Jugend, Sprache und Medien: Untersuchungen von Rundfunksendungen für Jugendliche [Reprint 2012 ed.] 9783110851229, 9783110121193

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Jugend, Sprache und Medien: Untersuchungen von Rundfunksendungen für Jugendliche [Reprint 2012 ed.]
 9783110851229, 9783110121193

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Marlies Nowottnick Jugend, Sprache und Medien

Marlies Nowottnick

Jugend, Sprache und Medien Untersuchungen von Rundfunksendungen für Jugendliche

W DE G Walter de Gruyter · Berlin • New York 1989

Gedruckt auf säurefreiem Papier (alterungsbeständig — ph 7, neutral)

ClP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Nowottnick, Marlies: Jugend, Sprache und Medien : Untersuchungen von Rundfunksendungen für Jugendliche / Marlies Nowottnick. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1989 Zugl.: Braunschweig, Techn. Univ., Diss., 1988 ISBN 3-11-012119-0

© Copyright 1989 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin

Inhalt

Vorwort

XI

1.

Überblick über die Konzeption der Arbeit

1

1.1.

Themenbereich und Konzepte

1

1.2.

Problemstellung, Thesen und Lösungsansätze

3

1.3. 1.3.1. 1.3.2. 1.3.3.

Methoden und Verfahren Grundsätzliches Vorgehen Materialerhebung Empirische Feldarbeit

6 6 7 9

1.4. 1.4.1. 1.4.2. 1.4.3. 1.4.4. 1.4.5.

Fragebogenaktion Stichprobe Aufbau des Fragebogens Durchführung der Befragung Bemerkungen zum Antwortverhalten Datenaufbereitung

10 10 11 15 16 18

1.5.

Vorgehensweise bei der Darstellung

19

2.

Jugend und Jugendkultur

21

2.1.

„Die Jugend" gibt es nicht

21

2.2.

Lokale und soziale Reichweite von Jugendkultur

26

2.3.

Jugend und ihre Musik — Vom Wandervogel bis zur Rock-/Pop-Generation

29

VI

Inhalt

3.

Medienkommunikation

34

3.1.

Modell der medialen Massenkommunikation

34

3.2.

Redekonstellation in Jugendsendungen

39

3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.3.3. 3.3.4. 3.3.5.

Entwicklung der Jugendprogramme im Rundfunk . . . . Anfänge Neubeginn nach 1945 Hörfunk wird zum „Jugendmedium" Jugendsendung — Musiksendung — Hitparade Jugendfunk heute

41 42 44 46 48 49

3.4. 3.4.1. 3.4.2. 3.4.3.

Musikmedium Rundfunk Mediennutzung durch Jugendliche Funktionen des Rundfunks für Jugendliche Rock-/Popmusik als Höranreiz

50 50 55 57

3.5.

Medienwirkungen

4.

„Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

70

4.1.

Sprachliche Varietäten

70

4.2.

Jugendsprache

73

...

4.3. „Mediensprache" am Beispiel der Sprache im Rundfunk 4.3.1. Z u m Begriff „Mediensprache" 4.3.2. Interesse an der Sprache im Rundfunk — Forschungsüberblick 4.3.3. Moderation 4.4.

63

81 81 83 88

Jugendsprache in der Mediensprache — Thesen zum Sprachverhältnis zwischen Jugend und Medien

93

4.5.

Auswahlkriterien und Analyseablauf

96

5.

Strukturanalyse

98

5.1. Konzepte und Themen von Jugendsendungen 5.1.1. Konzepte der Sender

98 98

Inhalt

VII

5.1.2. Themen in den Sendungen des Korpus 5.1.3. Meinungen der Hörer

100 102

5.2. 5.2.1. 5.2.2. 5.2.3.

Sendungsablauf Strukturelemente (Textsorten) Strukturbeispiele Analyse der Gesamtstruktur

106 106 113 114

5.3.

Rolle des Moderators

117

6.

Sprach- und Stilanalyse

122

6.1. 6.1.1. 6.1.2. 6.1.3. 6.1.4. 6.1.5. 6.1.6. 6.1.7. 6.1.8.

Strukturieren und Orientieren Sender- und Sendungskennung Vorausschau auf einzelne Sendesegmente Kennung von Sendungsteilen An- und Abmoderation von Beiträgen An- und Abmoderation der Musik Verbindung zwischen Sendesegmenten Metastrukturelle Äußerungen Verweise auf andere Sendungen

122 122 126 129 130 131 136 138 141

6.2. 6.2.1. 6.2.2. 6.2.3.

Information Musik: Fakten und Klatsch Orientierende Information in der Moderation Informative Elemente der „Wortbeiträge"

143 144 147 151

6.3. 6.3.1. 6.3.2. 6.3.3. 6.3.4. 6.3.5. 6.3.6. 6.3.7.

Kommentieren und Werten Scheinbar objektive Bewertung der Musik Persönliche Meinungsäußerung zur Musik Einzelaspekte der Musik „Plattenkritik" und Konzertbericht Kommentierung anderer Themen Situationskommentierung Metasprachliches

155 155 159 161 165 170 173 175

6.4. Dialogisches 6.4.1. Dialog mit den Hörern in monologischer Moderation

178 179

Inhalt

VIII 6.4.2. 6.4.3. 6.4.4. 6.4.5.

Initiative oder responsive „Gesprächsakte"? Gesprächssequenzen in der Moderation Gespräche „im" Medium (ohne Hörerbeteiligung) . . . . Gespräche mit Hörerbeteiligung

191 193 196 203

6.5. 6.5.1. 6.5.2. 6.5.3.

„Show" Plauderei Personality Show „Fun"

207 207 211 214

7.

Einschätzung der Mediensprache

221

7.1.

Meinungen Jugendlicher zur Sprache in Rundfunksendungen 221

7.2. 7.2.1. 7.2.2. 7.2.3.

Bewußtsein von Mediensprache Kommunikatorsicht Rezipientensicht Jugendliche „spielen" Moderator

233 233 236 238

7.3.

Erwartungen an die Sprache in Jugendsendungen — Jugendliche und Erwachsene im Vergleich

245

7.4.

Relevanz des Themas aus der Sicht der „Betroffenen"

253

8.

Varietätenanalyse — Stile in der Mediensprache

256

8.1. 8.1.1. 8.1.2. 8.1.3.

Regionale Umgangssprache Sprechsprachliches Stilmarkierung „umgangssprachlich" Regionale Färbung

256 258 263 270

8.2. 8.2.1. 8.2.2. 8.2.3.

Fachsprachen Musik Rundfunk Vermittlerfunktion der Medien

274 275 280 282

8.3. Jugendsprache 8.3.1. Jugendsprachliches Prinzip: Hyperbolisierung

283 284

Inhalt

IX

8.3.2. Stilmarkierung „jugendsprachlich" 8.3.3. „Jugendton"

288 294

8.4.

Standardsprache als Leitvarietät

299

8.5.

Standortbestimmung der Mediensprache: „VarietätenMix" 303

9.

Jugendkommunikation über Medien?

310

10.

Folgerungen

321

10.1.

Sprachkritische Bemerkungen

321

10.2.

Umsetzung der Ergebnisse

329

10.3.

„Mediensprache" greift um sich - Zukunftsperspektiven 332

Literaturverzeichnis

335

Anhang

347

Sachregister

409

Vorwort

Sprachliche Beziehungen zwischen „Jugend" und „Medien" stehen im Mittelpunkt dieser interdisziplinären Untersuchung, die der Fachbereich für Philosophie und Sozialwissenschaften der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig im Herbst 1988 als Dissertation angenommen hat. Betreut wurde die Arbeit von Prof. Henne, dessen Forschungen zur Jugendsprache die Grundlage für die vorliegende Untersuchung bilden. Für seine Anregungen und sein Engagement, aber auch für das Vertrauen, das mir selbständiges Arbeiten ermöglichte, danke ich Herrn Prof. Henne ganz herzlich. Mein Dank gilt weiter Herrn Prof. Löffler, Basel, der das Korreferat übernommen hat. Er und weitere Wissenschaftler verschiedener Universitäten und Institutionen unterschiedlicher Fachrichtungen gaben wertvolle Hinweise, die den interdisziplinären Ansatz fundierten. Auch für die Gesprächsbereitschaft einiger Rundfunkredakteure und anderer Fachleute sowie für die gute Zusammenarbeit mit Lehrern habe ich zu danken. Das Buch wäre jedoch nicht zustandegekommen ohne die Mitarbeit der vielen Jugendlichen, ein großes Dankeschön an Astrid und Jane, stellvertretend für sie alle. Weit über fachliche Anregungen hinaus ging die Unterstützung durch meine Eltern und Freunde, vor allem Gabi, Peter und Andreas. Die Dissertation wurde durch ein zweijähriges Promotionsstipendium des Landes Niedersachsen gefördert. Dafür, daß die Ergebnisse der Untersuchung — in einer leicht gekürzten Fassung — einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden können, danke ich Herrn Prof. Wenzel vom Verlag Walter de Gruyter. Braunschweig, im Januar 1989

Marlies Nowottnick

1. Überblick über die Konzeption der Arbeit

1.1.

Themenbereich und Konzepte

Deutsch: Ächz, Würg. Eine Industrienation verlernt ihre Sprache. DER SPIEGEL, Titelgeschichte, 9. 7. 84 Es muß zwar kein Mensch das in seinen Wortschatz oder in seinen Sprachgebrauch aufnehmen, was er täglich an Falschem, Schiefem, Aufgeblasenem, Abgegriffenem von den „Medien" vorgesetzt bekommt. Aber wie viele Hörer sind schon so mißtrauisch und kritisch, vor allem so sprachbewußt, daß sie gegen diese Art von Dauerbeeinflussung immun wären? Natorp in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. 5. 82 Viele Bundesbürger befürchten einen Verfall der deutschen Sprache. Er zeigt sich nach ihrer Meinung im täglichen Umgang mit der Familie, Kollegen, Freunden und Bekannten, aber auch in den Medien. [...] Vor allem die älteren Bundesbürger sehen in der „Sprechblasen-Sprache" von Jugendlichen ein Indiz für den Sprachverfall. Dem widersprechen allerdings die Sprachwissenschaftler: Von Sprachverfall könne keine Rede sein, höchstens von einem modischen Sprachverhalten, das es aber zu allen Zeiten gegeben habe. ap-Meldung, Braunschweiger Zeitung, 15. 3. 86 Die Moderatoren sagen viel jugendlichere Wörter als die Jugendlichen. Gesprächsäußerung eines 17jährigen Gymnasiasten, 1988 Jugend — Medien — Sprache, dieses Thementrio läßt bei Kulturkritikern Untergangsstimmung aufkommen, Pädagogen resignieren angesichts der „Macht der Medien", und Linguisten wagen sich nur zögernd in den Dschungel der medien- und jugendinszenierten Sprachformen vor, um das Dickicht zu durchdringen und sowohl Gefahren als auch Möglichkeiten dieses als exotisch — und ζ. T. als primitiv —

2

Überblick über die Konzeption der Arbeit

empfundenen Gebietes besser einschätzen zu können. Als ein solcher Vorstoß will diese Untersuchung von Sprache in Rundfunksendungen für Jugendliche 1 verstanden werden. Um das komplexe Thema adäquat zu behandeln, werden außer linguistischen vor allem medientheoretische, publizistische und soziologische Aspekte berücksichtigt; an die Stelle der Spezialisierung tritt ein interdisziplinärer Ansatz. Herangezogen werden verschiedene sozialwissenschaftliche Disziplinen, deren Eigenprofil jedoch nicht übersehen werden darf, um der Gefahr zu entgehen, einen „Einheitsbrei der Universalwissenschaft" 2 anzusteuern. Das Thema „Jugend und Medien" ist hier aus sprachwissenschaftlicher Perspektive zu behandeln; über linguistische Ansätze und Methoden hinaus werden jedoch Probleme der Jugendsoziologie angesprochen, „Musik" im Rahmen von „Jugendkultur" einbezogen, medientheoretische und medienpraktische Arbeiten sowie Ergebnisse empirischer Studien zur Mediennutzung berücksichtigt und schließlich Methoden der empirischen Sozialforschung angewendet. Den linguistischen Konzepten liegt der gleiche Gedanke zugrunde wie der gesamten Konzeption: Unterschiedliche Perspektiven und Ansätze sowie Methodenvielfalt sind erforderlich, um der Heterogenität und Vielschichtigkeit der Medientexte gerecht zu werden. Gemäß der Auffassung von „Sprechen als Handeln" werden kommunikativ-pragmatische Fragestellungen verfolgt; die strukturellen Analysen dienen in diesem Sinne als Mittel zum Zweck. Daher liegt der Akzent bei den Sprachanalysen weniger auf der theoretischen Auseinandersetzung mit Konzepten zur Sprachstruktur, es steht vielmehr die praktische Anwendung auf das Textmaterial im Vordergrund. Die Verbindung von struktureller Linguistik, Varietätenlinguistik und pragmatischen, insbesondere gesprächsanalytischen und kom1

Kundfunksendungen für Jugendliche oder Jugendsendungen im weiteren Sinne: Sendungen, die für Jugendliche konzipiert sind und von den Jugendredaktionen verantwortet werden (Jugendsendungen im engeren Sinne) und Sendungen anderer Redaktionen, die ein „junges" Publikum ansprechen möchten bzw. bevorzugt von Jugendlichen gehört werden.

2

Zimmerli: Von der Disziplinlosigkeit zur Kulturlosigkeit? In: Universitas Marksteine 1988, S. 11.

Problemstellung, Thesen und Lösungsansätze

3

munikationstheoretischen Ansätzen ermöglicht fundierte Analysen, die Aufschluß über Struktur und Stil von Rundfunksendungen für Jugendliche geben und deren Ergebnisse darüber hinaus sprachkritisch zu beurteilen sind. Den Themenschwerpunkt bildet die Frage nach dem „Jugendstil" in den Medien, die jedoch nur angemessen beantwortet werden kann, wenn andere Elemente des „Medienstils" in die Analysen einbezogen werden. Bevor Thesen für die Untersuchung von Medientexten formuliert werden können, ist die Analyseperspektive anzugeben, da in der Medienkommunikation die Perspektiven von „Sender" (Kommunikator) und „Empfänger" (Rezipient) 3 erheblich differieren. In dieser Arbeit werden die Medienaussagen prinzipiell rezipientenorientiert analysiert, die Kommunikatorseite jedoch ζ. T. einbezogen, vor allem zur Gegenüberstellung der Meinungen von „Produzent" (Moderator, Redakteur) und „Konsument" (jugendlicher Rundfunkhörer) zum „Medienprodukt".

1.2.

Problemstellung, Thesen und Lösungsansätze

Aus früherer Beschäftigung mit dem Thema unter speziellerer Fragestellung 4 sind Ergebnisse hervorgegangen, die als Hypothesen die Untersuchung am neuen Material leiten. Wesentlicher Ansatzpunkt ist die modifizierte Kernthese der „Voruntersuchung": — Die Moderatoren von Rundfunksendungen für Jugendliche verwenden zur „Beziehungsdefinition" Strukturen aus der Gruppensprache der jugendlichen Rezipienten. Die mediale Kommunikationssituation ist jedoch dominant gegenüber der Gruppensituation, so daß es zu einer Art „bereinigtem Jugendstil" in der M o deration kommt. 3

4

In der gesamten Arbeit wurde auf die Angabe von männlich/weiblichen Doppelformen aus praktischen Gründen verzichtet, was keineswegs heißen soll, daß „der Hörer" oder „der Moderator" nicht eine weibliche Person sein kann. Als „Vorstudie" mit geringerem Materialumfang kann meine Examensarbeit (1985) angesehen werden.

4

Überblick über die Konzeption der Arbeit

An diese These müssen differenzierte Leitgedanken für die Untersuchung angeschlossen werden. Darüber hinaus ergibt sich aus der regionalen Reichweite des Materials 5 ein Nord — Süd — Vergleich: — Es ist zu vermuten, daß vergleichbare Sendungen in Nord- und Süddeutschland regionale Eigenheiten aufweisen, womit eine gewisse Regionalisierung der „Mediensprache" angezeigt wäre, die wiederum mit regionalen Komponenten der „Jugendsprache" korrespondiert. Im Laufe der Materialerfassung zeigte sich, daß der regionale Aspekt keineswegs zentral ist. Der Nord —Süd (west) — Vergleich ist insofern ergiebig, als verblüffend viele Gemeinsamkeiten in den Sendungen verschiedener Sender unterschiedlicher Regionen festzustellen sind. Als wesentliche Relation zwischen den Faktoren der Rundfunkkommunikation kristallisierte sich im Laufe der Untersuchung der „Hörerbezug" heraus, die Frage nach dem „sprachlichen Zielgruppenbezug" rückte immer mehr in den Mittelpunkt. In bezug auf Jugendliche als Rundfunkhörer bedeutet das, die Beziehungen zwischen „Jugendsprache" und „Mediensprache" (zu den Begriffen vgl. Kap. 4) aufzudecken. Die beiden Grundpositionen zu diesem Verhältnis lauten: — „Jugendsprache" wird von den Medien aufgegriffen —> Medien als Sprachverwender — „Jugendsprache" schöpft aus der „Mediensprache" —• Medien als Sprachspender Man wird weder die eine noch die andere These uneingeschränkt unterstützen dürfen, in den meisten Fällen nicht einmal klären können, ob ein Ausdruck ursprünglich aus der Jugend oder aus den Medien stammt. Eine Synthese aus den oben formulierten Positionen erscheint jedoch sinnvoll: 5

Sendungen des Norddeutschen Rundfunks einerseits, des Südwestfunks und z.T. des Süddeutschen Rundfunks andererseits, sowie einzelne Stichproben aus den Programmen weiterer Sender; Fragebogenaktion im Nord —Süd — west — Vergleich.

Problemstellung, Thesen und Lösungsansätze

5

— „Jugendsprache" und „Mediensprache" beeinflussen sich gegenseitig. Dabei ist der Einfluß der Medien auf das Sprachverhalten Jugendlicher — und darüber hinaus anderer Mediennutzer — unter Aspekten der „Medienwirkung" zu betrachten. Wie der gegenseitige Einfluß abläuft und einzuschätzen ist, kann nur nach gründlicher Analyse geklärt werden. Ein Untersuchungsziel lautet daher: — Standortbestimmung der „Mediensprache", insbesondere der Sprache in Rundfunksendungen für Jugendliche: Das Verhältnis von Varietäten, Funktionalstilen, Textsorten, Strukturen und „Stilrichtungen" ist am Material zu bestimmen. Daran anknüpfend kann der Aspekt der „sprachlichen Zielgruppenorientierung", der auch in der Kernthese eine entscheidende Rolle spielt, genauer gefaßt werden: — Die Verwendung gruppensprachlicher Elemente läßt sich als „Beziehungsangebot" an die jugendlichen Rezipienten auffassen, kann von diesen jedoch als „Anbiederung" empfunden werden. Bewertungen und Einschätzungen der Moderationssprache durch Jugendliche sind zur Klärung dieser ambivalenten These zu berücksichtigen. Im Hinblick auf jugendliche Rezipienten werden Funktionen des Rundfunks herausgearbeitet, geleitet durch folgende These: — Der Rundfunk hat integrative Funktionen in sozialer und regionaler Hinsicht, die auch sprachlich zum Ausdruck kommen. Schließlich ist über die Deskription und pragmatische Interpretation hinaus eine sprachkritische Einschätzung der Analyseergebnisse notwendig. Dabei werden auch „sprachpflegerische" Möglichkeiten des Rundfunks aufgezeigt. Den Hintergrund bildet eine These, die — hoffentlich — in dieser Form nicht haltbar ist: — Das Bewußtsein von Sprache in Rundfunksendungen ist sowohl von Kommunikator- als auch von Rezipientenseite nicht sehr groß. Für die jugendlichen Rezipienten ist zudem der Stellenwert der Musik wesentlich höher als der der Wortanteile.

6

Überblick über die Konzeption der Arbeit

Die kurzen Moderationstexte zwischen den Musikstücken werden bei den Analysen besonders beachtet, da sie wenig Eigengewicht besitzen, jedoch ständig auf die Hörer „einwirken". In den beliebten musik-dominierten Sendungen ist die Sprache auf den zweiten Platz verwiesen; dies läßt vermuten, daß Sprache hier spezifische Funktionen erfüllt, die nur in derartigen Medientexten auftreten. Moderationssprache wird von vielen fast täglich gehört (und somit alltäglich?) und ist dennoch weitgehend unerforscht.

1.3.

Methoden und Verfahren

1.3.1. Grundsätzliches Vorgehen Methodisch müssen die Probleme jeder empirischen Arbeit berücksichtigt werden: Aufgrund von Vorwissen und erster Materialdurchsicht bildet man Hypothesen, die mit Methoden der empirischen Sozialforschung und genauen Analysen des Textmaterials überprüft und eventuell modifiziert werden. Thesenbildung, empirische Erhebungen und Materialanalyse treten in Wechselwirkungen, so daß kein lineares Vorgehen möglich ist, wenn die vielschichtigen Aspekte des Themas berücksichtigt werden sollen. Um die Ergebnisse hermeneutischen Arbeitens nachvollziehbar darzustellen, müssen sie mit schlüssigem Kategorieninventar aufgearbeitet werden. In dieser Arbeit soll den verschiedenen Ebenen und Perspektiven Rechnung getragen werden, indem zunächst eine interdisziplinäre Näherung an den Themenkern „Sprache von Rundfunksendungen für Jugendliche und ihre Beziehung zur Jugendsprache" versucht wird. Dem Analyseteil der Untersuchung liegt ein pragmatisch orientiertes Varietätenkonzept zugrunde, fundiert durch strukturelle und stilistische Analysen. Um die theoretischen Grundlagen aus den verschiedenen sprach- und sozialwissenschaftlichen Bereichen angemessen einbeziehen zu können, wird der jeweilige Forschungsstand berücksichtigt, jedoch kein Einstieg in Theoriediskussionen angestrebt. Es geht vielmehr darum, die Forschungsergebnisse auf ihre praktische Anwendbarkeit hin zu überprüfen.

Methoden und Verfahren

7

Angewendet werden die Konzepte und Theorien auf selbst erhobenes empirisches Material, nämlich aufgezeichnete und teilweise transkribierte Rundfunksendungen sowie durch empirische „Feldarbeit" erhaltene Daten. Mit einer Fragebogenaktion wird der Rezipientenorientierung Rechnung getragen. Die Analysen sind primär qualitativ angelegt, zumal kaum Arbeiten zum Thema vorhanden sind, deren Thesen mit quantitativen Methoden überprüft werden könnten. Ansatzweise werden die qualitativ gewonnenen Ergebnisse durch quantitative Angaben ergänzt, um den Stellenwert der einzelnen Beobachtungen einschätzen zu können. 1.3.2. Materialerhebung Zur Erstellung des Textkorpus wurden Rundfunksendungen auf Tonbändern bzw. Kassetten „mitgeschnitten", Notizen dazu angefertigt, „Ablaufpläne" erstellt und einige Sendungen vollständig, andere ausschnittsweise transkribiert (Beispiele vgl. S. 373 ff.). Das gesamte Korpus der Bandaufnahmen besteht aus etwa 200 Sendungen aus dem Zeitraum vom 31. 12. 1985 bis zum 31. 12. 1987. 6 Aufgezeichnet wurden weitgehend zufällig ausgewählte 7 Rundfunksendungen für Jugendliche 8 der Sender NDR2 und SWF3, einige von NDR1 und S3, ferner einzelne von ffn, RIAS2 und SFB2. Die zufällige Auswahl ist überlagert von bewußter regelmäßiger Beobachtung und Aufnahme von NDR-bzw. SWF-Sendungen in folgenden — organisatorisch bestimmten 9 — Zeiträumen: 01. 02. 86 - 04. 05. 86 und 03. 11. 86 - 29. 03. 87 24. 04. 86 - 02. 05. 86 und 02. 04. 87 - 26. 08. 87 6 7 8 9

NDR2 SWF3

Die Voruntersuchung (Examensarbeit) stützt sich auf ein Korpus mit Sendungen von September 1984 bis Januar 1985. Aus praktischen Gründen wurde die Auswahl nicht über Zufallszahlen o. ä. ermittelt, sondern beruht auf „organisatorischem Zufall". Zur Definition des Begriffs vgl. Anm. 1. Ausschlaggebend war die Möglichkeit, Sendungen im südwestdeutschen Raum aufzuzeichnen, die NDR-Sendungen sind jeweils vor den Aufenthalten im Sendegebiet des SWF aufgenommen worden. Dank der Unterstützung durch Freunde waren auch einzelne Parallelaufnahmen möglich.

8

Überblick über die Konzeption der Arbeit

Am 10. 4. 87 und am 6. 8. 87 wurden sämtliche Sendungen des Tagesprogramms von NDR2 und SWF3 vergleichend aufgezeichnet. Die Notizen zu den Sendungen werden in die Analysen einbezogen, Beispiele für Ablaufpläne (vgl. 5.2) sind im Anhang (S. 361 ff.) zu finden. Um die auf Band aufgezeichneten Sendungen für detaillierte Analysen zugänglich zu machen, sollten zumindest Ausschnitte verschriftlicht werden. In jeder Hinsicht optimale Transkripte sind nicht zu realisieren; es müssen mit vertretbarem Aufwand genügend Daten erfaßt werden, um Material für ein möglichst breites Spektrum an Fragestellungen — auch über die Thesen hinaus — bereitzustellen.10 Leichte Lesbarkeit ist gewährleistet, wenn die übliche Orthographie weitgehend beibehalten wird und Sonderzeichen sparsam eingesetzt werden. Da phonologische Besonderheiten und paraverbale Mittel jedoch nur mit genaueren Verfahren erfaßbar sind, bietet sich als Kompromiß die Anwendung unterschiedlich detaillierter Transkriptionssysteme an: I. Detailtranskription: II. Grundtranskription:

Transkription nach Henne/Rehbock 11 leicht lesbare Vereinfachung von 1.12

Die Grundzüge der verwendeten Transkriptionssysteme sind im Anhang S. 372 zusammengestellt. Die aus der recht aufwendigen Detailtranskription übernommene Verschriftlichung von Kadenzen und Betonungen liefert zusammen mit weiteren Merkmalen (ζ. B. Pausen) Interpretationsgrundlagen, um auch den „Ton" der Texte charakterisieren zu können. Die Grundtranskription ist dazu geeignet, größere Materialmengen zu verschriftlichen, zumal sie nicht so aufwendig ist, für lexikalische, syntaktische und stilistische Analysen aber häufig ausreicht; gesprächsanalytische Aspekte können ebenfalls ζ. T. auf der Grundlage solcher Transkripte angesprochen werden.13 10 Vgl. Schank/Schwitalla: Gesprochene Sprache und Gesprächsanalyse. In: L G L 2 1980, S. 315. 11 Vgl. Henne/Rehbock: Einführung in die Gesprächsanalyse 2 1982, S. 72 ff. 12 Dies ist mit dem HIAT-System (Halbinterpretative Arbeitstranskription) von Ehlich/Rehbein vergleichbar. Vgl. auch Ehlich/Schwitalla: Transkriptionssysteme — Eine exemplarische Übersicht. In: Studium Linguistik 2, 1976, S. 78 - 1 0 5 . 13 Zu berücksichtigen ist auch, daß für die Analysen selbstverständlich die Tonbandaufnahmen ausschlaggebend sind.

Methoden und Verfahren

9

1.3.3. Empirische Feldarbeit Um Meinungen, Bewertungen und Einstellungen von Rezipienten zu Form und Inhalt jugendorientierter Rundfunksendungen zu erfassen, wurde zunächst eine Fragebogenaktion mit insgesamt 555 Jugendlichen durchgeführt. Die Stichprobe, die Anlage der Befragung und ihre Durchführung werden in 1.4 ausführlich erläutert, da die Ergebnisse in verschiedene Teile der Arbeit einbezogen werden. Ergänzend zur Befragung wurden Gespräche geführt, in denen Jugendliche in freier Diskussion Stellung nehmen und ihre Meinungen in größeren Zusammenhängen darstellen konnten, als dies im schriftlichen Fragebogen möglich ist. Gespräche fanden auch mit Vertretern der Kommunikatorseite statt, um die meist nicht schriftlich fixierten oder zumindest nicht veröffentlichten Konzepte und Vorstellungen der Rundfunksender zu erfassen und Meinungen zum Thema der Arbeit aus der Perspektive von „Rundfunkmachern" einbeziehen zu können. Rezipienteneinschätzungen wurden ferner durch eine kleinere Befragung (90 Probanden) von Jugendlichen und Erwachsenen im Vergleich erhoben. Dem Lückentext „Dammelspiel" (vgl. Anhang, S. 359 f.) liegen authentische Moderationsausschnitte zugrunde, aus denen einzelne Teile entfernt wurden. Ziel dieser an literaturwissenschaftliche Methoden zur Stiluntersuchung 1 4 angelehnten Form der Informantenbefragung ist es, Aufschlüsse über Erwartungen jugendlicher bzw. erwachsener Rezipienten an die „Mediensprache" zu erhalten. Da kein so hoher Organisationsaufwand betrieben werden konnte, ist die Befragungssituation nicht kontrolliert, die Rücklaufquote liegt bei 5 0 % . Da zudem die Verteilung auf die Altersgruppen ungleichmäßig ist, können lediglich qualitativ Tendenzen aufgezeigt werden (vgl. 7.3).

14 Vgl. ζ. B. Frey: Franz Kafkas Erzählstil 2 1974.

10

1.4.

Überblick über die Konzeption der Arbeit

Fragebogenaktion

1.4.1. Stichprobe Die Grundgesamtheit der Befragung orientiert sich an der Zielgruppe der untersuchten Sendungen.15 Da die Probanden reflektierend über Rundfunkmoderation schreiben, aber auch spontane Meinungen äußern sollten, erschien es sinnvoll, vor allem 15- und 16jährige Jugendliche zu befragen. Ausgewählt wurden 9. und 10. Klassen verschiedener Schularten (Gymnasium, Realschule, Hauptschule, Gesamtschule) und Berufsschulklassen im 1. Ausbildungsjahr; die konkrete Auswahl einer bestimmten Gruppe war von zufälligen Faktoren abhängig.16 Innerhalb der Stichprobe wurde auch der Ort variiert, ein Teil der Befragung im Sendegebiet des NDR, ein anderer im Sendebereich der „Südsender" SWF und SDR durchgeführt. Da die Zusammenarbeit mit Schulleitern und Lehrern in Braunschweig und Umgebung sehr gut war, ist der Anteil der „Nord"-Befragten größer als der mit „genehmigungstechnischen" Problemen belastete „Südteil". Dies ist insofern akzeptabel, als kein Repräsentativitätsanspruch erhoben wird, vielmehr Tendenzen aufgezeigt werden. Die Befragung wurde mit 555 Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 (bzw. 20) 17 Jahren durchgeführt; das Durchschnittsalter beträgt sowohl in Nord- als auch in Süddeutschland 15,6 Jahre 18 , wobei die Streuung sehr gering ist ( 3 / 4 sind 15 oder 16). 19 365 Fragebögen wurden in Braunschweig und Umgebung, 162 in Mannheim und 28 in Bad Kreuznach ausgefüllt. 15 Ζ. B. beim Club (NDR2): vor allem Schüler (ab etwa 14 Jahren) und Auszubildende (Fissen, Leiter des NDR-Jugendfunks, am 29. 4. 85 mündlich); inzwischen wurde die Zielgruppe auf Erwachsene ausgeweitet (Kujawa, NDR, am 29. 4. 88 mündlich). 16 Ζ. B. in welcher Klasse zu einem für alle Beteiligten günstigen Termin eine Stunde zur Verfügung gestellt werden konnte. 17 Eine Berufsschülerin ist 20 Jahre alt. 18 Gewichtetes arithmetisches Mittel aller Angaben ungleich Null. 19 Standardabweichung: Nord Sn = 0.902; Süd: Ss = 0.959.

11

Fragebogenaktion

Schule20

Klasse

NORD

SÜD

Gesamt

Έ -

Gym

9. 10.

57 62

119

49 16

65

RS

9. 10.

47 59

106

17 69

86

HS

9. 10.

43 16

59

IGS

10.

47

47

47

BBS

1-Jg-

34

34

34

Gesamt

365 (65,8%)

39

39

190 (34,2%)

m 82

16

192

98 98

555

Der Anteil der weiblichen Informanten liegt bei etwa 5 7 % : 319 Mä, 236 Ju (Nord: 213 Mä, 152 Ju; Süd; 106 Mä, 84 Ju), was zum einen — vor allem im Süden — zufällig ist, zum anderen daran liegt, daß die Berufsschüler den offenbar „typisch weiblichen" Friseurberuf erlernen. 1.4.2. Aufbau des Fragebogens Um Vergleiche hinsichtlich verschiedener Parameter zu ermöglichen, wurde eine stark strukturierte Befragungsform gewählt. In einer Gruppensituation (Schulklasse) sollte ein wenig standardisierter Fragebogen schriftlich ausgefüllt werden. 21 Da innerhalb der Stichprobe mit Unterschieden in bezug auf das Verständnis der Fragen, das 20 Die Schularten werden hier und in der weiteren Auswertung folgendermaßen abgekürzt: Gym = Gymnasium RS = Realschule HS = Hauptschule (in Baden-Württemberg keine 10. Klasse HS) IGS = Integrierte Gesamtschule BBS = Berufsbildende Schule 21 Vgl. Fragebogen im Anhang, S. 347 - 352. In diesem Exemplar sind die Antworten der 16jährigen Gymnasiastin Jane als Beispiel für einen „guten Durchschnittsfragebogen" eingetragen.

12

Überblick über die Konzeption der Arbeit

sprachliche Ausdrucksvermögen und die Ausführlichkeit der Antworten zu rechnen war, 22 mußten Kompromisse beim Aufbau des Fragebogens und bei der Frageformulierung gefunden werden, um möglichst niemanden zu über- oder unterfordern. Aus dieser Überlegung resultiert auch die Mischform „geschlossene Frage mit Antwortvorgabe" (z.B. Frage l) 2 3 , „offene Frage" (F13), „Alternativfrage mit offener Begründung" (F10). Dem Erfahrungskreis der jeweiligen Region entsprechend gibt es zwei Versionen des Fragebogens, die sich im wesentlichen dadurch unterscheiden, daß im Süden gegenüber der Nord-Version Der Club (NDR2) durch Popshop (SWF3) ersetzt ist. Bei den in Mannheim verteilten Fragebögen mußte zudem nach Auflage des Oberschulamts Karlsruhe auf die Frage nach einem Spitz- oder Phantasienamen verzichtet werden.24 Der Befragung ist eine Vorstudie mit 122 Braunschweiger Gymnasiasten und Berufsschülern (Durchschnittsalter 15,6 Jahre) im Herbst 1984 vorausgegangen, deren Ergebnisse bei der Konzeption des Fragebogens berücksichtigt wurden. Im folgenden werden die dem Fragebogenaufbau zugrundeliegenden Zielvorstellungen und ihre Operationalisierung erläutert.25 Die Vorbemerkung dient der „Kontaktaufnahme" und vermittelt — wie Überschrift und Institutsbriefkopf — Informationen über Inhalt, Zweck und Relevanz der Befragung. Die persönlichen Daten sind für alters- und geschlechtsspezifische Vergleiche notwendig. Die Angabe eines Übernamens ermöglicht nicht zuletzt eine „freundliche" Zitierweise in der Auswertung.

22 Die größten Differenzen waren zu erwarten zwischen den sprachgewandtesten Schülern der 10. Klasse Gymnasium und den schwächsten Schülern der v 9. Klasse Hauptschule. 23 Fragebogen im Anhang, S. 347 — 352. Im folgenden werden die Fragen mit F l , F2 etc. angesprochen. 24 schriftlich am 9. 1. 87. 25 Relativ ausführlich ausgewertet werden einige Fragen in folgenden Teilkapiteln: F l - F 6 : 3.4; F7/F8: 5.1; F9: 5.3, 7.1; F10/F12: 5.3; F13/F15: 7.1; F14/F11: 7.2; F20: 7.4.

Fragebogenaktion

13

Die bewußt allgemein gehaltene Einstiegsfrage Fl (Selbsteinschätzung des Musikinteresses) dient der Motivation, sich auf das Thema „Musik" einzulassen. F2 verlangt einige quantitative Angaben dazu.26 Als Einstieg in das Thema „Rundfunkhören" erfaßt die Stichtag-Frage F3 in Kombination mit F4 und F5 das Hörverhalten der Befragten. Eine Erhebung des gesamten Tagesablaufs wäre zwar genauer, hier jedoch unangemessen aufwendig.27 Die Frage nach Eigenschaften des Hörfunks (F6) 28 ist von der Medienimages-Bestimmung in der Studie „Jugend und Medien" 29 angeregt und dient der Sensibilisierung für das Thema. Im Kern der Befragung (Fragen 7 bis 15) sind Meinungen und Einschätzungen zu Rundfunksendungen für Jugendliche30 und der dort verwendeten Sprache gefordert, wobei der Schwierigkeitsgrad (Abstraktionsniveau, Reflexionsanforderungen, eigene Formulierungsleistung) unterschiedlich ist, zumal die Bewertungsaspekte nur zum Teil vorgegeben sind. Eigene Vorschläge zur Gestaltung einer Jugendsendung (F7) werden zu Beginn des Fragenkomplexes verlangt, um Vorstellungen von Inhalt und Form „guter" Sendungen zu erfassen. In F8 soll eine Jugendsendung (Der Club bzw. Popshop) bewertet werden, zunächst ohne Eingrenzung auf bestimmte Aspekte. Ab F9 wird das Augenmerk auf die „Moderation" gelenkt. F10 spricht explizit den Stellenwert der Moderation an, wobei Überschneidungen mit F8 und F9 auftreten können. 31 Anschließend soll eine spezielle

26 Die Antwortvorgaben zu 2 a, 2 b und 4 sind in Anlehnung an Jugend und Medien 1986, S. 7 9 ff. gewählt. 27 Eine aktuelle Studie zu diesem Themenbereich, in der diese Methode angewendet wird, ist: Jugend und Medien 1986. 28 Mit Hilfe von semantischen Differentialen erhielte man quantitative Ergebnisse; für die hier periphere Fragestellung erschien die Methode jedoch zu (platz)aufwendig. 29 Vgl. Jugend und Medien 1986, S. 164 ff.; dort wurde mit Merkmalsmatrizen gearbeitet. 30 Vgl. Anm. 1. 31 Dadurch können jedoch auch diejenigen, die eine der drei Fragen nicht richtig verstehen, einige Aspekte ansprechen.

14

Überblick über die Konzeption der Arbeit

Moderationsform, die Moderation durch Jugendliche, in F l l 3 2 beurteilt werden, was wie F12 (Alter der Moderatoren schätzen) bewußt macht, daß Moderatoren normalerweise keine Jugendlichen sind. Um die Sprache der Moderation anzusprechen, wurde — nicht zuletzt als Motivationsschub — ein Textausschnitt aus einer Rundfunksendung ausgewählt (F13), der spontane emotionale Reaktionen herausfordert, aber auch für eingehende inhaltliche und formale Interpretationen ergiebig ist. Darüber, welche Aspekte die Befragten aufgreifen, sollen Aufschlüsse über den Stellenwert der einzelnen Moderationselemente erhalten werden. Eine eigene Rundfunkansage entwerfen (F14) ist eine für weniger Sprachgewandte schwierige „Kreativfrage", die inhaltliche und formale Hinweise zur erwarteten Mediensprache liefert, ansatzweise sogar Wirkungsaspekte erfaßt. Merkmale der Moderationssprache (F15) sollen in Form einer Merkmalsmatrix eingeschätzt werden, da mit Ermüdung der Schüler zu rechnen ist und deshalb eine offene Frage nicht ergiebig erschien. Die geschlossenen Antwortvorgaben sind 4-gliedrig, um das Ankreuzen in der Mitte zu verhindern. 33 Die zur Diskussion gestellen Kategorien sind zum größten Teil aus der Vorstudie als Antworten auf offene Fragen nach Moderationselementen hervorgegangen. Das Thema „Musikhören" wird nochmals aufgegriffen, da Musik und Rundfunk für die meisten Jugendlichen in engem Zusammenhang stehen. Die Frage nach den Besonderheiten (F17) der bevorzugten Musik (F16) soll erkennen lassen, welche Argumente die Jugendlichen für „ihre" Musik anführen. Die abschließenden Fragen verlangen Einschätzungen zu Bewertungen der angesprochenen „Jugendthemen" durch Erwachsene (F18 3 4 , F19). Schließlich haben die Befragten die Möglichkeit, ihr In32 Die allgemein formulierte Fragestellung läßt spontane Meinungen zu; es wird jedoch auch mit einem Ausstrahlungseffekt von den argumentativ zu beantwortenden Fragen gerechnet. 33 Zumindest erschwert es dies; einige sind dennoch auf die Idee gekommen, Kreuze zwischen die Kästchen zu setzen. 34 Die Antwortvorgaben resultieren aus den häufigsten Nennungen zur entsprechenden offenen Frage aus der Vorstudie.

Fragebogenaktion

15

teresse bzw. Desinteresse an einer weiteren Beschäftigung mit dem Thema zu äußern (F20). Die Bemerkungen geben Gelegenheit zu spontanen Kommentaren und weiterführender Kritik. Den hier vorgestellten Fragebogen testeten fünf 16- bzw. 17jährige Gymnasiasten, deren Stellungnahmen das Konzept im wesentlichen bestätigten. 35 1.4.3. Durchführung der Befragung Die Fragebogenaktion wurde in der Zeit vom 2. 12. 86 bis zum 19. 2. 87 durchgeführt. Um die Situation gleichmäßig kontrollieren zu können, beaufsichtigte ich die Befragungen in den Schulklassen (insgesamt 30) möglichst selbst. 36 Da mir dankenswerterweise jeweils eine Unterrichtsstunde zur Verfügung gestellt wurde, in der die Schüler die Fragebögen in meiner Anwesenheit ausfüllten, ist die Befragungssituation semi-kontrolliert. So konnte auch das Antwortverhalten der Gruppen notiert werden (ζ. B. sehr konzentriert oder mit viel Nebenkommunikation). Den Jugendlichen wurde gesagt, eine sinnvolle Arbeit über Musik und Rundfunk erfordere die Hilfe von Musik- und Radiohörern (als Experten). Um eine angespannte „Test-Atmosphäre" zu verhindern, war sogar „Nebenkommunikation" zugelassen, allerdings mit dem Hinweis, jeweils die eigene Meinung im Fragebogen zu äußern, da nur so ein umfassendes Bild entstehen könne. Die Schüler wurden ferner darauf hingewiesen, daß die Beteiligung an der anonymen Befragung freiwillig sei. Verständnisfragen zum Fragebogen konnten während des Ausfüllens gestellt werden, was einige Gruppen jedoch kaum nutzten. 37 Die 35 Die Testbögen (Nr. 1 — 5 ) werden in die Auswertung aufgenommen, da keine prinzipiellen Differenzen zu den A n t w o r t e n der gleichaltrigen Gymnasiasten aus der Hauptbefragung auftreten. 3 6 Dies w a r organisatorisch möglich bis auf drei Ausnahmen. In diesen Fällen erhielten die Lehrer genaue Instruktionen; die Ergebnisse unterscheiden sich nicht grundsätzlich von den übrigen, in einer Klasse führte diese F o r m allerdings zu einem geringeren Rücklauf. 3 7 Verständnisprobleme gab es ζ. T. bei den Fragen 2 a / 2 b und F 6 , die ich umformuliert für die ganze Gruppe wiederholte.

16

Überblick über die Konzeption der Arbeit

Atmosphäre während der Befragung und der Kontakt zu den Schülern war jeweils von der Gruppe selbst, ihrer Einstellung zu Thema und Art der Befragung, aber auch vom meist mit anwesenden Fachlehrer 38 abhängig. Um die Anonymität sicherzustellen, wurden die Fragebögen nach dem Ausfüllen auf einen Stapel gelegt, in Mannheim in verschlossenen Umschlägen abgegeben. 39 1.4.4. Bemerkungen zum Antwortverhalten Insgesamt lieferte die Befragung eine Fülle an Material, so daß sich der organisatorische Aufwand gelohnt hat. Natürlich konnten nicht alle Befragten gleichermaßen gut angesprochen werden, schon wegen des unterschiedlich großen Interesses am Thema. Für den Bereich „Musik" schätzen sich über 90% der Befragten als stark interessiert oder interessiert ein (Fl). An einem Gespräch über die Themen „Musik" und „Rundfunk" interessiert (F20) wären immerhin knapp 80% der Befragten. Besonders die Hauptschüler hatten jedoch ζ. T. Probleme, adäquat zu antworten, wobei unklares Verständnis der Frage und relativ geringes sprachliches Ausdrucksvermögen in der Antwort ineinandergreifen. Die Antwortbereitschaft ist individuell verschieden und variiert zudem je nach Frage. Hier eine Übersicht über das Ausmaß der Antwortverweigerung (siehe Tabelle S. 17). Insgesamt haben rund 80% den Fragebogen nahezu vollständig ausgefüllt (höchstens zwei Fragen nicht bearbeitet), knapp 5% zeigen eine geringe Antwortbereitschaft. Insbesondere einige Realschüler und Gymnasiasten antworten über die Erwartungen hinaus ausführlich und aspektreich.

38 Wenn Lehrer interessiert, aber nicht aufdringlich am Geschehen teilnahmen, war die Atmosphäre relativ entspannt. 39 Die Briefumschläge (Auflage des Oberschulamtes) wurden ca. 10 Min. vor Stundenschluß verteilt, dennoch nutzten einige Schüler die Zeit, sie mit Widmungen oder Phantasienamen zu versehen. Obwohl ich die Anonymität der Befragung betonte, wollten sich manche Schüler, insbesondere Jungen der 9. Klassen, durch Angabe eines Phantasienamens (ζ. B. James Bond) offensichtlich mit ihrem „Werk" identifizieren.

17

Fragebogenaktion

Antwortverweigerung der einzelnen Befragten Zahl nicht beantw. Fragen

m 236

w 319

Nord 365

Süd 190

0 1 2 3 4 5 6 über 6

92 47 45 18 10 9 3 12

135 76 47 18 14 11 4 14

167 85 49 20 17 9 4 14

60 38 43 16 7 11 3 12

Gym 184

RS 192

HS 98

IGS 47

BBS 34

105 35 25 8 5 5 0 1

84 47 35 9 2 6 4 5

11 16 23 11 14 8 2 13

22 13 3 3 2 0 1 3

5 12 6 5 1 1 0 4

Zahl nicht beantw. Fragen 0 1 2 3 4 5 6 über 6

Gesamt 555 % 227 123 92 36 24 20 7 26

41 22 17 6 4 4 1 5

1.4.5. Datenaufbereitung Individuelle Unterschiede sollen in der Auswertung ebenso berücksichtigt werden wie generelle Tendenzen. Daher wurde ein methodischer Ansatz gewählt, der sowohl aus qualitativen als auch aus quantitativen Methoden schöpft. Die Kombination der sich ergänzenden Richtungen bietet eine vielschichtige Betrachtungsweise, die angesichts der Komplexität des Objektbereichs notwendig erscheint. Die Datenaufbereitung unter EDV-Einsatz (IBM PC XT) ermöglicht durch die Speicherung der Daten Zugriff unter verschiedenen Aspekten, ohne daß die Exaktheit durch Abschreibfehler beeinträch-

18

Überblick über die Konzeption der Arbeit

tigt würde. Der Vorschlag einiger Handbücher zur empirischen Sozialforschung40, Fragebogenantworten zu codieren und auf Lochkarten abzulochen, um sie später auf Bändern oder Platten abzuspeichern, erscheint in einer Zeit der mit Disketten und Festplatten arbeitenden „Personal Computer" und immer komfortablerer Software für viele Zwecke nicht adäquat. Inzwischen kann umfangreicheres Sprachmaterial bearbeitet werden', wenn auch die meisten Datenbanksysteme für kommerzielle Anwendungen im technisch-kaufmännischen Bereich entwickelt werden. Zur Datenaufbereitung wurde hier ein relationales Datenbanksystem verwendet, das einige Prozeduren bereits enthält (Durchschnittsberechnungen, „Zählen"), aber auch durch „eigene" Programme ergänzt werden kann. Pro Fragebogen wurde ein Datensatz eingerichtet, der den Fragen entsprechend in Felder unterteilt ist, so daß in der Analyse einerseits die Angaben aller Befragten zu einer Frage verglichen, andererseits die Fragebögen jeweils im Zusammenhang betrachtet werden können. Codierungen wurden zunächst nur bei vorgegebenen oder deutlich erkennbaren Antwortkategorien (z. B. F2 a bzw. F2 c) vorgenommen, ansonsten die Originalzitate aus den Fragebögen übernommen. Aus den entstandenen Listen wurden Kategorisierungen herausgearbeitet und zusätzlich vermerkt. Eine vollständige Codierung hätte erhebliche Informationsverluste mit sich gebracht, zumal inhaltliche Aussage und Art der Formulierung häufig nicht zu trennen sind. Beispielsweise liegen die Äußerungen zu F13 (Textausschnitt kommentieren) mit dem Inhalt ,es wird zuviel Oberflüssiges gesagt' auf verschiedenen Ebenen der Emotionalität: nur unnötiges Gerede (m, 16], RS, MA, FB-Nr. 1237) 4 1 , nur Phrasen, keine echte Info (m, 16], Gym, BS, FB-Nr. 115), ziemlich leeres Bla-Bla (w, 16], IGS, BS, FB-Nr. 430), der Typ labert zu viel Scheiße (m, 16], RS, BS, FB-Nr. 264).

40 Vgl. Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung 5 1984; Friedrichs: Methoden der empirischen Sozialforschung 1 0 1982; Kromrey: Empirische Sozialforschung 3 1986. 41 Zitate aus den Fragebögen werden mit folgenden Angaben versehen: Ge-

Vorgehensweise bei der Darstellung

19

Auch aus nicht-codiertem Material können Kategorien herausgefiltert werden, indem Auswahldateien gebildet werden mit den Datensätzen, die bestimmte — exakt vorzugebende — Ausdrücke enthalten. Durch Kombination von Bedingungen kann damit mehrdimensional gearbeitet werden. Für die Auswertung wichtige Operatoren sind soll enthalten/soll nicht enthalten,41 gleich/ungleich, für numerische Felder auch größer/kleiner.

1.5.

Vorgehensweise bei der Darstellung

Die empirische Untersuchung von Rundfunksendungen für Jugendliche setzt eine Auseinandersetzung mit Konzepten und Theorien aus den Gebieten „Jugend und Jugendkultur" (Kap. 2) und „Medienkommunikation" (Kap. 3) voraus. In die Darstellung des medienwissenschaftlichen Umfeldes einbezogen werden die Ergebnisse der eigenen Fragebogenaktion zur Mediennutzung und zum Themenbereich „Musik". Im 4. Kapitel werden die für die Materialanalysen zentralen Phänomene „Jugendsprache" und „Mediensprache" unter Berücksichtigung des Forschungsstandes vorgestellt, ein erster Einordnungsversuch in die deutsche Sprache als Ganzes unternommen und Thesen zum Verhältnis der beiden „Sprachformen" aufgestellt. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen für fundierte Analysen der Rundfunktexte, die strukturell, grammatisch, lexikalisch, stilistisch und pragmatisch angelegt sind (Kap. 5, 6 und 8), um zu einer Standortbestimmung der „Mediensprache" in Rundfunksendungen für Jugendliche zu gelangen. Der prinzipiell funktionale Analyseansatz wird den Anforderungen des Materials entsprechend umgesetzt, schlecht (m/w), Alter, Schulart, Ort (Nord: BS = Braunschweig; Süd: MA = Mannheim, BK = Bad Kreuznach), Fragebogen-Nummer, ggf. Spitzname. 42 Dieser Operator muß wegen evtl. fehlender Angaben fast immer verwendet werden, um nur die Fragebögen zu betrachten, in denen tatsächlich eine Antwort gegeben ist.

20

Überblick über die Konzeption der Arbeit

was aspektreiche Kategorisierungen (Kap. 6) bedingt. Ergänzt wird die Textanalyse durch Rezipienteneinschätzungen und Kommunikatoräußerungen zur Sprache in Rundfunksendungen (Kap. 7). Die Meinungen und Bewertungen durch jugendliche Rezipienten werden auf die Analyseergebnisse zur „Mediensprache" bezogen, Funktionen herausgearbeitet und ansatzweise mögliche Wirkungen von Medien im Bereich der Sprache diskutiert (Kap. 7/9). An die Zusammenfassung der Ergebnisse und die Überprüfung der Ausgangsthesen (Kap. 9) schließen sich — für ein sprachpolitisch relevantes Thema notwendigerweise — sprachkritische Bemerkungen an, die mit einer Einschätzung der in Zukunft zu erwartenden Sprachentwicklung abgeschlossen werden (Kap. 10).

2. Jugend und Jugendkultur

2.1.

„Die Jugend" gibt es nicht

Jugendkultur, Jugendsprache und Jugend(rundfunk)sendungen sind nur drei der hier zentralen Begriffe mit dem Bestimmungswort Jugend, das im wesentlichen zwei Teilbedeutungen hat: (I) ,zustand und zeit des jungseins' 1 (II) ,junge leute, im gegensatz zu kindern' 2 .Gesamtheit junger Menschen, junge Leute' 3

Die Bedeutung (I) von Jugend als Lebensphase eines Menschen, in der er jung ist 4 , bezieht auch die Kindheit ein. Präzisiert wird die Definition in der wissenschaftlichen Jugendforschung insofern, als der Beginn des Lebensabschnittes Jugend mit der Pubertät angesetzt wird. 5 Das Ende von Jugend als Zeitabschnitt kann nach verschiedenen Kriterien mehr oder weniger6 genau festgelegt werden, beispiels-

1

2 3 4 5 6

Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 10 (1877, Bearb.: Heyne); Duden Deutsches Universalwörterbuch 1983, S. 651, unterscheidet: 1. Zeit des Jungseins, 2. Zustand des Jungseins Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 10, Spalte 2362, als Unterpunkt 11,3 zu ,νοη jugendlichen wesen' Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 1976 ff., Bd. 3, S. 1389. In Paul: Deutsches Wörterbuch, 7./8. Aufl. 1976/1981 ist „Jugend" unter dem zugehörigen Adjektiv „jung" lemmatisiert. Eine kalendarische Festlegung (etwa juristisch: 14—18jährige) leistet wenig für die Probleme der Jugendsoziologie. Ζ . T. wird statt eines Schlußpunktes eine Übergangsphase „Postadoleszenz" bzw. „junge Erwachsene" angesetzt, ζ. B. „Shell-Studie" Jugend ' 8 1 , 1 9 8 1 .

22

Jugend und Jugendkultur

weise operational7 (ζ. Β. Eintritt in das Berufsleben; Familiengründung), sozialpsychologisch oder nach der Zuerkennung und Übernahme sozialer Rollen in der Gesellschaft. Letzteres liegt Hollingsheads soziologischer Definition zugrunde: „Soziologisch gesehen ist die Jugend (adolescence) die Periode im Leben eines Menschen, in welcher die Gesellschaft, in der er lebt, ihn [...] nicht mehr als Kind ansieht, ihm aber den vollen Status, die Rollen und Funktionen des Erwachsenen noch nicht zuerkennt. [...] Sie ist nicht durch einen besonderen Zeitpunkt bestimmt, etwa durch die körperliche Pubertät, sondern nach Form, Inhalt, Dauer und Abschnitt im Lebensablauf von verschiedenen Kulturen und Gesellschaften verschieden eingegrenzt." 8

Psychologisch gesehen ist die Phase zwischen Kindsein und Erwachsensein für den Jugendlichen geprägt von der Suche nach der eigenen Identität, der Ausbildung individueller Persönlichkeit. Da die Dauer dieses Reifevorgangs von den Rahmenbedingungen (Ausbildung etc.) und psychischen Faktoren abhängt, treten erhebliche individuelle Unterschiede auf. In der zweiten Teilbedeutung (II) meint Jugend die Gruppe derjenigen, die sich in der Phase der Jugend (I) befinden. Auf Jugend als gesellschaftliche Gruppe beziehen sich die meisten neueren Ansätze der sozialwissenschaftlichen Jugendforschung. Wird im Deutschen Wörterbuch, Bd. 10 (1877), Jugendforschung noch paraphrasiert als ,forschung die man in der jugend anstellt' 9 , muß man sie heute als Forschungsrichtung ansehen, in der verschiedene wissenschaftliche Disziplinen - oft nebeneinander statt aufeinander bezogen — mit einer kaum überschaubaren Anzahl von Theorien und Untersuchungen über „die Jugend" vertreten ist. Einen Überblick über die wichtigsten Ansätze bis in die 60er Jahre bietet der Sammelband „Jugend in der modernen Gesellschaft" 10 ; eine kritische Auseinandersetzung mit klassischen und neueren Ju-

7 8

Vgl. Neidhardt: Die junge Generation 1970. August B. Hollingshead: Elmtown's Youth. New York 1949. Zitiert nach: Allerbeck/Rosenmayr 1976, S. 19. 9 Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 10, Spalte 2363. 10 v. Friedeburg (Hrsg.): Jugend in der modernen Gesellschaft 1971.

Die Jugend" gibt es nicht

23

gendtheorien leistet Griese 1 1 . Über die soziologischen Theorien hinaus sind pädagogische Ansätze zu Jugendproblemen zu beachten. 1 2 Die Schwäche vieler Jugendtheorien liegt in der idealtypischen Annahme eines Durchschnittsjugendlichen, der „Erfindung des Jugendlichen" 1 3 . Neuere Studien versuchen, dem Mythos Jugend differenziertere Modelle entgegenzusetzen 14 bzw. Jugendkonzepte anhand konkreter Probleme zu entwerfen 1 5 , oder verzichten auf eine allgemeine Jugendtheorie und wenden sich statt dessen den Phänomenen der Jugendwelt zu. 1 6 Mit dem Bewußtsein, daß es kein homogenes Jugendkonzept geben kann, lassen sich m. E. mit Hilfe vorhandener Jugendtheorien durchaus Einsichten in die Strukturen der „Jugend von heute" 1 7 gewinnen. Im Rahmen dieser Arbeit interessiert dabei vor allem, wie Jugendkultur entsteht und welche Bedeutung dabei den Medien und der Sprache zukommt. Tenbruck 1 8 greift diese Probleme in seinem „handlungstheoretischen" 19 Ansatz auf, ausgehend von der Komplexität der industriellen Gesellschaft. Diese wird u. a. durch starke Differenzierung und eine Vielzahl ineinandergreifender Rollen charakterisiert. Die zahlreichen Teilstrukturen der modernen Gesellschaft führen zur „institutionalisierten Entgrenzung" 2 0 , weg von traditionellen lokalen Gruppen (ζ. B. der Familie) 2 1 . Altershomogene Sekundärgruppen in 11 Griese: Sozialwissenschaftliche Jugendtheorien 1977. 12 Überblick in: Jugendforschung in der Bundesrepublik 1984. 13 Eine historische Auseinandersetzung mit dem Jugendkonzept leistet Roth: Die Erfindung des Jugendlichen 1983. 14 Vgl. Lenz: Alltagswelten von Jugendlichen 1986. 15 Vgl. Baacke/Heitmeyer (Hrsg.): Neue Widersprüche 1985. 16 Vgl. Studien zu jugendlichen Subkulturen, ζ. B. Hahn/Schindler: Punk — die zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt 1983. 17 Duden. Das große Wörterbuch d. dt. Sprache 1976 ff. enthält das Lemma „die Jugend von heute" ,die Jugendlichen, die jungen Leute der heutigen Zeit, bes. im Hinblick auf ihre Verhaltensweisen, ihr Auftreten'. 18 19 20 21

Tenbruck: Jugend und Gesellschaft. 2. Aufl. 1965 ( ] 1962). Bezeichnung von Griese 1977, S. 7. Tenbruck 1965, S. 26. Vgl. dazu den „ökologischen Lebensweltenansatz" in: Baacke: Die 13- bis

24

Jugend und Jugendkultur

Schule, Vereinen und Organisationen gewinnen an Bedeutung22, zumal verlängerte Ausbildungszeiten die Eingliederung in Erwachsenenrollen verzögern, die „Jugendspanne" verlängern.23. Die „Radikalisierung der Jugendphase" trägt dazu bei, daß sich eine „Teilkultur" der Jugend ausbilden kann. 24 Dazu gehören „unverwechselbare Formen des Umgangs, Sports, Vergnügens" und „eigene Mode, Moral, Literatur, Musik und Sprache" 25 , getragen von Gleichaltrigengruppen, deren zunehmende Bedeutung von neueren Untersuchungen bestätigt wird. 26 . Zur Definition des wichtigen soziologischen Begriffs der Gruppe ist in diesem Zusammenhang folgendes zu berücksichtigen:27 Gruppen im engeren Sinne28 sind gesellschaftliche Gebilde von mehreren Personen, die überindividuell eine innere Einheit zeigen, was sich im „Wir-Bewußtsein" ausdrückt. Verbindend sind Gruppenanschauungen, -interessen, -werte und -ziele. Die Abgrenzung einer Gruppe nach außen („Ihr-Entfernung") wird durch „Abzeichen" 29 signalisiert, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe damit markiert. Als Gruppenabzeichen fungieren Lebensstilelemente wie Kleidung, Frisur, Gestik, Mimik, Verhalten und Sprache.

22 23 24 25 26 27 28 29

18jährigen 3 1983, S. 48 — 53. Danach betritt der Heranwachsende folgende Zonen in aufsteigender Reihenfolge: Ökologisches Zentrum (Ort der Familie), ökolog. Nahraum (Nachbarschaft), ökolog. Ausschnitte (Schule etc.), ökolog. Peripherie (gelegentliche Kontakte). Vgl. Tenbruck 1965, S. 90 f. Vgl. Tenbruck 1965, S. 53. Tenbruck 1965, S. 54 f. Tenbruck 1965, S. 55. Vgl. Allerbeck/Hoag: Jugend ohne Zukunft? 1985, S. 38 ff. Die Arbeitsdefinition erfolgt in Anlehnung an Bernsdorf (Hrsg.): Wörterbuch der Soziologie 1969, Taschenbuchausgabe 1972, Bd. 2, S. 313 ff. In sehr weiter Bedeutung meint der Gruppenbegriff eine Anzahl zufällig zusammengekommener Individuen oder Objekte. So erhalten Accessoires, ζ. B. Buttons, im Kontext bestimmter jugendlicher Gruppen einen spezifischen Statuswert, sie dienen „als Ersatz für den M i t gliedsausweis' ". Vgl. Zinnecker: Accessoires. In: Näherungsversuche Jugend ' 8 1 , 1 9 8 3 , S. 258.

Die Jugend" gibt es nicht

25

Jugendkultur30 entsteht auf dem Hintergrund des Gruppenkonzeptes in dreifacher Hinsicht: (1) Peer-Groups Die kleinsten „Jugendgruppen", denen der einzelne Jugendliche mehr oder weniger fest angehört, sind die Cliquen Gleichaltriger (PeerGroups). Hier gruppieren sich Jugendliche etwa gleichen Alters, ähnlicher sozialer Herkunft, mit zumindest teilweise gemeinsamen Interessen und Einstellungen. In der Gleichaltrigengruppe werden Lebensformen erprobt, die einerseits der individuellen Orientierung dienen, andererseits soziale Erfahrungen des Umgangs mit Menschen vermitteln. 31 (2) Subkulturelle Gruppen Die Gruppenmerkmale der Peer-Groups sind ζ. T. an subkulturellen Strömungen orientiert, was jedoch nicht bedeutet, daß jede PeerGroup einem Subkulturstil, ζ. B. Punk, Popper- oder Rockerstil, zuzurechnen ist. Nur wenige Jugendliche bezeichnen sich als solchen Subkulturgruppen zugehörig; Sympathien, Toleranz oder Ablehnung einzelner Stile sind dagegen geschlechts-, schichten-, bildungs- und altersabhängig bei fast allen festzustellen.32 (3) Gruppe der jugendlichen Makrostrukturell gesehen sind die Peer-Groups und die subkulturellen Gruppen Teil einer virtuellen Großgruppe Jugend. Trotz der heterogenen Zusammensetzung besteht Konformität innerhalb „der Jugend", 33 vermittelt über die relativ uniformen Peergruppen. Die „Uniformierung" wird jedoch von den Jugendlichen selbst als „stildifferenzierende Variante" erlebt. 34 30 Im Sinne von „Teilkultur der Jugend" (Tenbruck). 31 Vgl. Baacke: Die 13- bis 18jährigen 3 1983, S. 234ff. 32 Ergebnisse der Shell-Studie: Jugend '81, 1981. Vgl. die Übersicht dazu in: Jugendforschung in der Bundesrepublik 1984, S. 100 ff. 33 Vgl. Bell: Die Teilkultur der Jugendlichen (1961), in: v. Friedeburg (Hrsg.) 1971, S. 85: „Es gibt wahrscheinlich nur wenige Teilkulturen, die größere Konformität erfordern als diejenige der Jugendlichen." 34 Baacke: Jugendliche Lebensstile: Vom Rock'n'Roll bis zum Punk. In: Bildung und Erziehung 38/1985, S. 210.

26

Jugend und Jugendkultur

Die Verbreitung von Jugendkultur als Kultur „der" Jugend erfolgt zu einem beträchtlichen Teil über Medien, und durch Medien wird die Ausbildung einer „allgemeinen" Jugendkultur erst ermöglicht. Tenbruck spricht den „Kommunikationskanälen" im Rahmen seiner Jugendtheorie eine gruppenverbindende Funktion zu: 35 Die Jugendlichen werden mit anderen Gruppen der Gesellschaft, aber auch untereinander, verbunden, so daß die Aneignung jugendkultureller Elemente über die Peer-Groups hinaus möglich ist.

2.2.

Lokale und soziale Reichweite von Jugendkultur

Jugendkultur umfaßt einerseits von der „Kulturindustrie" 36 angebotene Produkte, ζ. B. Mode, Accessoires im weitesten Sinne 37 und Medienprodukte wie Musik, andererseits von den Jugendlichen selbstinitiierte Aktivitäten, auch subkultureller Herkunft. 38 Subkultur und Kulturindustrie treten in ein spannungsreiches Wechselverhältnis: Subkulturelle Stilelemente werden teilweise vermarktet zu einer industriell erzeugten Jugendkultur, die die „oppositionellen stilistischen Neuerungen aufgreift und entschärft und als modische Innovation" 3 9 auf den Markt bringt. Diese geglättete Jugendkultur wird aus verkaufsstrategischen Gründen auf einen möglichst großen Teil „der Jugend" zugeschnitten, so daß hier vorübergehend das Bild einer relativ einheitlichen Gruppe Jugend entstehen kann. Sehr ausgeprägt war dies um 1960 der Fall, als der Typus des Teenagers als „Produkt einer Industrie, die sich in Gewohnheiten, Gedanken und Wünsche Jugendlicher einzuführen weiß," 4 0 „geschaffen" wurde.

35 Vgl. Tenbruck 1965, S. 29. 36 Eine genaue Definition dieses Begriffs bzw. des noch diffuseren Begriffs „Massenkultur" etwa nach der „klassischen" Konzeption der Frankfurter Schule (u. a. Adorno) kann hier nicht angegeben werden. 37 Dazu sind auch Sportgeräte, Motorräder etc. zu rechnen. 38 Vgl. Bruder/Bruder: Jugend 1984, S. 18. 39 Jugendforschung in der Bundesrepublik 1984, S. 97. 40 Lindner: Jugendkultur. In: Immer diese Jugend! 1985, S. 19.

Lokale und soziale Reichweite von Jugendkultur

27

Den Marktprinzipien folgend findet die Kommerzialisierung von Jugendkultur als dynamischer Prozeß statt. Die Industrie greift Bedürfnisse, Trends und Stile der Jugendlichen auf, diese werden durch Medien „kanalisiert" und verbreitet, verlieren dabei einen Teil ihrer ursprünglichen Aussagekraft. 4 1 „Als Ersatz" entstehen neue Wellen auf subkultureller Ebene, 4 2 je nach Akzeptanz durch die jugendlichen Käufer — ihre Rolle im Marktprozeß ist nicht zu unterschätzen — wird zudem eine breitere Jugendkultur etabliert. Die Medien tragen dazu bei, „daß Jugendkultur bis in das letzte Provinznest dringt, ein Gefühl der Zugehörigkeit und Identität mit einem bestimmten Stil, einer Musik, einem Star sich herstellt" 4 3 . Jugendkultur erhält damit überregionale, sogar internationale Reichweite: Weltweit können Jugendliche durch Konsum von Gütern und Medienprodukten Mitglieder „der Jugend" werden. Die Partizipation an Gruppenstilen ist auch einzelnen möglich, denn die Medien konstituieren ein „abstraktes Beziehungs-Netz ohne direkten Sozialkontakt" 4 4 . So ermöglichen Kommerzialisierung von Jugendkultur und ihre Verbreitung über Medien theoretisch jedem ihre Aneignung. Jugendkultur kann sich nicht nur über lokale und soziale Grenzen hinweg ausbreiten, sondern erreicht medial vermittelt auch verschiedene Altersgruppen. Hatte Tenbruck von zunehmendem „Puerilismus der Gesamtkultur" berichtet 45 , so bestätigen neuere Umfragen, daß sich Erwachsene in ihren Haltungen und Bedürfnissen immer „jugendlicher" zeigen. 4 6 Die Medien ermöglichen es Erwachsenen, an der kommerzialisierten Jugendkultur teilzunehmen, und verstärken damit diese Tendenz. Voraussetzung für solche „Medienwirkung" ist m. E. die Tatsache, daß viele der heute Erwachsenen die Jugendlichen 41 Vgl. B r u d e r / B r u d e r : J u g e n d 1984, S. 20. 42 Vgl. Weiß: M u s i k ist mehr als nur M u s i k . In: J u g e n d - J u g e n d p r o b l e m e — J u g e n d p r o t e s t , S. 99 f. 43 44 45 46

B r u d e r / B r u d e r : J u g e n d 1984, S. 20. B a a c k e in B a a c k e / H e i t m e y e r (Hrsg.): N e u e Widersprüche 1985, S. 163. Vgl. Tenbruck 1965, S. 55 f. Vergleichende Repräsentativstudie Jugendliche und E r w a c h s e n e '84, dazu Zinnecker in B a a c k e / H e i t m e y e r (Hrsg.) 1985, S. 24 — 45.

28

Jugend und Jugendkultur

der Rock'n'Roll- bzw. Beat-Ära sind. Dennoch bedeutet die partielle Beteiligung der Erwachsenen an der Jugendkultur nicht die Auflösung jugendspezifischer Formen, denn Lebenswelten und Bedürfnisse Jugendlicher und Erwachsener unterscheiden sich, so daß heutige Jugendkulturen als „teilweise ebenso transitorisch" wie frühere anzusehen sind. 47 Im Bereich der Rock-/Popmusik als einem wichtigen Teil von Jugendkultur — auch aus kommerzieller Sicht — gibt es spätestens seit den 50er Jahren ein Wechselspiel zwischen subkulturellen, oppositionellen oder revolutionär angehauchten Musikströmungen (mit „kritischem, anarchistischen ,touch'" 4 8 ) und ihrer „Glättung" und Integration in die populäre Massenkultur. Für ihre Konsumenten bedeutet Rockmusik vor allem „Fun" und Unterhaltung, „und dieses Spaßhaben bleibt bestehen trotz der Versuche, das Rockpublikum nach der Pfeife der Marketingexperten tanzen zu lassen". 4 9 Die Schnelllebigkeit der Popmusik 50 wird durch rasche Kommerzialisierung noch beschleunigt. Selbst „wichtige" Erscheinungen der Musikszene sind dem Wandel unterworfen: „So veränderte sich die Reaktion auf Elvis Presley, auf die Rolling Stones und die Sex Pistols sehr schnell vom Schock zur Nostalgie". S 1 Das folgende Kapitel versucht, einen Eindruck von den musikalischen Erscheinungsformen und damit zusammenhängenden Verhaltensweisen in den Jugendkulturen des 20. Jahrhunderts zu vermitteln. 52 Ohne Vollständigkeit anzustreben, werden Schlaglichter auf einige Trends geworfen. Diese im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit ungewöhnliche Darstellungsweise erscheint mir angemessen,

47 Baacke: Jugendliche Lebensstile: Vom Rock'n'Roll bis zum Punk. In: Bildung und Erziehung 38/1985, S. 205. 48 Brake: Soziologie der jugendlichen Subkulturen 1981, S. 163. 49 Brake: Soziologie der jugendlichen Subkulturen 1981, S. 163. 50 pop bezeichnet u. a. Flüchtiges im Sinne der Interjektionen ,paff' oder ,husch', vgl. Langenscheidts Großwörterbuch Englisch-Deutsch 5 1981. 51 Frith: Jugendkultur und Rockmusik 1981, S. 69. 52 Die synchrone Vielfalt von „Jugendmusik" tnuß dabei zugunsten der Hauptströmungen vernachlässigt werden.

Jugend und ihre Musik

29

um einen populären Themenbereich mit vielschichtigen Aspekten zu behandeln. 5 3

2.3.

Jugend und ihre Musik — Vom Wandervogel bis zur Rock-/Pop-Generation

Was der Wandervogel draußen sucht, das steht im Volkslied geschrieben! Man kann wohl sagen: das Volkslied ist der vollendete musische Ausdruck unserer Wandervogelideale. Und darum die Parole: Ehre das Volkslied, Wandervogel! Erkenne in ihm und mit ihm deine wahre Natur! Erkenne dich selbst! H a n s Breuer 1 9 1 0 5 4 , Herausgeber des „Zupfgeigenhansls" (1908)

Nun sind aber im Wandervogel auch Menschen, die noch eine ganz andere Musik kennen als die des Volksliedes, nämlich die sogenannte große Kunst, die im Konzertsaal, am Klavier, im Streichquartett usw. gepflegt wird. Im Gehirn dieser Menschen können diese zwei Arten der Musik auf die Dauer nicht beziehungslos nebeneinander ihr Dasein führen. Und zwar ist eine gewisse Überlegenheit der großen Kunst über die Liedkultur unmittelbar einleuchtend, l-l Gustav Wyneken 1 9 1 8 5 5

jetzt ist unser Gesang der Jazz. Der erregte hektische Jazz ist unsere Musik. Und das beiße verrückttolle Lied, durch das das Schlagzeug hinhetzt, katzig, kratzend. Und manchmal nochmal das alte sentimentale Soldatengegröhl, mit dem man die Not überschrie und den Müttern absagte. [...] Und diese Musik ist der Jazz. Denn unser Herz und unser Hirn haben denselben heißkalten Rhythmus: den erregten verrückten und hektischen, den hemmungslosen. Wolfgang Borchert 1 9 4 7 5 6

Der einzige Haken in der Musikindustrie war, daß man nicht genau wußte, was die Teenager wirklich wollten. Man konnte nur tonnenweise Lärm pro53 Musikwissenschaftliche Beiträge zum T h e m a , vgl. Sandner: R o c k m u s i k 1977 und Hartwich-Wiechell: P o p - M u s i k 1974. 5 4 In: Wandervogel, M o n a t s s c h r i f t des Wandervogel D . B. 4 , H . 7 , 1910. Zitiert nach Kindt (Hrsg.): Die Wandervogelzeit, S. 1012 f. 55 In: Musikalische Jugendkultur, hrsg. von Fritz J ö d e , H a m b u r g 1918. Zitiert nach Kindt (Hrsg.): Die Wandervogelzeit, S. 1023. 56 Aus: Das ist unser Manifest. In: Das G e s a m t w e r k 1949, S. 3 0 8 .

30

Jugend und Jugendkultur duzieren und dann sehen, was sich am besten verkaufte. Auf diese Weise brauchte es nur Zeit, dann würde man auf eine Goldader stoßen. Der Gedanke erwies sich als richtig: Im April 1954 machte ein alternder Country'n'Western-Sänger namens Bill Haley eine Platte mit dem Titel „Rock Around The Clock". 1955 wurde sie ein Hit in Amerika und dann ein Hit in England und dann ein Hit in der ganzen Welt. Und sie verkaufte sich und sie verkaufte sich, es wollte einfach nicht aufhören. Ein ganzes Jahr blieb sie in den Hitparaden. Als es schließlich vorüber war, da waren fünfzehn Millionen Scheiben verkauft. Und die Popmusik war geboren. Nik Cohn 57 Zu Berlins größtem Halbstarkenkrawall artete heute nacht der Versuch des amerikanischen Massenaufpeitschers Bill Haley aus, auf dem Sportpalastpodium eine Kostprobe seiner Zuckungen, Schreie und Gitarrenschläge darzubieten. Nach vierzig mühsam überstandenen Minuten ging die Veranstaltung in einem unbeschreiblichen Getöse unter. Mr. Haley und seine Veitstanzinstrumentalisten flohen Hals über Kopf zum Bühnenausgang hinaus. Ihnen nach folgte eine Horde von mehreren tausend ekstatischen Jugendlichen, die ganze Stuhlreihen niederrissen, das Podium stürmten, den Flügel zerhackten und — wild schreiend und wild um sich schlagend — alles niederstampften, was ihnen entgegentrat. Der Abend, 27. 10. 1958 Wir werden nach Rock'n'Roll-Musik gepflegten Boogie tanzen, und es wird, wie bei einer ganzen Reihe anderer Tänze auch, eine Frage des Geschmacks bleiben, ob man die absolut entbehrliche Hüftwackelei mitmacht oder nicht. tanz-illustrierte 1957 58 Jeans hab ich mir keine kaufen dürfen, nicht mal vom Taschengeld. 24 Mark war auch verdammt teuer. [...] Die Jeans hab ich dann doch gekriegt, und auf Nyltest-Hemden stand sogar meine Mutter, die nicht gern bügelte. Stiefel waren schwierig, Slop-Hosen, Shake-Hosen, Rüschenhemden — das ging schnell ins Geld. Vor allem aber Platten. Ich hatte keinen Plattenspieler. Kaum ein Schüler hatte einen. Aber ich ging von einem der beiden Elektroläden zum anderen und kaufte 45er. Brunswick, London, RCA, Decca — magische Namen, Rock'n'Roll vom feinsten. Carl-Ludwig Reichert: Meine Rock'n'Rollgeschichte 59

57 Aus: Ursprünge. Rowohlt Lesebuch der Rockmusik 1984, S. 35. 58 Zitiert nach: Cornelia Fischer: Tanz, in: Jugendliche und Erwachsene '85, Bd. 2: Freizeit und Jugendkultur, S. 63 f. 59 In: Das Rowohlt Lesebuch der Rockmusik 1984, S. 196.

Jugend und ihre Musik

31

Natürlich Jeans! Oder kann sich einer ein Leben ohne Jeans vorstellen? Jeans sind die edelsten Hosen der Welt. Dafür verzichte ich doch auf die ganzen synthetischen Lappen aus der Jumo, die ewig tiffig aussehen. Für Jeans konnte ich überhaupt auf alles verzichten, außer der schönsten Sache vielleicht. Und außer Musik. Ich meine jetzt nicht irgendeinen Händelsohn Bacholdy, sondern echte Musik, Leute. Ich hatte nichts gegen Bacholdy oder einen, aber sie rissen mich nicht gerade vom Hocker. Ich meine natürlich echte Jeans. Es gibt ja auch einen Haufen Plunder, der bloß so tut wie echte Jeans. Ulrich Plenzdorf 1973 60 Damals [um 1960, Μ. N.] beherrschte die etwas süßliche, pseudochristliche Truppe des sprichwörtlich sauberen Cliff Richard aus London noch die britische Rockszene. Über ihn und seine adrette Botschaft brach John Lennons brutale Verachtung herein, wie später die Rolling Stones und danach die PunkRocker. Die hochmusikalischen Harmonien, die mißverständliche nette Maske der „Pilz-Köpfe" und die Unübersetzbarkeit des nordenglischen Slangs, haben den grausamen Humor, die Rebellion, die hemingwayartige Lakonie und auch die abweichende Exzentrizität von John Lennon für uns verdeckt, auch wenn wir die literarische Qualität seiner Texte bewunderten. Und der internationale Kult-Song im Zenit von Flower-Power und langhaariger Mystik, „All you need is love", hat zusammen mit dem pazifistischen sanften Jesus-Christus-Image des Bräutigams von Yoko Ono, der japanischen Künstlerin, dessen Liebe er zur neuen Religion erhob, endgültig die Ursache all dieser Glory — namens Liverpool — vergessen gemacht. [...] Aus: Yesterday. John Lennon, Liverpool, und eine englische Epoche. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. 12. 1980 (Κ. H. Bohrer) Wenn sie Musik hört, vibrieren noch im übernächsten Zimmer die Türfüllungen. Ich weiß, diese Lautstärke bedeutet für sie Lustgewinn. Teilbefriedigung ihres Bedürfnisses nach Protest. Überschallverdrängung unangenehmer logischer Schlüsse. Trance. Dennoch ertappe ich mich immer wieder bei einer Kurzschlußreaktion: Ich spüre plötzlich den Drang in mir, sie zu bitten, das Radio leiser zu stellen. Reiner Kunze 1976 61 Kehrt der Wanderer (auch der „Mindtripper") zurück, so verleiht ihm die Kenntnis der Fremde charismatische Wirkung. In der Wertskala des Rock rangiert er als „cooler" Typ, emotionslos, erfahren, abgebrüht, souverän und gleichzeitig distanziert, ganz oben. Ob in „Johnny Controllern" oder in ande-

60 Aus: Die neuen Leiden des jungen W., Rostock 1973 (Frankfurt/M. 1981, S. 26). 61 Aus: Fünfzehn. In: Die wunderbaren Jahre. Frankfurt/M. 1976.

32

Jugend und Jugendkultur ren Songs, Udo Lindenberg verkörpert genau dieses Ideal des „coolen" kers. Wolfgang Sandner: Sei cool Mann! 1 9 8 0 "

Musi-

[...] Höhepunkt und Schwanengesang der Neuen Deutschen Welle waren Nenas „99 Luftballons", die in der deutschen Fassung im März 1984 Platz eins in der englischen und in der amerikanischen Single-Hitparade erklommen. Seither ging's bergab. Die Neue Deutsche Welle hatte sich selbst verheizt; die Medien- und Plattenleute wollten sich nicht mehr alles andrehen lassen. Aus: Caroline Müller can lose her heart tonight, (dpa, Μ. Poser) In: Kieler Nachrichten, 27. 2. 87 Die 50er Jahre - Rock'n Roll. Aneignung von Rockmusik zwischen Krawall und

Massenkultur.

The Beat goes on! Die 60er Jahre — Aneignung von Rockmusik zwischen Eigentätigkeit und massenkultureller Vorgabe No Future! Die 70er Jahre Punk — Eigentätigkeit und

Widerstand

Kapitelüberschriften in: Zimmermann 1984 63 Musik durch den Feldstecher air-Konzerte

— Ein Rekordjahr

in der Geschichte

der Open-

Was ist es, das die Open-air-Konzerte so attraktiv macht? An der technischen Qualität der Musik kann es nicht liegen. Manche Festivals sind eine einzige Kakophonie. Vor zwei Wochen in München beispielsweise waren durch die Nässe einige Relais ausgefallen, so daß „der Sound ziemlich daneben" war, wie Martin Brem sagt. [...] In Open-air-Konzerte geht man nicht unbedingt der Künstler wegen, sondern des Ereignisses wegen. Der Musikjournalist Andreas Kraatz meint, das Gemeinschaftsgefühl sei das wichtigste: „Man will unter seinesgleichen sein, sich treiben lassen und ein paar schöne Stunden zusammen erleben." Dabei, so hat er beobachtet, rücke die Altersgrenze immer mehr nach oben. Open-airKonzerte seien nicht nur Jugendveranstaltungen, sondern würden zunehmend auch von Leuten „kurz vor der Midlife-crisis" besucht. Kraatz hat „manchmal den Eindruck, die alten Woodstock-Zeiten sollen beschworen werden". [...] Die Zeit, 10. 7. 87 (R. Kirbach)

62 In: Psychologie heute 3/1980, S. 69. 63 Rock'n Roller, Beats und Punks. Rockgeschichte und Sozialisation 1984.

Jugend und ihre Musik Was gefällt Dir an Deinem momentanen Lieblings-Musikstücken? was daran besonders gut ist!

33 Beschreibe,

Es spricht mich an. Bei harten Stücken kann ich Aggressionen abbauen. Bei langsamen Stücken kann ich mitfühlen: Ich höre mir die Texte mit an und dreh mir alles so hin, daß es für mich zutreffen könnte. 16jährige Gymnasiastin, Braunschweig 1986

Ich sage nur „Fetzig". 17jähriger Realschüler, Mannheim 1987

3. Medienkommunikation

3.1.

Modell der medialen Massenkommunikation

Der Kundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen. Bertolt Brecht: Radiotheorie (1932) 1

Brechts Wunschvorstellung vom Kommunikationsapparat Radio basiert auf einem Kommunikationsmodell, das den unidirektionalen Charakter der Massenkommunikation im Gegensatz zur bi- oder multidirektionalen Individualkommunikation als konstituierend und zugleich defizitär betrachtet. Die Ein-Weg-Kommunikation vom Kommunikator (Sender) zum Rezipienten (Empfänger) mittels Medium ist jedoch eingebettet in deren jeweilige Lebenswelt und Situation. Einige Arbeiten zur Medienwirkungsforschung (vgl. 3.5) behandeln die an der medialen Massenkommunikation beteiligten Faktoren und bestimmen ihre Funktion im Kommunikationsprozeß. Unter Berücksichtigung dieser Untersuchungen wird hier in Anlehnung an Maletzke 2 ein Modell zusammengestellt, das auf die Anforderungen des Themas zugeschnitten ist, wichtige Aspekte des Kommunikationsablaufs herausstellt und dennoch relativ übersicht1 2

In: Brecht, Gesammelte Werke Bd. 18, 1967, S. 129. Vgl. Maletzke: Psychologie der Massenkommunikation 1963, S. 37 ff., Maletzke: Medienwirkungsforschung 1981. Die Erläuterungen zu den Faktoren sind aus verschiedenen Arbeiten und eigenen Überlegungen zusammengestellt worden.

Modell der medialen Massenkommunikation

35

lieh bleibt. Das stark schematisierte Modell greift aus einer komplexen Medienwelt mit zahlreichen Kommunikatoren und Rezipienten ein Segment heraus: „Ein bestimmter Hörer hört zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Sendung im Radio." Das Modell erfaßt die Kommunikationssituation (notwendigerweise) medientheoretisch, z . T . wird dabei auch aus dem Beschreibungsinventar der Gesprächsanalyse 3 geschöpft. Die Prozeßhaftigkeit der Kommunikation kann im statischen Modell nur angedeutet werden, daher werden die Beziehungen der beteiligten Faktoren zueinander im folgenden erläutert. In der Medienkommunikation unterscheiden sich die Perspektiven der Kommunikationspartner erheblich. Da die an Face-to-Face-Interaktionen entwickelten gesprächsanalytischen Ansätze diese Differenzierung kaum leisten können, werden kommunikationstheoretische Mittel einbezogen. 4 Kommunikator Der Kommunikator (Sender) ist der Produzent einer Aussage (des Kommunikats), die, durch ein Medium vermittelt, zum Rezipienten (Empfänger) geleitet wird. In den Funkmedien sind Verfasser und Sprecher von Texten häufig nicht identisch, man kann daher primäre und sekundäre Kommunikatoren unterscheiden, wobei dem Rezipienten der Sprecher (sekundärer Kommunikator) meist näher steht als der Verfasser. Gibt es einen Moderator, so wird die Bestimmung des Kommunikators aus Rezipientensicht noch komplizierter, da nicht immer deutlich ist, ob dieser den Moderationstext nur präsentiert oder ihn auch verfaßt hat. Der Kommunikator bzw. die Kommunikator-Instanz (die an der Bereitstellung und Gestaltung publizistischer Aussagen Beteiligten) agieren unter komplexen Bedingungen: Soziale Beziehungen (u. a. Interaktionsbeziehungen), Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, Persönlichkeit und individuelle Fähigkeiten (ζ. B. Sprachkompetenz) 3 4

Vgl. Henne/Rehbock: Einführung in die Gesprächsanalyse. 2 1982; Schänk/ Schoenthal: Gesprochene Sprache. 2 1983. Vgl. u. a. Silbermann: Handwörterbuch der Massenkommunikation und Medienforschung 1982.

36

Medienkommunikation

sind nur einige der Hintergrundfaktoren. Die Medienaussage wird weiter geprägt durch das berufliche Umfeld, d. h. die berufliche Position, das Arbeitsteam, die Institution sowie politische und wirtschaftliche Zwänge 5 . Als Rahmenbedingungen fungieren die Anforderungen des Mediums, des Senders und des Programms, worin die Aussage stehen soll. Das Kommunikator-Bild beim Rezipienten entsteht unter dem Einfluß des Moderator-Images, das nicht mit der Persönlichkeit identisch sein muß. Die konkrete Produktion einer Aussage hängt weiter von Situationsbedingungen wie Zeit, Ort, Quellenlage ab, die sich auch auf die sprachliche Realisierung auswirken. Für eine linguistische Analyse können diese für den Kommunikator relevanten Faktoren noch weiter differenziert werden. 6 Der komplexe Textproduktionsvorgang läßt sich verfeinert darstellen, indem die Stufen von der Tiefenstruktur bis zur Textäußerung beschrieben werden. 7 Rezipient Der Rezipient oder Kommunikant ist als Kommunikationspartner Gegenpol des Kommunikators, für diesen ist er anonymes Mitglied eines dispersen Publikums 8 , das keine Gemeinsamkeiten aufzuweisen braucht außer der (beim Rundfunk meist gleichzeitigen) Zuwendung zum Medium. Der „Mediengebrauch" ist von unterschiedlicher Intensität; gerade beim Radiohören sind viele Rezipienten nicht ausschließlich dem Medium zugewandt, sondern nur „nebenbei" während irgendwelcher Tätigkeiten. 9 Im Modell ist dies mit dem Stichwort Situation angedeutet. Auch der Rezipient steht in einem komplexen Umfeld: Soziale Beziehungen, besonders kommunikative,

5 6 7 8 9

Werbeeinnahmen; öffentlich-rechtlicher Auftrag. Ζ. B. bei Ramseier: Mundart und Standardsprache im Radio der deutschen und rätoromanischen Schweiz 1988. Vgl. Straßner: Produktions- und Rezeptionsprobleme bei Nachrichtentexten. In: Straßner (Hrsg.): Nachrichten 1975, S. 83 ff. Burger merkt dazu an, daß der Begriff anstelle des noch diffuseren „Masse" verwendet wird. Vgl. Burger 1984, S. 30. Hausaufgaben machen, lesen, im Haushalt helfen, handarbeiten, basteln, mit Freunden zusammen sein (vgl. 3.4).

M o d e l l der medialen Kommunikatorseite

Team Institution berufliche Position

sprachliche

Z w a n g von Ö f f e n t l i c h k e i t ,

Realisierung

Wirtschaft, Staat

Stoffauswahl soziale

Situation:

Beziehungen

Zeit, Ort

Gruppenzu-

usw.

gehörigkeit

'KOMMUNIKAT AUSSAGE

Q u e l l e der

Persön-

Aussage

lichkeit

Anforderungen Image des Moderators/ Programms/ Senders

des P r o g r a m m s Zwang/Anforderungen des M e d i u m s

Bild v o m Rezipienl Bild v o m Koi

Massenkommunikation

Rezipientenseite

ten -> Zielgruppe mmunikator

Modell der medialen Massenkommunikation

37

Gruppenzugehörigkeit, Persönlichkeit und weitere „persönliche" Merkmale sind zu berücksichtigen. Daß der Rezipient im Normalfall in zahlreiche kommunikative Netze eingebunden ist, relativiert die Annahme, Medienaussagen erzielten direkte Wirkungen. 1 0 Die Mediennutzung muß als ein Teil der kommunikativen Aktivitäten eines Menschen angesehen werden. Die Einseitigkeit der Kommunikationsrichtung kann vom Rezipienten ansatzweise durchbrochen werden, indem er durch telefonische oder briefliche Meinungsäußerungen zeitlich versetzt auf Medienaussagen reagiert, was jedoch nur wenige Hörer nutzen. In einigen Sendungen hebt man die Ein-Weg-Kommunikation durch Gespräche (oft Telefongespräche) mit Hörern teilweise auf, womit Teile des Publikums aus der Anonymität herausgehoben werden. Das Zustandekommen der Kommunikation ermöglicht letztlich der Rezipient: Dadurch, daß er aus dem — inzwischen quantitativ reichhaltigen 11 — Medienangebot auswählt, entscheidet er sich für die Rezeption. Die Auswahl basiert u. a. auf Erfahrungen mit dem Programm, die zu bestimmten Präferenzen führen. Wie ein Rezipient die Medienaussage erlebt, hängt auch davon ab, welches Bild er vom Medium, vom Programm und vom Kommunikator hat. Aus der Perspektive des Kommunikators, der übrigens unter der Einseitigkeit der Kommunikation mehr leidet als der Rezipient 12 , sind vor allem diejenigen Rezipienten von Bedeutung, die als Adressaten intendiert werden, also das Zielpublikum bilden. Diese Gruppe kann mehr oder weniger homogen sein; entscheidend für die Gestaltung der Medienaussage ist das Bild, das der Komunikator vom intendierten Rezipienten hat. Medium Die spezifischen technischen und strukturellen Merkmale des Mediums bestimmen Produktion und Rezeption in hohem Maße mit: Bei der Gestaltung einer Radio-Sendung müssen auditiv wahrnehmbare 10

Vgl. einige Ansätze der Medienwirkungsforschung, u. a. die Manipulationsthesen marxistischer Medientheoretiker.

11

Z w e i bis vier P r o g r a m m e jeder öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und

12

Vgl. Löffler: Germanistische Soziolinguistik 1985, S. 93.

mehrere Privatsender.

38

Medienkommunikation

Mittel eingesetzt werden. Der Rezipient muß sich auf die rein akustische Vermittlung einstellen; da er die freien Kapazitäten für visuelle Wahrnehmung zusätzlich nutzen kann, schenkt er dem Radio eventuell nur einen Teil seiner Aufmerksamkeit. Da sich Radiosendungen nicht individuell unterbrechen oder wiederholen lassen, können leicht Informationen verloren gehen. Die Verfügbarkeit des Medienproduktes ist ein wichtiges Kriterium für Häufigkeit und Art der Mediennutzung. Einschränkend wirkt beim Rundfunk die Abhängigkeit von der Sendezeit (gegenüber den zeitunabhängigen Nutzungsmöglichkeiten der „Printmedien"), für eine weitgehend ortsunabhängige Rundfunknutzung sorgen Autoradios und transportable Radiogeräte (Kofferradio, Walkman). 1988 sind nahezu alle Haushalte in der Bundesrepublik mit Radiogeräten ausgestattet. 13 Aussage / Kommunikat Die Aussage (das Kommunikat) wird vom Kommunikator unter den genannten Bedingungen produziert, ist also u. a. abhängig von Medium und Programm, von der Situation des Kommunikators und dessen Bild von der Zielgruppe, das von den Reaktionen der Rezipienten mitgeprägt ist. Das Kommunikat erreicht den Rezipienten in seiner individuellen Situation, vermittelt über ein Medium, wenn sich der Rezipient durch entsprechende Programmauswahl bereit zeigt, das Kommunikat aufzunehmen. Unter linguistischen Aspekten interessiert vor allem die sprachliche Realisierung der Aussage und deren Relationen zu den übrigen Faktoren der medialen Massenkommunikation. Im Zentrum dieser Arbeit steht daher der Faktor Sprachgestaltung und seine Relationen zur Rezipientenseite, also die Aussage und das „Erleben" ihrer Formen und Inhalte bei den Rezipienten. Auch die Person des Moderators und seine Funktionen sollen weitgehend aus Rezipientenperspektive betrachtet werden.

13

Viele Haushalte verfügen über mehrere Geräte (1985: 0 2,4 Geräte je Haushalt), vgl. Massenkommunikation III 1987, S. 21.

Redekonstellation in Jugendsendungen

3.2.

39

Redekonstellation in Jugendsendungen

Mediale Massenkommunikation ermöglicht keinen spontanen Sprecher/Hörer-Wechsel, sie genügt somit nicht den Minimalanforderungen an einen Dialog oder ein Gespräch 1 4 . Eine Ausnahme bilden die in das Rundfunkprogramm aufgenommenen Telefongespräche mit Hörern (phone-ins), die als Individualkommunikation innerhalb der Massenkommunikation medial vermitteltes Kommunikat sind (vgl. 6.4). Das Besondere der „Hörerbeteiligung" gegenüber anderen Dialogformen im Rundfunk (ζ. B. Experteninterview) liegt darin, daß ein Teil des Publikums die Sprecherrolle einnimmt. Diese spezielle Form der Rundfunkkommunikation wird inzwischen auch von wissenschaftlicher Seite beachtet. 1 5 Wie im folgenden gezeigt wird, sind die kommunikativ-pragmatischen Kategorien der Gesprächsanalyse über die Beschreibung von Dialogsituationen hinaus sinnvoll modifiziert auf massenmediale Kommunikationssituationen anwendbar. Die gesprächsanalytische Betrachtung von Jugendsendungen im Rundfunk dient in dieser Arbeit der Beantwortung folgender Fragen: — Worin unterscheidet sich das reale Verhältnis zwischen jugendlichem Hörer und Kommunikator (insbesondere Moderator) vom Hörer — Kommunikator — Verhältnis, das dem Hörer in der Kommunikation suggeriert wird? — Wie wird erreicht, daß sich Jugendliche von einigen Rundfunksendungen besonders „angesprochen" fühlen? — Wodurch kann der Eindruck entstehen, die monologische Massenkommunikation werde partiell dialogisiert? Im einzelnen sind diese Aspekte in der Materialanalyse (Kap. 5 f.) aufzugreifen, zunächst wird die Kommunikationssituation von Ju14 15

Vgl. Schank/Schwitalla in: LGL 2 1980, S. 318; Def. vgl. 6.4. Vgl. Troesser: Moderieren im Hörfunk 1986; Leitner: Gesprächsanalyse und Rundfunkkommunikation 1983.

40

Medienkommunikation

gendsendungen im weiteren Sinne 16 prinzipiell vorgestellt. Das Kategorieninventar ist den ausführlichen Katalogen der Arbeiten von Schank/Schoenthal 17 und Henne/Rehbock 1 8 entnommen. Die Grundkonstellation der mehrfach adressierten Massenkommunikation 19 wurde in 3.1 medientheoretisch erläutert. Über die dabei angesprochene strukturelle Asymmetrie der Kommunikation hinaus ist das Verhältnis der Kommunikationspartner in Rundfunksendungen für Jugendliche meist auch in anthropologischer, fachlicher und soziokultureller Hinsicht asymmetrisch: Einem erwachsenen Moderator 2 0 , der aufgrund von Ausbildung und Berufserfahrung über (Fach-)Wissen verfügt und eine bestimmte berufliche Position erreicht hat, stehen sich meist noch in Schule oder Ausbildung befindende jugendliche Hörer gegenüber. Wesentlich für das Verhältnis zwischen Kommunikator und Hörer ist auch die Kategorie Bekanntheitsgrad: Moderatoren fungieren als „Aushängeschilder" 21 der Rundfunksender, zumindest die „Stammhörer" kennen Namen und Image der häufiger moderierenden Rundfunkmitarbeiter. Aus Kommunikatorsicht sind die Kommunikationspartner anonym, Redaktionsteam und Moderator haben jedoch bestimmte Vorstellungen von der Zielgruppe einer Sendung, ζ. B. im Hinblick auf Interessen und Sprache. Zwischen der realen Grundkonstellation, die durch Asymmetrie und weitgehende Anonymität gekennzeichnet ist, und der Wirkung der Sendungen besteht insofern eine Diskrepanz, als dem Hörer Symmetrie und Vertrautheit suggeriert werden. Mit welchen Mitteln dieser Effekt erzielt wird, muß bei der Analyse des Materials weiter verfolgt werden, indem beispielsweise die Anredeformen auf ihre „Vertrautheit" hin untersucht werden. 16 17 18 19 20 21

Vgl. Kap. 1, Anm. 1. Schank/Schoenthal: Gesprochene Sprache 2 1983, S. 29 ff. Henne/Rehbock: Einführung in die Gesprächsanalyse 2 1982, S. 32 ff. Vgl. Henne: Sprachpragmatik 1975, S. 7. Allerdings sind beim Jugendfunk viele junge Moderatoren und freie Mitarbeiter beschäftigt. Vgl. Sexauer: Diskjockey. In: Radio-Journalismus 3 1986, S. 105.

Entwicklung der Jugendprogramme im Rundfunk

41

Weitere, für die Kommunikatorseite relevante kommunikativpragmatische Kategorien, ζ. B. Vorbereitetheit, Themafixiertheit, Handlungsdimensionen, lassen sich nicht pauschal beschreiben, sondern sind je nach Text zu bestimmen. Auch bei diesen Größen treten Diskrepanzen zwischen tatsächlicher Situation und Wirkung auf die Rezipienten auf: So kann ein gut vorbereiteter Text durchaus locker und spontan wirken. Aus Rezipientensicht ist der Höreindruck entscheidend, die Bedingungen auf Kommunikatorseite (ζ. B. Vorbereitungszeit) interessieren kaum. Besonders deutlich unterscheiden sich Kommunikator- und Rezipientenperspektive beim Kriterium arbeitsorientiert. Für Redakteur, Moderator und Sprecher sind Rundfunksendungen dienstlich, für den Hörer dagegen häufig Teil seiner Freizeitbeschäftigung oder zumindest — falls beim Radiohören gearbeitet wird — nicht auf seine Arbeit bezogen. In der Rundfunkmoderation entsteht jedoch kaum der Eindruck, es handele sich um Arbeit, denn mit spielerisch leichten Elementen scheint sich der Moderator auf die freizeitorientierte Ebene der Hörer zu begeben. In mehrfacher Hinsicht wird also statt der tatsächlichen Kommunikationssituation in den Rundfunksendungen eine der vermeintlichen Situation des Hörers stärker angeglichene Konstellation „vorgespielt". Dieses Phänomen entstand, als in vielen Sendungen Sprecher durch Moderatoren ersetzt wurden, die diese „Annäherung an den Hörer" leisten.

3.3.

Entwicklung der Jugendprogramme im Rundfunk

Ohne die Rundfunkgeschichte im einzelnen nachzeichnen zu können 2 2 , wird hier unter dem Aspekt Zielgruppenbezug die inhaltliche und formale Entwicklung der Jugendprogramme skizziert. 22

Vgl. Lerg: Die Entstehung des Rundfunks in Deutschland 2 1970 sowie die ausführliche Studie zur Geschichte der Massenmedien in Deutschland von Behrens 1986.

42

Medienkommunikation

3.3.1. Anfänge Am 29. Oktober 1923 begann in Deutschland der Unterhaltungsrundfunk23, nachdem im Anschluß an „Telephonieversuche" (seit 1898) zunächst der Militärfunk entwickelt worden war. Die Bezeichnung Rundfunk setzte sich nur zögernd gegen das aus dem Amerikanischen entlehnte Radio durch: In Erinnerung an Hertz' Versuche mit Funk-Entladungen hatte man die drahtlose Telegraphie anfangs als Funken-Telegraphie bezeichnet. Nachdem die Rundwirkung der elektrischen Wellen erkannt und ausgenutzt war, wurde die neue Art der Nachrichtenübermittlung Rundspruch genannt. Angeblich führte Bredow, Leiter der Funkabteilung im Reichspostministerium, 1919 das Wort Rundfunk ein, 24 das sich schließlich als Bezeichnung für das neue Medium durchsetzte gegenüber Radio, was von „unentwegten Anbetern fremdsprachlicher Ausdrücke" 25 bevorzugt wurde. Heute werden beide Begriffe meist synonym verwendet, Radio bezeichnet darüber hinaus das Rundfunkgerät 26 , Rundfunk wird gelegentlich als Oberbegriff für Hörfunk und Fernsehen (früher Bildfunk) gebraucht. 27 Gedichtchen und Geschichtchen ist der Titel der ersten Jugendsendung, die von der Funk-Stunde AG Berlin 28 bereits im April 1924 in der Reihe Jugendvortrag ausgestrahlt wurde. 29 Märchen und Geschichten als „schönste Erregung des jugendlichen Geistes" 30 standen in den Anfangsjahren im Zentrum der Kinder- und Jugendpro23 24 25 26 27 28 29

30

Manuskript der ersten Sendung, vgl. Fischer: Dokumente zur Geschichte des deutschen Rundfunks u. Fernsehens 1957, S. 72. Die Angabe differiert zwischen 1919 (Lerg 1970), 1921 (Fischer 1957) und 1923 (Duden Universalwörterbuch 1983). Fischer 1957, S. 70. Vgl. Duden-Universalwörterbuch 1983, S. 998. Ζ. B. bei Magnus: Hörfunk — Alternative zum Fernsehen? In: Aufermann et al. (Hrsg.) 1979, S. 265 - 274. bis März 1924 Radio-Stunde AG. Funk-Stunde AG: Drei Jahre Berliner Rundfunkdarbietungen 1926. Zitiert nach Schumann: Hörfunk und Jugend. In: Recht der Jugend und des Bildungswesens 17. 1969, S. 130. Funk-Stunde 1926, zitiert nach Schumann 1969, S. 130.

Entwicklung der Jugendprogramme im Rundfunk

43

gramme, zwischen denen kaum differenziert wurde, obgleich die Heterogenität der Zielgruppe „Jugend" erkannt wurde: „An wen wollte man sich wenden, wenn man ,die Jugend' meinte? Sechsjährige oder Sechzehnjährige, Knaben oder Mädchen, Volksschüler oder höhere Schüler?" 3 1

Ab 1925 bot die Jugendbühne klassische Dramen und Vorträge (ζ. B. aus dem „Gebiet sportlicher Pflege") als „lockenden Anreiz für unsere Kleinen" bzw. „zur Ertüchtigung unserer Jugend" 32 , Ende 1929 wurde das Jugendprogramm um die tägliche „Jugendstunde" ergänzt. Im Winter 1930/31 war folgendes Programm für die Jugendstunde der Funk-Stunde Berlin 33 vorgesehen: 1. Märchen 2. Jugendbühne: a) Weltliteratur, b) Hörspiel, c) Laienspiel 3. Literatur der Gegenwart 4. Der Staat und du 5. Naturgeschichte: a) theoretische, b) praktische 6. Musik 7. Das soziale Bild unserer Zeit 8. Kämpfer und Führer aller Zeiten Diese Reihen wechseln täglich ab. 3 4

Zur jugendnahen Gestaltung der Programme sollten die Hörer durch Rückmeldungen35 aktiv werden, aber auch, indem Jugendgruppen vor das Mikrofon treten. 36 Hinweise auf Sprache und Haltung gegenüber jugendlichen Hörern, wie sie der Jugendstunde-Mitarbeiter Zucker 1929 gibt, waren allerdings selten: „Wer Jugendlichen etwas sagen will, muß selber ein Stück Jugendlichkeit behalten haben; und die äußert sich nicht in jener angeblich kindlichen Sprache, 31 32 33

34 35 36

Zucker: Rundfunk für die Jugend. In: Der deutsche Rundfunk 7. Nr. 50, 13. 12. 1929, S. 1569. Funk-Stunde 1926, zitiert nach Schumann 1969, S. 131. Zu diesen Jugendprogrammen vgl. Eifert: Die Entstehung und Entwicklung des Kinder- und Jugendfunks in Deutschland von 1924 bis 1933 am Beispiel der Berliner Funk-Stunde AG 1985. Monzel: Jugend und Rundfunk 1931, S. 27. Um die „Psychologie des Hörers" kennenzulernen, vgl. Monzel 1931, S. 26. Monzel 1931, S. 21.

44

Medienkommunikation die noch nie ein Kind gesprochen hat, sondern in einer Frische und Lebendigkeit des Aufnehmens, in einer Interessiertheit für alles, was es Seltsames, Spannendes, Nachdenkliches in der Welt gibt." 3 7

Monzel, Mitglied des Kulturbeirats der Funk-Stunde38, hofft 1931, der Rundfunk könne sprachpflegerisch auf die Jugend wirken und die „allgemeine Sprachverlassenheit der deutschen Öffentlichkeit" beseitigen39. Er fordert vom Rundfunk integrative Sprachwirkungen, da man sich nicht mehr recht verstehe, habe doch fast jeder „etwas Sektiererisches angenommen in der Sprechweise". Es falle dem bündischen Jugendlichen schwer, so zu reden, „daß er auch außerhalb seines Bundes von der Allgemeinheit verstanden" werde.40 Man solle jedoch „anknüpfen an diese Gruppenseele, denn die Gruppenseele ist die Vorstufe der Volksseele"41. 1938 wurde der Rundfunk als „Mittler einer großen, alle umschließenden Idee" bezeichnet, der für die Jugend der „geistige Führer zur Gestaltung des eigenen Weltbildes" sein müsse.42 Die Nationalsozialisten versuchten, den Rundfunk zur politischen Beeinflussung auszunutzen. Jugendfunk wurde „Hitlerjugend"-Funk, er trat „in den Dienst der weltanschaulichen Schulung"43, stand also ganz im Zeichen nationalsozialistischer Ideologie. 3.3.2. Neubeginn nach 1945 Nachdem die Reichssender44 am Ende des 2. Weltkriegs ihren Betrieb eingestellt hatten, wurden Rundfunkanstalten eingerichtet, die in Anlehnung an das Rundfunksystem der jeweiligen Besatzungsmacht or37 38 39 40 41 42 43 44

Zucker in: Der deutsche Rundfunk 7. Nr. 50, 1929, S. 1569. Vgl. Eifert 1985, S. 45. Monzel 1931, S. 24. Monzel 1931, S. 23. Monzel 1931, S. 15 f. Christel Reinhardt: Der Jugendfunk. Diss. Würzburg 1938. Zitiert nach Schumann 1969, S. 131. Otto Zander in: NS-Funk 24. 12. 1934, zitiert nach Schumann 1969, S. 131. In den 20er Jahren gab es 9 Haupt- und 13 Nebensender.

Entwicklung der Jugendprogramme im Rundfunk

45

ganisiert waren. Der Großsender NWDR4S für den nordwestdeutschen Raum und Berlin entstand nach dem Vorbild der britischen BBC. Zwar hatten die insgesamt 11 Sendeanstalten in Deutschland bereits 1946/47 deutsche Intendanten, sie blieben jedoch Sender der jeweiligen Militärregierung. 46 Nach 1945 versuchte man zunächst, der nationalsozialistischen Propaganda eine sachliche Unterrichtung in einem vorwiegend informativen Jugendprogramm entgegenzusetzen und ansatzweise „im Zeichen der ,reeducation' [...] politische Bildung zu fördern." 47 Die vom NWDR am 4. November 1945 erstmals ausgestrahlte Sendung Jugend von heute und morgen48 erinnert an die Anfänge, das Spektrum reichte von Beiträgen über Klassik und Sport bis zu praktischen Tips wie Bastelanleitungen. Mitte der 50er Jahre veränderte sich die Grundhaltung vieler Jugendfunkredakteure insofern, als die Sendungen neben darstellenden Reportagen nun auch Kommentare enthalten sollten, die bei der „Auseinandersetzung mit aktuellen Zeitfragen helfen" 49 . Die Berechtigung spezieller Jugendsendungen wird ζ. T. in Frage gestellt mit dem Argument, Jugendliche würden bei anderen Sendungen mit angesprochen, eine zu starke Zielgruppenorientierung sei nicht wünschenswert: „Hier ist nicht Jugend unter sich' — je mehr Erwachsene zuhören und sich am Gespräch beteiligen, um so besser." 50 Umfragen ergaben, daß einige typische Jugendsendungen der 50er und 60er 45 46 47 48

49 50

Bis 1956 existierte der Nordwestdeutsche Rundfunk unter diesem Namen, daraus hervorgegangen sind: SFB, NDR, WDR. vgl. Dahl: Radio 1983, S. 206 ff. Die Bundesrepublik Deutschland erhielt 1955 die Rundfunkhoheit. Klöckner: Hörfunk. In: Grünewald/Kaminski (Hrsg.): Kinder- und Jugendmedien 1984, S. 201. Die Informationen zum NDR/NWDR-Jugendprogramm sind größtenteils der Club-Sendung vom 28. 11. 1984 (Rückblick auf den NDR-Jugendfunk) entnommen, einzelne Ergänzungen gab D. Fissen, NDR, freundlicherweise mündlich (am 29. 4. 85). Walther Schmieders 1960/61. Zitiert nach Schumann 1969, S. 131. Waither von La Roche: Was will eigentlich der Jugendfunk heute. In: Jugendnachrichten, München 1968. Zitiert nach Schumann 1969, S. 132.

46

Medienkommunikation

Jahre eine altersheterogene Hörerschaft hatten, beispielsweise spricht der seit 1954 vom NDR einmal pro Monat ausgestrahlte Abend für junge Hörer mit Unterhaltung, Informationen und Diskussionen offenbar auch viele erwachsene Hörer an. 51 Im NDR-Jugendfunk gab es schon früh Beteiligungssendungen wie den Hörerwettbewerb und die später in die Club-Reihe integrierte Sendung Einmal Moderator sein, in denen Jugendliche das Programm mitgestalten und am Mikrofon zu Wort kommen. Bis in die 60er Jahre nutzte der Jugendfunk intensiv die radiospezifischen Formen Hörspiel und Feature, die damals ihre Blütezeit erlebten. Abgelöst wurde diese Phase von Magazinsendungen:52 Verschiedene Formen und Inhalte, Wort und Musik werden kombiniert, „zusammengehalten" durch den Moderator der Sendung. Die inzwischen täglich zweistündig ausgestrahlte NDR-Jugendsendung Der Club53 ist eine solche live produzierte Magazinsendung mit freier Moderation, während die früheren Sendungen54 meist vorproduziert waren. 3.3.3. Hörfunk wird zum Jugendmedium Nachdem mit der Ausnutzung der Ultrakurzwellen die technischen Voraussetzungen geschaffen waren, konnte ab 1949 jeder Sender mehrere Programme ausstrahlen, in denen jeweils Schwerpunkte gesetzt werden, ζ. B. 1986 im Südwestfunk u. a. folgende: SWF1

51 52 53 54

55

„Familienprogramm", „eine möglichst breite Hörerschaft erreichen", „unterhaltende Musik" (u. a. Schlager, Evergreens, Tanzmusik, volkstümliche Melodien) 55

Ca. 5 0 % der Hörer sind über 25 J. alt. Vgl. Deiters: Fenster zur Welt. 50 Jahre Rundfunk in Norddeutschland. 1973, S. 329. Vgl. Klöckner: Hörfunk 1984, S. 204. bzw. die Vorgängersendung 5-Ubr-Club (seit 1969) Beim NDR u. a.: Lebendige Jugend und Junge Generation (1957, M o 1 7 . 0 5 - 1 7 . 3 5 Uhr), Ragout-phon für junge Leute (1962, Sa 1 4 . 3 0 - 1 5 . 0 0 Uhr), Fünf nach fünf (1963, Fr 1 7 . 0 5 - 1 7 . 3 5 Uhr). Südwestfunk Radioprogramm 1, 2, 3 o. J., S. 4.

Entwicklung der Jugendprogramme im Rundfunk

47

SWF2

„Hörer, die bereit sind, mit größerer Aufmerksamkeit [...] zuzuhören", „,Bildung, Erbauung, Unterhaltung und Belehrung' ", „vertiefende Information", „ernste Musik" 5 6

SWF3

„ein jugendliches Programm, aber ein Programm nicht nur für Jugendliche", „Abwechslung", „Interessantes [...] kann sofort aufgegriffen werden", „informierende und unterhaltende Kurzbeiträge aus den verschiedensten Bereichen", „Musik bestimmt den Höreindruck" (u. a. Popmusik, Oldies, Rock, Soul, Chansons, Folk) 5 7

In den 50er und 60er Jahren breitete sich das technisch verbesserte Fernsehen immer stärker aus und schien für den Hörfunk zum bedrohlichen Konkurrenten zu werden. Als sich das Fernsehen als Familienmedium zur Abendunterhaltung etabliert hatte, entdeckten die Rundfunksender Möglichkeiten, dem Hörfunk komplementäre Funktionen zu verschaffen: Begleitung über den Tag, Zielgruppenorientierung, Servicefunktionen (ζ. B. Verkehrshinweise). 5 8 M a n richtete „Begleitprogramme" zum „Nebenbei"-Hören tagsüber ein 5 9 und ging stärker auf die Gruppen ein, die sich weniger intensiv dem Fernsehen zugewandt hatten. Jugendlichen wird eine „freiere" Alternative zum Fernsehen geboten: Da viele ein eigenes Radiogerät besitzen, können sie das Programm nach ihren Wünschen und Bedürfnissen wählen, während über das Fernsehprogramm meist die Eltern entscheiden. Der Rundfunk ging und geht auf die Zielgruppe „Jugend" nicht nur durch spezielle Jugendsendungen ein, sondern vor allem dadurch, daß das Programm einen hohen Anteil an Rock-/Popmusik aufweist. Wenn es überhaupt ein typisches Jugendmedium gibt, so ist dies der Hörfunk, was die Zahlen zur Mediennutzung bestätigen (vgl. 3.4). Die meisten öffentlich-rechtlichen Sender in der Bundesre-

56 57 58 59

Südwestfunk Radioprogramm 1, 2, 3 o. J., S. 15. Südwestfunk Radioprogramm 1, 2, 3 o. J., S. 26. Vgl. Magnus: Hörfunk — Alternative zum Fernsehen? In: Aufermann et al. (Hrsg.): Fernsehen und Hörfunk für die Demokratie 1979, S. 266. Neue Untersuchungen stellen neben der Hauptfunktion des Rundfunks als Begleitmediutn den Trend fest, daß das Radiohören ohne Nebentätigkeit wiederentdeckt wird. Vgl. Massenkommunikation III 1987, S. 80.

48

Medienkommunikation

publik führen heute jeweils eine Programmkette als Junge Welle, die hauptsächlich Magazinsendungen mit viel Rock-/Popmusik bietet (ζ. B. SWF3, S3, HR3, ferner: NDR2, BR3), und viele Privatsender geben sich „jugendlich". Musik wirkt dabei differenzierend in bezug auf alle potentiellen Hörer, aber auch integrierend, wenn die Jüngeren bzw. die Rock-/Pop-Hörer zur Hörergemeinde eines bestimmten Programms werden. Die popmusikbestimmten Programme haben ihr Vorbild in der Extremform der Rock-Radios, die in den 50er Jahren in den USA aufkamen. 60 . Einige dieser Rock-Stationen spielen fast nur aktuelle Hits (Top-40-Radio), was vor dem medienpolitischen Hintergrund in den USA, wo es von Beginn an kommerzielle Sender gab, gesehen werden muß. 3.3.4. Jugendsendung — Musiksendung — Hitparade Das Radio fördert einerseits die Popularisierung von Musik (vgl. 2.2), greift andererseits das auf, was bei den Hörern bzw. einem bestimmten Zielpublikum ankommt. Dieser Prozeß verläuft in einem relativ engen, selten durchbrochenen Rahmen von Musikrichtungen und -Stilen; am deutlichsten wird dies in den Hitparaden, den Charts. Je nach Modus „piazieren" sich die beliebtesten und/oder erfolgreichsten Musiktitel, ermittelt durch Hörerzuschriften, -anrufe oder aus Verkaufszahlen. Zum einen verhelfen Plattenkäufe bestimmten Titeln in die Charts, zum anderen bieten die Hitparaden-Plazierungen Kaufanreize.61 Nach dem Vorbild der Literatur-Bestsellerlisten (seit 1895) wurden in den USA Charts für populäre Musik eigerichtet.62 Seit dem Aufkommen der Rockmusik in den 50er Jahren gibt es auch bei den meisten europäischen Rundfunksendern Hitparadensendungen, in denen Diskjockeys oder Moderatoren die erfolgreichste Musik präsentieren.

60 61 62

Vgl. Frith: Jugendkultur und Rockmusik 1981, S. 153 ff. Vgl. Faulstich: Rock - Pop - Beat - Folk 1978, S. 144. Vgl. Faulstich: Rock - Pop - Beat - Folk 1978, S. 144.

Entwicklung der Jugendprogramme im Rundfunk

49

Sendungen, in denen Musik gespielt und eventuell erläutert oder kommentiert wird, werden hier als Musiksendungen bezeichnet. 63 Im weiteren Sinne gehören dazu auch Wunschsendungen {NDR: ClubWunschkonzert, Plattenkiste; SWF: Musikbox, Hörerwünsche), die je nach Moderationsform über eine Musiksendung hinausgehen können, wenn dialogische Elemente einbezogen werden oder die Präsentation „Show-Charakter" hat (ζ. B. NDR2: Hits mit Willem — Die Klopfer des Nordens). Eine Jugendsendung im engeren Sinne — von einer Jugendfunkredaktion produziert — richtet sich erklärtermaßen mit Wortbeiträgen und Musik an Jugendliche. Man versucht, Probleme der Zielgruppe aufzugreifen und sich „für die Rechte der Gruppe (Jugend) einzusetzen" 6 4 . Magazinform und hoher Musikanteil verwischen die Grenzen zwischen speziellen Jugendsendungen und anderen Rundfunksendungen, die durch ihre Musikauswahl ebenfalls ein junges Publikum ansprechen. Einige Musiksendungen sind in die Jugendsendereihen integriert, ζ. B. die Internationale Hitparade (Sa) und das (Club-) Wunschkonzert (So) in die NDR2-Reihe Der Club, die (Popshop-) Hitline (So), eine von Hörern per Telefonanruf zusammengestellten Hitparade, in die SWF3-Popshop-Reihe. Zwar sei der Popshop keine Jugendsen65 dung im engeren Sinne, da er aber strukturelle Ähnlichkeiten mit anderen Sendungen für Jugendliche aufweist, ist er hier unter der Bezeichnung Jugendsendung im weiteren Sinne berücksichtigt. 3.3.5. Jugendfunk heute Da Musik den Höranreiz für die Themen der Wortbeiträge bietet, ist sie für fast alle Jugendsendungen ein unverzichtbares Element geworden. 6 6 Viele jugendliche Hörer halten sie für wichtiger als die Wort63

64 65 66

Ζ. T. wird unterschieden in Musiksendungen (Musik allein im Mittelpunkt), Sendungen mit Musik und Sendungen über Musik. Vgl. Linz: Musik im Programm, Musik als Programm. In: Hoffmann-Riem/Teichert (Hrsg.): Musik in den Medien 1986, S. 96 f. de Haen: Jucken gehört zum Konzept. In: medium 10/1978, S. 5. Schultz-Burkel, SWF3, mündlich am 19. 6. 87. Vgl. Teiner: Praktische Formenlehre: Radiothek. In: medium 10/1978, S. 14.

50

Medienkommunikation

beitrage, sind unzufrieden, „wenn der gewünschte Rock- und PopKlangteppich von zu umfangreichen Wortanteilen durchzogen wird" 6 7 . Auch die Fragebogenaktion bestätigt die Präferenz der Musik. So lassen sich die hohen Ansprüche vieler Jugendfunkredaktionen, aktuelle, kritische, informationsreiche und unterhaltende Programme zu bieten, nicht leicht in die Praxis umsetzen. Auf einige Konzepte wird in Kap. 5 genauer eingegangen. Die assoziationsreichen Titel von Jugendsendungen im weiteren Sinne deuten Konzepte, Ziele und Musikdominanz an: 6 8 Zündfunk Point querfunk Treffpunkt s-f-beat; Bumerang torn time; Bingo Popshop Der Club

3.4.

Bayerischer Rundfunk (BR) Süddeutscher Rundfunk (SDR, S) Saarländischer Rundfunk (SR) RIAS Berlin Sender Freies Berlin (SFB) Hessischer Rundfunk (HR) Südwestfunk (SWF) Norddeutscher Rundfunk (NDR)

Musikmedium Rundfunk

3.4.1. Mediennutzung durch Jugendliche „Weniger Fernsehen, mehr Hörfunk" 0 9 lautet der Trend für das Mediennutzungsverhalten Jugendlicher in den 80er Jahren. 7 0 Dieses „mehr" und „weniger" bezieht sich zum einen auf die Nutzungsdauer der beiden Funkmedien bei jüngeren Leuten 71 gegenüber älteren, zum 67 68 69 70

71

Scheuerl: Die Rolle des Jugendfunks. In: Medien 4. 1/1982, S. 51. Aus verschiedenen Veröffentlichungen und aus der Korrespondenz mit den Rundfunksendern zusammengestellt. Titel des Aufsatzes Darkow in: Medien 4. 1/1982, S. 3 1 - 3 5 . Berücksichtigt wird im folgenden insbesondere die aktuelle Repräsentativstudie „Jugend und Medien", verfaßt von Bonfadelli et al. 1986. Vergleichend wird eine Trendstudie herangezogen: Berg/Kiefer (Hrsg.): Massenkommunikation III 1987. Die oben (Anm. 70) genannten Studien berücksichtigen 12- bzw. 14- 2 9 j ä h r i g e , bei „Massenkommunikation" ging diese Altersgruppe entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil zu 2 9 % ein.

51

M u s i k m e d i u m Rundfunk

anderen auf die zeitliche Entwicklung, abzulesen aus vergleichenden Langzeituntersuchungen. 72 Da Selbsteinschätzungen über die Dauer der Mediennutzung recht ungenau sind, wird in neueren Studien die Methode der TagesablaufErhebung angewandt: Die vom Befragten an einem Stichtag ausgeführten Tätigkeiten und Medienaktivitäten werden detailliert (ζ. B. in 15-Minuten-Schritten) registriert. Die so erhobenen täglichen Reichweiten der am häufigsten genutzten Medien im Überblick (in Prozent, Zeitaufwand in Minuten): ,Massenkommunikation"73

(Mo —Sa) 1980 1 4 - 19 J 20 - 2 9 J % Min % Min

Hörfunk Fernsehen Tageszeitung Jugend

69 66 53

110 81 17

81 65 72

170 90 29

1985 20 - 2 9 J 1 4 - 19 J % Min % Min 84 58 48

129 69 13

74 59 67

171 88 27

und Medien"7* (Mo — So) 1984 alle 12 - 2 9 J % Min

Hörfunk Fernsehen Tageszeitung

74 70 33

117 101 13

nur Nutzer Min 163 147 41

nach Altersgruppen 1 2 - 15 1 6 - 1 9 18 - 24 25 - 29

%

%

%

%

63 81 17

72 67 30

74 59 34

76 71 43

Da die Tagesablaufmethode für die eigene Untersuchung zu aufwendig war, wurden in Anlehnung an das Stichtagprinzip Dauer und Programmauswahl für die Rundfunknutzung „gestern" erfragt:

72 73 74

Vgl. „Massenkommunikation" (Erhebungen 1964, 1970, 1974, 1980 und 1985, durchgeführt von Infratest München). Massenkommunikation III 1987, S. 45, 60, 62. Vgl. Jugend und Medien 1986, S. 133, 139, 141.

52

Medienkommunikation

Radionutzung

„gestern" (eigene Erhebung

1986/87)

„gestern" Radio gehört in %

durchschnittl. Zeitaufwand in Min

nur „Nutzer" Zeitaufwand in Min

M o - F r (N = 459) So (N = 96)

76 68

138 107

188 157

Gesamt

75

133

177

(N = 555)

Sonntags wird etwas weniger Radio gehört als werktags, was auch die großen Studien bestätigen, nach deren Daten die Hörfunkzuwendung im Wochenablauf samstags am stärksten ist. 7 5 Laut Selbsteinschätzung 76 sind knapp 9 0 % der von mir Befragten aufgrund der Angaben täglich oder mehrmals pro Woche als regelmäßige Hörfunknutzer anzusehen. Mädchen hören etwas häufiger Radio als Jungen, ältere Jugendliche etwas mehr als jüngere, diese und die regionalen Differenzen spielen sich jedoch innerhalb der oberen Kategorien ab. Deutlichere Unterschiede lassen sich aus der Gruppierung nach Schularten erkennen: Realschüler und Berufsschüler haben den größten Anteil an „Täglich-Hörern" zu verzeichnen, andererseits nutzen einige Berufsschüler das Medium Hörfunk wenig. Ebenfalls nicht so stark ist die Hörfunknutzung der Hauptschüler, die nur etwa zur Hälfte täglich angeben, allerdings entsprechend häufiger mehrmals pro Woche. Die hier befragte — nicht repräsentative — Gruppe liegt in bezug auf die Nutzung des Mediums „Hörfunk" erstaunlich nahe an den Werten der Repräsentativbefragung. Die leichten Unterschiede lassen sich zum einen auf die etwas andere Altersgruppenaufgliederung zurückführen; zum anderen sind durch die geringe Belegung der unteren Kategorien die „kleinen" Prozentwerte ohnehin mit Vorsicht zu interpretieren. 75 76

Dies wurde mit der eigenen Fragebogenaktion nicht erfaßt, da sonntags keine Befragungen durchgeführt werden konnten. Vgl. Tabelle im Anhang, S. 353.

53

Musikmedium Rundfunk Rundfunkhören (Selbsteinschätzung) präsentativStudie (in Prozent)

im Vergleich zu den Ergebnissen

Eigene Befragung 14 —15 J 16-18/20 J täglich mehrmals pro Woche einmal pro Woche 1 — 3mal im Monat seltener

60 28 5 3 3

einer Re-

„Jugend und Medien" 7 7 12 — 15 J 16 - 19 J

64 26 5 1 5

62 24 8 2 2

67 22 6 3 2

Vergleicht man die Selbsteinschätzung der „Täglich-Hörer" mit den aufgrund der Stichtagangaben ermittelten Werte, 7 8 so ist festzustellen, daß diejenigen, die für relativ kurze Zeit (unter 2 Std.) täglich Radio hören, ihren Medienkonsum unterschätzen, während die „Viel-Hörer" zur Überschätzung neigen. Die Nutzungsdauer wirkt sich vermutlich darauf aus, was für ein Bild die Hörer vom Rundfunk und von einzelnen Programmen haben. Entscheidend dürfte hierfür jedoch sein, welche Sendungen und Programme von Jugendlichen gehört werden. Nach den Ergebnissen der Studie „Jugend und Medien" wird über die Hälfte aller Jugendlichen täglich von den Sendeketten, die ein „junges" Programm bieten, erreicht: 7 9 Reichweite von Gehobenen Programmen (ζ. B. NDR3, SWF2) Ersten Programmen (ζ. B. NDR1, SWF1) Jungen Wellen (ζ. B. SWF3, S3, NDR2?)

in % 5 14 54

In der Fragebogenaktion zu dieser Arbeit wurde konkret nach Titeln von täglich oder häufiger gehörten Sendungen gefragt, um die Medienerfahrungen zu erfassen, die den Hintergrund für die kommentierenden und wertenden Aussagen im Fragebogen bilden. Insgesamt 77 78 79

Vgl. Jugend und Medien 1986, S. 218, Tabelle 20A. Vgl. Tabelle im Anhang, S. 353. Vgl. Jugend und Medien 1986, S. 133, Beispiele von mir.

54

Medienkommunikation

wird eine Fülle von Sendungstiteln genannt, von den Befragten in Norddeutschland (365) vor allem Sendungen (Sendegefäße) aus dem NDR (313mal), insbesondere NDR2. Von einigen Jugendlichen werden — meist zusätzlich — weitere Sender aufgeführt: BFBS 54mal, ffn {Funk für Niedersachsen, privat, seit 1. 1. 87 80 ) 39mal und HR3 lOmal. Vielfältiger ist das genutzte Angebot an Sendern im südlichen Befragungsgebiet (190 Befragte): Es werden u. a. SWF 99mal (vor allem SWF3), RPR {Rheinland-Pfalz-Radio, privater Lokalsender) lOOmal, SDR {S3) 21mal, HR3 18mal und AFN 12mal genannt. Das Ungleichgewicht bei den Programmwahlmöglichkeiten (1986) zwischen Nord und Süd führt dazu, daß die norddeutschen Befragten vor allem spezielle Sendungen aufführen, während die Mannheimer und Bad Kreuznacher Jugendlichen Sender oder Sendetypen (ζ. B. Hitparade) nennen. Alles in allem wird der Rundfunk extensiv genutzt; neben dem „laufenden Programm" werden „jugendorientierte" Sendungen und Musiksendungen {Hitparaden, 90mal explizit aufgeführt), bevorzugt. Folgende Jugendsendungen werden von relativ vielen häufiger oder täglich gehört: NORD:

NDR2

Der Club ( M o - F r ) , Club-Wunschkonzert (So) (jeweils 1 8 . 0 5 - 2 0 . 0 0 Uhr) Club täglich: 35%, häufiger: 27%; Wunschkonzert häufiger: 10% gestern Club/Wunschkonzert gehört: 31% „C/wb-Hörer": täglich/häufig/gestern Club/Wunschkonzert: 68%

NORD:

NDR1

Pop Fit (Mo - Sa 13.10 - 1 5 . 0 0 Uhr, bis 1986) täglich/häufiger 12%

SÜD:

SWF3

Popshop (Mo - Sa), Popshop-Hitline (So) (jeweils 1 8 . 0 5 - 2 0 . 0 0 Uhr) 81 Popshop/SWF3*2 täglich: 31%, häufiger: 30% Hitline häufiger: 6% gestern Popshop/Hitline/SWF3 gehört: 33%

80 81 82

Für einen Teil der Befragten ist dieser Sender zum Zeitpunkt der Befragung also noch nicht zugänglich. Bis 1986: 19.05 - 21.00 Uhr, ab 1989: 18.05 - 21.00 Uhr. Viele Jugendliche der Gruppe Süd nennen nur den Sender, zeigen aber im Fragebogen, daß sie Popshop-Höier sind.

55

Musikmedium Rundfunk

SÜD:

S3

„Popshop-Hörer": täglich/häufiger/gestern Popshop/Hitline: 16% „Popshop-Hörer im weiteren Sinne": täglich/häufiger/gestern Popshop/Hitline/SWF3: Point (Mo - Sa 18.05 - 20.00 Uhr)

64%

täglich/häufiger 2%

3.4.2. Funktionen des Rundfunks für Jugendliche Rundfunk heute ist entscheidend davon geprägt, daß das Fernsehen in den 50er Jahren einen Teil der „alten" Funktionen übernommen hat und sich der Hörfunk zum komplementären „Begleit-" oder „Zusatzmedium" 83 wandelte: Es werden viele Programme angeboten, die „nebenbei" gehört werden können, insbesondere Magazinsendungen, Mischungen aus Wort und Musik. In der Studie „Jugend und Medien" wurden mit Hilfe von Merkmalsmatrizen „Medienimages" bestimmt; für das Radio nennen die Jugendlichen die Eigenschaften unterhaltend, sympathisch und alltäglich am häufigsten und schätzen den Informationswert relativ 84 hoch ein. Laut „Massenkommunikation"-Langzeitstudie ist 1985 für junge Leute der Hörfunk das Informationsmedium Nummer Eins. 85 Eine leichte Korrelation mit dem Bildungsgrad besteht insofern, als für die bildungsschwächeren Gruppen die Unterhaltung wichtiger ist als der Informationswert. 86 Hinsichtlich des Faktors Glaubwürdigkeit sprechen sich 63% der für „Jugend und Medien" Befragten für das Fernsehen aus (Zeitung: 19%, Radio 17%). 8 7

83 84 85 86 87

Vgl. Saur: lOOx Fernsehen und Hörfunk 1978, S. 158. Antwortkategorien einer geschlossenen Frage. Vgl. Jugend und Medien 1986, S. 158 ff. Vgl. Massenkommunikation III 1987, Tabelle S. 230 f. Vgl. Jugend und Medien 1986, S. 233. Vgl. Jugend und Medien 1986, S. 162. Die entsprechenden Zahlen aus der „Massenkommunikation"-Studie 1980 nach Darkow 1982, S. 35 (in Massenkommunikation III nicht nach Altersgruppen ausgewiesen): 1 4 - 19J: Fernsehen 6 7 % , Radio 2 0 % , Zeitung 7 % 2 0 - 2 9 J : Fernsehen 5 9 % , Radio 19%, Zeitung 16%.

56

Medienkommunikation

Der von mir konzipierte Fragebogen enthält eine Frage nach den Eigenschaften des Hörfunks (F6) 88 . Daß Musik im Zusammenhang mit Rundfunk wichtig sei, erwähnen 30% der Antwortenden89, bei einer offenen Frage ein relativ großer Anteil. Wesentliche Unterschiede zwischen „Täglich-Hörern" und den übrigen Befragten treten nicht auf, die „Club-Hörer" nennen leicht unterdurchschnittlich häufig Musik (26%), die „Popshop-Hörer" kommen dagegen auf über 37%. Neben der Musik werden vor allem die Bereiche Information, Aktualität und Abwechslung als wichtige Hörfunkeigenschaften erwähnt. Der Informationswert wird von 29% der Befragten hervorgehoben, unter den „Täglich-Hörern" beträgt der Anteil sogar 34%. Das Merkmal aktuell wird ebenfalls häufig genannt (23%; 28% der „Täglich-Hörer"), vor allem die Gymnasiasten (31%) sprechen der Aktualität des Rundfunks große Bedeutung zu. Als abwechslungsreich (durch das Zusammenwirken unterschiedlichster Inhalte und Formen sowie Musik) wird das Rundfunkprogramm von 25% der Befragten empfunden. Den Sekundärcharakter der Hörfunknutzung betonen 17%: Man könne etwas anderes dabei tun, nebenbei hören oder das Radio im Hintergrund laufen lassen, negativ wird diese Nutzungsform als Berieselung bezeichnet. Einige erwähnen die unkomplizierte Handhabung (zwischendurch ausschalten; leiser stellen; bequem) und die hohe Verfügbarkeit (kann man fast überall und zu jeder Zeit hören, preiswert). Für Jugendliche bedeutet Radio als Alternative zum Fernsehen ein Stück Loslösung von der Familie: Ferngesehen wird meist im Familienkreis, Radio hört man im Freundeskreis oder allein. Soziale Bedürfnisse spielen für die Mediennutzung eine Rolle, ebenso kognitive, affektive und integrative.90 Nach Ergebnissen einer Schweizer Untersuchung zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen91 sind sowohl Fernsehen und 88 89

90 91

Vgl. Anhang, S. 349. Im folgenden beziehen sich alle Prozentangaben auf Ν = 454, die Antwortbereitschaft bei dieser abstrakten offenen Frage war besonders bei Hauptund Berufsschülern gering. Vgl. Jugend und Medien 1986, S. 18 f. Bonfadelli: Nutzung und Funktion der Medien bei Kindern und Jugendlichen. In: Fleck et al. 1987, S. 1 8 9 - 2 0 1 .

Musikmedium Rundfunk

57

Radio/Platten 92 als auch Bücher multifunktionale Medien. Den auditiven Medien schreiben die dort Befragten vor allem Funktionen wie Gefühlsregulierung und Spannungskontrolle zu. 93 Die höchsten Werte 94 erreichen sie bei affektiven Funktionen in Situationen wie „traurig-trösten" (49%) und „allein sein"(60%) sowie bei eskapistischen (abschalten 47%, Problem vergessen 50%) und in den als habituell bezeichneten Nutzungssituationen „nichts tun" (47%) und Gewohnheit (49%). Zur Erfüllung kognitiver Bedürfnisse geben die meisten Jugendlichen dagegen Fernsehen und Buch als geeignetere Medien an, Radio/Platten erhalten beispielsweise in der Kategorie „Sachen erfahren" nur von 18% Zustimmung, das Buch dagegen von 54%. Einige Hinweise, wie Rundfunk affektive Funktionen erfüllt, geben die von mir befragten Jugendlichen: Muntermacher; macht gute Laune; unterhaltsam; entspannend; weniger anstrengend. Der Rundfunk trägt als Musikmedium die vielfältigen Funktionen von Musik. Wie Musik im affektiven Bereich wirkt, beschreiben einige Jugendliche (F17) 95 : Ein Lied ist eher beruhigend, zum Träumen oder zur Entspannung,, ein anderes wirkt aufheiternd, kann aus einer miesen Laune reißen oder ist mitreißend (23mal). Eine Realschülerin ordnet die Musikrichtungen ihren Stimmungen zu: Schlechte Laune: Lautes, Fetziges; aufgeregt: MA, FB-Nr. 1247)

Ruhiges; gute Laune: alles. (16J,

3.4.3. Rock-/Popmusik als Höranreiz Ihr Musikinteresse schätzen fast alle von mir befragten Jugendlichen relativ hoch ein. Etwa die Hälfte (51%; Nord: 49%, Süd: 55%) bezeichnet sich als sehr interessiert, weitere 43% als interessiert, nur ein einziger Schüler kreuzt nicht interessiert an (Fl). Leicht überdurch92 93 94 95

Leider sind die auditiven Medien Hörfunk und Platten bzw. Cassetten nicht einzeln erfaßt. Bonfadelli in: Fleck et al. 1987, S. 199. Vgl. Bonfadelli in: Fleck et al. 1987, Tabelle S. 198. Durch Mehrfachnennungen sind die Prozentzahlen relativ hoch. Vgl. Fragebogen im Anhang, S. 351.

58

Medienkommunikation

schnittlich stark interessiert sind die Mädchen, die Realschüler, ferner die über 16jährigen. Aus den quantitativen Angaben zum Musikkonsum (F2) geht hervor, daß 86% der Jugendlichen täglich Musik hören (durchschnittlich 4 Stunden), meist während sie einer anderen Beschäftigung nachgehen. Über die Hälfte der Befragten gibt an, täglich auch Musik zu hören, ohne etwas dabei zu tun, im Durchschnitt sogar 1,8 Stunden96 pro Tag. Die Antworten sind hier breit gestreut, so wird die Kategorie seltener (als 1 — 3mal im Monat, was nie einschließt) 50mal, bei der Frage nach dem Musikhören insgesamt (ausschließlich oder nebenbei) dagegen überhaupt nicht genannt. Die Zahlen im Vergleich lassen die Realschüler als stärkste, die Hauptschüler als schwächste Musikhörergruppe erkennen, innerhalb der Gruppe „Berufsschule" bestehen individuell große Unterschiede.97 Geschlechtsspezifische Nutzungsgewohnheiten zeigen sich darin, daß die Mädchen verstärkt während anderer Tätigkeiten Musik hören, bei den Jungen dagegen keine so deutliche Diskrepanz zwischen F2a und F2b auftritt. Der selten beachtete Vergleich von ausschließlichem Musikhören und Musikhören insgesamt (mit oder ohne Beschäftigung) illustriert die verschiedenen Hörgewohnheiten.98 Dabei zeigt sich, daß die insgesamt 50 Jugendlichen, die praktisch nie Musik hören, ohne etwas dabei zu tun, ausnahmslos regelmäßige Musikkonsumenten (nebenbei) sind, 38 sogar täglich, 12 mehrmals pro Woche. Einige Beispiele für „Nebenbeschäftigungen" beim Musikhören oder besser: Tätigkeiten, bei denen nebenbei Musik gehört wird, nennen die Jugendlichen in der offenen Frage 2 c: Sehr häufig (270mal) werden Hausaufgaben erledigt, einige differenzieren nach Abschreibarbeiten — mit Musik — und lernen — ohne Musik. Viele Beschäftigungen beim Musikhören stammen aus den Bereichen Haushalt,

96 97

98

Dem Mittel zugrundegelegt wurden die Zahlen aus den Fragebögen derjenigen, die hierzu überhaupt eine Angabe machten. Einige versehen hier ihre Angaben mit Zusätzen wie während der Arbeit den ganzen Tag, andere hören eher weniger als ein anderer „durchschnittlicher" Schüler. Vgl. Tabellen im Anhang, S. 354.

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Musikmedium Rundfunk

Handarbeiten, Hobby, Geselligkeit. Einige nutzen gleichzeitig ein weiteres Medium, häufig genannt wird lesen (210mal), ferner „Computern" (25), fernsehen (3) und telefonieren (9). Andere bevorzugen stärker auf die Musik bezogene Aktivitäten wie tanzen oder passives Verhalten wie träumen, entspannen (relaxen) oder sogar schlafen. Von Sport treiben bis schlafen, vom Lesen und Hausaufgaben erledigen bis zu den alltäglichen Verrichtungen (anziehen, duschen) scheinen alle körperlichen und geistigen Aktivitätsstufen zum Musikhören geeignet zu sein. Die Nutzungsgewohnheiten sind individuell verschieden, aber auch innerhalb einer Fragebogen-Antwort findet man Aufzählungen wie: Hausaufgaben, lesen, telefonieren, mit Freunden reden, aufräumen, beit, Briefe schreiben (Mane, w, 15J, IGS, BS, FB-Nr. 425).

Hausar-

In der folgenden Übersicht wird versucht, aus den Angaben der Jugendlichen auf Funktionen des Musikhörens zu schließen: Begleitfunktion, Geräuschkulisse (habituell): Geringe Aufmerksamkeit für die Musik: — Hausaufgaben, arbeiten — lesen (Bücher, Zeitschriften),

„Computern", fernsehen,

telefonieren

Höhere Aufmerksamkeit für die Musik: — Haushaltshilfe, alltägliche Verrichtungen — essen und trinken, besonders: frühstücken — fahren, Spazierengehen (mit „Walkman") — Handarbeiten, Hobby, basteln, malen

Soziale Funktion, aber auch Geräuschkulisse: — mit Freunden zusammen sein — spielen (Gesellschaftsspiele, Karten)

Motorische und affektive Funktionen: — tanzen,

mitsingen

Eskapistische Funktionen: — entspannen,

träumen,

schlafen

Bevor aus der psychologischen, pädagogischen und soziologischen Forschung weitere funktionale Aspekte erwähnt werden, ein Blick

60

Medienkommunikation

auf die Art der von den Jugendlichen gehörten Musik. Die von mir Befragten nennen auf die Frage nach ihrer Lieblingsmusik (F16) 99 Musikinterpreten, Musikrichtungen oder bestimmte Eigenschaften. Bei den „Musikrichtungen" erscheinen Rock und Pop am weitaus häufigsten (371mal); Klassik (56mal) wird von Klassikliebhabern genannt, vor allem aber hören andere, ζ. B. Hardrock-Fans, manchmal auch Klassik. Pop und Rock100 mit Zwischenformen wie Poprock umfassen unterschiedlichste Strömungen, u. a.: Disco, Rock'n'Roll, Soul, Funk, New Wave, Softrock, Rock), Heavy Metal, Punk, Deutschrock.

Hardrock

(bzw. Hart-

Die „Experten" differenzieren noch stärker, ζ. B. in Synthi-Pop, Techno-Pop,

Psychodelic,

Poke,

Smooth.

Einige Jugendliche versuchen, „ihre" Musik zu beschreiben, ζ. B. als fetzig, kraftvoll, rockig oder zärtlich, verträumt, schmusig. Andere legen Wert auf Aktualität und verweisen auf die — offenbar wichtige — Hitparade: Top 20, Charts, was gerade oben ist oder mit erweiterter Bedeutung: was in ist. Dies zu kennen, trägt zur Sicherung jugendlichen Gruppengefühls bei, denn gemeinsames Wissen ist ein verbindendes Element, über das Gruppenfremde ausgegrenzt werden: Zur Namen- und Begriffswelt der Rock-/Popszene hat ein erwachsener Nicht-Kenner kaum eine Beziehung. Rundfunkmoderatoren sind in dieser Hinsicht „Insider", da sie Titel, Interpreten, Texte und Details aus der Musikwelt kennen. Im Hinblick auf subkulturelle Orientierungen jugendlicher Gruppen dienen Musik und die damit verbundenen Schlüsselbegriffe und Namen der Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen. Das Besondere an ihrer Lieblingsmusik (F17) bestimmen die Jugendlichen selbst nur ansatzweise funktional (aufheiternd; zur Entspannung); meist nennen sie Elemente der Musik, z.T. mit näheren Erläuterungen versehen: Text (148), Rhythmus (110), Melodie (76), 99 Vgl. Fragebogen im Anhang, S. 351. 100 Diese Begriffe haben sehr weite, sich überschneidende Bedeutungen, zur Begriffsgeschichte vgl. Sandner 1977, S. 9 — 35.

61

Musikmedium Rundfunk

Sound (62), Stimme (55). Daß damit wenig über die Musik ausgesagt wird, meint eine IGS-Schülerin: Schwer zu sagen, aber ich glaube, mus (16J, BS, FB-Nr. 430)

das Übliche wie: Sound,

Melodie,

Rhyth-

Übersteigernd versucht ein 15jähriger eine genauere Bestimmung: Die Lieder ziehen total rein: Coole Atmosphäre, (m, Gym, MA, FB-Nr. 1025)

guter Rhythmus,

scheiß

Text,

Detaillierter äußern sich die Klassik-Hörer, aber auch Rock-Fans wie der Mannheimer Realschüler über ein Heavy-Metal-Stück: Das Intro ist sehr gut. Es steigert sich. Man fühlt mit der Musik mit. Das Intro zieht sich bis zum Ende, dann scheint alles um dich zu explodieren, und die Gitarre setzt ein. Weiter geht es mit einem grellen Schrei des Sängers (...). (16J, FB-Nr. 1215)

Sehr vage wirkt dagegen die „Begründung" der Gymnasiastin Tint: Weiß ich auch nicht, das ist Gefühlssache, (16J, BS, FB-Nr. 106)

entweder sie gefällt mir oder

nicht.

Daß Rockmusik tatsächlich viel mit Gefühl, insbesondere mit jugendlichem Lebensgefühl, zu tun hat, kann psychologisch erklärt werden. Melodie und Klang kommen einem natürlichen Bedürfnis nach Kreativität und Ausdrucksvielfalt entgegen, 101 im Rhythmus zeigen sich Bewegung und Abwechslung, das Metrum wirkt als Stimulierung von außen. Die Klanggestaltung in der Rockmusik (der „Sound") schöpft dem Drang nach Totalität entsprechend die Breite des Frequenzbandes weit aus. Dynamik ermöglicht „Musikgebrauch" 102 : Läßt nämlich der Hörer die Musik „mit voller Lautstärke auf sich wirken, so hört er sie nicht nur, sondern erlebt sie zusätzlich über den Tastsinn (Vibrationssinn)" 103 . Zur Körpererfahrung durch Musik gehört das Umsetzen in Bewegung, das Tanzen von der Super101 Vgl. Schierholz: Rockmusik und Lebensperspektiven Jugendlicher. In: Deutsche Jugend 3. 1981, S. 121 - 1 3 0 . 102 Ausdruck von Hartwig: Jugendkultur 1980. 103 Ruth-Gisela Klausmeier: Pubertät und Beatmusik. In: Psyche 1973, S. 643 ff., zitiert nach Hartwig 1980, S. 88.

62

Medienkommunikation

Boogie Zentralschaffe mit Überhebe104 bis zum verzückten Solo zu elektronischen Rockklängen, womit man sich aus der „verkrampften Negierung körperlicher Bewegung" befreien könne. 105 Sich allzusehr in die Musik hineinzusteigern, berge die Gefahr der Drogenwirkung mit tranceartigen Zuständen.106 Durch Rockmusik würde ferner das Regressionspotential Jugendlicher entfaltet, denn sie sei „so etwas wie eine quasi-mythische Mitgift im Computerzeitalter"107. Vielen Jugendlichen scheint Musik Freiraum und Identifikationsmöglichkeit zugleich zu bieten, indem sie die jugendliche Erlebniswelt trägt. Innerhalb der Jugend gibt es individuelle Unterschiede hinsichtlich des Lebensgefühls und — damit zusammenhängend — des Musikerlebens108, aber auch typische Gefühlslagen, Denk- und Verhaltensweisen, deren konkrete Ausprägung von den Umständen der jeweiligen Zeit abhängt: Von den Wandervogelidealen im Volkslied109 über Protesthaltungen im Rock'n'Roll und Beat 110 bis zur Sehnsucht nach dem Ausbruch aus der Wirklichkeit in der Popmusik der 80er Jahre. 111 Für viele Jugendliche überwiegt — durchaus ihrem Lebensgefühl entsprechend — der Unterhaltungswert von Musik, die „den lärmenden und aufmunternden Kontext für alle übrigen Aktivitäten" 112 bildet. Daß Musik auch Erkennungszeichen für Gruppenzugehörigkeit ist, 113 wird im Rundfunk genutzt, um das Wortprogramm an die Zielgruppe heranzutragen, dazu ein Redakteur:114 104 105 106 107

Heinrich: Die Sprache der Jugend. In: Sprachwart 1960, S. 42. Sandner, in: Psychologie heute 1980, S. 71. Vgl. Hartwich-Wiechell: Pop-Musik 1974, S. 38 ff. Voullieme: Hörerlebnis oder Bildungsakt. In: Zeitschrift für Musikpädagogik. 27/1984, S. 27.

108 Neuere Untersuchungen unterscheiden verschiedene Hörertypen, vgl. besonders: Behne: Hörertypologien 1986. 109 Vgl. Breuer in: Kindt (Hrsg.): Die Wandervogelzeit 1968, S. 1011 f. 110 Vgl. Baacke: Beat — die sprachlose Opposition, 1968. 111 Sandner: Rockmusik als Lebensgefühl. In: Psychologie heute 1980, S. 64. 112 Frith: Jugendkultur und Rockmusik 1981, S. 259. 113 Vgl. Baacke in: de Haen (Hrsg.) 1984, S. 46. 114 Zitat (ohne Namensnennung) aus Schmidt: Radiothek. In: Schmidt (Hrsg.): Musik in den Massenmedien 1976, S. 200 f.

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Medienwirkungen

Wenn Musik als ,Fänger' nicht da wäre, würden die Jugendlichen sich nicht bequemen, dieses Thema anzuhören. Aber in Erwartung einer — um es sarkastisch zu sagen — Fortsetzung der unterhaltenden Musikstrecke vertragen die Jugendlichen dann auch noch das Thema. Das ist eigentlich gar nicht sarkastisch — das ist halt so, das wissen wir. Musik ist Höranreiz, hat aber in vielen Jugendsendungen auch hohes Eigengewicht. M a n versucht, „möglichst alle Tendenzen in der R o c k und Popmusik zu berücksichtigen" 1 1 5 , seltener in besonderen Rubriken oder Sendungen beispielsweise Klassik 1 1 6 oder speziellere R o c k musik 1 1 7 vorzustellen. In Jugendmagazinsendungen wirkt Musik zudem strukturierend, indem sie „dem Hörer Denkpausen verschafft zwischen den einzelnen Wortblöcken oder aber indem sie das T h e m a interpretiert und/oder ergänzt." 1 1 8 Angesichts der Ziele vieler Jugendfunkredaktionen,

„die Dialogfähigkeit und

Gesprächsbereit-

schaft der jungen Generation zu f ö r d e r n " 1 1 9 oder sogar „Lebenshilfe" zu bieten 1 2 0 , muß nochmals betont werden: „Jugendsendungen sind für den Hörer in erster Linie Musiksendungen." 1 2 1

3.5.

Medienwirkungen

Das unter 3.1 vorgestellte Modell der medialen Massenkommunikation impliziert eine Wirkungstheorie, die als Kombination von W i r kungs- und Nutzenansatz 1 2 2 bezeichnet werden kann, da Kommunikator- (directive) und Rezipientenperspektive (selective perspective) als interactive perspective 1 2 3 berücksichtigt werden.

115 „Treffpunkt"-Redaktion, RIAS Berlin, Brief v o m 3 1 . 1. 85. 116 Ζ . B. „classic im c l u b " , N D R 2 ; „Zündfunk Klassik", B R . 117 Ζ . B. „Hits für Species", N D R 2 . 118 Teiner, in: medium 1 0 / 1 9 7 8 , S. 14. 119 Scheuerl, in: Medien 1 / 1 9 8 2 , S. 50. 120 Bussiek, in: medium 1 0 / 1 9 7 8 , S. 2. 121 de Haen, in: medium 1 0 / 1 9 7 8 , S. 5. 122 Vgl. auch Maletzke: Medienwirkungsforschung 1981. 123 Begriffe von Lin: C o m m u n i c a t i o n effects. In: Ruben (Hrsg.): C o m m u n i c a tion Yearbook I 1977, S. 5 5 - 72.

64

Medienkommunikation

Im folgenden werden die Grundideen der wichtigsten Medienwirkungsansätze kurz vorgestellt, 124 um die Überlegungen zur Wirkung des Rundfunks auf Jugendliche theoretisch zu verankern. Eine solche Fundierung ist notwendig, zumal Populärtheorien den Medien Allmacht, Manipulation oder Vorbildfunktion zuschreiben. Im Bewußtsein vieler ist auch heute die wissenschaftlich längst relativierte Allmachtsthese vorherrschend, die von Medienwirkungen in direkten Kausalbeziehungen ausgeht (Stimulus-Response-Beziehung: Der Rezipient „reagiert" direkt auf die Medienaussage). Wirkungsansatz Nach diesem Modell führt die Asymmetrie der Massenkommunikation dazu, daß der passive Rezipient den Aussagen des aktiven Kommunikators ausgeliefert ist. Soziale Beziehungen des Rezipienten und situative Bedingungen werden ebensowenig berücksichtigt wie die übrigen Medienaktivitäten des Rezipienten, statt dessen werden isolierte und zeitlich begrenzte Wirkungen angenommen. Der Kommunikation wird grundsätzlich eine Wirkungsabsicht unterstellt. 125 Nutzenansatz (uses and gratifications approach) Der den meisten neueren Wirkungstheorien zugrundeliegende, bereits in den 40er Jahren „vorbereitete" 1 2 6 uses-and-gratifications-Ansatz sieht den Rezipienten in der Rolle des aktiven Mediennutzers, der aus dem Medienangebot auswählt. Die Selektion richtet sich nach den jeweiligen Bedürfnissen des Rezipienten, der sich Nutzen (use) und Bedürfnisbefriedigung (gratification) verschaffen 1 2 7 möchte. Für die Wirkungsmöglichkeiten der Kommunikation gilt aus dieser selektiven Perspektive (selective perspective 128 ): „Medien sind in dem Maße wirksam, in dem ihnen Rezipienten eine Wirksam1 2 4 U. a. anhand von: Publizistik Themenheft Medienwirkungsforschung 1 — 2 , 1982, spezieller in: Sander/Vollbrecht: Kinder und Jugendliche im Medienzeitalter 1 9 8 7 , S. 1 3 - 3 7 . 125 Vgl. u. a. Sander/Vollbrecht 1987, S. 15. 126 Vgl. Schulz: Ausblick am E n d e des Holzweges. In: Publizistik 1982, S. 5 4 . 127 Vgl. Sander/Vollbrecht 1987, S. 18 ff.; Schulz in: Publizistik 1982, S. 5 4 ff. 128 Lin 1 9 7 7 , S. 5 6 f.

Medienwirkungen

65

keit zugestehen." 129 Dies wiederum ist davon abhängig, inwieweit die Medien die Bedürfnisse des Rezipienten befriedigen können. Der Nutzenansatz bringt mit der Rezipientenorientierung eine neue Sichtweise in die Medienwirkungsforschung, 1 3 0 läßt allerdings aus dem persönlichen und sozialen Umfeld des Rezipienten viele Faktoren unberücksichtigt. Kombination aus Wirkungs- und Nutzenansatz (interactive perspective) Um den Gesamtprozeß der Massenkommunikation zu erfassen, müssen die beiden oben vorgestellten Extrempositionen möglicher Wirkungsansätze gemeinsam betrachtet werden. 131 Sowohl die Beeinflussungsmöglichkeiten oder -absichten auf der Kommunikatorseite als auch die Kommunikationsbedürfnisse und Selektionskriterien auf der Rezipientenseite werden einbezogen, Massenkommunikation als ein „Prozeß der Wechselwirkung zwischen den Interessen von Kommunikator und Rezipient" 132 aufgefaßt. Vor dem Hintergrund dieser interactive perspective, definiert als „the intersecting of the directive and selective perspectives" 133 , wurden Theorien mit verschiedenen Schwerpunkten entwickelt. Das Koorientierungsmodell bezieht das soziale Umfeld des Rezipienten und seine persönlichen Voraussetzungen (Einstellungen etc.) ein, der dynamisch-transaktionale Ansatz berücksichtigt „Zeit" als wesentlichen Faktor und geht von wechselseitig aktiven oder passiven Kommunikationshaltungen bei Kommunikator und Rezipient aus. 134 Aus dem Spektrum dieser Ansätze können hier nur einige Aspekte zum Themenbereich „Jugend und Medien" herausgegriffen werden. Hinsichtlich der persönlichen kognitiven Prädispositionen des Rezipienten, vor allem der Meinungen und Einstellungen, konnte man 129 Schulz in: Publizistik 1982, S. 54. 130 Vgl. Renckstorf: Neue Perspektiven in der Massenkommunikationsforschung 1977. 131 So ζ. B. auch von Maletzke: Medienwirkungsforschung 1981. 132 Ansatz von Kraus und Davis, vorgestellt von: Schulz in: Publizistik 1982, S. 55. 133 Lin 1977, S. 57. 134 Vgl. Sander/Vollbrecht 1987, S. 21 ff.

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Medienkommunikation

mit Hilfe von Experimenten Festingers Theorie von der „kognitiven Dissonanz" (1957) für viele Situationen bestätigen. 135 Danach würden Dissonanzen zwischen schon vorhandenen Meinungen eines Menschen und ihm in der Umwelt begegnenden Aussagen vermieden, von den Grundeinstellungen abweichende Medienaussagen nicht selegiert, so daß sie kaum Wirkungsmöglichkeiten erhielten. Dieser Mechanismus setzt jedoch eine relativ feste Einstellungsstruktur voraus, wovon besonders bei Jugendlichen nicht ausgegangen werden kann. Meinungs- und Einstellungsbildung geschieht zum Teil über Peer-Groups; die persönliche Kommunikation innerhalb der jugendlichen Gruppe ist der Massenkommunikation an Wirkung überlegen, 136 die Gruppennormen bieten gewissermaßen „Schutz" vor medialer Beeinflussung. „Vorhandene Meinungen und Einstellungen, die kollektives Überzeugungsgut einer Gruppe sind, weisen konträre Aussagen zurück, konforme Aussagen hingegen werden als unterstützende Leistungen akzeptiert und bestätigen auf diese Weise die bereits vorhandenen Standpunkte." 1 3 7

In diesem Zusammenhang ist auch die Two-Step-Hypothese 138 zu beachten: Medienaussagen erreichen einige Gruppenmitglieder indirekt über die persönliche Kommunikation mit Meinungsführern (opinion leaders), überdurchschnittlich aktiven, gut informierten Mediennutzern. Die Hypothese muß in zweifacher Hinsicht modifiziert werden: Opinion leading, das ζ. T. opinion sharing ist, findet häufig erst statt, nachdem auch der einzelne die Information über Medien aufgenommen hat; 1 3 9 zudem verläuft das Weitertragen von Medienaussagen nicht unbedingt zweistufig, sondern mehrstufig oder sogar im 135 Vgl. dazu ζ. B. Bledjian: Theoretische Ansätze über den Einfluß der präkommunikativen Einstellungsstruktur der Rezipienten auf Bildung und Änderung von Einstellungen. In: Prokop (Hrsg.): Medienforschung, Bd. 2, 1985, S. 7 5 - 1 1 3 . 136 Vgl. Maletzek 1981, S. 41 f. 137 Dröge et al.: Wirkungen der Massenkommunikation 1973, S. 131. 138 Vgl. ζ. B. Renckstorf: Zur Hypothese des „two-step flow" der Massenkommunikation. In: Prokop (Hrsg.) 1985, Bd. 2, S. 29 - 52. 139 Vgl. Renckstorf in: Prokop (Hrsg.) 1985, Bd. 2, S. 46.

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Kreis. 140 Trotz der Gegengrößen persönliche Kommunikation und kognitive Prädisposition können Medien nach dem Prinzip der Schweigespirale 141 meinungsbildend wirken: Die Medien stellen etwas als Mehrheitsmeinung dar, diese wird von einigen übernommen, andere — der vermeintlichen Minderheitsmeinung zuneigende — halten sich in ihrer Meinungsäußerung zurück, jeweils aus Furcht vor sozialer Isolation. Dieser Mechanismus kann dazu führen, daß die Medienmeinung schließlich wirklich Mehrheitsmeinung geworden ist (self-fulfilling prophecy). Im Zielgruppenbezug der Medienkommunikation liegen Wirkungsmöglichkeiten, die der Ansatz von der Massenkommunikation als virtuelles Kommunikationssystem142 erklärt: Danach sind Jugendkulturen virtuelle Kommunikationssysteme, d. h. indirekte, fiktive Systeme von Personen, „die sich zum größten Teil niemals direkt treffen, jedoch über gemeinsame Werturteile, Erwartungen, Lebenshaltungen etc. verfügen" 143 . Gemeinsamkeit in bezug auf Verhaltensweisen, Verkehrsformen, Stile, wird mit Hilfe der Massenmedien hergestellt. Produktion, selektive Rezeption und Verarbeitung der Aussagen durch den Rezipienten werden vom virtuellen Kommunikationssystem „Jugendkultur" mit gesteuert. Nach diesem Ansatz ist eine integrative Wirkung der Medien — als Jugendkultur mit-bildend und erhaltend — möglich. Die Nutzung des gleichen Medienangebots bewirkt, daß in der Peer-Group auf gemeinsame Medienerfahrungen zurückgegriffen werden kann, die als „Gesprächs- und Kommunikationsfolie" 144 dienen. Diese gemeinschaftsstiftenden Erfahrungen stärken zum einen das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Gruppe, zum anderen erfahren sich die Jugendlichen mittels Massenmedien als Generation 145 . Die in Wechselwirkung mit den Medien entstehenden 140 141 142 143 144

Vgl. Maletzke 1981, S. 29 f. Noelle-Neumann: Die Schweigespirale 1980. Merten: Wirkungen der M a s s e n k o m m u n i k a t i o n . In: Publizistik 1982, S. 35. Sander/Vollbrecht 1987, S. 26; vgl. oben 2.2 Hengst/Köhler: Distanziert oder desillusioniert. In: Westermanns Pädagogische Beiträge 6 , 1 9 8 0 , S. 229. 145 Hengst/Köhler 1980, S. 226.

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Gruppenstile sind überregional, Jugendliche können mittels Medien auch als einzelne überall daran teilnehmen. 146 Von der Wirkungsforschung wenig beachtet werden die Formen medialer Aussagen. 147 Kritik an den Darstellungsformen im Rundfunk („akustische Dusche" mit „salathafter Programmgestaltung" 148 ) übt in den 70er Jahren Beer. Der „paradoxe Mißbrauch, daß man zu viel und doch zu wenig hört, weil man nicht zuhört", mache die Medien zu „geheimen Miterziehern der Jugend". 1 4 9 Im Zusammenhang langfristiger Medienwirkungen 150 werden zwar Fragen nach „formalen Medieneffekten" 151 und latenten Folgen der Medienexistenz gestellt; untersucht werden die Problembereiche „Habitualisierung der Mediennutzung" 152 , „alltäglicher Umgang mit Medien im räumlichen und sozialen Kontext" 1 5 3 , „Medienkompetenz in einer sich wandelnden Medienwelt" 1 5 4 . Verständlich ist, daß Wirkungsforschung primär Medieninhalte betrifft, um Manipulationsthesen wissenschaftlich zu begegnen. Aus linguistischer Sicht unverständlich ist jedoch, daß die Sprache, mit der die Inhalte vermittelt werden, kaum beachtet wird. Eine Ausnahme bildet die Verständlichkeitsforschung, 155 die jedoch im deutschsprachigen Raum kaum „Hörverstehensforschung" ist. 156 Dem geringen Interesse der Medienforschung an sprachlichen Problemen steht die nicht-medienwissenschaftlich hohe Einschätzung der Sprachwirkung des Rundfunks entgegen, die gelegentlich sogar in bezug auf Sprachpflege ausge146 Vgl. Baacke in: Baacke/Heitmeyer 1985, S. 163. 147 Vgl. den Forschungsbericht von Straßner: Wirkung der Formen medialer Darstellung. In: DFG: Medienwirkungsforschung in der Bundesrepublik Deutschland 1986, Bd. 1, S. 7 1 - 8 1 . 148 Beer: Die geheimen Miterzieher der Jugend 8 1975, S. 90 ff. 149 Beer 8 1975, S. 90, Titel. 150 Vgl. Mahle (Hrsg.): Langfristige Medienwirkungen 1986. 151 Bonfadelli: Zur Sozialisationsperspektive in der Medienforschung. In: Mahle (Hrsg.) 1986, S. 52 f. 152 Früh/Schönbach, dazu Sander/Vollbrecht 1987, S. 24. 153 Medienökologische Ansätze, vgl. die Arbeiten von Baacke. 154 de Haen, dazu Sander/Vollbrecht 1987, S. 31. 155 Vgl. Straßner in: DFG 1986, Bd. 1, S. 73, 76 f. 156 Vgl. Straßner in: DFG 1986, Bd. 1, S. 77.

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drückt wird: „Solange wir keine mit Autorität ausgestattete Pflegestätte für unsere Sprache besitzen, ist der Rundfunk berufen, an ihrer Stelle zu wirken." 1 5 7 Daß sich die bloße Existenz der Medien auf die Sprache auswirkt, zeigen schon Ausdrücke wie Sendepause haben ,still sein' oder eine Antenne für etwas haben ,Gefühl, Gespür für etwas haben'. 1 5 8 Über diesen offensichtlichen Einfluß hinaus ist von langfristigen Wirkungen der Mediensprache (zum Begriff vgl. Kap. 4) auf den allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Diese Arbeit ist zwar nicht als Beitrag zur Medienwirkungsforschung angelegt, die empirischen Untersuchungen können jedoch ansatzweise zu einem umfassenderen Verständnis der Wirkungsproblematik im sprachlichen Bereich beitragen.

157 Salana: Das Fremdwort im Rundfunk. In: Rufer und Hörer Nr. 5, 1950/51, S. 124. 158 Paraphrasen nach Duden-Universalwörterbuch 1983

4. „Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

4.1.

Sprachliche Varietäten

Eine Einzelsprache wie die deutsche Sprache ist „in sich" von struktureller und funktionaler Vielfalt geprägt und trägt sozial, fachlich und regional determinierte Varietäten. Dialekte und Gruppensprachen, ζ. B. Berufssprachen, sind die älteren sprachlichen Existenzformen. Diachron betrachtet bilden sie die Grundlage für die Standardsprache, die sich als Resultat von Vereinheitlichungs- und Normierungstendenzen (Duden, Siebs1) als Einheitssprache des Deutschen etabliert hat. Die Standardsprache zeichnet sich dadurch aus, daß sie „innerhalb einer Gesamtsprache das räumlich nicht begrenzte Sprachsystem der öffentlichen und privaten Kommunikation mehrerer sozialer Gruppen" 2 darstellt, also übergreifende Leitvarietät ist. Die Varietäten als Teilsysteme der Gesamtsprache sind auf die Standardsprache bezogen. Um „innere Mehrsprachigkeit" 3 und Sprachvielfalt aufzuzeigen, werden Gruppierungen mit Hilfe außersprachlicher Kriterien vorgenommen. Die daraus hervorgehenden Varietäten und Funktionalstile sind „Realisationsmuster" 4 des Sprachsystems, die sich nur theoretisch scharf voneinander abgrenzen lassen, da „die Sprachwirklich-

1

Orthographische N o r m i e r u n g : 1. Aufl. des „ D u d e n " 1 8 8 0 ; lautliche N o r m i e rung: 1. Aufl. des „Siebs" 1898.

2

Henne: Semantik und Lexikographie 1972, S. 47.

3

Henne: Jugend und ihre Sprache 1 9 8 6 , S. 2 2 0 ff.

4

Nabrings: Sprachliche Varietäten 1981, S. 180.

71

Sprachliche Varietäten

keit ein übergangsloses Kontinuum darstellt" 5 . Klassifiziert werden kann Sprache synchron beispielsweise s o : 6 nach dem nach der

Medium:

geschrieben vs. gesprochen

Funktionalstile:

Funktion:

Alltagssprache Sprache des öffentlichen Verkehrs Wissenschafts- und Fachsprachen Literatursprache (?) 7 Pressesprache (?) nach der arealen

nach

Verteilung:

Sprechergruppen:

Dialekte Soziolekte: Gruppensprachen Sondersprachen Schichtensprachen

Alterssprachen:

Merkmal Alter:

Kinder-/Jugendsprache Erwachsenensprache Seniorensprache (?)

Merkmal

Geschlecht:

Sexlekte: Frauensprache (?) Männersprache (?)

nach Situationen

Interaktionstypen:

und

Textsorten,

u. a. nach:

monologisch vs. dialogisch symmetrisch vs. asymmetrisch

Diese „Lekte" stehen miteinander in Beziehung, beeinflussen sich gegenseitig (Intraferenz) und sind aufnahmebereit für Elemente aus benachbarten Einzelsprachen (Interferenz). Wandruszka charakterisiert dies übereinzelsprachlich

als „komplexes,

flexibles,

dynamisches

Polysystem, ein Konglomerat von Sprachen, die nach innen in unablässiger Bewegung ineinandergreifen und nach außen auf andere Sprachen übergreifen" 8 .

5 6 7 8

Löffler: Germanistische Soziolinguistik 1985, S. 88. Die Liste ist zusammengestellt aus: Löffler 1985, S. 87 ff. (?) bedeutet: m. E. problematische Einordnungen. Wandruszka: Die Mehrsprachigkeit des Menschen 1981, S. 39.

72

Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

Die im folgenden zur Diskussion stehenden Bereiche Mediensprache (erweiterter Begriff von Pressesprache) und Jugendsprache sind hinsichtlich ihrer Einordnung in das Gesamt der Sprache zu problematisieren. Die Funktionalstilistik, ausgehend von der Prager Schule im sozialistischen Raum entwickelt, nimmt einen „Stil der Presse und Publizistik" an. Dessen Definition enthält nach Fleischer/Michel die Faktoren „Wirkabsicht" und „Meinungsbeeinflussung",9 die mit dem Verständnis freier Presse unvereinbar sind. Für die (westliche) Mediensprache ist zunächst festzustellen, daß sich „kein durchgehender Stil" ausmachen läßt. 10 Die Funktionalstile beziehen sich auf Erscheinungsformen der Standardsprache, die je nach Situation und Anwendungsbereich variieren. Mit der funktionalistischen Differenzierung wird der „Sprachvielfalt"11 Rechnung getragen und die potentielle Offenheit der Standardsprache für stilistische Varianten, die aus soziolektalen Varietäten geschöpft werden können, erklärt. Die Varietäten, in ihrer Gesamtheit als „innere Mehrsprachigkeit des Deutschen" 12 bezeichnet, sind die „Sprachen" sozial und areal differenzierter Sprechergruppen. Gemeinsame außersprachliche Merkmale der Gruppenmitglieder sind Beruf, Alter, Schicht, Herkunftsgebiet etc.; fast alle Sprecher gehören mehreren Gruppen an, was den Austausch zwischen den Varietäten fördert. Das folgende Schema, das Henne differenzierter darstellt und erläutert,13 zeigt die Struktur der Sprache als Zusammenspiel von Varietäten, wobei die Standardsprache als Leitvarietät herausgehoben ist. Literatursprache nimmt ebenfalls eine Sonderstellung ein, da sie nicht lokalisiert werden darf, „arbeitet" sie doch mit allen Varietäten. Mediensprache wird an dieser Stelle nicht in das Modell eingeordnet, da es ein Ziel der Arbeit ist, ihren Standort im Gesamt der deutschen Sprache zu bestimmen.

9 10 11 12 13

Fleischer/Michel: Stilistik der deutschen Gegenwartssprache 1975, S. 266. Vgl. Löffler: Germanistische Soziolinguistik 1985, S. 124. Vgl. Henne: Jugend und ihre Sprache 1986, S. 218 ff. Vgl. Henne: Jugend und ihre Sprache 1986, S. 219 f. Vgl. Henne: Jugend und ihre Sprache 1986, S. 218 ff.

73

Jugendsprache

I

1

/

/

/

/

Gruppen. sprachen

/

/

/

/

Literatur-

Ν

\ \

/

/ I

I/ 11

ι

1

\ * \

Dialekte

\

\\ Standardsprache

ι ν

\ » \ \ \

\

\ \ \

\

funktionalstilistisch differenziert14

\\

\

spräche

^

\

\ 1 Vi

\ ι

jj I Ι

J ι

' 1 ' ι / I

1

\\

Fachsprachen

/ /

/

I

/ regionale

Umgangssprachen

/

//

/

| Ein Beispiel für eine Gruppensprache ist „die" Jugendsprache.

4.2.

Jugendsprache

Die drastische Ausdrucksweise Jugendlicher, etwa die vertrauten Anreden unter Schülern: Olle Sockel5 (in den 20er Jahren) oder Ej, du 14

15

Neben der oben aufgeführten findet man folgende, leicht variierte Differenzierung (nach Henne 1986, S. 220): — alltäglicher, — arbeitspraktischer. — wissenschaftlicher, — literarisch-künstlerischer Verkehr. Melzer 1928 in: Henne/Objartel: Bibliothek, zur historischen deutschen Studenten- und Schülersprache 1984, Bd. 5, S. 457.

74

Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

Venner16 (1982) wirkt auf Sprachwissenschaftler provozierend, aber auch faszinierend. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es bereits Überlegungen dazu, wie Schülersprache als Sondersprache in das Gesamt der deutschen Sprache einzuordnen sei. 1 7 Dieser Ansatz fand nach 1945 zunächst keine Fortsetzung: Anstelle sprachwissenschaftlich fundierter Untersuchungen wurden einzelne jugendsprachliche Ausdrücke meist negativ wertend aufgegriffen 18 und - verstärkt seit den 60er Jahren Sammlungen angelegt; die umfangreichste liegt mit Küppers „Jugenddeutsch von Α bis Z " 1 9 vor. Mit dem Einzug der Pragmatik in die moderne Sprachwissenschaft wurde auch für die Jugendsprachforschung eine stärkere Berücksichtigung funktionaler und sozialer Aspekte gefordert. 2 0 Umgesetzt werden solche Überlegungen erst in den 80er Jahren, als das Interesse am Thema wieder zunimmt, nun nicht mehr auf das Wörtersammeln beschränkt. Dies erlebt im nicht-wissenschaftlichen Bereich mit zahlreichen unterhaltsam aufgemachten Wörter- und Sprüchesammlungen 21 eine Renaissance. In der Sprachwissenschaft wird inzwischen versucht, die Sprache von Jugendlichen in gesellschaftlichen und kommunikativen Zusammenhängen soziolinguistisch und pragmatisch zu erfassen, den Stellenwert von Jugendsprache als Gruppen- oder Sondersprache für die Sprache als Ganze zu beschreiben und zu bewerten sowie historische Dimensionen und literarische Aspekte einzubeziehen. 22

16 17 18 19 20 21

22

Vgl. Henne: Jugend und ihre Sprache 1986, S. 150. Vgl. Eilenberger 1910 in: Henne/Objartel 1 9 8 4 , 5 , S. 345 - 416. Ζ. B. Wolf: Die Ische, die Brumme und der steile Zahn. In: Sprach wart 9, 1959, S. 165 f. Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache 6: Jugenddeutsch von Α bis Ζ 1970; Küpper/Küpper: Schülerdeutsch 1972. Vgl. vor allem Pape: Bemerkungen zur sogenannten Teenager- und Twensprache. In: Muttersprache 1970, S. 368 — 377. Vgl. ζ. B. Müller-Thurau: Lexikon der Jugendsprache 1985; Hoppe: Von Anmache bis Zoff 1984; Prosinger: Das rabenstarke Lexikon der Scene-Sprache 1984. Vgl. Forschungsüberblick bei Henne 1986, S. 221 ff.

Jugendsprache

75

Nach dem Varietäten-Modell (vgl. 4.1) ist Jugendsprache eine Gruppensprache, die durch das Sprechergruppenmerkmal Alter bestimmt ist. Diese transitorische Varietät weist spezifische Formen auf, ist jedoch auf die Standardsprache — und m. E. auch auf andere Varietäten - bezogen. Henne charakterisiert Jugendsprache in bezug auf Standardsprache als „fortwährendes Ausweich- und Überholmanöver". „Sie setzt die Standardsprache voraus, wandelt sie schöpferisch ab, stereotypisiert sie zugleich und pflegt spezifische Formen ihres sprachlichen Spiels." 2 3 Innerhalb „der" Jugendsprache treten Varianten auf, was nach dem mehrstufigen Jugend-Modell (vgl. 2.1) unmittelbar einsichtig ist. Jugendsprache als Teil von Jugendkultur impliziert auch, daß sie in mehrfacher Hinsicht Gruppensprache ist: (1) Alltagssprache Jugendlicher innerhalb der „Peer-Groups" (2) Subkulturbezogene Sprache verschiedener Gruppen der Jugend (3) Altersdeterminierte Sprache „der" Jugend als Gruppe der Gesamtgesellschaft Das „Jugendtypische" der unter (1) und (2) gefaßten „Sprachen" führt auf das „Jugendspezifische" in der Jugendsprache unter (3). Um den Begriff Jugendsprache24 als Bezeichnung für eine Varietät des Deutschen sinnvoll verwenden zu können, müssen alle Dimensionen berücksichtigt werden. Inwiefern Jugendsprache ihren Status als Sondersprache immer mehr verliert und daher passender als „Suppletivsprache" bezeichnet werden sollte 2 5 , muß ebenfalls diskutiert werden. Diese Frage steht in Zusammenhang mit der Problematik, in welcher Weise die Medien zur Veränderung der Jugendsprache und anderer Varietäten beitragen können. Trotz des raschen Wandels und der Heterogenität von Jugendsprache lassen sich einige Grundprinzipien und -strukturen herausstellen. Experimentelle, antikonventionelle und tendenziell situatio23

Henne 1986, S. 2 0 8 .

24

Die Anführungszeichen sind im folgenden weggelassen.

25

Cherubim: Jugendsprache und Soziolinguistik. In: Kühlwein (Hrsg.) 1986, S. 88.

76

Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

nalisierende Sprechweise26 — so könnte man das „Programm" von Jugendsprache kennzeichnen. Realisiert wird es über den Wortschatz hinaus auf allen Ebenen der Sprache: 27 Phonologisch/artikulatorisch Prosodische Sprachspielereien und Aussprachevariationen in der Jugendsprache sorgen dafür, daß schon die Realisierung der Lautstruktur von der Norm der Standardsprache abweicht. Ein Phonem muß innerhalb eines bestimmten Streubereiches realisiert werden, damit die Bedeutung der Lautfolge, in die das Phonem eingebunden ist, erhalten bleibt. Grenzüberschreitungen führen jedoch nicht zwingend zu unverständlichen Äußerungen, da durch den Kontext ein Paradigma für die Lautfolge eröffnet wird, so daß das „richtige" Phonem erschlossen werden kann, auch wenn die Realisierung außerhalb des Normbereichs liegt. Noch stärker als dieser Spielraum wird von jugendlichen Sprechern die syntagmatische Perspektive der Lautebene genutzt: Sprechtempo, Rhythmus und Betonung dienen der Akzentuierung und Intensivierung. So werden hyperbolisierende Elemente (vgl. lexikalische Ebene) durch entsprechende Intonation verstärkt, ζ. B. wAhnsinn, ÄtzEnd (Majuskeln kennzeichnen betonte Silben). Morphologisch und phonologisch Auf der morphologischen Ebene fällt die extreme Sprechsprachlichkeit auf: Flexionsendungen und „grammatische" Wörter (Pronomen u. ä.) werden vernachlässigt, was sich phonologisch in Lautschwächungen, -kürzungen und Verschmelzungen ausdrückt. Morphologische Mittel zum „Aufbau des Wortes" 28 werden im Abschnitt Wortbildung berücksichtigt. 26 27

28

Vgl. Henne: Jugend und ihre Sprache, in: Die deutsche Sprache der Gegenwart 1984, S. 70. Die Forschungsergebnisse zu Strukturen und Funktionen von Jugendsprache sind aus der neueren Literatur zusammengestellt, vgl. insbesondere Henne 1986. Vgl. Admoni: Der deutsche Sprachbau 3 1970, S. 4.

Jugendsprache

77

Lexikalisch: Wortschatz Den jugendlichen Sonderwortschatz zu beschreiben, ist auch im Rahmen pragmatischer Ansätze problematisch. Wortschatzerhebungen sind zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung meist überholt, da die heute aktuellen Wörter morgen schon „out" sein können. Darüber hinaus gibt es Probleme in semantischer Hinsicht: Bedeutungserklärungen sind oft nur unzureichend oder unvollständig möglich, denn die potentielle Mehrdeutigkeit wird extensiv genutzt, indem bestehende Wörter umgedeutet werden und häufig verwendete Ausdrücke variable Bedeutungen erhalten. Neben der Beschäftigung mit einigen verbreiteten Kernwörtern und „Exotismen" der Jugendsprache (cool, ätzend) gilt es, Prinzipien herauszuarbeiten, die der Konstituierung des Sonderwortschatzes zugrundeliegen: Metaphorik, Expressivität und Emotionalität prägen vor allem die hyperbolisierenden Entzückungsausdrücke, deren Wirkung mit Hilfe doppelter oder mehrfacher Prädikation (ζ. B. echt total + Adjektiv) noch verstärkt wird. Hyperbolisierungen wirken vergrößernd, aber auch vergröbernd, drücken den „Hang zu Gigantonomie" 2 9 aus. Ihre Funktion liegt vor allem darin, sich mit „schockierenden Worten und Wendungen" 30 über sprachliche Konventionen hinwegzusetzen. Aufschlüsse über die lexikalische Struktur der Jugendsprache geben Bedeutungsveränderungen bestehender und Herkunfts- und Handlungsbereiche „neuer" Wörter in semantischer, Wortbildungsregeln in formaler Hinsicht. Lexikalisch/morphologisch: Wortbildung Neubildungen findet man als Ausdrucksverkürzungen (Kurzwörter, Initialwörter) und -erweiterungen (Komposition, Präfigierung, Suffigierung) im Sprachgebrauch Jugendlicher. Kompositionen und Wortbildungen mit produktiven Affixen (ζ. B. Suffix -/, Präfix ab-) und Affixoiden (ζ. B. super-) sind Prinzipien, für die sich hyperbolisierende Elemente als äußerst produktiv erweisen. 29

Schleuning: Scene-Sprache, in Januschek (Hrsg.) 1980, S. 31.

30

Oschlies: „Ich glaub', mich r a m m t ein R o t k e h l c h e n . . . " . In: M u t t e r s p r a c h e 1981, S. 187.

78

Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

Ferner sind Konversionen zu beobachten, Wörter werden in andere Wortarten überführt, ζ. B. substantiviert. Eine Spezialform der Ableitung ist die Reduktion von Verben zu — meist lautcharakterisierenden — Onomatopöien (Lautwörter, Soundwords), ζ. B. lall, hecbel. Wie die lautnachahmenden Soundwords liegen sie im Übergangsbereich zur Syntax, da sie als satzwertige Einwortäußerungen (meist kommentierend) verwendet werden. Lexikalisch/syntaktisch: Phraseologisch Phraseologismen sind gekennzeichnet durch Mehrgliedrigkeit, Kohäsion (Festgefügtheit, Stabilität) und Figuriertheit. 31 Ein Teil der Phraseologismen ist dem lexikalischen Bereich zuzuordnen (Phraseolexeme); ebenfalls phraseologisch sind die im Übergangsbereich zur syntaktischen Ebene angesiedelten festgeprägten Sätze und Formeln, die in der Jugendsprache ζ. B. als Spruch und als universal verwendbare Floskel auftreten. Jugendliche nutzen die potentielle Metaphorik von Lexemen, so daß idiomatische Ausdrücke — häufig als okkasionelle Phraseologismen 32 — neu gebildet werden können, ζ. B. Komm in die Kontakte, du Bär.33 Bestehende Phraseologismen werden remotiviert oder variiert: Der Student geht solange zur Mensa, bis er bricht (Studentenspruch). In Sprüchen, die ζ. T. als Graffiti öffentlich zugänglich sind, erscheinen zwei gegenläufige Grundzüge der Jugendsprache vereinigt: Sprüche sind per definitionem 34 vorgeformt und damit stereotyp, beinhalten aber gerade dadurch die Möglichkeit, die Form aufzubrechen und ironische Varianten entgegenzusetzen, ζ. B. bei Werbeslogans. Eine besondere Gruppe von Formeln sind Grüße, 35 die über die Leitformen Hallo bzw. Tschüs hinaus die konventionelle Grußwelt 31 32 33 34 35

Vgl. ζ. B. Greciano: Forschungen zur Phraseologie. In: Z G L 1983, S. 2 3 2 - 2 4 3 . Vgl. Fleischer: Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache 1982, S. 70. Beispiele für Jugendsprüche vgl. Henne 1986, S. 118 ff. „Spruch" beinhaltet laut Duden-Universalwörterbuch u. a. die Merkmale „Einprägsamkeit" und „Formelhaftigkeit". Ob Grüße als Phraseologismen aufzufassen sind, ist nicht einheitlich ent-

Jugendsprache

79

der Erwachsenen u. a. durch regionale Sonderformen ( H a u rein)36 und fremdsprachliche Anleihen (Bye) auflockern. Syntaktisch Fast alle Varietäten weisen Sonderwortschätze auf, im syntaktischen Bereich bedienen sie sich jedoch größtenteils der von der Standardsprache zur Verfügung gestellten Strukturen. Dabei ist zu beachten, daß die „Besonderheit eines ,Subsystems' nicht allein auf qualitativen Merkmalen, sondern auch auf der quantitativen Verteilung gleicher Merkmale beruhen kann" 3 7 . Jugendsprache enthält vor allem sprechsyntaktische Merkmale, beispielsweise Anakoluthe, Ellipsen, Drehsätze, Parenthesen, Ausklammerung, Tendenzen zu Parataxe und asyndetischen Satzanschlüssen. 3 8 Der „Jugendton" wird entscheidend vom „eminent sprechsyntaktischen D u k t u s " 3 9 bestimmt. Unterstützt wird die Wirkung extremer Sprechsprachlichkeit lautlich und durch den gehäuften Einsatz von Partikeln. Dehnungspartikeln und -phrasen (und so, oder so) weisen zudem auf Unsicherheiten hin, da sich der Sprecher hiermit — wie auch durch die Verwendung von floskelhaften Gesprächsphrasen und stereotypen Sprüchen — Spielraum schafft, um sich nicht wirklich festlegen zu müssen. Text- und Stilebene Die wichtigsten Tendenzen jugendlichen Sprechens sind die auf allen Ebenen zu beobachtenden gegensätzlichen Prinzipien: Kreative Variation standardsprachlicher Formen und Ausdrücke einerseits, stereotype Verwendung von Floskeln und Versatzstücken (ζ. B. Sprüchen, die als Kleintexte fungieren) andererseits. Metaphern, Metoschieden. Pilz: Phraseologie 1981 spricht von „phraseologischen F o r m e l n " (S. 73 ff.), Burger: Idiomatik des Deutschen 1973 von „pragmatischen Idiom e n " (S. 58 ff.). 36 37 38

39

Vgl. H e n n e 1986, S. 87 ff. N a b r i n g s : Sprachliche Varietäten 1981, S. 180. Die Liste ist aus verschiedenen Arbeiten zusammengestellt, insbesondere Schank/Schwitalla: G e s p r o c h e n e Sprache und G e s p r ä c h s a n a l y s e in: L G L 2 1980, S. 3 1 3 - 3 2 2 . Henne 1986, S. 210.

80

Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

nymien und Hyperbolisierungen tragen wie der sprechsprachliche Gesamteindruck zum spezifischen „Jugendton" bei. Die Standardsprache abzuwandeln und sich in gewissen Grenzen gegen sie zu richten, sind antikonventionelle Tendenzen der Jugendsprache. Als Teil von Jugendkultur dient sie dazu, Gruppenzugehörigkeit zu bekräftigen und sich „nach außen" abzugrenzen. Eine weitere Funktion jugendsprachlichen Ausdrucks ist die Profilierung des Jugendlichen innerhalb der Gruppe, da ihn die „richtige" Verwendung der Gruppensprache als Mitglied der Gruppe ausweist. Darüber hinaus kann sich der Jugendliche profilieren, indem er durch originelle Neuschöpfungen Kreativität zeigt und das sprachliche Repertoire der Gruppe im Sinne der zugrundeliegenden Prinzipien erweitert bzw. erneuert. Betrachtet man vor dem Hintergrund der oben skizzierten Strukturen und Funktionen die Jugendsprache als Varietät im Verhältnis zur Leitvarietät Standardsprache, so kann mit Henne Jugendsprache als „spielerisches Sekundärgefüge" 4 0 angesehen werden, das zur Standardsprache auf verschiedene Weise in Beziehung tritt, sie jedoch keineswegs ersetzt. — „Jugendsprache in der Standardsprache": Die Standardsprache schöpft aus der Jugendsprache, übernimmt lexikalische Versatzstücke, seltener den eigentlichen „Jugendton". Mit zunehmender „Verjugendlichung" der Gesellschaft (Puerilisierung) 41 werden jugendsprachliche Elemente schneller aufgegriffen. — „Jugendsprache statt Standardsprache": Mit Hilfe der Jugendsprache grenzen sich ihre Sprecher gegenüber der Standardsprache ab, indem sie den konventionellen Formen eigene entgegensetzen, die „einer Sprengung des standardsprachlichen Rahmens nahekommen." 4 2

40 41 42

Henne 1986, S. 208. Vgl. Tenbruck: Jugend und Gesellschaft 2 1965, S. 56 f. Henne 1986, S. 232.

Mediensprache" am Beispiel der Sprache im Rundfunk

81

— „Jugendsprache und innere Mehrsprachigkeit": Schließlich hat Jugendsprache als gruppeninternes Kommunikationsmittel im Varietätenmodell den Stellenwert einer Gruppensprache. Die hier ansatzweise vorgestellten Ergebnisse der Jugendsprachforschung sind aus empirischen Untersuchungen abgeleitet. Das bei der „Allgemeinheit" vorhandene Wissen über jugendliches Sprachverhalten stützt sich nicht nur auf Gesprächsbeobachtungen in jugendlichen Gruppen, sondern ist zu einem großen Teil über Medien vermittelt. Wirksam wird die Vermittlerrolle der Medien vor allem beim Aspekt „Jugendsprache in der Standardsprache", denn übernommen werden nicht nur von Jugendlichen verwendete sprachliche Strukturen, sondern auch — leichter? — medial vermittelte und eventuell veränderte Versatzstücke der Jugendsprache. Schätzt man den Einfluß der Medien sehr stark ein, könnte man sogar fragen, ob Jugendsprache und Jugendkultur als Medienprodukte angesehen werden müßten. 43 Um Thesen zum Verhältnis zwischen Jugendsprache und Mediensprache formulieren zu können, werden nun einige grundsätzliche Überlegungen zur Sprache im Rundfunk, dem hier diskutierten Beispiel für eine Mediensprache, eingeschoben.

4.3.

„Mediensprache" am Beispiel der Sprache im Rundfunk

4.3.1. Zum Begriff „Mediensprache" Mediensprache oder — anders formuliert — Sprache der Massenmedien44 bezeichnet die in den Massenmedien Zeitung, Hörfunk, Fernsehen verwendete Sprache. Berücksichtigt man, daß die Art der Vermittlung (schriftlich, auditiv, audiovisuell) medienabhängig ist und innerhalb eines Mediums ein breites Spektrum an Textsorten vorkommt (im Hörfunk u. a.: Nachrichten, Musikmoderation, Inter43 44

Vgl. Rogge: Jugendkultur und Jugendsprache — ein Produkt der Medien? In: Ermert (Hrsg.) 1986, S. 1 6 5 - 1 8 2 . Ζ. B. Burger: Sprache der Massenmedien 1984; z.T. „vorsichtiger" Sprache in Massenmedien, ζ. B. Straßner 1980 ff.

82

Jugend und M e d i e n " in der Sprachvielfalt

view, Hörspiel), so ist offensichtlich, daß unter den Begriff Mediensprache unterschiedlichste Phänomene subsumiert werden. Die Faktoren des Medienkommunikationsmodells (vgl. 3.1), vor allem persönliche, soziale und institutionelle Bedingungen im Umfeld des Kommunikators, die angestrebte Zielgruppenorientierung und nicht zuletzt Inhalt und Art der Medienaussage, lassen vermuten, daß über die Standardsprache hinaus Elemente aus Umgangs-, Gruppen-, Fachsprachen, Mundarten und Literatursprache in die Mediensprache einfließen. Der Versuch einer funktionalstilistischen Abgrenzung kann angesichts der verschiedenen Funktionsbereiche der Medien kaum zu einer sinnvollen Definition verhelfen, allerdings sollte der Begriff und vor allem das Phänomen Mediensprache deshalb nicht ignoriert werden. 45 Der Annahme eines „publizistischen Stils" 4 6 ist ein Varietätenmodell vorzuziehen, in dem Mediensprache „quer" zu den Funktionalstilen des alltäglichen, arbeitspraktischen, wissenschaftlichen und literarisch-künstlerischen Verkehrs steht. 47 Trotz der vielfältigen Möglichkeiten, Mediensprache zu gestalten, wird hier die These aufgestellt, daß es sprachliche Elemente und Strukturen gibt, die als spezifisch mediensprachlich bezeichnet werden können. Im Hinblick auf bestimmte Textsorten ist die Behauptung unmittelbar einsichtig, ζ. B. sind Reportagen medienkonstituierte Texte. Von der spezifischen Kommunikationssituation (vgl. 3.1) direkt auf Medienspezifik in der Sprache zu schließen, ließe jedoch außer acht, daß die reale Situation nicht mit der „suggerierten" Konstellation übereinstimmen muß (vgl. 3.2). Um den spezifischen Sprachelementen in Jugendsendungen im weiteren Sinne auf die Spur zu kommen, genügt es nicht, die theore-

45

Bei Lewandowski findet sich lediglich unter dem Stichwort „Massenkommunikation" der Hinweis, daß diese „weitgehend durch genormte, explizite und darstellende Sprache ausgezeichnet ist". Linguistisches Wörterbuch, 4 1 9 8 5 , Bd. 2, S. 673.

46

Vgl. In der von der Prager Linguistik entworfenen Funktionalstilistik, ζ. B. Riesel: Grundsatzfragen der Funktionalstilistik. In: Linguistische Probleme der Textanalyse 1975, S. 3 6 — 53.

47

Vorschlag von Henne: Jugend und ihre Sprache 1986, S. 2 1 9 f.

Mediensprache" am Beispiel der Sprache im Rundfunk

83

tisch sinnvolle Nicht-Einordnung der „Mediensprache" festzustellen. Daher hier eine Arbeitsdefinition von Mediensprache: — Unter Mediensprache ist prinzipiell die gesamte über ein Medium verbreitete Sprache zu verstehen. — Die Untersuchung dieser Sprache bezieht sich auf häufig in ähnlicher Form Wiederkehrendes (—• Typisches) und auf von anderen Sprachformen Abweichendes (—> Spezifisches). 4.3.2. Interesse an der Sprache im Rundfunk — Forschungsüberblick Obwohl das Medium Rundfunk (Hörfunk) vom gesprochenen Wort lebt, ist das wissenschaftliche Interesse an seiner Sprache auf wenige Bereiche beschränkt. Sprache im Rundfunk wird zudem weniger beachtet als Zeitungssprache 48 ; beides wurde von Anfang an 49 sprachkritisch aufgegriffen und in sprachpflegerischer Absicht verurteilt. Diese Tradition ist bisher kaum durch überzeugende linguistische Analysen fundiert und/oder relativiert worden. Schon frühe Äußerungen von Rundfunkpraktikern lassen erkennen, daß das Thema „Sprache im Rundfunk" für wichtig gehalten wird, was sich bis heute in der sprachwissenschaftlichen Forschung nicht niedergeschlagen hat. 5 0 Direkt nach der Einführung des Unterhaltungsrundfunks stand die neue Form medialer Sprachübermittlung, das Gesprochene, im Mittelpunkt des medienpraktischen Interesses. Der Journalist hatte sich auf den neuen Typus des Rezipienten, den Hörer, einzustellen, indem er sein Manuskript, das der Sendeleitung einige Tage vor der Sendung vorzulegen war, möglichst „funkgerecht" gestaltete. Daß dies nicht immer gelang, zeigt die Klage eines Rundfunk-Abteilungsleiters (Reichssender Königsberg, 1934): 48

Vgl. Forschungsüberblick von Straßner: Sprache in Massenmedien, in: LGL 1980,S. 3 2 8 - 3 3 7 . Schon 1643 bezeichnete Christoph Schorer die Zeitungen als „Sprachverderber". Vgl. Straßner in LGL 2 1980, S. 335. Vgl. Forschungsüberblick: Straßner in: LGL 2 1980, S. 3 2 8 - 3 3 7 ; in: Bentele (Hrsg.): Semiotik und M a s s e n m e d i e n 1981, S. 5 7 - 7 4 .

2

49 50

84

Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt „Wie kommt es zu dem Papierdeutsch in den meisten Manuskripten, die man uns einsendet? Der Deutsche bedient sich doch im alltäglichen Verkehr einer ganz vernünftigen Sprechweise!" 51

Der Konflikt zwischen — angeblich dem Wunsch der Hörerschaft entsprechend 5 2 — kontrollierbaren schriftlich vorformulierten Texten und „freier Rede" wird nicht gelöst. Bevor die Nationalsozialisten die Kontrolle über die Rundfunksender erhalten, werden jedoch Forderungen laut, Manuskript und Zensur durch „lebendige Diskussionen" zu ersetzen. 5 3 Zwar verlangen nur wenige extreme Mündlichkeit vom Rundfunk der Anfangsjahre, für die Spezifik des Mediums sensibilisiert scheinen jedoch viele zu sein. Es wird erkannt, daß die fehlende Rückmeldungsmöglichkeit einen „absoluten Hör-Stil" 5 4 erfordert, denn der Hörer „sieht keine Absätze, keine Gänsefüßchen, und es gibt keinen prüfenden Rückblick über Gesprochenes" 5 5 . Texte „funkisch" abzufassen, was soviel wie ,in dem Funk gemäßer Weise' und ,unter Verwendung der akustischen Möglichkeiten' 5 6 bedeutet, lautet eine im Prinzip bis heute aufrechterhaltene Forderung. Handbücher für Rundfunkjournalisten 5 7 weisen darauf hin, daß die Unterschiede zwischen Lesen und Hören bei der Abfassung von Rundfunktexten unbedingt zu berücksichtigen sind. Im Sinne einer besseren Verständlichkeit — bei heute meist geringer Aufmerksamkeit des Hörers — fordern auch Linguisten höhere Redundanz, besonders in Nachrichtensendungen, und einfachere syntaktische Strukturen (umfangreiche Nominalgruppen und Funk-

51 52 53 54 55 56 57

Gerhardt: Wir brauchen eine Rundfunksprache! In: Rufer und Hörer 4 , 1 9 3 4 , S. 401. Vgl. Kapeller: Die freie Rede im Rundfunk. In: Funk. 11. 2. 1927, H. 7, S. 49. Menzel: Vorträge ohne Manuskript und ohne Zensur. In: Funk. 20. 12. 1929, H . 5 1 , S . 229. Räuscher: Hör-Stil. In: Funk, H. 29, 1928, S. 215. Räuscher: Hör-Stil. In: Funk, H. 29, 1928, S. 215. Seeberger: Der Rundfunk. In: Stammler, Bd. 3, 1962, Sp. 1368 f. La Roche/Buchholz: Radio-Journalismus 3 1986, S. 148 ff.; Häusermann/ Käppel: Rhetorik für Radio und Fernsehen 1986.

Mediensprache" am Beispiel der Sprache im Rundfunk

85

tionsverbgefüge sparsam zu gebrauchen). 58 Allerdings bergen sprachliche Vereinfachungen die Gefahr der Banalität, so daß der höhere Verständlichkeitseffekt negativ wirken kann, wenn sich die Aufmerksamkeit durch mangelnde Rezeptionsmotivation verringert. 59 Verständlichkeit ist zudem in erster Linie ein semantisches Problem, 60 das in massenmedialer Kommunikation in Abhängigkeit von der (passiven) Sprachkompetenz der Zielgruppe gelöst werden muß. Insbesondere bei der Vermittlung komplizierter Sachverhalte muß zwischen Fachsprache und allgemein verständlicher Sprache ein Kompromiß gefunden werden, zumal der Rundfunk „überregionale gruppenübergreifende und funktionsgerechte Verständlichkeit und Wirksamkeit" 6 1 zeigen sollte. „Verständlichkeit" und „adäquate Sprache" als Sprachnormen (Angemessenheitsnormen 62 ) im Rundfunk geraten zum Teil in Konflikt mit anderen Normen, deren Einhaltung erwartet wird, vor allem mit Richtigkeitsnormen der geschriebenen Standardsprache. Die Kritik an der Sprache im Rundfunk gründet sich darauf, daß der Multiplikation des gesprochenen Wortes großer Einfluß auf den Sprachgebrauch der Rezipienten zugeschrieben wird: „Der Stil des Rundfunks [...] wird noch viel nachdrücklicher auf unser Volk einwirken als der Stil der Zeitung." 6 3 „Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Rundfunk als Träger des gesprochenen Wortes richtungsweisend für die Entwicklung unserer Muttersprache, vor allem der Umgangssprache, ist." 64 Die Sprachwirkung wird selten positiv eingeschätzt, eine „Bereicherung unserer Sprache durch diese neuzeitliche Erfin-

58 59 60 61 62 63 64

Referiert in Burger 1984, S. 252 - 260; vgl. auch Ramseier 1988, Stieger 1987. Vgl. Burger 1984, S. 258. Vgl. Burger 1984, S. 259 f. Steger: Normprobleme. In: M o g g e (Bearb.): Der öffentliche Sprachgebrauch, Bd. 1, 1980, S. 214. Zur Begriffsunterscheidung vgl. Steger in: M o g g e (Bearb.): Der öffentliche Sprachgebrauch 1980, S. 210 ff. Thierfelder: Sprachpolitik und Rundfunk 1941, S. 26. Weinbender, Rundfunkdeutsch. In: Jahrbuch der deutschen Sprache, Bd. 2, 1944, S. 214.

86

Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

dung" 6 5 erwartet. Sprachpuristische Äußerungen zur Mediensprache überwiegen bis in die 70er Jahre. 6 6 Neben korrekter Aussprache und grammatikalischer Genauigkeit wird die Verwendung von Fremdwörtern im Rundfunk häufig thematisiert, wobei auch das Postulat der Verständlichkeit genannt wird: „Weil sich der Rundfunk an die breite Masse wendet, die mit den meisten fremden Ausdrücken nichts anzufangen weiß, sollte er den Gebrauch der Fremdwörter stark einschränken." 6 7 Von anderen wird dem Rundfunk die spracherzieherische Aufgabe zugedacht, „unentbehrliche Fremdwörter" zu verwenden, damit sie so der Allgemeinheit vertrauter gemacht werden könnten. 6 8 . Der Vorbildfunktion von Mediensprache solle durch „mustergültige", „einheitliche" Sprache ohne „mundartliche Färbung" Rechnung getragen werden. 6 9 Heute wird der Einfluß der Medien auf die Sprache als Ganzes von einigen darin gesehen, daß Sprachentwicklungen — auch solche, die von der geltenden Norm wegführen — beschleunigt werden könnten, wenn der Rundfunk „modische" Erscheinungen der Gegenwartssprache aufgreife. 7 0 Zur tatsächlichen Sprachverwendung in den Medien findet man Sammlungen von Einzelbeispielen 71 sowie Untersuchungen einzelner Textsorten 7 2 wie Nachrichten oder Interviews. Bevorzugt werden jedoch Fernseh- oder Pressetexte behandelt. Zum Bereich der Fernsehnachrichten gibt es linguistische Arbeiten von Straßner 7 3 , Gespräche 65 66

Weinbender 1944, S. 2 1 4 . Vgl. u. a. Schleyer: Journalesisch. In: Der Sprachdienst. J g . 19, 1975. H . 3, S. 4 3 - 4 7 ; H . 4, S. 5 8 - 5 9 ; H . 5, S. 7 6 - 7 8 . Dazu: Brühl: Ein Journalist zu „Journalesisch". In: Der Sprachdienst 19, 1 9 7 5 , H . 7, S. 1 0 5 — 106.

67

Eich: Kritik an der Sprache im Rundfunk. In: M u t t e r s p r a c h e 70. 1960, S. 5 4 .

68

Vgl. Salana: Der F r e m d w o r t im Rundfunk. In: Rufer und H ö r e r 5. 1 9 5 0 / 5 1 ,

69

Vgl. Bericht der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft 17. 1. 1933. In: Bredow: Aus

S. 1 1 8 - 1 2 4 . meinem Archiv 1950, S. 185, 188. 70

Vgl. B a r t o n : Fundsachen aus der Mediensprache 1 9 8 5 , S. 3.

71

Ζ . B. B a r t o n 1 9 8 5 sowie Z i m m e r m a n n : Medien basteln am Plural. In: Der

72

Ramseier 1988 geht auf alle Textsorten ein (S. 95 ff.).

73

Straßner: Fernsehnachrichten 1982.

Sprachdienst 3 1 , 1987, H . 4, S. 9 7 - 1 0 3 .

87

Mediensprache" am Beispiel der Sprache im Rundfunk

im Fernsehen untersucht Linke 7 4 , Interviews in Rundfunk und Fernsehen Schwitalla 7 5 . Ein gesprächsanalytisch angelegtes Analysemodell stellt Kreft 7 6 am Beispiel französischer Fernsehnachrichten vor. Einzelne, ζ. T. auch schon ältere 7 7 Untersuchungen über Mediensprache im romanischen Raum heben die Bedeutung der Massenmedien für die „Allgemeinsprache" hervor. 7 8 Über die Sprachentwicklung eines schwedischen Rundfunkmoderators gibt es eine Detailuntersuchung von Jonsson. 7 9 Goffman führt eine „mikrosoziologische" Studie über „Radio Talk" durch, 8 0 in der er auf die Moderation englischer und amerikanischer Diskjockeys eingeht. Den Schwerpunkt dieser Analysen bilden „Normverstöße", vor allem in ethischer Hinsicht. Im deutschsprachigen Raum werden in einigen Dissertationen und Examensarbeiten einzelne Aspekte der Sprache im Rundfunk linguistisch betrachtet. T h o r n 8 1 untersucht für Nachrichtenmagazine den Einfluß der Produktionsbedingungen auf die Gestaltung der Aussage. Die Sprache in Nachrichtenmagazinen sei als nicht sehr rezipientenfreundlich zu bezeichnen. Mängel hinsichtlich der Verständlichkeit von Rundfunksprache decken auch Stieger 8 2 und Ramseier 8 3 auf. Ramseiers Faktorenanalyse der Radio-Textsorten kann als Grundlagenforschung verwendet werden; der Akzent seiner Arbeit liegt auf der Sprachformwahl (Mundart — Standardsprache) im Radiopro74

Linke: Gespräche im Fernsehen. Eine diskursanalytische Untersuchung 1985.

75

Schwitalla: Dialogsteuerung in Interviews 1979.

76

Kreft: Ein Analysemodell der Funktionen und F o r m e n mittelbarer sprachlicher

Kommunikation:

Dargestellt

an

französischen

Fernsehnachrichten

1984. 77

Vgl. Martini: L a lingua e la radio 1951.

78

Ζ . Β. M a u r o : Storia linguistica delP Italia unita, dazu Kreft 1984, S. 63 ff.

79

Jonsson: Den omsorgfulle ordmalaren

1982 untersucht die Sprache des

schwedischen M o d e r a t o r s Sven Jerring ( „ F o r millions of Swedish listeners, he personified r a d i o . " S. 149) von den frühen 30ern bis in die späten 60er Jahre. 80

Vgl. Goffman: F o r m s of Talk 1 9 8 1 , S. 1 9 7 - 3 2 7 .

81

T h o r n : Hörfunkmagazine 1981.

82

Stieger: M o d e r a t i o n s s p r a c h e in Begleitmagazinen von R a d i o D R S 1987.

83

Ramseier 1988.

88

Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

gramm der Schweiz. 84 Troesser liefert mit einem „handlungsanalytischen" Ansatz Detailergebnisse zu den Moderationsformen mit Hörerbeteiligung, die er in mono-, dia- und multilogische unterteilt. 85 Auf einzelne Ergebnisse dieser Untersuchungen ist im Analyseteil der Arbeit einzugehen. Am eigenen Material überprüft wird auch die These, die Seiler als Ergebnis ihrer Examensarbeit über die „Dialogizität" von Rundfunksprache formuliert: „Die Rundfunkmoderatoren versuchen zwar, einen Dialog mit dem Rezipienten vorzutäuschen, jedoch nicht mit Dialogangeboten, sondern mit Reaktionen auf imaginäre Gesprächsinitiativen des Hörers." 8 6

Insgesamt zeigen die Forschungsarbeiten auch, daß sich der Hörfunk in struktureller und funktionaler Abgrenzung gegenüber dem Konkurrenten Fernsehen ein Profil geschaffen hat, indem neben erprobte Formen wie Hörspiel und Feature 87 die Magazinsendungen als live produzierte Begleitprogramme traten. 8 8 Diesen heute dominierenden Sendungstyp prägt die Moderation: Ein Moderator „begleitet" die Hörer meist mehrere Stunden lang durch eine Sendung, indem er Musik und Wortbeiträge „moderierend" verbindet. 4.3.3. Moderation Moderieren, lat. moderari, bedeutet ,mäßigen', aber auch ,lenken'. Für den Bereich Rundfunk/Fernsehen lautet die Bedeutungserklärung: ,(eine Sendung) durch einführende Worte und verbindende Kommentare in ihrem Ablauf betreuen' 89 . Schon diese vage Definition deutet an, daß Moderation keine homogene Textsorte ist, da die sprachlichen Handlungsanforderungen an den Moderator situationsabhängig verschieden sind.

84 85 86 87 88 89

Ramseier 1988. Troesser: Moderieren im Hörfunk 1986. Seiler: Dialogizität in der Moderationssprache von Radio DRS 1987, S. 114. Zu den funkdramatischen Formen vgl. Straßner in: LGL 2 1980, S. 334. Vgl. Burger 1984, S. 25. Duden Universalwörterbuch 1983, S. 848.

„ M e d i e n s p r a c h e " a m Beispiel der S p r a c h e im Rundfunk

89

Systematisch untersuchen läßt sich Moderation beispielsweise, indem man nach inhaltlich-strukturellen Aspekten Untergruppen bildet. Ramseier kombiniert textinterne und textexterne Merkmale und erhält u. a. folgende Moderationstextsorten: Sachmoderation, Programmoderation, Kontaktmoderation, Musikmoderation.90 Ferner können Textsorten wie Meldung und Glosse in die Moderation integriert sein. Eine solche Kategorisierung impliziert einen funktionalen Ansatz, stellt jedoch die spezifischen Eigenschaften der einzelnen Moderationsformen in den Vordergrund und erfaßt weniger die übergreifenden Merkmale der Moderationssprache. Daß vor allem in Magazinsendungen die Textsorten nicht immer deutlich getrennt realisiert werden, da derselbe Moderator verschiedene Aufgaben kombiniert erfüllen kann, wird stärker berücksichtigt, wenn man von der Rolle des Moderators ausgeht.91 Burger kennzeichnet den Moderationsstil in Begleitprogrammen u. a. mit folgenden Merkmalen: 92 — Verselbständigung des Moderationstextes — sprachliche Einbettung der Musik — Integration der Servicetexte — Subjektivität des Moderators — Unterschiede zwischen verschiedenen Sendern hinsichtlich des Verhältnisses von Information und „ G a g "

In den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Jugendsendungen im weiteren Sinne93 ist die Präsentation der Musik die am häufigsten auftretende „Moderationsaufgabe". Daher werden hier die Forschungsergebnisse zur Musikmoderation zusammengetragen. Der Stellenwert der Ansage bzw. Absage von Musik ist angesichts des dominierenden Musikanteils in Begleitprogrammen sehr hoch einzuschätzen. Ein auffälliges Prinzip ist dabei die Aktualisierung von Titel oder Text des an-/abgesagten Musikstücks, 94 d. h. es wird ein

90

Ramseier 1988, S. 95 ff.

91

Vgl. auch Burger 1984, S. 164 ff.

92

Vgl. Burger 1984, S. 194, Erläuterungen dazu: S. 194 - 212.

93

Vgl. Kap. 1, Anm. 1.

94

Vgl. Burger 1984, S. 200.

90

Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

Bezug zur Situation des Moderators oder des Hörers oder zu einer gemeinsamen Situation (und sei es „schlechtes Wetter") hergestellt. Die Verknüpfung von lexikalischen Elementen der Musik mit der Situation kann überraschend, witzig, sogar ziemlich abgelegen sein. 9 5 Weitere Stilelemente der Musikmoderation entstehen aus dem spezifischen Vokabular der Rock-/Popszene 9 6 und den meist englischen Popmusiktiteln. Ramseier bezieht die Vertextungsbedingungen auf Kommunikatorseite neben anderen Faktoren in die Textsortenbestimmung ein. Er unterscheidet vorformulierte und stichwortformulierte (ζ. B. mit Plattenhüllen als schriftlichen Informationsquellen) sowie primär informative Kurzmoderation und kommentierte Musikmoderation. 9 7 Die Musikmoderation im schweizerischen Radio enthält einen hohen Anteil mundartlicher Texte (auch im Kulturprogramm); aufgrund der völlig anderen Sprachsituation in der Schweiz 9 8 sind die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf bundesdeutsche Verhältnisse übertragbar. Zu vermuten ist jedoch, daß in die Musikmoderation umgangssprachliche Elemente einbezogen werden, was dem informellen Charakter der Mundart entspräche. Einige Anhaltspunkte zur Form einer „guten" Musikmoderation aus Kommunikatorsicht bieten rundfunkpraktische Handbücher. Ein Musikmoderator oder Diskjockey 9 9 , der nach außen hin oft die Rolle des „Aushängeschildes der Rundfunkanstalt" und „Publikumslieblings" 1 0 0 spielt, sollte danach u. a. folgende Voraussetzungen erfüllen: „Kenntnisse über M u s i k " , „leichte lockere Art" der Präsentation, „gute Allgemeinbildung", „ausreichende Kenntnisse der englischen Sprache", Vielseitigkeit. 1 0 1 Zur Sprache der Moderation findet man 95 96 97 98

Vgl. Burger 1984, S. 201. Vgl. Ortner: Wortschatz der Pop-/Rockmusik 1982. Vgl. Ramseier 1988, S. 116. Die Mundart, die in fast allen Kommunikationssituationen angewendet wird, hat dort einen hohen Stellenwert. 99 Sexauer: Diskjockey. In: La Roche/Buchholz: Radiojournalismus 3 1986, S. 105. 100 Sexauer in: La Roche/Buchholz, S. 105 f. 101 Vgl. Sexauer in: La Roche/Buchholz, S. 105.

Mediensprache" am Beispiel der Sprache im Rundfunk

91

von rundfunkpraktischer Seite nur vereinzelt Hinweise: Das immer wiederkehrende Schema der Musikansage bzw. -absage sollte nicht mit Gewalt variiert werden, indem Wörter aus Stilebenen bemüht werden, die nicht in die „Sprechsprache der Ansage passen" 1 0 2 . Bei assoziativem Moderationsstil wird davor gewarnt, „Pseudo-Originelles" zu verwenden. 1 0 3 Das amerikanische Handbuch „Television and Radio Announcing" 1 0 4 verlangt von einem Diskjockey u. a. die Fähigkeit, frei und spontan moderieren zu können, 1 0 5 ohne daß Genaueres zur sprachlichen Realisierung angegeben wird. Der Musikredakteur Kaspar zählt zu den sprachlichen Anforderungen an einen Moderator „fast unbeschränkt große Ausdrucksfähigkeit, immensen Variationsreichtum, riesiges Vokabular", allerdings sollte der Einsatz dieser Mittel beschränkt werden zugunsten „verständlicher, äußerst sachbezogener Kurzinformation an den Empfänger". 1 0 6 Eine der wenigen rezipientenbezogenen Äußerungen zur Moderationssprache stammt ebenfalls von Kaspar. Er verlangt u. a., daß sich der Moderator „in der Sprache seiner Empfänger auskennen" solle, 1 0 7 warnt aber vor zuviel „Jargon": „Eine M u s i k s e n d u n g für J u g e n d l i c h e — ζ. B. in der S u b k u l t u r s p r a c h e von 15jährigen d u r c h m o d e r i e r t — k a n n für die Jugendlichen unerträglich werden, den M o d e r a t o r unglaubwürdig machen und andere potentielle H ö r e r ausschließen.'"08

Neben den referierten linguistischen und radiopraktischen Hinweisen zur Moderationssprache finden sich in zwei eher musikbezogenen Aufsätzen von Hansberger 1 0 9 Beobachtungen zur Sprache von Diskjockeys im Rundfunk (u. a. in Jugendsendungen) 1970/71. 102 H ä u s e r m a n n / K ä p p e l : R h e t o r i k für R a d i o und Fernsehen 1 9 8 6 , S. 165. 103 H ä u s e r m a n n / K ä p p e l 1986, S. 165. 104 H y d e : Television and R a d i o A n n o u n c i n g . ' 1 9 7 9 . 105 Vgl. Hyde 1 9 7 9 , S. 4 1 8 ff. 106 Kaspar: Präsentieren, M o d e r i e r e n . In: R a d i o P r a x i s 1979, S. 68. 107 Kaspar in: R a d i o Praxis 1 9 7 9 , S. 6 8 . 108 Kaspar in: R a d i o Praxis 1979, S. 6 8 . 109 H a n s b e r g e r : Z u r F u n k t i o n des D i s k j o c k e y (sie!) im R u n d f u n k . In: M u s i k und Bildung 2. 1970, S. 5 3 8 - 5 4 3 ; ders.: D e r D i s k o j o c k e y . In: H e l m s (Hrsg.): Schlager in D e u t s c h l a n d 1972.

92

Jugend und M e d i e n " in der Sprachvielfalt

Nicht-sprachwissenschaftlich angelegt, stellt die Untersuchung den sprachlichen Aspekt für die Gesamtwirkung von Musiksendungen als bedeutsam heraus, da in den Diskjockeyäußerungen die Inhaltsseite gegenüber der Ausdrucksseite zurücktrete. So werde das Unterhaltungsbedürfnis des Hörers bzw. die Zuständigkeit des Rundfunks, es zu befriedigen, zum Thema gemacht, während man dies in anderen Unterhaltungssendungen als selbstverständlich betrachte. 1 1 0 Die sprachliche Realisierung der seiner Meinung nach gehaltlosen Aussagen kritisiert Hansberger scharf: „Wie jener [der Conferencier] ersetzt er [der Diskjockey] Aussage weitgehend durch Redestil. Besser als das einzelne Wort vermag ja auch das Sprechgehabe als solches — ob seriös-verbindlich, sportlich-salopp oder ,verrückt' in PopManier — auf jene diffusen Wertvorstellungen, Glückserwartungen und Identifikationsbedürfnisse anzuspielen, die für das jeweilige Publikum mit dem Musikkonsum verbunden sind." 1 1 1

Zur Rolle des Diskjockeys gehöre es weiter, eine Art Expertensprache der Popmusik zu vermitteln. Verständigungsbasis sei die gemeinsame Perspektive auf den Popmarkt (Hörer und Diskjockey als Konsumenten). Der Diskjockey gebe sich als kompetenter Popkenner, der gelegentlich seinen eigenen Geschmack bekunde, neben der subjektiven Meinung stets die „aktuelle Meinung" kenne, Klatsch aus der Popszene verbreite und Nachrichten aus der Pop-Vergangenheit „im Pathos gehobener Geschichtsdarstellung" 1 1 2 vortrage. Hansberger kritisiert die Nähe der Diskjockeysprache zur Werbung; inhaltslose Anspielungen und Wortwitze sollten wohl einfallsreich wirken. 1 1 3 Er räumt jedoch ein, daß die Anforderungen an die kommunikativen Fähigkeiten des Diskjockeys zu vielfältig seien, solle er doch Popmusik anbieten, anders als in der „Erfolgs-Schablone" darüber sprechen und das von den Pop-Fans gesuchte Vergnügen an „Pop-Buntheit" und „Schwung" bieten. 1 1 4

110 Vgl. Hansberger in: Musik und Bildung 1970, S. 538. 111 Hansberger in: Helms (Hrsg.) 1972, S. 289. 112 Hansberger in: Helms (Hrsg.) 1972, S. 294. 113 Hansberger in: Helms (Hrsg.) 1972, S. 291 f. 114 Hansberger in: Helms (Hrsg.) 1972, S. 294.

93

Jugendsprache in der Mediensprache

Der Grundgedanke, Rollen und Funktionen der Musikmoderatoren zur Sprache in Beziehung zu setzen, soll aufgegriffen und weiterverfolgt werden. Allerdings ist zu beachten, daß auf die Funktionen des Moderators häufig erst aufgrund der sprachlichen Beobachtungen geschlossen werden kann, umgekehrt aber auch die Frage zu stellen ist, wie der M o d e r a t o r seine Rollen sprachlich bewältigt. Diese Problematik läßt sich nur durch heuristisches Vorgehen angemessen bewältigen, denn selbst eine deskriptive Sprachanalyse beinhaltet bereits in der Beispielauswahl funktionale M o m e n t e . Wenn über rein strukturelle Analysen hinausgegangen werden soll, kann der funktionale Aspekt in der Moderationssprache nicht ausgeblendet werden. Methodisch ergibt sich aus dieser Problematik die Notwendigkeit, vielschichtig und aspektreich vorzugehen.

4.4.

Jugendsprache in der Mediensprache — Thesen zum Sprachverhältnis zwischen Jugend und Medien Wer auf andre Leute wirken will, der muß erst einmal in ihrer Sprache mit ihnen reden. (Tucholsky) 115

Um ihre Zielgruppe zu erreichen, versuchen Redakteure und M o d e ratoren von Rundfunksendungen bzw. die Kommunikatoren anderer Medienprodukte — bewußt oder unbewußt — in Abhängigkeit von ihrem Rezipientenbild sprachlichen und inhaltlichen Zugang zu den Mediennutzern zu finden. D a ß viele Rundfunksender ein breites Zielgruppenspektrum anstreben, könnte ein Grund für die Heterogenität der Mediensprache sein. Für Sendungen, die ein möglichst großes Publikum ansprechen sollen, ist die gruppenübergreifende Standardsprache theoretisch am besten geeignet. Sie besitzt hohes Prestige bei den meisten Rezipienten, ist jedoch nur für wenige die täglich verwendete, also „ihre" Sprache. Dies ist eher die Umgangssprache, von vielen Redakteuren als natürlich,

115 Tucholsky: Schnipsel 1973, S. 37.

verständlich

die

und durchaus prä-

94

Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

zise angesehen wird. 1 1 6 Die den Hörern vertraute Varietät wird in die Mediensprache einbezogen, um „Kontakt" herzustellen. Dies kann als Versuch gewertet werden, Asymmetrie und Anonymität der Medienkommunikation zu überspielen, indem eine vermeintlich symmetrische und vertraute Kommunikationssituation suggeriert wird (vgl. 3.2). Wie solche Annäherungsversuche in bezug auf jugendliche Rezipienten sprachlich ablaufen, werden die Analysen im einzelnen zeigen. Hypothetisch wird behauptet, daß markante Strukturen und Versatzstücke aus der Varietät der Zielgruppe aufgegriffen werden, ohne daß das typisch Mediensprachliche — das ebenfalls genauer zu bestimmen ist — verschwindet. Diese Mischung von Stilelementen wurde in der Kernthese als „bereinigter Jugendstil" bezeichnet. Die Konstellation „Rundfunksendung für Jugendliche" könnte die Funktion der Medien als Verwender gruppensprachlicher Elemente besonders deutlich machen. Da Jugendliche eine auch quantitativ bedeutende Rezipientengruppe sind, dürfte von seiten der Kommunikatoren ein besonderes Interesse bestehen, diese Rezipienten speziell anzusprechen. Umgekehrt scheint der Rundfunk ein geeignetes Medium zu sein, um „Kontakt" zu Jugendlichen herzustellen, ist doch hier wie in der Jugendsprache das gesprochene Wort entscheidend. 117 Ein weiterer Grund, in Rundfunksendungen für Jugendliche eine ausgeprägte Gruppensprachverwendung anzunehmen, liegt in der Struktur der Jugendsprache. Da sie sich von der Standardsprache bewußt abhebt, ist bereits die Übernahme einiger „Signalelemente" wirkungsvoll. Typische Strukturen und auffällige Wörter und Wendungen zeigen einen hohen „Erkennungswert" als „typisch jugendsprachlich". Sowohl die — auch in den Medien selbst betriebenen — Sprachspiele mit solchen Versatzstücken als auch Meinungsäußerungen Jugendlicher, ζ. B. so würde kein normaler Jugendlicher reden (w, 16J, Gym, BS, FB-Nr. 1), weisen darauf hin, daß die Gefahr der Stilisierung jugendsprachlicher Elemente besteht. Es wird vor allem „typische" Jugendsprache aufgegriffen, aber auch im Bereich der subkulturellen

116 Ζ. B. Lanz, RIAS2, am 22. 4. 88 mündlich. 117 Vgl. das Jugendsprachmerkmal „eminent sprechsyntaktisch" nach Henne 1986, S. 210.

Jugendsprache in der Mediensprache

95

Gruppensprachen ist von einer Art „Echosprache" 118 der Journalisten in Jugendsendungen und -Zeitschriften auszugehen. In dieser Arbeit — und so ist der empirische Teil angelegt — steht die Großgruppe „der" Jugend im Mittelpunkt. Die umgekehrte Beziehung „Mediensprache in der Jugendsprache" ist ebenfalls in Rechnung zu stellen, da Medien im Alltag von Jugendlichen eine große Rolle spielen (vgl. auch 3.4) und Medienpräferenzen mit jugendkulturellen Stilen verbunden sind. Trotz der Medienverbundenheit vieler Jugendlicher dürfen ihre Ausdrucksformen, auch die Jugendsprache, nicht einfach als Medienprodukte angesehen werden. Die Sprache der Jugendlichen ist jedoch „in Abhängigkeit von ihren Medienerfahrungen entstanden, wobei Medienerfahrungen als Teil von Alltagserfahrungen zu definieren sind." 119 In bezug auf den Bereich „Jugendsprache und Jugendkultur" ist m. E. die durch Medien vergrößerte Reichweite jugendkultureller Formen besonders zu betonen. Jugendsprache wird multipliziert und überregional verbreitet; partizipieren kann jeder Mediennutzer an diesem abstrakten Beziehungsnetz, das keine direkten Sozialkontakte erfordert. 120 O b Medien im Bereich der Sprache insofern „wirken", daß häufig verwendete Strukturen oder Ausdrücke langfristig von den Rezipienten aufgegriffen werden (Medien als „Sprachspender"), wird nicht nur von der Kommunikatorseite bestimmt. Folgt man den Grundgedanken des „interactive perspective"-Modells zur Medienwirkung (vgl. 3.5), so muß bei den Rezipienten ein entsprechendes Bedürfnis vorhanden sein. Denkbar wäre bei den jugendlichen Rundfunkhörern der Drang nach Erweiterung ihres (Jugend)sprachrepertoires. Zweifeln die Jugendlichen jedoch daran, daß ein Ausdruck aus der „Medien-Jugendsprache" überhaupt ein authentisches Vorbild in der Jugendsprache hat, ist zu vermuten, daß er als gruppensprachliches

118 Vgl. Hess-Lüttich: Kommunikation als ästhetisches Problem 1984, S. 308. 119 Rogge: Jugendkultur und Jugendsprache — ein Produkt der Medien? In: Erm e n (Hrsg.) 1986, S. 180. 120 Vgl. Baacke in Baacke/Heitmeyer (Hrsg.) 1985, S. 163.

96

Jugend und Medien" in der Sprachvielfalt

Versatzstück abgelehnt, seine Verwendung als Anbiederung angesehen wird. Medienwirkungen sind in der Jugendsprache in mehrfacher Hinsicht beobachtbar, beispielsweise beziehen sich die jugendliche (Über-)Namenwelt, die Sprüchekultur und die Lautwörterkommunikation ζ. T. auf „Medienvorbilder". 121 Von Jugendlichen aufgegriffen und in ihre Sprache integriert werden durch Medien verbreitete oder aus den Medien stammende Wörter, Strukturen und Texte, man denke an Fernsehsendungen mit Otto (Waalkes). 122 Moderationssprache könnte ähnlich „wirken", wenn die Moderatoren die Rolle von „Idolen" übernehmen, indem sie die jugendlichen Normen (ζ. B. in bezug auf Musik) „vorleben". Einerseits kann Mediensprache also in die Jugendsprache einfließen, wird dort verändert, eventuell sogar ins Gegenteil verkehrt (ζ. B. Werbetexte). Andererseits bedienen sich die Medien der Jugendsprache, was im Mittelpunkt der folgenden Analysen steht. Darüber hinaus thematisieren sie Jugendsprache, wie eine Fülle von Zeitungsartikeln zur Sprache der Jugend zeigt. 123 So zeichnen die Medien ein Bild von Jugendsprache auf zwei Ebenen: — direkt als Sprachverwender und — indirekt metakommunikativ beschreibend und kommentierend.

4.5.

Auswahlkriterien und Analyseablauf

Um die oben (Kap. 1 ff.) angesprochenen Thesen und Fragestellungen angemessen verfolgen zu können, wird das Material (knapp 200 aufgezeichnete Rundfunksendungen) insgesamt in den Blick genommen; die Analyseergebnisse werden mit ausgewählten Beispielen illustriert. Damit die Auswahl der genauer untersuchten Sendungsausschnitte

121 Vgl. Henne 1986, S. 185 ff. 122 Vgl. dazu Henne 1986, S. 194. 123 Vgl. Titel von Zeitungsmeldungen bei Henne 1986, S. 192 ff.

Auswahlkriterien und Analyseablauf

97

aus dem Gesamtkorpus 1 2 4 nicht als „self-fulfilling prophecy" wirkt, wurden einige zufällig bestimmte Sendungen vollständig bearbeitet. Die „Suche" nach dem Wesen der Mediensprache in Rundfunksendungen für Jugendliche konzentriert sich auf „Typisches" — bestimmt nach dem Kriterium „Häufigkeit" — und „Spezifisches" — bestimmt nach dem Kriterium „Auffälligkeit" — auf der Grundlage umfangreichen Materials und relativ großer Hörerfahrung. Der textfunktionale Ansatz (Kap. 6) sorgt für ein breites Analysespektrum, da unter der Fragestellung „Mit welchen Mitteln wird eine bestimmte Moderationsfunktion erfüllt?" verschiedene Sprachstrukturen und Stilelemente in den Blick kommen. Die Analysen sind in dreifacher Hinsicht vergleichend: (1) Die in den Sendungen verwendete Sprache wird im Verhältnis zur Standardsprache betrachtet. (2) Die Sprache von Jugendsendungen (im weiteren Sinne) 1 2 5 wird vor dem Hintergrund der Sprache anderer Rundfunksendungen analysiert. (3) Unterschiede in der Sprachverwendung zwischen verschiedenen Rundfunksendungen für Jugendliche werden insbesondere unter regionalen Aspekten berücksichtigt. Dieser Analyseansatz wird überlagert von der in der Kernthese (vgl. 1.2) formulierten Annahme, in Jugendsendungen würden jugendsprachliche Elemente verwendet. Ausgehend von den weiteren Thesen und Leitgedanken (s. o.) wird das Augenmerk ferner auf regionale und umgangssprachliche, fachsprachliche, aber auch standardsprachliche Merkmale in den Texten gelenkt (Kap. 8). Bei der Auseinandersetzung mit den Analyseergebnissen wird die Rezipientenseite besonders berücksichtigt. Einschätzungen zur Mediensprache werden im Anschluß an die Sprach- und Stilanalyse dargestellt (Kap. 7), zumal sie als Grundlage für die pragmatischen Interpretationen wichtig sind. 124 Zur Zusammensetzung des Korpus vgl. 1.3.2. 125 Vgl. Kap. 1, Anm. 1.

5. Strukturanalyse

5.1.

Konzepte und Themen von Jugendsendungen

5.1.1. Konzepte der Sender „Wir nehmen an Themen herein, was es nur so gibt, was in irgendeiner Form für junge Leute interessant sein könnte." 1 So charakterisiert NDR-Jugendfunk-Redakteur R. Kujawa das Konzept des Jugendmagazins Der Club ( M o - F r , 1 8 . 0 5 - 2 0 . 0 0 Uhr, auf NDR22). Das Magazin beinhalte Themengebiete wie Politik im Jugendbereich, Lebenshilfe-Service sowie viel Popmusik und Popinterviews, um dem Interesse vieler Jugendlicher für Musik entgegenzukommen. 3 Der NDR hat dabei einen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen, 4 eine schwierige Aufgabe angesichts der privaten Konkurrenz, die, den Hörerwünschen entsprechend, sehr viel Musik spielt. Die Beiträge zu „Themen, über die man spricht" sollten laut Kujawa kurz, knapp und prägnant sein, um den heutigen Hörgewohnheiten — das Radio läuft nebenbei — Rechnung zu tragen und die Hörer „zwischendurch" zu informieren. Die Zielgruppe der ehemals klassischen Jugendfunksendung Club (für etwa 14— bis 20jährige) weitet sich zunehmend auf bis etwa 40jährige Hörer aus, zumal sich „ein Massenprogramm eine Spezialsendung, die nur bestimmte Gruppen anspricht, gar nicht mehr lei1 2 3

4

Reinhold Kujawa, NDR2, am 29. 4. 88 mündlich in Hamburg. Internationale Hitparade und Club-Wunschkonzert am Wochenende werden von der Abteilung „Unterhaltung" verantwortet. Musik-Spezialprogramme sind ebenfalls in die Sendereihe integriert, beim Club mittwochs von 19.05 — 20.00 Uhr das Kontrastprogramm, ζ. B. classic im club oder Heavy Metal Special. ebenso die hier untersuchten Süd-Sender SWF und SDR.

Konzepte und Themen von Jugendsendungen

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sten kann" 5 . Dieses neuere Club-Konzept (ab 1988) betrifft die hier untersuchten Sendungen (1986/87) noch nicht, dagegen wird eine Öffnung auf eine größere Hörergruppe hin beim SWF3 Popshop schon länger angestrebt. Laut SWF-Redakteur G. Schultz-Burkel 6 unterscheide sich das Popshop-Konzept kaum von dem des übrigen SWF3-Programms (vgl. 3.3), SWF3 will durchgehend eine „Junge Welle" mit einer 15 — 50jährigen Zielgruppe sein. Die Musikkonzepte der „jungen" Sendungen beinhalten „Popmusik" im weitesten Sinne, wobei aktuelle Hits wichtig sind, zumal das Rundfunknutzungsverhalten weitgehend über Musik bestimmt ist. Das Sprachkonzept für Jugendsendungen liege zwischen den Polen „elaboriert" und „anbiederisch sich an Jugendsprache heranwerfen": Am besten sei es, laut Kujawa, wenn Moderatoren natürliche, ihrem normalen Sprachgebrauch entsprechende Umgangssprache verwendeten. 7 SFB-Redakteur W. Holler 8 sieht einen engen Zusammenhang zwischen „glaubwürdiger Sprache" und Glaubwürdigkeit der Inhalte. Aus ähnlichen Gründen betont RIAS2-Redakteur C. Lanz 9 , daß man sich bewußt von der „Politikersprache" und der „schrecklichen beamtenmäßigen substantivierenden Bürokratensprache" absetzen müsse. Die Redakteure verstehen sich in erster Linie als politische Journalisten mit vorwiegend informierenden Zielsetzungen, wobei ihnen bewußt ist, daß für die Hörer meist die Musik von größerer Bedeutung ist. Sendungen wie dem NDR2 Club-Wunschkonzert liegen primär Unterhaltungskonzepte zugrunde. Wunschkonzert-Moderator G. 10 Fink sieht in der Unterhaltungsfunktion — individuell verschieden je nach Persönlichkeit, Talent und Erfahrung des Moderators zu erfüllen — auch die Möglichkeit, satirisch zu wirken, nach dem Motto: „Nun fallt nicht immer auf diese Verpackungen herein," 11 Schon der 5 6 7 8 9 10 11

Kujawa am 29. 4. 88 mündlich. G u n n a r Schultz-Burkel am 19. 6. 87 in Baden-Baden mündlich. Kujawa am 29. 4. 88 mündlich. Wolfgang Holler, SFB, im Gespräch am 27. 4. 88 in Berlin. Christoph Lanz, am 22. 4. 88 im Gespräch in Berlin. Günter Fink, N D R , am 29. 4. 88 in H a m b u r g . Fink mündlich am 29. 4. 88.

100

Strukturanalyse

30er-Jahre-Titel Wunschkonzert versuche zu provozieren. Ein extremes Unterhaltungskonzept zeigen die Sendungen von Elmar Hörig, SWF3: Hier gebe es keine thematischen Grenzen, keine Hemmschwelle, alles zu sagen, was dem Moderator in den Kopf kommt. 1 2 E. Hörig hält Unterhaltung für das entscheidende Kriterium, 13 vor allem in einer Sendung wie der Elmi Radioshow, die als „Tupfer" im SWF3-Programm aus dem Rahmen fallen dürfe. Hier werde Aufmerksamkeit durch persönliches Engagement und Verrücktheit erzeugt. Das Konzept des bei Jugendlichen beliebten SWF3-Moderators lautet, „kompakt etwas anbieten", „ohne Pausen schnell und witzig" sein, was genau vorzubereiten sei: „Das muß wirklich auf den Punkt kommen." 1 4 5.1.2. Themen in den Sendungen des Korpus Dominierendes Thema in allen untersuchten Sendungen ist Rock-/ Popmusik, zumal der hohe Musikanteil (ca. 2 / 3 ) in den Jugendmagazinen die Moderation prägt. Darüber hinaus gibt es Beiträge über Musik und Interviews mit Popstars, in einigen C/«£>-Sendungen live mit Studiogästen. Interviewpassagen sind ζ. T. eingebunden in Reportagen über Rock-/Popgruppen oder Musikprojekte, ζ. B. die Afrika-Hilfsplatten (Club, Popshop), die ebenso „Musikszene"-Themen sind wie andere öffentlichkeitswirksame Ereignisse, ζ. B. das Rundfunkverbot der Falco-Platte „Jeanny" oder der Prozeß um die Bezeichnung „sonnengegerbte Sangesschwuchtel" für den Sänger der Gruppe „Modern Talking". Pop-Klatsch wird in Form kurzer Meldungen verbreitet (beim Popshop in der Rubrik „Pop News"; im Club in die Rubrik „Club aktuell" integriert). Hier reicht das Spektrum von Tournee- und Filmvorhaben über Wohltätigkeitsaktivitäten der Stars bis zu deren Privatleben. Kritisch wird Musik in Kommentaren zu Platten und Konzerten behandelt. Dabei werden auch Empfehlungen ausgesprochen, sei es

12 C. Lanz, der E. Hörig gut kennt, mündlich am 22. 4. 88. 13 Gespräch mit Elmar Hörig am 15. 5. 88 in Baden-Baden. 14 Hörig mündlich am 15. 5. 88.

Konzepte und Themen von Jugendsendungen

101

als „Plattentip" oder als Konzert- bzw. Veranstaltungshinweis. Programmübersichten und Veranstaltungsankündigungen (im Popshop) beziehen sich auf Musik, Kultur und Sport. Kommentierend vorgestellt werden ferner neue Filme, manchmal Bücher, in einer Club-Sendung auch ein „Spiel für Musikfans". „Tips" gibt es weiter zu „alltäglichen" Dingen wie Turnschuhen (als „Testtip" im Popshop) oder Tramperausrüstungen („Service" im Club), zum Handballspielen (Popshop) und Motorradfahren (Club), Gebrauchtwagenkauf (Popshop) und bezogen auf Reisemöglichkeiten. Berichte, Interviews und Reportagen sind ebenso „bunt" gemischt: Das Themenspektrum reicht von Asterix-Übersetzungen (Popshop) bis zum Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima (Club). Berücksichtigt werden dabei Jugendaktivitäten und Jugendprobleme aus verschiedenen Bereichen: Es wird beispielsweise von einem Schülerfilmfestival berichtet, die Frage nach der Attraktivität von Jugendzentren erörtert („Telefonaktion" im Popshop), Ausbildungsprogramme und Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit werden vorgestellt, Bundeswehrfragen („Frauen in die Bundeswehr?" Club; Beschwerden beim Wehrbeauftragten Popshop) aufgegriffen. Neben jugendpolitischen Themen erscheinen zunehmend (besonders beim Popshop) aktuelle politische Ereignisse in den Sendungen, vom Machtkampf im Springer-Konzern (Popshop) bis zum BarschelRücktritt {Club). Neben Sachfragen nehmen primär personenbezogene Gespräche relativ viel Raum ein. Insbesondere die Popshop-Serien „Trau keinem unter 30", „Sechzehn" und „Telefonporträt" geben Prominenten und weniger bekannten „außergewöhnlichen" Menschen Gelegenheit, ihre Interessen und Meinungen darzustellen. Im Club werden ebenfalls Porträts gezeichnet von Jugendlichen, die besonderen Aktivitäten nachgehen, sei es in einer Formation zu tanzen oder eine ButlerSchule zu besuchen. Über eigentliche „Wortbeiträge" hinaus findet man Informationen als „Kurzmeldungen"/„Club aktuell", Popshop-„Infos" und eingestreute Meldungen, z.T. „Soft News": Guinessbuch-Rekorde und Aktionen wie „Spaghetti-Verkauf vor Fast-Food-Restaurant" (Club) dienen eher Unterhaltungs- als Informationszwecken. Unterhaltende

102

Strukturanalyse

Elemente sind ferner Glossen (ζ. B. über Einschaltquoten der ClubSendung) und Sketche — häufig Parodien —, die meist von „Berufskomikern" wie Otto, Loriot, Hape Kerkeling oder Didi Hallervorden produziert sind. SWF3 pflegt als „sendereigene" Figuren u. a. den „Schwarzwaldelch" und den Schwaben „Herrn Penibel", die witzigsatirische Elemente in die Sendungen hineinbringen. Der Satire wird gelegentlich ein längerer Block gewidmet, wenn eine ganze Stunde als Kabarettsendung gestaltet ist (Popshop: „Neuss' Monatsrückblick", Club: „Tante-Martha-Show"). Einige Sendungen werden als Außenübertragungen produziert (einzelne NDR2-Club-, Wunschkonzert- und SWF3-Radioclub-Sendungen). Während bei Wwnsc/?feo«zerf-Übertragungen die Sendung als Ganzes „von außen" kommt, hat beim Club und beim Radioclub ein Studiomoderator die Aufgabe, die Sendung zu strukturieren und die Live-Schaltungen einzubinden. Meist ist der Wortanteil im Vergleich zu Studioproduktionen etwas höher. Außenübertragungen betreffen häufig vom Sender organisierte Veranstaltungen oder Aktionen („Fallschirmabsprung"), seltener „durchschnittliche" Ereignisse („Eislaufen in Bordesholm"). Die Live-Übertragungen sind z.T. musikbezogen („Tanz in den Mai", „Club-Fete"). Fast ausschließlich um Musik geht es in Hitparaden- und Wunschsendungen 15 . Bei der Hitparade ist die Struktur durch den Modus vorgegeben, Hörerwünsche können wenig (SWF3 Musikbox, NDR2 Plattenkiste) bis stark strukturiert (NDR2 Wunschkonzert) erfüllt werden. Die Struktur des NDR2 Wunschkonzerts, das neben Hörerwünschen „Kontaktgesuche" enthält, beruht auf Rubriken wie „Schmuseecke", „Lange Rille", „Filmmusik und Soundtracks", „Hits der Woche", „Kontaktecke", „Preis nach Wunsch", „Hörer-Jokies". 5.1.3. Meinungen der Hörer Der von 555 Schülern beantwortete Fragebogen (vgl. 1.4, Anhang S. 347 ff.) enthält zwei Fragen, die sich auf Struktur und Inhalte von Jugendsendungen beziehen. Zum einen sollten die Jugendlichen Vor15 Ζ. T. werden Hitparaden auch in Magazinsendungen einbezogen.

Konzepte und T h e m e n von J u g e n d s e n d u n g e n

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schlage für die Gestaltung von Jugendsendungen machen (F7), zum anderen Wertungen zu bestehenden Sendungen (Nord: Der Club; Süd: Popshop) abgegeben (F8). 80% der Jugendlichen nennen Musik als wichtiges Element einer Jugendsendung. Als Auswahlkriterien für die gewünschte Musik werden u. a. genannt: Aktualität (aktuelle Musik, neueste Musik, Top Hits), Ausgewogenheit im Hinblick auf ein „gemischtes" Publikum (nicht nur ..., sondern auch ...) — in stillschweigend vorausgesetzten Grenzen „jugendlicher" Musik (auf das Alter abgestimmt) —, aber auch persönliche Vorlieben (Lieder, die mir gefallen) und bestimmte Richtungen wie Hardrock, Funk, Disco. Thematisch verbunden mit der Präferenz von Musik ist der Wunsch nach Informationen aus dem musikalischen Bereich, insbesondere über Interpreten, in Form von Berichten, Gesprächen und Interviews. Wichtig sind vielen Befragten Hinweise auf Plattenneuerscheinungen und Konzerttermine sowie Kritiken zu den Platten bzw. Veranstaltungen. Veranstaltungshinweise werden begrüßt, über den Bereich der Musik hinaus Informationen zum (regionalen) Kulturund Freizeitangebot (ζ. B. Kino, Theater) gewünscht. Das von den Jugendlichen insgesamt vorgeschlagene Themenspektrum für Wortbeiträge ist jugendorientiert, aber außerordentlich vielfältig. Ein großer Teil (31%) verknüpft die Themenwahl eng mit der Zielgruppe „Jugend" (Informationen, die Jugendliche interessieren), als Interessensgebiete erscheinen: — Schule; Ausbildung, Berufswahl, Berufsaussichten (Vorschlag: Berufe stellen)·, Jobs; Jugendarbeitslosigkeit - Rechte und Pflichten Jugendlicher, Jugendschutzgesetz - Drogen, Alkohol, Rauchen - Liebe, Aufklärung, AIDS — Umwelt — Sport; Hobbys; Mode

vor-

Daneben halten einige (28) die allgemeine Politik, insbesondere aber Jugendliche betreffende politische Themen, das Tagesgeschehen und Nachrichten aus aller Welt auch im Rahmen einer Jugendsendung für wichtig. Gerade dieser Themenbereich stößt jedoch nicht auf breite Zustimmung, wird trotz der konstruktiven Frage sogar explizit abgelehnt: keine Politik.

104

Strukturanalyse

Daß die Jugendlichen zahlreiche Themen ansprechen, relativiert die Hypothese von der geringen Bedeutung der Wortanteile gegenüber der Musik, deren Präferenz zwar deutlich zum Ausdruck kommt, aber das Interesse für Wortbeiträge — über „Musikthemen" hinaus — kann den Jugendlichen nicht grundsätzlich abgesprochen werden. Einige der Befragten schlagen vor, Jugendliche stärker in die Gestaltung der Sendung einzubeziehen (Gespräche mit Jugendlichen; Reportagen von Jugendlichen über Jugendliche; Auswahl der Themen durch Jugendliche) und beispielsweise Telefonaktionen als Beteiligungsmöglichkeit anzubieten. In die Struktur einer „Ideal-Sendung" wären neben viel Musik und den erwähnten Themenbereichen auch primär unterhaltende Elemente einzubeziehen: Gags, Witze, Sprüche ebenso wie Verlosungen, Quiz und Spiele. Einige (18) weisen auf die Moderatorfunktion hin (vgl. auch 5.3) und stellen bestimmte Ansprüche an die Art der Moderation bzw. den Moderator: gut; locker; nett; cool, jung; witzig; muß die Jugendlichen ansprechen; ein auf das Thema gut vorbereiteter Moderator; verständliche Sprache. Die Ideen für Wortbeiträge enthalten ein breites Spektrum an Textsorten, die mit verschiedenen Inhalten versehen werden: — — — — — — — — — — — — — — — — — —

Musikmoderation (ζ. B. neue Platten vorstellen) Bericht (Konzertberichte, aktuelle Berichte, Themen genannt) Interview (mit Stars/Musikern/Prominenten/Jugendlichen) Gespräch (vermutlich auch Sammelkategorie für „Wortbeiträge") Telefongespräch (Telefonieren mit dem Moderator) Diskussion Nachricht Meldung Reportage (Reportagen von Jugendlichen über Jugendliche) Kommentar (Kritiken, kritische Kommentare, Buchbesprechung) Soft News (Pop-Infos, „News") Informationsservice (Konzertdaten, Veranstaltungshinweise) Ratschlag (Tips) Hörspiel Märchen, Geschichten Sketch (Joky) Witz (Witze, Gags) Spruch (gute! flotte/coole/witzige/dumme Sprüche, Blödelreime)

~

Jingle

Konzepte und Themen von Jugendsendungen

105

Die Sendungen NDR2 Der Club (Nord), SWF3 Popshop (Süd) wurden von den Jugendlichen im Fragebogen (F8) bewertet. 16 Das Gesamturteil für die ausgewählten Sendungen ist in ihren jeweiligen Sendegebieten deutlich positiv ausgefallen, bei den regelmäßigen Hörern der betreffenden Sendungen erwartungsgemäß noch besser. Der große Anteil an Nicht-Antwortenden in der Gruppe Süd (20%) ist darauf zurückzuführen, daß einige die Sendung nicht kennen, zumal SWF3 nicht von allen „Süd-Befragten" gehört wird. Die kategoriell vorgegebene Gesamteinschätzung sollten die Jugendlichen durch Argumente ergänzen.17 Ausschlaggebend für das Urteil sowohl über die norddeutsche Sendung Der Club als auch über den süddeutschen Popshop ist die persönliche Haltung des Befragten zur in der Sendung dominierenden Musikrichtung (je 72% beider Gruppen gehen auf Musik ein). Neben Pauschalurteilen wie gut, toll, to f f werden Aktualität und Abwechslung positiv erwähnt, bestimmte Musikrichtungen ζ. T. abgelehnt (Discomucke). Einige meinen, es werde zuviel geredet (labern zuviel, sülzen viel rum)·, andererseits beurteilen viele die Sendungen auch aufgrund der ihrer Meinung nach interessanten Wortbeiträge positiv. Dabei zeigen sich Unterschiede zwischen den beiden zur Diskussion stehenden Jugendsendungen: Die Gruppe Nord, die den Club bewertet, legt großen Wert auf den Zielgruppenbezug. Dinge, die Jugend interessieren und Jugendprobleme werden positiv herausgehoben, solche Argumente treten bei der den Popshop bewertenden Süd-Gruppe überhaupt nicht auf. Hinsichtlich der „Jugendorientierung" besteht eine quantitative Diskrepanz zwischen „Vorschlägen" (F7: 145mal) und „Bewertung" (F8: 36mal). Daraus ist zu schließen, daß „Jugendthemen" — neben viel Musik — intensiver behandelt werden müßten. Über einzelne inhaltliche Elemente hinaus wird die jeweilige Sendung als Ganzes mit vielseitig, unterhaltsam und locker bewertet, von sehr wenigen als langweilig bezeichnet. Die Gestaltung wird in engem Zusammenhang mit dem Moderator (immerhin 55mal erwähnt) gesehen: 16 Vgl. die Tabelle zum „Gesamturteil" im Anhang, S. 3 5 5 . 17 Möglicherweise hat F 7 einen Ausstrahlungseffekt darauf.

106

Strukturanalyse

Die Moderatoren Nr. 234).

sind auch echt gut, so locker und witzig (w, 16J, RS, BS, FB-

In allen Gruppen ist die bevorzugte positive Bezeichnung für den Moderationsstil „locker". Einige Süd-Befragte (7) nennen den PopsbopHitline-Moderator Elmar Hörig als Positiv-Argument für die gesamte Sendung: Weil Elmi so cool ist und gute Sprüche drauf hat (Bigga, 17J, RS, BK, FB-Nr. 1276).

5.2.

Sendungsablauf

5.2.1. Strukturelemente (Textsorten) Die untersuchten Rundfunksendungen für Jugendliche zeichnen sich durch einen hohen Musikanteil (ca. 2 / 3 ) aus, der den Gesamtcharakter der Sendungen entscheidend prägt. Als wesentliches Strukturelement wäre daher die Musik näher zu untersuchen und in Richtungen und Stile zu differenzieren, was im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht geleistet werden kann. Pauschal lassen sich die Musikstücke in den Jugendsendungen dem weiten Feld der „gemäßigten" Pop-/ Rockmusik zuordnen, nur selten (meist in speziellen Rubriken oder Sondersendungen) wird „härtere" Musik oder Klassik berücksichtigt. Praktisch nie gespielt werden Deutsche Schlager, Tanzmusik und Volkstümliche Musik. Die Wortteile der Sendungen lassen sich nach Textsorten differenzieren. Im folgenden werden wesentliche strukturell-funktionale Merkmale 18 der häufigsten Textsorten des Korpus sowie ihre Funktionen für die Sendung als Ganzes herausgearbeitet. Signet/ Ansage Unter Signet versteht man eine kurze mit Musik oder Geräuschen (ζ. B. „Gong") untermalte Ansage, die auf direkt folgende Pro18 Den kurzen Erläuterungen zugrunde liegt u. a. die ausführliche Textsorten-Beschreibung von Ramseier 1988, S. 107 ff.

107

Sendungsablauf Übersicht \

Spre\cher

\

m/d 19 m m m/d m/d m m m m m d d d m m m/d m/d m m/d

über die Sprecherkonstellationen Moderator

\

(Nachricht) 2 0 Meldung

Interview Gespräch Diskussion Kommentar/ „Kritik" (Glosse/ Satire) Ratschlag Moderation

weiterer Moderator, Journalist, „Reporter"

in den verschied. anonyme Sprecher, Geräusche

Textsorten: Prominente, „NormalExperten, bürger", Politiker Betroffene, Hörer

Signet Jingle Trailer Werbespot Nachricht Meldung Bericht Reportage Interview Gespräch

Statement Interview Gespräch Diskussion

Kommentar/ „Kritik" Glosse/ Satire Satire Sketch Ratschlag Ratschlag Moderation

Statement Interview Gespräch Diskuss.

(Sketch) (Moderation)

g r a m m t e i l e ( S e n d u n g e n , Sendeteile) h i n w e i s t . V o n e i n e r e i g e n t l i c h e n T e x t s o r t e k a n n k a u m die R e d e sein, d a viele Signets k e i n e v e r b a l e n E l e m e n t e e n t h a l t e n (ζ. B . d a s V e r k e h r s f u n k - S i g n a l ) . Jingle/Einspielung J i n g l e s sind k u r z e M u s i k s t ü c k e o d e r v o r p r o d u z i e r t e K u r z t e x t e ( a u c h „ S p r ü c h e " ) , die v o r u n d w ä h r e n d d e r S e n d u n g e n v o m B a n d e i n g e spielt w e r d e n . A u f f ä l l i g g e s t a l t e t , z u m Teil m i t V e r f r e m d u n g e n w i e „ E c h o e f f e k t e n " a u f b e r e i t e t , d i e n e n J i n g l e s als I d e n t i f i k a t i o n s m i t t e l f ü r d e n Sender, die S e n d u n g o d e r b e s t i m m t e R u b r i k e n .

19 m = monologisch, d = dialogisch. 20 () bedeutet: kommt nur selten vor.

108

Strukturanalyse

Trailer Ebenfalls vom Band abgespielt werden Trailer, um „Werbung in eigener Sache" zu machen, indem informierend auf zukünftige Sendungen hingewiesen wird. Im Korpus werden sie auch zur Ankündigung von öffentlichen Veranstaltungen des Senders (ζ. B. SWF3 Open-Air, NDR „Hörfest") verwendet. Die mehrfach (in verschiedenen Sendungen) eingesetzten Trailer können aus Texten ganz verschiedener Textsorten bestehen. Werbespot Werbetexte lassen sich wegen der Textsortenvielfalt nicht pauschal klassifizieren, charakteristisch ist die Dominanz der appellativen Funktion. Für die laufende Jugendsendung bedeutet der Werbeblock in erster Linie eine Unterbrechung des Ablaufs. Nachricht Zur genaueren Charakterisierung dieser Textsorte kann auf Arbeiten verwiesen werden, die sich ausschließlich mit Nachrichten befassen. 21 Für Magazinsendungen bedeutet die Nachricht vor allem „Kontrast" zu den sonst dominierenden Textsorten. Die eigenständige, periodisch (meist stündlich) wiederkehrende und damit das Gesamtprogramm strukturierende Nachrichtensendung unterbricht den Fluß der Jugendsendung22: Die Musikdominanz, das breite Themenspektrum, die Moderatorpräsenz und der „jugendorientierte" informelle Stil werden abgelöst durch einen etwa 5minütigen Wortblock, in dem das politische Tagesgeschehen sachlich im kompakten, eher schwer verständlichen „Nachrichtenstil", schriftlich vorformuliert, von einem anonym wirkenden Sprecher abgelesen wird. Etwas geringer erscheint der Kontrast bei Point (S3) dadurch, daß der Moderator die 19-Uhr-Nachrichten spricht. Meldung Unter diese nachrichtenähnliche Textsorte werden zum einen die Verkehrsmeldungen gefaßt, die nicht eigentlicher Teil der Jugendsendung sind, zum anderen kurze Informationen, zu denen auch „Soft 21 Vgl. ζ. B. Straßner (Hrsg.): Nachrichten 1975. 22 hier jeweils um 19 Uhr (Popshop 1986 um 20 Uhr).

Sendungsablauf

109

News" wie „Pop-Klatsch" gehören. Gesprochen werden diese Meldungen in den analysierten Sendungen vom Moderator, der die Sendung „betreut", oder von anderen Moderatoren. Verkehrsmeldungen werden nur im NDR grundsätzlich von Sprechern verlesen, während bei den übrigen Sendern die Moderatoren diese Aufgabe übernehmen (außer direkt im Anschluß an die Nachrichten), wobei in Einzelfällen die streng sachliche Verkehrsmeldung durch kommentierende Formen „aufgeweicht" wird. Bericht Die meisten vor der Sendung aufgezeichneten, vom Tonband eingespielten „Beiträge" enthalten Berichte, deren thematisches Spektrum in den untersuchten Sendungen vom politischen Tagesgeschehen bis zu Rock-Konzerten reicht. Durch wertende Elemente können Berichte in die Nähe des Kommentars rücken. Reportage Wird live von gerade stattfindenden Ereignissen „berichtet", so wird dies als Reportage bezeichnet, in die auch Statements und andere Textsorten integriert sein können. Die Simultanität von Geschehen und Sprechen ruft spontane, höchstens in Stichworten vorbereitete Texte hervor. Ein Beispiel, bei dem der Reporter kaum näher am geschilderten Ereignis sein könnte, ist die Live-Übertragung eines Fallschirmabsprunges in einer Club-Sendung. Statement In Berichte, Kommentare oder Reportagen eingebettet werden ζ. T. Statements, kommentierend-wertende und/oder informative Äußerungen von „Betroffenen" oder Experten zu einem Problem. Ein Statement kann als „frei formulierte, monologische Antwortsequenz auf eine nicht oder nur indirekt im Programmablauf erscheinende Frage" 2 3 charakterisiert werden. Technisch unterstreicht man den authentischen Wert solcher Äußerungen häufig durch 0-Ton-(Originalton)-Einspielungen.

23 Ramseier 1988, S. 121.

110

Strukturanalyse

Interview Die dialogische Textsorte Interview24 ist hinsichtlich der kommunikativen Aufgaben der beteiligten Personen (meist zwei) streng festgelegt: Der Journalist stellt (vorbereitete) Fragen an Prominente, Politiker oder Experten, manchmal auch an Hörer. Interviews im strengen Sinne kommen im Korpus vor allem als „Starinterviews" mit Popsängern vor. Gespräch Ebenfalls dialogisch, zwischen dem Moderator und einer oder mehreren Personen geführt, ist das Gespräch im Vergleich zum Interview weniger stark ritualisiert, die Gesprächspartner sind in ihren Rollen offener. In den untersuchten Sendungen besteht die Tendenz, Interviews in Gespräche umzufunktionieren, indem der Moderator die Interviewer-Rolle durch eine Gesprächsleiterfunktion zu ersetzen versucht, beispielsweise in den Telefon-Dreiergesprächen der PopshopRubrik „Trau keinem über 30". Im Korpus findet man eine große Zahl solcher interviewähnlichen Gespräche zu den verschiedensten Themen. Kaum mit dem Interview verwandt sind Gespräche, die einen geringen Konventionalisierungsgrad aufweisen und als Plaudergespräche bezeichnet werden können, 25 wobei ihr informeller Charakter an Alltagsgespräche erinnert. Diese Textsorte tritt vor allem dann auf, wenn sich Moderatoren miteinander unterhalten. Diskussion Eine Spezialform des Gesprächs ist die Diskussion, bei der eine größere Zahl von Teilnehmern unter der Leitung des Moderators Meinungen und Argumente zu einem bestimmten Thema äußert. Diese im Fernsehen beliebte Textsorte (ζ. B. in der ZDF-Jugendsendung Doppelpunkt) ist für den Hörfunk problematisch, da bei rein akusti-

2 4 Vgl. dazu Schwitalla: Dialogsteuerung in Interviews 1 9 7 9 . 2 5 Diese Variante tritt bei Ramseier 1988 nicht auf, ist in den hier untersuchten Texten jedoch wichtig.

111

Sendungsablauf

scher Übermittlung die Sprecherzuordnung bei einer größeren Personenzahl schwierig wird. Diskussionen kommen in den Sendungen des Korpus sehr selten vor. 26 Kommentar/„Kritik" Unter Kommentar werden hier alle Texte verstanden, die primär wertenden Charakter haben. Insbesondere sind dies in den Sendungen des Korpus: Plattenkritik, Konzertkritik, Filmkritik, Buchbesprechung, sehr selten politischer Kommentar. Wertend können über die Textsorte Kommentar hinaus auch Statements, Glossen oder Moderationen sein. Glosse/Satire Glossen bieten eine unterhaltende Möglichkeit, zu einem Thema ironisch-satirisch Stellung zu beziehen. Die meist stilistisch „durchgeformten", genau vorbereiteten Texte dieser Textsorte werden häufig vom Band als „Beitrag" eingespielt, gelegentlich vom Moderator vorgetragen. Satiren bedienen sich verschiedener Textsorten, um kritische Unterhaltung zu bieten, beispielsweise wird in einer Pomi-Sendung eine Art Hörspiel vorgeführt. Sketch Sketch-Beiträge, die vor der Sendung auf Band aufgenommen worden sind, dienen primär der Unterhaltung. Sie können aus fast allen Textsorten schöpfen, so findet man im Korpus Parodien von Werbespots, Interviews, Buchbesprechungen und anderen relativ „eng" festgelegten Textsorten. Im Club-Wunschkonzert (NDR2) gibt es die Rubrik „Jokies" mit Ausschnitten u. a. aus dem Repertoire von Loriot, Otto, Hape Kerkeling sowie mit Sketchen, die Wunschkonzert-Hörer selbst produziert haben. In einer Wunschkonzert-Sendung (vgl. S. 379) definiert der Moderator Jokies folgendermaßen: „Relativ kurze, kleine Schnipsel, Gags, Jokes, Spaß, Witz, Humor."

2 6 Ein Beispiel für diese T e x t s o r t e ist eine Diskussion 1. M a i 86 mit jugendlichen Teilnehmern.

im Südfunk3

Point

am

112

Strukturanalyse

Ratschlag/Tip Einige Beiträge enthalten konkrete Hinweise, was in bestimmten Alltagssituationen zu beachten sei, Informationen werden mit appellativen Elementen versehen. Die Rubriken Service im Club und Testtip im Popshop sind auf die Textsorte Ratschlag hin angelegt. Moderationstextsorten Als Moderation wird hier alles bezeichnet, was vom Moderator (gelegentlich von mehreren Moderatoren im Wechsel) zwischen den Texten der oben angesprochenen Textsorten geäußert wird. Die strukturelle Funktion der Moderation liegt in der Überleitung von einem Sendeteil zum nächsten. Daher können Moderationstextsorten danach unterschieden werden, auf welche Teile der Sendung sich die Moderation bezieht: Programmoderation (ζ. B. Programmhinweis, Orientierung über die Sendung), Musikmoderation (ζ. B. Ansage eines Musikstücks) und Sachmoderation, die sich auf Wortbeiträge bezieht. Diese Textsorten treten jeweils in den Varianten Anmoderation und Abmoderation auf, je nachdem, ob der thematisierte Sendeteil noch folgt oder bereits vorüber ist. Manchmal versucht der Moderator durch eine Art Zwischenmoderation, Verbindungen zwischen den Sendeteilen herzustellen. Über diese die Sendung strukturierenden Moderationsformen hinaus sind Moderationstexte mit stärkerem Eigengewicht zu finden, vor allem die Kontaktmoderation27, bei der phatische Funktionen mit dialogischen Elementen in an sich monologischen Texten verstärkt hervortreten. Kontakt- und Wunschsendungen bzw. -sendeteile, die auch im Korpus vertreten sind, weisen einen hohen Anteil solcher Texte auf. Grundsätzlich können in die Moderation Texte anderer Textsorten eingefügt werden, beispielsweise Meldungen und Kommentare, so daß Übergangsformen zwischen Moderation und anderen Textsorten auftreten.

2 7 Ramseier 1988 führt sie ebenfalls an, vgl. S. 123.

113

Sendungsablauf

5.2.2. Strukturbeispiele Um die Grobstruktur der untersuchten Jugendsendungen28 zu erfassen, werden im Anhang, S. 361 ff., einige Ausschnitte aus „Ablaufplänen" vorgestellt. Ausgewertet wurden dafür die NDjR2-Jugendsendung Der Club, der SWF3 Popshop und Südfunk3 Point. Den Beispielanalysen liegen Aufnahmen vom 6 . 8 . 8 7 (Donnerstag) zugrunde; der Stichtag wurde zufällig ausgewählt mit dem Ziel, eine „Durchschnittsausgabe" 29 der jeweiligen Sendung zu erfassen, wobei organisatorische Gegebenheiten wegen der Parallelaufnahmen die Auswahl - wiederum zufällig — einschränkten. Berücksichtigt wurde alles, was bei NDR2, SWF3 und S3 am 6. 8. 87 zwischen 18.00 und 20.00 Uhr gesendet wurde, auch die nicht zur eigentlichen Jugendsendung gehörenden Elemente Nachrichten, Verkehrsmeldungen und Werbung, da der Höreindruck von diesen umrahmenden oder eingelagerten Teilen mitbestimmt wird. In den Ablaufplänen (S. 361 ff.) muß der Kürze halber eine Art Telegrammstil in Kauf genommen werden. Am linken Rand wird die Zeit fortlaufend angegeben. In der Kategorie Sendeform werden die einzelnen Teile der Sendung („Segmente") nach strukturellen und inhaltlichen Kriterien grob klassifiziert, vgl. dazu 5.2.1. Entscheidend für den Sendungsablauf ist die Funktion eines Segmentes, vor allem sein struktureller Stellenwert für die gesamte Sendung. Die strukturelle Funktion von Musik ist grundsätzlich „Abwechslung", allerdings hat Musik darüber hinaus ein starkes Eigengewicht in den Sendungen. Unter Themen/Inhalte sind zu den Wortanteilen Stichworte aufgeführt, die der Ergänzung und Konkretisierung dienen. Ferner sind die jeweils an einem Segment beteiligten Sprecher angegeben; dabei bezieht sich „Moderator" als Sprecherbezeichnung auf den Studiomoderator, der die Sendung von Anfang bis Ende „begleitet". Treten weitere Moderatoren auf, ist dies entsprechend vermerkt; die Ver28 bzw. Jugendsendungen

im weiteren Sinne, vgl. Kap. 1, Anm. 1.

29 D. h. insbesondere, daß keine Wochenendausgabe gewählt wurde und Spe-

zialprogramme wie das Kontrastprogramm am Mittwochabend {classic im club etc.) unberücksichtigt blieben.

im Club

114

Strukturanalyse

fasser von Berichten u. ä. werden als „Reporter" bezeichnet. Die Angabe der "Zeitdauer für einzelne Sendeteile soll einen Eindruck von der Ablaufgeschwindigkeit der Sendung vermitteln. 5.2.3. Analyse der Gesamtstruktur Das auffälligste dieser und weiterer, hier nicht im einzelnen vorgestellter Ablaufanalysen ist die strukturelle Ähnlichkeit der Sendungen aus dem norddeutschen und dem südwestdeutschen Raum. Die Beispiele zeigen die Grundprinzipien der Gestaltung „junger" Sendungen: Abwechslung und Regelmäßigkeit. I. Abwechslung: Verschiedene Sendeteile folgen rasch aufeinander. Moderation, Musik und Berichte, um nur die wichtigsten Sendeformen zu nennen, können unverbunden hintereinander stehen; am häufigsten ist dieses „Überraschungskonzept" in SWF3-Sendungen realisiert. Es entsteht der Eindruck einer schnellen, fast hektischen Folge verschiedener Segmente, so daß die Sendung als Mischung heterogener Elemente erscheint. Meist enthalten jedoch die Moderatoräußerungen strukturierende Hinweise (An- bzw. Abmoderation von Musik oder „Beiträgen"), so daß die Übergänge zwischen den Segmenten weniger abrupt wirken. Der Moderator gibt der Sendung damit einen gewissen Zusammenhalt, ohne den Eindruck der Heterogenität aufzuheben, denn mit der Zwischenmoderation werden weitere Sendeform-Wechsel eingeschoben. II. Die einzelnen Sendeteile folgen in gewisser Regelmäßigkeit. Der ständige Wechsel zwischen Wortteilen und Musik ist für Magazinsendungen konstitutiv. Vor allem die Wortblöcke sind selten länger als fünf Minuten, meist sogar erheblich kürzer (Moderation häufig nur wenige Sekunden). 30 Die sendungsimmanente Abfolge und Plazierung der Segmente ist regelmäßig und wirkt daher programmstrukturierend. Am konsequentesten ist diese Regelmäßigkeit bei 30 In der Live-Reportage „Fallschirmabsprung" (C/wfc-Beispielsendung) wird das Prinzip der Kürze mit einem Wortblock von über 8 Minuten ausnahmsweise durchbrochen.

Sendungsablauf

115

Nachrichtensendungen, Verkehrsmeldungen und Werbung eingehalten. Innerhalb der Sendung erwarten „Stammhörer" besondere Rubriken zu einer bestimmten Zeit, insbesondere Hitparaden werden regelmäßig an den gleichen Wochentagen vorgestellt. Der Blick auf das gesamte Material zeigt, daß trotz der Unterschiede zwischen den Einzelsendungen einer Jugendsendereihe einige Grundstrukturen relativ fest sind. So enthalten viele der Rundfunksendungen im Korpus „typische" Abfolgen wie: Musik — Abmoderation der Musik — Anmoderation des Beitrags — Beitrag — (Abmoderation des Beitrags) — (Anmoderation der Musik) — Musik. Die Anteile der einzelnen Wort-Sendeformen an der Gesamtsendezeit (vgl. Übersicht im Anhang, S. 358) schwanken, während der Musikanteil in fast allen untersuchten Sendungen bei knapp 2 / 3 der gesamten Sendezeit (einschließlich Nachrichten etc.) liegt. Der „Gesprächsanteil" ist in der Club-Sendung mit der Live-Übertragung ungewöhnlich hoch, wie der Vergleich mit quantitativen Strukturanalysen anderer Club-Sendungen zeigt (Musikanteil 65% bis 70%). Die Anteile der Wort-Sendeformen differieren zwischen den einzelnen Sendungen, da die radiospezifische Möglichkeit, durch Live-Schaltungen an den „Ort des Geschehens" Aktuelles in das Programm einzubeziehen, häufiger genutzt wird. Ferner prägt die individuelle Art des jeweiligen Moderators den Gesamteindruck einer Sendung, zumal die Gestaltung von Moderationssegmenten relativ offen ist (insbesondere im Vergleich zu eng festgelegten Textsorten wie Nachricht). In reinen Musiksendungen (ζ. B. SWF3: Hitline, Music Hall; NDR2: Club-Wunschkonzert, Internationale Hitparade) sind neben der Musik hauptsächlich Moderationstexte und strukturierende Kurzeinspielungen (Signets, Jingles) zu finden, gelegentlich auch unterhaltende Elemente wie Sketche. Welche Segmente die Sendung am nachhaltigsten prägen, hängt nicht nur von ihrem quantitativen Anteil an der gesamten Sendezeit ab, sondern auch von der Häufigkeit ihres Einsatzes. Durch die Kürze der Moderationssegmente ist ihr Anteil an der Gesamtsendezeit gering, sie zeigen jedoch neben der Musik in fast allen Sendungen die größte Auftretenshäufigkeit. Die hohe Frequenz bewirkt, daß

116

Strukturanalyse

diese Textsorte auch bei unaufmerksamem oder selektivem Hören aufgenommen wird. Die Struktur einer Sendung steht in Beziehung zum Programmumfeld, in das die Sendung „hineinpassen" muß. Um den Ablauf über den Tag hinweg verfolgen zu können, wurden am 6. 8. 87 von ca. 7.00 Uhr bis 24.00 Uhr Mitschnitte der Programme von NDR2 und SWF3 angefertigt. NDR2-Programm 05.30 - 09.00 Uhr

am 6. 8. 87 Frühkurier

09.00 - 1 2 . 0 0 Uhr NDR2 am Vormittag - Das Magazin 12.00 - 1 3 . 0 0 Uhr Mittagskurier 13.00 - 14.00 Uhr Plattenkiste 14.00 - 16.00 Uhr NDR 2 bis 4 Radioboulevard 16.00 - 17.00 Uhr Espresso 1 7 . 0 0 - 1 8 . 0 0 Uhr Abendkurier 1 8 . 0 0 - 2 0 . 0 0 Uhr Der Club 20.00 - 22.00 Uhr Pop nach acht - „Hits mit Willem" 22.00 - 22.15 Uhr Sport aktuell 2 2 . 1 5 - 2 4 . 0 0 Uhr Nachtclub „Bandstand" Zur vollen Stunde (im Frühkurier auch zur halben Stunde): jeweils ca. 5 Minuten Nachrichten. SWF3-Programm

am 6. 8. 87

06.00 - 09.00 Uhr Litfaßwelle 09.00 - 12.00 Uhr Funkboutique 12.00 - 1 3 . 0 0 Uhr Extra Drei 13.00 - 14.00 Uhr Musicbox 14.00 - 17.00 Uhr Radio-Kiosk 17.00 - 1 8 . 0 0 Uhr Music Hall 1 8 . 0 0 - 2 0 . 0 0 Uhr Popshop 2 0 . 0 0 - 2 3 . 0 0 Uhr Radioclub 2 3 . 0 0 - 2 4 . 0 0 Uhr Spezial Zur vollen Stunde (in der Litfaßwelle Minuten Nachrichten.

auch zur halben Stunde): jeweils ca. 5

Das Programmumfeld der untersuchten Jugendsendungen im weiteren Sinne besteht jeweils hauptsächlich aus Magazinsendungen, Unterschiede gibt es in bezug auf den Stellenwert der Jugendsendung im Gesamtprogramm. Da alle SWF3-Sendungen „jugendlich" wirken

Rolle des Moderators

117

wollen, könnte Popshop als bloßer Name für die beiden Programmstunden von 18 bis 20 Uhr angesehen werden. Andererseits — und das rechtfertigt die Berücksichtigung der Pops/?o/?-Sendereihe als Jugendsendung im weiteren Sinne - orientiert man sich auch bei SWF3 an den im Tagesablauf jeweils „wahrscheinlichsten" Hörergruppen. Bei anderen Sendern wird die Sendezeit von 18 bis 20 Uhr genutzt, um eine Jugendsendung im engeren Sinne auszustrahlen. Diese Sendungen versuchen sich vom sonstigen Programm abzugrenzen, zeigen aber auch (wechselseitige) Verbundenheit mit anderen „jugendorientierten" Sendungen des Senders. Sogar das Vormittagsprogramm, dessen Zielgruppe sicher nicht primär Jugendliche sind, knüpft ζ. T. an Strukturen und Formen der Jugendsendungen an. Ob und in welchem Maße solche „Anleihen" gemacht werden, hängt vor allem vom Moderator ab. Wenn dieser sowohl Jugend- als auch Vormittagsmagazinsendungen moderiert, dürfte das die Übernahme „jugendlicher" Elemente in das „allgemeine" Programm fördern. Tendenzen zur Vereinheitlichung der ganzen Senderkette in Richtung „junges Programm" sind über den SWF hinaus auch bei anderen Sendern31 zu beobachten.

5.3.

Rolle des Moderators

Der Moderator einer Magazinsendung hat die Aufgabe, die Sendung zu strukturieren bzw. die Struktur zu verdeutlichen, um die heterogenen Segmente „zusammenzuhalten". Moderation ist zunächst Programmbegleitung, erhält aber — ζ. T. erhebliches — Eigengewicht. In den live produzierten Segmenten (neben den eigentlichen Moderationstexten vor allem Meldungen, Gespräche und Interviews) spielt der Moderator die entscheidende Rolle. Die Rolle des Moderators wird an dieser Stelle aus Rezipientensicht dargestellt, indem Ergebnisse der Fragebogenaktion (F9 ff.) herangezogen werden. Der weitaus größte Teil der Befragten (80%) hält die Moderation für wichtig, die Haupt- und Berufsschüler legen etwas weniger Wert 31 u. a. einige Privatsender.

118

Strukturanalyse

darauf als die übrigen Gruppen32 Die Argumente, mit denen die Jugendlichen ihre Einschätzung begründen (F10), wurden grob kategorisiert, um daraus einige Moderationsfunktionen aus Rezipientensicht zu ersehen: Moderation ist wichtig: — Strukturelle Funktion: Der Moderator füllt die Lücken zwischen den Musikstücken, lockert die Sendung auf und sorgt für Übergänge und Abwechslung.33 — Informationsfunktion: Zusätzliche Informationen (vor allem zur Musik) werden vermittelt; Beispiele für Moderationsinhalte sind Informationen zu Interpreten, Titel, Berichte. — Unterhaltung: Moderationsbeiträge gestalten die Sendung lustiger und unterhaltender, als es durch ein reines Musikprogramm möglich wäre. — Moderator als persönlicher Begleiter: Mit Hilfe von Negativ-Umschreibungen werden positive Merkmale moderierter Sendungen herausgestellt: sonst unpersönlich, sonst könnte man Platten hören. Positiv wird der Aspekt der „persönlichen Kontaktaufnahme" ζ. B. so ausgedrückt: Eine Musiksendung muß gut rüberkommen durch die Moderatoren. — „Guter" Moderator: Mit Negativmerkmalen wird begründet, warum „gute" Moderation wichtig ist: Ich schalte ab, wenn in die Musik reingeredet wird oder bei dummen Sprüchen. Moderation ist unwichtig: — Musik ist wichtiger als die Moderationsanteile: Das Interesse an der Sendung liegt vor allem darin, Musik hören zu können: ich will Musik hören, Musik ist das eigentlich Interessante. — „Schlechter" Moderator: Störende Merkmale der Moderation werden hervorgehoben: viel Nebensächliches; dazwischenquatschen. 32 Antwort auf F10, vgl. Tabelle im Anhang, S. 355. 33 Kursive Schrift deutet den Zitatcharakter an: Die Ausdrücke sind aus den Fragebögen entnommen.

119

Rolle des Moderators

Die „Begleitfunktion" des Moderators wird erkannt und als wichtig angesehen, und zwar strukturell, inhaltlich und auf der Beziehungsebene. Zusammengefaßt läßt sich die (von der Mehrheit der Befragten gewünschte) Funktion der Moderation so beschreiben: Der Moderator soll Informationen (zur Musik, aber auch darüber hinaus) geben, interessant und unterhaltend die Musikstücke verbinden, insgesamt die Sendung abwechslungsreich gestalten und die Hörer „angemessen" ansprechen. Wenn der Moderator diese Funktionen jedoch nicht „gut" ausfüllt, würden viele lieber auf die Moderation verzichten. So möchten diejenigen, die der Moderation keinen hohen Stellenwert einräumen, entweder das Medium Hörfunk ausschließlich als Musikmedium nutzen oder sind mit der Art und Weise, wie moderiert wird, unzufrieden und legen daher keinen Wert auf diese „Begleitung". Für andere ist die Moderation jedoch so wichtig, daß die Entscheidung für eine Sendung auch davon abhängt, wie „gut" sie moderiert wird. Bildlich drückt das die 15jährige Braunschweiger Gymnasiastin Fiena (FB-Nr. 52) aus: Moderation Verpackung

ist wie die Verpackung einer Pralinenschachtel, kaufe ich die Pralinen nicht.

bei

schlechter

Was für sie eine „gute" bzw. „schlechte" Moderation ausmacht, äußern die Jugendlichen, wenn sie Positiv- und Negativmerkmale der Moderation von Jugendsendungen34 aufführen (F9, vgl. S. 349). Der sprachwissenschaftlichen Fragestellung entsprechend interessiert besonders, inwieweit in den Antworten sprachliche Merkmale der Moderation berücksichtigt werden. Nicht eindeutig zu klären ist, ob Gesamteindrücke wie locker, spritzig, cool, lässig oder gut die sprachliche Gestaltung betreffen oder ob sie sich auf den Ablauf der Sendung oder sogar auf Inhalte beziehen. Die meisten bewerten jedoch auch den Moderator in seiner Funktion und Leistung, meist allgemein, ζ. B. mit gut oder öde. 8 weibliche Befragte der Gruppe Süd erwähnen ganz konkret SWF3-Moderator Elmar Hörig: Einerseits wird das Gelaber von Elmar Hörig als saugut (w, 15J, Gym, MA, FB-Nr. 1010) bezeichnet, seine Witze über 34 Der Club für die Gruppe Nord, Popshop und Point für die Gruppe Süd.

120

Strukturanalyse

Modern Talking (w, 15J, RS, BK, FB-Nr. 1264) begrüßt und es überhaupt für „gut" befunden, wenn Elmi moderiert (Babsi, w, 16], RS, BK, FB-Nr. 1270), andererseits kritisieren z.T. dieselben Schülerinnen, daß Elmi immer die Gruppe Modern Talking fertigmacht (Babsi, FB-Nr. 1270) und parteiisch ist. Darüber, ob die Moderatoren persönliche Meinungen äußern sollten, gehen die Auffassungen auseinander (vgl. 7.1). Ebenfalls umstritten ist die Art und Weise, wie der Moderator die von fast allen Befragten erwartete Unterhaltungsfunktion erfüllt. Auf der positiven Seite findet man hier fetzige/ gute/ lokkere/ spontane/ lustige/ coole/ geile Sprüche, Witze, Jokes, Quatsch, was Schwung und gute Laune in die Sendung bringt, sogar mitreißt. Negativ werden die gleichen Elemente als blöde/ lahme/ saudoofe/ unverschämte/ nervende Sprüche und alte/ flache/ dumme! blöde/ niveaulose/ kindische/ hergeholte Witze bezeichnet. Herumgelaber über unnötiges Zeug schlägt sich in der Beurteilung ebenfalls negativ nieder. Insbesondere kritisieren die Jugendlichen, daß in die Musiktitel reingelabert werde. Damit ist gemeint, daß der Moderator während des Musikvorspanns („Intro") noch redet und schon wieder moderiert, wenn die Musik noch läuft. In die Musik reinreden ist der mit Abstand am häufigsten (insgesamt 157mal) genannte Kritikpunkt, die „Störfunktion" der Moderation, 3 5 da viele Jugendliche die Musik aus dem Radio auf Kassetten aufnehmen, um den Kauf von Platten durch das viel preiswertere Mitschneiden zu ersetzen. Außersprachliche Aspekte wie das „Aufnehmen" dürfen nicht unterschätzt werden, denn solche praktischen Probleme beeinflussen die Meinung jugendlicher Hörer zur Moderation mehr als sprachliche Details. Ein pragmatischer Bereich, der die sprachliche Realisierung der Moderation betrifft, ist die Kontaktmoderation oder allgemeiner der „Hörerbezug". Hier interessiert vor allem: Wie gut fühlen sich die Jugendlichen angesprochen? Was fällt ihnen an sprachlichen Mitteln, die den Hörerbezug herstellen sollen, auf? — Weitgehende Übereinstimmung besteht darin, daß man angesprochen werden will, speziell 35 Auch eingeschobene Verkehrsmeldungen werden kritisiert.

Rolle des Moderators

121

als Jugendlicher. Als geeignete Mittel nennen einige (wenige) Jugendsprache; passen sich dem Jugendstil an o. ä., andere (ebenfalls nur wenige) kritisieren gerade, daß die Moderatoren immer so reden wollen wie Jugendliche. Als positiv wird angesehen, wenn in Jugendsendungen jüngere oder jung wirkende Moderatoren eingesetzt werden, negativ sei es, wenn alte Moderatoren auf jung machen. Das Alter der Moderatoren (F12, vgl. S. 349) wird auf durchschnittlich 30,3 Jahre geschätzt, was zwar nicht sehr hoch, aus der Sicht 15- bis 16jähriger jedoch „relativ alt" ist, im übrigen eine recht realistische Schätzung. 36 Zum „Hörerbezug" erwähnen einige Jugendliche dialogische Elemente: Man werde direkt oder persönlich angesprochen; die Moderatoren redeten so, als ob man da wäre. Hörerbeteiligung über Telefon sei prinzipiell gut, allerdings mit Einschränkungen: Hörer am Telefon werden nicht immer ernst genommen, der Moderator verarscht sie oder ist zu flapsig, was leicht veräppelnd wirken kann. Spontane weitgehend unvorbereitete Gespräche zwischen Moderator und Hörer oder mehreren Moderatoren werden skeptisch beurteilt. Mit den meisten Äußerungen thematisieren die Jugendlichen Moderationselemente, die direkt (Titelansagen, Kommentare zur Musik) oder indirekt (Interviews mit Musikern) auf Musik bezogen sind. Die Priorität der Musik gegenüber Wortanteilen spiegelt sich auch in der Einschätzung der Moderation. Dieses Ergebnis der Fragebogenaktion hat insofern Konsequenzen für die Sprachanalyse in den folgenden Kapiteln, als die „Moderation rund um die Musik" verstärkt berücksichtigt wird. Weitere Ansatzpunkte für die Analyse sind die von den Befragten genannten Moderationsfunktionen, ζ. B. Hörerbezug, Information und Unterhaltung.

36 Die Rundfunkanstalten geben das Alter der Jugendfunkmoderatoren mit Anfang 20 bis etwa 40 Jahre an.

6. Sprach- und Stilanalyse

In diesem Kapitel steht die „Arbeit am Text" im Vordergrund. Ziel der funktional gegliederten deskriptiven Analysen ist es, das Material systematisch und aspektreich vorzustellen, um schließlich zu Stilcharakterisierungen zu gelangen. Die Kategorisierung stützt sich daher auf textfunktionale Kriterien, die an die Strukturanalyse (Kap. 5) anknüpfen.

6.1.

Strukturieren und Orientieren

Magazinsendungen sind aus Musik- und Wortteilen, diese wiederum aus unterschiedlichen Textsorten 1 zusammengefügt. Um die „Schnittstellen" und die Art, wie die verschiedenen Teile zusammengehalten werden, geht es unter dem Stichwort Strukturieren. Die Information über das laufende und das zu erwartende Programm (Orientierung) hat ebenfalls einen hohen Stellenwert, da meist „nebenbei" und nur selektiv „intensiv" Radio gehört wird. 6.1.1. Sender- und Sendungskennung „Achtung, Achtung, hier ist Berlin auf Welle 400 Meter. [...]" 2 Die erste Rundfunksendung am 29. 10. 1923 begann mit einer Orientierung. Zur Angabe von Senderbezeichnung und Sendungstitel sind heute folgende Anfangsmuster typisch: 1 2

Einige Textsorten sind in 5.2.1 kurz erläutert. Zitiert nach: Steinmetz et al.: Kommunikation 1987, S. 89.

123

Strukturieren und Orientieren

„Kopfansage I"

3

„Kopfansage II" (Anmoderation)

NDR 2 Der Club

SWF3 Popshop

SIGNET „NDR 2 " SP 4 : Sie hören NDR 2 = JINGLE/ERKENNUNGSMUSIK M: (ZEIT), (hier ist) NDR 2 der Club, am Mikrofon VOR- UND ZUNAME MUSIK

SIGNET „SWF 3 " SP: SWF 3 Popshop M: Am Mikrofon VOR- UND ZUNAME MUSIK M: (ZEIT) SWF 3 Popshop

Aufmerksamkeit für die beginnende Sendung erwecken die nur teilweise verbalen Mittel Signet und Jingle in der (vom Band eingespielten) „Kopfansage I". Die nachfolgende live gesprochene „Anmoderation" wird hier in Erweiterung der Definition (Anm. 3) als „Kopfansage II" bezeichnet, zumal auch sie weitgehend standardisierten Mustern folgt: Senderbezeichnung, Sendungstitel und Moderatorname werden in elliptischer Form genannt. Die starre Modellform zu Beginn einer insgesamt „locker" gestalteten Sendung wird gelegentlich unterhaltsam variiert: NDR 4 3 2, Der Club. Am Mikrofon begrüßt euch [...] C 5

Mit zunehmender Zahl an Rundfunksendern, die an einem Ort über Antenne oder Kabel empfangen werden können, werden Orientierungseinschübe über den eingeschalteten Sender immer wichtiger. Die Sendungen im Korpus enthalten bis zu zehn Kennungen pro Stunde. Durch ihr häufiges Auftreten wird dem Hörer auch bei kurzer Verweildauer und geringer Aufmerksamkeit Sicherheit verschafft, das „richtige" Programm gewählt zu haben. — Der Moderator nennt „zwischendurch" Sender und Sendung, häufig in Verbindung mit Zeitangaben: 3

4 5

„Von den Redaktionen [...] vorgefertigte Ansage für den Beginn der Sendung. Die Kopfansage enthält Titel, evtl. Thema und Name des Autors bzw. Moderators der Sendung." Radio-Journalismus 3 1986, S. 309. SP = Sprecher (nicht der Moderator); Μ = Moderator. Siglen der am häufigsten berücksichtigten Sendungen: C: Club (NDR2), PS = Popshop (SWF3), WK = Wunschkonzert (NDR2), HL = Hitline (SWF3), ERS = Elmi Radioshow (SWF3), Poi = Point (S3), Wi = Willemshow (NDR2).

124

Sprach- und Stilanalyse

MUSIK Oh, gefällt mir gut, die Neue von Channel Five aus Hamburg = „Young Girls Talk Too Much". NDR2, der Club, 18 Uhr 49, Jetzt ein ernstes Thema bei uns. [...] C

Syntaktisch sind Zeit-, Sender- und Sendungsangaben auf Nominalgruppen reduziert. Verbalgruppen, die „vollständige" Sätze wie* Ihr habt NDR2 eingeschaltet und hört gerade die Sendung „Der Club". Es ist jetzt 18 Uhr 49 erzeugten, erübrigen sich aufgrund des ständig präsenten Kontextes „laufende Rundfunksendung". Die Reduktion auf die informationstragenden Elemente bringt eine ausgeprägte Betonung jeder Einheit mit sich: AchtzEhn uhr und drEiundzwanzig

minüten,

Es we efdrEI pOpshop =

6

PS

Die „eingestreute" Sendungskennung wirkt strukturierend, ermöglicht sogar abrupte Themenwechsel, vor allem den Wechsel zwischen Musikmoderation und Wortbeitrag (vgl. 6.1.6). — Der Moderator nimmt den Sendungstitel in verschiedenen Zusammenhängen auf, spricht ζ. B. von Themen im Club: Die Sendung wird genannt und gegebenenfalls thematisiert: „Run Run Away", nein nein nein, nicht gleich davonlaufen, der Club fängt doch erst an. [...] Viel Spaß bis 20 Uhr. Macht, was ihr wollt, aber hört den Club. [...] C

Beim Popshop legt man auf den Sendungstitel weniger Wert, man verwendet meist die Senderbezeichnung SWF3: Serie bei SFW 3 = „Trau keinem über 30", [...] PS

Komposita mit der Sender- bzw. Sendungsbezeichnung als Bestimmungswort verbinden Inhalte, Objekte und Personen, die als Grundwort in die Wortbildung einfließen, eng mit der Sendung: Clubmoderator/in C, Clubreporterl telefon C, SWF3-Auto PS Club-Oldie C, Wunschkonzert-Oldie Club-Sonder-Spezialservice rant Nummero

6

drei WK,

in C, Clubteam

C, Clubstudio

WK, Club-Bonbon

C, Popshop-Power

PS,

C

Wunschkonzert-Titelaspi-

Wunschkonzert-Scherbensammlung'WK

Detailtranskription, vgl. Anhang, S. 372.

C, Club-

125

Strukturieren und Orientieren

SWF3-Open-Air PS, SWF3-Radiosommer PS, Club-Fete C, Point-Radio-Summer-Show Poi Aus Ad-hoc-Bildungen entstandene feste Benennungen: Wuwu,

die

Wunsch-

konzertwundertüte WK, SWF3-Card-Radio

Auch die Hörer der Sendungen werden auf diese Weise mit der Sendung verbunden, so gibt es beispielsweise SWF3-Hörer PS, Clubhörer C, Wunschkonzerthörer WK, sogar das Wunschkonzert-Herz der Fans WK.

— Sender- bzw. Sendungskennungen werden während der Sendung als Jingle oder Spruch vom Band eingespielt: Durch Effekte wie Hall und Verzerrungen werden aus sachlich-neutralen Ansagen unterhaltende Varianten abgeleitet: SWF3 dr dr dr dr dr drei Hit Hit Hit Hit Line, jeden Sonntag von 18 bis 20 Ohr.

Kurze Ausschnitte aus Popmusikstücken werden als Originaleinspielungen mit Ansagen verbunden: SP: Hier ist einer für alle. MUSIK-Ausschnitt:

NDR 2 der Club. One for you, one for

me.

Popstars übernehmen die Senderkennung in den durch US-Radios inspirierten Promotion-Einspielungen („Promos" 7 ): Also, ich wollte nur gerne sagen, daß Bruce and Bongo finden =

(engl,

buchst.:) NDR zwei der Club is g-g-geil.s

Reime verleihen den Einspielungen Spruchcharakter: Sprecher: wenige Takte M U S I K

Abendrot

der Popshop

droht.

M U S I K wiederholt

Als „Spruch" aufzufassen ist die Phraseologismus-Variation von [...] die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt (Werbung): Der Club. + Die musikalischste Versuchung, seit es Radio gibt. 7

„ [ . . . ] P r o m o s , in denen bekannte Interpreten mit ihrer eigenen Stimme für den Diskjockey und seine Sendung und Station P r o m o t i o n m a c h e n . " R a d i o - J o u r nalismus 3 1 9 8 6 , s. 93.

8

Musikstück von „Bruce and B o n g o " : „Geil".

126

Sprach- und Stilanalyse

Phraseologismen werden remotiviert eingesetzt: SWF3 Popshop

Wir lassen die Sau raus. MUSIK

SCHWEINEGRUNZEN

In einer Powi-Kennung wird eine regional gefärbte Jugendsprachphrase (selbst) ironisch auf die Sendung angewendet: MUSIK Point + echt geil, gell?

Die Sender- und Sendungsorientierung trägt zum Gesamtstil der untersuchten Medientexte entscheidend bei, da hierbei kompakte — syntaktisch meist auf den Nominalkern reduzierte — formelhafte Wendungen wiederholt auftreten; variiert wird die Sendungs- bzw. Senderkennung durch Komposita und „Sprüche". Die klassische Form der Ansage ist zu Beginn und ζ. T. am Ende der Sendungen zu finden. An die Stelle sachlicher Orientierung tritt häufig ein unterhaltend gestalteter Hinweis auf den Sender bzw. die Sendung, beispielsweise durch Spruch-Einspielungen realisiert. 6.1.2. Vorausschau auf einzelne Sendesegmente In fast allen Club- und Point-, einigen Wunschkonzert- sowie den älteren (1986) SWF3-Sendungen wird zu Beginn — nach dem Anfangsmuster, der Begrüßung und dem ersten Musikstück — ein kurzer Überblick über die in der Sendung enthaltenen Wortbeiträge und Rubriken gegeben. — Die Themen der Beiträge werden im Schlagzeilenstil genannt: Die Themen im Popshop, Ausgabe Donnerstag, 24. April: HINTERGRUNDMUSIK Einigkeit und Abriß: Wie der Stadtrat Simmern sich um die Jugendlichen kümmert. H M Mädchen und Mode: Was trägt man, um in zu sein? HM Hear and Aid: Jetzt singen auch die Heavy Metaller für Afrika. H M Außerdem neue Platten von den Bangles und den Jets und Peter W. Jansens Filmkiste mit „Maxi" und „Heilt Hitler". PS

Mit zweigliedrigen nominalen Schlagworten wird jeweils ein Thema angerissen und im angeschlossenen kurzen Satz mit der Verbalphrase auf das Problem hingewiesen. Der letzte Teil der Programmankündigung besteht aus einer Aufzählung von Nominalgliedern in Objekt-

127

Strukturieren und Orientieren

funktion, die Verbalphrase ist durch den Kontext ersetzt, eine durchgängig beobachtete Tendenz. — Die T h e m e n der geplanten Beiträge werden genannt, teilweise durch Informationen oder Kommentare ergänzt: Was gibt es heute für Themen im Club? Ganz interessante Dinge, unter anderem den üblichen Service im Club am Montag, heute geht s ums Mietrecht für Wohngemeinschaften = Dann gibt es eine Wiederholung, und zwar einer Sache, die wir vor einigen Jahr-η schon mal hatten, nämlich Tips für Motorradfahrer von Weltmeister Egon Müller, sehr sehr wichtige Tips für Leute, die jetzt ihre Maschine raushol-n und wieder auf die Straße geh-n wolln. Dann Teil 15 der Beatlemania und einen Bericht über den ersten Jugendkongreß des DGB in Hamburg.C Die stellvertretend für die Hörer gestellte Frage (vgl. auch 6.4) beantwortet der M o d e r a t o r zunächst pauschal wertend, nennt dann die geplanten T h e m e n . In der prinzipiell elliptischen, knapp gehaltenen Aufzählung fällt die ausführliche Kommentierung des T h e m a s „Tips für M o t o r r a d f a h r e r " auf, dessen Bedeutsamkeit der M o d e r a t o r nachdrücklich herausstellt. Die folgenden T h e m e n werden dagegen wieder inhaltlich und syntaktisch knapp genannt. — Gelegentlich werden sogar Angaben zur Sendezeit gemacht: Hier ein kleiner Wegweiser durch die heutige Sendung = H M ( + + + +) Kurz nach halb 7 = „Filmmusik und Soundtracks", + heut ein Film-Oldie, + + gleich danach dann ein Wunschtitel aus der Reihe „Made in Germany", aus deutschen Studios, + gegen 18 Uhr 45, viertel vor 7, dann die „lange Rille". + Heute gute sieben Minuten lang. + Nach dem Verkehrsstudio um 19 Uhr dann die „Hits der Woche", die ersten drei, wie immer non-stop. + + Und dann circa ab 19 Uhr 20 die „Kontaktecke", heute wieder per Telefon, das heißt, ihr könnt uns anrufen und euer Kontaktgesuch telefonisch loswerden bei uns und zwar genau = ab jetzt. Ruft uns an. [...] WK Der M o d e r a t o r nennt in adverbial eingeleiteten Nominalphrasen die ungefähre Uhrzeit und die Rubriken, jeweils durch Kurzinformationen ergänzt. Beim Programmpunkt „Kontaktecke"

wechselt er zu

dialogischem Moderieren (vgl. 6.4) mit verb-dominierter Syntax. Das Beispiel illustriert auch die Wirkung von

„Insiderbenennungen":

Welche Programminhalte sich hinter den Rubrikbezeichnungen verbergen, ist nur regelmäßigen Hörern bekannt.

128

Sprach- und Stilanalyse

— Durch Andeutungen wird versucht, Spannung zu erzeugen: Vage „angekündigt" werden gelegentlich „besondere Ereignisse", ζ. B. die Fallschirmabsprung-Liveübertragung (vgl. auch 5.2): Heute hab-n wir viel vor bis 20 Uhr. Wir werden in die Luft geh-n, auch wieder runterfall-n und außerd-m Musik machen und vielleicht auch noch platzen, ich weiß es nich. Eine ganze Menge haben wir vor. (BETONT:) Bleibt dran! C

Diese „Programmankündigung" unterscheidet sich vom unpersönlich und komprimiert nominal formulierten „Normalfall" stilistisch vor allem durch den ausgeprägten Gebrauch des Pronomens wir und semantisch vieldeutiger Verbalausdrücke. Mit Mehrdeutigkeit spielend, remotiviert der Moderator den Phraseologismus in die Luft gehen, was der Hörer höchstens ahnen kann. — Die Vorschau erhält „Announcement"-Charakter: Der Club präsentiert stolz = heute abend die Neue von Channel Five, zum ersten Mal im Radio auch die Neue von Lake, zum ersten Mal auch im Radio die Neue von Queen. HM 4- Zum ersten Mal bei uns eine neue HardrockBand aus Hannover namens Stno = + und zu Gast bei uns = die Gruppe Clowns und Helden. Dazu hab-n wir noch einen Beitrag, + und der betrifft rheumakranke Jugendliche. [...] C

Programmankündigungen dienen dazu, Interesse für die Sendung zu wecken. Hier versucht der Moderator in „Announcer"-Manier, das Programm zu „verkaufen", wobei ihm die Aktualität (neue Platten) das Hauptargument liefert. Durch die Wiederaufnahme der Ausdrücke die Neue von und zum ersten Mal entstehen Parallelbildungen, die intensivierend wirken. Die Aneinanderreihung der adverbial erweiterten Nominalgruppen erscheint als atemlos vorgetragener Block, an den die Ankündigung eines ernsten Themas sehr ruhig angeschlossen wird. Die meisten Programmankündigungen sind Zwischenformen, für die aus den sachlich informierenden, locker kommentierenden, narrativ spannungserzeugenden und persuasiven Elementen der hier skizzierten Formen ausgewählt wird.

Strukturieren und Orientieren

129

6.1.3. Kennung von Sendungsteilen Sender- und Sendungskennungen sind primär orientierend, die Kennungen zu unmittelbar folgenden Sendesegmenten haben vor allem strukturierende Funktion. Die Zugehörigkeit eines Beitrags zu einer Reihe (Rubrik) wird fast immer durch ein Jingle gekennzeichnet. Meist mit musikalischen Elementen gestaltet, erzeugen Jingles vor — seltener auch nach — einem Beitrag bereits auf der Ebene der lautlichen Realisierung Abwechslung im Sendungsablauf. Nur-musikalische Jingles sind lediglich für die Hörer wirklich Kennungen, die Hörerfahrungen mit der Sendereihe haben. Ihre Strukturierungsfunktion erfüllen Jingles jedoch bereits, wenn die Eigenschaft „Sendungsteil-Kennung" erkannt wird, zumal der Moderator den konkreten Inhalt meist hinzufügt. — Ausschließlich mit Geräuschen gestaltet (Signet): Kennungen von Verkehrsmeldungen, Werbung, Nachrichten — Instrumentale Erkennungsmusik: M l : [...] und im Studio ist Reinhold Kujawa. JINGLE „Kurzmeldungen"/„Club aktuell" M2: Und zwar mit „Club aktuell" zum Winteranfang.

[...] C

— Musikalisch untermalte Ansage der Rubrik: Service im Club C

— Zusammenspiel von Ansage und Musik/Geräuschen: WÄHLEN Sprecher:

LÄUTEN SWF3 Telefonporträt

PS

— Von mehreren Sprechern unter Einsatz von Musik oder Geräuschen realisierter Hinweis auf die Rubrik: MUSIK (FILM) GERÄUSCHE (ijoing) SP1: SWF3 Filmkiste = SP2: Filmtips

von Peter W. Jansen

Meist ergänzt der Moderator die Kennung, indem er den Namen der Rubrik aufgreift und den speziellen Beitrag aus der Reihe ankündigt, seltener Gestaltungselemente der Jingles aufgreift:

130

Sprach- und Stilanalyse

wS 9 : Das NDR2 'Wunschkonzert (sehr laut:) Live! mS: mit der langen Rille. + Live! Μ: Τ ja, heute is die sieben Minuten lang, die lange Rille, ich will euch erstmal sagen, wer heute — diese Rubrik zu verantworten hat, wer sich den Titel mit Überlänge wünscht= [... | W K JINGLE „Lange Rille" M: Ich weiß gar nicht, warum ihr mich immer so anschreien müßt. Live! WK

6.1.4. An- und Abmoderation von Beiträgen Zusätzlich zur Jingle-Kennung werden die meisten Sendesegmente vom Moderator angesagt und eingeleitet, seltener auch abmoderiert. Anmoderationen von Wortbeiträgen enthalten Kurzinformationen zum Thema, die Namen der beteiligten Personen (Reporter, Interviewpartner) und Angaben zum „Ort des Geschehens": Vor 75 Jahren sank der Luxus-Liner Titanic. Seit ein paar "Wochen versucht jetzt ein französisches Unternehmen, Wertvolles von Bord des Schiffes zu bergen. Ob wirklich die vermuteten Schätze ans Tageslicht kamen, darüber war bisher kaum etwas zu erfahren. Heute gab die Bergungsfirma in New York eine Pressekonferenz. Tilmann Rascher, Sie waren gerade dort. Sind die Taucher denn fündig geworden?

Die Problemschilderung in dieser Pops/?op-Moderation ist syntaktisch und morphologisch an geschriebener Sprache orientiert. Es werden grammatikalisch „vollständige" Sätze gebildet, die Endsilben relativ deutlich ausgesprochen (kaum Elisionen) und die Tempusform Imperfekt verwendet, was beinahe hyperkorrekt anmutet. Durch das namentliche Ansprechen des Reporters 10 und die gesprächseröffnende Frage verknüpft der Moderator die Anmoderation mit dem Bericht, den mit einer komprimiert formulierten Absage beendet: Das war Tilmann Rascher aus New York zur Bergung der Titanic. PS

Über Telefon oder vom Band eingespielte Beiträge werden meist in der erwähnten Grundform angesagt, besonders beim Popshop. Das 9 wS = weibliche Stimme, mS = männliche Stimme. 10 Zur Medien-Anredeform mit Vor- und Nachnamen vgl. 6.4.

131

Strukturieren und Orientieren

Korpus enthält ferner ausführliche schriftorientierte Form aufgelockert träge aus dem Studio anmoderiert, reits anwesend sind und dialogische

Anmoderationen, in denen die ist. Relativ frei werden Live-Beiwenn die Gesprächspartner beMittel eingesetzt werden:

SITUATION: Μ und K 1 1 parodieren im Club spontan(?) die NDR2-Sendung Hit oder Niete ihres englischen Kollegen. M: (mit Akzent) Du warst gestern in die Sade-Konzert.

LACHT

M: + („normal") Reinhold Kujawa bei mir im Studio, K: ja. L A C H T

Reinhold

M: du warst gestern bei Sade, und als du da losgegang-n bist, w! würd ich mal deine Gefühle als gemischt beschreiben von außen. Äh, du hattest M: ja wohl vermutet, daß es langweilig würde, war s langweilig? K: (leise) ja. K: („normal") Das war s keineswegs,

[...]

C

6.1.5. An- und Abmoderation der Musik Da die Informations- und Kommentaraspekte der Musikmoderation in 6.2 bzw. 6.3 angesprochen werden, interessiert hier zunächst, inwieweit die nach Meinung vieler jugendlicher Rezipienten entscheidende Moderationsfunktion „An- und Absage der Musik" überhaupt erfüllt wird und welche sprachstrukturellen Mittel eingesetzt werden. Im Vergleich zu anderen Magazinsendungen werden in den hier untersuchten Jugendsendungen im weiteren Sinne meistens zumindest die Titel der Musikstücke und die Namen der Interpreten mitgeteilt. Am wenigsten konsequent ist dieser Orientierungsservice in den Fops^op-Sendungen durchgehalten, wenn zwei (seltener drei) Musikstücke hintereinander gespielt werden, die Musikmoderation jedoch nur ein Stück aufgreift.

11 Μ = Moderator; Κ = Kommentator, der die Konzertkritik vorträgt.

132

Sprach- und Stilanalyse

Die Möglichkeit der Abmoderation von Musik wird insgesamt stärker genutzt als die der Anmoderation, allerdings hängt dies von der Sendung und vom Moderator ab. Im Wunschkonzert wird der Titel eines Musikstücks grundsätzlich genannt, bevor es gespielt wird, teilweise zusätzlich danach. An- und Absage desselben Stücks bewirken Redundanz, die vor allem bei Neuerscheinungen dem Informationsbedürfnis der Hörer entgegenkommt und darüber hinaus zur Popularisierung des Stücks beiträgt: M: Hier ist die Neue von Lake aus Hamburg — „More Than a Feeling". MUSIK: „More Than a Feeling" M: Wunderschöner Ohrwurm von Lake aus Hamburg = „More Than a Feeling". C

Besonders konsequente Orientierungen über Titel und Interpreten zeigen Hitparadensendungen wie Hitline (SWF3), Internationale Hitparade (NDR2), Super 8 (S3), Klopfer des Nordens (NDR2), Ausschnitte aus der englischen und der amerikanischen Hitparade im Popshop, European Hot 100 im Club. Dort ist die Musikmoderation mit Angabe von Titel, Interpret und Hitparadenplazierung konstitutiv, und sei es en bloc: Von 9 auf 17= „Call Me" und Spagna, SINGT: Call Me.12 Von 13 auf 16 „Friday On My Mind" von Gary Moore + gefallen η bißchen. Und von 28 auf 14, endlich mal was gestiegen— U2 und ,Where the Streets Have No Name". Also jetzt erstmal Spagna = H L

In Wunschsendungen wird die Titelorientierung durch den Namen und den Wohnort des „wünschenden" Hörers ergänzt: Der Titelsong wird gesungen von David Bowie = „Absolute Filmmusik-Wunsch von Volker K. aus H. W K

Beginners",

der

Das An- bzw. Abmoderieren von Musikstücken ist die in allen untersuchten Sendungen am weitaus häufigsten realisierte „Moderationsaufgabe". Neben der „Grundform" interessieren hier stilistische Varianten, die trotz des prinzipiell immer gleichen Musters für Abwechslung sorgen. 12 Singt die erste Refrainzeile, ahmt die Instrumente nach.

Strukturieren und Orientieren

133

Die Minimalanforderungen werden erfüllt, wenn der Name des Interpreten und der Titel des Stücks direkt genannt werden: M: Hier sind Latin Quartier + „Modern Times" MUSIK: „Modern Times" M : Latin Quartier „Modern Times". [...] C

Werden nähere Angaben oder Kommentare angeschlossen, bringt die Bezugnahme auf die Platte, den Titel oder den Interpreten zusätzliche Benennungen mit sich, im folgenden Beispiel Maxiversion, Stück,

Musik zum

Relaxen:

MUSIK: „Moon Shines Still" M: Phil Carmen „Moon Shines Still", und ihr habt es sicherlich schon gemerkt, die Maxiversion, beinahe sieben Minuten lang war dieses Stück. Wirklich schöne, angenehme Musik zum Relaxen für den Feierabend. C

Der Bereich „Musik" ist in lexikalischer Hinsicht zum einen durch Kurzwörter geprägt (LP ,Langspielplatte', Stück ,Musikstück'), zum anderen werden häufig Komposita mit Musikrichtungen und -Stilen sowie Namen von Interpreten als Bestimmungswort (Heavy-MetalLeute, Genesis-Musiker) gebildet (vgl. 8.2.1). Prosodisch sind fast alle Moderationstexte dadurch gekennzeichnet, daß stark fallende Kadenzen kaum vorkommen. Titektfsagen enden häufig mit schwebenden Kadenzen, was einer „normalen" Satzmelodie widerspricht, da gewissermaßen das Beendigungssignal fehlt. Die Musik ist also als direkte Fortsetzung der Moderation anzusehen. 13 Dagegen enden die meisten Titekbsagen mit einer deutlich fallenden Kadenz. Bevor die Moderation fortgesetzt wird, entsteht dadurch eine Art Schlußwirkung, die Themenwechsel problemlos ermöglicht. Im folgenden Beispiel enthält die Anmoderation eine längere Einführung zum Musikstück anstelle der Titelansage, wodurch besonders deutlich wird, daß der Melodie-Spannungsbogen die Musik in die Moderation einbettet: 13 Entsprechend kann das Moderieren „über der Musik" als „gleitender" Übergang interpretiert werden.

134

Sprach- und Stilanalyse

M: Ich hab nun ein Stück aufgelegt, das is eig-ntlich nichts = äh um sich zu beruhigen, das is ein Lied, zwei Jahre alt, war ein Riesenhit, ganz besonders auf den Tanzflächen, und ist ganz plötzlich diese Woche wie aus heiterem Himmel wieder aktuell geworden = MUSIK: „War" M: Franky Goes to Hollywood 1984 und „War". HINTERGRUNDMUSIK Es is 18 Uhr 55. [...] C

MAWIA^-

Melodie:

ANSAGE

MUSIK

Ν · ABSAGE

Die Abfolge „Anmoderation — Musik — Abmoderation" bildet also häufig eine prosodische Einheit, deren Zentrum die Musik ist. Syntaktisch sind die An- und Absagen von Musik meist einfach aufgebaut, zumal der Kontext „Rundfunksendung mit viel Musik" Verbalphrasen wie wird!wurde gespielt ersetzt. Am häufigsten sind Musiktitelansagen und -absagen nach den Mustern: TITEL (von/mit/und) INTERPRET INTERPRET (mit/und) TITEL

bzw.

MUSIK: „Another Day" Μ: Bryan Adams und „Another Day". [...] PS

Neben diesen verblosen An- und Absagen werden gelegentlich explizit Hinweise zum Sendungsablauf gegeben. Dabei dominieren folgende syntaktische Muster: 1 4 ANSAGEN: Mit einer Form von „sein" und Demonstrativpronomen oder (Lokal-) Adverb gebildet: (und) (das) hier ist!sind ... C, WK, PS, HL das ist/sind ... C, PS dies ist/sind ... C, ... ist/sind das C

Mit „kommen"

und Adverb (lokal/temporal) gebildet:

(und) nun kommt!en (und) hier kommt/en

... C ... C, WK, PS

14 Berücksichtigt sind die Äußerungen direkt vor bzw. nach dem Musikstück, keine kommentierende und ergänzende Moderation.

135

Strukturieren und Orientieren jetzt kommt!en ... C, W K dann kommt!en ... H L

Pronominale Konstruktionen mit „wir" (vgl. 6.4): fangen wir an mit... C als nächstes hören wir ... W K jetzt kommen wir zu ... H L dann gehen wir jetzt weiter mit... wir spielen ... PS

C

Sehr selten pronominale Konstruktionen mit „ich"·. und weil [...], spiel ich zum Schluß noch ... C

Unpersönliche Pronomen/passivische Konstruktionen: vorher gibt s noch Rock at it's best... WK und jetzt wird weiter gekuschelt mit... C und weiter geht s mit... PS

Einige Moderatoren verwenden bevorzugt Ellipsen, in denen ebenfalls adverbial auf den Sendungsablauf hingewiesen werden kann: Jetzt erstmal „Alone" und die Gruppe Heart. H L

ABSAGEN: M i t „sein" und Demonstrativpronomen gebildet: das warten ... C, PS, Poi, HL, ... war/en das C, PS das ist!sind ... C, PS, ... ist!sind das C

Vollverben werden nur selten verwendet: die erste Nummer kam von [...] und hieß ... PS und davor lief... PS

Die auffallend geringe syntaktische Variationsbreite in den Titelabsagen bestätigt die These, daß der Kontext — das unmittelbar vorher gespielte Musikstück — die richtige Zuordnung von Inhalt (Musikstück) und Benennung (Titel/Interpret) sichert, so daß diese nicht differenziert verbalisiert werden muß.

136

Sprach- und Stilanalyse

6.1.6. Verbindungen zwischen Sendesegmenten Um eine Magazinsendung „zusammenzuhalten", schafft der M o d e rator Übergänge zwischen den Sendesegmenten (Musik, Wortbeiträge). — Gliedernde Kurztexte werden an der „Schnittstelle" eingefügt: Sender- und Sendungskennungen (vgl. 6.1.1), häufig verbunden mit Zeitansagen, sind orientierend und strukturierend, wobei der referentielle Charakter zugunsten gliedernder Funktionen teilweise verlorengeht. 1 5 Auch die Jingles zur Kennung von Sendungsteilen (vgl. 6.1.3) sind Kurztexte, die „Schnittstellen" besetzen. — Musik wird als Trennungssegment eingesetzt: Folgt Musik direkt (ohne Moderation) auf einen Wortbeitrag, so kann man sie als „Trennungssegment" ansehen. Allerdings unterbrechen aus der Perspektive vieler Rezipienten eher die Wortsegmente das Musikprogramm. M: ZEIT, SENDER [...] Der Kampf um die Macht im Springer-Konzern, den Hintergrund erklärt Fred Gretz = BERICHT MUSIK (2x) M: ABMODERATION des 2. Musikstücks: Die Gruppe [...] PS

+

Wenn sie thematisch mit dem Beitrag verknüpft wird, kann Musik auch überleitend wirken. Konzertberichte, Plattenkritiken, Popinterviews und andere musikbezogene Beiträge werden meist von Musik der angesprochenen Interpreten umrahmt. — Das neue T h e m a wird direkt eingeführt: MUSIK: „Something Real" „Something Real", erste Singleauskopplung von Mister Mister aus ihrer neun LP „Go On". „A Night At The Opera" von Queen= [...] PLATTENKRITIK PS

Hier wird der Übergang zwischen der Musiktitelabsage und der Anmoderation zum Beitrag rein prosodisch vollzogen, indem vor das 15 Vgl. auch Stieger: Moderationssprache in Begleitmagazinen 1987, S. 16.

Strukturieren und Orientieren

137

neue Thema eine deutlich fallende Kadenz als Trennungszeichen gesetzt wird. Eine solche Schlußwirkung in der Melodie verstärkt sich, wenn eine kurze Pause — die Hintergrundmusik wird lauter — eingeschoben und der folgende Neuansatz durch Gliederungspartikeln „mit Auftakt" gebildet wird: MUSIK, TITEL, toller Tanztitel, laut hör-n, kommt sehr gut. HM ( + + ) So, Leute, hier noch ein kleiner Hinweis [...] C

— Zusammenhänge zwischen den Sendesegmenten werden betont: Durch assoziative Moderation werden Segmente verknüpft, ein den trennenden Gliederungsmitteln gegenläufiges Prinzip, das beim Popshop nur selten vorkommt und dessen Ausführung stark vom Moderator abhängt. Die Verknüpfungen zeigen unterschiedliche Motiviertheitsstufen (vgl. auch 6.5.1). Hinweise, die mit der Musik in Zusammenhang stehen, werden an die Titelabsage angeschlossen: MUSIK: „Kinder an die Macht" (Herbert Grönemeyer) M: HM „Kinder an die Macht", die neue Single von Herbert Grönemeyer. Ich hab schon gesagt, der Herbert ist Montag live zu Gast im Club. Ihr könnt ihn dann auch anrufen [...] C

Viele Verknüpfungen beziehen sich nicht auf das vorhergehende Segment als Ganzes, sondern auf einen Teilaspekt (ζ. B. den Titel eines Musikstücks oder ein lexikalisches Element der Titelzeile), den der Moderator „aktualisiert". Für dieses Prinzip hat Burger in „Begleitprogrammen" (vor allem bei 0 3 ) Beispiele für plump-witzige Verknüpfungen beobachtet, 1 6 gegen die die Musikaktualisierungen in meinem Korpus vergleichsweise geistreich erscheinen. An ein Element des Musiktitels wird angeknüpft: MUSIK: „... tonight" Μ: So, was gibt s tonight im Club? Erstmal natürlich „Club aktuell". C

Seltener wird das gleiche Prinzip umgekehrt, um einen Übergang vom Wortteil zur Musik zu schaffen: 16 Vgl. Burger: Sprache der Massenmedien 1984, S. 200.

138

Sprach- und Stilanalyse

M: M E L D U N G ÜBER TENNIS. (Rhein. Dialekt:) Is er nit unser Boris? + 1s er nit unser Turbo-Lover? (Hochdeutsch:) Das bier is nämlich „Turbo Lover" von Judas Priest = MUSIK: „Turbo Lover" PS

Einige Verbindungen wirken völlig willkürlich: MUSIK M: Barbusebka. Kate Bush, + ein Halb-Oldie aus dem Jahre 1980. Kate Bush war nich in London, sondern mein Kollege Stefan Schlabritz, und der hat dort Eric Clapton getroffen, [...] C

D a ß allein durch die Abfolge der Sendesegmente Assoziationen hergestellt werden, spricht ein Moderator in einer Club-Sendung an, indem er die Programmzusammenstellung thematisiert: BEITRAG: REPORTAGE „Frauen in die Bundeswehr?" M: Ja, und ich spiel jetz natürlich nicht „You're In The Army Now", das is mir zu blöd, ich hab was Passenderes = Billy Idol „Don't Need a Gun". MUSIK: „Don't Need a Gun"

Das Handbuch für Radio-Journalisten 1 7 warnt vor „Beziehungsmusiken" in Magazinen, „weil dann die Hörer ständig auf Anspielungen warten und dauernd nicht so Gemeintes falsch auffassen." 1 8 Die für Magazinsendungen charakteristische Vielfalt an Sendesegmenten prägt den Moderationsstil entscheidend, da ständig Themenwechsel erforderlich sind. Diese werden zu einem großen Teil durch gliedernde Mittel vollzogen; einige Moderatoren (insbesondere der C/w^-Sendungen) neigen jedoch dazu, die einzelnen Segmente zu verknüpfen. Die Magazin-Moderationsfunktion „Zusammenhalten" wird durch An- und Abmoderation von Musik und Worteilen realisiert und, stärker auf die Sendung als Ganzes bezogen, durch Verknüpfungselemente zwischen den Sendesegmenten zu erfüllen versucht. 6.1.7. Metastrukturelle Äußerungen Für den Sendungsablauf ist aus der Sicht des Moderators das genaue „Timing" entscheidend, während für den Hörer durchaus der Eindruck entstehen kann, daß sich der Ablauf zufällig „glatt" ergibt. Ex17 La Roche/Buchholz (Hrsg.): Radio-Journalismus 3 1986. 18 Thoma: Magazin und Moderation. In: Radio-Journalismus 3 1986, S. 76.

Strukturieren und Orientieren

139

plizite Hinweise auf den Sendungsablauf, die über An- und Abmoderation und Vorankündigungen hinausgehen, werden hier als „metastrukturelle" Äußerungen bezeichnet. — Die Struktur der Sendung wird angesprochen: Der Beginn der Sendung bzw. der „zweiten Stunde" kann thematisiert werden durch Bezeichnungen für das ,erste Musikstück': Opener PS, Einstieg in die zweite Popshop-Stunde [...] PS, der erste Musikwunsch des heutigen Abends WK, erste Nummer heute abend PS seltener verbal gebildet: wir beginnen mit [...] C

Startschuß-Charakter für die Sendung haben die „Selbstaufforderungen" in manchen C/wb-Sendungen: Los geht's C, Musik ab C, Fangen wir an mit / . . . / C

Am Ende einiger Sendungen bzw. der „ersten Stunde" findet man ebenfalls metastrukturelle Äußerungen: das letzte Wort haben ... PS, letzte Nummer kommt von ... PS, zum Schluß C, bis ran an die Nachrichten PS, [...] ein Tophit aus Holland, den hört ihr bis sieben C,

Seltener werden auch Wortbeiträge metastrukturell an- bzw. abmoderiert, was Redakteure ζ. T. als „Hilflosigkeit" bezeichnen19: M: Wir kommen zu unserem Thema heute im Club in der ersten Stunde, BEITRAG M: Soweit also der Bericht über [...] C

/.../

Explizite Hinweise auf den Sendungsablauf können unterhaltend ausgespielt werden, am häufigsten in der Hitline zu beobachten: M: So, jetz werd ich meine Zettel ordnen, dahin, werde mir meine Krawatte zurechtlegen, und dann werd ich behutsam den Hebel runternehm-n, MUSIK E N D E T SCHLAGARTIG und den Radiodienst rausreißen = SIGNAL „Verkehrsmeldungen" M: Genau 19 Uhr und 31 und 17 Sekunden. SWF3 Radiodienst aus Baden-Baden [...] H L

19 Holler, SFB, mündlich am 27. 4. 88.

140

Sprach- und Stilanalyse

Ein abrupter Übergang wird originell thematisiert: BERICHT ÜBER „BOSTON"; MUSIK: „Amanda" (Boston) M: „Amanda" von Boston, Schni:tt, und wir beamen uns wieder rein = EINSPIELUNG „European Hot 100" M: Und wir sind bei den Aufsteigern der Woche [...] C

— Das „Timing" wird aufgegriffen: Die noch verbleibende Zeit wird angegeben: So Leute, der Club is nun endgültig um, fünf Minuten hab-n wir grade noch — [...IC

Ein Musikstück soll exakt in die Sendezeit passen: Oh, jetzt müss-n wir uns beeil-n, sonst haut das nich mehr bin mit den nächsten drei, HL (vor dem „Radiodienst")

Die „Servicewellen" haben durch zahlreiche Verkehrshinweise — vor allem am Wochenende — besondere Zeit-Probleme: Die Themen im SWF3 Popshop, Ausgabe Freitag 25. April, falls wir den Verkehrsmeldungen dazu kommen. PS

zwischen

Zeitdruck kann sich auf die Realisierung einzelner Sendungsteile auswirken, wie der untypische Verlauf eines Hitline-Gesprächs zeigt. Während der Moderator normalerweise mit den Hörern am Telefon „herumalbert", dominieren hier Äußerungen zum Zeitdruck: Also Michael, du mußt sehr schnell sein, wir hab-n tatsächlich ben Minuten [...] HL

nur noch sie-

— Probleme des technischen Sendeablaufs werden erwähnt: Der Moderator verständigt sich mit seinem Kollegen über den reibungslosen Ablauf der Sendung, hier einer Live-Übertragung C: Spiel noch ein bißchen Musik, 4- [...] Sobald ich mich melde, das sage, Reinhold, ziehst du mich auf η Sender,

Stichwort

— „Störungen" im Sendungsablauf werden thematisiert: Entstehende Pausen werden, auch wenn sie nur wenige Sekunden dauern, als Pannen aufgefaßt und vom Moderator „entschuldigt": PAUSE (6 Sek.), MUSIK BEGINNT Jetzt hab-n wir hier ein kleines Mißverständnis, ich muß das kurz erklär-n, soeben is nämlich Willem ins Studium gekomm-n LACHT ins Studio gekomm-n. C

Strukturieren und Orientieren

141

6.1.8. Verweise auf andere Sendungen Bei einigen Sendern (SWF, SDR) folgt jeweils im Anschluß an den Nachrichtenblock ein Überblick über das gleichzeitig ausgestrahlte Angebot der anderen Programmketten. Im laufenden Programm wird auf spätere Sendungen des Senders in „freier Moderation" oder mit vorproduzierten Trailern hingewiesen. — „Vorankündigung" anderer Sendungen in der Moderation: Beim Popshop enthält die Abmoderation der Sendung fast immer Hinweise auf das nachfolgende Programm: Im „Radioclub" gleich „SWF3 Radiosommer 87". Im Studio Elmar Hörig, und das SWF3-Auto is unterwegs, und zwar, es steht auf dem Besucherparkplatz vor der Schwarzwaldklinik. + Dort sind Michael Lug und Thomas Jung. Wer Lust hat, der kann vorbeikomm-n, das SWF3-Auto steht auf dem Besucherparkplatz vorder Schwarzwaldklinik. [...]

In diesem Programmhinweis wird auf die Möglichkeit des Live-Erlebens aufmerksam gemacht, wobei die Hörer der laufenden Sendung als potentielle Hörer späterer Sendungen betrachtet werden. Daß es unsinnig ist, eine andere Hörergruppe mit Ankündigungen ansprechen zu wollen, merkt der Moderator einer Club-Sendung, als er eine (ihm vermutlich formuliert vorgelegte) Information weitergibt. Die Inkongruenz zwischen Club-Hörern und Zielgruppe der TierpraxisSendung fällt bei der Anrede Sie, die sonst beim Club nicht üblich ist, auf (vgl. 6.4.1). Über die Anredeform, vor allem das zusätzlich eingeschobene ihr hinter dem Imperativ wählt, versucht der Moderator den Interessentenkreis für die angekündigte Sendung auf die ClubHörergruppe auszuweiten: Und hier ein kleiner Hinweis für alle Besitzer von Wauwis, Katzen, Vögeln und sonstigen Tierchen, hm' PAPAGEI-KRÄCHZEN EINGESPIELT Die NDR Tierpraxis hat heute = sei mal η Aug-nblick ruhig, und nicht am Freitag, wie sonst üblich, ihre Sprechstunde, wenn Sie woll-n, könn-n Sie uns-ren Tierarzt also heute abend schon von 19 Uhr an erreichen. Wählen Sie= aufgepaßt = wähl-n Sie oder wählt ihr, wenn s auch kleine Tierfreunde gibt, die Telefonnummer in Hamburg TEL.NR (2x), dort könnt ihr unsern Tierarzt erreichen, nochmal TEL.NR. + PAPAGEI, MUSIK Das sind [...]

Die untersuchten Sendungen stehen jeweils im Rahmen einer Sendereihe, daher ist es nicht erstaunlich, daß viele Programmhinweise auf

142

Sprach- und Stilanalyse

die nächste Sendung der Reihe oder auf demnächst zu erwartende „Ereignisse"20 bezogen sind. Der Zusammenhalt zwischen den Einzelsendungen durch Verweise ist beim Club besonders ausgeprägt, was zur Pflege der „Hörergemeinschaft" beiträgt, primär jedoch der Orientierung und Information dient: Ich hab schon gesagt, der Herbert21 ist Montag live zu Gast im Club. Ihr könnt ihn dann auch anrufen und ihn ein wenig interviewen, wenn ihr Lust habt = am Montag ab 19 Uhr 5 im Club. C

Intensiviert wird der Hinweis auf nachfolgende Sendungen, wenn der Moderator einer späteren Sendung bereits vorab zu Wort kommt und für seine Sendung „wirbt". In einigen C/w^-Sendungen finden dabei „Plaudergespräche" zwischen den Moderatoren statt. — Werbung in eigener Sache durch Trailer: Obwohl Trailer als eigenständige Texte eingesetzt werden können, greifen viele Moderatoren Teile von Einspielungen zur Programmankündigung auf und ergänzen oder kommentieren sie: MUSIK (gesungen): We will Rock You männl. St.: ARD

Nachtrock

männl. St.: schjeede Nacht um Middernacht

— auf NDR zwei

+

Μ: Τ ja, kleine Werbung oder auch große Werbung für den Kollegen, der ab Null Uhr 5 hier Dienst hat im „ARD Nachtrock", + + und weil wir grad bei der Werbung $ind= auch für den Uwe, der schon draußen sich warmschmust, für Uwe Bahn Werbung für die Sendung „Sweet, oft and lazy" ab 20 Uhr 5, + in „Pop nach 8"22 für alle Schmusekatzen und Schmusekater. [...]

Trailer dienen vor allem der Sendungsankündigung oder Programmorientierung für die eigene, seltener für andere Programmketten des Senders: 20 Beispielsweise erscheinen Einzelheiten zum vom Club organisierten „Tanz in den Mai" Ende April in jeder Sendung. 21 „Liedermacher" Herbert Grönemeyer. 22 Name der Sendereihe auf NDR2 von 20.05 bis 22.00 Uhr.

143

Information „NDR2-Programm ab Januar" C (NDR2), „Taktgefühle - Das Rhythmustraining auf N D R 3 " C (NDR2); „SWF3 Flohmarkt" PS (SWF3); „Südfunk3 Schaufenster" Poi (S3)

Eine ganze Reihe von Trailern wirbt für Veranstaltungen: „NDR-Fete in Oldenburg" C, „Tanz in den Mai" C, „NDR-Hörfest" C, „SWF3-Open-Air" PS

— Andere Medien werden einbezogen: Einige Programmhinweise beziehen sich auf andere Medienprodukte, ζ. B. Fernsehsendungen, Kinofilme und Konzertveranstaltungen, meist über das Thema „Musik" angeschlossen. MUSIK: „Absolute Beginners" M: Eiert η bißchen die Platte, entschuldigt, aber ich mußte sie einfach denn heute ist bundesweiter Filmstart [...] C

spielen,

Hinweise auf Konzerte und andere Veranstaltungen erscheinen in einigen Sendungen regelmäßig in Form spezieller Serviceblocks (vgl. 6.2.2). Gelegentlich wird im Zusammenhang mit der gespielten Musik auf Konzertauftritte der Interpreten hingewiesen: MUSIK: Μ: Vier rella zum

„Nobody's Fool" (Cinderella) Jungs aus Philadelphia = Cinderella „Nobody's Fool", und Cindekommt erstmals nach Deutschland zum Monsters-of-Rock-Festival, Beispiel am 30. 8. nach Pforzheim. Poi

Explizit als Hinweis gekennzeichnet ist folgende in die Schlußmoderation integrierte Vorschau auf das musik-orientierte Fernsehprogramm: [...] Ich möcht noch auf zwei Fernsehsendungen hinweisen, und zwar heute abend 21 Uhr 45 „Musikszene", unter anderem ein Beitrag über Rio Reiser, dann am nächsten Mittwoch — im ersten Programm 23 Uhr „Ohne Filter" = eine Stunde live mit James Taylor. [...] C

6.2.

Information

In den Rundfunksendungen für Jugendliche tritt die Informationsfunktion nicht so deutlich hervor wie andere Merkmale, sie ist keineswegs spezifisch für Medientexte der untersuchten Konstellation.

144

Sprach- und Stilanalyse

Die folgenden Analysen konzentrieren sich auf die referentiellen Elemente, mit denen Zielgruppenbezug hergestellt bzw. aufrechterhalten wird. Das gesamte Themenspektrum des Korpus (vgl. dazu 5.1) kann in diesem Rahmen nicht erfaßt werden; als wesentlicher Punkt ist festzuhalten, daß praktisch jedes Thema vorkommen kann. Im Club und bei Point werden „jugendbezogene" Themen bevorzugt, während man im Popshop das „aktuelle Geschehen" stärker berücksichtigt. Das in allen hier untersuchten Jugendsendungen dominierende Thema ist jedoch „Musik". 6.2.1. Musik: Fakten und Klatsch Über Musik wird in der Moderation und in verschiedenen Wortbeiträgen (ζ. B. Interviews, Meldungen, Berichte) informiert, indem Daten, Fakten und Klatsch („irgendwo Gehörtes oder Gelesenes") verbreitet werden. — Titel und Interpreten (vgl. 6.1.5): Minimalanforderung an eine Musikmoderation ist die Angabe von Titel und Interpret oder Interpreten des Musikstücks: Die Carte Gang und „Motor Town" [...] PS

Musik wird in den untersuchten Sendungen meist vor oder nach dem Stück „erläutert", was in vielen Sendungen, ζ. B. in den Morgenmagazinen, die Ausnahme ist. Mit der Titelansage bzw. -absage werden ζ. T. weitere Informationen verbunden: 23 — Daten zur Platte: Entstehung, Aufnahme, Erfolg: „If She Knew What She Wants". Acht Jahre alte Nummer, Bangles, [...] PS Vor fünf Jahren Nummer

eins der Hitparade

gecovert von den

in Großbritannien,

das waren

[---] PS — Angabe der Zeitdauer: „Breaking Us In Two" heißt der Titel, 4 Minuten und 50 Sekunden lang. W K

23 Einige der angeführten Aspekte werden in 6.3.3 ausführlicher behandelt.

145

Information

— N ä h e r e Informationen zum Interpreten, ζ. B. „Werdegang": [...] Jimmy Barnes, Shizzle" war. C

der früher

der Sänger der australischen

Band

„Cold

— Einordnung in die „ R o c k g e s c h i c h t e " : [... ] und diese vier oder fünf schwarzen Sänger, die steh-n natürlich in der Tradition von einem der größten, allergrößten Soulsänger aller Zeiten = Sam Cooke, der leider schon 1964 erschossen wurde, [...] C Heute im Club = ein Oldie, zwanzig ]ahre alt, der durch eine wieder zu neuem Ruhm gekommen ist, C

Hosenreklame

— Musikalische Erläuterungen und Assoziationen: [...] in diesem Titel besingen sie die wildesten Träume „Your Wildest Dreams", und das tun sie nun wahrlich in einer lieblichen und ausgeglichenen Stimmung, [...] Etwas kraftvoller wird es jetzt [...] C — Texterläuterung und Übersetzungen: „This is not America", dies ist nicht Amerika, die Filmmelodie aus einem politischen Film, + die wie gesagt seit einigen Tagen in Amerika wieder sehr populär ist, ganz besonders bei den jungen Leuten, dies ist nicht Amerika, und sie bezieh-n es auf den Bombenflug über Libyen. C — Weiterführende Hinweise, ζ. B. auf Konzerte: Das war übrigens grad noch der Rory Galagher, von seiner 13. Solo-LP „Defender" der „Lone Shuck Blues", und der tourt ja zur Zeit durch die Schweiz und durch Deutschland. Übermorgen is er in Aarborn, am 21. 8. in Truchtelfingen und am 22. 8. in München. Poi Ähnliche Informationen

werden detaillierter in

„Starinterviews",

„Plattenkritiken" (vgl. 6 . 3 . 4 ) und „ P o p m e l d u n g e n " vermittelt. In Interviews rückt die Person des R o c k - / P o p m u s i k e r s in den Vordergrund, es interessieren über die Fakten hinaus persönliche Angaben und Meinungen. Häufig sind Interviewfragen zur Karriere des R o c k - / Popstars, nach Vorbildern und Zukunftsplänen sowie nach der Einschätzung ihres Standorts in der Musikszene. Die Jugendmagazinsendungen enthalten zusätzlich zu Interviews und Berichten über „ M u s i k t h e m e n " spezielle Informationsblöcke, in denen Neues aus der Musikszene zu erfahren ist. Beim Club sind solche Meldungen in die Rubrik „ K u r z m e l d u n g e n " / „ C l u b aktuell" in-

146

Sprach- und Stilanalyse

tegriert, so daß beispielsweise auf das Thema „Vermummungsverb o t " Nina Hagen heiratet folgt: Ibiza-Stadt. Nina Hagen heiratet. Am Montag ist Hochzeit. Nina, die 32jährige Rocklady ehelicht dann ihren 18jährigen Freund, den südafrikanischen Baßgitarristen Eroquis. Eingeladen zur Party sind unter ander-m = Deep Purple, Duran Duran, Mick Jagger, Grace Jones, Udo Lindenberg, Freddy Mercury, Gloria von Thum und Taxis, Julio Iglesias, Nena, Romy Hag und Roman Polanski. Zum Tanz spielen die Toten Hosen. Gleich nach den Flitterwochen spielt Nina als Stargast beim NDR Hörfest am 22. August in Kiel. C Der prinzipiell an den Nachrichtenstil der „Kurzmeldungen" angelehnte Rock-/Pop-Klatsch-Beitrag spricht dem Ereignis vor allem durch die Gästeliste einen besonderen Stellenwert zu. Der Hinweis auf den Auftritt der Rocklady

beim „ N D R Hörfest" stellt die Bedeu-

tung des Senders heraus. Ausführlicher und mit ironischen Zwischentönen (ζ. B. in der Namensvariation der Fürstin Gloria von T h u m und Taxis) wird die Meldung am selben Tag in Point (S3) gesendet. Im Zentrum steht hier ebenfalls die Aufzählung der zahlreichen Gäste, zusätzliche Angaben vermitteln einen detaillierteren Eindruck von dem Spektakel: Es ist soweit: Nina Hagen heiratet standesgemäß. Im Rahmen eines Open-AirMusikfestivals will die 32jährige Rocklady am nächsten Montag, dem 10. August, auf der spanischen Ferieninsel Ibiza ihrem Freund, einem 18jährigen Baßgitarristen aus Südafrika, das Ja-Wort geben. + Nach der Einladungsliste könnte die Hochzeitsfete zu einem hochkarätigen Treffen internationaler Stars aus Musik, Show und Film werden. Deep Purple, Mick Jagger, Grace Jones, Julio Iglesias, Nena, Romy Hag, Manfred Krug und Roman Polanski. Viele dieser Größen sind zur Zeit auf der Insel, heißt es, aber ob sie auch alle kommen, das bleibt bis zum Schluß offen. Immerhin haben sich schon Udo Lindenberg, Freddy Mercury und die Fürstin Gloria von Thun und Kannix angesagt. Musik zur Hochzeit in Ibiza-Stadt wollen unter anderem die Toten Hosen und die Braut selbst machen. Die Veranstalter erwarten dazu etwa 6000 = Gäste. + Über den Wirbel auf Ibiza wird übrigens zusammen mit dem spanischen Fernsehen ein Video-Clip gedreht. Bereits am 7. August soll eine Hochzeitsplatte auf den Markt kommen. Am 5. September will Nina Hagen in Berlin ihr erstes Konzert als Ehefrau geben. Poi Atmosphärischen Einblick in die Rock-/Popmusikszene bietet die Popshop-Rubrik

„Pop N e w s " , deren Beiträge aus London „eingeflo-

Information

147

gen" werden. Die Themenauswahl in dieser Rubrik ist „bunt" gemischt: Da wird beispielsweise der Tod eines Londoner Diskothekenbesitzers zum Anlaß genommen, die Musikszene der 60er Jahre im Swinging London mit Namen und Jargonausdrücken (In-People, Schuppen) atmosphärisch zu beleben, dann können die Hörer an neuen Musik- und Filmproduktionen „vorab" Anteil nehmen. Viele „Pop News" betreffen noch nicht oder gerade eben abgeschlossene Projekte, so daß die Hörer Entstehung und Entwicklung der Musikszene „miterleben" können. Der Informationscharakter solcher Rock-/Popmeldungen wird von Namen, Titeln und Daten getragen. Die Musikinformationen haben in Rundfunksendungen für Jugendliche einen — auch quantitativ — wesentlich höheren Stellenwert als in anderen Sendungen. Die Moderatoren präsentieren nicht nur Musik, sondern greifen sie auch informierend und kommentierend auf, wobei gewisse Musikszene-Kenntnisse vorausgesetzt und auf „Expertenebene" erweitert werden. 6.2.2. Orientierende Information in der Moderation Die Segmente mit Orientierungsfunktion (vgl. 6.1) aus der Informationsperspektive nochmals aufzugreifen, lohnt sich insbesondere bei „Veranstaltungshinweisen" und „An-/Abmoderationen". — Veranstaltungshinweis: Vom Vorlesen einer Veranstaltungsliste bis zur persönlichen Empfehlung, an einer bestimmten Veranstaltung teilzunehmen, sind verschiedene Stufen der Moderatorpräsenz zu beobachten. Ferner wird in vorproduzierten Trailern auf Veranstaltungen (ζ. B. „SWF3-OpenAir", „ N D R Hörfest") hingewiesen, ζ. T. vom Moderator durch Zusatzinformationen ergänzt. In die Moderation integrierte Hinweise auf Veranstaltungen finden sich beispielsweise Ende April in allen Club-Sendungen, wenn Informationen über Zeit und Ort sowie „Teilnahmebedingungen" zum bevorstehenden „Tanz in den M a i " gegeben werden. Solche Veranstaltungshinweise haben über ihren informativen Charakter hinaus gruppenbildende Funktion, da sie die C/wfo-Gemeinschaft durch die Aussicht auf das gemeinsame Erlebnis „Tanz in den M a i " fördern.

148

Sprach- und Stilanalyse

[...] Wir haben in der Redaktion beschlossen, daß nur reinkommt, wer grün ist. Also nich, weil ihm schlecht is, sondern er muß irgend etwas Grünes anhaben, alldieweil ja Tanz in den Mai ist. Also irgendetwas, also η Schlips is das Mindeste = grün-n Rock, grüne Hose, grüne = Stiefel, grüne Haare zum Beispiel, grün müssen die Leute sein, die mit dem Club in den Tanz in den Mai + tanzen woll-n. Nee, mit dem Club in den Mai tanzen woll-n, so rum. + Und, ich sag s nochmal, Heinos kommen natürlich ganz umsonst rein. Wir werden in den nächsten beiden Wochen nochmal mitteil-n, wie man denn als Heino ausseh-n muß. Es gibt da Mindestbedingung-n. + Also einfach nur ne Sonn-nbrille aufsetzen, is nich! + Wir werden den falschen Heino interviewen, er wird uns Tips geben, und die anderen, wie gesagt, müssen in grün kommen, Große Freiheit 36,30. April ab 20 Uhr, dort auf dem Kiez Tanz in den Mai mit dem Club. C. Unpersönlicher erscheinen Veranstaltungsankündigungen, die von Moderatoren lediglich weitergegeben werden, was in vielen Jugendmagazinsendungen (Popshop, Point, bis 1986 Pop Fit) zum regelmäßigen „Service" gehört. In größeren Abständen wird über die demnächst anstehenden Rock-/Popkonzerte informiert, fast täglich über unterschiedlichste Veranstaltungen im Sendegebiet 24 . Die Veranstaltungslisten weisen eine hohe Informationsdichte auf: Ort, Datum, Zeit, Titel und Art der Veranstaltung sowie der Eintrittspreis werden knapp angegeben. HM SWF3 Popshop mit den Veranstaltungstips für morgen, Freitag = Wochenende. HM 25 ( + + + + ) Mainz = Im Haus der Jugend Rockkonzert mit den Gruppen Slow Motion, D. K. Dance und Das Dritte Ohr. Beginn 18 Uhr 30, Eintritt frei. ( + ) Heilbronn = Im Deutschhofkeller Jum Packed, Afro-Jazz aus Frankreich is das, Beginn 20 Uhr, Eintritt 5 und 7 Mark. + +) Denzlingen. Im Industriegebiet Steinbühl im Playpoint spielt die Hardrock-Gruppe Mallet, Beginn 20 Uhr, Eintritt 5 Mark. Trosdorf, im Jugendkulturcafe die Gruppe Tasskaff Beginn 19 Uhr 30= Eintritt 2 Mark. (+ + ) Neckarenzlingen, in der neuen Aula des Gymnasiums die Moria-Rockshow, Beginn 20 Uhr, Eintritt 54 Mark. Gummersbach, in der Schützenhalle Bernberg findet eine Superfete statt, steht hier zumindest = Beginn 19 Uhr, Eintritt 2 Mark 50. Darmstadt. Im Schlößchen im

24 Die Veranstalter müssen sich an den Sender wenden, damit ihre Veranstaltung berücksichtigt wird. 25 Während des gesamten Veranstaltungsblocks läuft im Hintergrund Musik, die in den Pausen ( + ) lauter wird.

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Information Prinz-Emil-Garten das Puppentheater Mark. PS

Kikeriki =

Beginn 20 Uhr, Eintritt 8

— Ergänzende Informationen in An- und Abmoderationen: Eine der wichtigsten journalistischen Moderatorleistungen ist die Einbettung von Wortbeiträgen in den Sendungsablauf. Dabei versuchen einige Moderatoren, für das Thema des Beitrags Interesse zu wecken, die Voraussetzungen zum Verständnis bereitzustellen oder den Beitrag in übergeordnete Zusammenhänge einzubetten und zu kommentieren. Durch Einführungen, Zusammenfassungen oder Ergänzungen kann der Moderator den Beitrag in die Sendung einbinden. Die meist sachlich gehaltene knappe Anmoderation im Popshop führt im wesentlichen in das Problem ein, indem die Situation schlagzeilenartig skizziert wird. Wertenden Charakter erhält die Moderation durch intonatorische und lexikalische Mittel, im folgenden Beispiel u. a. durch den umgangssprachlich abwertenden Ausdruck Schinken: M: Kunst? oder nicht = Oer Schulleiter der Grundschule Erkenbrechtsweiler hat ein Wandgemälde zugehängt aus — + pädagogischen Gründen. Die Stadt verlangt nun, daß der Schinken wieder freigelegt wird. Lokalpatriotismus, der Künstler kommt schließlich aus dem Dorf. Das Bild stammt aus der Nazi-Zeit. BERICHT über den Streit um das Wandgemälde mit STATEMENTS von Schulleiter und Bürgermeister M: Steffi Uhlig über das braune Wandgemälde. PS

Die Problemeinführung in den anderen Jugendsendungen (selten auch beim Popshop) ist häufig ausführlicher und enthält neben informativen wertende Elemente. Sehr detailliert, in einer Art „szenischer Darstellung", wird ein Club-Beitrag über „Gorenights" anmoderiert. Hier steht eine atmosphärische Einstimmung mit Begriffserläuterung (Gorenight) im Mittelpunkt, schließlich verweist der Moderator auf den Beitrag selbst, den er bereits inhaltlich erläutert (Zombiefilme, Pornofilme, schräge Musik) hat. Wertende Züge erhält der Text vor allem durch die gehäufte Verwendung von Elementen aus dem Handlungsfeld langweilen auf lexikalischer und intonatorischer Ebene. Die wichtigsten Informationsfunktionen von Anmoderationen sind die Sensibilisierung für das Problem und die Darstellung von

150

Sprach- und Stilanalyse

Fakten, die für das Verständnis des Beitrags vorausgesetzt werden. Diese Einführungsaufgabe beinhaltet im folgenden Beispiel eine Begriffserläuterung (Kolumnist): In Illinois, einem amerikanischen Bundesstaat im mittleren 'Westen, dort liegt auch zum Beispiel Chicago, + ist Dienstag ein neues Gesetz herausgekommen, das Lehrer verpflichtet, die Schüler vor vorehelichem Sex zu warnen, die Schüler demnach zur sexuellen Enthaltsamkeit anzuhalten. + Das hat drüben, man kann sich s vorstellen, für ganz schön Aufsehen gesorgt, und Mike Groikow (?), ein sehr populärer Kolumnist der Chicago Herald Tribune, der sowas wie bei uns das „Streiflicht" der Süddeutschen Zeitung schreibt, + hat in seiner Kolumne zugeschlagen, er hat sich die Auswirkungen für Lehrer und Schüler szenisch ausgemalt. Barbara Lehner hat alles übersetzt, die Situation = eine Schulklasse brütet über dem Problem der sexuellen Enthaltsamkeit. Poi

Für den Hinweis auf den Aufgabenbereich des Kolumnisten setzt der Moderator Kenntnisse über die einheimische Presse („Streiflicht" der Süddeutschen Zeitung) voraus. Die „Erläuterung" wird buchstäblich „eingestreut", sie erscheint in sprechsprachlicher Syntax in einem zwar mit umgangssprachlichem Vokabular (zuschlagen, über etwas brüten) versehenen, aber syntaktisch schriftorientierten Text. Der Moderator kann über die Nennung von Daten und Fakten hinaus versuchen, die Informationen so zu präsentieren, daß er die Hörer für ein Thema interessiert, häufig wird das Interesse jedoch vorausgesetzt. Im Schlagzeilenstil der Popshop-Moderation bedeutet „Spannung erzeugen" meist, Informationen zunächst vorzuenthalten und dann „nachzuliefern". Ein in die Anmoderation vorgezogenes Zitat aus der Plattenkritik über Queen (vgl. S. 394 f.) weckt die Erwartung auf „mehr davon". Die Abmoderationen sind im allgemeinen knapp gehalten, meist auf die Wiederholung von Thema und Verfassernamen beschränkt. Zusatzbemerkungen des Moderators sind fast ausschließlich beim Club zu beobachten, wo als Moderatorreaktion zum Beitrag gelegentlich sogar appellative Hinweise angeschlossen werden: BEITRAG: „Rheumakranke Jugendliche" M: Also = Rheuma, eine Krankheit, mit der nicht zu spaßen ist. Wer Rheumaanzeichen verspürt, sollte sofort zum Arzt geh-n, je früher, je besser. C

Ein Beitrag kann durch wirkliche Zusatzinformationen ergänzt werden, ζ. B. mit dem Hinweis, daß ein Thema weiterverfolgt wird.

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Information BEITRAG „Sklavenmarkt"

Μ: Das war Markus Dendler, Sprecher der/ des „Theaters der Komödianten" aus Kiel der äh am 26. April einen Sklavenmarkt hier in Hamburg veranstalten wird, 26. 4. ab 16 Uhr im Riekhof, und wir werden dieser Sache natürlich auf den Grund gehen, wir werden vor allem ja neugierig sein auf die Erfahrungsberichte der Schauspieler, die sich hier zur Verfügung gestellt haben. Martina Wieberalski, die uns diesen Beitrag hier gemacht hat, wird am Montag im Club über den Fortgang dieses makabren Experiments berichten. C 6.2.3. Informative Elemente der „Wortbeiträge" — Soft News: Von „Guinessbuch"-Rekorden bis zu kleinen „ungewöhnlichen Ereignissen" werden Meldungen weitergegeben, die primär der Unterhaltung dienen. Daten, N a m e n und kurze Ablaufschilderungen prägen die nachrichtenähnlich aufgemachten „Soft N e w s " . Besonders deutlich wird die Nähe, aber auch der Unterschied zum Nachrichtenstil im folgenden Beispiel, wo am Schluß der Meldung ein Ausschnitt aus einer Sketch-Einspielung die Ernsthaftigkeit in den Hintergrund drängt: Übrigens = Mit einem Fallschirm sind zwei junge Engländer am Donnerstag von der 86. Etage des Empire State Buildings in New York gesprungen. + Sie landeten problemlos zwischen erstaunten Passanten auf der Fifth Avenue in New York, und wegen illegalen Absprungs mit einem Fallschirm wurde der 25jährige Michael Mac Carthy von der Polizei daraufhin festgenommen, M: nich = Wiesof Nö. + Sein Komplize Ε (Η. Κ.)26: Baa — + + baa, wat is dat langweilig. + LACHEN

LACHEN

Μ: übrigens konnte mit ein-ml E: Man weiß gar nich, was man machen soll. M: Doch, der is mit m Taxi geflüchtet, ne. E: Baoh, [...]

26 Hape Kerkeling.

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Sprach- und Stilanalyse

In der inszeniert dialogischen Passage am Ende wird der „aufgelokkerte" (übrigens; problemlos) Nachrichtenstil abgelöst von einem Erzählstil, der im Gespräch unter Bekannten denkbar wäre (nö, doch, Perfektverwendung). — Kurzmeldungen: In den kurzen Meldungen (Popshop: „Infos"; Club: „Club aktuell", bis 1986: „Kurzmeldungen") werden Informationen aus verschiedenen Bereichen kompakt angeboten. Die Themen reichen vom politischen Geschehen bis zur Musikszene (vgl. 6.2.1) und sind z.T. speziell auf Jugendliche bezogen (ζ. B. „Führerschein auf Probe"). Die Kurzmeldungen sind meist nach folgendem Schema aufgebaut: Nach einer Ortsangabe wird schlagzeilenartig die Hauptaussage formuliert, die Meldung daran anschließend mit detaillierteren Angaben (Daten, Fakten, Namen) versehen. Stilistisch lehnt man sich an die standardsprachlichen Nachrichtensendungen an, verwendet jedoch einzelne umgangssprachliche Ausdrücke (vgl. unten: danebenbenehmen). Der Nachrichtenstil verleiht den Meldungen Ernsthaftigkeit, die „auflockernden" Ausdrücke darin sollen vermutlich „ansprechen", wirken allerdings ζ. T. textsortenauflösend. Der Informationsgehalt ist in den kompakten Kurzmeldungen der untersuchten Sendungen recht hoch. Namen werden mit Funktionsbezeichnung der genannten Personen oder Organisationen eingeführt, vgl. im Beispiel unten die implizite Erläuterung „Junge Liberale" = „FDP Jugendorganisation". Die Aufbereitung von Agenturmeldungen ist relativ „hörerfreundlich", wenn die Fakten in kurzen Sätzen genannt werden. Zur Redewiedergabe wird korrekterweise fast immer Konjunktiv verwendet. JINGLE „CLUB AKTUELL"/„KURZMELDUNGEN" M2 2 7 : Mit Club aktuell am 6. August. Flensburg. Führerschein auf Probe ein Erfolg. Das belegen die ersten Zahl-n aus dem Kraftfahrtbundesamt. + Seit Einführung des Führerscheins auf Probe im November 86 wurden über 480 000 Fahranfänger gezählt. Davon haben sich allerdings erst 1854 im Straßenverkehr danebenbenommen, das ist weniger als ein halbes Prozent. + München. Junge Liberale gegen VermumT7 nicht der Studiomoderator, M2 verliest nur die Meldungen.

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Information

mungsverbot. Der Vorsitzende der FDP Jugendorganisation Guido Westerwelle + warnte seine Mutterpartei heute davor, den FDP Bundesparteitag am 5. und 6. September zu einem Vermummungs-Parteitag zu machen. ~Wenn die SPD/ die FDP, pardon, ihren Kurs in dieser Frage verlasse, dann kapituliere der Sachverstand vor dem Druck der Stammtische, sagte Westerwelle. + (Es folgt die Meldung über Nina Hagen, s. o.) 19 Uhr 33. JINGLE „CLUB AKTUELL"/„KURZMELDUNGEN"

— „Klassische" Informationsvermittlung: Die aus der Perspektive vieler Rezipienten wichtigste Informationsleistung der „Servicewellen" bezieht sich auf Straßenverkehrsmeldungen, die — mit wenigen Ausnahmen (vgl. 6.5) -

sehr sachlich for-

muliert sind. Die im N D R von Sprechern, bei S W F 3 und S3 von den jeweiligen Moderatoren vorgetragenen Verkehrsmeldungen enthalten Informationen über Ort (Straßenbezeichnung, Richtung), Art und Ausmaß der „Behinderung" sowie häufig einen „Lösungsvorschlag" (Umleitungsempfehlung). Vor allem in Berichten und Sachinterviews werden politische und gesellschaftlich relevante T h e m e n behandelt, die sich hinsichtlich der informativen Elemente in den Jugendsendungen kaum von denen anderer Sendungen unterscheiden. Jugendspezifisch ist bei einigen Beiträgen die T h e m e n w a h l (vgl. 5.1); die Themenbehandlung folgt meist „klassischen" journalistischen Prinzipien. Dies bedeutet ζ. B. beim monologischen Bericht „Zusammenfassen, ordnen, gewichten, einen roten Faden erkennbar machen, Wesentliches/Kontroverses herausarbeiten", 2 8 aber auch Atmosphärisches einbeziehen, eventuell kommentieren. 2 9 Viele Berichte des Korpus enthalten O-Ton-Einspielungen mit Statements von Experten oder Betroffenen, die ergänzende Informationen beitragen, vor allem aber Wertungen abgeben. Im Vergleich zu anderen Sendungen ist hier zu betonen, daß im Rahmen solcher Berichte auch Jugendliche zu Wort k o m m e n , sei es, daß sie über ihre Erfahrungen bei der Ferienjobsuche berichten oder die Freizeitmöglichkeiten in ihrem W o h n o r t vorstellen. Die normalerweise stark 28 Franzke: Bericht. In: Radio-Journalismus 3 1986, S. 28. 29 Vgl. Franzke: Bericht. In: Radio-Journaismus '1986, S. 28 f.

154

Sprach- und Stilanalyse

bearbeiteten Beiträge enthalten oft nur Ausschnitte aus Gesprächen oder Interviews, durch die Auswahl werden Schwerpunkte gesetzt. In einigen Fällen führt das „Schneiden" zu kompakter Information, in anderen Beispielen rückt der Wertungsaspekt in den Vordergrund. — Feature: Die Mischung verschiedener Textsorten und Darbietungsformen prägt einige Wortbeiträge der untersuchten Sendungen. Als Beispiel findet sich im Anhang, S. 391 f., ein Beitrag über die Ausstellung „Männersachen" aus einer Pomi-Sendung, der aus O-Ton-Einspielungen und Berichtabschnitten zusammengestellt ist. In bezug auf die Informationsfunktion ist die Anmoderation der ergiebigste Text, da hier die wesentlichen Fakten zur Ausstellung genannt werden. Der Beitrag selbst vermittelt vor allem „Atmosphäre", insbesondere über O-Ton-Einspielungen. Der Einstieg mit der „Stimme vom Band" (Zeilen 9 —12) will schockieren und dadurch Aufmerksamkeit wekken. Die Sprecherin des Berichts kommentiert diesen Text zunächst scheinbar spontan (13), bevor sie Details der „Situation" nennt (13 ff.); die szenische Darstellung erscheint dabei dem Gegenstand „Ausstellung" angemessen. Einzelbeobachtungen werden durch abstrakte Einordnungsversuche mit wertendem Charakter ergänzt (21 — 23); „Sinn und Zweck" der Ausstellung erläutert ein Statement des Veranstalters (28 — 33). Daran anschließend fährt die Sprecherin mit der Beschreibung fort („Peep-Show", 34 — 41), bevor zwei Besucher (ein Mann und eine Frau) ihre Eindrücke wiedergeben (42 — 47). Im abschließenden Bericht (49 — 59) kündigt die Sprecherin einen Termin an und nennt nebenbei zahlreiche Fakten über den Abenteurer Nehberg, ehe sie den Wortteil des Beitrags ironisch-kommentierend beschließt. Generell läßt sich zum „Informationsstil" der „Wortbeiträge" in den Rundfunksendungen für Jugendliche feststellen, daß hier vom „klassischen" Bericht- und Nachrichtenstil intensiv Gebrauch gemacht wird. Häufig werden die Informationen jedoch „aufgelockert" unterhaltend vermittelt, in den meisten Fällen fließen Kommentare und Wertungen in die Darstellungen ein.

155

Kommentieren und Werten

6.3.

Kommentieren und Werten

Als kommentierend werden hier Äußerungen angesehen, die Stellungnahmen, Meinungsäußerungen, Wertungen, kritische Anmerkungen oder weiterführende Gedanken zum Thema enthalten. Darunter gefaßt werden auch Kommentare, die den Eindruck erwecken, der Moderator habe unbedingt „seinen Senf dazugeben müssen". 6.3.1. Scheinbar objektive Bewertung der Musik „Scheinbar objektiv" heißt: Es wird nicht angegeben, ob es sich um die persönliche Meinung des Moderators handelt oder nicht. Der Moderator charakterisiert die Musik mit deutlich positiv oder negativ konnotierten Ausdrücken, häufig mit Adjektiven. — Positive Werturteile zu den gespielten Musikstücken: Positiv wertende Adjektive werden auf Musik bezogen, ζ. B. gut: attributiv: ne gute Nummer C, E R S , ne gute Platte H L prädikativ: also, das Stück is gut C, immer noch gut C adverbial: geht gut ein C, kommt sehr gut C

Häufig werden Adjektive mit wertneutralen Substantiven kombiniert. Wenn keine verbkonstituierte Relation hinzutritt, erscheinen die Nominalgruppen „scheinbar objektiv" positiv konnotiert: toll: tolle LP C, tolle Platte H L , toller Titel C, tolle Version dieses Titels W K , wirklich ein toller Song C, neue tolle Band C, tolle Frau H L dufte: dufter Titel H L , duftes Stückchen schön: schöne Nummer

C, dufte Funk-Musik

C

PS, H L , schöne Platte, H L , schönes Lied H L ,

schöner

schwarzer ruhiger Funk C wunderschön: wunderschöner schöner Oldie PS

Ohrwurm

C, wunderschöne

LP C,

wunder-

Eigenschaften und Wirkungen der Musik werden angesprochen: nicht minder spritzig C, sonnige Musik freundliche Stimmung verbreitet C

C ,?', sehr ausgefeilte

Musik,

die

Positiv wertende Substantive (ζ. B. Knaller) können mit Attributen versehen und/oder durch Präfigierung gesteigert werden:

156

Sprach- und Stilanalyse

Oberknaller C; Riesenhit C; musikalischer Leckerbissen C; richtig knalliges Schlußbonbon C; Supersahnescheibe WK

Phraseologismen, besonders festgeprägte Sätze, werden als Kommentierungsformel verwendet: Einer, der von heute is, ganz ohne Frage von heute: is dieser Herr hier= Klein, aber fein = Prince. C

+

Kommentarausrufe bestehen aus Ellipsen oder Einwortsätzen, die ζ. T . mit Soundwords gebildet sind. Aufgrund ihres hohen Grades an Expressivität, der intonatorisch unterstrichen wird, rücken sie in die Nähe der „persönlichen Meinungsäußerung" (6.3.2); die Subjektivität wird jedoch nie explizit gekennzeichnet. Whow! C; Whow, ganz schön heavy! PS Wahnsinn! Wahnsinn! WK; Hmm, Wahnsinn! HL Huh cool! C; Hoioioi. C; Au ja. PS

Z u r expressiven Kommentierung werden ferner Einspielungen eingesetzt, beispielsweise der Refrain aus dem Musikstück „Geil" mehrfach in einer

Club-Sendung.

— „Zueignungen" an bestimmte Hörer: Bei Liebhabern bestimmter Musikstile oder -richtungen wird eine positive Beurteilung der Musik vorausgesetzt: Da lacht das Herz der Soul-Fans PS; ein Genuß für alte Soulfreunde C; wer lieber zarte Rockklänge mag C

Aus dem Musiktext wird eine „Zueignung" abgeleitet: für alle Vorstadt-Kids in den Betonsilos = „Suburbia" C

— Eignung für bestimmte Situationen und Stimmungen: M i t Verbalausdrücken, deverbativen Nominalgruppen und Wortbildungen werden Wirkungen von Musik charakterisiert: „beruhigend", „entspannend": beruhigt wahnsinnig C; was ganz Sanftes C, wirklich schöne angenehme Musik zum Relaxen für den Feierabend C

Kommentieren und Werten

157

„aufmunternd", „ z u m Tanzen geeignet": wirklich ein schöner Muntermacher ner Disco C

C; toller Tanztitel C; das geht gut ab in

Spezielle Eignung, ζ. B. für Partys: einer, der auf keiner Silvesterparty fehlen darfC; ausgesprochen C; die richtige Polonaisennummer PS

partyerprobt

— Einschränkung des positiven Urteils: Vergleichend: aber natürlich lange nicht so gut wie [...] C Positiv/negativ kombiniert: Kiesentitel aus einer schlechten LP PS Alternativangebot, positiv oder negativ zu werten: Die einen werden sagen: Verhunzung der Rockkultur, die andern werden sagen = duftes Stückchen, + kann man toll = nach tanzen C -

N e g a t i v e Wertung der gespielten M u s i k :

Im f o l g e n d e n Beispiel wird der H i n w e i s auf den Verkaufserfolg mit negativ k o n n o t i e r t e n umgangssprachlichen A u s d r ü c k e n und der U m schreibung zwei Akkorde

für ,anspruchslos' kontrastiert:

Der Beweis, daß man mit zwei Akkorden und viel Krach Platten schustern kann, die sich hervorragend verkaufen. PS

zusamm-n-

Charakterisierungen langsamer M u s i k k ö n n e n durch H ä u f u n g und Verstärkung negativ wertend wirken: Eine weitere sehr eigenartige Platte ist die neue LP von Chris Rea, es gab mal den Kommentar, daß man sich das Valium ersparen kann, das is wirklich richtig. + Es is ein unglaublich ruhiges, wirklich einschläferndes Werk. C Weitere Beispiele für negative Wertung vgl. 6 . 3 . 4 Plattenkritik. 3 0

30 Die wesentlich ergiebigeren „Plattenkritiken" sind hier nicht mit aufgenommen, da sie durch ihre Situierung in einer speziellen Rubrik als Kommentar ausgewiesen sind.

158

Sprach- und Stilanalyse

— „Zweifelsfälle": positiv oder negativ? Status Quo, die Neue, gar nich mal so gut. C

Auch im Gespräch mit Jugendlichen konnte nicht geklärt werden, ob hier das Gegenteil der literalen Bedeutung gemeint ist, in Analogie zu:

Es tötete mich immer fast gar nicht.31 — Ironische Kommentierung: Eine der Sache unangemessen „ernsthafte" Charakterisierung erzeugt eine Diskrepanz zwischen Objekt und Bezeichnung, wodurch die ironische Wirkung zustandekommt: MUSIK: „Das geht ab wie Schmitz' Katze", TITELABSAGE, Dieses Werk hat wirklich geistige Tiefe. C

Präfigierung und Intonation lassen Verstärkungen ζ. T. als bewußte Übertreibungen und damit ironisch erscheinen: MUSIK: „Tor für Deutschland". Is das sUpergut, PS

Schlagermusik gehört nicht zum Repertoire der untersuchten Sendungen, ihre Ablehnung wird stillschweigend vorausgesetzt. Das den Schlagern zugrundeliegende Schema wird hier „aufgedeckt": MUSIK beginnt: Conny Francis: „Baccarole in der Nacht" MUSIK: Er heißt Pierro M: Oh, is das schön. Das hab ich gewußt, er MUSIK: und es gibt eine andre, die er M: heißt immer Pierro, wenn er dazwischen kommt. MUSIK: liebt. (instrumental) M: Hmm, das kenn-n viele Urlauberinnen, immer ein Pierro MUSIK: [...] und es gibt eine andre, M: dazwischen. Waren das noch Zeiten =

31 Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W. 1973.

159

Kommentieren und Werten

MUSIK: die er liebt. M: Jetzt kommt die dramatische Einspielung =

[...] C

6.3.2. Persönliche Meinungsäußerung zur Musik Persönliche Meinungsäußerungen des Moderators zur Musik haben zwei Komponenten: Die Musik wird bewertet, und auf die Subjektivität der Wertung wird explizit hingewiesen. Daher interessiert hier insbesondere, inwieweit die Werturteile lexikalisch mit den „scheinbar objektiven" (vgl. 6.3.1) übereinstimmen und welche strukturellen Mittel sie als persönliche Meinung kennzeichnen. — Positive Werturteile zu den gespielten Musikstücken: 3 2 Wertende Adjektive mit Referenz auf die Musik: gut: Oh, gefällt mir gut C; die gefällt mir außerordentlich ganz gut C

gut C; das find ich

toll: eine wirklich tolle Band, find ich C; Ich find das toll. C; eine tolle Nummer, wie ich finde C tierisch: [...] ich find die so tierisch C

Verstärkendes unflektiertes Adjektiv + schön + weiteres Adjektiv, eventuell als doppelte Prädikation aufzufassen 33 : richtig schöne angenehme Musik is das, finde ich jedenfalls schöne schmusige Ballade, find ich WK

C; ne wirklich

„Gesteigertes" Substantiv: Sahnemusik,

wie ich finde WK; einer meiner Stones-Lieblinge

C

Verbkonstituierte Bewertungen: Von dieser Nummer

kann ich nich genug krieg-n = C

Phraseologische Formeln: Ich find das richtig/ wenn schon denn schon, wenn schon richtig, dann muß das aber auch, okay? C 32 Die Kategorisierung folgt soweit möglich 6.3.1. 33 Vgl. Duden-Grammatik 4 1984: „Gelegentliche Beugungen gehören der Umgangssprache an." S. 270.

160

Sprach- und Stilanalyse

Ausrufe: Herrlich, find ich immer gut, diese alten Knutten\ HL

— Für bestimmte Situationen und Stimmungen geeignet: find ich nich schlecht, ganz besonders, Ohne meine Phil-Carmen-Kassette

wenn man dazu tanzen will, C

fahr ich im Auto gar nich mehr los = C

— „Hitparade" als Wertmaßstab: [...] ein Titel, über dessen Einstieg in die Hitparaden freue C

ich mich ganz

besonders

— Gegenargumente berücksichtigt, persönliche Meinung positiv: sehr ausgefeilte Musik, die [...] manchem natürlich auch zu brav sein wird, aber ich find s ein gelungenes Experiment, hier Jazz, Folk und Pop zu vereinen. C

— Positive und negative Argumente in der Kommentierung: Abwägende Kritik, wie sie bei der Textsorte „Plattenkritik" vorkommt, ist in der Moderation selten zu finden. Das folgende Beispiel ist eine Parodie auf die von Popstars gesprochenen Werbe-Jingles für Radiosender („Promos"). Dem durch die Prädikation unheimlich gesteigerten positiven Urteil wird mit dem Komparativ toller (als du) eine relativierende Kritik angefügt: Also, jetzt kommt der Jingle = RÄUSPERN Hallo, Marc Ralleigh von Matt Bianco, hier ist Volker Thormählen von NDR2, mir gefällt deine neue LP unheimlich gut, ich werde auch in dein Konzert geh-n, ich finde bloß, du hättest deine tolle Sängerin nicht aus der Band rausschmeißen soll-n, weil die kann nämlich viel toller sing-n als du. C

— Negative Bewertung der gespielten Musikstücke: Verbaldausdrücke und Phraseologismen werden zur Umschreibung der Abneigung gegen ein Musikstück eingesetzt: Die nächste Scheibe macht mir persönlich nich so viel Spaß = [... ] Ich find, das muß irgendwie nich sein, aber das muß ja wohl doch sein. C (Hitparade „European Hot 100")

— Persönliche Meinungsäußerung Dritter: Im Vergleich zur eigenen Meinungsäußerung hat der Moderator zur

Kommentieren und Werten

161

subjektiven Aussage Dritter eine geringere Nähe, hyperbolisierende Elemente werden hier „zitiert": Alle, die die SOS-Band bislang gesehen haben, sagen = tierisch! C

Zwischen den zur subjektiven Wertung verwendeten Ausdrücken und den scheinbar objektiv wertenden (6.3.1) treten kaum prinzipielle Unterschiede auf, bei persönlichen Meinungsäußerungen besteht die Tendenz zu etwas stärkeren Steigerungen. Häufig wird zur Kennzeichnung der Subjektivität lediglich finde ich nachgestellt oder eingeschoben, ohne daß sich die Struktur grundsätzlich von der einer scheinbar objektiven Äußerung unterscheidet, oder ich finde vorangestellt, um Adjektive adverbial anzuschließen. Über finden hinaus werden nur gelegentlich andere Verben (ζ. B. gefallen) oder verbkonstituierte Kommentierungen verwendet. Der Hinweis auf die Subjektivität wird normalerweise pronominal durch ich gegeben, in wenigen Fällen deuten „bestätigungsheischende" Partikeln (hörenswert, ne') an, daß die Meinung keine Objektivität beansprucht, aber nach Zustimmung verlangt. Daß die weitaus größte Zahl der Musikkommentierungen positiv wertend ist, ist insofern verständlich, als die Moderatoren häufig die Musik selbst (Club) oder in Zusammenarbeit mit einem Musikredakteur (Popshop) auswählen. Daher wären negative Bewertungen unangemessen, sprächen sie doch gegen eine „gute" Auswahl. 6.3.3. Einzelaspekte der Musik Noch häufiger als Wertungen sind Kommentierungen einzelner Aspekte der Musik zu beobachten. Aufgegriffen werden technische und musikalische Details, aber auch Texte und Charakteristika der Interpreten, wie die folgende Beispielauswahl illustriert. — Details zur Plattenaufnahme werden thematisiert: Technische Probleme bei der Musikwiedergabe und Pannen im Sendungsablauf greifen die Moderatoren fast immer auf (vgl. 6.1.7): Eiert η bißchen die Platte C Na ja, irgendwann is ne Platte zu Ende, und man kann das nich immer sofort merken, C

162

Sprach- und Stilanalyse

Schlußwirkungen in der Musik sind für den Moderator besonders wichtig, da sie ihm das „Stichwort" für seinen Einsatz geben: Jetz sind se fertig. Jedesmal wart ich ab, weil wenn ich früher was sage, dann fang-n se garantiert noch mal an. „Me and the Farmer" die Housemartins. So η Schluß kann man nur produzier-n, um Deejays zu ärgern. PS

Die Plattenaufnahme wird — ζ. T. wertend — kommentiert, insbesondere durch Hinweise auf Cover-Versionen und Remakes: Alles schon mal dagewesen: „School's gecovert von Crocus [...] PS

Out", alte Nummer

von Alice

Wenn man sing-n kann, Freunde, dann kann man sich durchaus olle Kamelle vornehm-n und die neu bearbeiten, C

Cooper,

auch mal ne

— Musik wird imitiert: Musikalische Details der Plattenaufnahme kritisiert der Moderator in der sprachlich interessantesten „Musikimitation" des Korpus: Wißt ihr, was mir an U2 nicht gefällt? Daß sie so nödelig anfangen = didel didel dideldid und didel dideldid wieder aufhören, mittendrin is s ja gut, aber können die nich mal η Lied machen, wo bomm anfängt und bomm wieder aufhört, das war geil für η Diskjockey. H L

Da ihm die adjektivische Charakterisierung nödelig nicht aussagekräftig genug erscheint, demonstriert der Moderator deren Bedeutung durch lautnachahmende Wortschöpfungen (didel dideldid). Die Kritik ist zudem konstruktiv: Der Moderator entwirft, wiederum lautnachahmend (bomm), einen möglichen Anfang und Schluß als Gegenvorschlag, den er abschließend bewertet (geil). Derselbe Moderator singt häufiger bei instrumentaler Hintergrundmusik mit 34 (scbnubbel di dumm) und bezieht die Lautnachahmung musikalischer Elemente in die An- oder Absagen ein: [...] njipp njipp njipp njipp, so fängt s an. H L

Mit Hilfe lexikalisierter lautcharakterisierender Ausdrücke werden musikalische Elemente in der Moderation aufgenommen: MUSIK endet mit „Gong": Gong, Das war-η noch Zeiten.

C

34 Außer „Elmi" (SWF3) praktizieren „Willem" (NDR2) und Günter Fink (NDR2, WK) ζ. T. dieses Mitsingen.

163

Kommentieren und Werten — Musikalische E l e m e n t e werden k o m m e n t i e r t :

Adjektive werden aus Bezeichnungen für Musikrichtungen gebildet. heavy in Metal, + nö is es nicht, aber η bißchen schwermetallig C; etwas rockiger C

is es schon,

Der Charakterisierung von M u s i k dienen aber auch Adjektive mit vager Bedeutung: Τja, und nun wird s herbe, WK D u r c h K o m b i n a t i o n von stilcharakterisierenden Ausdrücken

und

Herkunftsbezeichnungen wird der Musikstil neu benannt: angepunkter

Iren-Folk Poi; Westcoast aus der Schwyz. C

In der folgenden M u s i k m o d e r a t i o n werden vermeintliche W i r k u n g e n berücksichtigt und Verbindungen zum aktuellen politischen Geschehen hergestellt: Jetzt zu einem mystischen Lied, [...] es wird all jene begeistern, die sich verfolgt fühlen, das ist eine ganz krimimäßige eigenartige Stimmung. HM Also, wenn grade ein Ermittlungsverfahren gegen euch läuft oder wenn ihr einen entscheidenden Elfer an den Pfosten gesetzt habt = HM oder wenn ihr euch gerade um die Wahl zum österreichischen Präsidenten bewerben solltet oder wenn ihr im Vorstand der neuen Heimat seid, der Song „The Big Heat" beschreibt eure Seelenverfassung auf das Trefflichste. MUSIK C — Titel oder Textteile des Musikstücks werden aufgegriffen: Deutschsprachige T e x t e und Musiktitel — die insgesamt wesentlich seltener v o r k o m m e n als englische — werden gelegentlich aufgegriffen, hier auf die H ö r e r bezogen: Ihr könnt meinetwegen auch den nun folgenden letzten Musikwunschtitel als kleines Kompliment an euch verstehen = von mir an euch + dann müßte der Titel allerdings heißen = „Ich hab euch lieb", er heißt aber „ich hab dich lieb" = ihr könnt euch also persönlich einzeln angesprochen fiihl-n, WK Die Bedeutung englischer Titel wird vorausgesetzt, wie einige „weiterführende K o m m e n t a r e " illustrieren: „Lucy is Back in Town", Jeff Thomas, Lucy, das freut mich. WK

wie ich eben gehört habe, nicht nur

164

Sprach- und Stilanalyse

Zum vollständigen Verständnis des folgenden Kommentars sind außer Englischkenntnissen Erfahrungen mit dem Sender erforderlich: „Susi", die mit ihrer „zarten" Stimme regelmäßig die Übersicht über das SWF3-Programm vorträgt, ist Stammhörern bekannt. Don Johnson hat η Lied über Susi gemacht = „Voice on a Hot Line" PS

Auch wenn beiläufig (Teil-)Übersetzungen gegeben werden, sind meist Englischkenntnisse notwendig, um Kommentare zum Liedtext und Situationsbezüge nachvollziehen zu können. U2 „Where The Streets Have No Name". Wo haben die Straßen keine Namen' In Nicaragua glaub ich, hä' Da wollt ich kein Postbote sein. HL

Allerdings gibt es auch wörtliche Übersetzungen der Musiktitel: Die macht sich in letzter Zeit leider ein bißchen rar die Dame, Liebe sei ein Schlachtfeld meint sie, „Love is a Battlefield", tja, is auch nich grade ermutigend. C

— Kommentierende Bemerkungen zu den Interpreten: Die Bezeichnungen für die Interpreten werden gelegentlich aus der Musikrichtung oder dem Titel eines Musikstücks abgeleitet: David Cassidy, der Süßholzraspler 85, und da ist der Sprung nicht weit zu sechs jungen Herzensbrechern aus Hamburg = Hier sind Channel Five: MUSIK: „Breaking All Those Little Hearts" C

Ein Zusammenhang von Musik und Persönlichkeit des Interpreten wird vom Moderator des folgenden Beispiels hergestellt, wobei der negative Kommentar als Meinung Dritter ausgewiesen ist. Von ein-m Kollegen hab ich mal gehört, daß die Jungs von Blanc Monge ganz unausstehliche Typen sein soll-n, um so verwunderlicher, daß sie so nette, fröhliche Popmusik machen = C

Teilweise werden die Interpreten in die Rock-/Popmusikgeschichte eingeordnet: Rock'n'Roll-Dauerbrenner

C; Rockopas PS

[...] die steh-n natürlich in der Tradition von einem der größten, allergrößten Soulsänger aller Zeiten = Sam Cooke, der leider schon 1964 erschossen wurde, aber der jetz ein ungeahntes Revival feiern kann, denn = äh er kanns

Kommentieren und Werten

165

leider nicht feiern, is natürlich pervers, äh denn er hat in England zum Beispiel einen ganz ganz großen Hit mit sein-m alten Klassiker „Wonderful World", C

Einige Interpreten scheinen als Person oder aufgrund ihres Äußeren interessanter zu sein, als es ihre Musik ist: Dies ist Samantha Fox, und das muß ich kurz erklären, das is eine Dame mit herausragenden Qualitäten. + Die Plattenfirma hat es nich äh sal lassen können, ihre Oberweitenmaße anzugeben, + aber das is auch nich besonders schlimm, denn sie ist eigentlich keine Sängerin, + sondern eine Dame, die als Oben-ohne-Modell in britischen Boulevardzeitungen zu bewundern is, und jetz hat sie eine Platte gemacht, C MUSIK (Samantha Fox). TITELABSAGE Und sie hat kürzlich im Interview gesagt, sie wolle ihr-n großen Busen nich mehr, okay, ich nehm η freiwillig. HL („Elmi")

Viele Namen von Interpreten wirken assoziativ, so daß Sprachspiele auf lautlicher Ebene geradezu angelegt sind: „Simon and Garfunkel": Simon and Furunkel HL „Matt Bianco": Der matte Bianco. C

Die entstehenden Konnotationen werden in einigen Fällen explizit als unangemessen „zurückgenommen": Das sind BAP, ich lach mich schlapp. LACHT. MUSIK BEGINNT. Obwohl der Titel = da sollte man sich nich schlapp lachen = „Kristallnacht" C „Face Your Life" Pierre Cosso' Lift your face, Pierre Kotzo, + nein, die Platte is wirklich gut, HL

Die meisten Beispiele zur Musikkommentierung finden sich in den Sendungen Der Club, Club-Wunschkonzert und Hitline. Im Popshop treten persönliche Meinungsäußerungen in der Moderation nur selten auf, hier gibt es jedoch Rubriken, in denen einzelne Platten vorgestellt und bewertet werden („Plattenkritik"). 6.3.4. „Plattenkritik" und Konzertbericht Die genau vorbereiteten, ausführlicheren Texte zur „Plattenkritik" in speziellen Rubriken unterscheiden sich ζ. T. erheblich von den „spontanen" Kommentaren in der Moderation. Besonders beim Popshop, wo in Reihen wie „LP-Kritik" oder „Maxi der Woche" Platten vor-

166

Sprach- und Stilanalyse

gestellt werden, findet man neben positiven Urteilen auch extrem negative Bewertungen. Ein solcher Kommentar wird im folgenden näher untersucht35 (Transkript im Anhang, S. 392 ff.). Der Aufbau des Textes ist auf die „Auszeichnung" der „Maxi der Woche" am Ende hin ausgerichtet, in einer nach Meinung des Kommentators36 (K) aufsteigenden Qualitätsreihenfolge werden Platten kritisiert. Bewertungskriterien sind Länge der Maxisingle, Klangqualität, musikalischer Einfallsreichtum, ergänzt durch Pauschalurteile: so richtig ist das eigentlich nichts (Z. 42). Aus den „Argumenten" zieht Κ Schlüsse, die sogar in Kaufempfehlungen münden: Da is das Geld gut angelegt (57). Das stilistisch auffälligste Merkmal dieser Plattenkritik ist der Hang zu metaphorischen Ausdrücken, deren Häufung durch den Einschub oder anders gesprochen erzwungen wird: einen Dreh finden, zum Markenzeichen hochstilisieren (6 f.) wird intensiviert durch die Masche ausschlachten und zu Tode reiten (8 f.). Drastische bildhafte Bezeichnungen bewirken negative Wertungen: Schrott (16, 17); abgetakelte Retortenband (34); meterhohe Elektronik auftürmen (38)

Phraseologismen mit negativen Konnotationen werden eingesetzt: die letzten Märker aus der Tasche fingern (35); bei dem einem schon und Sehen vergehen kann (37)

Hören

Abwertende Ausdrücke treten im Korpus nur an dieser Stelle so geballt auf; insgesamt überwiegen die positiven Werturteile. Der angesprochene Text (S. 392 ff.) enthält auch positive metaphorische Ausdrücke, ζ. T. in Form von neu gebildeten Phraseologismen. glasklarer Sound (55); richtiger Hörspaß (71 £.); viel Fahrt haben (58); in die Beine schießen (59); in die vollen gehen (74); gut gemacht, keine Frage (65)

35 Ein Ausschnitt daraus (Zeilen 53 — 57) wurde den Jugendlichen in der Fragebogen-Aktion vorgelegt, zur Auswertung vgl. 7.1. 36 nicht dieselbe Person wie der Moderator.

167

Kommentieren und Werten

Als positive Plattenkritik angelegt ist die Popshop-Rubrik „Diamant", in der jeweils eine Lieblingsplatte (meist keine Neuerscheinung) eines Kommentators vorgestellt wird. Im ausgewählten Beispiel (Anhang, S. 394 f.) wird die Schlußwertung, „A Night At The Opera" sei Queens Meisterstück (46), durch eine von persönlichen Hörerfahrungen geprägte Charakterisierung der Platte begründet. Seine Meinung, daß der Reiz der Platte in ihren Gegensätzen liege, kleidet der Kommentator in Bilder vom Amoklauf durch die Musikgeschichte (14) und der Ehe zwischen Maria Callas und King Kong (15), ergänzt durch die als Gegensatzpaare ausgewiesenen adverbial verwendeten Adjektive genial — unverschämt (17 f.), todernst — slapstickartig (18), schön — schizophren (19). Weiter werden dem Q^een-Sänger Fähigkeiten als Opern-, Operetten- oder Nachtclubsänger bescheinigt, in eine Reihe gestellt mit der „Eignung" als Psychiatrie-Patient (31 — 34). Der Begeisterungsausdruck Wahnsinn (34) und Verstärkungen wie mörderische Chöre, die man einfach nicht glaubt (42), höchstpersönlich (28) — kontrastiert mit dem Bild des Himalayas an Synthesizern (27) — und das allergrößte Gegenteil (49) sind nur einige Beispiele für die hyperbolisierenden Züge dieses Kommentars. Der Text ist wie das erste Beispiel durch überzeichnete Metaphorik geprägt, allerdings gibt es Unterschiede hinsichtlich der Originalität: Der erste Text (S. 392 ff.) enthält zwar ungewöhnliche Bilder, aber durch ihre Formelhaftigkeit und Oberflächlichkeit entsteht kaum Spannung zum Objekt. Im zweiten Beispiel (S. 394 f.) verleiht die Diskrepanz zwischen Objekt und Bild dem Kommentar gesteigerte Expressivität. Teilweise dialogisch ist die „Plattenkritik" aus einer Point-Sendung (S. 395 ff.), in der der Kommentator (K) im Gespräch mit dem Moderator (M) eine freshe CD (M zu Beginn der Sendung) „analysiert" und bewertet. Im Vordergrund stehen hier musikalische Details, was eine Häufung von Rockmusik-Fachwörtern (vgl. 8.2.1) und musikcharakterisierenden Ausdrücken mit sich bringt: ,Platte', ,Lied': LP (9), CD (1); Titelsong

(28)

,Musikrichtung': Jazzrock (5), Popjazz (4), Metal-Musik poppig (10), rockig (10), softy Touch (24)

(25), jazzig (6, 8),

168 ,Musiker': Gitarrist (12), Jazz-Gitarrist nist (17), Keyboarder (20)

Sprach- und Stilanalyse (29), dazu: Gitarrenarbeit;

Saxopho-

,Instrumente': Saxophon (18), Trompete (24), Horn (17), Bläser (24), Gitarre (11), gute alte Ε-Gitarre, akustische Drums, Ε-Drums (alle 24), Sampling-Keyboard 824), Synthesizer (21), dazu auch: vercomputert (20) ,Elemente der Musik': Soli (24), Break (17), Bläsersätze, Sampler, Stottereffekt (alle 24)

Der Kommentator charakterisiert die Musik zunächst durch „Richtungsangaben", die sich grammatisch auf den Musiker beziehen, poppiger, rockiger, er hat auch Humor (10 f.) und nicht ganz so brutal jazzig (8). Angeschlossen wird eine „Analyse" des Instrumenteneinsatzes (17 f., 23 f.), die wertende Adjektive und Adverbien enthält: E-Gitarre [...] zum Teil ganz prima gespielt (24), phantastischer Break [...] für das Saxophon (17), eine super Gitarre spielen (29), letzteres mit dem nicht-flektierten Adjektiv super, dessen attributive Verwendung in den Sendungen mehrfach zu beobachten ist. Musikalische Elemente und Effekte (Break, Sampler) werden erwähnt und allenfalls vage erläutert: Sampler.37 [...] dieser berühmte Stottereffekt, den man mit dem SamplingKeyboard machen kann, indem man eben was weiß ich wieviel mal auf die Taste drückt. (24).

Bewertet wird die Musik umgangssprachlich mit ganz toll (24) und wirklich super gemacht (26); die Eignung für bestimmte Hörer wird ausgrenzend umschrieben: wieder nichts für die Jungs von der ledernen Front (24), keine Happy-Metal-Freaks (26), wobei das Wortspiel heavy/happy vom Moderator initiiert wird. Das abschließend gespielte Musikstück erhält den phraseologischen Kommentar Das Wasser wird euch im Munde zusammenlaufen (28 f.), was der Moderator aufgreift und variiert: [...] eventuell wird auch die Post bei euch zusammenlaufen (29 f.) — ein unmotiviertes Bild, das der nahtlosen Überleitung dient. Der Moderator hat hier primär die Funktion, die „Plattenkritik" in den Sendungsablauf zu integrieren. Der 37 Bei Ortner: Wortschatz der Pop-/Rockmusik 1982 bezeichnet dieser Begriff eine spezielle Art der Langspielplatte (S. 84), wird nicht (noch nicht?) als Substantiv zu sampling,?' genannt.

Kommentieren und Werten

169

Einstieg mit dem unreinen Reim (2) steht der abschließenden Überleitung an gesuchter Originalität kaum nach. Gewollt geistreich wirken auch die Bemerkungen singt er auch (10) und von happy Metal (25). Ferner bringt Μ „vorlaut" seine Kenntnisse an (23: sampler) und weist das Buchstabieren des Wortes Sax als redundant und überflüssig ab (16). Das „Moderatorengepiauder" über das Gitarrespielen von Μ (12 ff.) fällt in die Kategorie „Show". Lediglich die Zwischenfrage 18 ff. könnte das Analysespektrum erweitern, bringt jedoch das Konzept des Kommentators durcheinander, worauf vermutlich die schroffe saloppe Antwort [...] dann hast du gleich ein-n auf die Schnauze (21 f.) zurückzuführen ist. Steigerungen und Verstärkungen treten in Plattenkritiken in Verbindung mit fachsprachlichen Elementen auf, auch beim Popshop: Grund-Playback, synkopenhaltig. Hier überwiegen jedoch hyperbolisierende Bilder und Vergleiche [... ] ungefähr wie damals gitarrenmäßig Jimmy Hendrix, bei dessen spiel jeder Gitarrenlehrer sofort an den Freitod dachte. PS

Gitarren-

Als Äußerung Dritter ausgewiesen ist folgender Vergleich: Mensch, was da so alles drinsteckt, da mußte ja echt Ohren haben wie Genscher, um das alles mitzukriegen. PS

„Konzertberichte" 38 sind ebenfalls meist aus der Moderation ausgegliedert. Für die Beurteilung der musikalischen Leistung des Interpreten erhält hierbei die Art der Darbietung, die „Performance", hohen Stellenwert, wie das Textbeispiel aus einer C/wb-Sendung (Anhang, S. 398 ff.) zeigt. Der Übergang zwischen Anmoderation (mit unmotivierter Überleitung) und live vorgetragener Konzertkritik wird fließend durch den dialogischen Teil (2 - 7) mit der schnellen Bewertung: Er ist mörderisch auf der Gitarre nach wie vor. Der eigentliche Konzertbericht (ab 8) enthält zunächst Informationen zum Ort der Veranstaltung und den Hinweis auf den regen Zuspruch (4000 Sitzplätze, is ausver-

38 Am häufigsten im Club zu finden, Plattenkritiken kommen dort dagegen selten vor.

170

Sprach- und Stilanalyse

kauft, auch die nächsten fünf Tage [...]), womit die atmosphärischen Rahmenbedingungen angesprochen werden. Das Spezifische des Liveauftritts versucht der Kommentator zu vermitteln, indem er den Konzertablauf wiedergibt und jeweils Publikumsreaktionen, auch seine eigenen, als Wertungen anführt: Vorgruppe wird genannt Eric Clapton tritt auf ein weiterer Gitarrist = Mark Knopfler

—> —> —> —•

titch besonders wichtig die Menge brauste auf die Phonzahl verstärkte sich, war super ja

Die letzte Kommentierung wird vom Moderator initiiert, der die freudig-erstaunten Publikumsreaktionen auf den — als bekannt vorausgesetzten — „Dire Straits"-Musiker Mark Knopfler „nachvollzieht" (11). Der Kommentator fährt in der Ablaufbeschreibung fort, indem er die gespielten Stücke nennt, unterbrochen von der Zwischenfrage des Moderators nach dem Konzertmitschnitt (13 f.). Daß diese ihn aus dem Konzept bringt, zeigt sich im Verlegenheitsanschluß nichtsdestotrotz (16), mit dem Κ eine elliptisch formulierte Schlußwertung einleitet: also Superkonzert, Eric Clapton in Höchstform, nimmt keine Drogen mehr, bestens in Form. Als Konsequenz aus der positiven Beurteilung empfiehlt K, sich eine Karte für ein Clapton-Konzert in Deutschland zu besorgen (16). Nach näheren Informationen dazu übernimmt Μ stellvertretend die Hörerrolle mit der Annahme der Empfehlung: Okay, ich lauf gleich los (21). Information, Vermittlung von Atmosphäre und Wertung können als Hauptbestandteile von Konzertberichten angesehen werden. Durch in der Sendung gespielte Musikstücke initiiert, finden sich gelegentlich auch in der Moderation Hinweise auf Konzerte, vergleichbar mit Veranstaltungstips, in denen Daten wertneutral angeführt werden. Greifen die Moderatoren auf eigene Konzerterfahrungen zurück, ist der Wertungsaspekt dominierend, ζ. T. mit der Empfehlung zum Konzertbesuch verbunden. 6.3.5. Kommentierung anderer Themen — Kommentar zu Medienprodukten: Die weitaus meisten Kommentare in den untersuchten Rundfunksendungen für Jugendliche beziehen sich auf Musik (Platten, Konzerte),

Kommentieren und Werten

171

aber es werden auch andere Medien berücksichtigt. In den Moderationstexten sind kommentierende Elemente zu Film, Fernsehen und Video zu finden; als eigenständige „Wortbeiträge" gehen in einige Sendungen Film- (vgl. Anhang, S. 400 f.) und Buchbesprechungen (vgl. S. 401 ff.) ein. Film: Am häufigsten werden neue Kinofilme kommentierend aufgegriffen. Im Popshop gibt es sogar eine feste Rubrik „Filmkiste", in der etwa einmal wöchentlich ein bis zwei Filme mit kurzen Inhaltsangaben vorgestellt und — vor allem im Hinblick auf die Regie- und/oder Schauspielleistung — bewertet werden. Ausführlicher und stärker subjektiv geprägt ist eine Filmkritik aus dem Popshop, in der „Otto — Der neue Film" (1987) kommentiert wird (S. 400f.). Neben der Charakterisierung des Films als ottobiographisch (21) (Analogbildung) und einigen Angaben zur Handlung (22 — 28) sind hier massiv abwertende Elemente enthalten. Zu Beginn äußert der Kommentator (K) seinen Eindruck vom Film lautspielerisch mit Oh Gott oh Gott, Otto, (5), woran er einige Negativmerkmale der Filmgestaltung anschließt (6 — 12). Indem Κ seine Rezipientenperspektive als Filmkenner (Cineast, wie er es nennt) thematisiert und andere Rezeptionshaltungen in Rechnung stellt (die der OttoFans), relativiert er die radikale Ablehnung, versieht einige Filmelemente (Gags, Parodien) sogar mit positiven Werturteilen. Der Hauptkritikpunkt Schleichwerbung (11) wird allerdings nochmals aufgegriffen (31 — 36) und durch Umschreibung der Produktnamen konkretisiert, da diese Kritik nach Auffassung von Κ auch aus der OttoFtfn-Perspektive aufrechtzuerhalten ist. Die negative Charakterisierung der weiblichen Hauptdarstellerin (hölzern, sprachlos) wird demgegenüber als sekundär eingeschätzt, wollte man eine Otto-Show mit Blödeleien, Grimassen, Hektik und Gags (16) sehen, was wohl auf die meisten jugendlichen Rezipienten zutreffen dürfte. Buch: Gelegentlich werden auch nicht-auditive bzw. nicht-audiovisuelle Medien berücksichtigt, indem Bücher vorgestellt und kommentiert werden. Häufig sind dies Sachbücher oder „Ratgeber" im weitesten Sinn, beispielsweise über preiswerte Reisemöglichkeiten. Hier

172

Sprach- und Stilanalyse

wurde jedoch ein Kommentar ausgewählt, der sich mit dem Rock'n'Roll-Roman „Uns verbrennt die Nacht" von Craig Kee Strete befaßt (vgl. S. 401 ff.). Bereits in der Anmoderation (1 — 7) zum Beitrag wird über einige Informationen hinaus eine Wertung abgegeben, gekennzeichnet als John-Lennon-Zitat. Der Einstieg in die eigentliche Buchbesprechung erfolgt mit dem Romananfang, den ein Sprecher liest (8 —16). Bevor dieser einen weiteren Textausschnitt vorträgt (37 — 46), nennt der Kommentator einige Fakten und Inhaltselemente zum Roman (17 — 36). Kommentierungen beziehen sich dabei auf den Inhalt, die wilde Seite der 60er Jahre, d. h. Szene-Partys mit Sex, Drogen und Rock'n'Roll, was nicht klar positiv oder negativ bewertet wird. Im zweiten Teil seiner Kommentierung (47 — 64) läßt Κ kritische Töne zur Drogenszene anklingen, jedoch relativ leise (49 — 52), berücksichtigt man, mit welcher Intensität die Themen Sex und Drogen im Roman behandelt werden. Die literarische Gestaltung charakterisiert Κ als witzig geschrieben (53), ziemlich harte Reportage (54), Erlebnisbericht (55) und geht schließlich ausführlich auf die Hauptfigur, Jim Morrison, ein (55 — 64), die Strete seiner Einschätzung nach nicht authentisch verarbeitet hat. Wer der Empfehlung lesenswert im Gesamturteil nachkommt, wird feststellen, daß der Roman weniger witzig denn eine Häufung von Drogenphantasien ist. Aber: Kommentare dürfen ja subjektiv sein. — Kommentierung politisch relevanter Themen: Die in Nachrichtenmagazinen stark vertretene Textsorte „politischer Kommentar" kommt in den Jugendfunksendungen selten vor. Dennoch werden politische Themen durchaus kommentiert, sei es in Glossen, Sketchen oder in die Moderation integriert. Eng an den „klassischen" Kommentar angelehnt ist die Moderatoräußerung über die „Hafenstraße-Ereignisse" in einer Club-Sendung (vgl. S. 403). Über das Gegensatzpaar sauber — schmutzig, das er auf Reeperbahn — Hafenstraße bezieht, stellt der Moderator die beim sogenannten sauberen Bürgertum geltenden Normen und herrschenden Meinungen in Frage. Durch die Verwendung von „um-

Kommentieren und Werten

173

gangssprachlichen" und „salopp a b w e r t e n d e n " 3 9 Ausdrücken zeichnet er ein Negativbild vom Leben an der Reeperbahn, um zu verdeutlichen, wie unreflektiert die Meinungen über die Hafenstraße-Bewohner seiner Einschätzung nach sind. Kommentierungen von politischen Ereignissen und gesellschaftsrelevanten T h e m e n finden sich außer in solchen — seltenen — M o d e r a t o r k o m m e n t a r e n in einigen An- und Abmoderationen von Beiträgen. Im folgenden Beispiel wird der Musik Kommentarcharakter zugeschrieben bzw. die Musik politisch kommentierend eingesetzt: M : [...] Von der Hamburg-Wahl habt ihr sicherlich schon gehört [...] und ihr habt sicherlich auch gehört, wie gut, wie sehr gut sogar, die Frauenliste der GAL, also der Grün-Alternativen Liste in Hamburg abgeschnitten hat. Viele haben das nicht für möglich gehalten, das mit der Frauenliste. Ich glaube, Ina Deter ist eine Frau, die das schon immer gewußt hat, sie hat ja schon ihre letzte LP danach benannt = „Frauen kommen langsam, aber gewaltig". M U S I K : „Frauen kommen langsam — aber gewaltig" M: „Starker Mann, was nun40, das hört sich fast wie ein Kommentar Hamburg-Wahl gestern an.

6.3.6.

zur C

Situationskommentierung

Z u unterscheiden sind: Moderatorsituation (Kommunikatorperspektive auf die Sendung), Hörersituation aus der Sicht des Moderators (Bild vom Hörer) und gemeinsame Situation von M o d e r a t o r und H ö rer. Im folgenden werden zur Kommentierung solcher Situationen einige Beispiele angeführt, die über metastrukturelle Äußerungen (vgl. 6.1.7) hinausgehen. — Moderatorsituation: „Persönliche Situation" Ich werd da langsam mal packen, wer heute Luft abgelassen hat C

„Lagebericht" ins Studio gekommen

= [... ] C

39 Zur Stilmarkierung vgl. Kap. 8. 40 Textstelle aus dem Musikstück.

mein Fahrrad

satteln unten, mal

gucken,

174

Sprach- und Stilanalyse

„Beschreibung des Studios" Bei uns im Studio sieht es hier viel schöner aus. Die zwei Clubengel Uwe und Axel hab-n mir grade ne Kerze gebracht, ein-n richtig schönen Kerzenleuchter, und der steht jetzt hier mitten auf m Tisch, so η bißchen weihnachtliche Atmosphäre gezaubert, klingt vielleicht η bißchen abgeklatscht, aber is richtig nett, [...] C — Hörersituation aus der Sicht des Moderators: In einigen C/«fo-Sendungen beziehen sich die Moderatoren speziell auf die vermeintliche Hörersituation. Dominierendes T h e m a ist dabei das Abendessen, von dem die Moderatoren vermuten, es werde von den Hörern in der Sendezeit der Jugendmagazine (18.05 — 2 0 . 0 0 Uhr) eingenommen. Und dann hab-n wir noch ein unappetitliches einige zugange sind, so abendbrotessenstechnisch,

Thema, [...], da aber C

noch

Na, schmeckt euer Abendbrotf + Ich mein, es is ja jetz so Abendbrotzeit, ne, schön η bißchen was mum! mampfen, ne Mettwurststulle und dann dabei Radiohör-n, natürlich NDR2 und das Wunschkonzert, + Wenn s so zur Zeit bei euch ausseh-n sollte, dann habt ihr es gut, wir hab-n s hier weniger gut, [...] Also, sollte irgend jemand grade unterwegs sein mit ner Pizza in der Hand oder so = vorbeibring-n. WK Über das Thema „Abendessen" schafft der Moderator in mehreren Wunschkonzertsendungen (ζ. B. S. 376) Verbindungen zwischen vermeintlicher Hörersituation und — angeblich realer — Situation der Rundfunkmitarbeiter, die in einer Wunschkonzertsendung (vgl. Beispiel oben) witzig-„showartig" ausgespielt wird, indem der Moderator die Hörer auffordert, ihm und den Technikern etwas zu essen zu bringen, gewissermaßen in Umkehrung des „Hörerbezugs". — Gemeinsame Situation von Moderator und Hörer: Sendung Einzelne Sendesegmente werden kommentiert: (Beitrag über Butler-Schule) Also, wenn ihr mich fragt = Butler = das wäre kein Job für mich. C (Musikstück mit „Verzerrungen") Das klingt wirklich so. PS (Radiodienst) Huh, auf den Autobahnen tobt der Frust, hähä + weg damit. HL

175

Kommentieren und Werten Die Sendung als Ganzes wird ζ. T. ironisch kommentiert: Der Club is ein interessantes Programm = Sendung. (Sketch: Dänisch-Kurs) C

+ Man lernt viel dazu bei jeder

Kommentierende Einspielungen C, ζ. B. Ausschnitt aus einem Hape-Kerkeling-Sketch: boa, is dat langweilig.

— Gemeinsame Situation über die Sendung hinaus: Vom „Erleben" der Sendung abgesehen, unterstellen die Moderatoren kaum explizit gemeinsame Situationen, Ausnahmen bilden „allgemeine Tatsachen" und das Thema „Wetter". Aber nur, weil morgen Feier = tag is = PS [...] bei ein-m solchen toll-η 'Wetter draußen

C

6.3.7. Metasprachliches In einigen der untersuchten Sendungen wird Sprache thematisiert, und zwar unter folgenden Aspekten: Metakommunikativ beschreibend, Begriffe erläuternd und sprachkritisch. — Metakommunikative Moderatoräußerungen: Das häufigste metakommunikative Prinzip besteht darin „zu sagen, daß man etwas sagen will", realisiert durch Verben des Mitteilens, ζ. B. erzählen, berichten, hinweisen, fragen, und mit den entsprechenden deverbativen Substantiven (Hinweis, Frage): Ich möchte noch auf zwei Fernsehsendungen

hinweisen,

C

Solche strukturierenden Bemerkungen sind vor allem in den Clubund Wunschkonzert-Sendungen zu verzeichnen. Ein Nebeneffekt der Verzögerungswendungen ist die Pronominalisierung der Moderatoräußerung, die direkte Höreranreden induziert: Ich muß euch unbedingt

noch erzähl-n, daß wir [...] C

Wir fragen euch = wie sieht s bei euch im Jugendzentrum

aus? PS

Gelegentlich thematisieren die Moderatoren auch Schwierigkeiten der sprachlichen Realisierung: [...] und zwar handelt sich s dabei um den, jetzt bleibt mir bestimmt die Zunge irgendwo stecken, um den Threw-Down-Mix, WK

wieder

176

Sprach- und Stilanalyse

— Benennungen werden thematisiert und kommentiert: Begriffserläuterungen sind selten im Verhältnis zur Verwendungshäufigkeit von „Insider"-Ausdrücken, ζ. B. Rundfunkjargon- oder Musikfachwörtern (vgl. 8.2), häufig kann die Bedeutung eines Ausdrucks jedoch aus dem Kontext erschlossen werden. Explizite sprachliche Zuordnungen und „Einzelanalysen" bestimmter Ausdrücke oder Namen sind Ausnahmen: Vorgängertitel [...] der auch rauf- und runtergelaufen ist, wie man im Rundfunkdeutsch zu sagen pflegt C Die Gruppe, Flairck, ef el a i er ce ka schreibt sie sich, C

Thematisiert werden Benennungen meist, um Kommentare und Wertung anzuschließen. Bei der Einordnung von ihrer Meinung nach „neuen" Wörtern in das Gesamt der deutschen Sprache verwenden die Moderatoren mehrfach die Bezeichnung neudeutsch: [...] geil, dieses neudeutsche Wort C Die „Schtons", wie sie ja neudeutsch heißen = C

Die Relation zwischen Bezeichnung und Objekt rückt bei folgender Kommentierung in den Vordergrund: [... ] ein sogenanntes Benachteiligtenprogramm, + das klingt schlimmer als es ist, ne' C

Die mehrfache Verwendung von wunderschön zur Charakterisierung einer Platte „rechtfertigt" der Moderator metasprachlich: Man muß es einfach sagen, dies Wort wunderschön, alldieweil es zutrifft, C

„Sprachprobleme" stehen im Mittelpunkt eines Sketches, der um die Schlagzeile „Pfeifkonzert empfing Blüm" rankt (vgl. S. 406ff.). Die verkürzte Formulierung führt zu dem Mißverständnis, Pfeifkonzert als Eigennamen aufzufassen. Hier wird das feste journalistische Muster „X empfing Y " sprachkritisch betrachtet. — Sprachkritik: „Angewandte Sprachkritik" ist gelegentlich zu beobachten, wenn die Moderatoren ihre eigene Sprachverwendung korrigieren. Dies geschieht am häufigsten um der korrekten Aussprache fremdsprachiger

177

Kommentieren und Werten

Musiktitel willen, ζ. B. in einer Wunschkonzert-Sendung (vgl. S. 378), in der der Moderator live zunächst [laif] ausspricht, dann in der Titelabsage explizit zu [liv] korrigiert. Bei einigen Korrekturen geht es auch um die Wahl des „richtigen" Wortes. Um den „treffenden" Ausdruck zu verwenden, muß der Moderator im folgenden Beispiel einen Phraseologismus auflösen, da er ihn in literaler Bedeutung auffaßt: [...] nonstop am laufenden Band. Was sag ich da, am laufenden Plattenteller, WK

Im Beispiel unten (Willem-Show, NDR2) werden semantisch ähnliche Adverbien nachträglich differenziert: Band (M): man fragt dann nicht doppelt und umsonst M: vergeblich

Die meisten Moderatoren achten auf stilistisch „angemessene" Sprachverwendung, bei Verstößen gegen die „neutrale" bis „umgangssprachliche"/„saloppe" Stilebene (vgl. Kap. 8) wird „selbstkritisch" thematisierend eingegriffen, sowohl bei zu „niedrigen" als auch zu „hohen" Stilwerten. Diese Korrekturen werden häufig ironisch-witzig ausgespielt: Moment, falscher Zettel, Scheiß/ äh bi ba sch + tschuldigung, peinlich. HL

+ is mir das

[...] is stagniert = MUSIKTITEL + Stagniert = + was ein schönes wort für einen Diskjockey mit einem mittleren IQ, klasse. HL

Fremd-

Kritisch reflektiert wird über Sprache in einigen „Beiträgen", Glossen und Sketchen, seltener in der Moderation. Dabei geht es um einzelne Ausdrücke, ζ. B. die Bezeichnung sonnengegerbte Sangesschwuchtel für den „Modern-Talking-Sänger" durch einen Musikjournalisten, der in einer Club-Sendung interviewt wird, oder um das jugendsprachliche Wort geil (vgl. 8.3.2). Gelegentlich rücken auch Stilfragen in den Blick, so wird der Asterix-Übersetzer in einem Popshop-lnterview gefragt, ob sich Asterix denn nun gewählterer Ausdrücke bediene. In einer Club-„Kurzmeldung" wird über einen Politiker-Streit zur Jugendsprachverwendung in einer Berufsinformationsbroschüre berichtet.

178 6.4.

Sprach- und Stilanalyse

Dialogisches

Zur Begriffsbestimmung des Untersuchungsgegenstandes wird in der Gesprächsanalyse oder Dialogforschung ein Gespräch oder Dialog definiert 41 als thematisch „zentrierte Interaktion" 4 2 mit mindestens zwei Sprechern/Hörern, die ihre Rollen wechseln, wobei der kommunikative Austausch mittels eines sprachlichen Symbolsystems 43 erfolgt. Die „Gesprächsanalytiker" favorisieren etwa zur Hälfte den Terminus Dialog, die übrigen Gespräch. Im Gegensatz zu der meist synonymen Verwendung werden diese Begriffe hier differenzierend eingesetzt, um verschiedene Formen und Stufen des „Dialogischen" — als umfasssenderen Begriff — zu beschreiben. Dabei gelte als Arbeitsdefinition für das Gespräch die oben angeführte Kennzeichnung. Im Rahmen der Medienkommunikation ist dieser Begriff nur als Bezeichnung für Kommunikation im Medium (ζ. B. Interview) sinnvoll verwendbar. Dialog soll demgegenüber auch Kommunikation über das Medium erfassen (ζ. B. Anreden) und die Elemente beschreiben, die eingesetzt werden, um den Eindruck der Asymmetrie zu durchbrechen (vgl. 3.2). Die hier in der Kategorie Dialogisches behandelten Elemente haben zwar auch andere Funktionen (ζ. B. informative), der dialogische Charakter ist jedoch dominant, am ehesten mit der „phatischen" Funktion (nach Jakobson) vergleichbar. 44 Das Konzept, einen „Dialog mit den Hörern" aufzubauen, wird in 6.4.1 f. auf seine Realisierungen hin überprüft. Ausgangspunkt für die Analysen und Erkennungsmerkmale der „dialogischen" Elemente sind die aus der Ge41 Die Definitionskriterien für die meist synonym gebrauchten Begriffe sind jeweils leicht variiert zu finden u. a. in: Fuchs/Schank: Alltagsgespräche, Einleitung zu: T e x t e gesprochener deutscher Standardsprache III 1975, S. 7 ; Schwitalla: Dialogsteuerung in Interviews 1 9 7 9 , S. 3 7 ; H e n n e / R e h b o c k : Einführung in die Gesprächsanalyse 2 1 9 8 2 , S. 12 ff., S. 2 6 1 f. 4 2 Z u m Begriff vgl. Goffman: Verhalten in sozialen Situationen 1971, S. 84. 43 H e n n e / R e h b o c k 2 1 9 8 2 setzen gesprochene Sprache voraus, wobei der Begriff „sprechsprachlich" (S. 261) etwas irreführend ist. 4 4 Dennoch wurde der Begriff „phatisch" nicht verwendet, da fast alle untersuchten Rundfunktexte über weite Strecken phatische Funktionen aufweisen.

Dialogisches

179

sprächsanalyse übernommenen Definitionen für die Grundkategorien eines Gesprächs. 4 5 Dabei interessiert u. a. die Art der „Gesprächsfortführung", 4 6 daß Gesprächsakte initiierend und determinierend wirken können und nachfolgende Gesprächsakte in unterschiedlichem M a ß e responsiv sind. 4 7 Auf der Ebene der Gesprächsschritte sind Gesprächssequenzen dadurch definiert, daß ein Gesprächsschritt einen zweiten determiniert, d. h. der zweite Gesprächsschritt ist als Konsequenz des ersten erwartbar. 4 8 Im folgenden wird u. a. untersucht, inwieweit Moderatoräußerungen als Teile von Gesprächssequenzen aufzufassen sind. 6.4.1. Dialog mit den Hörern in monologischer Moderation Da in den Medien alles für das Publikum produziert wird, ist der Rezipient grundsätzlich Zielgröße des Kommunikators (vgl. 3.1). Darüber hinaus gibt es Äußerungen, in denen die intendierten Rezipienten direkt angesprochen werden. Daß dadurch eine der tatsächlichen Kommunikationssituation in wesentlichen Punkten entgegengesetzte Konstellation suggeriert wird, wurde im Rahmen der gesprächsanalytischen Überlegungen zur Medienkommunikation (vgl. 3.2) behauptet. Die Sprachanalyse hat nun zu belegen, welche Elemente einen dialogischen Charakter bewirken. Zunächst kommen die auf der Makroebene 4 9 angesiedelten dialogeröffnenden bzw. -beendigenden Phasen in den Blick, die auf ihren Hörerbezug hin untersucht werden. Im Anschluß daran sind einige Kategorien der Mikroebene, insbesondere die Anredeformen, aufzugreifen. Appellative und expressive Dialogelemente, vor allem Imperative und Fragen, sind ebenfalls stark hörerbezogen, ζ. T. jedoch un-

45 Nach Henne/Rehbock: Einführung in die Gesprächsanalyse 2 1 9 8 2 . 4 6 Im folgenden werden Anführungszeichen der Einfachheit halber weggelassen; es handelt sich jedoch immer um die Übertragung gesprächsanalytischer Kategorien auf monologische Medientexte. 47 Vgl. Henne/Rehbock: Gesprächsanalyse 2 1 9 8 2 , S. 201 ff. 48 Vgl. Henne/Rehbock: Gesprächsanalyse 2 1 9 8 2 , S. 175. 49 Vgl. die Systematik in Henne/Rehbock: Einführung in die Gesprächsanalyse 2 1 9 8 2 , S. 20.

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Sprach- und Stilanalyse

ter den Voraussetzungen der uni-direktionalen Kommunikationssituation theoretisch kaum sinnvoll. Außer ihrer "Wirkung interessiert hier die medial bedingte Grenze für den Einsatz solcher Elemente. — Begrüßung/Verabschiedung: Explizite Begrüßungen fallen in vielen Sendungen weg, zumal durch das Anfangsmuster (vgl. 6.1.1) der Beginn der Sendung deutlich ist. Die Angabe von Sender, Sendung, Zeit und Moderator wird manchmal (im Popshop selten) durch Grüße ergänzt: schönen Abend C, η Abend C, einen schön-n guten Abend C Hallo C, PF, WK, HL, ERS; lautliche Varianten: Hailau, Hallo: HL, ERS; Varianten: Halli Hallo C, Hallöchen C Hallöchen, η Abend allerseits, am Mikrofon [...] C

Im Verhältnis zur Häufigkeit dieses Grußes in der Umgangssprache wird Hallo von den Moderatoren selten verwendet, in dialogischen Einspielungen etwas häufiger: Weibl. St. 50 : Hallo, Freunde! + Ich hoffe, daß wir alle FANFARE: LACHEN im Hintergrund Männl. St.: mit Olli Weibl. St.: viel Spaß (h)aben werden

C

Anstelle der Grüße findet man zu Beginn einiger Rundfunksendungen Umschreibungen mit begrüßen C oder willkommen heißen C. Die zwei- bzw. dreiwertigen Verben ermöglichen es dem Moderator, seinen Namen einzuflechten, und verlangen eine explizite Höreranrede. 51 Angeschlossen werden zum Teil Wünsche, die durch eine spezielle Situation motiviert sind: Ski und Schlittschuh heil wünsche ich. Am Mikrofon mit Pudelmütze und Wollhandschuhen begrüßt euch Reinhold Kujawa, schön-n Wochenanfang. C

50 Weibliche Stimme mit frz. Akzent. 51 Beides entfällt in der häufig verwendeten elliptischen Variante Herzlich willkommen C, Poi, WK.

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Dialogisches

Während im gesamten SFW3-Programm Begrüßungen selten sind, gibt es bei NDR2 Unterschiede zwischen Jugendsendungen und den anderen Sendungen, in denen die konventionellen Grußformeln Guten Morgen, Guten Tag, Guten Abend52 bevorzugt werden. Beendet werden die meisten Sendungen (außer einigen SWF3-Sendungen) mit einer Verabschiedung, an die ein Musikstück angeschlossen wird, gelegentlich ergänzt durch Einspielungen und/oder Sprecherabsagen. Für die sprachliche Realisierung der Verabschiedung ist — im Gegensatz zur Begrüßung — eine Leitform in den untersuchten Sendungen eindeutig erkennbar: Tschüs bzw. Tschüß53 C, WK, PF, PS, HL, Poi. Auch im „allgemeinen" Rundfunkprogramm dominiert Tschüs zur Verabschiedung, selten wird das konventionelle Auf Wiederhören (NDR2) gebraucht. Varianten der Leitform sind Tschüssi C und Tschüssikowski Wi, letzteres verwendet NDR2-Moderator „Willem" als „Markenzeichen": Ich sag Tschüssikowski

und nech dann = bis neulich! Wi

Der Spezialgruß Heavy Up ist in einer Folge der Club-Sendereihe „Heavy Metal Special" zu finden. Allgemeine fremdsprachige Grußwörter ciao/tschau C, adieu C, bye-bye HL, ERS kommen gelegentlich vor. Bye-bye, seltener bye, verwendet vor allem SWF3-Moderator „Elmi", ζ. T. mit Einspielungen kombiniert. Das war: SWF3 Hitline, am Mikrofon

war Elmar Hörig, bye-bye. HL

Die Umschreibung des Abschiedsgrußes mit verabschieden manchmal zusätzlich zu Grußformeln oder Grußwörtern auf: Am Mikrofon Abend. C

verabschiedet

sich Volker Thormähl-n

[...] Viel Spaß,

tritt schön-n

Grüße werden vielfach mit anderen Elementen kombiniert, am häufigsten mit einem — oft unbestimmten — Verweis auf die nächste Sendung des Moderators oder der Sendereihe:

52 Am Stichtag (6. 8. 87) kommen alle drei Formen vor. 53 Die unterschiedliche Schreibung deutet die jeweilige Länge des Vokals an: tschüß [Jus], tschüs [Jü:s].

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Sprach- und Stilanalyse

bis morgen Pop Fit; bis nächsten Sonntag WK; Ich sage tschüs für heute bis zum nächsten Mal. C

Besonders bei „Zwischenverabschiedungen" nach der ersten Sendestunde wird das baldige Wiederhören geradezu vorausgesetzt: wir hören uns später C

Viele Verabschiedungen enthalten „Wünsche" in phraseologischer elliptischer Form oder unter Verwendung von wünschen: schönen Abend C, Poi; viel Spaß C, Poi; ich wünsch euch all-η η schönes Wochenende

C

Je nach Situation werden auch spezielle Wünsche angebracht wie: Rutscht schön rein ins neue Jahr C; Ν guten Rutsch in η Mai C

Im weiteren Sinne ist die Wendung macht's gut zu den „guten Wünschen" zu rechnen. Stärker appellativ sind mit dem Abschiedsgruß verbundene Vorschläge oder „gutgemeinte Ratschläge": genießt die Luft draußen, geht spazieren C

Einige Verabschiedungen enthalten eine Häufung verschiedener Abschiedsformeln und -wünsche: Und ich wünsch euch was, ich wünsch euch ein schönes Wochenende, viel Spaß auf der Piste. Sauft nich so viel! Nächste Woche hören wir uns wieder. Tschü:s, C

Den NDR2-C/«b-Sendungen sind zahlreiche Beispiele für Grüße zu entnehmen, während bei SWF3 wenig Wert darauf gelegt wird, zumal die einzelnen Sendungen innerhalb des Gesamtprogramms geringere Eigenständigkeit besitzen. 54 Aus dieser Perspektive ist eine Verabschiedung am Ende jeder Stunde überflüssig, da der Hörer das Programm ja weiterverfolgen soll. Lediglich die 1986 aufgezeichneten Pops^op-Sendungen enthalten vereinzelt Verabschiedungsgrüße (meist tschüß). Fast immer findet man hier Hinweise auf das Ende 54 Dies zeigt sich schon in der Senderorganisation: Während der Club von der NDR-Jugendredaktion betreut wird, liegt der Popshop in der Verantwortung der SWF3-Redaktion.

Dialogisches

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der Sendung und das nachfolgende Programm, bevor die Sendung nach folgendem Muster beendet wird: SWF3 Popshop, Musik = Vor- und Zuname des Musikredakteurs, am Mikrofon = Vor- und Zuname des Moderators.

— Anredepronomen: Anredeformen haben folgende Funktionen: 55 (1) Sie bezeichnen jemanden. (2) Der Bezeichnete wird damit zum Angeredeten. (3) Der Sprecher stellt zwischen sich und dem Anzuredenden eine Relation her und weist beiden bestimmte Rollen zu. Um die zur Höreranrede verwendeten Personalpronomen im Hinblick auf die Kommunikator-Rezipienten-Beziehung einschätzen zu können, werden zunächst die Selbstbezeichnungen des Moderators als Bezugspunkte für die Anreden betrachtet. Der Moderator nennt seinen Vor- und Zunamen, stellt sich den Hörern gewissermaßen vor, am häufigsten in der Verbindung: Am Mikrofon = Vor- und Zuname des Moderators

Die unpersönlichste Umscheibung von ,ich' wird mit man, Moderator oder Diskjockey erreicht, hier als Kontrast zur persönlichen Meinung (Ich hab [...]) eingesetzt: Als Moderator ist man immer so η bißchen in der Bredouille, wenn man Modern Talking spielt, man fragt sich, wie schließt man an, was macht man danach. Und ich hab/ ich halt s eigentlich immer nach Modern Talking mit dieser Musik hier = C

Das Pronomen ich (bzw. die flektierten Formen) wird von einigen Moderatoren fast nie verwendet. Insbesondere zur Bezeichnung des Moderators in seiner Funktion als „Begleiter" durch die Sendung wird es häufig durch wir ersetzt (s. u.). In vielen Club- und HitlineSendungen wird ich jedoch verwendet, um die persönliche Meinung des Moderators ausdrücklich zu kennzeichnen. Dominierend ist die Formel ich finde bzw. find ich: 55 Vgl. Kohz: Linguistische Aspekte des Anredeverhaltens 1982, S. 21.

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Sprach- und Stilanalyse

Ich find das muß irgendwie nich sein. C Find ich immer gut. H L

Moderatorperspektive und persönliche Haltung des Menschen, der moderiert, vermischen sich im folgenden Beispiel: Ich hab irgendwie immer η besonderes Verhältnis zu dieser Platte, weil ich die in meiner allerersten Clubsendung damals gespielt hab. Da saß ich hier noch so mit bibbernden Knien + [...] C

Als Person treten nur wenige Moderatoren in den Sendungen deutlich hervor, sehr stark allerdings SWF3-Moderator „Elmi", der bis zur ironischen Selbstdarstellung geht (vgl. 5.3.2): „Wake Up" heißt das Ding, dazu mach ich morgens immer meine (sic!). ERS

Gymnastich

Dominierendes Personalpronomen ist in fast allen Sendungen wir; zu unterscheiden sind dabei folgende Grundbedeutungen: wir1

— kommunikatorbezogen (Pluralis majestatis) ,der Moderator und das Redaktionsteam'; ,der Moderator'

wir2

— rezipientenbezogen (Pluralis benevolentiae) ,der Moderator und die Hörer' („Moderatoren-Wir")

Während wir, zu den Selbstbezeichnungen zu rechnen ist, liegt mit wir2 ein die Hörer inkludierendes Pronomen vor. Positiv ausgedrückt stellt das „Moderatoren-Wir" eine sehr starke Form des Hörerbezugs dar, „bei dem das ,Ego' und das ,Alter' ineinander aufgehen." 5 6 Allerdings muß man neben vertraulichen Aspekten auch die anbiedernde Wirkung dieser Anredeform (vgl. Krankenschwester-W/r 5 7 ) in Rechnung stellen. Die Verwendung desselben Pronomens zur Anrede der Hörer und als Selbstbezeichnung für den Moderator bzw. das Redaktionsteam bewirkt, daß die Hörer sich häufig auch bei wir, angesprochen fühlen können.

56 Kohz: Linguistische Aspekte des Anredeverhaltens 1982, S. 68; bezogen auf das „Wir" zwischen Mutter und Kind. 57 Vgl. Duden Grammatik 4 1984, S. 318.

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Dialogisches

In den Popshop-Sendungen verwenden die Moderatoren fast ausschließlich wirt 58 zur Bezeichnung des Redaktionsteams, dessen Vertreter sie sind: Wir sprechen mit Deutschlands einziger American Football Spielerin. PS

In vielen Club-, Wunschkonzert-, Hitline- und Poini-Sendungen wird wir zur Bezeichnung der Kommunikatoren ebenfalls eingesetzt, etwa genau so oft jedoch unter Einbeziehung der Hörerseite, wobei Übergangsformen auftreten. Hier ein Überblick über die Verwendungsweisen: wir1 wird durch Kontrastierung mit der pronominalen Anrede ihr (bzw. flektierte Formen) deutlich auf den Kommunikator bezogen: Aber wir haben natürlich auch einen Urlaubstip für euch. C

wir1 ist durch Referenzen auf das Redaktionsteam oder aufgrund des Kontexts als kommunikatorbezogen erkennbar: Wir haben kürzlich erfahren, daß einer der Clubmoderatoren mit ihr (Sheila Ε.) machen darf. C

ein Interview

wir läßt offen, ob der Hörer mitgemeint ist, da er als Kommunikationsteilnehmer Zugang zum Geschehen „Sendung" hat: Und wir sind bei den Aufsteigern der Woche = C

Deutlich wird diese Doppelfunktion in der Selbstkorrektur eines Moderators, der eine durch Hörer erstellte Hitliste ankündigt: Unsere, nein eure Chartübersicht W K

wir2 bezieht sich ausdrücklich auf Moderator und Hörer, indem die gemeinsame Sicht auf Inhalte der Sendung oder die Kommunikationssituation aufgegriffen werden. In den folgenden Beispielen ist es als Anredeform (pl. benevolentiae) aufzufassen, denn für den Moderator steht außer Frage, daß er die Kommunikation aufrechterhalten wird, während der Hörer insofern den Unsicherheitsfaktor darstellt,

58 In den Sendungen 1987 wird auch dieses Pronomen vermieden.

186 als er abschalten kann. So hat die Wir2-Anrede charakter weiterzuhören.

Sprach- und Stilanalyse

auch Aufforderungs-

Τ ja, und als nächstes hör-n wir einen Oldie, WK Wir hör-n uns gleich wieder um 19 Uhr 5. C

Außer mit wir werden die Hörer — selbstverständlich möchte man sagen — auch direkt pronominal angeredet, allerdings seltener als zunächst vermutet. In einigen Sendungen, vor allem beim Popshop, läßt sich nicht einmal feststellen, ob 2. oder 3. Person Plural verwendet „würde". Die Anredevermeidung hat den Effekt, daß keine Rollenzuweisungen vorgenommen werden. Die durch die Anredeform hergestellten Relationen zwischen Sprecher und Angeredetem sind vor dem Hintergrund sozialer Regeln in der Gesellschaft zu sehen. Seit 1968 hat sich das Duzen vom „Ausdruck des Kontra" und der „Demonstration für Solidarität" in der Studentenbewegung 59 zur heute verbreiteten Anredeform unter jüngeren Leuten entwickelt. Mit der Ausbreitung schwächt sich der „Beziehungswert" des Du ab, dennoch wird diese Anredeform gegenüber der „Höflichkeitsform" Sie als vertrauter, persönlicher und „näher" 6 0 angesehen. Während die Rundfunkhörer „normalerweise" gesiezt werden, dominiert in den Jugendsendungen du bzw. ihr. Allerdings ist es inzwischen im Rückgang begriffen — im Popshop wird meist Sie verwendet oder die Anrede vermieden —, wodurch erwachsenen Hörern der Zugang erleichtert werden soll. 61 Problematisch ist die Relationsbestimmung der Anrede in Rundfunksendungen dadurch, daß sich wegen ihrer Einseitigkeit über die Reziprozität der Anredeform in der Medienkommunikation nichts aussagen läßt. Daß die jugendlichen Hörer das Du der Moderatoren non-reziprok — wie das des Lehrers — auffassen, widerlegen Aussagen von Redakteuren, die Jugendlichen duzten den Moderator in Hörerbriefen meist ebenfalls.

59 Vgl. Finkenstaedt: Duzen ohne Du. In: Jahrbuch für Volkskunde 1981, S. 16. 60 Jugendliche nannten mir im Gespräch (6. 5. 88) diese Beziehungswerte als Relationen für die Dw-Anrede über das Radio. 61 SWF3 hat dieses Konzept bereits seit Anfang 1987 verwirklicht, bei N D R 2 werden ähnliche Überlegungen angestellt.

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Dialogisches

Einige Moderatoren vermeiden Anreden oder bevorzugen das Wir, andere nutzen die Anredeform ihr als kollektives Du extensiv. Auch hierbei sind einige Äußerungstypen mit Nuancen der Moderator-Hörer-Relation zu unterscheiden. Der Moderator spricht die Hörer in ihrer Funktion — als Rundfunkhörer — an: Eingeschaltet habt ihr nach wie vor das NDR2 Wunschkonzert

WK

Zum Moderationsstil von „Elmi" gehört es, die Hörer scheinbar ins Geschehen zu ziehen, ihnen ein „Mitspracherecht" einzuräumen: Ich würde sagen, wenn ihr nichts dagegen habt, + verles ich die Gewinner LPs. H L

der

Das regelmäßige Hören der Sendung und gewisse Kenntnisse werden unterstellt, die Informationen dennoch mitgeteilt: Ich brauch es euch nich mehr erzähl-n, ihr habt es ausreichend gehört, die letzten Tage= Der Club feiert morgen abend in [...] C

Die Hörer werden — scheinbar — als Kenner und Experten auf dem Gebiet der Pop-/Rockmusik angesehen: (MUSIK angespielt) von Queen,

+ hm, kennt ihr, ne' C

In wenigen Fällen wird auch in der monologischen Moderation ein einzelner Hörer angesprochen: Manfred J., aufgepaßt, du bist jetzt an der Reihe, [...] dein Musikwunsch: (vgl. S. 377)

WK

An diese individuelle Höreranrede schließt der Moderator ohne direkte Anrede eine Art Erläuterung für die übrigen Hörer an: Der Manfred, der wohnt in Uetze. Sein Wunsch = WK

Solche Wechsel der Anrede-Perspektive finden auch statt, wenn beispielsweise auf den Gebrauch der 2. Person Plural („Hörer als Gegenüber") die 1. Person Plural (aufzufassen als hörer-inkludierendes Wir2) folgt: Ausgelost wurde aus eurer Post die Katrin U. aus Neumünster. jetzt sicherlich mit uns auf dieses Kapitel hier= WK

Sie freut sich

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Sprach- und Stilanalyse

- Nominales Ansprechen der Hörer: Von einzelnen Moderatoren werden gelegentlich Anredenominative verwendet, die sich auf die Hörergemeinschaft oder eine Teilgruppe der Hörer beziehen. In vielen Sendungen, u. a. in den Popshop-Sendungen, gibt es kaum nominale Anredeformen. Während in den SWF3-Sendungen — über den Popshop hinaus — nominale Anreden vermieden werden, findet man im „allgemeinen" NDR2-Programm konventionelle Anreden für Massenpublika: Liebe Hörer (am Stichtag in: Plattenkiste, Nachtclub), Meine Damen und Herren (Mittagsund Abendkurier). In den Rundfunksendungen für Jugendliche wird die Hörerschaft bevorzugt mit Leute oder Freunde angesprochen, aber auch mit anderen, ζ. T. scherzhaft gemeinten Anreden, häufig mit einer Gliederungspartikel als „Kontaktwort": So, Leute, hier noch ein kleiner Hinweis, C Okay, hier kommen die nächsten drei Plätze, Jungs und Mädels = H L

Einzelne Hörergruppen werden speziell angesprochen, z.T. scherzhaft und ironisierend: Und nun kommt der Club-Oldie, der is heute auch mal was für Mammi und Pappi [...] Viel Spaß, Mammi und Pappi! C

Im Zusammenhang mit Musiktitelwünschen oder Gewinnen aus Verlosungen werden einzelne Hörer mit Namen direkt angeredet: Claudia, + so sind wir= Wir haben bereits ein Ticket für dich. H L

— Anredevermeidung: Mit Hilfe unpersönlicher Anredeformen wird das Problem der Rollenzuweisung umgangen. Der mehrfach beobachtete Gebrauch des Pronomens wer wirkt zudem differenzierend, indem eine Teilgruppe der Hörerschaft speziell angesprochen wird. Relativpronomen wer, Indefinitpronomen alle, jeder, jemand: Wer Lust hat, der kann vorbeikomm-n [...] PS [...] das hat ja wohl jeder kapiert. C

Die kurze Form der Differenzierung zu nutzen, ohne auf eine Anrede mit Personalpronomen zu verzichten, wird im folgenden Beispiel unter Mißachtung der grammatischen Kongruenz versucht: Wer keine Karte hat = ärgert euch! C

189

Dialogisches

Nominale Umschreibungen für eine Hörer-Teilgruppe — häufig unter Verwendung von Ad-Hoc-Komposita — bringen die Adressatendifferenzierung am stärksten zum Ausdruck: [...] daß die Pink-Floyd-Fans Springsteen mögen, auch C

vielleicht

So, jetz etwas für die soften Soul-Gemüter

dranbleiben

sollten,

die Leute,

die

= PS

— Imperativische Formen: Aufforderungen werden durch Imperative, Infinitivkonstruktionen oder Ellipsen ausgedrückt. Die meisten Bitten und Aufforderungen, vor allem Höraufforderungen, stehen im Imperativ Plural: 62 Bleibt dran! C Also, schreibt jetz genau die Zeit auf, die ihr ermittelt habt und sendet diese an [...] WK

In „Sprüchen" erscheinen Imperative beispielsweise im Anschluß an Konditionalsätze als „Vorschlag zur Problemlösung": Sollten die Lautsprecher eurer Stereoanlage sehr dumpf klingen, + dann prüft bitte, ob dieselben eventuell noch verpackt sind. WK Wollt ihr wieder Popshop-Power, Na ja, tschuldigung. PS

dann holt euch doch den Beckenbauer.

+ +

Aufforderungen im Imperativ Singular sind der Situation entsprechend selten, hier in einer Einspielung in der Hitline: (Sprechgesang): Bei SWF3 bei SWF3 kommt jetz hier gleich ein Hit, sing mit!

Imperative in der Höflichkeitsform werden gebraucht, wenn die Hörer ansonsten direkt mit Sie angesprochen werden: Rufen Sie uns an = PS

Auffordernde Infinitive ermöglichen Anredeverweigerung: [...] irgendwas zu schreiben hol-n, PS

62 Vgl. auch die Beispiele für Wünsche und Empfehlungen unter „Verabschiedungen".

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Sprach- und Stilanalyse

Genauso wirken die — selteneren — Konstruktionen mit Partizip II. [...] und darum die Lauscher hochgestellt = C

Direkte pronominale Anreden können ebenfalls imperativisch sein, wenn Modalverben verwendet werden: Also ihr braucht, ihr sollt, ihr müßt, ihr dürft jetzt bitte nicht mehr WK

anrufen,

Starken Aufforderungscharakter hat der folgende mit der 2. Person Plural Präsens gebildete futurische Aussagesatz: leb würd sagen = Ihr bleibt einfach dran. C

Elliptische Imperativische Formen ohne Verb werden meist in konventionalisierten Formeln verwendet: Viel Spaß bis 20 Uhr! C

— Fragen an die Hörer: In einigen Sendungen gibt es Aufforderungen und Fragen, die tatsächlich Hörerreaktion erwarten lassen. Initiierende Gesprächsakte bilden hierbei einen initiierenden Gesprächsschritt, der einen hörerseitigen Gesprächsschritt determiniert. Interaktionen mit einzelnen Hörern werden beim Popshop im Rahmen der „Telefonaktionen" häufiger angestrebt: Wir fragen euch, wie sieht s bei euch im Jugendzentrum aus? Geht ihr noch hin? Warum? oder warum nicht? Sind Jugendzentren generell out? Was könnte man vielleicht besser machen = gibt s irgendwo gute Beispiele = Anrufen = (Tel.-Nr.) Hat sich die Einrichtung „Jugendzentrum" eurer Meinung nach überholt? Ruft uns an, wir woll-n eure Meinungen [...] PS 63

Fragen und Aufforderungen determinieren hier einen responsiven Schritt des Hörers. Daß die Determination viel geringer ist — nur wenige Hörer folgen der Aufforderung und rufen beim Sender an — als in persönlichen Gesprächen, liegt in der massenmedial bedingten Asymmetrie und Anonymität begründet.

63 Beispiel für die Anrede mit Du aus dem Popshop des „alten" Sendekonzepts (vor 1987), im Gegensatz zum Sie des neuen.

Dialogisches

191

Unbeantwortete Fragen können allgemein als initiierende Teile von Dialogen mit den Hörern aufgefaßt werden. Daß die Reaktionsmöglichkeiten der Hörer eingeschränkt sind, ist dem Moderator klar. Konsequenterweise sind viele Beispiele rhetorische oder provokativ ironisierend eingesetzte Fragen: (MUSIK: Modern Talking) Na:, hat s euch denn ein bißchen gefall-n? Titel? C

dieser

Ich mein, sind wir schnell oder was? ERS

6.4.2. Initiative oder responsive „Gesprächsakte"? Die oben (6.4.1) vorgestellten Aspekte in monologischen Moderationstexten deuten darauf hin, daß die Moderatoren stellenweise versuchen, die Hörer in die Rundfunksendung einzubeziehen. Inwieweit dialogische Elemente als Teile von „Gesprächen mit Hörern" aufzufassen sind, wird nun anhand gesprächsstruktureller Merkmale weiterverfolgt. Grüße und Aufforderungen sind initiative Moderatoräußerungen, die Bezüge zum Hörer herstellen. Seltener findet man auch am Ende nicht deutlich initiierender Gesprächsschritte informationsverstärkende und „bestätigungsheischende" Gesprächsakte, 6 4 die informierende oder behauptende Aussagen des Moderators auf die Hörer beziehen und zudem gliedernd wirken: ne C, W K , HL; nech C; nich C; gell Poi, HL; hä HL; okay C, HL; oder C; oder wie W K ; oder was ERS [...] und lassen A-ha heut mal weg, würd ich sagen' Ich spiel s nächste Mal wieder, okay? H L

Kontaktherstellend können auch vorangestellte Partikeln sein: He:; ich sag euch was, HL

Gliederungspartikeln sind Bestandteil strukturierender Gesprächsakte, die einige Moderatoren nach einem Musikstück, vor allem aber vor einem Themenwechsel einschieben, u. a.:

64 Vgl. Henne/Rehbock: Einführung in die Gesprächsanalyse 2 1982, S. 183.

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Sprach- und Stilanalyse

ja C, WK, HL, Varianten ja: C, tja WK (auffallend häufig!), HL, PS; so C, WK, HL; also C, WK, HL, PS (selten) okay C, HL; gut C, HL; nun C, PS (selten); na C, WK, PS (selten); oh C, HL, PS (selten); yeh HL, ERS; ach HL ζ. T. kombiniert: na ja C, WK, PS; na ja gut WK; na okay HL

Neben Partikeln kommen nicht-lexikalisierte „Strukturierungslaute" vor, am häufigsten hmm C, HL; ferner: ha, he:, hu:h, ej (nur in Sendungen von „Elmi")

Im Popshop werden strukturierende Gesprächsakte mit Zeitangaben und Sender- bzw. Sendungsorientierungen gebildet, Partikeln sind hier auffallend selten zu finden, was dem weniger stark dialogisierenden Moderationsstil entspricht. Angesichts der Fülle der Beispiele für initiierende Gesprächsakte mit „Kontaktfunktion" (vgl. auch 6.4.1) muß betont werden, daß diese in vielen Moderationstexten zwar vorkommen, gehäuft in den Club-, Wunschkonzert und „£/ra/"-Sendungen, meist jedoch nur einen geringen Anteil an der Sendung insgesamt haben. Dennoch sind sie herauszustellen, da sich die hier skizzierte Form der Dialogisierung monologischer Texte als ein spezifisches Merkmal der untersuchten Rundfunksendungen für Jugendliche erweist. Zu anderen Sendungen gibt es quantitative Unterschiede insofern, als dort weniger Höreranreden und initiative Gesprächsakte vorkommen, qualitative Unterschiede in bezug auf die Anredeform und die Intensität der dialogischen Elemente: Imperativische Formen mit Befehlscharakter kommen kaum vor, und Gesprächssequenzen (vgl. 6.4.3) sind dort kein wesentliches Stilmittel. Seiler stellt in ihrer Untersuchung zur Dialogizität in schweizerischen Rundfunksendungen fest, daß Moderatoren-Gesprächsschritte selten initiativ sind, erwähnt jedoch einige Ausnahmen, die größtenteils aus dem „jungen" Programm von DRS3 stammen. 6 5 Auch nach den hier durchgeführten Analysen ist ihr zuzustimmen, daß responsive Gesprächsschritte überwiegen, wenn man über die Ebene der 65 Vgl. Seiler: Dialogizität in der Moderationssprache von Radio DRS 1987, S. 102 ff.

Dialogisches

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Gesprächssequenzen hinausgeht: Aufgrund der Rahmenobligation, der Hörererwartung „Was wird mir geboten?", ist die Sendung insgesamt determiniert. Der Hörer initiiert zudem durch das Anschalten des Radiogerätes den Dialog, vergleichbar mit einer Gesprächseröffnung. Die spezifischen Bedingungen der Medienkommunikation verhindern, daß weitere initiierende Gesprächsschritte vom Rezipienten ausgehen. Um den Erwartungen des Zielpublikums dennoch zu entsprechen, stellt sich der Kommunikator — bewußt oder unbewußt — mögliche Fragen der Hörer vor, die er in der Sendung beantwortet. Am häufigsten lassen sich die Moderatoräußerungen als responsive Gesprächsakte auf imaginierte Hörerfragen nach Musiktiteln und -Interpreten, Informationen dazu und zum aktuellen Geschehen beziehen. 6.4.3. Gesprächssequenzen in der Moderation Die meisten initiierenden Gesprächsakte in der Medienkommunikation sind nur scheinbar determinierend, da — außer bei Aufforderungen zur Hörerbeteiligung, — keine Reaktion erwartet wird. Als Ausweg aus der situativ bedingten Aussichtslosigkeit, eine vollständige Gesprächssequenz zu erreichen, übernehmen einige Moderatoren gelegentlich sowohl den initiierenden als auch den respondierenden Part, vor allem in Frage-Antwort-Sequenzen. Der geringen Anzahl von Belegen für dieses Phänomen in den meisten Sendungen steht eine Fülle von Beispielen aus den Sendungen des SWF3-Moderators Elmar Hörig („Elmi") entgegen. Grob klassifizieren kann man Frage-Antwort-Sequenzen danach, welchen Gesprächsschritt der Moderator stellvertretend für die Hörer übernimmt. — Moderatorfrage mit „Hörerantwort": Der Moderator determiniert mit einem initiativen Gesprächsakt eine Antwort, die vom Hörer kommen müßte, jedoch vom Moderator hinzugefügt wird. Dies wirkt wie eine rhetorische Frage, die zur Sequenz erweitert ist:

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Sprach- und Stilanalyse

Kann man sich einen besseren Opener vorstell-n als Cutting Crew? Nein. HL Wußtet ihr, daß Madonna heut Geburtstag hat? ]a. Ich hab s vorhin schon gesagt. ERS Na, hab ich zuviel versprochen? Ich glaube nicht. C

— „Hörerfrage" mit Moderatorantwort: Da fast jede Moderatoräußerung responsiv aufgefaßt werden kann, ist es möglich, denkbare Hörerfragen explizit zu formulieren und voranzustellen, so daß der eigentliche Moderator-Gesprächsschritt determiniert erscheint: Was gibt s heute im Club? Wir hab-n Eric Clapton geseh-n in London in Concert, [...] C Wer hat noch Geburtstag? Charles Bukowski wird 67 heut, ERS

— Komplexe Sequenzen: Die Sequenz „Frage — Antwort — Bestätigung" liegt dem folgenden Beispiel zugrunde, wobei interessanterweise die Antwort zuerst bestätigt und anschließend mitgeteilt wird: „I Still Haven't Found What I'm looking For" mit' + richtig = 1/2. Sogar der Bär hinter der Scheibe hat das gewußt. HL

Das Prinzip, vollständige Gesprächssequenzen anzustreben, wird ausgeweitet, indem Musiktitel oder -texte und Einspielungen einbezogen werden, wodurch die Moderationstexte nicht mehr im strengen Sinne monologisch sind. Hierbei treten Kommentierungen als deutlich responsive Gesprächsakte hervor. Moderator fragt (initiativ) — Musik/Einspielung antwortet (responsiv, evtl. zusätzlich initiativ) — gegebenenfalls: Moderator kommentiert (responsiv): M. The Outfield = „Your Love" sing-n sie. Wie finden wir denn

MUSIK:

M: dieses Lied?

Geil

Das mein ich wohl auch,

M: Tja, und wie findet ihr so diese Sendung, an = Einspielung(E): Pfui, ja, gehst

C

195

Dialogisches

Μ: Ja, ja, ja, E: du weg da' hm, gehst du weg, ja, laßt du des'

WK

Auf diese Weise werden auch mehrere, im folgenden Beispiel fünf Gesprächsschritte aneinandergereiht: M: Was machen mir jetzt? Einspielung (E): Jeden Dienstag im Club auf NDR 2 = FANFARE M: E: Die European

Hot One

Machen Hundred

wir die ganze Zeit schon, 4-

M: ah ja, hmhm Nee falsch, die Top Twenty machen E: Die Top Ten

wir

M: heute mal.

Im nächsten Beispiel verleiht der Moderator seiner Frage besonderen Nachdruck, indem er die Interpreten der Musik direkt nominal (Jungs) und pronominal [eure) anredet 66 und den Imperativ (sagt mal) verwendet. Daß im richtigen Moment eine adäquate Antwort gegeben wird, liegt an der Inszeniertheit der Sequenz: M: Der Club bat exklusiv die Neue von Queen. Sagt mal,

Jungs,

M: wie heißt eure neue Plattef Μ hm. MUSIK: It's a kind of magic, + It's a M: Ja, gut, „It's a Kind of MUSIK: kind of magic.

Magic". +

+

a kind of magic

M: Jetzt wissen wir das.

Sendesegmente können grundsätzlich initiierend wirken, der responsive Moderatorkommentar ist jedoch nicht immer so deutlich auf sie bezogen wie bei folgender Einspielung mit Aufforderung: 66 Dieses Element kommt in anderen Sendungen des Korpus gelegentlich vor.

196

Sprach- und Stilanalyse

Ε (weibl. St.): Nun greif schon deine E: du alter M:

Scherbensammlung,

Steppenwolf! Ja, mach ich, mach ich. Manfred ].,

WK

Auf Musik reagiert der Moderator in einem weiteren Sinne responsiv: Ein Musikstück wirkt determinierend, eine Absage und/oder einen Kommentar anzuschließen. Das Aufgreifen von Musiktiteln, -texten oder -klängen verknüpft Musik und Moderation: White Snake und „1s This Love", ist es Liebe? Ich habe keine Ahnung.

HL

Begrüßungen und Verabschiedungen sind in der nicht-medialen Interaktion ebenfalls Gesprächssequenzen, nachempfunden wird dies in den Hitline-Sendungen

mit Hilfe von Einspielungen:

Einspielung (Stimme zum Ende hin verzerrt:) Hallo:! Moderator: Hailau!

"Während einige M o d e r a t o r e n 6 7 ihre Texte häufig „dialogisieren", kommen solche Elemente bei anderen praktisch nie vor. 6.4.4. Gespräche „im" Medium (ohne Hörerbeteiligung) Der Begriff „Gespräch" bezeichnet „echte" dialogische Texte mit mindestens zwei Gesprächsteilnehmern, die die Sprecherrolle annehmen können. Gespräche als Kommunikat in der Medienkommunikation finden in der Primärsituation statt, was im Modell von Burger/Imhasly f i 8 dem inneren Kommunikationskreis entspricht. Der äußere Kreis (Sekundärsituation) trägt die Kommunikationsbeziehung zwischen Dialogteilnehmern und Rezipienten. Da sich diejenigen, die das Gespräch in medialer Situation führen, dieses äußeren Kreises bewußt sind, inszenieren sie gewissermaßen ein Gespräch für

67 Insbesondere die NDR2-Moderatoren V. Thormählen, U. Harraß, R. Kujawa und G. Fink sowie SWF3-Moderator E. Hörig. 68 Vgl. Burger/Imhasly: Formen sprachlicher Kommunikation 1978, S. 87 ff.

197

Dialogisches

die Rezipienten, was zu ständigen „Brechungen" der Kommunikation im inneren Kreis auf den äußeren hin führt. 6 9 Inwieweit der Hörer „einbezogen" wird, auch wenn er nicht direkt beteiligt ist, gehört zu den Leitfragen der Analyse von Rundfunkgesprächen, deren Ergebnisse hier nur ansatzweise vorgestellt werden. Eine umfassende Darstellung von Gesprächen in Rundfunksendungen ist nicht möglich, ohne den Rahmen der Arbeit zu sprengen oder das Gewicht zu sehr zu verlagern. Zu medial vermittelten Gesprächen, ζ. B. Interviews, 7 0 gibt es zudem detaillierte Untersuchungen, während die oben (6.4.1 ff.) angesprochenen dialogischen Aspekte in monologischen Texten bisher kaum behandelt wurden. Festzuhalten ist, daß Gespräche wesentliche Bestandteile vieler Rundfunksendungen sind. Als wichtigste Gesprächskonstellationen (ohne Hörerbeteiligung) sind in den untersuchten Sendungen zu beobachten: 7 1 Live übertragene Gespräche: — Interviews und interviewähnliche Gespräche mit Prominenten und Experten (personen- oder sachbezogen): Popshop-Serie „Sechzehn", ζ. B. Telefongespräch mit Hoimar über sein Leben als Sechzehnjähriger

von

Ditfurth

Popshop-Serie „Trau keinem über 30" als Dreiergespräch mit Moderator, Gesprächsteilnehmer über bzw. unter 30 Jahre alt

— Telefongespräche mit Journalisten (sachbezogen): Information über das aktuelle Geschehen in allen Magazinsendungen, Themen: Chile-Besuch Blüms bis Silvester in New York

— Plaudergespräche mit Studiogästen oder anderen Moderatoren: Interviewähnliche Gespräche mit Musikern als Studiogästen in C/Mfo-Sendungen, ζ. B. mit „Clowns und Helden",

H.

Grönemeyer

Konzertberichte (Beispiel vgl. 6.3.4) informelle Wortwechsel zwischen Moderatoren (vgl. unten) 69 Vgl. Burger: Sprache der Massenmedien 1984, S. 44 f. 70 Vgl. Schwitalla: Dialogsteuerung in Interviews 1979. 71 Mit jeweils typischen Beispielen aus Sendungen des Korpus.

198

Sprach- und Stilanalyse

— Live-Schaltungen zum Übertragungswagen: Gespräche zwischen Studiomoderator und „Moderator unterwegs" sowie Interviews „vor Ort", ζ. B. von Veranstaltungen (Tanz in den Mai, Club-Fete) oder Aktionen (Fallschirmabsprung)

Vor der Sendung produzierte Gespräche: — Bearbeitete Interviews im Rahmen der „Beiträge": Ausschnitte aus Interviews mit Beteiligten in Berichten über Veranstaltungen oder Aktionen

— Aufgezeichnete Starinterviews: Interviews mit Rock-/Popmusikern

— Dialogische Passagen in Einspielungen: Trailer, ζ. B. NDR „Hörfest", SWF3 „Open Air"

— Glossen, Sketche etc. in Hörspielform: Interviewparodien, gespielte Witze, inszenierte Plaudergespräche („Pfeifkonzert empfing Blüm", vgl. S. 406 ff.)

Während die Sendungen des „allgemeinen" Programms meist „klassische" Interviews enthalten, wird in einigen der hier untersuchten Rundfunksendungen für Jugendliche die strenge Interviewform in Richtung „informelles Gespräch" aufgelöst. In den live aus dem Studio gesendeten Starinterviews werden die Musiker als „Menschen wie du und ich" angesehen und angesprochen (u. a. durch reziprokes Duzen). Gegenläufig ist die Tendenz bei Reportagen und Nonlive-Interviews, die stark bearbeitet sind, wobei die Interviewerfragen meist nicht im Original eingespielt werden. Mit abnehmender Spontaneität gehen die dialogischen Anteile zurück, während Livegespräche häufiger spontane Passagen enthalten, wobei ζ. T. sogar die „Rücksichtnahme" auf die Hörer als mit anzusprechende Kommunikationsteilnehmer entfällt. Besonders groß ist die Gefahr, Gespräche ausschließlich im inneren Kommunikationskreis stattfinden zu lassen, bei Plaudergesprächen zwischen Moderatoren, einer Gesprächsform, die in der Forschung bisher kaum be-

199

Dialogisches

rücksichtigt ist. Diese Gespräche sind selten eigenständige Sendesegmente, sondern meist Realisierungen von Überleitungen oder Programmankündigungen. Im ersten hier angeführten Gespräch wird zum Abschluß der LiveÜbertragung vom Fallschirmspringen (vgl. S. 361 ff.) die nächste C/wb-Sendung als besondere Außenübertragung angekündigt: Μ = Studiomoderator, F = „Fallschirmspringer-Moderator" 1

F: [...] So Reinhold, aber genau, + wir wollten ja nun packen. M: Ja, F: ja Nimmst du M: wir wollten ja noch packen. Es geht Richtung Kalifornien, was/ HM BEGINNT F: denn nun/ nimmst du denn nun die Shorts mit den gelben oder F: mit den roten Flecken? M: Ich nehm die, ich nehm die Shorts mit, F: Ja, nimm die weiten mit, M: ich glaube, mit den griin-n, nehm ich die mit. ja F: du weißt die kalifornischen äh Mädchen, auch die Jungs, M: äh richtig richtig F: achten so η bißchen auf den Body. M: Ja, das ha/ da hab-n wir ja F: Überhaupt nich. M: beide keine Probleme. HM Es sei also noch mal M: gesagt: Morgen der Club live aus Kalifornien. F: ja-a

+ Axel wird ganz

10

F: bestimmt ja-a M: auch dabei sein, + ich auch. + Und wir hoffen = ihr auch,

11

F: und und M: denn jeder kann vorbeikomm-n, Kalifornien ist ja nich weit.

200

Sprach- und Stilanalyse

12

F: Ja und Reinhold, ich würde sagen, ich starte jetzt von hier

13

F: aus Hartenholm gegen viertel nach acht mit dem Flieger, und

14

F: wir treffen uns in Fuhlsbüttel am Flughafen gegen neun, da M: ja ja, und

15

F: steht die Maschine. Alles klar? + M: dann geht s + Richtung Kalifornien. (???) Morgen

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M: kann man es hör-n ab 18 Uhr, der Club zum erstenmal live

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F: ja-a Und/ M: aus Kalifornien und ihr könnt mit dabei sein, kommt doch

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F: Und und Reinhold, ganz kurz noch dankeschön hier an [...] M: einfach vorbei hmm

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F: Tschüssi! M: Okay, tschüß.

Wie in Rundfunkgesprächen durchgehend zu beobachten, werden Informationen für die Hörer eingeschoben, die dem Gesprächspartner bereits bekannt sind (ζ. B. in Zeile 2). Den Einschub von Μ nutzt F, um den Gesprächsschritt mit leichter Überlappung zu übernehmen. Solche in nicht-medialer Kommunikation häufigen Gesprächsschrittwechsel gibt es in der Medienkommunikation fast ausschließlich in „lockeren" Gesprächen, vor allem unter Kollegen. Weitere Gesprächselemente wie Häufungen von Partikeln, ζ. B. ja noch (2), denn nun (3), treten hier ebenfalls wie in persönlicher nicht-öffentlicher Kommunikation auf, was zu betonen ist, da in den meisten Rundfunkgesprächen diese Mittel nur sehr sparsam eingesetzt werden. Die relativ ausführliche „Diskussion" um die Wahl des richtigen Shorts, die in einer ironischen Selbstdarstellung mündet (7f.), ist ein gutes Beispiel für das, was hier unter „Moderatorengepiauder" verstanden wird; die Hörer bleiben dabei weitgehend ausgeschlossen. In den Partiturzeilen 8 — 11 wendet sich Μ den Hörern zu, informiert sie vage und fordert zur Teilnahme an der Außenübertragung auf, unterstützt

201

Dialogisches

durch Bestätigungssignale von F. Zeile 10 könnte man als „Höraufforderung" ansehen, allerdings wirkt diese durch den Anschluß (11) — „Vorbeikommen" als Voraussetzung für „Dabeisein" — ironisch, mit der Wiederholung (17 f.) geradezu hörergemeinschaftsfeindlich: Statt auf die Möglichkeit, live am Radio dabei zu sein, hinzuweisen, werden die Hörer vermeintlich ausgeschlossen. Daß dies nicht der Fall ist, merken nur diejenigen, die das angesprochene Kalifornien korrekterweise an der Ostseeküste ansiedeln. 72 Die „Doppeldeutigkeit" im Namen des Außenübertragungsortes verleitet zu dem „Spielchen", das die Moderatoren betreiben und — zumindest mit ihrer Flughafenverabredung (12 ff.) — übertreiben. Das gemeinsame Wissen um die tatsächliche Situation läßt ihr Gemeinschaftsgefühl deutlich hervortreten. Damit beziehen sie eine Art Gegenposition zur unwissenden Hörergruppe, die „scheinbar ironisch" in das Geschehen einbezogen wird. Demgegenüber läßt sich das zweite Beispiel (aus einer SWF3 Hitline-Sendung) als „Show für die Hörer" charakterisieren. Μ = Hitline-Moderator,

L =

Radioclub-Moderator

MUSIK M: Frank und ich haben getanzt hier= L A C H T Is η dufter Titel = L: (im Hintergrund:) Kannst jetz loslass-n, M: Is/ L A C H T Hey, Frank, weißt du, wer die schönste

Frau

M: Deutschlands ist? + Dagmar Berghoff hab-n sie gewählt, was L: Na? M: sagst du dazu? Hast du nich gewußt, gell? + Da fällt ihm nich M: da fällt ihm nichts ein, das/ L: Ich kenn die Dagmar, sonst wär mir M: ]a okay, sind wir/ sagen wir lieber nichts, L: schon was eingefall-n, ???

72 Dies wird in der gesamten Sendung nicht geklärt.

202 7

Sprach- und Stilanalyse

M: [...}Okay, wir machen die Nummer zwei Aha „Manhattan Skyline", tut mir leid, das war alles wegen der Wahl und so= äh, und die Nummer eins spielt der Franky Boy, gleich M: als erstes, versprochen? L:

+

Gut, die Fans werden dich Versprochen.

M: lieben für immer, du hast es sowieso nötig= am Mikrofon war Elmar Hörig, bye-bye.

LACHT

Tschüß,

10

20.00 UHR N A C H R I C H T E N , VERKEHRSMELDUNGEN (u. a. Hinweis auf Krötenwanderungen)

11

SIGNET „SWF3"; SPRECHER: SWF3 +

12

L: Ah, Elmi, ist wieder unterwegs, Frank Laufenberg.

13

MUSIK

14

L: Rübergerutscht aus der Hitline dieses Stück von Mel and Kim „Respectable", die Nummer eins in der Hitline. Elmi hatte eben keine Zeit, sie zu spiel-η, aber das machen wir doch. Ich mußte Elmi allerdings auch versprechen, daß ich nicht sage = Mel and Kim sind für mich die singenden Kleiderständer, ich sage es nicht = weil Elmi diese Damen doch ins Herz geschlossen hat, [...]

Radioclub

Krötenwanderung-n.

+ Am

Mikrofon

Daß dieses Plaudergespräch spontan geführt wird, zeigen die zahlreichen Perspektivenwechsel. Zunächst werden die Hörer über die angebliche Situation im Studio informiert (1). Als Μ mit der normalen Moderation fortfahren will, wird er von einer simultan an ihn gerichteten Aufforderung, mit der L in das „Spiel" einsteigt (1), verleitet, einen Dialog mit dem Kollegen einzuschieben. Er stellt diesem in direkter nominaler und pronominaler Anrede mit „Kontaktwort" Hey, Frank, weißt du [...] (2) eine Frage, auf die er wohl nicht unbedingt eine Antwort erwartet, wie seine schnellen Selbtreaktionen (3 — 4) vermuten lassen. Obwohl L tatsächlich antwortet (5 f.), leitet Μ eine „Themenbeendigung" durch ja okay ein (6). Nach Fortsetzung der monologischen Moderation, die bei „Elmi" fast immer hörerbezogen

Dialogisches

203

ist, wird L nochmals angesprochen, diesmal indirekt, indem Μ über ihn als Franky Boy spricht und eine elliptische Frage anfügt. Die Antwort kommentiert Μ zunächst, indem er übertrieben positive Hörerreaktionen „vorhersagt" (8 f.), ein L o b für L, das mit der neckenden Bemerkung (9) umgekippt wird. Die Revanche liefert L schon im ersten Satz „seiner" Sendung, wenn er auf die Verkehrsmeldung über Krötenwanderungen Bezug nimmt (12). Ergänzt wird die „Anmache" durch den Spott über „Elmis" Musikgeschmack (14). Z u m Abschluß des hier nur angeschnittenen ergiebigen T h e m a s „Moderatorengepiauder" noch einige Bemerkungen zum Anredeverhalten: In den „Plaudergesprächen" sprechen sich die Moderatoren untereinander grundsätzlich mit Du und Vornamen oder Spitznamen an, demonstrieren also auch über die Anredeformen ihre Vertrautheit. In der Anmoderation von Beiträgen werden Kollegen meist nominal „medienspezifisch" mit Vor- und Zunamen angeredet, unabhängig davon, o b sie geduzt oder gesiezt werden. Letzteres ist vor allem dann der Fall, wenn Korrespondenten am Telefon Berichte über aktuelle Ereignisse abgeben. Die Moderatorenkollegen (und ζ. T . die Techniker 7 3 ) werden dagegen pronominal mit Du angeredet, was zu einem „jugendlichen Bild" vom Redaktionsteam beiträgt. 6.4.5. Gespräche mit Hörerbeteiligung Werden Hörer als Gesprächspartner in die Gestaltung einer Rundfunksendung einbezogen, ist dies als Versuch anzusehen, „eine direkte Beziehung zwischen Primär- und Sekundärsituation herzustell e n " . 7 4 Die verschiedenen Möglichkeiten der Hörerbeteiligung werden hier nur angedeutet, auch zu diesem Bereich gibt es Spezialuntersuchungen. 7 5

7 3 D a diese selten direkt angesprochen werden, läßt sich über die Anredeform keine generalisierende Aussage treffen. 7 4 Burger: Sprache der Massenmedien 1984, S. 4 4 f. 7 5 U. a. Troesser: Moderieren im Hörfunk: Handlungsanalytische Untersuchung zur M o d e r a t i o n von Hörfunksendungen des Westdeutschen Rundfunks mit Publikumsbeteiligung 1 9 8 6 .

204

Sprach- und Stilanalyse

Mit dem geringsten Organisationsaufwand verbunden sind Telefongespräche mit Hörern, die am häufigsten anzutreffende Form der Hörerbeteiligung. Die Anrufer äußern Musikwünsche oder lösen Rätsel und Quizaufgaben (ζ. B. SWF3 Elmi Radioshow, NDR2 Willems Spielshow)·, in den Hitline-Sendungen verliest ein Hörer (Hitmonster) über Telefon jeweils die ersten drei Hitparadenplazierungen; im Wunschkonzert rufen „kontaktsuchende" Hörer an, die eine bestimmte Person gern Wiedersehen wollen. Außer solchen festen Hörerbeteiligungseinrichtungen werden „Telefonaktionen" durchgeführt (vor allem im Popshop), bei denen die Hörer aufgefordert werden, ihre Meinung zu einem bestimmten Thema zu äußern. Als Spezialsendung ist beispielsweise auch ein Wunschkonzert-„Hearing" mit Hörermeinungen zur Sendung im Korpus vertreten. In Face-to-Face-Kommunikation mit einem Moderator oder Reporter treten Hörer in den untersuchten Sendungen zum einen bei Außenübertragungen, zum anderen als Studiogäste; ferner enthalten einige „Wortbeiträge" Statements von Jugendlichen. Bei Live-Übertragungen werden ζ. T. Plaudergespräche (ζ. B. mit Besuchern von Veranstaltungen) geführt, häufig auch Informationsgespräche, in denen Jugendliche als Experten zu einem Bereich (ζ. B. ihrem Hobby) zu Wort kommen. Der Hörer wird hier „als Informant seines Alltags ernstgenommen". 76 Formal sind die Gespräche mit Hörern in die Nähe des Interviews einzuordnen, teilweise werden Versuche „lockerer" Gesprächsführung von seiten der Rundfunkjournalisten unternommen, auf die jedoch nur wenige Jugendliche eingehen. Ansatzweise gelingt die Auflockerung in Telefongesprächen im Zusammenhang mit Spielen oder Rätseln, wenn der Moderator auf witzige Art den Hörer provoziert (vor allem in der Elmi Radioshow). Ferner kommen Gespräche mit Hörern im Studio in einigen Wunschkonzert- und C/«£>-Sendungen am Mittwoch („Kontrastprogramm") vor. Hier übernehmen die jugendlichen Hörer die Rolle von (Mit-)Moderatoren, sie wechseln gewissermaßen kurzfristig zur Kommunikatorseite über. Zwar steht dabei die Darstellung der eige76 Troesser: Moderieren im Hörfunk 1986, S. 237.

Dialogisches

205

nen Meinungen und Interessen im Vordergrund, es sind jedoch deutlich Übernahmen von Moderationsprinzipien, vor allem bei Musiktitelansagen, und -absagen, zu erkennen (vgl. auch 7.2.3). Die Sprache der Jugendlichen in Rundfunksendungen ist deutlich von der medialen Kommunikationssituation bestimmt. Während die Moderatoren den engen Rahmen der öffentlichen Kommunikation in professioneller Weise ausschöpfen und teilweise sprengen (vgl. Kap. 8/9), äußern sich die meisten Jugendlichen sehr „vorsichtig", bemühen sich um eine möglichst „gute" Sprache. Nur wenige setzen sich über die besonderen Gegebenheiten hinweg und sprechen ihre „eigene" Sprache. Wenn dies der Fall ist, profilieren sie sich meist durch Übertreibungen, vor allem in O-Ton-Einspielungen mit Meinungsäußerungen Jugendlicher im Rahmen der „Beiträge". Da die Jugendlichen in Süddeutschland häufig dialektal gefärbt sprechen, erhalten die Sendungen durch die Hörerbeteiligung eine regionale Komponente (vgl. 8.1.3). Das hier nur angerissene Gebiet der „Hörerbeteiligung" soll mit Ausschnitten aus Pops/?o/7-Telefonaktionen und einigen Wunschkonzert-„Kontaktgesuchen"77 illustriert werden, die Transkripte finden sich im Anhang. Die beiden Popshop-Gespräche (S. 403 ff.) liegen etwa ein Jahr auseinander, das erste über die Attraktivität von Jugendzentren ist dem „alten", das zweite über Beschwerden beim Wehrbeauftragten der Bundeswehr dem „neuen" Popshop-Konzert zuzuordnen, was schon in der Anredeform (Du bzw. Sie) deutlich wird. Beide Beispiele zeigen, daß die Sendung über die Hörerbeteiligung regionale Färbungen erhält, auch wenn der Moderator „regional neutrale" Standardsprache spricht. Ein eigentliches Gespräch zwischen Moderator und Hörer kommt nur im ersten Beispiel zustande, im zweiten initiiert der Moderator Statements, indem er die zentrale, vage formulierte Frage „Was ist Ihnen dabei passiert?" mehrfach leicht variiert wiederholt. Auch bei den Wunschkonzert-„Kont&k.t%es\ic\\en" (Beispiele im WK-Transkript, S. 381 ff.) nimmt der Moderator vielfach eine pas7 7 H ö r e r schreiben oder rufen an, weil sie jemanden „unbedingt Wiedersehen wollen".

206

Sprach- und Stilanalyse

sive Haltung ein, gibt den Hörern Gelegenheit, ihr meist abgelesenes Anliegen vorzutragen. Manchmal versucht er jedoch, witzige Kommentare abzugeben, was leicht „gewollt" wirkt (vgl. ζ. B. das Gespräch mit Rainer, S. 383 f.), ζ. T. aber auch unterhaltende Elemente in die für „Nicht-Betroffene" recht langweilige „Kontaktecke" bringt (ζ. B. Beschreib doch mal den Hund [...] im Gespräch mit Alexandra, S. 386f.). Wesentlich stärker dialogisch sind die Gespräche, die SWF3-Moderator „Elmi" in seinen Sendungen mit Hörern am Telefon führt. In einigen Fällen ist er der klar dominierende Gesprächspartner, tendenziell geht er um so stärker auf die Hörer ein, je schüchterner diese auftreten. Als spezielle Form des Hörerbezugs durch partielles Aufbrechen der unidirektionalen Medienkommunikation sind Hörerbeteiligungen ein wichtiger Faktor von Rundfunksendungen. Zu den typischen Merkmalen der Mediensprache tragen sie insofern bei, als bestimmte Formulierungsmuster immer wieder verwendet werden, am deutlichsten zeigt sich dies an der relativ engen „Textsorte" Kontaktgesuch im Wunschkonzert. Das dort zugrundeliegende Schema (sehr gut zu beobachten im „Kontaktgesuch" von Iris, S. 384 f.) ist im Korpus vielfach zu finden.78 Die Äußerungen Jugendlicher und anderer Gesprächspartner der Moderatoren werden in der Varietäten- und Stilanalyse nur sekundär berücksichtigt (und ausdrücklich gekennzeichnet), da sie als „einmalige" Äußerungen nicht wie die häufiger in ähnlicher Form wiederkehrenden Moderatoräußerungen „wirken". Ferner ist zu betonen, daß die Anteile der Gesprächsbeiträge von Jugendlichen im Verhältnis zu den Journalistenäußerungen auch in den hier untersuchten Sendungen sehr gering sind, in vielen Sendungen überhaupt nicht oder lediglich in einem Beitrag vorkommen.

78 Der Bekanntheitsgrad des zugrundeliegenden Musters zeigte sich auch im Gespräch mit Jugendlichen, die anhand der häufigsten Stereotype einen solchen Text spontan parodierten.

207

Show"

6.5.

„Show"

Diese Mischkategorie per definitionem 7 9 versammelt die „unernst" wirkenden Elemente, deren „Spielcharakter" die übrigen Funktionen überdeckt. Ohne alle Texte im Detail zu analysieren, wird hier das Spektrum primär unterhaltender Elemente in den Rundfunksendungen aufgezeigt. Herausgearbeitet werden die Aspekte von „Show"Elementen, deren Kombination den „witzig-lockeren" Gesamteindruck der Sendungen prägt. Der Abschnitt „Show" beinhaltet den Teil der Unterhaltungsfunktion, der durch „Übertreibung" und „inszenierte Fröhlichkeit" den unernsten Charakter vieler Rundfunksendungen für Jugendliche trägt. Der Unterhaltung dienen darüber hinaus viele der bereits angesprochenen Merkmale, man denke an Jingles, Popnachrichten und Kommentare. 6.5.1. Plauderei Daß Diskjockeys liebevoll-verächtlich „Plattenplauderer" genannt werden, 8 0 deutet die Haltung vieler Rezipienten und Journalisten auf musikdominierte Sendungen an: der „Musikteppich" 8 1 wird durch die „Wortmeldung" des Moderators unterbrochen. Neben Strukturieren, Orientieren, Informieren und Kommentieren steht bei vielen Moderatoren das „Plaudern". Die phatische Funktion der „lockeren" Moderation liegt darin, „Kontakt" zum Hörer herzustellen und aufrechtzuerhalten, darüber hinaus sind strukturelle Leistungen der Plauderei (ζ. B. „Überleitung") zu berücksichtigen. — Assoziative Moderation: Einige Beispiele zur assoziativen Verbindung von Sendesegmenten finden sich in 6.1.6, Hinweise auf Überleitungsprinzipien wurden in verschiedenen Zusammenhängen gegeben. Die heterogenen Sende-

7 9 „ S h o w " hat laut Duden Universalwörterbuch ( D U W ) 1983 u. a. die M e r k m a l e ,großes, buntes Unterhaltungsprogramm'. 8 0 Ζ . B. in der Einleitung zum Abschnitt „ M u s i k - P r ä s e n t a t i o n " im H a n d b u c h Radio-Journalismus 3 1 9 8 6 , S. 96. 81 Vgl. ζ. B. Brühl: Sprache im H ö r f u n k . In: A R D J a h r b u c h 3. 1971, S. 38.

208

Sprach- und Stilanalyse

segmente einer Magazinsendung „zusammenzuhalten", führt prinzipiell zu einer Abfolge aus An- und Abmoderationen, was, auf die orientierenden und strukturierenden Minimalanforderungen beschränkt, relativ „langweilig" wirkt. Daher werden die An- und Absagen ζ. T. „witzig" aufbereitet, gelegentlich sogar „stilistisch ,aufgemöbelt', daß einem die Ohren klingeln" 8 2 . In den Sendungen des Korpus dienen vor allem Mittel der Musikkommentierung der „Auflokkerung", beliebt ist das Aufgreifen von Sendetiteln oder einzelnen Elementen der Musik (vgl. Beispiele in 6.3.3). Wird das Aufgegriffene weitergeführt, um zum nächsten Thema bzw. Musikstück zu gelangen, liegt eine assoziative Verknüpfung vor. Motivierte Verknüpfungen kommen zustande, wenn Gemeinsamkeiten zwischen den zu verbindenden Elementen aufgezeigt werden: Shannon, „Prove me Right", das geht gut ab in ner Disco. Aber Samba, Walzer und dies und das, tanzen, tanzen und noch viel mehr= Was finden junge Leute an diesen Tänzen nun so toll? + Olaf Stehnfahrt hat mit jungen Leuten einer Tanzformation aus Stade gesprochen, [...] C

Durch entlegene Kombination wird ein „witziger" Effekt hervorgerufen. Diese bei Burger stark belegte Kategorie, 8 3 kommt im hier zugrundeliegenden Korpus selten vor, allenfalls als „Grenzfall" zwischen „motivierter" und „unmotivierter" Verknüpfung: „Come As You Are" mit Peter Wolf. Apropos come, come, nee nich kämm-n, was kommt denn jetz, irgendwas kommt jetz = W K

Haare-

Unmotivierte Verknüpfungen wirken meist „gewollt witzig": K: Das Wasser wird euch im Munde M:

zusammenlaufen. Und äh,

M: nich nur das Wasser, eventuell wird auch die Post bei euch laufen, denn die CD, [...] Poi

zusammen-

Eine Assoziationskette entwickelt und motiviert der Moderator im folgenden Beispiel, ausgehend von einem Musiktitel: 82 Burger: Sprache der Massenmedien 1984, S. 201. 83 Vgl. Burger: Sprache der Massenmedien 1984, S. 200 ff.

209

„Show"

U2 und „I Still Haven't Found What I'm Looking For", hab ich auch nich gefunden, was ich gesucht habe, ich such noch mein-n Onkel aus Amerika, der mir 20 Millionen vererbt, oder so η scbön-n Trainingsanzug wie Frank Laufenberg. Sag mal Frank, wo haste denn den her, von der Kleidersammlung oder was? Was steht η drauf, komm mal her= H L

— Reden, um zu reden: Der — von Laien und Fachleuten — am häufigsten genannte Kritikpunkt 8 4 an der Moderationssprache ist ihr mangelnder Gehalt, der sich in „inhaltslosen Anspielungen" 8 5 zeige. Bevor einige Beispiele für die Plauderei als Selbstzweck angeführt werden, muß klargestellt werden, daß der Vorwurf von „Gehaltlosigkeit" aus der Perspektive der jugendlichen Rezipienten einzuschränken ist. Die ablehnende Haltung vieler Kritiker zur Moderationssprache ist mit der Geringschätzung von Rock-/Popmusik verbunden. Für viele Jugendliche hat diese jedoch einen relativ hohen Stellenwert, zumindest einen deutlichen Unterhaltungswert, so daß aus Rezipientensicht das „Reden über Musik" nicht als bloße Plauderei angesehen wird. Die folgenden Beispiele können trotz ihres geringen Informationsgehaltes als unterhaltend aufgefaßt werden. Metastrukturelle (vgl. 6.1.7) und metakommunikative rungen (vgl. 6.3.7) wirken z . T . als „Lückenfüller":

Äuße-

Τ ja, Disco-Movies, noch ist es nicht ganz so weit, wir nähern uns allmählich der Rubrik „Filmmusik und Soundtracks", aber dauert noch η bißchen, ne. +

WK

Ich zähl hier die Sekunden = SPIELUNG [...] C

+ Achtzehn Uhr 59 + 23, 24, 25, 26, 27, EIN-

Kommentierungen (vgl. 6.3) sind grundsätzlich Zusatzbemerkungen: So η bißchen heavy in Metal, + nö is es nicht, aber η bißchen is es schon, + Ζ. Z. C

schwermetallig

Die Wiedergabe von Gerüchten hat einen gewissen Unterhaltungswert, kann jedoch ebenfalls in die Kategorie „Überflüssiges" geraten

84 Als Reaktion auf das Thema dieser Untersuchung hörte ich oft: „Über das niveaulose Gequatsche kann man eine Arbeit schreiben?" 85 Hansberger: Der Diskjockey. In: Helms (Hrsg.) 1972, S. 291.

210

Sprach- und Stilanalyse

bzw. aus bestimmter Perspektive dort eingeordnet werden. Im angeführten Beispiel beruft sich der Moderator auf Pop-Klatsch in Zeitschriften, den er spekulativ weiterführt: Whitney Houston „How Will I Know", und wie wird sie s jemals wissen, wenn sie immer zu Hause bleibt, so steht s ja geschrieben = Sie is immer züchtig und brav zu Hause, geht am Wochenende nicht aus, denn + das erlauben die Eltern und ihre ganze Lebensart nicht. Wer s glaubt, wird + vielleicht selig' Weiß ich nich, wahrscheinlich stiehlt sie sich immer durch die Hintertür raus über den Hinterhof und macht dann los, C

Mit Elementen der Selbstdarstellung (vgl. unten 6.5.2) erweckt der Moderator am stärksten den Eindruck, er rede, um zu reden. — Plauderei mit direktem Hörerbezug: Viele der in 6.4.1 ff. vorgestellten Versuche, die Einseitigkeit der medialen Kommunikationssituation mit dialogischen Mitteln zu durchbrechen, zeigen Show-Charakter, allein dadurch, daß sie der asymmetrischen, anonymen Situation nicht adäquat sind. „Lockere" nominale Anreden wie So, Leute (C) sowie das Ansprechen einzelner Hörer (Beispiele vgl. 6.4.1) können als direkter Hörerbezug gewertet werden, mit dem eine „persönliche Beziehung" auf informeller Basis hergestellt wird. Freundschaftlich „anmachende" Äußerungen, ζ. B. ihr Dummis (ERS), sind Ansätze, den Umgangston Jugendlicher in ihren Peer-Groups zu imitieren. Witz und Schlagfertigkeit sind hier wie in der Moderation gefragt, nicht zuletzt deshalb werden in Rundfunksendungen für Jugendliche phatische Funktionen auch mit Hilfe von Show-Elementen erfüllt. — Hörerbezug über „Atmosphärisches": Wenn durch dialogische Mittel eine „persönliche Beziehung" hergestellt werden soll, setzt dies außer der Hinwendung zum Hörer eine Art Selbstdarstellung der Kommunikatoren voraus. Dabei entspricht der Eindruck, der dem Hörer von der Kommunikatorseite vermittelt wird, nicht zwingend der realen Situation. Images von Moderator, Sender und Programm sind inszeniert, was gerade in den Rundfunksendungen für Jugendliche häufig über „Show"-Elemente realisiert wird. Die Imagepflege des Moderators wird in 6.5.2 angesprochen,

211

Show"

hier sind zunächst einige Beispiele zur Vermittlung der Atmosphäre „im Studio", am Arbeitsplatz des Moderators, vorzustellen. Die Situation im Studio wird „beschrieben" (vgl. auch 6.3.6): So, zu mir ins Studio is jetz jemand gekomm-n, sieht, der Stefan Schlabritz = C

der η bißchen abgekämpft

aus-

Die Situation „Rundfunksendung" wird über Hinweise auf den Sendungsablauf hinaus aus Kommunikatorsicht thematisiert, indem der Moderator gewissermaßen „laut denkt": Und ich hatte die ganze Zeit vergessen, ne nächste Platte einzustell-n, weil wir + hier mit gebangt haben. Mal sehn, + was ich hier drauf habe: MUSIK BEGINNT Was ist das wohl, das scheint = + äh, ich glaube, das is Roger Daltry, hör-n wir uns mal das Stück an, was da drauf liegt. C

Kontakte zu Toningenieuren und anderen Mitarbeitern demonstrieren Teamgeist und Gemeinschaft: Und wir machen weiter mit dem 15. Teil der Beatlemania. Ich weiß gar nich, hab-n wir ihn aufliegen, Hartmut' + Die Beatlemania, ich hab s vergessen, dir zu sagen, den Beitrag, nee, liegt er nich auf, dann machen wir erstmal was/ is drauf + Ja, alles klar, dann könn-n wir ja losfahr-n mit Beatlemania Teil 15. C

Zusätzliche „Betreung" wird als Ausdruck des „netten Umgangs" unter Kollegen erwähnt: NDR. Wir haben Toningenieure, die grippekranken Tee kochen. Danke, danke Peter. C

Moderatoren

auch mal η

Kollegen, die sich nicht gemeinschaftsfördernd verhalten, werden ironisch oder scherzhaft zurechtgewiesen: Carlo redet mir auf η Kopfhörer, danke schön, das irritiert überhaupt nich. C

6.5.2. Personality Show Die Selbstdarstellung der Kommunikatorseite kann auf den Moderator als zentrale Figur der Sendung zugespitzt sein. Während in den meisten der untersuchten Sendungen Gemeinschaftsgefühl, bezogen auf das Redaktionsteam, demonstriert wird, sind bei einigen Moderatoren Ansätze zur personenbezogenen Selbstdarstellung zu finden.

212

Sprach- und Stilanalyse

Wird sie „showartig" ausgespielt, soll von „Personality Show" die Rede sein. Die deutlichste Tendenz dazu haben die Sendungen des SFW3-Moderators Elmar Hörig („Elmi"). — Stark expressive Äußerungen: Durch den Gebrauch von Pronomen (vgl. 6.4.1) tritt die Person des Moderators mehr oder weniger deutlich hervor, je nach Moderator sehr unterschiedlich. Prinzipiell zeigen die wertenden Kommentierungen (vgl. 6.3.1 ff.) den höchsten Expressivitätsgrad. Deutlich moderatorbezogen sind Kommentierungen wie diese: Phil Carmen is das, + „Wise Monkeys", der Titelsong seiner LP, + könnt ich stundenlang hör-n, beruhigt wahnsinnig. C

Verbunden mit Höreranreden liegt der Akzent der Selbstdarstellung auf dem angestrebten „Hörerbezug": [...] Allerdings eine Super-Sahnescheibe,86 wirklich, macht auf/ macht auf einiges gefaßt= [...] ich hätte auch ans Wunschkonzert geschrieben mir diesen Titel gewünscht: T I T E L A N S A G E ; MUSIK Tja:, hab ich euch zuviel versprochen' Hörenswert, ne' W K

euch und

Durch extreme Bilder werden stark expressive Aussagen erzeugt, häufig Übersteigerungen der tatsächlichen Meinung: [...] ne göttliche Platte, ich könnt se fressen. H L

— Selbstdarstellung und Selbstironie: Einige (vor allem „Elmi", SWF3) rücken die Persönlichkeit des M o derators — die nicht mit ihrer „privaten" Persönlichkeit übereinstimmen muß — in den Vordergrund, um sich den Hörern unterhaltsam mitzuteilen. (vor einem Hörergespräch:) [...] Ihr Leben ist ein Sonnenschein, ist aber sonst recht langweilig, nur ab und zu dadurch unterbrochen, daß ein sexy Diskjokkey aus Baden-Baden sie anruft [...] H L

Mittel der Selbstdarstellung werden auch verwendet, um das Vorlesen der H/i/me-Gewinnerliste unterhaltsam zu gestalten:

86 Vgl. dazu 8.3.1.

213

Show" [...] „Duke", is ne alte von Genesis, nja, kenn mich aus. HL Heinz Rudolf Kunze „Wunderkinder", 4- hm, bin ich auch drauf. HL

Bei „Elmi" ist die Selbstdarstellung meist mit Selbstironie verbunden (vgl. auch die Beispiele oben), worin vermutlich ein Grund für die Beliebtheit seiner „ S h o w " - M o d e r a t i o n liegt: [...] aber diese Version hab ich genommen, extra für euch. Bin ich nich klasse' Ja' Yer. HL

— „Show auf Kosten anderer": Für Versäumnisse oder Fehler werden Redaktions- bzw. M o d e r a tionskollegen halb scherzhaft verantwortlich gemacht: [...] he, sag mal, was/ was kommt für ne Platte jetz' STIMME AUS DEM HINTERGRUND (unverständlich) + Er hat s auch vergessen, he sag mal, für was arbeitest du hier eigentlich, du Schnuffi' ERS

Z u r Selbstdarstellung einiger Moderatoren gehört es, sich über Kollegen lustig zu machen, was sich zwischen den Polen „Arroganz" und „Gemeinschaftsgefühl" bewegt. Als freundschaftliche

„Anmache"

können die meisten Wortwechsel zwischen „Elmi" und S W F 3 - M o derator Frank Laufenberg angesehen werden (vgl. das „Plaudergespräch" in 6.4.5, S. 201 f.). In einem Hörertelefongespräch verbindet der M o d e r a t o r die neckenden Bemerkungen dem Kollegen gegenüber mit einem Kompliment an die Hörerin: M: Auf die Schiller-Schule, is das η Gymnasium' Oh, da H: ]a. M: hab-n wir jemanden Gebildetes dran. + Frank, hör zu. HL

O b man auch die folgende plump-witzige „ A n m a c h e " noch als „freundschaftlich" einschätzen kann, ist fraglich: „Everything I Own", Boy George. Boy George hat gesagt = Er hatte noch nie ein-n deutschen Liebhaber, + nach mir kommt Frank Laufenberg = + mit den Oldies. 4- Ah, [...] HL

Am problematischsten sind in der Kategorie „Show auf Kosten anderer" die Beispiele, in denen der M o d e r a t o r Hörer am Telefon „benutzt", um seine „Show abzuziehen". Eine 17jährige Schülerin meint

214

Sprach- und Stilanalyse

im Gespräch dazu: Ich verstehe die Leute nicht, die da anrufen und sich zum Keks machen lassen. In der Wunschkonzert-Rubrik Kontaktecke (vgl. Beispiele im Anhang, S. 381 ff.) versucht der Moderator manchmal, „mit Gewalt" Witz in die Sache zu bringen (Ein-n gelben Pullover' + Bist du sicher, daß du die nich verwechselt hast mit ner Verkehrsampel oder so', S. 383). Persönliche Angriffe findet man bei „Willem", der den — meist erwachsenen87 — Anrufern gelegentlich direkt sagt, sie hätten bei seinem Ratespiel nicht aufgepaßt. Elmar Hörigs Hörergespräche sind in dieser Hinsicht sehr unterschiedlich, das Spektrum reicht vom einfühlsamen Gespräch bis zur „Anmache" über Telefon. Nur wenigen Hörern gelingt es, auf den Unernst einzusteigen und mit witzigen Bemerkungen zu „kontern". In einem Hitline-Hörergespräch wird der Vater der Hörerin am Telefon als „Show"-AnIaß genommen: Da er die Tochter nicht zum „Madonna"-Konzert gehen läßt, ermahnt ihn der Moderator „persönlich": ferner, reiß dich am Riemen, + warst doch auch mal jung. [...] und entwirft Drohungen: [...] Dann schicken wir die Body Guards Madonna in seinen Garten, und die reißen ihm den Balkon ab. 6.5.3. „Fun" Die Sammelkategorie „Fun" vereinigt die Elemente von Rundfunksendungen, die ausschließlich produziert werden, um eine witzige Wirkung zu erzielen. Neben einigen Moderationselementen sind dies vor allem Einspielungen, insbesondere Sketch-Beiträge. Als Träger der Kategorie „Fun" erweisen sich die Prinzipien „Nonsens" und „Parodie". — Witze und witzige Bemerkungen: Auf die verschiedenen Witzdefinitionen kann in diesem Rahmen nicht näher eingegangen werden.88 Um Witze angemessen erzählen 87 Bei Jugendlichen sind seine Sendungen nicht überdurchschnittlich beliebt (laut Fragebogenauswertung). 88 Vgl. ζ. B. DUW: ,kurz formulierter Sachverhalt, der durch seine Verbindung mit einem abliegenden Gebiet einen - scheinbar unbeabsichtigten - Doppelsinn entstehen läßt, so daß das Durchschauen der Pointe zum Lachen reizt.'

„Show"

215

zu können, ist eine besondere Gesprächssituation erforderlich, in die der Witz „hineinpaßt". Außer mit assoziativen Anknüpfungen wird durch explizite Hinweise oder durch „Quellenangabe" die Voraussetzung zum Witzeerzählen geschaffen: Frank hat grad gesagt, das war das heißeste Wochenende, das er seit lang-m erlebt hat, 35 Grad = äh wie war das, am Freitag 8 Grad, Samstag 11 und ffΊ LACHT HL

Das Besondere an diesem Witz ist die Notwendigkeit, ihn nicht zu Ende zu erzählen, um dem Zuhörer das Aha-Erlebnis zu lassen. Häufiger als die Präsentation eines Witzes ist das Aufgreifen zugrundeliegender Schemata. In der C/w^-Silvestersendung 1985 wird „Carlo" gebeten, den Klopfer des Jahres aus der Joky Show zum besten zu geben. Er parodiert das Frauenarzt-Witz-Schema: Kommt eine Frau zum Arzt und sagt: äh Herr Doktor, könnten Sie mal meine (lang anhaltender PIEPTON) sagt der Arzt= logo, gnädige Frau, logo, aber machen Sie doch bitte erstmal ihre *** frei, damit ich ihre *** besser kann, fragt die Dame, ist es irgendwas Schlimmes' Sagt der Onkel Arzt = Ihre *** ist im Prinzip okay, aber ihre nervt ganz schön. Bibbert die Lady, was um Himmels willen soll ich denn meinem Alten zu Hause sagen' Sagt der Arzt= Sagen Sie doch am besten, er müsse mal Q

Ζ. T. werden Witzschemata auf Moderationsinhalte verwendet: Μ: Τja, ich hab ne gute und ne schlechte Nachricht für euch = Zuerst äh die M: schlechte = vor mir liegt eine Platte von Modern Talking = EINSPIELUNG: Pfui M: und jetzt die gute = Ich spiel sie nicht.

WK

Witzige Bemerkungen werden an „Stichworte" angeknüpft: [...] ganze schnuckelige 12 Jahre alt, + ein Kind sozusagen noch = + Kinder, das wißt ihr ja, das s äh das einzige, was in einem modernen Haushalt noch mit der Hand gewaschen werden muß = WK

Beliebt sind auch möglichst abgelegene Phantasie-Übersetzungen von fremdsprachigen Musiktiteln:

216

Sprach- und Stilanalyse

Was heißt = La Isla Bonita' [...] Achtung, dein Bart brennt, HL

wahrscheinlich,

Polysemie und Homonymie geben Anlaß zu „Wortwitzen", in einer Wunsch konzert-Einspielung (S. 373) pumpen ,Geld leihen", ,Luft in einen Reifen befördern'; in einer Club-Moderation Brille: Also jeder Heino kriegt freien Eintritt, muß aber wirklich zum Verwechseln ähnlich sein, ne eine getönte Brille allein genügt nicht, schon gar keine geliehene, dann womöglich noch vom Klempner und nicht vom Optiker, C

- Sprüche: Einprägsame Einspielungen dienen vor allem der Sender- und Sendungskennung: Abendrot = + der Popshop droht, PS SWF3. + Popshop. + Fast schon wie Rundfunk. PS Der Club + die musikalischste Versuchung, seit es Radio gibt. C

In der Moderation werden feste Formeln, deren Kenntnis vorausgesetzt wird, variiert, um eine witzige Wirkung zu erzielen: Τ ja, der Mai ist so gut wie gekommen, η paar Tage nur noch, wir schlagen dann auch aus, [...] WK Nach uns die Sintflut, dann der Sport = PS

Ein von Jugendlichen beleidigend verwendeter Spruch wird im folgenden Beispiel vom Moderator auf sich selbst bezogen: (Hörer wünscht sich ein Foto vom Moderator) und das mit dem Foto = Ich wußte nicht, daß du Naturkatastrophen sammelst, okay, du bekommst ein Foto. WK

— Dialogisierung: Das Prinzip, monologische Texte zu „dialogisieren", ist unter dem Thema „Gesprächssequenzen" in 6.4.3 vorgestellt worden. Über solche Sequenzen hinaus findet man Anreden des Moderators an die Interpreten der gespielten Musikstücke, gelegentlich auch an sich selbst, hier als „Ermahnung" nach einem verzögerten Übergang zwischen Musik und Moderation: ]a, ja, Herr Thormähl-n, Einsatz nich verschlafen. + C

Werden Musiker oder Sänger einzeln angesprochen, dann meist mit Vornamen, als Gruppe bevorzugt mit Jungs:

Show"

217

Τja, lieber Roger, du hätt-st ja ruhig η Minütchen länger singen könn-n, dann hätten wir s noch geschafft bis zum sieben zu den Nachrichten, C

Rückmeldung" zum gesprochenen Musikvorspann: M: dann macht s mal gut, Jungs, ne' toi toi toi TEXT: und halt meine Klappe M: nich Klappe halten, sing-n. C

Auch bei den „Höreranreden" können Show-Elemente dominieren, wie einige der unter 6.4.1 aufgeführten Beispiele zeigen. — Parodistische Elemente in der Moderation: Von den Moderatoren parodierend aufgegriffen werden beispielsweise Medientexte, deren Bekanntheit vorausgesetzt wird, wie im Wunschkonzert-Transkript (S. 376): Und dann alles ab an die GEZ, was einen Werbeslogan der Gebühreneinzugszentrale aufgreift. Ebenfalls medienbezogen ist die Anleihe beim „Grand Prix de la Chanson": Und = here they are = The official results of the Wunschkonzert Jury = Platz3[...\ WK

+

Nicht der Wortlaut, aber das Schema wird in einer Parodie auf Promotion-Einspielungen („Promos") übernommen (Beispiel, S. 160). Ein bekanntes Adventsgedicht liegt folgendem Spruch zugrunde: Es folgt das kürzeste Adventsgedicht des Jahres = Advent, Advent, der Volker'9 pennt. C

Imitation, häufig mit lautmalerischen Elementen, findet auch Eingang in die Moderation von Elmar Hörig: [... ] habt ihr vorhin „Sport regional" gehört' Das fand ich irgendwie gut beim Autorenn-n, äh + und auf der linken Seite kommt jetzt plötzlich ein Ford Capri, fährt nach rechts weg (VOM MIKROFON WEG:) und er s da(ZUM MIKROFON HIN:) kommt er wieder zurück hjamm. Der geht immer mit, der Reporter. Ah, phantastisch = HL

89 Vorname des Moderators.

218

Sprach- und Stilanalyse

— „Nonsens": Die Absurdität der Aussage steht im Zentrum einiger Einspielungen, ζ. B. des „Dings"-Sketches (vgl. Anhang, S. 373 f.) oder einer von unbegründetem Lachen geprägten Schlußphase einer Club-Sendung. Nonsens-Äußerungen gehören auch zum Repertoire der Elmi-Show, hier in einer „Programmübersicht": Wir geben euch Rat in Sachen, die man niemals tun lassen sollte, + und Preise, daß es knattert. + Und wir zeigen euch, + wie ihr euch euer-n Blinddarm selbst entfernen könnt, + ohne eine Narbe zu hinterlassen. ERS

„Gespielte Witze" werden in einige Sendungen eingefügt, Beispiele finden sich im Wunschkonzert („Mammi-Sketch", S. 376) und in der Elmi Radioshow („Sachen, die man niemals tut"): El: (HM) SWF3 in Zusammenarbeit mit Müsli Bäckerei Productions sentiert jetzt = Praktische Lebenshilfe. (HM) + + El: Mit einer neuen Folge von = E2: Sachen, die man niemals

prä-

tut.

E3: Geh-n Sie nie zu Mac Donalds und rufen Sie laut = E4: Burger

King90

— Komische Elemente in „ernsten" Texten: Die bei weitem sachlichsten Texte in „reinen" Unterhaltungssendungen wie der Elmi Radioshow sind die Verkehrsmeldungen, die den unernsten Grundcharakter der Sendungen kurzzeitig unterbrechen. In wenigen Ausnahmefällen wandelt „Elmi" deren Stil ab: [...] Freie Fahrt auf[...] sten Stau. HL

Ebenso = volles Rohr auf der A8 [...] bis zum näch-

Daß seine Versuche, die sachliche Verkehrsinformation „aufzulokkern", sehr umstritten sind, thematisiert „Elmi" in einer Radioshow und spielt Versprecher seiner Kollegen beim Vorlesen der Verkehrsmeldungen ein:

90 Mit viel Hall.

Show

219

SWF3-Sprecher (Ε): Eine Umleitungsstrecke ist nicht eingerichtet, da der Verkehr umgeleitet wird. Entschuldigung, da der Verkehr aufgestaut wird. ERS

Der Effekt beruht vor allem darauf, daß durch das versehentliche Vertauschen von Lauten und Wörtern ein Nebensinn entsteht, der den „ernsten" Verkehrsinformationen nicht adäquat ist. — Sketche/Glossen: Wie in der Textsortenbeschreibung (vgl. 5.2.1) angedeutet, fließen in die Kategorie „Sketche/Glossen" ganz verschiedene Texte ein: einige Möglichkeiten werden hier angedeutet. Relativ selten trägt der Moderator, der die Sendung betreut, Glossen vor. In der in die Moderation integrierten selbstironischen Glosse in einer C/wb-Sendung (S. 406) geht es um das Mediennutzungsverhalten, bezogen auf die eigene Sendung. Der Moderator betont den Sekundärcharakter der Rundfunknutzung, indem er das Nebenbei-Hören überzeichnet herausstellt (alle außer fünf hören nicht intensiv zu). Selbstironisch in bezug auf journalistisches Arbeiten ist das inszenierte Plaudergespräch in einer Popshop-Sendung (vgl. S. 406 ff.) zwischen Moderator und „Putzfrau", die — durch den rheinischen Dialekt betont — als „Normalbürgerin" auftritt. Im Kommunikator-Rezipientin-Gespräch wird die allgemeinverständliche Formulierung von Schlagzeilen gefordert, angeregt durch das Mißverständnis, Pfeifkonzert als Eigennamen aufzufassen, einer Kritik an journalistischen Schemata mit Hilfe von „Show"-Elementen. Die meisten Sketche werden als vorgefertigte Beiträge vom Band eingespielt. Diese (im Wunschkonzert „Joky" genannten) „Show"Elemente sind größtenteils von „Berufskomikern" produziert; am häufigsten werden in den untersuchten Sendungen (insbesondere im Wunschkonzert) Beiträge mit Loriot (dem Meister persönlich WK), Otto Waalkes, Didi Hallervorden und Hape Kerkeling eingespielt. Einige dieser Texte, ζ. B. „Der Bettenkauf" von Loriot, zeigen Ansätze von Kultcharakter: Sie sind unter Jugendlichen sehr bekannt und werden dennoch — gerade deshalb? — immer wieder gewünscht. Mit der Bekanntheit der Einspielungen rechnet der Moderator einer Club-Sendung, wenn er kurze Ausschnitte aus KerkelingSketchen (u. a. „Norwegenbeschreibung", „Grand-Prix-Parodie") in die Moderation einspielt.

220

Sprach- und Stilanalyse

Daß die beliebtesten Sketch-Beiträge im Original Fernseh- oder Filmsketche sind, weist auf die Existenz eines „Medienverbundes" hin: Medien beziehen sich aufeinander und beziehen Inhalte voneinander. So werden auch Medienprodukte „fremder" Herkunft im Rundfunk parodiert, beispielsweise Fernseh-Serien und Kinofilme in den Popshop-Reiträgen „Das kranke Haus am Titisee" bzw. „Der abgeschlossene Radiofilm: Der Schlauch des Toasters im Geheimdienst ihrer Mayonnaise" mit James Blond, Doppelnull. Diese Parodien greifen typische Elemente der Filme in Variation auf (Blond, James Blond) und überzeichnen Klischees durch penetrant häufige Wiederholung. Realisiert wird dies, indem bei jedem Auftreten einer Person oder Sache in der erzählten „Handlung" deren typischer Ausspruch eingespielt wird: „Chefarzt": Wo bleiben denn die Mädels hier; „Titisee": Plitsch platsch. In Parodien auf Interviews (WK) werden sowohl die Interviewerfragen stereotyp gestaltet als auch in den Antworten die Marotten interviewter Stars imitiert. In der Wunschkonzert-Rubrik „Hörer-Jokies" parodiert ein Hörer „Buchbesprechungen" (vgl. S. 379 f.), indem er durch lautmalerische Assoziationen „Nonsens" erzeugt. Besonders beliebt sind Parodien auf weitverbreitete und damit sehr bekannte Werbespots, ζ. B. in Otto-Sketchen. — Häufung von Einspielungen: Ein wesentliches „Show"-Merkmal ist die Häufung mehr oder weniger unterhaltender Elemente. Deutlich kommt dies in der im Anhang transkribierten Wunschkonzert-Sendung zum Ausdruck (z. B. S. 377 f.), wo die schnelle Aufeinanderfolge von Sprucheinspielungen, Musikeinspielungen, Sketchen, Moderation mit Hintergrundmusik, „Mitsingen" des Moderators und Musikstücken ein hektisches, nicht abreißendes Showprogramm bildet. Pausenlos witzig versucht Elmar Hörig seine Show-Sendungen zu gestalten, um die Hörer zum Zuhören zu „zwingen".

7. Einschätzung der Mediensprache

7.1.

Meinungen Jugendlicher zur Sprache in Rundfunksendungen

Ausschlaggebend für die Beurteilung einer Rundfunksendung ist für die meisten Jugendlichen die darin enthaltene Musik (vgl. 5.1.3). Dennoch sehen 80% der von mir Befragten 1 die Moderation als wichtig an, da sie informiere, unterhalte, die Sendung strukturiere und „persönlichen Kontakt" herstelle (vgl. 5.3). Nur wenige Jugendliche führen sprachliche Aspekte zur Realisierung dieser Funktionen an. Sprache im Rundfunk wird kontrovers bewertet, so nennen je 10 Jugendliche zur Beurteilung der Moderation (F9) 2 Jugendsprache als positives bzw. negatives Argument. Die Anpassung an den Jugendstil bewirke, positiv betrachtet, ein direktes Ansprechen der Hörer, das jedoch nicht zwingend mit Jugendsprache verbunden sein muß. Der 16jährige Olli erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Anredeform: Die Moderatoren sprechen zu den jungen Hörern auf der gleichen Stufe, reden sie mit„Du" an. (IGS, BS, FB-Nr. 442)

Insgesamt beurteilen die Jugendlichen Moderation vor allem aufgrund inhaltlicher Elemente, Meinungen zur Moderation beziehen sich nicht unbedingt auf Sprache. 12 —29jährige bewerteten die Rundfunkmoderation für die Studie „Jugend und Medien" 3 auf einer Skala von (1) (beste Note) bis (6) (schlechteste Note). Zu beachten 1 2 3

Zur Fragebogenaktion vgl. 1.4. Vgl. Fragebogen im Anhang, S. 349. Jugend und Medien 1986.

222

Einschätzung der Mediensprache

ist, daß es sich um Meinungen von „Stammhörern" der jeweiligen Sender 1984 handelt. SWF3: (1): 2 4 , 4 % , (2): 4 8 , 4 % , (3) 17,3%, (4): 4 , 1 % , (5): 2 , 0 % , (6): 0 , 2 % , Durchschnittsnote: 2,1; NDR2: (1): 9 , 9 % , (2): 4 5 , 8 % , (3) 2 5 , 8 % , (4): 9 , 4 % , (5): 0 , 6 % , (6):0,1%, Durchschnittsnote: 2,4. 4

Um über Pauschalurteile hinaus die Einschätzung der Rundfunkmoderation und ihrer Sprache greifbar zu machen, wurde den von mir befragten Jugendlichen ein kurzer Moderationsausschnitt — aus organisatorischen Gründen schriftlich — zur Kommentierung vorgelegt (F13). 5 Es handelt sich um einen Ausschnitt aus einer Plattenkritik im Popshop (26. 4. 86): 6 Aus der Abteilung wirklich guter Sachen: Joe Jackson und „Right or Wrong" aus dem „Big World"-Album. Die Rückseite hat's in sich, in wirklich glasklarem Sound ohne irgendwelche Studiomanipulationen bringt Jackson „Breaking Us in Two" und „I'm the Man" in Live-Versionen. Da ist das Geld gut angelegt.

Dieser Text ist deutlich positiv wertend (expressiv), enthält eine Kaufempfehlung (appellativ) und Informationen über Musikstücke, Aufnahmequalität und -version der Platte (referentiell). Lexikalisch fallen rockmusikbezogene Wörter wie Sound, Live-Verston, Studiomanipulation auf, weiter die wertenden Attribute wirklich gut, glasklar, das „Unsicherheitspronomen" irgendwelche und die umgangssprachlichen Verbalausdrücke es in sich haben und etwas bringen. Syntaktisch sind in dem vermutlich schriftlich vorformulierten Text gegenläufige Tendenzen vereint: Elliptische Konstruktionen und kurze „sprechgerechte" Sätze, im Mittelteil jedoch Präpositionalausdrücke. 4

5 6

Die Daten wurden mir von H. Bonfadelli freundlicherweise zur Verfügung gestellt. In die Veröffentlichung der Studie wurden sie nicht einbezogen, da bei einigen Sendern die Fallzahlen zu gering sind; dies betrifft NDR2 und SWF3 jedoch nicht. Vgl. Fragebogen im Anhang, S. 350. Transkript der vollständigen Plattenkritik im Anhang, S. 392 ff.

Meinungen Jugendlicher zur Sprache in Rundfunksendungen

223

Auf eine Kategorienvorgabe für die Bewertung wurde verzichtet, um auch zu erfassen, welche Textfunktionen die Jugendlichen überhaupt aufgreifen. Die Belegungszahlen der nachträglich gebildeten Kategorien können daher kein absolutes Bild zeichnen, sondern lediglich Tendenzen aufzeigen. Die appellative Funktion scheint im vorgelegten Textausschnitt am deutlichsten hervorzutreten, viele Jugendliche kritisieren den Schlußsatz. Quantitativ ist die Kategorie „Appell" folgendermaßen belegt: 7 Appellative

Elemente

Werbung

207

(48%)

172

(40%)

Beeinflussung

25

Tip (neutral bis positiv)

29

(Mehrfachnennungen!)

Der Appellcharakter ruft neben konstatierenden (Werbung; wie ein Werbespot) emotional gefärbte Äußerungen hervor. Die Ablehnung gegen Beeinflussungsversuche wird deutlich ausgedrückt: Warum will der Sprecher den Hörern einreden, daß die Platte saugeil ist: Entweder man steht auf die Mucke oder nicht. Da braucht man doch wohl keinen Gewissensredner (MK, m, 17J, Gym, BS, FB-Nr. 4).

Den Moderatoren wird aufgrund der „Verkaufsförderung" eine Zusammenarbeit mit den Plattenfirmen unterstellt: Wird der bestochen, angelegt"

daß er Reklame

stört mich total! (Kathrin,

für die Platte machtf

„Da ist das Geld gut

15J, RS, BS, FB-Nr. 208)

Auf die Gefahr der Beeinflussung weisen einige distanziert hin: Jemand, der leicht zu beeinflussen ist, würde sich vielleicht ( A . . . Z , m, 17J, RS, BS, FB-Nr. 284).

die Platte

kaufen

Diejenigen, die den Aspekt Empfehlung im Vordergrund sehen, bewerten die appellative Aussage neutral bis positiv: Das ist ein Plattentip, solche Tips sind sehr nützlich für Leute, die sich oft Platten kaufen.

7

Jeder

hat wohl schon mal beim Plattenkauf,

weil er vorher

noch

Prozentangaben beziehen sich im folgenden auf die Zahl der Antwortenden, Ν = 429. Überraschend ist die hohe Ausfallquote bei der Gruppe Süd ( 3 5 % ) im Vergleich zu N o r d ( 1 6 % ) .

224

Einschätzung der Mediensprache

nicht viel über die LP gehört hat, einen Fehler gemacht. {Jan, 16], IGS, BS, FBNr. 416)

Den Werbecharakter kritisieren die Jugendlichen auch unter expressiven Aspekten als einseitige persönliche Meinung des Moderators. Ein Teil der Befragten begrüßt es jedoch, wenn der Moderator seine Meinung frei äußert. Expressive Elemente persönliche Meinung ( + ) persönliche Meinung ( + ) nur positive Kritik

101 91 6 6

(24%) (21%) (Mehrfachnennungen!)

Die 17jährige Gymnasiastin Tanne belegt ihre Meinung: „Aus der Abteilung wirklich guter Sachen" ist sehr subjektiv, da jeder eine andere Auffassung davon hat, was für ihn gute oder schlechte Musik ist. (BS, FBNr. 95)

Um den Werbeeffekt bei Meinungsäußerungen schlägt Pedäh (m, 16], Gym) vor:

auszuschließen,

Der letzte Satz sollte mit „Ich meine, ..." beginnen, um die Meinung zu machen. (BS, FB-Nr. 75)

deutlich

Referentielle Funktionen des Textes werden von 23% meist zusätzlich zu den oben genannten Aspekten angesprochen. Der Informationsgehalt wird beurteilt, sogar die Richtigkeit bezweifelt: Woher weiß der Moderator, daß es ohne Studiomanipulationen Gym, BS, FB-Nr. 99)

istf (m, 15J,

Auf eine detaillierte Quantifizierung dieses Bereichs muß verzichtet werden, da durch die Vielfalt von Einzelaspekten Kategorien mit niedrigen, nicht mehr aussagekräftigen Fallzahlen entständen. Eine Realschülerin versucht, eine Inhaltsangabe zu machen: Es wird der Sänger angekündigt, die Single, von welcher LP das Lied stammt, und das Lied, was auf der Rückseite steht (sie!) wird genannt. (Ulrike, BS, FBNr. 295)

Andere äußern ihre Meinung zu Joe Jackson (mir gefällt seine Musik nicht so gut) oder schreiben, daß sie den Sänger — der kein „Hitpa-

Meinungen Jugendlicher zur Sprache in Rundfunksendungen

radenstar" ist — nicht kennen (wer ist überhaupt einen 16jährigen Realschüler folgern läßt:

Joe Jackson),

225 was

Kein Schwein kennt diesen „Joe Jackson". Ich würde sagen, eine Musiksendung für die ältere Generation. (BS, FB-Nr. 287)

Dem entgegenzuhalten ist die Einschätzung von Babsi: Jugendliche wissen durch die Ausdrucksweise RS, BK, FB-Nr. 1270)

gleich, um was es geht. (16J,

Immerhin 23 Jugendliche stellen an dem Text etwas spezifisch Jugendsprachliches fest: Jugendsprache oder im Jugendstil gesprochen, einige etwas Ältere beurteilen dies distanziert: So reden heute viele Jugendliche. Es kommt gut an, auf so etwas stehen die Jugendlichen. (w, 18J, RS, MA, FB-Nr. 1229).

Die Verwendung von Jugendsprache wird ζ. T. massiv kritisiert: Man versucht hier, die sogenannte „Jugendsprache" nachzuahmen. Ich finde das nicht gut, weil sie nicht echt wirkt. {Assi, w, 15J, Gym, BS, FB-Nr. 65).

Der 14jährige Realschüler Krake meint dagegen: Gut, denn es wird in zwei Sprachen gesprochen (Jugendstil) (BS, FB-Nr. 237),

leider ohne genauere Erläuterung. Da man nicht davon ausgehen kann, daß alle Befragten die spezifischen Sprachformen Jugendlicher als „Jugendsprache" bezeichnen, müssen Charakterisierungen wie umgangssprachlich und moderner Gebrauch in engem Zusammenhang damit gesehen werden (insgesamt 29mal genannt). Einigen Jugendlichen fällt weiter auf, daß Fachbegriffe (7), englische Ausdrücke und Fremdwörter (17) verwendet werden, was ζ. B. von einer 14jährigen Gymnasiastin heftig kritisiert wird: Man kann sich auch etwas DEUTSCHER

ausdrücken. (BS, FB-Nr. 8).

Ein Interpretationsproblem ergibt sich durch die — vor allem im Süden — mehrfach (llmal in der Gruppe Süd, 5mal bei Nord) auftretende Kommentierung cool, aber auch obercool bzw. möchte-gerncool. Die Bedeutung des Ausdrucks ist so vielschichtig, daß eine In-

226

Einschätzung der Mediensprache

terpretation dieses Werturteils kaum möglich ist. Es kann sogar unterstellt werden, daß einige Jugendliche den Text um der Verwendung des Wortes willen als cool bezeichnen, weil es „in" oder eben „cool" ist, etwas cool zu finden. Inwieweit damit die Sprache charakterisiert wird, ist hier genauso fraglich wie bei lebhaft, übertrieben, witzlos, ohne Pep, langweilig, was sich ebenso auf den Inhalt beziehen kann. Ebenso wird mit irgendwie blöd, könnte besser sein, uninteressant oder es geht vermutlich die Äußerung als Ganzes bewertet. Solche Pauschalurteile deuten auch auf Hilflosigkeit dem Text gegenüber hin. Wichtige Hinweise, warum sie die Antwort „verweigert", gibt die Hauptschülerin Pitti: Ich kann den Text überhaupt nicht richtig verstehen, deswegen kann ich auch keine Meinung abgeben. Man sollte den Text besser schreiben, so daß man etwas davon verstehen könnte. (16J, BS, FB-Nr. 508)

Daß der Ausschnitt nicht verständlich sei, schreiben einige (29), beziehen es jedoch meist auf ältere Menschen und auf Leute, die die Platte nicht kennen. Die Verständlichkeit dennoch gewährleistet sieht ein James Bond, der die Gruppenbezogenheit begrüßt: Das „Insidergequatsche" ist eigentlich ganz gut, denn so ziemlich jeder weiß, was gemeint ist. (m, 16J, RS, MA, FB-Nr. 1233).

Wie erwähnt, zeigte sich, daß dies auch nicht jeder Jugendliche weiß. Die über die Moderationssprache mögliche Identifikation als Mitglied der Gruppe jugendlicher Rundfunkhörer hat Grenzen, die für diesen Text durch Werbung und persönliche Meinungsäußerung, aber auch sprachlich gezogen sind. Distanz zum Text wird von einigen durch Meinungen wie Gelaber, uninteressantes Gerede, Bla-bla und ähnliches (18) ausgedrückt. Problematisch ist sicherlich die schriftliche Präsentation des gesprochenen Textes. Formulierungen wie in der Umgangssprache geschrieben zeugen von der Schwierigkeit, sich die Worte gesprochen vorzustellen. Andererseits geben einzelne Jugendliche genaue Hinweise auf die sprecherische Realisierung: Es wird ziemlich schnell gesprochen, man kann sich das nacheinander nicht merken. (Eumelchen, w, 15J, RS, BK, FB-Nr. 1264)

gar

Meinungen Jugendlicher zur Sprache in Rundfunksendungen

227

Die Relevanz der Unterschiede zwischen „sprechen/hören" und „schreiben/lesen" erkennt Stacbelbeerigel klar: Wenn man das hört, hört es sich vielleicht normal an, aber wenn ich das lese, kommt mir der Kaffee hoch, (w, 15J, Gym, BS, FB-Nr. 79)

Ob sie den Textausschnitt als „normale" Moderationssprache empfinden, schreiben nur wenige Jugendliche: typische Redensweise eines Moderators, so wird oft formuliert. Eine 16jährige Mannheimer Realschülerin (FB-Nr. 1219) drückt es so aus: Was soll man dazu groß sagen. Es ist halt ein Ausschnitt aus einer Sendung. sprechen die Moderatoren eben.

So

Daß hierzu eine ganze Menge „gesagt" wurde, haben die Beispiele demonstriert. Wieviel Beachtung sprachliche Aspekte bei Vorlage des konkreten Textes fanden, zeigt die Übersicht: Sprachliche Elemente Jugendsprache Umgangssprache Verständlichkeit Fachausdrücke englische Ausdrücke „cool"

128 23 29 29 7 17 16

(30%), u . a . :

Nach Sprachmerkmalen der Moderation von Jugendsendungen wurden die Jugendlichen in F15 (vgl. S. 350 f.) direkt gefragt. Anhand einer Merkmalsmatrix sollten 18 Eigenschaften, die aus der Vorstudie8 als Antworten auf offene Fragen hervorgegangen waren, auf einer Skala von trifft voll zu (3) bis trifft nicht zu (0) 9 eingeschätzt werden. Auf das Problem der Pauschalisierung bei geschlossenen Antwortkategorien weisen einige durch Zusatzbemerkungen hin (kommt auf die Sendung an). Der Vorteil der Fragemethode ist die hohe Antwortbereitschaft mit einer Fülle quantitativ vergleichbarer Daten, die zur Auswertung aufgeschlüsselt nach Untergruppen hinsichtlich Geschlecht, Alter, Region und Schulart in Tabellen 10 ausge8 Vgl. 1.4. 9 Die Gewichtung wurde für die Auswertung vorgenommen. 10 Eine Auswahl an Tabellen findet sich im Anhang, S. 355 ff.

228

Einschätzung der Mediensprache

wiesen sind. Die Durchschnittswerte11 zu jeweils einem Sprachmerkmal zeigen nur sehr geringe Differenzen zwischen den Gruppen12, insbesondere kaum regionale Unterschiede.13 Da die Nennungen jedoch sehr weit streuen können, ist entscheidend, wieviele Probanden die einzelnen Antwortmöglichkeiten jeweils gewählt haben. 14 Die daraus erkennbaren Tendenzen werden hier zusammengefaßt, ergänzt durch Einschätzungen, die Jugendliche in Gesprächen15 äußerten. 15A: Du-Anrede (Durchschnittswert: 2.5) Daß die Hörer in vielen Jugendsendungen geduzt werden, ist objektiv feststellbar; so verwundert es nicht, daß fast alle Befragten (2) oder (3) 16 ankreuzen. Etwas weniger deutlich bejahen die Jugendlichen aus dem südlichen Befragungsgebiet dieses Merkmal, was regional bedingte Medienerfahrungen widerspiegelt.17 Jugendliche finden Du als „persönlichere" Anredeform okay,18 während einige Rundfunkredakteure zum Sie übergehen möchten. 15B: Dialekt (0.9), vgl. S. 355 Die Dialektanteile in der Moderationssprache werden relativ einheitlich am unteren Ende der Skala angesiedelt: In allen Gruppen nennen die meisten die Zutreffenshäufigkeit (1), die Norddeutschen häufig sogar (0). Überraschenderweise empfanden die Braunschweiger Ju11 Durch Gewichtung der einzelnen Antwortvorgaben konnte das arithmetische Mittel berechnet werden. 12 Streuungen von mehr als 0.2 um den Mittelwert sind selten. 13 Dies ist von daher erstaunlich, als die Gruppe Süd ja andere Medienerfahrungen hat als die Gruppe Nord. 14 Kreuze zwischen den Feldern sind in die jeweils untere Kategorie eingeordnet, für den Durchschnittswert zählen jedoch die Dezimalstellen mit (ζ. B. 0.5). 15 Neben Gesprächen mit Schülern zur Fragebogenaktion habe ich am 6. 5. 88 ein ausführliches Gespräch mit drei 17- bzw. 18jährigen Gymnasiasten (2 Mädchen, 1 Junge) geführt. 16 Im folgenden werden die Kategorien der Kürze halber mit ihren Gewichtungswerten bezeichnet: trifft voll zu = (3), trifft häufig zu= (2), trifft manchmal zu ~ (1), trifft nicht zu = (0) 17 Beispielsweise änderte der Popshop etwa im Befragungszeitraum die Anrede von Du auf Sie. 18 17- bzw. 18jährigen Gymnasiastinnen am 6. 5. 88 mündlich.

M e i n u n g e n J u g e n d l i c h e r z u r S p r a c h e in R u n d f u n k s e n d u n g e n

229

gendlichen des Gesprächskreises (6. 5. 88) die deutlich süddeutsch gefärbte Aussprache eines Südfunk-Moderators in einem Tonbeispiel nicht als regionale Auffälligkeit. 15C: gute Sprüche (2.0) / 15D: blöde Sprüche (1.5), vgl. S. 356 Komplementärmerkmale werden von vielen Probanden sehr konsequent bewertet, wie die Gesamtauswertung zeigt. Das Merkmal gute Sprüche liegt im Bereich (2) = häufig mit relativ großen Schwankungen in (1) und (3), blöde Sprüche dagegen bei (1) mit Abweichungen, insbesondere zu (2). Die Verteilungen in den einzelnen Gruppen zeigen nur geringe Unterschiede, 19 allerdings eine männl./weibl.-Oiiierenz bei 15D: Während die Angaben der männlichen Schüler breit streuen, sind sich die Mädchen weitgehend darüber einig, daß blöde Sprüche manchmal (über 50%) bis häufig vorkommen. Diskussionen mit Jugendlichen zeigen, daß gerade zum Bereich der „Sprüche" Generalisierungen nicht möglich sind. Beispiele wurden als voll daneben u. ä. kritisiert, aber zugleich relativiert: Besser, sie machen ein paar wirklich blöde Sprüche als gar keine (w, 18J, Gym, BS). Daß Kriterien für blöde Sprüche schwer zu finden sind, zeigen Meinungen zu konkreten Beispielen: Der ist so bekloppt, daß ich ihn schon wieder witzig finde (m, 17J, Gym, BS) nach dem Motto: Je döfer es ist, um so besser ist es irgendwie auch (w, 18J, Gym, BS). 15E: spontan (1.9) / 15F: wirkt wie abgelesen (0.7) Kaum klare Tendenzen auszumachen sind beim Merkmal spontan, das geradezu normalverteilt hervortritt (Häufung bei (2)), Spontaneität scheint nicht pauschal bewertbar zu sein. Das entgegengesetzte Merkmal wirkt wie abgelesen erhält deutlich niedrigere Werte (vor allem (0) und (1)), wird also als kaum zutreffend eingestuft. Jugendliche betonen im Gespräch, daß Sprüche möglichst spontan angebracht werden sollten, damit es nicht aufgesetzt oder gewollt klinge. Ob dies eine genaue Vorbereitung von Sprüchen ausschließt oder gar bedingt, wird kontrovers diskutiert. 19 Dies muß im Verhältnis zu den niedrigen Fallzahlen in den jeweiligen Untergruppen gesehen werden.

230

Einschätzung der Mediensprache

15G: mitreißend (1.5), vgl. S. 356 / 15H: langweilig (0.9)/ 151: unterhaltend (2.1), vgl. S. 357 Die subjektive Charakterisierung mitreißend wird in die beiden mittleren Kategorien eingeordnet, dabei zeigt sich eine hohe Übereinstimmung zwischen Nord und Süd. Das negativ besetzte Attribut langweilig erhält zwar geringe Werte, allerdings zu einem beträchtlichen Teil (1) = manchmal (über 60%). Die Frage nach dem Unterhaltungswert der Moderationssprache bejahen die meisten Jugendlichen. Die Angaben häufen sich durchgehend bei (2) = häufig mit Tendenz zu (3) = trifft voll zu, besonders hoch liegen die Zahlen für dieses Merkmal bei den Gymnasiasten. In Gesprächsäußerungen und Fragebogenantworten wird der Unterhaltungsfunktion insgesamt große Bedeutung zugemessen. 15J: informativ (1.9), vgl. S. 357 Der Informationswert wird niedriger eingeschätzt als der Unterhaltungswert, wobei hier die Angaben der Haupt- und Berufsschüler besonders breit streuen, während die übrigen zu über 50% die Moderation als häufig informativ einschätzen. 15K: locker (2.4), vgl. S. 357 / 15L: übertrieben (1.0) Weitgehende Übereinstimmung scheint darüber zu herrschen, daß die Moderation von Jugendsendungen locker ist, in fast allen Gruppen (außer BBS) nennt etwa die Hälfte die Kategorie (3) = trifft voll zu, ein Drittel (2) = häufig, die Berufsschülerinnen geben zum überwiegenden Teil (2) an. Wirklich lockere Moderation ist jedoch nicht allein mit Sprüchen zu erzielen, wie sich anhand von Beispielen herausstellte. Wenn sie nicht passend und natürlich erschienen, wirkten Sprüche nach Meinung der Jugendlichen im Gegenteil hingestellt, gestelzt oder gezwungen. Die lockere Moderationssprache wird jedoch nur manchmal als übertrieben empfunden, relativ viele verneinen dies. 1SM: sachlich (1.3) Für sehr sachlich wird die Moderation in Jugendsendungen nicht gehalten, manchmal (etwa 50%) bis häufig (30%) wird nach Meinung der Befragten sachlich moderiert, die Gymnasiasten sind mit hohen Gewichtungen am zurückhaltendsten (59% bei manchmal).

Meinungen Jugendlicher zur Sprache in Rundfunksendungen

231

15N: witzig (2.0) / 150: albern (1.3) Beim Merkmal witzig verteilen sich die Angaben um den Mittelwert 2.0, allerdings tritt eine beträchtliche Nord-Süd-Differenz auf: Die Hörer der süddeutschen Sender geben (3) zu knapp 34% an, dagegen nur 20% der Gruppe Nord. Im Vergleich dazu erhält albern niedrige Einstufungen, es überwiegt (1) = manchmal, etwas höher sind die Werte der Gruppe Süd. Gespräche mit Jugendlichen zeigen, daß die Grenzen zwischen dem äußerst positiv eingeschätzten witzig und dem abwertend gebrauchten albern fließend sind und individuell verschieden gezogen werden. 15P: Moderatoren reden wie Jugendliche (1.6), vgl. S. 358 Zur Klärung der in dieser Arbeit verfolgten Thesen tragen die befragten Jugendlichen insofern bei, als sie deutlich darauf aufmerksam machen, daß zur Jugendsprache in der Moderation keine eindeutige Einschätzung möglich ist: Bei keinem der anderen Merkmale treten so breit gefächerte Antwortfelder auf. In den beiden mittleren Kategorien sind jeweils über 30% zu verzeichnen, daneben werden sowohl (0) (mit etwa 13%) als auch (3) (knapp 20%) relativ stark belegt, jeweils mit vergleichsweise geringen Abweichungen zwischen den einzelnen Untergruppen. Die Gründe für dieses Ergebnis werden in den Antworten zu vorhergehenden Fragen angedeutet: Einige Jugendliche entdecken bei den Moderatoren zwar etwas Jugendsprachliches, betrachten die Übernahme jugendsprachlicher Elemente jedoch als „gescheiterten Versuch, wie Jugendliche zu reden", und damit gerade als „nicht-jugendsprachlich". Ähnliche Tendenzen zeigte auch das Gruppengespräch, in dem die Problematik ausführlich diskutiert wurde: Ein Moderator verwende eine jugendliche Sprache, die teilweise schon wieder out ist, aber er kommt gar nicht so schnell mit, wie die Jugendlichen ihre Sprache ändern (w, 18J, Gym, BS). Anderen Moderatoren wird bescheinigt, daß eine gewisse Jugendlichkeit einfach da sei, weitgehend unabhängig von ihrem Alter. 20 Als Beispielausdrücke aus der Moderationssprache zur Diskussion ge-

20 Die Jugendlichen des Gesprächskreises schätzen die Moderatoren von Jugendsendungen eher zu alt ein (um die 40).

232

Einschätzung der Mediensprache

stellt werden, fällt die Bemerkung: Die Moderatoren sagen sowieso viel jugendlichere Wörter als die Jugendlichen (m, 17J, Gym, BS). 15Q: cool (1.7), vgl. S. 358 Die Vorliebe der Süd-Befragten für das Wort cool schlägt sich insofern nieder, als von der Gruppe Süd wesentlich häufiger (3) und (2) genannt werden als von Nord, was auch zu der relativ großen Differenz im Mittelwert führt: 2.0 (Süd) gegenüber 1.6 (Nord). Die Hauptschüler halten die Moderation überdurchschnittlich oft für cool, während die IGS-Schüler hierbei am zurückhaltendsten sind. Der assoziative Spielraum des vielseitig verwendbaren und verstehbaren Wortes ermöglicht keine objektive Einschätzung. Beim Versuch, cool im Gespräch mit Braunschweiger Jugendlichen zu definieren, werden Dynamik und rascher Wandel der Jugendsprache deutlich: Während man — nach Auskunft der 17- bzw. 18jährigen Gymnasiasten — vor einiger Zeit noch für die unterschiedlichsten Dinge (die beklopptesten Sachen) und in allen möglichen Situationen die Bezeichnung cool gebraucht habe, 2 1 charakterisiere cool inzwischen bestimmte Typen, nämlich die mit Ghettobeschallung (,Walkman') und verspiegelter Sonnenbrille. 15R: ehrlich (1.7) Vor allem provozierend eingesetzt war neben cool die Vorgabe ehrlich, die einige Jugendliche berechtigterweise mit ? o. ä. versehen. Die übrigen gewichten mit (1) bis (2), ein beträchtlicher Teil — darunter viele Hauptschüler — sogar mit (3). Hier zeigt sich die grundsätzliche Problematik von Merkmalseinstufungen, daß die Begriffe individuell verschieden verstanden werden. Trotz solcher Einschränkungen zeigen die Angaben der Jugendlichen, daß die Moderation insgesamt eher positiv beurteilt wird. 22

21 Ein 17jähriger Gymnasiast versucht eine — seiner Einschätzung nach noch ältere — jugendsprachliche Paraphrase für das is ja cool zu formulieren: ,das find ich ja heiß'. 22 Die positiv besetzten Attribute erhalten hohe Werte, vor allem in bezug auf die Unterhaltungsfunktion.

233

Bewußtsein von Mediensprache

7.2.

Bewußtsein von Mediensprache

7.2.1.

Kommunikatorsicht

Redakteure und Moderatoren — viele sind beides — haben ständig mit Sprache zu tun, was an sich nichts Ungewöhnliches ist; die von ihnen verwendete Sprache wird jedoch öffentlich verbreitet, somit vielfach multipliziert und von zahlreichen Hörern „aufgenommen". Vor diesem Hintergrund überrascht es, wie wenig in Handbüchern für Radiojournalisten 2 3 auf sprachliche Einzelfragen eingegangen wird. Hinweise zur Moderation beziehen sich auf Sprachhandlungsmuster, nur wenige auf die konkrete Realisierung. Das Bewußtsein von Sprache im Rundfunk versuchte ich in Gesprächen mit Redakteuren und Moderatoren zu ergründen. Ansatzpunkt war die Frage, worauf bei der Sprachgestaltung einer Sendung für junge Leute geachtet werde. Die „junge Welle" RIAS2 versucht sich vom „sogenannten Erwachsenenprogramm" auch über Sprache abzusetzen, indem man sich in Wortwahl und „Art des Sprechens" an die Umgangssprache Jugendlicher anpasse. 2 4 Das werde nicht mit „bemüht jugendlicher Sprache" (Lanz nennt geil, anturnen) erreicht, sondern durch eine Annäherung an die tatsächliche Umgangssprache. Dazu gehöre, „steife Formulierungen" zu ersetzen, wodurch auch präziser formuliert werde. NDR-C/wb-Redakteur Kujawa betont die „Natürlichkeit" in der Moderation: „Der ganz normale Moderator hört sich so an, wie er auch sonst redet." 2 5 Es sei weder gut, sich um besonders „gepflegte" Sprache zu bemühen noch „aufdränglerisch" zu moderieren, am besten „vollkommen natürlich". Nach SFB-Redakteur Hollers Meinung dürften auch „Szene-Jargon" oder „Jugendsprache" und regionale Färbungen 2 6 vorkommen, wenn sie zum normalen Sprachgebrauch des Moderators gehörten. 2 7 23 Ζ . B. La R o c h e / B u c h h o l z (Hrsg.): Radio-Journalismus

3

1986.

2 4 Christoph Lanz am 22. 4. 88 mündlich. 2 5 Reinhold Kujawa am 29. 4. 88 mündlich. 2 6 Beim N D R wird dagegen d a r a u f geachtet, daß die M o d e r a t o r e n „sich nicht süddeutsch a n h ö r e n " . (Kujawa). 27 Holler am 27. 4. 88 mündlich.

234

Einschätzung der Mediensprache

Daß die Sprache zwar glaubwürdig sein müsse, jedoch nicht unbedingt wie sonst „im Leben", meint Wunschkonzert-Redakteur Fink, der Professionalismus und schauspielerische Fähigkeiten für erforderlich hält. Im Vergleich zur „allgemeinen" Moderation moderiere er für jüngere Hörer „flüssiger", „lebhafter", „anregender" — auch „anmachender" — mit einem „gewissen Leichtsinn in der Sprache". 2 8 Grundsätzlich gelte, verständlich zu sein und seine Stimme so einzusetzen, daß das Gesagte „halbwegs warm und mollig in die Gehörgänge der Hörer hineingeht", was auch bedeute, nicht mit „Singsangstimme" auf dem immer gleichen Level zu sprechen. Zur sprecherischen Realisierung äußert sich Kujawa im Sinne seiner „Natürlichkeitstheorie": Abzulehnen sei eine unwirkliche oder gestelzte Sprache (gemeint ist „Spreche"), vor allem die der „öligen Moderatoren, die so bedächtig reden und selbstverliebt in das Timbre ihrer Stimme gewisse Dinge sülzen" 29 . Dem „Gestelzten" setzen Kujawa und Lanz eine gewisse „Schnodderigkeit", auch „Schludrigkeit in der Aussprache", entgegen. Grenzen der sprechsprachlichen Freiheiten sieht Holler dort, wo die Hörer aus „falschem Deutsch" auf „Schludrigkeit" in den Inhalten schließen könnten. 30 Rücksichten auf die Hörer bewirken auch bei RIAS2, daß die Sprache nicht „zu flapsig" wird. 31 Es werde versucht, die Hörer nicht zu „überfahren", sich nicht „anzubiedern", sondern sie anzusprechen. Inwiefern die Anredeform Du sich für den Hörerbezug eignet, wird zur Zeit im NDR diskutiert. SWF3 ist in den meisten Sendungen zum Sie zurückgekehrt, was NDR-Redakteur Kujawa ebenfalls befürwortet. Als Argumente führt er an, das Du habe etwas Anbiederisches, sei mit dem „Touch von 68" behaftet und habe etwas Ausgrenzendes (für die mindestens 30jährigen), zudem sei die Anredeform jungen Leuten heutzutage vollkommen gleichgültig. 32 NDR-Unterhaltungsredakteur Fink spricht dagegen dem Du große Bedeutung

2 8 Günter Fink am 2 9 . 4. 88 mündlich. 2 9 Kujawa am 29. 4. 88 mündlich. 3 0 Holler a m 27. 4. 88 mündlich. 31 L a n z am 2 2 . 4. 88 mündlich. 3 2 Kujawa am 2 9 . 4. 88 mündlich.

235

Bewußtsein von Mediensprache

zur Herstellung und Aufrechterhaltung des Hörerkontakts zu. 3 3 D a ß er in der Hörerpost ebenfalls geduzt werde, unterstreiche seine These. Für S W F 3 - M o d e r a t o r Hörig ist das Du die „nähere", angemessene Anredeform für die Hörer seiner Sendungen, die er als „Knuffis" bezeichnet, „das sind die, die jung geblieben sind in der Birne, auch wenn sie fünfzig s i n d . " 3 4 Sprüche oder Versatzstücke aus der Jugendsprache in die M o d e ration zu übernehmen, wird übereinstimmend verurteilt. 3 5 Modeausdrücke setze man ebenfalls nicht bewußt ein, da sie aber zur Umgangssprache gehörten, vermeide man sie auch nicht, gemäß der grundsätzlichen Sprachhaltung der „jungen Redaktionen": „Ich finde es gut, wenn Sprache sich entwickelt" (Lanz) 3 6 , „Sprache ist etwas sich ständig in Bewegung Befindliches, lebt, ist nichts Statisches" (Kujawa) 3 7 .

Ansatzweise

ist den Redakteuren

bewußt, daß

sie

Sprachentwicklungen fördern. Die These, neue Ausdrücke könnten vom Rundfunk ausgehen, weisen sie jedoch energisch zurück. Die integrative Sprachfunktion der Medien erwähnt lediglich Hörig, wenn er „hofft", daß Mediensprache positiv wirke, denn man müsse eine Sprache sprechen, die jeder verstehe, mit der jeder kommunizieren könne.38 Das Sprachbewußtsein der Hörer schätzen die meisten Redakteure eher gering ein. Aber auch Kujawa, der nur von einem sehr kleinen Teil der Hörer meint, sie achteten auf Sprache, räumt ein, daß ein Bewußtsein in negativer Hinsicht vorhanden sei. 3 9 Dahinter steht eine gewisse Erwartungshaltung der Hörer an die Mediensprache: Laut Holler werde aufgrund von Hörerprotesten deutlich, „daß Hörer von uns erwarten, immer nur ganz reines, klares, präzises Deutsch zu sprechen." 4 0 Beschwerden k o m m e n jedoch vor allem von älteren H ö 33 Fink a m 29. 4. 88 mündlich. 3 4 E l m a r H ö r i g a m 15. 5. 88 mündlich. 35 Vgl. auch Kaspar: Präsentieren, Moderieren. In: R a d i o - P r a x i s 2 1 9 7 9 , S. 68. 3 6 L a n z am 22. 4. 88 mündlich. 3 7 Kujawa am 2 9 . 4. 88 mündlich. 38 H ö r i g am 15. 5. 88 mündlich. 39 Kujawa am 29. 4 . 88 mündlich. 4 0 Holler 27. 4. 88 mündlich.

236

Einschätzung der Mediensprache

rem; Jugendliche stören sich nach Erfahrung der Redakteure weniger an nicht ganz „glatten" Formulierungen. Holler führt das darauf zurück, daß Jugendliche auf ihrer Suche nach einer eigenen Sprache offener seien; Ältere stellten ihre Prinzipien nicht mehr so leicht in Frage. Für ältere Hörer moderiere er „vorsichtiger", meint Fink, da man auf deren Empfindlichkeit mehr Rücksicht nehmen müsse, während Jüngere auch eine etwas „leichtsinnige" Moderation, „mehr mit dem Bauch als mit dem Kopf", akzeptierten. 41 Fink spricht den Jugendlichen jedoch nicht die sprachliche Sensibilität ab, sondern führt die Unterschiede auf eine „andere Mentalität" zurück. Übereinstimmend schätzen die von mir interviewten Redakteure die jugendlichen Hörer so kritisch ein, daß sie merken, wenn ihnen etwas „vorgespielt" wird. „Glaubwürdigkeit" ist in allen Konzepten der zentrale Begriff, der auch auf Sprache bezogen wird. 7.2.2. Rezipientensicht Umgekehrt setzen die jugendlichen Hörer voraus, daß die Moderatoren gut vorbereitet sind und dennoch „natürlich" reden. Die Gesprächsäußerung Warum reden die Leute nicht einfach so, wie sie immer reden? (m, 17J, Gym, BS) zeigt, daß Moderationssprache die Natürlichkeitsforderung nach Meinung der Hörer nicht immer erfüllt. Spießiges Daherreden, aber auch übertrieben lockere Sprache lehnen die Jugendlichen ab. Wenn Moderatoren Sprüche machten, sei Spontaneität wichtig, meint eine 18jährige Gymnasiastin im Gespräch und schließt an: Ich glaub', daß er dann nicht im richtigen Leben so total ernst sein und im Radio die Sprüche loslassen kann.

Daß die Jugendlichen zwischen dem Sprachgebrauch des Moderators im Radio („dienstlich") und „privat" unterscheiden, zeugt von ihrem Bewußtsein davon, daß etwas inszeniert wird. Der Ausdruck im richtigen Leben (vgl. Fink: im Leben, 7.2.1) weist auf die Diskrepanz zwischen Rundfunksendung und persönlicher Lebenswelt hin. Die Ju41 Fink am 29. 4. 88 mündlich.

Bewußtsein von Mediensprache

237

gendlichen sehen eine Möglichkeit, über die Anredeform Du eine persönlichere Beziehung zwischen Moderator und Hörer herzustellen, ohne zu übersehen, daß sowieso eine gewisse Distanz bestehe. Daraus, daß diese nie völlig überwunden werden kann, schließen die von mir interviewten Gymnasiasten auch, daß der Rundfunk kaum in der Lage sei, die Jugendsprache durch neue Ausdrücke zu erweitern (vgl. Kap. 9). Ein wichtiges Ziel der Gespräche mit Jugendlichen über Rundfunk war es, zu ergründen, ob und inwieweit sprachliche Fragen bemerkt und aufgegriffen werden. Insgesamt ist festzustellen, daß inhaltliche Probleme immer im Vordergrund stehen; insbesondere beim Thema „Musik" neigen die Jugendlichen dazu, Diskussionen über thematische Einzelfragen und ihren „Musikgeschmack" anzuknüpfen. Moderationsausschnitte mit Musik-Kommentierungen werden genutzt, um über die Frage zu diskutieren, inwieweit die Moderatoren Musik werten sollten. Die Meinungen dazu sind geteilt: Während es verurteilt wird, wenn die ihre Lieder so zwanghaft aufwerten müssen (m, 17J, Gym, BS), ist es für andere akzeptabel, daß der Moderator subjektiv ist und seine Meinung dazu abgibt (w, 17J, Gym, BS). Obwohl die Jugendlichen im Gesprächskreis wissen, daß es um Sprache von Rundfunksendungen geht, greifen sie Textstellen aus den vorgespielten Moderationsbeispielen häufig nicht als OriginalZitate auf. Daß sogar zur Illustration sprachlicher Gestaltungsprinzipien Synonyme (Briefträger statt Postbote; Maul statt Schnauze) verwendet werden, zeigt, daß semantische und ζ. T. stilistische Faktoren wichtiger sind als die Oberflächenstruktur. Damit ist den Gesprächen ein Hinweis auf mögliche Übernahmemechanismen von Mediensprache zu entnehmen: Vermutlich „wirkt" die sprachliche Form zumindest nicht „direkt". Als sie aufgefordert werden, gezielt Sprache zu bewerten, beurteilen die 17- bzw. 18jährigen Jugendlichen zunächst die sprecherische Realisierung (angenehme Stimme; zu schnell), dann Wortwahl {„voll in Fahrt": das ist so richtig out), Fachwortschatz ( f a c h b e z o g e n [...] ich konnte da irgendwie nicht ganz folgen, weil ich davon keine Ahnung habe) und Wortbildungsprinzipien {der hat einen ganz furchtbaren Ausdruck gebraucht, Wörter neu geschöpft: computermä-

238

Einschätzung der Mediensprache

ßig42). Schließlich wird mit diskjockeymäßig, gewollt jugendlich und ähnlichen Einschätzungen das Mißfallen über eine aufdringliche Moderationsweise ausgedrückt. In einer Art Nebenkommunikation — während ich ein Tonbandbeispiel vorbereite — stellen die jugendlichen Gesprächsteilnehmer übereinstimmend fest, daß es ganz anders sei, ob man nur so Radio höre oder sich damit eingehender beschäftige. „Normalerweise" habe man eher die Haltung (w, 18J, Gym, BS): Wenn ich Radio höre, dann will ich das in mich hineingleiten lassen und mich nicht so konzentrieren müssen.43

7.2.3. Jugendliche „spielen" Moderator Um Aufschlüsse darüber zu erhalten, wie genau Jugendliche die Moderationssprache kennen, sollten sie im Fragebogen ihr „Moderationswissen" anwenden, indem sie eine Rundfunkansage entwerfen (F14) 44 , also kurzzeitig die Rolle des Kommunikators übernehmen. Gegenüber der realen Redekonstellation enthält die Spielsituation einige „unnatürliche" Faktoren: — Medium: schriftlich formuliert statt mündlich massenmedial vermittelt — Zeit: ad-hoc-Äußerung statt vorbereiteter Ansage — Zusammenhang: Befragung über Rundfunk im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit statt Produktion von Medienaussagen — Spielcharakter: Moderatorrolle wird nur „gespielt" Während sich die ersten drei Punkte eher hemmend auf die spontan zu lösende Aufgabe auswirken dürften, liegt im Spielcharakter ein besonderer Freiraum, der auch Übertreibungen und Parodien ermöglicht. Dies nutzen einige Jugendliche; für viele — insbesondere Haupt- und Berufsschüler — sind jedoch die anderen Faktoren so 42 Im Text hieß es jedoch „vercomputert". 43 Vgl. dazu die Einschätzung von Fink, NDR: halbwegs warm und mollig in die Gehörgänge der Hörer [...]. 44 Vgl. Fragebogen im Anhang, S. 350.

Bewußtsein von Mediensprache

239

problematisch, daß sie die Aufgabe nicht bearbeiten, ζ. T. mit ausführlichen Begründungen. Die Ansagen zeigen vier Grundtypen der „Sprachhaltung": — originelle Ansagen bis hin zu völliger Übersteigerung (ca. 3 0 % ) —> Sprachprofilierung Und jetzt kommt die absolute Supergruppe, deren Sound einen vom Sockel reißt. Das hält den ältesten Opa nicht im Schaukelstuhl, da fliegt glatt die Pfeife weg: HE1NO (w, 16J, Gym, ΜΑ, FB-Nr. 1225) — betont umgangssprachlich und „locker" —> Moderationseindruck? Jetzt! Jetzt kommen DIE ÄRZTE. Sie haben Power ... aber was rede ich. Hört sie selber an. Sie haben lange überlegt, und sind zu dem Entschluß gekommen, „das Schlaflied" zu singen, (w, 15J, RS, BS, FB-Nr. 205) — „natürlich" —> normaler Sprachgebrauch? Jetzt für alle, die gerne träumen. Setzt Euch gemütlich hin und hört Euch „REALITY" an. Viel Spaß, (w, 14J, Gym, BS, FB-Nr. 8) — betont sachlich (etwa 1 0 % ) —-> Abgrenzung gegenüber „lockerer" Moderation Und jetzt ein Schlager, der 1959 6 Wochen in der Amerikanischen Hitparade war: Chuck Berry mit Sweet Little Sixteen, (m, 15J, Gym, BS, FB-Nr. 17) „Keine Ansage" (187mal) ist ebenfalls zu differenzieren: — Struktur aufgeführt (8mal) 1. Namen der Band, 2. Musikrichtung, 3. Namen des Musikstücks, 4. von welchen Platten, 5. Preise der Platte (und nicht rumlabern), (m, 16J, Gym, BS, FB-Nr. 22) — Begründung für die Antwortverweigerung (47mal) Ich glaube, ich kann mich in diese Lage nicht reinversetzen, weil das nicht dieselbe Situation ist wie bei einer richtigen Rundfunkansage. Außerdem kann ich mir vorstellen, daß die Moderatoren schon irgendein Konzept haben, (m, 16J, RS, BS, FB-Nr. 303) — keine Angabe (132mal)

240

Einschätzung der M e d i e n s p r a c h e

Die Zuordnung der Ansagen im mittleren Bereich (etwa 60%) zu „natürlich" oder „locker" ist problematisch, denn zum einen darf nicht a priori unterstellt werden, die Alltagssprache der jugendlichen Ad-Hoc-Moderatoren sei nicht „locker", zum anderen vermischen sich spontane und bewußte Formulierungen. Das Ziel der „Kreativfrage", Aufschlüsse über das Verhältnis der Befragten zur Moderationssprache zu erhalten, wurde nur teilweise erreicht, da häufig nicht zu entscheiden ist, ob eine bewußte oder eine unbewußte Nachahmung bzw. Abgrenzung vom Rundfunkmoderationsstil vorliegt. Unterschiede in der Sprachkompetenz der Jugendlichen zeigen sich darin, wie „gut" die jeweilige Möglichkeit realisiert wird, 45 weniger darin, ob reale Moderationsmodelle übernommen, variiert oder kontrastiert werden. Tendenziell wählen sprachlich sehr sichere Schüler sogar eher die Imitation, z.T. parodistisch übersteigert; dies zeugt von hohem Bewußtseinsgrad über das Sprachmaterial, mit dem „gespielt" wird. Einige grenzen sich durch einen betont sachlichen Stil von der „lockeren" Moderation ab. Die zahlreichen umgangssprachlich geprägten Ansagen (318 bzw. 86%) dürfen ebenfalls nicht pauschal als unbewußte Übernahme von Moderationsmodellen interpretiert werden, zumal sich einige Jugendliche bewußt um „wirklichkeitsnahe" Ansagen bemühen.46 Als „Wirkung" der Musikmoderation im Rundfunk zeigt sich jedoch, daß die Textsorte Moderation den Hörern gut bekannt ist. Daß sie recht genaue Vorstellungen davon haben, drückt sich u. a. darin aus, daß fast alle Ansagen trotz des Spielcharakters situationsadäquat sind.47Die meisten fügen ihre Moderation in den Kontext einer Sendung ein, was sich syntaktisch in den Anfangswendungen niederschlägt, die zu 90% ein an die Situation „fortlaufende Musiksen45 Primär allerdings darin, ob eine Ansage produziert wird. 46 Dies läßt sich aus zusätzlichen Kommentaren schließen, ζ. B: Die ren können das viel besser.

Moderato-

47 Wegen der insgesamt sehr starken Hörfunknutzung (vgl. 3.4) sind Korrelationen zwischen „Radiohören" und „adäquate Rundfunkansage" nicht sinnvoll. Ein Zusammenhang besteht zwischen der Bereitschaft, eine Rundfunkansage zu formulieren, und täglichem Rundfunkhören: 70% der 344 „Täglich-Hörer" und 60% der übrigen bearbeiten die Frage kreativ.

241

Bewußtsein von Mediensprache

dung" anknüpfendes Adverb enthalten. Es werden ausschließlich (und) jetzt, (und) nur und (und) hier verwendet, was mit den realen Musikansagemustern völlig übereinstimmt. Als Verb bevorzugen die Jugendlichen kommen: Und jetzt kommt..., auch mit nun oder hier kombiniert, setzen es aber wesentlich häufiger (in 152 Ansagen!) ein als die Rundfunkmoderatoren. Ebenfalls beliebt sind die Anfangswendungen mit hören: Jetzt hören wir/ hört ihr/ hören Sie ... (49). Diese klar dominierenden Strukturen werden vereinzelt durch andere Verben variiert (Ich stelle jetzt eine Platte vor...). Nur selten verwenden die Jugendlichen die in der realen Moderation dominierenden elliptischen Nominalkonstruktionen oder Modalverb-Wendungen. Einige stellen vor die Anfangswendung Partikeln, ζ. B. so (16mal), na (6), z.T. auch jugendspezifische Grüße wie Hey, Hi, Ey oder den „Allerweltsgruß" Hallo. Vor der eigentlichen Ansage stehen gelegentlich Anreden (Liebe Hörer) oder Imperativische „Kontaktaufnahmen" mit den Hörern (hört mal!). Direkt angesprochen werden die Hörer von den jugendlichen Fragebogen-Moderatoren insgesamt 104mal (in 28% aller Ansagen). Bevorzugt wird das kollektive Duzen mit ihr (86mal), in 18 Ansagen werden die Hörer mit Sie angeredet. Daneben benutzen mehrere Jugendliche das von einigen Moderatoren häufig verwendete Pronomen wir (52mal), das den Gemeinschaftsaspekt betont. Im lexikalischen Bereich erweist sich das Material als sehr ergiebig, zumal ein „gutes" Musikstück angekündigt wird: Allgemeine Bezeichnungen für ,Musik'/,Musikstück': Musik, Mucke,

Lied, Song, Schlager, Stück, Titel, Ding

Aspekt der Plattenaufnahme betont: Platte, Scheibe,

Rille;

Single, Maxi, Auskopplung

aus (..),

Album

Positiv besetzte Ausdrücke für ,gutes Hit, Tophit, Erfolgshit,

Top Ten Hit,

Renner, Knüller, Knaller, Hammer, cher, Bombenerfolg,

Musikstück':

Riesenerfolg

Klopfer,

Mitreißer,

Ohrwurm,

Nadelkra-

242

Einschätzung der Mediensprache

Super- als Präfix oder unflektiertes Adjektiv super. Supersong, Super-special-Titel,

Super-Single, Superrenner

Wertneutrale Substantive werden mit Adjektiven versehen: neu, brandneu, aktuell, brandheiß, heiß, scharf, riesig, gut, schön, toll, stark, spitzenmäßig, fetzig, mitreißend, poppig, rockig, cool, ultra, geil, affengeil, super, super als Präfix: superheiß, supergeil, superstark, superhotaktuell, superklasse, superschnullig Verstärkung mit unflektierten Adjektiven: total, absolut, tierisch, echt Verbalausdrücke (Auswahl): abgehen: ab geht's, ab geht die Post, abgehen wie Luzie, abgehen wie 'ne Dose Brechbohnen; die Charts stürmen, tierisch einschlagen, auf Erfolgskurs liegen, wieder voll da sein, vom Sockel reißen, das fetzt einem den Ohrwurm raus Bezeichnungen für den ,Klang'

eines Musikstücks:

Sound, Spitzensound, Boxenkillersound,

Power

Ausdrücke aus dem Bereich der Musik-Technik: Plattenteller, Teller, Anlage, Boxen,

Record-Taste

Bezeichnung der Interpreten: Gruppe, Sänger/Sängerin, Band, seltener: Jungs, Profis Affixoidbildungen und Komposita dazu, ζ. B.: Supergruppe, Spitzengruppe, Lieblingssänger,

Rockband

Umschreibungen für bestimmte Interpreten: Playboys der Pop-Szene; Schwuchteln des Jahrhunderts; Schönlinge Deutschland (Modern Talking) Marilyn Monroe des 20. Jahrhunderts; blonder Wirbelwind (Madonna)

aus

Viele der aufgeführten Wörter und Wortbildungsmechanismen kommen in der Sprache Jugendlicher vor, zumal bei Gesprächen in den Peer-Groups das Thema „Musik" eine Rolle spielt. Z u m Teil medial

Bewußtsein von Mediensprache

243

vermittelt, liegt das Vokabular aus dem Umfeld der Rockmusik im Überschneidungsbereich von jugendlichem und massenmedialem Sprachgebrauch. Neben der speziell auf Musik bezogenen Lexik fällt in den Moderationstexten der Jugendlichen eine deutliche Neigung zu Steigerungen auf. Besonders beliebt sind Attributionen mit positiv besetzten Adjektiven (auch absolut wird z.T. attributiv gebraucht), Präfigierungen mit super- und Prädikationen mit absolut oder total. Dies sind in der Jugendsprache häufig anzutreffende Mechanismen der Spracherweiterung. 48 Die weitaus meisten Jugendlichen (86%) verwenden umgangssprachliche Elemente (ζ. B. Komposita mit super-), eine ganze Reihe (35%) zusätzlich Jugendsprachliches, ζ. B. im lexikalischen Bereich geil, Mucke, cool. Viele Ansagen sind wegen der hyperbolisierenden Steigerungsstrukturen jugendsprachlich eingestuft worden, wobei die Grenzen zwischen Umgangssprache (Spitzengruppe, Riesenerfolg) und Jugendsprache (das absolut gute Lied, schon total beliebt) fließend sind. Den gesprochenen Text niederzuschreiben, bereitet den meisten kaum Schwierigkeiten; sprechsprachliche Syntax wird jedoch nur begrenzt verwendet, hier übersteigernd von einer 14jährigen Mannheimer Realschülerin (FB-Nr. 1202): Ich darf euch jetzt 'ne superhotaktuelle Scheibe anbieten, o. k.? „Warriors" mit Frankie Goes To Hollywood? Na klar, ich darf! Und danach die Housemartins mit „Happy Hour"? Na klar! Wir fangen an mit „Warriors". Au jeah!

Die Tendenz zur Übersteigerung spiegelt sich auch inhaltlich: 31% der Ansagen enthalten deutliche Wertungen, einige (12%) erwähnen allerdings explizit, daß sie ihre persönliche Meinung äußern: Und nun kommt eine Gruppe, die ich selber sehr mag, da deren Musik echt fetzig ist. (w, 14J, Gym, MA, FB-Nr. 1002).

Manchmal wird der Hinweis darauf etwas „gewollt" eingeschoben, was der grammatischen Konstruktion nicht immer gut tut: 48 Vgl. Henne: Jugend und ihre Sprache. 1986. S. 149, 209 ff.

244

Einschätzung der Mediensprache

Hallo Leute an den Musikspendern! Hier kommt eine ausgesprochene, nach meiner Meinung super Gruppe nämlich:... (w, 15J, Gym, BS, FB-Nr. 52).

Andere werten Musik — nicht nur Popmusik — scheinbar objektiv: Als nächstes hört ihr „America", ein Lied aus dem bekannten Musical von Leonard Bernstein „West Side Story". Kurz aber gut. (w, 15J, Gym, BS, FB-Nr. 49).

In einigen Ansagen treten referentielle Funktionen hervor: Und hier kommt Bruce Springsteen mit „Born in the USA". Das Stück ist auf der Α-Seite seiner gleichnamigen Platte und etwa 3V2 min. lang, (m, 15J, Gym, BS, FB-Nr. 99).

Informationen

beziehen

sich meist

auf Musik

und

Interpreten

(37mal) oder Hitparadenplazierungen (34mal), z . T . verbunden mit expressiven Elementen: Hallo Leute, jetzt kommt der Supersound von einer Supergruppe! Sie sind gerade auf dem 1. Platz der Hitline. Es ist Final Countdown von Europe, (w, 16J, RS, BK, FB-Nr. 1268)

N u r wenige Ansagen weisen appellative Funktionen auf, vermutlich sorgt auch der im Fragebogen vorangehende Textausschnitt für einen negativen Ausstrahlungseffekt. Bei manchen Texten wird ein bestimmter Pop-/Rockmusik-Wissensstand vorausgesetzt, ohne den sie schwer unverständlich sind: Hier kommen die super Jungs aus Berlin mit ihrem Hit „Ich bin reich", leider nur noch als Duo, aber die Musik geht immer noch tierisch ab. (m, 16J, RS, BS, FB-Nr. 259).

„Insiderwissen" und „Kenntnisunterstellung" spielt eine Rolle: So nun dreht mal die Boxen auf, denn den nächsten kennt ihr alle, „lron Maiden" „Run to the Hills", (m, 15J, Gym, BS, FB-Nr. 20).

Im Material gibt es zahlreiche „Ansagen", die durch individuelle und ζ. T. sehr originelle Elemente die angesprochenen Grundstrukturen mit sprachlichem Leben füllen. Das kreative M o m e n t

spontaner

Wortbildung und „neuer Sprüche" kann als jugendsprachliches Prinzip angesehen werden, das u. a. der Profilierung in der Gruppe dient.

245

Erwartungen an die Sprache in Jugendsendungen

Auch das Ausfüllen des Fragebogens — gerade in der Gruppensituation „Schulklasse" — ist Teil solcher Jugendkommunikation mit Profilierungsmöglichkeiten. Zum Verhältnis der Jugendlichen zur Mediensprache konnten dennoch einige Ergebnisse gewonnen werden: Wie die teilweise hohe Übereinstimmung in Strukturen und Prinzipien von realer Moderation mit den von Jugendlichen entworfenen Moderationstexten zeigt, „erfassen" die jugendlichen Hörer die Moderationssprache; ob bewußt oder unbewußt, konnte nicht immer geklärt werden. In wenigen speziellen Sendungen (Club: Einmal Moderator sein) können Jugendliche die Moderatorrolle unter realen Situationsbedingungen übernehmen. Auch dies wirkt ambivalent: Einerseits bemühen sich die jugendlichen Moderatoren um möglichst „gute" Moderationssprache, indem sie die Sprache der Profi-Moderatoren imitieren, andererseits versuchen sie, ihre „eigene" Sprache zu sprechen. Dabei treten große individuelle Unterschiede auf, was sich auch in den Fragebogenantworten zu F l l (vgl. S. 349) zeigt, wenn die Jugendlichen „Moderation durch Jugendliche" bewerten; von super bis schlecht findet man alle Urteile. Hauptargumente für negative Einschätzungen sind „Unsicherheit durch fehlende Routine" und die „krampfhafte Übernahme vorhandener Moderationsmuster". Positiv wird hervorgehoben, daß Jugendliche die Möglichkeit erhalten, es mal zu probieren. Einige differenzieren zwischen der Perspektive des jugendlichen Moderators und der des Hörers: Nicht so gut — als Hörer, aber: für die Jugendlichen 16J, RS, BS, FB-Nr. 29).

7.3.

ist es bestimmt toll (w,

Erwartungen an die Sprache in Jugendsendungen — Jugendliche und Erwachsene im Vergleich

Die Rezipientenvorstellungen von der Sprache in Rundfunksendungen für Jugendliche an konkreten Beispielen zu erfassen, ist das Ziel des Lückentests (Anhang, S. 359 f.; vgl. auch 1.3), der Jugendlichen

246

Einschätzung der Mediensprache

und Erwachsenen vorgelegt wurde. 49 Authentischen Moderationsausschnitten wurden typische und spezifische Ausdrücke entnommen. Die entstandenen Lücken sollten die Probanden der Moderation einer „Musiksendung für junge Leute" adäquat ausfüllen, ζ. T. mit grammatikalischen „Hilfestellungen" aus der „Dammel-Sprache". 5 0 Es geht weniger um das genaue „Treffen" eines Ausdrucks, sondern vielmehr darum, inwieweit die Probanden Strukturen der Moderationssprache kennen und typische Ausdrücke verwenden. Um dies zu erfassen, konnten nur einzelne Wörter entfernt werden, da sonst zu große Freiräume entstanden wären, was zwar die Kreativität gefördert, aber die Vergleichbarkeit eingeschränkt hätte. Die Einengung ist der von den Befragten am häufigsten geäußerte Kritikpunkt; darüber hinaus reichen die Meinungen zum „Dammelspiel" von völliger Ablehnung wie Scheiße (aus der Gruppe bis 17J) über Verständnislosigkeit: Der Sinn ist mir nicht klar (28 — 37J) bis zu verhaltener Zustimmung: echt nett (18 — 27]). Einige Probanden der beiden jüngeren Altersgruppen (d. h. bis 27J) führen das Spiel spielerisch verweigernd aus, indem sie Formen von Dammel oder geil in alle Lücken einsetzen. 51 Zudem ist — wie beim Fragebogen — der Aspekt der Sprachprofilierung zu berücksichtigen, wenn die Probandeneinträge im Verhältnis zur authentischen Moderationssprache beurteilt werden. Um zu untersuchen, wie einige typische Moderationselemente von Rezipienten realisiert werden, muß deshalb auf die den Äußerungen zugrundeliegenden Prinzipien und Strukturen zurückgegriffen werden.

Alter (J): Nord Süd Gesamt

bis 17

18-27

28-37

38-47

über 47

16 19 35

11 13 24

12 5 17

7 3 10

2 2 4

50 Abgewandelt aus der „Dammsprache", vgl. Klett-Sprachbuch für das 5. Schuljahr, 1970. 51 Das „Dammel"-Prinzip wird sogar „zurückgegeben": Ich finde, ziemlich (dammlig). Die (Dammel) (dammein) ein bißchen. Sonst ganz (dammlig). ( 1 8 - 2 7 J ) .

Erwartungen an die Sprache in Jugendsendungen

247

— Dialogische Elemente in der monologischen Moderation: Typische Grüße sind hallo (LI) 5 2 bzw. tschüs (L25) mit dem Zusatz bis zum nächsten Mal (L26), eine „Höreranredeform" ist liebe Freunde (L2). Wie im Originaltext wird von den jüngeren und mittleren Altersgruppen (bis 37J) hallo zur Begrüßung, von allen Gruppen tschüs/tschüß zur Verabschiedung favorisiert. Varianten wie hi, hallöchen, gruetzi, morjen finden sich bei den Jüngeren, konventionelle Grußformeln wie guten Tag und längere „Reden" wie da sind wir wieder bei den Älteren, die insgesamt tendenziell komplexere Ausdrücke anführen als die Jugendlichen. Zur Verabschiedung treten bei den Jüngeren fremdsprachige Grußwörter in Konkurrenz zur Leitform tschüs, in den Gruppen ab 38J wird der Gruß servus mehrfach, von der Schülergruppe ebenfalls dreimal angegeben. Die „Dauer der Trennung" (L26) variiert zwischen genauen Angaben wie bis nächsten Montag und vagen Ausdrücken wie bis bald, die vom Moderator gebrauchte Form bis zum nächsten Mal ist altersgruppenübergreifend dominierend. Zur nominalen Anrede verwenden die Probanden bevorzugt Hörer, besonders die Älteren auch Zuhörer, Fans und Leute. Freunde (die authentische Variante) wird nur selten eingesetzt, meist in spezifizierenden Komposita wie Musikfreunde. Den Gemeinschaftsaspekt betonen einige jedoch durch Ausdrücke wie Gemeinde (bis 17J, ironisch eingesetzt?) und Hörergemeinschaft (28 —37J), die in der Moderationssprache der untersuchten Sendungen nie vorkommen. Als pronominale Anredeform wird in L13 lediglich einmal Ihnen, ansonsten euch verwendet. — Titelansagen: Als Bezeichnungen für ,Musikstück' (Ding L l l ; Nummer führen die Probanden aller Gruppen u. a. an:

L19, L23)

Scheibe (durchgehend am häufigsten genannt) Platte, Titel, Stück, Song, Schnulze, Hit, Kamelie, Klamotte, Musik (Variante bei den Jüngeren: Music, Mucke, Musi), Nummer mit der Variante Number (2mal bei den Jüngeren).

52 Die „Lücken" sind auf dem Musterexemplar, S. 359 f., numeriert.

248

Einschätzung der Mediensprache

Hier stimmen im großen und ganzen die Erwartungen an die Mediensprache mit dem tatsächlichen Mediensprachgebrauch überein. Ein differenzierteres Spektrum zeigen die Ausdrücke zur Wertung von Musik, in diesem Text sind das die Adjektive irre (LI6) und tierisch (L24), die metaphorische Wendung knalliges Schlußbonbon (L21) und der Phraseologismus abgehen wie ein Zäpfchen (L12). Durchgehend werden positiv wertende Adjektive und verstärkende Mittel eingesetzt, deren konkrete Ausprägung vielfältig ist und sich altersgruppenabhängig darstellt. Die „ungewöhnlicheren" Ausdrücke werden von den Jüngsten und den Ältesten gewählt. In mehreren Gruppen: super, toll, spitze, stark, fetzig, geil, gut, heiß, schön, stark, tierisch, wahnsinnig

scharf,

bis 17J zusätzlich: dufte, steil, poppig, nett, irre, cool, toff, turbogeil, stark, sahnig, sahnemäßig, sahneweich

affen-

18 —27J zusätzlich: knuddelig, schnuckelig, frühlingshaft

wahnsinnig, umwerfend,

irre,

ultragalaktisch,

28 — 37] zusätzlich: lecker, süß, sahne, lustig über 47J zusätzlich: anziehend, rig, mitreißend

bockstark, haeiiiß, flappfloppsig,

rieselig, bä-

Das Schlußbonbon (L21) wird von einigen Probanden mit Adjektiven versehen, die ein stimmiges Bild ergeben, 8mal (in verschiedenen Gruppen, am häufigsten bei 18 —27J) wird mit knallig die vom Moderator benutzte Wendung „getroffen". Darüber hinaus ist in allen (!) Gruppen das beliebteste Bild das des süßen Bonbons mit den Varianten sweet und sweetig. Andere bevorzugen ein sahniges, bitteres oder abgelutschtes Schlußbonbon. Beim Phraseologismus abgehen wie ... (im Original: abgehen wie 'n Zäpfchen) zeigt sich die Offenheit der Jugendlichen für ungewöhnliche Bilder. So lassen sie die Musik abgehen wie den Hund aufm Feuer, tausend Elefanten, nichts (nix), Haribo, Sahne, Hexenpisse (Schüler Nord);

Sahnetoffees,

Kernseife, Schmierseife, eine geschmierte Fahrradkette, eine Schlaftablette, die schwäbsche Eisebahne, Butter, Sahne, ranzige Milch, Fußkäs, die Post, ein Zäpfchen (Schüler Süd).

Die Altersgruppe 18 — 27J bringt ebenfalls originelle Bilder: eine Zwille, ne Ladung Dynamit, Zunder, Heino, Oscar, Harry, ferner,

Schmierseife,

Sahne, nichts

(nix),

Erwartungen an die Sprache in Jugendsendungen

249

hier überwiegen jedoch feste Prägungen wie der Phraseologismus das geht ab wie Schmitz' Katze (5mal); außerdem gehen die Post (4mal), die Feuerwehr und eine Rakete mehrfach ab (kaum Nord-Süd-Unterschiede). Auch in der mittleren Altersgruppe sind diese Ausdrücke dominant. Die älteren Befragten (ab 38J) nennen ebenfalls festere Wendungen, am häufigsten die Rakete (6mal), daneben die ungewöhnlichen, in Musiksendungen für Jugendliche kaum vorstellbaren Bilder abgehen wie ein Trobadour, Gebirgsluft, ein säuselnder Wind oder der Mistral, der in der Gruppe über 47J genannt wird. Die Jüngsten profilieren sich wie der Moderator in diesem Beispiel; sie versuchen, möglichst ausgefallene, originelle Bilder zu finden. Bereits die etwas Älteren greifen dagegen auf feste Wendungen zurück, die Ältesten entwerfen zusätzlich individuelle Bilder. — Sprüche zur Sendungskennung: Um die Ergänzung festgeprägter Ausdrücke geht es bei den Sendungskennungssprüchen {Popshop L3/4, Club L17/18), deren Originale nur die Hörer des jeweiligen Senders kennen können. Allerdings schreibt kein einziger Proband den „richtigen" Spruch auf, die meisten, vor allem die Jüngeren, erkennen jedoch den Spruchcharakter. So wird beispielsweise zu Abendrot das Reimwort droht, das auch im Original verwendet wird, in L4 eingesetzt (bei den Schülern 8mal verzeichnet), kombiniert mit Moderator, Radio, Morgen u. a. (L3). Ferner wird auf tot, Not, rot, Wetterbot und Abendbrot gereimt. NordSüd-Unterschiede treten nicht auf, während der Club-Spruch L17/18 immerhin 5mal von der Gruppe Nord dem Club zugeordnet wird. Der dem Spruch zugrundeliegende Schokoladenwerbeslogan scheint jedoch so bekannt zu sein, daß 10 Schüler und 5 Erwachsene L18 zu zarteste Versuchung ergänzen. Ansonsten dominiert größte und schönste, bei den Jüngeren bis (27J) auch letzte Versuchung. — Fachjargon 53 : Spruchcharakter haben auch die im NDR-Wunschkonzert häufig verwendeten Wendungen live und in Farbe (L14) und lange Rille 5 3 Z u m Begriff vgl. 8.2.

250

Einschätzung der Mediensprache

(L15). Hierbei zeigen sich regionale und altersspezifische Unterschiede. Die norddeutschen Befragten der beiden jüngeren Altersgruppen „treffen" 5mal in Farbe und 6mal die lange Rille, dies ist bei den 28 — 37jährigen je einmal, bei den Älteren gar nicht der Fall. Von der Gruppe Süd werden diese Ausdrücke überhaupt nicht genannt; hier kommen lediglich die Schüler mit der Ergänzung in stereo dem Rundfunkjargon nahe. Die älteren Probanden bevorzugen wiederum wertende Adjektive (fetzig, super). In den Fachbereich „Musik" einzuordnen ist L20 gecovert ,neu aufgenommen', was durch den Kontext, insbesondere durch alt, angelegt ist. Dies berücksichtigt in jeder Gruppe ein gutes Drittel der Probanden, bei den 18 — 27j. knapp die Hälfte; die übrigen setzen bevorzugt Partizipien der Verben singen, spielen, bringen, interpretieren ein. Bei denjenigen, die auf die Neuaufnahme eingehen, überwiegen Wendungen mit neu (neu aufgelegt, neu rausgebracht). Zwei Schüler der Gruppe Nord und je ein Proband aus den Altersgruppen 18 —27J und 28 —37J (Nord und Süd) verwenden gecovert, ein jüngerer Erwachsener den Jargonausdruck abgekupfert und ein Schüler das von Remake ,Wiederaufnahme' abgeleitete Partizip remaked. Die Älteren umschreiben die Neuaufnahme eher umgangssprachlich, ζ. B. mit aufmotzen. „Fachkenntnisse" erfassen auch die Zusatzfragen 2 und 3 nach Einzelheiten aus der 1986/87 gerade noch aktuellen Popmusikszene. Bestätigt wird die Vermutung, daß die Probanden der beiden jüngeren Altersgruppen sowohl Falco: „Jeanny" als auch Clowns und Helden: „leb liebe dich" kennen und einordnen können. Viele geben eine Bewertung ab, einige sogar ausschließlich, wobei sie die Bekanntheit voraussetzen. Auch die meisten Erwachsenen der mittleren Altersgruppen verbinden mit „Jeanny" das Falco-Stück, das wegen seines umstrittenen Inhalts (Verherrlichung von Gewalt) Rundfunksendeverbot erhielt. Die norddeutsche Gruppe Clowns und Helden scheint ebenfalls in Nord und Süd relativ bekannt zu sein. Von den älteren Erwachsenen kennen nur einzelne die Fakten, die 3. Frage fordert jedoch gerade sie zu Definitionsversuchen von „Clowns" und „Helden" heraus: Clowns: Menschen mit Herz, Helden: Dummköpfe

(über 47J)

E r w a r t u n g e n an die S p r a c h e in J u g e n d s e n d u n g e n

251

Vergleichbares findet sich nur bei den Schülern, für die solche „Medienkenntnisse" selbstverständlich sind und die daher zusätzliche Ideen (ζ. B. die Brüder von Asterix und Obelix) zu den — für sie überflüssigen — Fragen entwickeln: Clowns sind im Zirkus, oda? Helden gibt's nicht mehr!

— Englische Elemente: Daß die englische Sprache in den Musiksendungen eine große Rolle spielt, spiegelt sich in vielen Angaben der Probanden, nicht nur der jüngeren. Die norddeutsch geprägte Übersetzung von right in L22 mit mitten mang konnte nicht erwartet werden; allerdings wählen die meisten das zugrundeliegende Moderationsprinzip und übersetzen mit genau oder mitten, lediglich einige Schüler (7) beachten den Kontext nicht und schreiben rechts. Die Produktion englischer Ausdrücke ist in der jüngsten Gruppe am stärksten, wie das Beispiel Dance-Nummer (L6) zeigt, wo die Schüler 6mal (3mal Nord, 3mal Süd) mit Dance oder Dancing den Originalausdruck nachvollziehen, die Befragten der Gruppe 18 — 27J zweimal, die übrigen Erwachsenen gar nicht. — Umgangssprache 54 / jugendsprachliche Wortbildungsprinzipien: Umgangssprachlich einzustufen ist ein großer Teil der eingefügten Ausdrücke, als Beispiel sei hier das Bedeutungsfeld „langsame Musik" aufgegriffen. Der Moderator bildet im Original in L8 das deutsch-englische Kompositum Schmusetime und in L10 das Adjektiv schmusig; die Probanden verwenden vor allem Schnulze bzw. schnulzig, ferner: schmalzig, soft, verträumt/träumerisch und romantisch, auch mehrfach schmusig und Komposita mit Schmuse-, Die Verwendung von Ausdrücken aus der Wortfamilie schmusen ist bei der Gruppe Nord tendenziell stärker, relativ gering sind diese Unterschiede jedoch bei den Jüngeren. Die Schüler „treffen" je einmal aus den Gruppen Nord und Süd das Originalkompositum Schmusetime, zwei norddeutsche Studenten (18 — 27J) ebenfalls. Die Jüngsten verwenden zudem Schmusen, Schmusemusik, Schmusetitel und

54 Zum Begriff vgl. 8.1.

252

Einschätzung der Mediensprache

Schmuseecke, Schmusebacke

die Erwachsenen der Gruppe 38 — 4 7 J (Nord) und Schmusemusik

Schmusezeit,

(Süd). Die Gruppe Süd

zeigt insgesamt eine stärkere Tendenz zu Schnulze

mit spielerischen

Varianten wie Schnulz

und Co. Ferner wird von den mittleren Alters-

gruppen in L8 Schmalz

eingesetzt, einige — andere — verwenden die

Adjektivableitung schmalzig

für L10, hier überwiegt jedoch

schnul-

zig. Altersunterschiede zeigen sich insgesamt darin, daß die älteren Erwachsenen positive Adjektive bevorzugen, während die Jüngeren auch abwertende Ausdrücke wie schleimig,

schmachtig

oder

kitschig

angeben. — Tendenzen im Vergleich: Dieser Trend läßt sich für den gesamten Test feststellen: Die Erwachsenen versuchen mit zunehmendem Alter, möglichst ausgleichend zu „moderieren" oder aber durch übersteigernde, positiv wertende Ausdrücke besonders jugendgerecht zu wirken. Die Jüngeren, vor allem die Schüler, wählen meist „passende" Ausdrücke, in ihrem Profilierungsdrang jedoch auch Übersteigertes und Entlegenes. Im Gegensatz zu den Älteren nehmen sie die gestellte Aufgabe nicht allzu ernst. Die hinsichtlich der Struktur der Moderationssprache „treffsichersten" Probanden sind die jüngeren Erwachsenen, bei denen weder Profilierungssucht noch krampfhafte Anstrengungen zu untypischen Ausdrücken führen. Sie treffen im großen und ganzen die Stilebene der „lockeren" Musikmoderation, haben recht genaue

Vorstellungen

vom „Jugendmoderationsstil". Diese müssen keineswegs unbewußt sein, wie ein Braunschweiger Student unterstellt, wenn er meint, es gelte herauszufinden, inwieweit „Stereotype bei ständigem Radiokonsum internalisiert werden". Die Zusatzfrage nach den Elementen des Moderationsstils versucht das Bewußtsein von Mediensprache genauer zu erfassen. Während die Älteren die ihrer Meinung nach hektische, gesetzte

anbiedernde,

auf-

Moderation kritisieren, legen die Jugendlichen und die jün-

geren Erwachsenen Wert darauf, daß die Moderation locker zig ist, gute Sprüche

und wit-

vorkommen:

Der Moderationsstil soll witzig-spritzig sein, keine kalten Witze und so. Der Moderator soll nicht in die Songs reinquatschen. (Stuttgarter Abiturientin)

Relevanz des Themas aus der Sicht der „Betroffenen"

253

Zwischen Umgangssprache und Moderationsstil in Rundfunksendungen für Jugendliche stellt ein älterer Erwachsener (über 47J, Gruppe Süd) eine Diskrepanz fest: Sprache ist nicht Umgangssprache. deutung gebraucht.

Worte werden oftmals in nicht üblicher Be-

Seine Bemerkung zum Lückentext: Schwer, wenn der Wortschatz dazu fehlt', ist insofern zu relativieren, als bei überraschend vielen Erwachsenen „der Wortschatz" durchaus vorhanden ist, die „mediengemäße" Verwendung jedoch in vielen Fällen nicht bekannt zu sein scheint. Die Jugendlichen treffen den Moderationsstil nicht immer, weil sie in den Übersteigerungen die Grenzen der Medienkommunikation (vgl. 8.4 f.) nicht berücksichtigen.

7.4.

Relevanz des Themas aus der Sicht der „Betroffenen"

Wie bewußt Sprache in Rundfunksendungen eingesetzt (Kommunikatorperspektive) bzw. aufgenommen (Rezipientenperspektive) wird, hängt auch davon ab, welche Bedeutung die beteiligten Kommunikationspartner der Moderationssprache zumessen. In verschiedenen Zusammenhängen war schon betont worden, daß den jugendlichen Hörern im allgemeinen die Musik am wichtigsten ist. Für die Einschätzung von Wortbeiträgen sind die Themen entscheidend; nach den Äußerungen in Fragebögen und Gesprächen zu urteilen, ist es den meisten jedoch nicht völlig egal, mit welcher Sprache die Inhalte vermittelt werden. Die Kommunikatoren setzen ihre Konzepte ζ. T. bei den Erwartungen der Zielgruppe an, verfolgen darüber hinaus ihrem journalistischen Selbstverständnis und gegebenenfalls dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprechende Kommunikationsziele. Dabei geht es primär um Inhalte; zur Themenaufbereitung wird Sprache als Transportmittel weitgehend selbstverständlich vorausgesetzt und eingesetzt. Die Reflexionen der von mir befragten Redakteure zeigen deutlich, daß Sprache selten bewußt zum Thema gemacht wird, aber

254

Einschätzung der Mediensprache

durchaus praktische sprachliche Probleme, ζ. B. die Verwendung bestimmter Ausdrücke, diskutiert werden. Mit einer wissenschaftlichen Arbeit über Moderationsstil meinen die Redakteure kaum etwas anfangen zu können. Einige äußern ihre ablehnende Haltung sehr drastisch, andere betonen, eine solche Untersuchung bringe nichts „für ihren Job". Die Jugendlichen geben im Fragebogen eine Themeneinschätzung ab, indem sie in der Schlußfrage (F20) 55 das Interesse bzw. Desinteresse an einer weiteren — dann mündlichen — Beschäftigung mit den angesprochenen Themen äußern: Interesse an einer weiteren Beschäftigung

mit dem

ja (insgesamt)

438

79%

ja, im Unterricht

302

(54%)

ja, privat

195

(35%)

sonstiges

97 9

17% 2%

keine Angabe

11

2%

nein

Thema:

Die überwiegend positive Einstellung hängt vermutlich auch mit der Befragungssituation 56 zusammen: So läßt insbesondere der Wunsch, im Unterricht über die privaten Themen „Musik und Rundfunk" zu sprechen, vermuten, daß sich einige davon eine weitere „lockere" Stunde erhoffen. Die offene Rubrik „Bemerkungen" nutzen viele zur Thematisierung des Fragebogens. Einzelne Fragen werden als schwierig oder unsinnig kritisiert; positiv wird hervorgehoben, daß Meinungen Jugendlicher gefragt waren. Mehrfach wird der Wunsch geäußert, die Ergebnisse an die Befragten und an die zuständigen Leute in den Rundfunkanstalten weiterzugeben. Unter „Bemerkungen" werden ferner allgemeine Beifalls- und Mißfallensäußerungen zum Thema und zum Fragebogen abgegeben. Hier eine Auswahl: 55 Frage mit geschlossenen Antwortkategorien, vgl. Anhang, S. 352. 56 Für das Ausfüllen des Fragebogens fiel jeweils eine reguläre Unterrichtsstunde aus.

Relevanz des Themas aus der Sicht der „Betroffenen"

255

saugute Idee (w, 15J, Gym, ΜΑ, FB-Nr. 1010) Eigentlich nicht schlecht; da Latein ausgefallen ist, super, (m, 15J, Gym, BS, FB-Nr. 71) kein wichtiges Thema (w, 16J, Gym, MA, FB-Nr. 1040). Geradezu motivierend ist die Beurteilung durch einen 16jährigen Gymnasiasten, der sich über den Dingen stehend gibt: Sehr gut, weil auch eine Doktorarbeit (FB-Nr. 75, BS).

praxisnah sein sollte, was nicht alle sind

8. Varietätenanalyse — Stile in der Mediensprache

Mediensprache schöpft aus verschiedenen Varietäten und Funktionalstilen, wobei die Auswahl und die Kombination „geeigneter" Elemente von den Faktoren der Medienkommunikation abhängen. Ausgehend von einem Varietätenmodell (vgl. 4.1), sollen nun in Ergänzung der Kapitel 5 und 6 Stile und Varietäten der Mediensprache erfaßt werden. Bei einem sehr weiten Stilbegriff, der in Auseinandersetzung mit funktionalstilistischen Ansätzen 1 und linguistischen Stiltheorien 2 entstanden ist, bildet die funktionale Komponente (Kap. 6) einen wichtigen Teilbereich. Einbezogen werden weiter Textmerkmale, deren Auffälligkeit die Aufmerksamkeit der Rezipienten hervorruft und die damit auch in geringer Frequenz zum Spezifischen der Medientexte beitragen. Um allgemeine Aussagen zu erhalten, werden die den Einzelbeispielen zugrundeliegenden Prinzipien herausgearbeitet und Teile des Wortschatzes den — zu problematisierenden — „Stilebenen" zugeordnet.

8.1.

Regionale Umgangssprache

Da der Begriff „Umgangssprache" vorwissenschaftlich, aber durch keinen geeigneten linguistischen Terminus ersetzbar ist, muß geklärt werden, wie er im folgenden zu verstehen ist, nämlich als Varietät, deren charakteristische Sprachverwendungsart ebenfalls Umgangs1

Vgl. verschiedene Aufsätze sowjetischer und tschechischer Linguisten sowie deren Rezeption und Weiterentwicklung.

2

Ζ . B. Sanders: Linguistische Stilistik 1 9 7 7 .

Regionale Umgangssprache

257

spräche genannt wird. 3 Diese ist gekennzeichnet durch Mündlichkeit 4 und Elemente der Alltagssprache5 (Funktionalstil des alltäglichen Verkehrs). Da in der konkreten Realisierung soziale und regionale Differenzen festzustellen sind, ist es sinnvoll, von Umgangssprache« zu sprechen, die als „Diasysteme" mit regionaler kommunikativer Reichweite anzusehen sind. 6 Unter dem Aspekt der Regionalität sind Umgangssprachen zwischen Mundarten und Standardsprache anzusiedeln. Trotz der Vielfalt von Umgangssprachen gibt es typische Tendenzen: Neben sprechsprachlichen Merkmalen (ζ. B. syntaktischen „Freiheiten") trägt ein spezifischer Wortschatz zum umgangssprachlichen Stil bei. Bestimmte Ausdrücke sind „im alltäglichen, besonders im familiär-vertraulichen, mündlichen Verkehr der Menschen untereinander" oder in Briefen üblich, 7 ihr „Stilwert" umgangssprachlich liegt zwischen normalsprachlich („Stilneutralität") und salopp.8 In 8.1.2 werden Ausdrücke aus Rundfunktexten aufgegriffen, die im Wörterbuch unterhalb der neutralen Stilschicht angesiedelt werden und zum überwiegenden Teil umgangssprachlich, einige auch salopp, derb oder vulgär markiert sind. Unter regionalen Aspekten werden norddeutsche und südwestdeutsche Rundfunksendungen im Vergleich betrachtet. Ein Abschnitt über die Varietät Dialekt ist für die hier untersuchten Sendungen nicht erforderlich. Die Verwendung dieser Sprachform ist im deutschen Rundfunk — anders als in der Schweiz 9 — wenigen „O-Ton"Einspielungen sowie dem Heimatfunk, Dialekt-Hörspielen und

3 4

5 6 7 8 9

Vgl. Bichel: Umgangssprache, in: LGL 2 1980, S. 380. Bichel schließt das Kriterium „in Wechselgesprächen" an, vgl. LGL 2 1980, S. 380. Steger lehnt die Einschränkung auf gesprochene Sprache ab, vgl. Steger: Bemerkungen zum Problem der Umgangssprache. In: Besch et al. (Hrsg.): Festschrift Grosse 1984, S. 2 5 1 - 2 7 8 . Vgl. Löffler: Germanistische Soziolinguistik 1985, S. 107 ff. Vgl. Steger: Bemerkungen zum Problem der Umgangssprache. In: Besch, et al. (Hrsg.) 1984, S. 251. Duden Deutsches Universalwörterbuch 1983, S. 16. Vgl. Duden Universalwörterbuch, S. 16. Magazinsendungen werden überwiegend in Mundart moderiert.

258

Varietätenanalyse -

Stile in der Mediensprache

-Sketchen vorbehalten. 10 Die Umgangssprache erhält regionale Färbungen durch lexikalische Besonderheiten, spezifische Partikeln und vor allem durch phonologische Eigenheiten. 8.1.1. Sprechsprachliches Wenn zur Kennzeichnung von Elementen der gesprochenen Sprache Normen der geschriebenen Standardsprache zugrundegelegt werden, dann nur aus methodischen Gründen, um die spezifisch sprechsprachlichen Merkmale herauszuarbeiten. Gesprochene Sprache ist keineswegs defizitär. Der auditiven Vermittlung entsprechend, ist „Sprechsprache" der Rundfunkkommunikation adäquat. In Auseinandersetzung mit traditionellen Erwartungshaltungen an die Mediensprache (vgl. 4.3) werden im folgenden Beispiele aufgegriffen, die den standardsprachlichen Normen nicht genügen und/oder die mit auffallend hoher Frequenz auftreten. Phonologisch-morphologisch — Lautkürzung, -Schwächung und -Verschmelzung: Lautkürzungen kommen in allen untersuchten Rundfunktexten sehr häufig vor, insbesondere bei: nick, is, ne, η (bißchen), grade. Besonders bei Verben sind Kontraktionen mit Lautkürzungen verbunden: machts gut; Assimilationen sind dabei in der Moderation selten zu beobachten, allenfalls in der Wendung wir hab-n [ha:m]; sprechsprachliche Lautschwächungen findet man nur selten. Die Kommunikationssituation setzt der umgangssprachlichen Nachlässigkeit in der Aussprache Grenzen, denn nur eine einigermaßen „deutliche" Aussprache — angesichts der in der heutigen Rundfunktechnik verfügbaren Mittel wird keine ausgebildete Stimme mehr vorausgesetzt — sichert das Verstehen bei rein auditiver Vermittlung ohne Rückfragemöglichkeit. Verstehenserschwerend wirken in artikulatorischer Hinsicht die hohe Sprechgeschwindigkeit und geringe prosodische Variationsbreite. 10 Straßner: Dialektaler Sprachgebrauch in den Massenmedien und in der Werbung. In: Besch et al. (Hrsg.): Dialektologie, S. 1519.

Regionale Umgangssprache

259

— Nicht-lexikalische Artikulation: Vor allem kommentierend eingesetzt werden nicht-lexikalische Artikulationen, deren Bedeutung konventionell festgelegt ist: PFEIFEN (anerkennend), C, LACHEN C, HL, SEUFZEN HL äh (verzögernd), hmm = (zustimmend; nachdenklich) (alle)

Morphologisch — Kasus: Die „zeitungssprachliche" Tendenz zur Nominalisierung und Häufung von Genitivattributen läßt sich anhand der Rundfunktexte nicht bestätigen; relativ häufig sind jedoch präpositionale Konstruktionen, insbesondere mit von gebildet. — Tempus: Die Tempusformen werden differenziert gebraucht. In der Moderation findet man überwiegend Präsens, dem Kommunikationsgegenstand „laufendes Programm" durchaus adäquat. Abmoderationen stehen im Imperfekt oder auch im Präsens, vor allem, wenn die Musik im Hintergrund weiterläuft. Vorausweisendes, ζ. B. Programmankündigung, wird meist mit Präsens und entsprechenden Zeitangaben ausgedrückt, selten mit Futur. Als Vergangenheitsform wird das schriftorientierte Imperfekt bevorzugt verwendet. Syntaktisch — Elliptische Sätze: Ellipsen sind die auffälligsten syntaktischen Merkmale der Rundfunkmoderationen: Verben zur Erläuterung des Sendungsablaufs werden ausgelassen, vor allem bei Sender- und Sendungskennungen, Zeitansagen und Musikmoderationen, bei denen der Kontext „laufende Rundfunksendung" und das jeweils vorangegangene oder folgende Musikstück die Verbalphrase „ersetzt". Die Popshop-Sendungen weisen besonders viele „unvollständige" Sätze auf. Bruce Springsteen „I'm On Fire", davor die Doors von CD „Waiting For The Sun", und Einstieg in die zweite Popshop-Stunde mit Peter Gabriel „Sledge Hammer", seine neue Single. 20 Uhr= 17 Minuten. PS

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Varietätenanalyse -

Stile in der Mediensprache

Auch Nominalphrasen bzw. Pronomen werden ζ. T. ausgespart, wiederum vor allem in der syntaktisch knappen Popshop-Moderation: Eine neue (LP) hab-n wir = kommt von Crocus, heißt „Change Of Adress" PS

Elliptische Kommentarformeln sind als „vollständig" anzusehen: is logo PS, ja klar C, Wahnsinn! WK

— Unterbrechung der Satzkonstruktion: Sehr viel seltener als in nicht-medialen Gesprächen werden begonnene Konstruktionen abgebrochen. Wenn dies geschieht, dann meist zur Selbstkorrektur und Präzisierung einzelner Ausdrücke. Und ich hab/ ich halts eigentlich immer [...] mit dieser Musik hier— C

Zahlreiche Anakoluthe ohne Neuansatz finden sich lediglich — situationsadäquat — bei der Schilderung des Fallschirmsprunges (C) durch den Moderator, der am Fallschirm hängt: 1 1 aber das ging eben/ es war wie ein Alptraum, es knallte in den Ohr-η, es kl ich ich/ ich bin immer noch sprachlos. C

Satzabbrüche, die in Face-to-Face-Situationen unproblematisch sind, beeinträchtigen die Verständlichkeit der Rundfunktexte und rufen zudem den Eindruck von Unsicherheit hervor, der beim Fallschirmabsprung allerdings angemessen und wirkungsvoll ist. Unterbrochen wird die Satzkonstruktion in einigen C/«£>-Sendungen durch Parenthesen, beispielsweise, wenn der Moderator seine Anmerkung als persönliche „Erklärung" kennzeichnet. Nach dem Einschub wird die Konstruktion meist fortgesetzt, indem ein Element aus dem ersten Teil des Satzes wieder aufgenommen wird. Dies ist Samantha Fox, und das muß ich kurz erklären, das is eine Dame mit herausragenden Qualitäten. C

— Stellung der Satzglieder: Lange Satz-Mittelfelder zwischen der Verbklammer werden vermieden; im Sinne der Verständlichkeit sind gelegentliche Umstellungen von Satzgliedern der Kommunikationssituation angemessen. 11 Diese selbstverständlich freie Schilderung vermittelt durch die Satzabbrüche den Eindruck, die Ereignisse überschlügen sich.

Regionale Umgangssprache

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Prolepse/NP-d-Satz-Abfolge 12 : Ein Nominalglied wird vorangestellt und damit herausgehoben, für den Anschluß wird die Nominalphrase mit „ d . . " (der, die, das, da) aufgenommen: Der Boris, der spielt ja Tennis morgen = gegen [...] WK

Nachtrag: Ein im Hauptteil des Satzes angelegtes Satzglied ist nachgestellt, gewissermaßen als Umkehrung der Prolepse: 1985 is sie rausgekomm-n

diese Scheibe von Billy Joel. PS

Ausklammerung: Außerhalb der Verbklammer befindet sich mindestens ein Satzteil, der dadurch besonders hervorgehoben wird: Ich hab die Platte rausgezogen mit dem spoken Intro, HL

Eine weitere häufiger beobachtete Abweichung von der SatzgliedNormalstellung ist die Kopfstellung des Verbes im Hauptsatz: Oh, gefällt mir gut = die Neue von Channel Five [...] C

Satz-/Textebene — Verhältnis mehrerer Sätze zueinander: Parataxe/Hypotaxe: Tendenzen zu parataktischen Fügungen, sogar bei deutlich aufeinander zu beziehenden Aussagen, sind in einigen Sendungen (besonders im Popshop) zu beobachten. An die Stelle hypotaktischer Satzverbindungen treten häufig Parataxen mit deiktischen Elementen (Pronomen, NP-d-Satz-Abfolgen). (MUSIK STOPPT; PLATTE HAT EINEN SPRUNG) Er will nich mehr: das Ding is schon η bißchen älter, es klemmt. PS

Nebensätze erster Ordnung sind relativ zahlreich, höherer Ordnungen jedoch Ausnahmefälle. Bevorzugt werden Infinitiv- und Relativsätze sowie konsekutive und kausale Konjunktionalsätze. Syndetischer/asyndetischer Anschluß: Bei den Satzanschlüssen läßt sich kaum eine Tendenz zu syndetischen oder asyndetischen Lösungen ausmachen. Nebensätze werden bevorzugt mit den Konjunktionen daß, als, wenn oder mit Relativpronomen eingeleitet. Als synde12 Vgl. Wichter: Die Abfolge aus Nominalphrase und Satz als Einheit im gesprochenen Deutsch. In: ZGL 8/1980, S. 3 4 - 5 1 .

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Varietätenanalyse -

Stile in der Mediensprache

tische Hauptsatzanschlüsse treten vor allem die Konjunktionen und, aber, denn auf. Einige Belege gibt es für das hauptsatzeinleitende weil, das wegen des Normverstoßes auffällt: [...] weil die kann nämlich viel toller sing-n als du C

Wesentliche Merkmale des asyndetischen Satzanschlusses in den Moderationstexten sind pronominale Referenzen auf Teile des ersten Hauptsatzes, Gliederungspartikeln (ja, so, okay) und durch semantische Relationen motivierte Aneinanderreihungen. — Themeneinführung: Rhema-Thema-Folge: Bei Kommentierungen wird das „Werturteil" gern vorangestellt, was ζ. T. mit syntaktischen Nachträgen oder Ausklammerungen einhergeht. MUSIK Is doch nett, so was zu sagen „Ich liebe dich zu sehr", Steve Earl and The Dukes, „I love You Too Much", PS

Die Vorwegnahme der Aussage über ein noch nicht explizit eingeführtes Thema erzeugt Spannung, was zu Lasten rascher Erfaßbarkeit gehen kann. Da Kommentierungen jedoch zum größten Teil auf die Musik bezogen sind, „sichert" der Kontext die Referenzen. „Medias in res": Im Popshop (im Club z.T.) findet man An- und Abmoderationen im elliptisch geprägten „Schlagzeilenstil": Im Springer-Konzern

= Kampf um die Macht. Der Filmhändler

Kommunikativ-pragmatisch

[...] PS

(vgl. 6.4 Dialogisches)

Typisch umgangssprachliche Merkmale des Dialogischen in der Moderation sind Grüße {Tschüs), Höreranreden (So, Leute) und Gesprächselemente, ζ. B. Partikeln {ja,...; so,...; ...,ne; ...,okay). Diese Mittel haben phatische Funktionen, können jedoch das Ziel „Aufrechterhaltung der Kommunikation" in der massenmedialen Kommunikationssituation wegen fehlender Rückmeldungsmöglichkeiten nur unzureichend erfüllen. Auch über den einzelnen Kommunikationsakt 13 hinaus wird eine Hörerbindung auf informeller Basis angestrebt, „vermittelt" über Umgangssprache. 13 Begriffsbildung analog zu „Gesprächsakt".

Regionale Umgangssprache

263

8.1.2. Stilmarkierung „umgangssprachlich" Um einen Einblick in die Struktur des umgangssprachlichen Wortschatzes in den Medien zu geben, werden im folgenden nach systematischen Kategorien geordnete Beispiele vorgestellt und hinsichtlich ihrer „Stilwirkungen" eingeschätzt. — Substantive: Es werden zahlreiche Lexeme verwendet, die in Wörterbüchern als „umgangssprachlich" (ugs) oder „salopp" markiert sind, ζ. B.: 1 4 Typ: der Typ mit der Jeans C; unausstehliche Typen C DUW: ugs 'männliche Person, zu der man in einer irgendwie persönlich gearteten Beziehung steht oder eine solche herstellt' (?), hier: Junge', ,Mann' Zoff: In Peine gibt s nämlich Zoff. C ugs ,Streit, Zank' Knast: Alltag im Knast PS ugs ,Gefängnis'

Teilweise findet eine Verschiebung in der Konnotation statt, wenn einige Lexeme entgegen ihrer Markierung nicht „abwertend" gebraucht werden. Das deutlichste Beispiel dazu ist Schnulze: Schnulze C, DUW: ugs abw. ,künstlerisch wertloses, sentimentales, rührseliges, kitschiges Lied oder Musikstück'; in der Moderation meist neutral »langsames Musikstück' Wenn schon ne Schnulze, die beste. C

Ein Grundprinzip im Wortschatz der Rundfunksendungen für Jugendliche ist die Vorliebe für metaphorische Ausdrücke: Flimmerkiste sehgerät'

PS DUW: ugs (HWdG: salopp) scherzhaft, oft abwertend .Fern-

Schinken PS ugs scherzhaft oder abwertend ,großes Gemälde [von geringem künstlerischen Wert]' Knete: das wird η bißchen knapp mit der Knete WK salopp ,Geld' Kohle HL salopp ,Geld' Schrott: ein hoher Anteil an Schrott PS; DUW, HWdG (Metall; Auto), hier übertragen ,Unbrauchbares' Schweinerei

HL derb abwertend ,ärgerliche Sache'

14 Wörterbuchsiglen: DUW = Duden Deutsches Universalwörterbuch (Mannheim usw.) 1983; HWdG = Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (Berlin-Ost) 1984; WB = Wörterbücher; keine genauere Angabe: DUW.

264

Varietätenanalyse -

Stile in der Mediensprache

Die Substantive zeigen u. a. folgende Wortbildungsprinzipien: Kurzformen: Juze PS Jugendzentrum', WB: — Champus:

ne Flasche Champus C ,Champagner', WB: —

Pott: direkt aus m Pott PS „Ruhrpott" ,Ruhrgebiet', WB: -

Suffigierung: Mamrni und Pappi C, DUW: Koseform mit Musike, da is Musike drin WK, WB: —

Derivation: Muntermacher

C ugs scherzhaft,etwas, was anregt'

Komposita mit einem umgangssprachlichen Element: Puffbezirk C Puff salopp abw. ,Bordell' Ad-Hoc-Bildungen: Rockopa

PS, Opa ugs ,älterer Mann'

Affixoidbildungen (vgl. auch Verstärkungen in 8.3.1): positiv verstärkend: Riesen-: Riesenhit HL, C, Riesenkonzert Riesenpartie C

ERS, Riesentitel PS, Riesenbottich

C,

negativ intensivierend: Scheiß-: Scheißplattenspieler wertend

HL; Komposita mit Scheiß- DUW: salopp ab-

Sau-: Sauklaue WK, Sauarbeit WK, Sauladen: Das ist ein Sauladen hier= bleibt mein Tee, James? C derb abwertend ,schlecht geführtes Geschäft'

Wo

Das umgangssprachliche Affixoid Scheiß- mit negativer Konnotation kommt in Rundfunktexten sehr selten vor, das aufgeführte Beispiel ist „versehentlich" halblaut über den Sender gekommen. 15 Im Adjektiv scheißegal (HL, salopp) ist das Affixoid mehr verstärkend als abwertend. Dennoch gibt es auch hierfür nur einen Beleg und eine b e i nahe-Verwendung", als in einer C/wb-Sendung mitten im Wort abgebrochen und zur regionalen Form schitegal korrigiert wird. Im Ver15 Das Mikrofon war während der Musik noch „offen".

265

Regionale Umgangssprache

gleich zu Scheiß- ist beim Affixoid Sau- die derb abwertende Wörterbuchmarkierung für den hier vorliegenden Verwendungszusammenhang zu negativ. Das Sauladen-Beispiel meint ,Wo bleibt der Service?', angeknüpft an einen Beitrag über eine Butler-Schule. Generell werden salopp/derb abwertende Ausdrücke meist scherzhaft verwendet, womit sich die negative Konnotation abschwächt. Ähnliches widerfährt umgangssprachlichen Ausdrücken in der Jugendsprache. Umdeutungen und Neuschöpfungen umgangssprachlicher Lexeme treten vor allem bei emotional gefärbten Kommentaren auf: Krampen: Wieso hat er „Stay" gemacht? ,Spitzhacke'; hier jedoch als Schimpfwort

Krampen!

H L DUW: = Krampe

Knutten: herrlich, find ich immer gut, diese alten Knutten H L DUW: —; bezogen auf ein neu aufgenommenes Musikstück

— Adjektive und Adverbien: Auch hier findet man umgangssprachliche Ausdrücke, ζ. B.: fix PS ugs ,schnell, flink' sauer C salopp ,verärgert, wütend'

Vor allem zur Wertung von Musik werden Adjektive und Adverbien mit positiver Konnotation eingesetzt, die meist zusätzlich „verstärkt" werden (ζ. B. mit wirklich oder absolut, vgl. 8.3.1). Die Leitform in den Rundfunksendungen ist toll: toll HL, C, W K ; DUW: 3. .doli' doli ugs. .großartig, prachtvoll'; HWdG: zusätzlich ,außergewöhnlich, erstaunlich'

Ferner werden verwendet: spitze C ugs, klasse H L ugs, prima Poi ugs Affixoidbildungen, ζ. B. brandheiß: brandheiße Tips C ugs ,höchst aktuell' supergut: Is das supergut PS (weitere vgl. 8.3.1)

Der abwertende Adjektiv-Kanon ist ähnlich strukturiert, jedoch seltener angewendet und ohne deutliche Leitform: blöd: das ist mir zu blöd C ugs ,dumm, töricht' lumpig: lumpige 10 Dollar C ugs abw. ,gering, nichts wert' schlapp: schlappe 11 Millionen Mark PS, hier ,gering'

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Varietätenanalyse - Stile in der Mediensprache

Affixoidbildungen zur Verstärkung, z.B.: schweinekalt kalt'

C D U W : —; ,sehr

Emotional geprägte Situationen rufen Neubildungen hervor wie folgende „Mischung" von zwei umgangssprachlichen Adjektiven: gräuslich PS; DUW: grauslich ugs ,abscheulich, gräßlich', greulich ugs ,in unerträglicher Weise, sehr'

Ferner gibt es Beispiele, die aufgrund ihrer lexikalischen Basis verständlich, jedoch in dieser Variante nicht lexikalisiert sind: knickig: ein Card Radio, nur eins heut, weil mein Chef is knickig ERS; DUW: knickrig

ugs abwertend ,knauserig'

— Verben und Partizipien: Der verbal geprägte umgangssprachliche Wortschatz zeigt ein breites Spektrum von polysemen „Allerweltswörtern" wie kommen

,stammen von, gespielt werden von' PS

kriegen PS, HL, C: Informationen kriegen ugs ,bekommen'

über umgangssprachliche Lexeme aus verschiedenen Bereichen mampfen

W K salopp ,behaglich [mit vollen Backen] essen'

pennen: er pennt noch C ugs ,schlafen', hier übertragen verwendet: ich hab ge-

pennt hier HL ,nicht aufgepaßt'

frusten: seid bitte nicht gefrustet C ugs ,frustrieren'

bis hin zu extremen Ausdrücken wie saufen: Sauft nicht so viel! C derb ,trinken',,Alkohol trinken',

was in dieser Wendung wohl eher „locker" als „derb" wirken soll, zumal der Ausdruck jugendsprachlich neutraler aufgefaßt wird als vom Standpunkt der Standardsprache aus. Bei den umgangssprachlichen Verben (und Phraseologismen) sind zwei Prinzipien besonders ausgeprägt: Metaphorik und Dynamik, zum Teil kombiniert. Der Aspekt „Metaphorik" tritt deutlich hervor: abgetakelt: abgetakelte genommen, ausgedient'

Retortenband

PS salopp abwertend ,vom Leben mit-

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Regionale Umgangssprache

abstauben WK salopp ,sich etwas auf nicht ganz korrekte Weise aneignen', hier: ,einen Gewinn erhalten' absahnen HL ugs (Bedeutung wie abstauben), verkalken:

hier: ,gutes Geschäft machen'

langsam verkalk ich H L ugs ,geistig unbeweglich werden'

eiern: eiert η bißchen die Platte C salopp .ungleichmäßig rotieren' „ D y n a m i k " drücken die folgenden Bewegungsverben aus, die z u m Teil in übertragener Bedeutung verwendet werden: hinhauen: sonst haut das nich mehr hin mit den nächsten drei H L salopp ,gutgehen, gelingen' es geht rund WK, C, DUW: ugs ,es gibt viel Arbeit, (...)'; hier: ,es folgt schnelle, aufmunternde Musik' ausflippen

WK ugs ,vor Freude, Begeisterung o. ä. ganz außer sich sein'

jagen: ein Wunsch titel jagt den nächsten WK sich etwas schnappen:

ich schnapp mir mal das Telefon C

D u r c h Präfigierung werden Bewegungen „beschleunigt": ab-: abfeuern: den ersten (Musiktitel) abfeuern WK, ablachen WK, WK, abzocken: tierisch abzocken C los-: losgehen, los geht's C, PS, HL, losmachen

abträumen

C

Das Prinzip der Verbkomposition mit Partikeln, meist Präpositionen oder Lokaladverbien, ist insgesamt sehr ausgeprägt. Die folgende A u s w a h l von Verben zeigt, d a ß die Bildung mit umgangssprachlich verkürzten Partikeln vor allem die Differenzierung zwischen hinher-

aufhebt.

und

16

dar- wird zu dr- verkürzt: dranbleiben

C; drinlassen

heraus zu raus: rausbringen C, rauskommen PS, C hinaus zu raus: rausschmeißen C, sich rausschummeln

HL C

herein zu rein: reinkommen C hinein zu rein: rein dürfen C, reingehen C hinüber zu rüber: rüberfliegen herum zu mm: rumwühlen

C

C

hinunter zu runter: runterfallen, runterfliegen, (C, vor dem Fallschirmsprung „von oben")

runterspringen,

runtergucken

16 In der Duden-Grammatik wird dies der norddeutschen Umgangssprache zugeordnet. "1984, S. 347.

268

Varietätenanalyse - Stile in der Mediensprache

— Verbale Phraseologismen: Einige feste metaphorische Wendungen in den Rundfunksendungen drücken ebenfalls „Dynamik" aus: die Sau rauslassen PS (Einspielung) viel Fahrt haben PS aufs Tempo drücken WK

Andere „beschreiben" Extrempositionen und -Situationen, mit denen den Aussagen Nachdruck verliehen wird: ich brech zusammen ERS; DUW: zusammenbrechen,einen

Schwächeanfall er-

leiden', hier übertragen sich schwarz ärgern: ärgert euch schwarz! C

Eine relativ große Zahl der verwendeten verbalen Phraseologismen ist lexikalisiert, so daß die Bildhaftigkeit zurücktritt. Diese Ausdrücke sind meist als Ganzes im Wörterbuch verzeichnet: es klingelt bei jmdm. PS ugs ,jmd. begreift, bekommt endlich einen Einfall' sich am Kiemen reißen HL ugs ,sich zusammennehmen und sehr anstrengen, um [wenigstens] etwas noch zu erreichen' in der Bredoullie sein C, DUW: als Beispiel aufgeführt zu Bredoullie ugs .Verlegenheit' unter einer Decke stecken C ugs ,mit jmdm. gemeinsame Sache machen' vom Stengel fallen WK Ü ugs ,umfallen' Luft ablassen C; DUW: die Luft rauslassen ugs ,sich in seiner Erregung mäßigen' in sein PS ugs ,im Brennpunkt des Interesses stehen', ,in Mode sein' out sein PS ugs ,nicht mehr gefragt sein'

Zwar nicht im Wörterbuch verzeichnet, aber durch häufigen Gebrauch in gewisser Weise konventionalisiert, sind die folgenden nicht-metaphorischen festen Prägungen: keine Ahnung haben PS sich tapfer halten HL; sich wacker halten WK sich nicht unterkriegen lassen WK nicht genug kriegen können C es ist etwas los: Was ist denn bei euch los? C, da war wirklich ne Menge los C

Regionale Umgangssprache

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— Nominale Phraseologismen: Seltener als die Verbalkonstruktionen sind nominale Phraseologismen, ζ. B. folgende bildhaften Wendungen: volles Rohr ugs ,äußerste Kraft, höchste Leistung, Geschwindigkeit' volles Rohr auf der A8 [...] bis zum nächsten Stau HL volles Rohr auf die Ohren HL die Karawane is volles Rohr unterwegs PS der helle Wahnsinn C unter der Fuchtel C, DUW: Fuchtel ugs ,strenge Zucht, Herrschaft'

— Satzwertige Phraseologismen: Die Hauptfunktionsbereiche relativ fester Prägungen, die strukturell als „Sätze" fungieren, sind Kommentierung und Bekräftigung. „Kommentarformeln": Da lacht das Herz. PS Das zieht einem schon die Schuhe aus. C Das darf nicht wahr sein. HL

„Weisheiten": Man wird alt. C Es wird noch schlimm enden. HL

„Bekräftigungsformeln": ob ihr's glaubt oder nicht HL man höre und staune C

Ferner werden gelegentlich feste Formeln aus verschiedenen Bereichen übernommen und meist auf Musik angewendet: made in Germany PS „Aufdruck auf Waren"

Zum Schluß sei an einem Beispiel eine strukturell übergreifende Tendenz dargestellt: Die umgangssprachliche Wortfamilie „schmusen" (.schmusen PS ugs ,mit jedem zärtlich sein') wird sowohl in norddeutschen als auch in südwestdeutschen Sendungen durch Komposition und Derivation erweitert. Komposition: lexikalisiert: Schmusekatze C familiär ,weibliche Person, bes. kleineres Mädchen, die gerne schmust'

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Varietätenanalyse — Stile in der Mediensprache

ad hoc gebildet nach produktiven Mustern: Schmusetime warmschmusen WK

WK

Derivation, hier: Adjektivbildung auf-ig: schmusig (WB: —) schöne schmusige

Ballade W K , schmusige

Lieder PS

Als erstes Fazit zur Struktur des Wortschatzes in Rundfunksendungen für Jugendliche ist festzustellen: Umgangssprachliche Wörter und Wendungen fallen in diesen Sendungen kaum auf, da sie zum „normalen" Moderationston gehören, was in „allgemeinen" Sendungen weniger deutlich wird. 8.1.3. Regionale Färbung Nord-Süd-Unterschiede zeigen sich vor allem in phonologischer Hinsicht, wobei die Abweichungen von der (gemäßigten) Hochlautung überraschenderweise bei den norddeutschen Moderatoren viel stärker sind als bei den Südwestfunk-Moderatoren. Während SWF3 gemäß seinem Anspruch als überregionaler Sender kaum regionale Aussprachefärbungen in der Moderation zuläßt, diese allenfalls in Sketchen oder Glossen auftreten, ist es beim NDR erwünscht, norddeutsch, oder besser: „nicht süddeutsch" 17 , zu klingen. Phonologisch zeigen sich regionale Aussprachebesonderheiten vor allem in unterschiedlichen Vokalqualitäten. Im Norden werden e und i geschlossener und a heller, im Süden „voller" ausgesprochen; e und ä werden im Süden deutlich, im Norden kaum unterschieden. Bezüglich der Konsonanten fällt die norddeutsche Verhärtung auf. Ferner wird das Auslaut-g nicht nur in der Verbindung „ig" [x] gesprochen, sondern in vielen Fällen auch nach anderen Vokalen, ζ. B. in Tag, weg. Der so „markierten" norddeutschen Lautung steht eine weitgehend unmarkierte in der südwestdeutschen Moderation gegenüber, wo nur selten Ausspracheabweichungen eine süddeutsche Färbung hervorrufen. Einigen SWF-Moderatoren bereitet die Einbindung englischer Elemente in die deutsche Moderation lautliche Probleme, die darauf zurückgeführt werden können, daß sie sich auf die Standard17 NDR-Redakteur Kujawa mündlich am 29. 4. 88.

Regionale Umgangssprache

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aussprache konzentrieren, beispielsweise das Anlaut-s vor Vokalen stimmhaft zu sprechen, was im Englischen nicht korrekt ist: Songs als [zonks]. Ein anderer süddeutscher Normverstoß liegt vor bei: Joe Jackson [Jo: Jseksan]. Insgesamt sind die Abweichungen von der gemäßigten Hochlautung bei fast allen Südwestfunk-Moderatoren gering, etwas stärker regional gefärbt erscheinen einige Moderationstexte im Südfunk (Stuttgart). Witzig inszenierte Sendeelemente wie Sketche enthalten stärker Regionalmerkmale (vgl. z. B. S. 407); so wirkt das Schwäbisch der SWF3-Figur „Herr Penibel" als auffälliges Stilmittel, sogar als „Erkennungszeichen", in der regional weitgehend neutralen Moderation. Den wichtigsten Faktor der Regionalität bilden jedoch O-TonEinspielungen, in denen beispielsweise Jugendliche zu Wort kommen (vgl. Hörergespräche S. 404 f.). Hier zeigt sich ein umgekehrtes Bild: Während die Nord-Einspielungen lautlich nur wenig von der Moderationssprache abweichen, sprechen die süddeutschen Jugendlichen stark dialektal gefärbt, zumindest in bezug auf die Lautung, z . T . auch in morphologischer und syntaktischer Hinsicht. Bei SWF3 erscheinen Moderatoren und Jugendliche damit in starkem Gegensatz, beim N D R dagegen auf derselben Ebene mit leichter regionaler Aussprachefärbung. Der Südwestfunk löst das Problem der Dialektvielfalt in seinem Sendegebiet durch weitgehende Vermeidung von Regionalität. 18 Im Norddeutschen Rundfunk liegt dagegen die Aussprachefärbung der Moderatoren wie die der meisten Hörer innerhalb des „norddeutschen Aussprachespielraums". Die Grundtendenz regionaler Färbung wird über die Lautung erzeugt, lexikalische Elemente mit landschaftlicher Markierung findet man nicht allzu häufig. Morphologisch sind im Süden gelegentlich Verkürzungen beim Präfix ge- zu verzeichnen, im Norden ist die umgangssprachliche Endsilbenabschwächung etwas stärker ausgeprägt. Die norddeutsche Anfangssilbenverkürzung, die zur Aufgabe der hin/»er-Differenzierung führt (vgl. 8.1.2), tritt jedoch auch in SWF-Sen18 Für weitgehend „medienungeeignet" hält SWF3-Moderator E. Hörig die süddeutschen Mundarten: Stell dir vor, es liest einer auf badiscb die Nachrichten vor, da brichst du doch zusammen (mündlich am 15. 5. 88).

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Varietätenanalyse -

Stile in der Mediensprache

düngen auf. Syntaktisch sind kaum regionale Merkmale auszumachen, zumal kein Dialekt gesprochen wird. Die Beobachtungen zu nord- bzw. südwestdeutschen Besonderheiten erscheinen insgesamt wenig systematisch: NORD: Lexikalisch/morphologisch: Gedöns: Rock'n'Roll-Gedöns

C landsch.,Getue'

verdaddeln: aber Volker, der Heinz, der hatte das Band verdaddelt C DUW: —;,verlegen, unauffindbar machen' Jungs C s-Plural norddt. nackend ausziehen C veraltet, noch landschaftl.,nackt' plinkern C norddt. ,durch rasche Bewegung der Lider für einen kurzen Moment die Augen schließen' nö:, is es nicht C DUW: — ,nein' Partikel: ne' C ugs ,nicht wahr' (auch bei „Süd" verwendet)

SÜD: Lexikalisch/morphologisch: bei uns bissl hinterher HL; müssen wir leider jetz η bissl raus HL; das is bissei mehr als ich hier verdiene HL Und jetzt muß ich leider drein = HL und nicht ganz so brutal jazzig Poi grauslich: die was so grauslich abgemischt PS DUW: —; vermutlich Kombination aus greulich und grauslich Partikel gell süddt.,nicht wahr' (nicht allzu häufig): Β. B. is besser, gell HL Einspielung: Point + echt geil, gell' Poi

Syntaktisch: Relativanschluß „landschaftlich salopp" (DUW): Können die nich mal η Lied machen, wo bomm anfängt und bomm aufhört = HL

wieder

Als auffällige Stilmittel erscheinen die beim NDR gelegentlich in die Moderation einbezogenen niederdeutschen Lexeme und Phraseologismen. Hier werden meist Elemente aus dem Plattdeutschen aufgegriffen, die in Norddeutschland weitgehend verstanden und dort häufiger in der Umgangssprache zu hören sind:

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Regionale Umgangssprache Na, denn man to, ne = C und dann geiht dat los! C Mitten mang zwischen die Augen = „Right Between The Eyes", C Top Foffteihn, C, Wi (Sendungsbezeichnung) Obwohl, das is alles scheißeg/ äh nschuldigung,

schi:tegal, C

Das letzte Beispiel stammt aus der Fallschirmabsprung-Übertragung, die — der Situation angemessen — emotional geprägt ist, was eine Häufung von „saloppen" Ausdrücken mit sich bringt. Als der M o derator zu scheißegal ansetzt, was offensichtlich außerhalb der stillschweigend vorausgesetzten Normen liegt, korrigiert er mit dem niederdeutschen Ausdruck schitegal, über dessen Regionalität eine Art Freiraum geschaffen wird. Während das Plattdeutsche durch die Verwandtschaft mit der norddeutschen Umgangssprache im Norden nicht allzu fremd wirkt, erscheinen norddeutsche Elemente im „Süd-Kontext" als regionale Übergriffe. Allerdings treten sie nicht sehr deutlich hervor, da die SWF-Moderation kaum regional geprägt ist. Eine norddeutsch-süddeutsche Verbindung liegt im folgenden Moderationsausschnitt aus der SWF3 Hitline vor: [...] Gell, ihr Mädels hinter der Scheibe? Die klönen sich einen zurecht, klönen norddt. ,gemütlich plaudern'

HL

Hier treffen das norddeutsch markierte klönen und die typisch süddeutsche Partikel gell aufeinander; beide regionale Formen müssen als Abweichungen von der Normallage der Moderation angesehen werden. Übernahmen regionaler Elemente aus fremden Gebieten sind in den Sendungen recht beliebt. Am besten scheinen sich die rheinischen Dialekte zur Imitation zu eignen, vermutlich, weil hier mit Formen wie dat und stimmhaftem Anlaut in Wörtern wie Köln relativ einfach eine Dialektwirkung erzeugt werden kann: Einspielung: Oh, wat ist dat langweilig! Man weiß gar nit, was man soll — C

machen

(imitiert rheinischen Dialekt:) Is er nit unser Boris? — Is er nit unser Lover? PS

Turbo-

also tschö-ö, mal et jut ERS

274

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

Einzelne Beispiele gibt es für Berliner Mundart-Imitation, die auch von lexikalischen Elementen getragen wird: Peggy Lee hat das 1958 o:cb noch mal gesung-n PS Die Stadtväter von Berlin werden dieses Lied eine Wucht in Tüten finden, ganz dufte denke ich C

Die „schweizerdeutsche" Aussprache von Schweiz imitiert der Moderator im folgenden Beispiel: Westcoast aus der Schwyz C

Aus der Situation heraus wird schwäbischer Dialekt im südwestdeutschen Sendegebiet imitiert, was sicher problematischer ist als die Fremddialekt-Imitationen oben, da parodistische Elemente abwertend wirken können: Katja W. in Stuttgart, in Stuagart siebzig = HL, Nicki in Stuttgart, hallo Nicki in Stuagart, bekommt Paul Simon [zaimon] und „Graceland" HL

8.2.

Fachsprachen

„Fachsprachen dienen in erster Linie der Kommunikation innerhalb von im weitesten Sinne technisch und wissenschaftlich orientierten Handlungs- und Arbeitssystemen."19 In solchen „Fachbereichen" ist „schnelle, möglichst ökonomische und eindeutige Informationsübertragung"20 erforderlich. Über den spezifischen Fachwortschatz hinaus ist eine Fachsprache dadurch geprägt, daß bestimmte morphologisch-syntaktische Strukturen bevorzugt werden, ζ. B. Tendenzen zur Substantivierung und die Häufung von präpositionalen Fügungen und Funktionsverbgefügen, Passivgebrauch, unpersönliche Pronomen. Textstrukturell zeichnen sich fachsprachliche Texte durch hohe Kohärenz aus. Diesen Definitionskriterien genügen die hier untersuchten Rundfunktexte nicht. 19 v. Hahn: Fachsprachen, in: LGL 2 1980, S. 390. 20 v. Hahn: Fachsprachen, in: LGL 2 1980, S. 390.

Fachsprachen

275

Fachsprachen sind jedoch auch vertikal geschichtet: Neben die vorwiegend schriftlich verwendete Theoriesprache (Wissenschaftssprache) treten fachliche Umgangssprache und Verteilersprache mit den Zwischenformen Unterrichtssprache und Lehrbuchsprache. 21 Fachjargon ist eine Form der fachlichen Umgangssprache, die „persönlichen und räumlichen Sprechkontakt, zeitliche Kontingenz und damit einen gemeinsamen situativen Kontext" voraussetzt. 22 Der Fachjargon gewährleistet nicht nur sachliche Eindeutigkeit und Sprachökonomie, sondern kann auch gruppenstabilisierende Effekte haben und der beruflichen Identifikation dienen. 23 Im Freizeitbereich treten Mischformen mit sozialgebundenen Gruppensprachen auf. 24 Die Verteilersprache dient der „populären Umsetzung" von Methoden und Ergebnissen, wobei keine Vorkenntnisse vorausgesetzt werden, sondern Unkenntnis, aber Interesse der Adressaten angenommen wird. 25 Über die Verteilersprache dringen fachsprachliche Elemente in die „Gemeinsprache" (d. h. hier: Nicht-Fachsprache) ein. Den Medien wird in diesem Prozeß die Rolle des heute wichtigsten Transportmittels zugeschrieben. 26 In den Texten des hier bearbeiteten Korpus sind Verteilersprachen zu erwarten; insbesondere im Bereich der Rock-/Popmusik wird jedoch auch aus Fachjargon und Fachwortschatz geschöpft. 8.2.1. Musik — Musikfachwörter im engeren Sinne: Die Fachausdrücke zur „Musik" 2 7 bilden die erste Ebene der fachsprachlichen Anleihen in den Sendungen. Da die Begriffe weitgehend 21 Vgl. Fluck: Fachsprachen 3 1985, S. 17 ff.; Löffler: Germanistische Soziolinguistik 1985, S. 115 f. 22 v. Hahn: Fachsprachen, in: LGL 2 1980, S. 392. 23 Vgl. Löffler: Germanistische Soziolinguistik 1985, S. 117. 24 Vgl. Fluck: Fachsprachen 3 1985, S. 154 f. 25 Vgl. Löffler: Germanistische Soziolinguistik 1985, S. 116. 26 Vgl. Fluck: Fachsprachen 3 1985, S. 162. 27 Die Ausdrücke aus dem Bereich „Musik" wurden im DUW nachgeschlagen, ggf. mit Hilfe anderer Quellen erklärt, insbesondere Ortner: Wortschatz der Pop-/Rockmusik 1982.

276

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

ohne Erläuterung verwendet werden, muß der Hörer zum richtigen Verständnis recht genaue Fachkenntnis besitzen. Staccato C (Musik) ,so hervorgebracht, daß jeder Ton vom anderen deutlich abgesetzt ist' α cappella C (Musik) ,(vom Chorgesang) ohne Begleitung von Instrumenten' synkopenhaltig

PS, Synkope

(Musik) ,rhythmische Verschiebung durch Bin-

dung eines unbetonten Wertes an den folgenden betonten' Background

PS (Musik) ,νοη Ensemble gebildeter harmonischer Klanghinter-

grund bei den Soli im Jazz' Break Poi (Musik) ,kurzes Zwischensolo im Jazz' RiffC (Musik) ,sich ständig wiederholende, rhythmisch prägnante, dabei melodisch nur wenig abgewandelte Phrase'

— Unmarkierte und „umgangssprachliche" Musikausdrücke: In die zweite Fachwortschatz-Ebene sind „allgemeinsprachliche" Ausdrücke aus musik-bestimmten Handlungs- und Objektfeldern einzubeziehen. Hier werden Spracherweiterungsmöglichkeiten intensiv genutzt, lexikalisierte Wörter umgedeutet (Scheibe ,Schallplatte') oder ihre Bedeutung spezialisiert und damit verengt (steigen ,in der Hitparade eine bessere Plazierung erreichen'), seltener auch erweitert (,Schnulze langsames Musikstück'). Ferner werden englische Ausdrücke übernommen (Single), morphologisch angeglichen (covern) oder übersetzt (lange Rille ,long groove'). 28 Auffällig ist im musikbezogenen Wortschatz die Tendenz zur Verkürzung, die sich auch in den Leitformen Platte ,Schallplatte' und Stück,Musikstück' zeigt, am radikalsten in Initialwörtern wie LP — deutsch oder englisch buchstabiert — ,Langspielplatte/longplayer' und CD — deutsch buchstabiert — ,compact disc' durchgeführt. Der Musikwortschatz enthält gelegentlich Jargon (Gig ,Auftritt'), vor allem aber umgangssprachliche Ausdrücke. Platte, ,Schallplatte'; meist übertragen für ,Musikstück' Scheibe C WK PS ugs ,Platte'

28 Differenziert man weiter, finden sich für alle Entlehnungsformen Beispiele bis hin zur redundanten Lehnübersetzung Kockmeeting-Treffen.

277

Fachsprachen

Bezeichnungen nach Spieldauer: LP; CD (DUW: — ) 2 9 s. o.; Single ,kleine Schallplatte'; Maxisingle ,große Single' (DUW: —); Maxi ,Maxisingle'; Maxiversion C; Maxiausgabe PS; Normalsingle PS; Doppel-LP C ,zwei LPs' (DUW: - ) ; Album C ,Doppel-LP', ,LP' lange Rille WK; mit Überlänge WK; Turbo-Maxi-Ausgabe WK dazu: Α-Seite C, PS; B-Seite (der Platte) C, PS dazu:,Plattenhülle': Cover C PS (DUW), Plattencover C

Art der Plattenaufnahme wird genauer bezeichnet: auskoppeln: als Single auskoppeln C; ausgekoppelte Single PS, DUW: ,ein Lied, das bereits auf LP aufgenommen ist, als Single herausgeben'; dazu: Singleauskopplung C PS; eine Single abmischen PS live C, WK, PS DUW: ,als Direktsendung, in realer Anwesenheit'; schnitt C; Liveaufnahme C; Liveversion PS

Livemit-

GEMA-Blende C GEMA Gesellschaft für musikalische Aufführungen und mechanische Vervielfältigungsrechte'

„Neuaufnahme": covern PS, DUW: —, ,mit einem anderen als dem Originalinterpreten ein erfolgreiches Stück nachproduzieren' neu aufnehmen PS; neu auflegen C im neuen Mix C; neu gemixte Sachen C ,neue Mischung'; dazu als Ad-HocKompositum: Oldie-Disco-Filter-Mix ERS

Bezug zum Interpreten: Solo-Platte angehört'

PS; Solo-LP PS ,Platte eines einzelnen Interpreten, der einer Band

NAME als Bestimmungswort, ζ. B. Matt-Bianco-LP

C

Stück ,Musikstück'; meist Betonung auf musikalische Elemente: Titel ,unter einem bestimmten Titel als Schallplatte veröffentlichtes Werk'; Nummer (ugs) ,Musikstück'; Song C PS ugs ,Lied', dazu Komposita: Popsong C, Titelsong C PS

Merkmale des Musikstücks: „langsam": Schnulze C ugs (vgl. 8.1.2); Schmusesong WK 29 vermutlich „zu neu".

WK; schmusige

Ballade

278

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

„zum Tanzen geeignet": Tanztitel C; Dance-Nummer

C; Abtänzer C

„alt": Oldie C PS DUW:,etwas, was nach langer Zeit noch oder wieder aktuell ist', dazu: Halboldie

C; olle Kamelle C ugs ,Altbekanntes'

„neu": Newie ERS ,aktueller Hit' Analogbildung zu Oldie Musikalische W i r k u n g : Sound

C , PS

Sound DUW: (Jazz und Rockmusik) ,für einen Instrumentalisten, eine Gruppe oder einen Stil charakteristischer Klang' Klang PS .bestimmte Eigenheit der Töne einer Stimme, eines Instruments', Klänge C ,Folge harmonisch aneinandergereihter Töne, die eine Melodie ergeben' dazu: Sound- und Klangbastler PS Z u r Charakterisierung werden Musikrichtungen und musikalische Elemente mit Stilen oder Interpreten in Verbindung gebracht: Reggae C; Hardrock C; Funk C; Rhythm Blues C; Blues PS; Jazz- und Folkelemente C; Folk Music PS; angepunkter Iren-Folk Poi; Jazzrock Poi; Westcoast C; Latino-Sound PS; Schwermetallmusik WK „Lehnübersetzung" von Heavy Metal Davon abgeleitete Adjektive: rockig C Poi; jazzig Poi; poppig C Poi; discomäßig

C

Interpreten: Heavy-Metal-Musiker C; Heavy-Metal-Leute C; Heavy Metaller PS; die ganz harten Jungs C, Hardrocker PS C; Rock'n'Roll-Band C; Plastik-Band PS; Rock-Duo PS; Rocklady Poi; Weichtöner C; Soulsänger C (alle DUW: —) Bezeichnungen für Interpreten, Leitform: Star C; Musiker C PS; Band C PS; Formation

Gruppe C; Kapelle C

Instrumente und deren Spieler: Keyboard C dazu: Keyboarder Poi; Drum-Maschinen C; Computer C hier programmierbare Musikinstrumente'; Synthesizer PS Poi; Ε-Drums Poi; akustische Drums Poi; Gitarre (alle); Gitarrenspieler C; Rhythmusgitarrist C; Baßist PS den Darm zupfen WK ,Gitarre spielen'; Leadsänger PS; Frontman PS (alle DUW: —) „ H i t p a r a d e n v o k a b u l a r " (Erfolgsaspekt betont): L e i t f o r m Hit ugs .erfolgreicher Schlager':

279

Fachsprachen

Hitparade »Radiosendung, in der Hits vorgestellt werden'; Charts WK C ,Hitliste'; US-Charts PS; top 30; Top Ten; Top Twenty; European Hot One Hundred C; Media Control C Riesenhit C; Nummer-l-Hit C; Neueinsteiger C; Neuzugang HL; Aufsteiger C; im Kommen sein PS; ganz oben sein C; es schaffen C; steigen C HL; klettern C; Abräumer C nach unten HL; fallen HL; geflopt sein: schade, daß die geflopt ist C, DUW: Flop ,Mißerfolg' Über die Bezeichnung und Charakterisierung der in der Sendung gespielten Musik hinaus werden aus der Rock-/Popmusikszene die Bereiche „Musikgeschäft" und „Konzertauftritte der Rock-/Popstars" berücksichtigt, hierbei wird häufiger Jargon verwendet und damit Gruppenbezogenheit ausgedrückt: M a n läßt mittels Musikjargon ein breites Publikum an der „Szene" teilhaben. „Musikgeschäft": Produzent PS hier: Leiter einer Schallplattenaufnahme; (Boston-)Macher ,Manager, Produzent'

C

Revival C ,Wiederbelebung'; Comeback C ,Neubeginn einer Karriere' pushen ERS (Jargon) ,durch forcierte Werbung die Aufmerksamkeit des Käufers auf etwas lenken' Medienverbund: Hit-Clip PS; Video-Clip Poi Rundfunk und Musikmarkt: Vorab-LP C; Weißmuster C ,Platte ohne Cover' Konzerte: Livemusikszene Konzert C ,Aufführung eines oder mehrerer Musikwerke'; in concert DUW: (bes. Werbespr.) ,in einem öffentlichen Konzert' C; Benefiz-Konzert PS DUW: ,Wohltätigkeitskonzert'; Rockkonzert PS; Rockmeeting C; Rockmeeting-Treffen C; Open-Air PS kurz für Open-Air-Festival ,im Freien stattfindende kulturelle Großveranstaltung' auf deutschen Zeit durch die hen; sein'; auf wane is volles Musiker)

Bühnen PS; Deutschlandtournee PS; touren: der tourt ja zur Schweiz und durch Deutschland Poi (Jargon) ,auf Tournee geTour gehen WK (ugs) ,sich auf eine Fahrt begeben'; die KaraRohr unterwegs PS; Live-Dates C; Queen-Dates (PS-O-Ton

Zugabe C PS; ausverkauft ERS; Ticket ERS; Phonzahl C einen Super-Gig abliefern C DUW: Gig (Jargon) ,Auftritt für einen Abend bei einem Pop- oder Jazzkonzert'; original rüberbringen (PS, O-Ton); Feeling (PS, O-Ton)

280

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

8.2.2. Rundfunk Während der Bereich „Musik" zwar kaum vermittelt, aber dennoch „aus zweiter Hand" — nämlich durch die Moderatoren — geboten wird, erlebt der Hörer „Rundfunk" direkt mit. Vereinfacht ausgedrückt: Über Musik wird geredet, Rundfunk wird praktiziert. Obwohl viele Ausdrücke des Rundfunkjargons von ihrem standardsprachlichen oder umgangssprachlichen Gebrauch abweichen, werden sie nicht erläutert, allerdings ist aus der jeweiligen Situation die spezielle Bedeutung meist erkennbar. Rundfunkmitarbeiter (Club-Team C): Technik: an den Reglern WK; in der Technik C Regie: am Regiepult WK; Studioleitung WK; Producer WK Moderation: Moderator C; am Mikrofon C, WK, PS, HL; seltener: vorm Mikrofon C; on the microphon Poi; Diskjockey HL; Deejay C, PS; Reporter vor Ort C

Inventar des Senders: Studio C ,Aufnahmeraum bei Film, Funk und Fernsehen'; Clubstudio Funkhaus, Finkhaus (Moderator Fink) WK

C;

„Senden": senden WK; Sendezeit WK; laufende Sendung WK; über den Sender WK; über die Sender gehen C fahren: die Sendung fahren WK; losfahren: dann können wir ja losfahren Beatlemania Teil 15 C

gehen mit

über das Mikrofon gehen WK; über die Antennen gehen WK live C; live und in Farbe WK; in stereo HL „Wellen"-Sprüche: E: Der Club, die Frischzelle auf der Ultrakurzwelle C E: Popshop - für jeden die richtige Welle. RAUSCHEN PS

Sendungsablauf: Einstieg: Opener PS HL; musikalisches gae-Einstieg PF

Intro zur Kontaktecke

„Startschuß": Musik ab C; Lachband bitte ab WK Abschluß: Absage WK DUW: (Rundf)

WK; ein Reg-

281

Fachsprachen Tätigkeiten/Vorgänge vor und während der Sendung: auflegen/aufliegen: haben wir ihn (den Beitrag) aufliegen' C

rauf- und runterlaufen: [...] der auch rauf- und runtergelaufen ist, wie man im Rundfunkdeutsch zu sagen pflegt C; laufen: während die Platte läuft C rausziehen WK ,ein Band aus der Moderation ausblenden' drübergehen: ich geh mal ganz brutal drüber = weil ich soll euch noch sagen = C das Mikro aufmachen HL auf den Kopfhörer reden C schneiden: bis eben hast du noch geschnitten an diesen Einblendungen C mittapen: wir haben das ja mitgetapet C; mitschneiden C Teile der Sendung: Verkehrsmeldung PS ,im Rundfunk durchgegebene Meldung zur Verkehrslage'; Radiodienst PS, HL; Verkehrsstudio C Jingle C; Variante: Jinglechen WK; Erkennungsmusik WK Einblendung C DUW: (Rundf., Fernsehen, Film) ,eingeblendeter Teil einer Sendung' Schnelldurchlauf WK (Hitparade) ,Stücke kurz angespielt': ,zwei Stücke eines Interpreten' PS

Doppelschlag

„ T i m i n g " und andere „Probleme": reinkriegen: zwei kriegen wir noch rein HL; schaffen: zwei schaffen wir noch HL; bis ran an die Nachrichten PS falscher Regler WK; Panne HL ,Störung, Fehler' Hören: Radiohören WK; abdrehen C Einschaltquote C DUW: (Rundf., Ferns.); Sendegebiet C Institution: öffentlich-rechtlich: eine öffentlich-rechtliche Bitte WK GEZ: und dann alles ab an die GEZ. Nee, das war Quatsch, an uns natürlich WK,,Gebühreneinzugszentrale'; das Radio anmelden HL, WK Bei Live-Übertragungen mit Hilfe eines Ü-Wagens

(C) kommt zum

„normalen" Rundfunkvokabular noch der Aspekt der gegenüber Studioproduktionen aufwendigeren technischen Realisierung hinzu. Der

282

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

Kontakt zwischen „Außenmoderator" und „Studiomoderator" wird thematisiert, um den „glatten" Ablauf der Sendung sicherzustellen. Eine Nebenfunktion dieser kurzen Wortwechsel im Fachjargon liegt darin, dem Hörer „Rundfunkatmosphäre" zu vermitteln. Beispiele aus der Live-Übertragung des Fallschirmabsprungs (C): drahtloses Mikrofon; Kopfhörer; reinhören in das Flugzeug

Ü-Technik; auf einer anderen Leitung

sobald ich mich melde, das Stichwort sage, Reinhold, Sender

hören;

ziehst du mich auf η

8.2.3. Vermittlerfunktion der Medien Die den Medien insgesamt in bezug auf Fachsprachen vorrangig zugeschriebene Funktion 3 0 als „Vermittler" erscheint in den untersuchten Rundfunksendungen für Jugendliche wenig ausgeprägt. Da der zu vermittelnde Fachwortschatz je nach Thema variiert, liegen die quantitativen Verhältnisse für die meisten Fachbereiche notwendigerweise anders als im ständig thematisierten Bereich „Musik". In einer Club-Sendung (C) treten Ausdrücke aus dem Bereich „Fallschirmspringen" auf, wenn der Moderator vor, während und nach dem Sprung die Situation beschreibt und andere Fallschirmspringer zu Wort kommen. Dabei werden ansatzweise Sacherläuterungen eingeflochten, beispielsweise wird das Tandemfallschirmspringen ausführlich erklärt. Viele Ausdrücke sind aus der Situation heraus verständlich und erzeugen vor allem „Atmosphäre", die dem Hörer über das Vokabular, hier des Handlungsfeldes „Fallschirmspringen", standardsprachlich, umgangssprachlich und fachsprachlich vermittelt wird. Einige Substantive als Beispiel: Fallschirm, Tandemfallschirm, Fallschirmspringer, Lizenzinhaber, Flugplatz, (alte), Do27, Maschine, Flieger ,Flugzeug', Luke, Höhenmesser, Steuerleine (von einem Fallschirmspringer verwendet), Steuerschlaufe (vom Moderator verwendet), Fliegerkombi, Lederkäppi, Overall 30 Vgl. ζ. B. Fluck: Fachsprachen 3 1985, S. 162.

Karabinerhaken,

Jugendsprache

283

Andere T h e m e n bedingen ihren spezifischen Wortschatz, wobei die M o d e r a t o r e n , die hier ebenso Laien sind wie die Hörer, in den untersuchten Sendungen bei Experteninterviews ihre Fragen meist „allgemeinverständlich" formulieren. Ansätze der Fachvermittlung — ζ. T . sogar mit relativ wenigen Fachwörtern — sind festzustellen, bei einigen T h e m e n , ζ. B. aus dem sportlichen Bereich, setzt man jedoch recht gute Kenntnisse beim Hörer voraus. Der weitgehend unvermittelten Fachwörterverwendung im Bereich „ M u s i k " ähnlich wird der Bereich „Film" behandelt, der bei den Mediennutzern als vertraut vorausgesetzt wird. Streifen WK PS (ugs) ,Film' Verfilmung WK Soundtrack WK ,Musik zu einem Film'; Filmmusik WK PS; Filmsoundtrack WK bundesweiter Filmstart C Cutterin WK ,Schnittmeisterin'; schneiden C; Schnitt C (übertragen verwendet: auf den Sendungsablauf bezogen) Insgesamt ist zur „Fachsprachverwendung" festzustellen: Es sind Ansätze zur Vermittlung durch — meist implizite — „Erläuterungen" von Fachwörtern in den Rundfunksendungen zu erkennen. Wesentlich stärker ist jedoch die Tendenz, fachsprachliche Ausdrücke lediglich anzuwenden, vor allem im Bereich der R o c k - / P o p m u s i k , wo bei den Hörern detaillierte Kenntnisse vorausgesetzt werden. Eine Sonderstellung im Bereich „Fachsprachliches" nimmt der Rundfunkjargon ein, da hier an die Stelle der „Vermittlung" das „Miterleben" tritt. Vermittlung des fachlich geprägten Wortschatzes im Sinne von „Mitteilen und Verbreiten" findet in jedem Falle statt.

8.3.

Jugendsprache

Die Grundtendenzen jugendsprachlicher Formen und einige Funktionen der Gruppensprache Jugendlicher wurden in 4 . 2 skizziert, vor diesem Hintergrund werden nun jugendsprachliche Elemente der untersuchten Rundfunktexte vorgestellt. Die Medientexte beziehen sich in mehrfacher Hinsicht auf Jugendsprache:

284

Varietätenanalyse — Stile der Mediensprache

— Stilistische Ähnlichkeiten mit der Jugendsprache — Jugendsprachlich markierte Ausdrücke, jugendsprachliche Kernwörter und Exotismen — Jugendsprachlich anmutende Ausdrücke und Strukturen, die auf Jugendsprachproduktion durch die Medien hinweisen — Thematisierung von Jugendsprache „Träger" der jugendsprachlichen Elemente in den Rundfunksendungen sind die strukturell übergreifende Hyperbolisierungstendenz der Jugendsprache, die sich in der Mediensprache wiederfindet, einige Wortschatzelemente mit dem Stilwert „jugendsprachlich" und Elemente, die an den „Jugendton" anknüpfen. 8.3.1. Jugendsprachliches Prinzip: Hyperbolisierung Zahlreiche „Steigerungsausdrücke" sind als typisch für die untersuchten Rundfunksendungen für Jugendliche festzuhalten. Die Verstärkungsprinzipien liegen auf zwei Ebenen, deren Zusammenwirken hyperbolisierend wirkt: — Einige morphologisch-syntaktische Kategorien zeichnen sich als „steigerungswirksam" ab, insbesondere bestimmte Wortbildungsmuster und die intensivierende Adjektivverwendung. — In lexikalisch-semantischer Hinsicht treten einzelne Wörter und Wortfamilien durch Häufigkeit und hohe Wortbildungsaktivität hervor. Wertende Ausdrücke wurden in 6.3 nach funktionalen und semantischen Kriterien geordnet vorgestellt, hier werden nun übergreifende Strukturen und Prinzipien herausgearbeitet. — Positiv wertende Lexeme (vgl. auch 6.3): Substantive: Knaller C, Knüller WK, die Greats, die Tops des Jahres C

Adjektive und Adverbien: irre: irrer Titel WK phänomenal: phänomenale Stimmungskanonen

WK,

Jugendsprache

285

phantastisch: phantastischer Break Poi; phantastisches Dreierpack von exquisiter Musik H L mörderisch: er is mörderisch auf der Gitarre C

Sowohl die metaphorische als auch die literale Bedeutung von heiß wird in folgender Einspielung aktiviert: Ein gut gemeinter Rat = Fassen Sie während der Sendung nicht Ihr Radio an, denn in diesem heutigen Wunschkonzert sind so heiße Hits drin, daß Sie sich leicht die Finger verbrenn-n könn-n! WK

— Angabe einer großen Anzahl bzw. eines langen Zeitraumes: hunderttausend Künstler hab-n sich zusamm-ngetan HL Riesenkonzert [...] ausverkauft seit Jahrzehnten ERS

— Steigerung durch Superlativ: von einem der größten, allergrößten Soulsänger aller Zeiten = C E: [...] die phänomenalste Show im Radio ERS

Dieses konventionelle Steigerungsprinzip wird relativ selten verwendet, wesentlich häufiger sind die folgenden Mittel: — Verstärkungsadjektive und -adverbien: Verstärkungswörter werden einem anderen Adjektiv bzw. einem Verb intensivierend vorangestellt. In den untersuchten Sendungen dienen dazu vor allem umgangssprachliche Steigerungsadjektive und -adverbien: verdammt hell C da ist mächtig was los C unheimlich gut C irre witzig und gut W K wir sind alle tierisch gut drauf C wahnsinnig toll C [...] sind euch natürlich total freigestellt W K

Eine ähnliche Funktion haben wirklich und richtig (sehr häufig): ein richtig knalliges Schlußbonbon C ein wirklich hochgeistiger Ausspruch C (ironisch)

Auf die Intensivierungsfunktion der oben aufgeführten Adjektive wird im Wörterbuch (DUW) hingewiesen. Jugendsprachlich markiert

286

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

ist brutal verzeichnet, das hier in einer „süddeutschen" Wendung ebenfalls den Intensitätsgrad ausdrückt: nicht ganz so brutal jazzig Poi

Die in der Jugendsprache zu beobachtende „doppelte Prädikation" mit umgangssprachlichen oder jugendsprachlichen SteigerungsWörtern kommt in den Rundfunksendungen kaum vor. In einem Beispiel parodiert der Moderator dieses Verstärkungsprinzip: Also, Anfang des Jahres war ja irgendwas in, das ist heute ja schon wieder total also absolut total MUSIK beginnt: out out out out C

— Wortbildungen mit verstärkenden Präfixoiden: Steigernd und bewertend werden umgangssprachliche Präfixoide eingesetzt, am häufigsten Reisen- und Super-, daneben Spitzen-, Monster·, Bomben-, Mords-,31 ferner Mega-, Turbo- und Sahne-. Riesen- (,besonders gut'): Riesenhit C ERS, Riesentitel PS, Riesenkonzert ERS, Riesenparty C Riesen- (,sehr groß'): Riesensatz H L , Riesengewinner H L , Riesenschirm C, Riesenfehler C, Riesenbottich C Spitzenteil Wi; Bombenstimmung Monsterwerk

H L , Monster-Oldie

C; Mordssatz

nach vorne H L

ERS, Monsterkonzert

SFB, Monsterhit

HL,

RIAS Turbo-Maxi-Ausgabe Mega-Show,

dieses Titels W K

Mega-Star RIAS (Mega ,eine Million')

Superkonzert C, Superweitmeister C, superstark pergut PS, super Gitarre/Supergitarre Poi

C, superprofessionell

C, su-

Nicht sehr fest sind die Wortbildungen mit super, das als Adjektiv in derselben Form vorkommt. So könnte man es auch als unflektiertes Adjektiv auf das Grundwort beziehen, womit die doppelte Präfigierung im folgenden Beispiel wegfiele: super Sahnescheibe

vs. Supersahnescheibe

WK32

31 Alle bis hier genannten Präfixoide sind in der Duden-Grammatik 4 1984, S. 461, als Beispiele für Augmentativa angeführt. 32 Da die Schreibung der Ausdrücke ohnehin nur eine Annäherung an die gesprochene Form darstellt, ist die Frage nach „zusammen", „auseinander" oder „mit Bindestrich" zweitrangig.

Jugendsprache

287

Präfixoide, die als emotional abwertend markiert sind, können ebenfalls verstärkend eingesetzt werden, allerdings sind die aus dieser Gruppe verwendeten Wörter meist lexikalisiert: Sauarbeit WK schweinekalt C

— Komposita: Seltener werden aus zwei oder mehr Lexemen Komposita mit Verstärkungscharakter gebildet: Soundorgie: Hm, was für eine Soundorgie, ne. WK Radiowelturaufführung C knallhart Poi; butterweich Poi; hammerhart C

— Metaphorische Wendungen: „Extreme" Bilder erzeugen verstärkende Wendungen: die Kuh fliegen lassen WK abgehen wie η Zäpfchen WK meterhohe Elektronik auftürmen PS die einzige Sendung, bei der kein Triebwerk abfällt HL

— Lexikalisch-semantische Präferenzen: Durch Verwendungsvielfalt und hohe Frequenz fallen tierisch (ugs) und absolut (unmarkiert) auf. tierisch: tierisch abzocken C, tierisch gut draufsein C; [...] Nummer, ich find die so tierisch = C absolut: der absolute Klopfer C; ne Platte, die ich absolut liebe HL; absolut nichts los C

Als verstärkungsaktive Wortfamilien erweisen sich im Material vor allem Wahnsinn und Sahne. Bei dem umgangssprachlich verwendeten Wahnsinnswörtern dominiert das Adjektiv wahnsinnig ,sehr, überaus' (DUW) in verschiedenen grammatischen Positionen. Beim Ausruf Wahnsinn steht ebenfalls der positive Verstärkungsaspekt,besonders eindrucksvoll' im Vordergrund, die Bedeutung ,großer Unsinn' (DUW) trifft meist nicht zu. WAhnsinn! WAhnsinn! WK; Η mm, Wahnsinn! HL Wahnsinnsshow WK wahnsinnig schick C; wahnsinnig toll C; beruhigt wahnsinnig C

288

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

Die Wortfamilie „Sahne" scheint relativ jung zu sein, sie wird beispielsweise vom DUW (noch?) nicht in der intensivierenden Bedeutung berücksichtigt. In den Rundfunksendungen findet man: Sahnemusik WK zum absoluten Sahnepreis SFB ne super Sahnescheibe W K

Prinzipiell fungiert Sahne- als Präfixoid etwa in der Bedeutung ,hervorragend', vermutlich aus dem Bildbereich „Molkereiwirtschaft": ,das, was auf der Milch „oben" schwimmt'. Jugendliche nannten den Ausdruck Das ist erste Sahne,33 der die Eigenständigkeit des Präfixoids bzw. Bestimmungswortes demonstriert. Sahne wird sogar als Grundwort im Kompositum verwendet, was von der Struktur her — mit Sahne ,Schlagsahne' gibt es zahlreiche Komposita — kein Problem ist. Das abschließende Beispiel stammt aus einem Trailer des SFB (Juni 1988): 34 sieben Stunden Berliner

Rocksahne

Die intensivierende Funktion behält das Lexem Sahne auch in Rocksahne,35 was ähnlich wie Sahnerock ,sehr gute Rockmusik' bedeutet, womit die Reduktion des semantischen Gehalts von Sahne — auf den positiv verstärkenden Charakter — angezeigt ist. 8.3.2. Stilmarkierung „jugendsprachlich" Verstärkungen und Steigerungen werden zum überwiegenden Teil unter Verwendung von umgangssprachlichen Lexemen realisiert. Im folgenden geht es nun um die Frage, inwieweit spezifisch jugendsprachliche Ausdrücke in die Sprache der Rundfunksendungen eingehen, wobei die Abgrenzung gegenüber der Umgangssprache nicht 33 17- bzw. 18jährige Gymnasiasten mündlich am 6. 5. 88. 34 Die meisten Sendungen des Korpus sind ein bis zwei Jahre älter; der Ausdruck Sahne scheint sich jedoch erst in letzter Zeit zu häufen. 35 Ähnlich scheint auch im Kompositum Hitmonster ,Hörer, der die „besten" Hits ansagt' die Bedeutung des Grundwortes verblaßt zu sein, die Intensivierung im Vordergrund zu stehen.

Jugendsprache

289

immer deutlich vollzogen werden kann. Auch die Wörterbuchzuordnungen zu Gruppensprachen sind problematisch, zumal sie im Prinzip ergänzend zu den stilistischen Bewertungen gegeben werden, diese jedoch zum Teil ersetzen. Ein weiteres Problem besteht darin, daß Jugendsprache aufgrund ihres raschen Wandels lexikographisch kaum hinreichend erfaßbar ist. Herangezogen werden neben allgemeinen Gegenwartssprachewörterbüchern auch „Spezialwörterbücher", eher unterhaltende Wortsammlungen zur Jugendsprache (ζ. B. Müller-Thuraus „Lexikon der Jugendsprache" 36 ), die eine Reihe von sonst umgangssprachlich markierten Ausdrücken verzeichnen und Bedeutungserklärungen fast immer speziell auf nur eine Verwendungsweise ausrichten, was der semantischen Vielfalt des jugendsprachlichen Wortschatzes nicht gerecht wird. Trotz der Probleme soll durch eine Beispielauswahl gezeigt werden, inwieweit jugendsprachliche „Versatzstücke" in die Mediensprache einbezogen werden. — Jugendsprachliche Lexeme: Die relativ wenigen „jugendsprachlich" markierten Ausdrücke sind durch eine große Zahl von Beispielen aus dem Bereich der Pop-/ Rockmusik zu ergänzen, die unbedingt zum jugendsprachlichen Vokabular hinzuzurechnen sind, jedoch als besonders stark belegter Wortschatzbereich in 8.2.1 unter fachsprachlichen Aspekten behandelt wurden. Vom schülersprachlichen Penne bis zum Szene-Ausdruck Kiez ist ein breites Spektrum von Lexemen zu beobachten, allerdings kommen die meisten nur als „Einzelfälle" vor. Einige Jugendsprachvokabeln aus dem Handlungsbereich „Musik" vermißt man geradezu, so tritt Mucke ,Musik' in den Sendungen des Korpus überhaupt nicht auf, Mucker,Musiker' ist einmal belegt, bezogen auf Teilnehmer an einem Rock-/Pop-Nachwuchswettbewerb. Die von mir interviewten Jugendlichen gebrauchen Mucke bevorzugt für ,Livemusik', während der Ausdruck in den Fragebogenantworten auch als jugendsprachliche Benennung für Musik im allgemeinen auftritt.

36 Müller-Thurau: Lexikon der Jugendsprache 1985.

290

Varietätenanalyse — Stile der Mediensprache

Substantive: Penne: gemeinsam

die Penne verlassen PS Schülersprache ,Schule'

Power: Popshop-Power

PS Jargon ,Kraft, Stärke, Leistung', „zentraler Begriff

der Jugend- und Szenesprache" 3 7 Piste: Viel Spaß auf der Piste C DUW: —;,Kneipenszene' 3 8 Feeling: irres Feeling C bildungsspr. Einfühlungsvermögen, Gefühl' 3 9 auf dem Kiez C nordostdt., bes. berlin. ,Stadtteil'; Jargon ,Strich' (Prostitution); hier für ,Hamburg St. Pauli' Disco-Fetzer W K Deverbativ zu fetzen, DUW: fetzig Jugendspr. ,prima, toll'; hier: schnelles Musikstück'

Verben und verbale Phraseologismen: Auch in der authentischen Jugendsprache werden Verben zu einem großen Teil aus dem umgangssprachlichen Wortschatz geschöpft, spezifisch jugendsprachlich sind jedoch Auswahl und Handhabung: Besonders expressive Wörter und Wendungen werden bevorzugt, Verben werden mit Präfixen (vor allem ab-) dynamisiert und die Bedeutung vieler Lexeme wird stark erweitert. Ansätze dieser Verfahren finden sich in den Rundfunktexten, wie schon ein Blick auf die bevorzugten umgangssprachlichen Verben und Phraseologismen, die durch „Dynamik" und „Hang zu Extremen" zu charakterisieren sind, zeigt (vgl. 8.1.2). Über die spezifische Auswahl umgangssprachlicher Verben hinaus „jugendsprachlich" sind wenige Ausdrücke. Ebenfalls selten erscheinen stereotyp-jugendsprachliche Wendungen wie kein Bock haben PS DUW: keinen Bock auf etwas haben Jugendspr. ,keine Lust zu, auf etwas haben'.

Etwas häufiger ist der im DUW nicht verzeichnete 4 0 Ausdruck angesagt sein C, PS, W K ,aktuell sein'

37 Müller-Thurau: Lexikon der Jugendsprache 1985, S. 130, Bedeutungserklärungen im engeren Sinne werden nicht gegeben. 38 Müller-Thurau 1985, S. 125. 39 Bei Müller-Thurau 1985 ebenfalls verzeichnet. 40 Unter dem Lemma ansagen findet sich ebenfalls nicht die zutreffende Teilbedeutung.

291

Jugendsprache Semantisch ähnlich sind die Ausdrücke aufm

Trend drauf sein C;

der is drauf der Ferry C (ohne Adverb!) dazu im DUW: gut drauf sein ugs ,sich in einem guten Zustand befinden' (seelische Gestimmtheit)

Polyseme Bewegungsverben werden — z . T . durch Präfixe dynamisiert und mit Adverbien versehen — übertragen gebraucht: gut kommen:

kommt gut, die Frau, so irgendwie

gut eingehen:

geht gut ein C ugs ,wohlgefällig aufgenommen werden'

gut abgehen: das geht gut ab in ner Disco C abgehen: [...] soll 1952 das erste Kockkonzert DUW: ,in einer bestimmten Weise ablaufen'

C

der Welt abgegangen

sein PS

(gut) abfahren auf etwas PS (O-Ton Hörer), DUW: salopp ,νοη jmdm., etw. persönlich besonders stark beeindruckt sein, sich angesprochen fühlen'

Adjektive Positiv wertende Ausdrücke und intensivierend zur Verstärkung eingesetzte umgangssprachliche Adjektive überwiegen bei weitem (vgl. 8.3.1). Zumindest in hoher Frequenz als jugendsprachlich zu bezeichnen sind die häufig verwendeten Adjektive/Adverbien tierisch, total, absolut, wahnsinnig. Vereinzelt treten weitere jugendsprachliche Adjektive auf, ζ. B. astrein: einen astreinen Start ins Wochenende herbe:

nun wird's herbe,

ich hoffe,

C Jugendspr. ,sehr schön, gut'

eure Tapeten fallen jetzt nicht von der

Wand WK, DUW: veraltet herb; hier „Entzückungswort" 4 1

Cool gehört ebenfalls zum Repertoire der Moderatoren. Im folgenden Beispiel wird das semantisch vielschichtige Wort mit einem Bild verknüpft, das zu der lexikographisch erfaßten Teilbedeutung (4) im DUW: (salopp) ,in hohem Maße gefallend, der Idealvorstellung entsprechend' die literale Bedeutung ,kalt' aktiviert:

41 Zur unterschiedlichen Verwendung von herb vgl. Henne: Jugend und ihre Sprache 1986, S. 153. Müller-Thurau 1985 verzeichnet es als negativ wertend.

292

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

Huh cool + Hmm = Da klimpern die Eiswürfel im Glas, ganz so cool gehts ja in der Provinz nich zu C

Das Standardbeispiel für jugendsprachliche Lexik in den achtziger Jahren dürfte das Adjektiv geil sein, 42 zu dem es im DUW heißt: salopp, bes. Jugendspr. ,in begeisternder Weise schön, gut, großartig, toll'. In den Rundfunksendungen erscheint es meist bewußt als rhetorisches Mittel eingesetzt. das war geil für η Diskjockey

HL

In einer Club-Sendung werden Ausschnitte aus dem Popmusikstück „Geil" eingespielt, die Verbreitung des Wortes durch Musiktexte thematisiert und eine frühere Quelle für eine Verarbeitung dieses neudeutschen Wortes in der Rock-/Popmusik angegeben: (MUSIK: geil) Ja, geil, ja klar, ne. Äh, übrigens, was wollt ich noch sagen: Bruce und Bongo mit „Geil", das war-η nich die ersten, die geil, dieses äh dieses neudeutsche Wort aufgegriffen haben, nein nein nein = + Musiker in Salzgitter und Braunschweig waren vor zwei Jahren schon viel schneller = und zwar die Gruppe FEE, hier kommen sie = MUSIK: Das ist super, das ist spitze, das ist oberaffengeil

Jugendliche weisen im Gespräch darauf hin, daß es bereits Ende der siebziger Jahre ein Musikstück gegeben habe, in dem geil in der jugendsprachlichen Bedeutung vorgekommen sei. Daß geil und seine Verarbeitung in der Popmusik als typisch jugendsprachlich angesehen werden, zeigt auch die folgende Meldung aus einer Club-Sendung (Rubrik „Kurzmeldungen"): Und die letzte Meldung kommt aus Kiel: Der SPD-Oppositionsführer Engholm soll sich besser über die Jugendsprache informieren. Deshalb hat der CDU-Landtagsabgeordnete Trutz Graf Kerssenbrock ihm heute die beiden Singles „Geil" von Bruce und Bongo und seinem deutschen Ubersetzer geschenkt. Hintergrund des ungewöhnlichen Geschenks: Engholm hatte zu Wochenbeginn der Landesregierung vorgeworfen, sie verwende in der Jugendbroschüre „Na bitte, Berufe, an die man nicht gleich denkt" eine sich anbiedernde und künstliche Jugendsprache. Graf Kerssenbrock hält diese Kritik für spie42 Von Redakteuren wurde geil im Gespräch immer wieder thematisiert, sei es als Beispiel für ein Versatzstück, das man vermeide (RIAS), oder als inzwischen „normaler" Ausdruck (NDR).

293

Jugendsprache ßig. Das Taschenbuch völlig vergriffen. C

ist nach Auskunft der Landesregierung

mittlerweile fast

Die Berufsinformationsbroschüre bedient sich in der Tat sehr „lokkerer" Umgangssprache, beispielsweise werden als Voraussetzungen für Programmierer „Lust auf Logik und straightes Lernen" genannt und fortgeführt: „Viele, die einmal draufkamen, kommen bis heute nicht mehr davon los." 4 3 — Übergreifendes Prinzip: englische Lexeme Die englische Sprache spielt in der Jugendsprache — und nicht nur dort — eine große Rolle: Lehnwörter, Lehnübersetzungen, Neubildungen mit Elementen von Anglizismen und englische Ausdrücke, die in Form und Inhalt übernommen oder variiert werden, prägen auch den Wortschatz der Rundfunksendungen für Jugendliche entscheidend, insbesondere im Bereich der Rock-/Popmusik (vgl. 8.2.1), aber auch darüber hinaus: strong und soft zugleich C; Softy-Touch

Poi

DUW: soft (Musik) ,weich', strong DUW: -

,hart'

happy C ugs ,überglücklich' tonight: was gibt s tonight im Club? C DUW: —,,heute abend' here we go C als „Startschuß" verwendet, DUW: —

Englische Verben werden an das deutsche Flexionssystem assimiliert (vgl. auch Rock-/Popmusikwortschatz, ζ. B. covern): relaxen C DUW ,sich körperlich entspannen' beamen: wir beamen uns wieder rein: (hier: in die Hitparade) C DUW: —, engl, to beam ,strahlen'; Spezialausdruck aus Science-Fiction-Filmen etwa b e wegen eines in einen Energiestrahl überführten Körpers durch das Weltall'

— Kommentarwörter: Ebenfalls englisch beeinflußt sind einige „Kommentarwörter", die als Ausdruck der Zustimmung oder Begeisterung gebraucht werden: yer HL, DUW: - ; whow! C, PS DUW:

-

43 „...na bitte" ... Berufe, an die man nicht gleich denkt! Hrsg. vom Parlamentarischen Staatssekretär für Jugend u. Sport des Landes Schleswig-Holstein 1986, S. 108.

294

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

Daneben findet man in den Sendungen „typische" Kommentarwörter, die als „Signal für Jugendsprache" eingesetzt werden: Wahnsinn W K , H L als Ausdruck größter Begeisterung, DUW: — logo C, PS salopp, bes. Jugendspr.,logisch'

— Grüße: Die dialogischen Elemente in der Moderation sind oben (6.4) ausführlich dargestellt. Sie zeigen Anklänge an jugendliche Grußgewohnheiten, unterscheiden sich aber von der Vielfalt jugendsprachlicher Grüße durch die Präferenz der Leitformen, vor allem der umgangssprachlichen Verabschiedungsformel Tschüs. Hallo C ugs, bes. Jugendspr. Grußformel; Hallöchen

C DUW: —

bye-bye H L ugs ,Auf Wiedersehen', ciao etc. (vgl. 6.4.1) Tschüs C, W K , PS, Poi ugs Abschiedsgruß

— Anreden: Die Kollektivanrede mit Leute (C) ist ebenfalls umgangssprachlich. In anderen nominalen Anredeformen wird mit der i-Suffigierung ein Prinzip angewendet, das in der Umgangssprache, vor allem aber unter Jugendlichen, sehr gepflegt wird: du Schnuffi H L ; ihr Dummis ERS zu Dummkopf

(n)

— Namenwelt: Die i-Suffigierung setzt sich im Bereich der Namenwelt fort, wenn Übernamen gebildet werden: am Mikrofon

war Elmi H L ,Elmar'

Von diesem Prinzip beeinflußt ist auch folgende Namenskürzung, bei der „zufällig" das „i" ans Ende gelangt, so daß das aus Wortanfängen gebildete Kurzwort für einen Übernamen tauglich wird: euer Güfi WK ,Günter Fink'

8.3.3. „Jugendton" Während jugendsprachliche Einzellexeme in „normalsprachlicher" Umgebung als Versatzstücke erscheinen, liegen den folgenden Stilelementen jugendsprachliche Prinzipien zugrunde, mit denen — zumin-

Jugendsprache

295

dest stellenweise — der „Jugendton" in der Sprache von Rundfunksendungen für Jugendliche nachempfunden wird. Die Auswahl muß nach dem Häufigkeitskriterium erfolgen, da auch der authentische „Jugendton" durch die hohe Frequenz solcher Merkmale (vgl. 4.2) konstituiert ist. Es kommt daher weniger auf das einzelne Beispiel als auf das Strukturprinzip an. — Verstärkungen: Das auffälligste jugendsprachliche Prinzip ist das der Verstärkung und Steigerung, das unter 8.3.1 illustriert wurde. Hier muß der Hinweis genügen, daß die Verstärkungsadjektive absolut, total, wahnsinnig (jeweils attributiv und adverbial verwendbar) den deutlichsten jugendsprachlichen Stilwert zeigen. absolut: du bis η absoluter Fallschirmspringer-Freak C total: ich bin total verpackt schon C wahnsinnig: beruhigt wahnsinnig C

Viele Verstärkungen werden mit den neutralen Adjektiven bzw. Adverbien wirklich, richtig, schön gebildet, wobei fast jede mögliche grammatische Position ausgeschöpft wird. wirklich ein toller Song C, wirklich gute Sachen PS ne schöne schnucklige Scheibe ERS; richtig schöne angenehme Musik is das C

Zu beachten ist, daß schön mit verstärkender Funktion laut DudenGrammatik umgangssprachlich auch eine Flektionsendung erhalten kann. 4 4 — Dehnungsphrasen: Jugendliche verwenden in Gesprächstexten Dehnungsformeln, ζ. B. oder so, die Unsicherheit ausdrücken und Spielraum schaffen, verbunden mit einem Appell an den Gesprächspartner, diesen im Sinne des Sprechers auszufüllen. 45 Solche Dehnungsphrasen finden in die Rundfunktexte teilweise Eingang, allerdings meist in „rhetorischer" Verwendung, um eine unbestimmte Atmosphäre zu schaffen oder

44 Vgl. Duden-Grammatik 4 1984, S. 270. 45 Vgl. Henne: Jugend und ihre Sprache 1986, S. 148.

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Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

eine „lockere" Haltung zu demonstrieren. Verwendet werden u. a. irgendwie, irgendwo, irgendso, irgendwelche, oder wie. Irgendwo is heute abend ne Fete. (Geräusch: Wasser) + Was war das? Eben kam hier irgendso η Stoßtrupp des Club rein, angeführt von Axel Lerche, und hat mir die Haare gefärbt, mit irgendwelchem Zeug vollgesprüht, C

— Ad-Hoc-Bildungen aus der Situation: Einige Ausdrücke entstehen ad hoc aus dem sprachlichen oder situativen Kontext heraus. Formal können diesen Wortbildungen verschiedene Prinzipien zugrundeliegen: Analogbildungen: Newie ERS ,aktueller Hit, Neuerscheinung', Antonym zu Oldie

Ein sehr enger Kontextzusammenhang besteht bei folgendem AdHoc-Ausdruck nach einem Verbbildungsmuster: enttümmeln: wir hoffen, daß wir deinen Kontaktwunsch enttümmeln können W K (eine Hörerin am Telefon sagt vorher, sie habe den von ihr „gesuchten" Jungen im Getümmel aus den Augen verloren)

„Soundwords" können prinzipiell aus fast allen Vorgangs- und einigen Handlungsverben abgeleitet werden: Wir lesen die also durch, blätter blätter, Neueinstieg [...] C

Produktive Affixe wie ab- werden jugendsprachlich beinahe beliebig mit neutralen oder umgangssprachlichen Verben kombiniert: So, nachdem wir nun ein wenig abgeträumt haben, könn-n/ sollten wir jetz η bißchen ablachen. W K

— Sprachspiele: Ebenfalls vielfältig sind die Möglichkeiten, mit Sprache über Lautassoziationen spielerisch umzugehen. Besonders beliebt sind Versuche, Eigennamen in Appellativa zu verwandeln. Namen werden durch leichte Variation „motiviert": das Krokettenthema („Crockett's Theme") H L Krissnixkind (Christkind, das kein Geschenk bringt) C

297

Jugendsprache

Laute werden ausgetauscht, so daß andere Lexeme entstehen: Bau vor einer Staustelle (im Radiodienst) HL zum Bleistift (,zum Beispiel') WK happy Metal (,Heavy Metal') Poi

Assoziative Lautspielereien: Dusty the rusty (Dusty Springfield) PS Fleetwood Mac Mick Muck Meek H L

— Einbettung englischer Ausdrücke in den deutschen Kontext: Englische Elemente, die von Jugendlichen „selbstverständlich" benutzt werden („Cool ist für mich ein deutsches Wort" 4 6 ), erscheinen in den Rundfunktexten auf verschiedenen Hierarchieebenen mit dem deutschen Kontext verknüpft: Teil eines Wortes lautlich angeglichen: Bananarama [bananaraema] H L

Ein englisches Wort in einem Satz: ein Interview [...] mit Mike himself PS

Englischer „Halbsatz" als Kontaktformel: I do my very best, ich werde dir schönes Briefpapier aussuchen.

WK

Feste Phrase, hier Startkommando: Alles klar? Ready, steady, go. Was ist das hier? ERS

Mehrere englische Sätze mit deutschem Zwischentext: [...] und dann sagt er: „l wanna lying next to you", dann sagt ihr - yer, und und dann sagt er = „you're beautiful tonight", kann ich nich beurteilen, weil ich seh euch ja nicht von hier, H L

Für englische Kurztexte in der deutschsprachigen Moderation gibt es zahlreiche Beispiele, da viele Einspielungen englisch sind: The best music on the best Station. C

46 17jähriger Gymnasiast am 6. 5. 88 mündlich.

298

Varietätenanalyse — Stile der Mediensprache

- „Sprüche": Verglichen mit der form- und aspektreichen Spruchwelt Jugendlicher sind die Beispiele aus den Rundfunktexten eher bescheiden. Einige Spruchschemata werden jedoch übernommen und mit eigenem Sprachmaterial gefüllt: Varianten bestehender Phraseologismen oder Sprüche: Der Club - die musikalischste Versuchung, seit es Radio gibt. C, Variation des Schokoladen-Werbeslogans: X X X , die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt. Die Hardrocker aller Länder haben sich vereinigt zu Hear and Aid, PS, Variation der Marx-Losung: Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

„Bedingungen": ohne — kein, wollt ihr — dann: Ohne Dings kein bums. + Und ohne Sonntag kein Wunschkonzert. W K Wollt ihr wieder Popshop-Power, dann holt euch doch den Beckenbauer.VS

Vergleiche mit lieber — als: [...] unter dem Motto „Lieber extralang als extrabreit". W K

Metaphorische Vergleiche: Da muße ja echt Ohren haben wie Genscher, um das alles mitzukriegen. PS

Authentische Jugendsprüche leben von besonderen Gesprächssituationen, die es in den Rundfunksendungen nur selten gibt. In einem Telefongespräch mit einem norddeutschen Musiker verwendet der C/wfc-Moderator zur Beteuerung seiner Aussagen den Spruch: Is kein Spruch! C

Die mit Beispielen illustrierten Jugendsprachprinzipien in der Moderation prägen lediglich einen Teil der Rundfunksprache, für den Zielgruppenbezug sicher einen wichtigen, der jedoch im Zusammenspiel mit anderen Faktoren gesehen werden muß. Die stärkste „Relativierung" erfahren die beobachteten jugendsprachlichen Mittel durch die Verwendung der Standardsprache.

Standardsprache als Leitvarietät

8.4.

299

Standardsprache als Leitvarietät

Synchron betrachtet, bildet die Standardsprache das Zentrum der „Sprache als Ganzes", da sich alle Varietäten auf diese übergeordnete Leitvarietät beziehen (zur Definition vgl. 4.1). Im Unterschied zu den meisten anderen Varietäten sind die dieser Sprachform zugrundeliegenden Normen kodifiziert, 47 insbesondere im Bereich der Rechtschreibung und der Lautung. Die gesprochene Sprache der Rundfunktexte auf die Erfüllung der Standardsprachnormen hin zu prüfen, ist problematisch, da einer am Gebrauch orientierten Norm auch Medientexte zugrundegelegt werden können. Im „Wörterbuch der deutschen Aussprache" 4 8 wird die Vorbildfunktion von Nachrichtentexten im Rundfunk ausdrücklich erwähnt; die Neubearbeitung des „Siebs" 4 9 und das Duden-Aussprachewörterbuch 50 vollziehen diesen Schritt nicht, stellen der Bühnenaussprache jedoch die „gemäßigte Hochlautung" (Siebs) bzw. „Standardaussprache" (Duden) als Gebrauchsnorm zur Seite. Im „Siebs" distanziert man sich allerdings von Medienvorbildern, der „durch Technik manipulierte(n) Rundfunkaussprache", und beruft sich statt dessen auf die „natürliche Rede von Mund zu O h r " . 5 1 Die Standardaussprache erfüllt folgende Kriterien: 5 2 überregional, einheitlich, schriftnah, deutlich, kommt der Sprechwirklichkeit nahe. Am wenigsten zutreffend für die lautliche Realisierung der Moderationstexte ist das Kriterium „schriftnah", denn es wird im Gegenteil versucht, sprechsprachlich im Sinne von „wie im natürlichen Gespräch" zu wirken. Eine besonders deutliche Aussprache setzt eine sprecherische Ausbildung voraus, die zwar von Nachrichtenspre47 Für Dialekte trifft dies ζ. T. zu. 48 Leipzig '1964, 2 1969, 3 1971, vgl. dazu Kohler: Einführung in die Phonetik des Deutschen 1977. 49 Siebs. Deutsche Aussprache. Reine und gemäßigte Hochlautung mit Aussprachewörterbuch, Hrsg. de Boor/Moser/Winkler " 1 9 6 9 . 50 Der große Duden Bd. 6. Wörterbuch der deutschen Standardaussprache. Bearb. von M. Mangold. 2 1974. 51 Siebs " 1 9 6 9 , S. 6. 52 Vgl. Duden Bd. 6. Wörterbuch der deutschen Standardaussprache 2 1974, S. 5.

300

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

ehern, nicht aber von Moderatoren verlangt wird. Die Analysen unter dem Aspekt „Sprechsprachliches" haben eine Mittellage zwischen umgangssprachlicher Nachlässigkeit (Assimilationen, Kontraktionen) und an den Standardsprachnormen orientierter Deutlichkeit ergeben (vgl. 8.1.1), was als Kompromiß zwischen hörerbezogener Umgangssprache und über das Medium vermittelbarer Sprache einzuschätzen ist. Die Notwendigkeit grammatischer Normen für die Standardsprache wird in der Duden-Grammatik damit begründet, daß „eine Sprachgemeinschaft eine über regionale, soziale, berufliche und andere Schranken hinweg verständliche, in der Schule lehr- und erlernbare Sprache" 53 brauche — ein Plädoyer für die Pflege der Standardsprache. In morphologischer Hinsicht halten sich die Moderatoren weitgehend an diese Normen, von wenigen, als „Versprecher" einzustufenden Kongruenzverletzungen abgesehen. Syntaktisch ist die Rundfunksprache nicht so eindeutig einzuschätzen: Auch in den monologischen Texten treten sprechsprachliche Merkmale auf, die sonst in nicht-medialen Gesprächen zu beobachten sind. Außerdem beeinflußt der Kontext die syntaktischen Strukturen entscheidend, am auffälligsten im Bereich der An- und Absagen und der Orientierungshinweise, die zum überwiegenden Teil in elliptischen Sätzen (häufig ohne Verbalphrase) realisiert werden. Dies schlicht als Normverstoß zu werten, hieße, die Situation außer acht zu lassen. Allerdings ist der besonders beim Südwestfunk gepflegte „rein nominale Stil", der sich durch die Reduktion auf Nominalgruppen auszeichnet, 54 als syntaktische Besonderheit von Rundfunkmagazinsendungen einzustufen. Längeren Moderationspassagen, Meldungen, Berichten und Kommentaren hört man ihre schriftliche Vorbereitung an, auch wenn sprechsprachliche Mittel, ζ. B. Prolepsen, eingefügt werden, um dem Rezipienten das Hörverstehen zu erleichtern. Die folgenden Moderationen zu inhaltlich gleichen Beiträgen zeigen die syntaktischen Strukturen im NDR2-Club/SWF3-Popshop-Vergleich: 53 Duden-Grammatik "1984, S. 9. 54 Der Begriff wird hier in Abgrenzung zum „Nominalstil" (Häufung von attributiven Nominalgruppen) verwendet.

Standardsprache als Leitvarietät

301

NDR2 Der Club (28.4. 86): [...] Die Hardrocker haben Herz gezeigt und ebenfalls eine Platte für Afrika herausgebracht, die haben wir euch ja schon vorgestellt „We Are Stars". Unsere Reporterin nun in München, die Sieba Shakib, hat sich mit einigen Leuten von diesem Projekt unterhalten, unter anderem mit Ronny James Deo, und unter anderem auch mit Bob Geldof. Ich muß nich erklär-n, wer Bob Geldof ist. Zur Erinnerung noch mal ein paar Klänge von der ersten AfrikaPlatte, die ja Bob Geldof ins Rennen brachte = MUSIK, REPORTAGE ÜBER AFRIKA-PLATTEN, MUSIK Das also is die Platte der Hardrocker für die Hungernden in Afrika. „We Are Stars" heißt sie, wir werden sie sicherlich noch sehr oft hier im Club spiel-n. SWF3 Popshop (24. 4. 86): In London haben verschiedene Bands ein neues Afrika-Hilfsprojekt vorgestellt. Der Name „Hear and Aid", hör zu und hilf. Dahinter stecken Köpfe, denen ich wahrscheinlich alles zugetraut hätte, nur keine Benefiz-Platte. Sieba Shakib aus London. MUSIK, REPORTAGE ÜBER AFRIKA-PLATTEN, MUSIK „Stars" von Hear and Aid, 20 Uhr 24, hier ist immer noch der SWF3 Popshop.

Während die Club-Moderation verbal geprägt ist und der Moderator mit umgangssprachlichen Mitteln versucht, einen „einfachen" Satzbau und parataktische Fügungen zu erreichen, beschränkt sich der Popshop-Moderator auf kurze Sätze und Ellipsen, lediglich zur persönlichen Meinungsäußerung durchbricht er dieses Prinzip. Der Hörerbezug im Club bringt auch in diesem Beispiel durch Anrede und Kenntnis-Unterstellung (ich muß nich erklärn) einen verb-betonten Stil hervor, im Popshop steht die „Mitteilung" im Vordergrund, was mit knapp formulierten Sätzen korrespondiert. Von standardsprachlicher Syntax wird also in zwei Richtungen abgewichen: zum einen durch sprechsprachlich-umgangssprachliche Mittel, zum anderen durch elliptische Konstruktionen, manchmal wird beides kombiniert. Im lexikalischen Bereich bildet die Standardsprache über die Bereitstellung des Grundwortschatzes hinaus den Bezugspunkt für stilistische Effekte. Umgangssprachliche und jugendsprachliche Ausdrücke werden nur bis zu einer gewissen Grenze verwendet; wenn diese kurzfristig übersprungen wird, findet schnell ein Rückzug in das neutrale Gebiet des „normalsprachlichen" Wortschatzes statt. Recht „moderat" bewegen sich die meisten Moderatoren zwischen „normalsprachlicher" und „umgangssprachlicher" Stilebene. Ihr

302

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

Normbewußtsein läßt sie sowohl im unteren Bereich — bei „derben" oder „vulgären" Ausdrücken — als auch im oberen Bereich — bei „gehobenen" oder „bildungssprachlichen" Wörtern — „einschreiten". Die Grenze nach unten liegt vor beleidigenden, stark abwertenden und obszönen Wörtern, die — etwa im Gegensatz zur Jugendsprache — nicht in der Moderation zu finden sind, höchstens in Einzelfällen „scherzhaft" verwendet werden. Diese Grenzen ergeben sich durch außersprachliche, vor allem ethische und ästhetische Normen. Angesichts einer potentiell heterogenen Hörerschaft muß auf unterschiedliche Normvorstellungen Rücksicht genommen werden, um Tabubereiche nicht anzutasten und Normkonflikte zu vermeiden. „Harmlose" — aber in Rundfunksendungen für Jugendliche wesentliche — Beispiele für die Einhaltung von Normen sind Meinungsäußerungen des Moderators zur Musik, die überwiegend positiv ausfallen (vgl. 6.3). Negativ „darf" jedoch die Art von Musik bewertet werden, die den Geschmacksnormen der Zielgruppe nicht entspricht, im Falle der Jugendsendungen vor allem Volkslieder und Schlagermusik (Beispiel in den Sendungen: Heino) sowie von großen Teilen des Publikums abgelehnte Popmusik (Beispiel Modern Talking). Die „Musiknormen" der Rezipienten werden vermutlich vom Rundfunk mit beeinflußt, so daß hier Wechselwirkungen zu verzeichnen sind. Rücksichtnahme auf die Hörer bedeutet für die sprachliche Realisierung auch, zu „hohe" Stilwerte zu vermeiden, um den Hörerbezug nicht durch „abgehobenes" Sprachverhalten zu gefährden. Gelegentlich erscheinen bildungssprachliche Ausdrücke gewissermaßen unbemerkt in der Moderation (eine illustre Anzahl C), meist werden sie jedoch des Stileffekts wegen verwendet, häufig kontrastiert mit umgangssprachlichen Elementen: Wie«« sc alt werden,

werden

se senil H L

Das Problem, einen zu „hohen" (bildungssprachlichen) Ausdruck gewählt zu haben, löst der Moderator im folgenden Beispiel, indem er das Wort thematisiert und selbstironisch zurückweist: (Hitparade) 25 is stagniert = „La Isla Bonita" mit Madonna. + Stagniert = + was ein schönes Fremdwort für einen Disjockey mit einem mittleren IQ, klasse. H L

Standortbestimmung der Mediensprache: „Varietäten-Mix"

303

Die Standardsprache erweist sich bei Grenzfällen als „sicherer O r t " , wenn verschiedene Interessen („breite" Öffentlichkeit versus „persönlicher" Hörerbezug) vereint werden müssen, sie ist auch in dieser Hinsicht Leitvarietät. Textsortenabhängig sind verschiedene Präferenzen in der „Stilwahl" auszumachen, allerdings enthalten auch primär informative Texte nicht nur Standardsprache, sondern werden ζ. T. unterhaltsam aufbereitet, wofür der umgangssprachliche Wortschatz durch Metaphorik und Expressivität viele Möglichkeiten bietet. Mit der Verwendung von Standardsprache in den Rundfunksendungen ist meist eine gewisse Ernsthaftigkeit verbunden, vermutlich in Anlehnung an die standardsprachlich formulierten Nachrichtentexte. Dies könnte dazu führen, daß die Rezipienten alle nicht ausschließlich standardsprachlichen Rundfunktexte für weniger wichtig und für nicht ernstzunehmen halten. Standardsprache als Signal für „Ernst" (gegenüber „Spaß") hat in den reinen Unterhaltungssendungen kaum Platz, von den eingeschobenen Verkehrsmeldungen abgesehen. Als durchgehende Tendenz der Sprache in Rundfunksendungen für Jugendliche ist zu erkennen, daß die Standardsprache, die der anonymen, asymmetrischen und öffentlichen Situation adäquate Varietät, mit „mediengeeigneten" umgangssprachlichen Elementen durchsetzt ist. Darüber hinaus werden je nach Konstellation und in Abhängigkeit von der Zielgruppe Elemente anderer Varietäten in die Mediensprache einbezogen, was zum Abschluß der Analysen zusammenzutragen ist.

8.5.

Standortbestimmung der Mediensprache: „Varietäten-Mix"

Die vorausgegangenen Analysen sind aspektreicher ausgefallen, als sie zunächst geplant waren. Ihre Funktionsvielfalt, aber auch die stilistische Vielschichtigkeit innerhalb der Funktionsbereiche lassen „Mediensprache" als „ M i x " 5 5 aus verschiedenen Varietäten und

55 Mix DUW: Fachsprache Jargon ,Gemisch, spezielle Mischung'.

304

Varietätenanalyse — Stile der Mediensprache

Funktionalstilen erscheinen. Nachdem die „Zutaten" aus den Texten herausgearbeitet wurden, ist nun noch etwas zum „Mischungsverhältnis" zu sagen. Die Standardsprache bildet die Basis für die Realisierungsmöglichkeiten der Mediensprache, und zwar auf allen Strukturebenen vom Phonem bis zum Satz. Damit ist Mediensprache deutlich auf Standardsprache bezogen, sie kann auch ganz in ihr liegen, was bei einigen Textsorten (ζ. B. Nachrichten) der Fall ist, womit jedoch bei weitem nicht das gesamte Spektrum erfaßt ist. 56 Moderation, als das in den Magazinsendungen zentrale Textsortenbündel, und die aus verschiedenen Textsorten schöpfenden Wortbeiträge beziehen zahlreiche Elemente aus den Varietäten Umgangssprachen, Fachsprachen und Gruppensprachen ein. In den Rundfunksendungen für Jugendliche nehmen dabei umgangssprachliche Elemente den größten Raum ein: Quantitativ ist über die Standardsprache hinaus auf der lexikalischen Ebene Umgangssprache am stärksten vertreten, wobei vor allem Metaphorik und Dynamik im umgangssprachlichen Wortschatz genutzt werden. Die regionale Differenzierung von Umgangssprachen ist nur ansatzweise aus dem Material nachzuvollziehen, im großen und ganzen sind im Gegenteil Vermischungs- und Vereinheitlichungstendenzen zu beobachten. Im Südwestfunk finden in eine regional „neutrale" Moderation nur gelegentlich süddeutsch gefärbte Umgangssprachen, jedoch auch norddeutsche Anklänge, Eingang. Dagegen wird beim Norddeutschen Rundfunk „betont" norddeutsch gesprochen, was durch einige lexikalische Besonderheiten, vor allem aber durch die lautliche Realisierung der Umgangssprache, umgesetzt wird. Dialektäußerungen werden außerhalb der O-Ton-Einspielungen als unterhaltende Stilmittel verwendet, fast nie „selbstverständlich" in die Moderation integriert. Die „Aussprachegenauigkeit" ist bei fast allen Moderatoren zwischen „gemäßigter Hochlautung" und umgangssprachlicher Nachlässigkeit einzustufen. Syntaktisch werden sprechsprachliche Beson56 Vermutlich gründen sich die Einordnungen von Mediensprache als Funktionalstil auf diesen Ausschnitt aus der Sprachform.

Standortbestimmung der Mediensprache: „Varietäten-Mix"

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derheiten genutzt, darüber hinaus spezifische Formen besonders gepflegt. Am auffälligsten ist der „rein nominale" Stil, der Ellipsen ohne Verbalphrasen als kontextgebundene Äußerungen hervorbringt. Die Aussparung der Verbalphrase, vor allem bei Orientierungs- und Strukturierungsäußerungen, steht in direkter Abhängigkeit zur permanent vorhandenen Situation „laufende Rundfunksendung". Der Einsatz umgangssprachlicher Mittel ist in hohem Grade von der jeweiligen Funktion eines Rundfunktextes abhängig, allerdings nicht eindeutig zuzuordnen; man denke beispielsweise an das Nebeneinander von sachlicher Nennung der Senderbezeichnung in der Moderation und „Sprucheinspielung" zur Senderkennung. Tendenziell wird für dialogische Funktionen und zur Kommentierung am stärksten aus der Umgangssprache geschöpft. Abwertende Meinungsäußerungen sind fast ausschließlich umgangssprachlich (meist sogar „salopp" markiert), die Wahl der niedrigeren Stilebene steht in Zusammenhang mit der Abwertung. Ferner erzeugen die „lockeren" metaphorischen umgangssprachlichen Wendungen eine weniger ernste Wirkung als die Standardsprache. So sind „Show"-Elemente deutlich umgangssprachlich geprägt, wobei hier teilweise andere Varietäten spielerisch einbezogen werden. Die Gruppensprache der Jugendlichen hat in Sendungen für junge Leute besondere Bedeutung im Hinblick auf den „Zielgruppenbezug" (vgl. Kap. 9). Hier sei zunächst der strukturelle Beitrag der Jugendsprache zur Mediensprache zusammengefaßt: Einige jugendsprachliche Ausdrücke können als Signalelemente interpretiert werden, quantitativ bedeutender sind jedoch Jugendsprachprinzipien, die sich in abgeschwächter Form auch in der Umgangssprache finden. Hyperbolisierend wirken Verstärkungen und Intensivierungen, vom Entzückungswort bis zur Affixoidbildung. Dabei erhält die positive Steigerung bei den Moderatoren deutliches Übergewicht, abwertende Ausdrücke kommen zwar vor, werden jedoch meist umgangssprachlich „locker" realisiert. Zur Expressivitätssteigerung in der Moderation dienen vor allem metaphorische Ausdrücke. Als weiteres übergreifendes Prinzip erweist sich die Bedeutungsveränderung, insbesondere -erweiterung, standardsprachlicher oder umgangssprachlicher Wörter und Wendungen, die ζ. T. mit Metaphorisierung einhergeht.

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Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

Mit solchen „erweiterten" Ausdrücken wird — meist kommentierend — die immer gleiche Moderationsaufgabe „An- und Absage von Musik" variiert. Diese Variation realisieren einige Moderatoren durch kreative Elemente, vom „treffenden" Vergleich bis zu lautmalerischen Sprachspielen. In der Struktur mancher Sendungen spiegelt sich das spielerische Moment als „durchgehender Unernst", wenn „Show"-Elemente rasch aufeinander folgen. Authentischer „Jugendton" wird von extremer Sprechsprachlichkeit und gesprächsspezifischen Mitteln getragen. Hiervon gibt es in der Moderation von Rundfunksendungen situationsbedingt nur Ansätze, da „Gruppengespräche" praktisch nicht möglich sind, aber dennoch ansatzweise durch „Dialogisierung" monologischer Texte inszeniert werden. Überlagert wird die jugendnahe Dialogizität von der Einseitigkeit der „Gesprächsversuche" und von medienspezifischen Anredeformen (vgl. 6.4). Großen Anteil am „Jugend-Wortschatz" nehmen die Moderatoren über das „Jugend-Thema" Rock-/Popmusik, das lexikalisch vom Fachwort bis zum Rockszene-Jargon erfaßt wird. Den Hauptanteil am Musik-Wortschatz haben umgangssprachliche und „normalsprachliche" Wörter, die selbstverständlich verwendet werden, auch wenn ihre Bedeutung im jeweiligen Kontext nicht eindeutig zu bestimmen ist. Es wird mit Souveränität über das „Fach" gesprochen, Kenntnisse werden weniger vermittelt als vorausgesetzt. Werden Informationen zur Rock-/Popszene, seien es Tournee-Daten oder Klatsch über Popstars, als „Neuigkeiten" mitgeteilt, geschieht dies wiederum unter Voraussetzung von Grundkenntnissen zu diesem Bereich. „Rundfunkjargon" wird in den untersuchten Sendungen gewissermaßen als Werkstattsprache verwendet, wenn der Sendungsablauf oder einzelne Programmpunkte thematisiert werden. Hierbei geht die fachsprachliche Bedeutung der Ausdrücke meist aus dem Kontext hervor, der Hörer erlebt sozusagen Fachsprache im Fachbereich selbst. Wichtig ist im „allgemeinen" Rundfunkprogramm die Vermittlerfunktion der Medien, vor allem bei politischen und wirtschaftlichen Fragen oder bei der Vorstellung von Forschungsergebnissen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen. Diese Medienfunktion wird in den

Standortbestimmung der Mediensprache: „Varietäten-Mix"

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Rundfunksendungen für Jugendliche nur sehr begrenzt erfüllt, wenngleich je nach Thema ein bestimmter Fachwortschatz einbezogen wird, gelegentlich auch mit Erläuterungen. Während das MusikFachvokabular Nähe zur Jugendsprache zeigt, erfolgt die Vermittlung anderer Fachausdrücke im umgangssprachlichen oder standardsprachlichen Umfeld. Wie in 8.4 angesprochen, wird mit Hilfe der Standardsprache der Einsatz von Mitteln aus verschiedenen Varietäten „relativiert", bedingt durch die öffentliche Kommunikationssituation. In phonologischer und syntaktischer Hinsicht ist das Postulat der „Verständlichkeit ohne Rückfragemöglichkeit" entscheidend. Lexikalisch scheinen die Grenzen für die Verwendung umgangssprachlicher und jugendsprachlicher Elemente vor allem von den vermeintlich in „der Öffentlichkeit" herrschenden Normen bestimmt zu sein, die aus Überlegungen der Kommunikatoren zu ethischen und ästhetischen Vorstellungen des Publikums hervorgehen. Dieses Publikum ist zunächst die Zielgruppe, der man im Falle der Jugendsendungen beispielsweise auch stärker abwertende umgangssprachliche Ausdrücke „zumuten" könnte, zumal diese in der Jugendsprache nicht so stark negativ konnotiert sind. Hier geriete man jedoch in Konflikt zu den Ansprüchen, die die öffentliche und damit für jeden zugängliche Situation stellt. Allerdings sind im Vergleich zu anderen Sendungen die situativ bedingten Grenzen in den untersuchten Rundfunksendungen für Jugendliche durchlässiger, so daß zeitweise weit in die Bereiche der einzelnen Varietäten vorgedrungen wird. Da die Moderatoren zwischen dem Bezug zur Zielgruppe und zur allgemeinen Öffentlichkeit Kompromisse eingehen müssen, entstehen „Stilbrüche" insofern, als verschiedene Sprachformen heterogen verknüpft werden, beispielsweise ein einzelner umgangssprachlicher Ausdruck in standardsprachlicher Umgebung erscheint. Die funktional angelegte Analyse hat medienspezifische Stilmerkmale aufgezeigt, insbesondere einen hohen Anteil an Strukturierungsmitteln und auf Musik bezogene Moderationsäußerungen, die elliptisch in den Kontext eingebettet sind. Artikulatorisch erscheint das hohe Sprechtempo und die Prosodie mit nur wenigen Zäsuren als spezifisch mediensprachlich.

308

Varietätenanalyse - Stile der Mediensprache

„Typisch mediensprachlich" ist die heterogene Mischung, die je nach Moderator, Zielgruppe und Medienaussage variiert, also der „Varietäten-Mix". Daß Mediensprache keine eigene Varietät darstellt, ist unmittelbar einsichtig, da sie der Leitvarietät Standardsprache näher steht als beispielsweise die Gruppensprachen. Daraus läßt sich jedoch nicht folgern, daß Mediensprache ein Funktionalstil und damit Teil der Standardsprache ist. Die erste Einschränkung für die Annahme eines publizistischen Stils liegt bereits darin, daß nicht eine Funktion auszumachen ist, die durch Medien erfüllt wird. Insgesamt wurde bei den Struktur- und Stilanalysen deutlich, daß das auffallendste Merkmal der Medienkommunikation die Funktionsvielfalt ist. Damit müßte der „Stil der Medien" notwendigerweise zumindest quer zu den übrigen Funktionalstilen angesiedelt werden. Daß auch damit die Vielschichtigkeit der Mediensprache nicht hinreichend berücksichtigt ist, hat die Varietätenanalyse gezeigt. Daher wird hier vorgeschlagen, Mediensprache als vagabundierende Sprachform zwischen die durch Funktionalstile differenzierte Standardsprache und die anderen, auf die Standardsprache bezogenen Varietäten einzuordnen. „Vagabundieren" soll vor allem die flexiblen Handhabungsmöglichkeiten der Sprachform Mediensprache andeuten. Schon die Analyse der Sprachverwendung einer bestimmten Konstellation, nämlich von „Rundfunksendungen für Jugendliche", brachte das Ergebnis „Varietäten-Mix". Es ist zu erwarten, daß aus Analysen, in die weitere Konstellationen, d. h. andere Medien und andere Zielgruppen, einbezogen würden, eine mehrfach gemischte Sprachform „Mediensprache" als Resultat hervorginge. Unter Berücksichtigung der Analyseergebnisse ist das Varietätenmodell (vgl. 4.1) folgendermaßen zu ergänzen:

Standortbestimmung der M e d i e n s p r a c h e : „Varietäten-Mix"

309

1

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7

Gruppensprachen

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Fachsprachen

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57 — alltäglicher, — arbeitspraktischer, — wissenschaftlicher, — literarisch-künstlerischer

Verkehr

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regionale Umgangssprachen

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9. Jugendkommunikation über Medien?

Nach dem Versuch, die Mediensprache in das Gesamt der deutschen Sprache einzuordnen — soweit dies aus dem hier zugrundegelegten Material möglich ist (vgl. 8.5) —, werden nun die Ergebnisse zur speziellen Fragestellung der Arbeit, zum Verhältnis zwischen Jugendsprache und Mediensprache, zusammengestellt, indem die Thesen (vgl. S. 3 ff. und spezieller S. 93 ff.) aufgegriffen und gegebenenfalls modifiziert werden. Hierbei interessiert insbesondere, wie der Zielgruppenbezug in Rundfunksendungen für Jugendliche hergestellt wird und welche Rolle die Jugendsprache für die Mediensprache spielt. Ohne die Ergebnisse im Detail zu wiederholen, wird kurz angesprochen, inwiefern die folgenden Faktoren zur „Jugendkommunikation" über den Rundfunk beitragen: — — — —

Themenauswahl (Kap. 5) 1 Witzig-lockerer Gesamteindruck und „Show" (Kap. 5/ 6.5/ 7) Wertung innerhalb der Gruppennormen (6.3) „Fachkommunikation" im Kompetenzbereich der Zielgruppe (8.2)

— Dialogisches (6.4) — Umgangssprache (8.1) — Jugendsprachliche Prinzipien (8.3) Thematisch berücksichtigen alle Konzepte für Jugendsendungen im weiteren Sinne die Musikinteressen des Zielpublikums, in gewisser Weise definieren sie ihre Zielgruppe über „Rock-/Popmusik". Über 1

Die Angaben in Klammern beziehen sich auf die Kapitel bzw. Abschnitte, in denen der jeweilige Faktor ausführlich behandelt wurde.

Jugendkommunikation über Medien?

311

diesen, auch quantitativ bedeutenden Bereich hinaus ist das Themenspektrum vielfältig, womit den unterschiedlichen Interessen Jugendlicher Rechnung getragen wird. „Jugendprobleme" werden behandelt, allerdings längst nicht so intensiv wie in den „klassischen" Jugendsendungen vor der Öffnung für „junge Erwachsene" bzw. „Junggebliebene", mit der eine erhebliche Erweiterung der Zielgruppe einhergeht. Einige bei Jugendlichen besonders beliebte Sendungen geben der Unterhaltungsfunktion höchste Priorität. Hier sorgen witzige — auch „alberne" — Elemente für einen „lockeren" Gesamteindruck. Neben speziellen „Show"-Einlagen (Sketche etc.) erhält die Moderation Showcharakter durch betonte Lässigkeit, was jugendliche Hörer beispielsweise so kommentieren: Der ist so bekloppt, daß ich ihn schon wieder witzig finde.1

Der betreffende Moderator meint zustimmend: Genau das ist es, der hat begriffen, worum es geht. Das ist so kaputt, daß es praktisch jedem einleuchten müßte, daß das, was ich sage, nicht ernst ist.3

Bei der „überdrehten" Moderation ist die Frage nach dem Hörerbezug sehr diffizil: Einerseits wird durch Selbstdarstellung, übersteigerte Kommentare und „Anmache" bewußt Distanz geschaffen; andererseits imponiert gerade dies vielen Jugendlichen, wirkt auf sie unterhaltend und ruft Sympathien für den Moderator hervor. Die hierbei entstehende „treue" Hörergemeinde ist eher „Fangemeinde" denn Moderator-Hörer-Gemeinschaft. Eine Art „Club"-Gemeinschaft wird am intensivsten in den NDR2-Jugendsendungen (Der Club) gepflegt, beim Südwestfunk ist die entsprechende Gruppierung die SWF3-Hörerschaft, die jedoch über die Jugend hinausgeht und zudem weniger stark betont wird. Der relativ feste Zusammenhang zwischen den Einzelsendungen der C/wb-Sendereihe, öffentliche C/ttb-Veranstaltungen und Außenübertragungen sowie die Referenz auf Insider-Wissen sind nur einige Faktoren zur Stabilisierung der Gemeinschaft. Für die Herstellung und 2

17jähriger Gymnasiast in einem Gespräch a m 6. 5. 88.

3

E l m a r Hörig, S W F 3 , am 15. 5. 88 mündlich.

312

Jugendkommunikation über Medien?

Aufrechterhaltung des Gemeinschaftsgefühls entscheidend ist die Einhaltung von Gruppennormen, was — dem Gegenstand der meisten Sendungen angemessen — vor allem in bezug auf Musik deutlich wird. Primär positive Kritik und persönliche Meinungsäußerung bewegen sich im Rahmen dessen, was als „durchschnittliche Jugendmusik" aufgrund der Hitlisten gelten kann. Die Liebhaber „extremer" Musikrichtungen hören die am durchschnittlichen Geschmack orientierten „gemäßigten" Jugendsendungen ohnehin nicht und werden daher kaum als Zielgruppe anvisiert. Der Musikgeschmack des jugendlichen „Massenpublikums" entscheidet über die ästhetischen Normen, die der Sendung zugrundegelegt werden; umgekehrt beeinflußt die im Rundfunk gespielte Musik diesen Geschmack. Zum Aufbau und Erhalt der Moderator-Hörer-Gemeinschaft trägt in besonderer Weise die „Fachkommunikation" über Rock-/ Popmusik bei. Kenntnisse werden beim Hörer meist vorausgesetzt, ζ. T. „nebenbei" vermittelt, wobei der jugendliche Rock-/Popmusikkenner als Mitglied derselben Gruppe von Musikinteressierten angesehen wird wie der Moderator. Diese Suggestion durchbricht der Moderator jedoch, wenn er seinen „Vorsprung" — etwa, daß ihm eine noch nicht veröffentlichte Platte vorliegt — „ausspielt", um zu betonen, daß die Sendung etwas Besonderes bietet. Hierbei stellt sich der Moderator eindeutig auf die Kommunikatorseite, womit er den Hörer auf die Rezipientenseite verweist. Das Gruppengefühl ist also nur ein Faktor des Zielgruppenbezugs, ein anderer ist die vom Kommunikator angebotene Leistung, die der Rezipient in Anspruch nehmen kann. Eine persönliche Beziehung zwischen Moderator und Hörer suggerieren dialogische Elemente wie Anredeformen und andere „Kontaktelemente" (ζ. B. Partikeln, Imperative, Fragen) wie. Für die These einer angestrebten Moderator-Hörer-Gemeinschaft sprechen die pronominalen Anredeformen du bzw. ihr sowie das Hörer und Moderator bezeichnende Wir (pl. benevolentiae); für klare Fronten zwischen Moderator und Hörer sorgen die Formen Sie als Höflichkeitsform, ζ. T. aber auch ihr — wenn man berücksichtigt, daß das Duzen heute nicht notwendig ein persönliches Verhältnis voraussetzt — sowie das Wir, mit dem der Moderator sich und das Redaktionsteam bezeich-

313

Jugendkommunikation über Medien?

net. Alle Anredeformen sind prinzipiell auf den Hörer bezogen, sei es als „Gruppenmitglied" oder als Gegenüber. Bei Anredevermeidung entfällt dieser Hörerbezug, da keine Relation zwischen M o d e r a t o r und Hörer hergestellt oder — für die Medienkommunikation passender — kein Kommunikationspartner „entworfen" wird. Nun ist die zentrale Frage aufzugreifen, inwieweit die Übernahme von Elementen aus den dem Hörer vertrauten Varietäten zum Zielgruppenbezug beiträgt. Die Varietätenanalysen zur Umgangssprache und zur Jugendsprache haben ergeben, daß diese Spielarten, vor allem die Umgangsprache, in den Sendungen auch quantitativ wichtig sind. M i t umgangssprachlichem Wortschatz und sprechsprachlicher Syntax wird die „Nähe zum H ö r e r " gesucht, was von Jugendlichen insgesamt positiv eingeschätzt wird. Die regional vergleichende Analyse ergab nur geringe Nord-Südwest-Unterschiede, so daß Mediensprache

— obgleich

umgangs-

sprachlich geprägt — überregional erscheint. Die T h e s e von der Nord-Süd-Differenz (vgl. 1.2) läßt sich mit dem hier zugrundegelegten Material nicht belegen, was ζ. T. in der Struktur des S W F als überregionalem Sender begründet liegt. Etwas deutlicher sind die Unterschiede zwischen der Sprache einiger N D R - M o d e r a t o r e n , die eine „betont" norddeutsche Aussprache pflegen, und weniger S D R - M o deratoren, deren Dialekt die Standardsprache oder die Umgangssprache der Moderation regional f ä r b t . 4 Allerdings ist die weitgehende Einheitlichkeit nur für die Moderation festzustellen; in O - T o n - E i n spielungen sprechen Jugendliche in Süddeutschland regional geprägte Umgangssprache oder Dialekt, während sie in Norddeutschland eine ähnlich regionale Aussprachefärbung zeigen wie die Moderatoren. Die mediale Kommunikationssituation führt zu Einschränkungen des umgangssprachlichen Sprechens, auch in phonologischer Hinsicht. Vor allem der Öffentlichkeitscharakter bedingt ethische und ästhetische Grenzen, so daß Stilebenen „unterhalb" des umgangssprachlichen Wortschatzes kaum Eingang in die Moderationssprache 4

Größere Unterschiede treten zwischen M o d e r a t i o n e n des

Norddeutschen

Rundfunks und des Bayerischen Rundfunks auf, zumal diese Rundfunkanstalten regionale F ä r b u n g positiv einschätzen und „fördern".

314

Jugendkommunikation über Medien?

finden (vgl. 8.4f.). Diese Einschränkungen gelten prinzipiell auch für die Jugendsprachverwendung, die zudem unter weiteren Aspekten kritisch betrachtet werden muß: In den Thesen unter 4.4 wurde behauptet, die Übernahme von Signalelementen, die einen hohen Erkennungswert („typisch jugendsprachlich") aufweisen, könne die Varietät der Zielgruppe scheinbar in die Moderation einbeziehen und so „Annäherungen" schaffen, die allerdings auch als „Anbiederung" empfunden und abgelehnt werden könnten. Solche Signalelemente, die als jugendsprachliche Versatzstücke in die Moderation eingehen, wurden nur gelegentlich beobachtet; der jugendsprachliche Wortschatz ist im Vergleich zum umgangssprachlichen schwach vertreten. Allerdings muß die Struktur der Jugendsprache berücksichtigt werden, deren spezifische Formen nicht nur — wie Wörter- und Sprüchesammlungen suggerieren — auf einem Sonderwortschatz beruhen, sondern vor allem auf der Präferenz bestimmter Prinzipien der Sprachverwendung, die auch mit umgangssprachlichem und standardsprachlichem Wortmaterial aktualisiert werden. Solche Prinzipien wurden in vielen der untersuchten Rundfunksendungen angetroffen. Besonders auffällig sind Tendenzen zur Metaphorisierung, Hyperbolisierung, Dynamisierung, zu spielerischem Umgang mit Sprache (Kreativität, Experimentierfreudigkeit) und zur Einbettung englischer Elemente in den deutschen Kontext. Die Umsetzung dieser Prinzipien bringt „Signalelemente für Jugendsprache" hervor, am deutlichsten beim quantitativ wichtigsten Stilprinzip, der Hyperbolisierung durch verstärkende, intensivierende und Extreme ausdrückende Mittel (vgl. 8.3.1). Auf der syntaktischen Ebene wird der authentische „Jugendton" lediglich ansatzweise nachempfunden, oft sogar als besonderes Stilmittel eingesetzt. Allerdings wäre eine Übernahme der gesprächsbestimmten Strukturen auch nicht situationsadäquat. Mit der Dialogisierung monologischer Texte werden Gesprächssituationen simuliert, und zugleich wird die dem Kommunikator und den Rezipienten bewußte Unangemessenheit von Gesprächsstrukturen spielerisch ausgenutzt. Gelegentlich wird Jugendsprache in den Sendungen reflektierend aufgegriffen, wenn Signalwörter wie geil thematisiert werden. Das in zahlreichen Zeitungsar-

Jugendkommunikation über M e d i e n ?

315

tikeln zur „Sprache der Jugend" gezeichnete Medienbild wird von den Rundfunksendungen des Korpus kaum ergänzt oder modifiziert, beim Rundfunk steht die Sprachverwendung im Vordergrund. Als Anbiederung empfinden Jugendliche am ehesten den vermeintlich jugendsprachlichen Wortschatz, den sie auch im Bereich der Musik ansiedeln. So wurden Wörter wie Scheibe ,Schallplatte' (DUW: ugs) oder Opener,Eröffnungsmusikstück' (DUW: —) von Jugendlichen im Gespräch als Medien-Jugendsprache „entlarvt". Sprüche, die strukturell den Jugendsprüchen ähneln, kommen in den Sendungen meist in Einspielungen vor, so daß sie gewissermaßen markiert erscheinen. Diese in Nicht-Jugendsendungen seltener anzutreffenden Sendesegmente erscheinen als ein Teil von Jugendkommunikation, der von den Rezipienten genauso positiv oder negativ eingeschätzt werden kann wie authentische Jugendsprüche auch. Der Fragebogenaktion ist u. a. zu entnehmen, daß Jugendliche appellative Elemente in der Moderation als zu starke Annäherungsversuche empfinden. Stark expressive, mit Verstärkungen gebildete Wertungen wirken auf einige ebenfalls „aufdringlich". 17- bzw. 18jährige Gymnasiasten lehnten im Gespräch jegliche „übertriebene" Wertung als Anbiederung ab, wobei sie selbstbewußt die Unabhängigkeit ihrer persönlichen Meinung betonten. Hyperbolisierungstendenzen und einzelne Lexeme werden als „gewollt" jugendsprachlich angesehen, während die weitaus meisten Moderationselemente als „normal" akzeptiert und kaum beachtet werden. Die Nicht-Beachtung ist jedoch das, was Moderatoren nicht erreichen wollen bzw. sich angesichts der Konkurrenz nicht leisten können; so läßt sich die Verwendung stilistisch auffälliger Mittel erklären. Verstärkungsausdrücke verlangen zudem nach mehrmaligem Gebrauch eine Steigerung, um weiterhin ihre Funktion zu erfüllen; dieses Problem wird mit dem jugendsprachlichen Prinzip aus der Jugendsprache übernommen. Die Verwendung von Jugendsprache in der Moderation unterliegt situativen Einschränkungen: Der Faktor „öffentlich" verlangt Rücksichtnahme auf alle potentiellen Hörer über die Zielgruppe hinaus. Hieraus ergibt sich die „Reinigung" des „Jugendstils" von zu stark abwertenden und allzu „extremen" Ausdrücken, die für Jugendliche jedoch nicht so deutlich negative Konnotationen haben wie aus der

316

Jugendkommunikation über Medien?

Perspektive der Standardsprache. Daher hat die Formulierung „bereinigter Jugendstil" in der Kernthese ihre Berechtigung. Darüber hinaus sind die sprechsprachlichen Elemente auf ein medial bedingtes Maß beschränkt, da in der Medienkommunikation „Verständlichkeit vor Jugendton" gilt. Ebenfalls situativ bedingt ist die Unmöglichkeit, „Jugendgespräche" zu führen, womit ein weiterer Teil der Jugendsprache ausgeblendet wird, der mit der Dialogisierung monologischer Texte kaum nachempfunden werden kann. Die Grenzen des „öffentlich Akzeptablen" anzutasten oder kurzfristig zu überschreiten, ist eine Form der Hinwendung zum jugendlichen Hörer. Wirklich persönlichen Kontakt herzustellen, die medial bedingte Distanz aufzuheben, scheitert jedoch an der Situation der unidirektionalen Medienkommunikation. Der Versuch zeigt den „guten Willen", was einerseits eine Gemeinschaft zwischen Hörer und Moderator suggeriert, andererseits als lächerlich empfunden werden kann. In Rundfunksendungen werden Gruppensprachen neben anderen Varietäten in die Standardsprache hineingeholt, wobei zwischen Zielgruppenbezug und medialer Kommunikationssituation Kompromisse geschlossen werden. Daß die Moderatoren für die meisten Jugendlichen keine „echten" Gruppengesprächspartner sein können, bedeutet nach Meinung eines von mir interviewten Gymnasiasten auch eine Einschränkung ihrer Wirkungsmöglichkeiten. Ein 17jähriger Schüler äußert eine interessante Wirkungsthese, die durchaus mit dem interactive-perspective-Ansatz (vgl. 3.5) vereinbar ist: Sprachwirkungen seien — im Gegensatz zu „Musikwirkungen" — unwahrscheinlich, da die Übernahme „neuer" Wörter auf Gegenseitigkeit beruhe, als „Austausch" ablaufe, was nur in der Gruppe gewährleistet sei, während der Rundfunk lediglich mit einiger Verzögerung indirekt (hinten rum) neue Ausdrücke verbreiten könne. Sicher lassen sich die komplexen Faktoren für Medienwirkungen nicht auf den Gruppenaspekt reduzieren, dennoch scheint mir der Gedanke im Prinzip zuzutreffen. Daß kaum direkte Wirkungen eintreten, steht außer Frage, 5 aber daß häufig verwendete Ausdrücke oder Struktu5

Auch die Jugendlichen des Gruppengesprächs (6. 5. 88) griffen — trotz des erhöhten Bewußtseins für die Sprachverwendung der Moderatoren — nach ein-

Jugendkommunikation über Medien?

317

ren von den Hörern aufgegriffen werden, ist keineswegs ausgeschlossen. Je stärker die „Bindung" an den Moderator, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für Sprachwirkungen. Am schnellsten übernommen werden Meinungen, die nicht im Widerspruch zu Gruppennormen, beispielsweise jugendsprachliche Normen, stehen. Ein starker Hörerbezug erhöht also die Wirkungsmöglichkeiten. Inwieweit Sprachwirkungen über Medien tatsächlich eintreten, ist bisher kaum empirisch untersucht und aus dieser Arbeit nur als Hypothese abzuleiten. Die Kenntnis von Strukturen der Moderation (vgl. 7.2.3/7.3) hat gezeigt, daß die Kompetenz zur „Texterkennung" und ansatzweisen Realisierung von Moderationstextsorten vorhanden ist. Das Prinzip der Hyperbolisierung wird von den meisten Jugendlichen als typisch erkannt. Im Vergleich zu Erwachsenen sind Jugendliche zudem in der Lage, der Moderation stilistisch „treffende" — mit den authentischen vergleichbare — Ausdrücke zuzuordnen, was ihre Medienerfahrungen widerspiegelt. Inwieweit die zumindest teilweise beherrschten typischen, d. h. gehäuft auftretenden „Medienausdrücke" in den eigenen Wortschatz aktiv einbezogen werden, hängt von den individuellen Voraussetzungen und den kommunikativen Anforderungen ab. Zur Wirkung des Moderatorausdrucks gefloppt meint eine 17jährige Schülerin: Ich brauche eigentlich dieses Wort „floppen" gar nicht.6 Hinzuweisen ist zur Einschätzung der Wirkungsmöglichkeit der Mediensprache auch auf Nutzungsgewohnheiten Jugendlicher (vgl. 3.4), die meist „nebenbei" mit relativ geringer Aufmerksamkeit Radio hören. Mediennutzung ist zudem nur eine von vielen Aktivitäten der Jugendlichen, ein Teil des kommunikativen Netzes, in das sie eingebunden sind. Der Stellenwert des Rundfunkhörens und seine Funktionen variieren individuell, ebenso sind die kommunikativen Rahmenbedingungen jeweils verschieden, so daß Sprachwirkungen bei jedem Rezipienten anders auftreten können.

maligem H ö r e n in der Diskussion selten den Wortlaut der M o d e r a t i o n s t e x t e auf, sondern verwendeten Synonyme. Vgl. 7 . 1 / 7 . 2 . 6

mündlich am 6. 5. 88.

318

Jugendkommunikation über Medien?

Möglichkeiten zu wirken hat Rundfunksprache vor allem dadurch, daß sie permanent (von manchen) oder häufiger (von fast allen) gehört wird: Die stilistische Mischung, die Elemente verschiedener Varietäten enthält, wirkt latent. Damit kann die Trennung von Funktionsbereichen und Stilebenen im Bewußtsein der Rezipienten unscharf werden und in ihrem Sprachgebrauch die Vermischung von Sprachformen gefördert werden. Hierbei erfüllt der Rundfunk — nicht nur positiv einzuschätzende — integrative Funktionen in sozialer (Gruppensprachen) und regionaler Hinsicht (regionale Umgangssprachen). Diese die Überlegungen zu möglichen Sprachwirkungen des Rundfunks abschließende These ist nicht nur auf jugendliche Rezipienten zu beziehen. Für Jugendliche kann ferner — unter den entsprechenden individuellen Voraussetzungen — Rundfunkkommunikation dadurch integrativ wirken, daß sie an der von den Moderatoren geschaffenen „Gruppe jugendlicher Hörer" teilhaben. Die aus idealtypischen jugendlichen Durchschnittshörern bestehende virtuelle Gruppe „Jugend" wird jedoch von den Moderatoren nicht nur bestätigt, sondern gelegentlich in Zweifel gezogen. Sie sprechen die Hörerschaft differenziert an, nehmen auf andere kommunikative Aktivitäten Bezug und erkennen (und akzeptieren?) den höheren Stellenwert der Musik gegenüber der Moderation. Trotz der relativ geringen Bedeutung der Rundfunkmoderation im Leben eines jugendlichen Hörers müssen die Moderatoren versuchen, das Publikum zu erreichen, um es ihren Aufgaben entsprechend informieren und unterhalten zu können. Für die Konstellation „Rundfunksendung für Jugendliche" erweist sich im Anschluß an die Analysen die Frage nach dem Zielgruppenbezug als mehrdimensional, was in der Neuformulierung der Kernthese festgehalten wird: Die Moderatoren von Rundfunksendungen für Jugendliche verwenden umgangssprachliche Elemente und greifen Prinzipien aus der Sprache der Zielgruppe auf, einzuschätzen als „Annäherung" und Beziehungsangebot an die Rezipienten, was von Jugendlichen wegen der — akzeptierten — Distanz der Medienkommunikation nur teilweise angenommen wird. Vor allem über das Thema Rock-/Popmu-

Jugendkommunikation über Medien?

319

sik versuchen die M o d e r a t o r e n , eine Gemeinschaft mit den Hörern zu schaffen; sie entwerfen dabei eine virtuelle Gruppe „Jugend". Der Öffentlichkeitscharakter der Rundfunkkommunikation bedingt Einschränkungen der informellen Verwendung der Gruppensprache, so daß es zu einem „bereinigten Jugendstil" in der M o d e r a tion k o m m t . Inwiefern diese Ergebnisse auf andere Medien übertragbar sind, läßt sich hier nur vermuten. Als auditives M e d i u m mit hohem Musikanteil ist Rundfunk „das Jugendmedium". Um ergänzende Informationen über Musik (Daten etc.) zu erhalten, erscheinen jedoch Jugendund Musikzeitschriften „zuverlässiger", da die gedruckten Informationen wiederholt rezipiert werden können. In den Zeitschriften wird die Musikszene ausgiebig thematisiert, was eine große Variationsbreite im Fachwortschatz mit sich bringt, wie die Arbeit von O r t n e r 7 bestätigt. Der F a k t o r Zielgruppenbezug wäre hier ebenfalls einer eingehenden Untersuchung wert. Auf das von Jugendlichen rezipierte Fernsehprogramm lassen sich die Ergebnisse schon deshalb nicht übertragen, weil hier die Faktoren zur Mediennutzung (Zeit, O r t , Intensität) völlig andere sind als beim Radio. Den Unterschied zwischen den Funkmedien Radio und Fernsehen formuliert ein Rundfunkmoderator im Gespräch sehr subjektiv so: Im Radio kann man viel mehr Gefühl rüberbringen als im Fernsehen. Fernsehen ist ja so etwas Steriles, und Radio: Das sind Möglichkeiten, das ist unendlich. [,..]8

Fernsehen und Video ergänzen den Rundfunk beim „Jugendthema" R o c k - / P o p m u s i k durch Musiksendungen mit und über „Stars" und durch Video-Clips, die heute zum Gesamtarrangement vieler Popmusik-Produktionen gehören. Für die meisten Jugendlichen trägt neben der Musik auch die „Aufmachung" (ζ. B. Kleidung) der R o c k - /

7 8

Ortner: Wortschatz der Pop-/Rockmusik 1982. Elmar Hörig, SWF3, am 15. 5. 88 mündlich.

320

Jugendkommunikation über Medien?

Popstars zur Gesamtwirkung entscheidend bei. Medien lassen sich im Hinblick auf ihren Stellenwert für die Jugendkultur kaum isoliert betrachten, schon das „Video-Clip + Schallplatte"-Beispiel zeigt die Existenz eines engen Medienverbundes. Dieser liefert insgesamt einen Beitrag zu den spezifischen jugendkulturellen Formen, die von der Kleidung bis zur Sprache aufeinander abgestimmt werden.

10. Folgerungen

10.1.

Sprachkritische Bemerkungen

Der Sprachgebrauch in den Medien ist schon immer ein bevorzugter Angriffspunkt für Sprachpfleger gewesen, da die Mediensprache aufgrund ihrer weiten Verbreitung als besonders wichtiger Faktor für Sprachveränderungen im allgemeinen Sprachbrauch angesehen wurde und wird. Die meist verurteilende Kritik beruht auf der Annahme, von den Medien gingen direkte Sprachwirkungen aus, was empirisch nicht nachgewiesen ist und unter Berücksichtigung von Ansätzen der Medienwirkungsforschung in dieser Form nicht haltbar erscheint. Das bedeutet jedoch nicht, daß keine Sprachwirkungen auftreten, im Gegenteil: Die Übernahme mediensprachlicher Ausdrücke und Strukturen verläuft als komplexer, vom Rezipienten nur selten bewußt wahrgenommener Prozeß. Diese Hypothese ist aus den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit abgeleitet als ein Aspekt der sprachkritischen Folgerungen, die zur hinreichenden Behandlung des sprachpolitisch relevanten Themas anzuschließen sind. Im heterogenen Bereich „Sprachkritik, Sprachkultur, Sprachpflege" ist auch die Terminologie uneinheitlich. Zur Begriffsklärung wird an dieser Stelle weitgehend auf v. Polenz' Ansatz 1 zurückgegriffen, der die — nicht in allen Arbeiten genügend beachtete — Unterscheidung zwischen realisierter und potentieller Sprache sowie zwischen deskriptiver und präskriptiver Sprachkritik betont. „Sprachverwendung" ist die individuelle Realisierung von Sprache, „Sprach1

v. Polenz: Sprachkritik und Sprachnormenkritik. In: Heringer (Hrsg.) 1982, S. 7 0 - 9 3 .

322

Folgerungen

verkehr" die soziale Realisierung, nämlich die „Sprachverwendung einer bestimmten Gruppe oder eines Sprachsituationstyps". 2 Um die Kritik an der Sprachverwendung der Moderatoren (ihren „Sprachverkehr" 3 ) geht es, wenn die den Analysen zugrundeliegenden Medientexte bewertet werden. Abstrahiert man von der konkret realisierten Sprache, was in dieser Untersuchung versucht wurde, so erhält man Mediensprache als abstrakte Kategorie, die als „Mediensprachbrauch" bezeichnet werden könnte. Dessen Verhältnis zum allgemeinen „Sprachbrauch" (dem „Üblichen und Normalen" in der Sprache4) muß unter dem Aspekt der Sprachwirkung betrachtet werden, um mögliche Veränderungen unter dem Einfluß der Medien festzustellen. Die Mediensprachverwendung ist umgekehrt am „Sprachbrauch" verschiedener Gruppen orientiert, so daß ihr die dort geltenden Sprachnormen ebenfalls zugrundeliegen. Deren Einhaltung vor dem Hintergrund der kodifizierten Normen der geschriebenen Standardsprache zu überprüfen, erweist sich als problematisch, da im Rundfunk das gesprochene Wort allein zählt. So sind neben „Richtigkeitsnormen" unbedingt „Angemessenheitsnormen" 5 einzubeziehen und historische Dimensionen zu berücksichtigen, da Normen aus einer bestimmten Tradition heraus entstehen, wobei ihre Entwicklung auch von außersprachlichen Faktoren abhängt. Die Tradition der Kritik an der Rundfunksprache ist so alt wie der Rundfunk selbst; im Forschungsüberblick zur Rundfunksprache wurde auf die überwiegend sprachkritischen Äußerungen aus den Anfängen des Rundfunks hingewiesen (vgl. 4.3.2). Die Normen haben sich in 65 Jahren Rundfunkgeschichte mehrfach gewandelt,

2 3

4 5

v. Polenz: Sprachkritik und Sprachnormenkritik. In: Heringer (Hrsg.) 1982, S. 72. Wegen der Einseitigkeit der Massenkommunikation erscheint dieser Begriff hier irreführend, daher wird auch die soziale Realisierung als „Sprachverwendung der Moderatoren" bezeichnet. Vgl. v. Polenz: Sprachkritik und Sprachnormenkritik. In: Heringer (Hrsg.) 1982, S. 79. Zu den Begriffen vgl. Steger: Normprobleme. In: Mogge (Bearb.): Der öffentliche Sprachgebrauch Bd. 1, 1980, S. 210 ff.

323

Sprachkritische Bemerkungen

auch in Abhängigkeit von Programmstrukturveränderungen, vor allem aber von globalen „Sprachhaltungen". Während

zunächst

mediale Angemessenheit, das

Sprechen, im Vordergrund stand,

6

„funkische"

vermutete man bald erhebliche

Auswirkungen auf den allgemeinen Sprachbrauch und stellte sprachpflegerische M a x i m e n auf: 7 „Wir müssen [...] dahin kommen, daß die Sprache, die aus dem Lautsprecher klingt, immer und in jeder Stunde mustergültig ist und auch bei den Hörern f...] als mustergültig empfunden wird."

Die Sprachpfleger betonten dabei die phonologischen Normen auf der Grundlage der „ H o c h s p r a c h e " . 8 D a ß die lautliche Realisierung von Sprache im Rundfunk so häufig thematisiert wurde, hat neben sprachpflegerischen Motiven praktische Gründe, da wegen der technischen Qualität der Rundfunkübertragung in den Anfangsjahren eine deutliche Aussprache unbedingt erforderlich war. Die Sprachverwendungskritik der 20er und frühen 30er Jahre war alles in allem weitgehend an den Anforderungen des Mediums orientiert. Abgelöst wurde sie von sprachpuristischen Ansätzen, in denen vor allem die Verwendung von Fremdwörtern im Rundfunk verurteilt wurde. Dieser Aspekt wird auch später mehr oder weniger intensiv diskutiert, teilweise sogar mit Bezugnahme auf Veröffentlichungen aus nationalsozialistischer Z e i t . 9 Präskriptive N o r m e n der Standardsprache rücken in den neueren Äußerungen zur Rundfunksprache in den Hintergrund, das dominierende Ziel ist die adäquate Sprachverwendung. „Verständlichkeit" wird dabei als wichtigstes rezipientenbezogenes Kriterium betont, ζ. T. im Rückgriff auf die schon sehr früh erhobenen Forderungen

6 7 8

9

Ζ. B. Räuscher: Hör-Stil. In: Funk, H. 29, 1928, S. 215. Sprachpflege im Deutschen Rundfunk. Bericht der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft 1933. In: Bredow: Aus meinem Archiv 1950, S. 188. Siebs stellte 1931 im Auftrage der Reich-Rundfunk-Gesellschaft einen Katalog von Regeln zur „Rundfunkaussprache" zusammen (nicht veröffentlicht). Vgl. dazu Straßner: Texte, die aufs Hören zielen. In: Mogge (Bearb.) 1980, S. 220 f. Ζ . B. bei Eich: Kritik an der Sprache im Rundfunk. In: Muttersprache 1960, S. 52 ff.

324

Folgerungen

nach „funkischer" Sprache, wenn beispielsweise der Grundsatz für Rundfunkjournalisten „Fürs Hören schreiben" 10 lautet. Vereinzelt wird daraus als Normempfehlung eine Annäherung an gesprochene Umgangssprache abgeleitet. 11 Als Gegenposition zur extremen Mündlichkeit wird von anderen die „Rückkehr zum schriftlich fixierten Text" 1 2 für den Hörfunk vorgeschlagen. Bei solchen Normempfehlungen weitgehend unberücksichtigt bleibt das seit der Verbreitung des Fernsehens veränderte Mediennutzungsverhalten. Die Rundfunksender haben ihre Programme seit den siebziger Jahren den neuen Rezipientenbedürfnissen — Rundfunk primär als Musikmedium „nebenbei" zu nutzen — angepaßt (vgl. 3.3 f.). Mit der Einführung von Moderatoren als „Programmbegleiter" sind Veränderungen in der Sprachverwendung eingetreten, denen von sprachkritischer Seite allenfalls durch Verurteilung einzelner Elemente Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der Mediennutzungsaspekt ist für die Sprachgestaltung der Rundfunksendungen wesentlich. Nicht zuletzt, um den Nutzungsgewohnheiten Rechnung zu tragen, bedienen sich die Moderatoren eines informellen Plaudertons und versuchen mit stilistisch auffälligen Mitteln, Aufmerksamkeit zu erregen. Daß die Forderung nach hör(er)gerechtem Sprechen in den Jugendsendungen weitgehend erfüllt wird, kann nach den Analysen in dieser Untersuchung bestätigt werden, insbesondere die Orientierung an der Umgangssprache mit (eingeschränkt) sprechsprachlichen Mitteln trägt dazu bei. Die medialen Einschränkungen für Sprechsprachlichkeit sind der Verständlichkeit zuträglich (deutlichere Aussprache), während die hohe Sprechgeschwindigkeit und die bei vielen Moderatoren geringe prosodische Variationsbreite verstehenshemmend wirken. Um nicht nur pauschale Sprachverwendungskritik zu betreiben, werden im folgenden einige „kritische" Punkte angesprochen, die 10 La Roche: Fürs Hören schreiben. In: Radio-Journalismus 3 1986, S. 148 — 161. 11 Vgl. Straßner: Texte, die aufs Hören zielen. In: Mogge (Bearb.) 1980, S. 225. 12 Arnold: Sprachempfehlungen für Hörfunk und Fernsehen. In: Mogge (Bearb.) 1980, S. 235.

Sprachkritische Bemerkungen

325

auffallen oder/und von professionellen Sprachkritikern und engagierten Laien aufgegriffen werden. Pragmatisch fundierte Sprachkritik bedeutet nicht, einzelne Ausdrücke zu verurteilen (oder zu loben), sondern bezieht sich auf übergreifende Tendenzen in der Sprachverwendung. Grundsätzlich ist die Kritik von Mediensprache im Zusammenhang mit möglichen Medienwirkungen zu sehen. Der quantitativ und qualitativ bedeutende Bereich der Anglizismen in der Sprache der untersuchten Sendungen ist jeweils unter verschiedenen Perspektiven angesprochen worden; es würde sich lohnen, allein unter diesem Aspekt eine Untersuchung durchzuführen. Für Jugend- und Musikzeitschriften gibt es derartige wissenschaftliche Arbeiten; beispielsweise Fink weist auf den möglichen „Einprägungseffekt" von Anglizismen hin. 1 3 Ortner widmet den englischen Einflüssen, die in „ungewöhnlicher Intensität" auftreten, ein längeres Kapitel, in dem sie „informative Fremdwörter"/„Fachwörter" und „Reizwörter" behandelt. 1 4 In den untersuchten Sendungen stehen diese Elemente häufig in direktem Zusammenhang mit der Rock-/ Popmusik, dem Hauptthema der Sendungen. Die — meist unvermittelte — Verwendung von Ausdrücken aus diesem Bereich verknüpft deutsche und englische Formen, anglo-amerikanische Sprachelemente werden an das System der deutschen Sprache assimiliert 1 5 (morphologisches Angleichen, „gemischte" Sätze), wobei die englische Sprache durch die meist englischen Musiktitel in den Sendungen ständig präsent ist. Es ist zu vermuten, daß mit der durch Medien geförderten Internationalisierung der anglo-amerikanisch dominierten Rock-/Popmusik die Verbreitung des dazugehörenden Vokabulars einhergeht. Dies drückt sich nicht unbedingt in der direkten Wirkung eines bestimmten Wortes aus, vielmehr wird mit der Sache (Pop-/ Rockmusik) auch ein Teil ihrer Benennungen aufgenommen. In der geringen Beachtung semantischer und außersprachlicher Faktoren scheint mir die Schwachstelle vieler Argumentationen zur 13 Fink: Superhit oder Spitzenschlager. In: Viereck (Hrsg.): Studien zum Einfluß der englischen Sprache auf das Deutsche 1980, S. 185 — 212. 14 Ortner: Wortschatz der Pop-/Rockmusik 1982, S. 233 - 271. 15 Vgl. Hess-Lüttich: Innovation und Schematismus: Zur ,Engländerei' in der Jugendsprache 1982, S. 22.

326

Folgerungen

Sprachwirkung zu liegen: Für den Rezipienten ist der Inhalt einer Aussage entscheidend, keineswegs ihre sprachliche Realisierung, vorausgesetzt sie kollidiert nicht mit für ihn wichtigen Normen (dies können auch Gruppennormen sein). Allerdings gibt es „Medienthemen", genauer: Multi-Media-Themen, die den meisten Menschen ausschließlich durch die (verschiedenen) Medien bekannt sind, vor allem weltpolitische Themen, aber auch Bereiche wie „Rock-/Popmusik" sind weitgehend medial vermittelt. Daher ist die Wirkung der Medien insgesamt und der spezielle Beitrag des Rundfunks nicht zu unterschätzen, gerade wenn rezipientenseitige Faktoren wie Informations- und Unterhaltungsbedürfnis berücksichtigt werden. Sprache wirkt dabei gewissermaßen „sekundär", was die Befragungen Jugendlicher in dieser Arbeit ansatzweise gezeigt haben. Die einer Musikmoderation „adäquate" Ausdrucksweise in den von Jugendlichen entworfenen Rundfunkansagen zeigt die Kompetenz der jugendlichen Musik- und Rundfunkhörer. Hinsichtlich der Moderationsstrukturen bewiesen sie Sprachkenntnis, indem sie typische Elemente der Moderation anwendeten. Spezifische Medientextmerkmale wie die an die Situation im Sendungsablauf gebundenen Orientierungs- und Strukturierungsäußerungen fanden dagegen bei Jugendlichen kaum Beachtung. Mit den Normen der Standardsprache beurteilt, sind die „rein nominalen" Ellipsen, die in der Moderation sehr häufig vorkommen, unvollständige Sätze, in denen wichtige Relationen ausgespart sind. Da diese Stilelemente in monologischen Passagen ohne direkten Hörerbezug auftreten, erscheinen sie wenig „übernahmegeeignet". Andererseits treten die Ellipsen in hoher Frequenz auf, so daß ein Gewöhnungseffekt nicht auszuschließen ist. „Wirkungsvoller" erscheint mir jedoch die Varietätenmischung in der Rundfunksprache. In der folgenden, aufgrund der Ergebnisse formulierten Wirkungsthese ist „Sprache" als aus „Sprachverwendungen" abstrahierte Kategorie zu verstehen: Durch ihre Nähe zur Standardsprache einerseits und zur Umgangssprache andererseits kann die Mediensprache verschiedene Stile und Varietäten in die Sprache der Rezipienten hineintragen.

Sprachkritische Bemerkungen

327

Das „kann" deutet an, daß tatsächliche Wirkungen nur dann eintreten, wenn beim Rezipienten die entsprechenden Voraussetzungen vorhanden sind, d. h. insbesondere, daß die Medien innerhalb des individuellen kommunikativen Netzes eine wichtige Position besetzen. Der Grundgedanke der These beruht auf dem Analyseergebnis, die Mediensprache sei im Gesamt der deutschen Sprache als „VarietätenMix" zu charakterisieren (vgl. 8.5). Da Mediensprache der Standardsprache in mehrfacher Hinsicht nähersteht als andere Varietäten, könnte ihr von den Rezipienten eine Art Vorbildfunktion zugeschrieben werden. Dies scheint tatsächlich der Fall zu sein: Das „allgemeine" Sprachnormenbewußtsein hat in den vergangenen Jahrzehnten einen Leitbildwandel von der Literatursprache weg erfahren und ist heute für viele Sprachbenutzer an Zeitungen — für schriftliche Sprachäußerungen — und Rundfunk und Fernsehen — für den mündlichen Sprachgebrauch — orientiert. 16 Dieser Wandel ist m. E. auf die große Bedeutung der Medien überhaupt und auf die Nähe der Mediensprache zur Standardsprache, der im allgemeinen hohes Prestige zugeschrieben wird, zurückzuführen. Sprachwirkungen werden durch umgangssprachliche Elemente in der Mediensprache begünstigt, da hiermit die Nähe zur alltäglichen Sprachverwendung des Rezipienten hergestellt wird. Ist Mediensprache als Orientierungsmaßstab akzeptiert, so werden auch die in ihr zusätzlich zur Standardsprache aufgenommenen Strukturen und Prinzipien aus anderen Varietäten angenommen und — unbewußt — übernommen, wobei die „Herkunftsvarietäten" der einzelnen Elemente nicht mehr unterschieden werden. Ein ausgeprägtes Sprachbewußtsein ist sicher eine Art „Schutz" vor Wirkungen; allerdings erweisen sich die in der Öffentlichkeit sprachbewußt auftretenden Menschen, ζ. B. Leserbriefschreiber, meist als pessimistische Kritiker des Sprachbrauchs. 17 Die „Schutzfunktion" könnte positiv erfüllt werden durch ein differenziertes Sprachbewußtsein, mit dem sowohl standardsprachliche als

16 Vgl. Weinrich: Wo lernt man das beste Deutsch? In: Die Welt 5. 10. 1985. 17 Vgl. dazu: Stickel: Was halten Sie vom heutigen Deutsch? - Ergebnisse einer Zeitungsumfrage. In: Wimmer (Hrsg.): Sprachtheorie — Der Sprachbegriff in Wissenschaft und Alltag 1987, S. 2 8 0 - 3 1 7 .

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Folgerungen

auch varietätenbezogene Sprachelemente im Hinblick auf ihre Berechtigung unter funktionalen und gruppenbezogenen Aspekten erfaßt werden. Diese wegen fehlender empirischer Vorarbeiten spekulative Sprachwirkungstheorie ist auf den „allgemeinen" Sprachbrauch bezogen. Für die spezielle Fragestellung dieser Arbeit geht es zudem um die mögliche Wirkung der Mediensprache auf die Jugendsprache. Die Umkehrung, daß in den Medien Jugendsprache verwendet wird, ist aus den Analysen mit Einschränkungen zu entnehmen. Unter dieser Voraussetzung könnten Medien durch Multiplikation jugendsprachlicher Elemente auch Einfluß auf die Jugendsprache selbst haben. Jugendsprache in den Medien ist „bereinigter Jugendstil" (vgl. Kap. 9), der jedermann zugänglich ist und damit einen Teil seiner gruppenbildenden und -stabilisierenden Funktionen verliert. Andererseits wird die Sprache einer virtuellen Gruppe „Jugend" erzeugt, indem einige typische Elemente der Sprachverwendung jugendlicher Peer-Groups vereinigt werden. Der von den Medien verwendete Jugendstil berücksichtigt kaum regionale und soziale Differenzen, die in authentischen Jugendsprachen sehr deutlich hervortreten. Damit wirkt Mediensprache integrativ in dem Sinne, daß sie aus den gemeinsamen Merkmalen verschiedener Jugendstilformen den „kleinsten gemeinsamen Nenner" bildet, von dem weitere — in der öffentlichen Kommunikationssituation begründete — Abstriche gemacht werden, und das Ganze in ein umgangssprachliches Umfeld setzt. Das häufigste Motiv von Jugendlichen, Rundfunk zu hören, ist jedoch die Musik. Daß auch Wortbeiträge als interessant angesehen werden können, soll nicht bestritten werden; unter diesem Aspekt spielt der „Jugendstil" jedoch meist keine allzu große Rolle, wohl aber in bezug auf die Präsentation und Vermittlung von Musik. Beim Thema „Rock-/Popmusik" ist Jugendsprache auf Medien bezogen, daher hat die musikbezogene Mediensprache die besten Wirkungsmöglichkeiten. 1 8 Als besonders ansprechend empfinden Jugendliche die umgangssprachlich „lockeren" und die „witzigen" Elemente in einigen Rund18 Selbstverständlich gilt darüber hinaus auch für Jugendsendungen das Prinzip der Ü b e r n a h m e des Vokabulars von Medienthemen.

Umsetzung der Ergebnisse

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funksendungen. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, daß Unterhaltung und Standardsprache keine Gegensätze darstellen. Die „sprachlich unterhaltsamsten" Moderationspassagen sind m. E. die, in denen die Moderatoren bewußt mit Sprache umgehen, sei es durch spielerische Varianten und parodistische Elemente oder durch „treffende" Bilder. "Werden bei reflektierter Sprachverwendung umgangssprachliche und jugendsprachliche Prinzipien einbezogen, so kann sich das Ausdruckspotential erweitern, zumal diese Varietäten keineswegs — wie häufig von Sprachkritikern behauptet wird — eine Verarmung der deutschen Sprache darstellen, sondern durch ihre spezifische Expressivität und Metaphorik zusätzliche Dimensionen bereitstellen. Selbst wenn man eine Sprachformmischung — etwa das verstärkte Eindringen umgangssprachlicher Elemente in die Standardsprache — ablehnt, sollte man den Varietäten ihre Berechtigung als Sekundärgefüge zuerkennen. Da in der Medienkommunikation der jeweilige Geltungsbereich der einbezogenen Varietäten aus dem Blickfeld gerät, birgt die Mischung von Sprachelementen verschiedener „Herkunft" jedoch die Gefahr der Uniformierung von Sprache. Damit ist nicht nur die Leitfunktion der Standardsprache gefährdet, auch die gruppenbildenden und -stabilisierenden Funktionen der anderen Varietäten geraten ins Wanken.

10.2.

Umsetzung der Ergebnisse

Die Frage nach den Anwendungsmöglichkeiten der vorliegenden Untersuchung ist prinzipiell so zu beantworten: Die Arbeit liefert primär Ergebnisse für die Linguistik mit interdisziplinären Perspektiven. Darüber hinaus sind einige Befragungs- und Analyseergebnisse für rundfunkpraktische und didaktische Zwecke verwendbar. Da zum Bereich Rundfunkkommunikation nur sehr wenige, zur Sprache von Rundfunksendungen für Jugendliche keine Vorarbeiten vorhanden sind, mußte nach Auseinandersetzung mit einigen medienwissenschaftlichen und soziologischen Theorien der linguistische

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Folgerungen

Aspekt zunächst herausgearbeitet werden. Ausgehend von einem Varietätenmodell, in das „Mediensprache" stufenweise eingeführt wurde, konnten über die spezielle Fragestellung nach dem „Jugendstil" in der Mediensprache hinaus Strukturen der Sprache von Rundfunksendungen beschrieben werden, zumal die Analysen unter verschiedenen Perspektiven durchgeführt wurden. Aus den Sprach- und Stiluntersuchungen sind Teilergebnisse zu verschiedenen Bereichen der Linguistik hervorgegangen. Die Dialogizität in den monologischen Medientexten könnte gesprächsanalytisch weiterverfolgt werden. Aus lexikologischer und lexikographischer Sicht sind die Wortschatzuntersuchungen insofern interessant, als beispielsweise die Struktur des Wortschatzes zur Präsentation und Kommentierung von Rock-/Popmusik herausgearbeitet wurde, dabei spielt u. a. das Prinzip der Bedeutungs- und Konnotationsveränderung umgangssprachlicher Lexeme eine Rolle. Die Moderationssprache ist weniger durch die Verwendung bestimmter Ausdrücke, als vielmehr durch die auf verschiedenen Ebenen angesiedelten Prinzipien „Dynamik", „Metaphorik" und „Hyperbolisierung" gekennzeichnet. Die Arbeit versucht ferner, einen Beitrag zur Erweiterung des Untersuchungsbereichs „Mediensprache" zu leisten. Dadurch, daß gesprochene Texte behandelt werden und „freie" Moderation besonders berücksichtigt wird, geht die Untersuchung über Arbeiten zur geschriebenen Pressesprache bzw. zu einzelnen Textsorten hinaus. Das Ergebnis, daß „Sprache in Rundfunksendungen für Jugendliche" als „Varietäten-Mix" charakterisiert werden kann, erfordert es, die Einordnung von Mediensprache in Sprachmodelle zu überdenken. Sicher ist, daß die verbreitete Annahme eines Funktionalstils der Medien zu kurz greift, da das Moment der Übernahme von Elementen aus verschiedenen Funktionalstilen und Varietäten damit ausgeblendet würde. Mediensprache als eigene Varietät anzusetzen, entfernt sie zu weit von der Standardsprache. Der „Ort" der Mediensprache als vagabundierende Sprachform scheint mir zwischen Funktionalstilen und Varietäten zu liegen (vgl. 8.5). Man kann sich im Varietätenmodell den Kreis der Mediensprache flexibel vorstellen als einen Be-

Umsetzung der Ergebnisse

331

reich, der sich je nach Funktion und Zielgruppe der Medienkommunikation stärker zu einzelnen Funktionalstilen und/oder Varietäten hin verlagert. Die theoretischen Aspekte der Arbeit dürften für eine Anwendung über die Linguistik hinaus vor allem vom Resultat und den sprachkritischen Folgerungen her interessant sein. Die Analyseergebnisse zur „medialen Jugendkommunikation" (Kap. 9) könnten von Soziologie und Medienforschung theoretisch und praktisch genutzt werden, um Ansätze im Bereich „Jugend und Medien" zu ergänzen, insbesondere den Faktor „Sprache" angemessen zu berücksichtigen. Daß Rundfunkpraktikern wissenschaftliche Arbeiten wirklich „nichts bringen", wie sie es ausdrücken (vgl. 7.4), kann wohl bezweifelt werden. Hauptansatzpunkt für die praktische Anwendung könnte m. E. die Fundierung und Modifizierung intuitiven Wissens sein. Indem bestimmte Moderationsstrukturen analysiert und damit „durchsichtig" gemacht werden, können Probleme (ζ. B. Mißverständnisse) diskutiert und ausgeschaltet werden. Ein stärkeres Bewußtsein bei den Kommunikatoren in bezug auf ihre Sprachverwendung wäre angesichts der multiplikativen Verbreitung von „Mediensprache" wünschenswert. Das Bewußtsein für die Faktoren und die damit verbundenen Eigenheiten der Medienkommunikation zu stärken, wäre als ein Lehrziel für eine didaktische Anwendung der Ergebnisse zu formulieren. Jugendlichen die Strukturen der Mediensprache bewußt zu machen, bedeutet, sie zu sensibilisieren und damit vor den oft beschworenen negativen Wirkungen der Medien zu schützen. Allerdings sollte eine Beschäftigung mit Medientexten in der Schule auch positive Aspekte (ζ. B. den der Kreativität) einbeziehen. Es könnte sogar — wegen der Vielschichtigkeit der Mediensprache — ausgehend von Rundfunktexten die Sprachvielfalt und „innere Mehrsprachigkeit" des Deutschen erarbeitet werden, indem Schüler ansatzweise solche Texte analysierten. Die zugrundeliegenden Funktionalstile und Varietäten wären dabei im einzelnen zu besprechen.

332 10.3.

Folgerungen

„Mediensprache" greift um sich — Zukunftsperspektiven

Sinnvolle Prognosen aufzustellen, heißt, die historische Dimension in die Zukunft hinein zu „verfolgen", hier: Tendenzen der Sprachentwicklung als Folgen von Medieneinflüssen aufzuzeigen. Historisch vergleichend stellt man für die Vor-Rundfunk-Ära eine stärkere Regionalisierung innerhalb der deutschen Sprache gegenüber heute fest. Im Prozeß der regionalen Vereinheitlichung darf der Rundfunk (bzw. andere Medien) jedoch nur als ein Faktor angesehen werden. Entscheidend zur Sprach Vermischung trägt vor allem auch die erhöhte Mobilität bei, die mit der komplexen Arbeitsmarktlage und den „weiträumigen" Freizeit- und Urlaubsaktivitäten noch zunimmt. Inzwischen werden Anzeichen für eine Rückbesinnung auf regionale Eigenheiten in den Medien beobachtet bzw. wird diese Haltung angestrebt. 19 Die anderen Vermischungstendenzen, die dem „Varietäten-Mix" zugrundeliegen, dürfen ebenfalls nicht eindimensional betrachtet werden. So bewirkt die Übernahme jugendsprachlicher Ausdrücke und Prinzipien in der Mediensprache einerseits eine beschleunigte Ausbreitung gruppensprachlicher Elemente über die Gruppe hinaus, was im Bereich der Jugendsprache mit der allgemeinen Tendenz zum „Jugendstil", zur Verjugendlichung („Puerilisierung" 20 ) der Gesellschaft, einhergeht. Andererseits gerät die Jugendsprache als Gruppensprache nur vordergründig in Gefahr, von den Medien vereinnahmt zu werden, da viele Elemente „medienungeeignet" sind (daher „bereinigter Jugendstil"). Zudem entstehen bei den Jugendlichen Gegenbewegungen zur „Medialisierung", in die spielerisch distanzierend auch die Medien einbezogen werden. Dennoch rückt durch die Auflösung der Grenzen zwischen den Varietäten die Jugendsprache näher an andere Sprachformen, insbesondere an die Umgangssprache, so daß die Tendenz von der Gruppensprache zu einer „Suppletiv-

19 Vgl. Wiesner: Führt das Radiohören zu einer Einheitssprache? In: Münchner Merkur 31. 7. 86. 20 Vgl. Tenbruck: Jugend in der modernen Gesellschaft 2\965, S. 55.

Mediensprache" greift um sich -

Zukunftsperspektiven

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spräche" 2 1 der Jugendlichen durch die Medien gefördert werden könnte. Auch in der Programmstruktur der Rundfunksender sind gegenläufige Tendenzen zu beobachten: Zum einen wurden mit frequenztechnischen Erweiterungen seit den fünfziger Jahren zielgruppenorientierte Programme ausgebaut, zum anderen werden Zielgruppensendungen zunehmend für ein (etwas) weiteres Publikum „geöffnet", die gesamte Programmkette bezieht sich auf die erweiterte Zielgruppe. Insbesondere der Trend der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur „Jungen Welle" (neben dem „gemischten Programm" und dem „Kulturprogramm") wird vermutlich anhalten, da versucht wird, sich gegenüber den Privatsendern zu behaupten. Die innersprachliche Vermischung von Varietäten und Funktionalstilen in der Mediensprache könnte für die Zukunft einen Rückgang differenzierter Sprachverwendung bei vielen Sprachbenutzern bedeuten, zumal keine Anzeichen vorhanden sind, daß sich die Entwicklung hinsichtlich der Sprachleitbilder — von der Literatur weg, zu den Medien hin — nicht weiter fortsetzt. Sollten die neuesten Trends in der Mediennutzung, daß der Hörfunk „als massenhaft genutztes Medium" wieder „aufkommt" und daß er „für die Jugendlichen [...] in hohem M a ß e zum einzigen Medium" geworden ist, 2 2 anhalten, so könnten sich die Wirkungsmöglichkeiten des Rundfunks, insbesondere auf Jugendliche, erheblich verstärken. Neben innersprachlichen Folgen sind übereinzelsprachliche Medienwirkungen zu berücksichtigen: Die Integration englischer Elemente fördert auch im Bereich der Sprache Internationalisierungstendenzen, die in vielen außersprachlichen Bereichen bereits weit fortgeschritten sind. Wenn im Zusammenhang mit Medieneinflüssen pessimistisch von Kulturverfall die Rede ist, 2 3 in bezug auf Sprache von Sprachverfall, so ist diese Einschätzung zu einseitig. Gerade bei einem hohen Sättigungsgrad der Konsumgüterversorgung erweist sich „Kultur" als

21 Vgl. Cherubim: Jugendsprache und Soziolinguistik. In: Kühlwein 1986, S. 88. 2 2 Vgl. M a s s e n k o m m u n i k a t i o n III 1987, S. 183. 2 3 Vgl. ζ. B. P o s t m a n : W i r amüsieren uns zu Tode 1985.

(Hrsg.)

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Folgerungen

„Wachstumsbranche". 24 Den Medien kommt dabei keineswegs nur die Rolle des Gegenspielers zu, sondern auch eine Verbreitungs- und Vermittlungsfunktion. So wird der „breiten Masse" ermöglicht, am Kulturleben zu partizipieren, was früher privilegierten Schichten vorbehalten war. Sicher ist Kulturoptimismus angesichts der „Macht der Medien" ebensowenig angebracht wie sturer -pessimismus; die „goldene Mitte" scheint hier die realistische Haltung zu sein. Für die Sprachkultur bedeutet das, die positiven und die negativen Seiten von zielgruppenorientierter Sprachverwendung („Jugendstil"), innersprachlicher Vermischung („Varietäten-Mix") und Internationalisierung in Rechnung zu stellen.

24 Vgl. Greiner: Brot im Überfluß und Spiele satt. In: Die Zeit, Nr. 33 1987, S. 1.

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Anhang

Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig Seminar für deutsche Sprache und Literatur Marlies Nowottnick

Mühlenpfordtstraße 22/23 3300 Braunschweig 11. Februar 1987

Fragebogen zu Musik und Rundfunk

In dieser Befragung geht es darum, ob und warum sich Jugendliche für Musik interessieren und Radio hören. Weil ich darüber eine größere Arbeit mit möglichst genauen Angaben schreiben möchte, brauche ich Hinweise aus erster Hand - in diesem Fall von Euch! Ich hoffe, daß Dir die Fragen Gelegenheit geben, Deine Meinung zu den Themen „Musik" und „Rundfunk" loszuwerden. Es dürfen auch gern zusätzliche Bemerkungen (evtl. auf den Rückseiten) gemacht werden. Vielen Dank für Deinen Forschungsbeitrag! Zu Beginn ein paar Daten: Λ.» Alter:

^ weiblich ... .. r: •·,-,. Klasse: 10 • männlich Der Fragebogen kann anonym ausgefüllt werden. Damit ich Dich trotzdem nicht als „Nummer" behandeln muß, gib bitte Deinen Spitznamen oder einen Phantasienamen an: 16

Jane 1.

(w, 16J, Gym, BS, FB-Nr. 105)

Manche Leute fühlen sich bei Musik erst richtig wohl, andere läßt sie völlig kalt. Wie würdest Du Dich hinsichtlich Musik (egal welcher Richtung) selbst einschätzen?

348

Anhang • stark interessiert Κ interessiert • etwas interessiert • nicht interessiert

2. a) Wie oft hörst Du Musik, ohne etwas anderes dabei zu tun? • • ^ • •

täglich ca. Stunden mehrmals pro Woche einmal pro Woche 1 - 3 m a l pro Monat seltener

b) Wie häufig hörst Du insgesamt - mit oder ohne zusätzliche Beschäftigung - Musik (Platten, Kassetten, Radio usw.)? • Kl • • •

täglich ca. Stunden mehrmals pro Woche einmal pro Woche 1 - 3 m a l pro Monat seltener

c) Falls a) und b) nicht übereinstimmen: Was zum Beispiel tust Du während des Musikhörens? Lesen, Briefe schreiben, Sachen für die Schule übertragen 3.

Hast Du gestern Radio gehört? Wenn ja, in welcher Zeit? Nenne bitte auch die Sendungen oder die Programme, die Du eingeschaltet hattest. von 15.00 bis 16.00 : irgendwas von 18.00 bis 20.00 : Club (NDR 2) von bis :

4.

Wie oft hörst Du Radio? Π Κ Π • •

5.

täglich ca. Stunden mehrmals pro Woche einmal pro Woche 1 - 3 m a l pro Monat seltener

Welche Radiosendungen hörst Du häufiger, welche fast täglich? fast täglich: häufiger: Club

349

Anhang 6.

Welche Eigenschaften würdest Du dem Hörfunk im Vergleich zu anderen Medien (ζ. B. Zeitung, Fernsehen, Schallplatte, Video) zuschreiben? Aktueller als ζ. B. Schallplatten, abwechslungsreich und interessante Beiträge

7.

Viele Programme enthalten spezielle Sendungen für ältere Leute, Kinder, Hausfrauen, junge Leute usw. Was müßte Deiner Meinung nach in einer speziellen Jugendsendung gebracht werden? - Die neuesten Hits (Hitparade) - Veranstaltungsangebot, ζ. B. Konzerte, Feiern, Eröffnung und Bekanntgabe von Ort, Zeit, Kosten etc. - Bezug auf Aktuelles, Meinungsumfragen etc.

8.

Wahrscheinlich kennst Du die Sendung „Der Club" auf NDR 2; wie findest Du sie? IS eher gut, weil •

sie neu rausgekommene Musik etc. bringt und die Titel auch vorher ansagt eher schlecht, weil

9.

Was ist Deiner Meinung nach an der Moderation einer Sendung wie ζ. B. „Club" besonders gut, was eher schlecht? gut: daß man aufnehmen kann, da die Titel nicht einfach runtergespielt werden, ohne genannt zu werden. schlecht: Manchmal redet der Moderator in die Lieder rein oder Verkehrsmeldungen kommen.

10.

Ist für Dich die Moderation von Musiksendungen wichtig oder nicht? ^



wichtig, denn: Man möchte ja auch vorher ein paar Worte über den Titel hören und zwischendurch vielleicht Interessantes erfahren. nicht wichtig, denn:

11.

Manche Sendungen werden von Jugendlichen moderiert. Was hältst Du von dieser Moderationsform? Finde ich gut, ist mal was anderes. Wenn das ein Jugendlicher witzig kann, soll er es doch mal versuchen.

12.

Wie alt schätzt Du die Profi-Moderatoren der Jugendsendungen (ζ. B. „Der Club") im Durchschnitt? 35 Jahre

350 13.

Anhang

Ausschnitt aus einer Rundfunksendung: Aus der Abteilung wirklich guter Sachen: Joe Jackson und „Right or Wrong" aus dem „Big World"-Album. Die Rückseite hat's in sich, in wirklich glasklarem Sound ohne irgendwelche Studiomanipulationen bringt Jackson „Breaking Us in Two" und „I'm the M a n " in Live-Versionen. Da ist das Geld gut angelegt. Was fällt Dir zu diesem Ausschnitt aus einer Musiksendung ein? Schreibe Deine Meinung dazu bitte in Stichworten auf! - die Moderatoren preisen meist alles, was sie spielen, als super (vielleicht finden sie das ja auch wirklich) - ist ja totale Werbung der letzte Satz!

14.

Versuche, selbst eine Rundfunkansage zu machen, in der eine Gruppe, deren Musik Dir gefällt, angekündigt wird! Also jetzt kommt das absolut gute Lied, gerade neu rausgekommen und schon total beliebt, die Musik spricht für sich, also hier kommt es:

15.

Wie sehr treffen Deiner Meinung nach die folgenden Eigenschaften auf die Sprache der Moderatoren in Jugendsendungen zu?

Merkmal

Du-Anrede

trifft voll zu

trifft häufig zu

trifft manchmal zu

trifft nicht zu

X X

Dialekt X

gute Sprüche blöde Sprüche

X

spontan

X

wirkt wie abgelesen

X

mitreißend

X

langweilig

X

unterhaltend

X

informativ

X

351

Anhang

Merkmal

trifft voll zu

locker

trifft manchmal zu

trifft häufig zu

trifft nicht zu

X X

übertrieben

X

sachlich witzig

X

albern

X

Moderatoren reden wie Jugendliche cool

X X X

ehrlich

16.

Welche Musikrichtungen hörst Du am liebsten? Keine bestimmten, mal dies und das.

17.

Was gefällt Dir an Deinen momentanen Lieblings-Musikstücken? Beschreibe, was daran besonders gut ist! Sie gefällt mir und das reicht. Ist halt voll mein Geschmack. Ich mag die Melodie und der Text ist auch nicht zu blabla.

18.

Wie beurteilen Deine Eltern Deinen Musikgeschmack?

sehr gut zum Teil gut sie haben nichts dagegen nicht so gut manchmal zu laut interessiert sie nicht weiß ich nicht 19.

Mutter

Vater

• Ε • • • • •

• • Kl Β

• • •

Findest Du, daß Erwachsene - ζ. B. Lehrer - die Ergebnisse dieser Umfrage lesen sollten? Begründe bitte Deine Meinung! Sollten sie ruhig, obwohl ich nicht glaube, daß sie davon viel haben.

352 20.

Anhang Hättest Du Lust, Dich über die angesprochenen T h e m e n einmal zu unterhalten? • ja, im Unterricht E 1 - 2 Std.

99

1.8

> 2 - 3 Std.

53

2.8

> 3 - 4 Std.

39

3.8

> 4 - 5 Std.

27

4.9

> 5 Std.

32

7.9

Gesamt 3

335

2.8

1

am Stichtag Radio gehört

Zeitaufwand in Std. 0

Differenz Stichtag/ Selbsteinschätzung

67 (79%) 85 (86%) 51 (96%) 37 (95%) 27 (100%) 31 (97%)

1.3

+ 0.5

2.6

+ 0.8

2.6

-0.2

3.4

-0.4

4.2

-0.5

7.1

-0.8

3.1

+ 0.3

298 (89%)

m = männlich (236), w = weiblich (319); 14 - 15 J. (259), 16 - 18/20 J. (296); Gym = Gymnasium (184), RS = Realschule (192), HS = Hauptschule (98), IGS = Integrierte Gesamtschule (47), BBS = Berufsbildende Schulen (34);

354

Anhang

Vergleich von „Musikhören ausschließlich" (ohne weitere Tätigkeit) und „Musikhören insgesamt" (mit und ohne Tätigkeit): Musikhören ausschließlich / insgesamt (ausschließlich

täglich (Std.) mehrmals pro Woche einmal pro Woche 1 — 3mal im Monat seltener keine Angabe

oder nebenbei)

2a ausschließlich abs. in % (N = 555)

2b insgesamt abs. in % (N = 555)

292

53

( 0 1,8) 148 41 16 50 8

27 7 3 9 1

476 (04.0) 72 4 3 0 0

86 13 1 1 0 0

Wohin die 107 „Wenig-Hörer" (3. bis 5. Kategorie von 2a) in der umfassenderen Angabe 2b wandern, wird in der folgenden Matrix deutlich: Zusammenhang von Musikhören ausschließlich ausschließlich (2a)

insgesamt (2b)

täglich mehrm. pro Woche einmal pro Woche 1 — 3mal pro Monat seltener keine Angabe

2 3

/ insgesamt

täglich

mehrm. pro Woche

229 111 23 6 38 3

37 14 7 12 1



einmal pro Woche

1 — 3mal pro selteMonat ner







-

-

-

4 0 0 0

-

-

3 0 0

-

0 0

Nord = Braunschweiger Raum (365), Süd = Mannheim und Bad Kreuznach (190); Ges = Gesamt (555) m./Woche = mehrmals pro Woche, 1 χ /Woche = einmal pro Woche, 1 — 3 χ / Μ. = ein- bis dreimal pro Monat, k. A. = keine Angabe Die Differenz zu 344 (Täglich-Hörer) entsteht dadurch, daß die übrigen keine Zeitdauer angeben.

355

Anhang Gesamturteil zu den Jugendsendungen Der Club (NDR 2) und Popshop (in Prozent) Der Club Nord Cluballe N 1 = Hörer (365) 346 (249) 2 eher gut eher schlecht beides unbekannt/k. A.

83 9 2 5

95 2 2 0

88 10 2

Popshop Süd Popshopalle Ν = Hörer (122) 3 (190) 152 66 11 3 20

80 10 2 9

83 14 3 -

Tabellen zur Auswertung von Frage 15 „Sprachmerkmale" 0 1 2 3 k. A. 0

= = = = = =

(SWF 3)

Gesamt Ν = alle (555) 498 78 10 2 10

86 11 3 -

(Auswahl)

trifft nicht zu trifft manchmal zu trifft häufig zu trifft voll zu keine Angabe Durchschnittswert

Frage 15B (Dialekt) in Prozent m

w

14-15

16-20

0 1 2 3 k.A.

28 51 11 3 7

23 60 10 3 5

29 58 7 3 3

21 54 14 3 8

26 64 7 0 3

0

0.9

0.9

0.8

1.0

0.8

1 2 3

Gym RS

HS

IGS BBS Nord Süd Ges

24 58 13 3 3

24 43 13 8 12

36 45 13 4 2

15 53 6 3 23

30 55 7 2 6

15 57 16 5 6

25 56 11 3 6

0.9

1.1

0.8

1.0

0.8

1.1

0.9

ohne diejenigen, die keine Angabe gemacht haben „Club-Hörer": hören Club oder Club-Wunschkonzert regelmäßig (täglich bzw. häufiger) oder haben dies zumindest am Stichtag getan. Popshop-Hörer im weiteren Sinne: hören SWF 3-Sendungen, insbesondere Popshop oder Popshop Hitline, regelmäßig oder zumindest am Stichtag.

356

Anhang

Frage 15C (gute Sprüche) in Prozent m

w

14-15

16-20

Gym RS

HS IGS BBS Nord Süd Ges

0 1 2 3 k.A.

3 23 46 26 3

3 20 48 28 2

2 17 51 28 2

3 25 44 27 2

3 25 54 18 0

4 21 45 29 1

1 14 39 38 8

0 23 49 26 2

0 21 38 38 3

3 22 52 23 1

3 20 38 36 4

3 21 47 27 2

0

2.0

2.0

2.1

2.0

1.9

2.0

2.2

2.0

2.2

2.0

2.1

2.0

Frage 15D (blöde Sprüche) in Prozent m

w

14-15

16-20

Gym RS

HS IGS BBS Nord Süd Ges

0 1 2 3 k.A.

10 43 28 16 3

7 50 32 9 2

6 48 32 12 2

10 46 29 12 3

4 47 38 9 2

6 51 28 14 1

13 43 25 14 5

9 40 36 13 2

24 47 15 9 6

9 48 30 12 2

7 45 32 13 3

8 47 30 12 2

0

1.5

1.5

1.5

1.4

1.5

1.5

1.4

1.6

1.1

1.5

1.5

1.5

Frage 15G (mitreißend) in Prozent m

w

14-15

16-20

Gym RS

HS IGS BBS Nord Süd Ges

0 1 2 3 k.A.

11 35 44 9 2

11 46 29 10 4

9 41 39 9 3

13 42 32 11 3

10 46 34 8 2

14 39 37 9 1

7 38 38 11 6

6 45 36 11 2

12 35 24 12 18

12 42 35 9 3

9 41 36 11 3

11 41 35 10 3

0

1.5

1.4

1.5

1.4

1.4

1.4

1.6

1.5

1.4

1.4

1.5

1.5

357

Anhang Frage 151 (unterhaltend) in Prozent Gym RS

HS IGS BBS Nord Süd Ges

m

w

14-15

16-20

0 1 2 3 k.A.

2 13 56 28 2

1 11 59 27 3

1 10 55 31 3

2 13 60 23 2

2 9 66 23 0

1 14 59 26 1

2 11 44 32 11

0 6 57 34 2

3 21 38 35 3

2 13 56 29 1

1 9 61 24 5

1 12 58 27 3

0

2.1

2.1

2.2

2.1

2.1

2.1

2.2

2.3

2.1

2.1

2.1

2.1

Frage 15J (informativ) in Prozent m

w

14-15

16-20

Gym RS

HS IGS BBS Nord Süd Ges

0 1 2 3 k.A.

2 23 54 19 3

3 23 51 20 4

2 22 54 19 2

3 23 50 19 4

3 26 55 16 1

3 19 58 19 1

2 26 40 22 10

2 15 60 23 0

0 32 29 24 15

2 24 51 21 2

3 20 54 16 6

2 23 52 19 3

0

1.9

1.9

1.9

1.9

1.9

1.9

1.9

2.0

1.9

1.9

1.9

1.9

Frage 15K (locker) in Prozent m

w

14-15

16-20

Gym RS

0 1 2 3 k.A.

2 13 31 51 2

1 7 35 54 3

1 7 33 55 3

2 12 34 51 2

2 7 39 52 1

1 9 31 60 0

2 14 27 47 9

0 9 32 57 2

3 18 41 32 6

2 11 32 54 1

1 7 37 51 4

1 10 34 53 2

0

2.4

2.5

2.5

2.4

2.4

2.5

2.3

2.5

2.1

2.4

2.5

2.4

HS IGS BBS Nord Süd Ges

358

Anhang

Frage 15P (Moderatoren

reden wie Jugendliche) Gym RS

in Prozent

m

w

14-15

16-20

HS IGS BBS Nord Süd Ges

0 1 2 3 k. A.

14 31 39 13 3

12 30 30 24 3

9 29 36 22 3

16 32 32 17 4

10 32 32 17 2

16 30 30 17 1

16 29 29 21 9

11 32 32 30 0

3 32 32 21 12

13 30 30 20 3

13 32 32 19 4

13 31 34 19 3

0

1.5

1.7

1.7

1.5

1.7

1.5

1.6

1.8

1.8

1.6

1.6

1.6

Frage 15Q (cool) in Prozent m

w

14-15

16-20

Gym RS

HS IGS BBS Nord Süd Ges

0 1 2 3 k.A.

11 28 38 22 2

10 32 33 24 2

9 30 36 24 2

12 31 34 22 2

10 34 35 20 1

15 28 36 21 1

4 24 29 38 6

2 40 45 13 0

12 29 29 21 9

12 35 34 18 1

6 22 37 32 4

10 30 35 23 2

0

1.7

1.7

1.8

1.7

1.7

1.6

2.1

1.7

1.6

1.6

2.0

1.7

Anteil von Musik und Wortblöcken an der Gesamtsendung (in Prozent) mit Moderator: monolog.: dialog.: Musik Moderation Gespräch Meldung Interview

Beiträge (Bericht Jingle Trailer etc.)

Nachrichten Verkehrs- Wermeldung bung

Club 6.8.87

61,8

6,6

13,3

5,0

1,8

9,4

2,1

Popshop 6. 8. 87

66,9

2,2

4,8

11,9

1,0

11,5

1,7

Point 6. 8.87

66,1

4,8

3,2

13,6

2,2

7,9

2,2

359

Anhang

Marlies Nowottnick MODERATIONSSPIEL

Bitte ergänzen Sie/ergänze die folgende „lückenhafte" Rundfunkmoderation so, wie Sie/Du eine Musiksendung für junge Leute moderieren würden/ würdest. Zum Teil sind kleine Hilfen in der „Dammel-Sprache" gegeben, die auf die jeweils „gewünschte" Wortart hinweisen (ζ. B. könnte für „dammliges DammeI" „schönes Wetter" eingesetzt werden). Prinzipiell ist es aber egal, was und wieviel in die Lücken eingesetzt wird. Schönen Dank und viel Spaß! Zunächst bitte ein paar persönliche Angaben: • weiblich Alter • in Jahren: • • • •



männlich

bis 17 J. 1 8 - 2 7 J. 2 8 - 3 7 J. 3 8 - 4 7 J. über 47 J.

• • • • •

Wie oft hören Sie/ hörst Du Radio?

täglich ca. Std. mehrmals pro Woche einmal pro Woche 1 — 3mal im Monat seltener

(Moderator:) Tja,

(L1) hallo

und herzlich willkommen, liebe

(L2) Freunde

.

(Einspielung zwischendurch:) Abendrot - der

(L3) Popshop

(Dämmet)

(L4) droht

(dammelt).

(Moderator:) Ich glaube, wir sind alle sehr gut (L5) drauf . Musik ab! (Musik wird gespielt.) Eine tolle (L6) Dance -Nummer (Dammel-Nummer), und ich hab' ja Musik zum Warmtanzen versprochen heute. Aber damit genug dem Rock'n'Roll(L7) Gedöns (Gedammel), jetzt werden wir erst mal wieder 'n bißchen romantisch: (L8) Schmusetime ist jetzt wieder (L9) angesagt . Wirklich 'ne schöne (L10) schmusige (dammlige) Ballade. (Musik wird gespielt.) Und hier sind meine Lieblinge, (L11) das Ding (das DammeI) geht ab wie (L12) η Zäpfchen sag' ich (L13) euch . (Musik wird gespielt.) Das war also live und (L14) in Farbe die (L15) lange Rille. (L16) Irrer (dammliger) Titel, ne?

360 (Einspielung zwischendurch:) Der (L17) Club (Dammel) - die seit es Radio gibt.

Anhang

(L18) musikalischste

Versuchung,

(Moderator:) Alles schon mal dagewesen: „School's Out", alte (L19) Nummer von Alice Cooper, (L20) gecovert (gedammelt) von der Gruppe Crocus. (Musik wird gespielt.) Und wie jedesmal bei mir gibt es ein richtig (L21) knalliges (dammliges) Schlußbonbon: (L22) Mitten mang zwischen die Augen, „Right between the Eyes". (Musik wird gespielt.) Kann man süchtig nach werden nach der (L23) Nummer , ich find' die so (L24) tierisch (dammiig). Ich sage (L25) tschüs für heute, bis (L26) zum nächsten Mal . Zusatzfragen für Interessierte: 1. Bitte nennen Sie/nenne einige Elemente, die für Sie/Dich den Moderationsstil von Musiksendungen im Rundfunk ausmachen?

2. Was fällt Ihnen/Dir zu Jeanny ein?

3. Wer sind Clowns und Helden?

Zum Schluß: Ihre/Deine Meinung zu diesem Moderationsspielchen:

361

Anhang

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368

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