erste Jahrhundert die neuedierten Bände der Roman Imperial Coinage.112 Während die überarbeiteten Versionen der RIC bis Domitian einer einheitlichen Typendefinition folgen, ist der Katalog für Nerva und Trajan noch nicht aktualisiert. So werden hier etwa gleiche Kombinationen von Avers und Revers in zwei verschiedenen Nominalen als ein einziger Typ geführt, während sie in den Neueditionen als zwei Einträge gelistet wären. Für Nerva habe ich solche Fälle in mehrere Typen aufgeteilt, um die quantitative Vergleichbarkeit zu gewährleisten.113 Für Trajan halte ich mich an 112 RIC Ist trotz bestehender Mängel, gerade im ersten Band, der für das erste Jahrhundert übergreifend am besten nutzbare Typenkatalog, der dank der Digitalisierung in der OCREDatenbank der American Numismatic Society, die über Linked Open Data die Bestände einer wachsenden Anzahl von Institutionen einschließt, zudem noch deutlich handhabbarer geworden ist. Einzelne Mängel sowohl in RIC als auch kleinere Fehler bei der Übertragung in OCRE sind in der Gesamtmenge nicht bedenklich. Eine alternative Typensystematik für Claudius bietet von Kaenel (1986), der entsprechend der von ihm vermuteten Emissionssystematik elf nicht in RIC I² enthaltene Typen aufführt, die jedoch vereinzelt nicht oder nur schlecht, etwa durch zweifelhafte gefütterte Exemplare, belegt sind. Da von Kaenel zudem Gold- und Silberprägungen der gleichen Motiv-Legenden-Kombination als nur einen Typ anführt und für die schlecht belegten Exemplare offen lassen muss, ob sie tatsächlich in beiden Metallen ausgeprägt wurden, halte ich mich, auch im Sinne der Vergleichbarkeit mit den anderen julisch-claudischen Typen auch für Claudius an den RIC-Band. Für eine alternative Typenfolge bei Tiberius und Caligula siehe Szaivert 1984. Ziegert 2020 bietet für Vespasian noch 13 Varianten und Nachträge zum RIC, die nicht mehr aufgenommen werden konnten, aber mengentechnisch keine Veränderungen zu den hier präsentierten Ergebnissen ausmachen dürften. 113 Anders als Claes 2013, 31–32, die verschiedene Abkürzungen der gleichen Legende oder unterschiedliche Blickrichtungen der Kaiserbüste bei sonst gleichem Inhalt als nur einen Typ erfasst, halte ich es für sinnvoll, wie auch in den Neueditionen des RIC, jeden solchen Unterschied als neuen Typ zu zählen. Ich bin der Überzeugung, so die Gewichtung bestimmter Themen differenzierter zu erfassen und zumindest für keinen Typ fälschlich Seltenheit zu vermuten, für den bei genauerer Betrachtung bereits diverse Avers-ReversKombinationen auf eine weniger exklusive Ausprägung hinweisen.

40

1 Einleitung

die aktuellere und detaillierte Aufarbeitung der trajanischen Münzprägung durch Woytek (2010). Woytek systematisiert die Reichsprägung Trajans anhand 36 verschiedener Ausführungen des Kaiserporträts (Richtung, Winkel, Panzer, Drapierung, paludamentum, Ägis, Globus etc.). In der RIC sind diese Details teilweise nicht einmal erfasst, geschweige denn, dass sie einen neuen Typ ausmachten. Diese detaillierte Aufteilung kommt einer möglichst differenzierten Zählung, bei der jede beschreibungsrelevant unterschiedliche Zusammenstellung von Avers, Revers, Legende und Nominal (also keine rein stilistischen Unterschiede) als neuer Typ erfasst wird, sehr entgegen. Woytek interessiert sich in seiner auf Porträttypen basierenden Systematik jedoch weniger für die individuellen Variationen des Reverses, die er, auch wenn sie mehr als stilistisch sind, nicht immer als eigenen Untertyp aufnimmt.114 Auf Grundlage der jeweils von Woytek aufgeführten bekannten Exemplare eines Typs kann grob angenommen werden, dass ein übergeordneter Typ, der in vielen untergeordneten Variationen vorhanden ist, auch insgesamt häufig geprägt wurde. Die Untertypen spiegeln somit das tatsächliche Material besser als die gröbere Einteilung in der RIC wider. Jede weitere Ausdifferenzierung, sofern sie sich oberhalb kleinerer stilistischer Unterschiede bewegt, sollte die Validität der quantitativen Ergebnisse erhöhen, daher habe ich auch von Woytek aufgeführte Bildvarianten noch als separaten Typ in die Zählung aufgenommen. Um zu prüfen, ob die quantitative Vergleichbarkeit durch die bei Trajan deutlich detailliertere Typeneinteilung als bei der nach RIC erfassten Münzprägung anderer Kaiser noch gegeben ist, habe ich die Ergebnisse für Trajan einmal nach der RIC-Einteilung, ergänzt lediglich durch die bereits dort ausgeführten Unterschiede (Nominal, Drapierung und Ägis), und einmal nach der Einteilung nach MIR (Woytek, deutlich detaillierter entlang der jeweiligen Belegexemplare) erhoben. Für die Aussagekraft auch der Zählung nach der RIC spricht, dass die prozentualen Ergebnisse der verschiedenen Motivkategorien für beide Varianten nur um maximal 3 % voneinander abweichen115 und somit im Bereich der ohnehin anzunehmenden statistischen Ungenauigkeit liegen. Die großen Unterschiede in Menge und Umständen römischer Münzprägung im ersten Jahrhundert lassen Vergleiche nur eingeschränkt zu. Die augusteische Münzprägung etwa unterscheidet sich wiederum von der späterer Kaiser maßgeblich durch die deutlich geringere Anzahl in Rom geprägter Mün-

114 Zum Beispiel MIR 78, S. 228: Zum Motiv mit sitzender Securitas gibt es eine „Bildvariante“ mit der für die ikonografische Auswertung durchaus signifikanten Änderung, dass Altar und Schemel fehlen. 115 Zu den Kategorien siehe unten, hier überprüft: militärische Motive, religiöse Motive allgemein, Motive mit Ritualhandlungen oder Tempeln (Letzteres sowohl für MIR als auch RIC 12 % der trajanischen Typen).

1.1 Methodisches Werkzeug

41

zen und den Einfluss von Münzmeistern, die ab vermutlich 23 v. Chr. wieder Prägungen mit ihrem eigenen Namen in der Legende aufnahmen.116 Ein Vergleich zwischen augusteischen Motiven und den Motiven etwa der untereinander unproblematisch vergleichbaren Flavier ist allein aufgrund dieser strukturellen Unterschiede nur sehr grob möglich. Auch wenn Schaubilder damit nur begrenzt aussagekräftig sind, lassen sich dennoch auf der Detailebene Veränderungen und Kontinuitäten über das ganze Jahrhundert hinweg feststellen. Vor allem die Anzahl der Münztypen ist für die einzelnen Regierungszeiten sehr unterschiedlich. Während die quantitative Analyse sich dort als am wenigsten fehleranfällig erweist, wo zahlreiche Typen vorliegen, können wir für Tiberius, Caligula und Claudius auf vergleichsweise wenige Typen zurückgreifen. Auch die Münzreform Neros wird die Erhaltung aller vorneronischen Edelmetallprägungen beeinflusst haben. Die nur 24 Münztypen Othos sind für einen vergleichenden Überblick unbrauchbar. Gerade in Umbruchszeiten muss auch mit dem Einschmelzen von Münzen vorangegangener Herrscher gerechnet werden. Da das großflächige Einziehen und Einschmelzen von Münzen allerdings nur schwer umzusetzen war, ist wahrscheinlicher, dass die Kaiser nicht so sehr die Münzen des Vorgängers allgemein, sondern vor allem die Bestände in den ihnen zur Verfügung stehenden Geldreserven zu Beginn ihrer Herrschaft einschmelzen und neu ausprägen ließen, da man nur ungern Münzen mit dem Bildnis des möglicherweise auch noch in Ungnade gefallenen Vorgängers ausgeben wollte.117 Gleichzeitig waren in der ersten Hälfte des Jahrhunderts auch noch zahlreiche republikanische Prägungen im Umlauf, die umfangreiche Neuprägungen unnötig machten. Caligulas geringe Prägetätigkeit kann darauf zurückgeführt werden, dass Tiberius umfangreiche Barbestände hinterließ, die er kaum für größere Bauten oder Spiele angetastet hatte.118 Ab der neronischen Reform werden staatliche Zahlungen primär in neuem Geld getätigt worden sein, während Münzen der vorherigen julisch-claudischen Kaiser verdrängt wurden.119 Die ab Nero einsetzenden, im Vergleich zur ersten Hälfte des Jahrhunderts konstant sehr hohen Typenmengen spiegeln die gesteigerte Neuproduktion von Münzen wider. Auch der hohe öffentliche Finanzbedarf in Krisenfällen wie unter Nero und ganz besonders in der kurzen Regierungszeit des Titus erklärt in Einzelfällen die hohe Typenanzahl. In diesen Zeiten war es sowohl 116 Wolters 1999, 123 charakterisiert das Jahr 23 v. Chr. für Augustus als „krisenhaft“ und sieht die Rückgabe der Münzautorität an Münzmeister als Teil der Bemühungen um eine Einbindung der Kritiker; zu Autorität und Gestaltung augusteischer Münztypen vgl. u. a. auch Sutherland 1976, 106–108. 117 Dio. 60,22,3 überliefert, dass unter Claudius Bronzeprägungen Caligulas eingeschmolzen worden seien, und lobt Vitellius explizit dafür, dass er die Münzen seiner Vorgänger beibehalten habe (64,6,1) – ein möglicher Grund für die hohe Anzahl von erhaltenen GalbaTypen. Zum Einschmelzen von Caligula-Aes bei Cassius Dio siehe Barrett 1999. 118 Wolters 1999, 222. 119 Ziegert 2015, 93.

42

1 Einleitung

notwendig, in Kürze viele Stempel für die Münzproduktion herzustellen, gleichzeitig gab es einen gesteigerten Bedarf nach programmatischen Bildern zur positiven Darstellung des Herrschenden. Das Umwandeln absoluter Werte in Prozentzahlen stellt eine gewisse Vergleichbarkeit zwischen den Regierungszeiten wieder her, indem die Motive mit der Gesamtmenge der unter dem Kaiser ausgeprägten Typen ins Verhältnis gesetzt werden. Unbedingt muss auch das einzelne Münzbild und seine Entwicklung besprochen werden – gerade aber auch ausgefallene und innovative Einzelmotive lassen sich durch die Gesamtschau der „üblichen“ Motive einer Regierungszeit sinnvoll einordnen.

1.2

Überblick und Schwerpunktsetzung

Um das Untersuchungsfeld abzustecken und zu Beginn einen Überblick über die Motivstruktur der kaiserlichen Münzprägung im ersten Jahrhundert insgesamt zu geben, habe ich eine quantitative, kategorisierende Analyse der Motive auf Münztypen vorgenommen, wie sie in etwas anderer Form als erstes von Manders (2012), aufbauend auf Vorarbeit von Noreña (2001 und 2011), durchgeführt wurde.120 Dabei habe ich die Münzbilder zunächst in nur drei möglichst wenig künstliche Kategorien eingeteilt, die geringen interpretatorischen Spielraum lassen: 1.) Verweise auf Militärisches, 2.) Verweise auf Religiöses und 3.) Verweise auf Sonstiges/Ziviles. Die Schwierigkeiten dieser Kategorisierungen werden dennoch sogleich deutlich. Einzelne Motive zeigen Elemente mehrerer Kategorien, so etwa die Fahneneid-Prägungen Domitians und Trajans (RIC II,1² 281 u. a., MIR 41) mit Soldaten und Altar. In solchen Fällen erfasse ich die Stücke in beiden Kategorien. Meine Analyse erhebt somit keinen Anspruch auf eine restlose Aufschlüsselung der Motivverteilung, die sich etwa in einem Tortendiagramm aufzeigen ließe. Eine solch klare Zuordnung tut meines Erachtens der Komplexität der verdichteten Bilder zu häufig Unrecht und ist anfällig für Fehler in der modernen Interpretation einzelner Motive.121 Die Kategorisierung und Darstellung in Prozentzahlen liefern an sich noch keine fertigen Erkenntnisse. Die Quantifizierung der Typen hilft in einem ersten 120 Weitere Publikationen, die mit einer quantitativen Analyse von Münztypen arbeiten sind u. a. Claes 2013, Rowan 2011 und 2012; mit einem stärkeren Fokus auf der quantitativen Analyse von Fundmünzen Rowan 2013. 121 Selbstverständlich bleibt dennoch auch in der vergleichsweise groben Kategorisierung manches letztlich meiner persönlichen, sicherlich nicht fehlerfreien Einschätzung überlassen. Auch wenn sich eine andere Bearbeiterin in wenigen Einzelfällen sicherlich anders entscheiden würde, gehe ich davon aus, dass diese Unterschiede das Gesamtbild nur unwesentlich verzerren.

1.2 Überblick und Schwerpunktsetzung

43

Schritt dabei, solche Beobachtungen zu einzelnen Kaisern in das Gesamtbild des ersten Jahrhunderts einzuordnen. Ansatzpunkte für eine detailliertere Untersuchung der Bilder ergeben sich dann insbesondere aus den relativen Unterschieden zwischen den Kaisern. So werden zunächst grobe Schwerpunkte und Tendenzen sichtbar, vor allem gilt es aber, anschließend nach Erklärungen für „Ausbrecher“ im Befund zu suchen. Für viele der Unterschiede gibt es banale Erklärungen. Wo es jedoch keine augenfällige Erklärung gibt, erwarte ich Erkenntnisse über die Rolle von Münzen und die Bedeutung religiöser Motive für die Kommunikation kaiserlicher Autorität. Ein erster Überblick (Abb. 2) zeigt, dass religiöse Motive die kaiserliche Münzprägung unangefochten dominieren. Militärische und rein zivile Motive wurden unter den Julio-Claudiern von Kaiser zu Kaiser noch sehr unterschiedlich und situationsspezifisch eingesetzt, während sich die Anteile der Motivgruppen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sichtbar stabilisieren. Im Detail (Abb. 4) wird diese Stabilisierung der Bildsprache – und damit auch des Konzepts von kaiserlichen Autorität – in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sogar noch deutlicher. Einzig unter Caligula, unter dessen „sonstige“ Motive zahlreiche Abbildungen seiner dynastisch bedeutsamen Familienmitglieder fallen, stellt „Religiöses“ nicht die größte Gruppe dar. Unter vielen Kaisern wird zudem ein großer Teil auch der militärischen Motive (abzulesen am Unterschied zwischen der ersten und zweiten Säule in Abb. 2), durch Abbildungen des Kriegsgottes Mars und insbesondere der Siegesgöttin Victoria mit einem Verweis auf die religiöse

Abb. 2:

Grobüberblick – Prozentualer Anteil von Münztypen mit militärischen, „sonstigen“ und „religiösen“ Motiven in der Münzprägung eines Kaisers.

44

1 Einleitung

Ebene gestaltet.122 Bemerkenswert ist wiederum, dass unter Claudius, der die militärischen Erfolge seiner Herrschaft durchaus propagierte, der Sieg wiederum weniger als göttliche Gabe dargestellt, sondern dafür vor allem Triumphbögen auf Münzen abgebildet wurden. Tab. 1:

Anzahl der berücksichtigten Münztypen pro Kaiser

Kaiser Augustus Tiberius Caligula Claudius Nero Galba Vitellius Vespasian Titus Domitian Nerva Trajan

Münztypen 629 95 63 126 622 522 177 1.587 543 859 178 1.865

Die im Vergleich zu seinem Vorgänger und seinen beiden Nachfolgern große Menge religiöser Motive unter Tiberius erklärt sich allein durch die häufige Wiederholung des bekannten Münztyps mit sitzender weiblicher Figur und Opferschale. Die auch unter Caligula und Claudius vergleichsweise zurückhaltende Nutzung religiöser Motive spricht dafür, dass kaiserliche Autorität hier noch anders konzeptualisiert wurde. Tiberius, Caligula und Claudius ist eine geringe Typenanzahl gemein (vgl. Tab. 1). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass gerade die Münztypen mit religiösen Motiven schlichtweg nicht überliefert wurden. Stattdessen scheint sich eine primär religiöse Bildsprache zur Kommunikation kaiserlicher Autorität gleichzeitig mit einer erhöhten und regelmäßigeren Prägetätigkeit ausgebildet zu haben. Die Festigung der Motivschwerpunkte in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts geht zweifelsohne mit der institutionellen Festigung des Prinzipats an sich einher. Die Herrschaftsrepräsentation betrachte ich dabei, wie oben erwähnt, nicht lediglich als Spiegel der politischen Verhältnisse, sondern als Bestandteil 122 Beide Gottheiten sind auch im Balken für „religiöse Motive“ eingerechnet. Die Siegesgöttin Victoria fällt für mich primär unter „religiöse Motive“. Auch wenn die Gottheit auf teils konkret greifbare militärische Siege verweist, entschied man sich doch dafür, durch sie den überirdischen Einfluss auf die römischen Geschicke zu betonen – spielte dies keine Rolle, könnte auf dem Münzbild ebenso ein profaner Berg erbeuteter Waffen, oder, wie unter Claudius, ein Triumphbogen abgebildet werden. Anders bei Manders 2012, 42, 97, die Victoria, jedoch nicht Mars, für ihre Fragestellung in die Kategorie „military representation“ einordnet.

1.2 Überblick und Schwerpunktsetzung

45

desselben Diskurses. Ideen über die kaiserliche Autorität wurden nicht bloß in Senatsbeschlüssen, sondern auch in der Münzprägung entwickelt und eingespeist. Dass die Typenauswahl nach der „Julio-Claudian variability“ in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts „rather less interesting“ sei, kann meines Erachtens nicht behauptet werden.123 Gerade hier lohnt es sich zu untersuchen, welche Bildbotschaften in der mittlerweile systematischeren, aber dennoch nicht statischen Typengestaltung kommunikativ erfolgreich waren – und warum. Wie das Schaubild in Abbildung 2 illustriert, verspricht dabei in der Tat vor allem die Suche im Bereich der religiösen Motive Erfolg, die sich gegenüber Militärischem, vor allem aber den im Vergleich zur julisch-claudischen Zeit zurückgehende Bildverweisen auf konkrete Ehrungen und zivile Leistungen des Kaisers ohne religiösen Bezug („Sonstiges“) dauerhaft etabliert hatten. Nicht alle Motive, die aus verschiedenen Gründen unter „Religiöses“ fallen, sind gleichermaßen aussagekräftig. Wann und wie oft die Vergöttlichung eines verstorbenen Vorgängers etwa auf Münzen abgebildet wurde, lässt sich primär anhand dynastischer Gegebenheiten erklären und liefert wenig Informationen darüber, wie bestehende religiöse Erwartungen in die kaiserliche Kommunikation eingebunden wurden. Auch für den ersten Überblick habe ich deshalb schon eine weitere Differenzierung vorgenommen und zusätzlich dargestellt, dass Abbildungen von Priestergerätschaften, Opferszenen, Altären oder Tempeln – also kultischer Motive im engeren Sinne – einen meist nur sehr geringen Anteil ausmachen. Der Einsatz des Kaisers im althergebrachten Kultwesen scheint für die Darstellung seiner Autorität in der Breite offenbar weniger bedeutend gewesen zu sein. In Kapitel 2 zeige ich dies im Detail anhand der Verwendung von Priestergerätschaften und Priestertiteln auf den einzelnen Münztypen. Die religiösen Abbildungen habe ich zudem noch einmal ausführlicher in Götterabbildungen, Verweise auf die Göttlichkeit verstorbener Kaiser („Divinisierung“),124 aus der Mythologie entnommene Motive ohne direkten Bezug zum Kultwesen (z. B. Pegasus, caduceus), Darstellungen von Tempeln und Verweise auf die Kultausübung (Opferschalen und anderes Priesterwerkzeug, Altäre) differenziert. Abb. 3 zeigt an, wie viel Prozent innerhalb der Kategorie „religiöse Motive“ diese einzelnen Motivgruppen ausmachen. Obwohl sich einzelne Mo123 So Sutherland 1976, 120–121; Ähnlich scheint es Lummel 1991 zu sehen, der die Münzmotive jedes julisch-claudischen Kaisers umfänglich behandelt, den Flaviern und Nerva zusammen jedoch nur knappe zwei Seiten widmet (76–77), da er bei ihnen keine auffälligen Veränderungen in der Gewichtung von Münztypen für die Zielgruppen Senat, Militär und plebs festzustellen meint. 124 Die Vergöttlichung des amtierenden Herrschers tritt so selten ins Bild, dass ich sie hier nicht separat aufführe. Beispiele mit dem Kaiser und Strahlenkrone gibt es bei Nero, ein Motiv des Kaisers mit Blitzbündel bei Domitian und Trajan (vgl. Kap. 3.1). Die Divinisierung der Vorgänger ist zudem nicht zu verwechseln mit dem Themenfeld Kaiserkult, das vornehmlich auf Münzen aus den Provinzen an den Kaiser herangetragen, denn von ihm selbst propagiert wird und somit auf den hier untersuchten Münzen kaum auftritt.

46

Abb. 3:

1 Einleitung

Prozentualer Anteil von Münztypen eines Kaisers in verschiedenen Bereichen „religiöser“ Motive (* inkl. Personifikationen).

tive von Kaiser zu Kaiser weiterhin stark unterscheiden, ist die grundsätzliche Konsolidierung der numismatischen Bildsprache gegen Ende des ersten Jahrhunderts auch hier auf Ebene der detaillierten kategorisierten Motivgruppen erkennbar. Deutlich sichtbar ist nun auch, was schon zu vermuten war: Es sind vor allem die Götterabbildungen, die sich als zentrales Element kaiserlicher Kommunikation auf Münzen etablierten. Sie machen einen tendenziell immer größeren Anteil an den religiösen Motiven aus, während Typen aus allen anderen Kategorien im Laufe des Jahrhunderts prozentual deutlich weniger werden. Von diesen halten sich am stetigsten die unter Augustus auf recht hohem Niveau einsetzenden Abbildungen von Opfern und Kultgegenständen. Für mehr Schärfentiefe habe ich in Abb. 4 noch einmal die Aufteilung der Götterabbildungen in Unterkategorien veranschaulicht, die in der bestehenden Forschung häufig verwendet werden: Götter im klassischen Sinne (z. B. Minerva, Apollo), Personifikationen abstrakter Konzepte (z. B. Victoria, Pax) sowie spezifische Tugenddarstellungen (positive charakterliche Eigenschaften, z. B. Clementia). Auf „Tugenden“ griff man gerade in der insgesamt sachlicheren Münzprägung des Claudius zurück, um dessen Eignung als Herrscher herauszustellen – danach nehmen sie wegen der geringen Anzahl unter diese Kategorie zu fassender Gottheiten eine nur kleine, aber stabile Rolle in der kaiserlichen Repräsentation ein. „Klassische Gottheiten“ und „Personifikationen“ unterliegen größeren Schwankungen. Der hohe Wert klassischer Gottheiten bei Domitian erklärt sich durch die Dominanz seiner Schutzgöttin Minerva in der Münzprägung, insgesamt wurden Personifikationen in zunehmendem Maße als Münzbilder verwendet. Wieso diese in der Kommunikation kaiserlicher Autorität besser

1.2 Überblick und Schwerpunktsetzung

Abb. 4:

47

Prozentualer Anteil von Münztypen eines Kaisers mit Abbildungen von „klassischen“ Gottheiten, Personifikationen und Tugenden in Göttergestalt.

funktionierten und inwiefern die Trennung zwischen „richtigen“ Gottheiten und göttlichen Abstrakta überhaupt Sinn ergibt, bespreche ich in Kapitel 3.2. Auch darüber hinaus habe ich die Götterabbildungen auf Münzen im ersten Jahrhundert genauer untersucht. Nach welchen Kriterien werden die Gottheiten ausgewählt? Welche Rolle spielen dabei religiöse Sensibilitäten (Kapitel 3.1, 3.3)? Wie wird die Beziehung zwischen dem Kaiser und den Göttern im Münzbild charakterisiert (Kapitel 3.4)? Die quantitativ dagegen geringe Bedeutung von Sakralbauten auf kaiserzeitlichen Münztypen ist kaum verwunderlich: Während die meisten stadtrömischen Tempel für ein Publikum außerhalb Roms von geringerer Relevanz waren, mussten die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt an die Bauleistungen in der Regel wohl nicht auf Münzbildern erinnert werden. Tempeldarstellungen auf römischen Münzen wurden überdies bereits vielfach besprochen und werden auch deshalb von mir nicht mehr als separates Thema bearbeitet.125 An dieser Stelle deshalb einige allgemeine Anmerkungen zu dieser Motivgruppe: Jenseits der Diskussion um die Identifikation und architektonische Genauigkeit der abgebildeten Gebäude hat sich unter anderen Grunow Sobocinski (2002) auch mit der visuellen Funktion der Tempel in Münzen und Reliefs auseinandergesetzt und stellte fest, dass die Tempel in größeren Szenen im Hintergrund meist dazu dienen, „to help organize the image and draw the attention to the high

125 Siehe Williams 2007, 147–150; Grunow Sobocinski 2002; Burnett 1999; zur Übersicht Hill 1989.

48

1 Einleitung

status figure of the emperor.“126 Auf der Münzreihe für die unter Domitian durchgeführten Säkularspiele dokumentieren die Tempel im Hintergrund die Präsenz des Kaisers an den diversen sakralen Orten in der Stadt (u. a. RIC II,1² 606–611, 619–621).127 Wenn stadtrömische Tempel abgebildet wurden, dann fast immer, um eine besondere Verbindung zum Kaiser zu kommunizieren, der das Gebäude restauriert oder ganz neu erbaut hatte.128 Dafür eigneten sich vor allem die Tempel der besonders zentralen Kulte, mit denen gleichzeitig die Sicherheit Roms assoziiert war. So zeigt Nero auf Münzen nach dem Brand Roms den wiederhergestellten Tempel der Vesta (RIC I² 61–62) und Vespasian den von ihm nach der Zerstörung im Vierkaiserjahr neu errichteten Tempel des Jupiter Optimus Maximus auf dem Kapitol (u. a. RIC II,1² 323, 491). Der Blick auf die Entwicklungen in den einzelnen religiösen Motivgruppen macht deutlich, dass es neben der so dominanten Vereinnahmung göttlicher Unterstützung durch die Kaiser (Kapitel 3) die weniger ausgeprägte und tendenziell gegenläufige Abbildung von Kultgegenständen ist, die sich für Detailuntersuchungen anbietet (Kapitel 2). Die beiden großen Kapitel dieses Buches folgen diesen zwei quantitativ wichtigsten Gruppen mit ihren gegenläufigen Entwicklungen. Jenseits dieses großen Rahmens untersuche ich die im Einzelnen dahintersteckenden Motiventwicklungen in ihrem historischen Kontext. Die wichtigsten Hinweise auf die Bedeutung eines Motivs gibt dabei letztlich vor allem die ikonografische Analyse und die Einordnung in die vorher, parallel und später produzierten Typen eines Kaisers. Im Zusammenspiel mit Kenntnissen über die Häufigkeit eines Typs lässt sich in Kapitel 3.3.2 etwa feststellen, dass mehrere augenscheinlich sehr ähnliche Münztypen uns, wenn wir sie innerhalb der Münzprägung des jeweiligen Kaisers kontextualisieren und damit ebenso quellenkritisch betrachten, wie man es mit literarischem Text tun würde, durchaus ganz andere Dinge verraten. Rückgriffe auf das Kultwesen und oftmals innovative Götterabbildungen markieren das breite Spektrum der kommunikativen Verbindung der kaiserlichen Autorität mit der römischen Religion: Während Verweise auf das Kultwesen einen bewahrenden, traditionellen Charakter der Herrschaft zum Ausdruck 126 Grunow Sobocinski 2002, 177. 127 Grunow Sobocinski 2002, 105. 128 Eine Ausnahme ist freilich der Janustempel auf zahlreichen Münzen Neros, dessen geschlossene Tore symbolisch für die Einkehr von Frieden unter der Herrschaft Neros stehen, vgl. u. a. RIC I² Nero 263–271, 283–311. Bei anderen Tempelabbildungen handelt es sich vornehmlich um Cistophoren aus provinzialen Münzstätten für den Geldumlauf im Osten, auf denen die Bedeutung eines lokalen Heiligtums (z. B. RIC I² Claudius 118, RIC II Nerva 116–117 mit den Dianatempeln in Ephesos bzw. Perge) oder durch die Abbildung eines Kaiserkulttempels die Loyalität der Provinz zum Kaiser hervorgehoben werden sollte (RIC I² Augustus 506–507, Claudius 120, RIC II,1² Vespasian 1450–1451, RIC II Nerva 122–123, RIC II Trajan 723–724). Für einen weiteren Aspekt zu den sonst nicht separat besprochenen Tempeln siehe Kap. 3.3.2, S. 185, Anm. 165.

1.2 Überblick und Schwerpunktsetzung

49

bringen, beweist sich an anderer Stelle umgekehrt eine extreme Flexibilität in der Ausgestaltung und Interpretation des kaiserlichen Bezugs zur polytheistischen Götterwelt. Ich beginne mit Abbildungen aus dem Kultwesen und damit auch der Priesterrolle des Kaisers, da hier ein Einfluss bestehender Traditionen und religiöser Sensibilitäten auf die kaiserliche Repräsentation am deutlichsten zu erwarten ist. Priestergerätschaften nehmen allein schon deshalb einen besonderen kommunikativen Stellenwert auf Münzen ein, da sie vergleichsweise selten – und daher wohl oft aus einem speziellen Grund – abgebildet wurden. Auch beim scheinbar selbstverständlich in der Münzlegende aufgeführten pontifex maximus-Titel des Kaisers lässt sich durch eine vergleichende Betrachtung über das erste Jahrhundert hinweg untersuchen, wann dem Priesteramt tatsächliche kommunikative Bedeutung zukam und wann es weitgehend unwichtiges Beiwerk war (Kapitel 2.4). Da die einzelnen Typen immer im Zusammenspiel mit anderen zu betrachten sind und auch in sich mehrere Aspekte vereinen können, ist die Zuordnung zu einzelnen thematischen Kapiteln eine Herausforderung. Zwangsläufig gibt es Motive, die an mehreren Stellen sinnvoll eingebunden werden könnten. Ich habe mich bemüht, Wiederholungen weitgehend zu vermeiden und die entsprechenden Verweise zu setzen. Besonders schwierig zuzuordnen, weil sie sowohl das Kultwesen als auch die kaiserlich-göttlichen Beziehungen berühren, sind Darstellungen von Altären sowie Darstellungen des Kaisers beim Opfer. Beides habe ich dem Bereich „Priesterämter und Kultwesen“ angefügt. Wie sich zeigen wird, betreffen Abbildungen des opfernden Kaisers und die Betonung seiner Priesterämter auf Münzen jedoch zwei inhaltlich durchaus voneinander zu trennende Bereiche. Zum Abschluss des ersten Teils (Kapitel 2.6.2) bildet der Kaiser beim Opfer deshalb die passende Überleitung zum zweiten Teil, in dem es um das Verhältnis der Kaiserautorität zu den Göttern geht. Besonders prominent besprochene oder im Detail relevante Münzmotive habe ich im Text abgebildet, dafür jedoch auf einen umfangreichen Abbildungsteil verzichtet. Über die angegebenen Referenzen sind die übrigen Münztypen in den Onlinedatenbanken leicht auffindbar und dabei umfänglicher und qualitativ besser einsehbar, als dies ein Tafelteil leisten könnte.

2

Priesterämter und Kultwesen

Religiöse Traditionen verfügen über erstaunliche Resilienz gegenüber gesellschaftlichem und politischem Wandel. Die Kontinuität römischer Kultpraxis von Republik zu Kaiserzeit ist jedoch nicht darauf zurückzuführen, dass die römische Religion den Wandel in einer separaten Sphäre überdauerte. Stattdessen ist der Grund hierfür gerade in der organischen Verflechtung religiösen Denkens mit dem politischen Geschehen zu suchen. Da die römische Religion von Beginn an eng mit politischen Vorgängen verbunden war, stellte es keine Schwierigkeit, sondern mehr eine Selbstverständlichkeit dar, politische Veränderungen in die Kultpraxis – zum Beispiel in Form von bald einsetzenden Opfern für den Kaiser – miteinzubeziehen. Der von Ando (2008) beschriebene wissens- und beobachtungsbasierte Charakter der römischen Religion1 verursachte jedoch Probleme, wenn jemand die inhärente Logik für eigene Zwecke auszunutzen wusste. Im ersten Jahrhundert v. Chr. gab es dabei vor allem durch die Vermischung von politischen und religiösen Ämtern erhebliche Zweifel an der Redlichkeit der Priester. Die Gültigkeit ihrer religiösen Handlungen wurde dabei jedoch bemerkenswerterweise nicht in Frage gestellt.2 Von der Resilienz im römischen religiösen Denken zeugen exemplarisch zwei paradoxe Situationen aus den politisch turbulenten 40er Jahren v. Chr.: So echauffierte sich Cicero zu Recht über den nicht von der Hand zu weisenden Betrug des Auguren Marcus Antonius, der mit offener Dreistigkeit durch ein erfundenes Vorzeichen die Wahl seines Rivalen Dolabella zum Suffektkonsul blockierte. So sehr sich Cicero auch bemühte, Antonius’ Charakter und vermeintliche religiöse Unwissenheit negativ darzustellen – ihm war völlig klar, dass auch das so eindeutig erfundene Vorzeichen an sich gültig war, wenn es einmal gemeldet wurde.3 43 v. Chr. legte ein Priesterproblem den Staat für längere Zeit sogar komplett lahm. Nach dem gleichzeitigen Tod der Konsuln Hirtius und Pansa sah man sich nicht in der Lage, einen Konsul nachzuwählen, da kein höherer Magistrat mehr verfügbar war, unter dessen Auspizien die Wahl hätte stattfinden können. Die Abwesenheit eines

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3

Ando 2008, xvii, auch 13–15. Vgl. zu vermeintlichen „Verfallserscheinungen“ römischer Religion in der späten Republik die Darstellung von Beard/North/Price 1998, 125–134, die insbesondere die anhaltend hohe Bedeutung von Religion betonen, auch wenn – oder gerade weil – sie im ersten Jahrhundert v. Chr. immer wieder in den „focus of […] conflicts“ (134) der römischen Eliten geraten sei. Cic. Phil. 2,80–84. Die Episode bespricht ausführlich Santangelo 2013, 273–278; zur Logik hinter der bindenden Kraft eines vom Auguren gemeldeten Vorzeichens siehe Linderski 1986, 2207–2208 sowie mit einem weiteren Beispiel auch Linderski 1993, 60–61.

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2 Priesterämter und Kultwesen

Konsuls scheint wiederum die Wahl zur Auffüllung der Priesterkollegien hinausgezögert zu haben.4 Trotz der politischen Notlage, in der handlungsfähige Konsuln dringend benötigt worden wären, scheint es zunächst keine Option gewesen zu sein, die Wahlen unter irregulären oder gar ganz ohne Auspizien durchzuführen. Selbst wenn auch in diesem Fall religiöse Bedenken genutzt werden konnten, um politische Entscheidungen hinauszuzögern, illustrieren die Episoden die Beharrlichkeit der Rituale und somit, dass die Priesterämter trotz ihrer Zuständigkeiten in der politischen Sphäre einen unumstößlichen religiösen Gehalt hatten. Wie Szemler (1972) feststellte, hielten einflussreiche römische Politiker häufig bereits zu Beginn ihrer Karriere hohe Priesterämter, die nicht bloß „a sign of recognition“, sondern vielmehr „the means utilized by the nobiles as a training ground for potential advancement“ waren, „since life-long appointment naturally established lasting personal contacts.“5 Tatsächlich scheinen mit den auf Lebenszeit – und im Falle des pontifex maximus auch sine collega – gewählten Priesterämtern Strukturen innerhalb der römischen Republik vorgelegen zu haben, die ihren sonstigen politischen Prinzipien widersprachen und geeignet waren, diese zu unterwandern. So war die republikanische Politik durch die Einflussnahme von Einzelpersonen verwundbar, die sich zwar von religiösen Bedenken nicht einschränken lassen wollten, die Befugnisse der Priesterämter aber gleichwohl gerne annahmen. Bekanntlich brachte Gaius Julius Caesar mit seiner erfolgreichen Bewerbung für das Amt des pontifex maximus noch vor Bekleidung der Prätur seinen Geltungsdrang zum Ausdruck. Caesars Grenzüberschreitungen in diesem Amt, denen keine höhere Instanz widersprechen konnte, die aber dennoch Misstrauen und Missgunst schufen, sowie Antonius’ augurale Augenwischerei sind spätrepublikanische Beispiele für den eigennützigen Einsatz priesterlicher Kompetenz. Die Verwendung der Priestersymbolik auf Münzen der Kaiser des ersten Jahrhunderts ist ein weiterer Fall. 4 5

Dies ist nur eine verkürzte Form des Geschehens, über das Cic. ad Brut. 13,4 am 5. Mai 43 v. Chr. treffend schreibt: Magna sane perturbatio. Szemler 1972, 192. Eine Detailstudie zu den aristokratischen Familien und ihren Priesterämtern in republikanischer Zeit liefert North 1990. Er verweist zuletzt darauf, dass es für Religionshistoriker wohl immer genauso klar sein werde, dass die Priesterämter wegen der großen Bedeutung der Religion für das politische Leben von so großer Relevanz für die Aristokratie waren, wie es für „political historians“ eindeutig sei, dass der Hauptgrund darin läge, dass „priesthoods conferred handy powers for use or abuse in political skirmishes“ (542). Beide Perspektiven haben m. E. eine Berechtigung und werden auch damals bereits von Individuen unterschiedlich gewichtet worden sein. Die von North besprochene Episode um die Wahl eines P. Cornelius Lentulus Spinther zum Auguren – obwohl sein Vater bereits Mitglied des Kollegiums war – und die damit verbundene hohe Bedeutung des Amtes für die Familie wird bei Dio. 39,17 geschildert. Sie wird durch RRC 500/1 ergänzt, wo Spinther auf dem Revers einer Münze Krug und lituus mit der nicht bloß auf seine Person, sondern auf den ganzen Familienzweig verweisenden Legende LENTVLVS SPINT abbildet.

2.1 Augurat und lituus

53

Weitgehend akzeptiert ist, dass die Kollegien dazu beitrugen, „the underlying or real continuity between Principate and early Rome“ zu unterstreichen.6 Dass mit dem politischen Bedeutungsverlust des Senates hingegen auch ein Bedeutungsverlust der aus dem gleichen Personenpool besetzten Priesterkollegien einhergegangen sei, lässt sich nicht zweifelsfrei belegen. Als Möglichkeiten zum Erwerb von sozialem Prestige blieben die Priesterämter, wenn sie Nähe zum Prinzeps versprachen wohl sogar mehr denn je, auch in der Kaiserzeit im Fokus des aristokratischen Interesses. Dass die kaiserzeitlichen literarischen und numismatischen Quellen uns nur wenige Informationen über die Priesterämter liefern, ist schlicht damit zu erklären, dass hier ab Augustus vor allem der Prinzeps im Zentrum des Überlieferungsinteresses stand. Aufschluss erhalten wir somit fast ausschließlich über die Verbindung des Kaisers selbst zu den Kollegien, die in der hier untersuchten Münzprägung auffällig unterschiedlich betont wird. Die Anzahl der Münztypen, auf denen Priesterämter überhaupt bildlich festgehalten wurden, ist für die Kaiserzeit sehr überschaubar. Im ersten Jahrhundert finden sich unter Tiberius, Nero, Galba, Otho, Titus und Domitian überhaupt keine Motive, auf denen Priestergerätschaften explizit im Fokus stehen, und auch unter den anderen Kaisern sind entsprechende Münztypen insgesamt nicht häufig. Während im Bild also keinesfalls regelmäßig auf die Priesterfunktionen des Kaisers hingewiesen wurde,7 sind gerade die einzelnen Ausbrecher aus dieser Tendenz beachtenswert. Wo, wann und auf welche Weise wurden Priestermotive herausgestellt? Welchen Stellenwert der Priesterämter für die kaiserliche Autorität bezeugt die numismatische Überlieferung? Die folgenden Untersuchungen zu Priesterämtern und Priestergerätschaften auf Münzen setzen sich insbesondere immer wieder mit dem viel rezipierten Beitrag von Stepper (2003) auseinander, die sich zwar mit der Rolle des römischen Kaisers als Priester bis in die Spätantike auseinandergesetzt, das numismatische Material dabei aber nur am Rande besprochen hat.

2.1

Augurat und lituus

Während sich der Sinn von Abbildungen militärischer Sieghaftigkeit oder großer Bauprojekte auf Münzen auch heute noch leicht erschließt, ist die antike Wirkung religiöser Symbole deutlich schwieriger einzuschätzen. Die prominenteste Rolle bei der Abbildung von Ritualwerkzeugen nahm auf republikanischen

6 7

Gordon 1990, 220. So Williams 2007, 151; Büsing 1997, 45 meinte gar, „[d]er pontifikale Aspekt römische Münzen brauch[e] zur Manifestation keinen besonderen Anlass“.

54

2 Priesterämter und Kultwesen

Münzen der Krummstab der Auguren, der sogenannte lituus ein, dessen kommunikative Bedeutung ich hier deshalb zuerst behandle. Ein Grobüberblick zeigt, dass der lituus immerhin auf 8 % der Münztypen (nach RRC) im ersten vorchristlichen Jahrhundert abgebildet wurde, aber nur auf 0,6 % der Münztypen des darauffolgenden. Die nur wenigen Erwähnungen der Auguren in den literarischen Quellen zur Kaiserzeit, zusammen mit dem Rückgang des Symbols auf Münzen und in der bildenden Kunst, haben zu der Annahme geführt, dass das in der Republik noch so wichtige Augurenamt in der frühen Kaiserzeit einen starken Bedeutungsverlust erlebte und nur noch unter der Kontrolle des Kaisers eine Rolle spielte.8 Aus numismatischer Sicht gibt es jedoch keinen Grund zu der Annahme, dass die Priesterämter, konkret das Augurenamt, im Vergleich zum vorherigen Jahrhundert zumindest an religiöser Bedeutung verloren hätten. Der Rückgang gerade der lituus-Abbildungen lässt sich schlicht mit dem unterschiedlichen Charakter republikanischer und kaiserzeitlicher Münzprägung erklären. Hier lohnt sich zunächst ein Blick auf den republikanischen Kontext der Motive, um die entscheidenden Unterschiede, aber auch Kontinuitäten festzumachen.

2.1.1 Augurat und lituus auf republikanischen Münzen Bereits seit dem zweiten Jahrhundert v. Chr. findet sich auf Münzbildern so etwas wie persönliche Werbung der ausgebenden Autoritäten. Bis in die augusteische Zeit führten Münzmeister auf dem Revers oft die mythische Genealogie oder Errungenschaften ihrer Familie auf. Die Abbildung eines Augurenstabs betonte zunächst einmal die Zugehörigkeit, wenn auch gegebenenfalls nur eines Familienmitglieds, zu diesem Priestergremium.9 Für einen Münzmeister, der sonst vermutlich oft wenig prestigeträchtige Ämter aufweisen konnte, war die Assoziation der Familie mit dem altehrwürdigen Priesteramt ein aussagekräfti-

8

9

Alföldi 1970, 142; Liebeschuetz 1979, 22–23, 63; Stepper 2003, 17: „Die Trennung ihrer unterschiedlichen Funktionen und Zuständigkeiten [der Kollegien] verliert an Bedeutung, da sie in der Person des princeps einen gemeinsamen Träger gefunden haben.“ Vgl. Koortbojian 2013, 50 und Rüpke 2001, 215: Die große Bedeutung des Priesterkollegiums der Auguren ist auch dadurch bewiesen, dass in der lex Ursonensis, dem Stadtgründungsgesetz der Colonia Iulia Gentiva Ursonensis, von den stadtrömischen Kollegien nur pontifices und augures als „Minimalausstattung“ aufgeführt werden. Zu RRC 242/1 und 243/1–5 siehe Rüpke 2005, 1157; zu RRC 374/1–2 siehe ebd. 830–833; zu RRC 425/1 siehe ebd. 1138. RRC 334/1 verweist aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine familiäre Verbindung des Münzmeisters L. Pomponius Molo zum Priesterkönig Numa Pompilius; RRC 509/1–5 ist klare Eigenwerbung des Auguren Q. Cornuficius, der hier im Jahr seiner Proskription und Ermordung offenbar aber auch die religiös sanktionierte Legitimität seiner Position betont. Siehe zum lituus auch Morawiecki 1996.

2.1 Augurat und lituus

55

ger Beweis, zur römischen Elite zu gehören. Dass der lituus seit Augustus, in dessen Regierungszeit auch die Namen der Münzmeister von den Prägungen verschwanden, seltener verwendet wurde, ist somit zunächst kaum verwunderlich. Der Kaiser, dessen Abbild die Münzprägung nun völlig dominierte, hatte es kaum nötig, seinen hohen sozialen Status zusätzlich zu beweisen, und konnte dies zudem auf viele andere Arten tun. In ihrer Titulatur beschränkten sich die Kaiser vor allem auf exzeptionelle Ämter, die sie mit wenigen oder niemandem teilten. Gleichzeitig ist das Verschwinden der Augurensymbolik und des Amtes von Münzen in diesem Kontext ein Hinweis darauf, dass vor allem die so ausgedrückte Zugehörigkeit zu einer elitären Gruppe dem Träger des Amtes Anerkennung einbrachte. Wäre tatsächlich der religiöse Gehalt in dieser Hinsicht wirkungsvoll gewesen, wäre der lituus häufiger auf Münzen der Kaiserzeit zu finden oder gar, wie Andreas Alföldi (1970) anmerkte, zu einem wiederkehrenden Herrschaftssymbol geworden.10 Verbindungen zwischen Motivauswahl und Machtpolitik lassen sich besonders inmitten der Turbulenzen der späten Republik festmachen. Die Triumvirn Antonius und Octavian lieferten sich auf Münzen einen subtilen Wettstreit um Prestige anhand von Priestertiteln und -symbolen. Newman (1990) wies darauf hin, dass das antonianische Lager auf gemeinsamen Prägungen mit Octavian dessen Augurentitel offenbar bewusst ausließ (RRC 517/1–2,6,8, 528/3) oder, indem man mit dem Parallelismus der beiden Titulaturen brach und Antonius’ Augurenamt irregulär, aber prominent an das Ende der Titulatur stellte, Octavians Priestertitel absichtlich aus dem Fokus rückte (RRC 528/3).11 Was ist aber mit der Abbildung des Augurenstabes auf Münzen Sullas, der das Priesteramt zu dem Zeitpunkt gar nicht hielt und auch nicht auf ein Familienmitglied verwies?12 Auf Aurei und Denaren für Sullas Heer, die mit 84–83 v. Chr. in genau die Zeit datierten, in der sich Sulla den innenpolitischen Gegnern zuwandte, wurden auf dem Revers Augurenstab und Krug zwischen zwei Feldzeichen abgebildet (RRC 359). Stewart (1997) arbeitete heraus, dass die gemeinsame Abbildung von lituus und Krug in der Republik stets die gleiche kommunikative Funktion gehabt habe: Da der Krug als Gerätschaft für Trankopfer und der lituus als Symbol für Auguren und Auspizien gemeinsam auf „the two ritual means by which the Romans sought to guarantee divine sanction for public business“13 anspielten, habe ihre Abbildung die götterbestätigte Legitimität einer Position und Unternehmung zum Ausdruck bringen sollen. Stewart konnte zeigen, dass zahlreiche Verwendungen der beiden Symbole zusammen, so auch bei Sulla, auf republikanischen Münzen damit in Verbindung gebracht werden können, dass die Autorität des 10 11 12 13

Vgl. Alföldi 1970, 142. Newman 1990, 60–61. Badian 1969; Crawford 1974, 373–374; ebenfalls diskutiert bei Fears 1981b, 792–793, Anm. 261. Stewart 1997, 174.

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2 Priesterämter und Kultwesen

ausgebenden römischen Feldherrn zu diesem Zeitpunkt in Frage gestellt wurde oder angreifbar war.14 Darüber hinaus ist der lituus schon länger auch als Ausdruck der „supreme military authority of the charismatic leader“ begriffen worden. Fears (1977) stellte, ähnlich wie bereits Alföldi (1956), für die Republik diese „connection of the augural symbol with the emblems of victory in the field“ heraus15 – auch wenn die Beweislage zumindest bis zur späten Republik dadurch dünn bleibt, dass viele Prägungen schlicht zur Bezahlung der Truppen entstanden sein müssen und militärische Hauptmotive somit ohnehin zu erwarten waren. In jedem Fall wurde mit dem lituus auf der Münze eines Feldherrn und Auguren, wie Fears bemerkt, nicht bloß auf die Auspizien vor der Schlacht verwiesen: „The theme is rather […] augur et imperator. The imperator who was also an augur stood in a special position. He could interpret the auspicies as well as stake them.“16 Im Fall der Münzen der Triumvirn ist sogar wahrscheinlich, dass durch das Ritualwerkzeug Prestige, göttliche Unterstützung und Legitimität gleichzeitig vermittelt werden sollten. Die Machthaber konkurrierten sowohl um höheres Ansehen und Beliebtheit bei den Truppen, zudem befand sich ihre offizielle Position immer wieder in einer legalen Grauzone. Insbesondere Marcus Antonius scheint als Augur den Hinweis auf republikanische Traditionen auch programmatisch zur Abgrenzung zum weniger traditionskonformen Emporkömmling Octavian, der seinen Status durch die exzeptionelle Stellung seines Adoptivvaters Caesar legitimierte, ausgespielt zu haben.17 Koortbojian (2013) bemerkt, dass es hingegen verwunderlich sei, dass gerade die Caesarmörder Cassius und Brutus ihre Priesterämter nicht derart auf ihren Münzen aufführten. Er schlägt vor,

14

15 16 17

Stewart 1997, 185–186. Ähnlich sieht auch Morawiecki 1996, 45 den lituus für Sulla als Ausdruck seines Wunsches „to obtain imperium iustum“ und seiner Autorität durch „[d]ivine support“ einen „charismatic character“ zu verleihen. Für Morawieckis These, dass die Anspielung auf den Oberpontifikat des Lepidus auf RRC 489/1–3 dessen „Caesarian views“ (50) herausstellen würde, sehe ich jedoch keinen stichhaltigen Beleg. Aufgrund der bei Dio. 39,17 überlieferten und bei North 1990 besprochenen Episode möchte ich mich zudem für den bereits anfangs erwähnten Fall von RRC 500/1 dafür aussprechen, dass hier zumindest in gleichem Maße das Prestige der Familie der Cornelii Lentuli [Spinthi] ausgedrückt wurde. Fears 1977, 103–104; Alföldi 1956, 85–87 zum lituus und imperium. Fears 1977, 106; vgl. Gagé 1931, 85, 108. Dass sich dies jedoch nicht nur auf die priesterliche Rolle beschränkte, beweist RRC 533/2, wo eine Darstellung des Antonius als Augur mit der hier zum ersten Mal auch auf die Familientradition des Antonius verweisenden Legende M·ANTONIVS·M·F·M·N·AVGVR·IMP· TERT verwendet wurde; siehe hierzu generell Newman 1990. Zum auguralen Aspekt der berühmten Legionsprägungen des Antonius siehe große Beilage 2019, 146–147. Dass das Augurenamt auf den Münzen des Antonius auch prominent wahrgenommen wurde, belegt die Restitutionsprägung des Marcus Aurelius (RIC III 443), für die sogar die Änderung vorgenommen wurde, den Titel auszuschreiben – wohl um die Verwechslung mit dem bis dahin gebräuchlichen AVG[ustus] zu verhindern.

2.1 Augurat und lituus

57

dass die „manifold usage“ der Priesterämter durch die Triumvirn von deren Gegnern als unrühmliche Demagogie gesehen und deshalb vermieden worden sei.18 Plausibler scheint mir jedoch, dass Cassius und Brutus im Gegensatz zu Antonius und Octavian ihre Achtung vor republikanischen Traditionen gar nicht unter Beweis stellen mussten.19 Entsprechend stark sollte dieser Aspekt aber für die Interpretation der Münzbilder der Triumvirn berücksichtigt werden. Octavians Wiederholung eines Münzbilds von Caesar (RRC 467/1a–b) mit simpulum,20 aspergillum, Krug und lituus, entweder ohne Porträt (RRC 537/1) oder mit pietätvoll bärtigem Octavian auf dem Avers (RRC 538/1), fällt wiederum in die Zeit der Erneuerung der triumviralen Amtsgewalt im Vertrag von Tarent und in eine heikle Phase des Konflikts mit dem noch immer bei den Gegnern der Triumvirn beliebten Sextus Pompeius.

2.1.2 Augurat und lituus auf Münzen des ersten Jahrhunderts n. Chr. Eine weitere Bedeutung des lituus tritt im Bild erst mit dem Beginn des Prinzipats deutlich hervor: Mit dem Verweis auf die Auspizien konnte auch die übergeordnete Verantwortung für das Gelingen eines Unternehmens in Anspruch genommen werden. Mehrfach ist Augustus auf zeitgenössischen Kunstwerken in Priestergewand und mit lituus im Zusammenhang mit Gaius, Tiberius und/oder Germanicus in Militärkleidung, zu Pferde oder auf einem Triumphwagen abgebildet.21 Während zwar auf die militärischen Erfolge der Feldherren angespielt 18 19

20 21

Koortbojian 2013, 73. … oder es nicht in gleichem Maße konnten. Das Augurat scheint weder Cassius noch Brutus bekleidet zu haben. Die Priestersymbole auf Münzen seiner Untergebenen für Brutus verweisen auf den Pontifikat (RRC 500/6–7, 502/2). Die Gegenüberstellung von Krug und lituus durch den bereits erwähnten Cornelius Lentulus Spinther (siehe oben S. 52, Anm. 5) und eines Dreifußes mit dem Namen des Cassius in der Legende auf RRC 500/1 legen zwar vorsichtig nahe, dass Cassius Mitglied bei den quindecimviri sacris faciundis gewesen sein könnte, die restlichen Münzbilder mit Dreifuß für Cassius sind für sich allein diesbezüglich nicht eindeutig, da der Dreifuß im Kultalltag der Römer an mehreren Stellen gebraucht wurde. Crawford 1974, 741 mit Anm. 5 und 6 verweist außerdem auf den Zusammenhang zwischen Apollo (und damit auch dem apollinischen Dreifuß) und libertas als Kampfbegriff der Caesarmörder. Rüpke 2005, 862 und Broughton 1952 (= MRR II), 369 reicht die Münze als einziger Beleg für die Mitgliedschaft des Cassius bei den quindecimviri. Caesars Denare zeigen statt des simpulums (kellenartig), wie bei Octavian und Vespasian, einen culullus (Becher), die sehr ähnliche Form und Funktion macht einen relevanten Bedeutungsunterschied jedoch unwahrscheinlich. Siehe hierzu auch Györi 2015, 51; vgl. Zanker 1987, 132–133, 232–235 (Gemma Augustea); Auf dem Larenaltar des Vicus Sandalarius ist neben dem lituus auch ein pickendes Hühnchen abgebildet, ein Verweis auf positive Auspizien in Form des tripudiums, bei dem die

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2 Priesterämter und Kultwesen

wird, steht dennoch stets die Figur des Prinzeps als Augur im Vordergrund, unter dessen Auspizien die Unternehmungen stattfanden.22 Mit großer Wahrscheinlichkeit sollte auch der lituus hinter dem Kopf des Antonius auf Münzen, die den Sieg seines Feldherren Publius Ventidius in Armenien feierten (RRC 531/1a–b), bereits diesen Effekt haben und Antonius als Verantwortlichen kennzeichnen.23 Antonius’ häufige Nennung seines Augurats in Legende und Bild ist somit nicht bloß als Verweis auf seine Achtung römischer Traditionen und Ausdruck göttlicher Unterstützung der Unternehmung zu werten, sondern auch als Geltungsanspruch. Die religiöse Ebene unterstützt hier die Vereinnahmung der militärischen Erfolge anderer durch den Kaiser als alleinigen imperator.24 Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich verwunderlich, dass der Augurenstab von den Kaisern nach Augustus nur selten verwendet wurde. Vielfach ist deshalb eine besondere Bedeutung des Augurenamtes gerade für Augustus vorgeschlagen worden.25 So wurde bereits bemerkt, dass der lituus bei Augustus auch als Verweis auf Romulus gedient haben könnte, in dessen Nachfolge als (Neu-)Gründer der Hauptstadt sich Augustus präsentieren wollte.26 Letztlich zeigt sich im nicht von der Hand zu weisenden Negativbefund unter anderen Kaisern aber vor allem, dass kaiserliche Dominanz an sich schon bald nicht mehr in dem Maße über religiöse Umwege erklärt werden musste.27 Die Vormachtstellung des Prinzeps war, sicherlich auch durch die im Titel „Augustus“ formulierte Resonanz

22 23

24 25

26 27

erfolgreiche Fütterung von Hühnern als positives Zeichen gewertet wurde: Galleria degli Uffizi, Inv.-Nr. 972; Sardonyx aus Florenz, Museo archaeologico nazionale; Grand Camée de France, Sardonyx der Bibliothèque National, Paris; Gemma Augustea, Kunsthistorisches Museum Wien, Inv.-Nr. IX a 79; die letzten drei abgebildet und besprochen bei Koortbojian 2013, 152–153; für Abb. siehe auch Vollenweider 1964, 77. Vgl. auch R. Gest. div. Aug. 4; Mannsperger 1984, 387; Siebert 1999, 130–131 sieht den lituus in solchen Kontexten nur als politisches Machtsymbol. Zum lituus bei Augustus als Anspielung auf das imperium siehe auch Ferrero 2012. Koortbojian 2013, 153 betont, dass es sich vornehmlich um ein „imperial phenomenon“ handele. Ich schlage vor, auf gleiche Weise aber auch bereits den lituus hinter dem Kopf des Antonius auf Münzen des Ahenobarbus (RRC 521) und Lucius Antonius (RRC 516/4–5) zu lesen. Detailarbeit dazu leistet Dalla Rosa 2011, 44, der anhand der literarischen Quellen zeigt, dass „the augural discipline must have played a considerable part in the imperial monopolisation of victory“. Insb. Gagé 1931, 82–95, der auch darauf hinweist, dass das Augurat für die Kommunikation der Machtposition des Augustus sogar bedeutender gewesen sei als der Oberpontifikat „pour accomplir sa mission de fondateur Auguste n’a que faire du grand pontificat; dans l’histoire des origines Romulus vient avant Numa, l’augure avant le pontife“ (95). Insbesondere ausgeführt von Györi 2015. Kearsley 2009 hat herausgearbeitet, dass es gerade die Ebene des Rituals ist, auf der Octavian seine Überlegenheit gegenüber dem erfolgreichen Feldherrn M. Licinius Crassus etablieren konnte. Durch das augurium salutis und das Schließen des Janustempels, obwohl sich Crassus noch auf einem Feldzug befand, bestimmte Octavian in Rom den emotionalen Stellenwert der jeweiligen Leistung, ohne sich auf politischer Ebene angreifbar zu machen.

2.1 Augurat und lituus

59

im religiösen Denken, schnell so selbstverständlich geworden, dass schon Caligula 37 n. Chr. en bloc alle Ehren des Vorgängers annehmen konnte.28 Der visuell wiederholte Verweis auf den Kaiser als Verantwortlichen für die Auspizien vor großen Unternehmungen war offenbar nicht mehr nötig, um dessen Übermacht zu legitimieren. Der Mechanismus blieb jedoch der gleiche. Um auch Vespasians Beteiligung am jüdischen Krieg und somit die Sieghaftigkeit der flavischen Dynastie allgemein festzuhalten, wurde auf dem ersten der beiden Titusbögen explizit erwähnt, dass Titus in Jerusalem unter den Auspizien seines Vaters gesiegt habe.29 Heute wäre es für uns einleuchtender, die Vorarbeit Vespasians am militärischen Erfolg konkreter zu würdigen, für die Römer jedoch scheint die religiöse Verantwortlichkeit die gewünschte Aussage präziser und umfassender getroffen zu haben. Wie der lituus verschwand auch die Nennung des Augurenamtes von den Münzen der Kaiser. Rein praktisch wäre sie auch schwierig aufzuführen gewesen, war doch die gängige Abkürzung für „Augur“ und „Augustus“ dieselbe.30 Aber auch die einzigen beiden Münzmotive, die das Augurat noch explizit betonen, können nicht belegen, dass das Augurenamt an bestimmten Stellen eben machtpolitisch doch noch wichtig war. Die beiden auf den ersten Blick ähnlichen Motive sind kommunikativ zudem völlig unterschiedlich zu beurteilen. Eine Münze des Caligula zeigt auf dem Revers simpulum und lituus, Werkzeuge des pontifex und des Auguren (RIC I² 63, Abb. 5). Die Reverslegende IMPERATOR PONT MAX AVG TR POT verweist auf die Priesterämter des Prinzeps. Da AVG als Namensbestandteil „Augustus“ bereits auf dem Avers genannt wird und hier hinter dem sonst in der Regel in den hinteren Bereich der Legende verschobenen Oberpontifikat steht, ist mit großer Sicherheit auch tatsächlich das Augurenamt gemeint. Bemerkenswert ist, dass dieses Ritualmotiv nicht in Rom, sondern auf einer Drachme im weit entfernten kappadokischen Caesarea ausgeprägt wurde. Kappadokien war unter Tiberius in eine römische Provinz umgewandelt worden.31 Wahrscheinlich um sich weite Transportwege zu ersparen, wurde in den 30er Jahren dort eine Münzstätte in Betrieb genommen, die im Osten stationierte Truppen mit imperial autorisiertem Silber versorgte. Der Motivschwerpunkt der kappadokischen Münzstätte lag auf direkten Bezügen zum Kaiserhaus in Form von Porträts von Angehörigen der kaiserlichen Familie, seltener verwiesen die dort geprägten Münzen auf militärische Erfolge im Osten und stellten so die Bedeutung der Region für die Kaiser heraus. Damit ist es wenig 28 29 30

31

Dio. 59,3,1. Der nicht mehr erhaltene Bogen in der Nähe des Circus Maximus: CIL VI, 944 = ILS 264. Zwar kann man mit Ov. fast. 1,607–612 und Suet. Aug. 7,2 argumentieren, dass der Gehalt des Amtes im Titel AVGVSTVS vereinnahmt wurde (Vgl. Gagé 1931, 88), das Fehlen von expliziten Verweisen auf die Auspizien des Kaisers spricht aber dafür, dass der ursprünglich religiöse Inhalt unter Augustus’ Nachfolgern keine Rolle für die kaiserliche Repräsentation mehr spielte. Dio. 57,17,7; Suet. Tib. 37,4; Tac. Ann. 2,42,4.

60

2 Priesterämter und Kultwesen

Abb. 5:

Drachme des Caligula aus Caesarea mit simpulum und lituus.

plausibel, dass konkrete Motivanweisungen aus dem entfernten Rom übersandt wurden – zumal in Rom selbst und im näher an der Hauptstadt gelegenen Lugdunum andere Schwerpunkte für die Münzbilder gesetzt wurden. Ich gehe davon aus, dass sich die in Caesarea Verantwortlichen gezielt um eine Rom- und Kaisernähe bemühten: Unter Tiberius prägte die Münzstätte ausschließlich den Kopf des Drusus auf dem Revers, unter Caligula nahmen Germanicus und Augustus eine besondere Rolle ein, unter Nero wurde Agrippina die Jüngere auf keinen Münzen so prominent herausgestellt wie auf denen aus Caesarea. Gerade in der Ferne wurden Münzen so verwendet, um ein Nahverhältnis zur zentralen Autorität in Rom zu betonen. Das Motiv mit den Priestergerätschaften, das wie auch die anderen Prägungen aus Caesarea unter Caligula vermutlich in dessen erstem Herrschaftsjahr ausgeprägt wurde, ist in diesem Kontext zu sehen. Offenbar wusste man in Caesarea im doppelten Wortsinn noch nicht viel über das Profil des neuen Kaisers, dessen Porträt auf den diversen überlieferten Stempeln im Vergleich zur Münzstätte in Rom oder Lugdunum stark variierende Züge trägt. Während man auf drei Typen Caligulas Vater Germanicus und Augustus als Avers und Revers paarte, entschied man sich auf einem einzigen Typ für das Porträt des neuen Kaisers mit dem hier besprochenen Reversmotiv, das ganz unverbindlich und allgemein auf die Nähe zu römischen Traditionen und durch die Priestertitel in der Legende auf den Kaiser als ihren Bewahrer verwies.32 Neben Porträts der Kaiserfamilie wurde das Kultwerkzeug offenbar als dezidiert römisches Motiv aufgefasst, das aber mit der Person Caligulas und seiner Ausgestaltung der Priesterrolle nicht in direkte Verbindung zu bringen ist.33 Wäre hier eine kaiserliche Agenda im Spiel gewesen, würde das Motiv zweifelsohne auch auf stadtrömischen Münzen auftauchen. Stattdessen ist davon auszugehen, dass 32 33

Zur Verwendung betont „römischer“ Kulte in den Provinzen als Ausdruck von Zugehörigkeit zur römischen Welt siehe auch Beard/North/Price 1998, 336–337. Auch aus julisch-claudischer Zeit gibt es aus Colonia Patricia (RPC 131), Iulia Traducta (RPC 110) und Acci (RPC 140) in Hispanien, als auch aus Alexandria (RPC 5007) und Antiochia (RPC 4171, 4178) entsprechende Aversbilder mit Priestergerätschaften, die weniger auf regionale Priestertraditionen denn auf das Bemühen um typisch römische Motive zurückzuführen sind. Mattingly 1923, cxlviii will in dem Motiv einen Verweis auf den Oberpontifikat Caligulas sehen.

2.1 Augurat und lituus

61

die Münzstätte in Caesarea weitgehend autonome Gestaltungsentscheidungen traf. Dafür spricht auch, dass der Kaiser in der Münzlegende IMPERATOR genannt wird – während dieser Titulaturbestandteil auf den Münzen Caligulas, in bemerkenswertem Gegensatz zu den anderen Kaisern der Dynastie, sonst konsequent ausgelassen wurde.34 In Rom selbst spielte das Motiv mit Ritualwerkzeug, das ähnlich unter Augustus noch von Münzmeistern auf zwei Typen Quadrantes geprägt worden war (RIC I² 421, 424), in dieser Kombination der beiden Priesterämter nie wieder eine Rolle. Ab der Regierungszeit des Claudius wurde nur noch eine Kombination aus gleich vier Gerätschaften abgebildet und so auf die Mitgliedschaft in den vier großen Priesterkollegien auf einmal verwiesen (Kapitel 2.2), ohne dass man eine bestimmte religiöse Funktion hervorhob. Die Prägung unter Caligula ist die letzte, die im Bild gezielt Pontifikat und Augurat des Kaisers betonte – und es ist bezeichnend, dass dies an der Peripherie des römischen Reiches und ohne plausiblen Einfluss der zentralen Autoritäten geschah. Die einzige weitere prominente Nennung des Augurenamtes findet sich auf Denaren Vespasians ab 70–71 n. Chr. (RIC II,1² 42–43, 365, 698, 1553, Abb. 7–8). Eine Schwierigkeit bei der Interpretation dieser Prägungen ist, dass es sich nicht um ein originelles Motiv, sondern inklusive der Legende um eine Nachahmung einer Prägung Caesars anlässlich seiner Aufnahme in das Augurenkollegium handelt (RRC 467/1a und b, Abb. 6). Aber weshalb wurde gerade dieser Typ zur Reproduktion ausgewählt? Während Buttrey (1972) Vespasian eine „antiquarian fascination with old coins, rather than an obsession with historical parallels cultivated to political ends“ zuschreibt,35 halte ich die Deutung von Ziegert (2015) für stimmiger, dass die Restitutionen gegenüber „der traditionsbewussten römischen Gesellschaft“ durch die Anknüpfung an Altbewährtes gezielt Vertrauen in die neue Dynastie vermitteln sollten.36 Wichtig ist jedoch Buttreys Beobachtung, dass Vespasians Restitutionstypen insgesamt nicht auf Grundlage häufiger und damit allein aufgrund ihrer Vertrautheit populärer Typen produziert wurden, da einige der neu aufgelegten Denare ursprünglich äußerst seltene Typen waren.37 Noch mehrere Argumente sprechen für eine bewusste Betonung gerade dieses Motivs: Das Bild mit simpulum, aspergillum, Krug und lituus wurde in acht heute greifbaren Typen über mehrere Jahre hinweg ausgeprägt. Die Änderung der Reverslegende von AVGVR / PON MAX, wie im Original, zu AVGVR / TRI POT belegt eine zusätzliche Aufmerksamkeit, die dem Typ in der Produktion zukam. Nicht zuletzt lässt die Menge der erhaltenen Exemplare keinen Zweifel daran,

34 35 36 37

Dazu Brackmann 2005, 378. Buttrey 1972, 96. Ziegert 2015b, 809. Buttrey 1972, 103.

62

2 Priesterämter und Kultwesen

Abb. 6–8:

Revers eines Denars Caesars von 46 v. Chr. (l.) und die vespasianischen Variationen – einmal in „Originalfassung“ (m., hier RIC II,1² 42), r. der deutlich häufigere Typ mit Erwähnung der tribunicia potestas statt des Oberpontifikats (hier RIC II,1² 43).

dass es sich bei der Gruppe um ein sehr häufig geprägtes Motiv handelte.38 Für die Beliebt- und Bekanntheit des Reverstyps spricht auch, dass das Design in einer östlichen Münzstätte kopiert wurde (RIC II²,1 1553). Weshalb aber ließ man für Vespasian dieses Motiv so besonders betonen, obwohl seit Augustus kein Kaiser mehr einen solchen Fokus auf die Priesterämter, gerade auf das Augurat, gelegt hatte? Zunächst belegt die Änderung vom ursprünglichen PONT MAX bei Caesar auf dem Revers zu TRI POT für spätere Typen Vespasians, dass es tatsächlich nicht die Rolle des Kaisers als pontifex maximus war, die hier betont werden sollte. Während AVGVR ausgeschrieben an prominentester Stelle im oberen Feld des Revers stehen blieb, hielt man offenbar die unauffällige übliche Kurzfassung P M auf dem Avers für völlig ausreichend. Der statt des Oberpontifikats eingefügte Verweis auf die tribunizische Amtsgewalt des Kaisers brachte dessen innenpolitische Macht zum Ausdruck. Anders als Buttrey vorschlägt, handelt es sich hier auch nicht um den Versuch, eine sich zufällig ergebende Dopplung von P M und PONT MAX zu vermeiden,39 denn im gleichen Jahr geschah diese Dopplung auch auf einem originär vespasianischen Typ (RIC II,1² 45) und wurde auch hier auf einem weiteren Typ (RIC II,1² 46) gegen die tribunicia potestas an derselben Position im Revers, diesmal unter einer Abbildung der Göttin Vesta, ausgewechselt. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass man einen Dopplungsfehler, der sich ur-

38

39

Ziegert 2020, 240–243 mit einer Auswertung der Hortfunde; vgl. auch Carradice 1998, 100. RIC I² 356 ist mit 97 Exemplaren der vierthäufigste Typ Vespasians im Réka-Devnia-Hort. Auch auf dem Hunerberg in Nijmegen, dem Ort eines flavischen Militärlagers, wurden mehrere Exemplare der Gruppe gefunden. Die von Kemmers (2006) untersuchte Zusammensetzung der Münzen und die geringe Kontamination nach der relevanten Siedlungsperiode dort legt nahe, dass der Fund für „coin supply and coin use in the Flavian period“ als Fallbeispiel benutzt werden kann (125). Darüber hinaus finden sich zahlreiche Exemplare im Münzhandel. Buttrey 1972, 96.

2.1 Augurat und lituus

63

sprünglich durch den Restitutionstyp ergeben haben sollte, zufällig auf einer anderen Münze noch einmal beging. Da die Legende mit der Nennung des Oberpontifikats dem ursprünglichen caesarianischen Münzbild entspricht und vor allem sowohl für den Münztyp mit Priestergerätschaften als auch mit Vesta bei späteren Emissionen die Version mit der Nennung der tribunicia potestas übernommen wurde, können wir davon ausgehen, dass der Tausch des Priesteramtes gegen die tribunicia potestas absichtlich vorgenommen wurde und diese Version der gewünschten Darstellung des noch recht neuen Kaisers mehr entsprach. Da andere Münztypen des ersten Flaviers den Oberpontifikat gezielt herausstellten, hatte Vespasian sicherlich keine grundsätzlichen Skrupel, sich als pontifex maximus zu präsentieren. Lediglich in diesen Kontexten stellte man nachträglich absichtlich sicher, dass gerade nicht die priesterliche Sonderstellung im Vordergrund stand.40 Die enge Verbindung des Hinweises auf realpolitische Macht anhand der tribunicia potestas mit Ritualmotiv und Augurentitel stellt zudem wie auf Münzen der späten Republik die rituelle Legitimation politischen Handeln heraus. Stepper (2003) spricht sich aufgrund der vier abgebildeten Priestergeräte als Symbole für die quattuor amplissima collegia auf dem Caesar-Restitutionstyp dafür aus, dass es Vespasian lediglich auf die Komplettierung seiner Priesterwürden und nicht auf die Betonung des Augurats angekommen sei. Es sei nichts darüber bekannt, dass Vespasian „in seiner Eigenschaft als Augur eine bedeutsame Maßnahme vollzogen hätte, mit deren Hilfe sich die auffällige Propagierung dieser Priesterwürde inhaltlich begründen ließe.“41 Angesichts der oben erläuterten Bedeutung der Augurensymbolik für die Legitimität einer politischen Position, in Verbindung mit dem auf republikanische Zeiten verweisenden Restitutionscharakter der Münze, halte ich diese Erklärung jedoch für zu kurz gegriffen. Zunächst ist festzuhalten, dass das Augurenamt auch in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts noch immer eine herausgehobene, exklusive Bedeutung gehabt haben muss.42 Von Plinius dem Jüngeren, der lange um seine Aufnahme in das Augurenkollegium bitten musste, wissen wir, dass neben dem Einfluss des Kaisers offenbar vor allem auch noch interne Entscheidungen des Kollegiums eine Rolle spielten. Plinius musste von einem Mitglied des Kollegiums wiederholt vorgeschlagen werden, nur um schließlich nach dessen Tod die direkte

40 41 42

Siehe dazu auch Kap. 3.3.2, S. 191–192. Stepper 2003, 59. Das hohe Prestige des Augurats in der Republik steht außer Frage: Hahm 1963, 75–76 argumentiert anhand des Alters der Kooptierten in den einzelnen Kollegien im zweiten Jahrhundert v. Chr., dass das Augurat im Prestige der republikanischen Nobilität sogar höher stand als der Pontifikat. Explizit benannt wird die Bedeutung des Augurenamtes später u. a. bei App. civ. 5,72,305, der von μεγίστη ἱερωσύνη spricht. Aus Dio. 48,36,4 wissen wir, dass es sich dabei um das Augurenkollegium handelt.

64

2 Priesterämter und Kultwesen

Nachfolge anzutreten – auch wenn er selbst seine Kooptation als Zeichen kaiserlicher Gunst sehen wollte.43 Ein erschwerter Zutritt lässt sich auch an anderer Stelle vermuten: Galba war für militärische Leistungen von Claudius mit gleich drei Priesterämtern belohnt worden, die Mitgliedschaft im Augurenkollegium war jedoch nicht darunter und somit entweder nicht leicht zu verschenken oder besonderen Würdenträgern vorbehalten – vermutlich beides.44 Vespasian, obwohl ein Liebling des Claudius, hatte laut Sueton für exzellente militärische Verdienste vom Kaiser ebenfalls zwei nicht weiter definierte Priesterämter in kurzer Folge erhalten.45 Aufgrund der Parallele zu Galba, der die Mitgliedschaft bei den quindecimviri sacris faciundis, in der Bruderschaft der Titier und der Augustalen, erhielt, halte ich es für wahrscheinlich, dass auch Vespasian das Augurenamt tatsächlich erst nach Herrschaftsantritt verliehen wurde und das Restitutionsmotiv unter anderem aus diesem Anlass gewählt wurde.46 Um allein die Komplettierung der vier wichtigsten Priesterwürden festzuhalten, hätten Vespasian auch andere Münzen aus der jüngeren Vergangenheit als Vorlage dienen können (RIC I² Augustus 367–368, 410, RIC I² Claudius 76–77, 107). Dass man stattdessen auf ein weiter zurückliegendes republikanisches Motiv zurückgriff, auf dem gerade der Augurentitel prominent betont wurde, gibt der spezifischen Gestaltung zusätzliches Gewicht. Diese Botschaft, die Vertrauen in den Herrscher über den Verweis auf Traditionelles und allgemein Akzeptiertes schaffen sollte, steht am Anfang von Vespasians Herrschaft und kommt bereits in der Restitution alter Münztypen zum Ausdruck. Das Augurat war noch älter und vor allem weniger autokratisch konnotiert als das schon lange exklusiv vom Kaiser bekleidete Oberpontifikat. Es passt somit zum bodenständigeren, aber betont traditionsbewussten Auftreten Vespasians, der sehr offen mit seiner vergleichsweise niedrigen Herkunft umging. An dieser Stelle sei bereits erwähnt, dass für Vespasian der Oberpontifikat auf Münzen auch deutlich unsystematischer und seltener genannt wurde als für die Julio-Claudier, in den letzten Jahren seiner Herrschaft sogar gar nicht mehr.47 Zusammenfassend gehe ich davon aus, dass Ritualmotiv und Augurentitel von Vespasian hier ähnlich verwendet wurden wie zuletzt von Marcus Antonius, der sich durch die Verbindung

43 44 45 46

47

Plin. epist. 4,8,1–4. Suet. Galb. 8,1. Suet. Vesp. 4,1–2; Griffin 2000, 2–3 geht ohne weitere Begründung davon aus, dass Vespasian hier bereits die Aufnahme in das „augurate and one of the minor colleges“ erreichte. Schumacher 2006, 184 hält Steppers, wenn auch spekulative Deutung m. E. deshalb zu Unrecht für „ausgeschlossen“. Die Aufnahme in die Priesterkollegien vermutet auch van Haeperen 2002, 154 hinter dem Münztyp – dieser zu dem Zeitpunkt schon lange selbstverständliche Vorgang allein erklärt jedoch nicht die Aufmerksamkeit, die dem Typ zukam. Siehe Kap. 2.4, S. 97–100.

2.2 Die quattuor amplissima collegia im Münzbild

65

seiner Autorität mit dem altehrwürdigen Augurenamt von Octavian als der akzeptablere Kandidat abzugrenzen versuchte. So passt es, dass Priestergerätschaften im ersten Jahrhundert besonders unter den zwei Kaisern hervortraten, die bemüht waren, eine betont bescheidene Verwalter- und Restauratorrolle einzunehmen, um sich von einem Vorgänger abzugrenzen, der traditionelle Grenzen überschritten hatte. Während die unter Vespasian so beliebte Prägung von seinen Söhnen nicht wiederaufgenommen wurde, wurde das Motiv unter Domitians Nachfolger Nerva wieder in mehreren Emissionen hervorgehoben (RIC II 23–24, 34, 41, 47, 139). Die Verbindung des Motivs mit einem Typ des direkten Vorgängers Vitellius macht noch eine weitere, jedoch spekulativere Deutung möglich, die ich in Kapitel 2.3 mit aller gebotenen Vorsicht zur Diskussion stellen möchte.

2.2

Die quattuor amplissima collegia im Münzbild

Neben dem Augurenamt und dem Oberpontifikat (Kapitel 2.4) wurden nur in sehr wenigen Fällen noch einzelne Priesterämter in der Münzprägung besonders hervorgehoben. Während Vitellius’ Abbildung eines Dreifußes für die quindecimviri sacris faciundis gesondertes Augenmerk verdient, ist ein zweiter Fall eindeutig: Durch die Abbildung seiner Mutter Antonia auf dem Avers und die Legende SACERDOS DIVI AVGVSTI auf dem Revers um zwei Fackeln (RIC I² 67– 68) wurde für Claudius versucht, die Nähe zu seinem Großonkel Augustus herzustellen. Bekanntlich war die Verwandtschaftsbeziehung der Hauptgrund, warum man den sonst nicht auf den Kaiserthron vorbereiteten Claudius zum Kaiser erhoben hatte. Entsprechend sinnvoll war es, diese Verbindung zu betonen und die familiäre Zugehörigkeit durch die Erwähnung von Antonias Priesteramt für den göttlichen Augustus noch zu stärken, zumal Claudius mit dem ersten Prinzeps auch nur über die Mutter seiner Mutter, Augustus’ Halbschwester Octavia, blutsverwandt war. Bereits Claudius’ Großvater Antonius hatte 44 v. Chr. gehofft, von größerer Nähe zu Caesar zu profitieren, indem er sich zum Priester des Divus Julius wählen ließ.48 Bei späteren Kaisern war die Übernahme eines Priesteramtes für verstorbene Vorgänger zwar üblich, wurde jedoch nicht repräsentativ verwendet. Bis auf dieses Einzelmotiv und die in Kapitel 2.3 besprochene Prägung des Vitellius zeigen alle anderen Münztypen mit Priestergerätschaften im ersten Jahrhundert die kombinierten Symbole der vier angesehensten Priesterkollegien gemeinsam. Taeger (1960) bemerkte dazu, dass die Priesterabzeichen auf Münzen „[w]eniger bedeutsam“ seien, da sie „die rein gesellschaftliche Sphäre“ 48

Dio. 44,6,41; Cic. Phil. 2,110.

66

2 Priesterämter und Kultwesen

Abb. 9:

Denar für Augustus (Revers, hier RIC I² 368) mit den Symbolen der vier angesehensten Priesterkollegien.

angingen.49 Auch wenn ich dieser Grundtendenz weitgehend zustimme, trifft dies zumindest für eine Prägung aus der Regierungszeit des Augustus aber nicht zu: Der Münzmeister Gaius Antistius Vetus empfand Augustus’ Mitgliedschaft in den quattuor amplissima collegia offenbar als besonders löbliche Eigenschaft des Prinzeps. Dafür kopierte er nicht einfach den alten Caesar-Typ, sondern entwarf ein neues Münzbild, auf dem nun für die quindecimviri sacris faciundis auch der Dreifuß des Augustus-Schutzgottes Apollo abgebildet war (RIC I² 367–368, Abb. 9). Die Neuanordnung wie auch die auf seinen anderen Prägungen erkennbare Vorliebe des Münzmeisters für Ritualmotive lassen darauf schließen, dass es ihm tatsächlich um den religiösen Gehalt ging.50 Bemerkenswert ist jedoch, dass die gesammelten Priestergerätschaften, die für Octavian/Augustus schon einmal in der Krisensituation 37 v. Chr. geprägt worden waren (RRC 537/151), trotz seiner religionspolitischen Aktivitäten außerhalb der Münzmeisterprägungen nicht herausgestellt wurden – nicht einmal zur Übernahme des Oberpontifikats. In der nicht von aristokratischen Münzmeistern kontrollierten Prägung von Lugdunum produzierte man für den divi filius auf Edelmetall stärker als in Rom Motive, die merklich auf die vom Prinzeps persönlich gewünschte Repräsentation zugeschnitten waren: das Sternzeichen capricornus, Apollo und Diana (in der Legende jeweils gekennzeichnet zur Erinnerung an die Siege bei Actium und Naulochos) und zahlreiche Prägungen für die von ihm so geförderten Enkel Gaius und Lucius. Ein Motiv mit den Priesterämtern des Kaisers wurde hier jedoch nicht als wirkungsvolle Botschaft betrachtet. Zwar zeigen noch einmal römische Kleinbronzen aus dem letzten Jahrzehnt v. Chr. simpulum und lituus, jedoch werden in der Legende lediglich die Münzmeister genannt (RIC I² 421, 49 50 51

Taeger 1960, 113–4. Für eine weitere Besprechung der Priestersymbole auf Münzen, die jedoch nur zu dem allgemeinen Schluss kommt, dass „Opfergeräte zum Ausdruck der pietas (augusti) verwendet wurden“, siehe Siebert 1999, 170–5. Vgl. RIC I² 363–369. Ein verwandter Münzmeister, in den Legenden ausgewiesen als Gaius Antistius Regulus, wiederholt die Motive seines Vorgängers wenig später noch einmal. Hier nach der Anordnung bei Caesar, allerdings ohne jede Reverslegende und auch ohne Porträt oder Motiv auf dem Avers.

2.2 Die quattuor amplissima collegia im Münzbild

67

424). Auf den kleinen Nominalen bevorzugte man unkompliziert abbildbare Motive, und da das Kleingeld vor allem für die lokale Zirkulation gedacht gewesen sein muss, tauchen hier verstärkt eindeutig „römische“ Bilder auf. Kultwerkzeuge waren hierfür ebenso wie ein Getreidemaß, Altar oder großformatiges S C optimal und standen eher in keiner spezifischen Verbindung zur Repräsentation des Kaisers.52 Auf den berühmten L C CAESARES-Prägungen für die Enkel und designierten Nachfolger des Augustus schweben lituus und simpulum als kleine Symbole zwischen den Köpfen der beiden Figuren (RIC I² 205–212, Abb. 10). Im Mittelpunkt stehen hier nicht die Priesterämter an sich, sondern der Sonderstatus der jungen Männer, die mit den ihnen anlässlich der Verleihung des in der Legende genannten Titels principes iuventutis übergebenen Schilden abgebildet sind. Während er ihre Aufnahme in das politische Leben und die Titel als principes iuventutis noch in seinem Tatenbericht stolz hervorhebt, erwähnt Augustus die Priesterämter seiner Enkel nicht.53 Wie Wolters (2002) herausarbeiten konnte, war auch die Zuordnung von Augurat (Lucius) und Pontifikat (Gaius) zu den einzelnen Figuren bereits auf dem posthumen Teil der Prägungen nicht mehr relevant: lituus und simpulum konnten den Platz tauschen.54 Möglicherweise diente der Verweis auf die Priesterkollegien dazu, der irregulären Verleihung hoher politischer Ämter und militärischer Aufgaben an die kaum dem Kindesalter entwachsenen Enkel einen legitimen Anstrich zu geben. Eine so bedeutende Rolle für die Sonderstellung der Nachfolger wie für den jungen Nero spielten die Priesterämter in jedem Fall nicht. Für diesen wurde unter Claudius die augusteische Abbildung der vier Priesterkollegien übernommen. Ob es für Augustus schlicht noch nicht unproblematisch möglich war, die Enkel in alle vier Kollegien aufnehmen zu lassen,

Abb. 10:

52 53 54

Denar des Augustus (Revers, hier RIC I² 211) für seine Enkel Gaius und Lucius. Zwischen ihren Köpfen simpulum und lituus.

Vgl. auch Priestersymbole auf Quadrantes Vespasians, mal in Kombination mit einer Palme als Verweis auf den Sieg im Osten (RIC II,1² 342–343), mal mit einem modius als Verweis auf eine zuverlässige Kornversorgung (RIC II,1² 346). R. Gest. div. Aug. 14. Wolters 2002, 303.

68

2 Priesterämter und Kultwesen

oder ob sich Gaius und Lucius mehr durch politische Ämter und militärische Leistung profilieren sollten, ist nicht eindeutig zu klären, wahrscheinlich ist jedoch beides. Auch wenn die L C CAESARES-Typen massenhaft ausgeprägt wurden, ist festzuhalten, dass Nero in seiner Rolle als Nachfolger prominenter in den Vordergrund gestellt wurde als zuvor die Augustuserben. Während Augustus in einem Motiv die religiöse (Priestergerätschaften), politische (COS DESIG), charismatische (Schilde, Legende PRINC IVVENT) und dynastische Ebene (AVGVSTI F) miteinander vereinte, wurden diese Elemente für Nero auf drei Motive aufgeteilt und jetzt auch in Kombination mit dem Porträt des kindlichen Nachfolgers selbst ausgeprägt: mit Claudius (RIC I² 82–83), mit Schild (EQVESTER ORDO PRINCIPI IVVENT, RIC I² 78–79, 108) und mit nun gleich vier Priestergerätschaften gleichzeitig (RIC I² 76–77, 107). Der schon oft getroffenen Feststellung, dass hier das soziale Prestige der Priesterämter genutzt wurde, um die Sonderstellung eines jungen Nachfolgers abzubilden, kann kaum etwas hinzugefügt werden.55 Die Parallele zum augusteischen Münzbild dürfte zudem beabsichtigt gewesen sein. Für die Bewertung der Priestergerätschaften auf Münzen scheint mir wichtig festzuhalten, dass dort, wo ein Nachfolger mit politischen Ämtern und vor allem militärischen Erfolgen werben konnte, religiöse Ämter nicht betont wurden. Während die vier Priesterkollegien für die Propagierung des jungen Commodus wieder eine Rolle spielten, wurden sie für Titus oder Domitian, die beide zum Herrschaftsantritt ihres Vaters bereits erwachsen waren, nicht angeführt. Stattdessen ließ Vespasian seine Söhne in militärischer oder administrativer Rolle abbilden (z. B. RIC II,1² 5–6). Titus’ Mitgliedschaft in den wichtigen Priesterkollegien ist zwar inschriftlich belegt, jedoch wurde auch hier nicht die Aufnahme an sich besonders hervorgehoben.56 Lediglich der Titel PONT(ifex) auf einigen Münzen kann bei Titus parallel zur Titulatur Vespasians als Platzhalter und „Teaser“ für den Oberpontifikat verstanden werden, das der zukünftige Kaiser halten würde.57 Steppers Idee, dass Vespasian die Priesterämter seines älteren Sohnes womöglich aus Rücksicht auf den jüngeren Domitian nicht propagiert habe, ist als Erklärungsversuch überhaupt nur nötig, weil sie davon ausgeht, dass das Zelebrieren der Aufnahme des Nachfolgers in die vier amplissima collegia auf Münzen ab julisch-claudischer Zeit sonst „üblich“ gewesen sei.58 Tatsächlich sind Claudius’ Prägungen für Nero, dessen frühe Einbindung in die kaiserliche Repräsentation zudem wohl auch auf den Einfluss Agrippinas zurückzuführen ist, aber der 55 56 57 58

Vgl. u. a. Stepper 2003, 51: Die Mitgliedschaft in den Kollegien habe die „überragende Stellung im Staat“ kommuniziert. CIL VI 31294 = ILS 258: collegioru[m] / omnium sacerd[oti]. Stepper 2003, 62; vgl. insbesondere RIC II,1² Vespasian 555–556, die den wiederum an Augustus und Tiberius angelehnten Typ Vespasians RIC II,1² 545–546, 553–554 und 685 fortführen und so zweifelsohne den Eindruck von großer Kontinuität schaffen sollten. Stepper 2003, 60.

2.2 Die quattuor amplissima collegia im Münzbild

69

erste und einzige Fall eines solchen Protegierens im ersten Jahrhundert. Zudem wurde Titus’ Vorrangstellung als älterer Sohn des Kaisers in anderen Aspekten mehr als deutlich kommuniziert.59 Plausibler ist, dass Titus’ Priesterämter deshalb nicht beworben wurden, weil er sich ebenso wie Domitian durch seine militärischen Leistungen und mehrfachen Konsulate deutlich wirksamer positionieren konnte. Später gab Titus dem Oberpontifikat eine betont politische Dimension, indem er das Amt explizit so interpretierte, dass es von ihm Milde fordere und ihn von politischen Morden und Todesstrafen distanzieren sollte.60 Nervas Wiederaufnahme des vespasianischen Motivs (RIC II 23–24, 34, 41, 47, 139) habe ich oben bereits als allgemeine Botschaft von Vertrauenswürdigkeit, Konformität mit dem Althergebrachten und vor allem Reaktion auf Domitian gedeutet. Stepper schließt sich hier der älteren Forschung an und verbindet das Auftreten der Priestersymbole auf Münzen mit Nervas Aufnahme in die quattuor amplissima collegia, die hier gefeiert würde.61 Dass die Aufnahme in die Kollegien den Anstoß für das Motiv gab, ist sicherlich nicht auszuschließen. Letztlich lassen die bisherigen Beobachtungen jedoch darauf schließen, dass aus der selbstverständlichen Mitgliedschaft des Kaisers in den Priesterkollegien an sich nicht so viel zu gewinnen war, als dass sie für einen bereits amtierenden Kaiser Hauptanlass für einen eigenen und zudem so häufig ausgeprägten Münztyp gewesen sein sollte.62 Trotz des teils kreativen Bemühens um eine positive Darstellung auf Münzen verwendete bis auf Vespasian, und hier unter ähnlichen Umständen, keiner der Kaiser zuvor die „Komplettierung“ der Priesterwürden zum Amtsantritt als Motiv. Elkins (2017), der jüngste Vertreter einer breiteren Interpretation, spricht sich dafür aus, dass „the image of the priestly implements on the coinage generally conveyed pietas, religious obligation and duty“.63 Der Kern der Aussage dürfte dabei meines Erachtens weniger die Betonung der kultischen Ebene allein, denn die auf diese Weise am besten symbolisierbare Rückkehr zu Tradition und Ordnung im Staatswesen allgemein gewesen sein. Passend dazu betonen die Reverslegenden einiger dieser Typen nicht etwa den Oberpontifikat, sondern besonders prominent, und in Nervas Münzprägung auch nur hier, den kaiserlichen Status als PATER PATRIAE.64 Das Münzbild wäre wohl kaum so oft 59 60 61

62 63 64

Siehe dazu etwa Levick 1999b, 187–189. Suet. Tit. 9,1. Stepper 2003, 64–67; Beaujeu 1955, 53–5 meint, dass der Typ die Aufnahme in die Priesterkollegien angezeigt habe, die vier Symbole aber auch den Wunsch reflektieren würden „de maquer au public la vitalité de la religion officielle et la piété de l’empereur dans le cade de la tradition“ (55). U. a. Schumacher 1978, 741 mit älterer Literatur plädiert für eine eher allgemeine Bezugnahme des Münzbilds auf die römische Staatsreligion. Zur Häufigkeit siehe Elkins 2017, 108 mit Appendix 3 (fünfthäufigster Typ auf Denaren Nervas). Elkins 2017, 108 RIC II 24, 34 (jeweils AV und AR), 139. Zur Bewertung des pater patriae-Titels siehe unten Kap. 2.4, S. 87–88 mit Anm. 125 und 126.

70

2 Priesterämter und Kultwesen

wiederaufgelegt worden, hätte es nicht auch eine zentrale Botschaft der Herrschaft Nervas transportiert. Die persönliche Haltung des Kaisers zur Religion an sich wäre hierfür meines Erachtens schlicht zu insignifikant gewesen. Die Münzen anderer Kaiser belegen außerdem, wie dieses Thema, wenn überhaupt, dann durch Abbildungen des Kaisers beim Opfer, in dann allerdings besonderen Kontexten (Kapitel 2.6.2), oder explizite Pietas-Darstellungen (Kapitel 3.3.1), wie bei Nervas Nachfolger Trajan, in der Regel klarer spezifiziert wurde. Im zweiten Jahrhundert wird das Bild der vier Priesterkollegien nur noch in dieser verallgemeinerten Form verwendet. Der Symbolwert, bei dem das einzelne Priestertum unwichtig und die Mitgliedschaft des Kaisers selbstverständlich war, trat zuerst bei Vespasian und dann deutlicher bei Nerva hervor. Was von nun an mit den vier Priestergerätschaften ausgedrückt wurde war lediglich, dass HADRIANVS AVGVSTVS P P (RIC II,3² 3089–3091) oder ANTONINVS AVG PIVS P P (RIC III 45) für das Wahren der Tradition und das Wohlergeben des Staates sorgten. Vieles spricht dafür, diese nüchterne Betrachtung der religiösen Rolle des Kaisers auch für dessen Oberpontifikat anzunehmen (Kapitel 2.4). Zuvor jedoch zu einem letzten Sonderfall.

2.3

Vitellius’ Dreifuß mit Rabe und Delfin

Ein ungewöhnlicher Fall in der Gruppe der besprochenen Münzen mit Priestergerätschaften sind Vitellius’ Denare und Aurei mit Dreifuß-Revers und der Umschrift XV VIR SACR FAC (RIC I² 70, 85–86, 108–109, Abb. 11). Die quindecimviri sacris faciundis, das in der Legende genannte Priesterkollegium, war für die Aufbewahrung und Konsultation der sibyllinischen Bücher, einer Sammlung von Orakelsprüchen, sowie die Aufsicht über auswärtige Kulte in Rom zuständig. Der explizite Bezug zu diesem Priesteramt ist einzigartig und ungewöhnlich, da es durch die Betonung eines einzelnen Priestertitels an sich wenig zu gewinnen gab – und wenn, wurde auf das Augurat oder die herausgehobene Stellung des pontifex maximus angespielt. Andere Priesterämter spielen in der Münzprägung keine Rolle. In der Tat ist die Motivauswahl so ungewöhnlich, dass sie gar eine der wohl amüsantesten Interpretationen eines Münzbildes hervorgerufen hat. So erklären Mattingly und Sydenham: „[M]embership of one of the four colleges was a small thing to commemorate with a whole type, but to Vitellius it meant much – they gave good dinners – so struck it was.“65 65

Mattingly/Sydenham 1923, 222. Den gleichen Vorschlag äußert Mattingly 1923, ccxxiv in BMCRE, wo er die eindeutige Verbindung zu Apollo anmerkt, die Betonung des Priesteramtes durch Vitellius aber „rather curious“ nennt. Mayer 2010, 191 übernimmt tatsächlich die Idee, dass es um die Bankette gegangen sei. Seine Augsburger Dissertation zur numismatischen Selbstdarstellung der flavischen Kaiser, die ich inhaltlich nicht weiter

2.3 Vitellius’ Dreifuß mit Rabe und Delfin

Abb. 11:

71

Dreifuß mit Rabe und Delfin auf dem Revers eines Denars des Vitellius (hier RIC II,1² 86).

Gegen diese sympathische, wenn auch wohl zu banale Deutung wehrte sich Carré (1999), die jedoch ebenfalls einräumte, dass die Motivauswahl des Kaisers erklärungsbedürftig sei. Zwar war es natürlich nicht ungewöhnlich, sich religiöser Bilder zu bedienen, um Machtbestrebungen zu legitimieren, auch Carré hält jedoch fest, dass die Abbildung eines Dreifußes, zumal mit Delfin und Rabe, eher selten sei.66 Laut Carré müsse man davon ausgehen, dass Vitellius mit seinem Priesteramt „non pas le souvenir de bons repas“ betonte, sondern die „mention d’un programme qui lui tient à cœur et qui doit concerner l’État et la société romaine.“67 Dabei schlägt sie unter anderem sogar vor, dass der Rabe, der als Motiv in Gallien deutlich häufiger vorkomme als in Rom, Gemeinsamkeiten mit dem Raben in der Götterwelt der Kelten habe. Der in Germanien akklamierte Vitellius könnte somit auf eine interpretatio nordischer Religionen verweisen, die Annäherung an die am Rhein lebenden Völker würde zumindest stets mitschwingen.68 Stepper (2003) äußert sich zu den Prägungen nur dahingehend, dass Vitellius hier seine Mitgliedschaft im Fünfzehnmännerkollegium abbildete. Sie geht davon aus, dass Vitellius zu Beginn seiner Herrschaft seine Eignung als Prinzeps und hohes gesellschaftliches Ansehen ausdrücken wollte und dafür schlichtweg nichts anderes zu bieten hatte als die Mitgliedschaft bei den quindecimviri.69 Mit Sueton muss zumindest angenommen werden, dass Vitellius vor seinem Herrschaftsantritt durch Caligulas, Claudius’ und Neros Gunst bereits Mitglied in mehreren sacerdotia amplissima geworden war – welche auch immer dies waren.70 Meines Erachtens spricht nichts dagegen, dass das Dreifuß-Münzbild auch dann ausgewählt wurde, als Vitellius bereits andere Ehren vorzuweisen hatte. Bei genauerer Betrachtung kann für den spezifischen Zeitkontext eine

66 67 68 69 70

eingepflegt habe, wirft zahlreiche Fragen auf – beginnend mit der Nichtberücksichtigung der überarbeiteten Versionen der RIC, im Vorwort ohne jede Begründung ausgeschlossen. Carré 1999, 50–52. Carré 1999, 54. Carré 1999, 56–58. Stepper 2003, 56. Suet. Vit. 5.

72

2 Priesterämter und Kultwesen

besondere, über den sozialen Status, aber auch die religiöse Bedeutung des Amtes hinausgehende Wirkung des Motivs plausibel gemacht werden. Entscheidend für die Auswahl des Motivs war mit großer Wahrscheinlichkeit die Verbindung der quindecimviri zum Gott Apollo. Der Dreifuß und die quindecimviri waren auf besondere Weise mit dem Gott der Orakelkunst verbunden. Das Fünfzehnmännerkollegium war für den Apollo-Kult in Rom zuständig. 12 n. Chr. hatte der frisch ernannte pontifex maximus Augustus im Zuge seiner eigenen Anlehnung an den Gott verfügt, dass die sibyllinischen Bücher vom Jupitertempel in den des Apollo auf dem Palatin gebracht und unter den Füßen des Gottes aufbewahrt würden.71 Delfin und Rabe, die auf dem Münzbild noch über und unter dem Dreifuß hinzugefügt wurden, lassen keinen Zweifel daran, dass besonders deutlich auf den delphischen Gott hingewiesen werden sollte, wurden beide Tiere doch mit Apollo assoziiert.72 Während das Motiv „Rabe auf Dreifuß“ schon aus augusteischer Zeit belegt ist, gibt der Delfin zusätzlich zum auch im auguralen Kontext verwendeten Vogel eine noch eindeutigere „Lesehilfe“ für das Münzbild. Auf Vitellius’ Münzen geht es somit nicht nur um die bildliche Identifikation des Priesterkollegiums, sondern um die gezielte Betonung der Verbindung dieser Priester – und damit auch des Kaisers – zu Apollo. Aber weshalb? Von Coale (1971) durchgeführte Stempelstudien belegen, dass das XV VIRMotiv eine zentrale Botschaft in der Repräsentation des Vitellius transportieren musste: Mit 137 über vier Emissionen verteilten Reversstempeln fand Coale für diese Typen die höchste Anzahl von allen stadtrömischen Münzen des Vitellius. Das sind über 25 % der gesamten von Coale untersuchten Reversstempel von 937 stadtrömischen, vitellianischen Edelmetallmünzen. Die nächsthäufigsten Reversstempel gehören zum Typ mit sitzender CONCORDIA P R (21,2 %), gefolgt von Vesta mit Umschrift PONT MAXIM (14,6 %). Während das PONT MAXIMMotiv erst in der letzten Prägeserie dazukommt, scheint es dann in etwa das gleiche, und nicht etwa ein höheres Prägevolumen gehabt zu haben wie der parallel weitergeführte XV VIR-Typ.73 Steppers Vermutung, dass Vitellius die quindecimviri lediglich in Ermangelung eines höheren Priestertitels betonte, verliert somit an Plausibilität. Coale deutet den Münztyp deshalb zusammen mit der Concordia „of the Populus Romanus“ gar ganz abseits des religiösen Gehalts als „a rendering of primus inter pares: not a patrician, no long pedigree; merely a

71 72 73

Verbindung der quindecimviri zu Apollo: Liv. 10,8,2; Tib. 2,5,1; Obseq. 47; sibyllinische Bücher im Apollotempel: Suet. Aug. 31; Amm. 23,3,3. Zu Rabe, Dreifuß und auch Delfin beim „römischen Apollo“ siehe mit weiteren Beispielen aus der Archäologie Schmidt 2002, insb. 119–123; „Rabe auf Dreifuß“ auf einer Dreifußbasis im Louvre, Inv. MA 358, Abbildung und Besprechung bei Schmidt. Coale 1971, 125–126.

2.3 Vitellius’ Dreifuß mit Rabe und Delfin

73

consular and a xvvir.“74 Die Annahme, dass gerade ein noch immer sozial exklusives Priesteramt gezielt hervorgehoben worden sei, um Gleichheit und Volksnähe zum Ausdruck zu bringen, kann jedoch nicht überzeugen. Das Motiv ist in Edelmetall noch deutlich häufiger als Victoria, Jupiter und Libertas. Die zweithäufigsten, explizit auf das römische Volk bezogenen CONCORDIA P(opuli) R(omani)- und Vesta-Typen zeigen, dass auf Vitellius’ Silber und Gold vor allem eine Botschaft von Konsens, Tradition und Ruhe transportiert werden sollte. Vesta war für Vitellius in Tarraco und Lugdunum zudem mit der Legende VESTA P(opuli) R(omani) QVIRITIVM geprägt worden (RIC I², 33, 58–59, 60, 65), unzweifelhaft sollte das Motiv dabei die Verbindung zum römischen Volk und Vitellius als Beschützer seiner Traditionen darstellen. Für den hier besprochenen Münztyp muss meines Erachtens eine Deutung gesucht werden, die zu dieser beschwichtigenden Botschaft des Edelmetalls passt. In jedem Fall ist die Werbung für einen speziellen Priestertitel des Vitellius allein keine ausreichende Erklärung für die Prominenz des Motivs. Auch der Vorrang vor den im Zeitkontext so relevanten Concordia-Prägungen, die auch auf den stadtrömischen Bronzen der Monate zu finden sind, belegt, dass gerade dieses Münzmotiv die gewünschte Außenwirkung des Vitellius besonders gut transportieren konnte. Ein Teil der Erklärung ist zwangsläufig im religiösen Bereich zu suchen. Carré nimmt an, dass Vitellius Religion als ideologischen Deckmantel zur Legitimation seiner Herrschaft verwendete. Durch die Betonung der Verbindung zu Apollo als Gott der Mantik habe Vitellius „le caractère sacré du prince“ herausgestellt und seine Handlungen als Ergebnis einer privilegierten Verbindung zum „fils de Leto“ präsentiert, da sie somit keiner menschlichen, sondern göttlicher Inspiration entspringen würden.75 Das quindecimvirat sei als Bild für Vitellius gleichzeitig besonders passend, da die quindecimviri für die Inklusion neuer Elemente in das religiöse Leben verantwortlich waren und sich so eine Parallele zur gewünschten Akzeptanz seiner Usurpation ergäbe. Vitellius habe die anderen Priesterämter somit nicht unterschätzt, aber sei mit der Auswahl des Fünfzehnmännerkollegiums auf die Bedürfnisse der Zeit eingegangen.76 Im Kontext der Bürgerkriege und damit einhergehenden unsicheren Verhältnisse ergäbe insbesondere der Verweis auf die Orakelsprüche der Sibylle Sinn, da die Konsultation der sibyllinischen Bücher durch das Priesterkollegium ein wichtiger Mechanismus zur Bewältigung von Krisen und Gefahren für den römischen Staat war. Dazu passt, dass das Dreifußmotiv auch während der Bürgerkriege nach dem Tod Caesars auf Münzen verwendet wurde. Mehrere Typen der Münzmeister M. Aquinius, P. Cornelius Lentulus Spinther und L. Sestius für 74 75 76

Coale 1971, 241. Carré 1999, 54. Carré 1999, 58. Als Parallele nennt sie die Aufmerksamkeit, die Sulla dem Priesterkollegium zukommen ließ.

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2 Priesterämter und Kultwesen

Cassius und Brutus aus den Jahren 43–42 v. Chr. zeigen einen Dreifuß auf dem Revers. Konkrete Bezüge zu Apollo oder zur Sibylle fehlen jedoch, zudem wird der Dreifuß in unterschiedlichen Ausführungen abgebildet. Auf RRC 502/1, 2 und 5 umrahmen zusätzlich simpulum und Axt (2) bzw. apex (5)77 den Dreifuß als Opfergerät, der entsprechend auch nicht wie auf RRC 498/1 und 499/1 mit einem Deckel verschlossen ist. Der ganze antike Assoziationsrahmen des Bildes, zumal hier im östlichen Kontext, erschließt sich heute nicht mehr. Dass mit dem Münzbild auf ein entsprechendes Priesteramt des Cassius hingewiesen werden sollte, ist zwar möglich – da eine Legende fehlt, ein Dreifuß prominent auch für Brutus abgebildet wurde und beide Caesarmörder sonst keinen Wert auf die Herausstellung ihrer Priesterämter legten, ist diese Schlussfolgerung jedoch längst nicht über alle Zweifel erhaben.78 Der Bezug zu den sibyllinischen Orakelsprüchen in Rom bleibt ebenfalls unklar – zumal auf Münzen aus einer kleinasiatischen Prägestätte. Andere Münzbilder machen deutliche Ergänzungen in Bild und Legende, um den Bezug zur Sibylle, zum Gott der Mantik oder zum Priesteramt verständlich zu machen.79 Auch wenn die Anspielung auf die sibyllinischen Orakel in der römischen Münzprägung bis zu diesem Zeitpunkt nur ein einziges Mal zweifelsfrei nachzuweisen ist (RRC 411/1 in Bild und Text) und in der Kaiserzeit bis auf den hier besprochenen Fall nicht mehr vorkam, möchte ich dennoch nicht ausschließen, sondern sogar dafür plädieren, dass diese Bedeutungsebene im innovativen Münzbild des Krisenkaisers Vitellius durchaus mitschwang.80 Die besondere

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78 79

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Der apex auf RRC 502/5 scheint als Freiheitssymbol dazuzutreten, da im Vergleich zu RRC 502/1 das Porträt der Libertas auf dem Avers hier durch eine sella mit Getreidemaß ersetzt wurde (ebenso umgekehrt möglich). Dies beweist einmal mehr die Aufmerksamkeit, mit der auch im Detail darauf geachtet wurde, auf Münzen bestimmte Botschaften zu übermitteln. Siehe oben S. 57, Anm. 19. RRC 386/5 von 78 v. Chr. mit Kopf des Apollo auf dem Avers und Schlage um den Dreifuß auf dem Revers, sowie RRC 411/1 von 65 v. Chr. mit Abbildung der in der Legende benannten SIBYLLA auf dem Avers und Dreifußrevers. Eindeutige Krisenkontexte lassen sich hier jedoch nicht rekonstruieren, stattdessen spielt der Apollo-Typ des Münzmeisters M. Volteius wohl auf die ludi Apollinares an, da auch seine restlichen Typen mit Jupiter (RRC 385/1), Magna Mater (385/4) oder Ceres (385/3) auf großen im römischen Festkalender verankerten Spiele zu Ehren dieser Gottheiten verweisen (siehe Beard/North/Price 1998, 102). Auch die Sibylle-Prägung des L. Manlius Torquatus kann ebenso auf eine besondere Faszination des Münzmeisters mit den Orakeln, ein mögliches Priesteramt des Münzmeisters (so Crawford 1974, 439) als auch auf einen konkreten, nicht weiter überlieferten Vorfall zurückgehen, für den die Bücher zu Rate gezogen wurden. Mannsperger 1974, 963 geht gar davon aus, dass Vitellius in den sibyllinischen Büchern etwas über „seine eigene historische Sendung“ gefunden hatte und mit dem Münzbild propagierte. In diesem Fall wäre es jedoch mehr als verwunderlich, warum uns dieser sogar auf Münzen publik gemachte Aspekt von den antiken Autoren, gerade von Sueton mit seiner Vorliebe für Omen und Orakel, nicht im Ansatz überliefert wurde.

2.3 Vitellius’ Dreifuß mit Rabe und Delfin

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Stärke des Bildes lag meines Erachtens aber in seiner Mehrdeutigkeit, die verschiedene Interpretationen zuließ. Wie bereits dargelegt wurde und in Kapitel 2.4 für die Rolle des pontifex maximus noch gezeigt wird, gehe ich ohnehin davon aus, dass Priesterämter auf Münzen nicht allein oder primär auf einer religiösen Ebene, sondern auf der gesellschaftlich-sozialen Ebene kommunizieren sollten. Im Zeitkontext bietet sich zusätzlich zu den erwähnten noch eine weitere Deutung des Motivs an, die dessen prominente Rolle in der Münzprägung des Vitellius weiter erhellen kann. Ich gehe davon aus, dass Apollo in der Münzbotschaft lediglich eine weitere Mittlerfunktion einnahm und das zunächst unpolitisch erscheinende Münzmotiv in Wirklichkeit auf denjenigen anspielte, der dem Gott zuletzt eine besonders prominente Rolle zugewiesen hatte: Nero. Ein sehr häufiger As-Typ zeigte Apollo oder, wie Sueton später überzeugt ist, Nero selbst als Kitharöden (u. a. RIC I² 73– 83, Abb. 12).81 Das öffentliche Wetteifern und der Vergleich des Kaisers mit dem Gott ist zuverlässig und mehrfach belegt.82 Das Priesterkollegium der quindecimviri war mit der Durchführung der Spiele zu Ehren des Apollo und seinem Kult betraut. Die verwunderliche Betonung des einzelnen Priesteramts, das in der Grobübersicht kaum eine herausragende Rolle spielte, kann in einem ersten Schritt auch damit erklärt werden, dass dem Gremium durch die Verbindung zu Apollo seit Nero gesteigerte Aufmerksamkeit und Bedeutung zugekommen sein muss. Der Verweis auf die quindecimviri war somit im spezifischen Zeitkontext vermutlich wirkungsmächtiger als gedacht. Darüber hinaus halte ich es aufgrund der vielfach greifbaren Dominanz der Apollo-Thematik in Neros Darstellung, gerade im Medium Münze, für nahezu ausgeschlossen, dass die Verbindung zum letzten Julio-Claudier von den Zeitgenossen nicht hergestellt wurde. Noch dazu überliefert Cassius Dio explizit, dass Neros Münzen unter Vitellius nicht eingezogen wurden, wie es sonst wohl zumindest nicht unüblich war.83 Die neronischen Apollo-Bilder, gerade auf den großformatigen Bronzen im alltägli-

Abb. 12: 81 82 83

Kitharöden-As des Nero (Revers, hier RIC I² 380).

Suet. Nero 25,2. Suet. Nero 25; 39,2; Dio. 62,20,5; Ps.-Lukian Nero 2. Dio. 64,6,1; vgl. Einschmelzen der Bronzeprägungen Caligulas: Dio. 60,22,3.

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2 Priesterämter und Kultwesen

chen Gebrauch, waren also parallel zu den neuen Münzen des Vitellius noch präsent. Im Folgenden lege ich dar, warum die Verbindung zu Nero durchaus beabsichtigt gewesen sein kann und die Concordia-Thematik in der Münzprägung des Vitellius passend ergänzte. Da das Dreifußmotiv ausschließlich auf Edelmetallen und gerade auch in Gold verwendet wurde, könnte angenommen werden, dass sich auf den Münzen Vitellius’ Kommunikation mit höhergestellten Kreisen spiegelt, die zu Beginn seiner Herrschaft Gold- und Silbermünzen als Sold oder Geldgeschenk erhielten.84 Auch wenn diese Zielgruppe keinesfalls exklusiv gewesen sein kann, ergibt das Motiv für sie besonders Sinn: Vitellius stand nach seinem Sieg vor der Herausforderung, auch die Anhänger von Neros Jugendfreund Otho in Militär und Senat für sich einzunehmen, ohne deren Gegner zu verschrecken. Cassius Dio betont den offenbar bewusst milden und deshalb bemerkenswerten Umgang des Vitellius mit den Anhängern seiner ehemaligen Gegner: „[…] und alle die Geschenke, die [Nero, Galba und Otho] gewissen Leuten gemacht hatten, ließ er unangetastet und nahm keinem wieder etwas ab. Er trieb auch keine Steuerreste ein und konfiszierte niemandes Vermögen. Ebenso ließ er nur ganz wenige Anhänger Othos hinrichten und nahm in solchen Fällen deren Vermögen den Angehörigen nicht ab. Den Verwandten früher einmal Hingerichteter gab er alles zurück, was sich von ihrem Besitz noch im Staatsschatz vorfand. Ja nicht einmal gegen die Testamente jener, die gegen ihn gekämpft hatten und in den Schlachten gefallen waren, erhob er Einwände.“85

Cassius Dios Bericht gibt einen Einblick in die direkten und indirekten Repressalien, die aristokratische Familien bei einem Machtwechsel treffen konnten. Auch wenn viele der Anhänger Neros bereits bestraft worden waren, gab es offenbar noch immer zahlreiche Vertreter der involvierten Familien, denen gegenüber der neue Kaiser Milde walten ließ oder sie sogar entschädigte. Die Reintegration jener aristokratischen Gruppen, die sich in den Machtkämpfen verspekuliert hatten, und vor allem der Militärs auf der ja nicht restlos besiegten Seite Othos86 84 85

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Auf niedrigen Nominalen lässt Vitellius in Rom Sieges- und Friedensbotschaften in Form von Gottheiten prägen und stellt u. a. mit Ceres und Annona die Sicherung der Getreideversorgung in den Vordergrund. Dio. 64,6,1–3 (Zon. 11, 16 p. 488, 7 – 19 B.): […] καὶ ὅσα τισὶν ἐδεδώρηντο ἐφύλαξε, μηδένα μηδὲν ἀφελόμενος. καὶ οὔτε τὰ ἐκ τῶν συντελειῶν ἐποφληθέντα ἀπῄτησεν οὔτε οὐσίαν τινὸς ἐδήμευσεν, ὀλίγους μὲν πάνυ τῶν τὰ Ὄθωνος πραξάντων ἀποκτείνας, μηδὲ τὰς ἐκείνων μέντοι οὐσίας τοὺς προσήκοντάς σφων ἀποστερήσας. καὶ τοῖς οἰκείοις δὲ τῶν πρότερόν ποτε θανατωθέντων ἐδωρήσατο πάντα ὅσα ἔτι ἐν τῷ δημοσίῳ εὕρητο. ἀλλ᾽ οὐδὲ τὰς διαθήκας τῶν ἀντιπολεμησάντων αὐτῷ καὶ ἐν ταῖς μάχαις πεσόντων ᾐτιάσατο. Übers. Veh. Für solche glimpflichen Seitenwechsel gibt es zahleiche Beispiele, so die Konsulare C. Suetonius Paulinus (Tac. hist. 2,60,1), Appius Annius Gallus (Tac. Hist. 1,87; 2,44; 4,68; 5,19; Plut. Otho 5; 13), Vespasians Bruder T. Flavius Sabinus (Tac. Hist. 2,51) und der am Ende seiner Karriere dreifache Konsul L. Verginius Rufus (Tac. hist. 2,51; 3,68,4; Plut. Galba 10; zu dessen beeindruckenden Karriere siehe Schuster 1958, 1536–1543. Auch der unter Nero aufgestiegene Politiker und Dichter Silius Italicus gehört zu den „Reintegrierten“ (Plin.

2.3 Vitellius’ Dreifuß mit Rabe und Delfin

77

dürfte maßgeblich zur Herstellung des inneren Friedens beigetragen haben. Vitellius, der Rom zuletzt in geringem Ansehen und hochverschuldet in Richtung Untergermanien verlassen hatte,87 konnte sich auf diese Weise dringend benötigte Loyalitäten sichern. Gerade in den ersten Tagen und Wochen nach Amtsübernahme muss man in Rom nervös darauf gewartet haben, wie sich der neue Kaiser gegenüber den verschiedenen Gruppen verhalten würde. Dass sich die Vitellianer dieser sensiblen Lage von Beginn an bewusst waren, beweisen die noch zu Lebzeiten Othos aus Spanien georderten Münzen aller Metalle, welche auf dem Revers die CLEMENTIA IMP GERMANICI beschworen (RIC I² 1–3, 17–18, 39). Die Gottheit Clementia ist dabei ebenso wie das Dreifußmotiv eine innovative Typenschöpfung für Vitellius, die in späteren historischen Kontexten kaum noch verwendet wurde. In Rom selbst setzte man nun ein noch ausgefeilteres Münzbild ein, um die Herrschaft des Vitellius über politische Gräben hinweg anschlussfähig zu machen. Die subtile Bezugnahme auf Nero war dabei gerade für Geldempfänger in den höheren Rängen des Militärs geeignet, die dorthin von Nero befördert worden waren. Auch wegen seiner Unternehmungen und Pläne für weitere Feldzüge im Osten dürfte sich der letzte Julio-Claudier einiger Beliebtheit bei den Soldaten erfreut haben. Während der Rebellion des Vindex und Galbas hatten Teile der Armee, allen voran die drei Legionen unter Lucius Verginius Rufus in Germanien, loyal zu Nero gehalten. Der äußerst geachtete Verginius hielt sich unter Otho und zu Beginn der Herrschaft des Vitellius als zum zweiten Mal amtierender Konsul in Rom auf.88 Die schwierige Personalpolitik der Zeit lässt sich für das Militär durch die laut Tacitus überfüllte und zusammengewürfelte Prätorianergarde illustrieren,89 die zudem sicherlich ein größeres Geldgeschenk erhielt. Die problematisch große Anzahl und Heterogenität der Prätorianer unter Vitellius belegt, dass der neue Kaiser versuchte, es möglichst vielen Beteiligten gerade im Militär recht zu machen. Tacitus berichtet außerdem von largitiones an die über Italien verteilten, unruhigen und teils feindseligen Legionen, deren Größe Vitellius noch zu beschränken versucht habe, damit die Finanzmittel ausreichten.90 Angesichts der leeren Kassen, der schnell aufgenommenen Prägetätigkeit und

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epist. 3, 7, 1–2; Tac. hist. 3,65). Bezeichnend ist, dass Tac. hist. 2,60,1 zwar von der Hinrichtung einiger othonischer Zenturionen berichtet, zahlreiche gerade höherrangige Militärs den Machtwechsel jedoch überstehen. Suet. Vit. 7. Zu L. Verginius Rufus siehe oben S. 76, Anm. 86; Dio. 63,24–25; Pläne für weitere Kampagne im Osten: Tac. hist. 1,6,2; Dio. 63,10,1 merkt kritisch an, dass die Soldaten Neros Auftritte positiv aufnahmen. Tac. hist. 2,93,1; 94,1. Tac. hist. 2,66,1; Geldspenden: 62,1. Laut Suet. Vit. 15,1 gab der Kaiser aus Staatsmitteln und seinem eigenen Vermögen auch noch einmal viel Geld aus, nachdem Heere zu Vespasian überliefen und er ein Heer in der Hauptstadt rekrutierte.

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2 Priesterämter und Kultwesen

der gezielten Versöhnungsprogrammatik auf den Münzen des Vitellius kann davon ausgegangen werden, dass bei den Zahlungen an das Militär von Rom aus frische Münzen mit den XV VIR- und Concordia-Typen zum Einsatz kamen. Das Münzbild war insofern eine kluge Wahl, weil es die Beziehung zu Nero auf einer politisch unproblematischen Ebene vermittelte. Besonders geschickt war, dass Vitellius es vermied, sich durch eine Abbildung des Gottes selbst, wie auf Neros Münzen, allzu nah an diesen heranzurücken, sondern er den Umweg über ein altehrwürdiges Priestertum wählte. So wurde Kontinuität und Wertschätzung kommuniziert und dennoch eine andere, betont traditionelle Perspektive eingenommen. Die Botschaft war verständlich, aber für beide Seiten unproblematisch. Den ehemaligen Anhängern Neros, von denen sich viele unter Otho wieder sicher gefühlt hatten, konnte hier suggeriert werden, dass sie von einem Kaiser Vitellius nichts zu befürchten hatten.91 Dazu passt, dass Vitellius’ Umgang mit dem Erbe der julisch-claudischen Dynastie auch in anderen Punkten ambivalent war: Während er zunächst den Caesar-Titel zurückwies und somit keine verwandtschaftlichen Beziehungen suggerieren wollte, führte er gleichzeitig prominent den Beinamen Germanicus und zeigte so, dass er eine Anknüpfung an die Julio-Claudier – und dabei gerade deren letzten Vertreter – durchaus beabsichtigte.92 Wie Sueton berichtet, ließ Vitellius für den in weiten Teilen der plebs noch recht beliebten Nero ein Begräbnis ausrichten, schätzte und lobte laut Cassius Dio dessen sämtliche Einrichtungen, ahmte Nero nach und opferte dessen Manen.93 Vitellius’ Bemühen um die Übernahme des neronischen Charismas kommt auch darin zum Ausdruck, dass er sich Lieder Neros vortragen ließ.94 Dass eine Priorisierung des Gottes Apollo Teil des entsprechenden Programms war, ist naheliegend und lässt sich auch dadurch unterstreichen, dass Vitellius den Tempel des Apollo als Ort für die Verhandlungen mit Flavius Sabinus im Vorfeld seiner vermutlich inszenierten Abdankung auswählte.95 Vitellius’ Betonung des Priesteramtes kann somit auch als Teil der persönlichen Anknüpfung an Nero gewertet werden und als Versuch, eine entsprechende Kontinuität 91

92 93 94 95

Otho, der sich von Nero ohnehin nicht glaubhaft distanzieren konnte, hatte dessen Bildnisse wieder aufstellen lassen: Suet. Otho 7. Blamberg 1976, 18–19 meint eine bewusst vorsichtige ikonografische Anlehnung Othos an Nero zu erkennen: Der Denartyp mit Otho mit Speer zu Pferde (RIC I² 22), ähnlich Neros DECVRSIO-Reversen (vgl. RIC I² 103–108), und die Lockengestaltung des Porträts „afforded the opportunity to those so inclined to see him as Nero’s successor.“ Zur Anlehnung an Nero bei Otho und Vitellius als „moyen sûr d’obtenir l’appui de la plebe romaine“ siehe Carré 1999b, hier 181. Vitellius’ vorsichtigen Umgang mit dem Senat betont Richter 1992, 115–118 anhand dessen mehrfacher Ablehnung des Augustus-Titels. Ablehnung des Caesar-Titels: Plut. Galba 22,11; Suet. Vit. 8,2; Tac. Hist. 1,62,2; 2,62,2; vgl. Richter 1992, 105–109. Suet. Vit. 11,2; Dio. 64,4,1; 64,7,3. Suet. Vit. 11,2. Tac. hist. 3,65. Zur Abdankung des Vitellius siehe kompakt Pfeiffer 2009, 11–12.

2.3 Vitellius’ Dreifuß mit Rabe und Delfin

79

auf religiöser Ebene zu kommunizieren. Durch die Abbildung seines Priesteramtes – und eben nicht des Gottes oder Neros selbst – ließ Vitellius seine pietas und damit seine persönliche, loyale Verbindung zum Verstorbenen betonen, dessen Nachfolge er beanspruchte. Die religiöse Ebene und vor allem der Verweis auf ein altes, republikanisches Priesteramt war optimal geeignet, um zu kommunizieren, was auf einer direkteren, politischen Ebene problematischer gewesen wäre. Das Dreifußmotiv ist somit Überrest einer kurzen, in der Gesamtschau der nerofeindlichen Historiografie schnell übersehenen Zeit, in der man sich auch nach dem Tod Neros mit der Erinnerung an ihn beliebt machen konnte. Gleichzeitig zeigen die Münzen, wie die Anknüpfung an Nero positiv möglich war: mittels der Kohäsionskraft religiöser Traditionen. Gehen wir davon aus, dass die Aussage einer Wertschätzung Neros durch die Abbildung des Dreifußes für das zeitgenössische Publikum verständlich war – und um das Verständnis hatte man sich durch Hinzufügen von Delfin und Rabe meines Erachtens bestmöglich bemüht –, so liegt der Verdacht nahe, dass man sich für Vespasians Münzprägung umgekehrt bemühte, sich beim Verweis auf die Priesterfunktion des Kaisers von Vitellius und damit Nero abzugrenzen.96 Die Entscheidung, gerade das angesehene Augurenamt hervorzuheben, das vergleichsweise unspezifisch auf Sicherheit und Wohlergehen Roms hinwies, kann in diesem Kontext auch als Kontrast zur so prominenten Bevorzugung des quindecimvirats durch Vitellius gesehen werden. Eine weitere Detailbetrachtung soll hier zumindest erwähnt werden: Im Münzbild, das Vespasian von Caesar übernahm, sind für die quattuor amplissima collegia neben simpulum und lituus Krug und aspergillum abgebildet, statt Dreifuß und patera wie noch bei Augustus und Claudius. Diese wieder „neue“, flavische Kombination zur Abbildung der Priesterkollegien wird von Trajan übernommen. Später tritt ein Messer hinzu, der Dreifuß, wenn auch wieder einzeln in Reversbildern des Titus und Domitian, kehrt jedoch nie in die Kombination der Priestergerätschaften zurück. Von nun an werden die quindecimviri im Münzbild nicht mehr durch ihre Verbindung zu Apollo identifiziert. Was unter Vespasian als inhaltliche Entscheidung zur Abgrenzung vom Vorgänger plausibel gemacht werden kann, wurde später wohl aber vor allem aufgrund der Bekanntheit des weit verbreiteten vespasianischen Münztyps in dieser Ausgestaltung übernommen. Sollte die prominente Abbildung eines Dreifußes unter Vespasian tatsächlich bewusst vermieden worden sein, so war das Motiv spätestens unter seinen Söhnen

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Zum bestimmten, aber in Teilen vorsichtigen Umgang der Flavier mit der Erinnerung an Vitellius, der noch immer eine Identifikationsfigur für Teile der Bevölkerung dargestellt habe, siehe Leithoff 2014, 29–41; Vorschläge für noch deutlich subtilere Versuche der Abgrenzung von Vorgängern finden sich bei Ramage 1983, 201–214, so habe etwa Galba „carefully“ Annona vermieden, da diese von Nero genutzt worden war (208), und Vespasian habe die Roma Renascens und Roma Restituta von Galba nicht aufgegriffen, weil Vitellius sie abgewandelt verwendet hatte (212).

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2 Priesterämter und Kultwesen

aber wieder rehabilitiert: Aurei und Denare des Titus zeigen in einer Motivgruppe, die nach dem Ausbruch des Vesuvs mit der Abbildung göttlicher Attribute auf rituellen Polstern die Besänftigung der olympischen Gottheiten festhielt, für Apollo den Dreifuß mit Delfin (RIC II,1² 126–132).97 Unter Domitian wird das Motiv bis 82 n. Chr. weitergeführt und auch Apollo selbst, dessen Tempel in Delphi der Kaiser 84 n. Chr. restaurieren ließ,98 findet als Büste, wenn auch wenig prominent lediglich auf Kleinbronzen (RIC II,1² 311–312), wieder seinen Platz.

2.4

Selbstverständlichkeit statt Profilierung – Beobachtungen zur Verwendung des Oberpontifikats

Die auffälligste, weil am besten dokumentierte Veränderung religiöser Strukturen von Republik zu Kaiserzeit ist die Personalunion von Kaiser und pontifex maximus. Unter Augustus wurde das Amt insbesondere durch die Verlegung der Residenz des pontifex maximus in das Haus des Kaisers auf dem Palatin wie auch die Weihung eines Schreines für Vesta dort untrennbar mit dem Kaiser verknüpft.99 Bereits in der Republik war es Usus, dass wichtige Politiker auch die wichtigen Priesterämter hielten.100 Dass der Kaiser auch pontifex maximus war, wird die Römerinnen und Römer somit von Beginn an wenig überrascht haben. Im Gegenteil beschreiben unsere Quellen ein regelrechtes gesellschaftliches Bedürfnis, Augustus diesen Priestertitel anzutragen und die politische Realität auch in Form religiöser Autorität abzubilden.101 Die kurz regierenden Kaiser Pupienus und Balbinus nahmen 238 n. Chr. sogar beide gleichzeitig den Oberpontifikat an.102 Das höchste Priesteramt des Kaisers ist in literarischen, epigrafischen, archäologischen und numismatischen Quellen präsent. Vielfach, besonders von Stepper (2003), wurde deshalb behauptet, dass das Amt des pontifex maximus für den Kaiser eine charismatische Bedeutung gehabt habe, gar „maßgeblich“ für

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Allerdings ohne Rabe und mit anderer Schmuckgestaltung; siehe zur Motivgruppe Mattingly 1930, lxxii–lxxiii; andere Typen der Gruppe zeigen u. a. Anker und Delfin (Neptun) oder den Herrscherblitz (Jupiter) bzw. einen Helm (Minerva) auf pulvinar. 98 ILS 8905; 79–80 n. Chr. hatte sich bereits Titus zum Archon in Delphi wählen lassen, siehe SIG³ 817. 99 Siehe dazu etwa Beard/North/Price 1998, 189–191. 100 Siehe dazu Szemler 1972, insb. 179–182. 101 R. Gest. div. Aug. 10,2; Dio. 49,15,3. 102 HA Max. et Balb. 8,1; ILS 496.

2.4 Beobachtungen zur Verwendung des Oberpontifikats

81

die „strukturelle Umgestaltung des Prinzipats“ und „von substanzieller Bedeutung […] für das römische Kaisertum“ gewesen sei.103 Stepper schließt sich in ihrer Einschätzung des Oberpontifikats Lily Taylor an, die bereits 1931 ausführte, wie ihrer Meinung nach Gaius Julius Caesar das Amt als Erster nutzte, um sich eine sakrale Aura zu verschaffen, und die den pontifex maximus „religious head of the state family“ nennt.104 Taeger (1960) kritisierte hingegen, dass Taylor seiner Meinung nach die Bedeutung der allen Kaisern übertragenen charismatischen Elemente des Oberpontifikats „überschätze“: „[G]erade bei diesem Priestertum“ müsse man „vornehmlich die politische und gesellschaftliche Seite sehen“.105 Dass das Amt als pontifex maximus den Kaiser offiziell zu einem unumgänglichen „keystone of the religious system“106 machte und deshalb attraktiv war, soll hier gar nicht weiter ausgeführt werden. Festhalten möchte ich jedoch, dass der pontifex maximus längst nicht über alle religiösen Aktivitäten in Rom bestimmte.107 Mit den Auspizien, der Inauguration von Orten und Priestern sowie der Omendeutung waren wichtige Aufgabengebiete des rituellen Alltags anderen Priesterkollegien vorbehalten, wobei der pontifex maximus vornehmlich eine koordinierende und kontrollierende Funktion hatte.108 Ihn grundsätzlich als religiöses Oberhaupt zu begreifen, ist meines Erachtens Folge einer anachronistischen Vorstellung von zentralisierten, hierarchischen religiösen Institutionen, wie es sie in Rom nicht in diesem Maße gab. Wie an den Münzen zu zeigen sein wird, wird die Bewertung des Oberpontifikats durch die enorme politische Entscheidungsmacht seines kaiserlichen Trägers möglicherweise verzerrt. Insbesondere der vielbesprochene Sonderfall Caesar, der sich mit großer Risikobereitschaft zuerst zum pontifex maximus wählen ließ und später in höhere politische Ämter berufen wurde, mag hier irreführend sein. Für religiöse Innovation und Neuordnung war das Amt eher ungeeignet, war es doch die zentrale Aufgabe des Pontifikalkollegiums, gerade die Einhaltung und Beibehaltung alter Vorschriften zu überwachen. Während die Kaiser auch als hohe Beamte Einfluss auf den

103 Stepper 2003, 16, 66, 113; vgl. auch bereits Stepper 1999, 183: „konstitutiv bei der Etablierung der neuen Staatsform“. 104 Taylor 1931, 245; ähnlich Lacey 1996, 180; Manders 2012, 140–141 schließt sich Stepper und Taylor an („head of the Roman state religion“); vgl. auch Price 1996, 827. Nicht zu vergessen ist, dass vor Caesar bereits Ende des dritten Jahrhunderts v. Chr. Publius Licinius Crassus Dives, noch nicht einmal Ädil, vermutlich mit erheblichen Geldmitteln (Plin. nat. 21,6), seine Wahl zum pontifex maximus gegen ältere und angesehenere Kandidaten durchgesetzt hatte. 105 Taeger 1960, 59, Anm. 42. 106 Beard/North/Price 1998, 192. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Funktion und Rolle des Pontifikalkollegiums und des Oberpontifikats liefert van Haeperen 2002. 107 So etwa Ziegler 1979, 1047; auch Jacques/Scheid 1998, 42. 108 Vgl. beispielsweise Tiberius’ kontrollierendes Eingreifen beim Fehlverhalten eines quindecimvirn bei Tac. ann. 6,12.

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2 Priesterämter und Kultwesen

religiösen Bereich nehmen konnten,109 beziehen sich Handlungen, die einzelne Kaiser eindeutig als pontifex maximus durchführten, eher auf traditionelle Aufgabengebiete der pontifices wie die Bestellung eines flamen Dialis, die Aufsicht über die Vestalinnen oder das Gräberwesen.110 Dass der Oberpontifikat seinen Träger keinesfalls zum Herrn aller sakralen Dinge in Rom machte, zeigt auch eine Episode bei Livius, in der die Rolle des pontifex maximus bei einer Tempelweihung allein darin bestand, die Formel vorzusprechen – hier wurde der Priester gar noch auf Beschluss einer Volksversammlung dazu genötigt – während die Weihung selbst mit Konsuln oder amtierenden Feldherrn hohen politischen und gar militärischen Amtsträgern vorbehalten war.111 Anders als in der Republik umging der Kaiser diese Einschränkung der priesterlichen Kompetenz selbstverständlich – ausschlaggebend hierfür waren jedoch seine gleichzeitigen politischen Vollmachten, nicht der Oberpontifikat. Durch die hervorgehobene Führungsrolle im Pontifikalkollegium eignete sich der Oberpontifikat zwar besser als andere mehrfach vergebene Priestertitel, um die Sonderstellung des Kaisers zu kommunizieren, die eigentlichen Aufgaben des pontifex maximus blieben jedoch die eines religiösen Spezialisten.112 Dass der Oberpontifikat dem Kaiser im Staat die gleiche Macht verlieh, die der paterfamilias in der Familie hatte, so Lacey (1996), ist zu bezweifeln – zumal diese Führungsrolle separat durch den Ehrentitel pater patriae kommuniziert wurde.113 Anders als etwa der für regelmäßige, öffentliche Opfer zuständige flamen Dialis konnte sich der pontifex maximus auch problemlos für längere Zeit außerhalb Roms aufhalten. Allein diese Regelung stellt eine Deutung als „high priest of all the gods“ und zentraler Zuständiger für „the relations of Romans with their state gods“ in Frage.114 Auch wenn das Priesteramt des Kaisers regelmäßig in Inschriften und Münzlegenden aufgenommen wurde,115 ist die Verwendung des pontifikalen Aspekts 109 Vgl. Musiał 2014, 100–101. 110 Flamen dialis: Tac. ann. 3,58–59; Tac. ann. 3,71,2, wobei Tiberius hier gar nur ein decretum pontificum zum Thema verliest; Dio. 59,13,1; Tac. ann. 4,16, hier auch gleich zu den Vestalinnen: Tac. ann. 2,86; Tac. ann. 11,32,2; Suet. Dom. 8,3–4; Plin. epist. 4,11; die Verbindung des pontifex maximus zu den Vestalinnen wurde auch verwendet, um es für Zeitgenossen umso schändlicher klingen zu lassen, dass Nero die Vestalinnen bei Wettkämpfen von Athleten zusehen ließ und eine von ihnen gar vergewaltigt habe: Suet. Nero 12,4 und 28,1; Gräberwesen: Suet. Dom. 8,5; Plin. epist. 10,68–69. 111 Liv. 9,46,6–7. 112 Dass dem pontifex maximus keine beamtenähnlichen Befugnisse zukamen und er auch keine Oberaufsicht über alle Priester führte, hat Bleicken 1957 in Auseinandersetzung mit Mommsen herausgearbeitet. 113 Lacey 1996, 181. Zum pater patriae siehe unten S. 87–88 mit Anm. 125 und 126 und S. 107– 108. 114 Taylor 1931, 60. 115 Bildnisse des opfernden Kaisers weisen nicht zwangsläufig auf dessen Priesterrolle hin, siehe unten S. 96, Anm. 150.

2.4 Beobachtungen zur Verwendung des Oberpontifikats

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Kommunikationsfunktion abhängig. In Inschriften wird der Kaiser fast durchgängig auch als pontifex maximus betitelt. Dabei stehen Inschriften in unterschiedlichen inhaltlichen wie regionalen Kontexten, wurden von unterschiedlichen Autoritäten gesetzt und sind gerade in Bezug auf die Kaisertitulatur von deutlich formelhafterem, bürokratischem Charakter.116 Sehr häufig führen sie die vollständige Titulatur des Kaisers. Nicht selten handelt es sich zudem um Weihinschriften, in denen die Erwähnung des kaiserlichen Priesteramtes schon deshalb mehr Sinn ergibt. Münzen aus den zentralen Prägestätten hingegen reagierten schnell auf Wechsel der Titulatur117 und verwendeten in der Regel kürzere Zusammenstellungen der Namen, Ehren und Ämter, die in der Legende auf das für die kaiserliche Autorität Wesentliche reduziert wurden. Das zuverlässigste Gesamtbild für die Bedeutung des Oberpontifikats bei der Repräsentation kaiserlicher Autorität bieten somit wiederum Münzen. Der Verweis auf Priesterämter hatte dabei, wie oben bereits besprochen, seinen Platz in der einleitend mit Noreña/Ellul „integration propaganda“ genannten Festigung bestehender Werthaltungen – gerade bei Kaisern, die nach Umbruchsphasen wieder Vertrauen in die Stabilität der Herrschaft aufbauen mussten. Während die Priestergerätschaften jedoch nur unregelmäßig überhaupt im Münzbild auftauchen, ist die Priesterrolle des Kaisers in den Münzlegenden überwiegend präsent. Die häufige Nennung des Oberpontifikats in der Kaisertitulatur auf Münzen ist bereits oft bemerkt und verwendet worden, um die Bedeutung des Amtes zu illustrieren. Stepper (2003b) meint gar, dass die „dauerhaft[e]“ Propagierung des Titels „ohne Unterbrechung“ sich nur durch eine „integrale[ ]“ Bedeutung für das Kaisertum und reichsweite Zuständigkeit des pontifex maximus erklären lasse.118 Dass der Titel „fortwährend seit Augustus in der Kaisertitulatur geführt“ wurde und der Kaiser Mitglied der vier höchsten Priesterkollegien war, legt für sie nahe, „daß die Position des Kaisers als Priester von eminenter Bedeutung für die Definition des Kaisertums war.“119 Eine systematische Untersuchung der Verwendung des Oberpontifikats in Münzlegenden der Reichsprägung ist dabei bisher ausgeblieben. Mit dem „pontifikalen Aspekt römischer Münzen“ beschäftigte sich explizit Büsing (1997), der jedoch bereits die eigentlich ungewöhnlich ausführliche Legende „PONTIF MAXIM“ bei Tiberius „stereotyp“ nennt und es bei der Feststellung belässt, dass die Abbildung pontifikalen Geräts und die Nennung des Amtes auf Münzen das zeit- und anlasslose „Versprechen“ der Kaiser ausdrücken würden, „als politisch verantwortliche Träger der Macht die religiöse Ordnung im Staat […] zu beachten, zu sichern und gegen Veränderungen zu bewahren.“120 116 117 118 119 120

Vgl. Hekster/Claes 2014 mit einem Fallbeispiel zu Wechseln in der Darstellung Neros. Vgl. Wolters 1999, 67–68 zu einem Titulaturwechsel zu Herrschaftsbeginn des Claudius. Stepper 2003b, 162. Stepper 2003, 16. Büsing 1997, 37, 45.

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Ich möchte die Frage nach der Bedeutung des Oberpontifikats noch einmal systematisch anhand der numismatischen Überlieferung angehen: Was sollte dieser hervorgehobene Priestertitel in Bezug auf die kaiserliche Autorität kommunizieren? Ich behaupte, dass sich auch hier eine eher geringe repräsentative Bedeutung des Priesteramtes feststellen lässt. Im Folgenden werde ich argumentieren, dass die Priesterrolle mehr ein persistenter, weil selbstverständlicher, als ein bedeutender und machtpolitisch nutzbarer Aspekt der kaiserlichen Autorität war. Zunächst habe ich dafür erfasst, auf wie vielen Münztypen, die den Kaiser zeigen, das Amt jeweils fehlt. Der quantitative Überblick weist zwar auf erklärungsbedürftige Ausbrecher hin, im Detail zeigt sich jedoch, dass die repräsentative Bedeutung des Titels für den einzelnen Kaiser nicht so sehr anhand der Häufigkeit seiner Nennung, sondern besser anhand deren Qualität zu bewerten ist. In einem zweiten Schritt sind somit vor allem die Typen wichtig, auf denen das Amt durch eine ausführlichere Schreibweise, eine exponierte Stellung oder ein passendes Münzbild betont wurde. Sicherlich kann argumentiert werden, dass in Bezug auf die Kaisertitulatur nicht für jede neue Emission immer penible Vorgaben von zentraler Stelle ausgegeben wurden. Die Gestaltung der Kaisertitulatur auf Münzen wechselte unter verschiedenen Kaisern, teils aber auch innerhalb einzelner Jahre, zwischen strenger Formelhaftigkeit und scheinbarer Willkür. Die Variationen, beispielsweise die sechs verschiedenen Abkürzungsformen für den Oberpontifikat unter Nero,121 sprechen deutlich dafür, dass minimalen Unterschieden wohl weniger Bedeutung beizumessen ist. Stempelschneider hatten durchaus kleinere Freiheiten in Gestaltung und Verteilung der Legenden. Dies macht die hier getroffenen Beobachtungen jedoch nicht weniger gültig, wird man sich doch bei der Titulatur, sofern keine Vorgabe geliefert wurde, inhaltlich am aktuellen öffentlichen Bild des Kaisers orientiert und die Elemente aufgenommen haben, die prominent kommuniziert und als zentral wahrgenommen wurden. So lässt sich über die Häufigkeit der Nennungen und gerade die Umstände ihres Wegfalls durchaus schlussfolgern, wie präsent und unumgänglich der Priestertitel für die kaiserliche Repräsentation war. Ein erster Überblick beweist die Häufigkeit des Amtes in der Münzlegende, ohne dabei zu differenzieren, ob der Oberpontifikat lediglich in Kurzform P M oder in prominenterer Form aufgeführt wurde (Abb. 13). Nicht mitgezählt sind Typen, welche die Titulatur des amtierenden Kaisers gar nicht aufführen, da sie etwa für Mitglieder der kaiserlichen Familie geprägt wurden. Insbesondere bei Vespasian fällt so eine große Anzahl der Fürprägungen für Titus und Domitian weg. Auch alle Typen des Augustus, die eindeutig vor dem Amtsantritt 12 v. Chr. geprägt wurden, habe ich ausgenommen. Für Galba und Vitellius, wo die Grenze wegen der kurzen Regierungszeit schwieriger zu ziehen ist, sind die Typen vor Amtsantritt mitgezählt, der niedrige Wert ist hier deshalb nicht überraschend. 121 P M, P MAX, PONTIF MAX, PONTIF MA, PON MAX, PON MA.

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Abb. 13:

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Prozentualer Anteil aller Münztypen eines Kaisers mit Nennung des Oberpontifikats in der Münzlegende.

Otho habe ich wegen der zu geringen Typenanzahl komplett ausgenommen. So ist letztlich vor allem der deutliche Rückgang unter Vespasian und Domitian verwunderlich, nachdem unter den Julio-Claudiern P M offenbar ein stabiler Teil der Titulatur geworden und unter den Adoptivkaisern auch wieder verlässlich mit nur wenigen Ausnahmen präsent war. Bevor ich die Verwendung des Priestertitels auf den Münzen der einzelnen Kaiser bespreche, gilt es zwei grundlegende Vermutungen zu überprüfen: War der pontifex maximus-Titel vor allem bei Prägungen aus Rom relevant? Und fiel der Titel vielleicht dann als redundant weg, wenn bereits das Münzmotiv betont religiöse Elemente zeigte? Die erste Vermutung lässt sich nicht bestätigen. Dabei ist die Interpretation schon ab Caligula und Claudius problematisch, da das Amt hier zwar auf außerrömischen Prägungen auftaucht, aber so stark in der Standardtitulatur verankert ist, dass keine inhaltlichen Gründe für seine Nennung auf Münzen außerrömischer Prägestätten ausschlaggebend gewesen sein dürften. Seit den Flaviern waren die Emissionen der Prägestätten außerhalb Roms marginal, aber auch unter Vespasian wird der Oberpontifikat etwa in Antiochia, Syrien oder auf Aurei aus Spanien genannt. Zwar findet sich der Oberpontifikat unter Augustus tendenziell eher auf stadtrömischen Münzen, jedoch wird es auch hier längst nicht immer genannt – ebenso wie der Prinzipat ist auch die Kaisertitulatur noch nicht verstetigt. Relevante Mengen außerhalb Roms produzierte unter Augustus und Tiberius zudem nur die Prägestätte in Lugdunum, die eng mit der römischen Administration verbunden gewesen zu sein scheint und in beiden Fällen auch Münztypen prägte, die den Oberpontifikat ganz besonders auffällig betonen (RIC I² Augustus 219–220, Tiberius 25–30). In jedem Fall erklären auswärtige Prägungen nicht die relevanten Ausbrecher unter Vespasian und

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Domitian, zu deren Zeit das Amt schon lange Teil der Kaisertitulatur war und unter denen es gerade auf stadtrömischen Prägungen entfällt. Zwischen dem Weglassen des Oberpontifikats und Münzbildern mit einem passenden Kultmotiv besteht ebenfalls keine Verbindung, so wird etwa nicht bei Opfermotiven und Vesta- oder Pietas-Abbildungen auf den Titel verzichtet. Unter Vespasian, Titus und Domitian werden die gleichen Bilder anscheinend willkürlich mal mit, mal ohne pontifex maximus-Titel verwendet. Umgekehrt lässt sich auch nicht feststellen, dass mit dem Priestertitel der religiöse Gehalt kaiserlicher Autorität gerade dann, wenn ein religiöses Motiv gewählt wurde, besondere Aufmerksamkeit bekam. Auch bei der Abbildung von aktuellen Tempelbauten oder -renovierungen auf Münzen, bei deren Weihung der Kaiser in seiner Rolle als pontifex maximus auftrat, wird das Priesteramt nicht konsequent aufgeführt, sondern im Gegenteil häufig auch weggelassen.122 Aurei mit Vestatempel unter Vespasian nennen nicht den für die Aufsicht über den Vestakult zuständigen pontifex maximus, sondern das Censorenamt. Münzen Domitians mit Opferdarstellung führen den Priestertitel manchmal nicht, manchmal aber doch (RIC II,1² 610–627). Kaisertitulatur und Münzbild sind in der Regel inhaltlich unabhängig. Manche der Auslassungen können ohnehin erklärt werden, ohne dass hierfür ein inhaltlicher Grund vermutet werden muss. So fehlt der Titel oft auf den niedrigsten Nominalen, auf denen der Name des Kaisers stark abgekürzt auftritt. Auch wenn die Stempel der Quadrantes sehr klein waren, wäre es jedoch falsch, schlicht Platzgründe für das Fehlen des Priestertitels anzunehmen. Für Nero passen mit NERO CLAVDIVS CAESAR AVG GERM P M TR P IMP P P (RIC I² 94) einige Namen und Titel des Kaisers problemlos auf eine Seite der kleinen Münze, und auch Caligula und Claudius nannten auf dem Kleingeld ihr Oberpontifikat. Unter Augustus verschwanden Name und Porträt des Kaisers hingegen teils völlig von den Quadrantes, stattdessen nannten sich die Münzmeister.123 Zahlreiche Quadrantes sind aufgrund des Fehlens jeglicher Legende nicht einmal datierbar. Das Fehlen des Kaiserporträts auf vielen Kleinbronzen wie auch die auffällig simple Gestaltung der restlichen Motive, meist nur einfache Symbole, sprechen dafür, dass diesen Nominalen keine besondere Aufmerksamkeit seitens der kai-

122 Kuhoff 1993, 328 meint, Tempelabbildungen auf Münzen seien „unschwer als Dokumentation für die verantwortungsbewußte Ausübung des Amtes als pontifex maximus“ zu verstehen. Das Amt fehlt beispielsweise auf Münzen mit dem wiederhergestellten Vestatempel unter Nero oder Vespasian. Viele Typen, die die Wiederherstellung des kapitolinischen Tempels unter Vespasian propagieren, zeigen auf dem Avers nicht einmal den pontifex maximus selbst, sondern einen seiner Söhne. Cistophoren mit dem gleichen Thema und Reverslegende CAPIT RESTIT unter Domitian werden in einem Typ mit den Ämtern P M COS VIII geprägt (RIC II,1² 841), auf einem anderen wird dieser kommunikativ nicht notwendige Bestandteil aber auch gestrichen (842). 123 Dementsprechend sind diese Münzen in Abb. 13 auch nicht eingerechnet.

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serlichen Autoritäten zukam und sie deshalb auch für die vorliegende Fragestellung nicht überbewertet werden sollten. Denkbar ist, dass den Münzstätten die Gestaltung des nicht für staatliche Zahlungen benötigten und für aufwendigere Motive ungeeigneten Kleingelds weitgehend überlassen wurde. Festzuhalten ist zumindest, dass die Stempelschneider flavischer Kleinbronzen lediglich den Namen des Kaisers für das zentrale Element der Autorisierung hielten und, wenn überhaupt, höchstens noch das Konsulat nannten. Eine zweite Gruppe Münzen, auf denen der pontifex maximus-Titel verstärkt fehlt, sind Restitutionsprägungen. Diese machen mehrfach den entscheidenden Unterschied: Wenn die Restitutionsmünzen nicht miteinbezogen werden, ergibt sich, dass sowohl für Nerva (vorher 90 %) und Trajan (vorher 94 %) nun je ganze 98 % aller relevanten Typen das Amt aufführen – eine nahezu vollständige Abdeckung. Für Titus werden aus 77 % gar 97 %, für den niedrigen Wert Domitians liefern Restitutionsprägungen jedoch keine Erklärung, da sie hier nur etwa einen Prozentpunkt ausmachen. Auch für Vespasian sind Nachahmungen kein relevanter Anteil der „Fehlstellen“. Alle hier gezählten Restitutionsprägungen nennen zudem auch die Titulatur des amtierenden Kaisers und gelegentlich auch den Oberpontifikat, daher wäre es methodisch problematisch, sie kategorisch auszunehmen. Die häufige Auslassung des Priestertitels auf Restitutionsprägungen scheint einen zeitübergreifenden Grund zu haben, der mit dem Charakter restituierter Münzbilder zusammenhängt. Noch weniger als bei den Quadrantes kann hier Platzmangel als Grund angeführt werden, war es doch auch unter Hinzufügung des Hinweises auf die Restitution noch möglich, den vollen Titel zu nennen. Münzen des Titus, vermutlich zu Beginn der Restitutionsprägungen seiner Herrschaft, führen den langen Titel IMP T CAES DIVI VESP F AVG P M TR P P P COS VIII REST (u. a. RIC II,1² 399–403). Deutlich häufiger ist jedoch die später verwendete Kurzform IMP T CAES VESP AVG REST, mit der Zwischenstufe IMP T CAES DIVI VESP F AVG REST. Bei anderen Kaisern zeigt sich ein sehr ähnliches Bild: Auf den Restitutionsprägungen werden die Hinweise auf Ämter und politische Ehrungen oft reduziert. Aufschlussreich ist der Umgang mit der Titulatur Trajans auf Restitutionsprägungen. Auf diesen wurden neben den Namen des Kaisers durchgängig auch die beiden Siegesnamen GERM(anicus) und DAC(icus) genannt, die auch sonst in Verbindung mit dem Kaisernamen auf dem Avers standen. Von den üblichen Titeln auf dem Revers, die in den Restitutionen wegfallen, wurde für Trajan lediglich pater patriae als P P auf die jeweils mit der Kaisertitulatur beschriftete Seite „gerettet“.124 Dieser Ehrentitel war für die mit den Restitutionen beabsichtigte Aussage offenbar wichtiger als das wegfallende Konsulat, das Amt des pontifex maximus oder die tribunicia potestas. Der Grund ist, wie oben erwähnt, im besonderen Charakter der Restitutionsprägungen zu suchen, die durch das Wiederauf-

124 MIR 801ff (= RIC II 765ff).

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rufen alter Bilder Ruhe, Sicherheit und Traditionsbewusstsein ausdrücken sollten. „Vater des Vaterlandes“ war die Rolle, in welcher der Kaiser für Sicherheit und Wohlergehen des römischen Reiches in der allgemeinsten möglichen Form verantwortlich zeichnete. Nicht zu vergessen ist, dass der pater auch das religiöse Oberhaupt seiner Familie war – der Titel pater patriae beinhaltete somit die Fürsorge für religiöse Angelegenheiten sogar deutlich umfassender als ein einzelnes, sei es auch das höchste Priesteramt.125 Da das Porträt des aktuellen Herrschers meist durch die restituierten Motiven ersetzt wurde, ist es naheliegend, dass auch in der Titulatur der ausführliche Hinweis auf die aktuelle Machtgrundlage weniger wichtig war. Gerade im Vergleich zu pater patriae wird deutlich, dass das Amt des pontifex maximus, das von den Restitutionsprägungen mit allen Verweisen auf die politische Machtstellung des Kaisers verschwand, als Teil der in diesem Kontext unwichtigen „Standardämter“ des Kaisers gesehen wurde.126 Wenn es darum ging, explizit auf die Rolle des Kaisers als Beschützer des römischen Volkes hinzuweisen, trat der Priestertitel hinter den allgemeineren Ehrentitel zurück. Die wiederholte Annahme und Bevorzugung des Titels pater patriae durch die Kaiser macht es unwahrscheinlich, dass der Oberpontifikat erfolgreich als allgemeine, religiöse Führungsrolle charismatisch umgedeutet worden war. Auch wenn kleine Variationen sich durch den Wechsel von Stempelschneidern oder andere Produktionsumstände erklären lassen, liegt doch die Vermutung nahe, dass merkliche Unterschiede in der Betonung des Amtes auf Münzen auch Unterschiede in der Betonung des Amtes durch die einzelnen Kaiser widerspiegeln. Die wechselnde Positionierung des Titels in der Legende und die gelegentlich explizite Betonung des Amtes durch eine ausführlichere Schreibweise oder Exponierung auf dem Revers macht es unmöglich, den Oberpontifikat im ersten Jahrhundert einheitlich einem mehr persönlichen oder mehr politischen Teil kaiserlicher Autorität zuzuordnen. Am häufigsten, und auch im zweiten Jahrhundert als Standard, steht der Oberpontifikat hinter Namen und persönlichen Ehrentiteln, aber vor den anderen Vollmachten und Ämtern des Kaisers, in der Regel vor der tribunicia potestas. Die Zwischenposition des Priesteramts wird 125 Eine erste Gegenprobe via Datenbankrecherche (OCRE) ergibt, dass grundsätzlich erheblich mehr kaiserzeitliche Münzlegenden „P P“ nennen, aber auf „P M“ verzichten, als umgekehrt. Taeger 1960, 124 meint, die Ehrung als pater patriae würde „tief in die religiöse wie in die politische Vorstellungswelt“ zurückreichen; vgl. Lacey 1992, 140 und 1996, 170 mit der These, dass die patria potestas gar „the fundamental institution of the Romans which shaped and directed their word-view“ gewesen sei. Der pontifex maximus übte patria potestas nur gegenüber den Vestalinnen und den flamines maiores aus (Gai. Inst. 1, 130). 126 Die ersten Emissionen für Trajan, geprägt während dieser noch nicht im Rom weilte, wurden so auch hinsichtlich des vorzeitig aufgeführten und kurz darauf zunächst entfernten Titels P P korrigiert, während P M als weniger wichtiges Standardformular bestehen bleiben konnte, siehe Seelentag 2004, 58–59, Wolters 1999, 305 sowie ausführlich zu den ersten Prägungen Trajans Wolters 1992.

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auch darin deutlich, dass es bei aufgetrennten, längeren Titulaturen mal mit den Namen und Ehrentiteln auf dem Avers stehen blieb, mal aber auch mit den Ämtern auf dem Revers Platz fand. Nun zu einem chronologischen Überblick. Für Augustus und Tiberius wurde der Priestertitel rein quantitativ nach Münztypen zwar nur selten angeführt, dann jedoch eher hervorgehoben. Steppers Beobachtung, dass das Priesteramt von Augustus in der Münzprägung nie besonders betont worden sei, ist zu grob, ignoriert sie doch die recht prominente Position des Titels PONT MAX in der Legende römischer Bronze-Münzmeisterprägungen (u. a. RIC I² 426–442) und zwei, wenn auch nicht exakt datierbare, Edelmetallprägungen aus Lugdunum, die das Amt exponieren (RIC I² 219–220).127 PONTIF MAXIM steht hier als einzige Reverslegende um eine sitzende, womöglich auch für viele antike Rezipienten schon nicht eindeutig identifizierbare weibliche Figur. Der Titel pater patriae auf diesen Münzen, den Augustus erst 2 v. Chr. annahm, beweist jedoch, dass die Prägungen nicht die Übernahme des Amtes feierten, sondern den Priestertitel des Kaisers frühestens zehn Jahre später bewarben. In jedem Fall ist bereits Augustus wegen seiner langen Wartezeit auf den Oberpontifikat und der vielen religiösen Motive auf Münzen ein gutes Beispiel dafür, dass eine religiöse Schwerpunktsetzung und propagierte „Götternähe“ des Kaisers der Rolle des pontifex maximus nicht bedurfte.128 Trotzdem es zweifelsohne möglich gewesen wäre, das Amt bereits vor dem Tod des Lepidus von

127 Stepper 2003, 45. Die 18 Typen aus der stadtrömischen Prägung, die das Gros der Nennungen unter Augustus überhaupt darstellten, sind zwar sehr einheitlich, führen den Titel aber immerhin in prominenter Position direkt über dem Kopf des Porträts. Eine besondere Aufmerksamkeit könnten sie auch durch ihre Ausgabeumstände bekommen haben. Wegen des ungewöhnlich hohen Gewichts der Bronzemünzen und des völligen Fehlens sonst typischer Gegenstempel spricht Sutherland/Carson 1984, 33 (mit älterer Literatur) sich dafür aus, die entsprechende Reihe der Münzmeister P. Lurius Agrippa, M. Salvius Otho und M. Maecilius Tullus, die zudem mit der Victoria hinter dem Kopf des Kaisers ein ungewöhnliches Avers tragen, außerhalb der Standardwährung als „medallic“ zu betrachten. In Lugdunum, wo man das Altar-Standardrevers zwar beibehielt, wurde der Titel zudem immerhin für so wichtig erachtet, dass man ihn auf einem Sesterz- und Astyp (RIC I² 229–230) prominent als einen von zwei Bestandteilen einer kurzen Titulatur CAESAR PONT MAX platzierte – zudem gab man sich durch die ausführlichere Schreibweise Mühe, das Priesteramt auch verständlich zu kommunizieren. 128 Gagé 1931 wies bereits darauf hin, dass Augustus viele wichtige religiöse Maßnahmen schon lange vor dem Erhalt des Oberpontifikats als Mitglied der vier wichtigsten Priesterkollegien durchgeführt habe, und hebt insbesondere die Bedeutung des Augurats hervor, das Caesar auch als pontifex maximus noch anstrebte: „Le grand pontificat vient couronner d’un titre traditionnel l’ensemble des pouvoirs sacerdotaux du prince et achève – mais rien de plus – sa figure de prêtre“ (104). Lacey 1996 räumt Augustus’ religiösem Programm viel, dem Oberpontifikat aber zu Recht eher wenig Raum ein und behandelt es als eine der zusätzlichen Ehren und als Möglichkeit zur Anknüpfung an den Adoptivvater Caesar ohne strukturelle Bedeutung.

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diesem zu übernehmen – entsprechende Angebote wurden in den antiken Quellen festgehalten und nicht einmal als besonders sittenwidrig bewertet –, hielt es Augustus bezeichnenderweise für wirkungsvoller, durch seine Zurückhaltung Achtung vor dem üblichen Verfahren zu demonstrieren, als das Amt tatsächlich auszuüben.129 Augustus’ Umgang mit dem Amt bewegte sich zudem stets in den Bahnen der traditionellen Aufgaben des pontifex maximus.130 Entgegen der Deutung von Stepper und Taylor vermute ich zudem, dass Caesar für den ersten Prinzeps in Bezug auf den Oberpontifikat keinesfalls als „Wegbereiter“ galt,131 sondern durch seine auf priesterlicher wie politischer Ebene zu autokratische Amtsführung einen Eindruck hinterlassen hatte, den es in jedem Fall zu vermeiden galt. Die Quellen überliefern den tiefsitzenden Groll der Etablierten gegenüber der anmaßenden Bewerbung des jungen Caesar wie auch den Unmut wegen dessen selbstherrlicher Amtsausübung, die nicht im Einklang mit seinen Pontifikalkollegen stand.132 Die Bedeutung des Oberpontifikats für Augustus stellt sich in numismatischen und literarischen Quellen ganz unterschiedlich dar. In Augustus’ Tatenbericht wird die Wahl zum pontifex maximus dezidiert erwähnt, auch wenn sie hier lediglich dazu dient, die öffentliche Beliebtheit des Prinzeps zu dokumentieren.133 Zu seinen Lebzeiten wurde Augustus’ Wahl ins Priesteramt jährlich mit Opfern für Vesta begangen, was Ovid zum Anlass nahm, den Kaiser als ehrenvollen Priester der Gottheit aus dem Stamm des Aeneas zu preisen.134 Beard, North

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das Caesar auch als pontifex maximus noch anstrebte: „Le grand pontificat vient couronner d’un titre traditionnel l’ensemble des pouvoirs sacerdotaux du prince et achève – mais rien de plus – sa figure de prêtre“ (104). Lacey 1996 räumt Augustus’ religiösem Programm viel, dem Oberpontifikat aber zu Recht eher wenig Raum ein und behandelt es als eine der zusätzlichen Ehren und als Möglichkeit zur Anknüpfung an den Adoptivvater Caesar ohne strukturelle Bedeutung. Dio. 44,5,3; R. Gest. div. Aug. 10,2. Scheid 1999, 13–15 meint, dass Augustus alle religiösen Handlungen, die eine Einbeziehung des Pontifikalkollegiums benötigt hätten, bis zum Tod des Lepidus vermieden habe, während er Handlungen, die pontifikale Kompetenz betrafen, erst nach seiner Wahl angegangen sei. So habe er Lepidus absichtlich keine Möglichkeit gegeben, an den religiösen Veränderungen teilzuhaben oder sie zu kritisieren, und gleichzeitig die bestehenden Institutionen respektiert (19). Siehe dazu die Zusammenstellung bei Stepper 2003, 112–113. So die Kapitelüberschrift bei Stepper 2003, 25. Plut. Caes. 6; Sall. Cat. 49,1–2; Suet. Div. Iul. 13; Cic. dom. 32–40; 104; Dio. 41,36,3. Jehne 2009, 58 nennt allein Caesars Kandidatur um den Oberpontifikat, nüchtern betrachtet eine „Fehlentscheidung“, da sie ihm u. a. großes Misstrauen und Ablehnung eingebracht und so dazu beigetragen habe, dass die Konflikte um seine Person im politischen Klima der späten Republik schließlich eskalierten. Liv. 25,2–4 bezeugt auch für die Wahl des P. Licinius Crassus (siehe oben S. 81, Anm. 104) entsprechend negative Reaktion der Etablierten. R. Gest. div. Aug. 10; siehe unten Kap. 2.5, S. 109. Ov. Fast. 3,415–428; Price 1996, 825 meint gar, das Ereignis sei „of central importance in the restructuring of Roman religion“ gewesen.

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eine mythische Verbindung zu Aeneas und Romulus herzustellen, und dass zahlreiche von Augustus’ religiösen Maßnahmen in die Zeit vor seiner Amtsübernahme fielen.136 In jedem Fall scheint Augustus seine neue Priesterposition gegenüber den römischen Eliten durch die Betonung der Zuständigkeit für den im römischen Kultwesen zentralen Vestakult so ausgestaltet zu haben, dass auch hier seine Führungsrolle deutlich kommuniziert wurde. Darüber, wie stark die positiven Effekte auf die Anerkennung des kaiserlichen Sonderstatus zu gewichten sind, lässt sich jedoch streiten. Für eine eher zurückhaltende Bewertung spricht, dass die explizite Bewerbung des Amtes zum Zeitpunkt seiner Wahl sowie jedes Abbild der Gottheit Vesta, der Augustus hier doch so große Prominenz einräumte, in der numismatischen Repräsentation des Kaisers fehlt. Aufgrund der nur unregelmäßigen Ausprägung von Edelmetall in augusteischer Zeit und der Tatsache, dass Augustus auf die Münzmeisterprägungen in Rom, wo Vestakult und Oberpontifikat von besonderer Relevanz waren, nur begrenzten Einfluss hatte, ist dieses Argument ex silentio jedoch nur eingeschränkt gültig. Die für Augustus geprägten Edelmetalle ab Amtsübernahme nennen in der Regel ohnehin keine Ämter, sondern betiteln ihn als DIVI F oder CAESAR AVGVSTVS. Die beiden PONTIF MAXIM-Typen aus Lugdunum (RIC I² 219–220) sind dafür meines Erachtens gerade wegen der hier nur unregelmäßigen Emissionen noch stärker zu gewichten, muss es sich doch um eine bewusste Entscheidung für einen bestimmten Ausgabekontext gehandelt haben. Auch wenn ihm keine strukturelle Bedeutung für die Legitimation und Befugnisse kaiserlicher Autorität zukam, wurde das Prestige des Amtes hier gezielt abgerufen. Leider ist die Kommunikationssituation, in der es für die augusteische Herrschaft Sinn ergab, auf das PONTIF MAXIM-Motiv zurückzugreifen, durch die unsichere Datierung der Typen nicht mehr mit Sicherheit zu rekonstruieren, eine Vermutung möchte ich im Folgenden jedoch anstellen. Der einzige stadtrömische, nicht-münzmeisterliche Typ, der den Oberpontifikat für Augustus, gar als längere Form PONTIF MAXIM, aufführt (RIC I² 471), datiert auf 11–12 n. Chr. Angesichts dessen, dass Titel und Ämter von Augustus in der Darstellung auf Münzen bisher nicht gezielt verwendet wurden, ist die plötzliche Platzierung von nicht nur Pontifikat, sondern auch imperatorischer Zählung in den letzten Jahren seiner Herrschaft zunächst verwunderlich. Sinn ergibt sie erst in Verbindung mit den zahlreichen Prägungen des Tiberius, die den Oberpontifikat prominent nennen. Die für Augustus’ Prestige offenkundig eigentlich unnötige Reihung von Titeln in der Münzprägung wurde vermutlich dadurch ausgelöst, dass Tiberius durch Imperatorenakklamationen und Pontifextitel als Nachfolger mit Ehren parallel zum Adoptivater beworben wurde. Kurz zuvor waren für Tiberius Münzen geprägt worden, auf denen die Nennung des Amtes PONTIFEX den Anspruch suggerierte, auch den Oberpontifikat – und 136 Beard/North/Price 1998, 189, 191; Vesta und Aeneas/Romulus: Verg. Aen. 2,293–297; Ov. Fast. 1,527–528; 3,423–426.

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damit die Sonderstellung des Augustus – zu übernehmen (RIC I² 469–470). Der Parallelismus zwischen den Legenden IMP CAESAR DIVI F IMP XX // PONTIF MAXIM TRIBVN POT XXXIIII (Augustus) und TI CAESAR AVGVST F IMPERAT[OR] V // PONTIFEX TRIBVN POTESTATE XII (Tiberius) als Umschrift um ein großes „S C“ macht die Verbindung eindeutig. Die Kontinuität des Münzbildes mit thronender Göttin und Reverslegende PONTIF MAXIM unter Tiberius macht es, gemeinsam mit der eben ausgeführten Parallele, wahrscheinlich, dass auch der augusteische PONTIF MAXIM-Münztyp in Gold und Silber aus Lugdunum (RIC I² 219–220) zu einem ähnlichen Zeitpunkt entstand.137 Bereits Kraft (1969) plädierte dafür, das Motiv mit sitzender Frauengestalt und Priestertitel inhaltlich als Teil einer gemeinsam entworfenen Gruppe zu betrachten, die außerdem den Triumphzug des Tiberius abbildete (RIC I² Augustus 221–224) und die Porträts des Prinzeps und designierten Nachfolgers gegenüberstellte (225–226).138 Während sich die sitzende Göttin für Kraft am schwierigsten in das gemeinsame Thema der „Nachfolgerschaft des Tiberius“ einfügen lässt, kann die in der Legende des Typs angedeutete Weitergabe des Oberpontifikats diese Verbindung überzeugend herstellen. Krafts (wie er selbst einräumt) spekulative Interpretation, dass der Verweis auf den pontifex maximus hier mit der Weihung des Concordiatempels in Verbindung zu bringen und entsprechend die mit Zepter und Zweig sitzende Gottheit als Concordia zu interpretieren sei, ist zur Erklärung des Typs nicht zwangsläufig nötig.139 Das Motiv wurde unter Tiberius in Edelmetall mehrere Jahre in sehr großen Mengen140 in Lugdunum ausgeprägt (RIC I² 25–30). Die Häufigkeit und Aufmerksamkeit für das Motiv wird dadurch belegt, dass es auch auf stadtrömische Bronzen übernommen wurde (RIC I² 33–37, 41). Das offenbar einprägsame Motiv einer sitzenden Figur mit Zweig in Verbindung mit prominentem pontifex maximus-Titel wird später sogar von Vespasian aufgegriffen. Hier ist es dann der Kaiser selbst, der sitzt (RIC II²,1 683, 685, 702, Abb. 17). Römische Bronzen führen den Titel für Tiberius in der Langform PONTIF MAX mehrere Jahre auch auf den simpel gestalteten Reversen mit caduceus oder Ruder auf Globus (RIC I² 52–53, 58–59, 64–65, 89–90). Statt diese Gestaltungsentscheidung bei Tiberius lediglich als Übernahme von einem augusteischen Typ zu 137 Der Aureus und der Denar führen in der Titulatur (Av: CAESAR AVGVSTVS DIVI F PATER PATRIAE) keine Ämter und sind deshalb nicht eindeutig datierbar. Sutherland/Carson 1984 (= RIC I², S. 56) datieren die Typen allein wegen der Kontinuität des Motivs unter Tiberius an das Ende der augusteischen Herrschaft; Wolters 1999, 245 vermutet ein congiarium des Tiberius (Suet. Tib. 20) am Ende der Regierungszeit des Augustus als Anlass zur Wiederaufnahme der Edelmetallprägungen, was sich gut anschließen würde. 138 Kraft 1969, 242–251. Vor dem Hintergrund des Triumphes des Tiberius sicherlich auch die Wiederaufnahme der imperatorischen Akklamationen für Augustus. 139 Kraft 1969, 244–251; siehe ausführlicher unten S. 93, Anm. 142. 140 Allein für RIC I² Tiberius 30 listet OCRE (Stand April 2022) 248 Exemplare in beteiligten Institutionen (Tendenz stetig steigend), die meisten hier eingetragenen Sammlungen führen den Typ mehrfach.

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interpretieren, gehe ich davon aus, dass die späten PONTIF MAXIM-Prägungen des Augustus die Sonderstellung des Tiberius vorbereiteten. Für Tiberius wurde der Oberpontifikat somit deutlich öfter herausgestellt als für Augustus, auch wenn es in den Münzstätten noch eindeutig nicht als etwas aufgefasst wurde, das zur Standardtitulatur des Kaisers gehörte. Stattdessen wurde es separat als besondere Qualität des Prinzeps propagiert. Gänzlich anders als Stepper, die bei Tiberius „keine Auffälligkeiten hinsichtlich einer Propagierung dieses Amtes“ feststellt und dies darauf zurückführt, dass Tiberius „seine Autorität als erster Mann Roms nicht in demselben Maße zu propagieren brauchte wie sein Vorgänger“, sehe ich bei Tiberius von allen Kaisern im ersten Jahrhundert die sogar auffälligste Nutzung des Oberpontifikats.141 Die Typen-, aber auch die erhaltene Exemplaranzahl legen nahe, dass das mit dem Oberpontifikat gekoppelte Motiv der thronenden Gottheit das dominante Bild auf den Münzen seiner Herrschaft war. Neben dem Verweis auf den vergöttlichten Vater war der Oberpontifikat offenbar wesentlicher Bestandteil, um die Sonderstellung des Tiberius zu kommunizieren. Die unangreifbare Position des pontifex maximus zu betonen, war dabei für Tiberius, der schon Zeitgenossen als unentschlossen und führungsschwach erschien, eine sinnvolle Entscheidung. Dass spätere Kaiser, unter denen die soziale Sonderstellung des Prinzeps noch mehr gefestigt war, den Oberpontifikat nicht mehr auf diese Weise verwendeten, illustriert meines Erachtens eine entsprechend noch bestehende Unsicherheit bezüglich der Stellung des Tiberius. Eine konkrete Wertschätzung des Kaisers für das Kultwesen sollte das Münzbild wohl nicht vermitteln, dafür blieb vor allem die sitzende Figur auf dem PONTIF MAXIM-Revers zu uneindeutig und ohne Erläuterung. Vermutlich handelt es sich aufgrund des Zweigs in ihrer Hand um eine Abbildung der pax Augusta und nicht etwa, wie wegen der Verbindung der Vestalinnen zum pontifex maximus ebenfalls vermutet werden könnte, um die Göttin Vesta oder eine Vestalin.142 Eine direkte Verbindung zwischen Gottheit und Priesteramt wird auf 141 Stepper 2003, 46. Steppers Fehlschluss, dass es nur eine Prägung gebe, die den Oberpontifikat für Tiberius betont, basiert wohl auf ihrer Beschränkung auf den British Museum Catalogue und Cohen statt des aktuelleren RIC I² an dieser Stelle. 142 So etwa vorgeschlagen von Sutherland 1951, 86; contra Kraft 1969, 246–248. Für die häufig vorgeschlagene Identifikation der Gottheit mit Zweig und Zepter als Pax fehlt Kraft vor allem der seiner Meinung nach für Pax ausschlaggebende Merkurstab. Gegen seine Deutung als Concordia (248–251) spricht m. E., dass die Concordiastatue im noch unter Augustus neuerrichteten Tempel auf den Münzen des Tiberius patera und Füllhorn hält (RIC I² Tiberius 55, 61, 67). Für die Pax Augusta wäre eine thronende Gestalt mit Zepter zudem nicht unpassend. Die Interpretation des Typs durch Vespasian spricht ebenfalls für Pax (RIC II,1² 683, 685, 702, siehe unten S. 98–99 und Kap. 3.1, S. 147–148). Wie Kraft 1969, 244–246 spricht sich auch bereits Sutherland 1951, 86 gegen die ebenfalls häufig vorgenommene Identifikation der Frauengestalt als Livia aus. Für eine entsprechende Deutung als Livia bzw. eine „bewußt mehrdeutige Wirkung“ siehe hingegen u. a. Mannsperger 1974, 945–946 und 1984, 389 der meint, dass Livia hier in den (allerdings

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dem Münztyp nicht explizit hergestellt, stattdessen wurde die vage Assoziation für ausreichend befunden. Ein Grund, die Gottheit wie sonst oft üblich in der Legende zu identifizieren, bestand offenbar nicht. Dazu passt, dass für Tiberius, anders als bei Augustus und allen Nachfolgern, darüber hinaus nicht eine einzige Gottheit auf Münzen abgebildet wurde.143 Wiederum zeigt sich, dass eine Differenzierung der verschiedenen Bereiche „religiöser“ Motivik nötig ist. Während andere Kaiser Gottheiten verwendeten, um die göttlichen Kräfte noch individueller und direkter mit ihrer Person und ihren Leistungen zu verbinden, blieb Tiberius mit Rückbezügen auf Augustus und zur Priestertradition demonstrativ beim Altbewährten. Den Oberpontifikat auf den Münzen des Tiberius begreife ich dabei vornehmlich als Betonung des traditionell akzeptierten elitären Sonderstatus. Sowohl für Caligula als auch für Claudius wurde der Titel auf 100 % aller dafür in Frage kommenden Münztypen genannt.144 Die systematische Nennung des Priesteramtes, zumal es hier nur in Kurzform P M und an der fast immer gleichen Position in der Legende erscheint, spricht meines Erachtens jedoch nicht für eine zentrale Bedeutung des Amtes, sondern vor allem dafür, dass es sich dabei bereits um eine Selbstverständlichkeit handelte. Mit Schumacher (2006) ist davon auszugehen, dass Caligula auch der erste Kaiser war, der sich die Priesterwürde vom Senat übertragen ließ. Bereits im Senatsbeschluss zur Anerkennung Caligulas vom März 37 n. Chr. wird die Ernennung zum pontifex maximus enthalten gewesen sein. Von den Arvalbrüdern wurde der Tag im folgenden Jahr anstelle des Jahrestages zu Übernahme des Oberpontifikats mit Opfern begangen.145 Für Caligula wurde das Amt an keiner Stelle besonders betont und selbst Claudius’ besonders eifrige Tätigkeit als pontifex maximus findet nur in literarischen Quellen Erwähnung: Er habe dem Volk auf dem Forum selbst die Gebetsformeln vorgesprochen, um Unheil abzuwenden, wenn es ein Erdbeben gab oder ein unheilverheißender Vogel auf dem Kapitol gesehen worden war. Im Bereich der Bräuche habe Claudius Verbesserungen vorgenommen, alte wieder eingeführt und neue geschaffen.146 Dieses Engagement des Kaisers schlug sich jedoch hier, wie auch später bei Domitian, nicht in einer Betonung des Priesterstatus in

143 144 145 146

nicht weiter greifbaren) „kultischen Funktionen“ verkörpert sei, die ihr durch den Oberpontifikat ihres Mannes und den palatinischen Vestaschrein zugefallen seien. Für die Verbindung von Livia mit Vesta und den Vestalinnen gibt es, wie Foubert 2015 zeigen konnte, jedoch keinen Anlass (vgl. Kap. 3.3.2, S. 185). Mit Ausnahme der kleinen Concordiastatue im auf Münzen abgebildeten Tempel. Zu Tiberius auch Kap. 3.1, S. 142–143. Eine Schlussfolgerung wie die von Grunow Sobicinski 2002, 65, dass der Oberpontifikat in der Legende eines Münztyps mit Opfermotiv (RIC I² Caligula 36, 44, 51) zum Ausdruck bringe, dass der Kaiser das Opfer als pontifex maximus durchführte, ist somit unzulässig. AFA 12c, Z. 8–14; Schumacher 2006, 186–187. Suet. Claud. 22,1.

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der kaiserlichen Repräsentation nieder. In der Titulatur scheint der Oberpontifikat stattdessen eine vom religiösen Handeln des Kaisers losgelöste Prestigefunktion gehabt zu haben. Weder wurde es erkennbar zum Ausdruck besonderer Frömmigkeit verwendet, noch kann pauschal davon ausgegangen werden, dass ein Kaiser, für den wie bei Tiberius Wert auf die Hervorhebung des Amtes gelegt wurde, besonders ernsthaft an dessen Ausführung interessiert war. Die unter Caligula und Claudius noch stark variierenden Schwerpunkte in der Münzmotivik zeigen an, dass der dritte und vierte Kaiser zwar noch immer etwas zu beweisen hatten, für sein soziales Prestige berief sich Caligula, der anders als Tiberius mit Augustus blutsverwandt war, jedoch nicht mehr auf die Sonderstellung des Oberpontifex, sondern auf seine berühmten Verwandten; Claudius setzte stärker auf militärisches Charisma. Religiöse Motive spielten in dieser Phase, in der ein kaiserliches Außenbild noch nicht etabliert und noch mehr personen- denn positionsgebunden war, insgesamt noch eine geringere und vor allem nicht strukturell greifbare Rolle.147 Der Revers148 zweier zwischen 41 und 54 n. Chr. herausgegebener Dupondius-Typen für Claudius’ verstorbene Mutter Antonia zeigt den durch die umlaufende Titulatur identifizierten Kaiser mit verhülltem Haupt und simpulum in der Rechten, in der Linken hält er eine Schriftrolle (RIC I² Claudius 92, 104, Abb. 14). Die Darstellung des Kaisers mit simpulum und verhülltem Haupt orientierte sich dabei an einem Denar des Augustus (RIC I² 398). Dass dieser wohl 13 v. Chr. geprägt wurde, und damit bevor Augustus das Amt nach dem Tod des

Abb. 14:

Dupondius des Claudius mit Porträt seiner verstorbenen Mutter Antonia und Abbildung des Kaisers mit simpulum (hier RIC I² 92).

147 Vgl. dazu auch noch einmal Abb. 2, S. 43. 148 Das Porträt der ANTONIA AVGVSTA wird üblicherweise als Avers interpretiert. Da der Revers die gesamte Titulatur des Kaisers führt, wäre es jedoch auch andersherum denkbar.

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Lepidus überhaupt übernahm,149 hat nicht davon abgehalten, das gleiche Motiv für Claudius als Hinweis auf das Priesteramt zu deuten. Wood (1999) meint etwa, Antonia werde „with Claudius in his capacity as Pontifex Maximus“ assoziiert, „while the parallel issues with the reverse portrait of his father Drusus I portray Claudius in his other two capacities, as first citizen and as military commander.“150 Die Interpretation vornehmlich als Bewerbung von Claudius’ Rolle als pontifex maximus ist aus zwei Gründen fragwürdig: Erstens ist das Amt wiederum mit „P M“ nur in der kürzest möglichen Form vermerkt, zweitens ist dringend ein sinnfälliger Bezug zum Bild der Mutter auf dem Avers anzunehmen. Während die Abbildung des über einem Haufen Waffen sitzenden Claudius auf den Sesterzen mit Drususporträt (RIC I² 93, 109) insofern Sinn ergeben, als dass Claudius über die ihm so wichtigen militärischen Erfolge eine Verbindung zu seinem militärisch ebenfalls erfolgreichen Vater herstellen konnte, erschließt sich die Verbindung des Oberpontifikats mit Antonia inhaltlich nicht. Folgt man Grant (1950) bezüglich der Antonia-Münztypen mit Constantia-Revers dahingehend, dass Claudius hier seinen hartnäckigen Einsatz für die Ehrung seiner Mutter dokumentierte, so liegt nahe, dass Claudius auch auf den hier besprochenen Dupondien vor allem als vorbildlicher Sohn bei der Durchführung von Kulthandlungen zu Ehren seiner Mutter abgebildet wurde. 41 n. Chr. war Antonia postum der hier auf dem Avers prominent genannte Augusta-Titel verliehen worden, zusammen mit öffentlichen Totenopfern und jährlichen Circusspielen zu ihren und Drusus’ Ehren.151 Das simpulum in der Hand des Kaisers ist ikonografisch für den pontifex maximus, in dessen Funktion Claudius die Kulthandlungen möglicherweise auch durchführte, grundsätzlich passend, wurde aber auch in anderen Kontexten verwendet. Diese Lesart des Motivs fügt sich besser als der Hinweis auf den Oberpontifikat in die öffentlichen Bemühungen des Claudius zur Bewerbung seiner Abstammung ein.152 Religiöse Elemente waren gerade für den dynastischen Aspekt kaiserlicher Repräsentation vonnöten, um die sonst mit der Zeit verlorene Verbindung zwischen den verstorbenen Verwandten wirksam aufrechtzuerhalten – mit der Sorge um oder Zuständigkeit der Kaiser für das Kultwesen allgemein hatte dies jedoch nichts zu tun. Mit Nero legte ein weiterer Kaiser, dessen Position für einen großen Teil seiner Herrschaft eigentlich sicher war – und bereits zu Herrschaftsantritt war sie 149 Zur Datierung siehe Wallace-Hadrill 1986, 79, Anm. 74 und 85–87 sowie Fullerton 1985, 479, der das Motiv in den Kontext der Widmung der Ara Pacis nach der Rückkehr des Augustus setzt. 150 Wood 1999, 153; Stepper 2003, 50 mit Anm. 70. Auch van Haeperen 2002, 422 weist hingegen nachdrücklich darauf hin, dass die vielfach wiederholte Grundannahme, der Kaiser in Toga und mit verhülltem Haupt sei immer als pontifex maximus abgebildet, nicht zu halten ist. 151 Suet. Claud. 11,2. 152 Vgl. auch den oben besprochenen Münztyp mit Erwähnung von Antonias Amt als SACERDOS DIVI AVGVSTI in Kap. 2.2, S. 65.

2.4 Beobachtungen zur Verwendung des Oberpontifikats

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sicherer als die aller seiner Vorgänger –, keinen erkennbaren Wert auf die Betonung des Oberpontifikats. Zwar wurde das Amt als PONTIF MAX auf vielen Prägungen in Langform verwendet, jedoch ist es nie der einzige exponierte Bestandteil der Titulatur und steht nie im Zusammenhang mit einem inhaltlich passenden Münzbild. Generell ist die Kaisertitulatur auf Münzen unter Nero wieder deutlich variabler – die sechs verschiedenen Abkürzungsformen für den Oberpontifikat hatte ich oben schon erwähnt. Diese dynamischere Gestaltung ist angesichts der wieder enorm gesteigerten Prägemenge, der Verlegung der Münzstätte von Lugdunum nach Rom und der Münzreform von 64 n. Chr. nicht weiter verwunderlich. Die Ausführlichkeit der Schreibweise hatte bei Nero dabei offenkundig gestalterische, keine qualitativen Gründe: Wenn aufgrund einer langen Averslegende wenig Platz war, wurde der Titel verstärkt abgekürzt, wo Platz zu füllen war, wurde er ausgeschrieben.153 Hinzu kommt eine neue, persönlichere Ausgestaltung der kaiserlichen Autorität unter Nero: Ab Mitte der 60er Jahre n. Chr. verzichtete Nero vielfach ganz auf die Nennung jegliche Ämter und man versuchte, NERO CAESAR AVGVSTVS als kaiserliche „Marke“ zu etablieren. Von den auf Grundlage von Prägemenge und Regierungsdauer zuverlässig zu untersuchenden Kaisern wäre eine besondere Betonung des Oberpontifikats noch bei Vespasian und Nerva zu erwarten, die sich gegen ihre jeweiligen Vorgänger als unproblematische, Traditionen achtende Herrscher abgrenzten. Wie oben besprochen, wurden dazu in der numismatischen Darstellung dieser Kaiser vor allem in großer Prägemenge Priestergerätschaften im Münzbild verwendet. Nur zwei Münztypen Nervas aus dem ersten Jahr seiner Herrschaft geben dem Oberpontifikat etwas mehr Raum, als gezieltes Hervorheben kann das innerhalb einer längeren Averstitulatur genannte PONT MAX jedoch nicht interpretiert werden (RIC II 11–12). Für Vespasian wurde der explizite Bezug auf den Oberpontifikat sogar von der prominenten Stelle auf dem Revers von Denaren offenbar absichtlich zurückgenommen und in einen Verweis auf die tribunicia potestas umgewandelt (RIC II²,1 42–43, 45–46). Im Bürgerkrieg hatten unter Vespasian wieder mehrere außerrömische Prägestätten den Betrieb aufgenommen. Der Wegfall des Oberpontifikats auf vielen Münzen Vespasians kann zum Teil durch diese außerrömischen Prägestätten erklärt werden, aber auch „nur“ knapp über 60 % aller eindeutig Rom zuzuordnenden Münzen des ersten Flaviers nennen den Titel.154 Gleichzeitig ist Vespasian 153 Während beispielsweise RIC I² 76 NERO CLAVDIVS CAESAR AVG GERM P M TR P IMP P P auf dem Avers führt, entschied man sich für RIC I² 78, das bisher textfreie Revers ebenfalls zu nutzen, und verteilte die gleichen Titel als NERO CLAVDIVS CAESAR AVG GERMA und PONTIF MAX TR P IMP P P auf beide Seiten. RIC I² 77 führt als Mischform die Averslegende von 76 und die Reverslegende von 78 – und damit einige Titel sogar doppelt. 154 Dio. 65,11,3 berichtet über eine Episode im diplomatischen Verkehr, in welcher Vespasian mit betonter Gleichgültigkeit auf eine volle Titulatur keinen Wert gelegt habe. Inwiefern sich eine solche Haltung möglicherweise auch auf den Umgang mit seiner Titulatur in offiziellen Medien niedergeschlagen hat, muss jedoch offenbleiben.

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2 Priesterämter und Kultwesen

wie schon Tiberius ein Beispiel dafür, dass die Bedeutung des Titels nicht anhand der Häufigkeit der Nennung, sondern besser an deren Qualität zu messen ist: So finden sich in der umfangreichen Münzprägung Vespasians mehrere Typen, auf denen das Amt explizit betont wurde.155 In den Jahren 73–74 n. Chr. wurden Münzen geprägt, die das Priesteramt durch die exponierte Reverslegende PONTIF MAXIM in den Fokus rücken (RIC II,1² 545–546, 553–554, 685). Sie variieren das unter Tiberius mit gleicher Legende so häufig ausgeprägte Münzrevers mit einer sitzenden Figur, nur ist hier der Kaiser selbst abgebildet. Durch Zepter und Zweig wurde der Typ an das Gestaltungsschema der wahrscheinlich noch bekannten Münzen des Augustus und Tiberius angeglichen. Statt eines Throns, wie die Gottheit, sitzt Vespasian auf einem kurulischen Stuhl. Die Verbindung zum augusteischen und tiberischen Münzbild ist unverkennbar (Abb. 15–17), die zentrale Position des Kaisers anstelle der erwarteten Gottheit jedoch eine Innovation.

Abb. 15–17: Denare mit PONTIF MAXIM-Revers. Von l. nach r.: Augustus (hier RIC I² 220), Tiberius (hier RIC I² 28) und die Adaption bei Vespasian mit sitzendem Kaiser (hier RIC II,1² 546).

Zur gleichen Zeit wiederholte man für Vespasian auch ein häufiges Münzbild des Claudius, eines weiteren Kaisers, auf den in der lex de imperio Vespasiani Bezug genommen wurde, mit Abbildung der Pax (RIC II,1² 544).156 Angesichts dessen, dass Vespasian sich auch um die Fertigstellung des Tempels des Divus Claudius bemühte, sind diese Rückbezüge kein Zufall.157 Am Pax-Typ wurde für Vespasian zwar keine Motivänderung vorgenommen, während man ihn zu Beginn von Vespasians Herrschaft als Aureus jedoch mit unveränderter Reverslegende PACI AVGVSTAE produziert hatte (RIC II,1² 1130, 1180), wurde auf dem Denar von 73 n. Chr. mit der Aufschrift PONTIF MAXIM wiederum dem Oberpontifikat beson-

155 Abseits der bisher genannten: RIC II²,1 544–546, 553–554, 683–687, 772–777, 851–854. 156 CIL VI 930; Das Münzmotiv mit Pax/Nemesis und Schlange ist für Claudius besonders regelmäßig ausgeprägt worden; siehe von Kaenel 1986, 255–258 (Nummern für PACI AVGVSTAE-Münztypen auf 234) mit Szaivert 1987, 64–66. 157 Suet. Vesp. 9,1; siehe dazu Leithoff 2014, 149–152.

2.4 Beobachtungen zur Verwendung des Oberpontifikats

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deres Gewicht gegeben. Neben dem offenkundigen Rückbezug zur julisch-claudischen Dynastie durch die von Tiberius und Claudius übernommenen Motive ist beiden Münztypen die Friedensprogrammatik gemein.158 In dieses Thema fügen sich inhaltlich zudem Münztypen ein, die den Merkurstab, ein Friedenssymbol, zeigen und mit stets paralleler Legendengestaltung wie die Münzen mit sitzendem Vespasian produziert wurden (RIC II,1² 684, 686, 703). Zu diesen beiden Typen gibt es noch zwei Varianten mit ausführlicherer Reverslegende PON MAX TR P COS V (RIC II,1² 683, 702). Insgesamt ergeben sich daraus drei Gruppen aus je zwei Typen mit gleicher Avers- und Reverslegendengestaltung: Tab. 2:

Gruppe von Münztypen Vespasians mit Friedenssymbolen, je zwei zusammengehörig

RIC II,1²

Avers159

Revers

685

IMP CAESAR VESP AVG

PONTIF MAXIM, Vespasian sitzend mit Zepter und Zweig.

686

IMP CAESAR VESP AVG

PONTIF MAXIM, geflügelter caduceus

683

IMP CAESAR VESP AVG

PON MAX TR P COS V, Vespasian sitzend mit Zepter und Zweig.

684

IMP CAESAR VESP AVG

PON MAX TR P COS V, geflügelter caduceus

702

IMP CAESAR VESPASIANVS AVG

703

IMP CAESAR VESPASIANVS AVG

PON MAX TR P COS V, Vespasian sitzend mit Zepter und Zweig. PON MAX TR P COS V, geflügelter caduceus

Die Averslegende wurde in der Folge in der längeren Form wie auf RIC II,1² 702– 703 weitergeführt und lässt so erkennen, dass der vom Vorbild übernommene Verweis auf den Oberpontifikat auch in diesem Fall in einem späteren Schritt gekürzt und um den Hinweis auf tribunicia potestas, und hier auch das Konsulat, ergänzt wurde. Dies entspricht dem bereits oben für die Vesta- und Priestergerätschaften-Typen festgestellten Vorgehen.160 Warum dann zuvor überhaupt diese Betonung? Zusätzlich dazu, dass gerade nach den Bürgerkriegen Kontinuität, Frieden und die Wahrung althergebrachter Traditionen sinnvolle und erwartbare Botschaften waren, ist für Vespasian naheliegend, dass wie für Tiberius auch der elitäre Status des neuen Herrschers präsentiert werden sollte. Die antiken Quellen berichten zwar, dass Vespasian 158 Auch Kap. 3.1, S. 147–148 zur Friedensthematik bei Vespasian. 159 Immer Vespasian mit Lorbeerkranz nach rechts. 160 Siehe Kap. 2.1.2, S. 61–63; auch Kap. 3.3.2, S. 192–193.

100

2 Priesterämter und Kultwesen

offen mit seiner niederen Herkunft umging, dennoch bestand im Bereich des sozialen Prestiges ein offenkundiges Defizit. Neben dem Sieg in Judäa, aufgrund seiner Präsenz in der flavischen Herrschaftsdarstellung auch „Gründungsmythos“ der Dynastie genannt,161 wird für Vespasian auch den Oberpontifikat verwendet worden sein, um dieses Defizit zu kompensieren. Später in seiner Herrschaft wie auch für seine beiden Söhne war dies so explizit nicht mehr nötig. Weder Titus noch Domitian hoben das Priesteramt in der Münzprägung ähnlich hervor. Die Beobachtung, dass der Titel bei der die Weiterführung der wegen der Friedensprogrammatik für die vespasianische Münzprägung besonders passenden Motive reduziert wurde, rät einmal mehr zur Vorsicht, dem Priesteramt für die Autorität des Kaisers wegen solcher Münztypen allgemein große Bedeutung zuzumessen. Auf Dauer und in größerer Menge befand man den Titel allein für nicht aussagekräftig genug und erwähnte stattdessen zusätzlich die machtpolitisch relevanteren Befugnisse des Kaisers. Die Titulatur Vespasians wurde mit fortschreitender Amtszeit tendenziell ausführlicher und dadurch auch in den Einzelbestandteilen kürzer. Spätere Erwähnungen des Oberpontifikats in ausführlicherer Variante PON MAX stehen auf stadtrömischen Münzen meist mit Bild der sitzenden Pax oder Securitas (RIC II,1² 772–774, 851–854). Dies lässt in der Tat vorsichtig eine „increased symbolic function“ des Priesteramtes vermuten, das den kaiserlichen Beitrag zu Sicherheit und Wohlergehen des Staatswesens hier zumindest unterstreichen konnte.162 Nach 76 n. Chr. wurde das Priesteramt für Vespasian jedoch nur noch auf Prägungen im Osten betont, wo man sich auch sonst bemühte, alle Titel des Kaisers gründlich aufzuführen. Der erklärungsbedürftigste, aber deshalb vielleicht auch aussagekräftigste Fall in Bezug auf den Oberpontifikat ist Domitian. Hier lohnt es sich, noch weiter ins Detail zu gehen. Während sein Bruder und Vorgänger das Amt regelmäßig, wenn auch nie prominent aufführte, nennen nur 55 % der relevanten Münztypen unter Domitian den Oberpontifikat. Auf keiner Prägung wurde der Titel besonders hervorgehoben, stattdessen steht er nur als Kurzform P M und auch dann überhaupt nur, wenn die ausführliche Form der Kaisertitulatur verwendet wurde. Kleinbronzen und Restitutionsprägungen spielen hier keine signifikante Rolle, stattdessen fehlt das Amt auch auf vielen der Standardprägungen. Wie ist dieser Befund mit etwa Steppers Analyse zu vereinbaren, dass Domitian ein strenger pontifex maximus gewesen sei, der Religion gezielt benutzt habe, um sich in Szene zu setzen – der darauffolgende Nerva sich aber bei der religiösen Selbstinszenierung auch zur Abgrenzung von Domitian zurückgehalten habe?163 Würde man allein die Häufigkeit des Priestertitels auf Münzen betrachten, müsste man vom gegenteiligen Bild ausgehen. 161 Barnes 2005, 129. 162 Manders 2012, 141. 163 Stepper 2003, 154–156.

2.4 Beobachtungen zur Verwendung des Oberpontifikats

101

Für Domitian ist eine längere Phase vor der Übernahme des Amtes, wie etwa bei Galba, keine mögliche Erklärung für das Ausbleiben des Titels. Bis 83 n. Chr. fehlt der Titel lediglich auf Kleinbronzen, Restitutionen und auf einem Cistophortyp, ab 84 fehlt er jedoch auf zahlreichen Prägereihen. Möglicherweise wurde zu Beginn der Herrschaft noch mehr Wert auf eine vollständige Titulatur zur „Vorstellung“ des neuen Kaisers gelegt, der sein Profil noch nicht geschärft hatte. Unter Vespasian hatte der Oberpontifikat jedoch bereits im gleichen Jahr, in dem es zum ersten Mal auf Sesterzen erschien (71 n. Chr.), auf Dupondien schon keine Beachtung mehr gefunden und Domitian wurde auch gegen Ende seiner Herrschaft noch immer auf zahlreichen Münzen mit ausführlicher Titulatur genannt. Erneut scheinen auch hier mehr gestalterische denn inhaltliche Gründe vorzuliegen. Ab 84 n. Chr. wurde die „erwartbare“ Legende durch neue Elemente in der Titulatur Domitians neu gemischt. Zunächst verschoben Formen des neuen Ehrennamens GERMANICVS das stets kurz als P M angegebene Oberpontifikat vom eher persönlichen Teil der Titulatur mit den Namen auf dem Avers zu den Ämtern auf das Revers. Auf zahlreichen Bronzetypen wurde es nun, gemeinsam mit der ebenfalls wegfallenden Zählung der Imperatorenakklamationen und tribunicia potestas, vollständig durch Reverslegenden ersetzt, die sich nicht mehr auf die Titulatur des Kaisers, sondern auf das Münzmotiv bezogen. Bemerkenswert ist dabei jedoch, dass die Konsulatszählung in diesen Fällen auf den Avers gezogen wurde und damit nicht wie die anderen, offenbar weniger relevanten Titel zugunsten eines thematischen Revers verschwand. Anhand der Münzen Domitians ist eindeutig zu belegen, dass besondere Vorlieben des Kaisers über die erwähnte gestalterische Freiheit, die hinter zahlreichen Titulaturvarianten vermutet werden muss, erhaben waren. So wurde auf den Siegesnamen „Germanicus“ nicht einmal auf Kleinbronzen verzichtet, seitdem der Kaiser ihn führte.164 Domitians Titulatur auf Münzen erhielt nach den Anfangsjahren seiner Herrschaft eine innovative und man mag sagen autokratischere Note, die weniger Traditionelles denn die reelle Machtposition des Kaisers und seine (vor allem militärischen) Leistungen betonte.165 Ab 84 n. Chr. verschwand auch der Hinweis auf den vergöttlichten Vater – DIVI VESP F – von Münzen, stattdessen trat das Censorenamt prominent dazu.166 Die Amtsgewalt

164 Gering 2012, 154 spricht von der „öffentliche[n] Überhöhung seiner militärischen Erfolge“. 165 Auch im Münzbild wird dem Kaiser ab 85 n. Chr. auf Sesterzen, die ihn in militärischen Kontexten bei seinen Siegen gegen die Chatten abbilden, mehr Raum gegeben; vgl. Carradice 1983, 143. 166 Die Annahme des Censorenamtes auf Lebenszeit wird nicht nur auf Münzen für Aufsehen gesorgt haben und resonierte in aristokratischen Kreisen als Zeichen der Machtgier. Wie Dio. 67,4,3 betont, war Domitian der Erste und Einzige, der dies für eine gute Idee hielt.

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2 Priesterämter und Kultwesen

des Kaisers wurde ab 85 als CENS POT(EST), auf Denaren wie Bronzen, wenig später regelmäßig als CENS PER aufgeführt und ab 86 auch als CENS P abgekürzt.167 Das auf Lebenszeit verliehene Amt wurde auf Dupondien des Jahres 87 sogar platzintensiv als CENSOR PERPETVVS ausgeschrieben, während die üblichen Ämter und Ehrungen (CONS, P P) nicht weiter erläutert werden mussten. Wie Griffin (2000) bemerkte, hatte Domitian „no inhibitions about the autocratic and reproving image that his predecessors in that office had tried to avoid.“168 Gering (2012) ist in seiner Biografie des Kaisers unschlüssig darüber, warum Domitian den Titel des censor perpetuus annahm. Gut möglich sei es, dass Domitian einfach seiner langen Titulatur „einen neuen Namen hinzufügen wollte, der sein in der Öffentlichkeit präsentiertes Traditionsbewusstsein unterstrich.“ Letztlich zeige der Fokus des Kaisers auf die Censur, dass es das „Ziel Domitians“ gewesen sei, „sich als Hüter der alten Bräuche zu stilisieren und dies bereits durch seine Titulatur anzuzeigen.“169 Würde sich nicht aber gerade zu diesem Zweck die Rolle des Kaisers als pontifex maximus besonders eignen, zumal sich das Censorenamt in dieser Form nur schwer in eine Traditionslinie mit den Vorgängern stellen ließ? Die Tatsache, dass der Oberpontifikat von Domitian in der Titulatur jedoch nie besonders hervorgehoben wurde, beweist, dass es für die gewünschte Darstellung der kaiserlichen Autorität offenbar nicht geeignet war. Im Gegensatz zum Oberpontifikat war der Titel des censor perpetuus neu und unverbraucht. Auch wenn sich beide Ämter auf alte Sitten und Traditionen bezogen, wählte Domitian zur Profilierung seiner Autorität den Titel, der ihm machtpolitisch stärkere Befugnisse gab – etwa zur Säuberung des Senats von unliebsamen Mitgliedern. Betrachten wir zunächst weiter, unter welchen Umständen der Oberpontifikat unter Domitian aus den Legenden verschwand. Während der Oberpontifikat unter Nero und Vespasian tendenziell eher auf Bronze genannt wurde, mit den oft längeren Titulaturen auf physisch großen Nominalen, stand der Titel auf nur 21 % der Bronzeprägungen Domitians und verstärkt auf Denaren (Abb. 18). In der Tat wurde der pontifex maximus-Titel in Rom unter Domitian ab 89 n. Chr. auf keinem anderen Nominal mehr genannt. Bezeichnend ist dabei, dass sich gerade Domitians Denare durch eine auffällige Statik in den Legenden und Motiven auszeichnen. Der Standardtyp zeigt stets Minerva. Wie Carradice bereits feststellte, veränderte sich auf Denaren zudem die Legende ab 85 n. Chr. nicht mehr,

167 Von den vergleichsweise wenigen Typen, auf denen das Amt ab 86 n. Chr. fehlte, sind der Großteil Aurei. Auf diesen entfernt sich Domitians Titulatur ohnehin teils gänzlich von Ämtern als Aspekte „rationaler“ Herrschaft im Weberschen Sinne und tritt als DOMITIANVS AVGVSTVS / GERMANICVS, ähnlich wie schon Nero auf Aurei, gänzlich charismatisch in Erscheinung. 168 Griffin 2000, 83. 169 Gering 2012, 221, 154.

2.4 Beobachtungen zur Verwendung des Oberpontifikats

Abb. 18:

103

Prozentualer Anteil der Münztypen in Gold, Silber und Aes mit Nennung des pontifex maximus-Titels.

mit Ausnahme der aktualisierten Zählungen für die Konsulate, imperatorischen Akklamationen und tribunicia potestas.170 Auf Gold hingegen wird 88–89 n. Chr. der neue Kurzname DOMITIANVS AVGVSTVS eingeführt. Gerade auf Silber scheint aber schlicht nicht mehr grundlegend über neue Motive nachgedacht worden zu sein. Wie Beckmann (2009) darlegte, hat die Statik der Denare, die er seinerseits bei Trajan beobachtete, vermutlich pragmatische Gründe: Durch die große Produktionsmenge in diesem Nominal, für die stetig Stempel nachgeschnitten werden mussten, war es schlichtweg nicht sinnvoll möglich, aufwendige und ständig aktualisierte Stempel zu produzieren.171 Dass deshalb auf Denaren ältere und weniger aufwendige Motive stehen blieben, scheint ein übliches Phänomen gewesen zu sein. Die Legende der Denare, die sich mit dem Bild verstetigt hatte, ist somit keinesfalls als programmatisch zu werten und auch der Großteil der Nennungen des pontifex maximus-Titels unter Domitian ist damit rein auf die Beharrlichkeit der nicht mehr hinterfragten Titulatur zurückzuführen. Dort, wo aber neue Inhalte eingeführt wurden, passierte es mehrfach, dass der Oberpontifikat schlicht hintenüberfiel. Bei Nero, unter dem gerade den Edelmetallen besonders viel Aufmerksamkeit für die Selbstdarstellung des Kaisers zukam, steht der Priestertitel

170 Carradice 1983, 29. 171 Beckmann 2009, 153–154. Auch die Qualität der Ausführung sei für Silberprägungen sichtbar niedriger.

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2 Priesterämter und Kultwesen

vermehrt auf Bronzeprägungen, die meist den bekannten Apollo-Typ wiederholten. Der Oberpontifikat auf Münzen war somit trotz seiner Häufigkeit an sich verzichtbar und zumindest nicht „essential“ für die kaiserliche Titulatur.172 Dass gerade für Domitian, dem die Forschung attestiert, dass er seine Sittenstrenge unterstreichen wollte und religiösen Traditionen streng verpflichtet war,173 der Oberpontifikat im Medium Münze so gar nicht betont, ja nicht einmal ausführlicher als die knappste Kurzform geschrieben wurde, bekräftigt die Zweifel an der Wichtigkeit des Amtes für die kaiserliche Repräsentation. Wenn wir sowohl den literarischen als auch den numismatischen Befund ernst nehmen, müssen wir annehmen, dass die pontifex maximus-Rolle von Domitian (wie zuvor schon von Claudius) zwar ernsthaft ausgeführt wurde, für die kaiserliche Autorität an sich aber eben keine „eminente“ oder „ganz zentrale“ Bedeutung hatte. Dazu passt auch, dass Martial in all seinem Lob auf Domitian zwar neben dessen militärischen Erfolgen und Bauprogrammen auch dessen Sittenstrenge mehrfach lobt, nie jedoch ein Wort über die Rolle des Kaisers als pontifex maximus verliert. Auch bei anderen Kaisern wird in der antiken Literatur der Oberpontifikat in der Regel lediglich in dokumentarischer Absicht zum Amtsantritt erwähnt – oder, wenn die Missachtung von Traditionen verdeutlicht werden soll. Cassius Dio betont den Status als pontifex maximus so im Zuge der Kritik an Nero, der sich und Rom mit seinen Auftritten in Griechenland lächerlich gemacht habe, oder um die Ermordung Galbas als besonders frevlerisch zu kennzeichnen.174 Gleiches wie für den ermordeten Galba gilt im Übrigen für die besondere Hervorhebung des pontifex maximus-Titels Caesars in der Leichenrede des Antonius oder im Proskriptionsedikt.175 Die Deutung von Stepper, dass hier eine noch von Caesar selbst initiierte Sprachregelung zu erkennen sei, die ein „religiös orientiertes“ Image Caesars begründen sollte, halte ich daher für abwegig.176 Tacitus führt eine unglückliche Handlung des Vitellius als pontifex maximus lediglich an, um zu zeigen, dass Letzterer weder über ausreichend Kenntnisse noch Sensibilität für das Kaiseramt verfügte.177 Gehen wir davon aus, dass es Domitian nach außen hin primär auf die Demonstration politischer Macht ankam,178 so passt dies auch zu den Berichten, dass Domitians Verhalten in Religionsdingen eher mit den Erwartungen an das Amt kollidierte. Die Ausübung des Oberpontifikats wurde zwar vom Kaiser zwangsläufig erwartet, eignete sich mit seinem traditionellen Assoziationsrahmen jedoch nicht sonderlich zur Herausstellung der Machtposition des Kaisers 172 173 174 175 176 177 178

Manders 2012, 141. Stepper 2003, 146–154; Gering 2012, 216; vgl. Jones 1992, 102, 109. Dio. 63,9,1; 64b,6,3. Dio. 44,48,3; 44,49,1; App. civ. 4,8,34. Stepper 2003, 36 und bereits 1999, 176; contra bereits Strobel 2005, 274. Tac. hist. 2,91,1; ähnlich Suet. Vit. 11,2. Über die Offenlegung „autokrate[r] Struktur der Herrschaft“ als auch religiöse Überhöhung unter Domitian vgl. Strobel 1994, hier 370.

2.4 Beobachtungen zur Verwendung des Oberpontifikats

105

– zumindest nicht der, wie Domitian sie sehen wollte. Der gleichzeitig religiös offenbar sehr ernsthafte und strenge pontifex maximus Domitian verlor durch sein Durchgreifen sogar eher an Akzeptanz. Gerade weil er seine Macht auf religiöser Ebene besonders nutzte, wurde seine Autorität als pontifex maximus in Zweifel gezogen: In Bezug auf Domitians Strenge und Grausamkeit bei der Bestrafung unkeuscher Vestapriesterinnen sagt Plinius, Domitian habe mit dem Recht des Oberpriesters – nein, korrigiert er sich, vielmehr mit der Grausamkeit des Tyrannen und der Willkür des Herrschers gehandelt.179 Domitians herrisches Auftreten scheint seiner Priesterrolle in den Augen zumindest einiger Aristokraten widersprochen zu haben. Die religiöse Destruktivität Domitians wird auch von Cassius Dio besonders dramatisch gezeichnet: In schockschwerer Not über die Entscheidungen des kaiserlichen Oberpontifex gegen die Vestalinnen verstirbt sogar ein Priester im Senat.180 Die Quellen legen nahe, dass die Akzeptanz eines Kaisers gerade bei der Aristokratie eher dann stieg, wenn er seinen Einfluss in Religionsdingen nur unauffällig und vermittelnd geltend machte. Der flamen Dialis Servius Maluginensis bringt dies bei Tacitus gegenüber Tiberius zum Ausdruck: Es sei ein Vorteil, dass der Oberpontifikat mit dem Kaiser einen Träger gefunden habe, der im Amt frei von jeglichen persönlichen Machtinteressen entscheiden könne.181 Titus’ öffentliche Ankündigung, er wolle das Amt annehmen ut puras servaret manus, deutet in eine ähnliche Richtung.182 Vom Amtsinhaber des Oberpontifikats wurde also die Zurücknahme der eigenen Person erwartet. Claudius wird explizit dafür gelobt, dass er niemanden als Nachfolger für ein Priesteramt benannte, ohne nicht vorher einen Eid abgelegt zu haben, welcher vermutlich beinhaltete, niemand anderen als die von den Kollegien gewählten Kandidaten zu bestätigen.183 So verwundert es insgesamt wenig, dass eher Kaiser, die bis heute als zurückhaltender und tendenziell auch weniger autokratisch wahrgenommen werden, den Oberpontifikat in der Münzprägung gesondert hervorhoben. Ich schlage zusammenfassend vor, das Amt des pontifex maximus, wie auch die anderen Priesterämter des Kaisers, als selbstverständlichen Teil der kaiserlichen Aufgaben zu betrachten, der keine Möglichkeit zur charismatischen Ausgestaltung bot. Wäre das Amt geeignet gewesen, „als Chiffre für eine religiöse, bis in die Sphäre des Göttlichen reichende Überhöhung“ der Person des Kaisers zu dienen,184 würden sich im Umgang mit dem Amt, hier diskutiert anhand des am besten greifbaren und repräsentativsten Mediums kaiserlicher Repräsentation, gänzlich andere Dynamiken zeigen. Die traditionelle Religion war zwar 179 180 181 182 183 184

Plin. epist. 4,11,5–6: […] pontificis maximi iure, seu potius immanitate tyranni licentia domini […]. Dio. 67,3,3². Tac. ann. 3,58. Suet. Tit. 9,1 (auch: servasset). Suet. Claud. 22. So Stepper 2003, 37–38 über Caesars Verwendung des Titels, die sich in dieser Hinsicht Taylor 1931 anschließt.

106

2 Priesterämter und Kultwesen

nichts, das dem mächtigsten Politiker Roms gefährlich werden konnte, jedoch musste auch er hinnehmen, dass er in der Ausgestaltung seiner Autorität durch die an ihn als religiösen Amtsträger geknüpften Erwartungen stellenweise eingeschränkt war. Der numismatische Befund, dass das Amt des pontifex maximus auf Münzen generell eher „mitgeschleppt“ als herausgestellt wurde, spricht dafür, das Potenzial des Priesteramtes für die kaiserliche Legitimation nicht überzubewerten.185 Je selbstverständlicher der Titel für die Kaiser des ersten Jahrhunderts wurde, desto weniger konnten sie aus dieser Funktion heraus gewinnen – aber wie im Fall Domitian manches an Akzeptanz verlieren. An dieser Stelle scheint ein kurzer Exkurs zum oft selbstverständlich verwendeten Charismabegriff sinnvoll. Ist es überhaupt plausibel anzunehmen, dass das Innehaben eines traditionellen Amtes seinen Träger „charismatisch“ erscheinen lasse? In Form der Herrschertypologie Max Webers hat „Charisma“ seit mehreren Jahrzehnten in der Geschichtswissenschaft Konjunktur. Viele Jahre nach der vielrezipierten Anwendung des Konzepts auf die hellenistischen Könige durch Gehrke (1982) warnte Gotter (2008) davor, im Zuge der Weber-Begeisterung Charisma als unpräzise Analysekategorie zu verwenden und etwa die charismatische Herrschaft als „typologische Abstellkammer“ zu verwenden, in der sich „all jenes unterbringen“ lasse, „das sich der Einordnung in die kompakteren [Herrschafts-]Typen verweiger[e]“.186 Die Herausforderung besteht darin, dass der Begriff „Charisma“ in seiner Bedeutung inhärent vage ist, beschreibt er doch ein subjektives, starkes und über eine spezifische Leistung hinausgehendes Vertrauensempfinden gegenüber einer Führungsperson. Grundlage für Charisma sind zwar einzelne Leistungen, die Bewunderung und Begeisterung auslösen, welche aber erst als herrschaftsstabilisierendes Element wirkungsvoll sind, wenn sie in eine zumindest zeitweise andauernde – wenn auch potenziell flüchtige – positiv-diffuse Grundhaltung von Zutrauen gegenüber dem Herrschenden übernommen werden. Für Begeisterung und Bewunderung auslösende Großtaten im Sinne einer Performanz des kaiserlichen Charismas war das Bewahren und Durchführen althergebrachter Traditionen eher nicht geeignet. Charismatisch bedeutsam war jedoch die dadurch zur Schau gestellte Konformität, die dafür sorgte, dass der erfolgreiche Kaiser von der Gesellschaft als Teil ihrer Wertegemeinschaft, als Referenzpunkt akzeptiert wurde. Charisma stabilisiert eine Herrschaft nachhaltig, wenn die Untertanen, im Fall der Priesterämter vor allem die römischen Eliten, sich auf ebendiese Weise suggerieren, dass sie ihre Handlungs- und Entscheidungsfreiheit freiwillig in die Hand des am besten Geeigneten unter ihnen geben. Nur wer überhaupt auf glaubwürdige Weise Teil der

185 Contra Stepper 2003b, 162: „Den Oberpontifikat des römischen Kaisers als stadtrömischen Posten zu bewerten, der in der Kaisertitulatur „mitgeschleppt“ wurde, wird weder seiner Bedeutung noch seiner Entwicklung gerecht.“ 186 Gotter 2008, hier 181; vgl. Weber 1922.

2.4 Beobachtungen zur Verwendung des Oberpontifikats

107

Masse ist, und kein überheblicher Tyrann oder irrelevanter Außenstehender ohne Identifikationspotenzial, kann aus ihr auch hervorgehoben werden. Sei es die Aufnahme des Nachfolgers in die Priesterkollegien oder der Verweis auf die religiöse Ordnung bei Vespasian und Nerva: Hier erfolgte eine betonte Integration des Herrschers in die römische Wertegemeinschaft. Nicht im Sinne der besonderen Leistung, sondern als Performanz der notwendigen gesellschaftlichen Konformität des Individuums und der daran hängenden Akzeptanz als Anführer sind Priesterämter für die Kaiser relevant. Die Analyse der Münzbilder zeigt die Priestertradition als nur eine von mehreren Möglichkeiten, diese Glaubwürdigkeit zu schaffen. Sie wurde vor allem dann herangezogen, wenn der soziale Resonanzraum der Kaiser aufgrund vorausgegangener Erfahrungen besonders skeptisch eingestellt war (Vespasian/Nerva). Die stellenweise geringe Rolle der Verweise auf den Kaiser als Priester erklärt sich dadurch, dass sich in den Priesterämtern nur eine sozial beschränkte, wenn auch relevante Gruppe wiederfand. Während Tiberius den Oberpontifikat noch nutzte, um die soziale Sonderstellung des Prinzeps zu kommunizieren, benötigte es Caligula schon nicht mehr zu diesem Zweck. Erst im Zusammenhang mit der öffentlichen Vorstellung eines Nachfolgers, der sich eben noch nicht an der politischen Spitzenposition befand, wurde das Prestige der Priesterämter wieder hervorgehoben. Zusätzlich zum Prestige des Sonderamtes, das nur Tiberius und, mit Abstrichen, Vespasian zu diesem Zweck eingesetzt zu haben scheinen, kommunizierte der Oberpontifikat eine recht unspezifische Botschaft von Traditionsbewusstsein und Fürsorge. Wie oben anhand der Restitutionsprägungen diskutiert, zielte aber der Ehrentitel pater patriae in eine ähnliche Richtung und war sogar noch besser geeignet, um die allgemeine Sorge um das Wohl der res publica auszudrücken. Dass dennoch häufiger P M als P P in der Titulatur reproduziert wurde, liegt wohl einerseits an den natürlichen Beharrungskräften der Tradition, andererseits aber auch daran, dass es im frühen Prinzipat nicht gänzlich unproblematisch war, sich als „Vater des Vaterlandes“ bezeichnen zu lassen. Umso mehr muss dieser Titel, auf den die Kaiser mehrfach länger warteten und in dessen Gegensatz der Oberpontifikat tatsächlich als institutionalisierte Selbstverständlichkeit erscheint, bedeutet haben. Die unterschiedlichen Umstände bei der Übernahme des Oberpontifikats auf der einen und der Annahme des Ehrentitels pater patriae auf der anderen Seite machen Taylors These unwahrscheinlich, dass beide Titel im Grunde das Gleiche bedeuteten und die „paternal relation to the state“, die in der Bezeichnung pater patriae ausgedrückt wurde, im pontifex maximus-Titel schon enthalten gewesen sei.187 Im Gegenteil scheint gerade diese Verallgemeinerung der Fürsorge und Aufsicht des Kaisers eine durchaus nicht unproblematische Steigerung gewesen zu sein. Wie Stevenson (2007) festhielt, ist die fast schon ritualisierte mehrfache Ablehnung des Titels pater patriae vor dessen Annahme im 187 Taylor 1931, 67.

108

2 Priesterämter und Kultwesen

ersten Jahrhundert ein Beleg für persistierende Sensibilitäten in Bezug auf die Monarchie.188 Von Nerva bis Antoninus Pius findet sich P P bereits auf knapp zwei Dritteln aller Münztypen, im Vergleich zu nur einem Drittel in der Zeit davor. Die Nennung des Oberpontifikats ging im zweiten Jahrhundert hingegen stark zurück und ist nur noch auf ca. einem Viertel der Typen aufgeführt, im Gegensatz zu zwei Dritteln im ersten Jahrhundert.189

2.5

Priesterämter – eine Rolle für elitäres Publikum?

Weitgehend ausgeklammert habe ich bis zuletzt die Frage nach denjenigen, vor denen sich der Kaiser als Inhaber von Priesterwürden profilieren konnte. Waren die Priesterämter des Kaisers nur in der Kommunikation mit einem engeren, elitären Kreis bedeutsam oder belegen die Münzen eine Wirkungsmacht der Ämter auch für die Darstellung des Kaisers gegenüber einem breiteren Publikum? Bemerkenswert ist, dass konkrete Darstellungen des Kaisers bei Ritualhandlungen (Kapitel 2.6.2) sich meist auf Buntmetalltypen befanden, die Mitgliedschaft in den Priesterkollegien im ersten Jahrhundert jedoch fast ausschließlich auf stadtrömischen Edelmetallprägungen betont wurde. Eine entsprechende Zielgruppenorientierung würde auch eine Erklärung für das „unlogisch erscheinen[de]“ Phänomen liefern, dass der Titel des pontifex maximus bei Trajan, als die Legende nach dem angeordneten Weglassen des pater patriae zu Beginn der Herrschaft platztechnisch neu verteilt werden musste, auf Edelmetallen zu PONT MAX verlängert, auf Buntmetallen jedoch, obwohl hier wesentlich mehr Platz für die Legende zur Verfügung gestanden hätte, in der kurzen Variante P M auf dem Avers verblieb.190 Tatsächlich lässt all dies auf eine Wirkung der Titel nicht so sehr auf das gemeine Volk denn auf römische Eliten schließen, die in Militär und Beamtenschaft deutlich näher an den Quellen für frisches Edelmetall saßen als die einfache Stadtbevölkerung. Die Beobachtung gewinnt dadurch an Tragweite, dass sie sich gut in die bestehende Forschung auf vornehmlich literarischer und epigrafischer Quellengrundlage einfügt. So nennt Rüpke (2001) das, was wir als römische „Staatsreligion“ fassen, im Grunde eine „Privatreligion der Führungsschicht“, an der in leitenden Funktionen sowieso, aber auch beim Speisen von öffentlichen Opfern die nur durch politische oder priesterliche Ämter Privilegierten teilnehmen 188 Stevenson 2007, 136. 189 Spekulative Erklärungen für den Einzelfall, wie etwa, dass Marcus Aurelius den Titel lediglich aus Bescheidenheit und „Rücksicht auf seinen Adoptivbruder […] unter den Tisch“ habe fallen lassen, um „keine Eifersucht oder Mißgunst aufkeimen zu lassen“ (Stepper 2001, 41), erscheinen mir angesichts dieser allgemeinen Tendenz verfehlt. 190 Woytek 2010, 97.

2.5 Priesterämter – eine Rolle für elitäres Publikum?

109

konnten. Öffentliche Kulte sind für Rüpke ein „Medium der internen Kommunikation der Oberschicht“.191 Die Münzen legen nahe, dass die Mitgliedschaft in einzelnen Priesterämtern tatsächlich primär die Aristokratie beeindrucken sollte, die sich selbst untereinander in diesen Kategorien maß. Die claudischen Münzen, die wohl als Teil eines Geldgeschenkes anlässlich von Neros Volljährigkeit192 dessen Aufnahme in die vier angesehensten Priesterkollegien festhielten, wurden zwar in allen Metallen geprägt, jedoch konnte von Kaenel (1984) nachweisen, dass der Dupondius-Typ mit den Priesterämtern des jungen Nero (RIC I² 107), von dem ohnehin nur wenige Exemplare erhalten sind, mit großer Wahrscheinlichkeit in Thrakien entstand und den römischen Münztyp lediglich kopierte.193 In der Hauptstadt selbst wurde Claudius’ Nachfolger ausschließlich auf Silber und Gold präsentiert.194 In der Tat war Neros besondere Stellung als Nachfolger für das einfache Volk nicht so relevant wie für Wohlhabendere, Senatoren und Soldaten, die einen neuen Kaiser schließlich auch bestätigen und unterstützen mussten.195 Auch der Oberpontifikat wurde, wenn überhaupt, bereits ab Augustus vornehmlich auf Edelmetall in Bild und Legende separat hervorgehoben. Wertet man dies als Hinweis darauf, dass es sich hierbei nicht um eine Rolle des Kaisers handelte, mit der er aktiv Akzeptanz bei der breiten Bevölkerung gewinnen wollte, überrascht umgekehrt, dass Augustus Wert darauf legte, zu behaupten, dass sich noch nie eine solche Menschenmenge zu einer Wahl in Rom eingefunden habe, wie zu der Gelegenheit, als man ihn zum pontifex maximus wählte.196 Wenn sich ein Denar des Münzmeisters Lucius Caninius Gallus (RIC I² 418) tatsächlich, wie von Mattingly vorgeschlagen, auf die Volksversammlung zur Wahl des Augustus zum pontifex maximus 12 v. Chr. bezieht, würde dies eindrücklich 191 Rüpke 2001, 35, 146, auch 197. 192 Vgl. von Kaenel 1986, 250. 193 von Kaenel 1984, insb. 146–147. Von Kaenel weist die Münzgruppe, darunter das besprochene Dupondius-Format mit Priestermotiv und auch den Sesterz mit Nero-Porträt RIC I² 108 aufgrund der Fundkontexte (nur Balkan/östliche Provinzen), Machart und Stil, technischer Qualität, Materialfarbe und des inhaltlichen Zusammenhangs der Bilder mit Angehörigen des Kaiserhauses einer thrakischen Münzstätte zu. Der Dupondius wird auch im Münzhandel als sehr selten klassifiziert, da mehrere erhaltene Exemplare gemeinsame Stempel haben. Die deutliche Überzahl erhaltener Silber- und Goldmünzen mit dem Motiv ist somit wohl nicht allein auf den collectors’ bias zurückzuführen. 194 Vgl. von Kaenel 1986, 250. 195 Im konkreten Fall erhielt mit Suet. Nero 7,2 und Tac. ann. 12,4,1 auch nur das Militär Geld, das Volk jedoch eine Getreidespende. Die auch hier offenbar werdende Ungleichheit in der Bedeutung der Statusgruppen ist eine Schwäche des von Flaig vorgestellten Akzeptanzmodells. Vgl. Kröss 2017, die mit einer deutlich kritischeren Quellenarbeit als Sünskes Thompson 1993 insbesondere die Heterogenität der Statusgruppe plebs urbana hervorhebt und ihr, unter Beibehaltung ihrer ideologischen, affirmativen Bedeutung für die Kaiserherrschaft doch alle „wesentlichen Elemente“, die sie zu einem „maßgeblichen und eigenständigen Sektor“ machen würden, abspricht (305). 196 R. Gest. div. Aug. 10.

110

2 Priesterämter und Kultwesen

bestätigen, dass die Demonstration breiter Akzeptanz für seine Position wichtiger als das Priesteramt selbst war: Abgebildet ist lediglich ein schlichter Cippus mit der Aufschrift C C AVG VS TI. Mattingly schlüsselt die Legende als „Comitia Caesaris Augusti“ auf.197 Die Deutung als Verweis auf die comitia ergäbe vor dem historischen Hintergrund durchaus Sinn. Eine öffentliche Wahlversammlung zur demonstrativen Bestätigung des wohl schon ab Caligula in einem Senatsbeschluss zu Herrschaftsbeginn angetragenen Priesteramtes scheint es bis mindestens 69 n. Chr., laut van Haeperen (2002) möglicherweise sogar bis ins dritte Jahrhundert, dennoch gegeben zu haben, wobei die lückenhafte Überlieferung insbesondere der hierfür relevanten Arvalbrüderakten eine Regelhaftigkeit nicht mit Sicherheit feststellen lässt.198 Im Untersuchungszeitraum ist belegt, dass sich Nero, Otho und vermutlich auch Vespasian das Priesteramt in einer Volksversammlung übertragen ließen.199 Konnte die Bestätigung des Kaisers als pontifex maximus durch das Volk als demonstrative, öffentliche „Akklamation“ dienen? Für Nero, der seine Volksnähe vielfach betonte, als auch für Otho, der auf wenig Rückhalt im Senat hoffen konnte und somit seine Sonderrolle durch andere Statusgruppen festigen musste, ist dies durchaus schlüssig. Auch für Vespasian, der sich nach mehreren Herrscherwechseln und langer Abwesenheit so von der in großen Teilen Vitellius durchaus noch zugeneigten römischen Stadtöffentlichkeit demonstrativ bestätigen lassen konnte, ergibt die öffentliche Wahl durchaus Sinn. Abgesehen davon gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass man der plebs in Bezug auf das Priesteramt des Kaisers sonderliche Beachtung schenkte. Die Häufigkeit von Bauwerken, Hinweisen auf die Getreideversorgung und Symbolen des allgemeinen Wohlstands in der Buntmetallprägung aller Kaiser zeigt, dass deutlich konkretere Leistungen als ausschlaggebend für die Akzeptanz bei der breiten Masse betrachtet wurden.200

197 Mattingly 1923, cvii–cviii. 198 van Haeperen 2002, 135–137, 150–152. 199 AFA 27, Z. 70–71 bis 28 a–c. Z. 1–2 (Nero); AFA 40 I, Z. 68–76 (Otho); Schumacher 2006, 183. Für Vespasian ist die Beweislage weniger deutlich, die Verwendung des Titels ist erst durch Militärdiplome aus dem Februar 71 n. Chr. nachzuweisen, siehe Schumacher 2006, 184 und Literaturhinweise dort. Levick 1999b, 92 meint, dass es für Vespasian keinen Sinn ergeben hätte, den Oberpontifikat in absentia anzunehmen, da die Wahl und eine entsprechende Feier für die Außenwirkung sinnvoll gewesen seien. 200 Zanker 1987, 115 (mit Dio. 50,10 und Tac. ann. 2, 49) merkt zurecht an, dass bereits für Augustus jenseits seiner eigenen Profilierung religiöse Erwartungen der einfachen Stadtbevölkerung nicht im Fokus gestanden zu haben scheinen: Während „die neuen Kultbauten, die Augustus für seine Götter errichtet hatte,“ das Stadtbild Roms dominierten, verwendete er bezeichnenderweise kein Geld auf die Restaurierung des für die plebs so wichtigen zerstörten Tempels der dionysischen Trias auf dem Aventin, der erst unter Tiberius wiederhergestellt wurde. Eine besondere Rolle im Verhältnis zur plebs mag jedoch der Kompitalkult eingenommen haben, siehe unten S. 112, Anm. 203.

2.6 Altäre und Opfer

2.6

111

Altäre und Opfer

Der Wandel hin zu einer kaiserlichen Münzautorität ging allgemein mit einer Steigerung der expliziten Abbildung menschlich-göttlicher Beziehungen einher. Längst nicht alle Münzmotive mit Bezug zum römischen Kultwesen erwähnen dabei in Bild oder Legende ein spezifisches Priesteramt. Während Abbildungen des Augurenstabs auf Münzen vom ersten vorchristlichen zum ersten nachchristlichen Jahrhundert zurückgingen (8 % aller Typen zu 0,6 %), das pontifikale simpulum (1 %) in beiden Jahrhunderten in etwa gleich selten abgebildet wurde und eine etablierte Gottheit wie Victoria (20 % zu 17 %) keinen großen Unterschied verzeichnete, ist bei der Menge der abgebildeten Opferschalen (2 % zu 6 %) und Altäre (1 % zu 7 %) eine merkliche Steigerung zu erkennen. Den großen Anteil spendender Götter an diesen Abbildungen bespreche ich in Kapitel 3.4. Die menschliche Seite der reziproken Beziehungen zu den Göttern wurde auf kaiserlichen Münzen des ersten Jahrhunderts dagegen deutlich seltener betont, obwohl wir aus literarischen, epigrafischen und archäologischen Quellen von zahlreichen Opfern wissen, die im öffentlichen Raum für oder unter Leitung des Kaisers stattgefunden haben. Dort, wo ein Altar oder eine Opferszene auch im Medium Münze festgehalten wurde, sollten diese oftmals auch über den religiösen Kontext hinaus ein Statement über das gewünschte Verhältnis der Römer und Römerinnen zum Kaiserhaus setzen.

2.6.1 Altarabbildungen als Ausdruck von und Aufforderung zu Loyalität Anders als die Abbildung von Göttern oder Opferzeremonien verweist ein Altar nicht primär auf göttliche Unterstützung, sondern betont lediglich die Möglichkeit, mit höheren Mächten als Bittstellerin oder Bittsteller in Verbindung zu treten. Es wäre müßig zu versuchen, jede Altarabbildung aufzuschlüsseln, da sich uns einige heute schlichtweg nicht mehr erschließen können. Wie Temporini (1979) bemerkte, waren oft reale Bauwerke gemeint, die in der Münzprägung – zumindest dort, wo wir es rekonstruieren können – unmittelbar nach ihrer Errichtung auftraten.201 Eine über das einzelne Monument hinausgehende Symbolkraft sollte man den Altären auf Münzen dennoch nicht absprechen. Ein Altar gab die ehrfürchtige Haltung vor, die, je nach Widmung des Kultortes, etwa ge-

201 Temporini 1979, 113–114.

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2 Priesterämter und Kultwesen

genüber dem Wohlergehen des Kaisers oder der Bescheidenheit und Sittenreinheit der Kaisergattin (MIR 706–707202) einzunehmen war. Zwei zusammenfassende Beobachtungen über diese Motivgruppe können zumindest bestätigen, dass die rituelle Unterordnung der Betrachter unter die am Altar verehrte Macht zentraler Bestandteil der gewünschten Aussage war. Erstens: Die weitaus größte Menge der Altarabbildungen befindet sich auf Bronzenominalen. Schließt man alle Abbildungen aus, auf denen ein Altar nur Beiwerk ist, sind es noch 178 Typen, von denen rund 77 % in Aes, 18,5 % in Silber und 4,5 % in Gold ausgeprägt wurden. Besonders ins Gewicht fallen u. a. 40 Quadranstypen augusteischer Münzmeister mit einem nicht weiter interpretierbaren, kleinen Altar (u. a. RIC I² 443–468).203 Die restlichen Typen sind, sofern erkennbar, keiner klassischen Gottheit, sondern in irgendeiner Form dem Kaiserhaus zugeordnet. Während der Altar als Symbol von Unterordnung und Verehrung für die Top-down-Kommunikation mit der Aristokratie weniger hergab, scheint man das Motiv für die breitere Masse für passend befunden haben, die dazu eingeladen wurde, auf rituelle Weise eine Bindung zum Kaiser herzustellen, mit dem sie nur in Ausnahmefällen persönlich interagieren konnte. Dazu passt auch die zweite Beobachtung: Im Vergleich zu anderen Motivgruppen hat eine auffällig große Menge der Altarabbildungen einen provinzialen Kontext. Zur symbolischen Charakterisierung der Loyalitätsbeziehung zwischen Provinz und Kaiser ergibt ein Altar ebenfalls besonders Sinn. Die häufigsten hier zu nennenden Typen sind die zahlreichen Bronzeprägungen mit Abbildung der Ara trium Galliarum unter Augustus, Tiberius und Claudius aus Lugdunum, wo un-

202 U. a. Wissowa 1902, 277 mit Anm. 3 geht bereits davon aus, dass der auf Denaren Trajans für Plotina abgebildete Schrein auch für die Kaisergattin geweiht wurde. Auch wenn dies aufgrund der engen Assoziation von Plotina mit den in pudicitia vereinten Werten plausibel erscheint, weist Temporini 1979, 114 darauf hin, dass die Errichtung des Schreins unter Trajan nicht gesichert ist und ebenso auf ein älteres Bauwerk verwiesen worden sein könnte (Liv. 10,23,3–5). Zu Plotina als Vorbild für die pudicitia einer Ehefrau vgl. Plin. pan. 83,4–8 und Dio. 68,5,5. 203 Die ausführlichste Besprechung der augusteischen Quadrantes mit Altar und ihres möglichen historischen Kontextes findet sich bei Cline 2013, 153–197. Sie verbindet die Altäre mit dem von Augustus geförderten Kult der lares compitales, den vielen kleinen neu errichteten Altären an Wegkreuzungen in den von Augustus neu eingeteilten römischen vici und damit auch den administrativen wie infrastrukturellen Verbesserungen unter Augustus: „The altars, and the many other dedications that were erected to honor the Imperial lares, must have come to dominate the public spaces in the neighborhoods. It seems no coincidence, then, that the moneyers of the years 9, 8, 5, and 4 B.C., as residents of the city, and perhaps even vicomagistri themselves, should select a representation of altars for their one opportunity to individualize their coins, simultaneously expressing their loyalty to the emperor and their enthusiasm for the new neighborhood divisions.“ (195) Die Deutung hat einiges für sich, bleibt aber spekulativ – insbesondere dahingehend, dass die abgebildeten Altäre wegen ihrer verschiedenartigen Ausgestaltung eine spezifische Aussageintention für verschiedene Nachbarschaften gehabt hätten (164, 195).

2.6 Altäre und Opfer

113

ter Nero zudem Asse mit der Ara Pacis, beziehungsweise unter Vespasian mit einem geschmückten Altar mit der Legende PROVIDENT(ia) AVG(usti) den durch kaiserliche Herrschaft geschaffenen Frieden und die kluge Voraussicht der Herrscher als etwas bewarben, für das es sich lohne, besonders dankbar zu sein. Unter Augustus entschied man sich noch in einer (vermutlich) spanischen Münzstätte dazu, die Hingabe zum Prinzeps mit einem Altarmotiv zum Ausdruck zu bringen (RIC I² 53–54204), aber auch aus römischen Münzstätten im Osten sind mehrere Altarmotive bekannt. Zwei Cistophoren des Augustus zeigen einen geschmückten Altar (RIC I² 479–482), Denartypen Vespasians aus Ephesos einen Altar, auf dem ein Adler sitzt (RIC II,1² 1471–1472, 1487). Letzteres Motiv wurde vermutlich der provinzialen Münzprägung im Osten entnommen und trat für Vespasian in Antiochia (am Orontes) auch in der städtischen Münzprägung mit griechischer Legende auf.205 Während der Adler auf dem Altar später in Rom als Konsekrationsmotiv verwendet wurde, konnte die angedeutete Kulthandlung in Verbindung mit dem römischen Wappentier hier als Loyalitätsbekundung der Provinz gelesen werden. Der Altar als Ort zum Ausdruck von Hingabe und Dank und als Medium der Kommunikation mit dem abwesenden Kaiser wurde als solcher gerade in den Provinzen also auch in die numismatische Bildsprache übernommen. Die Kommunikation ist dabei in zwei Richtungen zu denken: Dem Zentrum des Reiches gegenüber signalisierten die Abbildung des Altars und der Kult, für den er gegebenenfalls stand, Loyalität. Da wir für die römische Antike von einem ausgesprochen reziproken Verständnis menschlich-göttlicher Beziehungen ausgehen können, derer man sich hier auch zur Charakterisierung der Beziehung zum Kaiser bediente,206 stellte man vor Ort durch Altar und Kult vermutlich aber auch heraus, dass man sich des kaiserlichen Wohlwollens sicher sein konnte. Angesichts dessen, dass viele lokale Prägungen vor allem auch lokal in den Umlauf gebracht wurden, mag letztere Bedeutung sogar relevanter gewesen sein. Eine Verbindung nach Rom im übertragenen Sinne wird auch auf Denaren in den Bürgerkriegen von 69 n. Chr. hergestellt: Auf den Reversen zeigen sie eine Abwandlung des Münzmotivs der Legionsprägungen des Marcus Antonius – zwischen den zwei Feldzeichen ist neben dem Legionsadler noch ein Altar zu sehen (u. a. RIC I² Civil Wars 39, 45, 50–51, Abb. 19). Angesichts einer fehlenden politischen Führung in Rom wurden die in der römischen Armee ohnehin symbolträchtigen SIGNA P(opuli) R(omani) in der Krise als Identifikationssymbole durch den Altar mit zusätzlicher metaphysischer Bedeutung aufgeladen. 204 Sowohl mit dem Altar für Providentia als auch mit dem für Fortuna Redux sind wohl die Bauwerke in Rom selbst gemeint, vgl. Fishwick 1987, 183. 205 Antiochia am Orontes: RPC II 1973–1975, später für Hadrian in Kilikien: RPC III 3193 (Antiochia am Kragos), früher bereits RPC I 1765 (Perinthus in Thrakien), 2890 (Kibyra in Phrygien), 1823A (Tomis in Moesien), 206 Ausführlicher dazu in Kap. 3.4 und 3.5.

114

Abb. 19:

2 Priesterämter und Kultwesen

Denar aus den Bürgerkriegen 69 n. Chr. (hier RIC I² 39), Kopf des Mars und Aquila zwischen Feldzeichen mit beigefügtem Altar.

Während Altarmotive außerhalb Roms also vermutlich gewählt wurden, um Loyalität und Verbundenheit zu kommunizieren, können sie dort, wo sie aus dem Zentrum der Macht selbst ausgegeben wurden, als Aufforderung zu ebensolcher verstanden werden. Für einige Motive liegt dies besonders nahe. Einer der unter Titus in Rom für Kleinasien geprägten Cistophortypen (RIC II,1² 517, Abb. 20) zeigt einen Altar, zu dessen Seiten der vergöttlichte Vater des Kaisers als Empfänger eines gewünschten Opfers genannt ist (DIVO VESP). Der nicht weiter spezifizierte Altar verwies vermutlich nicht auf einen konkreten Ort in der Provinz – und auch wenn er einen realen Altar in der Stadt Rom abbildete, so kommunizierte das Bild der Provinz vor allem die Möglichkeit, der flavischen Dynastie durch die Verehrung des Divus Vespasianus Unterstützung zu bekunden. Für Rom wurden vergleichbare Motive nicht produziert. Unter Domitian prägte man Asse mit der Abbildung eines geschmückten Altars und der Legende SALVTI AVGVSTI (RIC II,1² 227–228, 304–305, 385, 418, Abb. 21) und forderte so dazu auf – oder erinnerte zumindest an die Möglichkeit –,

Abb. 20–21: Revers eines Cistophors des Titus von 80–81 n. Chr. mit Altar für den vergöttlichten Vespasian (l.) und eines domitianischen Asses von 85 n. Chr. mit Altar (r., hier RIC II,1² 305), möglicherweise anlässlich des fünfjährigen Thronjubiläums.

2.6 Altäre und Opfer

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für das Wohlergehen des Kaisers Opfer darzubringen.207 Gleichzeitig brachte die Abbildung des aller Wahrscheinlichkeit nach vom Senat geweihten Altars auch die Loyalität der Senatoren gegenüber dem Kaiser symbolisch zum Ausdruck. Um allein das von göttlichen Mächten gesicherte gute Befinden des Kaisers und des Reiches auszudrücken, hätte man, wie seit Nero üblich, die Göttin Salus abbilden können. Die Motivwahl für Domitian, unter dem die figürliche Salus im Gegensatz zu Titus und Vespasian auf nur einem Münztyp (RIC II,1² 145) und das Konzept sonst nur in dieser Altarform auftaucht, passt zur bereits von Schwarte (1977) festgestellten „Forcierung des Salus-Kultes und damit […] stärkere[n] Ausrichtung der Salusvorstellung auf die Person des Kaisers selbst“, die in der Folge von Trajan übernommen und weiter zugespitzt wurde.208 Diese Entwicklung zeigt sich auch jenseits der numismatischen Zeugnisse: Zum ersten Mal führten die Arvalbrüderakten unter Domitian Salus nicht mehr als unabhängig wirkende, sondern mit Salus Augusta p(ublica) p(opuli) Quiritium als explizit durch den Kaiser bedingte göttliche Kraft an.209 Bestätigung findet die These, dass Altarabbildungen auch als Aufforderung zur aktiven, wenn auch symbolischen Unterstützung des Kaisers verstanden werden sollten, zuletzt auch durch die Darstellungsweise der Gottheit Securitas. Anders als Concordia oder Salus wurde Securitas stets ohne Opferschale, aber dennoch meist vor einem Altar – und zudem vornehmlich auf niedrigen Nominalen abgebildet. Bis inklusive Trajan wurden 73 Typen für Securitas in Bronze geprägt, immer mit Altar, und nur 15 Typen in Silber, davon umgekehrt nur vier mit Altar (diese wiederum alle aus den Bürgerkriegen 69 n. Chr.). Securitas hält in der Regel ein Zepter und stützt den Kopf in die freie Hand, in der andere Gott-

Abb. 22–23: Securitas Augusti sitzt nach r. vor einem Altar auf den Reversen von Dupondien Neros (l., hier RIC I² 191) und Vespasians (r., hier RIC II,1² 1265).

207 Marzano 2009, 149 meint, der Typ bezöge sich auf das Regierungsjubiläum Domitians; Mattingly 1930, xc und Temporini 1979, 114 gehen davon aus, dass die Errichtung des Altars stattdessen mit der Rückkehr Domitians aus dem Chattenkrieg zusammenfalle. 208 Schwarte 1977, 242–243, zu Kontinuität und Weiterentwicklung unter Trajan 232–238. 209 AFA 59 I, Z. 17; vgl. Schwarte 1977, 229–235 zu Domitian.

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2 Priesterämter und Kultwesen

heiten häufig die patera halten – eindeutig ist sie Empfängerin des Opfers vom (meist brennenden) Altar vor ihr (Abb. 22–23). Dies zeigt darüber hinaus auch die in der Sitzrichtung ausgedrückte Bilddynamik: Securitas kann, wenn auch nicht durchgängig, als einzige Gottheit auf Münzen auch rechtsgewandt vor einem Altar sitzen.210 Mitte des letzten Jahrhunderts hat Heinz Luschey sich mit der Richtungssensibilität antiker Bildsprache auseinandergesetzt und dabei neben der rechtsgewandten „Stoßrichtung des Siegers und Überwinders“ für Linksbewegungen insbesondere Gesten des Wegführens oder Heimführens ausgemacht.211 Zu diesen dem dominanten Akteur zugewandten Gesten lässt sich für römische Münzen das Spenden und Opfern hinzufügen, das in der numismatischen Bildsprache fast ausschließlich von rechts nach links getätigt wird. Durch die auch so als Opferempfängerin gekennzeichnete Securitas vor dem Altar dürfte man implizit dazu aufgefordert haben, für die Sicherheit des Kaisers Opfer darzubringen oder sich für die innere Sicherheit zu engagieren. Kemmers (2006) konnte nachweisen, dass Securitas-Motive im unruhigen letzten Jahr der Herrschaft Neros offenbar gezielt an die Legionen am Rhein gesandt wurden.212 Dass gerade die Gottheit, die mit der inneren Sicherheit etwas verkörpert, für das die Bürger und Soldaten tatsächlich durch ihr Verhalten sorgen können, auf Münzen nicht als Spenderin, sondern als Empfängerin abgebildet wurde, ist sicherlich kein Zufall. Mir scheint bemerkenswert, dass der Kaiser in Reliefs mit Opferszenen hingegen häufig von der dominanten linken Seite am Altar steht.213 Für Domitian gibt es noch mehr Altarmotive, die mit Ausnahme der SALVTI AVGVSTI-Asse jedoch keinen Hinweis auf einen spezifischen Anlass geben. Aurei und Denare des Titus mit dem Porträt Domitians zeigen auf dem Revers einen geschmückten Altar und verweisen in der Legende auf Domitians Position als PRINCEPS IVVENTVTIS (RIC II,1² 265–266) – eine besondere Kulttätigkeit ergibt sich aus diesem Titel jedoch nicht.214 Zehn Münztypen, die 81–82 n. Chr. in Gold 210 Nur für eine verschwindend geringe Menge Münztypen mit Gottheiten (nach meiner Zählung drei Typen laut RIC In der gesamten Kaiserzeit) trifft dies ebenfalls zu. Dort wo auch Securitas linksgerichtet sitzt, ist sie zudem häufig nicht als Sicherheit des Kaisers, sondern etwa als Securitas Populi Romani (Galba, Vitellius, Vespasian, Titus), Securitas Orbis (Caracalla), Securitas Temporum (Macrinus) oder auch gar nicht in der Legende gekennzeichnet. 211 Luschey 2002 (Habil. 1956), hier 39, 72. 212 Kemmers 2006, 223–240, insb. 238; anders Duncan-Jones 1994, 177–178, der meint, dass die die zeitversetzte Versorgung der Provinzen mit neuem Geld zwar zu regionalen „discontinuities between type-populations“ führte, diese aber inhaltlich „random“ und ohne Bedeutung gewesen seien. Mit dieser grundsätzlichen Haltung zur Bedeutung von Münztypen, auch in Duncan-Jones 2005, steht er jedoch weitgehend allein. 213 Es stünde zu untersuchen, ob und weshalb die Rolle des Kaisers in der Beziehung zu den Göttern in beiden Medien, jenseits unterschiedlicher Detailfülle, in dieser Hinsicht tatsächlich unterschiedlich ausgestaltet wurde. 214 Ich halte es für möglich, dass die nachweisliche Verbindung des princeps iuventitis zu den equites eine Rolle für die fortdauernde Betonung des Titels unter den Flaviern (und auch

2.6 Altäre und Opfer

Abb. 24:

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Domitianischer Denar (Revers) mit Altar, 81 n. Chr. (hier RIC II,1² 43).

und Silber ausgeprägt wurden, zeigen den gleichen geschmückten und brennenden Altar (RIC II,1² 7, 19–20, 40–45, 93–94, Abb. 24). Dass diese Prägungen nur im ersten Jahr der Herrschaft Domitians auftraten und in der umlaufenden Legende statt einer Erläuterung des Bildes auf die tribunicia potestas, die erneute Verleihung des Konsulats und den Ehrentitel pater patriae verweisen, legt nahe, sie im Kontext der Herrschaftsübernahme und somit als Ausdruck von oder Aufforderung zu Dank an höhere Kräfte für die flavische Herrschaft zu verstehen. Eine noch einmal expliziter religiöse Begründung der Kaiserherrschaft auch auf Münzen hatte sich dabei insbesondere in der Dynamik des Vierkaiserjahres entwickelt. Galba und Vitellius zeigten auf ihren Münzen den unter Tiberius abgebildeten Altar der Providentia (RIC I² Galba 499, Vitellius 129, 150, 163, 173– 174), mit dessen Errichtung und Propagierung zuerst Tiberius dafür geworben hatte, die vorausschauende Planung seines Adoptivvaters (Providentia Augusta) wie eine göttliche Kraft zu behandeln und somit seine Position als adoptierter Nachfolger nicht in Frage zu stellen.215 Unter Tiberius war die Deutung des Motivs als Hinweis auf die „kluge Voraussicht“ des Augustus durch dessen Porträt auf dem Avers mitsamt Legende DIVVS AVGVSTVS PATER sichergestellt worden (RIC I² Tiberius 80–81). Im Vierkaiserjahr löste man den Bezug zum ersten Prinzeps im Münzbild auf und prägte Asse mit Providentia-Altar und dem Aversporträt des jeweiligen Machthabers, der so nunmehr beanspruchte, dass man seine Herrschaft aufgrund von göttlicher Vorhersehung akzeptierte. Eine andere Deutungsmöglichkeit ist, den Altar für Providentia auch auf den Münzen des Galba und Vitellius in Bezug auf die Bemühungen um eine gesicherte Nachfolge zu lesen.216 Ich halte es jedoch für unwahrscheinlich, dass man das Motiv nicht auch für dieses Motiv) spielte, und die Ritter somit möglicherweise zu Unrecht als für die Herrschaftsdarstellung irrelevante Gruppe betrachtet werden (z. B. Ruff 2012, 21). Aufgrund des weitgehenden Desinteresses unserer auf Kaiser und Senatsaristokratie fokussierten Quellen bleibt das Selbstverständnis des Ritterstandes jedoch in vielen Aspekten ein dunkler Fleck in unserer Kenntnis der römischen Gesellschaft. 215 AFA 12c, Z. 55–57, ein Fragment aus dem Jahr 38 n. Chr., hält ein Opfer für Providentia am Jahrestag der Adoption des Tiberius durch Augustus fest; vgl. Fishwick 1987, 182. 216 Vgl. u. a. Bianco 1968, 182–183; AFA 40 I, Z. 24–31 belegt ein Opfer für Securitas und Providentia zur Adoption Pisos durch Galba.

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2 Priesterämter und Kultwesen

auf die Herrschaft des auf dem Avers abgebildeten neuen Kaisers bezogen hätte – zumal jeder Bezug zu den designierten Nachfolgern fehlt. In einem Götterhimmel ohne einen allmächtig planenden Gott war die Aufforderung zur Ehrung einer göttlichen providentia das expliziteste Mittel um zu suggerieren, dass die scheinbar chaotisch und willkürlich geschehenen Dinge einer höheren Ordnung folgten. Auch Vespasian machte, vor allem zu Beginn seiner Herrschaft, ausgiebig vom Providentia-Altar als Motiv Gebrauch (u. a. RIC II,1² 313–317). Die Übernahme von Motiven anderer Bürgerkriegskaiser durch Vespasian ist in diesem wie auch anderen Fällen meines Erachtens nicht so zu verstehen, dass Vespasian sich bewusst in die Nachfolge Galbas oder die des Vitellius stellte.217 Stattdessen ist es wenig verwunderlich, dass Vespasian Ideen über die kaiserliche Rolle übernahm, die während der Bürgerkriege entwickelt und auch von anderen Kaisern unter ähnlichem Legitimationsdruck bereits genutzt worden waren. Der Verweis auf göttliche providentia war für jeden Kaiser, der sich nach dem Tod Neros ohne direkte Verwandtschaft zu Augustus etablieren wollte, schlichtweg sinnvoll, wenn nicht gar notwendig. Für die Machtübernahme des Titus wurde das Motiv ebenfalls wiederholt. Unter Titus wurde es zwar als Restitution des tiberischen Typs für DIVVS AVGVSTVS PATER ausgegeben (RIC II,1² 449–457),218 zudem aber noch ein Münzbild entworfen, das so explizit wie möglich erklärte, dass unter der nun wieder explizit PROVIDENT(ia) AVGVST(i/a?) genannten Kraft in diesem Fall die vorausschauende Fürsorge der flavischen Dynastie verstanden werden sollte: Auf zwei Sesterztypen übergibt Vespasian seinem älteren Sohn Steuerruder und Globus als Symbole der Herrschaft (RIC II,1² 161–162). Dass man für Domitian in der Folge nicht mehr auf die eine oder andere providentia verwies, zeigt, wie fest die flavische Dynastie zu Beginn der Herrschaft ihres dritten Vertreters im Sattel saß. Wenig überraschend ist wiederum, dass Münzen Nervas die PROVIDENTIA SENATVS zelebrieren (RIC II 90), auf dessen Unterstützung die Herrschaft Nervas vollständig beruhte. Abbildungen der Göttin Fortuna, die für die Kaiser in den Bürgerkriegen zum ersten Mal auf eigenen Münztypen auftraten und dann ebenfalls bei den Flaviern aufgegriffen wurden, scheinen eine ähnliche, wenn auch weniger spezifische Kommunikationsintention wie providentia gehabt zu haben. Während das Konzept der providentia zunächst noch an eine durch die Altarabbildung eingeforderte rituelle Akzeptanz gebunden blieb, konnte Fortuna als allgemeinere Form 217 So Ruff 2012, 26, 29. 218 Scott 1982, 453 rückt für die Flavier deshalb insbesondere die beabsichtigte Anknüpfung an Tiberius in den Vordergrund: „the prominent use of the ara Providentiae reverse in 70 proclaimed the same continuity and stability in the succession that had been foreordained by Augustus and realised by Tiberius as his successor.“ Ruff 2012, 37 geht ähnlich wie Bianco 1968, 182–183 davon aus, dass auch Vespasian mit providentia vor allem die Anknüpfung an Augustus betonen und zeigen wollte, „dass er nichts völlig Neues schafft, sondern sich im Rahmen des mos maiorum bewegt“.

2.6 Altäre und Opfer

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göttlichen Glücks hier bereits unproblematisch als selbstverständlich wirkende Gottheit figürlich präsentiert werden. Unter Trajan, wo sie im Panegyricus des Plinius zum ersten Mal auch explizit als providentia deorum bezeichnet wurde,219 trat Providentia schließlich zum ersten Mal ebenfalls als vom Kult unabhängige Göttergestalt in Erscheinung (u. a. MIR 527–528220). Auch sonst ging das Comingof-Age des Prinzipats im zweiten Jahrhundert221 mit einem sichtbaren Bedeutungsverlust von Altarmotiven in der Reichsprägung einher.222 Während sich die Repräsentation kaiserlicher Autorität auch hier von spezifischen Verweisen auf das Kultwesen emanzipierte, wurden Opferdarstellungen, meist von spendenden Göttern (Kapitel 3.4) und in geringerem Maß von opfernden Kaisern, häufiger.223 Statt der Kulttätigkeit „von unten“ rückten diese Motive vermehrt die von oben wirkenden Kräfte als göttergegeben oder zumindest besonders götternah ins Zentrum.

2.6.2 Der opfernde Kaiser Bereits ab Hadrian sind Münztypen mit dem opfernden Kaiser mit wenigen Ausnahmen stets durch die Legende als Durchführung der vota soluta oder vota suscepta anlässlich eines Herrschaftsjubiläums gekennzeichnet. Sie feiern somit das bisher erhaltene und für die kommende Zeit zu erwartende göttliche Wohlwollen.224 Indem man den Kaiser beim Opfer zeigte, gelang die kommunikativ äußerst geschickte Wendung, dass der Kaiser in der offiziellen Darstellung zur Feier und Bekräftigung seiner jahrzehntelangen alleinigen Macht zwar der demütig Gebende blieb, aber dennoch als Garant des andauernden Wohlstands im alleinigen Fokus stand. Auch wenn im ersten Jahrhundert wohl ebenfalls Jubiläumsprägungen ausgegeben wurden,225 gibt es ein vergleichbares Motiv lediglich auf einem augusteischen Aureus mit der Abbildung von vota PRO VALETVDINE 219 Plin. pan. 10,4; vgl. Schlapbach 2001. 220 Vgl. RIC II 358–360; unter Hadrian dann noch expliziter und ganz ohne Rückbezug zum Altar als PROVIDENTIA DEORVM (u. a. RIC II,3² 260–261). 221 Vgl. Scott 1982, 455. 222 Ich zähle nur neunzehn RIC-Typen bis Commodus, davon riefen die meisten zur Verehrung (eines divinisierten Mitglieds) des Kaiserhauses auf: RIC III Antoninus Pius 1191 in sechs Varianten für Faustina d. Ä. sowie RIC III Marcus Aurelius 1272–1273 für den Divus Antoninus Pius, 746, 1706 für Faustina d. J. und 761 für Lucilla; RIC III Commodus 280–281 mit fünf Typen für Crispina und die DIS CONIVGALIBVS/GENITALIBVS; RIC III Marcus Aurelius 360, 618–619 erinnern an vota/Dankopfer anlässlich einer glücklichen Rückkehr (FORT REDVCI). 223 Die Entwicklung zeigt sich auch wiederum in den groben Zahlen: Zeigten von Augustus bis Trajan 6 % der Münztypen eine patera, sind es von Hadrian bis Caracalla 12 % (nach RIC, 1279 von 10555 Typen). 224 Vgl. dazu Hanelt 2019. 225 Vorschläge dazu bei Grant 1977.

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2 Priesterämter und Kultwesen

Abb. 25–27: Reverse mit der Abbildung von vota unter Augustus (Priester und victimarius), Trajan (Senat und Genius des römischen Volkes, hier MIR 563f), und Hadrian (Kaiser mit Strahlenkrone, hier RIC II,3² 2326).

CAESARIS, auf dem jedoch nicht der Kaiser, sondern ein Priester und ein Opferdiener am Altar zu sehen sind (RIC I² 369, Abb. 25). Unter Trajan ist es dann der personifizierte Senat und der Genius des römischen Volkes (MIR 530, 563, Abb. 26),226 bevor Bild und Botschaft unter Hadrian vereinfacht und der Kaiser selbst als Hauptprotagonist des Opfers abgebildet wurde. Die exzeptionelle Rolle des Kaisers, der hier bei der Darbringung der vota als Herrscher selbst Anlass für die Kulthandlung ist, wird auf manchen Exemplaren besonders deutlich, die ihn statt mit verhülltem Haupt mit Strahlenkrone am Altar zu zeigen scheinen (Abb. 27). Während der opfernde Kaiser insbesondere unter den Antoninen in der Folge wiederholt als Münztyp auftrat, wurde im ersten Jahrhundert jedoch noch nicht einmal für jeden Kaiser ein entsprechendes Münzbild produziert – und die, die es gibt, sind in Gestaltung und Kontext sehr heterogen. Die Kaiser als wichtigste Magistrate der Stadt Rom opferten grundsätzlich regelmäßig, um vor Unternehmungen die Unterstützung der Götter einzufordern, und brachten Dankesopfer dar, wenn ihnen Gutes zuteil geworden war. Von diesen selbstverständlichen kultischen Aufgaben der Kaiser erfahren wir aus den literarischen Quellen in der Regel nur dann, wenn beim Opfer irgendetwas Ungewöhnliches passierte.227 Im Gegensatz zum öffentlichen Erscheinen eines Kaisers im Theater, das etwa Vitellius dazu nutzte, um sich beliebt zu machen, haben wir keine Berichte darüber, dass ein Kaiser durch seine Auftritte bei Opferzeremonien Popularität gewinnen konnte.228 Während für Antoninus Pius explizit erwähnt wird, dass er Opfer nicht einmal von Stellvertretern ausführen ließ, wenn er krank gewesen sei, können wir im Umkehrschluss davon ausgehen, dass es unter anderen Kaisern durchaus üblich war, die kultischen Aufgaben zu

226 = RIC II 371–374. Für vota-Prägungen siehe Scott-Ryberg 1955, 178–182. 227 Z. B. stürzt Nero beim Opfer vor einem Feldzug: Dio. 62b,22,4; ein junger Opferdiener Galbas ergraut: Dio. 64b,1,3. 228 Vitellius und Theater: Dio. 64,7,1. Für Senatoren war es jedoch eine Auszeichnung, dem Kaiser beim Opfer assistieren zu dürfen: Dio. 64b,5,2.

2.6 Altäre und Opfer

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einigen Anlässen zu delegieren.229 Wenn Sueton Interesse oder Gleichgültigkeit des Tiberius und Claudius in Bezug auf Kulthandlungen kommentiert, tut er dies weitgehend wertneutral als Information über die Persönlichkeit der Kaisers – gleichwertig mit dessen körperlicher Gesundheit oder dem Interesse für die Künste oder öffentlichen Spiele – nicht jedoch, um ihre Herrschaft zu charakterisieren.230 Nicht zuletzt die Seltenheit der Darstellung des opfernden Kaisers auf Münzen im ersten Jahrhundert beweist, dass der persönliche Einsatz des Prinzeps in der Kommunikation mit den Göttern, anders als die Unterstützung von Seiten der Götter selbst, im Vergleich zu anderen Aspekten von nur eingeschränkter Bedeutung für die Herrschaftsdarstellung war. Streiten kann man bereits darüber, ob mit Darstellungen des opfernden Kaisers auch seine Priesterrolle betont werden sollte. Manders (2012) spricht sich dafür aus, dass der opfernde Kaiser zwar gleichzeitig Beamter und Priester sei – während man den Kaiser als Magistrat aber auch auf eine Vielzahl anderer Arten habe abbilden können, betone die Darstellung beim Opfer gezielt seine Priesterfunktion.231 Umgekehrt stellen jedoch Münztypen, die explizit die Priesterämter, insbesondere den Oberpontifikat des Kaisers, hervorheben, nicht zwangsläufig eine Verbindung zu dessen Performanz im öffentlichen Kult her. Gordon (1990) sieht zudem auch Münztypen mit Pietas-Motiven und Priestergerätschaften, die ihm zufolge eine „non-specific message of the piety of the emperors“ kommunizieren sollten, im Zusammenhang mit der „sacrificial activity“ des Kaisers.232 Trotz der gemeinsamen religiösen Bildsprache lagen der Abbildung von Gerätschaften der Priesterkollegien, Opferszenen und Gottheiten meines Erachtens jeweils andere Kommunikationsintentionen zugrunde – ebenso wie sich die oben besprochenen Abbildungen eines Altars für providentia und der Gottheit Providentia nicht auf ein und dieselbe Idee reduzieren lassen. Noch dazu lässt sich wiederum für einige der hier besprochenen Münzmotive zeigen, dass die abgebildete Kulthandlung als solche inhaltlich gar keine Rolle spielte.233 Zunächst zu den Opferdarstellungen, für die sich ein in Bild oder Legende spezifizierter Kontext erkennen lässt. Das chronologisch erste Motiv zeigt Augustus in Militärkleidung, der zu Pferde aus einer patera opfert (RIC II² 344, 362), und konnte von Küter (2017) bereits überzeugend als Abbildung einer bevorste-

229 230 231 232 233

HA Antoninus Pius 11,5. Vgl. Suet. Tib. 69,1; Claud. 22,1. Manders 2012, 134–135; contra Stepper 2003, 105–106. Gordon 1990, 215; vgl. Mattingly 1936, xliii. Dass zumindest der religiöse Bestandteil des Opfers in den Darstellungen weniger relevant war, ist allein in der Bildgestaltung aller Opferszenen mit Kaiser angelegt: Wie Gordon 1990, 204–205 betont, steht auf monumentalen Reliefs mit Opfermotiven, wie auch insbesondere im verkürzten Münzbild, nicht der religiös zentrale Tod des Tieres im Vordergrund, sondern der dem Opfer vorstehende Kaiser, der das vorausgehende Trankopfer darbringt.

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2 Priesterämter und Kultwesen

henden profectio, der mit Ritualen verbundene Abreise des Kaisers aus Rom, erklärt werden. Die unrealistische Trankspende zu Pferde ist dabei aus der bildlichen Verdichtung der Handlungsabfolge zu erklären. Priesterkappe und Salierschilde auf dem Revers weisen darauf hin, dass die angedeutete Spende hier tatsächlich als Verweis auf den für dieses Ereignis vorgesehenen traditionellen Ritus gesehen werden sollte. Die sich in einer Erhöhung religiöser Aktivitäten äußernde Nervosität angesichts des Aufbruchs des Prinzeps ist auch anhand der in diesem Zusammenhang beobachteten Unheilszeichen und daraufhin geleisteten öffentlichen Gelübde für das Wohl des Kaisers abzulesen.234

Abb. 28:

Sesterz Vespasians von 71 n. Chr. (Revers). Der vor einem Triumphbogen opfernde Kaiser wird von Victoria mit einem Siegeskranz gekrönt.

Einen Sesterz Caligulas mit Abbildung eines Opfers für den vergöttlichten Augustus vor dessen Tempel bespreche ich im Kontext der auf dem Avers abgebildeten Göttin Pietas separat in Kapitel 3.3.1. Danach findet sich erst unter Vespasian wieder eine vollständige Opferszene. Der Sesterztyp aus dem Jahr 71 erinnert an den siegreichen Einzug Vespasians in Rom: Der Kaiser ist mit verhülltem Haupt beim Opfer vor einem Altar abgebildet, während er von der in der Legende identifizierten VICTORIA AVG(usti) gekrönt wird – im Hintergrund ein Triumphbogen (RIC II,1² 212, Abb. 28). Die Buntmetallprägung von 71 zeigt die aufwendige Herrschaftsdarstellung der Flavier und liest sich wie eine Gesamtschau aller Dinge, die am neuen Kaiser lobenswert waren. Sie umfasst mehr als 60 Bilder, für die Ziegert (2020) 170 Typen rekonstruieren konnte, die zum Teil in Rom anlässlich der Ankunft des neuen Kaisers und seines Triumphes über Judäa verteilt worden sein müssen.235 Das hier besprochene Motiv ist Teil einer umfangreichen Sesterzserie, für die zahlreiche neue Typen entworfen wurden 234 Dio. 54,19,7; Küter 2017, 103 weist darauf hin, dass der dritte Münzmeister des Jahres 16 n. Chr. auf seinen Typen diese vota und damit ebenfalls die profectio des Augustus thematisierte. 235 Zu den Prägegruppen im Buntmetall 71 n. Chr. Ziegert 2020, 77–94.

2.6 Altäre und Opfer

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und erscheint nur in dieser Prägegruppe. Viele der einzelnen Typen sind heute in nur geringer Stückzahl belegt.236 Allein die hier aufgefahrene Motivvielfalt für ein einziges Nominal belegt die Absicht, die Münzen – und gerade die große Gestaltungsfläche der Sesterze – als Medium zu nutzen. Das abgebildete Dankopfer war eine Darstellung von Stärke, die öffentliche Bekräftigung des bereits erfolgten göttlichen Beistands. Der Erfolg an sich war jedoch deutlich wichtiger: Die große Mehrheit der Motive spielt konkret auf den militärischen Sieg an. Zahlreiche der Typen des Jahres zeigen Mars oder Victoria, die personifizierte IVDAEA CAPTA, Roma Victrix oder die Stadtgöttin mit der dramatischen Formel ROMA RESVRGES. Da ebenfalls nur ein einzelner Typ den Kaiser in Triumphalquadriga zeigt (RIC II,1² 250), hat man hier wohl insgesamt zeitlose, allgemeinere Motive den spezifischeren vorgezogen. Der eine Typ mit Opferszene wird von den zahlreichen anderen in seiner Wirkung weitgehend verdeckt geblieben sein, war aber immerhin doch Teil des Gesamtprogramms, mit dem die Flavier den neuen Kaiser in Rom vorstellen wollten. Der Sesterz zeigt den Kaiser zwar noch immer in Bezugnahme auf seinen Sieg, jedoch wählte man eine Form, die den Brückenschlag zur nun ebenfalls benötigten zivilen Rolle des Herrschers schaffte. Um einen vermutlich ähnlichen Kontext handelt es sich bei einem ausgesprochen seltenen Dupondius Trajans (MIR 254237) – der einzige, der Trajan mit verhülltem Haupt aktiv beim Opfer vor einem Altar zeigt. Die Reverslegende S P Q R OPTIMO PRINCIPI S C verrät nichts über einen konkreten Anlass, weshalb der von Woytek (2010) zwischen 106–107 n. Chr. eingeordnete Typ sowohl auf ein Opfer des Kaisers anlässlich seiner siegreichen Rückkehr aus dem Dakerkrieg oder, bei einer leicht späteren Datierung, auf vota anlässlich seines zehnjährigen Regierungsjubiläums hinweisen kann.238 Die Motive der ähnlich zu datierenden Prägungen, vor allem zahlreiche Typen mit Victoria-Abbildungen oder der gefesselten Personifikation Dakiens vor einem Siegesmal, sprechen für Ersteres. Wie schon bei Vespasian nahm man die Kulthandlung in diesem Fall zwar als Bestandteil der kaiserlichen Rückkehr wahr, gleichzeitig war dieser Aspekt für die kaiserliche Autorität im Vergleich zu den militärischen Errungenschaften aber deutlich weniger gewichtig. Sowohl bei Vespasian, bei dem diese Szene nur im ersten Regierungsjahr auftauchte, als auch bei Trajan bestand entsprechend während der langen Herrschaft beider Kaiser in ihrer umfassenden Münzprägung nie wieder der Bedarf, den Kaiser beim Darbringen eines Opfers zu zeigen. Der im ersten Jahrhundert am häufigsten beim Opfer abgebildete Kaiser ist Domitian. Dies sollte aus mehreren Gründen jedoch nicht ausschließlich als gezielter Ausdruck der Frömmigkeit des Kaisers gewertet werden.239 Bereits unter 236 Siehe dazu Ziegert 2020, 84–86. 237 = RIC II 548; Woytek 2010, 319 sind insgesamt nur zwei Exemplare in Paris (BN) und Mailand (Belloni) bekannt. 238 Vgl. Woytek 2010, 121. 239 Mannsperger 1974, 966 sowie Stepper 2003, 147 meinen, dass sich Domitian schlichtweg mit Vorliebe habe opfernd abbilden lassen.

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2 Priesterämter und Kultwesen

Vespasian war es üblicher geworden, den Kaiser ganzfigürlich als Akteur in verschiedenen Szenen auf Münzreversen zu zeigen. Der an vielen Fronten engagierte Domitian übertraf seinen Vater darin noch einmal, dabei wurde er nicht ausschließlich in religiösen Kontexten, sondern etwa auch als Geldgeber oder siegreicher Feldherr gezeigt (z. B. RIC II,1² 206, 278–279). Sesterze vom Beginn seiner Herrschaft präsentieren Domitian als Bewahrer des Staatswesens in Toga und mit palladium in der ausgestreckten rechten Hand (RIC II,1² 80),240 solche aus dem letzten Jahr propagieren mit der Abbildung einer Reiterstatue Domitians (RIC II,1² 797) die Präsenz des Kaisers im Stadtbild Roms. Dass besonders viele verschiedene Motive überliefert sind, die den Kaiser bei religiösen Aktivitäten zeigen, liegt vor allem daran, dass Domitian eine umfassende Münzserie für seine 88 n. Chr. abgehaltenen Säkularspiele produzieren ließ. Das exklusive, sich über alle Metalle erstreckende Münzprogramm hat Grunow Sobocinski (2006) ausführlich besprochen. Sie argumentiert unter anderem überzeugend, dass Domitian Münzen als dauerhaftes Medium gezielt nutzen wollte, um das Datum dieser Spiele für die Nachwelt festzuhalten (COS XIIII LVD SAEC FEC) und somit die Gültigkeit seiner eigenen Berechnung langfristig zu zementieren.241 Die Dominanz des Kaisers als Anleiter der Rituale auf den Münzbildern dokumentiert die Korrektheit der Durchführung aller Teile des Festes durch den Kaiser persönlich und damit auch seine staatliche Führungsrolle.

Abb. 29:

Sesterz Domitians (Revers), der Kaiser opfert vor einem Schrein seiner Schutzgöttin Minerva (hier RIC II,1² 399).

240 Vgl. Kap. 3.3.2, S. 195–196. 241 Grunow Sobocinski 2006, 586. Dabei dürfte auch geholfen haben, dass der Geschichtsschreiber Tacitus als Mitglied der quindecimviri sacris faciundis an der Durchführung der ludi saeculares unter Domitian beteiligt war. Tac. hist. 11,11 berichtet uns davon, dass es eine offenbar akzeptierte Begründung für die Abhaltung der Spiele 88 n. Chr. gab und verweist auf seinen ausführlicheren Bericht im heute leider verlorenen Teil der Historien. Der richtige Turnus für die Säkularspiele war durch die Durchführung von Spielen sowohl unter Augustus (alle 110 Jahre) als auch unter Claudius (alle 100 Jahre) unklar.

2.6 Altäre und Opfer

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Ein ab 85 ausgeprägter Sesterztyp zeigt Domitian mit verhülltem Haupt beim Opfer vor einem Schrein seiner Schutzgottheit Minerva (RIC II,1² 277, 355, 399, 467, 637, Abb. 29). Anders als bei den Motiven zu den Säkularspielen gab es hier keinen konkreten Anlass, dafür wurde dieser Sesterztyp über mehrere Jahre hinweg wiederholt. Er kann als kommunikative Ergänzung zur in der Münzprägung Domitians omnipräsenten Minerva selbst verstanden werden und demonstrierte eine enge Beziehung des Kaisers zur so sehr aufgewerteten Gottheit, die ihm wohlgesonnen war und ihn, der sich durch entsprechende Hingabe dieser Unterstützung versicherte, beschützen würde. Das Motiv bringt nicht die Frömmigkeit des Kaisers allgemein zum Ausdruck, sondern ist vor allem auf die Darstellung der intimen Beziehung zwischen Kaiser und dieser spezifischen Göttin ausgelegt: Statt eines großen Tempels ist ein kleiner Schrein abgebildet, der nur wenig höher ist als die Figur des Kaisers selbst; der Kopf der mit einer großen Skulptur deutlich erkennbaren Göttin befindet sich auf Augenhöhe des ihr zugewandten Kaisers. Ein letztes Münzmotiv mit erkennbarem Opferkontext ist vor allem deshalb interessant, weil es mit nur geringfügigen Änderungen auch von Trajan ausgegeben wurde. Das Opfer steht hier zwar nicht im Zentrum, ist aber wichtiger Bestandteil der Botschaft. Zu sehen ist eine Fahneneid-Szene,242 die für Trajan (MIR 41243) mit der Legende FIDES EXERCIT als solche noch deutlicher kenntlichgemacht wurde: Der jeweilige Kaiser steht im Militärmantel zwei Soldaten gegenüber, von denen ihm einer die Hand reicht. Zwischen ihnen steht ein brennender Altar, der ein vom Kaiser beaufsichtigtes Opfer suggeriert, hinter ihnen sind Feldzeichen zu sehen. Der zwischen 85–87 n. Chr. mehrfach wiederholte Sesterztyp (u. a. RIC II,1² 281–282, 359–361, 402–403, Abb. 30) sollte die auch durch hö-

Abb. 30:

Sesterz Domitians (Revers, hier RIC II,1² 531) mit Abbildung eines Treueeids. Ein Soldat reicht dem Kaiser über einem brennenden Altar die Hand.

242 Vgl. Mattingly 1930, xciii; Lummel 1991, 81. 243 = RIC II 439.

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here Mächte besiegelte Loyalität des Heeres zum Kaiser zum Ausdruck bringen. Er wurde wohl im Zuge des Dakerfeldzugs Domitians entworfen, der 85 n. Chr. seinen Chattenkrieg wegen eines Einfalls der Daker einstellte. Im gleichen Jahr wurde auch ein Münztyp geprägt, der den Kaiser in Militärkleidung mit Blitzbündel in der Hand zeigte (RIC II,1² 283244). Möglicherweise kompensierte man durch religiöse Überhöhung, was für kritische Stimmen zweifelhafte militärische Erfolge waren,245 aber auch die Religiosität Domitians mag die Motivauswahl der unter ihm ohnehin merklich persönlicheren Münzprägung beeinflusst haben.246 Der Grund für die Übernahme des domitianischen Motivs durch Trajan liegt wohl weniger in der Bildgestaltung denn im parallelen historischen Kontext begründet.247 Circa 16 Jahre später begann Trajan seinen eigenen Dakerfeldzug und kopierte in diesem Kontext den Typ mit Kaiser und Blitzbündel (MIR 428) als auch den Fahneneid-Typ (MIR 41).248 Auch noch ein weiterer domitianischer Sesterztyp, der den Kaiser zu Pferde zeigt, wie er einen Germanen zu Boden stößt (u. a. RIC II,1² 280), wurde für Trajan zu diesem Zeitpunkt kopiert und angepasst (MIR 202–203249). Die ergänzte Legende FIDES EXERCIT auf dem Fahneneid-Typ verdeutlicht nicht nur die Botschaft der abgebildeten Szene, sondern verrät auch den Grund für die Wiederaufnahme des Motivs überhaupt: Man versuchte, die noch lebendige Erinnerung an den vergangenen Feldzug zugunsten des neuen Kaisers zu nutzen, der die Taten seines in Ungnade gefallenen Vorgängers übertreffen wollte. Am Dakerfeldzug Trajans nahmen vermutlich einige Teile des Heers teil, die bereits unter Domitian im Einsatz gewesen waren. Die Wiederauflage durch Trajan ist außerdem Beleg dafür, dass man sich nicht nur der Typen, sondern auch ihres ursprünglichen historischen Kontextes auch eineinhalb Jahrzehnte später noch aufmerksam bewusst war. Dabei musste Trajan mit

244 Siehe Kap. 3.1, S. 151. 245 Ob zu Recht oder zu Unrecht – sie sind festgehalten beim Zeitgenossen Tacitus in Tac. Germ. 37, der diesbezüglich wichtigsten Quelle, später bei Suet. Dom. 6 und Dio. 67,4,1. 246 Zwei Denarytpen aus dem letzten Herrschaftsjahr verbinden durch einen mit Soldaten und aquilae geschmückten Altar ebenfalls Militärisches und Kultisches (RIC II,1² 785–786). Stepper 2001, 34–35 ordnet auch den Prozess Domitians gegen die Obervestalin in den Kontext der nicht erfolgreichen militärischen Unternehmungen ein. 247 Contra Duncan-Jones 2005, 469, der die Wiederholung des Fahneneid-Typs unter Trajan gar als Beweis für die politische Bedeutungslosigkeit von Münztypen und für einen „engrained traditionalism in the mint“ anführt. Da er offenbar nur nach Motiven mit potenziell aktuellem Nachrichtencharakter unter Trajan gesucht hat, übersieht Duncan-Jones zudem die zweite Übernahme des Kaiser-mit-Blitzbündel-Typs. 248 = RIC II 439. Die trajanische Wiederauflage des Sesterztyps lässt sich nicht exakt datieren, wurde von Woytek 2010 jedoch in die Jahre 101–103 n. Chr. eingeordnet. Meines Erachtens spricht nichts dagegen, sie angesichts des parallelen Kontexts zur Kaiser-mit-Blitzbündel-Prägung in Woyteks Prägegruppe 6 zu datieren. 249 = RIC II 208–209, 534–537.

2.6 Altäre und Opfer

127

den oftmals kleingeredeten militärischen Erfolgen Domitians offenbar durchaus wetteifern.250 Die Sesterzprägung Trajans zeigt darüber hinaus diverse Abbildungen militärischer Sieghaftigkeit. Im Vergleich zur Germanien-Prägung Domitians tritt darin auch mehrfach Göttin Roma auf, die auf mehreren Münzbildern als wichtigste Akteurin präsentiert wird und der Trajan als Kaiser „zuarbeitet“: Auf MIR 158251 überreicht er ihr eine Victoriola als Symbol des Sieges. Die Bildstrategie passt hier zur Herrschaftsdarstellung Trajans, wie sie sich in der historiografischen Überlieferung spiegelt. Cassius Dio schreibt etwa, dass die Daker zuvor nur Domitian, nicht aber die Römer besiegt hätten.252 Während Domitians Handlungen so von den Geschicken der Römer als Ganzes entkoppelt wurden, nahm Trajan durch die deutlich häufigere Einbindung Romas in seine Münztypen für sich in Anspruch, ausführender Arm der Römer zu sein und das Vergangene nun als besserer Prinzeps zu bereinigen. Strategische Zurückhaltung des optimus princeps in Form eines Spiels mit einem weiteren domitianischen Typ mag man auch in MIR 199253 entdecken, wo der personifizierte Tiber (bei Domitian: der Kaiser selbst) die ihm links zu Füßen liegende Dacia zu Boden stößt, während es bei Domitian der Kaiser selbst war, der den Flussgott Rhenus besiegte (u. a. RIC II,1² 278). Die insgesamt elf zugehörigen Typen lassen erahnen, dass das FahneneidMotiv samt angedeuteter kaiserlicher Opferhandlung unter Domitian in großem Umfang ausgegeben wurde. Dennoch scheint es, mit Ausnahme der direkten Bezugnahme durch Trajan, nur innerhalb der domitianischen Bildsprache funktioniert zu haben und ist ein Beispiel für eine persönliche Ausgestaltung der Autorität des Herrschers, die später für die Repräsentation kaiserlicher Macht als wenig wirkungsvoll eingeschätzt wurde. Lediglich noch ein einziges Motiv des Severus Alexander (RIC IV 662) zeigt ein Opfer des Kaisers im militärischen Kontext vor Jupiter, der in Abgrenzung von Elagabal einen zentralen Stellenwert in der Repräsentation seines Nachfolgers ausmachte. Auch konkrete Opferszenen für eine spezifische Gottheit wurden in der Folge nicht wiederverwendet. Die persönliche Hingabe eines Kaisers an einen Kult oder auch das Kultwesen generell waren schlichtweg keine breit anschlussfähige oder sonderlich wirkungsvolle Aussage. 250 Dio. 67,6,3 lässt erkennen, dass man nachträglich die persönlichen Leistungen Domitians im Krieg schmälern wollte: Statt selbst zu kämpfen, habe Domitian weit hinter der Front, träge, feig und sittenlos, ausschweifend gelebt und lediglich seine Feldherren vorgeschickt. Kneißl 1969, 73 – 74 betont, dass Trajan die „Siegespropaganda“ auch benötigte, weil das Ergebnis seines ersten Dakerkriegs „über die von Domitian erreichten Erfolge kaum hinausging.“ Ein Beispiel zum andauernden Einfluss unter Domitian etablierter Militärs bei Alföldy/Halfmann 1973. 251 = RIC II 451. 252 Dio. 68,6,2. 253 = RIC II 556–559.

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2 Priesterämter und Kultwesen

Übrig bleiben nun noch einige wenige Motive, die zwar den Kaiser oder Mitglieder der kaiserlichen Familie mit Opferschale abbilden, für eine entsprechende Kulthandlung jedoch keinen sinnfälligen Kontext liefern. Für diese greife ich einer Argumentation vor, die ich in Kapitel 3.4 in Bezug auf spendende Götter weiter ausführe: Das Opfer aus der patera konnte von der engeren Bedeutung einer Teilhabe am Ritus abgelöst werden und als Spendegeste eine breitere Bedeutung annehmen. Nehmen wir die vielbeschworene Alltäglichkeit des antiken Rituals ernst, sollten wir für die Motive, die keinen konkreten Ritualanlass zeigen oder benennen, in Betracht ziehen, dass die Geste auch hier verwendet wurde, um Allgemeineres zum Ausdruck zu bringen. Während Opferschale und Altar für uns eng an den antiken Ritus geknüpft sind, ist es wahrscheinlich, dass die Opferhaltung in der Antike für semantisch verwandte, aber abstraktere Konzepte zweitverwendet werden konnte. Ähnlich werden Icons von betenden oder zum Segen geöffneten Händen und Heiligenscheinen, aus der christlichen Religion übernommene Bilder, heute in der digitalen Kommunikation verwendet, um auch ganz abgelöst vom religiösen Rahmen Dank, Bitten, Zuneigung oder Unschuld auszudrücken. In der antiken Vorstellung hingegen war ein materielles Opfer elementarer Bestandteil vieler Rituale – die den Wohltäter kennzeichnende Opferschale legt das Bild deshalb nicht zwangsläufig auf einen ausschließlich kultischen Inhalt fest. Dass die patera auch in der Hand des Kaisers eine solch von der Ritualhandlung abgelöste Geste zum Ausdruck bringen konnte, beweist sich auf Münzen zuerst bei Sesterzen des Tiberius (RIC I² 48, Abb. 31). Der Avers des später von Titus noch einmal restituierten Münztyps (RIC II,1² 410) zelebriert Tiberius für die Unterstützung der von einem Erdbeben 17 n. Chr. stark geschädigten Städte Kleinasiens. Inmitten der Umschrift CIVITATIBVS ASIAE RESTITVTIS ist der auf einem kurulischen Stuhl sitzende Kaiser in Toga mit Zepter und patera in der aus-

Abb. 31:

Sesterz-Revers des Tiberius. Der Kaiser als Wohltäter der kleinasiatischen Städte.

2.6 Altäre und Opfer

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gestreckten Rechten abgebildet. Die Schale, ohne Altar und in eindeutig politischem Kontext, kennzeichnete den Kaiser hier sicherlich nicht als Opfernden, sondern als Wohltäter.254 Auf den drei restlichen Münztypen des ersten Jahrhunderts, die in diesem Zusammenhang zu besprechen sind, fehlt selbst der Verweis auf eine spezifische Wohltat. Für ein in Ephesos ausgeprägtes Denarmotiv Vespasians, das seine beiden Söhne mit Opferschale zeigt, kann jedoch eine ähnliche Aussage wie für den tiberischen Sesterz angenommen werden. Vermutlich ausgehend vom Geldbedarf des in Alexandria frisch zum Kaiser erhobenen Vespasian, der einen großen Teil der im Osten stationierten Truppen über Kleinasien nach Rom marschieren ließ, begann man 69 n. Chr. mit einer Münzprägung im Osten.255 Vor allem in Ephesos wurden über die ersten drei Jahre flavischer Herrschaft kontinuierlich, und sporadisch auch darüber hinaus, Edelmetallmünzen, vor allem Denare nach römischem Standard, ausgeprägt.256 Die ephesische Münzstätte bewarb dabei vor allem drei Dinge: den Frieden aufgrund des vespasianischen Sieges (u. a. RIC II,1² 1406, Victoria mit Umschrift PACI AVGVSTAE), die wiederkehrende Eintracht (u. a. RIC II,1² 1394, CONCORDIA AVG) und die Aussicht auf eine gesicherte Nachfolge und somit wieder auch langfristig stabile Verhältnisse. Die Tatsache, dass Vespasian bereits zwei erwachsene Söhne hatte, wurde zu Beginn der Herrschaft offensiv beworben. Bereits Vitellius hatte acht verschiedene Aurei- und Denartypen mit den Köpfen seiner Kinder prägen lassen (RIC I² 8, 57, 78–79, 100– 103). Die Auswahl dieser Motive, die nur in Edelmetall gemünzt wurden, beweist nicht zuletzt, wie selbstverständlich eine dynastische Monarchie in den Köpfen der römischen Aristokratie bereits verankert war. In Ephesos wählte man zum Verweis auf die designierten Nachfolger zwei Darstellungsweisen: Ein Reversmotiv zeigt die sich zugewandten Büsten des Titus und Domitians (RIC II,1² 1401– 1403, 1410, 1417–1418, 1429, Abb. 32), ein anderes zeigt die Brüder nach links stehend mit verhülltem Haupt und jeweils eine patera haltend (RIC II,1² 1395, 1404–

254 Vgl. auch Gordon 1990, u. a. 219: „The sacrificial role of the princeps is not, of course, to be understood in isolation: it is inextricably linked with his philanthropia (benevolence), his liberalitas (generosity), and so with his accumulation of symbolic capital.“ Ob die Restitution unter Titus ausgewählt wurde, um auch seine Fürsorge für das Reich zu kommunizieren, muss unklar bleiben. Nahe liegt, dass man die Unterstützung des Titus für die geschädigten Gemeinden nach dem Ausbruch des Vesuvs mit den Hilfen des Tiberius nach der Naturkatastrophe von 17 n. Chr. verglich. Mattingly 1923, cxxxiv deutet die Verbindung von kurulischem Stuhl und patera so, dass Tiberius hier als „civil and religious head of the Roman state“ abgebildet sei – jedoch bleibt dann fraglich, warum für eine so allgemeine Aussage das Motiv mit eindeutigem Bezug auf die Erdbebenhilfe des Tiberius genutzt worden wäre. Bergmann 1998, 179 sieht Tiberius hier durch das Attribut der patera gar „als Wesen von gottähnlicher Wirksamkeit und Macht“ bezeichnet. 255 Tac. hist. 2,82,1. 256 Metcalf 1982, 323, 328.

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2 Priesterämter und Kultwesen

Abb. 32–33: Reverse von vespasianischen Denaren aus Ephesos 70–71 n. Chr. mit Abbildung der LIBERI IMP AVG VESPAS Titus und Domitian (l. hier RIC II,1² 1429, r. 1411).

1405, 1411, 1419–1420, 1424, 1430, Abb. 33).257 Ein Altar ist nicht abgebildet. Beide Motive wurden nur in den ersten Jahren, zuletzt 71 n. Chr., mit dem dritten Konsulat Vespasians ausgeprägt. Auch in Rom bewarb man die Kaisersöhne gerade in den ersten Jahren mit verschiedenen Münztypen. Hier wurden sie als neue caesares und principes iuventitus in allen Metallen und in unterschiedlichen Rollen abgebildet: zu Pferde (RIC II,1² 5, 54, 64), auf kurulischen Stühlen mit Zweigen in der Hand oder mit Liktoren und Rutenbündeln (RIC II,1² 6, 13, 55–56) und auf Sesterzen vornehmlich in Militärtracht mit Waffen und Schriftrollen, die neben der militärischen Sieghaftigkeit wohl auch ihre zivile Rolle betonen sollten (RIC II,1² 66, 142–154). Auch das Motiv mit den einander zugewandten Köpfen der beiden Söhne wurde in Rom in allen drei Metallen (RIC II,1² 15–16, 37) – und darüber hinaus auch in Spanien und Antiochia (u. a. RIC II,1² 1301–1302, 1548) – ebenfalls ausgeprägt. Die robusten, wulstigen Hälse der Söhne Vespasians kontrastierten dabei teils so deutlich mit den schmächtigen Porträts der Kinder des Vitellius, dass man dahinter Absicht vermuten darf. Einzig das Motiv mit Titus und Domitian in Opferhaltung wurde von der römischen Münzstätte nicht produziert und muss somit eine Gestaltungsentscheidung aus Ephesos selbst gewesen sein. Wieso sollte man gerade hier die Kaisersöhne als Priester gezeigt haben?258 Obwohl etwa die Concordia- und Victoria-Motive der ephesischen Münzstätte ganz den römischen Konventionen folgten, gibt das Motiv Anlass, die Darstellung von Mitgliedern des Kaiserhauses mit patera in der provinzialen Münzprägung in den Blick zu nehmen. Schon ab julisch-claudischer Zeit wurden der

257 Ein sehr seltener Aureus-Typ (RIC II,1² 1364) mit ähnlichem Motiv (Titus und Vespasian jeweils mit patera und Schriftrolle) ist, folgt man Metcalf 1982, 328–329 bezüglich des für Ephesos üblichen Stils in Bezug auf Porträt (Haarlinie) und Buchstabenform (Serifen, offenes P), mit gewisser Wahrscheinlichkeit auch den östlichen Prägungen zuzuordnen. Ziegert 2020, 43 führt das Motiv in einer Gruppe von „Varia und Kuriosa“, deren Herkunft und Zusammenstellung unklar sei. 258 Vgl. Mattingly 1930, lxv; Bianco 1968, 166 deutet das Motiv als Anspielung auf die pietas der beiden Söhne gegenüber dem Vater. In dem Fall bleibt dennoch die Frage offen, wieso diese Aussage in der Provinz wichtiger gewesen wäre als in Rom.

2.6 Altäre und Opfer

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Kaiser oder seine Familienmitglieder auf provinzialen Münzen mit patera dargestellt. Neben dem offenbar reichsweit beliebten Motiv, das eine in der Legende identifizierte Livia mit Opferschale zeigte, wurde beispielsweise ihr Sohn Tiberius auf Münzen aus Lesbos zu Lebzeiten mit verhülltem Haupt und patera abgebildet (RPC I 2343). In gleicher Pose ist Claudius, mit seiner Mutter Antonia auf dem Revers, auf Prägungen aus Ilium (RPC I 2315) und Nero auf Münzen aus Korinth zu sehen, während er von der Stadtgöttin bekränzt wird (RPC I 1207). Dass mit der Geste nicht Gottesfurcht und Frömmigkeit, sondern Wohltätigkeit ausgedrückt werden sollte, zeigt eindrücklich eine Prägung aus Magnesia am Sipylos aus der Regierungszeit Caligulas (RPC I 2454, Abb. 34).

Abb. 34:

Prägung aus Magnesia am Sipylos unter Caligula, auf dem Revers seine Eltern Agrippina und Germanicus mit Ähren bzw. Spendeschale als Wohltäter der Provinz.

Abgebildet sind auf dem Revers Caligulas Mutter Agrippina und sein Vater Germanicus, der sich unter Tiberius im Rahmen eines imperium maius für längere Zeit in Kleinasien aufgehalten hatte. Während Agrippina als Ceres mit Ähren im Arm dargestellt wurde, zeigt die Münze Germanicus mit verhülltem Haupt und Opferschale. Dass hier die Ehefrau des verehrten Feldherrn als wohlstandspendende Gottheit, Germanicus selbst aber als römischer Priester bei der Ausübung einer Kulthandlung gezeigt werden sollte, halte ich für wenig stimmig.259 Während es für die weibliche Figur mit Ceres ein passendes Darstellungsschema gab, verwendete man für Germanicus die allgemeinere Spendegeste, um ihn als Wohltäter der Provinz zu kennzeichnen. Ebenso wünschten sich wohl die Mytilener, auf deren Insel Germanicus’ Tochter Julia Livilla geboren wurde, die besondere Gunst ihres Bruders Caligula, der entsprechend auf einer Münze, die auf der anderen Seite das Porträt der Schwester zeigte, mit verhülltem Haupt und patera abgebildet wurde (RPC I 2348).

259 Trillmich 1978, 128 hält das „zunächst befremdliche Nebeneinander“ von Priester und Gottheit für unproblematisch, da auch Statuenpaare gelegentlich im männlichen Part mit Toga oder Panzer abgebildet, im weiblichen aber an die Götterikonografie angelehnt worden seien. In der Tat sind Attribute der in der Mehrzahl weiblichen Gottheiten grundsätzlich leichter in Frauenporträts unterzubringen. Die Spendegeste des Germanicus bleibt hier dennoch erklärungsbedürftig.

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2 Priesterämter und Kultwesen

Auch Titus und Domitian wurden in Ephesos somit als Wohltäter abgebildet, die Spendeschale ist als Chiffre für Freigebigkeit zu lesen.260 Während ihre magistratischen Befugnisse oder ihre Rolle als Anführer der Jugend ihre zentrale Stellung in der römischen Politik kommunizieren konnten, war die in Ephesos gewählte Darstellungsweise geeignet, um die (erwünschte) Beziehung der beiden Kaisersöhne mit der Provinz zu charakterisieren. Dies geht mit der Beobachtung von Metcalf (1982) einher, dass die Münztypen aus dem Osten die Ämter und zivilen Funktionen des neuen Kaisers (Konsulat, tribunicia potestas, Priestertitel) nicht nannten, die zeitgleich in Rom jedoch immer aufgeführt wurden. Metcalf schlug vorsichtig vor, dass dies mit der Stärke der pars Flaviana im Osten zu tun gehabt haben könnte und dass deshalb dort „a more confident, aggressive and systematic statement of his ambitions than was possible in Rome“ ausgegeben wurde.261 Zusammen mit dieser Auswahl der Motivs für seine Söhne liegt jedoch nahe, dass die ephesische Münzstätte sich zwar zweifelsohne an den römischen Münztypen orientierte, aber tatsächlich auch die provinziale Perspektive und lokale Verständlichkeit berücksichtigt wurde. Der „opfernde“ Kaiser selbst, ganz ohne in Bild oder Text erklärten Anlass, ist zum ersten (und im ersten Jahrhundert einzigen) Mal auf einem gleich sehr ungewöhnlichen Aureus- und Denarmotiv Neros von 64–65 n. Chr. abgebildet (RIC I² 44–45,262 Abb. 35). Der vielbesprochene Revers ist eine eindrückliche Illustration der innovativen Repräsentation des neronischen Prinzipats. Er zeigt ein als AVGVSTVS und AVGVSTA identifiziertes Paar, das jeweils eine Opferschale in der ausgestreckten Hand hält. Die männliche Figur ist durch die Beifügung von Zepter und insbesondere Strahlenkrone, die weibliche mit verhülltem Haupt und Füllhorn als göttliches Wesen gekennzeichnet. Fears (1977) wies darauf hin, dass die als AVGVSTVS und AVGVSTA bezeichneten Personen mit patera und Strahlenkrone auch Augustus und Livia statt das amtierende Kaiserpaar Nero und Poppaea abbilden könnten. Zusammen mit RIC I² 46–47 (Abb. 36), auf denen die Figur mit Strahlenkrone ebenfalls nicht Nero, sondern Germanicus abbilde, habe der Kaiser hier lediglich an „his two great ancestors“ erinnern wol-

260 Vgl. dagegen eine vornehmlich religiöse Deutung der Spendeschale bei Morelli 2005. 261 Metcalf 1982, 334. 262 Die Existenz von RIC I² Nero 56–57 mit dem exakt gleichen Motiv ist m. E. nicht gesichert. Sutherland/Carson 1984, 153 (Anm. zu Nr. 56–57) begründet die Annahme, dass die Typen auch im Folgejahr ausgeprägt worden seien, mit einem gemeinsamen Aversstempel zwischen RIC I² 56 und einem Typ mit Vesta-Revers, der schlichtweg schwer im Vorjahr unterzubringen sei. Für die Prägungen der beiden Jahre fänden sich bei genauer Untersuchung sicherlich noch mehr Stempelkopplungen, die m. E. jedoch nicht zwangsläufig auf eine zeitgleiche Produktion hinweisen müssen, zumal auch die Datierung des Vesta-Typs unsicher ist.

2.6 Altäre und Opfer

133

Abb. 35–36: Aurei Neros von 64–65 n. Chr., oben RIC I² 44, unten RIC I² 46.

len.263 Bergmann (1998) meint hingegen, meines Erachtens überzeugend, auf einigen Exemplaren die zeittypische Haartracht Poppaeas und vor allem das „üppige Nackenhaar“ Neros erkennen zu können.264 Eine enge Assoziation beider Typen mit Nero selbst entstand zudem durch die seit 64 n. Chr. um Titel und Ämter erleichterte Titulatur, mit der sich Nero von nun an auf Edelmetallmünzen meist bloß noch NERO CAESAR AVGVSTVS nannte. Auf dem Germanicus-Typ ist der Kaisername gar auf Avers und Revers als NERO CAESAR // AVGVSTVS GERMANICVS verteilt. Zumindest benannt war hier also der Kaiser selbst. Selbst wenn die Abbildung des strahlengekrönten Togatus mit Zweig und Victoriola den vergöttlichten Germanicus darstellen sollte,265 so machte man sich nicht die Mühe, wie noch auf den Münzen Caligulas (u. a. RIC I² 11–12), den Urgroßvater, eindeutig zu identifizieren, dessen Urenkel den gleichen Siegesnamen angenommen hatte. Hier, wie auch beim Motiv mit opferndem Kaiserpaar, wurde mindestens bewusst Mehrdeutigkeit hergestellt. 263 Fears 1977, 325–326; contra schon Mattingly 1923, clxxiii: „The standing figures are undoubtedly not Augustus and Livia (who would be ‚Divus‘, ‚Diva‘), but Nero and his consort, represented as semi-divine persons“; vgl. auch Mannsperger 1974, 956: Die Identität der Abgebildeten sei wie auch bei der sitzenden Livia auf Tiberius’ Münzen „absichtlich in der Schwebe belassen“ worden. Da der Zusatz „divus“ fehlt, seien Augustus und Livia bestenfalls mitgemeint, abgebildet sei vielmehr eine „Institution Augustus“, die sich „primär freilich auf ihren derzeitigen Vertreter Nero“ beziehe. Die fehlende eindeutige Benennung in der Legende sieht auch Bergmann 1998, 178 als gewichtiges Argument. 264 Bergmann 1998, 178 mit Tafel 35. 265 Dafür spricht, dass der GERMANICVS-Name in der Edelmetallprägung nur für diesen Typ verwendet wurde, vgl. Bergmann 1998, 177.

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2 Priesterämter und Kultwesen

Wolters und Ziegert (2014) vermuten auch noch in einer anderen Hinsicht „bewusste Ambivalenz“. So sei nicht eindeutig, „ob das Paar als den Göttern opfernd gedacht, oder selbst in der Ikonografie der opfernden Götter dargestellt ist.“266 Mehrere Bilddetails machen Letzteres deutlich wahrscheinlicher: Das Füllhorn ist typisches Attribut einer Göttin, zudem sprechen das nicht verhüllte Haupt der männlichen Figur und zuletzt – weniger zwangsläufig, aber die Deutung festigend – auch das Fehlen eines Altars oder Tempels dafür, dass keine menschliche Opferhandlung abgebildet werden sollte.267 Laut Tacitus erhielt Poppaea den Augusta-Titel nach der Geburt der gemeinsamen Tochter im Jahr 63.268 Folgt man der Datierung der Titulatur ohne Amtstitel auf die späte Regierungszeit Neros und geht von zumindest einer zeitlichen Nähe zum stempelgekoppelten Vesta-Typ aus, dessen Ausprägung inhaltlich vor allem nach dem Brand von Rom Sinn ergibt, so dürfte Poppaea zum Zeitpunkt der Prägung recht frisch „Augusta“ gewesen sein.269 Damit darf angenommen werden, dass die meisten Menschen das als AVGVSTVS – AVGVSTA bezeichnete Paar zum Ausgabezeitpunkt der Münzen wohl mit dem aktuellen Kaiserpaar identifizierten. Während Fears (1977) versucht, die Anmaßung göttlicher Attribute durch Nero weitgehend zu verneinen, sprechen die numismatischen Quellen, nicht zuletzt die dem Porträt beigefügten Attribute Strahlenkrone, Ägis und Globus, deutlich dafür, dass Nero die Schwelle zwischen göttlichen Vorfahren und sterblichem, lebendem Kaiser in der zweiten Hälfte seiner Regierungszeit aktiv senkte und auch überschritt.270 Mit dem hier besprochenen Motiv wurde nicht etwa Demut, Konformität oder die besondere Unterstützung einer spezifischen Gottheit herausgestellt. Die Geste ist allgemein: Das Kaiserpaar spendet, den Göttern gleich, Wohlergehen für das römischen Reich. Das Motiv blieb jedoch einzigartig, auf Edelmetall beschränkt und wurde zudem nicht besonders häufig ausgeprägt.271 Die so explizite Visualisierung des göttlichen Wesens auch der lebenden Mitglieder des Kaiserhauses etablierte sich für die nachfolgenden Kaiser nicht und tauchte erst auf Münzen des vierten Jahrhunderts wieder auf. Die später

266 Wolters/Ziegert 2014, 51–52; dazu auch Bergmann 1998, 178–179. 267 Neros grobe Verachtung für Götterkulte in Suet. Nero 56,1 ist vermutlich von Sueton übertrieben, ausgesprochenes Interesse am Kultwesen dürfte der Kaiser jedoch nicht gezeigt haben. 268 Tac. ann. 15,23,1. 269 Hier gewinnt auch die Deutung von Claes 2013, 196 an Plausibilität, welche den Münztyp als Abbildung des „harmonious couple“ Nero und Poppaea bespricht. 270 Vgl. dazu auch die Münztypen mit opferndem Genius, Kap. 3.4, S. 214–215. Auch der Senat wird daran seinen Anteil gehabt haben. Bergmann 1998, 96 schlägt sogar vor, dass die abgebildeten Figuren „vom Senat gewidmete Ehrenstatuen dokumentieren“ würden. 271 Im RIC-Band sind beide Typen als selten gelistet („R2“ für den Aureus, „R“ für den Denar), obwohl sie wegen ihres hochwertigen Materials und originellen Motivs in den für die Häufigkeit berücksichtigten musealen Sammlungen proportional eher zu häufig als zu selten vorhanden sein dürften.

2.6 Altäre und Opfer

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„erfolgreichen“, weil über mehrere Regierungszeiten fortgeführten Darstellungen des opfernden Kaisers zeigen ihn in meist zum spezifischen Anlass von vota zur Bekräftigung seiner eigenen Herrschaft – und dabei stets vor einem Dreifuß oder Altar als Mittler zwischen beiden Sphären.

3

Die Vereinnahmung der Götter

Von den durchschnittlich 72 % aller Münztypen von Augustus bis Trajan, die religiöse Motive zeigen, sind wiederum über 70 % Abbildungen von Gottheiten, die damit auch insgesamt den größten Anteil aller Motivgruppen ausmachen. Ausschlaggebend für die Motivauswahl war zweifellos die enge Verbindung der nun auf dem Revers abgebildeten Gottheit mit der Autorität auf dem Avers. Während Lendon (2006) gar argumentierte, dass Münzen gerade wegen der zahlreichen Abbildungen von Göttern nicht zur gezielten Propagierung des Kaisers eingesetzt worden sein können, zeigt die teils eindeutig persönlichen Präferenzen unterworfene und den historischen Umständen angepasste Auswahl und Gestaltung der Götterbilder, dass seine Annahme zu kurz greift.1 Grundsätzlich waren Gottheiten für die Darstellung des quasi-monarchischen Prinzipats wohl gerade deshalb besonders gut geeignet, da sie als dritte, von Eigeninteresse freie Instanzen die Stärke und Macht des Kaisers subtil kommunizieren konnten, ohne den Eindruck allzu offensiver Selbstverherrlichung zu erwecken. Dass göttliche Kräfte in der Kommunikation zwischen Kaiser und Aristokratie bewusst als solche Ausweichfläche eingesetzt wurden, lässt sich an einem Beispiel illustrieren: Nachdem Caligula die Anklagen wegen Majestätsbeleidigung wieder eingeführt hatte, kündigten die verängstigten Senatoren als Reaktion an, der clementia des Kaisers auf dem Kapitol regelmäßig feierliche Opfer darzubringen.2 Mit der göttlichen Ehrung für die Milde des Kaisers, gegen die er wenig einwenden konnte, wurde die öffentliche Erwartung geschaffen, dass er diesen Eigenschaften auch nachkommen würde – eine Bitte, die inmitten der politisch heiklen Situation ohne das Ausweichen auf die religiöse Ebene nicht ohne Weiteres, und wenn, dann zumindest deutlich weniger verbindlich hätte vorgebracht werden können. Von Seiten des Kaisers machte das Auslagern von Verantwortung für Erfolge in die göttliche Sphäre, aber damit natürlich auch die Distanzierung von Unglück, die Alleinherrschaft auch ideell weniger angreifbar. Um dies mit größerer Detailschärfe zu zeigen, untersuche ich im Folgenden vor allem, wie die Beziehung der Kaiser zu den Göttern auf Münzen charakterisiert wurde. Dabei ist es vor allem die vergleichende Perspektive über das erste Jahrhundert hinweg, welche die Relevanz der Einzelbeobachtungen sichtbar macht. Die verschiedenen Gottheiten sind in ihrer kommunikativen Funktion für die Repräsentation der Kaiser keinesfalls homogen oder in ihrer Bedeutung als

1 2

 

Lendon 2006, 61. Ähnlich spricht sich Büsing 1997, 39 u. 45 dafür aus, dass die wegen der „Entfremdung von der antiken Religion“ seiner Meinung nach zu spezifisch gedeuteten Gottheiten auf Münzen schlichtweg zeitlos und ohne Anlass seien. Dio. 59,16,10; vgl. auch Tac. ann. 4,74,3 für Tiberius.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

„purely general“3 zu betrachten. Dennoch verzichte ich bewusst auf Vollständigkeit, da eine Besprechung sämtlicher Gottheiten, geschweige denn sämtlicher Typen der vielfältigen Götterabbildungen, meines Erachtens wenig zielführend wäre. Ausgeklammert habe ich etwa die Darstellungen von Orten, Ländern oder Flüssen in personifizierter Form, die meist einem spezifischen, in der Münzlegende auch erläuterten Ereignis zuzuordnen und für die von mir gestellte Frage nach einer transzendenten Begründung kaiserlicher Autorität weitgehend uninteressant sind. Auch der schon mehrfach getroffenen Beobachtung, dass durch die Auswahl von oder den Verzicht auf bestimmte Gottheiten die Anlehnung oder Abgrenzung von der Politik eines Vorgängers ausgedrückt werden konnte, gehe ich nicht erneut ausführlicher nach.4 Eine Zusammenfassung einzelner Auffälligkeiten in den Götterabbildungen der Kaiser des ersten Jahrhunderts (Kapitel 3.1) soll deshalb genügen, während ich lediglich die Motiventwicklung der nur unregelmäßig abgebildeten Gottheiten Pietas und Vesta ausführlicher als Fallstudien vornehme (Kapitel 3.3). Warum gerade diese Gottheiten? Es sind die beiden Göttinnen, die durch ihre Abbildung am ehesten auf das römische Kultwesen selbst anspielen und religiöse Empfindung, religiöses Handeln explizit zum Thema machen – Pietas als Verkörperung demütigen und pflichtbewussten Handelns, Vesta als einer der ältesten und bedeutendsten Kulte im Herzen Roms. Gibt es hier Hinweise dafür, dass auf Münzen tatsächlich eine innere Geisteshaltung im Sinne moderner „Frömmigkeit“ in Bezug auf die Götter zum Ausdruck gebracht werden sollte? Und wenn ja – in welchen Situationen wurde dies kommunikativ eingesetzt? Zunächst folgen jedoch einige Beobachtungen zum Gesamtbild. Im Laufe des ersten Jahrhunderts nahm der Anteil der Münztypen mit im weitesten Sinne „religiösen“ Motiven tendenziell zu. Wenn dies auf eine zunehmende Annäherung des Kaisers an die göttliche Sphäre hindeutet, so ist bereits deutlich geworden, dass diese nicht durch eine stärkere Einbindung kaiserlicher Autorität in bestehende Priestertraditionen geschah: Stattdessen wird der prozentuale Anteil aller Münztypen mit Kultwerkzeug langsam, aber stetig geringer (Abb. 37). Wie im Kapitel zuvor argumentiert, wurde die Bedeutung der Motive dabei allgemeiner, während Priesterämter und Kulttraditionen der Römer generell eher wenig geeignet waren, das Prestige des jeweiligen Kaisers in relevantem Maße zu steigern. Auch der nur auf Münzen aus provinzialen Prägestätten zum Ausdruck gebrachte Kaiserkult und die Vergöttlichung der Kaiserfamilie, die signifikant vor allem bei Tiberius und Caligula zu Buche schlägt, ist nicht für die Steigerung des Anteils religiöserer Motive im Bildspektrum verantwortlich. Eine 3 4

So Mattingly/Sydenham 1923, 140 über Ceres, Virtus, Roma, Annona, Victoria, Salus, Securitas, Vesta, Concordia und Jupiter auf den Münzen Neros. Vgl. etwa Ramage 1983. Für ausführliche Untersuchungen zur Darstellungsweise einzelner Gottheiten siehe z. B. Schwarte 1977 und Winkler 1995 zum wichtigen Konzept von Salus oder Spaeth 1996 zu Ceres.

3 Die Vereinnahmung der Götter

Abb. 37:

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Prozentualer Anteil von Götterabbildungen und Verweisen auf Opfer und Kultwerkzeug innerhalb aller Münztypen mit religiösen Motiven eines Kaisers. Doppelnennungen möglich (z. B. Gottheit vor Altar).

gegenläufige Entwicklung zeigt sich jedoch für die Abbildungen von Gottheiten. Anders als das an Traditionen gebundene Kultwesen, über das vor allem mit einer sozial beschränkten Gruppe kommuniziert werden konnte, bot die polytheistische Götterwelt eine grenzenlose Spielfläche, deren Ausdeutung für die kaiserliche Repräsentation weitgehend frei und insbesondere bei der Verwendung neuer Gottheiten an keine festgelegten Vorbedeutungen und sozialen Erwartungshaltungen gebunden war. Zahlreiche Gottheiten wurden in der kaiserlichen Sphäre des ersten Jahrhunderts erst „geboren“ und fanden in vielfältiger Weise Abbildung. Dazu kommt, dass Gottheiten auf Münzen ab Mitte des Jahrhunderts regelmäßig Opferschalen in der Hand hielten und sich auch viele der als „Abbildungen von Kultwerkzeug“ gezählten Münztypen somit nur aus der Verbindung mit Gottheiten ergeben. Die Abbildungen von Kultgerätschaften waren allein deshalb weniger flexibel einsetzbar, da ihr Assoziationsrahmen in der Regel recht begrenzt war, während zur Decodierung von Götterabbildungen eine weitere Bedeutungsebene hinzugezogen wurde. Anders gesagt: Eine Schöpfkelle oder ein Getreidemaß ist als Objektabbildung weitgehend unproblematisch als Teil einer zugehörigen, konkreten Handlung zu entschlüsseln, während für ein Götterbild umfangreicheres kulturelles Vorwissen abgerufen wurde, um diesem Bedeutung zuzutragen. Diese Trennung sollte jedoch nicht zu stark vorgenommen werden. Zahlreiche erklärende Legenden auf Münzreversen belegen, dass die Decodierung der Götterabbildungen nur in wenigen Fällen, in denen eindeutige Attribute die Gottheit identifizierten, von allein zielgenau funktionierte. Gleichzeitig habe ich oben argumentiert, dass auch Abbildungen von Priestergerätschaften auf Münzen weit über den rein kultischen Assoziationsrahmen des Einzelobjekts hinaus

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3 Die Vereinnahmung der Götter

Aussagen im politischen und gesellschaftlichen Bereich treffen konnten. In zahlreichen Fällen, in denen etwa über eine Gottheit samt betitelnder Umschrift eine positive Eigenschaft des Kaisers beworben werden sollte, ist die Kommunikation erheblich weniger subtil. Die klare Dominanz der Götter gegenüber profanen, konkreteren Darstellungsweisen ist ein Phänomen, das in der kaiserlichen Münzprägung besonders deutlich hervortritt. Illustrieren lässt sich dies auch durch die Anspielungen auf die politisch äußerst wichtige Getreideversorgung Roms. Während sich manch andere Botschaften wie „Wohlstand“ oder „Glück“ ohne Abstraktion nur schwerlich ins Bild hätten fassen lassen, gab es zur Darstellung der gesicherten Getreideversorgung grundsätzlich mehrere Möglichkeiten – denn bereits Getreideähren und Getreidemaß waren leicht verständliche Symbole. Während sich republikanische Münzmeister häufig dieser kleinen Objekte bedienten, wenn sie auf die Verdienste einer Familie um die Kornversorgung hinweisen wollten,5 wurde in der Kaiserzeit für dieses Thema fast ausschließlich die über Ackerbau und Fruchtbarkeit wachende Ceres, ab Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. aber auch die wiederum spezifischer auf die regelmäßige Verteilung des Getreides bezogene Annona abgebildet. Abbildungen von alltäglichen Objekten blieben in der kaiserzeitlichen Münzprägung dagegen die Ausnahme.6 Die großen Vorteile von Gottheiten in der Bildsprache sind offensichtlich: Durch die Nutzung des religiösen Zeichensystems konnte man, wie mit Priestersymbolen, kaiserliche Autorität an bestehende Traditionen anknüpfen und gleichzeitig auf recht unproblematische Weise aber auch ein neues Herrschaftsverständnis kommunizieren, in dem die Macht des Kaisers mit übernatürlichen Kräften in Verbindung stand. Ich plädiere dafür, die systematische Etablierung von Gottheiten in der numismatischen Bildsprache nicht lediglich als Anmaßung göttlicher Eigenschaften durch den Kaiser, sondern die dadurch geschaffenen Kommunikationsmöglichkeiten detaillierter zu betrachten. Die Art und Weise, wie die Beziehung der Götter zum Kaiser und ihr Anteil an seinen Handlungen dargestellt werden konnten, folgte im ersten Jahrhundert keinem einheitlichen Formular.

5

6

Vgl. etwa RRC 242/1, 245/1, 323/1, 330/1, 350/1a–b, 357/1a–b, 404/1, 427/2. Auch zwei Denare noch aus den Bürgerkriegen der späten Republik, auf deren Avers bereits Porträts die Gottheit verdrängt haben, beziehen sich durch die auf dem Revers abgebildeten Kornähren (RRC 450/3) oder einen ährengefüllten modius (RRC 494/29) eindeutig auf die Kornversorgung Roms, siehe dazu Albert 1986. Ein zusammenfassender Kommentar zu „Corn and Coins“ bei Rickman 1980, 257–267. So etwa auf einigen Quadrantes (= ¼ As) sowie auf einigen nicht für Rom bestimmten Cistophoren.

3.1 Die Kaiser und ihre Gottheiten

3.1

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Die Kaiser und ihre Gottheiten. Einige Auffälligkeiten in der Motivauswahl des ersten Jahrhunderts

Neben der eingangs skizzierten, tendenziell steigenden Anzahl von Götterabbildungen auf Münzen im Gesamtbild sind im bildlichen Detail große kontextabhängige Unterschiede und Trends bei der Auswahl und der Gestaltung der kaiserlich-göttlichen Beziehungen zu entdecken. Ohne die Motiventwicklung jeder einzelnen Gottheit besprechen zu wollen, halte ich die folgenden Auffälligkeiten unter den einzelnen Kaisern für erwähnenswert, bevor sich insbesondere Kapitel 3.2 und 3.4 mit grundsätzlicheren Fragen bezüglich der kommunikativen Rolle von Göttern in der Repräsentation der Kaiser beschäftigen. Eine deutlich erkennbare Parallele zwischen dem in literarischen Quellen festgehaltenen Repräsentationsbemühen eines Kaisers und der Auswahl von Münzmotiven ist bereits bei Augustus erkennbar. Während Augustus, der sich zu Beginn seiner Herrschaft um eine deutliche Annäherung an Apollo bemüht hatte,7 erst später wieder auf diesen als persönliche Schutzgottheit zurückgriff, bediente sich der junge Octavian insbesondere auch des Kriegsgottes Mars. Indem er dem Gott vor der Schlacht von Philippi einen großen Tempel versprach,8 zeigte Octavian Bewusstsein dafür, dass seine eigene Position in kommenden Ereignissen maßgeblich von militärischer Stärke abhängen würde. Gleichzeitig kompensierte er durch die persönliche Verbindung zu diesem Gott, die öffentlich und aufwendig im Fries des Tempels anhand der julischen Vorfahren dargestellt wurde, seine augenfälligen Defizite als militärischer Anführer.9 Nirgends wird dies anschaulicher als in der Anordnung, dass von nun an jeder Feldherr vom Tempel des Mars Ultor aus entsandt und gleichzeitig verpflichtet wurde, bei seiner Rückkehr nach einem auswärtigen Sieg die Triumphalinsignien ebendort abzulegen – und seinen Erfolg somit über den Umweg einer religiösen Geste der Potenz der gens Iulia unterzuordnen.10 Diese Aufwertung des Gottes Mars unter Augustus schlägt sich auch im quantitativen Befund auf Münzen nieder. Nach der häufig auch in Kombinationen auftretenden Victoria (67 Typen) ist der Kriegsgott (39) die auf Münztypen des Augustus mit Abstand am zweithäufigsten abgebildete Gottheit, während er in der Münzprägung der nachfolgenden JulioClaudier trotz andauernder Kriegszüge eine untergeordnete Rolle spielte. Mit ähnlicher Dominanz trat Mars erst wieder bei denjenigen Kaisern im ersten Jahrhundert auf, die ihre Position von vornherein vornehmlich auf das Heer stützen: 7 8 9 10

Vgl. Lambrechts 1953 über Octavians wechselhafte Verbindung zu Apollo. Suet. Aug. 29,2; Ov. fast. 5,569. Ov. fast. 5,563–566. Suet. Aug. 29,1–2.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

Bei Vitellius nimmt Mars mit 26 von 177 Typen nach Victoria ebenfalls die zweite Stellung ein, im Vergleich zu den anderen Kaisern auffällig häufig abgebildet wurde der Kriegsgott zudem unter Vespasian und Trajan. Bemerkenswert in Hinblick auf Augustus ist außerdem, dass die in anderen Quellen belegte Verbindung des Kaisers zur Göttin Vesta als auch zum ebenfalls im Relief des Mars-Ultor-Tempels präsentierten Romulus keinen Niederschlag in den Münzmotiven fand.11 Vermutlich resonierte die Performanz als Neugründer und Bewahrer der Stadt nur bei stadtrömischem Publikum, während der Großteil der augusteischen Münzen noch in Prägestätten außerhalb Roms und für einen militärischen Empfängerkreis produziert wurde. Die regional beschränkte Wirkung Vestas ist über das gesamte Jahrhundert hinweg augenfällig: Bis auf einzelne Emissionen während der Bürgerkriege des Vierkaiserjahres wurden sämtliche Münzen mit Abbildungen der Göttin in Rom geprägt.12 Unter Tiberius ist – abgesehen von einigen wohl zum Zweck von Geldgeschenken nach militärischem Erfolg geprägten Victoria-Goldquinaren aus Lugdunum (RIC I² 5–22)13 – weder eine programmatische noch auf persönlichen Präferenzen beruhende Auswahl von Göttermotiven feststellbar. Letztere wäre auch nicht zu erwarten, galt Tiberius doch als Kaiser, der sich kaum für Götterkulte interessierte und stattdessen der Astrologie zugewandt war.14 In der Tat verzichtete man für den zweiten Kaiser gänzlich auf Abbildungen klassischer Gottheiten. Trotz der von Buttrey für die Edelmetalle gar als „stupefying dullness“ betitelten,15 geringen Typenvielfalt der tiberischen Münzprägung sind Tiberius’ Münzen ein wertvoller Beleg für den vergleichsweise nüchtern beworbenen Herrschaftsanspruch des zweiten Prinzeps, der als einziger Kaiser auch den Titel pater patriae noch konsequent ablehnte.16 Neben den in Kapitel 2.4 und 3.4 besprochenen Motiven mit Betonung des Oberpontifikats oder des Concordiatempels kommunizieren weitere Münzen neben der Einbindung in die julisch-claudische Familie vor allem die Eigenschaften und konkreten Leistungen des Tiberius: iustitia (RIC I² 46),17 moderatio (RIC I² 39–40), clementia (RIC I² 38) oder die finanzielle Unterstützung des Kaisers für kleinasiatische Städte (RIC I² 48). Bezeichnend ist, dass für Tiberius selbst im Falle von clementia noch nicht die später vielfach auf Münzbildern vertretene Gottheit abgebildet wurde, sondern ebenso wie für moderatio das Porträt des Kaisers auf einem Rundschild mit

11 12 13 14 15 16 17

Eventuell der lituus als subtiler Hinweis auf Romulus vgl. Györi 2015. Siehe Kap. 3.3.2, S. 183–184. Wolters 1999, 235. Suet. Tib. 69. Buttrey 1972, 106. Sutherland/Carson 1984 (RIC I², S. 87) sprechen gar von einer „virtual extinction […] of information-content in the precious-metal coinage“. Siehe Stevenson 2007, 121. Zur „legal role“ in der Repräsentation der römischen Kaiser siehe Hekster 2020.

3.1 Die Kaiser und ihre Gottheiten

143

entsprechender Umschrift, der vermutlich konkret auf eine entsprechende Ehrung des Senats verwies.18 Diese Darstellungsweise, welche die Wohltaten des Kaisers zwar abstrahierte, aber noch immer persönlich auf ihn und gerade nicht auf göttlich wirkende Kräfte zurückführte, ist einzigartig und passt möglicherweise dazu, dass Tiberius auf ihm angetragene göttliche Ehrungen sehr zurückhaltend reagierte.19 Eine charismatische Vereinnahmung von Gottheiten für die kaiserliche Autorität, wie sie Augustus mit Apollon und Mars vorgemacht hatte, spielte nicht nur bei Tiberius, sondern auch für seine beiden Nachfolger keine Rolle. Mit Vesta (RIC I² 38, 47, 54) und Pietas treten für Caligula lediglich zwei Gottheiten neu dazu, die auf Tradition, Sicherheit und pflichtgemäßes Verhalten verweisen und somit deutlich weniger als ein Mars, Jupiter oder Hercules geeignet waren, die Machtposition des Kaisers im Bild mit göttlicher Stärke aufzuladen. Für Caligula, der als tyrannischer Machtmensch galt, wäre einer Vereinnahmung göttlicher Unterstützung oder gar Übernahme göttlicher Attribute auf Münzen dabei zumindest nicht überraschend gewesen. Wie Winterling (2003) herausgearbeitet hat, war die Inszenierung kaiserlicher Macht unter Caligula jedoch vor allem strategisch auf die Demütigung der Senatsaristokratie ausgerichtet. Gegenüber anderen Gruppen scheint Caligula ein moderateres Bild an den Tag gelegt, anders als Tiberius jedoch göttliche Ehrungen teilweise sogar eingefordert zu haben, um das Machtgefälle gegenüber der Aristokratie zu zementieren.20 Dass die Aristokraten darum gewetteifert haben sollen, Priester des göttlichen Caligula zu werden und damit in eine besonders privilegierte Beziehung zum Kaiser einzutreten, scheint grundsätzlich plausibel.21 Gehen wir mit Clauss (1996) davon aus, dass die Vergöttlichung eines lebenden Menschen in Rom deutlich unproblematischer als oft angenommen und in Bezug auf Ehrungen für den Kaiser seit Caesar gar ein übliches Formular war, so gibt es auch keinen Anlass, die Vergöttlichung Caligulas zu Lebzeiten wegzudiskutieren. Das Fehlen von Darstellungen

18

19 20 21

Zu diesen Münzbildern und einer möglichen Kommunikation in Richtung der Eliten vgl. Biasoli 1977 und Downey 1975, 98–105 mit der älteren Literatur. Folgt man Winkler 1995, 122, so kann das Münzbild als eine Art Zwischenschritt in einer Entwicklung hin zu Personifikationsdarstellungen gesehen werden: Während augusteische Münzbilder den persönlichen Bezug zum Prinzeps z. B. durch die corona civica und den clupeus virtutis noch herstellen mussten, hätten seine Nachfolger mit einem zunehmend „stärkeren Selbstverständnis“ auf diese Bezüge verzichten und neue, bildlich einfachere Münzbilder entwickeln können. Suet. Tib. 26,1; Tac. ann. 2,87; Dio. 57,9,1. Wie Clauss 1996, 421–423 zeigen kann, wurde Tiberius dennoch ebenso wie Augustus als Gott wahrgenommen und etwa in Inschriften auch aus den westlichen Provinzen zusammen mit Augustus verehrt. Vgl. die, wenn auch diffamatorischen und deshalb im Detail nicht zuverlässigen Berichte bei Phil. legat. ad Gaium 78–97; Suet. Cal. 22,2; Dio. 59,4,4–5; 59,26,5–10; 59,28,2–8. Hier dürfte auch die in Kap. 3.4 besprochene Reziprozität der menschlich-göttlichen Beziehung eine Rolle spielen.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

eines göttlichen Caligula auf Münzen zeigt lediglich, dass die göttliche Verehrung vor allem als Loyalitätsbekundung der Senatsaristokratie in Richtung des Kaisers eine Rolle spielte, in die andere Richtung jedoch weniger relevant war. Für das aristokratische Selbstverständnis der Beziehung zum Kaiser, das uns aus den literarischen Quellen entgegentritt, scheint es einen großen Unterschied gemacht zu haben, ob die so ausgedrückte absolute Loyalität dem Kaiser lediglich angetragen oder von diesem auch eingefordert wurde.22 Während Tiberius sich auch hier zu keinerlei mit der Ehrung einhergehenden Verbindlichkeiten hinreißen lassen wollte und deshalb auf Unmut stieß, machte Caligula sich dadurch unbeliebt, dass er die Inszenierung als Gott zur Erniedrigung der Senatoren nutzte, die er damit demonstrativ auf einen von ihm bestimmten Platz verwies.23 Caligulas Münzen gaben die Grundlagen seiner Position letztlich weitgehend ehrlich und unverschleiert wieder: die entscheidenden Verwandtschaftsverhältnisse, die übliche Ehrung vom Senat (RIC I² 19, 27–28, 37, 46) und die Akzeptanz des Militärs (RIC I² 32, 40). Wie auch für Tiberius griff man für Caligula hier kaum auf die religiös-abstrakte Ebene zurück, um ihn über seine Vorgänger zu stellen oder abseits der sichtbaren Errungenschaften zu profilieren.24 Die Herrschaftsdarstellung Caligulas zeigt in dieser Hinsicht keinerlei Parallelen zum numismatischen Bildprogramm der anderen als „Tyrannen“ charakterisierten Kaiser Nero, Domitian und Commodus, die sich allesamt durch die Betonung gerade besonders enger persönlicher Bezüge zum Göttlichen auszeichnen. Anders als für Tiberius bewerben die Münzen Caligulas nicht einmal die besondere charakterliche Eignung des Herrschers. Nach Augustus war Claudius der zweite Kaiser, der die Wohltaten seiner Herrschaft auch abseits der militärischen Victoria in göttlicher Gestalt abbilden ließ. Zu erklären ist dies weniger mit einer größeren Götterfurcht des Claudius im Gegensatz zu seinen Vorgängern oder der bewussten Anknüpfung an Augustus, sondern vor allem damit, dass es nach dem Mord an Caligula geschickt war, weniger die persönliche Machtstellung des Prinzeps denn die positiven Effekte der Kaiserherrschaft an sich als göttlich wirkende Kräfte abzubilden. Claudius’ Herrschaft befand sich wieder in einer ähnlichen Rechtfertigungssituation

22 23 24

Siehe dazu ausführlicher Kap. 3.5. Wie Winterling 2003, 139–152 argumentiert, hatte dies mit „Wahn“ nichts zu tun, auch wenn die Inszenierungen später in denunziatorischer Absicht entsprechend ausgedeutet wurden. Allein mit einem „Zwang der Gattung zu überpersönlicher, traditionstreuer Programmatik“ haben die Münzbilder Caligulas, die für Mannsperger 1974, 950 „zur Enttäuschung der Betrachter so gut wie nichts“ über den „Cäsarenwahn“ Caligulas erkennen lassen, wohl aber nichts zu tun – schließlich wird auch unter Caligula mit dem Sesterz für die drei Kaiserschwestern ein unkonventioneller und persönlicher Münztyp ausgeprägt (RIC I² Caligula 33, 41).

3.1 Die Kaiser und ihre Gottheiten

145

wie zu Beginn des Prinzipats.25 Zum ersten Mal wurden unter Claudius auf Münzen Gottheiten mit dem Zusatz AVGVSTI abgebildet und so als zum Kaiser zugehörig propagiert. Anders als zuvor betonten sie so zusätzlich zum allgemeinen göttlichen Wohlwollen auch „the essential human factor involved in the exercise of imperial power.“26 Die claudischen Motive, auf denen Gottheiten mit verschiedenen Attributen und Gesten auch anderer Gottheiten versehen waren, wurden aufmerksam gestaltet und waren ohne Zweifel „deliberately intended to have a complex, composite significance“.27 Neben Pax28 wurde insbesondere Constantia als charakteristischer Einfluss auf die Herrschaft des Claudius präsentiert. Gleich drei verschiedene und in sich wiederum mehrschichtige Aspekte wurden in drei Varianten für die CONSTANTIA[E] AVGVSTI produziert: Mit dem ährenbekränzten Porträt der Antonia Minor und Fackeln (RIC I² 65–66) wurde die Beharrlichkeit, mit der sich Claudius für Ehren für seine Mutter wie auch für die Getreideversorgung Roms eingesetzt hatte, kommuniziert.29 Mit kurulischem Stuhl (u. a. RIC I² 13–14) oder Militärkleidung (RIC I² 95, 111) wurde Claudius’ constantia im zivilen wie militärischen Bereich, insbesondere seine Wertschätzung von republikanischen Magistraturen und der römischen Militärtradition, beworben.30 Claudius’ Nachfolger Nero nutzte Gottheiten noch deutlich ausgiebiger, um seiner Herrschaft einen göttlichen Anstrich zu geben. Zählt man ausschließlich Abbildungen von Göttern, Kultobjekten, Altären und Tempeln – also alles unzweifelhaft im Kern Religiöse –, bilden 40 % aller unter Nero geprägten Münztypen „religiöse“ Motive ab. Darin wurde er nur von Vitellius, für den jedoch nicht unter vergleichbaren Umständen geprägt wurde, und Domitian übertroffen. Diese Zählung lässt sich exakt mit dem, was Manders (2012) für das dritte Jahrhundert unter dem Überbegriff „divine association“ ausgewertet hat, vergleichen. Hier erreicht etwa auch Caracalla einen Wert von fast 40 % für diese Motivtypen. Für Manders bestätigt dieser Befund, dass Caracalla sich, wie in den literarischen Quellen dargestellt, als sehr frommer Kaiser begriff.31 Dafür, dass auch Nero sich als besonders fromm begriff, gibt es keine Hinweise. Zwar ist der Bericht Sutons, dass Nero sein ganzes Leben lang nichts für Götterkulte übriggehabt und sogar auf das Bild der Magna Mater uriniert haben soll, sicherlich übertrieben – in diesem Feld besonders ausgezeichnet hatte sich der Kaiser jedoch

25 26 27 28 29 30 31

Vgl. Ramage 1983, 202, 206. Sutherland 1951, 129. Grant 1950, 24. Die synkretistische Ikonografie der claudischen Pax wurde ausführlich von Grant 1949 besprochen; siehe auch Sutherland 1951, 127–128. Zur Assoziation von Ceres mit Mütterlichkeit und Reinheit, welche die Verbindung mit Antonia besonders stimmig macht, siehe Spaeth 1996, 103–123. Grant 1950. Manders 2012, 228.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

offenbar auch nicht.32 Das Aufflammen zahlreicher neuer Gottheiten unter Nero hatte nichts damit zu tun, dass der Kaiser besonders religiös war, sondern ist, wie sich an der Verwendung von Concordia, Salus und Securitas zeigt,33 als klare Ansage über die Machtposition des Kaisers zu beurteilen. Insbesondere einige Prägungen nach der Münzreform, die ab 64 n. Chr. die Produktion zahlreicher als neu erkennbarer Typen erforderte, geben ein eindrucksvolles Bild der hier neu entworfenen Herrschaftsdarstellung aus dem Zentrum des Reiches. Zuvor war in den ersten zehn Jahren der Herrschaft Neros „von jedweder Illustration der Herrscherrolle Neros oder der Herausstellung spezifischer Herrschertugenden abgesehen“ worden.34 Die Absicht, den Kaiser und seine Leistungen persönlich stärker ins Zentrum zu rücken, spiegelt sich nicht nur in der Ceres zur Seite gestellten Göttin Annona oder dem opfernden Genius, die weiter unten noch Berücksichtigung finden. Sie zeigt sich insbesondere in dieser späteren Phase der neronischen Münzprägung auch dadurch, dass sich NERO CAESAR AVGVSTVS auf Edelmetallen explizit nicht einmal mehr auf seine Ämter und Vollmachten berief oder mit Strahlenkrone in göttergleicher Pose abgebildet wurde (RIC I² 44–47). Falls die Strahlenkrone des lebenden Kaisers oder die an Apollo angelehnte Darstellung Neros als Kitharöde (RIC I² 73ff, Abb. 12) auf Münzen Anlass zu Kritik gab, so hat diese trotz der nerofeindlichen Einstellung der antiken Autoren keinen Widerhall in der literarischen Überlieferung gefunden. Ob die künstlerischen Ambitionen des Kaisers hier tatsächlich nur „verhalten und indirekt“ in die Münzprägung einflossen,35 ist einerseits angesichts des großen Prägeumfangs des Kitharöden-Motivs mit allein 34 leicht variierenden RICTypen, andererseits durch das Zeugnis Suetons in Frage zu stellen. Sueton, der die Münzbilder Neros mit Lyra explizit erwähnt, aber nicht in Hinblick auf die unverkennbare Ähnlichkeit mit der Darstellung des Apollo kommentiert, scheint es verwerflicher gefunden zu haben, dass der Kaiser sich derart ernsthaft als Künstler propagierte denn dass er sich bildlich einem Gott anglich.36 Daraus zu schlussfolgern, dass die Darstellung gar nicht als Identifikation Neros mit Apollo intendiert war, halte ich jedoch für zu kurz gegriffen.37 Schubert (1998)

32 33 34 35 36 37

Suet. Nero 56,1. Siehe Kap. 3.4, S. 213–214. Wolters/Ziegert 2014, 50. Christ 1967, 66. Suet. Nero 25,2; Wolters/Ziegert 2014, 52–53 verweisen darauf, dass die ursprüngliche Intention der Urheber des Motivs nicht „eindeutig“ sei. Umgekehrt Mannsperger 1974, 955, der überzeugt ist, dass hier lediglich der „als Apollo kostümierte Nero im Zirkus denn eine erstrebte Identität mit Apollo“ abgebildet worden sei. Zu dem Motiv auch Bergmann 1998, 185–189, die darauf hinweist, dass die Figur ohne das spätere Zeugnis Suetons zweifellos als Apollo identifiziert worden wäre und der Bezug zu Nero vor allem durch den als Ausdruck des Gesanges in den Nacken gestreckten Kopf hergestellt würde.

3.1 Die Kaiser und ihre Gottheiten

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meint in Bezug auf seine Auswertung des Nerobildes in der lateinischen Dichtung festzustellen, dass das Volk „den feinen Unterschied zwischen Vergleich und Identifikation, den die Dichter peinlich genau beachteten, nicht machte“,38 und liefert somit einen weiteres Indiz dafür, dass die Angleichung vermutlich unproblematischer war als manchmal angenommen. In einer Glaubenswelt, in der Gottheiten auch verschmolzen oder in diverse Erscheinungsformen auseinanderdividiert wurden und sie ihre Attribute je nach Anlass tauschen konnten, muss die Vagheit kaiserlich-göttlicher Beziehungen nicht zwangsläufig eine bewusste Strategie gewesen sein, um provokante Neuerungen zu verschleiern,39 sondern ist wahrscheinlich schlicht Widerhall eines weniger starren Verständnisses von Göttlichkeit. Auch Neros Nachfolger, wie der sich in vielerlei Hinsicht ganz anders gebarende Vespasian, wurden ikonografisch stärker in die Nähe des Göttlichen gerückt. Als hätte die Rückgewinnung des Friedens nach den Bürgerkriegen der Kaiserherrschaft neue, noch stärkere Akzeptanz verliehen, traten unter Vespasian Bilder auf, die den Kaiser noch deutlich selbstverständlicher ins Zentrum auch der göttlichen Aufmerksamkeit rückten als zuvor – und das, obwohl Vespasian nun wirklich nicht im Verruf pompöser Selbstinszenierung stand und selbst die Vergöttlichung seiner Person verspottet haben soll.40 In mehr Situationen als jeder Kaiser vor ihm wurde Vespasian auf Münzmotiven gezeigt: Er richtet die ins Wanken gebrachte Libertas und Roma wieder auf, fährt im Triumphwagen, steht neben der besiegten Judäa, opfert über einem Altar oder empfängt Bittsteller. Immer wieder tritt Victoria ins Bild, die dem als siegreicher Feldherr in Rom eingezogenen Kaiser mal einen Legionsadler (z. B. RIC II,1² 120), mal das palladium überreicht (RIC II,1² 140), auf einem Aureus-Typ den siegreichen Kaiser auch bekränzt (RIC II,1² 1057). Auf einer Reihe Denare nimmt Vespasian Platz und Pose einer sitzenden Gottheit ein. Mit einem Zweig in der ausgestreckten Rechten übernimmt er das Attribut der Pax und wird so auch ganz explizit selbst zum Friedensstifter mit göttlichem Charisma (RIC II,1² 545–546, 553–554, 683, 685, 702, Abb. 38–39).41 Parallel zu den jeweiligen Typen mit sitzendem Vespasian und Zweig wurden 74 n. Chr. Denare produziert, die bei exakt gleicher Legende das zweite typischerweise von Pax geführte Attribut, den für Vespasian mit einem Zepter er-

38 39 40 41

Schubert 1998, 423; Fears 1977, 326. So vorgeschlagen von Wolters/Ziegert 2014, 46, 71; auch Cordes 2017, 119 spricht von einem absichtlichen Verwischen der Grenze zwischen Mensch und Gott durch die Mehrdeutigkeit der Bilder bei Nero. Zur offeneren und selbstverständlicheren Manifestation kaiserlicher Macht ab Vespasian auch jenseits der Präsenz in der numismatischen Bildsprache vgl. etwa Christ 1988, 256. Mattingly 1930, xxxvii beschreibt den Typ als „the Emperor himself as peace-bringer“.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

Abb. 38–40: Reverse von Denaren Vespasians. Von l. nach r.: Pax mit Zweig und caduceus (hier RIC II,1² 41), sitzender Vespasian mit Zweig (hier RIC II,1² 683) und geflügelter caduceus (hier RIC II,1² 684).

setzten geflügelten Merkurstab, zeigen (RIC II,1² 684, 686, 703, Abb. 40).42 Mehr noch als die Verweise auf die militärische Sieghaftigkeit Vespasians und seines ältesten Sohnes nach dem Krieg in Judäa war die Friedensgöttin Pax, der Vespasian in Rom eine gewaltige Tempelanlage bauen ließ, für die Repräsentation seiner Herrschaft zentral.43 Militärischer Sieg und Friedensprogrammatik ergänzten sich. 69–71 n. Chr. waren der Sieg über Judäa und die sitzende Pax die häufigsten und zudem die einzigen neu entworfenen Motivtypen, nach der Auswertung von Ziegert (2020) muss die Friedensgöttin auf mindestens einem Viertel aller ausgeprägten vespasianischen Denare zu sehen gewesen sein.44 Auch unter Titus, für den die Prägungen in Erinnerung an den ja auch von ihm errungenen jüdischen Sieg weitergeführt wurden, übernahm man, wenn auch nicht mehr mit gleicher Intensität, das dazu passende Friedensprogramm seines Vaters. Zusammen mit dem für ihn nicht mehr zutreffenden jüdischen Erfolg verschwand unter Domitian auch Pax aus dem Programm der kaiserlichen Repräsentation, unter ihm sind es nur noch 1,5 % aller Götterabbildungen (d. h. neun

42 43 44

Gleiches findet sich auch für parallele Motive mit Abbildung des Titus statt Vespasians: RIC II,1² 692–693, 705–706. Auch Pax ist manchmal mit Zepter abgebildet, so z. B. auf RIC II,1² Vespasian 186. Zum caduceus als Friedenssymbol siehe Gell. 10,27,3–5. Zu Pax und dem templum pacis in der Herrschaftsdarstellung Vespasians vgl. Noreña 2003; Gering 2012, 124. Carradice 1998, 110; Ziegert 2020, 248. Das Bild nach Typenzählung sieht deutlich anders aus, da hier Victoria deutlich mehr Variationen erhält als Pax (29 % zu 8 % aller Denartypen).

3.1 Die Kaiser und ihre Gottheiten

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Typen in Buntmetall), welche die Friedensgöttin mit Motiven seiner beiden Vorgänger zeigen.45 Noch stärker als bereits bei Nero ist für Domitian ein auf die Person des Kaisers fokussiertes Herrschaftsverständnis in der Münzprägung anhand auch einer persönlichen Verbindung zum Göttlichen eindrücklich sichtbar.46 Unter Domitian ist Minerva als persönliche Schutzgottheit und kaiserliche Marke auf Münzbildern „overwhelmingly dominant“.47 37 % aller Münztypen des Kaisers zeigen die Göttin, vornehmlich auf Denaren, aber auch in Gold und Buntmetall. Die Verbindung des jüngsten Flaviers zu Minerva war auch schon unter der Herrschaft seines Vaters und Bruders offizielle Linie in der Darstellung des flavischen Kaiserhauses. So zeigen bereits vespasianische Münzen mit dem Porträt Domitians aus Rom von 76–77 n. Chr. (RIC II,1² 920) und wieder 80–81 n. Chr. unter Titus (RIC II,1² 268, 294–297) die schreitende Minerva mit Lanze und Schild. In Ephesos wurden unter Vespasian sowohl Titus als auch Domitian (RIC II,1² 1482–1483) mit dem Minerva-Revers verbunden. Eine Erklärung zur Auswahl der Gottheit, die nie mit dem Porträt Vespasians gekoppelt wurde, verbirgt sich möglicherweise hinter der auf manchen Typen genannten Funktion des jüngeren Sohnes und Bruders als princeps iuventutis, die den designierten Nachfolger kennzeichnete (RIC II,1² Vespasian 1517, Titus 268). So kann – sofern es sich nicht nur um ein Missverständnis der ephesischen Münzstätte handelt – auch erklärt werden, warum sich unter Vespasian ebenfalls ein Münztyp für Titus mit Minerva, unter Titus jedoch nur noch solche mit dem Porträt Domitians finden. Dionysios von Halikarnassos überliefert eine alte Erzählung der Römer, nach der beim Bau des kapitolinischen Tempels die bereits dort verehrte Gottheit Iuventas, die sich von den Auguren nicht habe bewegen lassen, ihren Platz zu räumen, in den Schrein der Minerva verlagert worden war, wo Iuventas auch im ersten Jahrhundert noch residierte.48 Diese Verbindung und mögliche Synthese von Minerva und Iuventas, der die männliche Jugend Roms anlässlich des Anlegens der Männertoga auf dem Kapitol opferte, war für Zeitgenossen zweifelsohne deutlich präsenter und somit verständlicher als für moderne Betrachterinnen und Betrachter. Gleichzeitig war Minerva als mächtigere und kriegerische Gottheit deutlich besser für die Darstellung des jungen princeps geeignet als Iuventas.

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Die großen Unterschiede in der Münzprägung Vespasians und Domitians bezüglich der Götterabbildungen hat bereits Jones 1971 in einer sehr kurzen Notiz anhand einer Typenzählung dokumentiert. Siehe für einen Vergleich der Prägungen beider Kaiser Wolters/Ziegert 2014. Carradice 1983, 112. Dion. Hal. 3,69,5. Die Verbindung von Minerva zu Iuventas hat bereits Hardie 2003, 136 in Bezug auf die Minerva gewidmeten Spiele der Iuvenalia Domitians festgestellt.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

Woher auch immer die Verbindung ursprünglich kam, Domitian stärkte und zelebrierte sie nach seinem Herrschaftsbeginn noch einmal deutlich, unter anderem durch die Einführung von jährlichen Spielen für Minerva.49 Die zur Schau gestellte Götterverehrung geschah zweifelsohne nicht bloß aus persönlicher Hingabe, sondern auch mit Blick auf die Außenwirkung. Bereits in der Republik hatten mächtige Einzelpersonen die Hierarchie der Götter in der öffentlichen Wahrnehmung durch den Bau monumentaler Tempelanlagen zugunsten ihrer jeweils selbst gewählten Gottheit beeinflussen wollten.50 Als Erklärung für die Dominanz gerade dieser Göttin in der Darstellung Domitians wurde zuletzt vor allem der militärische Charakter der Gottheit herangezogen, mit deren Hilfe sich der Kaiser als erfolgreicher und weiser Feldherr darzustellen suchte.51 Völlig zu Recht lehnte Gering (2012) hingegen den Vorschlag von Southern (1997) ab, dass Domitian in Minerva einen Ersatz für die früh verstorbene Mutter gesucht habe.52 Auch wenn mit psychologischen Deutungen vorsichtig umzugehen ist, mag man für Domitian doch vermuten, dass er sich als zweiter, zurückgestellter Sohn auf der Suche nach eigener Profilierung womöglich auch deshalb für die Etablierung von Minerva als persönliche Marke entschied, da sie eine der drei mächtigen kapitolinischen Gottheiten war und in sein gewünschtes militärisches Profil passte, gleichzeitig aber von noch keiner Familie oder keinem vorherigen Kaiser vereinnahmt worden war. Geht man von einem Drang Domitians aus, einen neuen, noch nie dagewesenen Machtanspruch zu kommunizieren, ergibt die Auswahl der mächtigen, aber bisher weitgehend „unverbrauchten“ Gottheit Sinn. Unabhängig davon steht angesichts der immer wieder betonten,

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Dio. 67,1,2¸ Suet. Dom. 4,4; 15,3; Quint. Inst. 10,1,91; Philostr. Apoll. 7,24 hält die wahrscheinlich ebenso früheren Quellen entspringende Kritik fest, Domitian habe einen Beamten bestrafen lassen, der beim Opfer in Tarent nicht hinzugefügt habe, dass Domitian Sohn der Minerva sei. Rüpke 2001, 84. Girard 1981, 243–244 meint, Domitian habe mit Minerva auf „la sagesse guerrière“ hinweisen wollen und als dritter Flavier, ebenso wie Minerva, die „la troisième dans la triade capitoline et la conseillère de Jupiter“ gewesen sei, darauf hingewiesen, dass „les succès de son père et de son frère n’ont été dus qu’à ses conseils“. Gering 2012, 126 stimmt Hardie 2003, 139 zu, dass Minerva für Domitian v. a. als Kriegsgöttin zu verstehen sei und damit als militärisches Motiv; siehe Stat. Silv. 4,5,22–24 ([…] regina bellorum virago) und Mart. 7,1 (Accipe belligerae crudum thoraca Minervae […]). Mattingly 1930, 85–86 nennt auch Minervas Rolle als Patronin der Künste bei Quint. 10,1,91 und Mart. 4,1,5; 6,10, die jedoch anders als ihr militärischer Aspekt nicht auf Münzen abgebildet wurde. Zu den verschiedenen Darstellungsweisen Minervas auf Münzen Domitians siehe auch Morawiecki 1977 und Girard 1981, 241–242. Eine grundsätzliche Verbindung Minervas zu Geld, Finanzen und Zahlen hat Dubosc 2002 besprochen. Auf diese Weise erschließt sich auch die Gegenwart von Minervastatuen in kaiserlichen Geldverteilungsszenen auf Münzen (391–392; u. a. RIC I² Nero 100–102, 151–162; RIC II,1² Vespasian 420, 456; RIC II Nerva 56–57). Southern 1997, 10; Gering 2012, 126.

3.1 Die Kaiser und ihre Gottheiten

151

engen persönlichen Verbindung des Kaisers zur Gottheit außer Zweifel, dass der Minervakult „Domitians Machtposition religiös […] überhöhen“ sollte.53 Das aus moderner Sicht vielleicht provokanteste, aber über mehrere Jahre auf Sesterzen ausgegebene Münzbild Domitians zeigt ihn mit Blitzbündel, wie er von Victoria gekrönt wird (u. a. RIC II,1² Domitian 283, 362, 404). Es erinnert eindeutig an ein vespasianisches Vorbild (RIC II,1² 1057), wurde jedoch um das Blitzbündel ergänzt. Das Münzbild bestätigt, was Cordes (2017) bereits auf Grundlage der panegyrischen Schriften für Nero und Domitian beobachtete: Die Annäherung an die Götter nahm für Domitian noch deutlichere Formen an als unter Nero.54 Anders als Neros Kitharöden-Motiv ist die Abbildung Domitians mit Herrscherblitz unmissverständlich. Die Übernahme des Bildes durch Trajan (MIR 122, 320–322) beweist jedoch, dass die Übernahme des Götterattributs nicht per se problematisch war.55 Die völlige Dominanz einer einzelnen Gottheit in der kaiserlichen Repräsentation war hingegen gar kein erfolgreiches Modell. Dies lässt sich einerseits daran ablesen, dass lange Zeit kaum ein anderer Kaiser eine ähnliche Strategie wählte, und ist andererseits nicht verwunderlich: Derart personenbezogene Motive konnten den Brückenschlag zwischen Kaiser und Vorstellungswelt der Rezipienten, der sonst vielfach gerade auf religiöser Ebene hergestellt wurde, kaum leisten. Einen Vorschlag dazu, inwiefern gerade die Vielfalt der Götterabbildungen unter Trajan als Reaktion auf Domitians persönliche Vereinnahmung des Göttlichen gedeutet werden kann, mache ich in Kapitel 3.3.1. Die Annäherung des Prinzeps an die göttliche Sphäre im Münzbild setzt sich bei Trajan fort. Die Assoziation blieb meist unkonkret, aber dennoch unübersehbar – genau wie die Ähnlichkeit des an Trajan eigentlich gerade als Lob seiner Demut und Selbstlosigkeit herangetragenen Titels optimus princeps zum Jupiter optimus maximus des Kapitols. Aus heutiger Sicht ein scheinbarer Widerspruch, erinnert diese an die religiöse Ebene anknüpfende Ehrung Trajans an die Verleihung des Titels „Augustus“ und zahlreicher Sonderrechte an den ersten Prinzeps als Dank gerade dafür, dass er umfassende Machtbefugnisse formal wieder abgelegt hatte.56 Für die Darstellung der Beziehung Trajans zu den Göttern sind, über die weiter unten besprochenen Typen hinaus, drei Münzmotive besonders erwähnenswert. Sie zeigen, wie man sich für Trajan sowohl bei alten Vorbildern bediente als auch neue Motive erfand. Und vor allem illustrieren sie eine große 53

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Gering 2012, 127. Die Ägis auf manchen Porträts Domitians, mit der er ein göttliches Attribut seiner Schutzgottheit übernahm, kann jedoch nur schwerlich als Beleg für die gezielte „Vereinnahmung“ der Gottheit angeführt werden: Entsprechende Abbildungen sind in der Reichsprägung selten und demnach kein offizielles Programm, zudem verwendete bereits Nero, ohne eine entsprechende Bevorzugung der Göttin, die Ägis im Münzporträt. Cordes 2017, 172. Wolters/Ziegert 2014, 62. R. Gest. div. Aug. 34.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

Flexibilität bei der Darstellung menschlich-göttlicher Beziehungen. Um den militärisch siegreichen Kaiser in direkte Verbindung mit den Göttern zu setzen, bediente man sich für Trajan flavischer Motive. Von Vespasian wurde in Gold und Silber das Münzbild übernommen, in dem der Kaiser, mit langem Zepter in der rechten Hand und Kurzschwert in der linken Armbeuge, von Victoria bekränzt wird (MIR 121, 18557, Abb. 41). Auf Buntmetall prägte man parallel ein ganz ähnliches Motiv, das jedoch in der Version Domitians ausgeführt wurde, welches den Kaiser deutlich expliziter mit göttlichen Kräften zeigt: Der Kaiser stützt sich mit der linken auf das Zepter, während er in der rechten Hand ein Blitzbündel, das Attribut Jupiters, hält (MIR 122, 320–322,58 Abb. 42). War ein über Gold erreichbares aristokratisches Publikum also sensibler, wenn es darum ging, den Kaiser mit göttlichen Attributen darzustellen? Die Evidenz dafür ist leider dürftig, stützt sie sich im Untersuchungszeitraum doch nur auf die hier besprochenen Münztypen und vielleicht noch die KitharödenPrägungen Neros, die ebenfalls nur in Bronze ausgegeben wurden.59 Im Relief des Bogens von Benevent ist die Übergabe des Herrscherblitzes durch Jupiter an Trajan explizit abgebildet, die Darstellung des von Jupiter belehnten Kaisers mit Blitz im Münzbild ist demnach innerhalb der Repräsentation Trajans nicht ungewöhnlich.60 Dass sie hier auch auf Münzen durchschlägt, dient dabei wohl dem

Abb. 41–43: Trajan mit göttlicher Unterstützung auf zwei Aurei und einem As. Von l. nach r. von Victoria gekrönt (hier MIR 121a), mit Victoria und Blitzbündel (hier MIR 320) und als Schützling Jupiters (hier MIR 428).

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= RIC II Trajan 85, 69 und 212–213. = RIC II Trajan 549–550. Zur möglichen inhaltlichen Differenzierung auf verschiedenen Nominalen siehe die Diskussion zu Zielgruppen in Kap. 1.1.2 oben. Fittschen 1972, 778–782.

3.1 Die Kaiser und ihre Gottheiten

153

oben (Kap. 2.6.2) besprochenen Vergleich mit Domitian. Trotz einer Verwendung bei Marcus Aurelius, der den Kaiser mit Blitzbündel auf Aurei zeigte (RIC III Marcus Aurelius 264–266), setzte sich die Darstellungsweise jedoch nicht durch und wurde in dieser Form nicht mehr aufgegriffen.61 Ein drittes Motiv der trajanischen Münzprägung zeigt, dass die kaiserliche Verbindung zu den Göttern je nach Kontext flexibel präsentiert wurde und keinem sensiblen Formular unterlag. Wiederum kommunizierte die Prägung eine Nähe zu Jupiter, jedoch auf ikonografisch gänzlich andere Weise. Jupiter, offenbar nach einer Intervention zugunsten Trajans, tritt hier als Retter des Kaisers (CONSERVATORI PATRIS PATRIAE) auf.62 Der Kaiser steht als kindlich kleine Figur unterhalb des mächtigen Gottes und hält einen Zweig, wie er zum Gebet oder als Friedenssymbol verwendet wurde (u. a. MIR 428–429, 438H, 479,63 Abb. 43). Die Herrschaftsrepräsentation Trajans kannte somit sowohl die Angleichung an den Gott als auch die demonstrative Unterordnung. Nicht zuletzt im Umgang mit der göttlichen Ebene offenbart sich bei Trajan eine neue Komplexität in der Abbildung kaiserlicher Autorität: Die Darstellung als von den Göttern auserwählter und unterstützter Kaiser ging in Panegyrik wie auch Münzprogramm mit der demonstrativen Demut vor den Gottheiten und Traditionen einher.64 Die bis heute grundsätzlich positive Rezeption Trajans, der von Zeitgenossen sowohl als göttergleich angesehen wie auch für seine Bescheidenheit gelobt wird, zeigt, wie gut es Trajan gelang, beide Aspekte im Gleichgewicht zu halten – ohne, dass sie als gegensätzliche Pole verstanden wurden.65

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Eine ausführlichere Untersuchung zur Angleichung der römischen Kaiser an Jupiter und „divine election“ durch den höchsten Gott hat bereits Fears 1977 vorgelegt. Wie Seelentag 2004, 444, Anm. 8 bemerkt, ist die Rettung Trajans während des Erdbebens in Antiochia als Anlass des Motivs jedoch aus chronologischen Gründen auszuschließen; vgl. Strack 1931, 215–216. Zu Jupiters Beistand im Krieg siehe den Fries der Trajanssäule, Szene 24 (Schlacht bei Tapae). = RIC II Trajan 249–250, 619, 298, 336 und 643. Die Deutung des auf einigen Exemplaren doch deutlich erkennbaren Zweigs als palladium durch Alföldi 1999, 42 halte ich für irrig. Gegen die Deutung der Prägung als Ausdruck von „Gottesgnadentum“ siehe Fears 1977, 193–196, 231. Siehe Kap. 3.3.1, S. 173–177. Seelentag 2004, 501 resümiert ähnlich: „In diesem Spannungsfeld zwischen den Menschen, denen er ein Civilis Princeps war, und den Göttern, denen er simillimus war, wurde der Optimus Princeps konstruiert.“ Vgl. zur recusatio von Ehrungen als zur Realität vermehrt widersprüchliches Ritual Wallace-Hadrill 1982, insb. 36–37.

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3.2

3 Die Vereinnahmung der Götter

Ceres Augusta und Annona Augusti. Zur kommunikativen Nutzung von Göttern und Personifikationen

Auch wenn Gottheiten ihren Weg auf die Münzen vielfach als bereits etablierte, passend verfügbare Symbole fanden, greift es zu kurz, den Abbildungen deshalb einen religiösen Gehalt grundsätzlich abzusprechen. Dies betrifft insbesondere die häufig nicht des Begriffs „Gottheit“ für würdig erachteten Personifikationen. Fears (1981) konnte bereits überzeugend darlegen, dass gerade die zahlreichen Gottheiten, in denen sich die Eigenschaften des Herrschers und Charakteristika seiner Regierung manifestieren, keinesfalls generische Lückenfüller in Ermangelung konkreterer Aussagen waren.66 Er kritisierte, dass unsere „insistence upon labeling Salus, Victoria, and the likes as ‚deified abstractions‘ may be partly responsible for a tendency to underestimate or even to misconceive the religious significance of such cults at Rome.“67 In der Tat zwingen uns die Tempel für etwa Concordia und Victoria in Rom „to recognize the worship of Virtues in the Roman state cult as meaningful expression of Roman religiosity.“ Gerade die Gottheiten, deren Einfluss sich in bestimmten positiven Zuständen wie Harmonie (Concordia) oder Hoffnung (Spes) zeigt, sind Ausdruck der „peculiar conception of the divine“ der Römer und Römerinnen.68 Jeder Versuch, aus moderner Sicht zwischen „echten Göttern“ und anderen, vermeintlich weniger göttlichen Personifikationen oder Abstrakta trennscharf zu unterscheiden, muss zumindest anfällig für Grenzfälle bleiben. In vielen Besprechungen kaiserzeitlicher Münzikonografie, so auch eingangs von mir, werden „echte“ Götter aufgrund ihres größeren Facettenreichtums dennoch kategorisch von „Personifikationen“ oder „Tugenden“ unterschieden. Eine solche Trennung ergibt zwar auf der Grundlage einer unterschiedlichen religiösen Wertigkeit nur bedingt Sinn, erweist sich aber als aussagekräftig, wenn es darum geht, die unterschiedliche Einbindung altbekannter Gottheiten oder göttlicher Neuankömmlinge in die Kommunikation kaiserlicher Autorität zu charakterisieren. Zur Abbildung auf Münzen wurden Gottheiten, die konkrete menschliche Leistungen zum Ausdruck brachten, grundsätzlich bevorzugt: Über alle Jahrhun-

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Fears 1981, 901: „The imperial Virtues were a sensitive vehicle of propaganda, closely attuned to public feeling and drawing upon the deep well of popular piety.“ Fears 1981, 833; Toynbee 1956, 216–218 sah die als „personifications“ ausgedrückten „virtues“ und „blessings“ hingegen etwa als Effekte des guten Willens der „gods proper“, die aber von niemandem als echte Götter wie Jupiter, Mars oder Hercules gesehen worden seien. Fears 1981, 837.

3.2 Ceres Augusta und Annona Augusti

155

derte römischer Münzprägung hinweg war die Siegesgöttin Victoria so ein deutlich beliebteres Motiv als der in der Kultpraxis zweifellos relevantere Mars.69 In der auf den Kaiser ausgerichteten Münzgestaltung verstärkte sich dies zwangsläufig. Gottheiten, die sich in Eigenschaften oder Leistungen kaiserlicher Herrschaft manifestierten, etablierten sich insbesondere in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts als zentraler Bestandteil der numismatischen Bildsprache. Insbesondere unter Galba, der seine Autorität als neuer Kaiser nicht mehr durch seine Herkunft, sondern mithilfe von Pax, Libertas, Concordia, Victoria und Virtus anhand seiner Leistungen kommunizieren musste, schnellten diese Art von Gottheiten von ca. 36 % aller Münztypen bei Nero auf über 60 % in die Höhe und blieben danach, unterbrochen von Domitians starkem Fokus auf Minerva, stets auf hohem Niveau. Die kommunikative Rolle dieser „Personifikationen“ von kaiserlichen Tugenden und Leistungen auf Münzen haben in Detailstudien etwa von Noreña (2001, 2011) bereits besondere Beachtung gefunden.70 Die dagegen deutlich zurückhaltendere Verwendung wichtiger Gottheiten wie Jupiter oder Juno lässt sich wohl darauf zurückführen, dass sich solche ältere, komplexere Gottheiten schlechter an die Person des Kaisers binden ließen als „those gods who are known by no name other than that of the exact thing or benefit which they produce“.71 Während man unter den ersten Julio-Claudiern auf Münzen noch sehr zögerlich mit göttlichen Kräften umging, fanden entscheidende Innovationen in der Mitte des ersten Jahrhunderts bei Nero und erneut in den darauffolgenden Bürgerkriegen statt.72 Das Paradebeispiel für eine in der Mitte des ersten Jahrhunderts für kaiserliche Zwecke neu erfundene Gottheit ist Annona, die Göttin der jährlichen Ernte und Getreideversorgung. Bei ihrem ersten Auftreten wurde sie für ein in vielen Typen ausgeprägtes Sesterzmotiv Neros entworfen, das mit der Reversumschrift ANNONA AVGVSTI CERES die Getreideversorgung ganz für die kaiserliche Autorität vereinnahmte (u. a. RIC I 98–99, 137–142, Abb. 44). Die genitivische Formulierung AVGVSTI kennzeichnete Annona, anders als Ceres, als Teil der kaiserlichen Handlungssphäre. Zu diesen Götterepitheta zunächst ein kleiner Exkurs. In ausgeschriebener Form war AVGVSTI auf Münzen zuerst unter Claudius für göttliche Eigenschaften der kaiserlichen Herrschaft gebraucht und somit die Gottheit der Person des Kaisers untergeordnet worden. Nach Constantia und Victoria bei Claudius sind bei Nero auch Genius und Securitas, bei Galba Aequitas, Pax und Salus73 AVGVSTI und somit göttlichen Eigenheiten des Kaisers. Der grammatikalische Unterschied zwischen den Epiphanien konkreter 69 Zur Bedeutung von Victoria in der „military monarchy“ Rom siehe Fears 1981b, 804. 70 Auch Wallace-Hadrill 1981, 298–323. 71 Fears 1981, 832 nennt diese Art Gottheiten mit Cicero utilitates, vgl. Cic. nat. 2,60–62. 72 Zu den konkurrierenden Münztypen während der Bürgerkriege des ersten Jahrhunderts siehe die Darstellung bei Ellithorpe 2017, 86–98. 73 Zu Salus als AVGVSTA oder AVGVSTI siehe die Untersuchung von Schwarte 1977.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

Leistungen oder Eigenschaften des Kaisers, die ihm genitivisch zugeschrieben werden (AVGVSTI), und den Zuständen wie Libertas oder Concordia, welche die kaiserliche Herrschaft mit sich brachte und die als Adjektiv stehen (AVGVSTA), ist inhaltlich grundsätzlich schlüssig. Auch olympische Gottheiten wie Ceres konnten nicht AVGVSTI, also „des Kaisers“, sein. Unter Claudius und Galba schrieb man stattdessen explizit CERES AVGVSTA (u. a. RIC I² Claudius 94, Galba 291) auf Münzen und setzte die Göttin durch das Adjektiv somit zwar in ein partnerschaftliches Verhältnis zur Kaiserherrschaft, ohne sie jedoch zu einer Manifestation des kaiserlichen Handelns zu machen. Besonders interessant wird es, wenn eine Gottheit in beiden Kategorien vorkommt: So werden während der Herrschaft des Claudius noch Münzen zu Ehren des augusteischen Friedens (u. a. RIC I² 9–10: PACI AVGVSTAE) geprägt, während man die Göttin für Galba als PAX AVGVSTI bewarb (RIC I² 496–498) und somit den Frieden deutlich als Leistung des Usurpators persönlich kennzeichnete. Andere Münzlegenden Galbas und in der Folge zahlreicher Kaiser halten die Beziehung der Gottheit zum Kaiser mit der Abkürzung AVGVST interpretationsoffen (u. a. RIC I² Galba 273–274 mit FELICITAS AVGVST, 277–278 mit PAX AVGVST). Ob dies zunächst an der Unsicherheit der Münzstätte bezüglich der gewünschten Legende oder auch tatsächlich daran lag, dass die Neuerung von manchen Akteuren als gewagt wahrgenommen werden konnte, muss offenbleiben. Fehlender Platz für einen einzelnen Buchstaben mehr ist mit Blick auf die Legendenverteilung und die teils längeren, aber dennoch ausgeschriebenen Götternamen als Grund jedenfalls auszuschließen. Eine Stelle bei Aulus Gellius, auf die Hekster (2003) hingewiesen hat, belegt, dass die Römer Abkürzungen zur Vermeidung einer grammatikalischen Festlegung gezielt einzusetzen wussten.74 Spätestens ab Vespasian dürfte die Kürzung des einen Buchstabens bewusst vorgenommen worden sein, um sowohl den Bezug zum derzeitigen Amtsinhaber als auch zum Kaiser als Institution herzustellen. Mit großem kompositorischem Aufwand zeigen die erwähnten neronische Sesterze in einem Motiv die gesamte Bandbreite der Darstellungsmöglichkeiten kaiserlicher Sorge um die Getreideversorgung: Rechts sitzt Ceres mit Kornähren und Fackel, ihr gegenüber steht Annona mit Füllhorn als ihre Abgesandte,75 im Hintergrund ist ein Schiffsbug, zwischen den beiden Göttinnen ein Getreidemaß auf einem geschmückten Altar zu sehen, in das Ceres die Kornähren zu geben scheint. Alltägliche wie religiöse Elemente kamen hier in einem Bild zusammen, welches das eigentlich profane Thema der Getreideversorgung jedoch mithilfe 74

75

Hekster 2003, 30; Gell. 10,1,6 zitiert Varro: Aliud est „quarto“ praetorem fieri et „quartum“; quod „quarto“ locum adsignificat ac tres ante factos, „quartum“ tempus adsignificat et ter ante factum. Darauf folgt eine Anekdote darüber, wie Cicero Pompeius geraten habe, für die Inschrift eines Standbilds statt tertio oder tertium lediglich „tert“ zu schreiben und sich so die weitere Diskussion über die richtige Form zu ersparen. Vgl. Winkler 1995, 86.

3.2 Ceres Augusta und Annona Augusti

157

Abb. 44–45: Reverse eines neronischen Sesterz mit Annona und Ceres (oben, hier RIC I² 137) und der vitellianischen Abwandlung (unten, hier RIC I² 166).

ben versuchte.76 Anhand einer Abänderung des Motivs bei Vitellius lassen sich zu der Zeit bestehende, leicht unterschiedliche Auffassungen kaiserlicher Autorität und ihrer göttlichen Unterstützung begreifen. Man ersetzte die noch neue Annona durch den Kaiser selbst, der nun Ceres in Militärkleidung gegenüberstand (RIC I² 131, 155, 166, Abb. 45). Gleichzeitig wurde die Legende präzisiert und CERES herausgestrichen. Die religiöse Ebene des Bildes wurde so gedämpft: Die cura annonae ist im vitellianischen Münzbild keine Erscheinung kaiserlicher Macht mit göttlichem Eigenleben, sondern wurde vom Herrscher selbst durch seine (militärische) Stärke mit Unterstützung der aus einer Opferschale spendenden Ceres garantiert.77 Beide Kompositionen waren gehaltvolle Aussagen, welche die umfassende Macht des Kaisers anhand eines wichtigen Politikfelds betonten. Darüber, welches der beiden Motive in dieser Hinsicht „zurückhaltender“ war, lässt sich nicht entscheiden. Das Herrschaftsverständnis, wie es im neronischen Münzbild abgebildet wurde, war in jedem Fall innovativer und komplexer: Die Wohltaten des Kaisers werden hier nicht nur durch das gute Verhältnis zu einer Gottheit erleichtert, sondern sind eigenständige, zu seinen Gunsten wirkende göttliche Kräfte, die sich in seinen Handlungen immer wieder bewiesen. Diese Auffassung, in der sich die göttlichen Wohltaten ohne den Kaiser gar nicht erst manifestieren würden, setzte sich langfristig durch. Domitian und Nerva übernahmen das neronische, nicht das vitellianische Sesterzmotiv (RIC II,1² Domitian 340–350, 396, 462, RIC II Nerva 52, 68, 78).

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Vgl. dagegen die nicht abstrahierte Weise, wie, ebenfalls auf Sesterzen (u. a. RIC I² Nero 102), das Austeilen eines Donativs durch Nero und Beamte dargestellt wurde. Rickman 1980, 261: „It was Vitellius, however, faced with Vespasian in control of Egypt and threatening to invade Africa, who naturally went to the most pains to try and reassure the population of Rome that all was well with the corn supply.“

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3 Die Vereinnahmung der Götter

Abb. 46:

Anzahl der Münztypen mit Abbildung von Ceres und/oder Annona pro Kaiser.

Annona war der alten Gottheit Ceres schlicht kommunikativ überlegen: Als im Alltag sichtbare Epiphanie einer konkreten kaiserlichen Leistung bezeugte Annona „the supernatural quality of imperial potestas“.78 Unter den Flaviern etablierte sich Annona als wiederkehrendes Motiv, bis sie unter Domitian ähnlich viele Münztypen wie Ceres zierte.79 Aus dem neronischen Sesterzmotiv mit Annona und Ceres wurde ab Domitian der Verweis auf Ceres wie bei Vitellius aus der Legende gestrichen. Die eigentliche göttliche Getreidespenderin Ceres war zwar noch religiöse Hintergrundfolie für das Motiv, im Zentrum der Münzbotschaft stand nun jedoch das Austeilen der annonae als göttliche Manifestation kaiserlicher Macht. Bis in das dritte Jahrhundert hinein zeigte sich von nun an auf Münzbildern eine zunehmende Dominanz Annonas gegenüber Ceres (Abb. 46).80 78 79

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Fears 1981, 915. Winkler 1995, 87, Anm. 427 meint, dass es unter Otho, Vitellius und den Flaviern zu einem „klare[n] Bedeutungsaufschwung“ von Ceres gekommen sei, da es in der Tat zeitweise wieder mehr und vielfältigere Typen gab. Auf diese Konjunktur in ihrem historischen Kontext gehe ich hier nicht näher ein. Wie auch unter Claudius ist das Auftreten von Ceres auch hier wohl mit einer kritischen Kornknappheit zu erklären (Tac. hist. 4, 52). Spätere Kaiser sind im Schaubild im Sinne der Übersichtlichkeit und aufgrund geringer relevanter Typenzahlen ausgenommen. Die hohe Anzahl von Ceres-Abbildungen bei Antoninus Pius ergibt sich vor allem aus der Verbindung des Cereskultes mit den Frauen der Kaiserfamilie. Die wiederkehrende Gleichsetzung von Frauen mit Ceres hat Spaeth 1996, 103–123 überzeugend durch die Assoziation von Ceres mit Mutterschaft und Keuschheit erklären können. Allein im Jahr 141 ließ Antoninus Pius 70 Typen prägen, die Ceres mit seiner verstorbenen und vergöttlichten Gattin Faustina verbinden.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

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Die letzte Münze mit Ceres-Motiv wurde, mit einer langen Unterbrechung zwischen Caracalla und Gallienus, unter Claudius Gothicus spätestens 270 n. Chr. geprägt (RIC V 24). Annona hielt sich nur wenig länger bis in die Zeit Diokletians, wo sie zuletzt auf zwei stadtrömischen Antoninianen auftrat (RIC V 155–156).81

3.3

Göttermotive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

So wie bereits mit der in Priesterämtern greifbaren kultischen Expertise des Herrschers für dessen Repräsentation nicht viel zu gewinnen war, zeigt die Auswahl der Götterbilder auf Münzen, dass die kaiserliche Autorität offenkundig auch nicht in Erwartungen bezüglich der Götterverehrung, geschweige denn bestimmter Gottheiten, eingebunden war. Dafür variiert die Auswahl der Gottheiten als Münzmotive zu stark zwischen den einzelnen Regierungszeiten. Gleichzeitig ist nur schwerlich vorstellbar, dass spezifische Erwartungen an den Kaiser bezüglich seiner Haltung zu den Göttern in einer Gesellschaft ohne Ansprüche an einen „richtigen“ Glauben überhaupt existierten. Wie jeder Kaiser die Darstellungsmöglichkeiten gerade mit Hinblick auf seine Verbindung zu den Göttern nutzte, scheint tatsächlich neben der Abwägung, was politisch opportun war, auch „a matter of character“ gewesen zu sein.82 In jedem Fall bestätigt die Auswahl der Gottheiten in der kaiserlichen Münzprägung, dass die Motive eine aristokratische und entsprechend der größten Empfängergruppe vielleicht noch militärische Perspektive auf die römische Religion spiegeln. Während der Münzmeister Publius Petronius Turpilianus unter Augustus mit Feronia, Liber oder Pan noch betont volkstümliche Naturgottheiten auswählte (RIC I² 278–300), fehlen solche später fast vollständig. Außer Ceres und Minerva, beide im Gesamtbild nicht besonders häufig, zeigen die Münzen der Kaiser im ersten Jahrhundert keine Gottheiten mit Bezug zu Ackerbau oder Handwerk – und ob der Bezug zu Letzterem bei Minerva-Abbildungen ausschlaggebend war, ist höchst fraglich. Obwohl auch Mars eine Bedeutung im Ackerbau zukam, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass der auf Münzen abgebildete Gott jemals etwas anderes ausdrücken sollte als die göttliche Unterstützung in der Kriegsführung.83 Mit Ausnahme der gerade aus diesem Grund weiter unten separat besprochenen Vesta spielte die Bedeutung der einzelnen Gottheiten im Kultwesen

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Vergleiche die ähnliche Entwicklung für Vesta in Kap. 3.3.2, S. 183–184. Shotter 1979, 50. Siehe dazu die Diskussion bei Manders 2012, 115–117.

160

3 Die Vereinnahmung der Götter

keine Rolle für die Auswahl der Bilder.84 Selbst wenn sie für relevante Sektoren zuständig waren oder sich in der Breite der Bevölkerung durch Tempel und Feste besonderer Popularität erfreuten, traten Gottheiten, die nur schwerlich mit Leistungen des Herrschers in Verbindung zu bringen waren, in der kaiserzeitlichen Münzprägung kaum noch auf. Saturnus, der wegen des aerariums in seinem Tempel einen besonderen Bezug zum Geld hatte und auf republikanischen Münzen prominent abgebildet worden war, tauchte in der Kaiserzeit so gut wie gar nicht mehr auf Münzen auf, obgleich jährlich die beliebten Saturnalia ausgiebig gefeiert wurden. Auch der Handwerkergott Vulcanus, der in der Republik noch mehrfach mit Schmiedezange auf Denaren abgebildet wurde (RRC 262/2, 266/2, 298/1, 314/1) und lediglich in den Bürgerkriegen nach dem Tod Neros kurz wieder auf dem Avers eines Denars, gar als VOLKANVS VLTOR, rehabilitiert wurde (RIC I² 79, 80), fand keine Beliebtheit in der kaiserlichen Münzprägung.85 Selbst Neptun, der Gott der Meere, wurde fast nur auf dem Revers von Assen für Marcus Agrippa abgebildet, der für Augustus wichtige Siege zur See errungen hatte (RIC I² Caligula 58, Titus 470, Domitian 825). Nachdem das Mittelmeer jedoch weitgehend befriedet und die Seefahrt kein Problemfeld kaiserlicher Politik mehr war, wurde eine Verbindung des Kaisers mit Neptun selten. Als NEP(tunus) RED(ux) ziert er den Revers von Aurei und Denaren, die in den ersten Jahren der Herrschaft Vespasians anlässlich der sicheren Rückkehr der Flavier aus Judäa geprägt wurden (u. a. RIC II,1² 44, 358, 365–366), danach wurde der Gott in gleicher Funktion erst wieder unter dem vielreisenden Hadrian auf Münzen abgebildet. Ebenso erhielt die Götterkönigin Juno, der im agrarischen wie urbanen Kontext große Bedeutung zugemessen wurde, erst wieder Prominenz auf Münzen, als im zweiten Jahrhundert mächtige Kaisergattinnen einen Anlass dazu boten. Auch wenn die Häufigkeit der einzelnen Gottheiten auf Münzen somit keine Bedeutungshierarchie im römischen Kultwesen widerspiegelt, zeigt sie, wie eng eine Gottheit in die Darstellung der Kaiser eingebunden werden konnte und welche Gottheiten über die Person des einzelnen Kaisers hinaus besonders anschlussfähig waren, um kaiserliche Autorität zu kommunizieren. Somit geben

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Duncan-Jones 2005, 469, der Götterabbildungen auf Münzen politische Relevanz und Aktualität absprechen möchte, schlägt eine solche „numismatic litany“ vor. Auch er bemerkt jedoch zumindest, dass die Relevanz der Gottheiten in der Münzprägung verzerrt scheint. Sein Eindruck ist auch deshalb verfälscht, weil er allein von der trajanischen Münzprägung ausgeht, die, wie ich in Kap. 3.3.1, S. 175–176 zeige, aus bestimmten Gründen gerade überdurchschnittlich viele „traditionelle“ Gottheiten abbildet. Die Münzen mit der Büste des Vulcanus können als Prägung gedeutet werden, die in der Krisenzeit selbstbewusst die Bedeutung des Handwerks und physischer Arbeit als Grundlage jeglicher politischen Macht in Erinnerung rufen sollte. In jedem Fall grenzten sie sich bewusst von den üblichen Bildern und Aussagen der kaiserlichen Emissionen ab. Die Reverse verweisen in der Legende explizit nicht auf den Einzelnen, sondern auf die Gemeinschaft des römischen Volkes – einmal auf dessen Genius (GENIO P R, RIC I² 79), einmal gar darauf, dass die Feldzeichen im Krieg die des populus Romanus seien (SIGNA P R, RIC I² 80).

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

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Götterabbildungen auf Münzen Auskunft über die kaiserliche Einflusssphäre und sind grobe Indikatoren für einen Wandel im Herrschaftsverständnis. Für eine Welt, in der Gottheiten so selbstverständlich und alltäglich präsent waren, ist nur schwer zu ermessen, ob in ihrer Abbildung ein tatsächlicher Glaubensgehalt lag. Die Fragestellung als solche läuft bereits Gefahr, verzerrte Ergebnisse aufgrund einer anachronistischen Trennung der religiösen von einer nicht-religiösen Sphäre zu produzieren. Durch die Erfindung neuer, kaiserlicher Gottheiten wie Annona wurde der Diskurs über die Autorität des Herrschers zunehmend auf eine neue Ebene verlagert, die zweifelsohne als „religiös“ zu bezeichnen ist, dabei aber in dem Maße stärker aus dem Zentrum der Macht selbst gesteuert werden konnte, wie Bezüge auf vorkaiserzeitliche religiöse Traditionen abgelöst wurden. Statt der gesellschaftlichen Konformität wurde stärker die Außerordentlichkeit der kaiserlichen Position kommuniziert. Im Folgenden soll deshalb gerade die seltenere Nutzung von religiösen, aber von der kaiserlichen Autorität noch unabhängigen Sensibilitäten auf Münzen geprüft werden. Während viele Götterabbildungen konkrete Leistungen über den Umweg der Religion an den Kaiser koppelten, verdienen zwei Göttinnen, deren kommunikative Funktion weniger offensichtlich ist, besondere Aufmerksamkeit: Pietas, die unter bestimmten Umständen das Verhältnis der Menschen zu den Göttern selbst abbilden sollte, und Vesta, die im Herzen des stadtrömischen Kultlebens stand, jedoch nur unregelmäßig auf Münzen Berücksichtigung fand.

3.3.1 Pietas – Aufrichtigkeit und Demut Die in der Göttin Pietas86 verehrte Kraft manifestierte sich als eine innere Geisteshaltung, deren Einfluss auf die Lebensbedingungen der Bürger und Bürgerinnen nicht wie etwa im Fall von liberalitas oder pax unmittelbar erkennbar war. Auch aus einem anderen Grund verdient sie in diesem Rahmen eine gesonderte Untersuchung: Obwohl pietas in den literarischen Quellen vornehmlich als vorbildliches Verhalten zwischen Familienmitgliedern auftritt und etwa Cicero religio und pietas als differenzierte Bedeutungen gegenüberstellt,87 wurde seit jeher auch eine metaphysische Komponente des Konzepts in Form von pflichtgemäßem Handeln gegenüber den Göttern vermutet.88 Die bildlichen Darstellungen 86 87 88

Mit „Pietas“ in Großschreibweise ist hier wie im Folgenden explizit die Gottheit gemeint, in kursiv das Konzept als solches. U. a. Cic. har. resp. 19; Cic. rep. 1,2. So deutet Liegle 1935 Pietas-Prägungen als Ausdruck von „Kultfrömmigkeit“ und interpretiert sie in einem Zuge mit Abbildungen von Kultgeräten und Opferzeremonien; mit gleicher Grundannahme noch Vollkommer 1997. Latte 1960, 39–40 nennt die Übersetzung von pietas als „fromm“ zwar „ungenau“, auch er bespricht jedoch darunter primär das Verhältnis der Menschen zu den Göttern, das dann auf den innerfamiliären Bereich „ausgedehnt“ werde.

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der Kaiserzeit unterstützen diese Anschlussfähigkeit von Pietas an den religiösen Bereich grundsätzlich: Im ersten Jahrhundert etablierte sich die Abbildung von Pietas mit Opferschale und/oder Altar und verhülltem Haupt. Die der pietas zugrundeliegende Ehrerbietung gegenüber einer als höher anerkannten Autorität, in aller Regel den Eltern, erweist sich hier zumindest im Charakter als gleichzusetzen mit dem den Göttern gezollten und dann in Form von kultischer Verehrung ausgedrückten Respekt. Häufig sind Pietas-Motive auf Münzen des ersten Jahrhunderts jedoch nicht. Wie ich zeigen werde, liegt dies daran, dass Pietas im Gegensatz zu den meisten anderen Gottheiten nicht initiativ zur Bewerbung kaiserlicher Leistungen genutzt wurde, sondern vornehmlich dann Verwendung fand, wenn es nötig war, in der öffentlichen Kommunikation potenziellen Angriffsflächen entgegenzuwirken. Besonders ausführlich mit dem pietas-Begriff der Römer und Römerinnen hat sich Schröder (2012) auseinandergesetzt. Sie geht hart mit der älteren Forschung ins Gericht, die pietas aufgrund der modernen Begrifflichkeiten zumeist fälschlich als religiöse Frömmigkeit gedeutet habe. Anhand einer philologischen Untersuchung kann sie zeigen, dass pietas in den literarischen Quellen im Kern vor allem die sich in punktuellen, exzeptionellen Akten äußernde Loyalitätsbeziehung eines Kindes zu einem Elternteil ausmacht, deren Charakter dann durch sprachliche Zusätze übertragen werden konnte zum Beispiel auf die Beziehung zu Freunden, zur patria statt zum pater sowie eben zu den Göttern. Der letztere Fall sei jedoch nicht bereits an sich Bedeutungsinhalt von pietas.89 Mir scheint das Defizit im modernen Pietas-Verständnis dabei etwas weniger dramatisch als von Schröder geschildert, die etwa Georg Wissowa Unrecht tut, der bereits Anfang des letzten Jahrhunderts ausführlich den „engeren Sinne“ der Gottheit Pietas betont hatte, die nur als Manifestation des pflichtgemäßen Verhaltens zwischen Menschen mit enger Bindung zueinander unter die Götter aufgenommen worden sei. Die Münzen mit Darstellungen der Pietas in der Republik zeigten laut Wissowa durchweg, dass „die Göttin nicht als Repräsentation allgemeiner Frömmigkeit, sondern treuer und aufopferungsfreudiger Anhänglichkeit zwischen Verwandten, insbesondere Eltern und Kindern, verstanden wurde“.90 Das gesteigerte Bewusstsein über die potenziell anachronistische Verwendung des Pietas-Begriffs hat in der neueren Forschung zu tendenziell breiteren 89 90

Schröder 2012 mit den Verweisen auf die von ihr kritisierte ältere Literatur dort. Wissowa 1902–1909, 2500–2501; in Bezug auf die Münzen auch bereits Strack 1931, 75–76, 186. Darüber hinaus beweist Wissowa ein keineswegs vornehmlich religiöses Verständnis von pietas, wenn er treffend bemerkt, dass auch die Legende PIETAS auf Münzen mit den Gerätschaften der vier großen Priesterkollegien ab Marcus Aurelius nicht die besondere Achtung des Kultwesens, sondern vielmehr das gute Einvernehmen der Kaiser mit den jeweiligen Nachfolgern zum Ausdruck bringe (2504–2505). Hinter diese Deutung fällt Liegle 1935, 67 wieder zurück, der die Münzen als ostentatio pietatis bewertet und sich gar wundert, dass etwa Nerva die Priestergerätschaften ohne bezeichnende Beischrift PIETAS prägte.

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Definitionen geführt. Für Börner (2017) ist Pietas so schlichtweg die „Personifikation des pflichtgemäßen Verhaltens“, Noreña (2011) bleibt ebenfalls vorsichtig und spricht von pietas als „general attitude“ und „rather elastic concept“, das im Fall des Kaisers „his dutiful conduct towards all persons or things to which, as emperor, he had obligations of any sort“ motiviert habe.91 Auf den Münzen des ersten Jahrhunderts ist erkennbar, dass Pietas trotz dieser Mehrdeutigkeit des Überbegriffs im Einzelfall ganz spezifisch eingesetzt wurde – insbesondere, um innerfamiliäre Loyalität und damit die Stabilität der Regierung und Nachfolge auszudrücken. Gegen Ende des ersten Jahrhunderts ist die mit verhülltem Haupt an einem Altar opfernde Pietas Trajans jedoch nur noch schwerlich ohne Bezug zu Göttern und Kultwesen zu interpretieren. Dieser Wandel ist erklärungsbedürftig und verspricht Aufschluss über Änderungen in der kommunikativen Nutzung des kaiserlichen Verhältnisses zu den Göttern. Wurde ab Trajan tatsächlich auf Münzen mit der „Kultfrömmigkeit“ der Kaiser geworben? Wann und wieso veränderte Pietas im Laufe des ersten Jahrhunderts ihre Funktion? Im historischen Kontext lässt sich die veränderte Aussageintention des Motivs rekonstruieren. Die Erzählungen der Römer darüber, wie pietas mustergültig in Erscheinung trat, handeln ausschließlich von besonderer Fürsorge gegenüber den Eltern: Aeneas beweist pietas, als er seinen gebrechlichen Vater aus dem brennenden Troja trägt. Die Gründungssage des Tempels für Pietas in Rom berichtet von einer Tochter, die ein zum Hungertod verurteiltes Elternteil im Gefängnis an ihrer Brust ernährt und ihm so das Leben gerettet haben soll.92 Besonders stark zeigt sich pietas dann, wenn Loyalität auf die Probe gestellt und in einer Extremsituation dennoch bewiesen wird: Livius berichtet im Zusammenhang mit pietas von einem vorbildhaften Sohn, der sich entschlossen für seinen Vater eingesetzt habe, obwohl dieser ihn mit großer Härte misshandelte; Cicero schildert ähnlich, dass ein junger Mann seinen Vater vor Gericht verteidigen müsse, selbst wenn dieser eines Verbrechens schuldig sei.93 Wahre pietas ist somit bedingungslos und uneigennützig. Die Autoritäten, gegenüber denen die Loyalitätspflicht gilt, sind jedoch laut Cicero hierarchisiert: Noch stärker als gegenüber den Eltern gilt pietas im Extremfall dem Vaterland. Auch wenn die römischen Götter aufopfernde Treue nicht im gleichen Maße einforderten wie der biblische Gott, war ein Römer in höchster Instanz durchaus auch ihnen pietas schuldig.94

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Börner 2017, 112; Noreña 2011, 73–74, 77. Plin. nat. 7,121; Val. Max. 5,4,7; ähnlich zu Aeneas auch die Sage der katanischen Brüder, die ihre Eltern aus der brennenden Stadt tragen, dargestellt etwa auf RRC 308/1 sowie 511/3 des Sextus Pompeius. Liv. 7, 4–5; Cic. off. 3,90. Cic. nat. 1,4 bringt zum Ausdruck, dass die pieta[s] adversus deos, hier wohl der generelle Respekt vor einer höheren Ordnung, Voraussetzung für jede Vertragstreue, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Gerechtigkeit sei.

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Auf Münzen nutzte Lucius Antonius 41 v. Chr. pietas in eindeutig propagandistischer Absicht (RRC 516/4–5). In der Abwesenheit seines Bruders Marcus führte er in Italien Krieg gegen dessen Triumviratskollegen Octavian. Durch die Annahme des Cognomens „Pietas“, das auch auf Münzen beworben wurde,95 kommunizierte er die in dieser schwierigen Konstellation wichtigste Botschaft: Er handele ganz im Interesse seines älteren Bruders, der seit dem frühen Tod des Vaters auch das Familienoberhaupt war. Lucius nutzte pietas, um seine fragwürdige Position durch die enge Anbindung an die übergeordnete Autorität seines Bruders zu stärken. Auch für den jungen Sextus Pompeius war es die beste Repräsentationsstrategie, sich durch Pietas auf Münzen als Stellvertreter seines auf dem Avers abgebildeten ermordeten Vaters darzustellen (RRC 477/1–3). Mehr als ein halbes Jahrhundert später zielte die Verwendung der Gottheit durch Caligula, in noch ausdrucksstärkerer Form, ebenfalls in diese Richtung. Sesterzen, die ab dem ersten Regierungsjahr Caligulas geprägt wurden (RIC I² 36, 44, 51), zeigen auf dem Avers die sitzende Pietas mit verhülltem Haupt und Opferschale in Kombination mit einem aufwendig gestalteten Revers, auf dem der junge Kaiser mit ebenfalls verhülltem Haupt und Opferschale im Mittelpunkt einer Opferszene vor einem geschmückten Tempel abgebildet ist.96 Über den Empfänger des Opfers lässt die dativische Umschrift keinen Zweifel: DIVO AVG(usto). Mit dieser Prägung kommunizierte Caligula seine enge Beziehung und Treue zum Willen des vergöttlichten Prinzeps, seines Urgroßvaters, und seine Stellung als dessen Nachfolger. Mit zahlreichen Porträts des Germanicus, aber besonders auch des Augustus und seiner mit Letzterem enger blutsverwandten Mutter Agrippina (insgesamt mehr als die Hälfte aller Typen), war die familiäre Bindung an den ersten Prinzeps so zentral in der numismatischen Repräsentation Caligulas wie für keinen anderen Kaiser.97 Gleichzeitig galt es für Caligula, der Zeit seiner Jugend durch die politische Verfolgung seiner Familie ständig gefährdet war, unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, dass sein Anspruch als Augustuserbe größer war als der des einen, zu Beginn seiner Herrschaft noch lebenden, dann aber bald beseitigten Enkels des Tiberius. Die engere Blutsverwandtschaft zu Augustus war dabei ein wichtiges Argument – aber offenbar nicht mehr automatisch so gewichtig, als dass die Tatsache nicht eine offensive Zurschaustellung hätte vertragen können. Die Opferszene auf dem Caligula-Sesterz ist nicht als in die Praxis umgesetzte Erläuterung der auf dem Avers abgebildeten Gottheit Pietas, sondern meines Erachtens genau andersherum zu lesen. Republikanische Darstellungen der Pietas zeigten keinerlei Verbindungen zu kultischer Frömmigkeit, die Gottheit

95 96 97

Dio. 48,5,4. Besprochen auch von Grunow Sobocinski 2002, 65–66 als ein innovativer, erster Typ mit „temple-sacrifice motif“. Vgl. auch Dio. 59,3,4–7; 7,1–3.

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wurde hier noch stets mit Diadem, nicht capite velato im Gebetsgestus, und ebenfalls nie mit patera oder Altar dargestellt.98 Die Darstellung einer thronenden, opfernden Pietas mit patera ist gänzlich neu.99 Dabei ist Pietas, für die eine Verbindung zum Kultischen noch gar nicht selbstverständlich etabliert war, hier eben nicht als Personifikation der „Kultfrömmigkeit“ zu lesen.100 Die inhaltliche Begründung für diese neue Gestaltung ist stattdessen in der erwünschten Darstellung Caligulas zu suchen: Da Pietas im Kern eine ergebene Sohn-Vater-Beziehung ausdrückte, diente sie hier dazu, das Opfer für den Divus Augustus mit dessen enger Blutsverwandtschaft zu Augustus und dem daraus abgeleiteten Nachfolgeanspruch in Verbindung zu bringen. Die Gottheit übernahm dafür im Bild den Opfergestus des Caligula, um umgekehrt dessen Handlung eindeutig als Ausdruck der pietas zu kennzeichnen. Der Kaiser erschien dank Pietas hier nicht vornehmlich als betont frommer Priester, sondern vor allem als absolut loyaler DIVI AVG(usti) PRON(epos).101 Dass sich dynastischer Zusammenhalt, gegenüber Toten sonst nur schwer zu demonstrieren, auch in Kulthandlungen zeigen konnte, wurde hier zum ersten Mal auf Münzen kommuniziert und dafür auch die Göttin entsprechend angepasst. In den aufwendigen Eröffnungsfeierlichkeiten für den Tempel des Divus Augustus findet sich der Anlass für das kunstvoll umgesetzte Münzmotiv.102 Dabei wurde das Bild im dritten und vierten Regierungsjahr Caligulas erneut aufgelegt. Typen aus dem zweiten Jahr fehlen nicht nur für diesen Sesterz, sondern bis auf einen Goldquinar für sämtliche Nominale. Denkbar ist, dass unter Caligula nach der auch aus programmatischen Gründen angefertigten Emission des ersten Jahres noch so viel Bargeld aus tiberischer Zeit vorhanden war, dass die Münzprägung in Rom im zweiten Jahr ausgesetzt wurde. Möglich wäre dennoch, dass die Sesterze zu Jahrestagen der Tempelweihung im dem Urgroßvater geweihten

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Republikanische Abbildungen der Pietas zeigen sie mit Palmzweig, Zepter oder Storch. Der Storch wurde als Tier, das seine Eltern im Alter mit Futter versorgt (Arist. hist. an. 615b 23), ebenfalls als Ausdruck der pietas angesehen. Siehe zur republikanischen Verwendung auch Zanin 2018. 99 Die Darstellungsweise ist die gleiche wie für Vesta (RIC I² Caligula 38). Liegle 1935, 84–86 sieht eine Entwicklung des Pietas-Bildnisses aus den Abbildungen der Vesta, führt diese jedoch auf Livia zurück, die die Vorrechte der Vestalinnen verliehen bekommen hatte und seiner Überzeugung nach auf einem Tiberius-Dupondius als Pietas abgebildet war. Dieser „Umweg über die erste Priesterin des ersten Augustus“ (86) ist jedoch nicht nötig. 100 So Liegle 1935, 66–67; ähnlich Alföldi 1999, 120. Stepper 2003, 49 meint in der Prägung den „inhaltliche[n] Bezug zwischen Priesteramt und der begrifflich in Gestalt der pietas zu fassenden Forderung nach Loyalität gegenüber Göttern und Menschen“ zu sehen. 101 So in der Titulatur Caligulas auf RIC I² 51. Winkler 1995, 51 bespricht die Prägung vornehmlich als Ausdruck der Verbundenheit zu Augustus. 102 Dio. 59,7,1–3 beschreibt die Einweihung des Tempels für Augustus mitsamt mehrtägigen Spielen und belegt (leider nur vage), dass Caligula Derartiges auch zu anderen Gelegenheiten wiederholte.

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Monat August, in den gleichzeitig auch der Geburtstag des Caligula fiel, ausgegeben wurden.103 In jedem Fall stellte die Münze die gewünschte Lesart der in der Praxis aufwendig zelebrierten Feier als Ausdruck persönlicher Nähe und Treue zu Augustus sicher und hielt diese Botschaft über den performativen Akt hinaus in Metall fest. Bereits für die erste kaiserzeitliche Verwendung von Pietas auf Münzen unter Tiberius war eine kleine Neuerung vorgenommen worden, die Pietas ikonografisch in einen eher religiösen Kontext rückte: Auf RIC I² 43 trat die Gottheit, hier nur als Büste abgebildet, aber durch die erklärende Legende PIETAS identifiziert, zum ersten Mal mit verhülltem Haupt auf. Dennoch gibt es keinen Anlass dafür, die Prägung als Ausdruck von „Frömmigkeit im Kult“ zu lesen.104 Der Dupondius gehört in eine Reihe mit zwei weiteren Dupondien mit den Porträts der IVSTITIA und SALVS AVGVSTA (RIC I² 46–47). Auch wenn denkbar ist, dass die Darstellung der verhüllten Pietas lediglich der Variation zwischen den Gottheiten in der Prägereihe diente – so ist Justitia mit Diadem und Salus barhäuptig abgebildet –, stellt die Abbildung mit Schleier eine Verbindung zum Gebetskontext her. Der zugrundeliegende demütige Gestus, der nur in Bezug auf die Kommunikation mit den Göttern durch das verhüllte Haupt auch visuell Ausdruck fand, kann jedoch ikonografisch auch auf die familiäre Ebene übertragen worden sein. Tatsächlich ist Letztere für die Deutung des Motivs wiederum ausschlaggebend, führt der Pietas-Dupondius doch als einziger der drei in der Reverslegende nicht die Namen und Titel des Tiberius auf, sondern die seines Sohnes Drusus.105

103 Die Freigiebigkeit des Caligula ist aus den literarischen Quellen bekannt, vgl. Dio. 59,2,1– 4. 104 Liegle 1935, 67 mit der Deutung von Livia als Pietas. Wie der Großteil der jüngeren Forschung gehe ich nicht davon aus, dass die Gottheit anhand der stark idealisierten Gesichtszüge mit einer konkreten Person in Verbindung gebracht werden sollte, so etwa Claes 2013, 161 (mit Anm. 841 und Literaturverweisen dort), auch wenn die Abbildung einer lebenden Frau auf Münzen m. E. nicht grundsätzlich als „highly innovative“ zu bewerten wäre – zeigten doch bereits einige Münztypen des Antonius prominent seine Frau Octavia. Nicht auszuschließen ist natürlich, dass bereits antike Rezipienten die idealisierte Darstellung als Livia interpretierten, so etwa auf Provinzialprägungen mit der Legende PIETAS AVGVSTA (besprochen und mit den stadtrömischen Prägungen als Livia identifiziert bei Gaebler 1926, 134–136). Aufgrund der gezielt auf den jüngeren Drusus verweisenden Legende und des fehlenden Zusatzes AVGVSTA halte ich jedoch auch die Deutung, dass die Münze möglicherweise im Zusammenhang mit dem Gelöbnis eines Altars der Pietas Augusta anlässlich einer schweren Erkrankung der Livia stünde, nicht für überzeugend (so u. a. Vollkommer 1997, 1002 in Bezug auf Tac. ann. 3, 64). Wenn einer der drei Dupondien mit Göttinnen-Avers Livias Portät zeigen sollte, so kommt vor allem RIC I² 47 mit Salus in Frage, die als einzige der drei Prägungen das Epithet AVGVSTA führt und am wenigsten idealisierte Gesichtszüge aufweist; vgl. Winkler 1995, 46–48; auch Temporini 2002, 91–92 und Pera 2005, 101–102. 105 Vgl. Winkler 1995, 51.

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Für die Emission kann ein durchdachtes Gestaltungskonzept rekonstruiert werden, bei dem offenbar Münztypen in mehreren Bronzenominalen verschiedenen Mitgliedern der Familie des Tiberius zugeordnet waren: Jeweils stimmig zusammen zu betrachten sind ein Sesterz für Livia mit dem carpentum (RIC I² 50–51) und der Dupondius der durch den Zusatz AVGVSTA mit ihr in Verbindung gebrachten Salus106 sowie ein Sesterz für Drusus und seine beiden Söhne (RIC I² 42) und der hier besprochenen Pietas-Dupondius mit der Titulatur des Sohnes. Einem Sesterz aus der gleichen Reihe mit Bild des Tiberius auf kurulischem Stuhl mit Zepter (RIC I² 48) ist nach dem Ausschlussverfahren Justitia auf dem Dupondius zuzuorden.107 Die Auswahl von Pietas zum Ausdruck der Sohn-Vater-Beziehung geschah demnach ausgesprochen bewusst. Die Iteration der an Drusus verliehenen tribunicia potestas108 datiert die Prägung in sein Todesjahr. Naheliegend ist jedoch vor allem, dass die Prägung die absolute Loyalität des Drusus gegenüber seinem Vater Tiberius kommunizieren sollte, der sich zu diesem Zeitpunkt zugunsten seines Sohnes weitgehend aus der Regierung zurückgezogen hatte. In der Folgezeit wird die Pietas-Münze in jedem Fall auch in Bezug auf den tragischen Tod des Drusus gelesen worden sein, der sich, wenn auch nicht nachweislich vorher, so doch wenige Monate nach der Ausprägung ereignet haben muss. Inhaltlich ist eine solche sekundäre Deutung der Pietas mit Hinblick auf den Tod des Nachfolgers ebenfalls stimmig und nicht bloß in Bezug auf respektvolles Totengedenken zu lesen. Wo, wenn nicht im Kontext eines solchen Schicksalsschlages, wäre auch pietas gegenüber den Göttern zu erwarten – zumal sie Seneca und Cicero zufolge vornehmlich darin bestand, die Autorität der Götter bedingungslos anzuerkennen, ihrem Willen zu gehorchen und das eigene Schicksal, sei es auch hart, geduldig zu akzeptieren?109 In beiden Fällen diente das Münzbild dazu, in einer kritischen Phase – ursprünglich wohl der Rückzug des Tiberius aus der Politik – die Stabilität des Kaiserhauses zu kommunizieren. Erst knapp 30 Jahre später wurde Pietas im Vierkaiserjahr 69 n. Chr. wieder für ein Münzmotiv ausgewählt. Der Sesterz des belorbeerten Galba zeigt auf dem 106 Wegen des Bezugs zur „Augusta“ Livia, die diesen Titel offiziell trug, ist diese Prägung auch noch nicht der dann erst auf claudischen Münzbildern einsetzenden Kennzeichnung von Göttern als „kaiserlich“ oder „des Kaisers“ durch die Zusätze AVGVSTI oder AVGVSTA zuzuordnen (Kap. 3.2). 107 Vgl. Szaivert 1984, 35, 56. Für den Hinweis auf die komplementären Münztypen danke ich Reinhard Wolters. Als Ergänzung zu den drei weiblichen Gottheiten können auch noch ein Sesterz mit dem sitzenden DIVVS AVGVSTVS PATER (RIC I² 49) und ein Dupondius, ebenfalls für Divus Augustus (RIC I² 74–76), zusammen betrachtet werden. 108 RIC I² 43: DRVSVS CAESAR TI AVGVSTI F TR POT ITER; Tac. ann. 3,56,1. 109 Sen. Epist. 76,23: Virum bonum concedas necesse est summae pietatis erga deos esse. Itaque quidquid illi accidit aequo animo sustinebit; sciet enim id accidisse lege divina qua universa procedunt. Quod si est, unum illi bonum erit quod honestum; in hoc enim positum et parere diis nec excandescere ad subita nec deplorare sortem suam, sed patienter excipere fatum et facere imperata. Cic. p. red. ad Quir. 18; Cic. dom. 107; vgl. Schröder 2012, 353–355.

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Revers mit der Legende PIETAS AVGVSTI die Göttin mit verhülltem Haupt vor einem Altar, auf dessen Frontrelief als Inbegriff von pietas zudem Aeneas mit seinem Vater und seinem Sohn erkennbar ist (RIC I² 483).110 Offensichtlich handelte es sich um einen Versuch Galbas, des ersten Kaisers ohne Verwandtschaft zu Augustus, über die mythischen Vorfahren der Julier eine Verbindung in die julischclaudische Dynastie zu schaffen.111 Neben der guten Beziehung zu Augustus’ Gattin Livia ergab sich eine Möglichkeit dazu vermutlich durch die Herkunft der gens Sulpicia, der Galba angehörte, aus dem von Aeneas gegründeten Lavinium: Ende des zweiten Jahrhunderts v. Chr. prägte der Münzmeister Gaius Sulpicius Denare mit den von Aeneas gebrachten Penaten auf dem Avers sowie – vermutlich – einer mythologischen Szene auf dem Revers, in der Aeneas am Meer von Lavinium eine Sau opfert (RRC 312/1).112 Allein die Aeneas-Gruppe abzubilden, hätte zwar auf Augustus verwiesen, nicht jedoch die gewünschte persönliche Beziehung des Kaisers in gleicher Intensität zum Ausdruck gebracht: Wiederum dient die Opferhandlung als überbrückendes Medium zur Herstellung enger familiärer Verbundenheit – pietas – zu den nicht mehr erreichbaren, weil verstorbenen Vorgängern. Indem er die Überreste der übrigen Julio-Claudier ins Augustusmausoleum überführen und ihre Statuen wieder aufstellen ließ, vollführte Galba auch andere große Gesten, um sich als Bewahrer der julischclaudischen Familie darzustellen.113 Unter Titus wurde das tiberische Pietas-Motiv als eine von vielen Bronzerestitutionen in Erinnerung an kaiserliche Vorgänger wieder aufgegriffen. Da gleich alle drei Dupondien mit IVSTITIA (RIC II,1² 424–425), SALVS AVGVSTA (430) und PIETAS (426–429) restituiert wurden, sollte die Bedeutung der Gottheit für Titus nicht überbewertet werden. Der ursprüngliche Bezug zu Drusus auf dem Revers wurde durch Titus’ Restitutionslegende ersetzt. Pietas tritt auf den Dupondien hier nun weitgehend deutungsoffen auf. Zwar blieb die Filiation DIVI

110 Der Typ ist durch nur ein einzelnes Exemplar belegt. Die in Paris erhaltene Münze, gelocht und mit Spuren neuzeitlicher Vergoldung, wurde für aller Wahrscheinlichkeit nach echt befunden, vgl. RIC I², Anm. S. 255 und Liegle 1935, 60, Anm. 1. Angesichts des einzigartigen Motivs auf einem niederen Nominal wäre eine einmalige Fälschung zu Verkaufszwecken zumindest verwunderlich. 111 Galinsky 1969, 7 sieht das Motiv als Gegenpol zur „frivolousness“ Neros und Anspielung auf den Kult des Divus Augustus. Erwähnt sei auch die wiederum meiner Deutung entgegengesetzte Interpretation von Liegle 1935, der zwar ebenfalls die Verbindung zu Augustus bemerkt, für den es aber keine „vollkommenere Darstellung der echten römischen Kultfrömmigkeit“ als das hier besprochene Münzbild gibt (62). Er sieht die Münze gar in Abgrenzung zur meines Erachtens durch Pietas hier gerade betonten familiären Verbindung als „Symbol der ,sakralen Legitimation‘ des neuen Caesarentums (65). 112 Förderung durch Livia: Suet. Galba 5,2. Die anhaltende Bedeutung der Legende von der Sauschlachtung für die Lavinier belegt Varro rust. 2,18. 113 Dio 64,3,4; vgl. Jucker 1965, 108, der das Münzbild als Ausdruck von „Galbas Pietät gegenüber Livia und der Gens Iulia“ sieht.

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VESP(asiani) F(ilius) und somit der Verweis auf den verstorbenen und vergöttlichten Vater in der Legende erhalten, jedoch ist eine solche, persönlichere Titulatur bei Verzicht auf die Nennung politischer Ämter bei Restitutionslegenden häufig. Gleichzeitig fehlen sowohl bei Titus als auch bei Domitian Prägungen, die explizit auf pietas gegenüber Vespasian hinweisen. Gerade Domitian scheute bekanntlich keine Mühen, seinem verstorbenen Vater und Bruder Ehre zu erweisen, stellte den Tempel der gens Flavia fertig und bildete Vespasian und Titus auf Münzen mit Strahlenkrone ab – Pietas spielte jedoch hier, wie im Rückschluss auch bei Caligula, wohl keine Rolle, um Ehrerbietung gegenüber den verstorbenen Vorgängern zu kennzeichnen. Stattdessen wurde mit Hilfe von Pietas tatsächlich vornehmlich eine enge verwandtschaftliche Beziehung demonstriert – die für die zur Regierungszeit ihres Vaters bereits erwachsenen Söhne Vespasians ohnehin selbstverständlich, für Caligula als Urenkel des Augustus jedoch weniger augenfällig war. Sesterzen des Titus belegen zusätzlich, dass Pietas vornehmlich in Bezug auf den familiären Zusammenhalt der lebenden Flavier gebraucht wurde: RIC II,1² 159–160 zeigen auf dem Revers mit der Legende PIETAS AVGVST die Brüder Titus und Domitian in Toga, die sich vor einer in ihrer Mitte stehenden Concordia die Hände reichen. Eindeutiger könnte ein Münzbild auf das Einvernehmen der Brüder, vor allem wohl gerade die bedingungslose Loyalität des jüngeren gegenüber dem älteren, nicht abzielen. Die Wahl des Münzbildes spricht dafür, dass man auch zeitgenössisch eine zweifelhafte Loyalität Domitians zumindest als für Außenstehende potenziellen Anlass zur Sorge um die Stabilität der Herrschaft des Titus begriff und darauf reagierte. Statt die Eintracht jedoch wie sonst üblich in Form von Concordia zu kommunizieren, deutete man mit der erklärenden Legende PIETAS den Gedanken von einer möglichen dynastischen Schwachstelle – der jüngere agiert gegen den älteren Bruder – zu einem Vorteil um: Die im Bild hergestellte Concordia wird gerade dadurch, dass sie auf pietas, auf familiärer Verbundenheit, beruht, als besonders stabil qualifiziert. Auch beim letzten Flavier tritt Pietas auf Münzen nur punktuell in einem spezifischen Kontext auf: in Bezug auf die Vergöttlichung des jung verstorbenen Sohnes. Ein Denar von 82–83 n. Chr. (RIC II,1² 156, Abb. 49) zeigt auf dem Avers das Porträt Domitia Longinas, der Mutter des verstorbenen Erben. Auf dem Revers ist die sitzende, als PIETAS identifizierte Gottheit mit Zepter im linken Arm abgebildet. Ihre freie Hand streckt Pietas nach einem vor ihr stehenden Kind aus. Das Bild muss dabei als Baustein in einem ganzen Motivprogramm analysiert werden, mit denen unter Domitian in den vier höchsten Standardnominalen auf die Divinisierung des verstorbenen Sohnes angespielt wurde (Abb. 47–50).114 Die Kohärenz der Gruppe, innerhalb derer sich Motive wiederholen und gegenseitig

114 Die Asse aus den ersten Jahren der Regierung Domitians zeigen durchweg Minerva und scheinen hier nicht mit einbezogen worden zu sein.

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ergänzen, lässt keinen Zweifel daran, dass hier ein ikonografisches Gesamtkonzept entworfen – und aufgrund des intimen Themas vermutlich auch so bestellt wurde. Das bekannteste Motiv aus der Reihe mit dem Aversporträt der Domitia, in Gold und Silber ausgegeben, zeigt den Sohn Domitians, nunmehr DIVVS CAESAR, als Kleinkind auf einem von Sternen umgebenen Himmelsglobus (RIC II,1² 152– 155, Abb. 50). Unsicher muss bleiben, ob das Kind tatsächlich erst zu Beginn der Regierungszeit Domitians verstarb115 und die Prägungen somit als eine direkte oder nur nachgeholte Reaktion auf den Tod des Nachfolgers zu lesen sind, der, politisch nicht unheikel, klug kommuniziert werden wollte.116 So oder so sind die Prägungen für den jungen divus ebenso wie die Münzen mit Porträts der Nichte und vergöttlichten Schwester (RIC II,1² 146–147, 157) aus den ersten Herrschaftsjahren, wohl vornehmlich Teil des Bemühens Domitians, der flavischen Kaiserfamilie eine sakrale Aura zu geben.117 In einem Epigramm spielt Martial explizit auf die im Münzbild festgehaltene „Verstirnung des jüngsten divus der Flavier“ in den sieben Sternen der Großen Bärin an.118 Wie Bechtold (2011) bemerkte, spricht einiges dafür, dass Martial und an anderer Stelle auch Statius in ihrer Dichtung die gewünschte Darstellungsweise des Kaiserhauses hinsichtlich der Divinisierung aufgriffen.119 Insgesamt wurde die Kommunikation über den verstorbenen Sohn für Domitian in ausgesprochen religiöse Gewänder gekleidet. Die Motive der verschiedenen Nominale zeigen neben dem „divine blessing“ eines Familienmitglieds als „heavenly protector“120 mehrere weitere Aspekte: Der zugehörige Sesterz (RIC II,1² 132–135, Abb. 47) zeigt Domitia als DIVI CAESAR(IS) MATRI sitzend mit Zepter und Kind im genau gleichen Gestus wie die Figur auf den Pietas-Denaren. Ähnlich wie im Fall von Caligulas opfernder Pietas ist nicht davon auszugehen,

115 So Suet. Dom. 3,1. 116 Vössing 2020, 23–25 geht davon aus, dass der Sohn Domitians noch zur Regierungszeit seines Vaters etwa neunjährig verstarb. Seiner Meinung nach muss der auf den Münzen genannte Titel „Caesar“ dem Jungen noch zu Lebzeiten verliehen worden sein, zudem ließen sich die turbulenten Ereignisse am Hof 82 n. Chr., als Domitian seinen Großneffen Titus Flavius Sabinus zuerst zum Konsul machte und im gleichen Jahr noch hinrichten ließ, am besten mit einer plötzlichen Unsicherheit bezüglich der Nachfolge nach dem Tod des Sohnes erklären. 117 Dies zeigt sich in der stärkeren Berücksichtigung auch der weiblichen Mitglieder der Kaiserfamilie in der Münzprägung, der Errichtung des Triumphbogens mit der Apotheose des Titus sowie dem Bau des Tempels der gens Flavia innerhalb der sakralen Stadtgrenze Roms; siehe dazu Hekster 2009, 105–106. 118 Mart. 4,3; Bechtold 2011, 246–249; siehe zu dieser Prägung und der Astralsymbolik auch Desnier 1979, 62. 119 Bechtold 2011, 249. 120 Claes 2013, 179.

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Abb. 47–50: Motivprogramm mit Domitia Longina als Mutter des Divus Caesar. Von oben nach unten: Sesterz (hier RIC II,1² 132) und Dupondius mit mütterlich-weltlichen sowie Denar und Aureus (hier RIC II,1² 152) mit göttlichen Motiven.

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dass hier Domitia in Gestalt der Gottheit dargestellt wurde121 – nie wurde Pietas zuvor mit einem Kind abgebildet –, sondern umgekehrt übernahm die Gottheit auf den Denaren das Erscheinungsbild der Mutter, in deren löblichem Verhalten sich pietas manifestierte.122 Während hier mütterliche Fürsorge – oder, wie Claes (2013) vorschlägt, auch die Fruchtbarkeit Domitias und damit ihre Fähigkeit, einen weiteren Erben hervorzubringen123 – in den Vordergrund gerückt wurde, bilden die Dupondien (RIC II,1² 136, Abb. 48), ebenfalls mit Aversporträt der Domitia und Reverslegende DIVI CAESARIS MATRI, die Kaisergattin mit Schleier und Zepter opfernd an einem Altar ab. Bemerkenswert ist, dass der verstorbene Sohn von den vier Nominalen einzig auf dem Pietas-Denar nicht in der Legende genannt wurde. Die Angleichung von sitzender Pietas und Domitia mit Kind auf Denar und Sesterz sowie die identische Averslegende auf Aureus und Denar mit Globus zeigen die Zugehörigkeit des Typs zur Motivreihe jedoch eindeutig an. Gleichzeitig bleibt die Darstellung in Bild und Schrift hier allgemeiner als die auf den Bronzenominalen. Die wichtigste Botschaft, die Vergöttlichung des Sohnes, erschien auch in Gold, während Silberdenare mit Pietas eine in diesem Kontext offenbar sehr relevante, allgemeine Geisteshaltung ausdrückten, deren komplexe Bedeutung im Buntmetall durch die zweigeteilte Mutterrolle der nur auf diesen Nominalen auch explizit DIVI CAESARIS MATER genannten Domitia konkreter ausdifferenziert wurde. In ihrer Person als Mutter eines vergöttlichten Sohnes verbinden sich zwei Dimensionen ihrer löblichen inneren Haltung untrennbar: Sie ist fürsorgliche Mutter und opfernde Gottesdienerin zugleich. Im Motiv des domitianischen Denars findet sich in diesem speziellen Kontext zwar noch immer primär der dynastische, jedoch durch das Zusammenspiel der Bilder auch der an die Götter gerichtete Aspekt der pietas wieder. Alle Typen aus der Serie werden von Carradice/Buttrey (2007) als „very rare“ kategorisiert.124 Aus dem Münzhandel sind für den Pietas-Denar jedoch deutlich mehr als die wenigen Exemplare aus musealen Sammlungen bekannt.125 121 So Varner 1995, 193–194. 122 Unter Vespasian wird die Darstellungsweise der sitzenden Gottheit mit Kind erstmals verwendet, hier für TVTELA AVGVSTI (RIC II,1² 282). 123 Claes 2013, 179; ebenso Varner 1995, 194. 124 Frequency R2 nach RIC II,1² R2 = „very rare“ = sehr wenige bekannte Exemplare oder nur 1–3 bekannte Stempelkombinationen). Der Pietas-Denar RIC II,1² 156 findet sich auch nicht mit einem Exemplar in der Hortstudie von Carradice 1998. Das Fehlen des Exemplars in Horten erklärt sich jedoch womöglich zum Teil durch den höheren Feingehalt der frühen Prägungen Domitians gegenüber den älteren, die so recht schnell aus dem Umlauf verdrängt worden sein müssen. 125 In OCRE (Stand April 2022) sind aus den großen Sammlungen der American Numismatic Society, des British Museum und des Münzkabinetts der Staatlichen Museen Berlin nur 6 Exemplare bekannt. In der Wiener Numismatischen Zentralkartei sind allein 24 Exemplare zu finden (Stand August 2019). Ergänzt durch zwei Exemplare der Münzsammlung der Staatlichen Museen Berlin, die sich nicht in der Kartei befinden, konnte ich je 12

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

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Zudem zeigen die einzelnen Stempel des Denars inhaltliche Detailvariationen bezüglich der Kopfbedeckung. So gibt es neben Stempeln mit einfacher Kopfverhüllung auch einzelne, die Pietas mit Krone oder mit Diadem und Schleier zeigen.126 Diese verschiedenen Ausführungen legen meines Erachtens die Beteiligung mehrerer Hände an der Stempelherstellung und damit wahrscheinlich eine nicht allzu exklusive Ausprägung nahe. Zudem belegen sie Unklarheit bezüglich der Ausgestaltung und somit auch der inhaltlichen Interpretation der selten abgebildeten Gottheit in diesem Bildprogramm. Auch wenn es sich bei den eindeutig abweichenden Exemplaren nur um wenige Stücke handelt, ergänzen sie die Beobachtung, dass Domitians Pietas-Denar eine mehrdeutige Zwischenstellung genau zwischen der rein auf familiäre Treue bezogenen Pietas bei Tiberius, Caligula und Titus einerseits und der opfernden Pietas Trajans andererseits einnahm, die durch das Vollziehen einer Kulthandlung ohne Verbindung zu einem Familienmitglied nun eine allgemeinere Bedeutung von Demut und Gehorsam gegenüber göttlichen Autoritäten zum Ausdruck brachte. In jedem Fall ist Pietas auch bei Domitian kein Bestandteil des alltäglichen Auftretens eines Kaisers, sondern die positiv umgedeutete Reaktion auf eine Schwachstelle – das Fehlen eines Erben. Zudem wurde pietas ausschließlich als Auszeichnung der Kaisergattin und nicht des Herrschers selbst beworben. Von allen Kaisern des ersten Jahrhunderts wurde in der Münzprägung Trajan am auffälligsten mit Pietas verbunden. Mehr als die Hälfte der Pietas-Typen Trajans zeigen die Gottheit nach links stehend mit verhülltem Haupt und Opferschale vor einem brennenden Altar (Abb. 51).127 Wurde die Übertragung von pietas auf den kultischen Bereich in Texten durch sprachliche Zusätze (erga deos) geleistet, spezifizieren hier die bildlichen Ergänzungen Pietas eindeutig als Manifestation von Loyalität und besonderem Pflichtbewusstsein des auf dem Avers abgebildeten und mit seinen zahlreichen Titeln und Ehren in der Legende genannten Kaisers gegenüber göttlichen Autoritäten. Diese Darstellungsweise von Pietas bleibt im zweiten und dritten Jahrhundert üblich. Einen wichtigen

Avers- und Reversstempel feststellen, wobei es neben zahlreichen Teilübereinstimmungen bei den Stempeln sogar 6 Gruppen mit je 2–3 in Avers und Revers stempelidentischen Exemplaren gibt. Bei einer vorsichtigen Rechnung mit 10.000 Exemplaren pro erhaltenem Reversstempel (nach Wolters 1999, 110–111), ergibt dies ein Prägevolumen von mind. 120.000 Münzen. Da die Stempelkopplungen nahelegen, dass weitere Stempel existiert haben, ist die Zahl vermutlich noch deutlich nach oben zu korrigieren. 126 Gefunden in der Numismatischen Zentralkartei des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte Wien. Exemplar mit Krone: Auktion Tkalec & Rauch, 14.–15. April 1986, 304; Schleier und Diadem: Auktion Ars Numismatica Classica, Zürich 29.–30. März 1989, 834, Exemplar aus Sammlung Mazzini 12; nur Schleier: Auktion Frank Sternberg, 30. November–1. Dezember 1973, 101, Exemplar Sammlung Niggeler 1192 und Münzen & Medaillen AG VII (1948), 562. 127 Nach MIR inkl. Motivvarianten. MIR 9, 17, 28, 46H, 348, 379, 391, 727 = RIC II Trajan 104, 232, 233, 261–262, 392–393, 758.

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Hinweis darauf, warum unter Trajan nun gerade die allgemeinere Geisteshaltung gegenüber den Göttern und nicht mehr Pietas als Medium zum Ausdruck familiärer Bindungen propagiert wurde, gibt Plinius in seinem Panegyricus: „Die Fürsorge der Götter hatte dich schon zum höchsten Rang erhoben, du aber wolltest weiterhin auf dem zweithöchsten verharren und sogar alt werden darin. Denn in deinem Selbstverständnis warst du ein einfacher Bürger, solange es neben dir noch einen anderen Imperator gab. Deine Gebete wurden erhört, freilich nur, soweit es für jenen trefflichen und ehrwürdigen Greis gut war. Ihn forderten sich die Götter für ihren Himmel […]. Ihm hast du die gebührende Ehre erwiesen, erst durch deine Tränen, wie es einem Sohn geziehmt, und bald auch durch Tempelbauten – doch ohne das Beispiel derjenigen nachzuahmen, die zwar dasselbe getan hatten, aber in anderer Absicht. Tiberius hat den Augustus zum Gott erhoben – um die Anklage wegen Majestätsverletzung einzuführen; Nero den Claudius – um ihn zu verspotten; Titus den Vespasian, Domitian den Titus – um im einen Fall als Sohn, im andern als Bruder eines Gottes zu gelten. Du aber hast deinen Vater zu den Sternen erhoben, nicht um die Bürger in Schrecken zu versetzen, nicht um deine eigene Ehre zu erhöhen, sondern weil du ihn wirklich als Gott siehst.“128

Mit ähnlichem Tenor wird die religiöse Aufrichtigkeit Trajans auch an anderer Stelle von Plinius gelobt. So nehme der Kaiser keine gottgleichen Ehren für sich in Anspruch und habe die Herrschaft demütig nach dem Willen der Götter angenommen.129 Wenn Plinius berichtet, dass Trajan die Tempel ausschließlich zur aufrichtigen Götterverehrung betrete und anders als Domitian, unter dem alle Plätze und Tempelstufen mit glänzenden Statuen des Kaisers übersät gewesen seien, nur ganz wenige, bescheidene Statuen im Tempelkontext aufstelle, legt Plinius zweifelsohne Zeugnis von ebendem Bild ab, das Trajan in dieser Hinsicht vermitteln wollte.130 Gleichzeitig hebt Sueton, der zur Zeit Hadrians schreibt, in seiner Kritik „schlechter“ Kaiser ganz besonders auf religiöse Verfehlungen und eine selbstherrliche Annäherung an die Götter ab: Domitian habe aus Eigeninteresse Traditionen missachtet und etwa Priestern Kränze aufgesetzt, die neben den Bildern der kapitolinischen Trias auch sein eigenes trugen. Inmitten etlicher schlechter Vorzeichen vor seinem Tod habe er sogar einen haruspex hinrichten lassen. Für seine laut Sueton abergläubische Verehrung der Göttin Minerva habe 128 Plin. pan. 10,4–11,3: Iam te providentia deorum primum in locum provexerat; tu adhuc in secundo resistere atque etiam senescere optabas: privatus tibi videbaris, quam diu imperator et alius esset. Audita sunt tua vota, sed in quantum optimo illi et sanctissimo seni utile fuit, quem di ideo caelo vindicaverunt […]. Quem tu lacrimis primum, ita ut filium decuit, mox templis honestasti, non imitatus illos qui hoc idem sed alia mente fecerunt. Dicavit caelo Tiberius Augustum, sed ut maiestatis crimen induceret; Claudium Nero, sed ut irrideret; Vespasianum Titus, Domitianum Titum, sed ille ut dei filius, hic ut frater videretur. Tu sideribus patrem intulisti non ad metum civium, non in contumeliam numinum, non in honorem tuum, sed quia deum credis. Übers. Kühn. 129 Plin. pan. 2,3–4; 8,1–3. 130 Plin. pan. 52,1–3, hier 2: Tu delubra non nisi adoraturus intras, tibi maximus honor excubare pro templis postibusque praetexti. Sic fit, ut di «tibi» summum inter homines fastigium servent, cum deorum ipse non adpetas. Zu den Statuen auf dem Kapitol siehe Suet. Dom. 13,2, der dies in Zusammenhang mit dem dominus-et-deus-Vorwurf als Beispiel für die Überheblichkeit Domitians nennt.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

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Domitian ein eigenes Priesterkollegium eingesetzt, letztlich habe er sich durch die Anrede dominus et deus den Göttern gleichsetzen lassen.131 Nero habe Götterbilder zur Geldgewinnung einschmelzen lassen und Weihgeschenke entwendet, Götterkulte sein Leben lang verachtet und sogar auf das Götterbild der Magna Mater uriniert.132 In ähnlicher Anmaßung wie Domitian habe Caligula einen Kult für sich selbst als Gottheit einrichten lassen.133 Ähnliche Kritik an Domitian findet sich ebenso bei Juvenal, der sich neben dem Spott über die Selbstherrlichkeit Domitians, der sich gerne in göttliche Sphären habe loben lassen, auch abfällig über die Masse neugeschaffener Gottheiten (turba deorum) in seiner Zeit äußert.134 Zusammengenommen offenbaren diese Zeugnisse aus der Perspektive des endenden ersten und beginnenden zweiten Jahrhunderts die Grenzen des Akzeptablen im sonst so frei handhabbaren Umgang des Kaisers mit den Göttern. Die eigennützige Ausgestaltung des Kultes und vor allem eine enge, persönliche Verbindung des Herrschers zu den Göttern, die unter Domitian durch die Vergöttlichung von Bruder, Sohn, Schwester und Nichte einen neuen Höhepunkt erreicht hatte, war als anmaßend und tyrannisch wahrgenommen worden. Diesen Eindruck galt es für Trajan unbedingt zu vermeiden. Auch die explosionsartig gesteigerte Vielfalt der Götterabbildungen unter Trajan, oft gekoppelt mit mythischen Figuren, sollte womöglich die wiedergewonnene Aufrichtigkeit in der Beziehung des Herrschers zu den Göttern zum Ausdruck bringen.135 Dabei restituierte Trajan nicht nur Münzen des ersten Jahrhunderts v. Chr., sondern gezielt sogar 300 Jahre alte Motive mit alten Göttern und Mythen. Zu den Gottheiten und Helden, die nach republikanischem Vorbild zum ersten Mal wieder auf Münzen geprägt wurden, zählen Flora (MIR 827), Luna – mit Sol – (840), Juno Moneta (838), Amor – mit Neptun – (821), Quirinus – mit Ceres – (831), Europa auf dem Stier – mit Apollo – (839), Merkur und Odysseus, (814), Castor und Pollux (u. a. 802–803), Janus (801) sowie zahlreiche neue Abbildungen des Hercules, auch in Opferhaltung (227, 263).136 Darüber hinaus 131 132 133 134

Suet. Dom. 13,2. Suet. Nero 32,4; 56,1. Suet. Cal. 22,3. Spott über Domitian in Form einer absurden Schmeichelei in Bezug auf seine „göttlichen Kräfte“: Iuv. Sat. 4, 37–71. Beschwerde über die turba deorum: Iuv. Sat. 13, 46–49. 135 Auch Seelentag 2004, 448–449 äußert bereits die Vermutung, dass die zahlreichen Götter Trajans, aber auch die „Verweise auf altertümliche Feste und religiöse Kulte und die Darstellungen von Tempeln auf den restituierten Denaren und Aurei die Hervorhebung der pietas erga deos“ bezeugen. 136 = Flora: RIC II Trajan 791 mit Vorbild RRC 423/1; Luna: RIC II Trajan 803 mit Vorbild RRC 474/5; Juno Moneta: RIC II Trajan 805 mit Vorbild RRC 464/2; Amor: RIC II Trajan 786 mit Vorbild RRC 390/2; Quirinus: RIC II Trajan 799 mit Vorbild RRC 427/2; Europa: RIC II Trajan 804 mit Vorbild RRC 474/1a; Merkur und Odysseus: RIC II Trajan 780 mit Vorbild RRC 362/1; Castor und Pollux: RIC II Trajan 766–767 mit Vorbildern RRC 127/1 und 128/1; Janus/Quadriga-Typ: RIC II Trajan 765 mit mehreren möglichen Vorbildern; Hercules opfernd: RIC II Trajan 112, 152.

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finden unter Trajan fast alle Gottheiten, die bei seinen Vorgängern aufgetreten waren, ebenfalls ihren Platz. Die Kreation auch historisch nicht belegter AversRevers-Kombinationen im Zuge der Restitutionen spricht für ein gezieltes Motivprogramm gerade in Hinblick auf Götterabbildungen und dafür, dass man mit diesen tatsächlich ein Statement setzen wollte. Dass die Gottheiten in vielen Fällen nur schwerlich mit Leistungen und Eigenschaften des Kaisers in Verbindung zu bringen sind, ist deshalb kein Grund für Rätselraten oder Resignation,137 sondern war womöglich genauso gewollt. Plinius’ Lob beweist, dass insbesondere die unter Domitian noch auf Münzen mit Hilfe von Pietas ausgedrückte Treue gegenüber der Familie durch die Vergöttlichung diverser Familienmitglieder unter den Flaviern im wahrsten Sinne des Wortes als Selbstbeweihräucherung in Verruf geraten war. Auch für Trajan stellte dies eine Hemmschwelle für die gewünschte Außenwirkung dar, wie Hekster (2009) bemerkte: „The fact that Pliny needed to stress Trajan’s sincerity in deification suggests that some might have thought otherwise.“138 Weil Trajan im gleichen Stil wie Domitian Familienmitglieder vergöttlichte, galt es, die Aufrichtigkeit der göttlichen Verehrung seines Hauses herauszustellen. Die von Fears (1977) beschriebenen Kontinuitäten von Domitian bis Hadrian hinsichtlich einer „divine election“ der Kaiser sind gerade in der zunehmenden Sakralisierung der Kaiserfamilie zwar erkennbar – auf einer anderen Ebene wurde die Beziehung des Kaisers zu den Göttern nach Domitian jedoch gezielt anders kommuniziert.139 Während die in den Verdacht der Unehrlichkeit gerückte Betonung einer emotionalen, engen familiären Bindung an einen neuen Gott dazu wenig taugte, war echte pietas erga deos exakt das, was der Kaiser demonstrieren musste. Auf stadtrömischen Assen (MIR 9, 17, 28, 46H140) aus dem ersten Herrschaftsjahr Trajans wurde die opfernde Pietas durch die Titulatur IMP CAES NERVA (oder NERVA CAES) TRAIAN AVG GERM P M noch mit dem Namen des kürzlich vergöttlichten Nerva verbunden. Der Bezug zu unbedingter innerfamiliärer Treue blieb hier, wenn auch weniger offensiv und ohne Filiation, erhalten. Nach der Vergöttlichung von Trajans Schwester Marciana erscheint auch deren Tochter Matidia als DIVAE MARCIANAE F mit Pietas vor Altar (MIR 727141). Dies ist jedoch eine seltene Ausnahme, deutlich häufiger wird die Lieblingsnichte des kinderlosen Kaisers auf Münztypen mit der Reversumschrift PIETAS AVGVST 137 Buttrey 1972 widerspricht der These von Mattingly 1926, 271, dass die trajanischen Restitutionen spezifisch ausgewählt wurden. Buttrey meint, dass „few of the types selected have anything specific to offer“, und lässt es dabei bewenden, dass die Restitutionsmünzen Trajans „a random selection“ seien, „their links to the empire doubtful, their types sometimes imaginary – as Bahrfeldt characterized them, ‚eine antiquarische Spielerei‘“ (103–104). 138 Hekster 2009, 106; ähnlich bereits Alföldi 1999, 81. 139 Fears 1977, insb. 219–237. 140 = RIC II Trajan 392–393. 141 = RIC II Trajan 758.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

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mit ihren Töchtern Sabina und Matidia gezeigt. Diese Abbildung war unproblematisch, da es sich um lebende Angehörige des Kaiserhauses handelte und hier ganz im ursprünglichen Sinne der Pietas zweifelsohne der familiäre Zusammenhalt zum Ausdruck gebracht wurde.142

Abb. 51:

Pietas vor Altar auf dem Revers eines Denars Trajans, (hier MIR 391).

Die Gottheit Pietas vor dem Altar wurde im Münzprogramm Trajan selbst zugeordnet und 111 n. Chr. als Eigenschaft des auf dem Avers mit allen Namen und Ämtern ausführlich titulierten Kaisers präsentiert. Einen konkreten Kontext für die erneute Wahl des Münzbildes der Denare, mehrere Jahre nach den Buntmetallprägungen mit Pietas zu Herrschaftsantritt, haben wir nicht. Im nächsten Kapitel ergibt sich diese Schwierigkeit ebenfalls – denn auch Vesta tritt in der gleichen Prägegruppe nach längerer Pause plötzlich wieder auf. Aus der Erfahrung des ersten Jahrhunderts heraus ist Pietas gegenüber den höheren, göttlichen Autoritäten nun in Abkehr von Domitian als anti-tyrannisches Konzept zu lesen. In der Friedensphase zwischen den großen Feldzügen Trajans, in der auch zahlreiche Bauten entstanden, war sie offenbar Teil des Programms, dem Kaiser ein „zivileres“ Außenbild zu verschaffen. Die im Abschnitt genannte PIET(as) diente dabei als ausgleichender Ausdruck von Bescheidenheit und Demut vor der eigenen kaiserlichen Stellung angesichts der auf dem Revers auffällig beworbenen Ehrung Trajans als optimus princeps durch Senat und Volk (SPQR OPTIMO PRINCIPI), die nicht zufällig an Iuppiter Optimus Maximus erinnerte.143 Ab Trajan blieb die opfernde Pietas wiederkehrender Bestandteil des kaiserlichen Typenrepertoires.144

142 MIR 727–730 = RIC II Trajan 759 (AV und AR), 760 (AR) und 761 (AE). Das Matidia-Motiv erschien in allen Metallen, jedoch als einzige Pietas-Prägung Trajans auch in Gold, und war somit eine explizite Botschaft hinsichtlich der Stabilität des Kaiserhauses an die römischen Elite. 143 Kneißl 1969, 87 – 88 will im optimus princeps-Titel auch die Anlehnung an republikanische Traditionen und den Senat sehen. 144 Da Pietas im familiären Sinne ab hier grundsätzlich explizit mit Kindern abgebildet wurde, besteht kein Zweifel daran, dass die opfernde Pietas im Folgenden als pietas erga deos zu verstehen war. Wissowa 1902–1909, 2504: „Da auf Münzen des Commodus diese Darstellung anstatt der gewöhnlichen Legende ‚PIETAS‘ oder ‚PIETAS AVG‘ die Umschrift

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Abb. 52:

3 Die Vereinnahmung der Götter

Anzahl der Münztypen mit Pietas bis 222 n. Chr.; nicht genannte Kaiser = 0 Typen.

Die Entwicklung des Pietas-Motivs hin zum Ausdruck einer allgemeineren Geisteshaltung erschließt sich dabei noch deutlich eindrücklicher, wenn sie ins spätere zweite Jahrhundert weiterverfolgt wird. Die Anzahl der Pietas-Typen steigt unter den beiden Nachfolgern Trajans enorm an (Abb. 52).145 Die allgemeinere Version der Pietas war offenbar deutlich ergiebiger für die Darstellung der Herrscher und wurde unter Antoninus Pius gar zum zentralen Bestandteil des kaiserlichen Profils. Auffällig ist, dass nach der Vereinnahmung durch Antoninus kein Kaiser Pietas mehr in gleichem Maße zur Profilierung nutzte. Warum aber überhaupt diese besondere Wirkungsmacht des Konzepts unter den Adoptivkaisern? Der deutliche Schwerpunkt im Auftreten von Pietas-Typen in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts ist ein Indikator dafür, dass die besonderen, bei Sueton und Plinius festgehaltenen Sensibilitäten bezüglich der Positionierung des Kaisers gegenüber den Göttern zeitspezifisch waren. Die Abbildung muss dabei selbstverständlich vor dem Hintergrund unterschiedlicher Typenmengen der Kaiser gelesen werden. Hohe Werte in der Typenanzahl decken sich jedoch stets damit, dass Pietas hier nicht nur punktuell, sondern regelmäßig über mehrere Jahre hinweg in das Bildprogramm der Kaiser einbezogen wurde. Der Schwerpunkt bei Hadrian und Antoninus Pius ist dabei auch bei der Umrechnung in den prozentualen Anteil aller Typen deutlich erkennbar. Die gezielte Betonung des Motivs, die hier in Form auffällig vieler Münztypen sichtbar wird,

‚AVCTOR PIETAT(is)‘ trägt, so dürfen wir diesen Typus durchweg auf die Fürsorge des Kaisers für die öffentliche Götterverehrung beziehen […].“ 145 Typenanzahl nach RIC, der Vergleichbarkeit zwischen den Kaisern wegen hier auch für Trajan. Nach MIR (Woytek 2010) für Trajan 20 statt 13.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

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wird durch die überdurchschnittlich hohe Menge der Pietas-Prägungen für Antoninus Pius, die Rowan (2013) anhand von Hortfunden rekonstruiert hat, noch kräftig unterstützt: So tragen 18 % aller von Rowan in Horten gezählten Goldmünzen des Antoninus das Pietas-Motiv (bei Zählung nach Typen in Gold nur 8 %), das zusammen mit der kaiserlichen Familie (23 % in Horten) die „two main messages“ des Kaisers im wertvollsten Nominal ausmachte. Passend zur Betonung der Kaiserfamilie nutzte Antoninus Pius Pietas in der zweiten Hälfte seiner Herrschaft in Verbindung mit Kindern statt Altar und Opferschale zum Ausdruck dynastischer Stabilität.146 Bei den Adoptivkaisern ist für die Pietas-Botschaft zudem vorsichtig eine Zielgruppenorientierung auszumachen. Pietas vor dem Altar wurde unter Trajan in Silber (11 Typen) und Aes (7 Typen) geprägt, während die dynastische Pietas mit Matidia und ihren Kindern, obwohl insgesamt deutlich weniger prominent, mit je zwei Typen in allen Metallen geprägt wurde. Unter Trajan, der auch an anderer Stelle öffentlich eine betont traditionelle und demütige Beziehung zu den Göttern herausstellte, scheint die Botschaft für ein breites Publikum ausgegeben worden zu sein. Unter Hadrian und Antoninus Pius, wo die Gottheit vermehrt und dann ausschließlich auf Gold geprägt wurde, war Pietas jedoch „clearly aimed at the elite“.147 Als Erklärung für die exzeptionelle Betonung des Motivs bei den Adoptivkaisern möchte ich deshalb vorschlagen, dass Pietas von Hadrian, aber besonders von Antoninus Pius gezielt zur Legitimation ihrer Stellung innerhalb der römischen Führungsschicht verwendet wurde. Wie auch im ersten Jahrhundert wurde Pietas hier als beruhigende Antwort auf mögliche Angriffspunkte eingesetzt: Unter den Adoptivkaisern bestanden diese konkret darin, dass die Machtübernahme mehr als zuvor als willkürlich wahrgenommen werden konnte. Während der im Militär äußerst beliebte Trajan bereits mehrere Monate vor dem Tod Nervas adoptiert worden war, war dessen Adoption Hadrians in scheinbar letzter Minute bereits für Zeitgenossen fadenscheinig und bereitete dem neuen Kaiser Legitimationsprobleme.148 Antoninus Pius wiederum wurde erst im zweiten Versuch nach dem Scheitern einer ersten Nachfolgeregelung Hadrians inmitten mehrerer Kandidaten ein halbes Jahr vor dessen Tod adoptiert, während Marcus Aurelius – unter dem die Pietas-Prägungen deutlich einbrechen – über Jahre hinweg die denkbar beste Vorbereitung auf die Kaiserrolle genoss und auch öffentlich als Nachfolger präsentiert worden war. Insbesondere Hadrian und Antoninus Pius waren im Vorfeld am wenigsten deutlich von ihren Vorgängern unterstützt und öffentlich als Nachfolger aufgebaut worden. Die Antwort der Kaiser darauf war, genau dies anzuerkennen und zu ihrer Stärke zu machen: Sie proklamierten auf Goldmünzen gegenüber der römischen Elite, aus deren Reihen ihre Position durch einen Alternativkandidaten hätte in 146 Rowan 2013, 216. 147 Rowan 2013, 217. 148 Vgl. Dio. 69,1 sowie die überdeutlichen Münztypen mit ADOPTIO-Motiv: RIC II,3² 7–11.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

Zweifel gezogen werden können, ihre besondere pietas, mit der sie ihre Position demütig von den Göttern akzeptierten und deren Willen ehrfurchtsvoll ausführen würden. Die Treue gegenüber dem auf den Prägungen oftmals auch nicht hervorgehobenen verstorbenen Adoptivvater stand hier meines Erachtens nur an zweiter Stelle. Bereits für Trajan hatte, wie Seelentag (2004) feststellte, „die göttliche Erwähltheit“ für die Begründung seines Herrschaftsanspruches eine „erheblich größere Relevanz“ als der Verweis auf den Adoptivvater.149 So erklärt sich auch, warum die opfernde pietas erga deos zu Beginn der Herrschaft des Antoninus Pius betont wurde und erst in den letzten Jahren durch die Abbildung mit Kindern wieder explizit den Ausdruck innerfamiliärer Treue annahm. Ich hoffe deutlich gemacht zu haben, dass auch – oder vielleicht gerade – für eine vergleichsweise selten eingesetzte Gottheit wie Pietas auf Münzen konkrete Kommunikationsintentionen rekonstruiert werden können. Die Vermutung, dass „personifications on coins“ gar oftmals „no particular message at all“ gehabt haben könnten,150 ist sicherlich nicht zutreffend. Auch kleine Gesten und Details in der Motiventwicklung verdienen unsere Aufmerksamkeit, zumal die Bilder auf den kleinen, öffentlichen Objekten eine deutlich größere Rolle in der Öffentlichkeitsarbeit der Herrschenden spielten als heute und auf andere Sehgewohnheiten trafen. Dass die hier besprochene Pietas gerade bei Domitian, der für die strenge Beachtung religiöser Vorschriften bekannt war, nicht in der Herrschaftsdarstellung des Kaisers selbst verwendet wurde, zeigt einmal mehr, dass die Achtung vor den Göttern und religiöse Pflichterfüllung für den Kaiser keine machtpolitisch, und wenn, dann lediglich defensiv nutzbare Eigenschaft war. Die Beobachtungen sollten nicht so verstanden werden, dass die religiöse Performanz des Kaisers keine Rolle spielte. „Frömmigkeit“ im Sinne der regelmäßigen Durchführung von Kulthandlungen war für das kaiserliche Auftreten lediglich viel zu selbstverständlich, als dass sie hätte beworben werden müssen oder einen besonderen Effekt gehabt hätte. Auch wenn die Vermischung von Kultausübung und der durch Pietas ausgedrückten Grundhaltung ikonografisch naheliegt, scheint es mir für ein tiefergehendes Verständnis wichtig, die Abbildungen der Gottheit und die bereits besprochenen Darstellungen des opfernden Kaisers oder von Priestergerätschaften nach ihrer jeweiligen Kommunikationsfunktion getrennt zu beurteilen.151 Quantitativ wie qualitativ besteht zwischen keiner dieser Motivgruppen eine klare Verbindung. Weder Tiberius, der den pontifex maximus-Titel besonders betonte, noch Vespasian und Nerva, für die besonders häufig Priestergerätschaften geprägt wurden, zeigten in der Münzprägung auch eine Vorliebe für Pietas. Umgekehrt wurde unter Trajan Pietas ausgeprägt, jedoch auf den häufigen 149 Seelentag 2004, 450, auch 444, reduzierter Bezug auf Nerva: 78–80. 150 Carradice 1993, 172. 151 Neben dem oben erwähnten Liegle schlägt auch Börner 2017, 118 vor, für Antoninus Pius alle Motive mit dem opfernden Kaiser „in den Kontext der Tugend der pietas“ zu zählen.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

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Münztyp seines Vorgängers Nerva mit den vier Priestersymbolen verzichtet. Und für Domitian, der sich besonders häufig als Opfernder abbilden ließ und als religiös ernsthafter Kaiser gilt, wurde in der Motivauswahl weder auf Pietas noch auf Priestergerätschaften zurückgegriffen. Die römische Religion hatte für den Kaiser eine soziale (z. B. Priesterstatus), politische (z. B. Pietas in dynastischem Kontext) und potenziell persönliche Dimension (z. B. Opfer Domitians vor dem Schrein der Minerva), die nicht auf der gleichen Ebene verhandelt und nicht in den gleichen Kontexten nach außen kommuniziert wurden.

3.3.2 Vesta – Sicherheit und Kontinuität Mit dem vermehrten Auftreten von Gottheiten wie Pax, Constantia, Securitas oder Aequitas, die verschiedene Aspekte von anhaltender Ruhe und Sicherheit zum Ausdruck brachten, zeigt sich in der Kaiserzeit immer stärker auch eine defensiv-bewahrende Qualität der Motivgestaltung. Die Göttin Vesta lässt sich hier grundsätzlich einreihen, verfügt aber, wie die anderen Gottheiten auch, über eigene kommunikative Feinheiten. Gleich mehrere Beobachtungen verbinden Vesta, deren Tempel und Priesterinnen im Herzen der stadtrömischen Kulttraditionen standen, mit der oben besprochen Pietas. So war einerseits die Darstellungsweise der beiden Gottheiten, als sie unter Caligula zum ersten Mal auf kaiserzeitlichen Münzen abgebildet wurden, sehr ähnlich. Gleichzeitig zeigt die quantitative Analyse, dass unter Titus und Trajan, für die im ersten Jahrhundert am meisten Pietas-Typen entstanden, überdurchschnittlich häufig auch Vesta als Motiv verwendet wurde (Abb. 53). Dass mit Blick ins zweite Jahrhundert Antoninus Pius sowohl für Pietas- als auch für Vesta-Abbildungen auf Münztypen152 klarer Spitzenreiter ist, legt nahe, dass die Aussagen der beiden Motive sich besonders gut ergänzten. Die anhand der Zählung der Münztypen suggerierte Verbindung muss aufgrund der stark schwankenden Gesamttypen der Kaiser im Detail auf Stimmigkeit überprüft werden. Umgekehrt besteht die Verbindung zwischen Vesta und Pietas nicht, so entstanden beispielsweise unter Vespasian zahlreiche Vesta-Typen ohne eine entsprechende Begleiterscheinung von Pietas-Motiven. Die Einsatzmöglichkeiten von Pietas scheinen deutlich spezifischer gewesen zu sein, während Vesta auch unabhängig und allgemeiner gebraucht werden konnte. Zur ähnlichen Verwendung der beiden Gottheiten kehre ich später zurück. 152 53 Vesta-Typen für Antoninus Pius selbst oder als Fürprägung für Faustina d. Ä. nach RIC III. Der Band bedarf im Detail der Aktualisierung, dennoch sind die Zahlen als grobe Orientierung brauchbar. In der Untersuchung der in Horten gefundenen Münzen des Antoninus Pius von Rowan 2013 ist der Befund sogar noch deutlicher, sind es doch immerhin beachtliche 7 % aller Silbermünzen die Vesta zeigen, gegenüber 3 %, rechnete man prozentual nach RIC-Typen (221).

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3 Die Vereinnahmung der Götter

Die Konjunktur von Vesta-Abbildungen auf Münztypen im ersten Jahrhundert zeigt, dass man vor allem ab der Krise der Jahre 68–69 n. Chr. verstärkt auf die Gottheit rekurrierte. Münzen der Bürgerkriege, die eine VESTA P(opuli) R(omani) QVIRITIVM gemeinsam mit I(upiter) O(ptimus) M(aximus) CAPITOLINVS zeigen (RIC I² Civil Wars 123–125, 127–128), bestätigen Vestas Rolle als zentrale und identitätsstiftende Schutzgottheit der Römer und Römerinnen, als welche sie in der Krisenzeit aufgerufen wurde.153 Die Ergänzung QVIRITIVM betonte dabei die Beziehung der Gottheit zur Allgemeinheit der Bürger Roms und kann als explizite Distanzierung von der Person des vom Avers verschwundenen Herrschers gelesen werden. Diese in Worte gefasste enge Beziehung einer Gottheit zu den quirites des römischen Volkes findet sich ausschließlich im Dreikaiserjahr und exklusiv für Vesta.154

Abb. 53:

Anzahl der Münztypen mit Pietas und Vesta pro Kaiser.

153 Um Zenons Überlegung, die Götter könnten nicht existieren, für sein Publikum als abwegig zu charakterisieren, nennt Cic. nat. 1,36 zur Illustration außer Jupiter und Juno gerade noch Vesta als eine von drei unzweifelhaft wichtigen Gottheiten, an die Zenon nicht glaube. 154 Anders als mit der z. B. für Genius-Abbildungen gebrauchten Verbindung zum populus Romanus allein sind mit den quirites expliziter die Bürger der Stadt Rom gemeint. Mattingly 1936, lxv meint in Vesta mit Fackel und patera wegen der gleichzeitigen Umschrift VESTA P R QVIRITIVM die „goddess of the old state worship“ in Abgrenzung zum „imperial cult of Vesta“ zu erkennen. Auch wenn die Vereinnahmung der Gottheit für die eigene Sache eindeutig ist, gibt es keine Anhaltspunkte, dass es sich dabei spezifisch auch um eine Gegenreaktion zu einem separaten kaiserlichen Vestakult handelte.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

183

Diese Nahbeziehung ergibt sich aus der besonderen Stellung des bereits in der Königszeit auf dem Forum Romanum bestehenden Vestakultes in Rom.155 Der Legende nach war auch Rhea Silvia, die Mutter des Stadtgründers Romulus (vergöttlicht auch: Quirinus), eine Vestalin. Der Vestakult bildete den religiösen Nukleus der Stadt, um den sich die Vestalinnen in ultimativem Pflichtbewusstsein zum Wohl aller kümmerten. Zwischen der von den Vestalinnen auf dem Forum gehüteten Flamme der Göttin und den privaten Herdstätten als Mittelpunkt der römischen Familien besteht dabei eine „obvious parallel“.156 Als volkstümliche und durch ihre Priesterinnen auf dem Forum alltäglich gegenwärtige Schutzgottheit wird die Bevölkerung der Hauptstadt zu Vesta einen engeren Bezug gehabt haben als zu vielen anderen Gottheiten. Vermutlich deshalb wurde die Gottheit von den Kaisern, wenn überhaupt, dann vielfach auf niedrigen Nominalen abgebildet, welche die Stadtbevölkerung als beruhigende und anschlussfähige Bilder alltäglich in den Händen gehabt haben dürfte. Die zentrale Rolle Vestas für die Stadt wird auch dadurch bestätigt, dass laut römischer Sage das palladium, eine Statuette der Minerva aus Troja, im Vestatempel aufbewahrt wurde. Das palladium sollte, wie auch einmal für Troja, die Sicherheit der Stadt garantieren, solange es im Tempel verwahrt blieb.157 Cicero bezeichnet es als Garantie für Heil und Herrschaft Roms.158 Das intimere Verhältnis der Stadtbevölkerung zu Vesta spiegelt sich in der Münzprägung insofern, als dass Vesta-Motive im Vergleich auffällig oft in der stadtrömischen Münzstätte geprägt wurden (Tab. 3). Die besondere Relevanz des Bildes wäre in einem Kontext außerhalb der Stadt weniger wirkungsmächtig gewesen. Keine andere Gottheit, nicht einmal Roma als Personifikation der Stadt selbst, zeigt eine so deutliche geografische Einschränkung bei der Motivauswahl. Von 16 Vesta-Motiven, die nicht in Rom entstanden, wurden 15 während der Bürgerkriege 69 v. Chr. geprägt.159 Auch hier stand somit der Bezug zur Sicherheit der Hauptstadt gezielt im Vordergrund. Zusätzlich zu den bereits oben genannten Typen betrifft dies Denare und Aurei des Vitellius aus Gallien, die zweifellos zur Bezahlung der Soldaten eingesetzt wurden und mit der Übernahme

155 Dion. Hal. ant. 2,64,5–65,4; Liv. 1,20,3. 156 Siehe ausführlicher Beard/North/Price 1998,1, 51–53; Cic. nat. 2,67–68: in ea dea, quod est rerum custos intumarum, omnis et precatio et sacrificatio extrema est. 157 Ov. fast. 6,421–436; 1, 528; trist. 3,1,29. Assenmaker 2010 bespricht die verschiedenen, teils widersprüchlichen Stränge der Erzählung, wie das palladium gestohlen/gerettet wurde und nach Rom gelangte. Die Verbindung mit Aeneas als Retter des palladiums scheint eine caesarianische Erfindung zu sein (RRC 458), die jedoch in der Kaiserzeit nicht automatisch übernommen wurde – so findet sie keinen Niederschlag in Vergils Aeneis. 158 Cic. Scaur. 48: pignus nostrae salutis atque imperi. 159 Die einzige weitere Abbildung Vestas außerhalb Roms im ersten Jahrhundert ist auf einem Denar Vespasians aus Antiochia (RIC II,1² 1556) zu sehen, wo 72–73 n. Chr. offenbar Beischläge aktueller römischer Münzbilder produziert wurden (Vorbild hier RIC II,1² 360). Die Beischläge sind eher wirtschaftshistorisch interessant als ikonografisch auswertbar.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

der VESTA P R QVIRITIVM klarstellen sollten, dass das Heer die Sache der römischen Bevölkerung in Abgrenzung vom tyrannischen Kaiser vertrat (RIC I² Vitellius 33, 58–60, 65). Tab. 3:

Anzahl der in Rom und außerhalb geprägten Münztypen mit Vesta im Vergleich mit anderen Gottheiten. Münztypen160 Augustus–Trajan

Davon in Rom geprägt

Münztypen Augustus–Zeno

Davon in Rom geprägt

Vesta

100

84 %

249

89 %

Ceres

166

73 %

310

78 %

Roma

284

63 %

1720

53 %

Victoria

909

64 %

6171

46 %

Jupiter

109

75 %

1388

43 %

Gottheit

Erläuterung: Im Rom wurden von Augustus bis Trajan insgesamt 74 % aller (als offizielle Reichsprägung identifizierbaren) Münztypen in Rom geprägt, von Augustus bis Zeno nur noch 50 %. Bemerkenswert ist deshalb die Steigerung der Prozentzahl in Rom geprägter Ceres- und Vesta-Typen gerade bei Berücksichtigung auch späterer Prägungen.

Die Zahlen ergeben sich vor allem daraus, dass Vesta, aber auch Ceres, mit klarem Schwerpunkt in genau der Zeit als Münzmotive ausgewählt wurden, in der auch die Münzproduktion vornehmlich in Rom stattfand. Zuletzt wurde Vesta noch unter Gallienus zwischen 260–268 n. Chr. ausgeprägt, danach verschwand sie völlig von den Münzen der römischen Kaiser. Unter Gallienus’ Nachfolger Aurelian wurden zahlreiche neue Prägestätten in Betrieb genommen; es prägten nunmehr Trier, Lugdunum, Mailand, Ticinum, Rom, Siscia, Serdica, Kyzikus, Antiochia, Tripolis und Byzanz.161 Der Bedeutungsverlust der stadtrömischen Göttin für die Darstellung kaiserlicher Autorität steht somit in Verbindung mit der Dezentralisierung der Münzprägung und dem Bedeutungsverlust stadtrömischer Sensibilitäten für die Ausübung von Herrschaft im dritten Jahrhundert.162 Etwa zur gleichen Zeit verschwindet auch Ceres von der Münzen der Kaiser, die zuvor noch, größtenteils ebenfalls auf den niedrigen Nominalen, der römischen Stadtbevölkerung die kaiserliche Sorge um die Nahrungsversorgung kommuniziert hatte.163 160 Nach RIC; andere häufiger auftretende Gottheiten zum Vergleich stichprobenartig ausgewählt. 161 Wolters 1999, 50. 162 Anders als Brauer 1975, 27 sehe ich das Verschwinden Vestas vom Medium Münze jedoch nicht grundsätzlich auch als Beleg für einen „decline of the old state religion“. 163 Vgl. oben Kap. 3.2, S. 158–159. Die neuen Machtstrukturen Ende des dritten Jahrhunderts ließen noch andere Gottheiten von den Münzen verschwinden, die nun deutlich weniger vielfältige Motive zeigten.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

185

Dass Vesta trotz ihrer Bedeutung für Rom vergleichsweise selten und unter vielen Kaisern gar nicht als Motiv verwendet wurde, beweist einmal mehr, dass Gottheiten für die kaiserliche Repräsentation nicht primär nach ihrer Wichtigkeit im Kultwesen, sondern situativ und nach ihrer Nutzbarkeit für das kaiserliche Profil ausgewählt wurden. Gleichzeitig lässt sich anhand der Vesta-Münzen erkennen, dass die kaiserliche Münzprägung in einzelnen Fällen durchaus auf religiöse Sensibilitäten reagierte. Nachdem der Vestatempel während des großen Brandes 64 n. Chr. in Flammen aufgegangenen war,164 bildete Nero das wiederhergestellte Bauwerk als symbolträchtigen Beweis für die wiederhergestellte Ordnung auf je einem Typ in Silber und Gold (RIC I² 61–62) ab, ohne dass Vesta an und für sich in der Herrschaftsrepräsentation Neros vor- oder nachher eine Rolle gespielt hätte. Außer auf Assen Caligulas und den zwei Typen Neros finden sich bei den Julio-Claudiern keine Münzbilder, die Vesta zeigen.165 Auch sonst war die Verbindung des Kaiserhauses zu diesem wichtigen Kult in der ersten Hälfte des Jahrhunderts nach Augustus wohl weniger stark, als manchmal angenommen wurde. Foubert (2015) hat zeigen können, dass die ältere Forschung das Bemühen der julisch-claudischen Kaiser um eine explizite Verbindung von Vesta und den Vestalinnen mit den Frauen des Kaiserhauses auf Grundlage geringer Evidenz tendenziell überbewertet hat. Der einzige „real attempt“, eine Verbindung zwischen dem Vestakult und den julisch-claudischen Frauen herzustellen, könne laut Foubert im Versuch des Claudius gesehen werden, seiner Großmutter Livia ein „vestal image“ zu geben, als er die Vestalinnen mit der Pflege des Kultes für die Diva Augusta beauftragte. Hier ging es jedoch mehr darum, einen hohen Status für den Kult der vergöttlichten Kaiserin zu reklamieren, als darum, den Vestakult aufzuwerten. Auf claudischen Münzen ist Livia mit Kornähren (RIC I² 101) zu sehen, nicht als Vestalin.166 Vesta selbst wurde unter Claudius überhaupt nicht auf Münzen abgebildet. 164 Tac. ann. 15,41,1. 165 Dass der Rundtempel auf einem Dupondius-Typ des Tiberius (RIC I² 74) den Vestatempel, und nicht den Tempel des auf dem Avers abgebildeten Divus Augustus darstellt, halte ich für möglich, aber zweifelhaft. Die verschiedenen Argumente dafür (insbesondere, dass der erst später fertiggestellte Tempel des Augustus kein Rundbau war) wurden zusammengetragen von Nenkova/Minkow 2016. Die Abbildung eines Rundtempels scheint jedoch in anderen Fällen ein Platzhalter für einen versprochenen, aber noch nicht fertiggestellten Tempel gewesen zu sein (Tempel des Mars Ultor auf Münzen für Augustus [u. a. RIC I² 28, 39, 68–74], vgl. Fishwick 1984, Rowan 2019, 141–144, Zanker 1987, 190 will in dem „Rundtempelchen“ ein rasch errichtetes, zweites Gebäude sehen; m. E. womöglich auch RIC I² Domitian 814 für Minerva). Ich bevorzuge deshalb die naheliegende Lösung, dem Tempel ohne Umwege mit dem auf dem Avers gezeigten Augustus zu verbinden. 166 Foubert 2015, 197–198. Die gegenteilige Meinung, insbesondere die bildliche Angleichung von Livia an Vesta schon unter Tiberius wird u. a. noch von Harvey 2011, 337–343 vertreten. Mattingly 1923, clvi: „Ceres was, in the early Empire, the standard allegorical type of the Empress“.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

Die im zweiten Jahrhundert häufiger verwendete ikonografische Verbindung der Frauen des Kaiserhauses mit Vesta wird in expliziter Form erst unter den Flaviern auf Münzen mit dem Porträt der Julia, der Tochter des Titus, hergestellt (RIC II,1² Titus 389–390, 397–398, Domitian 848–849). Während Vespasian mit Titus und Domitian bereits zwei erwachsene Söhne hatte, brachten Letztere durch die Porträts der weiblichen Familienmitglieder öffentlich zum Ausdruck, dass die Kontinuität der Dynastie durch weiteren, noch zu erwartenden Nachwuchs aus der Kaiserfamilie gesichert war.167 Zum ersten Mal überhaupt wurden hier systematisch Frauenporträts in der Repräsentation des Kaiserhauses eingesetzt. Julia, die zu diesem Zeitpunkt aussichtsreichste Stammhalterin, sollte über die auf dem Revers abgebildeten Gottheiten Salus, Venus, Ceres, Concordia oder eben Vesta mit den Eigenschaften pulchritudo, fecunditas, concordia und castitas assoziiert werden.168 Auch wenn für die Auswahl der Gottheit Vesta wohl die für die Dynastiesicherung wichtige Keuschheit der Ehefrau ausschlaggebend war, wurde mit der kontinuierlichen Nachfolge gleichzeitig die Sicherheit Roms verbunden: In der ausgestreckten Hand hält Vesta das palladium. Ein genauerer Blick auf die mit der Gottheit auf Münzen abgebildeten Objekte lohnt sich auch in anderen Fällen. Ikonografisch ist die ursprünglich körperlose Vesta169 aufgrund wechselnder Attribute nicht eindeutig zu beschreiben. Diese Unklarheit macht Vesta zu einem geeigneten Studienobjekt für die Untersuchung der Kommunikation von kleinen, aber feinen Unterschieden im Münzbild. Die mit Vesta verbundene Botschaft wurde durch wechselnde Objekte in der Hand der Gottheit unterstrichen und spezifiziert, mal aber auch stärker mit der Person des Kaisers in Verbindung gebracht. Die Auswahl der Gegenstände auf den jeweiligen Münztypen erfolgte nach erkennbaren Mustern. Im jeweiligen Kontext lassen sich hinter den Varianten nuancierte Aussageintentionen vermuten, die verraten, wie kaiserliche Autorität in religiöse Sensibilitäten eingeschrieben wurde. Das häufigste Attribut der Vesta ist die Opferschale. Abbildungen des Vestatempels und der darin befindlichen Statue legen nahe, dass ein spätestens ab Nero auch figürlich existierendes Kultbild die Gottheit ebenfalls mit patera und Zepter zeigte (z. B. RIC I² Nero 61–62, RIC II,1² Vespasian 492, 515). Zusammen mit dem stets verhüllten Haupt übernahm Vesta, ebenso wie Pietas, in ihrer Standardform somit den Gestus der sie verehrenden Menschen.170 Die bildliche Nähe ist auch eine inhaltliche: Die zentrale Aufgabe der Vestalinnen, das Hüten des göttlichen Herdfeuers, war ein allgemein verständliches, weil alltägliches Musterbeispiel für die pflichtgemäße Aufmerksamkeit für das Kultwesen, dessen 167 Siehe dazu Alexandridis 2010. 168 Foubert 2015, 199. Auf gleiche Weise wird Vesta später etwa für Plotina und Sabina verwendet. 169 Ov. fast. 6, 291–292. 170 Zur Spendegeste der Götter siehe unten Kap. 3.4.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

187

Zentrum der Vestatempel auf dem Forum ideell wie auch topografisch darstellte. Noch mehr als der Verweis auf pietas war der Vestakult geeignet, in Form der Vestalinnen anschauliche Assoziationen von Demut, Pflichterfüllung und persönlicher Zurücknahme zu kommunizieren und dies direkt mit der daraus resultierenden, göttlich gewährleisteten Sicherheit des römischen Staates zu verbinden.171 Mit patera und langem Zepter sitzt Vesta auch auf den Assen des Caligula, welche die Göttin zum ersten Mal in der Kaiserzeit abbildeten (RIC I² 38, 47, 54). Zusammen mit der sehr ähnlich dargestellten Pietas ist Vesta eine von nur zwei Gottheiten, die in Caligulas Münzprägung überhaupt neu dazutraten. Der hier noch innovative Charakter des Münzbildes zeigt sich auch darin, dass die sitzende, weibliche Figur mit patera zum besseren Verständnis in der erklärenden Legende über ihrem Kopf als VESTA identifiziert werden musste. Ein konkreter Anlass für das in mehreren Jahren ausgegebene Motiv ist nicht greifbar. Auch die Verbindung von Vesta zum in der Legende nicht sonderlich hervorgehobenen Amt des pontifex maximus war offenbar nicht ausschlaggebend. Die Beschränkung auf das niedrige Nominal legt nahe, dass man in Vesta ein besonders breit anschlussfähiges Bildmotiv sah, während Caligulas Gold- und Silbermünzen fast gänzlich von konkreten Hinweisen auf die dynastische Legitimation des Kaisers eingenommen wurden. Szaivert (1984) meint, wie schon für die PietasPrägung des Tiberius besprochen, hier ein zusammenhängendes Gestaltungsthema zu erkennen, in dem je eine Gruppe aus Edelmetalltypen, Sesterzen und Assen für jeweils den Vater, die weiblichen Verwandten, den vergöttlichten Augustus und den amtierenden Kaiser selbst ausgeprägt wurde. In diesem Programm wären nach Szaivert die Vesta-Asse den Sesterzen für Schwestern (RIC I² 33) oder Mutter (RIC I² 55) und den Denaren und Aurei für Agrippina die Ältere (RIC I² 7–8, 13–14, 21–22, 30) zuzuordnen. Grundsätzlich ist eine Assoziation der weiblichen Familienmitglieder mit der von Vesta verkörperten Sittlichkeit denkbar.172 Da auf den Assen selbst jedoch kein bildlicher oder textlicher Bezug zu den Frauen hergestellt wird, sondern sie mit dem Porträt des Kaisers auf dem Avers ausgegeben wurden, wurde dies aber in jedem Fall nicht gezielt kommuniziert und wäre – wie die komplementären Typen generell – nur einem kleinen Kreis verständlich gewesen. Auch wegen der von Foubert (2015) zu Recht in 171 An dieser Stelle sei bemerkt, dass es sich bei der Verknüpfung von Keuschheit und Pflichterfüllung mit häuslicher wie staatlicher Sicherheit in Form des Vestakultes um die religiöse Zementierung patriarchalischer Kontrolle handelt, die vermutlich gerade deshalb für die römische Gesellschaft so zentral und langfristig „erfolgreich“ blieb. Besonders deutlich wird dies in Cic. leg. 2,29. 172 Ob die bei Dio. 59,3,4 erwähnte Verleihung von Vorrechten nach dem Vorbild der Vestalinnen an die Frauen der Kaiserfamilie auf die Assoziation mit Vesta abzielte, ist sehr fraglich. Es scheint Cassius Dio hier um die Erklärung der Rechte zu gehen, nicht um ihren religiösen Gehalt, der von Sueton gar nicht erwähnt wird. Siehe dazu Foubert 2015, 196– 197.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

Frage gestellten Verbindung der weiblichen Verwandten Caligulas zu Vesta173 wäre meines Erachtens stattdessen die Zuordnung der Agrippa-Asse (RIC I² 58), von Szaivert der Typenreihe für Augustus zugeschlagen, zu den Motiven für den mütterlichen Zweig der Familie deutlich passender. Dafür spricht wiederum Szaiverts Beobachtung, dass die Asse mit dem Porträt Agrippas und Neptun-Revers gerade in der dritten und vierten Emission Caligulas ausgegeben wurden, in denen auch das zugehörige Sesterzmotiv mit den drei Schwestern (erste Emission) offenbar gegen ein Motiv für die verstorbene Agrippina die Ältere, die Tochter Agrippas, ausgetauscht wurde.174 Vertauscht man entsprechend die Zuordnung der beiden Asse zu den Motivgruppen, wurde Vesta unter Caligula im Umkehrschluss für die Prägereihe mit Bezug zum vergöttlichten Augustus ausgewählt, der sich um die öffentliche Assoziation mit Vesta schließlich auch nachweislich – und, wie es scheint, nachhaltig – bemüht hatte. Auf den Prägungen zu Zeiten der Bürgerkriege wurde das Zepter der thronenden Vesta durch eine Fackel ersetzt (RIC I² Civil Wars 123–125, Abb. 54). Auch auf den Münzen mit einem Aversporträt Vestas wurde die Fackel vor dem Kopf der Göttin hinzugefügt (RIC I² Civil Wars 126–129, Abb. 55). Da das Münzbild in beiden Fällen durch die Legende VESTA P R QVIRITIVM zusätzlich erklärt wurde, diente das mit dem Wesen Vestas verbundene Feuer nicht der Identifikation der Gottheit, sondern war, anders als die von ihr gehaltene Opferschale, ein wichtiger zusätzlicher Bestandteil der gewünschten Botschaft. Die Erklärung ist wohl darin zu suchen, dass Fackeln, und dem kultisch reinen Feuer Vestas noch einmal zusätzlich, im römischen Kultkontext bei kathartischen Riten zur Bewältigung von Unheil Bedeutung zukam.175 Unheilvolle Wirren, die bewältigt werden wollten, gab es 68–69 n. Chr. genug. Die Münzen der Bürgerkriege zeigen neben vielen eindeutig militärischen Motiven, dass die Suche nach göttlicher Unterstützung eine nicht irrelevante Rolle bei der Rechtfertigung der Erhebungen spielte. Die auffällige Auswahl zuvor selten abgebildeter Gottheiten auf Münzen der Bürgerkriege habe ich weiter oben bereits am Rande in Bezug auf Vulcanus Ultor bemerkt. Assenmaker (2015) hielt anhand eines Abgleichs der Münzmotive mit den in den Arvalbrüderakten protokollierten Opfern der Krisenjahre fest, dass man sich während der Bürgerkriege einem neuen „panthéon de crise“ aus Gottheiten zuwandte, die man für „les plus efficaces“ im Kampf für Freiheit und 173 Szaivert 1984, 45–46, 60–62. 174 Im zweiten Jahr ist eine Prägetätigkeit für Aurei, Denare und Buntmetalle nicht nachweisbar. 175 Fackeln und Material zur Herstellung solcher wurden etwa vor den Säkularfeiern an die Bevölkerung Roms zum Durchführen privater Reinigungsriten verteilt: Zos. 2,5,1. Auch Bianco 1968, 193 sieht die Fackel auf Münzen als Symbol für „la luce e la purificazione“. Pera 2004, 79 sieht die Vesta mit Fackeln aus den Bürgerkriegen als Kontrapunkt zur palatinischen Vesta. Wie unten (S. 193–195 mit Anm.) ausführlicher besprochen, halte ich den Kontrast zwischen einer Vesta Palatina und einer „traditionellen“ Vesta des Forums jedoch für überbewertet.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

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Abb. 54–56: Vesta-Revers mit patera und Fackel (l., hier RIC I² Civil Wars 125a) sowie Avers mit Vestaporträt und Fackel auf Bürgerkriegsdenaren (m., hier RIC I² Civil Wars 128a), Vesta-Revers mit langem Zepter und palladium auf römischem Dupondius des Titus (r., hier RIC II,1² Titus 213).

die Wiederherstellung der Ordnung gehalten habe.176 Die ins Feld geführten göttlichen Patrone wie Libertas, Mars Ultor und Bonus Eventus waren nach Assenmakers Meinung vor allem die für den Bürgerkrieg geeignetsten Symbolbilder, die sich dabei eher am Rande des eigentlichen religiösen Empfindens bewegten. Die Abbildung der unkriegerischen Vesta mit Fackel im gleichen Kontext legt hingegen nahe, dass man die politische Krise durchaus ernsthaft als religiöse Unruhe begriff und Versuche, ihr auf ritueller Ebene zu begegnen, nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Kontext für die Soldaten von Bedeutung waren. Martin (1974) ordnete die anonymen Prägungen des Jahres 68 n. Chr., die er mithilfe von Stempelverbindungen als eine zusammengehörige Gruppe identifizierte, allesamt dem Umkreis Galbas zu.177 Nachdem Galba als Wiederhersteller von Sicherheit und Ordnung in Rom eingezogen war, wurde Vesta für Buntmetallprägungen in ihrer Aussage entsprechend spezifiziert. Das dynamischere Bild der Staatsgottheit, auf deren Unterstützung man im Krieg gesetzt hatte, wurde in der stadtrömischen Prägestätte nun zu einer Geste umgestaltet, die diesen Schutz bereits garantierte: Statt der Fackel prägte man ein Zepter, statt der patera hält Vesta in einer Hand das palladium. Vesta mit dem palladium kommunizierte in intensivierter Form die Sicherheit des römischen Staates, der in den Bürgerkriegen ins Wanken geraten war. Während die thronende Vesta das palladium auf Assen in der Hand hält, ist es auf den zugehörigen Sesterzen Victoria, welche die Schutz und Sicherheit symbolisierende Statuette als Resultat der Sieghaftigkeit Galbas erst herbeiträgt (RIC I² Galba 254–258, 350–354, 456–

176 Assenmaker 2015, 195. 177 Martin 1974 mit Besprechung der älteren Forschung, hier insb. 46.

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457).178 In der Folgezeit wechselten die Attribute Vestas mehrfach, insbesondere war es aber Titus, dessen Herrschaft den Ausbruch des Vesuvs, einen weiteren verheerenden Brand und eine Pest in Rom erlebte, für den Vesta auf Münzen wieder häufiger abgebildet wurde. Die Gottheit wurde in der krisengeplagten Regierungszeit des Titus ausschließlich sitzend und mit palladium gezeigt, zudem vornehmlich auf stadtrömischen Sesterzen und Dupondien (20 von 24 Typen, Abb. 56). Für Galbas Nachfolger Otho wurde Vesta nur in Edelmetall und wieder unspezifischer mit patera statt mit palladium, aber weiterhin mit Zepter geprägt (RIC I² Otho 23–24, Abb. 57). Die zentrale Botschaft war hier nicht wie auf Galbas Assen mit palladium die Sicherheit Roms, sondern der neu erworbene Status Othos als PONT(ifex) MAX(imus), der in der Reverslegende entsprechend prominent verkündet wurde. Außerhalb Roms wurde hingegen auf Denaren für Vitellius’ Truppen in Gallien das Bürgerkriegsmotiv der Vesta mit Fackel wieder aufgenommen (RIC II,1² 33, 58–60, 65). Auch für Vitellius wurden nach seinem Einzug in Rom von der stadtrömischen Prägestätte dann Vesta-Typen mit Opferschale, Zepter und Legende PONT MAXIM produziert (RIC I² 106–107), während auf dem Bronzegeld Vesta mit palladium abgebildet und dafür das Priesteramt nicht betont wurde (RIC I² 154). Innerhalb der vespasianischen Münzprägung sind die Detailunterschiede anhand einer Gruppierung nach Metallen und Aversporträts besonders gut zu beobachten. Hier sieht man, dass Vesta je nach kommunikativer Absicht ikonografisch angepasst wurde: Auf Bronzenominalen hält Vesta palladium und patera oder Zepter (RIC II,1² 820, 889, 1002), auf Denaren mit dem Porträt des Kaisers selbst hingegen ein simpulum (RIC II,1² 45–46, 359–360). Denare und Aurei für den jüngeren Sohn Domitian mit der Reverslegende PRINCEPS IVVENTVTIS zeigen Vesta wieder mit palladium (1086–1088). Mit dem palladium in der Hand bewies Vesta, dass Rom wohlbehalten war und blieb. Dies war nicht nur das bevorzugte Bild für den Umlauf auf niedrigen Nominalen – auch in Verbindung mit Domitian wurde die Statuette der Minerva als Attribut für Vesta gewählt und so zum Ausdruck gebracht, dass die mit zwei erwachsenen Söhnen gleich doppelt gesicherte Nachfolge innerhalb der flavischen Familie die Sicherheit des römischen Reichs gewährleisten würde.179 In ähnlichem Tenor wurden parallel auch PRINCEPS IVVENTVTIS-Prägungen für Domitian mit Abbildung der Salus auf dem Revers produziert (RIC II,1² 1083–1085). Die vespasianischen Münzen mit Vesta und ritueller Schöpfkelle hingegen erinnerten spezifischer an die Rolle Vestas im Kultwesen. Die Beschränkung des

178 Vgl. auch Pera 2004, 77. Anders als Pera bin ich nicht der Meinung, dass sich Vesta mit palladium für Galba zwangsläufig auch auf die Übernahme des Amtes als pontifex maximus beziehen muss. 179 Zum palladium und Vesta in der Ikonografie der Flavier auch Pera 2004, 77–79, 82.

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Motivs auf Silber passt zu der in Kapitel 2.5 gemachten Beobachtung, dass Priestersymbole als Münzmotive fast ausschließlich in Edelmetall geprägt wurden. Bei der Anspielung auf Aufgaben im Kultwesen, in welche die einfache Bevölkerung ohnehin nicht eingebunden war, erwartete man Resonanz vornehmlich in den höheren Gesellschaftsschichten. Das simpulum als Attribut der pontifices lässt zunächst vermuten, dass man mit dem Münzbild auf die Rolle des Kaisers als pontifex maximus verweisen wollte. Das Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae hält fest, dass Vesta auf Münzen im Grunde gar immer den Oberpontifikat des Kaisers betont habe.180 Die Verbindung der Göttin zum pontifex maximus ist zwar aufgrund von dessen Zuständigkeit für den Kult als Grundkonstante gegeben, wollte man die Verbindung zum kaiserlichen Priester herstellen, so erfolgte dies jedoch durch die ausführliche Nennung des Amtes in der Legende. Wohl ganz in diesem Sinne entschied man sich auch bei Vespasian hier anfänglich für die Reverslegende PON MAX zu beiden Seiten der sitzenden Gottheit (RIC II,1² 45, Abb. 58). Die neue Darstellungsweise mit simpulum passt dazu, dass Kultwerkzeuge auf Münzen unter Vespasian wieder mehr Berücksichtigung fanden als bei seinen Vorgängern. Die Prägungen mit Priestergerätschaften und -titeln nach dem Vorbild Caesars (RIC II,1² 42–43) wurden im gleichen Jahr wie die ersten Emissionen des Vesta-mit-simpulum-Motivs geprägt. Sie stehen mit diesen nicht nur in inhaltlichem Zusammenhang, sondern durchliefen einen erkennbar parallelen Entstehungsprozess. Hier wird die Interpretation der priesterlich gekennzeichneten Vesta auf den Denaren Vespasians nun komplexer: Für beide Motive wurde auf dem Revers das Priesteramt PON MAX (RIC II,1² 42, 45) gegen den Verweis auf die TRI(bunicia) POT(estas) (RIC II,1² 43, 46, Abb. 59) ausgewechselt, wobei spätere Wiederholungen der Motive gerade die Variante ohne Priestertitel weiterführen. Dafür, dass es sich um eine gezielte Korrektur der Legende bald nach Prägebeginn handelte, spricht auch, dass die TRI POT-Versionen beider Münztypen erheblich häufiger belegt sind als die Typen, die den Oberpontifikat nennen.181 Das simpulum war dabei, obwohl es auch als Symbol für den Pontifikat verwendet worden war, vor allem ein zentrales Kultgefäß des Vestakults und deshalb auch ohne kaiserlichen Bezug passend, wollte man die Bedeutung speziell dieses Kultes hervorheben.182 Auch wenn die Münzstätte das Motiv zunächst anders interpretiert hatte, wollten die Entscheidungsträger über die kaiserliche Darstellung offenbar gerade eigentlich nicht den Oberpontifikat Vespasians betonen, sondern auf den traditionellen Kult an sich verweisen. Im Folgejahr 72– 180 Fischer-Hansen 1990, 419; ähnlich Jones 1990, 318–319. 181 Carradice 1998, 100 zählt für RIC II,1² Vespasian 43 (= RIC II 30) 62 Exemplare in Horten zu nur neun für Typ RIC II,1² 42 (= RIC II 29). Typ RIC II,1² 46 ist 44-mal in den von ihm untersuchten Horten enthalten, der zugehörige Typ RIC II,1² 45 taucht mit weniger als vier Exemplaren nicht einmal in seiner Tabelle auf. Allein im Réka-Devnia-Hort steht das Verhältnis der Typen 1 : 36 (42–43) und 3 : 32 (45–46) zugunsten der TRI POT-Versionen. 182 Siehe Simon 1990, 233 zu archäologischen Zeugnissen zum simpulum im Vestakult.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

73 n. Chr. entschied man sich sogar dafür, auch die bisher noch auf dem Revers genannte tribunicia potestas des Kaisers fallen zu lassen und stattdessen mit der Beischrift VESTA die Identität der nach einer Neugestaltung nun stehenden Gottheit eindeutig hervorzuheben (RIC II,1² 360, Abb. 60). Diese ikonografische Überarbeitung auf Silber hob sich noch deutlicher vom Symbolbild der Sicherheit gewährenden Vesta mit palladium ab. Stattdessen wurde gezielt zum Ausdruck gebracht, dass der neue Kaiser den Ritualen des Vestakultes wie auch den althergebrachten Priesterämtern wieder besondere Aufmerksamkeit schenkte. Vespasian gab sich bewusst traditionell, am Gemeinwohl interessiert und nahbar – und nutzte dafür aufmerksam ausgesuchte und angepasste Münzmotive. Seine Achtung des Althergebrachten, wenn auch gerade nicht spezifisch auf die kaiserliche Priesterrolle bezogen, wurde dabei nicht nur durch die Restauration alter Motive wie des Caesardenars, sondern auch durch eine innovative Spezifizierung der Ikonografie Vestas als stabilisierender Charakterzug des flavischen Prinzipats angeführt.183 Die vespasianischen Vestamünzen mit dem pontifikalen simpulum und die Vestamünzen Othos mit der Legende PONT MAX (RIC I² 23–24, Abb. 57) sind so-

Abb. 57–60: Denarreverse, Vesta mit patera und PONT MAX-Legende für Otho (oben l., hier RIC I² 24). Die drei weiteren Typen vespasianisch: Vesta mit simpulum mit Verweis auf den Oberpontifikat (oben r.) und, deutlich häufiger, die tribunicia potestas (unten l., hier RIC II,1² 45–46), Vesta stehend mit simpulum – nun ganz ohne Bezug zu kaiserlichen Titeln (unten r., RIC II,1² 360). 183 Vgl. zu Vesta bei Vespasian Gallia 2012, 106–107. CIL VI,934, eine Inschrift der soldales Titi, nennt Vespasian conservator caeremoniarum publicarum et restitutor aedium sacrarum.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

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mit, trotz ihrer Ähnlichkeit, inhaltlich unterschiedlich zu bewerten. Während auf den Münzen Vespasians der pontifex maximus-Titel offenbar bewusst entfernt wurde, um die Sorge für die Kultausübung, aber gleichzeitig nicht den kaiserlichen Oberpriester in den Vordergrund zu rücken,184 war Vesta auf Münzen Othos passendes Beiwerk zum auch auf anderen Motiven prominent in der Reverslegende platzierten Oberpontifikat. Während die Gottheiten auf Othos Münzen zu Beginn seiner Herrschaft durch die Legende identifiziert wurden, wurden die Benennungen ab Othos Annahme des Oberpontifikats durch die nun nicht mehr zum Bild passende Legende PONT MAX ausgetauscht.185 Vesta, hier wieder mit patera und Zepter wie ihr Kultbild, kann neben den ebenfalls mit dem Priestertitel verbundenen Göttern Jupiter (RIC I² 21), Aequitas (18–19) und Ceres (20) innerhalb der kurzen Regierungszeit Othos keine spezifischere Bedeutung als die Zuständigkeit für den Fortbestand Roms zugeschrieben werden. Das palladium wurde für alle drei Flavier auch unabhängig von Vesta verwendet. Auf Sesterzen überreicht die Siegesgöttin Victoria Vespasian die bedeutende Statuette (RIC II,1² 32, 131–132), auch Titus und Domitian (er-)halten das palladium in Szenen auf den großformatigen Bronzen (RIC II,1² Vespasian 1320, Titus 116–117, Domitian 81–82). Bereits bei seinem ersten Auftreten auf kaiserzeitlichen Münzen war das palladium, das bei Nero und Galba auf Sesterzen von der Siegesgöttin getragen wird, auf diese Weise vom Kultkontext gelöst und zum Symbol umfunktioniert worden (RIC I² Nero 320, Galba 254–258).186 Die Gewährleistung der Sicherheit Roms wurde bei den Flaviern zumindest für die Kommunikation mit der breiten Bevölkerung mit dem palladium demonstrativ in die Hand der Herrschenden selbst gegeben. Die unter Vespasian mit am meisten Typen ausgeprägte Abbildung Vestas zeigt sie auf Aurei und Assen in ihrem Tempel mit patera und Zepter (u. a. RIC II,1² 492, 510, 515–516, Abb. 61–62). Der Tempel scheint unter den Flaviern zumindest teilweise restauriert worden zu sein, auch wenn die literarischen Quellen die Zerstörung des neronischen Gebäudes nicht explizit nennen. Vermutlich nahm der Tempel während der Kämpfe und des Feuers in der Stadt 69 n. Chr. Schaden – in jedem Fall hatte der Wiederaufbau, selbst wenn es sich nur um kleinere Restaurationen gehandelt haben sollte, wie schon bei Nero eine nutzbare symbolische Bedeutung. Die ungewöhnliche Verteilung des gleichen Motivs auf das höchste und niedrigste gängige Nominal belegt, dass man sich der von der gesellschaftlichen Stellung unabhängigen Relevanz des Kultes bewusst war. Der Erhalt des geschmückten Tempels wurde mit den Aversporträts aller drei männlichen Flavier verbunden. Der Interpretation von Marzano (2009), dass es sich bei dem Tempel in Gold um den Schrein auf dem Palatin, bei 184 Siehe Kap. 2.1.2, S. 61–63. 185 Vgl. RIC I² Otho 1 und 20 mit Ceres. 186 Vorher taucht die Statuette nur auf einem Denar Caesars auf und ist dort in der Hand des aus Troja flüchtenden Aeneas abgebildet (RRC 458/1).

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dem Tempel auf Assen jedoch um den Vestatempel auf dem Forum Romanum handele, folge ich nicht. Allein angesichts der Tatsache, dass die Stempel für das weichere Gold im Vergleich zum Buntmetall sich einerseits weniger schnell abnutzten und andererseits wohl auch für ein geringeres Prägevolumen geschnitten werden mussten, ist die These, dass es sich allein wegen der aufwendigeren Ausführung des Tempels auf Gold um zwei verschiedene Gebäude handele, nicht überzeugend.187 Die leicht unterschiedliche Dach- und Eingangsgestaltung kann ebenso auf die stilistische Freiheit unterschiedlicher Stempelschneider zurückzuführen sein.188

Abb. 61–62: Vestatempel auf einem As (l., hier RIC II,1² 648) und einem Aureus (r., hier RIC II,1² 515) Vespasians.

Für die wiederholt vertretene These, dass man in der kaiserlichen Münzprägung zwischen einer Vesta mit palladium als „Vesta Palatina“ und einer auf dem Forum verehrten Vesta ohne Statuette unterschieden habe, gibt es keinen stichhaltigen Beleg.189 Die verschiedenen Attribute erklären sich deutlich besser durch eine unterschiedliche kommunikative Schwerpunktsetzung, ohne dass man explizit auf zwei verschiedene Kultstätten hinwies. Eine einzige Inschrift aus dem vierten Jahrhundert, nicht einmal aus Rom selbst, nennt einen praepositus palladii palatini – dabei ist fraglich, ob mit dem als palladi[um] palati[num] spezifizierten Objekt tatsächlich das palladium gemeint war oder ein ähnliches, 187 Marzano 2009, 150 („most scholars believe that the coins depict two distinct buildings“) mit Verweis auf die Trennung bei Hill 1989, 31–32 und Cappelli 1999. Das aufwendigere Dachmuster der vespasianischen Aurei ist ähnlich auch auf manchen Assen sichtbar, die Skulpturen zur Seite könnten schlicht zur Vereinfachung weggelassen worden sein. Einzig die charakteristische, von der Basis abgesetzte Treppe auf den Aurei spräche, aber auch das nicht zwangsläufig, für ein anderes Bauwerk. 188 Dass Architekturabbildungen auf Münzen in Bezug auf das tatsächliche Gebäude ohnehin variabel und auch deshalb unzuverlässig sein können, ist weitgehend unbestritten; vgl. Burnett 1999, 146–148. 189 Die These findet sich schon bei Wissowa 1902, 144, mit Rückgriff auf Stevensons „Dictionary of Roman Coins“ aus dem 19. Jahrhundert. So dann auch etwa Hill 1989, 31; Jones 1990, 319; für Trajan Seelentag 2004, 457–460 und Mattingly 1936, lxv, lxxix; skeptisch diesbezüglich, aber ohne interpretativen Gegenvorschlag Brauer 1975, 26.

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eben „palatinisches“ Objekt.190 Da andere Quellen die Verortung der Statuette im Tempel auf dem Forum belegen, steht die Argumentation, dass das palladium eine palatinische Vesta kennzeichne, auf sehr wackligen Beinen.191 Wenn wir akzeptieren, dass gerade die Motive auf niedrigen Nominalen auch Resonanz bei der breiten Bevölkerung finden sollten, ergäbe es zudem wenig Sinn, dass die Flavier gerade auf Buntmetall explizit auf eine Vesta des Palatins hingewiesen haben sollten.192 Nachdem sein Vater und Bruder so häufig wie kein anderer Kaiser vor ihnen auf ihren Münzen auf den Vestakult verwiesen hatten, ist es zunächst erstaunlich, dass Vesta unter Domitian so gut wie keine Berücksichtigung fand.193 81 v. Chr., im Jahr der Herrschaftsübernahme, wurden für Domitian zumindest zwei Sesterztypen mit palladium geprägt – jedoch hält nicht Vesta das göttlichen Schutz garantierende Objekt in der Hand, sondern der neue Kaiser selbst (RIC II,1² 80–81). Lediglich auf zwei Cistophoren, die in Rom für Kleinasien geprägt wurden, ist Vesta mit Zepter und palladium als Revers zum Porträt der Kaisernichte Julia zu sehen (RIC II,1² 848–849). Die Auswahl erklärt sich durch die oben erwähnte Assoziierung der castitas Vestas mit der behaupteten castitas der Frauen der Kaiserfamilie. Die einfachste Erklärung für das Fehlen Vestas in der 190 CIL X,6441 aus Privernum, meines Erachtens spricht die Spezifizierung sogar dagegen, dass es sich um das „ursprüngliche“ palladium handelt. Aus Ov. fast. 3,422, so angeführt von Stepper 2003b, lässt sich die Überführung von Kultgegenständen in die domus Augusta auf den Palatin meines Erachtens nicht entnehmen. 191 Herodian. 1,14,4 und 5,6,3. Das Relief auf einer Basis im Museo Correale Sorrento, auf dem das palladium in einem Rundtempel im Hintergrund zu sehen ist, ist keine Hilfe, da nicht eindeutig geklärt werden kann, ob es sich bei der Szene im Vordergrund um den palatinischen Vestakult oder den auf dem Forum handelt (abgebildet bei Beard/North/Price 1998,1, 190). Wie Seelentag 2004, 458, Anm. 48 bemerkte, der dennoch an der Identifizierung einer Vesta Palatina festhält, lässt sich der Widerspruch auch dadurch lösen, dass Augustus möglicherweise nur eine Kopie des Palladiums auf dem Palatin aufbewahrte (so bereits Taylor 1931, 184; Prescendi 2000; contra Guarducci 1971, 109) oder die Statuette später wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückgebracht wurde; siehe gegen einen Transfer des Palladiums auf den Palatin auch Herbert-Brown 1994, 74–79. Simon 1990, 238 ist sich sicher, dass auf der Sorrento-Basis der Rundbau auf dem Forum abgebildet sei, etwas vorsichtiger, aber im Endergebnis ebenso bereits Scott Ryberg 1955, 50 mit älterer Literatur. 192 Dies würde wiederum Marzanos These zuwiderlaufen, dass auf Gold der Tempel auf dem Palatin, auf Bronze jedoch der auf dem Forum abgebildet wäre. Die Auffassung von einer palatinischen und einer Vesta des Forums lässt sich somit nicht mit der anderen, von der Stoßrichtung ähnlichen Auffassung von der Differenzierung in zwei Tempel vereinen. Ich plädiere dafür, im Fall von Vesta beide Ideen zu verwerfen. 193 Deshalb ist m. E. auch die Deutung von Blamberg 1976, 208 auszuschließen, der vorschlägt, dass es „Vesta’s close link with the eternity of Rome“ und die damit kommunizierte „eternity of the Gens Flavia“ gewesen sein könnten, weshalb die Göttin unter den Flaviern häufiger auf Münzen auftrat. In dem Fall wäre mehr als verwunderlich, warum sie gerade bei Domitian, der sich um die Göttlichkeit der Dynastie stark bemühte, in diesem Kontext nicht vorkam.

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restlichen Münzprägung Domitians ist darin zu suchen, dass sich die historischen Umstände, in denen die kaiserliche Vereinnahmung der Gottheit Vesta eine geschickte Wahl schien, geändert hatten. Da Domitian sich weder wie Vespasian als Sieger nach einem Bürgerkrieg etablieren noch wie sein Bruder auf mehrere Katastrophen reagieren musste, gab es weniger Grund, das göttlich gesicherte Wohl Roms in Form von Vesta besonders zu betonen. Ähnlich wie Pietas potenzielle Angriffe auf die Position des Kaisers beruhigend abmildern sollte, wurde Vesta offenbar gerade dann aufgerufen, wenn es innenpolitisch kriselte. Während Pietas jedoch ein vorbildliches, demütiges und pflichtbewusstes Verhalten des Kaisers oder seiner Familie selbst propagierte, konnte man mit Vesta, insbesondere als Hüterin des palladiums, deutlich allgemeiner und „massentauglicher“ in den Vordergrund rücken, dass alle Zweifel an der Stabilität des Reiches und dem Wohlergehen der Stadt unbegründet waren. Auch sonst hätte die kaum mit konkreten Leistungen des Kaisers in Verbindung zu bringende Vesta in der stark auf den Herrscher zentrierten Münzprägung Domitians nur schwerlich einen Platz gefunden. Übrig bleibt für das erste Jahrhundert noch die Vesta-Prägung Trajans. Anders als Pietas, die für den optimus princeps teilweise auch auf Dupondien präsentiert wurde, fand Vesta in der trajanischen Münzprägung nur auf Denaren, seltener in Verbindung mit der Kaisergattin Plotina auch auf Aurei ihren Platz. Viele der zahlreichen Götter finden sich unter Trajan sowohl auf hohen als auch niedrigen Nominalen. Angesichts der zuvor besprochen alltäglichen Relevanz Vestas für breite Bevölkerungsschichten ist es zunächst erstaunlich, dass Trajan gerade Vesta nicht auch auf dem alltäglichen Bronzegeld Roms abbilden ließ. Wie auch bei Domitian gab es hierfür jedoch schlichtweg keinen Grund: Die innere Sicherheit Roms war während der Herrschaft Trajans nicht gefährdet, entsprechende beruhigende Bilder waren nicht nötig und man nutzte den Platz anders. Auf den frühen Prägungen, bis zur Annahme des Siegertitels Dacicus 102 n. Chr., entschied man sich wieder für die Vesta der Bürgerkriege von 68–69 n. Chr. mit Fackel und patera (MIR 32, 60, 81, 112).194 Dabei ist unwahrscheinlich, dass Trajan seine Herrschaft bewusst in der Erinnerung an die unruhige Zeit der Bürgerkriege verankern wollte. Dagegen spricht auch, dass die für die Botschaft der Bürgerkriegsprägungen so wichtige Reverslegende mit Verweis auf die P R QVIRITIVM von Trajan durch die Aneinanderreihung seiner Amtskürzel ersetzt wurde. Bereits Strack (1931) fiel auf, dass Vesta erst in der zweiten Emission Trajans, nach dessen Ankunft in Rom, als Münzbild aufgenommen wurde. Seine Erklärung für die Wiederaufnahme der unter Domitian und Nerva nicht abgebildeten Gottheit ist auch 80 Jahre später noch simpel und einleuchtend: Der erste Kaiser, der nicht aus der Hauptstadt, sondern aus der Provinz kam, nutze das

194 = RIC II Trajan 9, 21, 40, 53.

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betonte Bekenntnis zum Vestakult vermutlich, um seine kulturelle Zugehörigkeit auszudrücken.195 Angesichts der sonst nicht erklärbaren Motivauswahl kann zuversichtlich argumentiert werden, dass Trajan, oder zumindest sein enges Umfeld, seine provinziale Herkunft als potenzielle Angriffsfläche begriff. Die Identifikation des neuen Kaisers mit der Hauptstadt wurde sogleich über die Assoziation seiner Autorität mit diesem religiösen Grundpfeiler Roms hergestellt – und war nach wenigen Jahren, in denen Vesta durch andere Motive abgelöst wurde, nicht mehr nötig. Möglicherweise, aber das bleibt Spekulation, gefiel die Vesta mit Fackel in dieser frühen trajanischen Münzprägung gerade deshalb, weil sie die Betonung stärker auf die kultische Bedeutung der Gottheit lenkte und ohne Zepter weniger herrschaftlich wirkte. Auch wenn sich auf den großformatigeren Bronzen das kaiserliche Bauprogramm und Szenen mit dem Kaiser in Aktion, etwa bei der Ausgabe eines congiariums, finden, lässt sich für Trajan keine konsequente Trennung in konkrete (Buntmetall) und abstrakte Motive (Edelmetall) konstruieren. Stattdessen scheinen der Motivauswahl für die unterschiedlichen Materialien zwei unterschiedliche Auffassungen von der Rolle des Kaisers zugrunde gelegen zu haben. Während es auf den niedrigen Nominalen, ob in Form der abstrakten Felicitas oder einer konkreten Geldverteilungsszene, um die Vorteile der trajanischen Herrschaft für die breite Masse ging, steckten hinter der Auswahl der Edelmetallmotive in vielen Fällen Inhalte, die erkennbar an aristokratische Vorstellungen anknüpften. Insbesondere die Restitutionen alter Münzmotive sind so bis auf eine Ausnahme (MIR 801 mit Januskopf) Edelmetallprägungen mit vielen mythischen Motiven, die auf Resonanz wohl nur in der beleseneren Elite hoffen konnten. Einerseits war die Wahrscheinlichkeit, dass ein Empfänger von neuem kaiserlichen Edelmetall möglicherweise auch noch republikanische Originalmünzen besaß, deutlich höher als in der einfachen Bevölkerung, andererseits scheint auch die Betonung des kaiserlichen Traditionsbewusstseins gerade in Trajans Kommunikation mit den Eliten eine Rolle gespielt zu haben. Die in den Vorbildern weit zurückreichenden Restitutionsprägungen Trajans belegen, dass denjenigen, die über das numismatische Bildprogramm entschieden, eine umfangreiche Sammlung älterer Motive vorlag. Die Einheitlichkeit der Legende und die geringe Erhaltungsanzahl der trajanischen Restitutionen lassen vermuten, dass die Botschaft zu einem bestimmten Anlass bei einem definierten, elitären Empfängerkreis platziert wurde.196 Von den anonymen Münzen der Bürgerkriege restituierte man unter Trajan gerade das Motiv mit Jupiterporträt auf dem Avers und sitzender Vesta auf dem Revers (MIR 859).197 195 Strack 1931, 75. 196 Vgl. Seelentag 2004, 420–421; Wolters 1999, 277–278; Woytek 2010, 36–37. 197 = RIC II Trajan 825 nach Vorbild RIC I² Civil Wars 124. Die Annahme Seelentags 2004, 459– 460, dass Trajan hier eigentlich die Vesta Palatina herausstellen wollte und lediglich auf das althergebrachte Bild zurückgriff, weil „kein altes Bild der Vesta Palatina“ auf Münzen

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Vesta scheint bei der Auswertung und Auslese älterer Motive für Restitutionen zudem besondere Aufmerksamkeit zugekommen zu sein. Neben den „klassischen“ Gottheiten wie Juno, Jupiter und Apollo wurden gezielt gleich mehrere Vesta-Motive zur Restitution ausgewählt. Wieder aufgelegt wurde Vesta zusätzlich zu der bereits erwähnten Restitution aus den Bürgerkriegen einmal auf dem Avers von zwei ursprünglich republikanischen Typen mit Kultwerkzeug (MIR 822)198 oder der Basilica Aemilia (MIR 825)199 auf dem Revers, sowie in Form eines republikanischen Typs mit sowohl Vestaporträt als auch Vestatempel (MIR 832).200 Zusätzlich wurden zwei Münzen mit Vesta-Motiv aus Restitutionen ausgegeben, zu denen es gar keine exakten Vorbilder gab: Eine von ihnen zeigt ein Vestaporträt zu lituus, Kanne und Axt auf dem Revers (MIR 850),201 die andere ist ein Aureus des Claudius, der mit einem Vesta-Revers nach Vorbild der Bürgerkriegsprägungen „restituiert“ wurde, das unter Claudius jedoch niemals verwendet worden war (MIR 874H).202 Diese Reihe von Vesta-Motiven als „random selection“ zu sehen, fällt schwer.203 Stattdessen ordne ich die Vorliebe für die in religiöser Tradition und Kultwesen Roms so bedeutende Vesta in Trajans schon in Bezug auf Pietas erwähnte Bemühungen um eine öffentlich glaubhafte Aufrichtigkeit bei der Sorge um die traditionell römischen Götterkulte ein. Im Kontext der Restitutionsprägungen scheint der Verweis auf den langlebigen Vestakult zudem dazu gedient zu haben, in einer Zeit, in der sich keine lebende Person mehr an die Republik ohne Kaiser erinnern konnte, Kontinuität herzustellen und die trajanische Herrschaft in den Erfahrungshorizont der Römer einzubetten.204 Vesta eignete sich dafür offenbar so gut, dass man dort, wo die Kontinuität des Motivs zwischen Republik und Bürgerkriegen fehlte, für den chronologisch ungefähr in der Mitte liegenden Claudius – ein positiverer Bezugspunkt als Tiberius oder Caligula – sogar noch ein eigenes Vesta-Bild zusammenstellte und mit der Legende IMP(erator) CAES(ar) TRAIAN AVG(ustus) GER(manicus) DAC(icus) P(ater) P(atriae) REST(ituit) künstlich mit der ehrwürdigen Seniorität

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existiert habe, „welches hätte restituiert werden können“, ist mit Hinblick auf die flavischen Typen mit Vesta, Zepter und palladium, liest man diese eben auch später von Trajan übernommene Darstellungsweise als „palatinisch“, fraglich. = RIC II Trajan 789 nach Vorbild RRC 406/1 von 69 v. Chr. = RIC II Trajan 790 nach Vorbild RRC 419/3b von 61 v. Chr. = RIC II Trajan 796 nach Vorbild RRC 428/1 von 55 v. Chr. Angelehnt an RRC 466/1. = RIC II Trajan 823A; vgl. Mattingly 1926, 262. Buttrey 1972, 104. Komnick 2001, 178 liest mit Verweis auf Kuhoff 1993, 183 die trajanischen Restitutionen als Bemühung, Trajan „als Kulminationspunkt der historischen Entwicklung des Prinzipates“ mit der „traditionsreichen Vergangenheit“ zu verbinden; siehe auch Seelentag 2004, 417–418 und Gallia 2012: „revival of Republican sensibilities“ (245) und „Republican glory“ (246). Für die Erinnerung und Rückbindung an die Republik in literarischen Quellen siehe Gowing 2005, der, obwohl er auch die Kaiserforen behandelt, die Restitutionen republikanischer Münzbilder ausklammert.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

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einer vermeintlichen Restitution auflud.205 Die Erfindung der neuen „alten“ Motive illustriert besonders deutlich, was auch für das Aufrufen von Vesta in der Münzprägung allgemein und gerade in älteren Motivausführungen festzuhalten ist: Das kulturelle Gedächtnis, als soziale Praxis begriffen, wurde hier über das Medium Münze von „oben“ aktiv gestaltet.206 Knapp zehn Jahre nachdem die Denare mit Vesta und Fackel 101–102 n. Chr. eingestellt worden waren, wurde Vesta wieder in das Bildprogramm der trajanischen Münzprägung aufgenommen und thronte nun herrschaftlich mit palladium und Zepter. Innerhalb der gleichen Prägegruppe erscheint auch Pietas nach langer Pause wieder auf Münzen. Hier bewahrheitet sich erneut, dass beide Gottheiten mit einer ähnlichen Kommunikationsintention genutzt wurden. Die von Woytek auf 111 n. Chr. datierte Prägegruppe207 lässt sich nicht an einem konkreten historischen Kontext vertäuen. Einzig das Gesamtbild des bis in die Details der Gottheit Vesta neu zusammengestellten Motivprogramms verrät, dass man nach vielen Jahren, in denen für die Herrschaftsdarstellung von den außenpolitischen Leistungen Trajans gezehrt worden war, in den friedlichen Jahren zwischen den großen Dakerfeldzügen ganz bewusst ein zivileres, friedvoll-zurückhaltendes Programm entwarf: Neben der für Trajan obligatorischen Victoria erschienen auf Denaren Pax, Aeternitas, Pietas und Vesta, in Gold Salus und Trajan selbst als Wohltäter Italiens (REST[itutor] ITAL[iae]). Auf Sesterzen, Assen und Dupondien wurde die Fürsorge des Kaisers betont, der im Rahmen einer Alimentarstiftung Geld an Kinder verteilte. Selbst Annona wurde hier zum ersten Mal mit einem Knaben abgebildet, um die väterliche Fürsorge Trajans für die römischen Kinder zum Ausdruck zu bringen, die unter ihm einen gesicherten Anteil an der kostenlosen Getreideverteilung erhalten sollten (MIR 354–356).208 Die neue Bildserie ab 111 n. Chr. illustriert eine Wende der trajanischen Herrschaft hin zu Konsolidierung und Nachfolgepolitik. Ab 112 n. Chr. begannen auch die Prägungen mit weiblichen Porträts und insbesondere die Verweise auf die Kaisernichte Matidia und ihre Kinder. In dieser Phase griff man nun gezielt

205 Siehe Seelentag 2004, 461–462, der mit einer noch konkreteren, wenn auch in der Herleitung nicht ganz unkomplizierten Deutung vorschlägt, dass Trajan mit dem Vesta-Motiv für Claudius auf seine eigene Geburt unter dessen Herrschaft hinweise. Die drei restituierten Aurei des Claudius seien über das Motiv der Geburt eines Thronfolgers miteinander verbunden. 206 Vgl. zu Trajans Deutung der Vergangenheit in seinem Sinne Mannsperger 1974, 968–969. Erinnerung als soziale Praxis bei Gallia 2012, 4–7, der den römischen Kaisern die Fähigkeit, kulturelle Erinnerung in der breiten Gesellschaft zu formen, angesichts fehlender Massenmedien jedoch abspricht. 207 Grund dafür ist neben kleineren Details vor allem die Motiv- und teils auch Stempelkontinuität zur darauffolgenden Gruppe, die dank der Angabe COS V DES VI genauer datierbar ist. Die gesamte hier besprochene „Gruppe 11“ wird bei Woytek 2010 unter den Nummern MIR 344–370 geführt. 208 = RIC II Trajan 459–460; Plin. pan. 26,3.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

auch wieder auf Pietas und Vesta zurück. Mit Zepter und palladium wurde wiederum Vestas Funktion als Garantin der Sicherheit Roms ins Zentrum gerückt, während auf den früheren trajanischen Prägungen und Restitutionen durch Kultgegenstände stärker auf die Achtung vor dem altehrwürdigen Kult an sich hingewiesen worden war. Gleichbleibend ausschlaggebend war die im Vestakult besonders präsente und in der römischen Gesellschaft so geschätzte in der mythischen Vergangenheit verankerte Kontinuität. Hatte sich Vesta in den ersten trajanischen Jahren besonders gut dazu geeignet, die Herrschaft des neuen Kaisers als Weiterführung alter Werte und Traditionen zu umrahmen, so wurde der alte Kult nun wieder aufgerufen, um in einer Phase der Konsolidierung die auf religiöser Ebene positiv besetzte Langlebigkeit des Kultes und seine zentrale Bedeutung für das Wohlergehen Roms auf die Herrschaft Trajans zu übertragen.209 Die ewige Dauer der römischen Herrschaft trat 111–112 n. Chr. als AET(ernitas) AVG(usti) (MIR 344, 375, 388)210 auch selbst ins Bild und verschwand zur gleichen Zeit wie Vesta und Pietas wieder von den Münzrückseiten. Bereits auf vespasianischen Münzen mit der Reverslegende AETERNITAS P R reicht Victoria dem Kaiser das mit Vesta verbundene palladium (RIC II,1² 32).211 Trajans pietas gegenüber den Göttern, Vesta und Aeternitas sollten als Teile eines zusammengehörigen Bildprogramms gelesen werden. Akzeptiert man diese Aussage des Gesamtbildes, ist es wie oben erwähnt auch nicht nötig, die nur auf Edelmetall auftretende Vesta spezifischer als „palatinische“ Vesta zu interpretieren und mit der kultischen Zuständigkeit des Herrscherpaars in Verbindung zu bringen. Im Fall von Vesta scheint es tatsächlich die religiös begründete Wirkungsmacht des uralten Kultes gewesen zu sein, derer sich die Kaiser gezielt bedienten, die aber gleichzeitig nicht regelmäßig und nur eingeschränkt eine Rolle dabei spielte, kaiserliche Autorität zu stärken. Trotz ihrer hohen kultischen und identitätsstiftenden Bedeutung212 erwies sich Vesta langfristig als nicht optimal für die verkürzte Kommunikation auf Münzen. Während sie, wie oben erwähnt, mit der Dezentralisierung der Münzprägung bereits im dritten Jahrhundert von den Reversen verschwand, hielt sich im Vergleich die Stadtgöttin Roma als Münzbild bis ins fünfte Jahrhundert. Wie Vesta konnte auch Roma eine enge Beziehung zur Hauptstadt kommunizieren und das, ohne dass vom Bild zunächst auf ihren kultischen Inhalt rückgeschlossen werden musste. Im zweiten Jahrhundert hielt Roma vielfach selbst das palla-

209 Selbst Strack 1931, 186, der davon ausgeht, dass Vesta mit palladium das Kultbild der „Vesta Palatina“ zeige, räumt ein, dass die Prägungen „ganz allgemein auf den Vestakult“ bezogen wurden, „da die Legende absichtlich einen engeren Zusammenhang mit der domus Augusta vermeidet.“ 210 = RIC II Trajan 91, 229 und 241–242. 211 Siehe Strack 1931, 187. 212 Vgl. dazu auch noch die Bedeutung Vestas zur Konstruktion des Fehlverhalten Elagabals Anfang des dritten Jahrhunderts bei Dio. 80,9,3–4, HA Elag. 3,4 und Herodian. 5,6,2–3.

3.3 Motive zwischen kaiserlicher Autorität und religiöser Sensibilität

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Abb. 63–64: Vesta mit palladium auf einem Denarrevers Trajans (l., hier MIR 350b), in der Abschnittslegende zusätzlich identifiziert. ROMA[ ] AETERNA[ ] mit palladium auf einem Denarrevers Hadrians (r., hier RIC II,3² 2341).

dium in der Hand.213 Im Sinne einer direkteren, breiter verständlichen Kommunikation wurde das Bild vom ursprünglichen, religiösen Inhalt losgelöst (Abb. 63–64). Spätere Abbildungen von Vesta in der trajanischen, aber auch in der gesamten hadrianischen Münzprägung stehen nur noch in Verbindung mit den Kaisergattinnen Plotina und Sabina. Palladium und Zepter wurden grundsätzlich beibehalten, auf einzelnen Münztypen wurde Vesta jedoch das palladium, dessen Symbolkraft offenbar nicht im Zentrum der gewünschten Aussage stand, bewusst aus der Hand genommen (MIR 701–702).214 Nur mit Zepter und leerer rechter Hand thronte die Göttin nun in Ähnlichkeit zur Kaiserin selbst, der ihre castitas zugeschrieben werden sollte. Da ich nicht von der gezielten Propagierung einer „Vesta Palatina“ auf den Münzen ausgehe, sehe ich keinen Anhaltspunkt, die Verbindung Plotinas mit Vesta so zu deuten, dass hier „die Relevanz auch der Kaiserin für den Staatskult“ betont werden sollte.215 Die Abbildung eines Schreins für Pudicitia (MIR 706–707) und der Gottheit Fides (MIR 711) auf den anderen Typen für Plotina legt vielmehr nahe, dass nicht so sehr die kultische Rolle der Kaiserfrau, sondern in beiden Fällen bloß die Loyalität und sexuelle Treue der Gattin – und somit die Kontrolle des Kaisers über die Nachfolge – herausgestellt wurde.216 Bei Hadrian, Marcus Aurelius und Septimius Severus, unter denen mehrere Typen von Vesta als auch von Roma mit palladium geprägt wurden, sind es fast ausschließlich die „Frauenmünzen“, die noch Vesta zeigen. Auf Münzen mit Kaiserporträt ist es nun jedoch die einfacher verständliche Roma 213 Ikonografisch war zudem der Weg der bereits vorher häufig abgebildeten Roma mit Victoriola zu Roma mit palladium nicht weit. Die Minervastatuette ist dabei treffsicher an Schild und Speer zu erkennen, Victoria hält einen Kranz. 214 = RIC II Trajan 731–732. 215 Seelentag 2004, 460. 216 Brauer 1975, 26–27 meint, dass die Vestamünzen „the empress as the terrestrial counterpart of the goddess of the life of Rome“ identifizieren sollten. Für eine solche umfassende Deutung gibt es m. E. jedoch keine Anhaltspunkte, müsste die Identifikation als irdisches Gegenstück zur auf dem Revers abgebildeten Gottheit doch auch auf alle anderen Götterabbildungen zutreffen.

202

3 Die Vereinnahmung der Götter

selbst, die mit palladium eingesetzt wurde, um den dauerhaften Fortbestand römischer Herrschaft symbolisch, aber ohne Verweis auf den traditionellen Kult zum Ausdruck zu bringen.217 Am Ende dieses mehr oder weniger chronologischen Durchlaufs seien die relevantesten Beobachtungen zu Vesta auf Münzen des ersten Jahrhunderts noch einmal zusammengefasst. Was verraten sie über die Nutzung von Götterbildern für die Vermittlung kaiserlicher Autorität? Ich habe Vesta gerade deshalb genauer untersucht, da sich die Göttin nicht wie die häufiger gebrauchten spezifischeren Gottheiten eignete, um die göttliche Unterstützung bei konkreten Leistungen des Kaisers zum Ausdruck zu bringen. Aufgrund ihrer schon lange vor der Kaiserzeit bestehenden festen kultischen Bedeutung in allen Gesellschaftsschichten konnte sie nur schwer für kaiserliche Zwecke umgedeutet werden. Anders als selbst olympische Gottheiten wurde Vesta entsprechend in der Münzprägung auch nie als AVGVSTA oder gar AVGVSTI bezeichnet. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass der erste Prinzeps Augustus zwar einen Weg suchte, die kaiserliche Autorität durch räumliche Nähe mit dem Kult zu verbinden, die Gottheit Vesta danach für die Repräsentation der Kaiser aber vergleichsweise selten genutzt wurde. Trat die Gottheit auf Münzen in Erscheinung, so war sie im ersten Jahrhundert ähnlich wie die zuvor besprochene Pietas weitgehend darauf beschränkt, als beruhigendes Element zum Ausdruck von Sicherheit und Stabilität zu wirken. Aufgrund der engen Bindung des Vestakultes an die Stadt Rom eignete Vesta sich insbesondere auch als identifikationsfähiger Kampfbegriff zur Wiederherstellung geordneter Verhältnisse in den Bürgerkriegen 68–69 n. Chr. Die wechselnden Attribute der Gottheit auf Münzen beweisen das Bemühen, das Verhältnis der Gottheit zur Kaiserherrschaft in der Kommunikation zu spezifizieren. Mit simpulum etwa war die altehrwürdige Vesta besser als andere Gottheiten geeignet, um die Achtung eines Kaisers vor alten Traditionen und religiösen Sensibilitäten auszudrücken. Hier ergibt sich auch eine inhaltliche Verbindung zur in ähnlichen Kontexten genutzten Pietas, die jedoch anders als Vesta expliziter die persönliche Haltung des Kaisers in den Vordergrund rückte. Für Vespasian, der mit religiösen Sensibilitäten öffentlich klug umzugehen wusste, stützte man sich so zur Einbettung seiner Herrschaft in althergebrachte Traditionen auf Vesta, sah in der Hervorhebung persönlicher pietas gegenüber den Göttern jedoch keinerlei Wert. Gerade unter Trajan218 zeigt sich anhand des Umgangs mit Vesta in 217 Zu Roma siehe Mellor 1981, 1020, der bereits andeutet, dass „Vesta and Jupiter appear to yield to Roma and Augustus as the symbols, and guarantors, of the eternity of the Roman state“. Für die ausführlichere Argumentation verweist Mellor jedoch leider auf ein kommendes und offenbar nie publiziertes Paper. 218 Bereits unter Vespasian und Titus, welche die von Trajan in der Friedensperiode seiner Herrschaft ebenfalls genutzten Aeternitas-Prägungen erst eingeführt hatten (RIC II,1² Vespasian 838–839, 856; Titus 217–223, 380–381), wurde dieser Aspekt wahrscheinlich mitgedacht.

3.4 Götter beim Opfer?

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der Repräsentation auf Münzen auch, dass religiöse Traditionen nicht zwangsläufig genutzt wurden, um die Herrschaft sakral aufzuladen, sondern um die Stabilität und Kontinuität des Kultes und dessen unhinterfragte und identitätsstiftende Verankerung in der römischen Tradition auf die Kaiserherrschaft zu übertragen.

3.4

Götter beim Opfer? Spendende Götter als Unterstützung des Kaisers durch höhere Mächte

Die Komplexität des römischen Götterhimmels sagt bereits an sich viel über das römische Verhältnis zur Götterwelt aus. Die bei Varro genannten zahlreichen Kleingottheiten, etwa für einzelne Arbeitsschritte der Ernte oder detaillierte Vorgänge bei der Geburt eines Kindes,219 ermöglichten eine rituelle Interaktion mit den entscheidenden Kräften und damit zumindest gedanklich – oder wie im Fall der richtigen Beleuchtung bei der Geburt auch sehr konkret – die Möglichkeit, diese kontrollieren zu können. Zur Beschwichtigung und Kontrolle des Göttlichen gab es in Rom zahlreiche religiöse Spezialisten, die Ursache und Heilmittel für auf der menschlichen Ebene unkontrollierbare Vorkommnisse suchten und durch die richtige Durchführung von Opfern und Auspizien vor öffentlichen Handlungen die göttliche Unterstützung garantieren sollten.220 Die durch das formelhafte Verhältnis entstehende Verbindlichkeit auch der Götter gegenüber ihren Priestern und Priesterinnen hat Linderski (1986) in Bezug auf die römischen Auguren herausgearbeitet, aber auch Wissowa (1902) und Latte (1960) beschrieben sie bereits als Teil des Denkens hinter römischen Kulthandlungen.221 Von den vielen Beispielen, mit denen sich die vertragsartige Beziehung der Römer und Römerinnen zu ihren Göttern illustrieren ließe, ist die von Livius überlieferte Legende vom Auguren Attus Navius besonders eindrucksvoll und deshalb oft zitiert. Um den Auguren zu testen, habe Tarquinius Priscus ihn aufgefordert, mit Hilfe der Augurenkunst zu bestimmen, ob eine Angelegenheit, die der König im Sinn hatte, machbar sei. Nachdem Attus dies bejahte, enthüllte Tarquinius, an was er gedacht hatte: Ob man einen Stein mit einem Rasiermesser spalten könne? 219 Varr. Ant. 14; Rüpke 2001, 79–80. Über die Eigenart der Römer und Römerinnen, für jeden Moment und jede Aktivität potenziell einzelne Gottheiten zu verehren, macht sich Augustinus (Civ. 6,9) lustig. Die Detailschärfe im „process of subdivision of function“ mag in der Tat auch heute noch „ridiculous“ erscheinen (so Scullard 1981, 16), m. E. verbirgt sich dahinter jedoch ein zunächst recht ernsthaftes Bemühen um objektivierbare Expertise im Ritualbereich. 220 Rüpke 2001, 80–81. 221 Linderski 1986, 2207–2208; Wissowa 1902, 318, 330–331; Latte 1960, 45–47.

204

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Durch seine Kunst hatte der Augur jedoch die Götter auf seiner Seite, die ihrer Verpflichtung nachkamen und das Vorhergesagte wahr und das Menschenunmögliche – zum Erstaunen des Königs – möglich machten.222 Durch die Kenntnis der richtigen Formeln und Abläufe war es auch im privaten Bereich möglich, die Götter durch Opfer und Rituale zu Unterstützung zu verpflichten. Dies konnte jedoch sogar als unredliche Beeinflussung wahrgenommen werden. Neben Weisheit, Mut und Tapferkeit führt Martial als eines der Kennzeichen eines guten Mannes auch an, dass er sich nichts heimlich von den Göttern erbitte.223 Im carmen saeculare des Horaz für die Säkularfeier des Augustus wird die auf die Ritualausführung folgende göttliche Hilfe ganz zuversichtlich angenommen: Wenn er „gerecht auf die palatinischen Altäre blickt“, werde Apoll das römische Reich immer weiter fortdauern lassen, während Diana auf die Gebete des Fünfzehnmännerkollegiums achten und „den Bitten der Knaben ihre freundlichen Ohren“ zuwenden werde.224 Am Ende des Liedes verkündet der Chor freudig „[g]ute und sichere Hoffnung darauf“, dass Jupiter und die anderen Götter sein Gebet hören.225 Die Kommunikation der Römer mit dem Göttlichen hat somit etwas sehr Pragmatisches. Als Lucius Aemilius Paulus vor einer Schlacht kein günstiges Zeichen beim Opfer erreichen konnte, opferte er nach Plutarch einfach so lange weiter, bis beim einundzwanzigsten Rind die gewünschten Siegeszeichen auftraten. Um die göttlichen Mächte gütig zu stimmen, bedurfte es nur der richtigen Anstrengung, dabei waren Opfernder und Gottheit gleichermaßen hartnäckig. Im Fall von Aemilius Paulus konnte erreicht werden, dass die Römer, wenn auch nach schwerem Kampf und unter beklagenswerten Verlusten, letztlich doch siegten.226 Bei Plutarch findet sich außerdem ein Beleg für die Vorstellung, dass die Unterstützung der Götter nur denen zuteilwird, die bereits entsprechende Anlagen in ihrem eigenen Verhalten mitbringen. So erhört Herakles die Gebete des „feigen“ Makedonenkönigs nicht, unterstützt aber den tapferen Aemilius Paulus, dem die Götter sogar beim Darbringen des Opfers in Amphipolis unter die Arme greifen, indem sie ihren eigenen Altar durch einen Blitzstrahl entzünden.227

222 Liv. 1,36,3–5. Die gleiche Aussage trifft auch die Anekdote über die der Unkeuschheit angeklagte Vestalin Tuccia bei Val. Max. 8.1. abs. 5, die von der in einer „quasi-legal obligation“ stehenden Göttin gerettet wird, indem sie als Beweis ihrer Unschuld Wasser in einem Sieb tragen kann; vgl dazu Mueller 2002, 52. 223 Mart. 1,39: […] nihil arcano qui roget ore deos. 224 Hor. carm. saec. 61–72: […] Phoebus […] si Palatinas videt aequus aras, / remque Romanam Latiumque felix / alterum in lustrum meliusque semper prorogat aevum, […] quindecim Diana preces virorum / curat et votis puerorum amicas applicat aures. 225 Hor. carm. saec. 73–74: haec Iovem sentire deosque cunctos / spem bonam certamque domum reporto. 226 Plut. Aem. 17. 227 Plut. Aem. 19; 24.

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Dieses Verständnis von göttlicher Unterstützung schlägt sich auch in den Münzbildern der römischen Kaiserzeit nieder. Besonders deutlich wird dies, wenn die wichtigste menschlich-göttliche Kommunikationssituation dargestellt wird – das Opfer. In vielen Fällen sind, für ein modernes Verständnis irritierend, die opfernde und die das Opfer empfangende Person zunächst nicht zu unterscheiden. Nicht nur sind Gottheiten häufig in Verbindung mit einem Altar abgebildet, noch häufiger halten Gottheiten selbst eine Opferschale in der Hand. Die eigentlich erklärungsbedürftige Geste hat bisher selten Aufmerksamkeit erregt.228 Zumindest vereinzelt für ungewöhnlich befunden wurde zumindest ein flavisches Denarmotiv, auf dem sogar Jupiter selbst in seiner Funktion als Schutzgott (IOVIS CVSTOS) ein Opfer über einem Altar darbringt (RIC II²,1 Vespasian 849–850, 863, 874, Abb. 71). Wem würde der höchste Gott aber opfern? Ist er tatsächlich als „his own worshipper“ dargestellt?229 Himmelmann (1959) ging für Darstellungen „tätig spendender Götter“ von einer solchen inhaltlichen Vermischung der Botschaft im Bild aus, bei der die menschliche und göttliche Sphäre „zu einer logisch nicht zu spaltenden visionären Einheit“ verschmelzen.230 Für die Abbildung von Gottheiten mit Opferschale gibt es jedoch auch Erklärungen, die den konkreten Inhalt der Geste durchaus berücksichtigen. Bereits 1952–1953 bemühten sich Brigitte Eckstein-Wolf und Erika Simon in zwei parallel, aber unabhängig voneinander entstandenen Dissertationen, die Opfergeste der Götter auf griechischen Vasenbildern zu erklären.231 Tatsächlich gibt es zahlreiche griechische Vasenbilder, die Gottheiten von Dionysos bis zum Herrscherpaar Zeus und Hera in unterschiedlichen Opferhaltungen zeigen – mal stehen oder sitzen sie statisch wie ein Kultbild, mal gießen sie jedoch eindeutig aktiv ein Trankopfer aus einer flachen Schale. Das „Century of Debate“ über die Deutung dieser Darstellungen, an die sich noch einige Beiträge anschlossen, fasst 228 Exemplarisch für viele Beschreibungen der entsprechenden Münzbilder schrieb Mattingly 1923, cxxxiv über einen Münztyp des Tiberius ohne weitere Erklärung, dass die Opferschale in der Hand des Divus Augustus „suggests sacrifice“, oder interpretierte einen Münztyp des Titus mit opferndem Genius vor Altar gar als „sacrifice to the Genius“ (1930, lxxvi). Bianco 1968, 193 sieht die patera wie viele andere als eines von mehreren „generici simboli di autorità divina“. 229 Mattingly 1930, xxxix; ebenso Hill 1960, 120. 230 Himmelmann 1959, 25. Über die Paradoxie der Darstellungen insgesamt macht sich Himmelmann wenig Sorgen, lasse sich diese zwar „nicht verhehlen“, weise aber schlichtweg angesichts des ohnehin nichtmenschlichen Gegenstandes auf einen „tieferen Sinn […] als jede glatt aufgehende Erklärung“ hin (31). 231 Simon 2016 (1. Auflage 1953) bemühte sich zu zeigen, dass die Götter wirklich opfern, und rekonstruierte aus Mythologie und Bildkontext konkrete Opferanlässe der göttlichen Spenden, die jedoch – wenn auch für einzelne Motive sicherlich stimmig – das Gesamtphänomen nicht zu erklären vermögen. Kritik an den seiner Meinung nach nur auf eine selektive Bildauswahl anwendbaren Erklärungen Simons bei Himmelmann 1959, 26–27, wiedergegeben auch bei Patton 2009, 149–150. Eckstein-Wolf 1952, 54 deutete die Schalen gar als selbsttätige Attribute: „Die Schale spendet, nicht der Gott.“

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Patton (2009) ausführlich zusammen.232 Die meisten der Interpretationsvorschläge versuchten, das in den Abbildungen hervortretende Hierarchieproblem zu lösen, indem sie die Opferschalen als spezifisch göttliche Attribute und auf die eine der andere Weise gar als Betonung des höheren Status der Gottheiten deuteten.233 Zuletzt schlug Patton als Universallösung schließlich das abstrakte Konzept einer „divine reflexivity“ vor, in der die Götter ihrer Auffassung nach tatsächlich opfern, jedoch nicht für einen anderen Empfänger als sich selbst.234 Die Rituale der Götter verwiesen lediglich „self-referential“ auf ihre „numinous selves, and refer to their own worship as practiced by mortals.“235 Die Götter seien „the source of, and reason for, all worship“. Über ihre eigene Interpretation opfernder Götter schreibt Patton: „The paradox is not resolved, but it has its own internal logic.“236 Mit der Abbildung von Göttern mit patera auf Münzbildern beschäftigte sich keiner der zumeist archäologischen Beiträge zum Thema explizit.237 Simons Einschätzung, dass Münzen „als ganz anderes genos eine andere Interpretationsart“ erforderten,238 kann ich nur begrenzt zustimmen – basieren die Abbildungen doch auf ähnlichen religiösen Vorstellungen und die römische religiöse Bildsprache vielfach auf griechischen Vorbildern. Neben Vasenbildern tragen auch zahlreiche griechische Münzen schon lange vor dem ersten entsprechenden römischen Motiv Abbildungen von Gottheiten mit patera.239 Häufig handelt es sich dabei um die Schutzgottheiten eines Ortes.240 Auf diesen Münzen ist zumeist eindeutig, dass die Gottheit nicht bei einer realistischen Opferhandlung gezeigt werden sollte. Auf Münzen aus Hamaxitos (Alexandria Troas) hält der lokale Gott Apollo Smintheus etwa in der einen Hand Pfeil und Bogen, in der

232 Patton 2009, 121–159. 233 Nilsson 1955, 37 wollte die Haltung der Verehrer des Gottes auf die Gottheit selbst übertragen sehen, um deren göttlichen Status zu kennzeichnen. Himmelmann 1959, 31 spricht sich für „zeitlose Daseinsbilder“ aus: „Spendende Götter sind erscheinende Götter in der Selbstdarstellung ihrer eigenen Heiligkeit“. Die Schale als spezifisch göttliches Attribut auch bei Veyne 1990. Für eine „Vermenschlichung“ der Götter vgl. hingegen Fuchs 1961, 178–181, der zusätzlich vorschlägt, die Spenden der Götter könnten an die in der Mythologie noch höherstehende Gaia gerichtet sein. 234 Patton 2009, 170–171. 235 Patton 2009, 174. 236 Patton 2009, 176. 237 Lediglich Béranger 1965, 77 thematisiert die stets spendenden Genius-Abbildungen auf römischen Münzen und meint, dass die Götter hier „an Stelle der Gläubigen die Opferhandlung“ vollziehen würden. 238 Simon 2016, 9, Anm. 1. 239 Mit patera ist auch die griechische phiale gemeint und umgekehrt. 240 So etwa ein lokaler Flussgott (Selinunt, 5. Jh. v. Chr., z. B. SNG I, 59 Newnham Davis Coins), Ammon auf dem Revers von Münzen aus Kyrene (z. B. SNG I, 29 Salting Collection) oder die in Samothrake verehrte Kybele (Samothrake, 3. Jh. v. Chr., z. B. CN 6085, SNG Kopenhagen 6/2, Nr. 992, S. 19).

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anderen eine patera.241 Ein tatsächliches Trankopfer ist hier nicht nur wegen des fehlenden Altars, sondern auch allein aus praktischen Gründen undenkbar. Die patera muss stattdessen als eine über den Kultkontext hinausgehende, symbolische Geste interpretiert werden. Im römischen Kontext ist auf einem ungewöhnlichen Denar des Münzmeisters C. Vibius Pansa Caetronianus von 48 v. Chr. vermutlich ebenfalls die Statue eines lokalen Schutzgottes wiedergegeben. Der hier in Dreiviertelansicht sitzende Jupiter Anxurus (IOVIS AXVR, RRC 449/1a–c, Abb. 65) wurde im latinischen Tarracina verehrt und lässt sich am besten durch die (anderweitig jedoch nicht belegte) Herkunft Pansas aus dieser Region erklären. Pansa, der im Jahr darauf Statthalter mit imperium in Pontus und Bithynien wurde, versuchte zur Zeit seiner Prägetätigkeit zweifelsohne, sich im von inneren Krisen gebeutelten Rom Vertrauen zu verschaffen, und griff dazu mit der Darstellung des spendenden, personalisierten Schutzgottes in die spirituelle Trickkiste.

Abb. 65:

Jupiter A(n)xur mit Zepter und Schale. Revers eines Denars des Münzmeisters C. Vibius Pansa von 48 v. Chr.

Der klare Vorteil bei der Auswertung römischer Münzbilder im Vergleich zu griechischen Vasen, aber auch zu griechischen Münzen ist, dass wir die Autorität hinter der Gestaltungsentscheidung (kaiserlich) wie auch die Kommunikationsintention (diese kaiserliche Autorität nach außen hin gut aussehen zu lassen), wenn auch nur grob, so doch deutlich klarer greifen können und damit einen Rahmen für mögliche Deutungsansätze haben. Für die kaiserliche Münzprägung ergibt es wenig Sinn, dass eine Opferschale lediglich hinzugefügt wurde, um die Göttlichkeit der Figur näher zu charakterisieren, dabei die kommunikativ entscheidende Interaktion mit der menschlichen Ebene jedoch ausgeklammert wurde. Für die Deutung der Münzbilder schlage ich eine einfachere (nicht-paradoxe) Lösung vor, die auch eine für die kaiserliche Repräsentation sinnvolle 241 Z. B. CN 27199, Münzkabinett der Staatlichen Museen Berlin (Objektnr. 18271040); auch in hellenistischer (ebd. Objektnr. 18207683) und römischer Zeit (ebd. Objektnr. 18248467, 18248468, 18265744) Abwandlungen des gleichen Motivs. Auf den kaiserzeitlichen Prägungen ist besonders gut erkennbar, dass tatsächlich das lokale Götterbild gemeint sein muss: Der spendende Apoll steht auf einer Säule.

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kommunikative Absicht berücksichtigt. Einen brauchbaren, weil nicht zuletzt deutlich simpleren Ausgangspunkt formulierte 1940 bereits Luschey in Paulys Realenzyclopädie: „Aus dem Brauch, aus den Phialen den Göttern zu spenden, entwickelte sich die Vorstellung, daß diese Schalen in besonderem Maß den Göttern gehörten […]. So werden sie seit dem Anfang des 5. Jhdts. den Bildwerken der Götter, besonders den Kultbildern in die Hand gegeben als Ausdruck des Spendenempfanges und später wohl auch des segnenden Austeilens.“242 Letzteres werde ich im Folgenden in den Vordergrund rücken. Für Kultbilder mit patera, die nicht gleichzeitig auch vor einem Altar abgebildet sind, könnte das Empfangen von Spenden in der Schale eine plausible Erklärung liefern. Wiederum Luschey (1939) wies an anderer Stelle jedoch darauf hin, dass die besondere Form der phiale mit ihrer charakteristischen Wölbung in der Schalenmitte, durch die das Gefäß mit zwei Fingern fixiert und gekippt werden konnte, im Gegensatz zu Trinkgefäßen mit Henkel und Standfuß gerade für das kontrollierte Ausgießen von Spenden optimiert war.243 Die Forschung zur antiken Religion gibt darüber hinaus Grund zur Annahme, dass die Darstellung von opfernden Gottheiten in der antiken Glaubenswelt durchaus Sinn ergab. Während Jupiter in der Praxis grundsätzlich Empfänger der menschlichen Kulthandlungen bleibt, betont die Darstellung mit patera gerade die Reziprozität der Kommunikation mit den Göttern – und insbesondere den göttlichen Anteil daran. Dieser äußerte sich in einer Opferzeremonie einerseits ganz konkret, indem die Gottheit große Teile des Opferfleisches den menschlichen Gastgebern wieder zur Verwendung freigab.244 Die eigentliche Gegengabe der Götter ist jedoch die Unterstützung von Unternehmungen oder Personen. Die gedachte Hierarchie dieser Gabentauschbeziehung zwischen Menschen und Göttern behindert die Interpretation der spendenden Götterbilder maßgeblich.245 Nehmen wir die in den Quellen hervortretende, nahezu vertragsartig geregelte Reziprozität menschlich-göttlicher Beziehungen ernst, so verliert diese Hierarchie jedoch an Relevanz. Bei Vergil findet sich an zwei Stellen die ebenfalls zunächst irritierende Vorstellung (und für die Übersetzenden kaum zu bewältigende Herausforderung), dass auch die Götter selbst pietas zeigen. So ruft der sterbende Priamos im Zorn um Rache, so es denn bei den Göttern noch pietas gebe, und der Göttervater selbst versichert seiner Gattin Juno, dass das aus den Trojanern in Italien hervorgehende Geschlecht nicht nur die Menschen, sondern auch die Götter an pietas überragen werde.246

242 243 244 245

Luschey 1940, 1030. Luschey 1939, 7. Zur „Profanierung“ des Opfers siehe Rüpke 2001, 138, 145. Patton 2009 löst dieses Problem der „Hierarchy of Sacrifice“ (163, 175) dadurch, dass es in ihrer Deutung keine andere Empfängerin des Opfers als die Gottheit selbst gibt. 246 Verg. Aen. 2,536 (si qua est caelo pietas); 12,838–839 (hinc genus […] supra ire deos pietate videbis).

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Wurde Unterstützung von den Göttern auch unaufgefordert gegeben (sofern man sich dies nicht ohnehin als ständigen Opferkreislauf vorstellen muss), brachten die Menschen ein Dankesopfer dar. Als Galba sich vor dem Attentat gerettet meint, eilt er zu diesem Zweck sogleich zum Kapitol.247 In der Darstellung Cassius Dios eiferte Galba sozusagen danach, seinen Teil des Handels sofort zu erfüllen, um sich des göttlichen Wohlwollens auch sicher sein zu können. Gleichzeitig demonstrierte er kaiserlicher Macht, indem er in Form einer öffentlichen Zeremonie noch einmal auf die bereits gewährte Unterstützung der Götter hinwies. Die unterschiedlich aufwendige Gestaltung eines Opfers hatte dabei durchaus eine kommunikative Funktion nach außen, zeigte sie doch an, wie groß im Umkehrschluss die Unterstützung der Götter für diese Person oder Unternehmung war.248 Durch die Eingeweideschau beim Opfer wurde anhand der Innereien des Opfertieres durch Spezialisten noch einmal überprüft, ob der geschlossene Vertrag von den Göttern auch wirklich bestätigt wurde. Rüpke nennt dies eine „Dramatisierung“ des Gabentausches mit den Göttern, der durch die „Formalie“ des Eingeweidelesens noch einmal eindrücklicher und verbindlicher kommuniziert wurde.249 Man bemühte sich, das metaphysische Wirken scheinbar objektiv nachprüfbar und damit wirkungsvoller zu machen. Statt der paradoxen Vorstellung, dass die Gottheiten bewusst selbst als Akteure ihrer eigenen Verehrung dargestellt wurden, schlage ich vor, dass die Spendegeste mit patera ikonografisch verwendet wurde, wann immer der konkrete Einfluss göttlicher Kräfte auf den römischen Staat besonders betont werden sollte. Die Darstellungsweise wurde gewählt, um zu kommunizieren, dass die Gottheit ihrerseits dem römischen Volk, insbesondere dem Kaiser, eine verdiente Leistung erbringt. Das den Römern und Römerinnen bekannte Bild des Rituals konnte dabei problemlos auf die teils ebenso formelhaft agierenden Götter übertragen werden, um ihre Hinwendung zu den Menschen betont ins Bild zu setzen. Während Sieghaftigkeit als göttliche Spende auch in Form einer von einer Gottheit gereichten Victoriola oder eines Lorbeerkranzes abgebildet werden konnte, war die Spende aus der patera als Geste allgemeiner verwendbar. Der konkrete Inhalt der göttlichen Unterstützung wurde dann durch den Charakter der opfernden Gottheit, die diese Wohltat selbst verkörperte, und/oder die Beischrift der Münze verständlich. Falls aus dieser Beobachtung von kaiserzeitlichen Münzen auch auf die deutlich früheren Vasendarstellungen zurückgeschlossen werden kann, so ist es auch nur logisch, dass dort jede Gottheit „those forms of religion“ ausübt, „that are specific to their own particular form of worship“:250 Wenn Demeter Ähren auf einen Altar legt, Dionysos aus einem Kantharos Wein oder die Friedensgöttin Pax auf Münzen Vespasians Wohlstand 247 248 249 250

Dio. 64b,6,2–3. Siehe dazu Rüpke 2001, 150. Rüpke 2001, 148–149. Patton 2009, 171.

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aus dem Füllhorn auf den Altar gießt (RIC II,1² 101), so wird auf die einzig allgemein darstellbare Weise gezeigt, wie die Götter ihre spezifischen Gaben an die Menschheit darbringen – ohne dass dieses Opfer bloß als Hinweis auf die eigene Göttlichkeit zu erklären ist.251 Abbildungen von Gottheiten mit Opferschalen sind somit vor dem Hintergrund der von den antiken Menschen vorausgesetzten Reziprozität menschlichgöttlicher Beziehungen durchaus verständlich. Eckstein-Wolf (1952) wies darauf hin, dass die Götter auf griechischen Darstellungen – ebenso ist es auf den römischen Münzen – fast immer Trankspenden und keine Speiseopfer darbrächten.252 Auch wenn Tieropfer, wohl auch aufgrund ihrer größeren bildlichen Komplexität, grundsätzlich weniger auf Münzen abgebildet wurden, ist Eckstein-Wolfs Analyse literarischer Opferkontexte, vornehmlich in der Ilias, durchaus etwas abzugewinnen: So sei eine Spende im Vergleich zum Opfer spontaner und persönlicher und nicht wie das Tieropfer mit der Vorstellung einer Gegengabe der Götter verbunden.253 Die Trankspende passt somit deutlich besser, um eine aus grundsätzlichem, ungebetenem Wohlwollen erfolgte göttliche Unterstützung auszudrücken. Diese Abbildungsweise mit patera ist für Gottheiten auf kaiserzeitlichen Münzen zunächst nicht so üblich, wie das im zweiten Jahrhundert häufig auftretende Bild einer sitzenden Concordia oder Salus mit patera meinen lässt. Tatsächlich sind es bis zu Salus und Concordia bei Nero nur einzelne Typen, die Gottheiten in Opferhaltung zeigen. Vor diesem Hintergrund lohnt sich eine Analyse der einzelnen Motive und des Kontextes, in dem sie auftreten. Auch wenn sich der Darstellungstyp besonders für den Kaiser eignete, um Leistungen mit der göttlichen Unterstützung für eine einzelne Person in Verbindung zu bringen, tritt die Geste in der Münzprägung vereinzelt auch bereits in der Republik auf. Als die Römer 89 v. Chr. in den Bundesgenossenkriegen die Oberhand gewannen, produzierte der Münzmeister Marcus Porcius Cato Denare 251 So Patton 2009, 171; Demeter: attisch rotfigurige Vase des Euaion-Malers, Bibliothèque Royale de Belgique, Brüssel, abgebildet bei Patton 2009, 166; Dionysos: attisch rotfigurige Halsamphore des Niobiden-Malers, Metropolitan Museum of Art, New York, abgebildet bei Patton 2009, 85. Ohne Keramik selbst untersucht zu haben, ist es m. E. gut vorstellbar, dass ein durch das „Opfer“ explizit ins Bild gesetzter Göttersegen auch als Motiv für die griechischen Vasen Sinn ergibt und möglicherweise sogar Aufschluss über ihren Ausgabeanlass geben kann: Apollon spendet den Sieg beim musischen Agon, Zeus und Hera Segen für die Ehe etc. 252 Eine außergewöhnliche, weil tatsächlich mit diesem Motiv nie wiederholte Prägung ist ein augusteischer Aureus aus Pergamon mit dem Abbild der Victoria, welche die Kehle eines Bullen aufschneidet (RIC I² 514). Diese Darstellung, die einzige, bei der eine Gottheit ein blutiges Opfer darbringt, ist durch die Legende ARMENIA CAPTA eindeutig als Dankesopfer für den militärischen Sieg gekennzeichnet. Die Abbildung rückt den Sieg als Voraussetzung für das Opfer ins Bild, Victoria assistiert beim Opfer für die ihr höherstehenden Götter. 253 Eckstein-Wolf 1952, 42–43.

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mit dem Bild der Victoria mit patera (RRC 343). In bildlicher Form drückt er aus, dass die Götter auf der Seite Roms standen und den Römern den Sieg schenkten.254 Obwohl die Denare mit „opfernder“ Victoria in großen Mengen produziert wurden, wurde diese Darstellungsweise für die Siegesgöttin erst in späteren Bürgerkriegen von Vitellius wieder aufgegriffen (RIC II,1² 71, 87–88), für den man seine auf Sieghaftigkeit beruhende Position ähnlich, aber doch etwas anders als für seine kurzlebigen Vorgänger zu kommunizieren versuchte. Victoria mit patera blieb eine seltene Abbildung der Siegesgöttin, was sich meines Erachtens aus der Bedeutung militärischer Siege für das römische Individuum ergibt. Zwar nutzte man Victoria schon in der Republik gerne, um Siege zu feiern und natürlich auch die durch den Erfolg erwiesene göttliche Unterstützung abzubilden, eine Abbildung der spendenden Victoria hätte jedoch womöglich die Eigenleistung des siegreichen Feldherren nicht entsprechend zum Ausdruck gebracht. Für Vitellius, der sich in den hitzigen Bürgerkriegen gegen andere Römer nun als dritter Prinzeps hatte durchsetzen können, war die Aussage, dass die Götter nun gerade seinen Sieg gewollt und geschenkt hatten und dieser eben nicht nur auf dem zufälligen militärischen Geschick basierte, jedoch genau passend, um seine Position zu legitimieren. Erst Trajan, passend zu seiner andernorts zum Ausdruck gebrachten pietas gegenüber den Göttern, die ihn auserwählt hatten, führte das Motiv weiter und präsentierte seine militärischen Siege zu Anfang seiner Herrschaft wieder derart explizit als Resultat göttlichen Willens (u. a. MIR 155–157).

Abb. 66:

APOLLINI ACTIO-Denar für Augustus, 16–15 v. Chr.

254 Dass dramatische Motive zu Zeiten des Bundesgenossenkriegs an der Tagesordnung waren, beweist die Darstellung des italischen Stiers, der die römische Wölfin niedertrampelt und aufspießt, auf Münzen der Gegenseite (vgl. HN Italy 427). Das Victoria-Motiv wurde noch einmal von Cato dem Jüngeren auf Prägungen in Nordafrika während des Kriegs gegen Caesar wiederholt (RRC 462). Während Victoria hier als aktive Spenderin auftrat, war sie in der Kaiserzeit auch oft Symbol für einen Sieg, den eine andere Gottheit in Form einer kleiner Victoriastatuette überreicht (z. B. RIC I² Nero 54–55). Dass nicht auch kleine Salus- oder Concordiastatuetten von anderen Gottheiten als Segen übergeben werden, liegt wohl vor allem daran, dass Victoria auch in Kleinformat und ohne Umschrift anhand der Flügel leicht erkennbar ist.

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Für Augustus, für den der Münzmeister Gaius Antistius Vetus (RIC I² 366, Abb. 66) auf Denaren den opfernden Apollo von Actium abbildete (APOLLINI ACTIO255), wurde der Darstellungstypus verwendet, um nicht nur den Gott an sich als Erinnerung an den Sieg, sondern vor allem dessen aktiv geleistete Unterstützung zu betonen. Mit der Spendegeste wurde das sonst nur schwerlich abbildbare Eingreifen des Gottes zugunsten Octavians ins Bild gefasst, das dieser als Grund für seinen Sieg in der entscheidenden Seeschlacht gegen Antonius und Kleopatra propagierte. Um die göttliche Zuwendung über den Moment hinaus festzuhalten, weihte er dem Apollo im Nachgang einige erbeutete Schiffe, ließ den lokalen Apollotempel ausbauen, stiftete Spiele und gründete die Stadt Nikopolis.256 Die vermeintliche Intervention des Gottes zugunsten Octavians resonierte in der Dichtung von Properz und Vergil. Wie auch nach dem Blitzschlag ins Haus des Prinzeps im Vorfeld der Gründung des palatinischen Apollontempels, werden bei Properz die Blitze vor Actium als Erscheinen des Gottes in Augustus’ Nähe gedeutet. Während es keinen Grund gibt, an dem Auftreten des so günstig gedeuteten Blitzes in Rom zu zweifeln, kann dieses Wetterphänomen auch bei Actium durchaus in Realität aufgetreten sein.257 Durch das Hinzufügen eines brennenden Altars sollte die Botschaft des Münzbildes unmissverständlich deutlich werden: Es ist hier der Gott, der Augustus eine Gabe – den Sieg – darbringt. Deutlicher könnte ein Kaiser religiöse Aspekte nicht zur Stärkung seiner Autorität verwenden. In ähnlichem Tenor, wenn auch etwas zurückhaltender, wurde die Gottheit Concordia in der kaiserlichen Repräsentation eingesetzt. Offenbar wurde auch ihre Kultstatue, die auf Sesterzen des Tiberius innerhalb ihres aufwendig restaurierten Tempels zu sehen ist, sitzend mit Opferschale dargestellt (RIC I² 55, 61, 67). Über das Kultbild des alten Tempels ist nichts überliefert – jedoch darf angenommen werden, dass Tiberius, hundert Jahre nach der letzten Renovierung, im Zuge von Umbau und Monumentalisierung des Tempels auch die nun auf den Münzen abgebildete Kultstatue neu anfertigen ließ. Die sitzende Concordia mit patera passt zur Vereinnahmung der göttlichen Unterstützung durch den Kaiser, der 10 n. Chr. in die Weihung des nun als aedes Concordiae Augustae umgedeuteten 255 Der seltene Dedikationsdativ zur Identifikation der Gottheit in der Reverslegende stellt m. E. kein Problem für die Interpretation dar. Der actische Apollo sollte wohl gerade wegen seiner hier ins Bild gesetzten Unterstützung in augusteischer Zeit verehrt werden. Spendende Gottheiten sind im Untersuchungszeitraum sonst in aller Regel im Nominativ bezeichnet, weitere Ausnahmen bilden lediglich die Hinweise auf GENIO AVGVSTI auf Münzen Neros sowie auf GENIO P(opuli) R(omani) in den Bürgerkriegen und in der Wiederaufnahme des Motivs bei Titus. 256 Dio. 51,1,2–3; Suet. Aug. 18,2; Strab. 7,7,6. 257 Prop. 4,6,11–68 (29–30: astitit Augusti puppim super, et nova flamma / luxit in obliquam ter sinuata facem); Verg. Aen. 8, 704–705. Dafür, die Epiphanie wie Latte 1960, 303–304 zwangsläufig erst für eine Erfindung der Dichter zu halten, gibt es m. E. keinen Anlass. Vgl. Suet. Aug. 29,2; Dio. 49,15,5.

3.4 Götter beim Opfer?

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Heiligtums einbezogen wurde:258 Die nach den Bürgerkriegen wiedereingekehrte Eintracht im Staat wurde als göttliche Gabe und somit Ausdruck des göttlichen Wohlwollens gegenüber der Herrschaft des Augustus inszeniert und in Form des Tempels samt Statue monumental verewigt. Auf den Münzen des Tiberius steht jedoch nicht die Gottheit, sondern eindeutig die monumentale Bauleistung an sich im Vordergrund, die auf den Sesterzen detailreich dokumentiert wurde. Wie bereits oben erwähnt, war der zweite Kaiser noch deutlich zurückhaltender damit, seine Autorität über göttliche Unterstützung zu legitimieren. Auch Caligula präsentierte sich auf Münzen nicht als Empfänger göttlichen Segens,259 unter Claudius verzichtete man gänzlich auf Opferszenen. Erst unter Nero traten spendende Gottheiten als wiederkehrende Münzmotive auf. Dabei war der im zweiten Jahrhundert deutlich häufiger genutzte Bildtypus einer sitzenden Gottheit mit patera zumindest zu diesem Zeitpunkt noch alles andere als „völlig unspezifisch“.260 Mit Opferschale wurden mit Concordia (RIC I² 48–49) – nun jedoch einzeln und nicht im Tempel – und Salus (RIC I² 59–60, 66–67, 71–72) gerade solche Gottheiten abgebildet, die positive Zustände zum Ausdruck brachten und deren Vorhandensein damit als göttlicher Segen und Affirmation der Kaiserherrschaft ins Bild gesetzt wurde (Abb. 67–68).

Abb. 67–68: Reverse von Aurei Neros mit Concordia Augusta (l., hier RIC I² 48) und Salus (r., hier RIC I² 59) mit patera.

Diese Steigerung des Götterbildes durch die Opfergeste fügt sich in den zeitgenössischen Kontext ein: So deutet Winkler gerade das Salus-Motiv auf den Münzen, die nach dem versuchten Attentat auf Nero 65 n. Chr. entstanden, als „eine Reaktion auf die ideologischen Ansprüche der Attentäter“, die ihr Vorgehen im Sinne der Salus Publica gerechtfertigt hatten.261 Das Staatswohl wurde nun als 258 Fast. Praen. 16. Januar (= CIL I2,1, 231–239a): Concordiae Au[gustae aedis dedicat]a est; Ov. fast. 1,640, 643–648; Dio. 55,8,2; 56,25,1; Suet. Tib. 20. 259 Zu den Abbildungen Vestas und Pietas’ mit patera bei Caligula siehe oben Kap. 3.3.1, S. 164– 165; Kap. 3.3.2, S. 187–188. 260 So Winkler 1995, 58. 261 Winkler 1995, 59–60. Einer der Attentäter hatte einen für den Mord bestimmten Dolch extra aus dem Heiligtum der Salus Publica in Ferentium besorgen lassen (Tac. ann. 15, 53,2 und 15,74,1 mit der Anm. 267 bei Winkler 1995, 59), Nero ließ das Heiligtum anschließend

214

3 Die Vereinnahmung der Götter

göttliche Spende und damit als Beweis für göttliches Wohlwollen gegenüber der Herrschaft Neros propagiert. Parallel geprägte Münzen mit Jupiter Custos (RIC I² 52–53, 63–64, 69) und Securitas Augusti (u. a. RIC I² 112–114, 190–195) flankierten das Salus-Motiv und belegen, dass das Wohl der Allgemeinheit hier bewusst mit dem „persönlichen Heil des Kaisers“ zusammengedacht wurde, der im Nachgang der misslungenen Verschwörung seine Sicherheit und Gelassenheit zur Schau stellte.262 Dass Securitas vor einem Altar, jedoch nicht selbst mit patera abgebildet und zudem anders als Salus und Jupiter ausschließlich in Buntmetall in Umlauf gebracht wurde, kann als Aufforderung an die stadtrömische Bevölkerung gedeutet werden, der Securitas Neros zu opfern und für die Sicherheit des Kaisers dankbar zu sein.263

Abb. 69:

As Neros mit Strahlenkrone, auf dem Revers opfernder Genius mit Umschrift GENIO AVGVSTI (hier RIC I² 215).

Bei aller angebrachten Skepsis gegenüber der stark negativen Darstellung Neros in den literarischen Quellen zeigt sich gerade anhand der Prägungen mit einem Opfermotiv eine Herrschaftskonzeption, die so offen wie nie zuvor die Person des Kaisers auch in religiösen Motiven in den Mittelpunkt rückte.264 Zum ersten Mal waren Münzen unter Nero explizit dem GENIO AVGVSTI geweiht (Abb. 69). Gehen wir davon aus, dass die Spendegeste der Götter stets das göttliche Wirken zugunsten der Menschen in den Vordergrund rückt, so ist es nur logisch, dass ein Genius fast immer spendend dargestellt ist: Dem Schutzgeist ist das Leisten

offenbar abreißen und neu errichten (Tac. ann. 15,74,1–2). Auch Mattingly 1923, clxxv und Fears 1981, 895 bringen die Salus-Prägungen Neros bereits mit der Pisonischen Verschwörung in Verbindung, vgl. auch Pera 2005, 103. 262 Vgl. Kneppe 1994 zum Einsatz von Securitas auf Münzen u. a. als Motiv gegen das geläufige Bild der Tyrannenfurcht 268–281, zu Nero 270; vgl. Winkler 1995, 62. 263 Zur Abbildungsweise von Securitas mit Altar siehe auch Kap. 2.6.1, S. 115–116. 264 Die Emanzipation Neros von den bisher üblichen Strategien der Herrschaftsdarstellung des Kaisertums meint auch Mannsperger 1974, 956–958 vor allem durch eine „Entpersönlichung des Kaisers“ und der Abbildung einer „Institution Augustus“ auszumachen.

3.4 Götter beim Opfer?

215

von Unterstützung inhärent.265 Gleiches dürfte auch für die oben erwähnten häufig „opfernden“ Schutzgottheiten auf Münzen griechischer Städte gelten, für die mit der Geste gerade ihr persönlicher Einsatz für die Stadt verbildlicht wurde. Spannend an der neronischen Abbildung ist noch etwas anderes. Genau wie Aureus und Denar mit dem strahlengekrönten, aus Opferschalen spendenden Kaiserpaar (RIC I² Nero 44–45, 56–57)266 konnte auch dieses Bild theoretisch als Bezug zum verstorbenen Augustus gelesen werden. Die Strahlenkrone, die Nero als erster lebender Kaiser in der Reichsprägung annahm,267 vor allem aber der ab 64 n. Chr. auf Gold- und Silbermünzen verkürzt geführte, markige Kaisername NERO CAESAR AVGVSTVS lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass sich der letzte Julio-Claudier seinen vergöttlichten Ahnen bereits zu Lebzeiten annähern wollte. Da zudem die Arvalbrüderakten für Nero zum ersten Mal regelmäßige Opfer für den Genius des lebenden Kaisers verzeichnen,268 muss auch hier vornehmlich Nero selbst gemeint gewesen sein. Bereits seit Augustus waren die alltäglichen Kultzeremonien auch zur natürlichen Spielfläche für Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Kaiser geworden. Neben den Opfern am Geburtstag des Kaisers und verstorbener Vorgänger verehrte auch jeder Bezirk Roms seit Augustus zusätzlich zu den Laren auch noch den Genius des Kaisers.269 Opfer für dessen Genius gab es vermutlich auch unter Caligula und Claudius, bis Nero kann jedoch nicht festgestellt werden, dass diese religiöse Hinwendung zum Herrscher auch von diesem offiziell angenommen, gar eingefordert und über die eigentliche Kulthandlung hinaus auch für die Repräsentation kaiserlicher Autorität genutzt wurde. Vespasian und Titus zeigten ebenfalls den opfernden Genius auf Münzen, bei ihnen war es jedoch durch entsprechende Kennzeichnung in der Legende eindeutig der Genius populi romani, der dem römischen Volk Sicherheit gewährte und durch den sich der erste Flavier und sein Sohn als civiles kennzeichneten. Während für Vespasian das Motiv zu Beginn seiner Herrschaft in Silber und Gold ausgeprägt wurde (RIC II,1² 1353–1355) und somit vermutlich bewusst an die Genius-Prägungen der anti-neronischen Militärs in den Bürgerkriegen anknüpfen sollte, empfand man das Bild unter Titus als ein passendes Motiv für Asse 265 Bèranger 1965, 77 macht es sich etwas komplizierter, indem er es nicht bei der gebenden Geste des Schutzgeistes in Richtung des Kaisers belässt, sondern den Genius in „zwiefache[m] Amt“ sieht. Der Genius sei zugleich „schützende Gottheit, die angefleht wird, und Fürsprecher, der anfleht.“ 266 Siehe Kap. 2.6.2, S. 132–134. 267 Zwar wird sie später auch bereits unter Nero dazu gebraucht, Asse von Dupondien zu unterscheiden, jedoch wurde sie nicht zu diesem Zwecke zuerst in die Münzprägung Neros aufgenommen; vgl. Shotter 1979, 50. 268 AFA 24, Z. 10; 26, Z.9; 27, Z. 11, 32, 67; 28a–c, Z. 14; 28f, Z. 6; 29 II, Z. 10; 30cd, Z. 27; 30cef, Z. 7; 30gh, Z. 4; 32, Z. 67; 38, Z.1; eventuell für Caligula bereits in AFA 16b, deren erster Teil jedoch fehlt und für die der entscheidende Satz stark ergänzt wurde: Gen[io ipsius] (Z. 4). 269 Beard/North/Price 1998, 184–185; Ov. fast. 5, 145–146.

216

3 Die Vereinnahmung der Götter

(RIC II,1² 225–228). Domitian bemühte dieses Bild der betonten civilitas gar nicht mehr. Opfernde Gottheiten, insbesondere Salus und Concordia, wurden in der Folgezeit immer wieder als Münzbilder verwendet. Auch hier ist es die Begründung der zweiten Kaiserdynastie, welche die Kommunikationsstrategien kaiserlicher Autorität maßgeblich voranbrachte. Die flavische Münzprägung zeichnet sich durch eine deutlich regelmäßigere Prägestruktur und ein vielfach merklich durchdachtes Bildprogramm aus.270 Gerade unter Vespasian scheint man mit beeindruckender Klarheit gewusst zu haben, was es angesichts nicht mehr vorhandener dynastischer Bindungen zur Legitimation brauchte, und griff dazu gezielt auf religiöse Motive zurück. Tatsächlich steigt die Anzahl der Opferabbildungen, überwiegend mit göttlichen Akteurinnen, unter Vespasian enorm an. Ich erkläre mir dies durch den bereits auch unter Nero unternommenen Versuch, die dynastische Legitimation nach außen hin durch den Verweis auf eine höhere Ordnung, die stetige Unterstützung und damit Bestätigung des Kaisers durch die Götter, zu ersetzen. Unter Vespasian zeigten so viele verschiedene Gottheiten wie nie zuvor durch die Opfergeste ihre Unterstützung für die bestehende Herrschaft.271Auf einem Typ Galbas, aber stärker unter Vespasian, tritt noch die vom ersten Flavier besonders aufgewertete Pax mit patera dazu, die auch den gewonnenen Frieden explizit als göttlichen Segen und damit göttliches Einverständnis mit der Machtübernahme darstellen sollte (RIC I² Galba 140, u. a. RIC II,1² Vespasian 1142–1144). Weiterhin erklärungsbedürftig ist jedoch der bereits eingangs erwähnte Denar mit der Abbildung Jupiters (RIC II,1² 849–850, 863, 874, Abb. 71). Bereits unter Nero wurde ein Denar für Jupiter Custos ausgegeben (RIC I² 69, Abb. 70), von dem sich die flavische Darstellung bewusst abzuheben scheint: Die Legende des Typs wurde von IVPPITER CVSTOS bei Nero zur altertümlicheren Namensform IOVIS CVSTOS bei Vespasian geändert.272 Auf dem neronischen Münzbild thront Jupiter mit Zepter und Blitzbündel in der Hand nach links, auf dem vespasianischen Denar opfert er stehend aus einer patera über einem Altar – wendet den Betrachtenden jedoch auf für Münzen sehr ungewöhnliche Darstellungsweise das Gesicht zu. Zusätzlich zur spendenden Geste betont also auch der „Blickkontakt“ des Gottes eine enge Verbindung zu und die Interaktion mit den Menschen. Der weniger herrschaftliche Opfergestus und der altertümliche Name passen zum bereits mehrfach angesprochenen, in der Repräsentation Vespasians betonten Bemühen um religiöse Traditionen. Eine besondere Aufmerksamkeit 270 Siehe dazu insgesamt die Rekonstruktion der Prägegruppen von Ziegert 2020. 271 Aeternitas, Bonus Eventus, Concordia, Fides, der Genius Populi Romani, Jupiter, Pax und Vesta. Zusätzlich werden Securitas und Mars mit Altar, jedoch ohne Spendeschale abgebildet. 272 Vgl. Mattingly 1930, xxxix. Iovis als Genitiv von Jupiter ergäbe hier schlicht keinen Sinn, zumal custos im Nominativ steht.

3.4 Götter beim Opfer?

217

Abb. 70–71: Thronender Jupiter Custos mit Blitzbündel und Zepter auf einem Denarrevers Neros 67–68 n. Chr. (l.) sowie opfernder Jupiter Custos vor einem brennenden Altar auf einem Denar Vespasians von 76 n. Chr. (r., hier RIC II,1² 849).

für Jupiter ist insbesondere für Domitian bekannt: Der Gott soll Domitian in einer brenzligen Situation in seinem Tempel Schutz gespendet und zur Flucht verholfen haben, als sich die Flavier kurz vor ihrem Sieg über Vitellius auf dem Kapitol verschanzt hatten und von einer letzten Offensive der Feinde überrannt wurden.273 Vespasian ließ den von den Vitellianern in Brand gesetzten Tempel des Jupiter Optimus Maximus wieder aufbauen und nutzte dies als willkommene Möglichkeit zur Demonstration der Wiederherstellung der religiösen wie politischen Ordnung. Als einer der Ersten und Eifrigsten nahm er an den Aufräumarbeiten persönlich teil.274 Über mehrere Jahre hinweg wurde der kapitolinische Jupitertempel auf Sesterzen und Assen Vespasians abgebildet – auch schon, bevor der neue Bau überhaupt fertiggestellt war.275 Laut Tacitus bewies Vespasian beim Wiederaufbau des Tempels wiederum betonten Konservativismus: Er ließ haruspices befragen und daraufhin die Reste des abgebrannten Tempels entfernen, um den Tempel, dessen Bauplatz in einer aufwendigen öffentlichen Zeremonie noch erneut geweiht wurde, in seiner alten Form nach dem Willen der Götter ohne Änderung auf dem ursprünglichen Fundament neu zu errichten – einzig höher als der bisherige Tempel durfte der neue flavische Bau werden.276 Die baldige Wiedererrichtung war auch deshalb von hoher Wichtigkeit für die Konsolidierung der Herrschaft Vespasians, da der Zerstörung des kapitolinischen Tempels große symbolische Bedeutung zukam: Nach der Deutung des Tacitus waren etwa die gallischen und germanischen Stämme, die sich dem aufständischen Julius Civilis anschlossen, wegen der Zerstörung des Tempels vom nahenden Ende des römischen Reiches überzeugt.277

273 274 275 276 277

Suet. Dom. 1,2; Tac. hist. 3,74,1 Suet. Vit. 15,3; Suet. Vesp. 8,5; Dio. 65,10,2; Tac. hist. 4,53,1–4. Burnett 1999, 142. Tac. hist. 4,53,1–4. Tac. hist. 4,54,2: sed nihil aeque quam incendium Capitolii, ut finem imperio adesse crederent, impulerat. captam olim a Gallis urbem, sed integra Iovis sede mansisse imperium […]. Zur Tempelrestauration auch Ruff 2012, 106–107.

218

3 Die Vereinnahmung der Götter

Die Flavier hatten somit großes Interesse daran, die weitere Unterstützung Jupiters für ihre Herrschaft zu beweisen, und mit der Errettung Domitians vom Kapitol auch noch eine persönliche Geschichte, mit der sie eine göttliche Intervention zu ihren Gunsten belegen konnten. Die Rettungsgeschichte Domitians wurde bald in Form eines Schreins für Jupiter Conservator, samt Abbildung der Szene auf dem Altar, monumentalisiert. Schließlich wurde unter Domitian auch noch ein weiterer Tempel für den obersten Gott, nun als Jupiter Custos, der Beschützer, gebaut.278 Meines Erachtens spricht jedoch nichts dagegen und angesichts des Münztyps sogar manches dafür, dass dieser Facette Jupiters bereits unter Vespasian gesteigerte Aufmerksamkeit zukam. Der Wandel von Jupiter Conservator, dem Erretter, zu Jupiter Custos, dem Beschützer, ist für die über das einzelne Ereignis hinausgehende Propagierung kontinuierlicher göttlicher Unterstützung nur folgerichtig. Hortuntersuchungen haben zeigen können, dass das Motiv durchaus zu den häufigeren der vespasianischen Denarprägung gehörte.279 Angesichts der vielen benötigten Stempel erscheint die Auswahl der ungewöhnlichen Frontalstellung umso bemerkenswerter. Nicht ohne Grund sind Personen auf Münzen meist seitlich dargestellt: Bei der Stempelherstellung sind frontale Abbildungen anspruchsvoller, müssen doch für eine gelungene dreidimensionale Darstellung viele Ebenen, von den Ohren bis zur Nasenspitze, in nur geringer verfügbarer Tiefe ins Negativ eingeschnitten werden. Das kann nicht ohne inhaltliche Vorgabe geschehen sein. Durch die Darstellung des opfernden Jupiters auf Münzen wurde das explizit gemacht, was in aufwendigen öffentlichen Opfern und Zeremonien wie bei der Weihung des wiedererrichteten Jupitertempels mitschwang: Auch der verehrte Gott geht die Verbindlichkeit ein, seinerseits eine Gegenleistung zu geben. In diesem Fall spendet er noch mehrere Jahre nach der Rettung Domitians vom Kapitol 69 n. Chr. mit einer wahrscheinlich auch damals schon auffälligen Geste und Zugewandtheit den besonderen Schutz der flavischen Familie280 und des von ihr verwalteten römischen Reiches. Die Deutung der Libation über dem Altar im übertragenen Sinne beeinflusst auch die Lesart der Reiseprägungen Hadrians und damit auch das Urteil über die Kommunikation seiner Beziehung zu den Provinzen. Seelentag (2011) sieht die

278 Tac. hist. 3,74,1. 279 Carradice 1998, 101 stellte für den Typ mit Porträt Vespasians allein 84 Exemplare in Horten fest und zusätzliche 73 allein im Réka-Devnia-Hort. Entsprechend wurden die Typen auch im RIC II,1² als besonders häufig gelistet. Die Ergebnisse der ausführlicheren Hortauswertung von Ziegert 2020, 240–243 relativieren diesen Eindruck etwas, hier ist Jupiter Custos seltener, aber immerhin in allen untersuchten Regionen unter den mittelhäufigen Typen vertreten. 280 Mattingly 1930, xxxix möchte den konkreten Anlass für den Typ „no doubt“ im Fehlschlag der bei Suet. Vesp. 25 erwähnten coniurationes sehen; ebenso Sutherland/Carson 1984, 145; Hill 1960, 120; Ziegert 2020, 154. Das eine schließt das andere m. E. nicht aus.

3.4 Götter beim Opfer?

219

zahlreichen Abbildungen der personifizierten Provinzen, die dem Kaiser gegenüberstehend über einem Altar ein Opfer darbringen (Abb. 72), als Zeichen der Hinwendung des Kaisers zu den Provinzen. Die Darstellungsweise zeige, dass die jeweilige Provinz „prosperiere, dass ein gemeinsames Opfer das Nahverhältnis der Provinz zum Kaiser bekräftigt habe und dass dieser bei seinem Aufenthalt sogar Privilegien verteilt hatte.“281 Die Prägungen des Antoninus Pius, welche die Provinzen ohne den Kaiser, aber mit dem abbildeten, was sie dem Reich spendeten (häufig: Füllhorn, Kranz), würden somit auf die Vernachlässigung Italiens durch Hadrian reagieren und seien eine „Art verbildlichter Richtigstellung der den Provinzen im Reich zukommenden Rolle.“282 Deutet man die Spendegeste als bildliche Geste der Unterstützung und Loyalität für den Kaiser und die erhobene Hand des Prinzeps entsprechend als Akzeptanz der Ehrung,283 so zeigte Hadrian durch die Prägungen nicht so sehr seine Zuwendung für die Provinzen, sondern propagierte vor allem auf den in Rom geprägten Münzen die beeindruckende, überall eingesammelte Unterstützung der zahlreichen Provinzen für seine Herrschaft.284 Die Münzen mit stets ähnlicher Darstellung, aber leicht angepasster Legende – ADVENTI AVG AFRICAE oder ALEXANDRIAE, HISPANIAE, ITALIAE, ARABIAE, BITHYNIAE, BRITANNIAE (…) – stellten die Verbindung zum reisenden Kaiser her, indem sie die wohlwollende Verbundenheit des ganzen Reiches mit ihm propagierten. Antoninus Pius, der die Provinzen nicht bereiste, produzierte meiner Auffassung nach somit zweifellos eine numismatische Fortführung der

Abb. 72:

281 282 283 284

Sesterzrevers Hadrians mit Abbildung seiner Ankunft in einer Provinz, hier die personifizierte Mauretania beim Opfer, gegenüber der Kaiser selbst mit Toga und Schriftrolle (hier RIC II,3² 1783, vgl. RIC II 897f).

Seelentag 2011, 311–312. Seelentag 2011, 312. Vgl. Scott Ryberg 1955, 140. Im Fall eines gemeinsamen Opfers von Kaiser und Provinz wäre zudem der Kaiser als maßgeblich Ausführender von rechts nach links stehend und mit verhülltem Haupt zu erwarten.

220

3 Die Vereinnahmung der Götter

Thematik, eine „Richtigstellung“ dürfte jedoch zumindest ikonografisch nicht nötig gewesen sein. Ab Hadrian tritt zudem als neue und zuvor selten abgebildete Gottheit auch die im öffentlichen Kultwesen bedeutende Juno regelmäßig mit patera in Verbindung mit Frauenporträts auf. Die Verbindung der Kaisergattin zu Juno war bereits unter Nero hergestellt worden: Hier diente sie jedoch wohl noch nicht der Kennzeichnung des hohen Status der Herrscherin, sondern als Parallele zum Genius des lebenden Kaisers, mit dem zusammen der Iunoni Poppaeae Augustae und Iunoni Messallinae von den Arvalbrüdern Opfer dargebracht wurden.285 Poppaea wurde nach ihrem Tod zwar als Gottheit geehrt, jedoch opferten die Arvalbrüder nun für die Juno der Statilia Messalina. Bezeichnenderweise ist die Assoziation von Neros Frauen mit Juno in den Münzbildern jedoch nicht festgehalten worden. Die Aufwertung der Kaiserinnen unter Nero trat über den religiösen Raum noch nicht auf die politische Ebene hinaus beziehungsweise war aus der Kommunikation „von unten“ noch nicht in die Kommunikation „von oben“ übernommen worden. In der offiziellen Herrschaftsrepräsentation war für die Ehefrauen Neros, die zur dynastischen Legitimation nicht benötigt wurden, keine Rolle vorgesehen. Während Neros mächtige Mutter Agrippina, die Urenkelin des Augustus, zu Beginn seiner Herrschaft sehr wohl auf Münzen abgebildet wurde, traten Octavia, Poppaea und Statilia Messalina in der Reichsprägung nicht auf. Erst für Sabina unter Hadrian und dann für die beiden Faustinen erschienen Münzen, welche die Kaisergattin nicht ausschließlich als Mutter kaiserlicher Nachkommen, sondern ihre hohe Position als Gabe der im Münzbild spendenden IVNO REGINA präsentieren (u. a. RIC II,3² 2549–2551). Die naheliegende Erklärung ist, dass die Herrschaft unter den Adoptivkaisern nicht über die väterlichen, sondern über mehrere Generationen hinweg über die weiblichen Familienmitglieder an die jeweils dann eingeheirateten und adoptierten Kaiser Hadrian, Antoninus Pius und Marcus Aurelius weitergegeben wurde. Fassen wir die Beobachtungen zusammen und denken sie ein Stück weiter. Was Münzmotive betrifft, ist eine opfernde Gottheit das wohl deutlichste Kennzeichen der Nutzung religiöser Argumente zur Stärkung der Autorität des Herrschers. Besonders wirkungsmächtig war es offenbar, wenn in einer öffentlich wahrnehmbaren Situation tatsächlich eine göttliche Intervention zugunsten des Kaisers eingetreten war. Eine solche Propaganda konnte jedoch nicht aus dem Nichts entworfen werden: Im Fall Apollos, der Octavian den Sieg bei Actium schenkte, als auch im Fall Jupiters, der die Flavier vom Kapitol rettete, können wir davon ausgehen, dass eine sowohl als echt empfundene als natürlich auch kommunikativ geschickt genutzte religiöse Erfahrung ins Bild trat.

285 Nach der gängigen Rekonstruktion von AFA 29 II, Z. 10–12 (Poppaea, hier auch für die bald darauf verstorbene Tochter in Form der Iunoni Claudiae Augustae); 30cef, Z. 7–8 (Statilia Messalina). Zu Juno und Genius vgl. Latte 1960, 104–107.

3.4 Götter beim Opfer?

221

Auch die anderen spendenden Gottheiten sollten nicht lediglich als geschickte Erfindungen einer kaiserlichen PR-Abteilung verstanden werden. Wenn man die politische Ausrichtung und mit Ando (2008) die empirisch-epistemologische Herangehensweise römischer Religion berücksichtigt,286 resonierte in der häufigeren Nutzung des Motivs segenspendender Götter eine religiöse Logik, nach welcher sich der beobachtbare Einfluss des einzelnen Monarchen auf inneren wie äußeren Frieden und Wohlstand auch auf religiöser Ebene manifestieren musste. Dadurch, dass der Kaiser eine politisch derart dominante Rolle einnahm, mussten positive Zustände auf die göttliche Unterstützung des Herrschers selbst zurückgeführt werden, weshalb man schon unter Augustus damit begann, die öffentlichen Opfer und vota vornehmlich für das Wohlergehen des Kaisers zu begehen. Während das Motiv für einen republikanischen Münzmeister eine nur sehr allgemeine positive Aussage über glückliche Zeiten getroffen hätte, war es für einen Kaiser deutlich attraktiver und wirkungsvoller, vermeintlich göttliche Gaben zu betonen. Dass Concordia und Salus die beiden Gottheiten sind, die in der Kaiserzeit über alle Jahrhunderte hinweg nicht nur regelmäßig, sondern auch mit Abstand am häufigsten mit patera abgebildet wurden (vgl. für das erste Jahrhundert Tab. 4), ist meines Erachtens durchaus einleuchtend: Wenn auch nicht durch eine punktuelle Epiphanie, so entfaltete doch auch hier die Botschaft Tab. 4:

Augustus Tiberius Caligula Claudius Nero Bürgerkriege Galba Otho Vitellius Vespasian Titus Domitian Nerva Trajan GESAMT

Anzahl der Münztypen nach RIC mit Gottheiten, die eine Opferschale (Pietas Trajans: Räucherwerk) halten. Concordia 3 2 11 32 20 14 82

Salus 6 20 21 5 7 59

Vesta 3 4 6 2 6 2 7 30

Genius 30 1 4 4 22 61

Victoria 4 17 21

Fides 1 11 12

Pietas 3 9 12

Erläuterung: Alle weiteren < 10 Typen. Im zweiten Jahrhundert wird die Dominanz von Concordia und Salus noch deutlicher.

286 Ando 2008, xviii, siehe u. a. auch 13–15.

222

3 Die Vereinnahmung der Götter

schaft einer vermeintlich göttlichen Gabe ihre Wirksamkeit durch die Anknüpfung an das reale Erleben der Rezipienten, deren religiöse Vorstellungen auf Beobachtung und Erfahrung reagierten. Die Eintracht innerhalb der (insbesondere aristokratischen) Gesellschaft (Concordia) war dabei durch das Fehlen von Bürgerkrieg und Gerichtsprozessen noch direkter spürbar und wahrscheinlich auch deshalb in der numismatischen Bildsprache deutlich häufiger als der äußere Frieden (Pax). Da concordia und salus ausreichend subjektiv und dehnbar waren und somit durch eine entsprechende Wiederholung in Wort und Bild, üppige Feste oder auch Geschenke an die Bevölkerung schlichtweg suggeriert werden konnten, war dieser Beweis leicht zu erbringen und wurde deshalb – in Form eines Münzbildes – von oben gezielt und prominent immer wieder in den Diskurs über die kaiserliche Autorität eingespielt. Aus dieser Perspektive bildete Nero, von dem sich spätere Kaiser in anderer Hinsicht gerade abzugrenzen versuchten, den Übergang zu einem nicht nur punktuell in einzelnen Ereignissen, sondern ganz selbstverständlich und auch von Seiten der kaiserlichen Autorität selbst auf der Unterstützung höherer Mächte begründeten Herrschaftsanspruch der römischen Kaiser. Das Bild der opfernden SALVS oder CONCORDIA AVGVSTI stabilisierte sich als vielfach einsetzbares Motiv in der Herrschaftsdarstellung: Concordia und Salus mit patera gingen ins Standardrepertoire der kaiserlichen Münzprägung über. Deshalb stellen sie jedoch keinesfalls generische, weitgehend bedeutungslose Motive dar. Gerade weil sie insgesamt besonders häufig sind, sollte die zeit- und personenübergreifende Aussagekraft und Nützlichkeit der Spendegeste für die kaiserliche Herrschaftsdarstellung Beachtung finden.

3.5

Der Kaiser als Gott?

In einer Arbeit über religiöse Aspekte in der Repräsentation des römischen Kaisers mag zuletzt verwundern, dass der Status des Herrschers selbst als Gott bisher nicht explizit thematisiert wurde. Dies sei an dieser Stelle sowohl begründet als auch nachgeholt. In den Motiven der Reichsprägung spiegelt sich nur ein kleiner Teil der komplexen Themenfelder Divinisierung und Kaiserkult. Gerade letzterer wurde vor allem an den Kaiser herangetragen und kommt in der hier untersuchten, kaiserlichen Münzprägung selbst entsprechend so gut wie nicht vor. Neben den von mir weitgehend ausgeklammerten Abbildungen vergöttlichter Vorgänger und der ab Mitte des Jahrhunderts häufig auftretenden Strahlenkrone, ausführlich besprochen insbesondere bei Bergmann (1998), sind es nur einzelne, in der Regel aus dem üblichen Motivprogramm herausstechende Typen, die den Kaiser in Götterpose zeigen und die ich bereits an verschiedenen

3.5 Der Kaiser als Gott?

223

Stellen besprochen habe. Auf Grundlage der vorgestellten Ergebnisse möchte ich zum Thema zuletzt noch einige Gedanken festhalten. Die durch den Kult herstellbare Verbindlichkeit der Götter gegenüber den Menschen lässt religiöse Ehrungen für den Kaiser in verändertem Licht erscheinen. Die von den Senatoren angetragenen Ehrungen können als eine Art immaterieller Gabentausch gesehen werden, bei dem der Kaiser mit der Annahme einer Ehrung ebenso wie ein durch ein Opfer zur Unterstützung verpflichteter Gott implizite Zusagen machte. Tiberius wollte sich in dieser Hinsicht nicht zu sehr vereinnahmen lassen und lehnte deshalb zahlreiche Ehrungen (zumindest zunächst) ab.287 Wenn der Senat inmitten zahlreicher Prozesse gegen Aristokraten einen Altar für die clementia des Kaisers weihte,288 war dies in gleichem Maße Schmeichelei und Verbindlichkeit – die Milde des Kaisers wurde in den kultischen Bereich ausgelagert und so zumindest gedanklich unter die Kontrolle der senatorischen Supplikanten gestellt. Auch das scheinbar widersprüchliche (und deshalb vermeintlich wahnsinnige) Verhalten Caligulas, der entsprechende Ehrungen ablehnte und gar aufheben ließ, später aber Tempel und Opfer zu seinen Ehren erzwungen haben soll, erscheint unter Berücksichtigung der jeweiligen Kommunikationsrichtung weniger unlogisch.289 Bereits die Forderung des Augustus, dass Tempelweihungen in den Provinzen nicht bloß für seine Person, sondern immer auch für die Staatsgöttin Roma vorgenommen werden sollten, ergibt vor allem als Entschärfung der Erwartungen an die Rolle des Kaisers Sinn – stellte Augustus hier doch klar, dass nicht er allein für die Provinzen verantwortlich sei.290 Steckte dahinter auch ein Ausdruck von Bescheidenheit, so war dies sicherlich mehr eine Aussage über die politischen Gegebenheiten denn darüber, dass Augustus’ göttlicher Status durch die parallele Verehrung von Roma bewusst geschmälert worden sei. Auch insofern ist es wenig überraschend, dass die Abbildung der engen kaiserlichen Beziehung zu den Göttern im offiziellen Medium Münze eine weitaus größere Rolle spielte als die Vergöttlichung der Person des Kaisers selbst. Wie Clauss (1996) mit Blick auf den römischen Kaiser als deus praesens argumentiert, wurde der Kaiser auch im Westen des Reiches zu Lebzeiten durchaus als Gott wahrgenommen und durch zahlreiche Ehrungen aus dem religiösen Bereich 287 Ehrungen für seinen göttlichen Vater, mit denen er seinen eigenen Status als divi filius sicherte, ohne selbst Verbindlichkeiten einzugehen, ermutigte Tiberius hingegen explizit (vgl. Taylor 1929) und auch er selbst wurde von Zeitgenossen durchaus als lebender Gott gesehen, siehe dazu neben Clauss 1996 auch Mueller 2002, 179–181. 288 Tac. ann. 4,74,3; den ähnlichen Vorgang für Caligula bei Dio. 59,16,10 habe ich eingangs bereits erwähnt. 289 Dio. 59,4,4. 290 Suet. Aug. 52. Die Stelle belegt zudem, dass es sich keinesfalls um eine exzeptionelle Ehrung handelte, mit der man nicht richtig umzugehen wusste (quamvis sciret etiam proconsulibus decerni solere). Vgl. auch Tac. Ann. 37,3 für Tiberius, der den Genius des Senates mitverehren lassen will.

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3 Die Vereinnahmung der Götter

göttergleich ausgezeichnet. Für Clauss ist ein Gott, wer eine Weihinschrift mit der üblichen vota-Formel, einen Tempel, einen Priester, einen Altar, ein Opfer oder Ähnliches erhielt oder schlichtweg „Gott“ genannt wurde.291 Dies trifft, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, unbestreitbar auf alle Kaiser zu – eine kategorische und nicht nur graduelle Trennung in lediglich „göttergleiche“, aber dennoch stets menschliche Ehren zu Lebzeiten und „richtigen“ Götterstatus erst nach dem Tod ist möglicherweise mehr modernen Sensibilitäten geschuldet, als dass sie antiken Vorstellungen vollends gerecht wird. Schuld daran, dass Clauss’ Argumentation nicht alle überzeugt hat, ist das disparate Bild, das unsere Quellen zu dieser Frage abliefern: Während Dichtung, Weihinschriften, Senatsbeschlüsse und Darstellungen des Kaisers auf Gemmen und in manchen Reliefs den Herrscher oft mit unzweifelhaft göttlichen Attributen zeigen, belegen die antiken Autoren immer wieder große Irritationen, wann immer eine Person sich den Göttern annähern wollte. Alföldi (1999) führt dies als Argument gegen Clauss (1996) an, letztlich rücken beide damit jedoch zwei unterschiedliche Perspektiven in den Vordergrund, die bereits in der Antike getrennt wurden.292 In der kaiserlichen Münzprägung wiederum schlugen göttliche Ehrungen verschwindend selten explizit durch. Die unterschiedlichen Zeugnisse lassen sich zu einem stimmigen Bild zusammenführen, wenn man die unterschiedliche Kommunikationsrichtung der Quellen beachtet. So ergibt sich, dass die Darstellung des Kaisers als Gott durch andere tatsächlich schon von Beginn an weitgehend unproblematisch war. Bleiben wir innerhalb der Quellengattung „Münze“, hätte bereits ein Buch über die religiöse Charakterisierung kaiserlicher Autorität aus Blick der Städteprägungen, „bottom up“ statt „top down“, zweifelsohne sehr anders ausgesehen. Über die religiöse Ebene konnten die Provinzialen ihre Loyalität bekunden und mit dem abwesenden Kaiser über Kulthandlungen kommunizieren293 – so wie dieser es mit verstorbenen und dann vergöttlichten Mitgliedern seiner Familie tat, um öffentlich deren Unterstützung zu suggerieren. Immer wenn eine Person wegen der Angleichung an die Götter jedoch kritisiert wurde, hatte sie einen göttlichen Status für sich selbst einfordert. Ein Kaiser, der sich bereits selbstgenügsam als Gott präsentierte, beraubte die Senatoren ihrer aktiven Rolle als Klienten und zwang sie in betont einseitige Abhängigkeit. Während Gemmen und Reliefs oft eine private oder senatorische Aussage wiedergaben, war als Statement von Seiten des Kaisers – und somit in der kaiserlichen Münzprägung – mit der Darstellung als Gott tatsächlich sensibler umzugehen. Bereits Augustus’ Res Gestae, von der Kommunikationsintention 291 Clauss 1996, 402. 292 Alföldi 1999, 51 mit Anm. 44. 293 Clauss 1996, 428: „Mit einem entsprechenden Kult des princeps als deus praesens konnte die ungeheure Machtfülle des Herrschers in den Augen der Reichsbevölkerung einen adäquaten Ausdruck finden. Insofern lassen sich Religiosität und Loyalität nicht säuberlich voneinander trennen. Religiosität schafft und fördert Loyalität, Loyalität mündet in Religiosität.“

3.5 Der Kaiser als Gott?

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und -richtung her noch am ehesten mit der kaiserlichen Münzprägung zu vergleichen, sind trotz der zahlreichen göttlichen Ehrungen, die er erhielt (und die in der bildlichen Kunst auch explizit abgebildet werden),294 hinsichtlich des göttlichen Status des Prinzeps auffällig zurückhaltend. Ein brauchbarer Mittelweg, den ich für die Münzprägung besprochen habe, war, die vom Senat dem Kaiser geweihten Altäre abzubilden295 oder Gottheiten vermehrt als AVGVSTA und vor allem AVGVSTI und somit als mit und durch den Kaiser wirkende Kräfte zu präsentieren. Hier beweist sich, dass es durchaus sinnvoll ist, die Repräsentation des römischen Kaisers im Medium Münze, und auch hier unterschieden in Reichs- und Städteprägung, getrennt zu betrachten. Ohne eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Kommunikationssituationen erhalten wir sonst ein zunächst vermeintlich widersprüchliches und in der Zusammenschau verwaschenes Bild. Neben diesem Grund für das weitgehende Fehlen expliziter Darstellungen des Kaisers als Gott auf Münzen liegt ein bedeutender zweiter jedoch wohl auch darin, dass die göttliche Verehrung des Kaisers zwar zum Ausdruck von Loyalität für die Reichsbevölkerung und Teile der Aristokratie geeignet war, in der Topdown-Kommunikation jedoch auch jenseits der mit ihr verbundenen Sensibilitäten als deutlich weniger wirkungsvoll erachtet wurde. Solange es kein Konzept von einem allmächtigen Gott gab, bot die Darstellung des Kaisers als Gottheit in der Glaubenswelt der Antike effektiv keinen großen Mehrwert über das hinaus, was er ohnehin an Autorität hatte – auch wenn es seine Untergebenen mit einem brauchbaren Formular versorgte, um ihre Ehrerbietung auszudrücken oder gar auf indirektem und politisch unproblematischem Wege Unterstützung einzufordern. In einem System, das viele Götter nebeneinander kannte, scheint es ausdrucksstärker gewesen zu sein, stattdessen zu vermitteln, dass der Kaiser von vielen anderen göttlichen Kräften direkt unterstützt (seltener: auserwählt) wurde, die immer zahlreicher und konkreter wurden. Victoria, Salus und Concordia, vor allem mit expliziter Spendegeste, buchstabierten die dank dem Kaiser und durch ihn wirkenden göttlichen Kräfte kommunikativ viel eindrucksvoller aus, als es die Abbildung eines kaiserlichen Gottes getan hätte.

294 Zu göttergleichen Ehrungen für Augustus siehe Clauss 1996, 411–421. Bereits Lambrechts 1953, 76–79 betont, dass die göttlichen Ehrungen für Augustus in Italien keineswegs bloß für dessen Genius gedacht waren. Für Abbildungen in der Kunst vgl. etwa Scott Ryberg 1955, insb. 53–58, auch wenn sie stets eine „insistence on the priestly, not godly, status of the living emperor“ sehen möchte (63). 295 Auch Augustus erwähnt in R. Gest. div. Aug. 12,2 die für ihn beschlossene Ara Pacis.

4

Zusammenfassung und Fazit

Im Fazit seiner Studie zur Herrschaft des Vitellius äußerte Coale (1971) Bedenken, ob die Natur unserer literarischen und insbesondere numismatischen Quellen ein schlüssiges Narrativ überhaupt zulasse. Aber müsse das überhaupt das Ziel der Geschichte sein? Schließlich sei die Feststellung, dass eine einheitliche Erzählung nicht rekonstruierbar sei, „an equally legitimate conclusion“.1 Die Geschichtsschreibung und bereits die Interpretationsleistung der einzelnen Autoren bügelt viele historische Unebenheiten zugunsten einer leichter verständlichen, narrativen Form automatisch aus. Wo eine Geschichte erzählt werden soll, ist wenig Platz für Kontingenzen und Holzwege. Auf Münzen hingegen treten uns einzelne Momente als in Metall eingefrorene Entscheidungen für ein bestimmtes Motiv zu einem bestimmten Zeitpunkt entgegen. Sie liefern als Primärquellen so ein deutlich holprigeres, aber deshalb womöglich im Detail treffenderes Bild als die Historiografie. In dieser Arbeit habe ich ihnen den Vorzug gegeben. Ein zusammenfassendes Gesamtbild anhand von Material zu skizzieren, das sich gerade durch das Fehlen von Narrativität auszeichnet, ist eine Herausforderung und wird den kleinen Detailbeobachtungen, die gerade nicht ins Gesamtbild passen, nur schwerlich gerecht. Ich will es in aller Kürze dennoch versuchen. Die diachrone Perspektive auf „die Veränderungen der Bildkonzepte und Rollenbilder der Kaiser in den Bildmedien“ sollte dabei helfen, mit von den Hoff (2011) den „dynamischen, sozial gegliederten, kommunikativen Prozess“ zu beschreiben, in dem die „im Prinzipat als labilem politischem System gerade nicht normierte[ ] Rolle des Herrschers“ verhandelt wurde.2 Dieser Prozess des kontinuierlichen Kopierens, Veränderns und Kombinierens von Elementen kaiserlicher Autorität lässt sich anhand der numismatischen Bildsprache systematisch und objektiv nachvollziehen. Ich möchte hier erneut betonen, dass der Diskurs über die Kaiserherrschaft selbst als gewichtiger Bestandteil und nicht nur als Zerrbild des Prinzipats betrachtet werden sollte. Begreifen wir die Institution als mehr als ihre rechtlich-politische Grundlage, lässt sich vom Fehlen einer greifbaren Verfassung keinesfalls auf eine grundsätzliche institutionelle oder legitimatorische Schwäche des Prinzipats schließen.3 Meine Arbeit ging von der Beobachtung aus, dass sich ein Großteil der Kommunikation über die Autorität des Kaisers statt auf der politischen auf der religiösen Ebene bewegte. Die immer wieder dargelegte und breit akzeptierte Position des Kaisers als Mittler zwischen Menschen und Göttern, pater patriae oder Durchführender von (und Grund für) 1 2 3

Coale 1971, 247. von den Hoff 2011, 43 So zuletzt etwa Vössing 2020, 12–15.

 

228

4 Zusammenfassung und Fazit

vota publica war im römischen Denken alles andere als unverbindlich und wird in den Augen vieler Zeitgenossen eine völlig ausreichende „staatsrechtliche“ Begründung der kaiserlichen Führungsrolle dargestellt haben. Diese zivilreligiöse Verankerung der kaiserlichen Position war von Beginn des Prinzipats an sicherlich wirkungsmächtiger als es eine Verfassung hätte sein können. Grundsätzlich zeigt die Verwendung religiöser Motive auf Münzen, ob Götter oder Ritualwerkzeug, im ersten Jahrhundert neben erwartbaren Kontinuitäten auffällig viele Inkonsistenzen, Innovationen und noch sehr unterschiedliche, situationsspezifische Ausrichtungen kaiserlicher Repräsentation. Obwohl spätestens ab Caligula vieles an der Kaiserherrschaft formal selbstverständlich geworden war, zeigt sich auf vielen Ebenen auch noch ein Experimentieren mit der Ausgestaltung dieser Autorität. Das Bild, das wir durch die Untersuchung der Münzprägung erhalten, zeigt dabei erwartungsgemäß auch manche Parallelen zu dem Bild, das uns aus schriftlichen Quellen bekannt ist. Grob könnte man meinen, dass der unter Caligula eskalierte Konflikt zwischen Senat und Kaiser die Vorteile der Alleinherrschaft eines Prinzeps noch einmal in Frage gestellt hatte – zumindest reagierte man unter Claudius rechtfertigend mit der Propagierung der Gottheiten Pax und Constantia als positive „Kehrseiten“ der kaiserlichen Macht sowie mit dem (im römischen Kontext wohl immer überzeugenden) Argument militärischer Erfolge. Der spürbare Bruch in der Schwerpunktsetzung der Münzmotive nach dem Tod Neros illustriert, dass es in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nicht mehr darum ging, die Existenz eines Prinzeps an sich zu rechtfertigen, denn vielmehr um die Eignung des jeweiligen Herrschers. Ab Galba stieg die Anzahl der Abbildung von Gottheiten, die explizit positive Charaktereigenschaften des Kaisers zum Ausdruck brachten, bis ins zweite Jahrhundert auf ein sehr hohes Niveau an. Nach typisch „autokratischen“ Gemeinsamkeiten in der Auswahl religiöser Motive durch Kaiser, denen die literarische Überlieferung einen besonders tyrannischen Regierungsstil attestiert, sucht man vergeblich. Ein stärker als zuvor auf die Person des Kaisers selbst ausgerichtetes Machtverständnis spiegelt sich höchstens in ikonografischen Innovationen, welche mehr als zuvor die göttliche Unterstützung des Kaisers als Ausdruck seiner Autorität in Anschlag brachten. Unter Nero traten so zum ersten Mal die Strahlenkrone für den lebenden Herrscher und in größerer Anzahl spendende Gottheiten in der Münzprägung auf, und Domitians Münzprägung ist besonders auffällig durch den starken Fokus auf die kaiserliche Lieblingsgottheit Minerva.4 Für Domitian mag man in der stark personalisierten und dadurch weniger breit anschlussfähigen Kommunikation auf Münzen vorsichtig eine Parallele zur Selbstisolation und Entfremdung des Kaisers von der Senatsaristokratie sehen.5 Gleichzeitig konnten sich Nero und 4 5

Für Caligula lässt sich vergleichbar Aussagekräftiges jenseits eines einzelnen Motivs (RIC I² 33, 41 – die Schwestern mit göttlichen Attributen) hingegen nicht finden. Vgl. Schnurbusch 2011, 289.

4 Zusammenfassung und Fazit

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Vespasian, in vielerlei Hinsicht ganz unterschiedlich bewertete Kaiser, unproblematisch in göttergleicher – und im Fall von Domitian und Trajan sogar identischer – Form auf Münzen abbilden lassen. Die Abbildung des lebenden Kaisers in Götterpose trat hier weitgehend unvermittelt auf und scheint keinen Unmut hervorgerufen zu haben. Dass solche Motive selten sind, liegt womöglich weniger daran, dass die Annäherung eines Kaisers an einen Gott grundsätzlich problematisch gewesen wäre und man sich in der Repräsentation langsam dahin hätte vortasten müssen. Stattdessen dürfte die Rolle des Kaisers nicht als Gott, sondern als unumgänglicher Mittler zwischen Menschen und Göttern und göttlich Auserwählter, sichtbar unter anderem in der Zunahme von Opferdarstellungen und der veränderten Nutzung von Konzepten wie Pietas und Providentia, schlicht aussagekräftiger und wirkungsvoller gewesen sein. Angesichts dessen, welch große Bedeutung dem Traditionsbewusstsein der Römer und Römerinnen zugeschrieben wird, ist es zunächst verwunderlich, wie unterschiedliche Bildstrategien in doch recht schneller Folge für die beste Kommunikationsweise kaiserlicher Macht befunden wurden. Ich hoffe, auch in Bezug auf die bereits vielfach bemerkte, wichtige kommunikative Funktion von Traditionen, Rückbezügen und/oder schlichtweg bekannten Bildern zusätzlich Detailschärfe geliefert zu haben. Im ersten Jahrhundert des Prinzipats wurde durch die Abbildung von Priestergerätschaften oder der Göttin Vesta teils aktiv auf die Wahrung der althergebrachten, religiösen Ordnung hingewiesen, um die Seniorität und unbestrittene Gültigkeit des Kultwesens auf die noch jüngere und mit jedem Amtsinhaber wechselnde kaiserliche Autorität zu übertragen. Am eindrucksvollsten ist dies für Trajan mit der Wiederholung diverser Vesta-Typen des vergangenen Jahrhunderts und dem Herbeizitieren verschiedener älterer Gottheiten auf Münzen sichtbar. Eine grobe quantitative Einordnung der Motive und Motivgruppen hat sich dabei als wertvoller Zugang erwiesen, um zu erkennen, für welche Typen nach einem spezifischen Kontext gefragt werden sollte, da sie eben nicht regelmäßig auftreten und somit pauschal behandelt werden könnten. Neben den erwartbaren Kontinuitäten in der Bildsprache bleiben explizite Verweise auf ältere Kulttraditionen etwa selten und sind zumeist situativ gebunden. Ebenso aussagekräftig, wenn nicht gar im Diskurs über die Kaiserherrschaft noch interessanter, sind gerade auch der Bedeutungswandel bestehender und das Auftreten neuer Bildkonzepte. Die Beobachtung, dass „der Fundus der Inhalte und Ausdrucksformen von Herrschaftsdarstellung über Jahrhunderte stabil“ geblieben sei,6 täuscht dabei über erstaunlich große Unterschiede und Freiheiten in der Darstellung der Kaiser im ersten Jahrhundert hinweg. Gerade im religiösen Bereich, dessen Ikonografie vielfach von beharrlichen Traditionen bestimmt ist, zeigen sich auf Münzen auch die Freiräume in der Ausgestaltung

6

Seelentag 2011, 304.

 

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4 Zusammenfassung und Fazit

kaiserlicher Autorität und die unterschiedlich starke Fokussierung auf die Person des einzelnen Kaisers. Trotz der bereits einleitend dargestellten Stabilisierung der angesprochenen Ebenen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ist eine wirklich einheitliche Bildsprache, und damit auch ein einheitliches Konzept kaiserlicher Autorität, zumindest für das erste Jahrhundert nicht feststellbar – zumal wir Grund zur Annahme haben, dass auch kleinere ikonografische Änderungen entscheidende Bedeutungsunterschiede haben konnten. Die Kapitel dieser Arbeit haben sich im Laufe meiner Untersuchungen zu teils recht unabhängigen Einzelstudien entwickelt. Ihr roter Faden ergibt sich vor allem durch die von modernen Betrachterinnen und Betrachtern, so auch von mir, vorweg unterstellten inhaltlichen Gemeinsamkeiten der „religiösen Motive“ auf Münzen – die sich im Detail aber stellenweise als trügerisch herausgestellt haben. Ein zentrales Ergebnis meiner Untersuchung ist auch, dass die kommunikative Bandbreite der verschiedenen dem religiösen Spektrum zugeordneten Zeichen groß und die innere Kohärenz der von uns oft ohne Weiteres als „religiös“ kategorisierten Elemente fragwürdig ist. Religiöse Motive auf Münzen sollten weit mehr als die Rolle des Kaisers im Kultwesen zum Ausdruck bringen. In der Tat nahmen sie auf die kultischen Funktionen des Kaisers oder dessen „Frömmigkeit“ meines Erachtens sehr selten Bezug. Insbesondere die Ausdrucksmöglichkeiten von Götterbildern, die sicher mehr als nur allgemeine Bedeutung hatten, sind gelegentlich unterbewertet worden. Dass sehr konkrete zivile Motive in der Münzprägung wenig vorkommen, bedeutet keinesfalls, dass die häufigen Münztypen mit Göttermotiven keine aktuelle politische Bedeutung haben konnten.7 Für das den einzelnen Moment um viele Jahre überdauernde Medium Münze waren stattdessen generalisierende Darstellungen schlichtweg sinnvoller. Gottheiten wie Clementia, Justitia, Pax und Concordia, aber auch Abbildungen des Kaisers beim Opfer nach dem Einzug in Rom inmitten von Siegesmotiven oder mit Merkurstab auf kurulischem Stuhl legen nahe, dass der so wenig auf Münzen sichtbare zivile Aspekt im Sinne einer allgemeineren Aussage oft in religiöse Gewänder gekleidet wurde. Über die diversen Gottheiten und die Kombination ihrer Attribute konnten sehr spezifische Aussagen getroffen werden. Ebenso verweist nicht jedes Priestergerät lediglich auf die Priesterrolle des Kaisers, und nicht jeder Verweis auf die Priesterrolle des Kaisers sollte ausdrücken, dass dieser besonders „fromm“ oder pflichtbewusst gewesen sei. Tempel-, Altar- oder Priestergeräteabbildungen werden gelegentlich zu Unrecht vereinfacht als Hinweis auf die Rolle des Kaisers im Kultwesen zusammengefasst.8 Die 7

8

Duncan-Jones 2005, 470–471 ist als extremes Beispiel etwa der Ansicht, dass die häufige Nutzung von religiösen Motiven und die umgekehrt geringe Anzahl von Abbildungen von „government achievements“ „in an explicit way“ gar einen „lack of interest in using coinage for communication“ belege. So sieht etwa Ruff 2012, 41 für Vespasian das Motiv mit Priestergerätschaften, den Verweis auf den Oberpontifikat, Vesta-Motive und Abbildungen des Tempels der Vesta und

4 Zusammenfassung und Fazit

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unterschiedlichen, situativ abhängigen Deutungen der vielfältigen religiösen Motive lassen sich stattdessen nur schwer zu allgemeinen Aussagen verbinden. Einige zentrale Punkte zur Frage nach der Bedeutung von Religion für die Kaiserautorität seien im Folgenden aber noch einmal zusammengefasst.

Der Kaiser, seine Priesterämter und seine Rolle im Kultwesen In einem ersten Teil habe ich die Rolle der Priesterämter und Kultgegenstände in der kaiserlichen Repräsentation auf Münzen untersucht. Für die Abbildung von Priestergerätschaften, aber teilweise auch für die Nennung des Oberpontifikats ließ sich eine Bevorzugung von höheren Nominalen ausmachen. Ich gehe deshalb davon aus, dass Priestermotive aufgrund des sozialen Status, den die Ämter mit sich brachten, insbesondere in der aristokratischen Gesellschaftsschicht resonierten und nicht etwa wirkungsvoll als Motiv zur Anspielung auf die religiösen Gefühle des einfachen Volkes eingesetzt werden konnten. Die gegenteilige Beobachtung ließ sich für Altarabbildungen und die in einem damit zusammenhängenden Exkurs besprochenen Abbildungen der Gottheit Securitas treffen, die auffällig oft auf Bronzenominalen und/oder im provinzialen Kontext als Ausdruck von Loyalität und zur Charakterisierung der supplikativen Beziehung zum Kaiser verwendet wurden. Mehrfach zeigte sich, dass die priesterliche Rolle des Kaisers für die Darstellung seiner Autorität erheblich weniger relevant war als militärische und politische Errungenschaften. Insbesondere die Bedeutung des von den Kaisern monopolisierten Oberpontifikats wurde bisher oft überbewertet. Dies spiegelt sich einerseits in der insgesamt geringen Nutzung von Priestermotiven, der kaum gezielten Nutzung des Oberpontifikats in der Legende, aber auch in der Gestaltung der einzelnen Motive im Detail. Im Fall des berühmten Münzmotivs für die Augustusenkel Gaius und Lucius sollten die klein, aber zentral abgebildeten Priestergerätschaften wohl die ordnungsgemäße Gültigkeit der zu diesem Zeitpunkt doch ungewöhnlich hohen Ehrungen für die sehr jungen Männer signalisieren. Die Aufnahme in die wichtigsten Priesterkollegien wurde auf Münzen zudem nur für junge, anderweitig unerfahrene Nachfolger wie Nero und Commodus beworben, während politische Ämter und militärische Leistungen zur Auszeichnung bereits profilierter Kandidaten wirksamer waren. Auch für einen bereits amtierenden Kaiser war aus der schnell selbstverständlichen Mitgliedschaft in den vier amplissima collegia nicht so viel zu gewinnen, als dass sich Münztypen mit Priestergerätschaften lediglich als Verweis auf diese „Errungenschaft“ erklären ließen. Stattdessen schließe ich mich der breiteren Deutung an, die diese ungewöhnliche Betonung der Priesterämter unter Vespasian und

 

des Jupiter Optimus Maximus insgesamt als „Akzentuierung des Staatskultes und der Position des Princeps innerhalb desselben“.

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4 Zusammenfassung und Fazit

Nerva als gezielte Anknüpfung an althergebrachte Traditionen und demonstrative Achtung der Kaiser vor dem römischen Kultwesen versteht. Dies war jedoch keine grundsätzlich wirkungsvolle Botschaft, sondern speziell für diese beiden auf bisher unübliche Weise an die Macht gekommenen Nachfolger gewaltsam gestürzter Kaiser sinnvoll, um das Verhältnis zwischen res publica und Prinzeps zu harmonisieren. Angesichts der von antiken wie modernen Autoren gleichsam betonten Bodenständigkeit und Rationalität im Auftreten Vespasians ist sowohl die eindeutig strategische Nutzung solcher religiösen Elemente als auch die stärkere Propagierung von göttlicher Auserwähltheit der Kaiserherrschaft auf Münzen des ersten Flaviers erstaunlich.9 Die vespasianische Münzprägung, etwa die Nutzung des Motivs mit Kultgerätschaften und Augurat, bezeugt in jedem Fall, dass es dem Kaiser mit der „einfachen Art“, dessen Sohn mit dem Sohn des damaligen Kaisers Claudius unterrichtet wurde und dessen langjährige Partnerin die Sekretärin der zeitweise einflussreichsten Frau der julisch-claudischen Familie gewesen war,10 wie auch seinem Umfeld keinesfalls an Gespür für die aristokratische Kommunikation mangelte11 – ganz im Gegenteil. Für ihn wie auch für den ebenfalls nicht dynastisch legitimierten Nerva wurde in der numismatischen Bildsprache über religiöse Traditionen eine überpersonale Kontinuität aufgerufen und eine Autorität, die über Amt und Amtsinhaber hinausging. Unter anderen Kaisern, die nicht als Nachfolger eines als Tyrann gebrandmarkten Vorgängers antraten, war dies jedoch an sich keine besonders wirkungsvolle Aussage. Auch für Vespasian wurden die Priestergerätschaften und das parallel geprägte Vesta-Motiv bewusst noch mit dem (im Weberschen Sinne) rationalen Teil seiner politischen Macht, der tribunicia potestas, verbunden. Die besondere Aufmerksamkeit für die Kombination von Bild und Kaisertitulatur lässt sich in diesem Fall durch die gezielte Änderung der Legende für beide Motive nachweisen. Das Amt des pontifex maximus eignete sich zwar besser als andere mehrfach besetzte Priesterämter, um die Sonderstellung des Kaisers herauszustellen, seine Kompetenzen wurden dadurch machtpolitisch jedoch kaum relevant erweitert. Ich habe dafür plädiert, Caesar, der sowohl wegen seiner gekauften Wahl als auch wegen seiner Amtsführung in der Kritik stand, nur mit Vorsicht als Vorbild für Augustus als pontifex maximus zu betrachten, und die aktive, „charismatische Ausgestaltung“ des Amtes in Frage gestellt. Diese hätte sich meines 9

10 11

Vgl. etwa Zanker 1979, 363: Das realistischere, unschmeichelhafte Kaiserporträt Vespasians zeige, dass für Vespasian die „herausgehobene Stellung des Princeps, seine übermenschlichen Qualitäten […] nicht ins Bild aufgenommen, das Herrscherliche […] allein in der Willenskraft und im Arbeitsvermögen gesehen“ worden wäre. Suet. Tit. 2; Suet. Vesp. 3; Dio. 65,14. Weynand 1909, 2692. Das mittlerweile, wenn auch nicht vollständig, so doch zumindest in dieser Stärke überholte Gegenbild ist Vespasian als Außenseiter vom Dorfe, der sich in der Aristokratie nicht zurechtfand, etwa in der einflussreichen Darstellung von Heuß 1960, 339.

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Erachtens in der Münzprägung niederschlagen müssen, ist dort aber kaum nachweisbar. Im Gegenteil lieferte die systematische Untersuchung der numismatischen Zeugnisse dahingehend, wann das Amt betont, aber gerade auch wann es weggelassen wurde, besonders für die zweite Hälfte des Jahrhunderts deutliche Hinweise dafür, dass das oberste Priesteramt in der Titulatur keine besondere Aufmerksamkeit erfuhr. Der achtsamer verwendete pater patriae-Titel hingegen war vermutlich eine Steigerung der allgemeinen religiösen Zuständigkeit für das Wohl des Staates, auch seine Verleihung war mit deutlich mehr Bedeutung aufgeladen als die des Oberpontifikats. Die Nennung des pontifex maximus-Titels, mit dem die Kaiser nichts zu gewinnen, aber bei Missachtung religiöser Traditionen manches zu verlieren hatten, nahm im zweiten Jahrhundert ab. Auch das berühmte, weil so ungewöhnliche Münzmotiv des Vitellius mit Dreifuß, Rabe und Delfin ist bei genauerem Blick nicht als aus der Not geborener Versuch zu beurteilen, in Ermanglung prestigeträchtigerer Alternativen aus der Mitgliedschaft in den quindecimviri sacris faciundis soziales Kapital zu schlagen. Vielmehr dürfte es in einer machtpolitischen Ausnahmesituation als politische Botschaft bezüglich des Umgangs mit den ehemaligen Anhängern Neros und Othos funktioniert haben. Um die insgesamt geringe, stellenweise dann aber intensive Nutzung von Priestergerätschaften auf Münzbildern sowie die zwar kontinuierliche, aber nicht hervorgehobene Nennung des höchsten Priesteramtes zu erklären, habe ich den viel verwendeten Begriff des Charismas aus einem etwas anderen Blickwinkel angesetzt: Obwohl das althergebrachte Kultwesen zum Erbringen exzeptioneller Leistungen im Sinne eines „charismatischen Herrschers“ denkbar ungeeignet war, trug die auf diesem Feld demonstrierte gesellschaftliche Konformität des herausgehobenen Individuums einen großen Teil zur Akzeptanz kaiserlicher Autorität bei. Ohne die hier erreichte emotionale Integration des Herrschers in die Gemeinschaft hätten seine Verdienste wohl keine legitimierende Wirkung entfalten können. Anhand der seltenen Darstellungen des Kaisers beim Opfer ließ sich ebenfalls argumentieren, dass der persönliche Einsatz des Kaisers im Kultwesen für die Repräsentation seiner Autorität sonst eine geringe Rolle spielte. Auch wenn das Bild des Kaisers am Altar durch vota-Prägungen des zweiten Jahrhunderts geläufig ist, gab es im ersten Jahrhundert keine übliche Darstellung des „opfernden Kaisers“ auf Münzen, die etwa seine Frömmigkeit zum Ausdruck bringen sollte. Stattdessen traten entsprechende Motive in aller Regel nur in spezifischen Kontexten auf. Akzeptiert man die Loslösung der für die Antike alltäglichen Opfergeste von einem zwangsläufig kultischen Kontext, so treffen einige weitere Abbildungen sogar stärkere als die bisher vermuteten religiösen Aussagen, da sie den Kaiser oder seine Familie mit Opferschale als Wohltäter und nicht lediglich als um das Kultwesen bemühte Priester kennzeichnen. Die auch in diesen Motiven mitschwingende Reziprozität der menschlich-göttlichen Beziehungen hat sich als Hintergrundfolie zur Interpretation antiker religiöser Motive als

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besonders fruchtbar erwiesen. Sie wertet einerseits insbesondere die häufige, aber kaum besprochene Geste der spendenden Götter auf und klärt zum Teil, warum der Kaiser selbst auf Münzen selten als Gott dargestellt wurde, wo man doch in anderen Medien deutlich weniger zurückhaltend war und auch grundlegende gesellschaftliche Sensibilitäten bezüglich einer solchen Angleichung nur sehr bedingt geltend gemacht werden können. Angesichts der formelhaften Beziehung zu den Göttern, durch die diese auch zur Unterstützung verpflichtet werden konnten, sollten wir auch die Weihung von Altären für den Kaiser und die Vergöttlichung seiner Person in einem anderen Licht betrachten. Die Annahme von götterähnlichen Ehrungen bedeutete dann nicht nur die Duldung einer weiteren Schmeichelei, sondern auch die Bestätigung eines Verhältnisses gegenüber seinen Verehrern, das sich kaum noch auf unproblematische Weise politisch definieren ließ und daher kultisch ausgestaltet wurde.

Kaiserautorität und Götterbilder Während die Priesterämter der Kaiser immer weniger ihre Sonderstellung betonten, sondern zur bedarfsgerechten Zurschaustellung von Konformität eingesetzt wurden, wurde die unangreifbare Macht der Kaiser vor allem durch die umfangreichere, vielfältigere, weniger durch Traditionen eingeschränkte und umso aussagekräftigere Verwendung von Gottheiten auf Münzreversen kommuniziert. Die im Laufe des ersten Jahrhunderts stark zunehmende Häufigkeit von Götterabbildungen ist darauf zurückzuführen, dass sich göttliche dritte Instanzen besonders gut eigneten, um kaiserliche Autorität auf unproblematische und zugleich wirkungsstarke Weise zu transportieren. Wie eingangs erwähnt, wurden viele für die Kommunikation kaiserlicher Qualitäten ungeeignete Gottheiten dabei gar nicht oder nur selten auf Münzen abgebildet, obwohl wir von einer hohen kultischen Bedeutung innerhalb der Stadt Rom ausgehen können. Die Detailuntersuchungen zur Motiventwicklung insbesondere von Pietas und der wechselnden Attribute für Vesta bei einzelnen Kaisern legen nahe, auch für die meisten der zahlreichen und zunächst scheinbar unspezifischen Götterabbildungen eine gezielte kommunikative Bedeutung anzunehmen, die sich ohne präzisen historischen Kontext heute kaum mehr erschließen lässt. Durch mehrere kommunikativ erfolgreiche und von den Nachfolgern deshalb weitergeführte Ideen entwickelte sich die Nutzung von Gottheiten auf Münzbildern zur in der Breite gewichtigsten visuellen Kommunikationsstrategie kaiserlicher Macht. Der erfolgreichste insbesondere ab Nero bildlich umgesetzte Gedanke war der, dass sich in den Handlungen des Kaisers selbst Göttliches manifestierte. Sichtbar wurde dies etwa in der Etablierung der Gottheit Annona und ihrer anhand der Anzahl der Münztypen und der Langlebigkeit des Motivs messbaren kommunikativen Überlegenheit gegenüber Ceres. Weitere erfolgreiche Entwicklungen im Bereich der Götterabbildungen auf Münzen sind

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die explizite Kennzeichnung von Gottheiten als AVGVSTI oder AVGVSTA vor allem ab Claudius sowie die Darstellung der Gottheiten mit patera als segenspendende Kräfte ab Nero. Die „opfernden“ Gottheiten, die in der modernen Forschung für einige Verwirrung bei der Interpretation gesorgt haben, sind vor antikem Erwartungshorizont, bei dem von einem stärker reziproken Verhältnis zu den Göttern ausgegangen wurde, die expliziteste Inanspruchnahme göttlicher Unterstützung zur Stärkung der Autorität des Kaisers. Hier habe ich dafür plädiert, die Spendegeste als ausdrucksstarkes Gestaltungselement ernst zu nehmen. Während die ausgestreckte Opferschale wegen ihrer Häufigkeit im zweiten Jahrhundert als scheinbar generische Standardgeste der Götter kaum näher besprochen wurde, ist im ersten Jahrhundert noch zurückzuverfolgen, wie sie sich insbesondere für die göttlichen Formen des Staatswohls (Salus) und der Eintracht (Concordia) als erfolgreiche Strategie zur Vermittlung eines auf der dauerhaften Unterstützung höherer Mächte begründeten Herrschaftsanspruchs der römischen Kaiser erst etabliert. Die enge Verbindung des Kaisertums mit einer spezifischen Gottheit, die etwa Barceló (1996) als ersten Schritt hin zu Bemühungen um einen letztlich reichsweiten, monotheistischen religiösen Konsens betrachtet,12 erscheint im ersten Jahrhundert eher als Ausnahme denn als Wegbereiter. Bilder des Kaisers beim Opfer für eine bestimmte Gottheit, wie auf Münztypen Domitians vor dem Schrein der Minerva, finden sich später nicht mehr in der kaiserlichen Münzprägung. Der starke Fokus auf die persönlichen religiösen Präferenzen des Kaisers unter dem letzten Flavier, zusammen mit der gesteigerten Vergöttlichung von Familienmitgliedern, scheint unter Trajan mit der erstmalig in diesem Sinne eindeutigen Betonung der pietas gegenüber den Göttern und der Restauration zahlreicher alter Göttermotive sogar eine Gegenreaktion hervorgerufen zu haben. Durch die Kontextualisierung von Pietas- und Vesta-Abbildungen auf Münzen habe ich argumentiert, dass die Betonung religiöser Ernsthaftigkeit nicht systematisch, wenn, dann aber als Ausweichfläche zum Umgang mit potenziell für die kaiserliche Autorität problematischen Aspekten und Ereignissen verwendet wurde. Die Ergebnisse des zweiten Kapitels hatten bereits nahegelegt, dass die Darstellung kaiserlicher Herrschaft trotz der unbestreitbaren Relevanz kultischer Performanz in Rom selbst insgesamt von Beginn an nur geringfügig und zunehmend weniger von religiösen Sensibilitäten beeinflusst war. Entsprechend war auch die persönliche Haltung des Kaisers zu den Götterkulten meist eine politisch irrelevante Botschaft. Die Göttin Pietas, anhand derer Pflichtbewusstsein und „Frömmigkeit“ am ehesten kommuniziert werden konnten, spielte in diesem Sinne erst für die Adoptivkaiser eine Rolle – und hier zur Darstellung von Demut vor den göttlichen Mächten angesichts ihrer aus dynastischer Sicht potenziell problematischen Machtübernahme. Zwar nicht systematisch, aber in 12

Barceló 1996, 85, 93–94, 100.

 

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4 Zusammenfassung und Fazit

mehreren Einzelfällen ist dennoch auch die Resonanz bestehender religiöser Empfindsamkeit im Münzbild zu beobachten. Insbesondere Vesta, die sich nicht zur Darstellung konkreter kaiserlicher Leistungen eignete und deshalb auch verhältnismäßig wenig Widerhall in der Münzprägung fand, wurde in Krisenzeiten aufgrund ihrer kultischen Bedeutung als beruhigendes Bild aufgerufen. Die Sicherheit Roms konnte über Vesta und das mit ihr verbundene palladium gerade im stadtrömischen Kontext verständlich kommuniziert werden. Auch wenn die Verwendung verschiedener Attribute Vestas auf den Münzbildern eine inhaltlich differenzierte Gestaltung verrät, ist die sich noch immer haltende Annahme von der Abbildung einer spezifisch „palatinischen“ Vesta auf Münzen hingegen zu verwerfen. Über den städtischen Einflussbereich des Kultes hinaus war die Identifikation von Vesta mit Rom kommunikativ zudem nicht nutzbar. Dass kultische Überlegungen bei der Herrschaftsdarstellung nicht im Vordergrund standen, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass das palladium im zweiten Jahrhundert der leichter vermittelbaren Stadtgöttin Roma in die Hand gegeben und somit weitgehend vom kultisch bedeutsamen Kontext gelöst wurde. Ein weiteres Beispiel ist der Umgang mit providentia, die ursprünglich als Voraussicht des Augustus hinsichtlich der Nachfolge verehrt wurde. Im Vierkaiserjahr trat sie bereits als göttliche Vorsehung im allgemeineren Sinne auf – aber noch mit dem Verweis auf den unter Tiberius errichteten Altar als spezifische Kultstätte – und wurde dann schließlich ab Trajan als selbst von der Kulthandlung emanzipierte, unabhängig wirkende Gottheit abgebildet. Auch wenn die kaiserliche Autorität mit neuen Gottheiten als Manifestationen erfahrbarer göttlicher Unterstützung neue Deutungsangebote schuf, deren religiöse Komponente nicht gänzlich wegzudiskutieren ist,13 stand doch zunehmend die pragmatische Kommunikationsabsicht im Vordergrund. Dass dennoch vor allem religiöse Gestaltungselemente bedient wurden, ist dabei keinesfalls als propagandistischer Missbrauch von Religion zu deuten, sondern entspricht im römischen Fall ganz ihrem bereits in der Republik auf das sichtbare und damit auch politische Geschehen ausgerichteten Charakter. Insofern scheint es mir relevant, nicht nur die „Sakralisierung der Herrschaft“ zu betonen: Durch die Verbindung diverser konkreter Leistungen oder Eigenschaften des Kaisers und seiner Familie mit immer zahlreicheren Gottheiten wurde nicht bloß die kaiserliche Macht immer stärker durch das Wirken göttlicher Kräfte bewiesen, sondern umgekehrt wurden aus antiker Perspektive diese göttlichen Kräfte immer konkreter durch menschliches, kaiserliches Handeln ausdefiniert, durch die sehr weltlich-spezifische Verwendung gewissermaßen „profanisiert“. Eine kultische Bedeutung religiöser Motive ist über den Betrachtungszeitraum immer weniger erkennbar.

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CIL VI,22: So schenkte ein Aelius Vitalio den Weizenbäckern in Rom einen Altar der „ANNONAE SANCTAE“.

4 Zusammenfassung und Fazit

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Obwohl das religiöse Zeichensystem der Vermittlung kaiserlicher Macht enorm gut zupass kam, ließe sich in der Tat nur schwer behaupten, dass die römischen Kaiser die römische Religion in irgendeiner vorgeformten Weise zur Legitimation ihrer Herrschaft „benötigten“. Sie mussten sich diesbezüglich kaum starren Erwartungen unterwerfen. Für die unangefochtene, sich bereits im frühen Prinzipat herausbildende Dominanz religiöser Abbildungen in der Repräsentation der Kaiser war mehr die Flexibilität denn die Beharrlichkeit römischer religiöser Vorstellungen ausschlaggebend. Die Darstellung der außerordentlichen kaiserlichen Autorität konnte auf dieser Ebene eigenmächtiger weiterentwickelt werden, als es in einem rein sachlich-politischen Rahmen möglich gewesen wäre. Die Relevanz von Konformität des Kaisers gegenüber den wenigen normativen Elementen des römischen Kultwesens nahm im ersten Jahrhundert gleichzeitig ab. Im ersten Jahrhundert sehen wir auch noch keine Anzeichen dafür, dass man das Reich über religiösen Konsens harmonisieren wollte. Stattdessen war das erste Jahrhundert der Kaiserherrschaft von den Bildern und Ideen her noch deutlich auf Rom selbst ausgerichtet. Dies änderte sich sichtlich vor allem dann, als die Münzprägung und auch die politische Macht im dritten Jahrhundert dezentralisiert wurden und man reichsweit anschlussfähige Bilder suchte. Jenseits der machtpolitisch nützlichen Verflechtung von Autorität und religiösem Denken hat diese Untersuchung nicht zuletzt zahlreiche weitere Beispiele für einen immer weniger bestreitbaren Sachverhalt geliefert: Die rapide Akkumulation von Macht durch die römischen Kaiser manifestierte sich bald bis ins kleinste Detail des Staatsapparates. Auch die Zahlungsmittel erhielten so eine weit mehr als wirtschaftliche Zweckmäßigkeit, indem die hier gegebenen Bild- und Textflächen nicht nur reaktiv eine jeweils neuen Autorität angepasst, sondern bis ins kleinste Detail aufmerksam von oben gestaltet wurden und so dauerhaft und in großer Menge die gewünschten Konzepte von kaiserlicher Autorität in den öffentlichen Diskurs einspielten.

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Abbildungsnachweise Maßstab 1:2 für Aurei, Denare 1 : 1,5 für Sesterze, Dupondien, Asse Abb. 1–4, 13, 18, 37, 46, 52, 53: eigene Grafiken Abb. 5: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18215913, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 6: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18217126, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 7: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18220711, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 8: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18220713, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 9: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18207695, Foto: Reinhard Saczewski Abb. 10: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18210865, Foto: Reinhard Saczewski Abb. 11: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18228097, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 12: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18225211, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 14: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18211106, Foto: Reinhard Saczewski Abb. 15: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18207647, Foto: Reinhard Saczewski Abb. 16: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18211340, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 17: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18221540, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 19: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18228378, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 20: Courtesy of the American Numismatic Society, Objekt 1955.22.9 Abb. 21: Münzsammlung des Seminars für Alte Geschichte der Universität Freiburg, Objekt 01135, Foto: Johannes Eberhardt Abb. 22: Courtesy of the American Numismatic Society, Objekt 1944.100.39749 Abb. 23: Courtesy of the American Numismatic Society, Objekt 1947.97.352 Abb. 24: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18231922, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 25: British Museum, Objekt 1932,0408.2, © The Trustees of the British Museum Abb. 26: KHM Museumsverband, Objekt RÖ 8175, Foto: Münzkabinett Abb. 27: KHM Museumsverband, Objekt RÖ 41863, Foto: Photoatelier KHM Abb. 28: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18225249, Foto: Dirk Sonnenwald

Abbildungsnachweise Abb. 29: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18232795, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 30: Courtesy of the American Numismatic Society, Objekt 1979.73.1 Abb. 31: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18211357, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 32: Courtesy of the American Numismatic Society, Objekt 1944.100.39969 Abb. 33: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18211035, Foto: Reinhard Saczewski Abb. 34: Numismatik Naumann GmbH, Auktion 81 am 1. September 2019, Los 295 Abb. 35: KHM Museumsverband, Objekt RÖ 5504, Foto: Münzkabinett Abb. 36: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18220664, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 38: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18219276, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 39: KHM Museumsverband, Objekt RÖ 88064, Photoatelier KHM Abb. 40: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18219540, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 41: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18272996, Foto: Bernhard Weisser Abb. 42: Courtesy of the American Numismatic Society, Objekt 1944.100.44781 Abb. 43: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18204276, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 44: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18220861, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 45: British Museum, Objekt R.10266 © The Trustees of the British Museum Abb. 47: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18233252, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 48: Courtesy of the American Numismatic Society, Objekt 1967.153.181. Abb. 49: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18233250, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 50: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18201656, Foto: Lutz-Jürgen Lübke Abb. 51: British Museum, Objekt R.11727 © The Trustees of the British Museum Abb. 54: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18228612, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 55: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18228257, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 56: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18231206, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 57: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18227946, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 58: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18221533, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 59: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18221685, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 60: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18219453, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 61: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18232904, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 62: Courtesy of the American Numismatic Society, Objekt 1956.184.26

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Abbildungsnachweise

Abb. 63: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin,, Objektnr. 18272160, Foto: Bernhard Weisser Abb. 64: Münzkabinett der Stadt Winterthur, Objekt R 1033, Foto: Benjamin Seifert (Lübke und Wiedemann) Abb. 65: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18231876, Foto: Reinhard Saczewski Abb. 66: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18207693, Foto: Reinhard Saczewski Abb. 67: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18220665, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 68: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18216936, Foto: Reinhard Saczewski Abb. 69: Münzkabinett Staatliche Museen zu Berlin, Objektnr. 18221662, Foto: Dirk Sonnenwald Abb. 70: Courtesy of the American Numismatic Society, Objekt 1957.172.1535 Abb. 71: Courtesy of the American Numismatic Society, Objekt 2004.14.91 Abb. 72: KHM Museumsverband, Objekt RÖ 9347, Foto: Photoatelier KHM

Index a rationibus 22 Actium 212, 220 Aemilius Paullus 204 Ägis 40, 134, 151 Aeneas 90 f., 168, 183, 193 Aeternitas 199 f., 202, 216 Agrippa (M.) 160, 188 Agrippina d. Ä. 131, 187 f. Agrippina d. J. 23, 60, 68, 220 Altar passim, 45, 49, 67, 111–123, 125 f., 128, 147, 156, 166, 168, 172 f., 176 f., 179, 204 f., 208 f., 212, 214, 216–219, 223–225, 230 f., 233 f., 236 Annona 35 f., 76, 79, 138, 140, 146, 154– 159, 161, 199, 234 Antiochia (am Orontes) 85, 113, 130, 153, 183 Antonia d. J. 23, 65, 95 f., 131, 145 Antoninus Pius 18, 108, 119–121, 158, 178–181, 219 f. Antonius (Marcus, Triumvir) 51, 55–58, 64 f., 104, 113, 164, 166, 212 apex 74 Apollo 57, 66, 70, 72–75, 78–80, 141, 143, 146, 175, 198, 206, 210, 212, 220 Arvalbrüder 94, 110, 115, 117, 188, 215, 220 Augur, Augurat, Auspizien 10, 12, 51–65, 67, 70, 79, 81, 89, 111, 149, 203, 232 Augustus passim, 10, 20, 23 f., 38, 41, 44, 53, 55, 57–62, 65–68, 72, 80, 83–86, 89–95, 98, 109 f., 112 f., 117–122, 124, 132 f., 141–143, 159, 164–168, 185, 188, 195, 202, 205, 212 f., 215, 221, 223–225, 232, 236 Blitzbündel 45, 80, 126, 151–153, 216 f. Bonus Eventus 189, 216 Britannicus 23 Brutus (Marcus Junius) siehe Caesarmörder Bundesgenossenkrieg 210, 211 Bürgerkriege (Republik) 28, 73, 140 Bürgerkriege (68–69 n. Chr.) 25, 31, 73, 97, 99, 113–115, 118, 142, 147, 155,

160, 182 f., 188–190, 196–198, 202, 211, 213, 215 caduceus 92, 99, 148 Caesarea (Kappadokien) 23, 59–61 Caesar (Gaius Julius) 35, 52, 56 f., 61–63, 65 f., 79, 81, 89 f., 104 f., 143, 183, 192 f., 232 Caesarmörder (Cassius und Brutus) 56 f., 74 Caligula passim, 37–39, 41, 43 f., 59–61, 75, 85 f., 94 f., 107, 110, 122, 131, 133, 137 f., 142, 144, 164–166, 169, 173, 175, 181, 187 f., 213, 215, 223, 228 Caracalla 145, 158 f. Cassius (Longinus) siehe Caesarmörder Charisma 56, 78, 81, 88, 95, 105–107, 143, 147, 233 Cistophor(en) 48, 86, 113 f., 140, 195 Censor, Censur 86, 101 f. Ceres 35 f., 74, 76, 131, 138, 140, 145 f., 155–159, 175, 184–186, 193, 234 Claudius passim, 23, 37, 39, 41, 44, 46, 48, 61, 64–68, 83, 85 f., 94–96, 98, 104 f., 109, 112, 121, 131, 144 f., 155 f., 158, 174, 185, 198 f., 213, 215, 228, 235 Clementia 27, 77, 137, 142, 223, 230 Commodus 26, 119, 144, 158, 177 Concordia 72 f., 78, 92–94, 129 f., 138, 146, 154–156, 169, 186, 210–213, 216, 221 f., 230, 235 congiarium, kaiserliche Geldspenden 30– 32, 35, 37 f., 109, 150, 197 Crassus (Marcus Licinius, Konsul 30 v. Chr.) 58 Crassus Dives (Publius Licinius, pontifex maximus) 81, 90 culullus 57 damnatio memoriae 19 f. Diana 48, 204 Divinisierung siehe Vergöttlichung Drusus d. Ä. (Bruder des Tiberius) 96 Drusus d. J. (Sohn des Tiberius) 60, 166 f. Domitia Longina 169–173

258 Domitian passim, 10 f., 22, 26, 35, 39, 42, 44–46, 48, 53, 65, 68 f., 79 f., 85–87, 100–106, 114–118, 123–127, 129 f., 132, 144 f., 148–153, 157 f., 169–181, 185 f., 190, 193, 195 f., 216–218, 228 f. Dreifuß 57, 65 f., 71–80, 135, 233 equites, Ritter 34, 116 f. Faustina d. Ä. 119, 158, 181, 220 Faustina d. J. 119, 220 Fides 125 f., 201, 216, 221 flamen Dialis 82, 105 flamines 88 Fortuna 113, 118 Forum Romanum 94, 183, 187 f., 194 f. Gaius und Lucius (Augustusenkel) 66–68, 231 Galba 30 f., 37 f., 41, 44, 53, 64, 77, 79, 84 f., 101, 104, 116–118, 155 f., 158, 167 f., 189, 193, 209, 216, 221, 228 Genius 120, 155, 205 f., 214–216, 220 f., 223, 225 des Kaisers 214 f., 220, 225 des römischen Volkes 120, 160, 215 f. Germanicus 57, 60, 131–133, 164 Getreideversorgung 35, 67, 76, 110, 140, 145, 155–158, 199 Hadrian 70, 113, 119 f., 158, 160, 178 f., 201, 218–220 Hercules, Herakles 43, 175, 204 Horte, Hortfunde 26–29, 32, 62, 172, 179, 181, 191, 218 Réka-Devnia 26 f., 62, 191, 218 Pompeji 28 f. imperium, imperatorische Akklamationen 56, 58, 91 f., 101, 103 Iuventas 149 Janustempel 48, 58 Jubiläen, Jahrestage 90, 94, 96, 114 f., 117, 119, 123, 165 Julia Titi 186, 195 Juno 155, 160, 175, 198, 208, 220

Index Jupiter 48, 73 f., 80, 127, 138, 150–153, 155, 184, 193, 197 f., 202, 204 f., 207 f., 214, 216–218, 220, 231 Kaiserkult 11, 23, 45, 48, 138, 143, 222– 225 Kapitol 48, 94, 137, 149, 174, 209, 217 f. Konformität 13 f., 25, 69, 106 f., 159, 161, 234, 237 Laren, lares 112, 215 Lepidus (Triumvir) 56, 89 f., 96 Liberalitas 34, 129, 161 lituus 52–67, 79, 142, 198 Livia 93 f., 131–133, 165–168, 185 Lohn 36 f. Lugdunum 22 f., 60, 66, 73, 85, 89, 91 f., 97, 112, 184 Magna Mater 74, 145, 175 Marcus Aurelius 56, 108, 119, 153, 158, 162, 179, 201, 220 Mars 33, 43 f., 114, 123, 129, 141–143, 155, 159, 185, 189, 216 Minerva 26, 46, 80, 102, 124 f., 149–151, 155, 159, 169, 174, 181, 183, 185, 228, 235 modius, Getreidemaß 67, 74, 139 f., 156 Münzmeister 20, 22, 24, 41, 54 f., 61, 66, 73 f., 86, 89, 91, 109, 112, 122, 140, 168, 207, 210, 212, 221 Münzstempel 18, 29 f., 35, 38, 42, 60, 72, 86, 88, 103, 109, 132, 134, 172 f., 189, 194, 199, 216, 218 Münztypen, Typensystematik (method. Überlegungen) 17, 20–22, 24–29, 39– 42, 44, 49 Neptun 80, 160, 175, 188 Nero passim, 15, 22 f., 31 f., 37, 41, 44, 48, 53, 60, 67 f., 75–79, 82–84, 86, 96 f., 102–104, 109 f., 113, 115 f., 120, 131– 134, 138, 144–146, 150–152, 155–158, 168, 175, 185, 193, 212–216, 220–222, 228 f., 231, 234 f. als Kitharöde 75, 146, 151 f. mit Strahlenkrone 132–134, 146, 214 f., 228

Index Nerva passim, 39, 44, 65, 69 f., 85, 87, 97, 100, 107 f., 118, 157, 159, 162, 169, 176, 180–182, 221, 232 Numa Pompilius 54, 58 Octavia (Halbschwester des Augustus) 23, 65, 166 Octavian siehe Augustus Opferszenen (als Münzmotiv) 16, 45, 49, 70, 86, 94, 111–135, 139, 147, 164 f., 168, 172, 180 f., 229 f., 233 opfernde Götter insb. 203–222, 235 Otho 31, 41, 53, 76–78, 110, 158, 190, 192 f., 221, 233 Palatin 72, 80, 94, 193–195, 212 palladium 124, 183, 186, 189 f., 192–196, 200–202, 236 patera, Phiale, Opferschale, Spendeschale passim, insb. 111, 119, 128–132, 205– 216, 220–222, 233, 235 pater patriae 69, 82, 87 f., 107 f., 142, 227, 233 Pax 93, 98, 145, 147 f., 155, 158, 181, 199, 209, 216, 222, 228, 230 Pergamon 23, 210 Personifikationen (allgemein) 46 f., 154 f. Pietas 69 f., 79, 86, 121 f., 130, 138, 143, 161–182, 187, 196, 199 f., 202, 208, 221, 229, 235 plebs, einfache Stadtbevölkerung 34 f., 38, 45, 78, 108–110, 183 f., 231 Plotina (Ehefrau Trajans) 112, 186, 196, 201 pontifex maximus, Oberpontifikat 52, 58, 62–64, 68–70, 72, 80–110, 121, 180, 187, 190–193, 231–233 Poppaea (Ehefrau Neros) 132–134, 220 Prägemengen 28–32, 35, 40 f., 97, 103 princeps iuventutis 67, 149 Propaganda (Begriff) 14, 25 Providentia 113, 117–119, 121, 229, 236 Provinziale Prägungen 17, 23, 48, 59–61, 109, 112–114, 130–132, 138, 166, 224, 231 Pudicitia 112, 201 pulvinar 80

259 quindecimviri sacris faciundis, Fünfzehnmännerkollegium 57, 64, 66, 70–75, 79, 233 Roma 79, 123, 127, 147, 184, 200–202, 223, 236 Romulus 58, 91, 142, 183 Sabina (Ehefrau Hadrians) 177, 186, 201, 220 Säkularspiele, ludi saeculares 35, 48, 124, 204 Salus 115, 154 f., 166 f., 186, 190, 199, 210 f., 213 f., 216, 221 f., 235 Securitas 100, 115–117, 155, 181, 214, 216, 231 sella curulis, kurulischer Stuhl 98, 128, 130, 145, 167, 230 Senat, Senatoren 24, 34, 38, 53, 76, 78, 94, 105, 109 f., 115, 118, 120, 134, 137, 143 f., 177, 223–225, 228 „S C“ auf Münzen 23 f. Sextus Pompeius 57, 163 f. Sibyllinische Bücher, Sibylle 70, 72–74 simpulum 57, 59–61, 66 f., 74, 79, 95 f., 111, 139, 190–192, 202 Sold, Besoldung 31–34 Statilia Messalina (Ehefrau Neros) 220 Strahlenkrone, radius 120, 132–134, 146, 169, 214 f., 228 bei Nero 132–134, 146, 214 f., 228 Sulla 55 f., 73 Tempel (allgemein) 46–48, 86, 174 f., 185, 230 Tiberius passim, 21, 37–39, 41, 44, 53, 57, 60, 81–83, 85, 89, 91–95, 98, 107, 112, 117 f., 121, 128 f., 131, 137 f., 142–144, 166 f., 180, 185, 187, 212 f., 223 Titus passim, 31, 41, 44, 53, 59, 68 f., 80, 85–87, 100, 103, 105, 114–116, 118, 128–130, 148 f., 158, 168–170, 181, 186, 189 f., 193, 202, 215, 221 Titus Flavius Caesar (Sohn Domitians) 169–173 Trajan passim, 34 f., 38–40, 44, 48, 70, 79, 85, 87 f., 103, 108, 112, 115, 119 f., 123, 125–127, 142, 151–153, 163, 173– 181, 196–202, 221, 229, 235 f.

260 tribunicia potestas 62 f., 87, 97, 99, 101, 103, 117, 132, 167, 192, 232 Triumph, Triumphbogen 38, 44, 57, 92, 122 f., 141, 147, 170 Tugenden (allgemein) 46 f., 154 f. Vergöttlichung 45 f., 119, 138, 143 f., 147, 169–172, 174, 176, 222–225 Vespasian passim, 28, 39, 44, 48, 59, 61– 65, 67–70, 79, 84–87, 92 f., 97–103, 107, 110, 113–116, 118, 122–124, 129 f., 147–149, 151 f., 156, 158, 160, 169, 172, 180–183, 186, 190–194, 202, 209, 215–218, 221, 229, 231 f. Vesta 36, 48, 62 f., 72 f., 80, 86, 90 f., 93 f., 132, 134, 138, 142 f., 165, 177, 181– 203, 221, 229 f., 232, 234–236

Index Vestatempel 48, 86, 183, 185–187, 193– 195, 198 Vestalinnen 82, 88, 93 f., 105, 126, 165, 183, 185–187, 204 Victoria 43 f., 111, 122 f., 129 f., 141 f., 147 f., 151 f., 154 f., 184, 193, 200, 210 f., 221, 225 Victoriola 127, 133, 201, 209, 211 Vitellius 41, 44, 65, 70–79, 84, 104, 110, 117, 120, 129, 142, 145, 157 f., 183, 190, 211, 221, 233 vota 11, 119–123, 135, 221, 233 Vulcanus 160, 188 Zielgruppen (bei der Gestaltung von Münzmotiven) passim, insb. 30–39, 108–110, 112, 179, 197, 231