Johann Heinrich Lambert (1728–1777): Wege zur Mathematisierung der Aufklärung 9783110647761, 9783110645910

In his time, Johann Heinrich Lambert (1728–1777) was considered one of Europe’s polymathic geniuses. His research encomp

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Johann Heinrich Lambert (1728–1777): Wege zur Mathematisierung der Aufklärung
 9783110647761, 9783110645910

Table of contents :
Inhalt
Zur Einführung: Johann Heinrich Lambert und die Mathematisierung der Aufklärung
1 Methode und System der Wissenschaften
Die Anatomie des Wissens
»ein Licht in der gelehrten Welt«
2 Logik und Metaphysik
Vierfache Möglichkeit
Lamberts Theorie der Termini Infiniti
Lamberts Ansatz zur Verwissenschaftlichung der Metaphysik
Lambert on Eternal Truths and the Existence of God
Kosmodizee
3 Erkenntnistheorie und Erfindungskunst
Eine »Werkstatt der Seele«?
Lambert über Schein und abstrakte Erkenntnis
Lambert, Kant and Solidity: a Matter of Method
Lambert and the Notion of »Figürlich«: From Symbols to Graphs
Mathematik, Erfindung und experimentelle Kenntnis bei Johann Heinrich Lambert
4 Recht, Moral und Theologie
»Die Nothwendigkeit der Religion in einem Staate«
Lambert über die Moral und den moralischen Schein
Natürliche Theologie und christlicher Glaube bei Lambert
Theologisch-teleologische Popularphilosophie
5 Sprache, Ästhetik und Dichtung
»viel erhabenere Erkenntnisse, als die Dichter in der Regel besitzen«
Lamberts Sprachphilosophie
Lyrische Kosmologie
6 Anhang
Zeittafel
Siglenverzeichnis
Bibliographie
Personenregister

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Johann Heinrich Lambert (1728–1777)

Werkprofile

Philosophen und Literaten des 17. und 18. Jahrhunderts Herausgegeben von Andree Hahmann, Stefan Klingner, Udo Roth und Gideon Stiening Wissenschaftlicher Beirat: Wiep van Bunge, Knud Haakonssen, Marion Heinz, Martin Mulsow, Stefanie Buchenau und John Zammito

Band 16

Johann Heinrich Lambert (1728–1777)

Wege zur Mathematisierung der Aufklärung Herausgegeben von Hans-Peter Nowitzki, Enrico Pasini, Paola Rumore und Gideon Stiening

ISBN 978-3-11-064591-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-064776-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-064614-6 ISSN 2199-4811 Library of Congress Control Number: 2022945325 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck Einbandabbildung: Kupferstich von B. Picart aus dem Jahre 1728, in: Richard Cumberland: Traité Philosophique des Lois Naturelles. Traduit du Latin par Monsieur de Barbeyrac. Amsterdam 1747. www.degruyter.com

Johann Heinrich Lambert Lithographie von Godefroy Engelmann (1788‒1839), nach einer Zeichnung von Daniel Nikolaus Chodowiecki (1726‒1801) In: Daniel Huber (Hg.): Johann Heinrich Lambert nach seinem Leben und Wirken aus Anlaß der zu seinem Andenken begangenen Secularfeier in drei Abhandlungen dargestellt. Basel 1829

Inhalt Hans-Peter Nowitzki, Enrico Pasini, Paola Rumore, Gideon Stiening Zur Einführung: Johann Heinrich Lambert und die Mathematisierung der Aufklärung  | 1

1 Methode und System der Wissenschaften  Gualtiero Lorini Die Anatomie des Wissens Elemente für eine methodologische Einführung zu Johann Heinrich Lambert  | 13 Clara Innocenti  »ein Licht in der gelehrten Welt« Akademisches System und System der Wissenschaften nach J. H. Lambert  | 33

2 Logik und Metaphysik  Giuseppe Motta  Vierfache Möglichkeit Lamberts Architectonic aus der Perspektive der Modalität betrachtet | 89 Martin Hammer  Lamberts Theorie der Termini Infiniti  | 107 Kay Zenker  Lamberts Ansatz zur Verwissenschaftlichung der Metaphysik  | 125 Matteo Favaretti Camposampiero  Lambert on Eternal Truths and the Existence of God  | 145 Ansgar Lyssy  Kosmodizee Johann Heinrich Lambert über kosmische Ordnung und göttliche Vernunft  | 167

VIII | Inhalt

3 Erkenntnistheorie und Erfindungskunst  Paola Rumore  Eine »Werkstatt der Seele«? Lambert und die Funktion der Seele  | 181 Achim Vesper  Lambert über Schein und abstrakte Erkenntnis  | 193 Paolo Pecere  Lambert, Kant and Solidity: a Matter of Method  | 211 Paola Basso  Lambert and the Notion of »Figürlich«: From Symbols to Graphs  | 231 Enrico Pasini  Mathematik, Erfindung und experimentelle Kenntnis bei Johann Heinrich Lambert  | 253

4 Recht, Moral und Theologie  Frank Grunert  »Die Nothwendigkeit der Religion in einem Staate« Zur religiösen Begründung rechtlicher Verbindlichkeit bei Johann Heinrich Lambert  | 275 Michael Walschots  Lambert über die Moral und den moralischen Schein  | 289 Stefan Klingner  Natürliche Theologie und christlicher Glaube bei Lambert | 301 Gideon Stiening Theologisch-teleologische Popularphilosophie Über Lamberts Cosmologische Briefe  | 321

Inhalt | IX

5 Sprache, Ästehtik und Dichtung   Oliver Bach  »viel erhabenere Erkenntnisse, als die Dichter in der Regel besitzen« Ästhetik und Dichtungskritik bei Johann Heinrich Lambert  | 343 Hans-Peter Nowitzki  Lamberts Sprachphilosophie  | 381 Udo Roth  Lyrische Kosmologie Johann Heinrich Lamberts Dichtungen  | 399

6 Anhang  Zeittafel | 419 Siglenverzeichnis | 423 Bibliographie | 425 Personenregister | 459

Hans-Peter Nowitzki, Enrico Passini, Paola Rumore, Gideon Stiening

Zur Einführung: Johann Heinrich Lambert und die Mathematisierung der Aufklärung 1 Lamberts Wissenschaften und die Grenzen ihrer Popularisierung Johann Heinrich Lambert (1728–1777) galt schon den Zeitgenossen als Universalgenie von europäischem Rang. Tatsächlich forschte und publizierte Lambert als Mathematiker und Philosoph (hier vor allem zur Logik und Metaphysik, zur Erkenntnis- und Sprachtheorie), als Astronom und Physiker. Seinem Aufklärungsverständnis gemäß wirkte er nicht nur mit einer Vielzahl von Publikationen in die Wissenschaften und die Philosophie, sondern als Popularphilosoph darüber hinaus auch in die sich entwickelnde Gesellschaft und den Staat der Aufklärung hinein. Allerdings zeigt sich schon an Lamberts Stellung zu dieser, für die deutschsprachige Aufklärung seit den 1750er Jahren einflussreichen Tendenz zur Popularisierung des Wissens die Eigenständigkeit des Berliner Akademikers: Einerseits bedient er durchaus das Genre populärer Publikationen, so mit seinen gelehrten Cosmologischen Briefen von 1761; andererseits hält er gegenüber dem Postulat umfassender Popularisierung, die er vor allem mit den »schönen Wissenschaften verbindet«, kritischen Abstand: In einer Akademierede von 1767 verbindet er die Tendenzen zur ›Ästhetik‹ mit denjenigen der Forderungen nach umfassender Allgemeinverständlichkeit der Wissenschaften;1 so spricht er von den überhand nehmenden Postulaten an die Wissenschaften, die abstraktesten Sachverhalte an die »Welt« zu vermitteln, und das auch noch in einem schönen Stil. Dem hält Lambert entgegen, dass nicht jede, ja recht eigentlich nur die wenigsten Erkenntnisse des Wissenschaftlers dem allgemeinen Publikum präsentiert werden könnten und müssten.2 Es gibt mithin für Lambert einen Eigenwert der Wissenschaft, der lediglich innerhalb der Scientific Community zu kommunizieren ist und der durch die Universalisierung des Popularitäts- und Nützlichkeitspostulats unangemessen verdeckt wird. In einem Brief an M. de Holland vom Dezember 1766 wird diese Tendenz zur Popularisierung und

|| 1 Siehe hierzu auch Hans Blumenberg: Die Genesis der kopernikanischen Welt. Frankfurt a. M. 1975, S. 622ff. 2 Johann Heinrich Lambert: Des secours mutuels que peuvent se prêter les sciences solides et les belles-lettres. In: LPS 10.2, S. 562–597. https://doi.org/10.1515/9783110647761-001

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Ästhetisierung mit der Tendenz zur ›Verseichtigung‹ der Wissenschaften kausal verbunden: Es kommt mir, und zwar ohne daß ich mich darüber verwundere, überhaupt vor, daß sich die Zeiten dermalen sehr merklich ändern und die Philosophie und Mathematik in Deutschland theils von den schönen Wissenschaften verdrängt werden, theils nach Wolfens Todt eben so wieder wegfallen, wie sie nach der beyden Sturmen Zeiten wegfielen. Journale, Monat- und Wochenschriften, Pieces du tems &c. finden die meisten Leser und daher auch die meisten Verleger. Leztere ziehen auch das Mittelmäßige dem Gründlichen immer mehr vor, weil ersteres von mehreren gelesen wird und nicht viel Nachdenkens gebraucht. Lateinische Schriften haben je länger je mehr zu besorgen, daß sie weder Leser noch Verleger finden. Die galante Welt ließt französisch, die übrigen deutsch. […] So läßt sichs auch nicht wohl voraussehen, wohin sich der Strom der Zeiten wenden werde. Die schönen Wissenschaften machen, wo sie emporkommen, allemahl das größte Geräusche. Sie rauschen aber leicht ganz vorbey, weil ihr Stoff gar nicht unerschöpflich ist. Ob auf diesselben eine Barbarey folge oder ob man sich wieder zu den soliden Wissenschaften wenden werde, das steht dahin.3

Die schönen Wissenschaften und damit die Literatur werden hier als ein Verfallsprodukt strenger Wissenschaftlichkeit beurteilt – eine bemerkenswerte Kritik in den 1760er Jahren. Lambert hatte folglich ein durchaus reflektiertes und als solches ein kritisches Verhältnis zu den Ästhetisierungs- und Popularisierungstendenzen der mittleren und späten Aufklärung, die schon seit Gottsched, verstärkt durch Meier, zu einer gefeierten Pragmatisierungswelle geführt hatten.4 Dass Lambert gleichwohl, und zwar vor dem Hintergrund seines Selbstverständnisses als Aufklärer, auch Gedichte verfasste, überrascht weniger als die Tatsache, dass diese Texte nach wie vor unediert sind.5 Zugleich schloss dieses Selbstverständnis als Wissenschaftler und Aufklärer für Lambert ein tiefreligiöses Verhältnis zur Welt ein; für ein hinreichend umfassendes Bild von diesem ebenso eigentümlichen wie eigensinnigen Schweizer Philosophen und Naturforscher ist es unerlässlich zu berücksichtigen, dass er auch eine Reihe von engagierten Predigten schrieb.6

|| 3 Johann Heinrich Lambert: Deutscher gelehrter Briefwechsel. Hg. von Johann Bernoulli. 5 Bde. Berlin 1782–1785, hier Bd. 1, S. 171f. (auch LPS 9, S. 171f.) 4 Siehe hierzu u. a. Christoph Böhr: Philosophie für die Welt. Die Populärphilosophie der deutschen Spätaufklärung im Zeitalter Kants. Stuttgart-Bad Cannstatt 2003. 5 Siehe hierzu den Beitrag von Udo Roth in diesem Band. 6 Vgl. hierzu auch die wichtigen Hinweise von Niels W. Bokhove, Armin Emmel: Einleitung. In: LPS Suppl. 1, S. XI–CLVIII.

Zur Einführung: Johann Heinrich Lambert und die Mathematisierung der Aufklärung | 3

2 Biographische Skizze und Stellung im Tableau der Aufklärung Aus einfachen Verhältnissen stammend und lange Zeit auf das Domestikenleben eines Hauslehrers angewiesen, hatte es Lambert zeitlebens nicht leicht, sich in den aristokratisch und bürgerlich dominierten Welten zu bewegen, die die Bedingungen für die Ausübung seiner Wissenschaften schufen.7 Als Person blieb er ein Sonderling und Außenseiter, dessen Idiosynkrasien von Friedrich II. nur deshalb toleriert wurden, weil er sich von den Urteilen Dritter über die unvergleichlichen wissenschaftlichen Leistungen Lamberts überzeugen ließ.8 Trotz dieser lebensweltlichen Sonderstellung nahm Lambert entscheidenden Einfluss auf wichtige Debatten, Kontroversen und Forschungsentwicklungen seiner Zeit. Seit 1760, dem Jahr der Erstveröffentlichung seines zweibändigen Werkes zur Optik sowie der Aufnahme in die Bayerische Akademie der Wissenschaften, drang der Ruf seiner wissenschaftlichen und philosophischen Leistungen durch ganz Europa. Ab 1764 wuchsen seine Bedeutung und sein Ruf, als er eines seiner philosophischen Hauptwerke, das Neue Organon, publizierte, das einen gewichtigen Auftakt für die produktive, aber durchaus nicht unumstrittene Rezeption des lockeschen Empirismus in der deutschsprachigen Philosophie markierte. So moniert Ernst Platner in seinen Philosophischen Aphorismen aus dem Jahre 1776: Dieses merke ich an in Absicht auf die Unzulänglichkeit, die der berühmte Lambert in diesem Grundsatze [d. i. das Gesetz des Widerspruchs] findet – Dieser große Philosoph scheint die Zahl der einfachen Begriffe zu sehr zu häufen – ein Vorwurf, den man auch Locken machen kann, und den ihm Leibnizen in den Nouv. Essais wirklich gemacht hat. Lambert Architektonik I. Hauptst. § 74.9

Kurze Zeit nach der Publikation des Neuen Organon wurde Lambert in die Berliner Akademie der Wissenschaften aufgenommen und siedelte infolgedessen nach Berlin über, an einen der einflussreichsten Orte aufklärerischer Wissenschaften und Künste im Europa des mittleren 18. Jahrhunderts.10 Hier entstanden seine etwa

|| 7 Vgl. hierzu die Skizze bei Günter Schenk: Nachwort. In: Johann Heinrich Lambert: Neues Organon. Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrtum und Schein. Hg. von Günter Schenk. Berlin 1990, S. 1027–1056, insb. S. 1036ff. 8 Zu einer der wenigen, längst ergänzungsbedürftigen biographischen Skizzen vgl. Günter Schenk, Fritz Gehlhar: Der Philosoph, Logiker, Mathematiker und Naturwissenschaftler Johann Heinrich Lambert. In: Aufklärung in Berlin. Hg. von Wolfgang Förster. Berlin 1989, S. 130–164. 9 Ernst Platner: Philosophische Aphorismen nebst einigen Anleitungen zur philosophischen Geschichte. Leipzig 1776, S. 150 (§ 496A). 10 Siehe hierzu u. a. Iwan-Michelangelo d’Aprile: Die schöne Republik. Ästhetische Moderne in Berlin im ausgehenden 18. Jahrhundert. Tübingen 2006.

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150, noch immer nicht vollständig edierten Beiträge für die Nouveau Mémoires de l’Académie royale de Berlin. Hier entstand auch sein zweites philosophisches Hauptwerk, die Anlage zur Architektonik, das er 1771 publizierte. Seit 1765 stand Lambert in einem Austausch mit Immanuel Kant über Fragen der Kosmologie, Wissenschaftstheorie und Erkenntnistheorie, der die intellektuelle Entwicklung des Königsberger Philosophen durchaus beeinflusste.11 Noch in den 1780er Jahren, nach der Publikation der Kritik der reinen Vernunft, war Kant davon überzeugt, dass neben Mendelssohn und Tetens nur Lambert die Bedeutung seiner Neuerungen auf dem Gebiet der Metaphysik und Epistemologie in vollumfänglicher Weise hätte verstehen und würdigen können. Allerdings zeigt sich schon in den ersten Kontakten zwischen beiden Philosophen auch eine merkliche Distanz und dadurch auch eine Besonderheit des lambertschen Wissenschaftsverständnisses. Zwar sind sich beide Philosophen darüber einig, dass man dringend an einer „reforme der Metaphysik“12 arbeiten müsse;13 Lamberts Vorschlag hierzu dürfte Kant jedoch wenig überzeugt haben: Wolf hat ungefehr die Helfte der Mathematischen Methode in der Philosophie angebracht. Es ist noch um die andere Helfte zu thun, so haben wir was wir verlangen können.14

Lambert beabsichtigt mithin, die gesamte Philosophie der »Mathematischen Methode« zu unterziehen, ja ihr zu unterwerfen, um ihren Wissenschaftsstatus zu gewährleisten; das ist sein Vorschlag für den Weg zu einer konsequenten Weiterführung der Aufklärung. Kant hingegen wusste schon 1765, dass dieser Weg einer radikalisierten Mathematisierung der Metaphysik und der gesamten Philosophie nicht der seine sein konnte, weil Gewissheit auch und vor allem auf dem Gebiete der praktischen Philosophie nicht durch deren Mathematisierung zu erzielen war.15 Gleichwohl hat Lambert auf andere Aufklärer einen erheblichen Einfluss ausgeübt. Dazu zählen neben Lessing16 auch Wieland, Herder, Jean Paul17 oder selbst

|| 11 Vgl. hierzu Lewis White Beck: Lambert und Hume in Kants Entwicklung von 1769–1772. In: KantStudien 60 (1969), S. 123–130; Alison Laywine: Kant in reply to Lambert on the ancestry of metaphysical concepts. In: Kantian Review 5 (2001), S. 1–48 sowie Gideon Stiening: Von der mathematischen zur kritischen Metaphysik der Natur. Kant und Lambert. In: Non-Newtonian Sources of Kant’s Metaphysical Foundations of Natural Science. Hg. von Rudolf Meer. [Kantian Journal, Kaliningrad] 2022, S. 42–67. 12 So Kant in einem Brief an Johann Bernoulli vom 16. Nov. 1781, AA X, S. 277. 13 Siehe hierzu u. a. Radoslaw Kuliniak: Johann Heinrich Lambert und Kants Reform der Metaphysik. Dresden 2014. 14 AA X, S. 54. 15 Vgl. hierzu KrV, B 742ff. 16 Siehe hierzu erste Ansätze bei Monika Fick: Unverkürzte Schönheit. Lessings Laokoon, Christian Ludwig von Hagedorns Betrachtungen über die Mahlerey und Johann Heinrich Lamberts Abhandlung Die freye Perspektive. In: Scientia Poetica 14 (2010), S. 29–43.

Zur Einführung: Johann Heinrich Lambert und die Mathematisierung der Aufklärung | 5

Goethe.18 Insbesondere in seinem Bemühen um eine methodisch präzise Vermittlung zwischen empirischem und rationalem Wissen19 sowie durch seine Sprachund allgemeine Zeichentheorie hat Lambert eine Vielzahl von Zeitgenossen geprägt.20 Dieser immense zeitgenössische Einfluss auf die akademische und populäre Philosophie ist allerdings in den Forschungen zur Philosophie-, Wissenschafts- und Literaturgeschichte des späten 18. Jahrhunderts noch kaum erforscht. 21 Zwar erscheint der mathematische und philosophische Autor verlässlich in historischen Lexika,22 Handbüchern23 und Überblicksdarstellungen;24 auch konnte mit dem Abschluss der philosophischen Werkedition durch die Lambert-Arbeitsstelle unter Lothar Kreimendahl eine solide Textgrundlage geschaffen werden.25 Die Supplement-Bände dieser Ausgabe, die vor allem Lamberts Monatsbuch präsentieren, dokumentieren erneut nicht allein die immense Schaffenskraft dieses ›Genies und enfant terrible‹ der Aufklärung, sondern auch die Möglichkeit und Notwendigkeit, die deutende Erfassung des lambertschen Werkes um textgenetische Dimensionen zu erweitern.26 Allerdings ist die Forschung von einer in sich differenzierten und systematischen Erfassung des lambertschen Gesamtwerkes und dessen zeitgenössischer Rezeption ebenso weit entfernt wie von der angemessenen Bestimmung der Stellung Lamberts in den prägenden Debatten und Kontroversen der europäischen Auf-

|| 17 Siehe hierzu Gesine Leonore Schiewer: Cognitio symbolica. Lamberts semiotische Wissenschaft und ihre Diskussion bei Herder, Jean Paul und Novalis. Tübingen 1996. 18 Siehe hierzu die knappen Hinweise in: »Der gute Kopf leuchtet überall hervor.« Goethe, Göttingen und die Wissenschaft. Hg. von Elmar Mittler, Elke Purpus und Georg Schwedt. Göttingen 1999, S. 141. 19 Vgl. hierzu Gereon Wolters: Basis und Deduktion. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Theorie der axiomatischen Methode bei Johann Heinrich Lambert (1728–1777). Berlin 1980. 20 Vgl. hierzu Luigi Caldani Madonna: Die Sprachauffassung Lamberts zwischen Charakteristik und Metaphorisierung. In: Geschichte der Hermeneutik und die Methodik der textinterpretierenden Disziplinen. Hg. von Jörg Schönert und Friedrich Vollhardt. Berlin 2005, S. 221–242. 21 Zur älteren Forschung vgl. vor allem Ernst Cassirer: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie der Neuzeit. 4 Bde. Berlin 31922, Bd. 2, S. 534–546 sowie Lewis White Beck: Early German Philosophy: Kant and his Predecessors. Cambridge 1969, S. 402–412. 22 Siehe hierzu Heiner F. Klemme: [Art.] Lambert, Johann Heinrich. In: The Cambridge History of Eighteenth-Century Philosophy. 2 Bde. Hg. von Knud Haakonssen. Cambridge 2006, Bd. 2, S. 1191f. oder auch Paola Basso: Lambert, Johann Heinrich. In: The Dictionary of Eighteenth Century German Philosophers. Hg. von Heiner F. Klemme und Manfred Kühn. London 2010, Bd. 2, S. 205–212. 23 Siehe Armin Emmel, Temilo van Zantwijk: § 41: Johann Heinrich Lambert. In: Die Philosophie des 18. Jahrhunderts. 5: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Schweiz. Nord- und Osteuropa. Hg. von Helmut Holzhey und Vilem Murdoch. Basel 2014, S. 890–902. 24 So bei Luc Peterschmitt: Espace et métaphysique de Gassendi à Kant. Paris 2013, S. 321–328. 25 Vgl. Johann Heinrich Lambert: Philosophische Schriften. 10 in 13 Bden. Begonnen von Hans Werner Arndt, fortgeführt von Lothar Kreimendahl. Hildesheim 1965–2008 (LPS). 26 Siehe hierzu LPS Suppl. 1, S. 1–237.

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klärung zwischen 1760 und 1780. Dabei umfassen seine Arbeiten nahezu alle Felder der theoretischen und praktischen Philosophie sowie der Mathematik und Physik samt einer Fülle von Publikationen zu daran anschließenden Fragen ihrer pragmatischen Bedeutung, deren Rolle als Klugheitslehren der Berliner Philosoph stets zu bedenken suchte.27 Auch die literatur- und wissenschaftsgeschichtlichen Forschungen zur Anthropologie der Spätaufklärung28 und die sich zunehmend entfaltende Geschichtsschreibung zur Philosophie zwischen Wolff und Kant29 bieten ein geeignetes Forum für eine im Folgenden versuchte konzentrierte Bestandsaufnahme der philosophischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen Johann Heinrich Lamberts.

3 Aufbau und Beiträge des Bandes Das drängendste Desiderat der Forschung besteht in der angemessen präzisen Erfassung der zentralen philosophischen und wissenschaftlichen Texte Johann Heinrich Lamberts. Dazu zählen zunächst eingehende Rekonstruktionen der philosophischen Gesamtsystematik in methodischer und systematischer Hinsicht sowie der Logik und Metaphysik, die Lambert in seinen Texten ausführte. Es ist dafür allerdings nicht nur zu berücksichtigen, dass Lambert all diesen Disziplinen der philosophischen Wissenschaften durch eine mathematische Fundierung, d. h. durch eine mathesis universalis, zur methodischen und systematischen Gewissheit und Einheit verhelfen wollte, sondern dass er dabei vor allem auch jene Vermittlung zwischen empirischem und rationalem Wissen ins Werk zu setzen hoffte, die das 18. Jahrhundert – nicht nur in der Philosophie – beunruhigte und kontrovers beschäftigte. Die differenzierten Ausführungen zu den Formen analytischer und synthetischer Methode in der Metaphysik sollten die das Jahrhundert prägenden philosophischen Systeme Lockes und Wolffs einander annähern. Seine Architektonik als Versuch einer deduktiv-induktiven Gesamtwissenschaft sowie insbesondere seine Lehre vom Kalkül sollten diese epochale Problemlage einer Lösung zuführen.

|| 27 Siehe hierzu Christian August Vogler: Johann Heinrich Lambert und die praktische Geometrie. Berlin 1911. 28 Vgl. hierzu Hans-Peter Nowitzki: Der wohltemperierte Mensch. Aufklärungsanthropologien im Widerstreit. Berlin, New York 2003 sowie Anne Pollok: Facetten des Menschen. Zur Anthropologie Moses Mendelssohns. Hamburg 2010. 29 Vgl. hierzu u. a. Falk Wunderlich: Kant und die Bewußtseinstheorien des 18. Jahrhunderts. Berlin 2005, S. 65ff. sowie Thomas Sturm: Kant und die Wissenschaften vom Menschen. Paderborn 2009, S. 141–144 u. ö.

Zur Einführung: Johann Heinrich Lambert und die Mathematisierung der Aufklärung | 7

Der nachfolgende Band wird daher zunächst eröffnet durch zwei Beiträge, die sich aus methodologischer und systematischer Perspektive mit der Gesamtkonzeption von Philosophie und Wissenschaft beschäftigen: So sucht Gualtiero Lorini Lamberts ideengeschichtliche Stellung innerhalb des Tableaus der Wissenschaftsverständnisse der europäischen Aufklärung durch eine methodologische Perspektive zu erfassen, indem er zentrale Begriffe wie ›Methode‹, ›Definition‹, ›Sprache‹ und ›System‹ analysiert. Anschließend dokumentiert Clara Innocenti in einer eingehenden Interpretation und Kontextualisierung der lambertschen Studie Entwurf des akademischen Systems in seinen Theilen, und deren Verbindungen den energischen Versuch des in die neu gegründete Bayerische Akademie der Wissenschaften aufgenommenen Universalwissenschaftlers, sein Verständnis eines Systems der Wissenschaften in die forscherische Praxis umzusetzen. Auch wenn dieses Modell nicht umgesetzt wurde, zeigt es doch anschaulich, dass Lambert seinen systematischen Zugriff auf die Wissenschaften in die akademische Praxis umsetzen wollte und konnte. Die folgende Sektion befasst sich mit den nach Lambert sogenannten Grundwissenschaften: Logik und Metaphysik. Eröffnet wird diese Sektion durch Ausführungen Giuseppe Mottas zur Modallogik, die Lambert im Rahmen eines seiner Hauptwerke, der Anlage zur Architectonic oder Theorie des Einfachen und Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß aus dem Jahre 1771 entwickelte. Motta zeigt akribisch, dass zwar der Begriff der ›Möglichkeit‹ nicht systematisch begründet wird, gleichwohl eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Gesamtsystematik spielt, weil es Lambert gelingt, eine einfache, eminent praktische Auffassung des Möglichen selbst mit der Neubestimmung sämtlicher Begriffe der Modalität in einer neuen Definition der Grundlage der Logik und der Metaphysik zu verbinden. Martin Hammer beschäftigt sich demgegenüber mit der lambertschen Urteilstheorie und dabei insbesondere mit den Termini infiniti. Hammer gelingt in seiner systematischen Perspektive auf die Leistungen Lamberts zugleich dessen Einbettung in den weitgespannten Kontext der Logik und Vernunftlehren des 18. Jahrhunderts. Im Anschluss daran entwickelt Kay Zenker Lamberts Auffassung von Metaphysik, die sich vor allem an dem Geschäft der präzisen Begriffsanalyse und definition entfaltet: Zenker kann allerdings anschaulich dokumentieren, dass für Lambert dieses Geschäft prinzipiell unabschließbar ist und damit die Arbeit an der Metaphysik eine dauerhafte Aufgabe der Wissenschaften ist. Matteo Favaretti Camposampiero schließt an diese Erkenntnisse Zenkers insofern an, als er nachweisen kann, dass die unaufhebbare Arbeit an der Metaphysik zugleich auf Invarianten basiert, die vor allem mit dem Begriff der ewigen Wahrheiten und dem ›Gott der Philosophen‹ – wenngleich kritisch – gesetzt sind. Die Besonderheiten der lambertschen Metaphysik kann der Autor zudem durch einen differenzierten Vergleich mit der wolffschen Ontologie herausarbeiten. Diese Sektion beschließend betrachtet Ansgar Lyssy jenen Teil der Metaphysica specialis, der Lambert besonders am Herzen lag: die Kosmologie. In einer eingehenden Analyse und Interpretation

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der Cosmologischen Briefe eröffnet Lyssy grundlegend neue Einsichten in Lamberts Interesse, die grundständig mechanistische Kosmologie um teleologische Perspektiven zu erweitern. Einen weiteren, sein Werk und die Debatten der Wissenschaften prägenden Schwerpunkt bilden die Erkenntnistheorie und Lamberts sogenannte Erfindungskunst, die in der dritten Sektion des Bandes behandelt werden. Paola Rumore eröffnet diesen Abschnitt mit Ausführungen zu Lamberts empirischer Psychologie. Die Autorin kann dabei zeigen, dass der Metaphysiker Lambert offenkundig wenig Berührungsängste im Umgang mit den materialismusaffinen Forschungen der Nervenund Gehirnphysiologie der zeitgenössischen Medizin hatte, obwohl er deutlich darauf hinwies, dass die empirische Erforschung der Gehirnaktivitäten noch gar nicht weit genug vorangeschritten sei, um gesicherte Aussagen über deren Mechanismen treffen zu können. Achim Vesper erweitert diese Perspektive um genuin erkenntnistheoretische Fragestellungen, die sich mit dem Begriff des Scheins und der abstrakten Erkenntnis befassen. Vesper zeigt dabei präzise, dass Lambert auf dem Wege der Integration neuerer Einsichten der Optik die Theorie einer in der Abhängigkeit vom Schein begründeten Irrtumsanfälligkeit entwickelt, die sich von Trugbildern in der sinnlichen Wahrnehmung bis hin zur Bildung leerer abstrakter Begriffe durch die Einbildungskraft erstreckt. Dass Lambert mit seinen umfangreichen und differenzierten Ausführungen zur Methodologie und Epistemologie erheblichen Einfluss auf die Genese der kritischen Theorie Kants hatte, rekonstruiert anschließend Paolo Pecere; zugleich lässt der Autor die deutlichen Differenzpunkte zwischen Kant und Lambert im Hinblick auf das Verständnis von Metaphysik überzeugend hervortreten. Anschließend befasst sich Paola Basso mit einem spezifischen Problem der lambertschen Erkenntnistheorie, und zwar mit dem Begriff »figürlich«. Basso zeigt in diesem Zusammenhang minutiös, dass Lambert darum bemüht war, metaphysische, epistemologische und geometrische Begriffe, Kategorien und Grundsätze zum Behuf einer strengen Verwissenschaftlichung aller drei Wissenschaften zu vermitteln. Diese Sektion wird beschlossen von einer Studie Enrico Passinis zum Verhältnis von Mathematik, Erfindungskunst und experimenteller Erkenntnis. Passini dokumentiert dabei, dass Lambert den großangelegten Versuch unternahm, experimentelles Wissen durch eine Grundlegung ihrer Methodologie in Mathematik und Logik zu verwissenschaftlichen. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang eine sogenannte ›Erfindungskunst‹, die das Bemühen Lamberts zeigt, die Verfahren wissenschaftlicher Entdeckungen zu vereinheitlichen und zu optimieren. Ein weiteres bedeutendes Forschungsfeld, dem sich Lambert zeitlebens widmete, das jedoch bislang noch kaum in den Fokus der Forschung rückte, wird in einer weiteren Sektion behandelt: Lamberts praktische Philosophie. Sowohl auf dem Gebiet der politischen Theorie als auch auf dem der Moralphilosophie und der Theologie hat sich Lambert mit präzisen, in der Darstellung oft populären und doch gegenüber den Debatten und Diskursen der Aufklärung distinkten Beiträgen zu Wort gemeldet. Eröffnet wird die Sektion durch den Beitrag Frank Grunerts über

Zur Einführung: Johann Heinrich Lambert und die Mathematisierung der Aufklärung | 9

eine zu Lebzeiten des Autors unveröffentlichte Rede mit dem Titel: Notwendigkeit der Religion in einem Staate. Lambert zielt mit seiner Argumentation darauf ab, eine religiöse Begründung für die Geltung und die Wirkung von Gesetzen zu liefern. Zwar ist diese Form politischer Theologie nach Grunert in den 1750er Jahren nicht mehr zeitgemäß, wohl aber charakteristisch für das religiöse Weltverhältnis Lamberts – zumal in praktischer Hinsicht. Michael Walschotts wendet sich anschließend der lambertschen Moralphilosophie zu und dabei insbesondere dem Begriff des moralischen Scheins. Walschotts zeigt zunächst, dass Lambert ein – in der Nachfolge Wolffs – umfassendes Konzept einer Philosophia practica universalis entwickelt, innerhalb dessen die Moraltheorie ein gewichtiges Moment ausmacht. Hierfür korreliert Lambert den Begriff des Guten mit dem des Wahren, um jeden moralischen Schein in eine moralische Realität zu überführen. Erweitert wird diese Sektion durch Stefans Klingners Abhandlung zur natürlichen Theologie und zum christlichen Glauben bei Lambert. Klingner belegt in diesem Zusammenhang anhand einiger früher Reden aus den 1750er Jahren, dass Lambert das Projekt einer natürlichen Theologie als metaphysica specialis für durchführbar und vor allem auch für notwendig ansah. Dass er dieses Projekt nicht zur Ausführung brachte, hatte wohl eher kontingente Gründe; denn als Ergebnis hält Klingner auch für die Verwendung von Theologumena in den reiferen philosophischen Texten fest, dass Lamberts philosophischer Theorieentwurf nichts weniger darstellt als einen paradigmatischen Fall des rationaltheologisch fundierten Rationalismus der Schulphilosophie der Aufklärung. Gideon Stiening dokumentiert Vergleichbares an den Cosmologischen Briefen, wenngleich er darauf hinweist, dass Lambert teleologische Urteile in der Naturforschung anhand des Begriffs der »Muthmassung« in ihrem Geltungsstatus deutlich einschränkt. Die letzte Sektion bilden Beiträge zur Sprachphilosophie sowie zur Ästhetik und zur noch weitgehend unbekannten, weil unedierten Lyrik Lamberts. Den Beginn markiert die Studie Hans-Peter Nowitzkis zur Sprachphilosophie Lamberts. Nowitzki belegt in seinen Ausführungen, dass die Sprachtheorie des Philosophen, vor allem niedergelegt in der Semiotik oder Lehre von der Bezeichnung der Gedanken und Dinge, den großangelegten und bedeutenden Versuch darstellt, zwischen den empiristischen und rationalistischen Grundlegungen der Philosophie im langen 18. Jahrhunderts zu vermitteln. Oliver Bach setzt die Auseinandersetzung mit diesem Werkbereich Lamberts durch eine Rekonstruktion der Stellung und Systematik der Ästhetik in dessen philosophischem System fort. Bach zeigt dabei präzise, dass nach Lambert die Ästhetik als Wissenschaft in empistemologische und semiotische Grundlagen eingebunden ist, die allererst zu ästhetischer Theorie und poetischer Praxis führen könnten. Weil der Berliner Akademiker als Kritiker der ›seichten‹ schönen Wissenschaften nur eine hinreichend selbstreflexive Dichtung für möglich und sinnvoll hält, sieht er ausschließlich in Dichtern, die auch Philosophen sind, eine mögliche Zukunft der Literatur. Und Udo Roth schließt nicht nur diese Sektion, sondern die Beiträge des gesamten Bandes mit Untersuchungen zur Lyrik Lamberts

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ab, für die er zu zeigen vermag, dass sie beispielsweise als Naturlyrik mit den wissenschaftlichen Einsichten des Autors eine enge Verbindung eingehen. Ohne jeden Zweifel ist das umfangreiche, weitverzweigte und systematisierte Werk Johann Heinrich Lamberts auch im vorliegenden Band nur in Ansätzen darstellbar. Es ging lediglich darum, erste Konturen des Werkprofils eines der bedeutendsten Wissenschaftlers und Philosophen des 18. Jahrhunderts nachzuzeichnen.

Der vorliegende Sammelband geht auf zwei Tagungen zurück, die von den Herausgebern vom 15. bis 17. Juni 2017 an der Arbeitsstelle ›Wieland-Edition‹ der Friedrich Schiller-Universität Jena sowie vom 17. bis 20. März 2016 an der Universität Turin ausgerichtet wurden. Zufällige Umstände haben eine frühere Publikation verhindert. Für ihre große Geduld danken die Herausgeber zunächst und zumeist den Beiträgern des Bandes. Die Jenaer Tagung wurde von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur in großzügiger Weise unterstützt, wofür sich die Organisatoren ausdrücklich bedanken. Schließlich gilt ein besonderer Dank dem Verlag Walter de Gruyter und hierbei insbesondere Marcus Böhm, Anne Hiller und André Horn, die sich für unseren Band zu Johann Heinrich Lambert mit großem Engagement einsetzten. Jena, München, Rom und Turin im Juli 2022

| 1 Methode und System der Wissenschaften

Gualtiero Lorini

Die Anatomie des Wissens Elemente für eine methodologische Einführung zu Johann Heinrich Lambert

1 Einführende Bemerkungen Aus mehreren Gründen macht eine Einführung zu einer so reichen, vielfältigen und komplexen Figur wie Johann Heinrich Lambert eine schwierige Aufgabe aus. Die erste Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die nach dem besten Ausgangspunkt, um Lamberts wissenschaftliches, philosophisches und überhaupt intellektuelles Profil zu skizzieren. In der Pluralität seiner Interessen ist es aber schwierig, sich zu orientieren, weil einige seiner Forschungsbereiche große technische Kompetenzen erfordern, die hier nicht behandelt werden können, aber auch, weil jeder Zweig seiner Arbeit sich mehr oder weniger auf die anderen bezieht, sodass es fast unmöglich ist, darin eine endgültige Hierarchie zu erkennen. Oft besteht bei dieser Art Problem eine gute Lösung darin, am Ende zu beginnen, d. h. bei Lamberts üblichem Bild als eines Gelehrten, dessen vielfältige Interessen sich nicht einfach nebeneinander stellen lassen. In diesem Sinne sollte ein einführender Aufsatz zu Lambert sich darum bemühen, die Inspirationseinheit zu begreifen, die seinem Denken als Philosoph und Wissenschaftler zugrunde liegt. Ein solches Ergebnis kann aber nur am Ende einer vollständigen und detaillierten Darstellung aller Aspekte, die Lamberts intellektuelle Konstellation charakterisieren, erreicht werden, was hier selbstverständlich nicht ausgeführt werden kann. Man zielt einfach darauf ab, einige Elemente zu betonen, die eine gemeinsame konzeptuelle Plattform für die folgenden Aufsätze ausmachen können. Deswegen soll man auf den folgenden Seiten nach keiner interpretativen These oder demonstrativen Struktur suchen. Vielmehr sollten diese Seiten als ein Schaufenster angesehen werden, in dem einige (hoffentlich) interessante Objekte dargestellt werden. Wer aber detaillierte Informationen über diese Objekte möchte, muss den Laden betreten (in unserem Fall den ganzen Band lesen), um mehr darüber zu lernen, wie diese Objekte sich miteinander verbinden. Der erste Teil dieses Beitrags wird eine Beschreibung der wichtigsten Eigenschaften der anatomischen Methode anbieten. Dann werden die Implikationen dieser Methode in Bezug auf die Theorie der Definition und infolgedessen auf die Sprache analysiert werden. Schließlich werden ein Paar Suggestionen skizziert, die sich auf die Nützlichkeit von Lamberts interdisziplinärem Ansatz zum Wissen für die zeitgenössische Überlegung des wissenschaftlichen Denkens beziehen.

https://doi.org/10.1515/9783110647761-002

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2 Ursprung, Bedeutung und Struktur der anatomischen Methode Es ist manchmal, und mit Recht, behauptet worden, dass die geringere Resonanz der deutschen Aufklärung im Vergleich zur englischen und vor allem zur französischen zwei Hauptgründe habe: Einerseits sei die deutsche Aufklärung zwischen den Figuren von Wolff und Kant eingezwängt, andererseits sei ihre Rezeption von Hegels negativem Urteil beeinflusst worden, welches die Vertiefung dieser kulturellen Epoche vor allem im 19. Jahrhundert erheblich eingeschränkt.1 Darüber hinaus waren viele der Protagonisten dieser »Mittelperiode« hauptsächlich Wissenschaftler, deren Interesse an der Philosophie – das wir heutzutage als »epistemologisch« definieren würden – nur, oder zumindest in erster Linie, aus methodologischen Anforderungen entstehen konnte, was ihre Betrachtungen oft ausnehmend technisch und daher ungeeignet für eine unmittelbare Verbreitung machte. Dennoch kann gerade diese Verwurzelung in den exakten Wissenschaften (Mathematik, Physik, Astronomie, Biologie, usw.) als ein fruchtbarer Leitfaden gelten, um den Vorschlag einer Reform der Metaphysik besser zu verstehen, der selbst den Kant der 1760er Jahre stark beeinflusste. Es ist in der Tat kein Zufall, dass im Rahmen des Strebens nach der Formalisierung more geometrico der Metaphysik, von Wolff an, die Reformatoren der Metaphysik sich ständig auf Euklids Elemente bezogen haben, da die Stabilität ihrer Gründe und des daher stammenden deduktiven Prozesses als ein ideelles Muster anerkannt wurden. Dies bringt, nicht selten mit kritischen Akzenten, die Diskussion von Wolffs Auffassung des Definitionsvorgangs mit sich, und infolgedessen eine Überlegung der ausdrücklichen Grenzen einer aus Definitionen bestehenden Sprache. Was also dadurch in Diskussion gestellt wird, ist letztendlich die Fähigkeit einer auf einer solchen Sprache basierten Weltweisheit, das »System aller Wahrheiten« auszudrücken. »Methode«, »Definitionen«, »Sprache« und »System« können als Stichwörter – natürlich nicht die einzigen – von Johann Heinrich Lamberts Denken angesehen werden. Sie stellen die Richtlinien dar, denen wir bei dieser unvermeidlich unvollständigen Rekonstruktion seines Denkens zu folgen versuchen werden. Wie im Fall von vielen Denkern, die hauptsächlich Wissenschaftler waren, führt seine wissenschaftliche Tätigkeit auch Lambert dazu, die von der traditionellen Metaphysik verfolgte absolute Einheit des Wissens abzulehnen, weil ein solches Streben nach Totalität nur den Verlust der inhaltlichen Prägnanz des Wissens zur Folge haben kann.

|| 1 Siehe dazu Fabio Todesco: Riforma della metafisica e sapere scientifico. Saggio su J. H. Lambert (1728–1777). Mailand 1987, S. 7.

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Ganz im Gegenteil besteht eines von Lamberts bemerkenswertesten (obwohl negativen) methodologischen Ergebnissen gerade in der Anerkennung der Unmöglichkeit, ein endgültiges Bild des ganzen Wissens zu erreichen, wodurch sowohl die Objekte der Erkenntnis als auch die Verhältnisse zwischen den Wissenschaften, die sich mit diesen Objekten beschäftigen, fehlerlos klassifizierbar sind. Trotzdem hat die Anerkennung dieser Unmöglichkeit einen methodologischen Wert an sich selbst, insofern nämlich, als sie einer verbreiteten und potentiell gefährlichen Tendenz der klassischen Metaphysik Einhalt gebietet, und zwar jener Tendenz, eine allgemeine Verbindung aller Erkenntnisse – selbst in Abwesenheit der dazu notwendigen Bedingungen – zu identifizieren. Diese Bedingungen werden durch die mühselige Anwendung der anatomischen Methode gegeben, deren Ursprung Lambert – durch Pappus – gerade auf Euklid zurückführt.2 In einem Brief an Holland vom 21. April 1765 unterstreicht Lambert, dass Euklid seine Geometrie nicht aus der Suche nach den Gemeinelementen in allen Figuren, sondern »bei dem Einfachen« angefangen hat, was er als »Linien, Winkeln, Triangel« identifiziert. Also nimmt Euklid »nicht die Analyse sondern die Anatomie des Raumes vor, und dadurch bringt er die Geometrie zu Stande«.3 Die Notwendigkeit des methodologischen Bezuges auf die Medizin (in Form der Anatomie) wird in der Semiotik des Neuen Organons durch den Bezug auf die Chemie ergänzt: »Man muß immer zur Anatomie, zu chemischen und andern Versuchen schreiten, wenn man alles, was solche Ganze enthalten, entdecken will«.4 Die Anatomie und die Chemie teilen in der Tat die Aufmerksamkeit auf die einfachen Komponenten der Erkenntnis. Wenn man aber weder die körperlichen Teile noch die chemischen Elemente, sondern die einfachen Begriffe in Angriff nimmt, so Lambert an Holland: sieht man nicht darauf, ob der Begriff andern Begriffen ähnlich oder davon verschieden sey; sondern man hält sich schlechthin an den Begriff selbst, und sucht seine inneren Bestimmungen auf, welche gleichsam seine Factores und numeri primi sind. Es sind gleichsam die Ingredientien, aus welchen der Begriff zusammengesetzt ist, und aus welchen er sich zusammensetzten läßt. Dadurch gelangt man zu Realdefinitionen.5

|| 2 Pappus Alexandrinus: Mathematicae Collectiones, a Federico Commandino Urbinate in latinum conversae et commentariis illustratae. Venedig 1594 (Collectionis quae supersunt, Berlin 1877) (La Collection mathématique. Paris 1933). Siehe dazu die bemerkenswerte Arbeit von Paola Basso: Filosofia e geometria. Lambert interprete di Euclide. Florenz 1999, S. 51. 3 Lambert an Holland, 21. April 1765, LPS 9, S. 32. 4 Johann Heinrich Lambert: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. 2 Bde. Leipzig 1764 [LPS 2], Semiotik, § 197. 5 Lambert an Holland, 21. April 1765, LPS 9, S. 24.

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Zwar schreibt Lambert Euklid den Ursprung dieser »Anatomie der Begriffe« zu, aber er betont, dass eine solche Methode auch von Locke angewandt wurde, der, wie manchmal vergessen wird, eine Ausbildung als Arzt hatte: »Kann man sagen«, so Lambert anfangs der Architectonic, »daß Locke die menschlichen Begriffe anatomirt, Leibniz aber dieselben analysirt habe«, d. h.: »Leibniz nämlich betrachtete sie nach den verschiedenen Stufen der Klarheit, Deutlichkeit und Vollständigkeit, und zeigte, daß sie diese nach der immer mehrern Entwickelung der inneren Merkmaale richte«,6 aber er habe diese Begriffe nicht vollständig zergliedert: »Dieses ist nun der Weg, den Locke eingeschlagen. Er ahmete den Zergliederern des menschlichen Leibes, auch in der Zergliederung der Begriffe nach«.7 Im Gegensatz zur potentiellen Unerschöpflichkeit der Analysis kann man bei der Anatomie die Glieder isolieren, genau wie die Organe, die bei der Sezierung einer Leiche voneinander getrennt werden. Das Wort »Anatomia« in Bezug auf die Begriffe und auf die Erkenntnis überhaupt kann man schon in Baumgartens Acroasis logica8 sowie in Meiers Auszug aus der Vernunftlehre9 finden, und es wird häufig durch Zergliederung wiedergegeben.10 Die Relevanz dieser Operation für Lambert kommt auch darin zum

|| 6 Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic oder Theorie des Einfachen und Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß. 2 Bde. Riga 1771 [LPS 3, § 7]. Siehe auch Lambert: Neues Organon, LPS 1, Vorrede, S. 5. 7 Lambert: Architectonic, LPS 3, § 9. 8 Alexander Gottlieb Baumgarten: Acroasis Logica in Christianvm L. B. de Wolff dictabat Alexander Gottlieb Baumgarten. Halle 1761, § 29. Hier bezieht sich Baumgarten auf »W. § 17 n. 3«. 9 Georg Friedrich Meier: Auszug aus der Vernunftlehre. Halle 1752, § 139. 10 Selbst die Wörter »Architectonica – Architectonic« findet Lambert in Baumgartens Metaphysica (Gottlieb Alexander Baumgarten: Metaphysica. Halle 1739, § 4) sowie in Wolffs Deutscher Metaphysik (Christian Wolff: Vernünftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen auch allen Dingen überhaupt. Halle 1719, §§ 169ff.). Bei Baumgarten wird dieses Wort in Bezug auf »Ontologia« gelistet, während es bei Lambert den Wert einer Begründungs- und Methodenlehre erwirbt. Siehe z. B. Lambert: Architectonic, LPS 3, Vorrede, S. XVIIIf.: »›Architectonic‹ […] ist in so fern ein Abstractum aus der Baukunst und hat in Absicht auf das Gebäude der menschlichen Erkenntniß eine ganz ähnliche Bedeutung, zumal, wenn es auf die erste Anlage, auf die Materialien und ihre Zubereitung und Anordnung überhaupt und so bezogen wird, daß man sich vorsetzt, daraus ein zweckmäßiges Ganzes zu machen«. Gereon Wolters macht darauf aufmerksam, dass Lambert in einem Brief an Kant »konkreter« wird: Lambert an Kant, 13. November 1765 (Immanuel Kant: Briefwechsel, AA X, S. 52): »Zur Architectonic nehme ich das einfache und erste jeder Theile der menschlichen Erkenntnis, und zwar nicht nur die Principia, welche von der Form hergenommene Gründe sind, sondern auch die Axiomata, die von der Materie selbst hergenommen werden müßen, und eigentlich nur bey den einfachen Begriffen, als die für sich nicht widersprechend und für sich gedenkbar sind, vorkommen, und die Postulata, welche allgemeine und unbedingte Möglichkeiten der Zusammensetzung und Verbindung der einfachen Begriffe angeben«. Siehe dazu auch Gereon Wolters: Basis und Deduktion. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Theorie der Axiomatischen Methode bei J. H. Lambert (1728–1787). Berlin 1980, S. 19f. Nicht zufällig finden sich die Stichwörter »Einfache und Erste« im Untertitel der Anlage zur Architectonic.

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Ausdruck, als er nicht nur zergliedern, sondern auch Wörter wie decomponiren und auflösen gebraucht.11 Die Anatomie ist also tief mit dem Begriff vom »Anfang« des Erkenntnisprozesses verbunden, insofern die Anatomie der Begriffe eine genetische und nicht bloß eine Nominalrekonstruktion der Erkenntnis ermöglicht. In diesem Sinne ist Claude Debrus Bemerkung zuzustimmen, nach der alle von Lambert vorgeschlagenen Modelle – wie z. B. die genetische nicht-nominale Definition, die anatomische Methode, bis zur Suche nach einer realen Charakteristik – als Versuche einzuschätzen sind, um »Wolffs Pseudonominalismus aufzuheben, der eine bloße Logik nach Arten und Gattungen ist«.12 Als Bestätigung dafür gilt das, was Lambert am 24. Juli 1763 an Sulzer schreibt, und zwar, dass Wolff mehr nach der Analysis als nach der Anatomie strebte: Es ist möglich, so Lambert, dass Wolff die Anatomie für zu a posteriori hielt, aber sie ist nicht weniger gut als die Analysis.13 Am 3. Februar 1766 schreibt Lambert an Kant: Nach der Leibnizischen Analyse, die durchs Abstrahiren und nach Ähnlichkeiten geht, kömmt man auf desto zusammengesetztere Begriffe, je mehr man abstrahirt, und mehrentheils auf nominale Verhältnisbegriffe, die mehr die Form als die Materie angehen.14

Ganz im Gegenteil zielt der anatomische Ansatz darauf ab, gerade einen materialen Anfang für die Erkenntnis zu garantieren,15 und das ist nochmals mit dem Bezug auf Disziplinen wie die Medizin oder die Chemie gesagt. Wie Paola Basso bemerkte, ist Lamberts Bestimmung des Wortes ›Anatomie‹ in der Tat besonders geeignet, weil, nach dem Zeugnis von Galens Texten, Euklids

|| 11 In diesem historischen Zusammenhang ist das Verb ›auflösen‹ besonders interessant in Bezug auf Kants Betrachtung der »unauflöslichen Begriffe«: Siehe z. B. Immanuel Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes, AA II, S. 73; ders.: Versuch den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen, AA II, S. 204; ders.: Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral, AA I, S. 279f.; ders.: Logik, AA IX, S. 59. 12 Claude Debru: Analyse et représentation. De la méthodologie à la théorie de l’espace. Kant et Lambert. Paris 1975, S. 29: »[L]a pseudo-mathématisation wolfienne qui n’est qu’une logique per species et genera«. 13 Lambert an Sulzer, 24. Juli 1763. In: Handschriftlicher Nachlaß, Universitäts-Bibliothek Basel, Signatur: L.I.a.733‒748. Hg. von Max Steck; siehe hierzu auch: Der handschriftliche Nachlass von Johann Heinrich Lambert. Standort-Katalog. Basel 1977, S. 200. Für diese Referenz siehe Basso: Filosofia e geometria (s. Anm. 2), S. 51. 14 Lambert an Kant, 3. Februar 1766, LPS 9, S. 348. 15 Das Wesen von Lamberts Begriffslehre wird zutreffend von Wilhelm Risse erfasst, wenn er behauptet, dass Lamberts Begriffslehre »in die Mitte aller theoretischen Erörterungen um Grundlegung und Aufbau der Logik« tritt. »Das tiefste Fundament dieser ihrem äußeren Anschein nach rein formalistischen Begriffslehre ist jedoch nicht bloß formal, sondern zugleich material« (Wilhelm Risse: Die Logik der Neuzeit. 2 Bde. Stuttgart 1970, Bd. 2, S. 270).

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Methode in der griechischen Welt nunmehr communis opinio geworden war, und Galen die Anatomen in die Schule zu den Geometern schickte, sodass sie die grundsätzliche Affinität zwischen den zwei Disziplinen direkt erfahren konnten.16 Diese Betrachtungen über die anatomische Methode zeigen klar die methodologischen Prämissen, die selbst Lamberts Arbeit als Wissenschaftler zugrundeliegen. Es handelt sich um Themen, die nicht nur vorauszusetzen sind, sondern sich auch an derselben wissenschaftlichen Forschungsmethodik orientieren, insofern der Wissenschaftler die Anforderung teilt, seine Lehre sowohl auf einfache Begriffe als auch auf die Regeln, um diese Begriffe miteinander zu verknüpfen, zu gründen. Es geht um ein grundlegendes Erfordernis, das in Lamberts Zeit gerade in Bezug auf das methodologische Verhältnis zwischen Philosophie und Wissenschaften im Zentrum der Debatte stand. Als bemerkenswertestes Beispiel dafür gilt ein Mémoire der Berlinischen Akademie der Wissenschaften von 1765, in dem Jean-Bernard Mérian die gegenseitigen Begrenzungen von Philosophie und Wissenschaften in Angriff nimmt: Wenn man sich fragt, warum so wenig Klarheit in der Metaphysik zu finden ist, wird man finden, dass sie großenteils auf die Prinzipien der anderen Wissenschaften zurückgeht, und diese Prinzipien unklar sind. Die Geometer und die Physiker gehen über die ersten Begriffe hinweg, damit können sie weitergehen, aber sie lassen hinter sich Zweifel und Dunkelheit. Der erste setzt Punkte, Linien, Flächen, Einheiten voraus; der zweite behandelt die Körper als ausgedehnte, undurchdringliche, unendlich teilbare Wesen; er spricht von Raum, Dauer, Ursache, Kraft, Bewegung. Wenn man aber diese Ideen auf die Probe der Spekulation stellt, findet man, dass sie voll von Schwierigkeiten sind. Das aber bringt die Wissenschaftler überhaupt nicht in Verlegenheit.17

Lamberts ganze epistemologische Überlegung wird genau von diesem Problem des Anfangs, der einfachen und nicht weiter auflösbaren Grundlage des Wissens durchdrungen. Dies hat auch unvermeidliche Folgen auf seine wissenschaftliche Arbeit, was es später zu zeigen gilt.

|| 16 Vgl. Basso: Filosofia e geometria (s. Anm. 2), S. 52. Dazu siehe auch Mario Vegetti: Da Edipo a Euclide. Forme del sapere antico. Mailand 1983. Vegetti bezieht sich auf Galens De usu partium, X, 13; K III 830. 17 Johann Bernhard Mérian: Discours sur la Métaphysique. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles lettres de Berlin. Berlin 1765, S. 450–474, hier S. 461: »Si nous recherchons pourquoi il y a si peu de clarté dans la Métaphysique, il se trouvera que c’est, en grande partie, parce qu’elle remonte aux principes des autres sciences, & que ces principes ne sont pas clairs. Le Géometre & le Physicien, en passant sur les premieres notions, se mettent d’abord au large, & laissent le doute & l’obscurité derriere eux. Le premier suppose des points, des liges, des surfaces, des unités : le second prend les corps pour des êtres étendus, impénétrables, divisibles à l’infini ; il parle d’espace, de durée, d’action, de cause, de force, de mouvement. Si l’on met ces idées au creuset de la spéculation, on les trouve remplies des difficultés ; mais c’est da quoi ils ne s’embarrassent pas«.

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Das Thema der Grundlagen bietet auch einen nützlichen Leitfaden, um die Haupteinflüsse einzuschätzen, die Lambert nicht nur getragen haben, sondern die er auch ausgeübt hat. Einerseits wird die Kontinuität mit der Euklidischen Methode vom Standpunkt der Kombination zwischen den einfachen Begriffen nach den ›Axiomen‹ und ›Postulaten‹ verfolgt. Andererseits hängen in gewissem Maße die psychologistischen Implikationen in Bezug auf die Geisteserfahrung bei der Vorstellung und Kombinierung dieser Begriffe von der Rezeption des englischen Empirismus in Deutschland ab. Gleichzeitig ist, obwohl in den Jahren von Lamberts Tätigkeit noch relativ wenige von Leibniz’ Werken bekannt waren, der Einfluss des kombinatorischen Modells unbestreitbar. Schließlich übt das Thema der objektiven Gültigkeit dieser einfachen Begriffe und ihres Verhältnisses mit der Realität einen entscheidenden Einfluss auf Kant am Ende der 1760er Jahre aus: Es geht in der Tat um ein echtes Problem – das der Angemessenheit der Vorstellung – und das im Zentrum von Kants sogenannten stillem Jahrzehnt auf dem Weg zur ersten Kritik steht. Darüber hinaus erlaubt uns die Untersuchung von Lamberts Betrachtung der ersten Begriffe zu zeigen, dass die Allgegenwärtigkeit von Lamberts Reflexion über die Methode nicht auf die Jahre 1764–1771 (d. h. vom Neuen Organon zur Architectonic) beschränkt werden kann. Zwar identifiziert er im Neuen Organon einige einfache Begriffe als qualitative Mengen, die aus Teilen – aber gleichwertigen – bestehen können, sodass »ein jeder Teil desselben für jeden andern von gleicher Figur und Größe gesetzt werden kann, ohne dass das Ganze dadurch verändert werde«.18 Deswegen kann jeder Teil auch nicht allein bestehen. Diese Begriffe ähneln aber denen, die seit dem dritten Versuch einer Zeichenkunst in der Vernunftlehre (1753–1756) in Bezug auf die Definitionen aufgestellt wurden. Dort wurden in der Tat solche Begriffe nicht auf der Basis ihrer gemeinsamen Merkmale, sondern ihrer Unterschiede aufgestellt.19 Dies gilt als ein klares Indiz von Lamberts früher Entfernung von der wolffschen Methode »nach Arten und Gattungen«. Die qualitative Einheit von Lamberts einfachen Begriffen erklärt einerseits, dass das Identifizierungskriterium für die Möglichkeit dieser Begriffe teilweise (d. h. zumindest im negativen Sinne) noch, wie bei Wolff, in ihrer Nicht-Widersprüchlichkeit besteht.20 Andererseits wird aber auch

|| 18 Lambert: Neues Organon, LPS 1: Alethiologie, § 11. 19 Siehe Lambert: Sechs Versuche einer Zeichenkunst in der Vernunftlehre (1753–1756): III Versuch (welcher die Einrichtung der Wissenschaften zu deren Gebrauch enthält), LPS 6 (Logische und philosophische Abhandlungen), S. 32–79. 20 Siehe Lambert: Architectonic, LPS 4, § 502: »Ein Principium soll die allgemeine Art der Verbindung der Grundbegriffe der Erkenntniß, oder auch einer besondern Wissenschaft so angeben, daß man sie in jeden besondern Fällen leichte und ohne weiters finden könne, und hiebey ist alles positiv. Hingegen giebt der Satz des Widerspruches weder Grundbegriffe noch Verbindung an,

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klar, dass diese Begriffe »nicht zusammengesetzt sind, und daher nicht aus mehreren inneren Merkmalen bestehen, so haben sie auch keine gemeinsame[n] innere[n] Merkmale«.21 Nachdem er die Nicht-Widersprüchlichkeit der einfachen Begriffe festgesetzt hat, beabsichtigt Lambert, sie genauer zu bestimmen, ohne der irreführenden Analogie mit der unendlichen Teilbarkeit der Materie zum Opfer zu fallen. Er betont die Wichtigkeit des Prinzips, nach dem die Teile unabhängig von ihrem Grundbegriff nicht gefunden werden können. Damit setzt er die Identität zwischen Einfachheit und Homogenität fest. Gerade weil diese Begriffe nicht zergliedert werden können, können sie auch nicht definiert werden, da sie nicht zwei verschiedene Merkmale enthalten, von denen eines als Art und das andere als Gattung gilt. Das ist Lamberts Antwort auf die Aporie, die von der Unmöglichkeit einer Definition für jedes Wort stammt. Nochmals liegt der Ursprung dieser Stellungnahme in den Jahren 1753– 1755, aber dieses Mal im dritten Logischen Fragment. Hier bemerkt Lambert: Es ist bekannt, daß man nicht bis ins Unendliche erklären könne, sondern viele Begriffe unerklärt lassen, viele nur bis auf einen gewissen Grad zergliedern müsse. Hier entsteht die Frage, ob die Grenzen genau können bestimmt werden oder nicht? Hauptgründe, warum man im Erklären Maaß halten muß, sind Mangel der Wörter und Begriffe der einfachen Merkmale, Vermeidung der Creisen im Erklären, Unmöglichkeit der Erklärungen der klarsten Begriffe, besonders, wenn sie nicht Hauptbegriffe sind. Unmöglichkeit solche Begriffe zu erklären, davon wir nichts unterscheiden können.22

Diese Situation drückt nichts anderes als die Unzufriedenheit mit Wolffs definitorischer Methode aus, die keine Anwendung der logischen Berechnung (nach dem algebraischen Modell) erlaubt. Von der bloßen Definition einer Gattung kann man in der Tat den ganzen Reichtum der darunterliegenden Arten nicht ableiten. Man sieht also, dass im Neuen Organon und dann in der Architectonic ein methodologisches Problem heranwächst, das unmittelbar Wolffs Auffassung der Logik betrifft. Sie bildet sich ein, die Realität mit ihren unzureichenden Instrumenten organisieren zu können. Ihre Schwäche liegt dabei in einer fehlerhaften Auffassung der Definition aufgrund einer Unterschätzung der Sprachgrenzen. Daher folgt der Einführung in das Neue Organon eine Disziplin wie die Semiotik, die sich gerade mit den (nicht nur sprachlichen) Bezeichnungsarten der Begriffe beschäftigt. Nach der Semiotik folgt dann eine Disziplin, die Phänomenologie, die der Erfahrung als Quelle der einfachen Begriffe gewidmet ist. Jenseits der späteren wichtigen Entwicklungen der Semiotik und der Phänomenologie muss man hier die unzertrennliche Bindung bemerken, die bei Lamberts || sondern zeiget nur, daß wo keine Verbindung seyn kann, das will sagen, wo ein Widerspruch ist, das, worinn der Widerspruch vorkommt, aus unserer Erkenntniß wegbleibe«. 21 Lambert: Neues Organon, LPS 1: Alethiologie, § 13. 22 Lambert: III Fragment: Von Begriffen und Erklärungen (Pt. 15), LPS 6, S. 213.

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Auffassung der Logik zwischen Erfahrung, Definitionstheorie und Sprache errichtet wird. Wolff zufolge besteht die Aufgabe der Logik in der Organisation der Realität, und das setzt einen vollständigen Homomorphismus zwischen Erfahrungsstruktur und Denken-, d. h. Sprachstruktur voraus. Dieser Homomorphismus wird aber niemals vollständig demonstriert. Im Gegensatz dazu zielt Lambert nicht darauf ab, die formelle Struktur der Logik der Realität zuzuschreiben. Vielmehr beginnt er bei der Realität, von der er die einfachen Grundbegriffe ableitet, sodass ein ursprünglicher Bezug auf die Erfahrung garantiert wird. Damit muss er schließlich die Aufmerksamkeit nicht mehr auf die Realität richten – da sie bereits von Anfang an berücksichtigt worden ist –, sondern auf die Formen, durch die die Realität vom Denken rezipiert und überarbeitet wird, d. h. die Möglichkeit derselben einfachen Begriffe und ihrer Verknüpfungen nach Axiomen und Postulaten.

3 Das Problem der Definition Um die Wurzel des Streits zwischen der Schulmethode nach Arten und Gattungen einerseits und der auf einfachen Begriffen basierenden Methode andererseits zu entdecken, muss man beim grundlegenden Teil des Neuen Organons, d. h. der Dianoiologie, anfangen. Obwohl Lambert hierbei noch die mathematisierende Absicht Wolffs teilt,23 stellt er gegen Ende dieser Sektion einen polemischen Bezug auf Wolff her, allerdings durch einen Gegensatz zu der Figur eines anderen Wolffianers, nämlich G. B. Bilfinger, der »in vielen Stücken bessere Dienste getan hat als Wolff selbst«. Dann fährt Lambert fort und fragt sich: Denn in der Tat es ist für uns und für andere nützlicher, wenn wir, anstatt sogleich zu Definitionen zu eilen, und diese nach unsern öfters noch vermengten Begriffen einzurichten, vorerst etwas genauer nachsehen, woher wir diese Begriffe haben, ob nichts darinn sorgfältiger auseinander zu lesen sey, und ob andre in den Begriffe, den sie sich von der Sache und von den Worten machen, nichts auszulesen haben, ehe sie mit uns eins werden können?24

Lamberts allgemeines Tenet – wie er ganz deutlich an Kant 1766 und an Ploucquet 1767 schreibt – besteht darin, dass Wolffs Versuch, die Euklidische Methode in die || 23 Siehe Lambert: Neues Organon, LPS 1: Vorrede, S. 5f. Im Brief an J. R. Rißler vom 25. November/6. Dezember 1750 schreibt Lambert, er habe sich eine Reihe von Büchern gekauft, um sich dem Studium der ersten Prinzipien der Weltweisheit zu widmen, und er fügt hinzu: »Ich fand in dem, was uns Wolf von den Kräften des menschlichen Verstandes, Mallebranche von Erforschung der Wahrheit, und Locke in seinen Gedanken von dem menschlichen Verstande aufgezeichnet, diejenigen Regeln, welche mir so wohl in Erkenntniß des Verstandes selbsten, als auch desselben Mängeln und in der Erforschung der Wahrheit einen grossen Nutzen brachten« (Joh. Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel. 5 Bde. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1781–1787, Bd. 2, S. 8). 24 Lambert: Neues Organon, LPS 1: Dianoiologie, § 632.

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Philosophie einzuführen, aufgrund eines falschen Verständnisses der Definitionsfunktion bei der Demonstration nicht erfolgreich sein kann.25 Noch in der Vorrede zur Architectonic verspricht Lambert: Man wird in diesem Werke wenige Definitionen, dagegen aber desto häufiger die Art und Weise angezeigt finden, wie man, ohne sich immer an die Worte zu kehren, zu den Begriffen und der Kenntniß der Sache selbst gelangen könne.26

Im Paragraph 6 der Theorie der Parallellinien – in welchem Lambert die von der Schulmethode gebrauchte Nominaldefinition kritisiert – schreibt er: »Ich sagte erst, Wolff habe den Definitionen zu viel eingeräumt«.27 Der effektive Weg, um die Dinge selbst zu erreichen, besteht in der Entstehung ihrer Begriffe und nicht in ihren Namen. Deswegen schreibt Lambert an Kant: »Definitionen sind nicht der Anfang«,28 und damit brandmarkt er Wolffs Fehler, alles von den Definitionen ableiten zu wollen. In dem berühmten Brief an Holland vom 21. April 1765 behauptet Lambert, dass, wenn Euklid sich per definitionem ausdrückt, er per hypotesin meint.29 Bis zur Erreichung der Demonstration also, ist die Definition nichts mehr als eine Hypothese. Bei Euklid findet man tatsächlich keine allgemeinen Definitionen, sondern nur Definitionen von einfachen Elementen, wie Linien, Punkten usw.: »Euclid gebraucht die Definitionen nur um anzuzeigen, was das Wort für eine Sache vorstellt, und in den Beweisen als Hypotheses. Hingegen hält er sich an die Sache selbst«.30 Interessanterweise beschreibt Lambert Euklids Absicht demnach durch das, was Leibniz zufolge ein Schwachpunkt war: In der Tat schreibt Leibniz in den Nouveaux Essais, dass Euklids vorläufige Definition dunkel und für die Demonstration nutzlos ist.31 Das ist ein entscheidender Punkt in Lamberts Auffassung der Definition, auch in Bezug auf Kant: Die Definition kann nur nach den Axiomen und Postulaten kommen, denn die Definition besteht aus einfachen Begriffen, die gemäß den Axiomen und Postulaten in der Definition miteinander in Verbindung gebracht werden können.

|| 25 Vgl. Lambert an Kant vom 3. Februar 1766, LPS 9, S. 347 und Lambert an Ploucquet vom 1. Mai 1767, LPS 9, S. 400, und noch klarer in der Theorie der Parallellinien (1766, posthum 1786). In: Leipziger Magazin für reine und angewandte Mathematik 1786, S. 137–165, § 4 (S. 141f.). 26 Lambert: Architectonic, LPS 3: Vorrede, S. IX. 27 Lambert: Theorie der Parallellinien (s. Anm. 25), § 6 (S. 144). 28 Lambert an Kant, November 1765, LPS 9, S. 338. 29 Vgl. Lambert an Holland, 21. April 1765, LPS 9, S. 30. 30 Ebd., S. 33. 31 Gottfried Wilhelm Leibniz: Nouveaux Essais sur l’entendement humain. In: G 5, S. 433. Siehe auch das unveröffentlichte Manuskript Definitiones (gegen 1685), das von Herbert H. Krecht zitiert wird: Herbert H. Krecht: Leibniz et Euclide. In: Studia Leibnitiana 6 (1974), S. 131–143. Hier lehnt Leibniz jede Euklidische Definition als confusa, non satis clara und sogar obscura ab.

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In Arithmetik, Geometrie und Phoronomie – sagt Lambert in der Dianoiologie – »definiren sich die einfachen Begriffe dadurch, daß man die Sache selbst vorlegt, und da jeder sie auf diese Art kennen lehrt, so bleibt nicht so möglich, eines für das andere zu nehmen«.32 Nur dadurch kann man den »fürchterlichen Circul«33 zwischen definieren und demonstrieren vermeiden, und damit auch den im Paragraph 76 der Abhandlung zum Criterium Veritatis erwähnten Fehler, nämlich die Voraussetzung, dass »die Richtigkeit eines jeden Wortes notwendig durch andere Wörter bewiesen werden müsse«.34 In einem Manuskript, in dem Lambert einige »defectus Ontol. et desideranda« in Bezug auf Wolffs Ontologie notiert, schreibt er »Definitionibus tollendis«.35 Wolff betrachtet in der Tat die Nominaldefinitionen der ersten Begriffe als Sätze über notwendige Eigenschaften des Begriffes, die den vollständigen Inhalt dieses Begriffes ausdrücken. Dagegen führen für Lambert die Definitionen der ersten Begriffe nur den Übergang von den Dingen zu den Zeichen durch. Deswegen sollen sie in einem »grammatikalischen« und »charakteristischen« Sinne betrachtet werden.36 Aus diesem Grund sind die realen Definitionen »zusammengesetzte Definitionen«, die aus einfachen Begriffen bestehen, deren Möglichkeit auf der Basis von den Axiomen und Postulaten demonstriert worden ist. Man kann also nur im Fall der zusammengesetzten Begriffe von eigentlichen »konstitutiven Definitionen« sprechen, die die Möglichkeit der Sache berücksichtigen: Die Euklidische Methode – schreibt Lambert an Holland – »gibt im eigentlichen Verstande genetische Definitionen, und verweist die bisher üblichen Nominaldefinitionen in die Lexica«.37 Bei Lambert ist aber das Wort ›genetisch‹ nicht notwendigerweise mit der ›Demonstration‹ verbunden. Es ist vielmehr mit der Möglichkeit eines Begriffes verbunden, dessen richtige Grundlegung und Beleuchtung für das Verständnis seiner Realität nützlich sein kann. In der Architectonic behauptet Lambert, man müsse zwischen Entstehensart der Sache und Entstehensart des Begriffes unterscheiden.38 Die Entstehensart des Begriffes ist die Prüfung der Begriffsmöglichkeit a priori auf der Basis von Axiomen und Postulaten. Und diese Entstehensart ist nach Lambert die einzig notwendige für die »Sacherklärung« (d. h. Realdefinition) eines mathematischen Objekts. Was tatsächlich in den Elementen als »Sacherklärung« fungiert,

|| 32 Lambert: Neues Organon, LPS 1: Dianoiologie, § 686. 33 Lambert an Holland, 21. April 1765, LPS 9, S. 21. 34 Johann Heinrich Lambert: Abhandlung von criterium veritatis (1761). Hg. von Karl Bopp. In: Kant-Studien. Ergänzungshefte 36. Berlin 1915, S. 43f. (§ 76). 35 Lambert: Handschriftlicher Nachlass (s. Anm. 13), L.Ia. 744C, Prolegomena organica, S. 4‒6. 36 Lambert: Architectonic, LPS 3, § 27. 37 Lambert an Holland, 27. Mai 1765, LPS 9, S. 58. 38 Lambert: Architectonic, LPS 3, § 24. Siehe hierzu auch Jeremy Heis: Kant (vs. Leibniz, Wolff and Lambert) on Real Definitions in Geometry. In: Canadian Journal of Philosophy 44 (2014), S. 605– 630, hier S. 618.

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sind genau die genetischen Definitionen, die die effektive Möglichkeit des betrachteten Dinges betreffen und die meistens von den Problemen und den Konstruktionen abzuleiten sind: »Man kann die Erklärungen, so man von der Entstehungsart der Kegelschnitten in der Meßkunst giebt, als Beyspiele hieher rechnen«.39 Das ist auch gemäß Wolffs Begriff von definitio realis als »notio distincta rei genesis«.40 Gleichzeitig sind die Richtlinien für die Anwendung der Euklidischen Methode jenseits der Grenzen der Geometrie klar: Insofern als die Definition die Entstehensart der Sache bietet, ist sie für Begriffe a posteriori geeignet, deren Möglichkeit ursprünglich von der Erfahrung abzuleiten ist.41 »Wolff« – so Lambert an Kant im Februar 1766 – »nahm Nominaldefinitionen gleichsam gratis an, und schob oder versteckte, ohne es zu bemerken, alle Schwürigkeiten in dieselben«42. Seinerseits ist Lambert um die Möglichkeit besorgt, eine Form des Wissens zu etablieren, die eine Ordnungsrolle in Bezug auf die materiale Konstruktion hat: »Aus der Theorie der Form«, so Lambert an Kant, »sollte kenntlich gemacht werden können, was zum Anfange dient oder nicht«.43 Die Beziehung auf den semantischen Bereich der »Konstruktion« ist eine methodologische Konstante bei Lambert. Am 24. Juli 1763 schreibt er an Sulzer, dass er es in einem Kapitel seiner Alethiologie schaffte, Euklids Methode vollständig und rigoros gleichzukommen.44 Seine Annährung an Euklid war dabei so stark, dass Lambert das Problem der Abwesenheit eines Kunstwortes (term d’art) durch die Benutzung des Ausdrucks per constructionem lösen konnte.45 Ohne ein geeignetes terme d’art muss sich die Philosophie also, um auch konstruktiv zu werden, diesen terme von der Geometrie ausleihen. Im Rahmen dieser Bemühung, den konstruktiven Charakter der Philosophie zu gründen, gebraucht Lambert Wörter wie »Thunlichkeit«, »Construktion« und vor allem »Entstehungsart«. Das Gemeinziel und -muster dieser Wörter kann aber in dem anerkannt werden, was Lambert 1762 in dem kurzen Aufsatz Über die Methode ganz klar behauptet: »Euklid zeigt die Möglichkeit der Sache, nämlich der Figuren, indem er den modum angiebt, wie man sie zeichnen und wirklich machen könne«.46 || 39 Lambert: Neues Organon, LPS 1: Dianoiologie, § 63. 40 Christian Wolff: De methodo mathematica brevis commentatio. Erste Sektion der Elementa Matheseos Universae. In: WGW 2.29, § 18. 41 Für eine Vertiefung von Lamberts Auffassung des Verhältnisses zwischen apriorischer und aposteriorischer Erkenntnis siehe Gesine Lenore Schiewer: Cognitio symbolica. Lamberts semiotische Wissenschaft und ihre Diskussion bei Herder, Jean-Paul und Novalis. Tübingen 1996, S. 146– 159. 42 Lambert an Kant, 3. Februar 1766, LPS 9, S. 347. 43 Ebd. 44 Vgl. Lambert: Neues Organon, LPS 1: Alethiologie, § 173. 45 Lambert an Sulzer, 24. Juli 1763, Handschriftlicher Nachlass (s. Anm. 13), L.Ia 745, S. 199. 46 Johann Heinrich Lambert: Über die Methode, die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen (1762). Hg. von Karl Bopp. In: Kant-Studien. Ergänzungshefte 42. Berlin 1918, § 89.

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4 Die Potentialitäten der Sprache: Eine »Brücke« zwischen Formalem und Materialem Die Beziehung auf die ›termini technici‹ / die Kunstwörter erlaubt uns die Art und Weise besser zu verstehen, wie eine Sprache – die kein bloßes Lexikon oder bloße Nomenklatur sei, wie Lambert oft sagt – sehr nützlich für die Entwicklung des philosophischen Wissens sein kann. Nebenbei hat Lambert unter anderem die konstruktiven Potentialitäten der Sprache untersucht und damit in entscheidendem Maße zur Entstehung der deutschen wissenschaftlichen Terminologie in einer epochalen Übergangsperiode zwischen Latein und Deutsch beigetragen. Im negativen Sinne machen die Kunstwörter die abstrakteste und von der Realität entfernteste Kategorie im Rahmen einer Dreiteilung der Wörter-Klassen aus, die Lambert in der Semiotik darstellt:47 Man kann überhaupt auch anraten, in abstrakten Wissenschaften die Anzahl der Kunstwörter lieber zu vermindern als zu vermehren. Sie dienen auch meistens nur zur Abkürzung der Ausdrücke, und verwandeln diese Kürze mehrentheils in eine Dunkelheit und wenigstens scheinbaren Wortkram, weil nicht jeder sich die Mühe nimmt, sich alle die Wörter und die Definitionen so genau bekannt zu machen.48

Mehrmals wiederholt Lambert den Unterschied zwischen einer eigentlichen Zeichenkunst und einer bloßen Abkürzungskunst: Die Zeichen »nur statt des Wortes«49 zu benutzen, bedeutet einfach eine Abkürzung, aber keine Erweiterung der Wörtersprache. Es genügt aber nicht, die Zeichen als bloße »vocabulorum vicaria« zu betrachten, wie es bei Wolff im Paragraph 293 seiner Psychologia Empirica der Fall ist. Vielmehr stellt Lambert die Zeichenkunst in ihrem Reichtum und vor allem in ihrer ideellen Vollständigkeit dar:50 Leibniz’ Traum wird von Lambert nicht nur wiederbelebt, sondern auch in seine eigene Perspektive integriert. Man kann wohl behaupten, dass diese Arbeit über die Zeichen Bewegungsgrund und zugleich Zweck von Lamberts ganzem Projekt ist, ein Projekt, das sich mit den letzten Worten der

|| 47 Lambert: Neues Organon, LPS 2: Semiotik, §§ 336–351. Die erste Klasse fasst die Wörter, die »in ihrem eigentlichen Verstande genommen, ein in die Sinne fallendes Ganze vorstellen« (ebd., § 338), die zweite Klasse nehmen Wörter ein, die durch metaphorischen Gebrauch Dinge der intellektuellen Welt mittels der Beziehung auf die Körperwelt ausdrücken (ebd., § 338), zur dritten Klasse gehören Wörter, bei denen »die Vergleichung mit sinnlichen Bildern nicht unmittelbar ist, sondern welche durch andere ebenfalls abstracte Wörter müssen definirt werden« (ebd., § 345). 48 Ebd., § 348. 49 Siehe Lambert an Holland, 9. Mai 1768, LPS 9, S. 268. 50 Zu diesem Thema schreibt Karl Söders besonders gewissenhaft, siehe Karl Söder: Erkenntnistheoretische und methodologische Aspekte der Zeichentheorie Johann Heinrich Lamberts. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 35 (1982), S. 627–633.

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Dianoiologie überzeugend zusammenfassen lässt: »Die ganze Erkenntniß ist auf eine demonstrative Art figürlich [zu] machen«.51 Man kann hier nicht in die Details dieser komplexen und faszinierenden Theorie gehen. Es genügt jedoch zu beachten, dass dabei die wichtigsten Instanzen von Lamberts Suche nach dem konvergieren, was wir heute als »Berechnungsfähigkeiten« des menschlichen Denkens definieren würden. Durch die Reduktion der »Theorie der Sache« auf die »Theorie der Zeichen«52 beabsichtigt Lambert, eine Karte der Realität zu skizzieren. Er ist sich aber dessen bewusst, dass sein ›Zirkel‹ und sein ›Lineal‹ bei dieser Kartierung die Begriffe sind. Deswegen tendiert er dazu, die Ausdehnung dieser Begriffe immer sorgfältiger zu bestimmen. Durch solch eine Bestimmung strebt er nach einer Art »asymptotischem Vorgang«, der die ständige Notwendigkeit, die Erkenntnis zu ergänzen und zu korrigieren, effektiv ausdrückt. Es ist kein Zufall, dass ein solcher Ansatz auch das Bindeglied zwischen Lamberts epistemologischer Überlegung und ihrer konkreten Anwendung auf seine wissenschaftliche Forschung ausmacht. Man denke an seine Pionierarbeit in Bezug auf die Benutzung von besonderen Visualisierungsstrategien bei der Darstellung und Mitteilung der wissenschaftlichen Beobachtungsergebnisse als Instrument unmittelbarer Formalisierung experimentell gesammelter Angaben. Bei dieser Visualisierungsart schließt sich Lamberts geometrische Prägung mit seinen kartographischen und projektiven Interessen zusammen. Das erlaubt ein unmittelbareres und gleichzeitig weiteres Verständnis des Trends eines Phänomens, sodass z. B. die Konstruktion eines wissenschaftlichen Instruments verfeinert werden kann, wie im Fall des Feuchtigkeitsmessers (des sogenannten Hygrometers) am Ende der 1760er und Anfang der 1770er Jahre.53 Lamberts Projekt, die Erkenntnis figürlich zu machen, lässt die Synthese von zwei selten so fruchtbar verknüpften Forschungsaspekten sichtbar werden: einerseits den geometrischen, axiomatischen und deduktiven Aspekt, andererseits den charakteristischen, syntaktischen und algebraischen Aspekt. Es handelt sich darum, eine originale Synthese von ars demostrandi und ars inveniendi systematisch festzusetzen. Allen methodologischen Überlegungen Lamberts liegt die Voraussetzung der Analogie zwischen der physischen und sichtbaren Welt und der abstrakten DenkWelt zugrunde. Wie wir betont haben, muss man diese Analogie aber zeigen und erklären, und sie nicht bloß voraussetzen. In diesem entscheidenden Durchgang taucht das grundsätzliche Problem auf: Wie ist Lamberts Streben nach der Positivi-

|| 51 Lambert: Neues Organon, LPS 1: Dianoiologie, § 700. 52 Lambert: Neues Organon, LPS 2: Semiotik, § 24. Siehe auch Söder: Erkenntnistheoretische und methodologische Aspekte (s. Anm. 50), S. 633. 53 Siehe dazu Maarten Bullynck: Johann Heinrich Lambert’s Scientific Tool Kit. Exemplified by His Measurement of Humidity, 1769–1772. In: Science in Context 23 (2010), S. 65–89.

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tät der »Sache selbst« mit seiner starken Instanz einer a priori deduktiven, und fast algorithmischen Philosophie zu vereinbaren? Natürlich ist die Debatte über diesen Sachverhalt noch offen; es gehört nicht zum hier vorausgesetzten Ziel, solch einen komplexen Aspekt zu vertiefen. Man kann jedoch eine partielle Antwort zur oben skizzierten Frage in Lamberts Betonung der Notwendigkeit finden, sich auf einfache nicht-reduzierbare kognitive Elemente zu beziehen, die die Harmonisierung zwischen der realen und der rationalen Dimension legitim begründen können. Es ist nicht bloß beiläufig, dass die Spuren solch einer Bemühung Lamberts nicht nur in seinen berühmtesten philosophischen Werken, sondern auch in seinen kleineren Aufsätzen zu finden sind. In der Abhandlung vom Criterium veritatis bezieht er sich z. B. auf die Figur des »allgemeinen Zweiflers«: Man setze einen allgemeinen Zweifler. Die Begriffe, deren er sich bedient, um alle Begriffe in Zweifel zu ziehen, werden grossentheils unter diese gehören, die jedermann annimmt. Macht er Schlüsse, um uns zu wiederlegen, so giebt er die Gründe, worauf die Richtigkeit der Schlüsse sich gründet, und mit diesen alle Begriffe, die dazu erfordert werden, gleichsam stillschweigend und von Selbsten zu; und der Satz: dass kein Satz allgemein wahr ist, wiederlegt sich dadurch, weil er auch ein Satz ist.54

Indem der allgemeine Zweifler alles verneint, was außer ihm liegt, kann er als Egoist definiert werden.55 Gerade gegen diese Perspektive beansprucht Lambert die Notwendigkeit, einige erste Elemente (die einfachen Begriffe) zu identifizieren, die sogar ein Egoist als Anfang des Erkenntnisprozesses annehmen sollte: Will man in der Metaphysic so strenge gehen, und so muß man gehen, wenn sie unveränderlich bleiben solle, so muß man bei dem anfangen, was auch ein Egoiste einräumen muß, und mit demselben bis in die natürliche Gottesgelahrtheit fortschreiten. Ein solcher Gegner ist ungefehr, was dem Euclid die Sophisten waren.56

Der Bezug auf Euklid stellt eine Art idealen Verweis auf Lamberts allgemeinere methodologische Perspektive dar, die ständig darauf abzielt, nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Effektivität eines auf a priori-Begriffe basierten Ansatzes zur Realität zu verteidigen. Die Zeichenkunst stellt sich als ein faszinierender Versuch dar, solch eine herausfordernde Begriffslehre zu verwirklichen.

|| 54 Lambert: Abhandlung vom criterium veritatis (s. Anm. 34), § 69. 55 Im Aufsatz Über die Methode ist die Figur des »Egoisten« in den Notanda (§ 12) zu finden. 56 Lambert: Abhandlung von criterium veritatis (s. Anm. 34), § 80.

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5 Schlussbemerkungen: eine universelle Perspektive auf die Welt Was Lamberts allgemeine Auffassung der Methode angeht, so ist in seinen Briefwechseln (mit Kant, Sulzer, Holland, Kästner, Ploucquet, Bodmer usw.) sowie in seinen Mémoires bei der Berliner Académie Royale des Sciences und in seinem handschriftlichen Nachlass zu erkennen, dass er etwas »nachholen«, »was [er] nicht öffentlich sagen wollte«.57 Wenn Lambert sich dabei als Mitglied der Gelehrtenrepublik und nicht nur als Wissenschaftler ausweist, dann wendet er sich ideell an Inhaber von Professuren, die er aber selbst niemals innehatte. Das Ziel seiner ganzen philosophischen Überlegung – von 1752 bis zu seinem Tod 1777 –, d. h. das Projekt einer vollkommenen Zeichenkunst, scheint von einem Doppelwesen geprägt zu sein: Einerseits betont er die Notwendigkeit, einfache Termini herauszuarbeiten, die wie in einem Behältnis gesammelt und gespeichert werden müssen, um anschließend für die Konstruktion des Wissens gebraucht werden zu können. Andererseits hört er nicht auf, uns zu erinnern, dass unser Denken zu einer Komplexität fähig ist, die in einigen Fällen sogar die Komplexität der Natur überschreitet, obwohl das Ziel dieses Denkens immer die Kenntnis der Natur bleibt. In diesen Fällen nähert sich der Betrieb unseres Denkens einem algebraischen Vorgang, in dem selbst ein Begriff wie der der Quadratwurzel von -1 (√-1) legitim anwendbar wird. In diesem Sinne bezieht sich Lambert in seiner Alethiologie auf den Fall des »gelehrten Blinden« Nicholas Saunderson. Dieses Beispiel bringt Lambert zu dem Schluss, dass einer »Nation von lauter Blinden« – die eine richtige astronomische Erkenntnis durch nicht-visuelle Daten und längere Gedankengänge erreicht hätte – nur die Gewissheit der wirklichen Existenz des Sonnensystems fehlen würde. Solche Gewissheit könnten die Blinden aber nur durch die Bestätigung der Sehenden erreichen.58 Dies zeigt uns, wie das Wissen und die Wahrheit durch eine kontinuierliche hypothetische Approximation erreichbar sind, d. h. im Rahmen eines offenen Systems, in dem die anatomische Sammlung der verschiedenen Elemente immer auf die praktische Anzeige ihrer Interaktion abzielt. In dieser Hinsicht ist die metaphorische Verwendung der Infinitesimalrechnung bemerkenswert, um die dynamischen Nuancen effektiv beschreiben zu können, die keine Katalogisierung nach Arten und Gattungen – obwohl lokal nützlich – präzise wiedergeben kann. Dieses Verfahren kann zeigen, wie anschließende quantitative Ergänzungen qualitative Variationen und Hybridisierungen langfristig erzeugen

|| 57 Lambert an Holland, 18. März 1765, LPS 9, S. 7. 58 Lambert: Neues Organon, LPS 1: Alethiologie, §§ 58–62.

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können. Dadurch kann man die »unendliche Ordnung der Wahrheiten«59 ständig aktualisieren und mithin die »Lücke der Erkenntniß«60 schließen, sodass keine Wahrheit als »Insel in dem Ozean des Nichts« vergessen wird.61 In Bezug auf diese »Lücke der Erkenntniß« ist eine suggestive und effektive Analogie zwischen Lamberts Perspektive und den Experimenten der frühen 1740er Jahre (1741–1745) auf den Klippen des französischen Atlantiks vorgeschlagen worden. Hier hatten die Wissenschaftler in mit Süßwasser gefüllten Vasen Arten wie Polypen und Seesterne entdeckt, die sie als »Pflanztiere« definiert hatten.62 Aber Lambert beschreibt selbst diese graduellen Veränderungen in der Natur auf der Basis des geometrischen Modells. In der Dianoiologie liest man: [E]in Viereck bleibt ein Viereck, so lange es 4 Seiten behält, man mag ihre Länge und Verhältnis ändern, wie man will. Wird aber eine Seite immer kleiner, und endlich = 0, so verschwindet auch der Begriff des Viereckes, weil sich die Figur dadurch in einen Triangel verwandelt […]. In der Natur finden sich solche Verwandlungen häufig, wodurch der Begriff der Sache und damit zugleich ihr Name sich ändert. Man nehme die Verwandlung der Raupen in Schmetterlinge zum Beispiel. Ingleichen die Verwandlung der Nahrung in Fleisch, Blut, Gebeine etc. und überhaupt auch die meisten chymischen Verwandlungen.63

Im Gegensatz zu vielen Denkern seiner Zeit hat Lambert also die Geduld des Wissenschaftlers.64 Er hat keine Eile, die Demonstration eines Theorems zu schaffen, und hält es nicht nur für möglich, sondern auch notwendig, dass diese Demonstration nicht unmittelbar mit der Definition der Begriffe gegeben ist, die das Theorem ausmachen. Lambert wurde oft als ›Vorläufer‹ bezeichnet, und zwar als Vorläufer Kants, Vorläufer der Phänomenologie als einer Disziplin, die mit der Sache selbst anfängt und zu ihr zurückkehren will, aber auch als Vorläufer Meinongs, wie Cassirer behauptet, wenn er Lamberts Denken als eine »Gegenstandstheorie« definiert.65 Cassi-

|| 59 Lambert: Einzelne Gedanken: Nr. 9, LPS 7, S. 176. 60 Lambert: XV Fragment: Von den Lücken unserer Erkenntnis, LPS 6, S. 322–335. 61 Lambert: Einzelne Gedanken: Nr. 14, LPS 7, S. 177. 62 Siehe Todesco: Riforma della metafisica (s. Anm. 1), S. 19. 63 Lambert: Neues Organon, LPS 1: Dianoiologie, § 19. 64 Wolters betont hierbei mit Recht etwas, das Lambert am 3. Februar 1766 an Kant schreibt, LPS 9, S. 344: »Mir kömmt vor, es seye immer ein unerkannter Hauptfehler der Philosophen gewesen, daß sie die Sache erzwingen wollten, und anstatt etwas unerörtert zu lassen, sich selbst mit Hypothesen abspeiseten, in der That aber dadurch die Entdeckung des Wahren verspäthigten«. Siehe Wolters: Basis und Deduktion (s. Anm. 10), S. 24. 65 Ernst Cassirer: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit. 4 Bde. Berlin 1922, Bd. 2, S. 540: »Dennoch ist es irrig, die Erfahrungslehre Lamberts lediglich als eine eklektische Mischung aus Bestandteilen des Lockeschen und Wolffischen Systems zu betrachten; vielmehr ist es ein eigentümlicher und neuer Gesichtspunkt, den sie in die Entwicklung des Erkenntnisproblems einführt. Das wesentliche Interesse Lamberts ist weder der Psychologie, noch

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rer hat bekanntlich Einsteins Relativitätstheorie reflektiert und diskutiert66; und vielleicht könnten einige Aspekte von Einsteins Theorie der allgemeinen Relativität in gewissem Sinne selbst mit Lamberts Denken (mutatis mutandis) verglichen werden. Was eine solche ideale Vergleichung zu erlauben scheint, ist Lamberts Auffassung eines offenen, immer noch integrierbaren Systems, das auf der methodologischen Bemühung beruht, einfache, nicht bloß formale Begriffe sowie bestimmte Regeln für ihre Verbindungen herauszufinden. Dies erlaubt es uns, die von der Anwendung dieser Methode stammenden Ergebnisse für Angaben zu halten, welche die uns umgebende Wirklichkeit korrekt widerspiegeln. In diesem Sinne kann man bemerken, dass Einsteins allgemeine Relativität erst 1915 formuliert wurde und, trotz einer lebhaften Debatte in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, zwei Gründe für ihre Geltung angenommen wurden: die Kohärenz ihrer mathematischen Grundlage und die Kapazität, Newtons »universelle Gravitation« mit der speziellen Relativität zusammenzubringen. Die Tatsache, dass sich das Licht in der Nähe der Gravitationsfelder bog – in Übereinstimmung mit den Vorhersagen der allgemeinen Relativität –, wurde erst 1919 entdeckt. Darüber hinaus war es erst 1959 durch ein Präzisions-Testprogramm möglich, die verschiedenen Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie zu überprüfen und zu bewahren. Aus Lamberts Perspektive könnte man sagen, dass, wenn man etwas in der Theorie antizipieren kann, das dann auch in der Natur zu finden sein müsste, so dass man damit die Natur nutzbringend befragen kann. Das drückt Lambert klar in seiner Antrittsrede an der Akademie von Berlin aus: Zweckorientierte Experimente unter ausgewählten Bedingungen gelten als Probleme, mit denen wir uns an die Natur richten. Ihre Gesetze sind individuell und unveränderlich, und ihre Antworten stimmen genau damit überein. Sie antwortet punktuell, aber nicht auf das, was wir vermuten, sie gefragt zu haben, sondern auf das, wonach wir sie wirklich gefragt haben. Wenn man sich also nicht irren will oder enttäuscht werden möchte, muss man die Bedingungen sorgfältig überprüfen, die vom Problem vorausgesetzt werden.67

|| der Erkenntniskritik zugewandt, sondern es liegt in der Richtung auf dasjenige, was man neuerdings als ›Gegenstandstheorie‹ zu bezeichnen und abzugrenzen versucht hat«. In einer Fußnote schreibt Cassirer: »Man vgl. bes. die Ausführungen der Dianoiologie § 634 ff. mit Meinongs Schrift ›über die Erfahrungsgrundlagen unseres Wissens‹, Berlin 1906, § 1«. 66 Siehe Ernst Cassirer: Zur Einstein’schen Relativitätstheorie. Erkenntnistheoretische Betrachtungen. Berlin 1921. 67 Johann Heinrich Lambert: Discours de Réception. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles lettres de Berlin. Berlin 1765, S. 506–514, hier 508: »Ces expériences faites à dessein, & dans des circonstances choisies, sont autant de problemes que nous proposons à la Nature. Ses loix sont individuelles & immutables. Les réponses qu’elle donne, y sont exactement conformes. Elle réponde précisément, non à ce que nous croyons demander, mais à ce que nous demandons en

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Sowohl in den Wissenschaften als auch in der Philosophie muss man zunächst darauf achten, die richtigen Fragen zu stellen. Als eine weitere Voraussetzung gilt aber auch die Beherrschung der theoretischen Instrumente, um die (manchmal unerwarteten) Antworten verstehen zu können, die aus der befragten Materie kommen. Lambert schlicht als einen Vorläufer zu sehen, bedeutet also nicht nur die Vielfältigkeit seines Genies, sondern auch die Originalität seiner Ansätze zu vernachlässigen, mit denen er es schaffte, diese vielfältigen Interessen zusammenzuführen. Wenn man ihn als einen Vorläufer definieren will, muss man annehmen, dass er als ein Vorläufer der modernen wissenschaftlichen Weltanschauung berücksichtigt werden sollte. In seiner Welt und seiner Zeit war Lambert trotz seines kurzen Lebens ein Pionier; und das nicht nur wegen der Breite seiner Kontakte und seiner Anerkennungen, sondern auch aufgrund seines ständigen Strebens nach dem Wissen, das die Menschen jenseits ihrer besonderen Interessen und nationalen Angehörigkeit vereinigt. Von diesem Standpunkt aus war sein posthumes Schicksal ironisch: Indem in der Vergangenheit in der Schweiz, in Frankreich und in Deutschland um sein intellektuelles Erbe gestritten wurde, wurde vielleicht der Geist dieses Wissensweltbürgers verraten.

|| effet. À moins donc que d’être éludés et trompés dans notre attente, il faut s’assurer rigoureusement des conditions que le probleme présuppose«.

Clara Innocenti

»ein Licht in der gelehrten Welt« Akademisches System und System der Wissenschaften nach J. H. Lambert

1 Einführung Gerade mal drei Jahre war Lambert Mitglied der jüngst erst, im März 1759, in München gegründeten Churbayerischen Akademie der Wissenschaften gewesen, als das Verhältnis in beiderseitiger Unzufriedenheit schon wieder endete. Aufnahme fand er Ende November 1759, wohl auf Vorschlag des Gründers und ersten Akademiesekretärs Johann Georg Lori (1723–1787).1 Zunächst auswärtiges Mitglied, sollte er ab 1760 als besoldetes hauptamtliches Mitglied der Philosophischen Klasse enger an die Akademie gebunden werden.2 Zur aktiven Mitarbeit Lamberts kam es jedoch erst

|| 1 Zu Lori vgl. Ludwig Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Kallmünz, München 1959, passim, insb. S. 44–265, ders.: Johann Georg von Lori. In: NDB 15 (1987), S. 180–183 und Max Spindler (Hg.): Electoralis Academiae Scientiarum Boicae primordia. Briefe aus der Gründungszeit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. München 1959, Einleitung. 2 Um die z. T. schleppenden akademischen Angelegenheiten voranzutreiben, wurde 1760 beschlossen, in jeder Klasse ein besoldetes Mitglied anzustellen (Lorenz von Westenrieder: Geschichte der baierischen Akademie der Wissenschaften, auf Verlangen derselben verfertigt. Erster Theil. München 1784, S. 54). Nicht zutreffend ist hingegen die mancherorts zu lesende Annahme, Lambert sei Direktor der Philosophischen Klasse gewesen (s. etwa Felix Humm: Lambert in Chur. Beiheft zum Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubünden. Chur 1972, S. 103). Diese gründet sich auf eine Anmerkung Karl Bopps zum Monatsbuch (Karl Bopp [Hg.]: Johann Heinrich Lamberts Monatsbuch mit den zugehörigen Kommentaren, sowie mit einem Vorwort über den Stand der Lambertforschung. München 1915, S. 48, Anm. 15), in der auf »Lepsius Preisschrift« und auf ein »M.S. im Cod. 689 hinter den Eulerbriefen« verwiesen wird. Zu letzterem merken die neuen Herausgeber des Monatsbuchs allerdings an, »dort ist nichts Einschlägiges zu finden« (LPS Suppl., S. 109, Anm. 419). Der erste Verweis bezieht sich auf Johannes Lepsius’ von der Philosophischen Fakultät der Universität München preisgekrönte Arbeit: Johann Heinrich Lambert. Eine Darstellung seiner kosmologischen und philosophischen Leistungen. München 1881, S. 8. Dort heißt es, man habe Lambert »zum Vorsteher der physikalischen und mathematischen Abteilung der Akademie« machen wollen. Belegt wird diese Annahme mit einem Brief Geßners an Lambert vom 18. Dezember 1760, in dem dieser berichtet: »Sonsten habe ich von Herrn von Salis freudig Dero Beförderung bey der Churfürstlich-Bayerischen Akademie vernommen. Die Academie hat zu dem Vorsteher in physicalischen und mathematischen Wissenschaften niemanden wählen können, der mit mehrerer Einsicht die Begierde der menschlichen Gesellschaft nützlich zu seyn verbindet« (Johann Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel. Hg. von Johann Bernoulli. 5 Bde. Berlin 1781–1785, https://doi.org/10.1515/9783110647761-003

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ab Januar 1761, als die Bedingungen seiner Anstellung endlich geklärt worden waren. Schon im Sommer des folgenden Jahres war allerdings das Verhältnis erheblich getrübt3 und fand schließlich im November 1762 sein Ende. In dieser kurzen Zeitspanne sandte Lambert mehrere Abhandlungen4 ein, wirkte maßgeblich an der Gestaltung des akademischen Kalenderwesens mit,5 schlug Preisfragen6 vor und verfasste insbesondere einen Entwurf des akademischen Systems in seinen Theilen, und deren Verbindungen,7 der den Kern vorliegender Untersuchung bildet. Indem dieser kontextualisiert und in seinen Hauptgedanken nachgezeichnet wird, soll

|| Bd. 2, S. 183; im Folgenden DGB Band). Entsprechendes lässt sich jedoch weder im Briefwechsel zwischen Lambert und Lori noch in den Briefen Lamberts an andere Briefpartner finden, sodass hier eher von einem Irrtum Geßners auszugehen ist. Einem ähnlichen unterlag Sulzer, der seinen Brief vom 20. Februar 1763 an »Monsieur Lambert, Directeur de l’Academie des Sciences de Munic à Coire« adressierte. Lambert berichtigte ihn in seinem Antwortbrief vom 1. März 1763: »Quant à l’Adresse […] je Vous prie de changer le titre de Directeur de l’acad. de Baviere, en celui de Professeur honoraire p. J’ai préféré la definition au defini qui m’auroit trop incommodé« (UB Basel, L Ia 745, S. 192 und S. 194). 3 Darüber beklagte sich Lambert insbesondere bei Georg Friedrich Brander (1713–1783), vgl. Lambert an Brander, 8. Juli 1762 (Abh. Bay. Akad. Briefe 1761/1 Nr. 6). Brander war Gründungsmitglied der Akademie und hatte 1759 Lambert als Mitglied empfohlen; seit September 1759 wohnte Lambert bei ihm in Augsburg. Vgl. u. a. Humm: Lambert in Chur (s. Anm. 2), S. 87ff. 4 Darunter eine Abhandlung von dem Gebrauche der Mittagslinie beym Land- und Feldmessen (in: Abh. Bay. Akad. 1763, II, S. 3–54) und eine Abhandlung von Barometerhöhen, und ihre Veränderungen (ebd., 1765, II, S. 75–182; vgl. die Auflistung der 1763–1776 veröffentlichten Abhandlungen in Westenrieder: Geschichte [s. Anm. 2], S. 439–450). Nicht veröffentlicht wurden die 1762 übersandten Abhandlungen Von der Chronologie (ebd., S. 83) und Über die Lücken menschlicher Erkenntnis (Westenrieder: Geschichte [s. Anm. 2], S. 244 und LPS Suppl., S. 120). Die Handschriften haben sich nicht erhalten, ebd., S. 120, Anm. 558. Vgl. auch Lambert an Euler, 12. Juli 1762. In: Leonhard Eulers und Johann Heinrich Lamberts Briefwechsel. Hg. von Karl Bopp. Berlin 1924, S. 28. 5 Vgl. LPS Suppl., S. 103 und S. 639, wie auch LPS VIII.1, S. XIII, Anm. 14. Der am 27. Januar 1761 eingesandte Entwurf zur Einrichtung des Calenderwesens findet sich bei Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 368–374. 6 Lambert sandte mehrere Preisfragen ein, die sich im Archiv der Akademie nicht erhalten haben (vgl. Lambert an Lori, 14. Januar 1761, ebd., S. 365–367). Zwei Fragen zur Bewegung des Mondes besprach er mit Euler im Sommer 1761 (Lambert an Euler, am 26. Juni 1761, in: Bopp: Eulers und Lamberts Briefwechsel [s. Anm. 4], S. 22–25). Es ist wohl die erste, die schließlich 1762 unter dem Titel gestellt wurde: »Wie ist der Abstand des Mondes mit seiner Schwere gegen die Erde, und diese Schwere mit derjenigen, welche die Körper auf der Erdfläche haben, dergestalt zu vergleichen, daß dadurch dieser Abstand in einem bestimmten Maaß, und dafern es seyn kann, eben so genau gefunden wird, als er bisher durch die Paralaxen gesucht worden?« Vgl. u. a. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 215f. und S. 377 sowie Westenrieder: Geschichte (s. Anm. 2), S. 460. 7 Auch dieser hat sich in der Handschrift nicht erhalten. Abgedruckt wurde er von Westenrieder (ebd., S. 482–510; nachgedruckt in LPS VIII.1, S. 3–31), in Auszügen in Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 398–407. Zitiert wird im Folgenden nach Westenrieder: Geschichte (s. Anm. 2), die Seitenangabe erfolgt im Fließtext.

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Lamberts Auffassung von der systematischen Organisation einer Wissenschaftsund Forschungsakademie greifbar gemacht werden. Hierfür sind im Folgenden zunächst Lamberts Werdegang bis zu seiner Aufnahme in die Bayerische Akademie kurz zu umreißen und insbesondere seine ersten Erfahrungen mit Akademien und anderen wissenschaftlichen Gesellschaften aufzuzeigen. Daraufhin sind die Bedingungen seiner Aufnahme in die Bayerische Akademie wie auch die dort vorzufindenden Umstände darzulegen, die den Kontext bilden, vor dessen Hintergrund der Entwurf eines akademischen Systems gelesen werden soll. Perspektiviert wird Lamberts Auffassung vom Ziel und Zweck einer Akademie der Wissenschaften außerdem dadurch, dass sie einerseits mit den Münchnern, andererseits mit den Vorstellungen Hallers kontrastiert wird. Damit wird insbesondere die Diskrepanz zwischen Lamberts »idealer Akademie«8 und den tatsächlichen Gegebenheiten der bayerischen offenbar. Veranschaulicht wird dies nicht zuletzt durch einen knappen, der inhaltlichen Darstellung des Lambertschen Entwurfs folgenden Einblick in den ersten Band der Abhandlungen der Bayerischen Akademie. Ersichtlich wird daraus, wie wenig Einfluss Lamberts Vorschläge auf die tatsächliche Praxis auszuüben vermocht haben. Dass er sie dennoch nicht verwarf, sondern sie vielmehr nach Berlin mitnahm, wo er 1765 Aufnahme in die dortige Akademie fand und bis zu seinem Tod 1777 blieb, wird zum Schluss ausblickartig aufgezeigt.

2 »en attendant […] quelque place académique«9 Zum Zeitpunkt seiner Ernennung in München hatte der gerade mal 31-jährige Lambert hinsichtlich seiner philosophischen und wissenschaftlichen Entwicklung bereits einen beachtlichen Weg zurückgelegt.10 Als Sohn eines mittellosen Mülhause|| 8 So Hammermayers Urteil: »Der ›Entwurf des akademischen Systems in seinen Teilen und deren Verbindungen‹ ist der am Schreibtisch des Philosophen entstandene, bis in die Details durchskizzierte Aufriß einer idealen Akademie des achtzehnten Jahrhunderts, der allerdings durch Lamberts pedantischen Geist sehr gedehnt und belastet ist« (Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte [s. Anm. 1], S. 193f.). Vgl. auch LPS VIII.1, S. XII–XV. 9 Lambert an Euler, 4. April 1760, in: Bopp: Eulers und Lamberts Briefwechsel (s. Anm. 4), S. 14f., hier S. 14. 10 Detailreichere biographische Darstellungen finden sich etwa in folgenden zeitgenössischen Nachrufen und biographischen Skizzen: [Georg Christoph Lichtenberg?]: Johann Heinrich Lambert. In: Teutscher Merkur 6 (1778), 9, S. 259–277; Johann Bernoulli: Précis de la Vie de M. Lambert. In: ders.: Supplément au Recueil pour les Astronomes. Berlin 1779, S. 73–76 ; Johann Heinrich Samuel Formey: Éloge de M. Lambert. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie Royale des Sciences et BellesLettres. Année 1778. Berlin 1780, S. 72–90; Lambert an seinen Paten, 30. Juni 1748. In: DGB II, S. 3– 7; Lambert an Rißler, 6. Dezember 1760. In: ebd., S. 7–11, [Andreas?] von Salis: Beylage zu den zween ersten Briefen, aus Chur Anfangs 1778 erhalten. In: ebd., S. 11–16 und Christoph Heinrich Müller [auch Myller]: Bemerkungen über Lamberts Charakter. In: Johann Heinrich Lamberts logi-

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ner Schneiders geboren, hatte er die öffentliche Schule seiner Heimatstadt »auf Kosten des Magistrats«11 bis zu seinem zwölften Lebensjahr besuchen können. Als ihm ein Stipendium für das Studium der Theologie verweigert wurde, erhielt der Begabte unentgeltlichen Privatunterricht von verschiedenen Lehrern. Alsdann trat er eine Stelle als Schreiber in der Kanzlei des Zunftmeisters und Stadtschreibers Johann Heinrich Reber (?–1746) an, der den Fünfzehnjährigen schließlich dem Eisenwerksbesitzer G. L. Lalance (?–?)12 als Buchhalter weiterempfahl. Wiederum auf Rebers Empfehlung13 kam Lambert zwei Jahre später, d. i. 1745, als wissenschaftlicher Schreiber in den Dienst des Baseler Juristen und späteren Universitätsprofessors Johann Rudolf Iselin (1705–1779).14 Dort verbrachte er weitere drei Jahre, die für seine intellektuelle Entwicklung besonders fruchtbar waren.15 In seinen Nebenstunden fand er Zeit, Iselins Vorlesungen zu besuchen, sich in Algebra und Mechanik zu vertiefen und in »die ersten Gründe der Weltweisheit« autodidaktisch einzuarbeiten. Er las u. a. Wolff, Malebranche und Locke, dazu auch »Pufendorfs Büchlein von der Pflicht des Menschen und Bürgers« und »ander[e] philosophische[] Moralen«, darunter auch das reformpädagogische Werk des französischen Historikers Rollin De la manière d’enseigner et d’étudier les belles-lettres,16 das ihm in seiner späteren Anstellung von Nutzen sein sollte.17 Im Juni 1748 nämlich verließ Lambert Basel Richtung Chur, wo er sich bis März 1759 als Hofmeister von Anton (1737–1806) und Baptista (1737–1819) von Salis verdingte. Diese Churer Jahre waren für Lamberts Werdegang ausschlaggebend, der nicht müde wurde, sich neben dem Unterricht

|| sche und philosophische Abhandlungen. Hg. von Johann Bernoulli. 2 Bde. Berlin 1782/84, Bd. 2, S. 347–382 (im Folgenden LPA). Zu Lamberts frühen Jahren mit besonderer Berücksichtigung seiner Churer Aufenthalte vgl. Humm: Lambert in Chur (s. Anm. 2) sowie den Beitrag von Gualtiero Lorini in diesem Band. 11 Nachruf im Teutschen Merkur (s. Anm. 10), S. 260. 12 Vgl. Humm: Lambert in Chur (s. Anm. 2), S. 18. Dort wird auf die im Zusammenhang mit seiner Anstellung entstandenen Handschriften zu Inventar, Verkauf, Buchhaltung usw. verwiesen (UB Basel, L Ia 746, S. 189), in denen Lalance genannt wird. Vgl. auch LPS Suppl., S. 455. 13 Lambert an Rißler, 6. Dezember 1760. In: DGB II, S. 8 und Humm: Lambert in Chur (s. Anm. 2), S. 19. 14 Iselin wurde ab 1757 Prof. des römischen und öffentlichen Rechts in Basel, 1759–1776 Dekan der Juristischen Fakultät und 1763–1764 Rektor der Universität. Er war Mitglied u. a. der Berliner Akademie der Wissenschaften. Vgl. Fritz Heitz: Iselin, Johann Rudolf. In: NDB 10 (1974), S. 189. 15 Vgl. Humm: Lambert in Chur (s. Anm. 2), S. 19. 16 Das vierbändige Werk war erstmals 1726–1728 erschienen; ihm wird ein großer Einfluss auf die reformpädagogischen Bemühungen des Jahrhunderts zugeschrieben. Vgl. Jean Lombard: Introduction. In: Rollin: Discours préliminaire du Traité des études. Hg. von Jean Lombard. Paris, Montréal 1998, S. 7–59. 17 Lambert an Rißler, 6. Dezember 1760, in: DGB II, S. 8f.

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fortzubilden, hier auch den Grund all seiner späteren Werke legte,18 u. a. den seiner 1758 veröffentlichten Route de la Lumière.19 Nicht nur, dass er dadurch in das pietistisch geprägte Haus eines überaus einflussreichen Staatsmannes gelangte, der ihm, der zeitlebens mit keinerlei Universitätsabschluss aufwarten konnte, später den Weg in die Bayerische Akademie ebnen sollte. Ihm bot sich darüber hinaus die Möglichkeit, mit den ihm anvertrauten Zöglingen eine zweijährige (1756–1758) Bildungsreise zu unternehmen, die ihm zu einem längeren Aufenthalt in Göttingen20 verhalf, sowie durch die Niederlande, Frankreich und Italien führte.21 Während dieser Reise knüpfte er wichtige Kontakte; so lernte er etwa in Göttingen den Mathematiker und bissigen Epigrammatiker Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800) kennen, mit dem er eine jahrelange Korrespondenz unterhielt,22 und wurde 1757 als korrespondierendes Mitglied in die dortige Königliche Societät der Wissenschaften kooptiert.23

|| 18 Diese konnte er Haller bereits im August 1758 präzise auflisten. Vgl. Lambert an Haller, 18. August 1758, fol. 1v–2r (https://hallernet.org/data/letter/04594; letzter Aufruf 6. August 2021). Auch in Max Steck: Johann Heinrich Lambert’s Briefe an Albrecht von Haller. In: Nova Acta Leopoldina 27 (1963), 167, S. 7–18, hier S. 14f. 19 Johann Heinrich Lambert: Les Propriétés remarquables de la route de la lumière par les airs, et en général, par plusieurs milieux réfringents sphériques et concentriques. Den Haag 1758 [Titelauflage 1759]. 20 Der Göttinger Aufenthalt, unterbrochen von kleineren Reisen, darunter eine nach Hannover (LPS Suppl., S. 61), dauerte insgesamt ca. ein Jahr: Am 1. Oktober 1756 hatten Lambert und die von Salis Chur verlassen und waren noch im selben Monat in Göttingen eingetroffen. Im Oktober folgenden Jahres wurden sie von der Besetzung der Stadt durch die französischen Truppen zur Abreise veranlasst (vgl. Humm: Lambert in Chur [s. Anm. 2], S. 70 und S. 73). 21 Vgl. LPS Suppl., S. 56–79, wie auch Humm: Lambert in Chur (s. Anm. 2), S. 70–79. Neben Göttingen werden insb. Hannover, Utrecht, Den Haag, Rotterdam, Gouda, Leiden, Amsterdam, Paris, Lyon, Marseille, Turin und Mailand verzeichnet (der Plan, nach England zu reisen, wurde indes aufgrund des schweren Unfalls Lamberts, der eine Treppe hinuntergestürzt war, aufgegeben; vgl. dazu insb. ebd., S. 75 und Formey: Éloge [s. Anm. 10], S. 79f.). – Diese einzigartige Chance einer Bildungsreise ermöglichte ihm, sich in mathematische, optische und astronomische Materien zu vertiefen, barometrische und meteorologische Messungen vorzunehmen und verschiedene physikalische Experimente, insbesondere zum Licht und Feuer resp. Wärme, durchzuführen. Fleißig nutzte er universitäre Bibliotheken und studierte verschiedene Werke Eulers, Bernoullis und Newtons (LPS Suppl., S. 59f., S. 67f., S. 72). Zudem konnte er nach Belieben die zeitgenössischen akademischen Zeitschriften konsultieren, unter denen er insbesondere die Leipziger Acta Eruditorum und die Memoiren der Pariser und Petersburger Akademie eigens nennt (ebd., S. 63ff.). In Holland stellte er schließlich seine Route de la Lumière fertig und ließ sie in Den Haag drucken. Das Buch wurde ein Erfolg, brachte ihm Ruhm und wissenschaftliche Anerkennung ein. Es verkaufte sich sogar so gut, dass die Auflage von 1100 Exemplaren wider Erwarten bereits 1761 vergriffen war. Vgl. ebd., S. 78, Anm. 391 und DGB II, S. 14. 22 Vgl. Karl Bopp: J. H. Lamberts und A. G. Kaestners Briefe. In: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse (1928), 18, S. 3–34. 23 Humm: Lambert in Chur (s. Anm. 2), S. 73.

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Dies war allerdings nicht die erste Gelegenheit, die Lambert in den Umgang mit gelehrten Gesellschaften brachte: Bereits seit einigen Jahren war er Mitglied einer kleinen, im Geheimen arbeitenden gelehrten Sozietät zu Chur.24 Diese bestand aus einer bewusst gering gehaltenen Anzahl »erlauchter und untereinander vertrauter Glieder«,25 die ihren Zweck darin sahen, »unsere Erkenntnis zu erweitern, uns zum Nutzen des Gemeinwesens ein jeder in seinem Beruf tüchtiger zu machen, unsere Zeit erbaulich und angenehm zuzubringen«.26 Auf »Verschwiegenheit« und »ein[en] vertrauliche[n] Umgang« legte man großen Wert, da nur diese den Mitgliedern ermögliche, sich frei und gleichsam unter »guten Freunden«27 »in den Wissenschaften zu üben«,28 ohne sich vor einem wenig förderlichen Urteil übelgesonnener Kritiker fürchten zu müssen. Dies sollte etwa durch »die Lesung gelehrter Nachrichten und die Verfertigung eigener Abhandlungen über verschiedene Materien« geschehen.29 Auf eine breite öffentliche Wirksamkeit, die weder als erstrebenswert noch notwendig erachtet wurde, verzichtete man lieber und vertrat stattdessen die Auffassung, dass sich der Nutzen der Sozietät für das Gemeinwesen in der konsequenten Verfolgung ihrer eigenen Zwecke ausreichend erweisen würde.30 Die genauen Beschäftigungen der Churer Gesellschaft blieben infolgedessen wenig bekannt, doch dürfte ihre Rolle für die Entwicklung Lamberts, dessen Mitgliedschaft ab 1753 belegt ist, kaum zu überschätzen sein. Es ist davon auszugehen, dass er viele der im Monatsbuch verzeichneten und während seiner Churer Jahre entstandenen Arbeiten und

|| 24 Zur wenig bekannten Gesellschaft vgl. ebd., S. 48 ff. und ders.: Die Gelehrte Gesellschaft in Chur 1749–1760. In: Bündner Jahrbuch: Zeitschrift für Kunst, Kultur und Geschichte Graubündens 14 (1972), S. 134–144. Vgl. auch Emil Erne: Die schweizerischen Sozietäten. Lexikalische Darstellung der Reformgesellschaften des 18. Jahrhunderts in der Schweiz. Zürich 1988, S. 327–329, der sich weitgehend auf Humms Arbeiten stützt. 25 Humm: Gesellschaft (s. Anm. 24), S. 142. 26 Dieses und folgende Zitate stammen aus Johann Baptista von Tscharners Rede, dass dermalen unserer Gesellschaft nicht nützlich und ratsam seie, mehrere Mitglieder aufzunehmen (gehalten am 2. Februar 1755), zit. nach Humm: Gesellschaft (s. Anm. 24), S. 141–143, hier S. 141. Aufbewahrt wird die Handschrift im Tscharner-Archiv der Kantonsbibliothek Graubünden, Sign. T 232. 27 Humm: Gesellschaft (s. Anm. 24), S. 141. 28 Ebd., S. 143. 29 Ebd., S. 141. 30 So jedenfalls Tscharners Ansicht: »Aus diesem will man schließen, weil die Gesellschaft für uns als nützlich erachtet würde, so solle man solchen Nutzen auch auf andere ausdehnen. Den Satz an sich selbst nehme ich gerne an, aber die Folge nicht. Die Liebe fängt ohne allen Zweifel bei uns selbst an. Nun habe ich gezeigt, daß durch die Vermehrung unserer Anzahl die dermaligen Mitglieder nicht mehr den Nutzen von der Gesellschaft haben würden wie zuvor. Wenn schon andern die Aufnähme nützlich wäre, so verbindet uns ja obbemelter Gesatz der Liebe keineswegs, ihren Nutzen dem unsrigen vorzuziehen. Und ist dann kein anderer Weg, anderen nützlich zu sein? Ist nicht unser Zweck und unsere Bemühung, uns wirklich nicht nur einigen wenigen, sondern dem ganzen Gemeinwesen nützlich zu machen? Und erfüllen wir dadurch unsere Pflicht nicht zur Genüge?« (ebd., S. 142).

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Reden31 in jenem vertrauten Kreis Gleichgesinnter bekannt machte. Zu ihren Mitgliedern zählte die gelehrte Gesellschaft insbesondere auch den in Mathematik und experimenteller Physik versierten Pfarrer Martin (von) Planta (1727–1772), mit dem Lambert seit 175132 befreundet war und gemeinsame wissenschaftliche Interessen teilte.33 Seit Januar 175434 war Lambert außerdem Mitglied der in Basel etablierten, 1751 im Umfeld der Medizinischen Fakultät gegründeten Societas physico-mathematicoanatomico-botanico-medica helvetica,35 Herausgeberin der gleichnamigen Acta Helvetica, in welchen Lambert in den folgenden Jahren mehrere Beiträge veröffentlichte.36 Erklärtes Ziel der Gesellschaft war die Publikation und Verbreitung der Forschungsergebnisse Schweizer Gelehrter sowie die Anregung zu weiterer Untersuchung auf den genannten Gebieten.37 Allem Anschein nach hatte sich Lambert im Mai 1754 über die Möglichkeit einer engeren, besoldeten Mitarbeit erkundigt: Der durch Bernoulli herausgegebene Brief Lamberts an Johann Heinrich Respinger (1709–1782) ist bedauerlicherweise just an der entscheidenden Stelle gekürzt und deutsch zusammengefasst – eine Freiheit, die sich der Herausgeber bei solchen, »sich weder von Seiten des Styls noch der Erheblichkeit empfehlen[den]« Briefabschnitten gestattete.38 Darin soll Lambert »mit viel Bescheidenheit und mit fernern Äusserungen von Vaterlandsliebe« Respinger mitgeteilt haben, »daß er wünsche zu einem so edlen Vorhaben das Seinige beyzutragen«.39 Aus Respingers Antwort wird

|| 31 Im August 1753 werden beispielsweise drei »Reden« »über die Ungl[eichheit] d[er] Mensch[en]«, »über die glückseel[igkeit]« und »über die Nothwend[igkeit] d[er] Religion« verzeichnet, vgl. LPS Suppl., S. 17. 32 Lambert an Brander, 11. November 1769, DGB III, S. 185–190, hier S. 190. 33 Humm: Gesellschaft (s. Anm. 24), S. 137–139, wie auch Humm: Lambert in Chur (s. Anm. 2), S. 46ff. 34 LPS Suppl., S. 20. 35 Die manchmal irreführend nur »Helvetische Gesellschaft« (so etwa der Lambert-Nachruf im Teutschen Merkur [s. Anm. 10], S. 263) genannte Sozietät ist mit der erst 1761/62 ins Leben gerufenen patriotischen Gesellschaft zu Schinznach, der Lambert nicht angehörte, nicht zu verwechseln. Die Baseler ›Helvetische Gesellschaft‹ war eine wissenschaftliche, von der Medizinischen Fakultät ausgehende und 1751 mit der Unterstützung des Prodekans Johann Rudolf Zwinger (1692–1777) gegründete Gesellschaft. Johann Heinrich Respinger (1709–1782), mit dem Lambert korrespondierte (vgl. etwa DGB II, S. 153–173), fungierte als ständiger Sekretär und Redaktor der Acta (vgl. Erne: Sozietäten [s. Anm. 24], S. 54–56). 36 Der erste Band der Acta Helvetica, physico-mathematico-botanico-medica erschien 1751. Lambert sandte mehrere Beiträge ein, die in den Jahrgängen 1755 (2. Jg.), 1758 (3. Jg.), 1760 (4. Jg.) und (posthum) 1787 (Nova Acta Helvetica usw. 1. Bd.) erschienen. Vgl. dazu LPS Suppl., S. 634ff., S. 638 und S. 695. 37 So schilderte ihn Johann Rudolf Zwinger in der Vorrede zum ersten Band der Acta. Vgl. Erne: Sozietäten (s. Anm. 24), S. 54. 38 DGB II, S. 153. 39 Lambert an Respinger, 16./27. Mai 1754, DGB II, S. 154.

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allerdings ersichtlich, wie die Äußerungen zu verstehen sind und wohl auch verstanden wurden, da dieser Lambert erklärte, dass eine Ernennung ordentlicher Mitglieder derzeit nicht möglich sei.40 Dass Lambert Anschluss an gelehrte Gesellschaften suchte und sich gar eine dotierte Anstellung erhoffte, bestätigt außerdem sein Briefwechsel mit Haller.41 Am 18. August 1758 schrieb er dem zu diesem Zeitpunkt bereits nach Bern zurückgekehrten Präsidenten der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen einen längeren Brief, in dem er sich bei ihm bedankte – Haller hatte wohl den jungen Reisenden Empfehlungsschreiben für Göttingen und Hannover mitgegeben und Lambert zudem wohlwollend rezensiert42 – und ihn von seinen gegenwärtigen Arbeiten und weiteren wissenschaftlichen Vorhaben unterrichtete. Um diese realisieren zu können, bedürfe es jedoch einer geeigneten Stelle, die er nach dem Ende seiner Hauslehrertätigkeit in Göttingen zu finden hoffte:

|| 40 »Comme cette Société n’est encore que naissante, nous n’avons encore point élu de membres ordinaires […] en ce cas, je ne doute nullement que Vous ne soyez un des premiers membres, qui fera tout honneur à la société. Mais néanmoins, & en attendant, chacun qui enverra des Pieces sera membre de la société helvétique selon les lettres invitatoires« (Respinger an Lambert, 25. August 1754, DGB II, S. 156). 41 Erhalten haben sich davon nur sechs Briefe Lamberts an Haller; die Briefe Hallers an Lambert sind verschollen (vgl. Repertorium zu Albrecht von Hallers Korrespondenz 1724–1777. Hg. von Boschung u. a. Basel 2002, Bd. 2, S. 6). Fünf davon wurden 1763 von Steck ediert (s. Anm. 18). Der bei Steck (und auch in der neueren Lambert-Bibliographie, LPS Suppl.) fehlende Brief ist ein kurzes, am 16. Januar 1759 datiertes Begleitschreiben, beginnend mit den Worten: »J’ai l’honneur de Vous envoier cy joint les observations sur l’Article des delices de la Suisse, qui traite des Grisons.« Dabei handelt es sich vermutlich um nicht erhaltene Anmerkungen Lamberts zu Abraham Ruchats 1714 publizierten Les délices de la Suisse. Une des principales républiques de l’Europe (4 Bde., Leiden) oder einer späteren ergänzten, berichtigten und erweiterten Bearbeitung des Werks, L’État et les délices de la Suisse (4 Bde.) betitelt, in dem Graubünden im dritten und vierten Band (11714, S. 582– 703) ausführlich behandelt wird. Die in der Berner Bürgerbibliothek aufbewahrten Briefe Lamberts an Haller sind mittlerweile auf https://hallernet.org als Faksimile verfügbar. Dort werden allerdings ebenfalls nur fünf Briefe verzeichnet, da der sechste, am 6. April 1760 datierte Brief nicht in Bern, sondern in Basel (als Entwurf und als Kopie) aufbewahrt wird (vgl. LPS Suppl., Brief Nr. K061, S. 529). 42 Vgl. Lambert an Haller, 18. August 1758, fol. 1r (https://hallernet.org/data/letter/04594; letzter Aufruf 6. August 2021): »la Recension favorable, que Vous avez faite dans les nouvelles literaires de Götingue de ma Dissertation sur la Chaleur« (vgl. auch Steck: Briefe an Haller [s. Anm. 18], S. 13). In Wahrheit ist die in den Baseler Acta helvetica (2 [1755], S. 172–242) erschienene Abhandlung Lamberts Tentamen de vi caloris, qua corpora dilatat, ejusque dimensione 1755 nur knapp und im Rahmen einer Sammelrezension zum gesamten zweiten Band der Acta in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen (und wohl nicht, wie Lamberts Titelangabe denken lässt, in den Relationes de libris novis) besprochen worden. Dort heißt es: »Eine wichtige Abhandlung des Hrn. Lambert von der ausdähnenden Kraft der Wärme und dem Maasse derselben. Sie muß ganz und nicht im Auszuge gelesen werden« (S. 645–648, hier S. 648.)

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Les Services, que j’ai pretés à Messrs de Salis, vont se terminer avant le mois d’Octobre,43 et je dois regretter le loisir, qu’ils ont bien voulu me laisser, pour travailler à de semblables Sujets. […] Je Vous avouerai ingenument, Monsieur, que j’espere retrouver ce loisir à Götingue, et rien ne me charmeroit tant, qu’une Vocation pour une Chaire de Philosophie.44

Lambert bittet Haller, den engen Vertrauten des Universitätskurators Gerlach Adolph von Münchhausen (1688–1770) und überhaupt von großem Einfluss in Göttingen, um Unterstützung, ja um »Recommendations«,45 und fügt seinem Gesuch eine eindrucksvolle Liste seiner geplanten Arbeiten an. Diese präsentiert er als »die Frucht der Mußestunden«, die er – damals dreißigjährig – von seinem 24. Lebensjahr an genossen habe,46 und führt beinahe all seine künftigen Arbeiten – bis hin zu der kurz vor seinem Tod noch vollendeten Pyrometrie – darin auf. Doch Lamberts Hoffnungen sollten sich nicht erfüllen. Am 28. Januar 1759 erwähnt er, ohne sie näher zu erläutern, »les deux raisons, qui ont rendu infructueuses et Vos peines et mes Esperances«,47 die freilich mit dem Siebenjährigen Krieg und der Besatzung Göttingens durch die französischen Truppen einerseits, mit dem Fehlen einer entsprechenden vakanten Stelle andererseits mögen zusammengehangen haben.

3 Lambert und die Churbayerische Akademie Mit seiner Berufung zum auswärtigen Mitglied der Churbayerischen Akademie der Wissenschaften im November 175948 änderte sich an seiner Situation zunächst nichts: So schrieb er noch im April 1760 an Euler, dass er auf eine geeignete akademische Anstellung warte, die es ihm ermöglichen würde, seine zahlreichen Werkprojekte weiterzutreiben.49 Das ersehnte Angebot erhielt er nur wenige Monate spä-

|| 43 Lambert blieb schließlich bis Mai 1759 in Chur, vgl. Humm: Lambert in Chur (s. Anm. 2), S. 81. 44 Lambert an Haller, 18. August 1758, fol. 1v (https://hallernet.org/data/letter/04594; letzter Aufruf 6. August 2021). Vgl. auch Steck: Briefe an Haller (s. Anm. 18), S. 14. 45 Ebd. 46 »Ils sont le fruit des heures de loisir depuis ma 24e jusqu’à ma 30e année« (ebd.). 47 Lambert an Haller, 28. Januar 1759, fol. 1r (https://hallernet.org/data/letter/04596; letzter Aufruf 6. August 2021). Vgl. auch Steck: Briefe an Haller (s. Anm. 18), S. 15. 48 Lambert wurde in der Sitzung vom 29. November 1759 als auswärtiges Mitglied aufgenommen. Vgl. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 192, wie auch Lamberts Dankesbrief an Lori vom 4. Dezember 1759. In: DGB II, S. 16ff. und Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 229–231, vgl. dort insb. die Anm. 2 »Zur Vorgeschichte von Lamberts Aufnahme«. 49 »[…] j’ai formé le plan de faire successivement imprimer mes Ouvrages que je m’étois contenté de garder en Mspt. et de les augmenter. Ce plan est assez vaste et ne demandera pas moins, que toute ma vie. En attendant la paix et quelque place academique qui puisse me donner ce loisir, qu’il y faut, j’aurai de quoi m’amuser, si je ne fais imprimer que ce qui a deja atteint assez de perfection, pour être présenté au public« (Lambert an Euler, 4. April 1760, in: Bopp: Eulers und Lamberts

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ter vom churfürstlich-bayerischen Münz- und Bergrat Johann Georg Dominikus von Linprun (1714–1787), dem amtierenden Direktor der Philosophischen Klasse, der sich einige Monate in Augsburg aufhielt.50 Der genaue Inhalt des ihm gemachten ›schmeichelnden Angebots‹ (»offres […] flatteuses«51), wie Lambert es nannte, ist nicht bekannt, dafür sind es die Vorstellungen Lamberts, der sich von der gewünschten, seine Erwartungen erfüllenden akademischen Stelle ein ziemlich präzises Bild geformt hatte. Mit dem ihn charakterisierenden ausgeprägten Selbstwertgefühl52 hatte Lambert zwischen August und September 1760 über die Bedingungen seiner Mitarbeit verhandelt. Seine Forderungen sind durch seinen Briefwechsel mit dem Akademiesekretär Lori gut dokumentiert.53 In diesen ›Verhandlungsbriefen‹ war ihm daran gelegen, das Verhältnis von Akademie und ›Akademisten‹ näher zu bestimmen und deren gegenseitige Rechte und Pflichten vertraglich festzuhalten. Dabei verfolgte er nicht lediglich eigene Interessen, sondern formulierte durchaus auch generelle Ansprüche, die in seine späteren Ausführungen zum akademischen System Eingang gefunden haben. Den Kern seiner Forderungen bildeten grundsätzlich zwei Punkte: Er wünschte, durch »une Pension competente«54 besoldet zu werden und seinen Wohnort weiterhin nach »freyem Belieben«55 bestimmen zu können. Sah er ersteren als den nötigen

|| Briefwechsel [s. Anm. 4], S. 14f., hier S. 14). – Euler bemühte sich daraufhin um Lamberts Vermittlung, empfahl ihn im Juli desselben Jahres für den an der Petersburger Akademie freigewordenen Posten als Astronomen und war außerdem, mit Sulzer, maßgeblich in Lamberts Aufnahme in die Berliner Akademie involviert. Als Lambert ihn von seinem Weggang aus der Bayerischen Akademie informierte, unternahm Euler 1764 einen neuen Vermittlungsversuch nach Petersburg, diesmal für die vakante Stelle eines Mechanikers. Lambert beschloss jedoch, in Berlin zu bleiben. Einen dritten und letzten Versuch machte Euler 1766, nach seiner Rückkehr nach St. Petersburg. Im Oktober 1766 wurde Lamberts Berufung auf die immer noch unbesetzte Mechanikerstelle zwar einstimmig beschlossen, doch schlug Lambert, der sich inzwischen in Berlin etabliert hatte, das Angebot erneut aus. Vgl. Achot T. Grigorian: J.-H. Lambert et l’Académie des Sciences de Pétersbourg. In: Colloque international et interdisciplinaire Jean-Henri Lambert. Mulhouse, 26–30 septembre 1977. Paris 1979, S. 99–103. 50 Linprun wohnte dem Augsburger Münz-Probationstag bei und hielt sich von Februar bis Juli 1760 dort auf, vgl. Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 292. 51 Lambert an Lori, 6. August 1760, in: ebd., S. 290–292, hier S. 290. 52 In diesem von vielen seiner Biographen verzeichneten Charakterzug, der ihm »oft den Schein einer ohnverzeihlichen Prahlerey« gegeben haben soll (Nachruf im Teutschen Merkur [s. Anm. 10], S. 271f.), erkannte Formey lediglich »une pure & simple intuition de ce qu’il valoit, une conviction intime de ses lumières & de leur prix« (Formey: Éloge [s. Anm. 10], S. 83). 53 Es handelt sich dabei vorrangig um zwei Briefe: Im ersten, auf Französisch verfassten Brief vom 6. August 1760 führt Lambert seine Bedingungen in sieben Punkten auf; diese übernimmt er im zweiten, Deutsch verfassten Schreiben vom 24. September 1760 und erweitert sie auf insgesamt zwölf Punkte oder ›Artikel‹. Vgl. Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 290–292 und S. 313–317. 54 Lambert an Lori, 6. August 1760, in: ebd., S. 291. 55 Lambert an Lori, 24. September 1760, ebd., S. 314.

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»Vorschub, damit [er] mit wahrem Vergnügen und Freude für das Beste der Akademie arbeiten könne«,56 so war ihm der zweite nicht minder unabdingbar. Seine Lebensweise und die von ihm geplanten Arbeiten erforderten nämlich »une application continue à des études, qui la démandent toute entiere« und die mit einem Leben »dans le grand monde«, sprich im höfischen München, überhaupt inkompatibel seien.57 Seine »Zeit und Muße« würde er viel lieber und viel nützlicher für seine Forschungsarbeit aufwenden, was schließlich auch der Akademie zugutekäme: Meine noch vorhabenden Arbeiten liegen mir zuviel im Sinne, und die Liebe zu einer ununterbrochenen application nebst ihren Folgen kann ich gar wohl als übertrieben anstehen lassen. Die Lust zu neuen Entdeckungen, und das Vergnügen noch manches Cahos in den Wissenschaften in Ordnung zu bringen, und der Nutze, der daraus fleußt, und den ich mit Freuden auch der Akademie wiedmen kann; alles dieses ist mir viel zu reizend, und verbeut mir gleichsam nothwendig jede Weitläuftigkeit äußerlicher Umstände.58

Der Akademie gegenüber verpflichtet er sich als Gegenleistung dazu, jährlich drei Abhandlungen – eine mathematische, eine physikalische und eine philosophische – für die geplanten akademischen Commentarien abzugeben, dazu noch verschiedene Entwürfe, Aufsätze oder anderweitige Beiträge zur Einrichtung der Akademie und ihrer Arbeiten, wie etwa der genannten Commentarien und des Kalenderwesens. Darüber hinaus sichert er der Institution und den einzelnen Mitgliedern jederzeitigen Beistand und beratende Unterstützung zu. Neben den Ergebnissen seiner wissenschaftlichen Forschungen und der genannten internen bzw. strukturellen Beratungs- und Organisationstätigkeit will er auch die Reputation der Akademie auf verschiedene Weise stärken helfen, ein Aspekt, den er für den Erfolg der Akademie als entscheidend ansieht und wiederholt hervorhebt. Doch auch dieser hängt nicht unwesentlich von den dafür aufgebrachten Mitteln ab. So will er sich etwa bemühen, auswärtige Gelehrte, die für die Akademie und ihre Commentarien »eine Zierde seyn können«,59 zur Einsendung von Abhandlungen zu veranlassen, macht allerdings zur klaren Bedingung, dass auch diese für ihre Arbeiten bezahlt werden sollen: »[J]e tâcherai d’inviter des Savans du premier Ordre à enrichir les Commentaires, à raison cependant, que leurs Mémoires leurs soient honorablement paiés.«60 Dies sei für das Gelingen der ersten Bände gar eine notwendige Sache, so Lambert weiter, und so sollten auch etwaige, von ihm zusätzlich gelieferte Abhandlungen

|| 56 Ebd., S. 317. 57 Lambert an Lori, 6. August 1760, ebd., S. 290. 58 Lambert an Lori, 24. September 1760, ebd., S. 314. 59 Ebd., S. 315. 60 Lambert an Lori, 6. August 1760, ebd., S. 291. Ähnlich heißt es im anderen Brief: »Werde ich bemüht seyn, andere Gelehrte einzuladen, daß sie gegen ein honorarium auch dergleichen Abhandlungen einsenden« (vgl. auch Lambert an Lori, 24. September 1760, ebd., S. 315).

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»extra compensirt«61 werden. Zum selben Zweck will er sein Korrespondenznetzwerk »für die Akademie einrichten« und es möglichst noch ausweiten, würde allerdings genauso »für die Unkosten Rechnung halten«.62 Schließlich will er sein Verhältnis zur Akademie »mit Nachdrucke«63 bekannt machen, etwa bei der Veröffentlichung seiner eigenen Schriften; förderlich sei es dabei, wenn er »den Titel eines Professoris honorarii«64 tragen könnte. Er schlägt vor, diesen auch anderen auswärtigen Mitgliedern zu verleihen, als ein weiteres Mittel, die Akademie »ansehnlicher« zu machen.65 Lori zeigte sich gegenüber Lamberts Forderungen weitgehend entgegenkommend. Er versuchte zwar einmal noch, ihn zur Übersiedlung nach München zu überreden,66 insistierte aber nicht weiter, als klar war, dass Lambert sich davon nicht werde abbringen lassen. Er überließ es ihm daraufhin, sowohl die Höhe seiner Pension zu bestimmen67 als auch einen Diplom- bzw. Anstellungsentwurf auszufertigen, der den von ihm gewünschten Vorstellungen entspreche.68 Erstere setzte Lambert angesichts der Tatsache, dass seine »Dienste für die Akademie« sein »einiges Hauptwerk« seien, auf jährlich 800 Reichsgulden fest,69 eine komfortable, angesichts der Umstände an der Bayerischen Akademie gar ansehnliche Summe.70 Als Lori sie ihm zubilligte, setzte er sein ›Diplom‹, wohl in Anlehnung an dasjenige, das er 1757 von der Göttinger Akademie erhalten hatte,71 auf und sandte es Lori zur Bestätigung am 27. November 1760 zu. Darin hielt er insbesondere die ihm zugebilligten »Beneficien, Titel und Pension«72 fest. Was hingegen seine Verpflichtungen

|| 61 Ebd. 62 Ebd., S. 316. 63 Ebd. 64 Ebd., S. 314. 65 Ebd., S. 316. 66 Lori an Lambert, 19. September 1760, ebd., S. 312f. 67 Ebd., S. 313. 68 Lori an Lambert, 6. November 1760, ebd., S. 332. 69 Lambert an Lori, 24. September 1760, ebd., S. 316. 70 Eine Besoldung der ordentlichen Mitglieder (die in der Mehrzahl höhere Beamte waren und daneben noch andere Einkünfte bezogen) war nämlich nicht vorgesehen, zumal die klammen Finanzen der Akademie dies kaum zugelassen hätten. Lori schien gar befürchtet zu haben, mit Lambert einen Präzedenzfall zu schaffen: »Um den vielen referieren bey Hofe auszuweichen«, sei es wohl notwendig, die Pension jährlich auszuzahlen und nicht viertel- oder halbjährlich, wie dies Lambert am 24. September vorgeschlagen hatte (vgl. Lori an Lambert, 6. November 1760, ebd., S. 332). – Mit 800 Gulden jährlich hatte man Lambert mit einer genauso hohen Pension bedacht, wie Osterwald 1772 als besoldetem Direktor zugestanden worden ist (vgl. Andreas Kraus: Die naturwissenschaftliche Forschung an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung. München 1978, S. 37 und S. 49). 71 Lambert an Lori, 27. November 1760, in: Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 342–345, hier S. 343. Der Diplomentwurf findet sich ebd., S. 344f. 72 Lambert an Lori, 24. September 1760, ebd., S. 316.

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betraf, so geböte ihm hier die Notwendigkeit, sich »in behörigem Umfange und Kürze auszudrücken«, sie nicht einzeln aufzuführen, sondern stattdessen auf sein Schreiben an Lori vom 24. September zu verweisen. Dementsprechend sucht man darin auch die von Lori wohl erst am 6. November gemachte Gegenforderung, Lambert möge »junge Köpffe in Mathesi etc.« unterrichten, vergeblich. Überhaupt war Lambert recht zurückhaltend darauf eingegangen73 und hatte darin nur unter dem Vorbehalt eingewilligt, wenn ihm nach Verrichtung seiner anderen Arbeiten »einige Stunden übrig« blieben. Auch sollten die zu unterrichtenden jungen Leute »schon die Anfangsgründe durchgangen […] und zu Erfindungen aufgelegt« sein.74 Im Diplom ebenfalls nicht festgelegt ist die Dauer der Anstellung. Diese sollte, so Lambert am 24. September, so lang bestehen, wie sie »der Akademie gefällig« sei und ihm »Vergnügen und Vortheil«75 bringe. Als im Sommer 1762 das Verhältnis bereits erheblich gestört war, schrieb Lambert an Euler: »Je suis bienaise, de ce que je ne me suis pas lais[s]é aller à des engagemens plus liés.«76

4 Missstimmung und Missverhältnis Vor die Frage gestellt, weshalb das Verhältnis Lamberts zur Bayerischen Akademie schon nach so kurzer Zeit zerrüttet war, wird man schwerlich nur einen einzigen Grund benennen dürfen; vielmehr wird man von einem Geflecht von Gründen auszugehen haben. Sicher aber ist, dass er sich nicht gebührend wertgeschätzt fühlte und wiederholt über holprige Kommunikation zu klagen Anlass hatte.77 Oft blieben seine Briefe und Bitten unbeantwortet,78 die von ihm gemachten Vorschläge unbe-

|| 73 Lambert an Lori, 27. November 1760, ebd., S. 343f. 74 Ebd. Es kann wohl als eine Ausnahme betrachtet werden, als er im Januar 1761 den Münchener Johann Stephan Stiegler (?–1774), den jüngeren Bruder Johann Georg Stieglers (1730–1761), auf Vermittlung Loris und Linpruns in Augsburg unterrichtete. Der Unterricht fand kurz darauf ein abruptes Ende, als Johann Stephan die Nachfolge des im Februar verstorbenen Johann Georg in München übernehmen musste (vgl. LPS Suppl., S. 103, Anm. 499). 75 Lambert an Lori, 24. September 1760, in: Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 316. 76 Lambert an Euler, 12. Juli 1762, in: Bopp: Eulers und Lamberts Briefwechsel (s. Anm. 4), S. 28. 77 Vgl. die Briefe an Euler vom 12. Juli 1762 und vom 7. März 1763, ebd., S. 27–30 und S. 32–34, wie auch an Sulzer vom 5. Februar 1763 (UB Basel, L Ia 745, S. 187f.) und an Ott vom 14. Februar 1763, DGB II, S. 188–190. 78 So bat er z. B. mehrfach vergeblich um ein kommentiertes Mitgliederverzeichnis, das er bei der Erarbeitung seines Entwurfs hinzuziehen wollte. Es ging ihm darum einzuschätzen, »von welchen [Mitgliedern] entweder Versicherung oder nähere Hofnung da ist, daß sie zu den Commentarien Beyträge einsenden werden, und in was für Arten von Materien«. Vgl. Lamberts Briefe an Lori vom 14. Januar (Spindler: Electoralis [s. Anm. 1], S. 365–367, daraus das hier Zitierte S. 366), vom 17. Januar (ebd., S. 367–374, hier S. 368), 27. Februar (ebd., S. 382f., hier S. 383) und vom 31. März 1761 (ebd., S. 392f.). Auf das ihm nicht zugesandte Mitgliederverzeichnis wies Lambert auch noch

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rücksichtigt79 oder, wenn man ihnen denn folgte, ließ man ihn über den weiteren Fortgang in Unkenntnis.80 Es ging so weit, dass er von der Neubesetzung der Akademiesekretärsstelle erst im Juni 1762 erfuhr – knapp ein Jahr, nachdem sie wieder vergeben worden war.81 Den Kreisen, die das akademische Tagesgeschehen bestimmten, gehörte Lambert ganz offensichtlich nicht an, und seine beharrliche Weigerung, den Wohnsitz aus dem protestantischen Augsburg ins katholische München zu verlegen, trug sicherlich das ihre dazu bei.82 Ob Lambert zum Schluss aus freien Stücken ging, d. h., ob er selbst um Entlassung nachsuchte, oder ob er von der Akademie verabschiedet wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen.83 Es

|| einmal im Entwurf hin (Lambert: Entwurf des akademischen Systems [s. Anm. 7], S. 506). – Die Anzahl seiner Monita waren inzwischen so stark angewachsen, dass er Brander im Juli 1762 ein ganzes »Verzeichnis der Articul […], worüber mir von der Academie die längst schon verlangten Antworten und Nachrichten ausbitte«, vorlegen konnte. Demselben Brief hatte er seine Abhandlung Von den Lücken der menschlichen Erkenntnis beigelegt, mit der Bitte, diese an den Sekretär der Akademie weiterzuleiten, dessen Adresse ihm nicht mitgeteilt worden war. Die Abhandlung fand indes keine Aufnahme in die akademischen Abhandlungen. Vgl. Lambert an Brander (s. Anm. 3), 8. Juli 1762, fol. 2r. 79 Wie eben sein Entwurf des akademischen Systems. 80 So kränkte ihn etwa der Umgang mit ›seiner‹ Preisfrage: Er hatte sie vorgeschlagen und dafür gesorgt, dass Johann Albrecht Euler (1734–1800), der Sohn des mit ihm korrespondierenden Leonhard Euler (1707–1783), eine Preisschrift einreichte. Dass dieser den Preis schließlich erhielt, scheint Lambert von Euler selbst im Dezember 1762 erfahren zu haben, den er wohl unwissentlich kränkte, indem er ihm etwas rücksichtslos mitteilte, sein Sohn habe kaum Konkurrenten gehabt (»je regrette, que la Victoire ne lui est pas aussi glorieuse qu’elle l’auroit pu être à plusieurs égards. L’automne passé, on me manda de Munic, qu’on n’avoit reçu qu’une seule piece à ce Sujet, et je ne doute pas, que ç’ait été celle de Mr. Votre fils« (Lambert an Euler, 7. März 1763, in: Bopp: Eulers und Lamberts Briefwechsel [s. Anm. 4], S. 32–34, hier S. 32f.). Sulzer machte Lambert im Juni 1763 auf das Missverständnis aufmerksam (»Mr. Euler me paroit avoir mal compris, ce que Vous Luy avez marqué au Sujet du prix que son fils a remporté à l’Academie de Munic« (Sulzer an Lambert, 4. Juni 1763, UB Basel, L Ia 745, S. 195–197, hier S. 197). 81 Vgl. Lambert an Brander (s. Anm. 3), 8. Juli 1762, fol. 1r. Branders Brief vom 26. Juni 1762 war ein Schreiben von Linprun beigelegt, das Lambert über den Amtswechsel informierte. Johann Georg Lori war bereits im Juli 1761 von seinem Posten als Akademiesekretär zurückgetreten; ihm folgte der schottische Benediktiner Ildephons Kennedy (1722–1804); vgl. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 159ff. 82 Gegenüber Euler, Sulzer und Ott (s. Anm. 77) erklärt Lambert, man habe ihn vorsätzlich außen vorgelassen, um ihn zum Umzug nach München zu nötigen. 83 Man vergleiche hierzu die unterschiedlichen Darstellungen etwa von Kraus und Westenrieder. So heißt es etwa bei ersterem: »Lambert war zwar im Sommer 1762 noch bereit, Abhandlungen und Beiträge zum Kalender zu liefern, im November dagegen bat er, ›daß man ihn seiner Verbindlichkeiten gegen die Akademie entlassen‹ möge, wobei er sich mit einer Pension von 200 Gulden für die Fortführung der akademischen Korrespondenz begnügen wolle« (Kraus: Naturwissenschaftliche Forschung [s. Anm. 70], S. 50). Das Zitat – bei Kraus ohne weiteren Nachweis – stammt aus Westenrieder: Geschichte (s. Anm. 2), S. 244. Dieser stellt jedoch die Sachlage genau umgekehrt dar: Nicht

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scheint jedenfalls mit der Auszahlung seiner Pension zum Schluss Schwierigkeiten gegeben zu haben, da er sich hierüber bei Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800) beklagte.84 Grundlegend und letztlich im Hinblick auf Lamberts Entwurf des akademischen Systems entscheidend wird wohl das fundamentale Missverhältnis zwischen den Vorstellungen, Erwartungen und Zielen Lamberts und dem Profil und der tatsächlichen Ausrichtung der Bayerischen Akademie gewesen sein. Sowohl in Hinsicht auf die Auffassung vom Zweck einer solchen Akademie wie auch von ihrer Organisation – sei es ihrer generellen fachlich-wissenschaftlichen Ausrichtung, sei es in der Einrichtung und Durchführung ihrer Arbeiten – lagen die Vorstellungen nämlich weit auseinander.

5 Ein neuer Parnassus Boicus? Der im Frühjahr 175985 von Lori – damals als Wirklicher Hofrat am Münz- und Bergwerkskollegium tätig86 – gegründeten Churbayerischen Akademie der Wissenschaften waren in den vorherigen Jahrzehnten mehrere gescheiterte Akademiepläne vorausgegangen.87 Einer war 1720 von den Augustiner Chorherren Eusebius Amort || Lambert bat darum, sondern »man eröffnete ihm« vielmehr seine Entlassung, da man seitens der Akademie »seine förmliche Abdankung nicht erst abwarten« wollte. 84 So behauptet es auch Formey: »On cessa de lui payer sa pension, & il ne daigna faire aucune démarche pour la retrouver« (Formey: Éloge [s. Anm. 10], S. 81). Lambert selbst schrieb diesbezüglich an Kästner im Januar 1764: »Cette Acad. [l’Académie de Bavière] trouve dans son lieu natal de fortes oppositions de la part des Jesuites qui en sont exclus non par des loix mais par voie de fait […] Il semble même que ces oppositions vont jusqu’à l’empecher de me faire liquider une partie de la pension qu’elle me doit« (Lambert an Kästner, 24. Januar 1764, in: Bopp: Lamberts und Kaestners Briefe [s. Anm. 22], S. 16). Möglicherweise dachte Lambert dabei an die Kritik des Jesuitenpaters Daniel Stadler (1705–1764), der im August 1761 im Zusammenhang mit einem Streit um die mehrfach gescheiterten Aufnahmeversuche des Ingolstädter Jesuitenpaters und Mathematikers Georg Kraz (1714–1766) darüber klagte, dass man Lambert, einen Ausländer und darüber hinaus Protestanten, mit einem solchen Gehalt eingestellt habe, obwohl es in Ingolstadt ausreichend kompetente Kandidaten gegeben habe. In dieser Angelegenheit hatte sich jedoch die Akademie für Lambert eingesetzt und die Vorwürfe der Jesuiten in einem »geschlossenen Widerstand« zurückgewiesen (vgl. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte [s. Anm. 1], S. 247–252, hier S. 248). 85 Die auf den 28. März 1759 datierte Stiftungsurkunde wurde in Wahrheit einige Wochen später unterzeichnet. Grund der Verzögerung war die von den Jesuiten hervorgerufene Streifrage um die Einrichtung einer ursprünglich nicht vorgesehenen akademischen Zensur, die schließlich zwar etabliert, nicht jedoch den Jesuiten, sondern der Akademie selbst übertragen wurde; vgl. ebd., S. 104–111 und Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. XXIII. 86 Vgl. u. a. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 48ff. 87 Nicht zuletzt waren diese an der starken Opposition seitens der Jesuiten gescheitert. Zur Vorgeschichte der Churbayerischen Akademie vgl. insb. Westenrieder: Geschichte (s. Anm. 2), S. 1–19 und

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(1692–1775), Gelasius Hieber (1671–1731) und Agnellus Kandler (1692–1745) ausgegangen. Aus ihrem schließlich nicht realisierten Projekt einer Academia CaroloAlbertiana88 war – gleichsam als »Ersatz«89 – eine der ersten gelehrten Zeitschriften in deutscher Sprache hervorgegangen, der Parnassus Boicus, Oder Neu-eröffneter Musen-Berg.90 Nicht von ungefähr berief sich die neue Akademie explizit auf diesen als ihren berühmten Vorgänger, in dessen Nachfolge sie sich programmatisch stellte. »Die vom Parnasso Boico fest gestellte Absichten, alle nützliche Wissenschaften und freye Künste in Bayern auszubreiten, sollen ausgeführet […] werden«,91 so der erste Satz der 1759 gedruckten Gesetze der Churbayerischen Akademie der Wissenschaften.92 Ziel des Parnassus Boicus war, wie dies der Vorbericht zum ersten Band

|| Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 1–114 sowie Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. IX–XXXI. 88 Vgl. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), u. a. S. 37ff. Trotz des Scheiterns der Academia Carolo-Albertina gab Amort sein Vorhaben nicht auf, bemühte sich später (etwa in den Jahren 1747–1749 und 1755–1756) mehrfach – jedoch erfolglos – um die Gründung einer Akademie. Die Begegnung Loris und Amorts im Jahr 1749 stellt einen wichtigen Meilenstein in der Vorgeschichte der Bayerischen Akademie dar. Als einer der herausragendsten Vertreter des Akademiegedankens in Bayern wurde Amort schließlich auch Mitglied der ersten Stunde der nun federführend von Lori errichteten Akademie (ebd., S. 44f., S. 68f., S. 54f. und S. 85f.). – Die Statuten der nicht zustande gekommenen Akademie wurden 1764 im zweiten Band der Abhandlungen der Churfürstlich-baierischen Akademie der Wissenschaften veröffentlicht, als Anhang zu Johann Caspar Lipperts Abhandlung Von den ehemaligen gelehrten Gesellschaften in Baiern, S. 32–43; erneut in Reinhard Heydenreuter: Die Bayerische Akademie der Wissenschaften. Dokumente und Erläuterungen zur Verfassungsgeschichte. Regensburg 2011, S. 61–72. 89 So Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 40. 90 Der Parnassus Boicus, Oder Neu-eröffnete[ ] Musen-Berg/ Worauff Verschiedene Denck- und Leßwürdigkeiten auß der gelehrten Welt, zumahlen aber auß denen Landen zu Bayrn/ abgehandlet werden erschien 1722–1740 in unregelmäßiger Folge und unter leicht variierenden Titeln. 91 Die auf den 28. März 1759 datierten Gesetze der Churbayerischen Akademie der Wissenschaften erschienen noch im gleichen Jahr im Druck, vgl. hier § I, S. 3. Die Statuten zählen 67 Paragraphen, die sukzessive die »Verfassung der Akademie« (§§ I–VI), ihre verschiedenen Ämter (»Vom Präsidenten« §§ VII–IX, »Vom Vicepräsidenten« §§ X–XIV, »Von den Directorn« §§ XV–XIX, »Vom Secretär« §§ XX–XXVI, »Vom Zahlmeister« §§ XXVII–XXX) festschreiben, die »Aufnahme der Mitglieder« (§§ XXXI–XXXVII) und ihre »Pflichten« (§§ XXXVIII–XLII) regeln, die »Stoffe der Arbeiten« (§§ XLIII–XLVII) in den beiden Klassen (»Historische Classe« §§ XLVIII–LV, »Philosophische Classe« §§ LVI–LXII) fixieren bis einschließlich der Verordnung über die »Versammlungen« (§§ LXIII– LXVII). 92 Den 1759 gedruckten Gesetzen gingen mehrere von Lori herausgearbeitete Statutenentwürfe voraus. Der erste umfasste neun Punkte und war von ihm im Oktober 1758 anlässlich der ersten heimlichen Zusammenkunft der ›Bayerischen Gesellschaft‹ – aus der wenige Monate später die Akademie hervorgehen sollte – angefertigt worden. Eine deutlich erweiterte zweite Fassung hatte Lori dem Philosophiehistoriker Johann Jakob Brucker mit Bitte um sein freimütiges Urteil vorgelegt. Dieser machte eine Reihe sehr weitreichender »unmaßgebliche[r] Anmerkungen«. Diese sind nebst den Statuten in ihren unterschiedlichen Entwurfsstufen mehrfach ediert worden. Vgl. Hammer-

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der Zeitschrift in frühaufklärerischer barocker Manier proklamiert, »ein Lustreitzendes Keder zu allerhand Künsten vnd Wissenschafften vorzulegen« und insbesondere »die so genannte Belles Lettres in vnserem Vatterlande […] floriren zu machen wenigist in vnserer Mutter-Sprach«.93 Neben Nachrichten darüber, »was sonderlich neues passire/ vnd vorkomme in der gelehrten Welt«, sollte sich der Parnassus Boicus auch dem reichen historischen Erbe Bayerns widmen: Dafür galt es, »jewo ein altes Manuscriptum, oder Hand-geschribenes Buch/ oder Register in einem Winckel mit den Schaben/ vnd Maden ringet«, dieses »außzustauben« und dem Publikum vorzulegen.94 Dem Wort des Evangeliums (Mt 13,52), nach dem »ein Gelehrter gleich seyn solle einem Hauß-Vatter/ der Altes/ und Neues auß seinem Schatz-Kasten hervorbringe«,95 solle damit Folge geleistet werden. In der demonstrativen Berufung der Churbayerischen Akademie der Wissenschaften auf den Parnassus Boicus mag man eine Fortsetzung eben dieses Bestrebens, ›Neues‹ mit ›Altem‹ zu verbinden, erkennen.96 Doch wird man darin darüber hinaus kalkulierte, legitimierende Rhetorik sehen müssen,97 die nicht zuletzt dazu dienen sollte, den subversiven Charakter der Unternehmung zu kaschieren. Denn die Gründung der Akademie bedeutete den »Durchbruch durch die bis dahin vom Staat geschützte, in der Landesuniversität [Ingolstadt] sich verkörpernde mittelalterliche Wissenschafts- und Bildungstradition« und die Aufhebung der bildungspolitischen »Monopolstellung der Jesuiten«.98 Wie bereits der Parnassus Boicus schloss auch die neue Akademie juristische und religiöse Streitfragen explizit aus ihren Beschäftigungen aus;99 doch ihre Einrichtung allein stellte schon einen politischen Akt dar und kam den Jesuiten, die – wenn nicht de jure, wohl aber de facto – aus der Akademie ausgeschlossen blieben,100 einer Kriegserklärung gleich.101 || mayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 83–97 und S. 352ff., Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 433–455 und Heydenreuter: Verfassungsgeschichte (s. Anm. 88), S. 72–91. 93 Parnassus Boicus, Erste Unterredung. […] 1722, Vorbericht, S. 7. 94 Ebd., S. 5f. 95 Ebd., S. 7. 96 So will insb. Spindler in der von Lori gegründeten Akademie »eine Symbiose von alt und neu, Tradition und Fortschritt« erkennen, durch welche »der Zusammenhang mit der geistigen Vergangenheit des Landes gewahrt blieb« (Spindler: Electoralis [s. Anm. 1], S. XXV). 97 Desgleichen auch Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 112: »Es war mehr ein Akt berechnender Klugheit denn ein ehrliches Anknüpfen an den Parnassus.« 98 Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. XXIV. 99 Gesetze (s. Anm. 91), § I., S. 3. Die Akademie verstand sich als dezidiert überkonfessionelles und über die politischen Unterschiede hinweg versammelndes Organ, in dem Katholiken und Protestanten zur gemeinsamen Arbeit aufgefordert werden sollten. 1759 machten die Protestanten zunächst ungefähr ein Drittel der Mitglieder aus (51 von 181 Mitgliedern). Zur Mitgliederstruktur vgl. etwa Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 130–137, Westenrieder: Geschichte (s. Anm. 2), S. 362–368 und S. 417–431 sowie Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. XXIV. 100 »[D]ie Jesuiten sind keine Mitglieder, weil sie Scholastici und Jesuiten sind«, so Lori an Ulrich Weiß am 6. Dezember 1759, ebd., S. 232. Vgl. auch Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte

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Die Verschränkung akademischer und politischer Angelegenheiten vor dem Hintergrund tiefgreifender staatskirchlicher, mit einem auflebenden Episkopalismus zusammenhängender Reformen102 war in den ersten Jahren der Akademie virulent, bestimmte Handlungsmöglichkeiten und begleitete eine Vielzahl von Entscheidungen. Dem galt Loris Hauptaugenmerk, der nach einem eher traditionellen Schul- und Bildungsgang Mitte der 1740er Jahre während seines Studiums der Rechte in Würzburg und Ingolstadt mit der ›Bayerischen Aufklärung‹103 und ihren Hauptvertretern Johann Adam Freiherr von Ickstatt (1702–1776) und Johann Georg Weishaupt (1716–1753) in Kontakt kam. Damals familiarisierte er sich insbesondere mit den Ideen Christian Wolffs und gehörte einer »Loge von Wolffianern« an, die gegen die Jesuiten einen »philosophischen Krieg«104 zu führen entschlossen waren.105 Sein Leben lang blieb er deren unerbittlicher Gegner und brachte seine unverhüllte Feindschaft nicht nur in der Verwirklichung seiner Akademiepläne oder in seiner führenden Tätigkeit als Akademiesekretär (1759–1761) und Direktor der Historischen Klasse (1759–1760) zum Ausdruck, sondern vor allem auch in seinem unermüdlichen Engagement für staatspolitische bzw. staatskirchenrechtliche Reformen.106 Tatsächlich hinderten ihn seine Dienstverpflichtungen als Hofrat – und wohl auch seine politische Ambitionen – daran, sich der jungen Akademie in dem erforderlichen Maße zu widmen.107 1760/61 zog er sich daher frühzeitig von seinen akademi-

|| (s. Anm. 1), S. 240. Ähnlich auch Lambert an Kästner, 24. Januar 1764, in: Bopp: Lamberts und Kästners Briefe (s. Anm. 22), S. 16 (»oppositions de la part des Jesuites qui en sont exclus non par des loix mais par voie de fait«). 101 »Wir müssen altarae contra altarae bauen«, so Lori an den Salzburger Benediktiner Michael Lory (1728–1808) am 21. Februar 1761 (vgl. Spindler: Electoralis [s. Anm. 1], S. 381). Zum Umgang der Akademie mit den Jesuiten vgl. insb. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 237–266. 102 Vgl. dazu u. a. Andreas Kraus: Probleme der bayerischen Staatskirchenpolitik 1750–1800. In: Katholische Aufklärung – Aufklärung im katholischen Deutschland. Hg. von Harm Klueting in Zusammenarbeit mit Norbert Hinske und Karl Hengst. Hamburg 1993, S. 119–141. 103 Siehe dazu u. a. Katholische Aufklärung – Aufklärung im katholischen Deutschland. Hg. von Harm Klueting in Zusammenarbeit mit Norbert Hinske und Karl Hengst. Hamburg 1993, oder auch Jürgen Overhoff, Andres Oberdorf (Hg.): Katholische Aufklärung in Europa und Nordamerika. Göttingen 2019. 104 So Lori an Oefele, 5. Dezember 1751; zit. nach Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 60. 105 Vgl. Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. XIIIf., Hammermayer: Lori (s. Anm. 1), S. 180–183 und Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 51ff. 106 Vgl. Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. XIIIf., Kraus: Staatskirchenpolitik (s. Anm. 102) und Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 162. 107 Als »Liebling seines Fürsten« wurde er zunehmend mit außenpolitischen Angelegenheiten betraut, die längere, den akademischen Sachen wenig förderliche Abwesenheiten mit sich brachten; vgl. Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. XXVI–XXXI, hier S. XXVIII, sowie Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 149f., und ders.: Lori (s. Anm. 1).

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schen Ämtern zurück.108 Doch sein Eifer und Reformwille blieben davon ebenso unberührt wie sein Interesse für rechtshistorische Forschungen: Er arbeitete an mehreren Quelleneditionen zum bayerischen Berg-, Kreis- und Münzrecht, darüber hinaus an einem nicht vollendeten »umfassenden Codex Juris patrii ecclesiastici«, der noch 1959 als »bis heute reichhaltigste Quellensammlung zur Geschichte des bayerischen Staatskirchenrechts« galt.109 Die von ihm gesammelten und edierten Urkunden sollten nicht zuletzt »sein staatskirchenrechtliches Reformprogramm historisch unterbauen«, indem sie etwa legitimieren sollten, dass die von ihm angestrebten Reformen »lediglich eine Wiederherstellung oder Fortentwicklung alter, durch die bayerischen Fürsten vor Jahrhunderten schon geübter Hoheitsrechte« seien.110 Jene wissenschaftlichen und politischen Interessen Loris spiegelten sich in ›seiner‹ Akademie wider, die mit ihrer vornehmlich historisch-philologischen und spezifisch landesgeschichtlichen Ausrichtung schließlich mit dem Parnassus Boicus – aller existierenden Unterschiede zum Trotz – eine gewisse Kontinuität aufwies111 und einer der Aspekte war, der mit Lamberts Akademievorstellungen nur schwer zu harmonisieren war. Lori verfocht ein staatskirchliches Reformprogramm, dem eine entsprechend verfasste und arbeitende Akademie dienstbar zu sein hatte. Lambert hingegen sann darauf, die Akademie als Wissenschafts- bzw. Forschungsinstitution von derlei ihr fremden Indienstnahmen freizuhalten und sie stattdessen mit einem wissenschaftlich begründeten, wissenschaftstheoretisch ausgewiesenen Forschungsprogramm auszustatten. Das gilt es im Folgenden nachzuzeichnen.

|| 108 1760 trat Lori von der Direktion der Historischen Klasse, 1761 von seiner Stelle als Akademiesekretär zurück und blieb der Akademie bis 1768 fern. 1771/72 wurde er zum zweiten Mal Direktor der Historischen Klasse. Neben der von ihm genannten Überlastung waren wohl auch Spannungen innerhalb der Akademie und insbesondere die Rivalität mit dem 1761 nach München berufenen Peter von Osterwald (1718–1778) für sein jahrelanges Fernbleiben verantwortlich; vgl. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 149–151 und S. 159–163 sowie ders.: Lori (s. Anm. 1), Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. XXVIf. 109 Ebd., S. XIII. 110 Ebd. 111 Vgl. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 112. Zu den Unterschieden vgl. ebd. S. 112ff. und S. 54. Ganz in diesem Sinne sind auch die Ausführungen Spindlers, der als »wichtigste Anliegen der Gesamtakademie […] die Pflege der deutschen Sprache« ausmachte wie auch »die Pflege der bayerischen Geschichte [als] alte, ruhmvolle Tradition«, die gleichsam als »Vermächtnis der Mitglieder und Freunde des ›Parnassus Boicus‹« von der neuen Akademie »übernommen und weiterentwickelt wurde[n]« (Spindler: Electoralis [s. Anm. 1], S. XXV).

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6 Ausrichtung der Churbayerischen Akademie Ihren Statuten zufolge war die Akademie in zwei Klassen strukturiert, eine Historische und eine ursprünglich ›Physisch‹ genannte Klasse,112 die auf Anraten des Philosophiehistorikers Johann Jakob Brucker (1696–1770)113 – der sich später von der Akademie wieder distanzierte – zur ›Philosophischen‹ umgetauft und dabei um ›Philosophie‹ und ›Philosophiegeschichte‹ opportun erweitert worden war. Zu den ›Stoffen‹ akademischer Arbeiten zählten generell »[a]lle Sachen, die mit den Geschichten der Teutschen, ins besondere der Bayerischen Nation, und mit der Weltweisheit überhaupt, eine nützliche Verbindung haben«.114 Die Historische Klasse sollte sich insbesondere um die Sammlung der »alten Geschichtschreiber, Urkunden, Briefe und Aufschriften &c.«115 bemühen, dazu »Diplomatik, Critik, bevorab der teutschen Sprache, Chronologie, Geographie, Genealogie und alle Alterthümer«116 erforschen. Dabei war die Bezugnahme auf Bayern von zentraler Bedeutung und wurde insbesondere den ›inländischen‹ Mitgliedern anempfohlen.117 Die Philosophische Klasse hatte ihrerseits die Aufgabe, »die Historie der Weltweisheit critisch [zu] erörter[n]«,118 und sollte dieselbe »von unnützen Schulsachen und Vorurtheilen zu reinigen suchen«. Neben der ›Weltweisheit‹, die sich allen voran auf die Sittenlehre, das Naturrecht und die Politik zu konzentrieren hatte, sollte sie sich auch mit der »Naturlehre«119 befassen, der ein empiristisch-experimentelles Paradigma zugrunde gelegt worden war: Durch »Versuche« wolle man »die Wirkungen der Natur« untersuchen und »von den Erfahrungen zu den Ursachen« aufsteigen. Dabei habe man

|| 112 So Loris erster Entwurf; vgl. ebd., S. 450ff. sowie Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 95f. 113 Aufschlussreich in diesem Zusammenhang sind seine Anmerkungen zu Loris Statutenentwurf, die Anlass zu manch grundlegender Umgestaltung boten (vgl. Anm. 96 und Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte [s. Anm. 1], S. 107f.). Trotz seines anfänglich tatkräftigen Engagements distanzierte sich Brucker jedoch bald schon wieder von der Akademie: Im August 1759 legte er seine Mitgliedschaft nieder, motiviert nicht zuletzt durch die Sorge, als protestantischer Philosoph in Bayern »in ein Wespennest [zu] stechen« (vgl. ebd., S. 139f. und Brucker an Lori, 31. August 1759, in: Spindler: Electoralis [s. Anm. 1], S. 156ff.). 114 Gesetze (s. Anm. 91), § XLIII, S. 15f. Die Modifikation und Erweiterung dieses ursprünglich auf die »Sachen, die mit dem Schicksale der Nation, und mit dem Zustande des Landes eine Verbindung haben«, beschränkten Absatzes gehen beispielsweise auf eine Anmerkung Bruckers zurück, der zu bedenken gab, dass die Akademie »außer Bayern eines kleinen Glückes und Lüster [Glanzes] sich zuversehen haben« dürfe, wenn sie sich allein auf Bayern beschränke; vgl. Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 448 und Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 94f. 115 Gesetze (s. Anm. 91), § XLVIII, S. 17. 116 Ebd., § XLIX, S. 17. 117 Ebd., §§ L–LV, S. 17–19. 118 Ebd., § LVI, S. 19. 119 Ebd., §§ LVIII–LXII, S. 19–21.

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»vorzüglich auf solche Beobachtungen sich zu verwenden, die dem gemeinen Wesen Nutzen bringen können.«120 Dies beinhaltete etwa Beiträge »zur Naturgeschichte überhaupt« wie auch zum Aufbau einer »Sammlung der [heimischen] Naturalien aus allen Reichen«,121 die von den ordentlichen Mitgliedern »durch chemysche Proben untersuchet, und insbesondere auf die Landwirthschaft, das Handwerk- Berkund Hüttenwesen, Anwendung«122 finden sollten. Der Klasse fiel außerdem zu, »zur Landmessung brauchbare Vorschläge und Risse, aus astronomischen Beobachtungen, aerometrischen Versuchen, und geometrischen Gründen, dann Grubenzüge und Vergleichungen zwischen den innländischen und fremden Messereyen, zu machen«, wie auch »nützliche Maschinen anzugeben; die Schwere der Wässer und Brunnen im Lande zu untersuchen, und das Kalenderwesen in bessere Ordnung zu bringen«.123 Schließlich sollten auch »[b]esondere Entdeckungen in Zergliederung der Körper, und die Geschichten von den Krankheiten im Lande, sowohl der Menschen, als des Viehes, und die Listen der Gebohrenen und Gestorbenen […] alle Jahre gesammelt werden«.124 Trotz ihrer Erweiterung um die ›Weltweisheit‹ behielt also die Philosophische Klasse eindeutig ihren ökonomisch-physikalischen Schwerpunkt. Damit wird der praktische Bezug bzw. die Ausrichtung auf eine praktische Anwendbarkeit und Nützlichkeit, sowohl im Bereich der – vorrangig praktischen – Philosophie als auch in dem der – vornehmlich angewandten – Naturforschung, ins Zentrum der Beschäftigungen beider Klassen gerückt, wie dies die von ihr veröffentlichten Preisfragen und Abhandlungen belegen. So hatten etwa die ersten im Jahr 1759 für das Jahr 1760 gestellten Fragen die »Beschreibung des Lebens, und der Thaten Pfalzgrafen Otto von Wittelspach, Herzogens in Baiern«125 einerseits, »die vortheilhafteste Bauart der Oefen und Pfannen bei Salzsudwerken« andererseits zum Gegenstand. Die weiteren während Lamberts Mitgliedschaft gestellten Fragen (bis 1762/63) betrafen in der Historischen Klasse ausschließlich die Geschichte bayerischer Herzöge und Fürsten; in der Philosophischen Klasse gab es neben der von Lambert vorgeschlagenen Frage zum Abstand des Mondes zur Erde noch eine zum Nahrungssaft der Pflanzen im Hinblick auf den Ackerbau und eine zur Trockenlegung und Bewirtschaftung von Moräs-

|| 120 Ebd., § LVIII, S. 19f. 121 Ebd., § LIX, S. 20. 122 Ebd., § LX, S. 20. 123 Ebd., § LXI, S. 20f. 124 Ebd., § LXII, S. 21. 125 Wofür der Kanzler des Klosters St. Emmeram, Alois Prechtl (1711–1780), den Preis erhalten hatte, obwohl seine Preisschrift, Loris Urteil zufolge, »unvollständig und des Druckes nicht würdig« gewesen war (Lori an Johann Christian Volz, 19. November 1761, in: Spindler: Electoralis [s. Anm. 1], S. 339).

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ten.126 Die 1759 von Haller vorgeschlagene philosophische Preisfrage zur »Entstehung des Willens, der Personalität und Spontaneität in einem Polypen, der durch die Hand eines Menschen und durch Spalten erwachsen ist«,127 wurde wohl – wie dieser selber schon gemutmaßt hatte – für »zu frey« befunden.128 Sie wurde jedenfalls nie gestellt. Im Vergleich mit der Historischen Klasse, die sich mit den ab 1763 erschienenen Monumenta Boica ein bleibendes Denkmal stiftete, nahmen sich die Leistungen der Philosophischen Klasse in den ersten Jahrzehnten deutlich bescheidener aus.129 Ein Grund dafür ist freilich in deren häufig wechselnder Leitung zu sehen, die ab 1762 Peter von Osterwald (1718–1778) oblag, der als nunmehr bereits dritter Direktor innerhalb von drei Jahren fungierte.130 Vornehmlich politisch tätig, vertrat er Positionen, die sich von denjenigen Loris nicht wesentlich unterschieden.131 Sein Verdienst lag denn auch weniger im Wissenschaftlichen und Akademischen als vielmehr im Politischen,132 gelang es ihm doch, wichtige staatskirchenpolitische Reformen durchzusetzen. Angesichts dessen wird man Andreas Kraus durchaus zustimmen können, wenn er konstatiert: »München war sicherlich zu dieser Zeit nicht die Heimstatt der naturwissenschaftlichen Forschung in Deutschland«.133 Insbesondere grundlegende theoretische und systematische Untersuchungen auf dem

|| 126 Vgl. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 376ff. (Preisfragen 1759– 1769) und Westenrieder: Geschichte (s. Anm. 2), S. 455–464 (Preisfragen 1759–1778). Insbesondere die Preisfragen der Philosophischen Klasse schienen sich keiner regen Teilnahme erfreut zu haben, da sie oft unbeantwortet blieben und im darauffolgenden Jahr erneut ausgeschrieben werden mussten. 127 Haller an Lori, 17. September 1759, in: Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 172f., hier S. 172. 128 Ebd. 129 Kraus: Naturwissenschaftliche Forschung (s. Anm. 70), S. 53–57. 130 Der Freisinger Geheimrat und Kabinettssekretär war 1761 auf Empfehlung Loris auf den Posten eines Direktors des Geistlichen Rates nach München berufen worden und hatte sich rasch zu Loris unerbittlichem Rivalen entwickelt; vgl. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte [s. Anm. 1], S. 161ff., S. 323ff., Spindler: Electoralis [s. Anm. 1], S. XXVIf. und Kraus: Staatskirchenpolitik [s. Anm. 102], S. 123f.). Ihm als Direktor der Philosophischen Klasse vorausgegangen waren der Münz- und Bergrat Johann Georg Dominicus von Linprun und der Mediziner Johann Anton von Wolter (1711–1787). 131 Kraus: Staatskirchenpolitik (s. Anm. 102), S. 123f., Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 159f. und S. 258f. 132 »Glanzvolle Ergebnisse hatte, soweit es die unmittelbaren Aufgaben der Leitung anging, die Philosophische Klasse in jenen 15 Jahren also nicht vorzuweisen, in denen Osterwald maßgeblichen Einfluß hatte.« Osterwald war 1762–1768 und 1774–1778 Direktor der Philosophischen Klasse gewesen; vgl. Kraus: Naturwissenschaftliche Forschung (s. Anm. 70), S. 53–57, hier S. 57. 133 Andreas Kaus: Zur bayerischen Akademiebewegung im 18. Jahrhundert. In: Europäische Sozietätsbewegung und demokratische Tradition. Die europäischen Akademien der Frühen Neuzeit zwischen Frührenaissance und Spätaufklärung. 2 Bde. Hg. von Klaus Garber u. a. Tübingen 1996, Bd. 1, S. 1615.

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Gebiet der Philosophie wie auch der Mathematik und Physik, wie sie etwa Lambert im Blick hatte, erfuhren in diesen Jahren daselbst eine signifikant stiefmütterliche Behandlung.

7 Lamberts Entwurf des akademischen Systems Die Diskrepanz zwischen dem Profil der Bayerischen Akademie und den Vorstellungen Lamberts wird nun mit Blick auf seinen Entwurf des akademischen Systems leicht ersichtlich. Im Januar 1761 hatte Lambert, die Drucklegung der Cosmologischen Briefe vorbereitend,134 sein von der Akademie gebilligtes Diplom zurückerhalten und sich sogleich an die Arbeit gemacht. Noch im gleichen Monat reichte er einen Beitrag zum Kalenderwesen ein, dem im April 1761 der Entwurf folgte. Schon im November 1760 hatte er der Akademie gemeldet, dass er eben begonnen habe, »auf eine nähere Art an die Akademie resp. ihre Einrichtung zu denken«. Er wolle einen »vollständigen Plane« davon erarbeiten und diesen in eine systematische Ordnung bringen, sodass »jede Theile davon der jedesmaligen Verfaßung der Academie angemessen, und jeder wirklich erreichte zu einem Anlaß und Mittel der darauf folgenden dienen könne«.135 Ziel sei ihm insbesondere, die vorstehenden akademischen Arbeiten, sprich die Arbeiten, die der Akademie als Institution anheimfallen, zu identifizieren, zu qualifizieren, sie in Verhältnis zum Ziel der Akademie zu setzen und dann zu prüfen, »wie nahe das Ganze demselben schon gebracht ist, und welche Theile den Anfang zu weiterm Fortgange machen müssen«.136 Aus diesem, »nach [s]einer Gedankensart« entworfenen Plan sollte sich dann »die Ordnung der Arbeiten […] ergeben, und ein zusammenhängendes und nach der jedesmaligen Verfassung der Akademie eingerichtetes System«137 entstehen. Wie andere Systeme sei auch das System einer Akademie zunächst in allen seinen Teilen zu analysieren, bevor diese in ein nach einer bestimmten Absicht geordnetes ›Ganzes‹

|| 134 Begonnen hatte er die Arbeit wohl im Juni 1760, im Februar 1761 waren die Briefe dann »unter der Presse«, wie er Geßner Anfang Februar meldete (Lambert an Gessner, 3. Februar 1761, DGB II, S. 185). Vgl. LPS Suppl., S. 95 und S. 103. 135 Lambert an Graf Haimhausen (?), 14. November 1760, in: Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 335–337, hier S. 336. Graf Johann Sigmund Ferdinand Joseph von Haimhausen (1708–1793), der seit 1751 das bayerische Münz- und Bergkollegium leitete, in dem auch Lori und Linprun arbeiteten, war der Präsident der Akademie; vgl. Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 63. 136 Lambert an Lori, 27. November 1760, in: Spindler: Electoralis (s. Anm. 1), S. 342–344, hier S. 343. 137 Ebd.

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wieder synthetisch zusammenzusetzen sind. So heißt es etwa im Fragment einer Systematologie:138 Zu einem System werden also Theile, und zwar mehrere erfordert. Diese müssen auseinander gesetzt, jedes für sich kenntlich, mit Absicht gestellt oder geordnet, und alle mit einander so verbunden seyn, daß sie gerade das der vorgesetzten Absicht gemässe Ganze ausmachen, und dieses muß, so gut es angeht oder so lange es die Absicht erfordert, fortdauern können, es sey daß es unverändert bleibe, oder seiner Absicht gemäße Veränderungen leide.139

Neben den Teilen und der ordnungsbestimmenden Absicht brauche ein System außerdem noch »verbindende Kräfte« bzw. »ein gemeinsames Band«, wodurch die Teile in einem einheitsbildenden Ganzen zusammengehalten werden.140 Erforderlich seien dafür nicht nur ein grundsätzliches »Beysammenseynkönnen« der Teile, sondern auch ein gewisses Gleichgewicht bzw. ein Beharrungszustand, der das »Fortdauernkönnen« des Systems garantiere.141 Einem ›System‹ sei begrifflich all das entgegenzusetzen, »was man ein Chaos, ein Gemische, einen Haufen, einen Klumpen, eine Verwirrung, eine Zerrüttung &c. nennt«.142 Ob die Bayerische Akademie Lambert ein solches ›Chaos‹ zu sein schien, das mit einem akademischen Systementwurf dringend in Ordnung gebracht zu werden verdiente, kann dahingestellt bleiben; ihre Statuten wirken jedenfalls – zumindest in den Paragraphen, die die »Stoffe der Arbeiten« festsetzen (§§ XLIII–LXII), von denen Lambert im Wesentlichen ausgeht – im Vergleich zum Entwurf eher holzschnittartig und unsystematisch. Lambert gilt es nun, etwaige, dort offengelassene Lücken auszufüllen und weiter auszuführen und die Arbeiten der Akademie hinsichtlich ihrer noch einzurichtenden ›Abhandlungen‹ systematisch zu ordnen. Diese von ihm – möglicherweise in Anlehnung an die Göttinger oder Petersburger Commentarii143 – ebenfalls ›Commentarien‹ genannte Publikationsreihe habe nämlich in ihrem Aufbau die Ordnung der akademischen Arbeiten abzubilden und sich daher grundsätzlich aus dieser zu ergeben, weshalb beides, die Organisation der akademischen Arbeiten und die ihrer Commentarien, grundsätzlich zusammengesehen werden sollte. Aufgegliedert sind die 31 Paragraphen des Entwurfs wie folgt: Als erstes werden die Absichten der Aka-

|| 138 Vgl. Johann Heinrich Lambert: Fragment einer Systematologie. In: LPA II, S. 385‒413. 139 Ebd., S. 386. 140 Ebd., S. 383f. 141 Ebd., S. 383. 142 Ebd., S. 386. 143 In Göttingen erschienen die Commentarii Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis (1. Bd. 1752 – 5. Bd. 1755) ab 1763 unter dem Titel Commentationes Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis. In St. Petersburg erschienen die Commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae (1. Bd. 1728 – 14. Bd. 1751), ab 1750 die Novi commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae (1. Bd. 1750 – 20. Bd. 1776).

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demie festgesetzt (§ I), dann sukzessive die Einteilung ihrer Arbeiten in Klassen und Fächer (§§ II–V), die Gestaltung der Commentarien und ihr Zweck (§§ VI–XII) und schließlich die Akademie als Institution bestimmt. Bei Letzterem kommt es insbesondere auf die ihr zufallenden Arbeiten und deren Aufteilung unter den Mitgliedern (§§ XIII–XXIV) wie auch schließlich auf die Funktion der Akademie (§§ XXV– XXXI) an. Dem Entwurf geht ein kurzer ›Vorbericht‹ voraus, der den »fortdaurenden und systematischen« Arbeiten der Akademie gewidmet ist (S. 482ff.), insbesondere den verschiedenen Arten von täglichen oder zumindest periodisch durchzuführenden Beobachtungen, Messungen oder anderweitigen Datenerhebungen, die in Registern verzeichnet und jährlich mit den Commentarien herausgebracht werden sollten. Solche Arbeiten habe die Akademie ›vorzuschreiben‹ und ›auszuteilen‹ bzw. zuzuweisen. Sie stellen gar »die ersten« unter den akademischen Arbeiten dar und machen einen »beträchtlichen Theil der Commentarien« aus, weshalb auch mit ihnen begonnen werden sollte (S. 482f.). Dabei denkt Lambert insbesondere an »Tagesregister«, deren er drei nennt – ein meteorologisches, ein ökonomisches und ein medizinisches – und zu denen er ebenfalls Entwürfe anfertigte.144 Diese würden »unstrittig […] alle drey zusammengenommen etwas vollständiges ausmachen« (S. 483) und also gleichsam ein System innerhalb des umfassenderen akademischen Systems bilden, was deren gesonderte Behandlung rechtfertigt. Wie andere Systeme sollte auch dieses nach seinen im Vorfeld zu ergründenden »ächten Absichten« konzipiert und ausgerichtet werden. Insbesondere auch die ›Mittel‹, die die Fortdauer des Systems sicherstellen, gelte es zu ermitteln und mit zu bedenken. Dieses Vorgehen gibt für das gesamte System der Akademie bzw. der akademischen Arbeiten das methodische Vorbild ab, wobei dieses im Entwurf mit ungleich größerer analytischer Ausdifferenzierung gedacht wird.

7.1 Ziel und Zweck einer Akademie der Wissenschaften Die ›Absicht‹ der Akademie, der sich Lambert im ersten Paragraphen seines Entwurfs widmet, entnimmt er ihren Statuten, bezieht sich dabei jedoch nicht auf den oben zitierten ersten Absatz der Gesetze, der die Akademie als Fortsetzung des Parnassus Boicus präsentiert, sondern eben auf die Absätze, in denen der ›Stoff‹ der Arbeiten definiert wird. Davon ausgehend sieht er die Absicht der Akademie als eine

|| 144 Am 20. September 1761 (vgl. LPS 8, S. 14, Anm. 17) hatte Lambert der Akademie ein »dreyfache[s] Tagesregister« übersandt, das Westenrieder zusammen mit dem Entwurf des akademischen Systems herausgab. Dieses besteht aus einem Entwurf des landwirthschaftlichen Tagesregisters (Westenrieder: Geschichte [s. Anm. 2], S. 511–522), Gedanken über den Entwurf des medicinischen Tagesregisters (ebd., S. 522f.) und einem Entwurf der Beobachtungen und Tagesregister der Witterung (ebd., S. 523–531).

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zweigeteilte an: Ziel sei erstens die »Erweiterung nützlicher Wissenschaften« und zweitens deren »Anwendung und Ausbreitung in dem Land selbst« (S. 484). Dass er diese keineswegs als gleichrangige ansieht, sondern vielmehr eine Hierarchisierung dieser Absichten vornimmt, wird im darauffolgenden Absatz offenkundig, in dem Lambert seine Auffassung vom Ziel einer Akademie der Wissenschaften in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringt: Eine Akademie der Wissenschaften ist gewidmet, Gelehrte zu lehren, Fragen, deren Auflösung Zeit, Muße, und jede Kräfte des Verstandes erfordert, zu erörtern, und was überhaupt zur Erleuchtung des Verstandes, zu Festsezung der Wahrheit, und zu Läuterung von Irrthümern, zu Entdeckung und Ausfüllung der Lücken in der Erkenntniß dienen kann, in Vorschlag und Übung zu bringen. Sie soll eine Richterinn in Zweifeln, ein Leitstern in Irrwegen, ein Licht in der gelehrten Welt, in gebahnten Wegen ein Weiser, und im Einschlagen neuer Wege eine Quelle unerschöpften Vorschubes seyn. (S. 484f.)

Ziel und Zweck einer Akademie der Wissenschaften liegen also in der Wissenschaft selbst, in ihrer planmäßigen, systematischen Erweiterung und Förderung. Nicht der breiten Öffentlichkeit oder der Gesellschaft im Allgemeinen soll eine solche Institution dienen, sondern primär dem Gelehrten. Diesen hat sie auf unterschiedliche Art und Weise zu unterstützen. Sie soll ihm zum einen »Zeit« und »Muße« schenken bzw. ihm den Freiraum bieten, in dem er sich seinen Arbeiten mit »jede[n] Kräfte[n] des Verstandes« widmen kann, das sind Arbeiten, die sie ihm andererseits »in Vorschlag und Übung zu bringen« hat. Den Gegenstand akademischer bzw. gelehrter Beschäftigungen definiert Lambert damit nicht inhaltlich, sondern rein formal und weist der Akademie eine klare Funktion zu: Eine Akademie der Wissenschaften hat wissenschaftliche Arbeit überhaupt erst möglich zu machen, indem sie die dafür notwendigen Bedingungen schafft, dem Gelehrten die Möglichkeit einer hauptamtlichen Forschungstätigkeit gibt, aber auch Anlässe schafft und ihm »Vorschub« leistet. Damit fungiert sie gleichsam als ein Mittel zum Zweck der Erweiterung der Wissenschaften und der »Festsetzung der Wahrheit«, wodurch ihr neben ihrer anweisenden wohl auch eine wegweisende Rolle »in der gelehrten Welt« zukommt. Mit einer solchen Konzeption einer Akademie der Wissenschaften unterscheidet sich Lambert unverkennbar und grundsätzlich von der der Bayerischen Akademie. Er kommt indessen vielmehr einer etwa von Haller vertretenen Auffassung nahe.145

|| 145 Vgl. dazu insb. Rudolf Smend: ›Ein Academiste muß erfinden.‹ Haller und die Königliche Societät der Wissenschaften. In: Albrecht von Haller im Göttingen der Aufklärung. Hg. von Norbert Elsner und Nicolaas A. Rupke. Göttingen 2009, S. 143–165, ders.: Die Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften. In: Festschrift zur Feier des Zweihundertjährigen Bestehens der Akademie der Wissenschaften in Göttingen II (Philologisch-historische Klasse). Berlin u. a. 1951, S. V–XIX, Richard Toellner: Entstehung und Programm der Göttinger Gelehrten Gesellschaft unter besonderer Berücksichtigung des Hallerschen Wissenschaftsbegriffes. In: Der Akademiegedanke im 17. und 18. Jahr-

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Dieser hatte sie nicht zuletzt in einer Rede bekannt gemacht, die er anlässlich der ersten öffentlichen Versammlung der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen am 10. November 1751 hielt und die daraufhin in der Vorrede zum ersten Band der Göttinger Commentarii 1753 abgedruckt wurde.146 Dem Präsidenten der Göttinger Sozietät war insbesondere daran gelegen, den Wert und ›Nutzen‹ gelehrter Gesellschaften gegenüber Universitäten herauszuarbeiten, in welchen gewöhnlich »nicht das mindeste zum Wachsthume der Künste beygetragen« werde.147 Denn die Universitätsprofessoren seien als »Lehrer der Hohen Schulen verbunden, den grösten Theil ihres Lebens und ihrer Musse, auf den Unterricht der Jugend zu verwenden«.148 Ihre Pflicht bestehe also vielmehr darin, gute Kompendien zu erarbeiten, in denen »älter[e] Erfindungen [ge]sammelt« und »in eine geschickte Ordnung« gebracht werden. Auf diese Weise würden sie aber »niemals etwas neues erfinden«.149 Daher sei es zwingend notwendig, Institutionen wie wissenschaftliche Akademien und Gesellschaften zu gründen, »welche, ohne den Zweck zu lehren, einzig zu neuen Entdekungen abgesehen sind«.150 Ähnlich hatte dies Haller bereits in seinem wenige Monate zuvor niedergeschriebenen ›Allgemeinen Plan der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen‹ ausgedrückt: Es giebt zweyerley Academien, die einen zur Belehrung der Jugend, die andern zum Erfinden. […] Diese Hauptabsicht ist also auch bey der hiesigen Kön[iglichen] Gesellschaft. Ihre Mitglieder sollen jeder nach seiner Art, nüzliche Wahrheiten zu entdecken oder näher zu bestimmen oder in der Natur unbekannte Gegenden bekannt zu machen trachten.151

Während der Universitätsprofessor für »den ruhigen, und ihm schmeichelnden, Hörsal seiner Schüler«152 arbeite, sei der ›Akademist‹ der weit schärferen Zensur der »ganze[n] gelehrte[n] Welt«153 ausgesetzt. Durch »die hier so nützliche Wetteiferung«154 werde er bestrebt, »nicht Schüler[n], sondern Männern zu gefallen, und

|| hundert. Hg. von Fritz Hartmann und Rudolf Vierhaus. Bremen u. a. 1977, S. 97–115 und Johannes Joachim: Die Anfänge der Königlichen Sozietät der Wissenschaften zu Göttingen. Berlin 1936. 146 Commentarii Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis I. Göttingen 1752, S. X–XXIII. Hallers Rede erschien 1772 in deutscher Übersetzung im zweiten Teil der Sammlung kleiner Hallerischer Schriften (zweite, verbesserte und vermehrte Auflage, S. 173–206). Dieser folgen die Zitationen. 147 Albrecht von Haller: Rede an dem Geburtstage Georg des Zweyten, Die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften sich zum erstenmale öffentlich versamlete, den 10. November 1751. Aus dem Lateinischen übersezt. In: Sammlung kleiner Hallerischer Schriften. Zweiter Teil. Bern 1772, S. 193. 148 Ebd., S. 191. 149 Ebd., S. 194. 150 Ebd. 151 Albrecht von Haller: Algemeiner Plan der Kön[iglichen]. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen. Zit. nach Smend: Academiste (s. Anm. 145), S. 150f. 152 Haller: Rede (s. Anm. 147), S. 195. 153 Ebd. 154 Ebd., S. 200.

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diejenigen zu belehren, die selbst lehren«.155 Oder, um Hallers berühmtgewordenes Credo zu zitieren: »[E]in Academiste muss erfinden und verbessern oder seine Blöße unvermeidlich verrathen.«156 Ungeachtet aller Unterschiede, die sich zwischen Hallers und Lamberts Auffassungen von ›Wissenschaft‹ und ›Wissenschaftsakademie‹ herausstellen ließen, wird jedoch ersichtlich, dass Lambert diejenige Auffassung Hallers weitgehend teilte, nach der eine Akademie der Wissenschaften sich als Institution primär der Forschung zu widmen habe. Ihm dürften diese Ansichten des Präsidenten der Göttinger Sozietät durchaus bekannt gewesen sein; spätestens zum Zeitpunkt seines dortigen Aufenthalts 1756/57 hatte er die Gelegenheit, damit unmittelbar vertraut zu werden. Davon zeugt nicht zuletzt der oben zitierte ›Bewerbungsbrief‹ Lamberts an Haller. Im selben Augenblick, in dem er ihm von seiner Hoffnung auf eine Berufung als Philosophieprofessor schrieb, stellte Lambert nämlich klar heraus, dass eine solche, mit Lehrverpflichtungen verbundene Stelle seinem eigentlichen Wunsch nicht vollauf gerecht werde: Mais je sens trop bien, ce que c’est que de donner des Leçons pour gagner du pain, et combien on se derobe du tems, qu’il faut, pour travailler à l’amplification des Sciences. […] Je ne Vous le nierai pas que c’est à cette Gloire, que j’aspire, et je ne desirerois rien tant que de prendre des heureux essors.157

Gleich Haller kämen ihm die mit einer Professorenstelle verbundenen Lehrverpflichtungen einer zusätzlichen, ihn von seiner eigentlichen Arbeit abhaltenden Last gleich, galt seine Neigung und Bestrebung doch vorrangig der Forschung und der – im Entwurf zur ersten Absicht einer wissenschaftlichen Akademie erklärten – Erweiterung der Wissenschaften. Zu letzterer gehört jedoch, wie dies sowohl Haller als auch Lambert einsahen, nicht lediglich die Forschungsarbeit an sich, sondern auch die Verbreitung der Forschungsergebnisse: Neben ihrer Rolle als »Quelle unerschöpften Vorschubes« hat die Lambertsche Akademie nämlich auch noch »ein Leitstern« zu sein, wozu ihr allem voran die Commentarien dienen. Diese sollen »theils der gelehrten Welt […] theils den Einwohnern zu ihrem nähern Nutzen« die »gereifte[n] Früchte« der akademischen Arbeiten bieten. In ihnen werde »eine Erfül-

|| 155 Ebd., S. 194. 156 Albrecht von Haller: Algemeiner Plan der Kön[iglichen]. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen. 20. Januar 1751. Archiv der Göttinger Akademie der Wissenschaften, Stat. I, Fasc. 2, Stück 16. Zit. nach Smend: Academiste (s. Anm. 145), S. 149. Die von Smend nach der Handschrift zitierte und in extenso wiedergegebene Stelle lautet: »Ein bloßer Lehrer kann mit elementaren Wissenschaften und einem guten Vortrage die Liebe der Jugend erwerben und sich selbst zufrieden stellen. Ein Academiste muß erfinden und verbessern oder seine Blöße unvermeidlich verrathen.« 157 Lambert an Haller, 18. August 1758, fol. 1v (https://hallernet.org/data/letter/04594; letzter Aufruf 6. August 2021). Vgl. auch Steck: Briefe an Haller (s. Anm. 18), S. 14.

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lung der akademischen Absichten« realisiert (S. 485), weshalb sie eine der wichtigsten Beschäftigungen der Akademie darstellen.

7.2 Einrichtung der Commentarien In ihrer Einrichtung sollen die Commentarien daher die Struktur der Akademie gewissermaßen widerspiegeln und wie diese also in zwei Klassen eingeteilt erscheinen. Jede Klasse könnte darüber hinaus, so Lamberts Vorschlag, noch in ›Fächer‹ weiter untergliedert werden.158 Dafür stellt er Kriterien auf: So sollten etwa die Fächer einer jeden Klasse »zusammengenommen […] das Ganze erschöpfen«, beide Klassen etwa gleichen Umfangs sein und nicht gar zu viele Unterteilungen aufweisen, diese jedoch ausreichend ausdifferenziert sein, um die Zuordnung der einzelnen Abhandlungen zu ermöglichen. In Zweifelsfällen sollten Abhandlungen, die mehreren Fächern zugehörten, entweder nach der Hauptsache (»a potiori fit denominatio«, S. 485) oder, wenn dies nicht möglich sei, in das schwächere Fach aufgenommen werden. Dies vorangestellt, unternimmt Lambert eine systematische Zergliederung beider Klassen und beginnt – die Reihenfolge von Loris Statuten bezeichnenderweise umkehrend – mit der Philosophischen Klasse. Hier ließen sich die Fächer zunächst nach ihren Gegenständen in »Abstracta« oder »körperliche Sachen« einteilen (S. 486), dann nach der Betrachtungsweise, nach der die Gegenstände aufgefasst werden, näher bestimmen. So können Abstracta entweder »nur durch Vernunftschlüsse« betrachtet oder »ausgemessen« werden, körperliche Sachen hingegen entweder hinsichtlich der »Geschichte der Natur« oder hinsichtlich ihres »Gebrauch[s] im gemeinen Leben« erwogen werden. Lamberts Aufteilung ergibt vier Fächer – die Weltweisheit, die Mathematik, die Naturkunde und die »Wirthschaft« –, die wiederum in einzelne Subdisziplinen unterteilt werden (S. 486f.). Zur Weltweisheit rechnet er Logik, Metaphysik und das von den Statuten erwähnte Natur- und Völkerrecht sowie die Ethik und die Politik. Die Mathematik teilt er in reine und angewandte (»Mathesis pura und adplicata«) ein, die Naturkunde in Naturhistorie, Experimentalphysik (zu welcher er die Chemie rechnet), Anatomie und Physiologie – die beiden letzteren insofern sie als Teil einer systematischen Naturlehre abgehandelt werden. Der Ökonomie schließlich gibt er ebenfalls nur zwei Zweige, die private und die staatliche Ökonomie. Auffallend hebt sich Lamberts systematische, nach präzisen erkenntnistheoretischen Kriterien erfolgende Analyse sowohl formal als auch inhaltlich von Loris || 158 Hierin hatte er ein Vorbild etwa in den Petersburger Commentarien, die eine konstante Einteilung in Klassen aufwiesen (Mathematica, Physico-Mathematica, Physica, Astronomica) und jeweils zu Beginn der Bände Zusammenfassungen der darin zu findenden Abhandlungen boten, wie dies Lambert ebenfalls für die Bayerischen Commentarien empfahl (vgl. Lambert: Entwurf des akademischen Systems [s. Anm. 7], S. 490).

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Statuten ab. Die dort genannten Fächer werden von ihm systematisch geordnet, z. T. ergänzt, etwa um die in den Statuten erstaunlicherweise übergangene Mathematik und Logik; auch kommt er nicht umhin, auf manche Schwierigkeiten hinzuweisen, so etwa die Medizin betreffende: Sollte diese in einem weiteren Umfang berücksichtigt werden, so könnte sie ein fünftes Fach ausmachen. Da sie jedoch »nach altem Herkommen […] eine der von den höheren Facultäten« ist, sei ihre Zuordnung in die Philosophische Klasse wohl »nicht füglich« (S. 487). Sollte man sich allerdings mit den im LXII. Paragraphen der Statuten genannten Aspekten (anatomischen Entdeckungen, Beschreibungen von Menschen- und Viehkrankheiten im Land wie auch Geburts- und Sterberegistern) begnügen, so sollten diese, nebst den anderen Tagesregistern, als Zusatz zu den Commentarien herausgegeben werden. Auf diese Weise würden die allgemeiner gehaltenen Commentarien zudem von »eine[r] Menge von medizinischen und chirurgischen Casus« entlastet werden, welche ohnehin »von niemand als von Medicis und Chirurgis gelesen werden, und nicht einmal füglich auf deutsch beschrieben werden können« (S. 487). Insgesamt resultiert aus Lamberts Aufstellung eine sichtliche Stärkung und Aufwertung der Philosophischen Klasse, welche durch die präzise Bestimmung ihrer Fächer einen neuen und ungleich weiteren Umfang zugewiesen bekommt und dadurch implizit auch eine Verlagerung ihres Schwerpunkts erfährt. Neben den ökonomisch-praktischen und spezifisch auf den Nutzen im Land ausgerichteten Beschäftigungen wird nun eine Möglichkeit für ›abstrakte‹ theoretische Untersuchungen eröffnet. Die Fächer der Historischen Klasse bereiten ihm hingegen ungleich größere Schwierigkeiten, denn sie ließen sich »nicht so füglich eintheilen« wie die philosophischen. Hier seien die Überschneidungen zwischen den Fächern zahlreicher, wodurch man Gefahr laufe, »leicht gar zu viele oder zu wenige« Unterteilungen einzurichten (S. 487). In den Statuten werden die unterschiedlichen historischen Fächer weitgehend ohne klar erkennbares Ordnungsprinzip aufgelistet, indes ausdrücklich bestimmt wird, dass diese »nach Willkühr bearbeitet werden« könnten.159 Während dort insbesondere die »Geschichte des Vaterlands« in den Vordergrund gestellt wird, ist dieses ›patriotische‹ Kriterium für Lambert kein Hauptunterscheidungsmerkmal; es gilt ihm vielmehr als ein sekundäres innerhalb einzelner Fächer. Zudem zweifelt er die Zuordnung mancher Fächer, wie die »Zeitrechnung und Erdbeschreibung« (S. 488), zur Historischen Klasse an, die, obgleich historische Hilfsdisziplinen, an sich jedoch größtenteils philosophische Fächer seien. Was die ›Critic‹ betrifft, greift ihm die im XLIX. Paragraphen der Statuten zu findende Definition und Einschränkung derselben auf Sprachkritik bzw. deutsche Philologie (»die Critik, bevorab der teutschen Sprache«160) entscheidend zu kurz. Vielmehr laufe sie nämlich »durch alle Fächer der historischen Klasse, und überdieß noch durch jede

|| 159 Gesetze (s. Anm. 91), § XLIX, S. 17. 160 Ebd.

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Theile der schönen Wissenschaften, und freyen Künste«161 hindurch, da sie generell »in der Untersuchung der Beweisthümer, […] Antiquitäten und Documente« ihre Anwendung finde. Überhaupt sei ihm jedoch nicht einsichtig, warum die Sprache gemäß der Statuten »mit zur Historie genommen« und dadurch in »so enge[n] Schranken« gehalten werde. Seiner Auffassung nach umfasse nämlich die »Sprachkunde« weit mehr als die zum »Verständniß der Geschichte nothwendig[e]« Geschichte der deutschen Sprache. Trotz seiner Vorbehalte und all der Schwierigkeiten gelangt er schließlich zu einer Einteilung der Historischen Klasse in sieben Fächer: Staatsgeschichte, Familiengeschichte, Gelehrtengeschichte, Topographie, Alterthümer, Diplomatik und schließlich »Sprachkunde oder Critic«. Letztere, nun bewusst im engbegrenzten Sinn der Statuten als »die Geschichte der deutschen Sprache« begriffen, umfasst insbesondere Etymologie und historische Semantik. Auch hier werden die Fächer nach Gegenstand und ›Betrachtungsweise‹ unterteilt. Mit sieben historischen und nur vier philosophischen Fächern böten jedoch die Commentarien kein ausgewogenes, die Arbeiten und das System der Akademie adäquat repräsentierendes Bild. Das Ungleichgewicht ließe sich hingegen leicht beheben, entweder indem die Anzahl der historischen Fächer durch Zusammenführungen reduziert oder aber indem man die philosophischen durch weitere Unterteilungen vermehre (S. 489f.), so Lambert, der damit unter der Hand die Möglichkeit einer Ausweitung der Philosophischen Klasse unterbreitet. Neben den in diese Fächer einzuteilenden Abhandlungen, den Tagesregistern und anderen beiläufig genannten Zusätzen sollten die Commentarien darüber hinaus auch die Geschichte der Akademie enthalten, eine Aufgabe, die der Historischen Klasse zusätzlich anheimfiele. Sie sollte vom Verlauf der akademischen Angelegenheiten und vornehmlich der im vergangenen Jahr durchgeführten Arbeiten und damit vom jeweiligen Stand der planmäßig getriebenen Forschungen Bericht erstatten (S. 490). Daraufhin widmet sich Lambert der »äußerliche[n] Form und Einrichtung der Commentarien« (S. 492) und empfiehlt, die Abhandlungen beider Klassen in separaten Bänden herauszugeben, um dem Leser »ein Gefallen« zu tun und der »ziemlich allgemein« verbreiteten Kritik gerecht zu werden, nach der »man mit den akademischen Commentarien, vieles kaufen müsse, welches man weder gebrauchen, noch lesen werde« (S. 491).162 Die Frequenz der Publikation sollte sich hauptsächlich da-

|| 161 Die Schönen Künste (Belles-Lettres) werden erst 1779 als eigene Klasse in der Akademie etabliert; vgl. Heydenreuter: Verfassungsgeschichte (s. Anm. 88), S. 9 und S. 118ff. 162 Dabei glaubte er sich erinnern zu können, dass man eine solche Trennung einmal in den Göttinger Commentarien versucht habe. Man sei aber wieder davon abgekommen, weil die philosophischen Abhandlungen nicht so stark nachgefragt worden seien wie die historischen. Hierin täuschte ihn sein Gedächtnis: Die Göttinger Commentarien hatten zunächst keine solche Einteilung, erst die Novi Commentarii (1771ff.) führten diese Trennung ein (vgl. Waldtraut Mothes: Die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und ihre periodischen Veröffentlichungen. Hausarbeit der DiplomPrüfung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken an der Evangelischen Biblio-

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nach richten, ob »zureichende[r] Stoff« vorliege, und gegebenenfalls eher eine lose als eine unbedingt jährliche sein. Besonders in den ersten Jahren solle damit gerechnet werden, dass nicht genügend Abhandlungen eingesendet werden, »zumal man wenige Beyspiele hat, daß ausländische Mitglieder, und besonders solche, auf deren Abhandlungen am meisten zu sehen wäre, sich ohne nähere Beweggründe zu jährlichen Beyträgen entschliessen« würden (S. 492). Darin sollte sich Lambert nicht irren: Selbst die ordentlichen Mitglieder kamen ihrer Pflicht nicht nach, jährlich eine Abhandlung einzusenden, sodass 1761 noch keine Abhandlung vorlag, die man der Publikation hätte für würdig befinden können.163

7.3 Qualität der Beiträge Darüber hinaus sollte unbedingt auf die Qualität der Beiträge geachtet werden, fuhr Lambert fort, denn daran hänge schließlich der Ruf der Akademie. Bei der Beurteilung der »innere[n] Beschaffenheit und Güte« der Abhandlungen solle man im Wesentlichen drei Kriterien in Acht nehmen: ›Neuigkeit‹, ›Richtigkeit‹ und ›Brauchbarkeit‹. »Diese drey Eigenschaften, welche jede Abhandlung an sich haben muß, dienen gleichsam zum Probiersteine, ob sie in die Commentarien gehöre oder nicht« (S. 493), so Lambert, der sich anschließend der näheren und differenzierten Bestimmung dieser Kriterien widmet. Alle drei bemüht er sich, nicht allzu eng oder starr zu fassen. So müsse im Fall der ›Neuigkeit‹ etwa die »Weitläuftigkeit der Wissenschaften heutigen Tags« bedacht werden, die es dem Forscher unmöglich mache, die Übersicht zu bewahren. Dieser könne kaum noch mit Sicherheit wissen, »ob seine Erfindung nicht bereits schon irgendwo in einem Buche« zu finden sei (S. 493); hier habe man mit Nachsicht zu urteilen. Eine möglichst genaue Prüfung der ›Richtigkeit‹ hingegen sei äußerst wichtig, wenn sie sich auch in den unterschiedlichen Fächern und Klassen ungleich schwierig erweisen lasse. Als Faustregeln gelten hier, dass die Sätze »wenigstens wahrscheinlich« seien, »zu fernerm Nachforschen Anlaß geben« und »für mehr nicht als Hypothesen ausgegeben werden« (S. 494f.). Hinsichtlich der ›Brauchbarkeit‹ plädiert Lambert für einen erweiterten Nützlichkeitsbegriff. Dieser könne nämlich zweifacher Art sein und sich entweder auf die Wissenschaften selbst oder auf den »unmittelbaren Nutzen« und die praktische Anwendbarkeit, insbesondere in den Churbayerischen Landen, bezie-

|| theksschule. Göttingen 1963. Typoskript, S. 41). – Auch dieser Vorschlag Lamberts wurde in München nicht aufgegriffen: Erst ab dem fünften Band (1768) wurden die Abhandlungen beider Klassen getrennt herausgegeben, wobei die Bände in unregelmäßigem Wechsel erschienen (vgl. Westenrieder: Geschichte [s. Anm. 2], S. 439–450). 163 Vgl. Kraus: Akademiebewegung (s. Anm. 133), S. 1603f., Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 273 und Reinhard Heydenreuter: Verfassungsgeschichte (s. Anm. 88), S. 42.

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hen. Letzterer solle jedoch nicht alleiniger Maßstab sein. Eine Abhandlung könne nämlich durchaus »in den Wissenschaften brauchbar seyn, und zu ihrer Erweiterung dienen, […] ohne daß man sogleich einen unmittelbaren Nutzen davon einsehen kann, welcher öfters erst in Jahrhunderten entdeckt« werde (S. 495). Insbesondere sollte die Brauchbarkeit nicht »auf den Nutzen im Lande allein« beschränkt werden, denn dadurch müsste auf zu viele interessante Abhandlungen verzichtet werden, nur weil sie in Churbayern keine Anwendung fänden, so etwa Abhandlungen über die Schifffahrt. Wichtig sei hier, »Freyheit« und »Neugierde« nicht allzu sehr einzuengen, denn »vielleicht hätte man wenig Nützliches, wenn Niemand kurios gewesen wäre« (S. 496). Diese Zurückdrängung eines zu engen, die wissenschaftlichen Untersuchungen einschränkenden Nützlichkeitsanspruchs bzw. dessen Zurückweisung als erstes oder gar hauptsächliches Wertigkeitskriterium ist eine der tragenden Ideen des Entwurfs und darf als konstitutiver Bestandteil der Wissenschaftsauffassung Lamberts angesehen werden. Nicht, dass er einen Nützlichkeitsanspruch prinzipiell ablehnt. Er fasst ihn jedoch anders, gewissermaßen weiter auf. Damit vermag er das vielfach als im Vergleich mit dem angewandten Wissen sekundär aufgefasste theoretische Wissen aufzuwerten, indem er den ›Nutzen‹ nicht nur auf das Praktische beschränkt, sondern auch dem Theoretischen eine Nützlichkeit zumisst. Jener »dreyfache innere Werth jeder akademischen Abhandlung« sollte sich besonders in den ersten Bänden der Commentarien »in einem vorzüglich höhern Grade zeigen«, da »der Flor und die Aufnahme der Akademie in und außer dem Lande« – und auf letzteres legt er besonderen Wert – nicht zuletzt auch von der Vorzüglichkeit ihrer Commentarien abhänge (S. 496). Um dies zu gewährleisten, betont Lambert erneut »die Nothwendigkeit mehrern Vorschubes«, indem den Mitgliedern »vielfache Beweggründe« vorgerückt werden, damit sie regelmäßig Abhandlungen einsendeten (S. 496f.). Im Rückgriff auf den XXX. Paragraphen der Statuten, der die Möglichkeit von »Pensionen für wohlverdiente Mitglieder« einräumt, dies jedoch vorbehaltlich, es bliebe nach allen anderen Ausgaben ein »Überschuß« dafür übrig,164 insistierte er mit Nachdruck auf einen solchen finanziellen Anreiz, könnten doch dadurch namhafte »Ausländer« für die Akademie gewonnen und ihr Ansehen erhöht werden (S. 497).

|| 164 Der XXX. Paragraph der Statuten bestimmt: »Die Ausgaben [der Akademie] sollen nur auf den Briefwechsel, Abschreibung seltener und von dem Senate für nützlich erkennter Manuscripten, auf physische und chymische &c. Versuche, oder geometrische und astronomische Beobachtungen, die vorher in der Versammlung vorgetragen und genehm gehalten worden, dann auf Sammlungen der Naturalien des Landes, den Verlag der Bücher, Besoldung der Canzellisten und Bedienten, gemachet, und der Überschuß aber auf Pensionen für wohlverdiente Mitglieder, mit Genehmhaltung Seiner Churfürstl. Durchl., verwendet werden« (Gesetze [s. Anm. 91], § XXX, S. 11).

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7.4 Organisation der Akademie Nachdem er auf solche Weise die »äußerliche und innerliche Beschaffenheit der Commentarien« (S. 497) abgehandelt hat, widmet sich Lambert der ›äußeren und inneren Gestalt der Akademie‹ (S. 497f.), betrachtet ihre Organisation hinsichtlich der ihr zufallenden Arbeiten, deren Aufteilung unter den Mitgliedern und des sich unmittelbar daraus ableitenden ›Personalbedarfs‹. Ein Teil der akademischen Arbeiten könnte wohl an Assoziierte übertragen werden, das sind externe, nicht zu den Mitgliedern im eigentlichen Sinn zählende, aber von der Akademie beauftragte Personen. Die Buchproduktion etwa oder die Anfertigung von Instrumenten, Geräten und Apparaten könnten auf diese Weise ›ausgelagert‹ werden. Hinsichtlich des anderen, von den Mitgliedern zu übernehmenden Teils, sei bei der Aufgabenverteilung allen voran auf die Art der Arbeiten und auf die Fertigkeiten der Mitglieder Rücksicht zu nehmen (S. 498). Auch diese beiden Aspekte werden von Lambert systematisch analysiert und innerlich ausdifferenziert, doch mag es an dieser Stelle genügen, sein Vorgehen exemplarisch zu beleuchten und einige bedeutsame Aspekte seiner Ausführungen kurz zu benennen. Ausgehend von den unterschiedlichen von ihm herausgestellten Arten der Erkenntnis und deren bevorzugten Aufgabenbereichen (§ XIV) geht er zu den unterschiedlichen Arbeitsweisen über, die er stufenweise nach dem jeweiligen Schwierigkeitsgrad ordnet (§§ XV–XVI), bevor er schließlich verschiedene ›Gesichtskreise‹, das sind Arbeitsgebiete, definiert, die aufgrund ihres fach- und sachlichen Zusammenhanges von einem einzigen Gelehrten verantwortet werden können (§§ XVII– XIX). Die Kompetenzen wie auch die persönlichen Neigungen und Interessen der Mitglieder gelten ihm als entscheidende Kriterien für die Zuweisung der Aufgabenbereiche: Generell sollte es den Mitgliedern selbst überlassen bleiben, sich »nach Maßgabe ihrer Zeit, Muße, Kräfte und innern Triebe« (S. 500) in die verschiedensten Aufgabenbereiche einzuteilen; bestehende »Lücken« würde die Akademie durch Zuweisung schließen. Da es für die von ihm genannten Aufgaben zumeist nur überdurchschnittlichen Fleißes bedürfe, sei es weder nötig noch nützlich, die herausragendsten Köpfe damit zu behelligen. Solchen blieben eher jene Aufgaben vorbehalten, die sich als »Beschäftigungen gelehrter Orackel, die eine höhere Gesichtssphäre haben«, ziemen, Arbeiten, die »Zeit und Muße und archimedische Tiefsinnigkeit« erforderten (ebd.). Im Sinne einer solch pragmatischen Arbeitsteilung sollte darüber hinaus jedes Aufgabengebiet nur so viele Mitglieder beschäftigen, wie dies unbedingt erforderlich sei. All das, dessen man entbehren könne oder was sich ökonomischer gestalten ließe, sei »lauter Gewinn« (S. 503). In diesem Zusammenhang erwägt Lambert ferner die Frage des akademischen Nachwuchses und findet es diesbezüglich »rathsam, einen Vorrath an Subjecten zu erlangen« (ebd.). Dieser sollte am besten unter den »junge[n] Köpfe[n] aus den Landskindern, welche die Natur dazu gebildet hat, und die schon in der ersten Jugend diese natürliche

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Vocation an sich sehen lassen«, gesucht, rekrutiert und gezielt herangebildet werden (ebd.). Darüber hinaus unterscheidet er zwischen den Aufgaben, die vorrangig von inländischen Mitgliedern verrichtet werden sollten, und solchen, die sowohl von Inals auch Ausländern gleichermaßen durchgeführt werden können (§§ XXI–XXIV): Während die meisten Fächer der Philosophischen Klasse »an kein Land und Ort besonders gebunden« (S. 505) seien, verhalte es sich bei den historischen Fächern, die von den Archiv- und Bibliotheksbeständen stärker abhängen, geradezu spiegelverkehrt. Anschließend macht Lambert noch einige nominelle Mitgliedervorschläge für die Philosophische Klasse (S. 506). Auffällig ist daran das internationale Antlitz seiner Auflistung: Unter den 27 von ihm genannten und nach Fächern rubrizierten Gelehrten sind elf deutscher Herkunft, die anderen französischer, schweizerischer, italienischer, niederländischer und schwedischer.165 Obzwar viele von ihnen in Deutschland, wenn auch nur vorübergehend, tätig gewesen sind, ist daran doch Lamberts Bestreben ablesbar, die Akademie nicht als spezifisch bayerische Institution zu gestalten, wie dies jedoch in München gewollt war,166 sondern sie – zumindest was die Philosophische Klasse anlangte – nach außen zu öffnen, um ihr dadurch eine an der europäischen Spitzenforschung seiner Zeit orientierte Ausrichtung zu geben. Bemerkenswert ist schließlich auch der Nachdruck, mit dem Lambert an mehreren Stellen seiner Ausführungen auf die Notwendigkeit einer Vergütung der Arbeiten rekurriert. Insbesondere sei es für die Akademie unerlässlich, hauptamtliche besoldete Mitglieder zu beschäftigen. Diese würden unter den Mitgliedern »gleichsam eine besondere Klasse aus[machen], weil sie zu solchen Ausarbeitungen ver|| 165 Genannt sind für die »theoretische Weltweisheit« Georg Friedrich Meier (1718–1777) und Gottfried Ploucquet (1716–1790), für die theoretische Mathematik Gottfried Heinsius (1709–1769), Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800), Wenceslaus (o. Wenzeslaus) Johann Gustav Karsten (1732– 1787), Daniel Bernoulli (1700–1782), Johann Bernoulli (1710–1790), Leonhard Euler (1707–1783), Johann Albrecht Euler (1734–1800), Johannes (oder Jan bzw. Johan) Lulofs (1711–1768) und Giovanni Francesco Salvemini da Castiglione (1708/9–1791), für die praktische Astronomie Tobias Mayer (1723–1762), Johann Kies (1713–1781), Michael Adelbulner (1702–1779), Nicolas-Louis de Lacaille (1713–1762), Pierre Charles Le Monnier (1715–1799), César-François Cassini III (1714–1784) und Eustachio Zanotti (1709–1782), für die Naturhistorie Carl Linnæus (1707–1778) und Johannes Gessner (1709–1790), für die Experimentalphysik Johann Heinrich Winckler (1703–1770) und Pieter van Musschenbroek (1692–1761) und schließlich für die Chemie Johann Heinrich Gottlob von Justi (1720–1771) und Johann Theodor Eller (1689–1760). – Dabei gab Lambert zu bedenken, dass er nicht habe prüfen können, ob manche der von ihm Genannten nicht bereits Mitglieder seien, da ihm doch das mehrfach erbetene »Verzeichnis« immer noch nicht zugesandt worden sei. Weil er diese z. T. nur aus ihren Schriften kenne, könne er außerdem nicht mit Gewissheit sagen, »ob sie noch alle leben, zumal da einige schon sehr betagt sind« (S. 506). 166 Überhaupt gab es in den ersten Jahren des Akademiebestehens z. T. heftige Diskussionen über den Stellenwert, den die ›Ausländer‹ in der Institution einnehmen sollten. Vgl. etwa Hammermayer: Gründungs- und Frühgeschichte (s. Anm. 1), S. 247f., 323–335.

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bunden sind, die den akademischen Absichten auf eine nähere Art entsprechen« (S. 498). Dabei hat Lambert freilich nicht diejenigen Absichten im Blick, die auf den ›Nutzen im Land‹ abzielen, sondern vielmehr die von ihm eingangs genannten »Fragen, deren Auflösung Zeit, Muße, und jede Kräfte des Verstandes erfordert« (S. 485). Ohne die hauptamtliche Arbeit besoldeter Mitglieder würde es doch mit diesen viel »zu gelegentlich hergehen« (S. 498), da sie [die Mitglieder] nicht die behörige Musse hätten, ihre Kräfte auch an solchen Arbeiten zu versuchen, deren glücklicher Fortgang nicht gleich Anfangs in die Augen leuchtet. Die schwersten und wichtigsten Fragen, die in dem bezeichneten Umfange der akademischen Arbeiten vorkommen, würden unberührt bleiben, wenn man immer erst sehen müßte, ob man seine Zeit nicht sicherer anwenden könnte. (Ebd.)

Gleich Haller, der in seiner Rede mehrfach auf die Zeit, »die unschätzbare Zeit«, abhob, die die Gelehrten allzu oft genötigt seien, »der grausamen Nothwendigkeit auf[zu]opfern«,167 schenkt auch Lambert dem nicht hoch genug zu veranschlagenden Faktor ›Zeit‹ ein Hauptaugenmerk und stellt ihn als eine zentrale Frage, der sich wissenschaftliche Institutionen zu stellen haben, heraus. »Der Weg zur Wahrheit wird dem Gelehrten ungemein verkürzet, der von niederen Sorgen befreyt, diese Bahn betreten kann«,168 betonte Haller, wobei er Lamberts vollkommener Zustimmung gewiss gewesen sein dürfte. »Glückliche Einfälle lassen sich nicht gebieten« (S. 499), so Lamberts Überzeugung, weshalb es sowohl eines gehörigen Zeitkontingents als auch gewisser Freiheiten bedürfe, um »in selbst gewähltem Pfade« glücklich fortzuschreiten.169

7.5 Die Akademie als System Der Lambertsche Entwurf schließt mit Betrachtungen über die Funktion der Akademie als Wissenschaftsinstitution hinsichtlich ihrer Verpflichtung zur Verfolgung ihrer doppelten Absicht: der »Erweiterung der Grenzen menschlicher Erkenntniß« einerseits und der Überführung des theoretisch Erkannten in die Praxis und »zum Gebrauch im Lande« (S. 504) andererseits. Entscheidend ist hier insbesondere ihre einigende und bindende, ordnende und zielsetzende Rolle: Die in seiner Analyse bislang behandelten Aspekte seien gleichsam »einzel[n]e[ ] Theile, was in den Umfang akademischer Sachen gehört«, und die »zusammengenommen das Ganze ausfüllen« (S. 507). Der Akademie sei es gewissermaßen aufgegeben, die verschiedenen Forschungstätigkeiten zu bündeln, sie zu synthetisieren und »die systematische || 167 Haller: Rede (s. Anm. 147), S. 182. 168 Ebd. 169 Vgl. Johann Heinrich Lambert: Von glücklichen Einfällen (Fragment). In: LPA I, S. 456‒461 sowie die Zusätze in: LPA II, S. 98‒138.

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Zusammenrichtung ins Licht zu setzen« (ebd.). Sie »nimmt das Systematische über sich«, waltet über die unterschiedlichen Teile des »ganzen Körper[s]«, verbindet sie und sorgt für den gedeihlichen Fortgang der Arbeiten, die sie auf unterschiedliche Weise zu organisieren und zu befördern hat, d. i. durch Planung, Beschluss, Vorschreibung und Verteilung der Aufgaben zum einen, durch »Vorschub« qua »Pensionen« bzw. »Besoldung«, und die Übernahme forschungsgebundener Ausgaben zum anderen (S. 510). Sind die Arbeiten verrichtet, kommt es schließlich der Akademie zu, sie – nach den von Lambert aufgestellten Kriterien – zu beurteilen und – erst zuallerletzt – für die »Anwendung der vollendeten Arbeiten« zu sorgen, wobei sich nicht selten »neue und nicht vorgesehene Anwendungen« (ebd.) ergeben würden. Darin kommt Lamberts teleologischer und zugleich instrumentalistischer Systembegriff aufs Anschaulichste zum Ausdruck. Lamberts analytisch-systematisch vorgetragenen, vielschichtigen Überlegungen zum Akademiewesen liegt eine klare, wenn auch vielfach implizite und sich erst im Laufe des Textes herauskristallisierende systematische Wissenschaftsauffassung zugrunde, die nun sowohl in ihrer erkenntnis- bzw. wissenschaftstheoretischen als auch in ihrer pragmatischen Dimension fassbar wird. »Jede Wissenschaft und jeder Theil derselben, kann als ein System angesehen werden«,170 so Lambert in seiner Theorie des Systems, d. i. als ein nach einem bestimmten Zweck geordnetes Ganzes. Ist jede Wissenschaft an und für sich System, so ist sie zugleich als Teil des umfassenderen Systems der Wissenschaften im Allgemeinen zu betrachten, dessen Zweck in der Entdeckung und Erforschung der Wahrheit liegt und das in den wissenschaftlichen Akademien und ihren Publikationsorganen seine institutionelle Verkörperung findet. ›Wissenschaft als System‹ erweist sich somit nicht lediglich als theoretisches Erkenntnis- bzw. Wissenssystem, sondern auch als ›reale‹ institutionalisierte Form, die Akademie, die selbst als Subsystem wiederum in ein übergeordnetes System, das der Wissenschaft überhaupt, durch vielfache wechselseitige Beziehungen und Verflechtungen eingebunden ist. Dieses sollte keiner anderen Absicht als der Entdeckung und Erforschung der Wahrheit verpflichtet sein und sich somit nicht zuletzt über kontingente Landesgrenzen hinwegsetzen, um vielmehr einer wissenschaftsinhärenten, von deren Zweck bestimmten und für die Organisation des Systems allein bestimmenden Logik zu folgen. Doch lief die von Lambert vertretene Wissenschaftsauffassung mit ihrem universalistischen, von Ort und Zeit losgelösten Wahrheitsanspruch derjenigen, die der Bayerischen Akademie zugrunde gelegt war, dezidiert zuwider, die sich als eine vornehmlich in ihrem Land und dessen Geschichte verankerte Institution verstand, deren Arbeiten primär in und für Bayern von Relevanz sein sollten.

|| 170 Johann Heinrich Lambert: Theorie des Systems (Fragment). In: LPA I, S. 510-517, hier S. 510.

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8 Der erste Band der Abhandlungen (1763) Dies mag erklären helfen, weshalb Lamberts Teilhabe an der Churbayerischen Akademie so wenig Erfolg beschieden war. Sicher ist jedenfalls, nimmt man den 1763 erschienenen ersten Band der akademischen Abhandlungen in den Blick, dass seine im Entwurf unterbreiteten Vorschläge keine unmittelbare Wirkung entfalteten. Vergeblich sucht man darin etwa eine Geschichte der Akademie oder die verschiedenen von Lambert angeregten ›Jahrgänge‹ und Zusätze, auch von seiner kleinteiligen Fächerdifferenzierung findet sich keine Spur. Außerdem erscheinen die Arbeiten beider Klassen nicht getrennt, sondern in einem einzigen, in zwei Teile gegliederten, von den historischen Abhandlungen eröffneten Band. In der Vorrede wird erklärt, man habe sich diesbezüglich bewusst dazu entschieden – gegenteilige Meinungen ›einiger Mitglieder‹ ignorierend –, weil dies den Absichten der Akademie am gemäßesten [sei], welche dahin gehen, daß der feinere Geschmack in Wissenschaften soviel möglich allgemein gemachet, und bei Jedermann, sonderlich unsern Landsleuten, die Begierde nicht nur etwann zu einem oder dem andern Theile, sondern zu allen nützlichen Wissenschaften überhaupt erreget werden möchte.171

Was die sonstigen Absichten der Akademie hinsichtlich der Jesuiten anlangte, so werden diese in der Vorrede in aller Deutlichkeit benannt und mit einer solchen Schärfe formuliert, die mit dem diplomatischen Ton der Statuten nichts Gemeinsames mehr hat. Unter reichlicher Verwendung antijesuitischer Rhetorik wird in ihr ein Frontalangriff auf die »schul- und sektenmäßige Philosophie«172 eröffnet, da diese mit ihrer »sophistische[n] Klopffechterey«173 nichts weiter als »unnütze[n] Wortkram« und »metaphysische strohtrockene Spitzfindigkeiten«174 hervorgebracht habe. Sie werden als die Hauptverantwortlichen für den desolaten Zustand der Wissenschaften in Churbayern ausgemacht, zumal konstatiert werden müsse, dass, »was die höheren Wissenschaften, besonders die Mathematik und Weltweisheit«, betreffe, das Kurfürstentum »in Vergleich mit andern aufgeklärten europäischen Völkern, ziemlich weit zurückgeblieben sey«.175 Doch habe es auch hier nie »an Leuten gefehlet […], die sich um ihr Vaterland in Verbesserung der Wissenschaften verdient gemacht […] haben«,176 wie der den Band eröffnenden Nachricht von den ehemaligen Gesellschaften in Baiern Johann Caspar Lipperts (1729–1800) darzutun aufgegeben ist. Diese will insbesondere aufzeigen, dass die Gründung der Akademie

|| 171 Abh. Bay. Akad. 1763, Vorrede, S. )( )( 2a. 172 Ebd., S. )( )( 4a. 173 Ebd., S. )( )( 4b. 174 Ebd., S. )( )( )( 1a. 175 Ebd., S. )( )( 3b. 176 Ebd., S. )( )( 3a.

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nur deshalb »vielen so fremd vor[kam]«, weil sie ignorierten, »daß ehemals schon dergleichen gelehrte Gesellschaften, die mit jener gleiche Absichten führten, in Baiern gestanden haben«.177 Was die übrigen Abhandlungen betrifft, zeichnen sie sich durch einen ebenso klaren landesgeschichtlichen bzw. -kundlichen Bezug aus,178 eine Schwerpunktsetzung, die selbstbewusst vertreten wird: Unter den »Wissenschaften, deren Verbesserung und Ausbreitung die Akademie sich zum vorzüglichen Gegenstande genommen hat«,179 wird in der Vorrede neben der Geschichte auch die mit ihr verschwisterte Geographie, und insbesondere die Geographie Bayerns, genannt und zu den »vornehmsten Beschäftigungen der philosophischen Classe« gezählt.180 Dies avanciert sogar ausdrücklich zum ersten Kriterium für die Auswahl der Abhandlungen, indem dort »ein für allemal« erklärt wird, daß die bloße Ordnung, worinnen die Abhandlungen in unsern Commentarien zu stehen kommen werden, auf die Vorzüglichkeit oder den innerlichen Werth derselben nicht die geringste Beziehung andrergestalt habe solle, als in soweit dieselben das hiesige Land, dessen Geschichte und Merkwürdigkeiten mehr oder weniger berühren.181

Abschließend erinnert die Vorrede daran, »daß […] unser Absicht auf solche Wissenschaften vorzüglich gerichtet ist, welche im gemeinen Leben einen so viel möglich gegenwärtigen und reellen Nutzen verschaffen mögen«.182 Theoretische Untersuchungen, deren Nutzen sich auf die Wissenschaften allein beziehen, werden damit praktisch ausgeschlossen. Einmal mehr zeigt sich hier der oben benannte und herausgearbeitete Unterschied beider Wissenschaftskonzeptionen: Entgegen der zeitgenössischen und nicht zuletzt im Lambertschen Entwurf fassbaren Tendenz zur zunehmenden Spezialisierung der Einzelwissenschaften, die daher einer wissenschaftssystematischen Bündelung bedürfen und allein in einem forcierten systema-

|| 177 Johann Caspar Lippert: Nachricht von den ehemaligen gelehrten Gesellschaften in Baiern. In: Abh. Bay. Akad. 1763, S. 5. 178 Von den elf Abhandlungen der Historischen Klasse befassen sich nur drei nicht unmittelbar mit der Geschichte Bayerns, nämlich die vom ehemaligen Klassendirektor, dem französischen Ritter Louis-Gabriel Du Buat-Nançay (1732–1787), zu Jordanes’ (6. Jh.) spätantiker Geschichte der Goten (De Rebus geticis). Die sechs Abhandlungen der Philosophischen Klasse behandeln in weitgehend praktisch-angewandter Hinsicht Gegenstände aus der Geodäsie (Landmessung und Machart geographischer Karten) wie aus der Geologie (Moräste, Torf, Steinkohlenlager und Versteinerungen). Die Beiträger waren in der Mehrzahl Klassendirektoren oder Mitglieder, die der Akademie anderweitig eng verpflichtet waren, was – entgegen der forschen Behauptung, die Akademie habe »aus den vorhandenen vielen Stücken« (Abh. Bay. Akad. 1763, Vorrede, S. )( )( 2b) eine Auswahl treffen müssen – vielmehr auf einen Mangel brauchbarer Abhandlungen schließen lässt. 179 Ebd., S. )( )( 2a. 180 Ebd., S. )( )( 2a.b. 181 Ebd., S. )( )( 2b. 182 Ebd., S. )( )( )( )( )( 2b.

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tischen Wissensbegriff aufgefangen werden kann, verfocht die Bayerische Akademie selbstbewusst eine an die polyhistorische Tradition anknüpfende universalistisch-allgemeinbildende Wissenschaftskonzeption. Stand dort der Spezialist im Mittelpunkt, war es hier »Jedermann«,183 was sich einer minder analytisch herausgearbeiteten Wissenschaftskonzeption verdankt, ähnelten doch ihre Wissensbereiche eher unspezifischen Wissenskonglomeraten und damit eben dem, »was man«, um mit Lambert zu sprechen, »ein Chaos, ein Gemische, einen Haufen, einen Klumpen, eine Verwirrung, eine Zerrüttung &c. nennt«.184

9 Ausblick: Zwischen Petersburg und Berlin Obwohl Lambert diese Diskrepanz zwischen seiner Auffassung vom Zweck einer Akademie und der von Beginn an von der Churbayerischen Akademie gewählten und vertretenen Ausrichtung in seinen Briefen und Schriften weder thematisiert noch als Problem benennt,185 ist das Missverhältnis nicht zu übersehen. Davon abgesehen schien er sein Ausscheiden nicht bedauert zu haben; wenige Monate später meldete er Euler nämlich mit einem Hauch von Hochmut: »[I]l ne me coute point de peine d’abandonner cette Academie à [s]es propres lumieres.«186 Infolgedessen gab er weder seine Ansprüche auf eine angemessen besoldete Stelle noch seine Auffassung von der zweckmäßigsten Organisation einer Akademie auf. Vielmehr gehörten seine Gedanken zum ›akademischen System‹ von nun an sozusagen zu seinem Portfolio und zählten zu seinen ausgewiesenen Kompetenzen, mit denen er bei anderen Akademien für sich werben lassen konnte. So pries ihn Euler, der sich weiterhin um seine Aufnahme in die Petersburger Akademie bemühte, gegenüber dem dort tätigen Historiker und Geographen Gerhard Friedrich Müller (1705–1783) als »ein[en] Mann, der eine gantze Academie in Aufnahme zu bringen die Gaben besitzt«, an.187 Lambert seinerseits bot der Petersburger Akademie im Juni 1764 an, als ihr Korres-

|| 183 Ebd., S. )( )( 2a. 184 Lambert: Fragment einer Systematologie (s. Anm. 138), S. 386. 185 Er begründet indessen sein Ausscheiden vielmehr mit einer Opposition seitens der Jesuiten, obwohl diese in Wahrheit nicht die entscheidende Rolle gespielt haben dürften; vgl. Kraus: Akademiebewegung (s. Anm. 133), S. 1602. 186 Brief an Euler vom 7. März 1763, in: Bopp: Eulers und Lamberts Briefwechsel (s. Anm. 4), S. 33. Ähnlich gegenüber Sulzer am 5. Februar 1763, UB Basel, L Ia 745, S. 188. 187 Euler an Müller, 10./21. April 1764, in: Die Berliner und die Petersburger Akademie der Wissenschaften im Briefwechsel Leonhard Eulers. Teil I: Der Briefwechsel L. Eulers mit G. F. Müller 1735– 1767. Hg. von A. P. Juškevič und E. Winter. Berlin 1959, S. 244f., hier S. 245. Die Petersburger Akademie hatte Lambert kurz darauf den Posten des Mechanikers angeboten, den dieser, auf eine Aufnahme in die Berlinische Akademie hoffend, ausschlug (vgl. Grigorian: Lambert et Pétersbourg [s. Anm. 49], S. 100f.).

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pondent nebst verschiedenen Beiträgen insbesondere auch »Anschläge zu Academischen und systematischen Arbeiten anzugeben«.188 Die Sache werde ihm »um desto weniger neu seyn«, erklärte er, »weil die vor einigen Jahren mit der damals ganz neu zu errichtenden Churbayer. Akad. der Wissenschaften getroffenen Bedingungen eben dahin gingen«.189 Als dann die Petersburger Akademie reformiert werden sollte, wurde Lambert – erneut auf Eulers Rat hin – hinzugezogen und gebeten, im Oktober gleichen Jahres seine Ideen zur systematischen Einrichtung einer Akademie dem Prinzen Wladimir Sergejewitsch Dolgoruki (1717–1803), dem damaligen russischen Gesandten am Preußischen Hofe, vorzutragen.190 Euler berichtete Müller daraufhin: Da H. Lambert den Plan zur Bayrischen Academie gemachet hatte, so habe ich ihn zum Prinzen Dolgoruki geführet, welchem er auch darinn ein völliges Genügen geleistet, und einen weitläuffigen Entwurf gemacht von allen Vortheilen, welche ein Staat von einer wohleingerichteten Academie erwarten kan und welchergestalt die Glieder ihre Kräfte zum allgemeinen Nutzen vereinigen können. Eine solche Gemeinschaft fehlt fast bey allen Academien, da gemeiniglich nicht mehr geleistet wird, als soviel ein jeder für sich allein thun würde. Hierüber haben auch des H. Großcantzlers hochgräfl. Excellenz [Michail Illarionowitsch Woronzow (1714– 1767)] weitläuffig mit ihm gesprochen und ihm Dero großes Verlangen bezeuget, ihn in Russisch-Kaiserl. Dienste engagirt zu sehen.191

Dass es schließlich nicht dazu kam, liegt wohl an der Aussicht, die sich für Lambert kurz darauf eröffnete, doch in die Berliner Akademie aufgenommen zu werden. Tatsächlich wurde das seitens der Petersburger Akademie bezeugte Interesse zu einem gewichtigen Argument, mit dem Sulzer erneut192 und diesmal erfolgreich um

|| 188 Lambert an Müller, 12. Juni 1764, in: ebd., S. 100; zur schwierigen Datierung siehe die dortige Anm. Ähnlich äußerte er sich gegenüber Euler (vgl. Lambert an Euler, 13. Januar [recte Juni] 1764, in: Bopp: Eulers und Lamberts Briefwechsel [s. Anm. 4], S. 35. Von Grigorian aus Bopps Verlesung zu ›13. Januar 1764‹ korrigiert). 189 Lambert an Euler, 13. Januar [recte Juni] 1764, in: ebd., S. 35 und Grigorian: Lambert et Pétersbourg (s. Anm. 49), S. 100. 190 Vgl. LPS Suppl., S. 144 (»Idea Systematis academici rogatu Ill[ustris] Principis Dolgorucki exposita ad Academ[iam] Petropol[itanam] et Imperatr[icem] Russiae mittenda«) und Grigorian: Lambert et Pétersbourg (s. Anm. 49), S. 102. 191 Euler an Gerhard Friedrich Müller, 13. Oktober/10. November 1764, in: Der Briefwechsel Eulers mit Müller (s. Anm. 187), S. 250f., hier S. 251. 192 Lambert war bereits im April 1761 zur Aufnahme in die Königlich Preußische Akademie vorgeschlagen worden, doch blieb die königliche Bestätigung zunächst aus. Am 6. Januar 1764 lehnte Friedrich II. schließlich mehrere Mitgliedervorschläge, unter ihnen denjenigen Lamberts, ab. Vgl. Adolf Harnack: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Erster Band, erste Hälfte. Berlin 1900, S. 351 und das akademische Sitzungsprotokoll vom 2. April 1761 (https://akademieregistres.bbaw.de/data/protokolle/0628-1761_04_02.xml; letzter Aufruf 9. September 2021). Nach der bekanntlich wenig zuträglichen Audienz Lamberts bei Friedrich II. im März 1764 schien seine akademische Karriere in Berlin zunächst ernsthaft gefährdet. Vgl. hierzu

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Lamberts Aufnahme nachsuchen konnte. Die Audienz bei Dolgoruki machte jenem nämlich »neuen Muth«, Alexandre Henri de Catt (1725–1795), den Privatsekretär und Vertrauten Friedrichs II., aufzusuchen: Er solle doch »dem König vorstellen, daß es ewig Schade seyn würde«, wenn seine Akademie Lambert zugunsten der Petersburger verlieren würde.193 Friedrich II., der bekanntlich von Lambert zunächst wenig angetan war, ließ sich schließlich überreden und nahm ihn nolens volens als ordentliches besoldetes Mitglied mit einer Pension von 500 Talern in seine Akademie auf.194 Dass seine Vorstellungen von einer systematischen – und nicht zuletzt auch kostengünstigeren und effizienteren – akademischen Einrichtung in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle gespielt haben, zeigen ein undatierter, wohl vor Januar 1765 entstandener Briefentwurf Lamberts an de Catt wie auch handschriftliche Notizen und Aufzeichnungen zur systematischen Akademieorganisation.195 Offenbar war aufgrund seines für die Bayerische Akademie verfassten Entwurfs des akademischen Systems die Erwartung an ihn herangetragen worden, doch seinen systematischen Pragmatismus in den Dienst der Berliner Akademie zu stellen. Man hatte wohl gehofft, dass er die Generalinspektion oder die Aufsicht der akademischen Angelegenheiten zu übernehmen gesonnen sei, oder aber zumindest durch gutachterliche Tätigkeit dazu beitragen würde, die Akademie auf zuträglichere Weise umzuorganisieren. Lambert muss diese Erwartungen jedoch enttäuscht haben, da er sich darüber bei de Catt zu rechtfertigen und die Personen, die ihn dafür empfohlen hatten – unter welchen er insbesondere Sulzer nennt – in Schutz zu nehmen suchte:

|| u. a. Johann Georg Sulzer: Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgesetzt. Aus der Handschrift abgedruckt, mit Anmerkungen von Johann Bernhard Merian und Friedrich Nicolai. Berlin und Stettin 1809, S. 38–40, Formey: Éloge (s. Anm. 10), S. 84 und die Anmerkung im LPS Suppl., S. 136. 193 Sulzer: Lebensbeschreibung (s. Anm. 192), S. 39f. 194 Lambert wurde schließlich am 10. Januar 1765 offiziell aufgenommen, vgl. das akademische Sitzungsprotokoll vom 10. Januar 1765 (https://akademieregistres.bbaw.de/data/protokolle/07911765_01_10.xml; letzter Aufruf 9. September 2021). Dass Friedrich II. anfangs noch immer wenig begeistert war, zeigt u. a. eine Äußerung in einem Brief an d’Alembert: »On m’a, pour ainsi dire, presque forcé de prendre la plus maussade créature qui soit dans l’univers pour la mettre dans notre Académie. Il se nomme Lambert, et quoique je puisse attester qu’il n’a pas le sens commun, on prétend que c’est un des plus grands géomètres d’Europe« (Friedrich II. an d’Alembert, undatiert. In: Œuvres de Frédéric le Grand. Tome XXIV. Berlin 1854, S. 390–392, hier S. 391; auch zit. in Harnack: Geschichte [s. Anm. 192], S. 366, Anm. 5). Das Anfangsgehalt von zunächst 500 Reichstalern (ca. 750 Gulden) wurde sukzessive auf 1100 Taler angehoben (vgl. Sulzer: Lebensbeschreibung [s. Anm. 192], S. 40, Humm: Lambert in Chur [s. Anm. 2], S. 122, S. 125 und S. 128 und Kurt Biermann: J.-H. Lambert und die Berliner Akademie der Wissenschaften. In: Colloque international et interdisciplinaire Jean-Henri Lambert. Mulhouse, 26–30 septembre 1977. Paris 1979, S. 124f.). 195 Siehe die unten im Anhang gebotenen Entwürfe.

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Je me ferois […] un veritable plaisir, de justifier vis à vis de Vous, Monsieur, et plus encore vis à vis de S. M. les personnes, qui […] jugerent, que je serois utilement emploié à l’academie, et qui ensuite se promettoient de moi une influence telle, que l’Academie seroit tirée d’une espece d’Inaction, et qu’au lieu de travaux détachés, qui ne marquent rien moins [qu]’une liaison academique, et dont il vaudroit tout autant de diminuer le nombre[,] elle seroit dirigée à travailler d’une façon concertée, systématique et qui tende veritablement à l’amplification des Sciences utiles, et c’est de moi, qu’on en atendoit le plan, aprés celui que j’avois donné à une autre Academie, où il y a encore moins de facilités pour l’execution.196

Diesen Antrag hatte Lambert aller Ansicht nach abgelehnt oder zumindest so wenig Bereitwilligkeit (»peu d’empressement«197) dazu signalisiert, dass es dem gleichkam. Dies begründete er damit, dass eine solche Funktion, seiner Art zu handeln und zu denken, »die nur ins Detail tätig« sei (»ma façon d’agir et de penser, qui n’est active que pour le détail«198), zuwiderlaufen würde. Außerdem würden die dafür erforderlichen Kompetenzen die seinigen übersteigen. Es bedürfe dazu nämlich einer tiefen Einsicht in die akademischen Angelegenheiten, um einen solchen Plan aufzustellen und ihn so einzurichten, en sorte, que chaque Membre y trouve une tache conforme à son genie et proportioné à ses forces, pour nouer les fruits de leurs occupations, pour en faire un tout veritablement academique qui instruise les Savans, dont on puisse tirer usage, qui soutienne les épreuves les plus rigides et qui serve de base et d’appui aux Connoissances de la Posterité, en un mot pour produire un modele et non une copie.199

An den gegenwärtig existierenden Akademien bemängelt er tatsächlich, dass ihre Organisation sich vielmehr eher zufälligen als systematischen und vorsätzlichen Entscheidungen (»plutot l’effet du hazard que celui d’un choix systematique et prémedité«200) verdanke. In den meisten Fällen würde man sich damit begnügen, die Arbeiten unterschiedlicher und voneinander vollkommen unabhängiger Mitglieder »ohne jeglichen Plan« zusammenzutragen. Vielmehr aber als einem einzelnen Gelehrten sei es jedoch Aufgabe einer Akademie, auf den Zusammenhang und die Systematik ihrer Arbeiten zu achten, deren Wert allein nach ihrem Wahrheitsgehalt und dem Nutzen, den sie stiften, zu bemessen sei (»des Ouvrages liés dont la vérité soit le seul appui, qui se recommendent par l’usage, qu’on peut en faire, et qui se soutiennent indépendamment de toute autorité«201). Allerdings merkt er an, dass in akademischen Angelegenheiten das Verdienst allein, obwohl es als einziges Kriterium gelten sollte, durchaus nicht der einzige Weg sei. Dies würde derjenige,

|| 196 Lambert an de Catt, undatiert, UB Basel, L Ia 705, fol. 116r. 197 Ebd. 198 Ebd. 199 Ebd., fol. 115r. 200 Ebd. 201 Ebd.

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den der König mit der Leitung oder Aufsicht der akademischen Arbeiten betrauen würde, stets zu spüren bekommen. Gleichzeitig würde dieser aber auch erfahren müssen, wie viel es bedürfe, um in der Akademie Personen einzuführen, deren Verdienste das seinige in den Schatten zu stellen drohten.202 Lambert, der hingegen in seinen bisherigen Erfahrungen immer nur erleben durfte, wie weit das Verdienst allein vordringen könne, fühle sich indes einer solchen Aufgabe nicht gewachsen.203 Als er schließlich wider Erwarten, trotz vieler Schwierigkeiten und mehrfacher, notwendiger Fürsprachen, als ordentliches besoldetes Mitglied in die Berliner Akademie berufen wurde, quittierte er die Nachricht mit wenig Begeisterung: Grund dafür war die Höhe seiner Pension, die er als zu niedrig ansah. Es kostete noch das dringliche Zuraten de Catts, Sulzers und Merians, bis er schließlich die Stelle »nach einiger Weigerung«204 annahm. »500 écus sont peu pour son mérite; mais c’est un début, et si l’on voit qu’il se contente, vous verrez qu’on en fera plus pour lui«, hatte de Catt an Sulzer geschrieben, der wiederum Lambert darüber unterrichtete.205 Auch dieser drang nämlich auf einen raschen Entschluss und ermahnte ihn, sich bezüglich einer Erhöhung seiner Pension geduldig zu zeigen: »Vous verrez mieux dans deux ou trois ans, ce qu’il y aura à faire relativement à votre fortune.«206 Gegenwärtig sei es besser, seinen Unwillen zu verbergen: »Vous ne perdez rien, en faisant semblant d’être content.«207 Darin war Lambert gut beraten worden, denn seine Pension wurde ihm in der Tat bald schon erhöht.208 Außerdem konnte er bereits kurz nach seiner Aufnahme an der Reorganisation der Akademie aktiv mitwirken, da er im Februar 1765 in die zur Neuordnung und Aufsicht der akademischen Finanzen

|| 202 »Je ne puis ignorer, que celui, à qui S. M. donneroit même l’entiere direction ou l’Inspection generale des affaires academiques, éprouveroit toujours, qu’outre les merites, qui devroient être le seul moien d’y parvenir, il y a encore d’autres Chemins, qui y menent et que par contre il éprouveroit en même tems, combien il y faut, pour oser y introduire des personnes, dont le mérite pourroit lui faire ombrage« (ebd., fol. 116r). 203 Ebd., fol. 116r‒v. 204 Sulzer: Lebensbeschreibung (s. Anm. 192), S. 40. Hierzu merkt Merian an, er habe Lambert »freudig« von seiner Zuwahl berichten wollen und war dann überrascht, »ihn selbige mit der größten Gleichgültigkeit aufnehmen zu sehen.« Lambert sagte ihm, »er wolle der Sache weiter nachdenken«, worauf Merian erwiderte, »es komme hier auf kein weiteres Nachdenken an«, da das Angebot »gewiß nie zum zweitenmal an ihn ergehen würde«. 205 Sulzer an Lambert, undatiert, UB Basel, L Ia 724, fol. 269. 206 Ebd., fol. 270. 207 Ebd., fol. 269. Nichtsdestotrotz klingt in Lamberts Dankesbrief an Friedrich II. – den er wohl Sulzers Diktat verdankt – etwas von seinem Unmut und von seinen Erwartungen an: »[S]i le Succès repond à la vivacité de mon désir d’etre utile, j’ose me flater que V. M. daignera un jour proportioner ses graces au Sacrifice que je fais en renonçant à des offres tres considerables qui m’ont été faites de la part de L’academie de Petersburg« (Lambert an Friedrich II., 17. Februar 1765, UB Basel, L Ia 707, fol. 450v). 208 Vgl. Sulzer: Lebensbeschreibung (s. Anm. 192), S. 40 und Biermann: Berliner Akademie (s. Anm. 194), S. 124f.

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gegründete Kommission berufen wurde.209 In seiner feierlichen, am 24. Januar 1765 gehaltenen Antrittsrede brachte Lambert seine Hoffnung und seine – unveränderte – Auffassung vom Zweck einer Akademie der Wissenschaften noch einmal zum Ausdruck und schloss mit folgenden Worten: Que j’aurai de plaisir à voir, que des forces réunies se redoublent & produisent des ouvrages, qui, pour être l’objet d’une Société, dont le sort est de veiller à tout ce qui concerne l’amplification des Sciences, & l’avancement des connoissances les plus solides & les plus nécessaires ! C’est par là que nous nous rapprocherons du grand but que se proposa notre Auguste Protecteur, qui, en établissant & renouvellant cette Académie, voulut qu’elle servit de flambeau dans les régions les plus ténébreuses du regne de la Vérité, qu’elle fut l’oracle de la République des Lettres, & que le fruit de ses occupations fassent un tout, qui instruise les Savans, dont on puisse tirer usage, qui soutienne les épreuves les plus rigides, & qui serve de base & d’appui aux connoissances de la Postérité.210

|| 209 Es waren nämlich »in der Administration [der akademischen Finanzen] unleidliche Missbräuche« festgestellt worden. In den Prüfungsausschuss waren neben Lambert auch Sulzer und Euler berufen worden. Den Rücktritt des letzteren und seine Rückkehr an die Petersburger Akademie war wohl eine Folge dieser Untersuchung gewesen. Vgl. Sulzer: Lebensbeschreibung (s. Anm. 192), S. 44ff., hier S. 44, Harnack: Geschichte (s. Anm. 192), S. 363f. und S. 467 sowie Conrad Grau: Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin: eine deutsche Gelehrtengesellschaft in drei Jahrhunderten. Heidelberg, Berlin, Oxford 1993, S. 102f., Johan van der Zande: Johann Georg Sulzer. Spaziergänge im Berliner Tuskulum. In: Berliner Aufklärung. Kulturwissenschaftliche Studien. Hg. von Ursula Goldenbaum und Alexander Košenina. Hannover 2011, S. 41–68, hier S. 53f. sowie Elisabeth Décultot: Johann Georg Sulzer – Leben und Werk. In: Johann Georg Sulzer: Kurzer Begriff aller Wissenschaften. Erste (1755) und zweite (1759) Auflage. Hg. von Hans Adler. Basel 2014, S. XIII–LV, hier S. XXXVIII–XXXIX. – Im Vorfeld zu seiner Aufnahme hatte Lambert gegenüber mehreren Korrespondenten, denen er von seinen Arbeiten berichtete, damit geworben, dass diese sich zum Besten der Finanzen des Staates auswirken könnte. Vgl. etwa Lambert an Béguelin, 10. März 1764 und an Quintus Icilius [eigtl. Karl Theophil Guichard], April 1764, UB Basel, L Ia 705, fol. 18r‒v. Zu Lamberts vielfältigen Tätigkeiten als Berliner Akademiemitglied vgl. Biermann: Berliner Akademie (s. Anm. 194), S. 119. 210 Lambert: Discours [de réception]. In: Discours prononcés dans les Assemblées publiques, ou solemnelles, de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres. Berlin 1765, S. 7–20, hier S. 20.

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10 Anhang L Ia 705 fol. 173–181: Entwürfe und Notizen in akademischer Sache211 [173r] L’Acad. de B. 2. Classes Philos. histor. Senat. 1 Presid. 1 vicepresid. 2 Directeurs 1 Secretaire 2 autres membres. Le President est un des ministres n’est point obligé d’assister aux Assembl. ordinaires Le vice Presid. est un des membres de l’acad. Il Concerte avec les directeurs Il est de toutes les assemblées. Les directeurs sont pour chaque classe Ces 4 charges se renouvellent toutes les années Le Secretaire est perpetuel. Il peut en même tems etre directeur Le Caissier Thresorier se renouvelle annuellement. - Membres honoraires externes ordinaires Le nombre n’en est point fixé. - Correspondens - Classe historique - recueille des vieux Mspts. - travaille sur la Diplomatique, Critique, Langue allemande Chronol. Geogr. Genealog. Antiquités - en particulier Traité genéalogique de la B. Diction. histor. de la B.

|| 211 Aus Gründen besserer Lesbarkeit wurde die Schreibung u/v heutigen Gepflogenheiten entsprechend gehandhabt.

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[173v] Classe philos. - bannir le Scholastique de la philosophie - traiter la morale, le droit de la Nat. le droit des Gens - La physique experim. - L’hist. natur. de la B. - La metallurgie de la B. - Carte geogr. de la B. Les Assemblées sont tous les Jeudis. annuellement 2 extraordinaires publiques - L’Acad. distr. annuellement deux prix sur l’histor. pour chaque classe [174r] Classe philos. - La Philosophie theoretique - Le Droit des Gens, morale - La Politique - La Mathem. theoret. - L’astron. pratique - L’histo[i]re naturelle, Botan. Anatom. - La Phys. experim. - La Chymie classe histor. - L’histoire des Etats politique La Genealogie - Topogr. & antiquités - Diplomatique - L’histoire de la Connoiss. humaine [174v] Travaux 1o. Continus ephemerides meteor. medecin. économ. certaines Observ. astron. 2. Periodiques annuels. l’Edition des Commentaires Questions acad. des prix

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3. System. La Geogr. du païs Topogr. l’hist. naturelle du païs Procédés chymiques Topo Genealogie 4. Occasionels. [175r] 1o. Pour Justifier Mr. Sulzer & ceux qui &c. quoique ils le soient dans la Rep. des Lettres. 2o. Meprise du R. je la justifierai α) par ma façon de penser, qui n’est active que pour le Détail 3o. Encore qu’on m’eut donné la Direction à quoi je ne voudrois pas penser vu mon age j’aurois courru le même Risque que Vis à Vis de M. La dificulté de bien servir de ne recommender personne, qui puisse faire ombrage & d’être assuré jusques la d’une fermeté inébranlable du R. Que je n’aurois eu garde de dé de supposer, vû que cela supose des perfections &c. Mes Ouvrages ne sont pas faux-bruyans 4o. L’exemple de Munic Acad. à qui j’avois donné le plan tel que s’il peut y être executé &c je m’engage à prouver qu’elle ne sera point copie mais modele Systematique rien – cela devroit être Acad. doit instruire des Savans 5o Le moien d’avoir des Membres qui de leur propre mouvement fassent p. 6o Je ne connois que l’acad. del Cimento et de Turin, qui &c 7o on doit à la prèmiere les plus belles découvertes, ils ont travaillé si unanimement qu’on ne sait presque plus qui ils ont été [175v] C’est peu de Chose que les experiences sur les bombes [176r] [geometr. Bleistiftzeichnungen und Berechnungen] [176v] Capital d. Ac. zum bauen angewandt S. m. über 1000 T. anderst disp. in petto. Ac. nicht systematisch

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Physisch. Detail vor Augen legen das Prob und Hoffnung zeigen (auf Finanzen gerüchtet) nicht begehret weil sonst Pension kleiner [Bleistiftskizzen zur Optik] [177r] Departement & fonction de l’Inspecteur 1o. Qu’il voie que tous travaillent conformement au plan proposé 2o. Qu’il fasse Rapport au R. de ce qui s’est fait 3o. Qu’il indique au Roi les Subsides qu’il faut. [177v] Questiones Academiques Il en a manqué une critique et une Theorie 1. Nature des Questions α) quelques contradictions qu’elles offrent puisque chacun propose les Solutions quand il les fait. β) Inconveniens. Tel a une solution, mais les academies ne le savent pas, quoiqu’elle meritat un prix. 2o. Avant les acad. on a procedé autrement α) Prix pour la longitude cette question a l’experience pour epreuve β) On s’informe, qui est en Etat. p. ex. Sixte quint, pour la Colonne Et l’effet doit se faire p. o 3 . L’Egalité du prix n’est pas si convenable 4o. Le tems préscrit égal n’est pas si convenable non plus. Il faudroit le donner le prix au prémier qui s’offre & fait voir l’epreuve puisque alors la question est resolue. 5. Prix proportioné α) aux fraix des Experiences. β) à l’Importance du Sujet. 6. Que la question soit resoluble, et qu’elle ne depende que de la difficulté & des oportunités. 7. Qu’on propose en même tems les marques de l’epreuve.

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[178r] Mercenaires Academiques 1. Pour ramasser des matériaux - de la façon prescrite - et avec les épreuves préscrites 2. Pour faire des calculs préscrits 3. Pour copier des pieces, indiquées 4. Pour un Almageston, astronomique &c Questions academiques. Prix pour ceux qui ont le mieux rafinés dans la beauté de l’execution, dès que celle ci n’est point bornée à un degré fixe - C’est pour l’exercice, comme p ex. dans la poesie, eloquence &c - NB. prix pour remonter à une époque. Comme p. ex. l’invention du papier. Prix pour celui qui pourra indiquer une donnée qui sert à quelque Problème, et qui depend de Circonstances particulières – de l’oportunité des lieux – ou que l’on ne chercheroit on n’indiqueroit pas par sans recompense. Ressemblence des enign[m]es & de la regle de fausse position. [178v] Systeme des travaux. Commencer par la discussion212 des Methodes Chronologie Ramasser & discuter les materiaux historiques, Astronomiques, Histoire Universelle reduire à ses points cardinaux, ensorte qu’il soit facile d’y ramener le reste et les détails Langues, Philologie Discussions des marques des primitifs. ramasser les primitifs Discussion des suffixa, & praefixa Geographie, mathematique Discussion de sa triple base Itineraires geometrie astronomie.

|| 212 Aus: discussions

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Application pour le catalogue des longit. & latitudes – qui servent de Base. Geogr. historique ancienne moderne emploier les correspondans et les autres Acad. pour cet effet. Physique Experim. Met[e]orologie Aimant Evaporation – elasticité Friction Cohesion feu [179r] Mecanique Changement d’un mouvement en un autre Astronom. observ. pour l’univers. Liste des Comêtes lumiere zodiacale Carte de la Lune Philos. speculative Idées simples raport des Idées & des Langues. Phil. pratique, Morale, Politique Prix des choses & des actions pour l’Agathometrie Chymie Traité Systématique ordre des experiences 1. Enumeration des matieres naturelles 2. Arrangemens 3. Ordre pour la connoissance des operations. Botanique Anatomie Materiaux pour la Rhetorique & la Poësie.

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[179v] Quel est le meilleur parti qu’un Etat puisse tirer de l’etablissement d’une Societé de Savans; quel doit en être l’arrangement, et quels sont les Savans, qu’il faut y emploier? Remarques. Societé. Ces savans s’entre aidant doivent pouvoir faire plus que chacun Separement. Elle doit servir d’oracle, sur des questions qu’on propose Présuposé: Il est generalement utile que les Sciences s’amplifient L’acad. doit avoir l’Inspection de tout ce qui est relatif à la propagation des connoissances celle des écoles Experiences sur l’art d’enseigner On a beau enseigner la Jeunesse, lorsqu’il s’agit encore de débrouiller des Cahos. Travailler en même tems pour la posterité en recueillant des données [180r] Societé Directrice Membres externes Corres Correspondans. Voiageurs Poser en fait, que sans paiement on n’obtient rien Qu’on y destine de sommes Qu’on paie les verités au poids de l’or mais que ce soient de verités, et qu’on en fournisse la preuve. Ce n’est ici que le gr plan en gros il me faudroit une année pour en donner le détail &c. &c. Subordination des ajoutans afin de les dresser tant pour devenir membre que pour d’autres postes [181r] R. hoc velle debet, atque sic ut 1o. plura exspectat 2. copiose, large, &c remuner. adeoque huius momisti esse, quae exspectare possit Quid Academ. esse debeat – ut concludat an sit. obstacula vel non adsunt vel non sunt huius momenti an mihi credat?

»ein Licht in der gelehrten Welt« | 85

Quo hoc fiat, res ob oculos ponenda. 1o. Systemat. Acad. cognitio 2o. Exempl. Syst. Acad. Boicae 3o. non ex illis, quorum celebritas morte interit nec opus, quippe Soliditas &c 4o. Casus phys. experim. cuius usus evidens –. an Syst. Acad. ita constitui possit, atque dirigi, ut emolumentum verum inde emergat in bonum publ. oeconom? Hoc ipsum Regi in votis Adferantur ex system. Acad. Boicae

| 2 Logik und Metaphysik

Giuseppe Motta

Vierfache Möglichkeit Lamberts Architectonic aus der Perspektive der Modalität betrachtet Dass die Konfrontation der Philosophien der Europäischen Aufklärung mit der fundamentalen Frage »Was heißt Objekt?« auf dem Terrain der Modalität, also auf Grund einer Reflexion über die Begriffe der »Möglichkeit«, »Wirklichkeit«, »Notwendigkeit«, »Zufälligkeit« und »Wahrscheinlichkeit« stattfand, scheint mir evident zu sein. In mehreren Arbeiten der letzten Jahre habe ich diese modale Prägung der Grundlage der Philosophie des 18. Jahrhunderts zu vertiefen und zu beschreiben versucht.1 Dass der Begriff der »Möglichkeit« in diesem Kontext eine privilegierte Rolle spielte, hängt vor allem davon ab, dass damals diese Dimension des Modalen den Anfang selbst der Ontologie konstituierte: zusammen mit (und unmittelbar nach) seinem Gegensatz, der »Unmöglichkeit«.2 Dass der Begriff der »Möglichkeit« eine wichtige Rolle auch in Johann Heinrich Lamberts Anlage zur Architectonic oder Theorie des Einfachen und Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß spielt, merkt man genau dann, wenn man dieses monumentale Werk der Deutschen Philosophie aus dem Jahr 1771 liest. Diese Rolle definiert sich aber in einer ganz anderen Weise als in den klassischen

|| 1 Vgl. zum Beispiel zu Christian August Crusius: Giuseppe Motta: Hypotheses. The Concept of Possibility in Ch. A. Crusius’ Theory of Objectivity. In: Rivista di Filosofia Neo-Scolastica 112 (2020), S. 655–670 oder zu Christian Garve: Giuseppe Motta: Ausgang aus der Metaphysik. Die Wahrscheinlichkeitslehre von Christian Garve aus dem Jahr 1766. In: Christian Garve: Über einiges, was zur Logik des Wahrscheinlichen gehört. Lateinisch–deutsch. Hg. von Giuseppe Motta und Mischa von Perger. Berlin, Boston 2022, S. 5–27. 2 Laut Christian Wolff war bekanntlich das Unmögliche Ausdruck und Synonym des ›Nichts‹; das Mögliche galt dagegen als erste Bezeichnung des ›Etwas‹ und somit des Dinges, des Seienden, also des ὄν, wovon eine Ontologie per definitionem handelt. Ein Wesen (ens) ist deswegen möglich (und ist deswegen ein Wesen), weil alle wesentlichen Bestimmungen (die essentialia) in ihm nicht in gegenseitigem Widerspruch stehen. Essenzen sind daher zunächst und vor allem möglich. Besonders klar äußert sich dazu Georg Friedrich Meier in § 51 seiner Ontologie aus dem Jahre 1755 (Metaphysik. 4 Bde. Halle 1755‒1759): »Allein wir verstehen durch das Wesen einer möglichen Sache, den Inbegriff ihrer wesentlichen Stücke, oder welches einerley ist, die innerliche Möglichkeit derselben. Denn eine Sache hat eine innerliche Möglichkeit, in so ferne das Mannigfaltige in derselben vor sich betrachtet, das ist, innerliche Bestimmungen derselben einander nicht widersprechen. Nun sind die wesentlichen Stücke innerliche Bestimmungen, die bey einander möglich sind. Es ist demnach eine Sache innerlich möglich, wenn ihre wesentlichen Stücke beysammen sind. Folglich besteht die innerliche Möglichkeit in dem Inbegriffe der wesentlichen Stücke. Und also ist es einerley, ob ich sage: das Wesen sey der Inbegriff der wesentlichen Stücke, oder es sey die innerliche Möglichkeit der Sache«. https://doi.org/10.1515/9783110647761-004

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Werken der Schulphilosophie. Die Möglichkeit wird hier weder am Anfang des Systems behandelt, noch an einer privilegierten Stelle, oder überhaupt irgendwo isoliert im Corpus des Systems beschrieben. Sie ist zwar von fundamentaler Bedeutung; sie wird aber als solche nicht thematisiert, sondern nur etwas ungeordnet und kursorisch (immer wieder und immer anders) an unterschiedlichen Stellen des Werkes behandelt. In dieser weiteren historischen Reflexion zum Thema der Modalität in der Philosophie des 18. Jahrhunderts habe ich mir die Aufgabe gestellt, ein wenig Ordnung und Klarheit in die Definition dieses modalen Begriffs innerhalb der Architectonic zu bringen.3 Was heißt »möglich« auf diesen Seiten? Was heißt »möglich« in Lamberts System der Philosophie? Kann man überhaupt versuchen, die Architectonic aus der Perspektive einer Konfrontation mit diesem wichtigen Begriff der Modalität zu verstehen?

1 Die vier Formen der Möglichkeit nach § 281 Eine Hilfe im Sinne der Einordnung der Bedeutungen der Möglichkeit in der Architectonic bekommen wir von Lambert selbst, wenn er in § 281, ziemlich am Rande des Systems (im neunten Hauptstück des zweiten Teils des Werkes, im Kontext einer Auseinandersetzung mit den Begriffen der absoluten und hypothetischen Notwendigkeit und der Zufälligkeit), vier getrennte »Quellen und Merkmale« der Möglichkeit unterscheidet. Grundsätzlich fasst er damit vorherige Erläuterungen in einer kleinen Liste zusammen: Wir haben oben schon die Quellen und Merkmale der Möglichkeiten angegeben. Sie sind: 1°. Das Nicht widersprechen. 2°. Die einfachen Begriffe und ihre Postulata. 3°. Auf eine unmittelbare Art die Kräfte, und 4°. wenn wir a posteriori gehen, die Existenz.

Offensichtlich fängt Lambert hier beim schwächsten Merkmal an und geht von da bis zum stärksten (der Existenz) über. Die von mir vorgeschlagene Rekonstruktion der Möglichkeit in der Architectonic basiert auf dieser Auflistung, die ich nebenbei mit anderen, weniger ausführlichen Klassifikationen (zum Beispiel schon gleich in 1.1 aus § 288) vergleiche. Hier erst eine kurze Erläuterung dieser vier Arten der Möglichkeit nach § 281:

|| 3 Die Architectonic von 1771 steht im Zentrum dieser Analyse. Ich werde aber zu diesem Zweck andere Werke (vor allem das Neues Organon von 1764) und weitere Texte und Fragmente von Lambert erwähnen und kommentieren. Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic, oder Theorie des Einfachen und des Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß. 2 Bde. Riga 1771 (LPS 3 u. 4).

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1.1 Das Nicht-Widersprüchliche Die Möglichkeit sei zunächst die des für sich Nicht-Widersprüchlichen. Der Satz des Widerspruchs, welcher das Urteil ist, »mit welchem man gemeiniglich in der Metaphysik anfängt«,4 zählt deswegen zu den Quellen der Möglichkeiten, weil Möglichkeit zunächst »Gedenkbarkeit« heißt: »das Widersprechende läßt sich nicht gedenken, und das Gedenkbare ist nicht widersprechend«.5 In der anderen oben erwähnten Einteilung der Möglichkeit aus § 288 trennt Lambert im Voraus sogar: (1*) die »symbolische« Möglichkeit, womit man (in der Sprache) sogar das unmögliche, sich widersprechende Ding bezeichnet und (2*) die Möglichkeit als »Gedenkbarkeit«, welche die notwendigerweise nicht-widersprüchliche Basis aller positiven Wahrheiten (»das Existiren können« = 3*) bildet.

1.2 Die einfachen Begriffe und ihre Postulata Möglich seien darüber hinaus »die einfachen Begriffe, ihre Grundsätze und Postulata«, welche »das für sich Gedenkbare« sind, und »die erste Anlage zu den positiven Möglichkeiten« bilden.6 Einfache Begriffe enthalten per definitionem (als »schlechthin einfach«) »keine fernere und innere Unterscheidungsstücke« und können aus diesem Grund »keinen innern Widerspruch enthalten«. Sie sind also »für sich möglich«, und zwar positiv möglich.7 Die Postulate geben »allgemeine und unbedingte Möglichkeiten« als »Thunlichkeiten«, d. h. als Konstruktionen a priori der einfachen Begriffe an.8

1.3 Aus der Kraft Darüber hinaus erklärt Lambert (zum Beispiel noch in § 243 der Architectonic), dass »in der wirklichen Welt alles das unmöglich [ist], wozu die wirklich darinn vorkommenden Kräfte [...] nicht ausreichen«. Die Kräfte (und mithin auch das Solide) sind dementsprechend die richtige Anlage zur effektiven Möglichkeit, weil ohne sie (ohne Kraft und Materie) sich nichts Existierendes überhaupt gedenken lässt.9 In den Worten Lamberts: »Ohne Solides und Kräfte existirt nichts [...]. Was etwas kann

|| 4 Lambert: Architectonic (s. Anm. 3), § 239. 5 Ebd., § 243. 6 Ebd. 7 Ebd., § 7. 8 Ebd., § 18. 9 Siehe ebd., § 210.

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(active), hat eine Kraft, und hinwiederum [...]. Demnach kann dem Soliden und der Kraft die Möglichkeit zu existiren nicht abgesprochen werden«.10

1.4 Das, was existiert oder existiert hat Die Möglichkeit kann schließlich a posteriori festgelegt werden: aus der Feststellung einer gegebenen Existenz. Geschlossen wird in diesem Fall vom Wirklichen auf das Mögliche und die Wirklichkeit gilt hier als die positive Grundlage der Möglichkeit selbst.11 »Was ist, das ist an sich möglich, oder: vom Seyn kann man auf das möglich Seyn schlüßen«, so Lambert in § 20 der Architectonic.

2 Schwierigkeiten und offene Fragen Soviel über die vierfache Bedeutung der Möglichkeit nach § 281 der Architectonic. Die Möglichkeit lässt sich also unterschiedlich als 1°. das Nicht-Widersprüchliche, 2°. die erste Eigenschaft der einfachen Begriffe und der Postulate, 3°. die Konsequenz der Kraft und 4°. die Existenz selbst, die a posteriori festgelegt wird, begreifen. Aus dieser Schilderung entstehen jedoch zunächst mehr Fragen, Probleme und Schwierigkeiten als erhellende Erläuterungen. Man fragt sich zum Beispiel, in Bezug auf 1°: Wie kann Lambert überhaupt die Möglichkeit des Nicht-Widersprüchlichen am Anfang einer solchen Aufzählung der Merkmale des Möglichen platzieren, wenn er bekanntlich der Auffassung ist, dass diese Art von Möglichkeit eher am Ende eines philosophischen Systems vorkommen muss, und zwar »nach der Theorie der Entstehungsart der Sätze«?12 Denn der Widerspruch kann seiner Auffassung nach nicht in den Dingen selbst gefunden werden und kann vor allem nicht als positives Merkmal eines an sich Unmöglichen gezählt werden. Widersprüche – so Lambert in § 231 – kommen »weder im Reiche der Wahrheiten, noch im Reiche der Möglichkeiten, noch im Reiche der Wirklichkeiten« vor. Sie sind ideal, also »schlechthin nur symbolisch«.13 »So können wir auch die Theorie davon nicht eher vortragen, bis wir die Gründe zu ihrer Entstehensart aus einander gesetzet haben«.14 Man kann dementsprechend sagen, dass sich hier – mehr als seine eigene Theorie des Möglichen – eher Lamberts kritische Auseinandersetzung mit der damals klassischen und quasi institutionell etablierten Theorie

|| 10 Ebd., § 298. 11 Siehe ebd., § 243. 12 Ebd., § 75. 13 Ebd., § 108. 14 Ebd., § 231.

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der Unmöglichkeit/Möglichkeit als Anfang der Systeme der Schulphilosophie profiliert. Der Satz »Möglich sey, was keinen Widerspruch in sich halte« sei schließlich eine bloß negative Behauptung.15 Und das Nicht-Widersprüchliche nur »ein verneinendes Merkmal des Möglichen«,16 kein positives. Die vierfache Auflistung von § 281 sollte in dem Sinne für Lambert selbst eher bei Punkt 2°, nicht bei Punkt 1° beginnen. Eine weitere Schwierigkeit betrifft, in Bezug auf 2°, die Tatsache, dass »einfache Begriffe« und »Postulate« zwei unterschiedliche Formen der Möglichkeit definieren: die positive Gedenkbarkeit von einfachen Begriffen, welche als solche möglich sind, da sie keinen Widerspruch enthalten bzw. enthalten können, und die Möglichkeit als Machbarkeit einer gewissen Konstruktion, welche den Sinn selbst des Wortes »Postulat« charakterisiert und prägt. Die einfachen Begriffe geben zwar einerseits die Postulata an und gelten in dem Sinne als Quellen von positiven, einfachen und unbedingten Möglichkeiten;17 andererseits geben ausgerechnet erst die Postulate allgemeine und unbedingte Möglichkeiten an, um weitere komplexere Begriffe zu bilden. Das verhindert aber nicht die Tatsache, dass die modale Bedeutung der Möglichkeit der einfachen Begriffe am Anfang des Systems eine andere als die Bedeutung der Möglichkeit der Postulate selbst ist. Punkt 2° enthält in dem Sinne zwei unterschiedliche Auffassungen des Möglichen. Ein Problem betrifft sonst den Übergang von Punkt 2° zu Punkt 3°. Problematisch ist hier vor allem die Tatsache, dass der Begriff der »Kraft« (und mit ihm, implizit, der Begriff des »Soliden«) sowohl unter Punkt 2° in der Definition der Möglichkeit aller einfachen Begriffe erscheint, als auch verselbstständigt in Punkt 3° eine weitere (konkretere) Form der Möglichkeit definiert. Lambert trennt hier eine bloß logische von einer eher ontologischen und metaphysischen Auffassung der »Kraft« und somit zwei Formen und Bedeutungen der Möglichkeit selbst. Die Postulate geben »Möglichkeiten an sich betrachtet« an und eben dadurch sind sie »allgemein und unbedingt«.18 Aber, so Lambert, »wir können sie allerdings nicht so unbedingt anwenden, weil wir unsere Kräfte und die Welt nehmen müssen, wie sie bereits schon ist«.19 Dieser Übergang ist von fundamentaler Bedeutung in Lamberts System. Alle Postulate »beziehen sich zuletzt auf das Solide und die Kräfte, weil diese die erste Anlage zur Existenz, und so auch zur Individualität sind«.20 Definiert wird somit der Unterschied zwischen der Möglichkeit der Formen der Erkenntnis und der Möglichkeit der Wirklichkeit, also des Stoffes selbst (der Materie) des Rea-

|| 15 Ebd., § 19. 16 Ebd., § 243. 17 Ebd., § 114. 18 Ebd., § 102. 19 Ebd. 20 Ebd., § 229.

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len.21 Auf diesen Übergang weist auch der Unterschied zwischen der symbolischen Möglichkeit (1*) und der Gedenkbarkeit (2*) einerseits und der Möglichkeit des Existierens (3*) im anderen (oben schon mehrmals erwähnten) Muster der Bedeutungen des Möglichen in § 288 andererseits hin. Letztere basiert auf dem Soliden und dessen Kräften. Sie bezeichnet die tatsächliche existierende Wirklichkeit und deren hypothetische Notwendigkeit. Ich schließe diese Auflistung von Fragen und Schwierigkeiten mit einem Hinweis auf die Tatsache (bezüglich des Punktes 4°), dass Lambert, sobald er einmal die Existenz sowohl in ihrer logischen als auch in ihrer metaphysischen Bedeutung festgelegt hat, die Möglichkeit einer Fraktionierung derselben (der Existenz) thematisiert und somit eine Theorie der Wahrscheinlichkeit einführt. Auf dieser Basis wird die »Möglichkeit« vollkommen neu definiert. Die Existenz hat an sich keinen gradus intensitatis. Nimmt man das aber (in einer Abstraktion) an, »so ändert sich der Begriff der Existenz in den Begriff der Wahrscheinlichkeit der Existenz der Sache, welcher man zum Beyspiele eine halbe, ein Drittel etc. Existenz beylegt«, so Lambert in § 104 der Architectonic.22 Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit gelten, aus dieser ganz besonderen Perspektive betrachtet, sogar als Synonyme. Soviel also über manche Schwierigkeiten, welche meines Erachtens die vierfache Bedeutung der Möglichkeit nach § 281 der Architectonic begleiten. Ein weiteres, allgemeineres Problem betrifft das erwähnte Verhältnis des Begriffs der Möglichkeit (in seiner komplexen Aufteilung von Bedeutungen) mit den anderen Modalbegriffen: mit der »Existenz« vor allem, welcher von Anfang an eine fundamentale Funktion in der Definition des nicht bloß logischen Charakters der ganzen Architectonic übernimmt, aber auch mit den Begriffen der (absoluten und hypothetischen) Notwendigkeit, der Zufälligkeit und der gerade erwähnten Wahrscheinlichkeit. Man beachte in diesem Sinne, dass Lambert nicht nur der erste Philosoph ist, der die Formen der Modalität in der genauen Sechsteilung dargestellt hat, die später zum Beispiel eine tragende Rolle in Kants Kritik der reinen Vernunft einnehmen wird, sondern auch derjenige ist, der am stärksten im 18. Jahrhundert die zugleich logische und ontologische Bedeutung der Modalbegriffe thematisiert hat.23 Wir können

|| 21 Siehe ebd., § 43. 22 Man beachte dazu auch ebd., § 108, § 158, § 164, § 232, §§ 323ff. 23 In: Johann Heinrich Lambert: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. 1. Bd.: Dianoiologie, Alethiologie, 2. Bd.: Semiotik, Phänomenologie. Leipzig 1764 (LPS 1 u. 2). Im dritten Hauptstück der Dianoiologie: Von den Urtheilen und Fragen schreibt Lambert: »Man hat noch eine andere Eintheilung der Sätze, die von gewissen sehr allgemeinen Bestimmungen herrührt, welche man dem Bindewörtgen beysetzt. Diese Bestimmungen beruhen überhaupt auf dem Unterschiede des möglichen, wirklichen, nothwendigen und ihres Gegensatzes. Die Formeln, am einfachsten vorgetragen, sind folgende: 1. A kann B seyn. 2. A ist B. 3. A muß B seyn, oder A ist nothwendig B. 4. A kann nicht B seyn. 5. A ist nicht B. 6. A ist nicht nothwendig B. Der Unterschied dieser Sätze macht

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diesbezüglich behaupten, dass keiner dieser Begriffe (auch nicht die Möglichkeit) ohne die Einbeziehung der anderen Modalbegriffe begreiflich oder irgendwie verständlich wird, und dass man sie alle kaum separat behandeln kann.

3 Logische und metaphysische Möglichkeit Ich werde versuchen, einige dieser Probleme aufgrund einer näheren Analyse des lambertschen Begriffs der »Möglichkeit« in zwei Schritten zu beantworten: zunächst über die eher logische Bedeutung der Möglichkeit des Nicht-Widersprüchlichen, aber auch der einfachen Begriffe und der Postulate in Bezug also zugleich auf die Punkte 1° und 2° des obigen Schemas aus § 281, dann zugleich über die Punkte 3° und 4°, also über die metaphysische Möglichkeit der Kraft und der Existenz.

3.1 Die logische Möglichkeit (zu 1.1 und 1.2) Vor Kant ist Lambert der Philosoph, welcher am deutlichsten und am stärksten eine Kritik an der Philosophie Wolffs und an den Grundlagen der sogenannten Schulphilosophie geübt hat. Diese (sehr allgemeine) Behauptung folgt aus der Tatsache, dass seine Kritik keineswegs eine bloß negative oder eine skeptisch inspirierte ist. Sie basiert vielmehr auf einem alternativen Modell und auf einem alternativen System der rationalen Philosophie und Metaphysik überhaupt. Für besonders interessant im Spektrum der vielen mehr oder weniger direkten und expliziten Einwände Lamberts gegen Christian Wolffs Philosophie halte ich eine ganz spezifische Bemerkung von ihm, die interessanterweise Wolff als Übersetzer aus dem Lateinischen betrifft. Lambert übersetzt das Wort »Postulat«, welches der Mathematik zugehörig ist und selbst eine Übersetzung des griechischen Begriffs »αἴτημα« ist, mit dem deutschen Begriff »Forderung«. Nicht korrekt sei dagegen die wolffsche Übertragung des Wortes mit dem deutschen Wort ›Heischsatz‹. Dadurch gehe nämlich der aktive, praktische (d. h. thetische und nicht bloß theoretische) Charakter des Begriffs komplett verloren. Wiederholt unterstreicht Lambert diesen für ihn nicht bloß terminologischen, sondern inhaltlich entscheidenden Unterschied zu Wolff. In § 156 der

|| den Unterschied der Vernunftlehre des möglichen, wirklichen und nothwendigen aus« (ebd., 1, § 137). – Weitere Hinweise auf diese Drei- bzw. Sechsteilung der Modalbegriffe findet man auch in § 664 und in Lambert: Architectonic (s. Anm. 3), § 60, § 232, § 282, § 287. Bemerkenswert ist Lamberts weitere Erklärung: »Da aber diese Begriffe in die Ontologie gehören, und nicht bloß von der äusserlichen Form der Erkenntniß abhangen, so werden wir sie auch nur in so weit hier mitnehmen, als die Form der Erkenntniß selbsten Anlaß dazu geben wird« (ebd.).

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Dianoiologie des Neuen Organon (1) schreibt er zum Beispiel: »[Die] euklidischen Postulata haben offenbar die Form von jeden seinen Aufgaben. Man hat sie daher sehr unrichtig durch Heischsätze, und die Aufgaben durch practische beweisbare Sätze übersetzt, und in den neuern Vernunftlehren angenommen«. Am Anfang der Anlage zur Architectonic ist die Kritik noch präziser und vehementer: »Was in der Meßkunst Postulata (Forderungen) und Aufgaben heißt, davon kommt in Wolfens Metaphysic wenig oder nichts vor«.24 Und kurz darauf: »Man kann nicht sagen, daß Wolf die Euclidische Methode ganz gebraucht habe. In seiner Metaphysic bleiben die Postulata und Aufgaben fast ganz weg, und die Frage, was man definieren solle, wird darin nicht völlig entschieden«.25 Bei Euklid wiesen tatsächlich die αἰτήματα auf die Möglichkeit elementarer Konstruktionen hin. Am Anfang der Elemente zählte er nach dem aristotelischen Muster drei Formen von Prinzipien auf: die Definitionen (ὅροι), die Postulate (αἰτήματα) und die Axiome (κοιναὶ ἔννοιαι). Die Natur dieser unterschiedlichen Prinzipien wurde terminologisch nicht festgelegt. Trotz der fehlenden Definition fällt auf, dass die euklidischen Postulate Grundprinzipien sind, welche keinen Beweis erfordern, zugleich aber die Existenz gewisser geometrischer Konstruktionen sichern. Das Postulat bezeichnet hier das konstruktive Verfahren, wodurch ein Gegenstand uns gegeben und dessen Begriff erzeugt wird. Gefordert sei bekanntlich zunächst 1. dass man von jedem Punkt zu jedem anderen eine Strecke ziehen kann, 2. dass man eine begrenzte Linie immer nach einer gegebenen Richtung verlängern kann, schließlich 3. dass man um jeden beliebigen Punkt einen Kreis konstruieren kann. Die zwei anderen Postulate waren in der Ausgabe der Elemente von 1743, die Lambert vor Augen hatte, nicht enthalten.26 Wir sehen also, dass Lambert Euklid folgt, indem er die drei obigen Fälle als die ersten, klassischen Beispiele des Postulats festhält.27 Im Unterschied zu Euklid thematisiert er aber die epistemologische und methodologische Bedeutung des Postulats selbst. Die Lektüre der Elemente von Euklid war in diesem Sinne – wie Lambert in einer schönen (mehr oder weniger fiktiven) Erinnerung innerhalb des Criterium Veritatis schreibt – dasjenige, was seine Kritik an Wolff überhaupt ermöglicht hatte: Ich hatte den Euclid erst lange nach dem Wolfe gelesen […]. Ich wusste schon ungefehr, was Schulmethode und Mathematische methode war, und mit allem dem setzte mich schon die erste Proposition Euclids in Verwunderung. Ich dachte etwann, er werde bey den ersten Lehrsätzen von Vergleichung der Winkel anfangen. Allein er nimmt Winkel, Seite und Figur auf ein-

|| 24 Ebd., § 11. 25 Ebd., § 12. 26 Vgl. Euklid: Elementorum Euclidis Libri XV ad Graeci contextus fidem recensiti et ad usum tironum accommodati. Leipzig 1743. 27 Siehe z. B. § 156 und § 692 der Dianoiologie in Lambert: Neues Organon (s. Anm. 23).

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mal, und statt eines Lehrsatzes fängt er mit einer Aufgabe an. Wie, dachte ich, muss nicht die Theorie vorgehen, ehe man zur Ausübung schreitet?28

Auf Grund dieser Verwunderung unterscheidet Lambert die bloß praktischen von den theoretischen Sätzen.29 Die ersten seien in mehrerer Hinsicht den zweiten übergeordnet. Die Postulate sollen als rein praktische Sätze gesehen werden, welche als Bedingungen der Möglichkeit aller theoretischen Definitionen und Erklärungen gelten. Sie – so liest man am Anfang der Architectonic, in § 12 – stellen »allgemeine, unbedingte und für sich gedenkbare, oder einfache Möglichkeiten, oder Thunlichkeiten« vor. Postulate können vor allem nach Lambert aus keiner Definition oder Erklärung hergeleitet werden. Hierin offenbart sich der oben erwähnte entscheidende Fehler Wolffs: »Die Euclidische Methode [ist] von der Wolfischen […] darinn verschieden, dass was man nach der letzteren als Grundsätze aus den Definitionen herleitete, nach der erstern solche Sätze sind, die der Definition bereits vorgehen, und aus welchen die Definition gebildet und erwiesen wird«.30 Die Postulate allein geben die unbedingte, erste und allgemeine Möglichkeit als Tunlichkeit und Machbarkeit von etwas (Figur, Ding oder Begriff) an: »So widerlegt [Euklid] jeden, der ihm die allgemeine Möglichkeit eines gleichseitigen Triangels in Zweifel ziehen wollte, dadurch, dass er zeigt, wie man denselben machen könne«.31 Euklid zeigt in der Tat die Möglichkeit der geometrischen Figuren, indem er nur den modus zeigt, in dem man sie machen bzw. zeichnen kann. Seine Postulate haben die Form von praktischen Aufgaben,32 welche – als reine Handlungen bzw. Konstruktionen des Subjekts – in keiner Weise von der Erfahrung abhängig sind: »Die wissenschaftliche Erkenntniß soll dienen, Erfahrungen überflüssig zu machen, und folglich das, was man noch erst erfahren müsste, voraus zu bestimmen«.33 Zusammenfassend: Wolff habe die richtige Bedeutung des Begriffs »Postulat« gar nicht begriffen und daher auch die ganze euklidische Geometrie und die (in Euklids Elementen so gut dargestellte) Methode der Mathematik nicht verstanden; er

|| 28 Johann Heinrich Lambert: Abhandlung vom Criterium veritatis [1761]. Hg. von Karl Bopp. Berlin 1915, § 79. 29 Vgl. Lambert: Neues Organon (s. Anm. 23) 1, Dianoiologie, §§ 155ff. und 2, Alethiologie, § 243. 30 Lambert: Architectonic (s. Anm. 3), § 23. Vgl. auch die § 22 und §§ 77ff. in Lambert: Neues Organon (s. Anm. 23) 1, Dianoiologie, § 695 und § 696 und die Briefe an Kant im Briefwechsel (LPS 9.1, S. 338 und S. 348. 31 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 23), 1, Dianoiologie, § 692. Außerdem ebd., §§ 692ff., 2, Alethiologie, §§ 124, 128, 203, 242, 243, 246, 248, 249; ders.: Architectonic (s. Anm. 3), §§ 12, 13, 19, 20, 76, 114, 118, 122, 123 und ders.: Briefwechsel (s. Anm. 30), S. 348. 32 Man beachte dazu Lambert: Neues Organon (s. Anm. 23), 1, Dianoiologie, § 156, §§ 528ff., § 615, 2, Alethiologie, § 243; ders.: Architectonic (s. Anm. 3), § 12 und § 18, und ders.: Über die Methode die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen [1763]. Hg. von Karl Bopp. Berlin 1918, § 89. 33 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 23), § 678. Vgl. aber auch ebd., § 606.

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habe also den praktischen Teil der Wissenschaften vollkommen vernachlässigt bzw. nur im Hinblick auf eine Theorie des Guten und des Bösen (d. h. innerhalb der Moralphilosophie) thematisiert. Er sei somit fundamental nicht in der Lage gewesen, die Methode der Philosophie tatsächlich neu zu begründen, wie er sich vorgenommen hatte.34 Die Einschränkung des Begriffs der Möglichkeit auf die Nicht-Widersprüchlichkeit sei die direkte Konsequenz der philosophischen (im Sinne von methodologischen) Blindheit des alten Meisters: Wolf konnte endlich Schlüsse zusammen hängen und Folgen ziehen, und dabey schob er alle Schwürigkeiten in die Definitionen. Er zeigte wie man fortgehen könne: aber wie man anfangen sollte das war ihm nicht recht bekannt. Definitionen sind nicht der Anfang, sondern das was man nothwendig voraus wissen muß, um die Definition zu machen.35

Die Nicht-Widersprüchlichkeit einer Definition sei nach Lambert weder ein ursprüngliches noch ein positives, sondern ein eher abgeleitetes und bloß negatives Merkmal des Möglichen.36 Erst die »einfachen Begriffe«, welche er ausführlich im ersten Teil der Architectonic darstellt und welche selbstverständlich (als keine innere Teile enthaltend) nicht widersprüchlich sein können, definieren in ihren Grundsätzen und Postulaten die erste Anlage zu einer positiven Definition der Möglichkeit: »Ein einfacher Begriff ist […] an sich schon und dadurch möglich, weil er einfach ist; und so viele einfache Begriffe es giebt, so viele positive Möglichkeiten hat man, ohne daß man sie ferner beweisen müßte«.37 Die Einfachheit garantiere hier die Möglichkeit im Sinne ihrer Gedenkbarkeit. Dementsprechend machen solche Begriffe den Anfang der Grundlehre aus und somit jeder Ontologie, die sich als wissenschaftlich verstehen will.38 Man kann nämlich leicht sehen, dass alle diese Begriffe »Postulata angeben, und eben so viele Quellen von positiven, einfachen und unbedingten Möglichkeiten sind, von welchen man Data in Menge hernehmen kann, imgleichen daß die Grundsätze, wodurch die Möglichkeiten bei den Zusammensetzungen eingeschränket werden, ebenfalls von den einfachen Begriffen selbst an die Hand gegeben werden«.39 Die Frage, die wir uns aus einer strikt modalen Perspektive stellen sollen, ist die folgende: Inwiefern sind diese zwei getrennten und unterschiedlichen Formen der

|| 34 Vgl. dazu Lambert: Architectonic (s. Anm. 3), §§ 13, 15, 18, 22, 23; ders.: Criterium veritatis (s. Anm. 28), §§ 50ff. und § 79. 35 Entwurf eines Briefs an Kant vom 13. November 1765, AA XIII, S. 29; Lambert: Briefwechsel (s. Anm. 30), S. 337f. 36 Vgl. Lambert: Architectonic (s. Anm. 3), § 243. 37 Ebd., § 19. 38 Vgl. ebd., § 45. 39 Ebd., § 114.

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»Möglichkeit« (der einfachen Begriffe einerseits und der Postulate andererseits) doch kompatibel? Wie soll man ihr Verhältnis verstehen? Man beachte in dem Sinne, dass eine gewisse Zufälligkeit bzw. Willkürlichkeit von Anfang an die Definition der systematischen Grundlage der Ontologie bei Lambert prägt. Die Postulate geben zwar »allgemeine Möglichkeiten« an.40 Oder besser: Sie bestimmen genau und notwendigerweise die Möglichkeit selbst der Entwicklung und der Zusammensetzung der Begriffe a priori. Diese Begriffe sind aber in einer gewissen Weise nicht notwendigerweise gegeben, sondern zufällig da. So können wir etwa die einfachen Begriffe aufsuchen und abzählen, darauf sich unsere ganze Erkenntnis gründet. Allein es können uns viele eben so fehlen, wie den Blinden die Begriffe der Farben, und damit bleibt zugleich auch in der Combination der einfachen Begriffe alles weg, was von solchen uns etwann fehlenden Begriffen abhängt, weil wir nur die combinieren und mit einander vergleichen können, die wir wirklich haben, oder zu deren Vorstellung die menschliche Natur eingerichtet ist.41

Es geht also bei der Bestimmung der sogenannten Begriffe a priori schließlich um die Natur des Menschen selbst. John Locke ist dementsprechend laut Lambert der Philosoph gewesen, der diese Begriffe am besten definiert und klassifiziert hat: Er nahm unsere Erkenntniß, so wie sie ist, vor sich, trennete darinn das Abstracte, und eben daher bloß symbolische von dem, was wirklich Begriff und klare Vorstellung heißt, und beobachtete, welchen Sinnen und Empfindungen wir jede Arten von Begriffen zu danken haben, und welche aus vermischten Empfindungen entstehen? Die Einfachen sonderte er von den übrigen aus, und brachte sie in gewisse Classen.42

Es ist nun klar, dass für Lambert die mathematische Ordnung der Bildung und der Verbindung der Begriffe a priori der Grundlehre keineswegs willkürlich oder zufällig ist. Nichtdestotrotz stützt sich die Grundwissenschaft notwendigerweise auf zufällig aufgefasste Begriffe. Denn die Gesetze des Denkens in ihrer mathematischen Notwendigkeit lassen von Anfang an unbestimmt, mit welchen Begriffen man überhaupt anzufangen hat. Die zwei Bedeutungen der Möglichkeit, die Lambert unter Punkt 2 zusammenfasst (der einfachen Begriffe und der Postulate), drücken somit am besten einen konstitutiven und fundamentalen Kontrast innerhalb der Architectonic aus: den Kontrast zwischen der notwendigen Form der Ontologie und der zufälligen Materie derselben. Die Möglichkeit in ihrer doppelten Definition verbindet also zunächst Zufälligkeit und Notwendigkeit.

|| 40 Ebd., § 76. 41 Ebd., § 35. 42 Ebd., § 9.

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3.2 Die metaphysische Möglichkeit (zu 1.3 und 1.4) Beide Schemata der Einteilung der Formen der Möglichkeit, die wir hier in Betracht gezogen haben, die Vierteilung in § 281 und die Dreiteilung (ohne explizite Einbeziehung der »einfachen Begriffe« und der »Postulata«) in § 288, beschreiben den Übergang von einer logischen zu einer metaphysischen Auffassung des Möglichen. Also von Punkt 1°/2° zu Punkt 3°/4° nach § 281. Um diesen Übergang zu begreifen, müssen wir zunächst Folgendes festhalten: Der Begriff der »Zufälligkeit«, der eine wichtige Funktion in der Definition der metaphysischen Möglichkeit (in Punkt 3°) übernimmt, ist ein ganz anderer als der, den wir gerade in Bezug auf die »Willkürlichkeit« der einfachen Begriffe beschrieben haben (in Punkt 2°). Im Grunde versteht Lambert in 3° unter »Zufälligkeit« genau das gleiche wie schon Christian Wolff und die meisten Philosophen der Wolffischen Tradition. »Zufällig« sei vor allem das »hypothetisch Notwendige«. Es lohnt sich in dem Sinne (in einer quasi entgegengesetzten Bewegung als in der vorherigen Sektion, in der ich die Distanz von Lambert zu Wolff betont habe), die Definition von »Zufälligkeit« und »Notwendigkeit« bei Wolff und in seiner Schule in Betracht zu nehmen. Notwendig ist für Wolff alles, was nicht anders sein kann. Zufällig sei eher das, dessen Gegenteil möglich ist. Der Grund der Zufälligkeit ist daher für Wolff gar nicht – wie auch nicht bei Lambert – im arbitrium, im blinden Zufall oder in der Freiheit des Menschen zu suchen. Freiheit und arbitrium wurden von einer ganz anderen Tradition von Denkern mit dem Begriff der Zufälligkeit verbunden. Zu dieser Tradition gehören Philosophen wie zum Beispiel Jahn Le Clerc (vor Wolff) oder Christian August Crusius (nach Wolff).43 Sicherlich aber nicht Wolff und auch nicht Lambert. Zufällig sind im Grunde für Wolff wie auch für Lambert alle Dinge, soweit sie nicht notwendig sind, also nicht unveränderlich, da das Notwendige für beide Philosophen zugleich unveränderlich (immutabile) ist.44 Die mutabilitas sei in dem

|| 43 Jahn Le Clerc: Opera philosophica in quatuor volumina digesta. Amsterdam 1700‒1704 schreibt in der Ontologia von 1700 z. B., dass »Libertatem, esse Contingentiae fundamentum, ut non possit poni Libertas, quin Contingentia agnoscatur. Vice versa, non potest agnosci Contingentia, quin admittatur Libertas« (ebd., XIII, S. 23). Fast 50 Jahre später behauptet Crusius im Entwurf, dass »wenn nicht alles nothwendig seyn soll, so muß es freywirckende Ursache geben« (Randtitel in Christian August Crusius: Entwurf der nothwendigen Vernunft-Wahrheiten, wiefern sie den zufälligen entgegen gesetzet werden. Leipzig 1745, § 129). Das war offensichtlich gegen Wolff gerichtet. Dieser hatte aber schon klargestellt: »principium contingentiae esse rebus intrinsecum, nec eas demum contingentes fieri per decretum, quo causa libera actum earundem determinat« (Christian Wolff: De differentia nexus rerum sapientis et fatalis necessitatis, nec non Harmoniae prestabilitae et hypothesium Spinosae luculenta Commentatio, in qua simul genuina Dei existentiam demonstrandi ratio expenditur et multa religionis naturali capita illustrantur. Halle 1723, WGW II.9, § 9, S. 26). 44 Unveränderlichkeit lässt sich nämlich auch als die Unmöglichkeit des Gegenteils definieren; Le Clerc: Opera philosophica (s. Anm. 43); Christian Wolff: Philosophia prima, sive ontologia, methodo

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Sinne eher ein Kennzeichen der Zufälligkeit. Die Existenz aller materiellen Dinge ist also immer zufällig. Sie ist aber zugleich interessanterweise notwendig. Alles, was passiert, hat nämlich einen rationalen Grund und kann daher zugleich als zufällig und als notwendig angenommen werden: nicht aber als »absolute«, sondern nur als »hypothetisch notwendig«. Jeder Versuch, die necessitas von der contingentia zu trennen, scheitert also bei Wolff wie auch bei Lambert an der Identität selbst von »Zufälligkeit« und »hypothetische Notwendigkeit«. In Wolffs Worten: »Quod hypothetice necessarium est, in se contingens est«.45 Der Unterschied zwischen »notwendig« und »zufällig« müsse daher schließlich für beide Philosophen auf den anderen Unterschied zwischen »absolut« und »relativ notwendig« oder noch besser auf die Identität selbst des »relativ Notwendigen« mit dem »Zufälligen« reduziert werden. Diese Identität wird jedoch von Lambert etwas anders, inhaltlich viel präziser, als bei Wolff beschrieben. Im neunten Hauptstück des zweiten Teils der Architectonic stellt Lambert die »Grade der Zufälligkeit« und die »Grade der hypothetischen Notwendigkeit« direkt in Verbindung miteinander. Ein jedes Ding bzw. ein jedes Ereignis sei nun je zufälliger, desto geringer die Kräfte sind, die es (das Ding / das Ereignis) ändern oder modifizieren können. Die Grade der hypothetischen Notwendigkeit seien dementsprechend desto größer, je stärker die Kräfte zur Bewirkung einer Veränderung sein müssen.46 Die Kraft bekommt eine ganz zentrale Funktion als »Grundlage zu der Möglichkeit der Veränderungen«, als »Grundlage zu allem nicht schlechthin Nothwendigen« und somit als Grundlage der Definition der Zufälligkeit selbst.47 Ausgerechnet dieser Begriff (»Kraft«) in seiner metaphysischen Auffassung ermöglicht den Übergang von der bloß logischen Möglichkeit, die Lambert mit der absoluten (weil unveränderlichen) Notwendigkeit der einfachen Begriffe und der Postulata assoziiert, zur metaphysischen Möglichkeit, die er dagegen konstitutiv und immer wieder mit einer hypothetischen Notwendigkeit bzw. mit einer Zufälligkeit verbindet.

|| scientifica pertractata, qua omnis cogitationis humanae principia continetur [1730]. Frankfurt a. M., Leipzig 21736, WGW II.3, §§ 292f. und ders: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, den Liebhabern der Wahrheit mitgetheilet [1720]. Neue Auflage hin und wieder vermehrt. Halle 1751, WGW I.2, §§ 39–42. 45 Le Clerc: Opera philosophica (s. Anm. 43); Wolff: Ontologia (s. Anm. 44), § 318. »Sola necessitas absoluta contingentiae repugnat, seu contingentiam tollit; hypothetica non item« (ebd., § 319). »La nécessité hypothétique« – kommentiert École – »loin de s’opposer à la contingence comme la nécessité absolue, ne fait qu’un avec elle, car l’existence n’appartient pas à l’être contingent en vertu de son essence, et lorsqu’il commence d’exister, elle n’en reste pas moins hypothétiquement nécessaire« (Jean École: La métaphysique de Christian Wolff. 2 Bde. Hildesheim 1990, S. 176). 46 Lambert: Architectonic (s. Anm. 3), § 283. 47 Ebd., § 282.

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Es lohnt sich in diesem Sinne, diesen fundamentalen Übergang des Logischen in das Metaphysische zum Beispiel in § 102 (aus dem dritten Hauptstück des ersten Teils der Architectonic) unmittelbar nach der Auflistung und Darstellung aller Postulate der »Einheit«, des »Raumes«, der »Dauer«, der »Bewegung«, der »Solidität« und »Kraft« näher zu betrachten. Hier schreibt Lambert unter anderem Folgendes: Man sieht leicht, daß diese Postulata Möglichkeiten an sich betrachtet angeben, und daß sie eben dadurch allgemein und unbedingt sind. Wir können sie allerdings nicht so unbedingt anwenden, weil wir unsere Kräfte und die Welt nehmen müssen, wie sie bereits schon ist. [...] die Kraft, so transcendent wir diesen Begriff nehmen [und »transcendent« heißt bei Lambert ausgerechnet der Begriff, der eine logische Wahrheit in eine metaphysische verwandelt], [die Kraft also ist] die eigentliche Grundlage zu jeden Verbindungen, Verhältnißen, Bestimmungen, Zusammensetzungen, positiven Möglichkeiten, etc. sowohl der Intellectualwelt, als der Körperwelt.48

Ohne die Kräfte und das damit verbundene Solide fällt jede Existenz und vor allem die Möglichkeit selbst zu existieren (und somit jede metaphysische Wahrheit) aus. Der fundamentale Grundsatz der Existenz: »Ohne Solides und Kräfte [...] existirt nichts«49 gilt also hier als Grundlage der Definition jeder positiven, aktiven also metaphysischen Möglichkeit: »Was etwas kann (active), hat eine Kraft, und hinwiederum«.50 Somit beschreibt Lambert den Übergang von der Möglichkeit als erster Eigenschaft der einfachen Begriffe und der Postulate in der absoluten Notwendigkeit einer Setzung (in Punkt 2°) zu der Möglichkeit als realer Konsequenz der Kraft in der Bestimmung einer hypothetischen Notwendigkeit (in Punkt 3°). Der ganze Teil III der Architectonic basiert auf dieser in Teil II entwickelten »transcendenten« (also zugleich logischen und metaphysischen) Auffassung der Kraft, welche von fundamentaler Wichtigkeit ist, um alle Formen von Verbindungen, realen Verhältnissen, Zusammensetzungen und, in einem Wort, »positiven Möglichkeiten« zu definieren.51

4 Schluss Lamberts Definition des Begriffs der »Möglichkeit« erweist sich vor allem deswegen als eine besonders wertvolle, da sie eine einfache, eminent praktische Auffassung des Möglichen selbst (»möglich« ist das, was man machen kann) mit der Neubestimmung sämtlicher Begriffe der Modalität in einer neuen Definition der Grundlage

|| 48 Ebd., § 102. 49 Ebd., § 103. 50 Ebd., § 298. 51 Vgl. ebd., § 372.

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der Logik und der Metaphysik verbindet. Das Ende dieser Ausarbeitung kann dementsprechend weniger die Form eines »Schlusses« haben, als eher auf weitere Aspekte dieser eminent modalen Gestaltung des philosophischen Diskurses bei Lambert hinweisen, was ich nun in Form von drei etwas rhapsodischen und offenen Anmerkungen tun werde. 1. Anmerkung. Die entgegengesetzten Begriffe des »blinden Zufalls«, welche ein Maximum an Zufälligkeit ausdrückt, und der »fatalen Notwendigkeit«, welcher ein Minimum an Zufälligkeit ausdrückt, sind für Lambert bloß symbolische Begriffe. Sie bedeuten nichts an sich, sondern nur etwas für uns (in unserer Sprache). Der Zufall sei in dem Sinne ein bloß subjektiver Begriff, welcher konstitutiv mit unserer Unfähigkeit bzw. mit unserer begrenzten Fähigkeit verbunden bleibt, Gründe und Folgen in den Ereignissen zu erkennen.52 Alles ist für uns mehr oder weniger zufällig. Alles ist aber gleichzeitig auch für uns mehr oder weniger notwendig und allgemeingültig. Auf einem eminent epistemischen Niveau sind wir also zugleich mit Formen des Zufalls und mit Formen der (absoluten oder hypothetischen) Notwendigkeit konfrontiert. Einerseits können wir bzw. müssen wir »das an sich Nothwenige, wie es in der Vernunftlehre, Meßkunst, Chronometrie, Phoronomie, usw. geschieht, a priori herausbringen«53 und Gesetze des Realen nach der einzig möglichen (nämlich mathematischen) Methode der Erkenntnis festlegen. Andererseits lassen sich Begebenheiten und Geschehnisse der Welt nur a posteriori (nicht a priori) erfahren und der Traum einer perfekten (mathematischen) Bestimmung des Realen bleibt unerreichbar.54 2. Anmerkung. Wollen wir die Möglichkeit aus einer ganz anderen Perspektive betrachten und sie eher auf der Basis einer Fraktionierung der Grade der Existenz in der Definition der Wahrscheinlichkeit neu definieren, dann sollen wir zunächst – laut Lambert – eine doppelte Abstraktion in unserer Betrachtung des Realen üben. Diese doppele Abstraktion besteht einerseits in der Abschaffung aller Formen von Gesetzen, nach welchen die Dinge auf einander folgen, andererseits in der konsequenten (und genauso künstlichen) Bestimmung aller möglichen Ereignisse als gleich möglich. Das kann sich selbstverständlich nur aus einer symbolischen, d. h. subjektiven und vor allem abstrakten Perspektive ereignen. Wir können uns demnach so verhalten, als ob wir nichts wüssten und gar keine Gründe oder Folgen bestimmen könnten. »Diese gleiche Möglichkeit« zieht, in Lamberts Worten, »ein absolutes Nicht Voraus-wissen« nach sich.55 Einmal das Wissen aufgehoben, können wir Ereignisse, die an sich wohl (nicht aber für uns) notwendig determiniert bleiben – wie die numerische Bestimmung einer gewissen Ziffer (die hundertste

|| 52 Vgl. ebd., § 311. 53 Ebd., § 285:2. 54 Vgl. ebd., § 317. 55 Ebd., § 324.

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zum Beispiel) in der mathematischen Berechnung der Quadratwurzel von 2 (√2 = 1.41421356237…) oder das physikalische Ereignis eines oder mehrerer Würfelwurfe – in ihren möglichen Ordnungsstrukturen durch die Bestimmung der Grade der Wahrscheinlichkeit mathematisch berechnen. In dem Sinne könne auch die Möglichkeit als Wahrscheinlichkeit mathematisch bestimmt werden. Diese Überlegungen sollten aber im Zusammenhang mit dem thematisch entsprechenden fünften Hauptstück der Phänomenologie oder Lehre von dem Schein vertieft werden,56 in dessen artikulierter Klassifikation und inhaltlicher Untersuchung Lambert sowohl von physikalischen Gesetzen unterschiedlich abstrahiert (in der Feststellung von Wahrscheinlichkeiten bei Glücksspielen, in der statistischen Berechnung des Wahrscheinlichen auf Basis von vorliegenden Fällen bzw. Resultaten, in der Bestimmung der Wahrscheinlichkeit nach rein logischen Schlüssen und auf Grund von Zeugen in der Rekonstruktion der historischen Vergangenheit), als auch nicht abstrahiert (in der dortigen Bestimmung der Wahrscheinlichkeit von künftigen Ereignissen auf Grund von physikalischen Folgen).57 3. Anmerkung. Im Übergang von der Bestimmung der logischen Wahrheit zu derjenigen der metaphysischen legt Lambert das Prinzip fest, dass es »schlechterdings unmöglich [ist], daß nichts existire«.58 Also respektive: »daß die Existenz nicht ein Prädikat ohne Subjekt seyn könne […], daß das, was existirt, oder soll existiren können, ein wahres Etwas seyn müsse, und so auch, daß ein wahres etwas wirklich existire, weil wenn nichts existirt, schlechthin nichts existiren kann«.59 Dieses Primat des Wirklichen über dem Möglichen gilt interessanterweise nicht nur für alle metaphysischen Wahrheiten. Mehrmals behauptet Lambert, dass selbst »das Reich der logischen Wahrheit ohne die metaphysische Wahrheit [zwar] ein leerer Traum [wäre;] ohne ein existierndes Suppositum intelligens [aber] auch nicht ein Traum [wäre]«.60 Selbst in der Gedenkbarkeit muss eine metaphysische Wahrheit sein, und zwar nicht nur in Ansehung der konkreten (denkbaren) Dinge, sondern auch und vor allem im Sinne der Existenz eines überhaupt denkenden Wesens,61 im Sinne also »der absoluten Nothwendigkeit eines ewigen unveränderlichen Suppositi intelligentis«, wie Lambert noch am Ende vom § 313 behauptet. Hiermit öffnet sich das interessante Feld einer breiten metaphysischen und theologischen Spekulation, die auch auf einer Reflexion über die Modalbegriffe der Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit basiert. Wir kennen die Diskussion über dieses Argument vor allem

|| 56 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 23), 4, §§ 149–265. 57 Vgl. ebd., 4, Phänomenologie, §§ 162–164. 58 Lambert: Architectonic (s. Anm. 3), § 288. 59 Ebd., § 304. 60 Ebd., § 299. 61 Ebd., § 300.

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aus den vielen Kommentaren und Zusammenfassungen von Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseyns Gottes von Immanuel Kant.

Martin Hammer

Lamberts Theorie der Termini Infiniti Als Eduard von Hartmann Kants Kategorientafel zu rekonstruieren versuchte, unterlief ihm ein fataler Fehler. Fatal, weil er sich in der Behandlung der unendlichen Urteile von Magdalena Aebi bis Albert Menne fortgeschrieben hat. Er fand, dass sich bei Lambert keine unendlichen Urteile finden ließen. Die unendlichen Urteile werden »von Wolff, Baumgarten, Meier und Reimarus zu den bejahenden Urteilen gerechnet, von Thomasius und Lambert aber keiner Erwähnung gewürdigt«.1 Von Hartmann fand die Theorie negativer Prädikate2 bei Lambert nicht, denn Lambert fasste das, was bei Kant als unendliches Urteil auftaucht, als Begriff, als Terminus Infinitus, und redete im Zusammenhang mit solchen negativen Prädikaten sogar von einer eigenen Theorie, der Theorie der Termini Infiniti. Diese sollte allerdings nicht in der Logik, dem Novum Organon, sondern in der Grundlehre, der Anlage zur Architectonic, entfaltet werden. Lambert versucht hier die Eigenständigkeit der negativen Prädikate und ihre ganz spezifische Bedeutung zu bestimmen; ein in der Geschichte der Logik erstmaliges, ungeheuerlich wirkmächtiges Unterfangen; vielleicht gar die Geburtsstunde der modernen Dialektik.3 Die Erwähnung unendlicher Urteile bzw. negativer Prädikate gehörte zum Standardrepertoire der Logiken des 18. Jahrhunderts. In diesen Logiken wurden negative Prädikate erwähnt, um einer Verwechslung vorzubeugen und vor einem Irrtum zu warnen. Es kann zwar scheinen, als handle es sich bei Urteilen mit negativen Prädikaten um Verneinungen, doch in Wahrheit handelt es sich dabei um affirmative Urteile. Das ist der Hauptgrund, aus dem heraus solche negativen Urteils- bzw. Begriffsformen explizit Erwähnung fanden: Es ging dabei darum, die Aufmerksamkeit auf diese Quelle der Verwechslung zu lenken, damit sie nicht geschehen möge. Wenn nicht die Kopula, sondern das Prädikat negiert wird, dann ist das Urteil affirmativ. Dies kann als Standardansicht des 18. Jahrhunderts gelten. Exemplarisch bestimmt Johann August Heinrich Ulrich in seiner Vernunftlehre: Verneinende Sätze sind daher nicht mit solchen zu verwechseln, deren Glieder eine verneinende Determination enthalten (propositionibus infinitis). […] solche Sätze mit verneinenden De-

|| 1 Eduard von Hartmann: Kants Erkenntnistheorie und Metaphysik in den vier Perioden ihrer Entwicklung. Leipzig 1894, S. 153. 2 Als eigenes Merkmal unendlicher Urteile wird bis zu Kant das negative Prädikat angesehen. Erst Maimon befreit die logische Funktion des unendlichen Urteils von diesem äußerlichen oder formalen Merkmal, das auch für Hegel nicht mehr hinreichend ist, da von Maimon wie von Hegel das inhaltliche Kriterium der Absurdität als eigenes Merkmal unendlicher Urteile aufgefasst wird. 3 Unter moderner Dialektik verstehe ich diejenigen Konzeptionen von Dialektik, die sich mit und im Anschluss an Kants Transzendentale Dialektik, von Hegel über Cohen bis zu Adorno, manifestiert haben. https://doi.org/10.1515/9783110647761-005

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terminationen ihrer Glieder sind an sich bejahend, woferne keine andere Verneinung mit dem Bindeworte verknüpft ist.4

In den meisten Logiken und Vernunftlehren ging die Behandlung negativer Prädikate nicht über solch einen Hinweis hinaus. Eine Verneinung muss also die Kopula betreffen, bei verneintem Prädikat bleibt das Urteil affirmativ. Diese Bestimmung findet sich ähnlich in Kants Kritik der reinen Vernunft wieder.5 Die negativen Prädikate wurden zwar in so ziemlich jeder Logik des 18. Jahrhunderts erwähnt, doch war ihre Bedeutung keineswegs einheitlich. So kassiert Georg Friedrich Meier den Unterschied von negativen Prädikaten und Verneinungen, indem er beide Arten für »einerlei« ausgibt: Man kann also mit leichter Mühe ein jedwedes verneinendes Urteil in ein bejahendes verwandeln, wenn man nur die Verneinung von dem Verbindungsbegriff absondert, und sie mit dem Prädikate verbindet. Z. E: wenn ich an statt: Gott ist nicht veränderlich sage, Gott ist unveränderlich. Denn es ist in der Tat einerlei, ob ich einen Begriff von dem Subjekte verneine, oder ob ich das Gegenteil dieses Begriffs von dem Subjekte bejahe.6

Meier begeht hier also durchaus eine solche Verwechslung, vor der Ulrich und andere warnten. Damit befindet sich Meier zumindest im Einklang mit der modernen Logik, denn seit Frege wird die prädikative Negation als äquivalent zur normalen Negation angesehen. Aber auch in Lamberts Syllogistik werden die negativen Prädikate gleichbedeutend mit Negationen interpretiert, wohl um die Widerspruchsfreiheit und Geschlossenheit der aristotelischen Logik nicht zu gefährden. Dass die moderne Logik gar keinen Unterschied zwischen negativen Urteilen und unendlichen Urteilen macht, ist insoweit korrekt, als dass das negative Urteil die implizite Folge eines unendlichen Urteils ist: Aus A ist nicht-B folgt A ist nicht B.7 Das ist der Wahrheitsgehalt der (falschen) Verwandelbarkeit, auf die Meier aufmerksam macht. Doch gerade aufgrund der negativen Folge und der gleichzeitigen affirmativen Form unendlicher Urteile sollte versucht werden, unendliche Urteile von negativen Urteilen zu unterscheiden. Der bloße Hinweis auf die affirmative Form solcher Urteile genügt für eine Unterscheidung nicht, was auch der Grund des beispielhaften Widerspruchs zwischen Meier und Ulrich ist. Nun gelten Logiken des 18. Jahrhunderts als unzeitgemäß. Ihr Verfallsdatum scheint angesichts der Entwicklung der Logik seit Frege abgelaufen zu sein. Frege

|| 4 Johann August Heinrich Ulrich: Erster Umriß einer Anleitung zu den philosophischen Wissenschaften zum Gebrauch der Vorlesungen 1. Bd. Jena 1772, § 48, S. 100f. 5 Vgl. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, B 97. 6 George Friedrich Meier: Vernunftlehre. Halle 1752, § 327, S. 487. 7 Das gilt für Lamberts Logik zumindest bezüglich der Individuen (Einzelnem) und unter Einschränkungen auch für allgemeine Begriffe. Vgl. Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic. Riga 1771, § 261, Nr. 6 und Nr. 8, S. 239.

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akzeptiert nur zwei Urteilsqualitäten, Affirmation und Negation, was konsequent ist, denn er begründet eine formale Logik, die sich an den Satz vom ausgeschlossenen Dritten halten muss. Dennoch ist die Behandlung der Theorie der Termini Infiniti, wie sie Lambert entwickelt hat, nicht nur von rein historischem Interesse, denn sie umreißt einen dritten Weg, der aus dem engen Rahmen der zweiwertigen Logik hinauszuführen vermag. Eine Philosophie, die einen grundsätzlichen Unterschied zwischen drei Qualitäten des Urteils geltend macht, verdient Beachtung, weil sie einen Beitrag zum systematischen Verständnis echter Dreiwertigkeit in der (inhaltlichen) Logik leisten kann.8 Darüber hinaus kann Lamberts Theorie der Termini Infiniti das Verständnis von dem, was seit Kant ›Dialektik‹ genannt wird, vertiefen helfen. Dazu vorweg eine kurze Erläuterung.

1 Die Zweideutigkeit der Negation und die Dialektik Negative Prädikate wurden in den Logiken des 18. Jahrhunderts erwähnt, um eine Verwechslung mit der echten Negation zu vermeiden. Durch negative Prädikate lassen sich, anders ausgedrückt, Scheinverneinungen bilden. Hier ist an Kants Einführung der Logik des Scheins in die Philosophie zu erinnern: Deren Aufgabe ist es bekanntlich nicht nur gewesen, der Vernunft einen ihr immanenten Schein nachzuweisen, sondern wesentlich auch, diesen Schein zu durchschauen. Gerade durch diese Möglichkeit unterscheidet sich Kants Position von einer solchen, wie sie Johann Georg Heinrich Feder vertreten hat, für den der beständige Schein mit der Vernunft oder zumindest mit der Wahrheit zusammenging.9 Die Voraussetzung, einen Schein durchschauen zu können, der durch die Zweideutigkeit der Negation bedingt ist, ist zunächst die Anerkennung dieser Zweideu-

|| 8 Es ist kein Zufall, dass Gotthard Günther, der sein Forscherleben der Entwicklung einer echten dreiwertigen Logik widmete, bereits in seiner Schrift über eine nicht-aristotelische Logik auf die negativen Prädikate implizit zurückgreift, auch wenn er eine explizite Reflexion der unendlichen Urteile unterlässt. Der Versuch der Operationalisierung der Dialektik Hegels ist ohne eine Theorie unendlicher Urteile nicht zu realisieren. Vgl. Martin Hammer: Deduktion und Dialektik. In: Hegels Antwort auf Kant. Hg. von Andreas Arndt u. a. Berlin, Boston 2017, Bd. 1, S. 387–393. 9 »Wisse, daß wenn es eine Unvollkommenheit unserer Natur ist, die Wahrheit nicht in ihrem völligen Licht zu sehen: es Torheit sei, dem stärkern und dauerhafteren Schein nicht nachgeben zu wollen« (Johann Georg Heinrich Feder: Grundriß der philosophischen Wissenschaften nebst der nöthigen Geschichte. Coburg 21769, S. 71). Auch in der Göttinger Rezension der Kritik der reinen Vernunft ist von Feder (und Garve) zu lesen, »daß wir an die stärkste und dauerhafteste Empfindung, oder den stärksten und dauerhaftesten Schein, als an unsere äusserste Realität, uns halten müssen« (Johann Georg Heinrich Feder, Christian Garve: Rezension zu Kants Kritik der reinen Vernunft. In: Zugabe zu den Göttingischen Anzeigen von Gelehrten Sachen, 1782, Bd. 1, 3. Stück, S. 47).

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tigkeit, genauer: der spezifischen Differenz beider Negationsarten. Das klingt trivial, ist aber durchaus nicht gerade im Sinne unserer alltäglichen Denkgewohnheiten, und ist selbst Logikern wie Meier schwer gefallen. Gerade die Auflösung der Antinomien bei Kant ist von der Möglichkeit abhängig, neben der Bejahung und Verneinung einen dritten Fall zu eröffnen. Durch die Studie Kants Denken von einem Dritten von Ishikawa, aber auch durch die Arbeiten von McLaughlin, Malzkorn und Engelhard,10 wurde in der Kantforschung bereits hinreichend deutlich gezeigt, dass die Aufstellung sowie Auflösung der Antinomien wesentlich von der Zweideutigkeit der Negation und damit von der Theorie des unendlichen Urteils abhängig ist. Diese Abhängigkeit liegt darin begründet, dass die scheinbar kontradiktorische Opposition von These und Antithese nur durch eine Reflexion auf die Voraussetzungen aufgeklärt werden kann. Erst dadurch zeigt sich, dass eine Täuschung vorliegt und in Wahrheit das unendliche Urteil und nicht die Negation im Spiel ist. Erst wenn die Antithese als unendliches Urteil aufgefasst wird, kann die scheinbar kontradiktorische Opposition als konträre bzw. subkonträre Opposition erkennbar werden, weil sich dann zwei Bejahungen entgegenstehen, wodurch allererst die Auflösung der Antinomien, etwa durch das Infragestellen impliziter Voraussetzungen, möglich wird.11 Würde der Gegensatz sich nicht als scheinbarer einer Bejahung und Verneinung, der in Wahrheit derjenige von einer Bejahung und einer anderen Bejahung ist, erkennen lassen, so wäre der der Vernunft immanente Schein in der Tat undurchschaubar und Kants Position derjenigen Feders angenähert. Die Auflösung der Antinomien durch die Erkenntnis der Antithesis als unendliches Urteil verwandelt das strenge Entweder-oder von Thesis und Antithesis bei den mathematischen Antinomien in ein Weder-noch, während die dynamischen Antinomien in Wahrheit die Möglichkeit des Sowohl-als-auch eröffnen. Bei den mathematischen Antinomien setzen Thesis und Antithesis zwar denselben Gegenstand der Erkenntnis voraus, den es als solchen allerdings gar nicht gibt, weshalb weder die Thesis noch die Antithesis zutreffen, während bei den dynamischen Antinomien nicht in einerlei Hinsicht gesprochen wird, weshalb sowohl die Thesis als auch die Antithesis als denkmöglich erkannt werden können. Die Termini Infiniti bilden so gesehen die logische Grundlage der von Kant in die Philosophie eingeführten Dialektik. Sie hängen mit dem Weder-noch und dem Sowohl-als-auch zusammen und sind für eine Lehre der logischen, realen und dia|| 10 Peter McLaughlin: Kants Kritik der teleologischen Urteilskraft. Bonn 1989; Wolfgang Malzkorn: Kants Kosmologie-Kritik: eine formale Analyse der Antinomienlehre. Berlin, New York 1999; Kristina Engelhard: Das Einfache und die Materie. Untersuchungen zu Kants Antinomie der Teilung. Berlin, New York 2003. 11 Mit anderen Worten: Die Verwandlung der kontradiktorischen in die konträrere bzw. subkonträre Opposition ist die Bedingung der Möglichkeit der Auflösung der Antinomien, in die sich die reine Vernunft verstrickt.

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lektischen Oppositionen, des Widerspruchs und des Widerstreits relevant. Sie sind die innerlogische Möglichkeit, einen dritten Weg über das zweiwertige Entwederoder hinaus zu eröffnen. Gewissermaßen ist das Entweder-oder die Basis des Verhältnisses von Thesis und Antithesis – während die Synthesis logisch das Weder-noch oder das Sowohl-als auch repräsentiert.

2 Lamberts Theorie der Termini Infiniti im Novum Organon Der systematische Ort der Termini Infiniti befindet sich, wie eingangs erwähnt, eigentlich nicht in der Logik, dem Novum Organon, sondern in der Grundlehre oder Ontologie, der Anlage zur Architectonic. Diese verfasste Lambert vermutlich im selben Jahr wie das Novum Organon, 1764. Im Novum Organon werden die Termini Infiniti das erste Mal in § 89 bei der Behandlung der Einteilungen erwähnt: Hat man zu dem Merkmaal A nur eine Bestimmung B, und man weiß, daß noch eine oder mehr andre seyn können, so läßt es sich allerdings in die Arten eintheilen, welche B sind, und in die, welche nicht B sind. Hiebey bleibt nun unbestimmt, ob diese letztere Klasse nur eine oder mehrere Arten vorstellt, und wie weit sie reiche. Man hat daher eingeführt, das man solche Begriffe, die nur ausschließungsweise bestimmt sind, mit Worten ausgedrückt terminos infinitos nennet. In Absicht auf die Eintheilungen müssen wir noch erinnern, das so wohl B als nicht—B wirkliche Arten seyn müssen. so würde man ungereimt die Triangel in solche eintheilen, die drey Seiten haben, und in solche, die nicht drey Seiten haben. Denn da jeder Triangel nothwendig drey Seiten hat, und eben deswegen ein Triangel ist, so hat diese Eintheilung gar nicht statt. Man kann daher nicht alle Sätze, da man sagt, A ist entweder B oder nicht B, als Eintheilungen ansehen. Denn eine Eintheilung fordert, das beydes sey, oder seyn könne. Nämlich einige A, und zwar nur einige müssen wirklich B, die übrigen nicht B seyn.12

Hier finden sich schon einige grundsätzliche Bestimmungen zumindest angedeutet: − − −

Termini Infiniti haben vermutlich etwas mit dem Anderssein zu tun, denn das Nicht-B wird gebildet, weil »mehr andre seyn können«. Sie eröffnen eine dem Umfang und der inneren Struktur nach unbestimmte begriffliche Sphäre, von der nicht klar ist, wie viele Arten sie umfasst. Termini Infiniti werden ausschließungsweise bestimmt: Durch die Anwendung der Negation als Entgegensetzung zu einem Bekannten (B) wird eine neue begriffliche Sphäre (nicht-B) durch Ausschließung (von B) eröffnet. Diese begriff-

|| 12 Johann Heinrich Lambert: Novum Organon. Leipzig 1764, § 89, S. 56f.; Hervorhebungen M.H.

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liche Sphäre ist das Produkt einer positiven Funktion der Negation – der Grenze. Termini Infiniti kommen beim Entweder-oder vor, was bedeutet, dass sie bei den Einteilungen vorkommen. Sie hängen deshalb mit den disjunktiven Urteilen aufs engste zusammen. Hier ist zu bemerken, dass eine der vielen Neuigkeiten des Novum Organons für die Logik Lamberts Theorien der Einteilungen ist, die in den Logiken des 18. Jahrhunderts vernachlässigt wurden.13

Die Anmerkung Lamberts, dass es sich sowohl bei B als auch bei nicht-B um wirkliche Arten handeln muss, betrifft einen inhaltlichen Aspekt. Die Verwendung des negativen Prädikats nicht-B setzt voraus, dass es wirklich gibt, was durch diesen Begriff der Sache nach behauptet wird. Lamberts Theorie der Fragen, die es nicht gibt bzw. die wegfallen, bzw. der Einteilungen, die nicht statt haben, basiert auf der Theorie der Termini Infiniti. Der Zusammenhang zu Kants Antinomien sollte zumindest anklingen. In Lamberts Terminologie sind die mathematischen Antinomien solche, bei denen die Frage wegfällt bzw. gar nicht vorkommt – ist die Welt gar keine gegebene Größe, so ist die Frage, ob eine solche Größe endlich oder nichtendlich sei, absurd. Die nächste Bestimmung der Termini Infiniti kommt bei den disjunktiven Urteilen vor und betrifft daher die Einteilungen. Während die sichere Vollständigkeit einer polytomen bzw. empirischen Einteilung schwierig festzustellen ist, ist die Vollständigkeit der logischen Division ganz leicht über die Termini Infiniti herzustellen. Der Satz: A ist entweder B oder C, fordert, das A weder B und C zugleich, noch keines von beyden seyn könne. Ersteres wird erhalten, so bald man sagen kann: Kein B ist C. Denn daraus folgt, daß wenn A, B ist, es nicht C sey, und hinwiederum, wenn es C ist, es nicht B sey. Dieses geht nun allemal an, wenn B und C Arten einer Gattung sind, und diese nicht mehrere Arten unter sich hat. Denn so schließen B und C einander aus. Das andre wird erhalten, wenn A unter diese Gattung gehört; denn so muß es nothwendig unter die eine oder die andre ihrer Arten gehören. Beydes geht ferner allemal an, wenn C ein Terminus infinitus von B ist. Denn so läßt sich immer sagen: A ist entweder B, oder es ist nicht B, weil eines von beyden immer seyn muß, so bald von einerley A die Rede ist.14

Dadurch, dass C ein Terminus Infinitus von B sein kann, zeigt sich, dass Lambert die negativen Prädikate als logische Struktur versteht, bei der als Merkmal keineswegs das Verneinungswort notwendig ist, denn nicht-B ist C lässt sich einfach defi-

|| 13 Ebenso ist hier Lamberts Theorie der Fragen zu erwähnen, die Lambert aus seinem gegen Wolffs Interpretation gerichteten Verständnis der Methode Euklids entwickelt; eine Methode, die damals als Prototyp für die Wissenschaften galt. Vgl. zur Kritik an Wolffs Euklidverständnis Lambert: Anlage zur Architectonic (s. Anm. 7), §§ 11–23, S. 8–20. 14 Lambert: Novum Organon (s. Anm. 12), § 134, S. 86.

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nieren, wodurch in solchen Fällen C ein Terminus Infinitus ist, der als solcher aber nicht im Worte erscheint. Hier zeigt sich, dass zumindest ein Aspekt der Verbesserung der unendlichen Urteile Kants durch Maimon der Sache nach schon bei Kants Quelle dieser Urteilsstruktur angelegt ist. Maimon sieht einen Vorteil seiner Art, unendliche Urteile aufzufassen, darin, dass er nicht mehr auf die Negation des Prädikates angewiesen ist. Maimon kann auf die Anwesenheit des Partikels »nicht« verzichten und dennoch, aufgrund einer funktionalen Auffassung unendlicher Urteile, die Eigenständigkeit unendlicher Urteile behaupten. »Die unendlichen Urteile werden also nicht, wie bisher von allen Logikern geschehen ist, von den verneinenden bloß dem Zeichen nach (das man das Zeichen der Verneinung von der Kopula auf das Prädikat schiebt), sondern wesentlich unterschieden.«15 Dem Zitat Lamberts lässt sich noch mehr entnehmen: −





Das negative Prädikat (nicht-B) schließt sein Anderes (B) vollständig aus: Was das Eine ist, kann niemals das Andere sein und vice versa. Diese Eigenschaft negativer Prädikate macht sie für die Theorie des Widerspruchs unabdingbar. Die Formulierung disjunktiver Urteile vermittels negativer Prädikate sichert die Vollständigkeit der Einteilung ab. Dies ist möglich, weil nicht mehrere Glieder vorkommen können, die vergessen werden könnten, wie etwa bei einer empirischen (bzw. polytomen) Einteilung, weil alle möglichen Glieder, die nicht B sind, mit dem Terminus Infinitus nicht-B (ein Wort) erfasst wurden. Nicht-B (=C) ist so gesehen die Gesamtheit der Nebenarten von B. Der letzte Satz des Zitats zeigt an, dass jedem mit sich selbst identischen Etwas immer entweder das Prädikat B oder dessen Terminus Infinitus nicht-B zukommen muss. Dies verweist auf die Individuen bzw. auf das, was Kant als transzendentales Ideal, als Grundsatz der durchgängigen Bestimmung, ausweist. Dies ist ein Prinzip inhaltlicher Logik.16

Die nächste Erwähnung der Termini Infiniti findet sich aus Anlass der Behandlung der Umkehrung, die Lambert auch Verwechslung nennt. Partikular verneinende Urteile lassen sich nur dann umkehren, wenn »man die Verneinung dem Prädicat beylegt und daher aus diesem einen Terminum Infinitium macht.«17 Und wenn man

|| 15 Salomon Maimon: Die Kathegorien des Aristoteles. In: ders.: Gesammelte Werke. Hg. von Valerio Verra. Hildesheim 2000, Bd. 6, S. 207. Inwiefern Maimons Neuerungen in der Theorie des unendlichen Urteils bereits von Lambert erfasst wurden, wird am Ende von Abschnitt 3 erneut thematisiert. 16 Auch bei Kant ist die durchgängige Bestimmung mit den unendlichen Urteilen aufs engste verwoben, vgl. Kant: Kritik der reinen Vernunft, B 97f. und B 600f. 17 Lambert: Novum Organon (s. Anm. 12), § 141, S. 92.

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aus dem »Prädicat eines allgemein bejahenden Satzes einen Terminum Infinitum« macht, dann kann man »das Subject allgemein von ihm verneinen«.18 Dies erläutert Lambert durch die Implikation: »Denn so folgt aus dem Satz: Alle A sind B, der Satz: Was nicht B ist, ist auch nicht A, oder kein nicht B ist A.«19 Dabei warnt Lambert: »Diese Verwandlung eben so, wie die von den particularverneinenden Sätzen lassen aber im strengsten Verstande die beyden Begriffe des Satzes nicht wie sie sind, wie es bey der Umkehrung erfordert wird. Man kann sie demnach eigentlich nicht umgekehrte Sätze nennen.«20 Hier zeigt sich Lamberts Logik in Opposition zu derjenigen von Meier, für den derartige Umkehrungen durchaus statthaft wären, weil sich für ihn durch die Verwandlung in negative Prädikate der Begriff nicht wesentlich verändert. Die Termini Infiniti dienen Lambert zufolge außerdem bei der Einführung von Begriffen: Denn da wir die Vordersätze haben müssen, ehe wir den Schlußsatz ziehen können, so gehen die Vordersätze dem Schlußatz vor, und dieses heißt demnach allerdings a priori gehen. Hingegen, wenn wir die Vordersätze nicht haben, oder uns derselben nicht zugleich bewußt sind, um den Schlußsatz ziehen zu können, so haben wir kein ander Mittel, als die Erfahrung, welche uns jeden Satz gleichsam als für sich subsistierend vorstellt, (§. 605.) und wir müssen es, um den Satz zu wissen, auf die Erfahrung ankommen lassen. Da nun dieses nicht a priori ist, so hat man es a posteriori genennt, und dadurch aus diesem letztern Begriffe einen Terminum infinitum (§. 89.) gemacht.21

Lambert bestimmt also a posteriori als das Andere des a priori. Der Terminus Infinitus bedeutet in diesem Sinne bestimmtes Anderssein. Im Novum Organon bestimmt Lambert die Termini Infiniti nicht weiter.

|| 18 Ebd., § 142, S. 92. 19 Ebd. 20 Ebd. 21 Ebd., § 636, S. 413. In der Anlage zur Architectonic (s. Anm. 7) wird die Beziehung von a priori und a posteriori in § 243 noch einmal thematisiert. Die einfachen Begriffe sind für sich gedenkbar und können gerade deshalb keinen Widerspruch enthalten, weil sie einfach sind, weshalb sie »die Anlage zu den positiven Möglichkeiten« geben. Diese gleichsam architektonische Grundlage der einfachen Begriffe zu positiven Möglichkeiten ist a priori, ihr entgegengesetzter Terminus Infinitus ist das a posteriori als Schluss vom Wirklichen auf das Mögliche: Was Wirklich ist, muss möglich sein.

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3 Lamberts Widerspruchstheorie und der Satz vom ausgeschlossenen Dritten In den Anlagen zur Architektonik bildet das 7. Hauptstück vom Seyn und Nicht seyn die Grundlage der Theorie der Termini Infiniti, die dann im 8. Hauptstück vom Etwas seyn und Nichts seyn entfaltet wird. Der Satz des Widerspruchs betrifft »eigentlich das Bindewörtchen der Sätze […], welches nicht zugleich und in einerlei Sinn ist und ist nicht sein kann.«22 Entscheidend für den Widerspruch ist demnach die Kopula – das ist und die Negation derselben, das ist nicht. Lambert warnt vor der Verwechslungsgefahr, die bei der Formulierung von Widersprüchen genau dann droht, wenn die Sätze mit einem Prädikat vorgetragen werden, da es leicht passieren kann, dass die Negation dabei von der Kopula auf das Prädikat gezogen wird, was den Gehalt und auch das Gegensatzverhältnis selbst ganz wesentlich verändert.23 Deshalb schlägt er zwei Formulierungen vor, die ohne Prädikat auskommen: »Ein und eben dasselbe Ding A kann nicht zugleich seyn, und nicht seyn« und »Es ist unmöglich, daß ein Ding A zugleich sey, und nicht sey«.24 Aus beiden Formulierungen folgt, dass für Lambert Existenz, also »Sein« kein Prädikat ist – der Sache nach ist Existenz bei Lambert ein einfacher Begriff. Die erste Bedingung des eigentlichen, kontradiktorischen Widerspruchs lautet, dass das Bindewörtchen »ist« dem »ist nicht« entgegengesetzt und also die Kopula, nicht das Prädikat verneint wird, weil »das ist dem ist nicht schnurstracks und absolut zuwider oder entgegen ist«.25 Die zweite Bedingung ist, dass das Subjekt und das Prädikat in beiden Sätzen »in einerlei Sinne genommen werden« müssen.26 Diese beiden Bedingungen sind es auch, die Lamberts Reform des Satzes vom ausgeschlossenen Dritten ausmachen, denn es gibt Fälle, in denen diese Bedingungen nicht stattfinden, und da muss der Satz vom ausgeschlossenen Dritten degradiert werden. Die direkte Folge aus dem Satz des Widerspruchs, dass eine Sache nicht zugleich sein und nicht sein kann, lautet, dass sie »entweder ist, oder nicht ist.«27 Das ist das Prinzipium »exclusi tertii«, also der Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Er bedeutet in Lamberts Interpretation, »daß zwischen seyn und Nicht seyn kein Mittel statt habe.«28 Wie für den Satz des Widerspruchs gilt auch hier, dass der Vortrag || 22 Lambert: Anlage zur Architectonic (s. Anm. 7), § 240, S. 211. 23 Vgl. ebd. 24 Ebd., S. 212. 25 Ebd., § 241, S. 212. 26 Ebd. 27 Ebd., § 244, S. 216. 28 Ebd., § 245, S. 216.

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besser ohne Prädikate gemacht werden sollte, um nicht dadurch Verwirrung ins Spiel zu bringen, dass die Negation von der Kopula auf das Prädikat übertragen wird. Lambert korrigiert bzw. präzisiert diesen klassischen logischen Grundsatz: »Man kann beyfügen, kein Mittel, welches real wäre, denn auf bloß ideale Art lassen sich zwischen seyn und Nicht seyn Stufen oder Grade denken, welche die Wahrscheinlichkeit und Grade der Gewißheit vorstellen.«29 Lambert unterscheidet streng zwischen den Sphären des Symbolischen, des Idealen und des Realen und führt zwischen der Intellektualwelt und der Körperwelt bekanntlich die Ebene der Mitteldinge ein, zu denen alle allgemeinen Begriffe gehören, die, insofern sie nicht bloß symbolisch sind, d. h. insofern sie der Widerspruchsfreiheit genügen, abstrahiert wurden, von Individuen, in denen sie wirklich vorkommen. Das ist gewissermaßen die Lösung des Universalienstreits: »In den neuern Metaphysiquen begnüget man sich mehrentheils zu sagen, daß die Arten und Gattungen nicht für sich, sondern in den Individuis existiren, und ehe sie existiren können, alle individuelle Bestimmungen haben müssen.«30 Individuen sind solche, denen keine Bestimmung widerspruchsfrei hinzugefügt werden kann, ohne die entgegengesetzte Bestimmung wegzunehmen, da sie durchgängig bestimmt sind. Der Bereich des Denkens ist wesentlich umfangreicher als der Bereich des Wirklichen: Nicht nur benennen wir Sachen mit Worten, sondern wir Dichten auch den Wörtern Sachen an. Demnach gibt es Vorstellungen von Sachen, die ihren Ursprung im Denken haben und »öfters wegen versteckten Widersprüchen Undinge vorstellen, die nicht nur nicht sind, sondern gar nicht sein können, und folglich in bloßen Einbildungen bestehen«.31 Das erdichtete Individuum oder Nichts, ist mit allen Worten gleichbedeutend, die widersprüchliche Begriffe bedeuten. Das kombinatorische Denken, das Lamberts Begriffstheorie zugrunde liegt, schränkt die Möglichkeit gültiger Kombinationen von Begriffen stark ein: Es ist unstreitig, daß von Widersprüchen die Rede gar nicht vorkommen würde, wenn die Möglichkeit, Begriffe zusammen zu setzen, durchaus uneingeschränkt wäre. Denn so würde der Umstand, daß ein Begriff, welcher schon einige Merkmale hat, gewisse andere Merkmale mit diesen nicht zugleich haben könne, ganz wegfallen. So aber ist das Reich der Wahrheiten nicht eingerichtet; sondern es herrscht eine Ordnung darinn, welche jeden Merkmalen, Bestimmungen und Verhältnissen ihre Stelle anweiset, und sie von andern Stellen schlechthin ausschleußt.32

|| 29 Ebd. 30 Ebd., § 267, S. 253. 31 Ebd., § 244, S. 216. 32 Ebd., § 253, S. 225.

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Diese Bestimmungen sind eine Erklärung der Theorie der Termini Infiniti. Diese erfüllen ihre Grenzfunktion dadurch, dass sie »gewisse andere Merkmale« ausdrücken, die mit denen eines Begriffs nicht zugleich bestehen können und einem Begriff dadurch seinen Ort im Reich der Wahrheit anweisen, dass sie anzeigen, was schlechthin von diesem Begriff ausgeschlossen ist. Dasjenige, was einen Widerspruch enthält, ist nach Lambert unmöglich und nicht denkbar, denn alles, was denkbar ist, ist nicht-widersprechend. Eine positive Funktion der Termini Infiniti ist also die Grenzfunktion, die sie in Verbindung mit dem Satz vom Widerspruch erfüllen. Diese Funktion lässt sich am Begriff des Möglichen erläutern: Das Nicht-Widersprechen ist das verneinende Merkmal des Möglichen. Der Terminus Infinitus erfüllt hierbei seine Grenzfunktion. Das Mögliche hat solche Prädikate, mit denen das Widersprechende nicht zusammen bestehen kann. Der Terminus Infinitus des Nicht-Widersprechens kann also mit voller Gültigkeit vom Möglichen bejaht werden. Ein solcher Terminus Infinitus bedeutet die Grenzbestimmung eines Begriffs und deutet damit zugleich auf das Andere dieses Begriffs und so auf seinen logischen Ort hin; im Fall des Möglichen auf das Unmögliche, dem das Andere des Terminus Infinitus des Möglichen, also das Widersprechen, zukommt. Weil es widerspruchsvolle Vorstellungen, Doppeldeutigkeiten und unterschiedliche Hinsichten gibt, reformiert Lambert also den Satz vom ausgeschlossenen Dritten, eine Reform, die seine uneingeschränkte Gültigkeit beschneidet, indem neben dem »A ist entweder B oder es ist nicht B« noch zwei weitere Möglichkeiten eingeführt werden: »oder es ist weder B noch nicht B, oder es ist in besondern Absichten B und nicht B.«33 Lamberts Begründung für diese zwei zusätzlichen Möglichkeiten ist leicht mit Kants Auflösung der Antinomien in Verbindung zu bringen: »Denn es giebt Fälle, wo die Frage, ob man B von A bejahen oder verneinen soll, ganz wegfällt«, was den mathematischen Antinomien entspricht; »und eben so giebt es Fälle, wo man nur in gewissen Absichten oder zum Theil bejahen kann, zum Teil aber, oder in andern Absichten verneinen muß«,34 und dies sind Fälle, die den dynamischen Antinomien entsprechen. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten gilt demnach nicht absolut, sondern nur eingeschränkt für solche Fälle, in denen von einerlei Subjekt und Prädikat die Rede ist und zwar von solchen, die es wirklich gibt, die also kein Unding vorstellen. Wenn die Kopula sich nicht gleichförmig auf alle Individuen unter dem Subjektbegriff und bei den Individuen auf alle Merkmale ausdehnt, dann bestehen Dissonanzen. Diese zu entdecken ist schwierig, sie finden sich nach langem Streit und Zank um die Sätze, die bei ihrer Bejahung wie bei ihrer Verneinung Schwierigkeiten

|| 33 Ebd., § 245, S. 217. 34 Ebd.

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und Verwirrungen provozieren: »Denn in solchen Fällen geht weder das Bejahen, noch das Verneinen durchaus an.«35 Mit der Theorie der Termini Infiniti hängt aufs engste Lamberts Theorie der Fragen, die wegfallen bzw. gar nicht vorkommen, zusammen, und dies sind eben solche Fälle, bei denen »etwas weder zu bejahen noch zu verneinen ist«.36 Die Fälle, bei denen vom Bejahen und Verneinen die Rede nicht vorkommt, betreffen die Fragen, die wegfallen bzw. gar nicht gemacht werden können. Manche mögen sich an das Paradox Russells erinnern,37 das den kahlköpfigen König von Frankreich betrifft; hier haben wir einen legitimen Vorläufer einer solchen Problematik. Fälle, bei denen die Fragen wegfallen sind solche, über deren Für und Wider meist schon lange gezankt wurde. Solch anhaltender Streit kann schon als Indiz dieser Fälle gelten. Es gibt nach Lambert aber einen »rechten Gesichtspunct«,38 aus dem heraus sich solche Fälle aufklären lassen und der Streit sowie der zugrundeliegende Schein behoben werden kann. Lambert versucht den Unterschied von Fällen, bei denen die Frage vorkommt, und solchen, bei denen die Frage wegfällt, auf eine allgemein Art auszudrücken: Es sey demnach A eine Gattung, B, C ihre zwo Arten, H sey ein Individuum. Gehört nun H unter die Gattung A, so gehöret es auch nothwendig entweder unter C, oder unter B; und man kann fragen ,ob es C sey oder ob es B sey? Man kann aus gleichem Grunde auch fragen, ob es C sey, oder ob es nicht C sey? Denn weil H unter A gehöret, und A die Bestimmungen B und C haben kann, so kömmt eine dieser Bestimmungen in dem Individuo H nothwendig vor, und man kann daher von jeder besonders fragen, ob sie in H sey oder nicht? Bis dahin geht alles richtig.39

Hier wurde also das disjunktive Entweder-oder anhand der Frage von Arten und Gattungen, also ontologisch erläutert. Es ist fraglich, ob ein bestimmtes Etwas der Gattung A in deren Art B oder in die Art C gehört, und ebenso ist fraglich, ob dieses Etwas B sei oder nicht bzw. ob es C sei oder nicht. Vorausgesetzt ist, dass die Gattung nur zwei Arten hat. Der andere Fall, bei dem die Frage wegfällt, ist ähnlich strukturiert: Man setze nun, B und C wären solche Bestimmungen, die der Gattung A eigen sind; und K sey ein Individuum, welches gar nicht unter die Gattung A sondern unter eine ihrer Nebengattungen gehöret; so fällt die Frage, ob K, B oder C sey, imgleichen ob K, C sey oder nicht C sey, ganz weg. Denn diese Fragen setzen stillschweigend voraus, daß K unter die Gattung A gehöre und

|| 35 Ebd., § 242, S. 214. 36 Ebd. 37 Bertrand Russell: On denoting. In: Mind 14 (1905), S. 479‒493. 38 Lambert: Anlage zur Architectonic (s. Anm. 7), § 247, S. 218. 39 Ebd.

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dieses ist vermöge der Voraussetzung nicht. Demnach fallen diese Fragen zugleich mit der Bedingung weg.40

Fragen, die wegfallen, betreffen demnach ein bestimmtes Etwas, das zu einer anderen Gattung gehört, als die in Frage stehenden Artbegriffe. Die Artbegriffe, nach denen gefragt wird, sind solche Begriffe, die bei Gegenständen dieser Gattung gar nicht vorkommen können. An den Beispielen, mit denen Lambert die Theorie der Fragen, die wegfallen, erläutert, wird dann völlig deutlich, wie diese mit den negativen Prädikaten zusammenhängt: »Man kann die Figuren, welche Seiten haben, in Gleichseitige und Ungleichseitige einteilen. Wollte man nun fragen, ob ein Circel gleichseitig oder ungleichseitig sey, so kann man weder bejahen noch verneinen, weil bey Circeln von Seiten gar nicht die Rede ist«.41 Mit Lamberts Theorie der Termini Infiniti lässt sich das Paradox vom kahlköpfigen König Frankreichs dadurch lösen, dass gesagt werden kann: Hier fällt die Frage weg. Die beiden logischen Möglichkeiten sind falsch, weil in Frankreich ein König gar nicht vorkommt, sodass die Frage nach seiner Frisur wegfällt. Das zitierte erste Beispiel von der Frage nach den Seiten des Zirkels hat Lambert sicher deshalb gewählt, um den Zusammenhang auch zum Widerspruch herauszustellen, denn das runde Viereck gilt als Paradebeispiel eines nicht denkbaren Dings, des Undings. Das nächste Beispiel fragt nach der Tugendhaftigkeit der Triangel – eine absurde Frage: Auf gleiche Art ist die Frage, ob ein Triangel tugendhaft sey oder nicht, unschicklich und ungereimt, weil bey geometrischen Figuren von Tugenden und Lastern die Rede gar nicht vorkommt, und die Moralität schlechthin nur die Intellectualwelt angeht.42

Die Rede vom tugendhaften Dreieck ist ein Modell für diejenige Bestimmung des unendlichen Urteils, die sich nach Kant in der Klassischen Deutschen Philosophie durchgesetzt hat. Maimon war der Ansicht, die unendlichen Urteile bei Kant stark verbessert zu haben, indem er ihre Definition modifizierte: »Unendliche Urtheile sind [… solche Urteile, bei denen; M.H.] so wenig das Prädikat als sein Entgegengesetztes eine mögliche reelle Bestimmung des Subjekts abgeben kann«.43 Und in Die Kathegorien des Aristoteles heißt es: »Dieses Urtheil hingegen: Die Tugend ist nicht

|| 40 Ebd., § 247, S. 219. 41 Ebd., § 247, S. 218. 42 Ebd., § 247, S. 219. 43 Salomon Maimon: Versuch einer neuen Logik oder Theorie des Denkens. Neben angehängten Briefen des Philaletes an Aenesidemus. In: ders.: Gesammelte Werke. Hg. von Valerio Verra. Bd. 5. Hildesheim 2003, S. 494.

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winklicht, ist ein unbestimmtes (alias unendliches) Urtheil, so wenig das Wirklichtsein, als das Nichtwinklichtsein sind mögliche Bestimmungen der Tugend.«44 Maimon nennt die unendlichen Urteile auch unbestimmt und trifft damit ihren eigentlichen Sinn ziemlich gut, der bei ihm mit ihrer Absurdität einhergeht. Noch bei Hegel werden die unendlichen Urteile als absurde Urteile ganz in Anlehnung an Maimon bestimmt. Bereits der junge Schelling lobte Maimon ausdrücklich für seine Reform der unendlichen Urteile, durch die sie von den affirmativen und negativen Urteilen funktional unterscheidbar wurden.45 Offensichtlich war diese Reform aber bereits bei Lambert, und damit im Ursprung der unendlichen Urteile und ihrer eng mit der Klassischen Deutschen Philosophie verwobenen Geschichte, angelegt.

4 Die Unterscheidung der Termini Infiniti von der Negation Die passende Begriffsbestimmung für die Termini Infiniti wird durch die Unterscheidung vom negativen Urteil zu erhalten versucht. Im Deutschen wird die Negation syntaktisch sowohl bei einer Verneinung als auch bei einem unendlichen Urteil der Kopula nachgeordnet, was im Gegensatz zum Lateinischen die Verwechslungsgefahr erhöht. Die Sätze mit negativen Prädikaten sind bejahend und zugleich stellt das nicht-B »einen Begriff vor, von welchem man so viel sagen kann, das B nicht unter seine Prädicate oder Merkmale gehöre.«46 Dieser erste Anlauf der Bestimmung negativer Prädikate im Unterschied zur Negation kann geltend machen, dass es sich um bejahende Sätze handelt, obschon

|| 44 Maimon: Die Kathegorien des Aristoteles (s. Anm. 15), S. 206f. 45 »Es kommt aber, um ein thetisch-verneinendes Urteil hervorzubringen, nicht nur darauf an, das man die Negation mit dem Prädikat willkürlich verbindet, sondern darauf, daß das Subjekt schon durch sein bloßes setzen im Ich in eine dem Prädikat entgegengesetzte Sphäre gesetzt werde. So kann ich z. B. den verneinenden Satz: ein Zirkel ist nicht viereckig, in kein thetisch-verneinendes Urteil verwandeln; denn das Subjekt Zirkel ist nicht schon durch sein bloßes Gesetztsein in eine der Sphäre des Viereckigen schlechthin entgegengesetzte Sphäre gesetzt; der Zirkel könnte eben auch fünf- oder vieleckig sein. Dagegen ist der Satz: ein Zirkel ist nicht süß, notwendig ein unendliches Urteil; denn das Subjekt Zirkel ist schon durch sein bloßes Gesetztsein außer der Sphäre des Süßen, also in eine jener Sphäre geradezu entgegengesetzte Sphäre gesetzt. Deswegen auch im thetischverneinenden Urteil die Negation nicht bei der Kopula, sondern beim Prädikat steht, d. h. das Subjekt wird nicht nur aus der Sphäre des Prädikats hinweggenommen, sondern in eine ganz andere, jener entgegengesetzten Sphäre von Prädikat gesetzt. Maimon war, soviel ich weiß, bis jetzt derjenige, der am bestimmtesten auf diese Unterscheidung des unendlichen Urteils vom bejahenden und verneinenden gedrungen hat« (Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Vom Ich als Prinzip der Philosophie. In: ders.: Werke. Hg. von Otto Weiß. 3 Bde. Leipzig 1907, Bd. 1, S. 72f.). 46 Lambert: Anlage zur Architectonic (s. Anm. 7), § 254, S. 228.

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diese eine Bedeutung haben, die denen der negativen Urteile eher entspricht. An das Zitat schließt die Wort- oder Namenserklärung an, die insofern bemerkenswert ist, als dass Lambert auf die Benennung der Termini Infiniti aufmerksam macht: »Da er aber dadurch noch nicht auf eine positive oder bestimmte Art kenntlich gemacht wird, so hat man das nicht-B in den Vernunftlehren einen Terminum infinitium genannt«.47 Demnach hätten die unendlichen Urteile eigentlich unbestimmte Urteile genannt werden müssen, was von manchen Vernunftlehrern jedoch anders übersetzt wurde, z. B. von Kants Lehrer Knutzen, der infinitus mit unendlich übersetzt. Lambert argumentiert weiter, dass das negative Prädikat nicht-B nicht die Bedeutung haben kann, »als ob darunter alles dasjenige begriffen werde, was B nicht zum Prädikat hat, und folglich B allein ausgeschlossen sey«,48 denn ansonsten gäbe es keinen Unterschied zu dem negativen Urteil A ist nicht B und auch nicht zu der Aussage A ist alles, was nicht B ist. Doch gerade diesen Unterschied soll es doch geben. Im folgenden Paragraphen macht Lambert zwei weitere Ansätze, um die Bedeutung des negativen Prädikats zu fassen. Der erste ist die ausschließungsweise Benennung: »Ferner kann man allerdings die Dinge, welche nicht B sind, oder denen B nicht als ein Prädicat zukommt, in eine Classe zusammennehmen, und diese Classe dadurch ausschließungsweise benennen, oder derselben auch einen besondern Namen geben.«49 Logisch gesehen würde solch eine Klasse gar kein negatives Prädikat im Namen benötigen, das dennoch der Funktion ihrer Bildung zugrundeliegt, wie es schon im Falle des a posteriori angemerkt wurde. Formal ausgedrückt: A ist nicht-B, nicht-B ist C, also lässt sich sagen: A ist C. Wir haben schon viele solcher Namen, »z. E. heißen wir zeitlich, alles was nicht ewig ist; falsch, alles was nicht wahr ist; ungereimt, alles was widersprechend ist; unmöglich, alles was nicht möglich ist; nothwendig, alles was nicht anders seyn kann oder nicht seyn kann«.50 Neben dieser Funktion ausschließungsweiser Bestimmung gibt es Fälle, bei denen das ist und das ist nicht nur eingeschränkt möglich ist, was zum Teil schon im Wort angezeigt wird: So z. E. sezet das gleichseitig und ungleichseitig den Begriff der Seiten, und folglich Dinge voraus, welche wirklich Seiten haben, oder wo von Seiten die Rede vorkömmt. Das tugendhaft und lasterhaft sezet moralische Wesen und positive Handlungen voraus, das gelehrt und ungelehrt, das wissend und unwissend, setzet ein denkendes Wesen und Erkenntniskräfte vo-

|| 47 Ebd. 48 Ebd., § 255, S. 228. 49 Ebd., § 256, S. 229. 50 Ebd.

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raus, welche geübt werden müssen. In diesen letztern Fällen läßt sich zu dem ist und ist nicht noch das weder ist, noch ist nicht gedenken.51

Die letzte Bedeutung mag nicht zufällig bekannt vorkommen, da sie sich völlig mit derjenigen deckt, die bereits bei der Behandlung des Widerspruchs diskutiert wurde und auf die Bestimmung negativer Prädikate hinausläuft. Es sind also gerade die Voraussetzungen und impliziten Bedingungen der Rede, die das Entweder-oder einschränken und gegebenenfalls dafür sorgen, dass manche Fragen wegfallen und der Terminus Infinitus als Grenze bejaht werden muss. Beide Fälle, die Lambert gezeigt hat, machen für die Entwicklung der Termini Infiniti klar, dass diese von der Negation spezifisch unterschieden sind, weil eben nicht-B kein Sammelbegriff für alles ist, was B nicht zum Prädikat hat. Die spezifische Bedeutung der Termini Infiniti ist zunächst: »A ist etwas anders als B«.52 Damit ist auch auf einen traditionellen Vorläufer dieser Bestimmung verwiesen, das Anderssein, wie es Platon bereits im Sophistes entwickelt. A ist etwas anderes als B, in dem Sinne, »daß B davon ganz ausgeschlossen bleibt, oder wenn man es als eine Bestimmung nehmen wollte, in A einen Widerspruch bringen würde. Und da ist A etwas dem B widersprechendes, das mit B nicht bestehen kann (incompatible).«53 Das A, welches nicht-B ist, schließt also das B ganz aus, d. h. »A hat solche Prädicate, mit welchen B zugleich nicht seyn kann, und hat sie wirklich oder schlechthin; oder auch: A ist nicht nur nicht B, sondern es kann auch nicht B seyn, weil es solche Bestimmungen Nicht-B hat, die das B schlechthin ausschließen.«54 Auf diese Art hat Lambert die Termini Infiniti ganz unterschiedlich von den Negationen expliziert, was an folgendem Beispiel klar wird: Ein Mensch ist gelehrt, und dieses ist ganz positiv, weil die Gelehrsamkeit in der That unter den menschlichen Prädicaten ist. Sagen wir hingegen: Ein Mensch ist nicht gelehrt, so ist dieses privativ, weil er die Gelehrsamkeit, die er als Mensch doch haben könnte, schlechthin nur nicht hat. Sagen wir: Ein Stein ist gelehrt, so ist dieses absurd, weil die Gelehrsamkeit unter den Prädicaten eines Steins gar nicht vorkommt, und so fern sie nicht darin vorkommen kann, können wir den Terminum infinitum nicht-gelehrt mit seiner völligen Categorie von dem Steine bejahen. Denn dieser Terminus ist eigentlich ein abgekürzter Ausdruck, den wir statt der Umschreibung gebrauchen können; ein Stein habe solche Bestimmungen, bey welchen die Gelehrsamkeit nicht als Prädicat vorkommen könne.55

Die Termini Infiniti erfüllen demnach eine Grenzfunktion. Angesichts dieser Quelle scheint es gar nicht mehr zufällig, dass Kant dem unendlichen Urteil die Limitation || 51 Ebd. 52 Ebd., § 257, S. 230. 53 Ebd. 54 Ebd. 55 Ebd., § 258, S. 231.

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als Kategorie zuordnet. Während bei einer Negation die Möglichkeit des Negierten gegeben bleibt und gerade deshalb negiert wird, um einen Irrtum abzuhalten, so ist im Fall des negativen Prädikats nicht einmal die Möglichkeit des Ausgeschlossenen gegeben, und der Terminus Infinitus verweist mit seinem Gegensatz auf einen Begriff, der einen Widerspruch in die Sache bringen würde. Während die Negation die Abwesenheit einer Bestimmung konstatiert, konstatiert der Terminus Infinitus die Anwesenheit anderer Bestimmungen, mit denen das zu Bestimmende nicht zugleich sein kann. Nur von einer derart allgemeinen Bestimmung, die bei allem vorkommen würde, kann es keinen Terminus Infinitus geben. Solche Fälle sind selbst die Grenze der Anwendbarkeit negativer Prädikate.56 Für gewöhnlich ist jedoch der Umfang des negativen Prädikats größer als der seines Gegenbegriffs. Lambert bringt die Termini Infiniti ausdrücklich mit dem Absurden in Verbindung und nimmt damit Hegels an Maimon orientierte Bestimmung vorweg, wonach die unendlichen Urteile widersinnige Urteile sind: »Es soll ein Urteil sein, somit eine Beziehung von Subjekt und Prädikat enthalten; aber eine solche soll zugleich nicht darin sein.«57 Der Terminus Infinitus nicht-A begreift alle Arten und Gattungen von Bestimmungen, welche in jedem Individuum, welches nicht A ist, das A ausschließt.58 Er kann aber auch als das allgemeinste Gegenteil von A aufgefasst werden, im Unterschied zum speziellsten Gegenteil, den Nebenarten von A, die aus dem Terminus Infinitus besonders herausgenommen werden können. Dabei gilt: Was unter den Terminum infinitum einer höhern Gattung des A gehöret, gehöret dadurch an sich schon unter den Terminum infinitum nicht-A. z. E. der Schall ist nicht roth, denn er gehöret gar nicht unter die Farben. Ein Stein ist nicht tugendhaft, denn er gehöret gar nicht in das Bezirk freihandelnder Substanzen.59

5 Fazit Lamberts Theorie der Termini Infiniti ist aufgrund ihrer Neuheit, denn Lambert führt eine solch bestimmte Denkungsart des Negativen überhaupt vielschichtig und umfassend in die Logik ein. Sie deckt ganz verschiedene Möglichkeiten auf, was das negative Prädikat für eine Bedeutung haben kann. Dabei lässt Lambert erkennen, dass es sich bei der Bestimmung dieser Funktionen um ein recht tastendes Verfahren handelt. Der Eindruck entsteht, Lambert verhält sich hier keineswegs dogma|| 56 Vgl. ebd., § 262, S. 239. 57 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik II. In: ders.: Werke in 20 Bänden. Hg. von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt a. M. 1986, Bd. 6, S. 324. 58 Vgl. Lambert: Anlage zur Architectonic (s. Anm. 7), § 257, § 262, No. 10 und § 270. 59 Ebd., § 270, S. 256.

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tisch, sondern in der ihm eigenen Forschermanier. Der experimentelle Charakter seiner Philosophie wird ebenso wie die Schärfe seiner Bestimmungen an der Theorie der Termini Infiniti ersichtlich – schließlich findet er auch solche, die dann für die Klassische Deutsche Philosophie bei der Bestimmung unendlicher Urteile leitend sind. Negative Prädikate sind von Negationen unterschieden, so viel ist nun klar. Betrifft die Negation das Prädikat und nicht die Kopula, so kann dies zunächst recht Unterschiedliches bedeuten. Nicht-B zeigte sich als ein unbestimmter Begriff, der in sich sehr stark ausdifferenziert sein kann. A ist nicht-B kann man ganz einfach abkürzen: Kein A ist B. Nicht-B kann aber auch den direkten Gegensatz von B meinen. Zunächst kamen bei der genaueren Untersuchung zwei doch ganz unterschiedene Funktionen vor: Einmal die ausschließungsweise Benennung, z. B. bei der Erfindung des Aposteriori im Gegensatz zum Apriori oder bei der Zeit als etwas, das nicht ewig ist. Dann auch als das Anderssein, nicht-B im Sinne von etwas ganz anderes als B. Nicht-B kann dann auch entweder bedeuten, dass mit nicht-B im speziellen Sinne die Nebenart(en) von B meint. Oder aber in dem allgemeinen Sinn, dass damit die Gesamtheit der Bestimmungen gemeint sind, die in B einen Widerspruch bringen würden, die also B schlechthin ausschließen. Nicht-B ist in beiden Fällen etwas dem B Widersprechendes, das mit B nicht zusammen bestehen kann. Dadurch, dass nicht-B ein in bestimmter Weise fixierter Nicht-Widerspruch ist, es also positiv anzeigt, was ganz widersprüchlich wäre, fungiert es als Grenze. Damit dienen Termini Infiniti der systematischen Ordnung des Reichs der Wahrheit, das nicht alle möglichen Kombinationen von Begriffen zulässt. Das absurde Prinzip dieser widersinnigen negativen Prädikate ließ sich mit zahlreichen Beispielen verdeutlichen, wodurch sich ein Zusammenhang mit den Fragen und Einteilungen, die wegfallen, ergab. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten musste hier Einschränkungen leiden, denn wo der Terminus Infinitus von einer Sache mit voller Gültigkeit bejaht werden kann, muss das Weder-noch eingeführt werden. So ist ein Stein weder gelehrt noch nicht gelehrt, weil er nicht-gelehrt ist.

Kay Zenker

Lamberts Ansatz zur Verwissenschaftlichung der Metaphysik 1 Lamberts Problemdiagnose Nach einer Nominaldefinition von ›Metaphysik‹ sucht man in Johann Heinrich Lamberts (1728–1777) Schriften vergebens.1 Das erstaunt, denn Lambert zielte, wie er in einer Rezension zu Johann Georg Heinrich Feders Logik und Metaphysik aus dem Jahr 1769 ausdrücklich festhielt, explizit darauf ab, die Metaphysik zu einer Wissenschaft zu erheben, in der man nicht mehr nur »immer bauen und wieder umstossen« müsse, und er lieferte dabei auch die Eckpunkte eines Programms, das zur Erreichung dieses Ziels umzusetzen sei: In der Metaphysik wird es [...] immer darauf ankommen, daß man die Methode, sie zu berichtigen, und das Verfahren dabey logisch zu erweisen suche. Die Sache kömmt vornehmlich auf einfache Grundbegriffe, und ihre einfache Verbindbarkeiten an. Daß es solche giebt, werden diejenigen, die die Monaden beweisen, ohne Mühe beweisen können. Man kann ferner beweisen, daß die Grundsätze und Forderungssätze keine zusammengesetzten Begriffe enthalten sollen, weil vorerst die Möglichkeit der Zusammensetzung erwiesen werden müßte, und so wären es keine Forderungssätze oder Grundsätze. Daraus folgt ferner, daß wenn z. E. der Satz des Widerspruchs im strengsten Verstande ein Axioma ist, die darinn vorkommenden Begriffe einfach seyn müssen, etc. Wir wünschten, daß die Philosophen dieser Spur nachgehen, und damit, so langsam es auch geschehen mag, endlich die Grundlage unserer Erkenntniß a priori auf eine logisch richtige Art herausbrächten. Bis dieses nicht geschieht, wird man immer bauen und wieder umstossen.2

Wie ist Lambert zu dieser Auffassung gelangt? Gemeinhin wird Lambert nachgesagt, dass Locke und Wolff seine Philosophie am meisten bestimmt oder ihr zumindest am stärksten eine bestimmte Richtung gegeben hätten, und das ist sicher nicht falsch. Schon 1746 hat sich Lambert – damals gerade 18 Jahre alt – »einige Bücher« || 1 Vgl. Gereon Wolters: Basis und Deduktion. Studie zur Entstehung und Bedeutung der axiomatischen Methode bei J. H. Lambert (1728–1777). Berlin, New York 1980; Maarten Bullynck: Johann Lambert’s Scientific Tool Kit: Exemplified by the Measurement of Humidity. In: Science in Context 23 (2010), S. 65–89; Christian Leduc: Métaphysique et mathématique chez Lambert. Une résponse à la Preisfrage de 1763. In: Les Métaphysiques des Lumières. Hg. von Christophe Girard. Paris 2016, S. 207–226; ders.: Harmonie et dissonance. Lambert et le système de vérités. In: Les Cahiers philosophiques des Strasbourg 44 (2018), S. 77–102. 2 Johann Heinrich Lambert: Rezension zu Johann Georg Heinrich Feder, Logik und Metaphysik, nebst der philosophischen Geschichte im Grundrisse. Göttingen 1769. In: ders.: Logische und philosophische Abhandlungen. Hg. von Johann Bernoulli. Bd. 2. Berlin, Leipzig 1787 (LPS 7), S. 227f. https://doi.org/10.1515/9783110647761-006

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angeschafft, um, wie er selbst berichtet, »daraus die ersten Gründe der Weltweisheit zu erlernen«,3 nämlich Nicole de Malebranches De la recherche de la vérité (1674/75), John Lockes Essay concerning human understanding (1690) und Christian Wolffs Vernünfftige Gedancken von den Kräfften des menschlichen Verstandes und ihrem richtigen Gebrauche in Erkäntnis der Wahrheit, auch bekannt als Deutsche Logik (1713). Durch die Lektüre dieser Werke hat Lambert nach eigenem Bekunden rasch zwei Dinge erkannt, nämlich dass die Hauptziele philosophischer Betätigung die eigene Vervollkommnung und Glückseligkeit seien und »daß der von Natur verderbte Wille nicht könne gebessert werden, wo nicht vorher der Verstand von den Vorurtheilen befreyet und recht erleuchtet würde«.4 Ohne auf diese beiden frühen Zielbestimmungen von Philosophie näher einzugehen, scheint der Hinweis wichtig zu sein, dass der Nutzen, den Lambert aus seiner Lektüre zog, in der Mathematik, insbesondere in der Algebra und der Mechanik, »gefruchtet« habe, denn dort habe er die Regeln, die ihm die genannten Schriften an die Hand gegeben hätten, »in Saft und Blut verwandeln« können.5 Nicht nur habe er nun auch »andere Wissenschaften desto leichter und gründlicher« erlernen und lehren können, sondern die einmal erreichte »Verbesserung des Verstandes« habe in ihm zugleich den »Grund zur Verbesserung des Willens« gelegt.6 Doch muss erwähnt werden, dass sich nur in einer der drei genannten Schriften, nämlich in Wolffs Logik, eine inhaltliche Bestimmung der Metaphysik findet, nämlich als »die Wissenschaft vom Seienden, von der Welt im allgemeinen und von den Geistern«,7 und diese allgemeine und durchaus nicht erst im 18. Jahrhundert geläufige Charakterisierung der Metaphysik besagt nicht allzu viel. Lambert hat sich übrigens im Laufe der Jahre zunehmend kritisch mit Wolff (und auch mit Leibniz) auseinander|| 3 Brief von Lambert an Pfarrherrn Rißler vom 25. November/6. Dezember 1750. In: Johann Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel. Hg. von Johann Bernoulli. Bd. 2. Berlin 1782, S. 7–11, hier S. 8. 4 Ebd., S. 8. 5 Ebd., S. 8f. 6 Ebd. 7 Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von den Kräfften des menschlichen Verstandes und ihrem richtigen Gebrauche in Erkäntniß der Wahrheit. Halle 111742 (vermutlich die von Lambert benutzte Auflage), Vorbericht, § 14 (S. 8): »Die Grund-Wissenschafft [d. i. die Ontologie], GeisterLehre und natürliche Gottes-Lehre machen die Metaphysick oder Haupt-Wissenschafft aus.« Vgl. ders.: Philosophia rationalis sive Logica. Frankfurt a. M., Leipzig 31740 (WGW II.1,1), Cap. III, § 79: »Psychologia & Theologia naturalis nonnumquam Pneumaticae nomine communi insigniuntur, & Pneumatica per spirituum scientiam definiri solet. Ontologia vero, Cosmologia generalis & Pneumatica communi Metaphysicae nomine compellantur. Est igitur Metaphysica scientia entis, mundi in genere atque spirituum« (»Psychologie und natürliche Theologie werden manchmal mit dem gemeinsamen Namen der Pneumatik bezeichnet, und die Pneumatik pflegt als die Wissenschaft von den Geistern definiert zu werden. Ontologie, allgemeine Kosmologie und Pneumatik werden aber mit dem gemeinsamen Namen der Metaphysik bezeichnet. Daher ist die Metaphysik die Wissenschaft vom Seienden, von der Welt im Allgemeinen und von den Geistern«).

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gesetzt und dessen metaphysische Lehre später zwar nicht in Gänze verworfen, aber – v. a. in methodischer Hinsicht – als unzureichend erkannt.8 Mit dem negativen Urteil über den Zustand der Metaphysik war Lambert jedenfalls ein Motiv gegeben, sich um eine grundlegende Verbesserung der Metaphysik zu bemühen. Daraus wird erklärlich, warum in Lamberts Philosophie der Schwerpunkt mehr auf der Fundierung der Metaphysik als auf deren Ausarbeitung gelegen hat. Diese Prioritätensetzung bildet nicht nur eine Parallele zu Kant, sondern auch zu den von ihm neben Wolff zuerst gelesenen Philosophen Malebranche und Locke. Malebranche hatte sich in De la recherche de la vérité bekanntlich mit folgenden Themen befasst: mit den Irrtümern der Sinne, der Einbildungskraft, dem Verstand, der Seele, den menschlichen Neigungen und Leidenschaften sowie mit der Frage nach der richtigen Methode, um von der Untersuchung der Wahrheit zur Evidenz zu gelangen. Locke hatte sich in seinem Essay concerning human understanding um den Nachweis bemüht, dass Prinzipien und Ideen nicht angeboren sind, seine Ideenlehre und, darauf aufbauend, seine Lehre von der Bildung der Begriffe entwickelt und schließlich über Wissen und Wahrscheinlichkeit gehandelt. Wolff hatte in der Logik nach einer einleitenden Bestimmung seines Philosophiebegriffs von den Begriffen, Wörtern und Sätzen, von der Methode ihrer Bildung auf der Grundlage von Empirie und Erklärung, von den Schlüssen, dem Unterschied zwischen Wissen, Glauben, Meinung und Irrtum, von der Methode der Wahrheitsfindung, von Beurteilungsmethoden und hermeneutischen Fragen (v. a. zur Heiligen Schrift) sowie von den Disputationsregeln gehandelt. Bei allen diesen Werken geht es, trotz teils sehr unterschiedlicher philosophischer Auffassungen, vor allem um Aspekte der Erkenntnistheorie, der Logik (v. a. der Begriffslogik) und um die Methode des Wissenserwerbs, also um einen eingegrenzten Teil der Metaphysik, den man als Grundlehre bezeichnen kann. Was in diesen Schriften – zumindest tendenziell – ausgeblendet bleibt, sind zum einen die weiteren klassischen Bereiche der Metaphysik, nämlich die Ontologie und die Theologie, zum anderen die Geschichte der Metaphysik. Dies hängt im Wesentlichen mit dem Anspruch dieser Werke zusammen, die Metaphysik auf ein v. a. in Absetzung von der scholastischen Tradition neues Fundament zu stellen, wobei sich die jeweils vorgeschlagenen Fundamente bekanntlich stark voneinander unterscheiden. Der Anspruch auf eine Erneuerung der Metaphysik, der mit der mutmaßlichen Erkenntnis des Unvermögens der ›alten‹ Metaphysik, wenn nicht sogar der gesamten ›alten‹ Philosophie, einherging, war keineswegs neu; man findet ihn bereits im Spätmittelalter, in der sogenannten Renaissancephilosophie, ferner bei Bacon, Descartes, Thomasius u. a. Auch Lambert

|| 8 Gesa Wellmann: Lamberts Begriff eines metaphysischen Systems. In: Archiv für Begriffsgeschichte 60/61 (2020), S. 141–162, hier S. 145; vgl. auch Gesa Wellmann: Towards a new conception of metaphysics: Lambert’s criticism on Wolff’s mathematical method. In: Revista de Estudios Kantianos 2 (2017), S. 135–148.

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erhebt einen solchen Anspruch, und Kant hat ihm diesbezüglich höchsten Respekt gezollt. Nach dessen Überzeugung hat nämlich v. a. Lambert begonnen, »eine Conföderation zu errichten, die mit vereinigten Kräften der überhandnehmenden Barbarei entgegen arbeite und [...] Gründlichkeit in Wissenschaften wiederum in Gang bringe«. Gemeint ist einerseits Lamberts Kampf gegen den »verunarteten Geschmack des Zeitalters (vornehmlich in demjenigen Volke, das [...] auf schale Spielwerke des Witzes, oder bloßes Copiren [...] verfallen ist)«, andererseits sein Bemühen, »das Mangelhafte in allen Wissenschaften auszuspähen« und »Entwürfe und Versuche zu Ergänzung desselben meisterhaft zu ersinnen«, und zwar mit »unbeschreibliche[r] Wirksamkeit«.9 Inwieweit die o. g. Schriften Lambert einen gangbaren Weg gezeigt haben, das Ziel einer neuen Fundierung der Metaphysik zu verfolgen, oder ihn lediglich zu einer solchen Zielsetzung motiviert haben, bleibt eine offene Frage. Aus seinen eigenen philosophischen Werken wird aber zumindest deutlich, dass er den Kern des Problems auf der methodologischen Ebene gesehen hat. Wie Malebranche, Locke und, zumindest teilweise, auch Wolff, vor allem aber wie Kant war Lambert auf der Suche nach einer adäquaten Methode für die Metaphysik, mithin ein ›MetaMetaphysiker‹ oder, insofern er die Metaphysik als potentielle Wissenschaft betrachtete, ein Wissenschaftstheoretiker der Metaphysik. Dass er auf dieser Metaebene keine inhaltliche Bestimmung der ›Metaphysik‹, d. h. ihres Untersuchungsgegenstandes, liefert, scheint allerdings durchaus problematisch zu sein, weil dadurch unklar bleibt, worauf sich seine Metareflexion eigentlich richten soll. Hier scheint es naheliegend, ihm eine Orientierung an der Bestimmung der Metaphysik im Sinne Wolffs, nämlich als »die Wissenschaft vom Seienden, von der Welt im allgemeinen und von den Geistern«10 zu unterstellen.

2 Lamberts erste Versuche einer Problemlösung Lamberts Methodensuche hat sich nicht erst in seinem bekanntesten Werk Neues Organon (1764) niedergeschlagen, sondern bereits in einigen Schriften vom Anfang der 1760er Jahre. Schon in der 1761 verfassten, als Manuskript überlieferten Abhandlung zum criterium veritatis11 weist er auf zwei aus seiner Sicht fundamentale Mängel der wolffischen Theorie der Wahrheitsfindung hin. Er kritisiert zwar nicht die von

|| 9 Vgl. Immanuel Kant: Anzeige des Lambert’schen Briefwechsels. In: AA VIII, S. 1–4, hier S. 3f. 10 Wolff: Von den Kräfften des menschlichen Verstandes (s. Anm. 7), Vorbericht, § 14 (S. 8). 11 Johann Heinrich Lambert: Abhandlung vom Criterium veritatis. Hg. von Karl Bopp. Berlin 1915 (Kantstudien, Ergänzungshefte 36). Vgl. dazu: Gesine Lenore Schiewer: Cognitio symbolica. Lamberts semiotische Wissenschaft und ihre Diskussion bei Herder, Jean-Paul und Novalis. Tübingen 1996, S. 133ff.

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Wolff nach dem Vorbild der Mathematik entwickelte ›philosophische Methode‹, die er durchaus für den richtigen Ansatz hält. Aber Wolff habe die von ihm verwendeten Begriffe nicht konsequent auf einfache Begriffe zurückgeführt und somit ihre Möglichkeit nicht bewiesen. Zudem sei Wolff eine Verwechslung auf ganz basaler Ebene unterlaufen, nämlich die Verwechslung von Grund- und Lehrbegriffen und daher auch die von Grund- und Lehrsätzen. Grundbegriffe müssten einfach und ihre Bedeutung unmittelbar evident sein, da nur unter dieser Bedingung auch die aus ihnen gebildeten Grundsätze ebenfalls evident seien. Lehrbegriffe hingegen seien willkürlich und die aus ihnen gebildeten Lehrsätze daher nur hypothetisch. Wolff habe beides nicht hinreichend unterschieden und in der Folge hypothetische Lehrsätze als Grundsätze ausgegeben. Der daraus resultierende Makel der Willkür sei insbesondere an den Gattungs- und Artbegriffen zu erkennen, die Lambert als »ontologisch indifferente Einteilungen« betrachtet.12 Gegen Wolff und mit Locke teilt Lambert die Ansicht, dass Gattungs- und Artbegriffe nur als »abstrakte, mit Namen versehene Ideen« und keinesfalls als »irgendeine Art von Realitäten« betrachtet werden dürfen.13 Implizit positioniert sich Lambert in Bezug auf Gattungs- und Artbegriffe als Befürworter des Nominalismus und als Kritiker eines von Wolff mutmaßlich vertretenen Universalismus. Lambert beließ es nicht bei dieser Kritik, sondern lieferte in seiner ebenfalls 1761 entstandenen Schrift Über die Methode die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen einen konstruktiven Vorschlag.14 Diesen Text reichte er bei der Berliner Akademie als Antwort auf die Preisfrage ein: »Sind die metaphysischen Wissenschaften derselben Evidenz fähig wie die mathematischen?«15 Lambert beginnt die Beantwortung dieser Frage gewissermaßen mit einer Präzisierung der Problemstellung, indem er fragt, ob metaphysische Wahrheiten, v. a. die Grundsätze der Natürlichen Theologie und der Moral, ebenso deutlich bewiesen werden können wie geometrische Wahrheiten. Sollte sich herausstellen, dass dies nicht möglich ist, würden sich drei Fragen stellen: (1.) was die »Natur« metaphysischer »Gewiß-

|| 12 Hans-Werner Arndt: Einleitung. In: Johann Heinrich Lambert: Neues Organon, LPS 1, S. V– XXXVIII, hier S. XVII. 13 Vgl. John Locke: An Essay concerning humane understanding, IV, 6, 4. 14 Johann Heinrich Lambert: Über die Methode die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen. Hg. von Karl Bopp. Berlin 1918 (Kantstudien ‒ Ergänzungshefte 42). 15 Zit. nach Adolph von Harnack: Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Bd. 1.1: Von der Gründung bis zum Tode Friedrichs des Großen. Berlin 1900, S. 410; auch zitiert von Karl Bopp: Zur Einführung. In: Lambert: Über die Methode (s. Anm. 14), S. 3– 5, hier S. 3. Vgl. hierzu Leduc: Harmonie et dissonance (s. Anm. 1); ders.: Métaphysique et mathématique chez Lambert (s. Anm. 1). – Neben Lambert hatten u. a. auch Kant, der junge Thomas Abbt und Moses Mendelssohn, der den Wettbewerb mit seiner Abhandlung über die Evidenz in metaphysischen Wissenschaften gewann, Texte eingereicht.

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heit« überhaupt sei, (2.) welchen Grad diese Gewissheit habe und (3.) ob dieser Grad zu »völliger Gewißheit zureichend« sei. Zunächst geht Lambert der Frage nach, worauf die in der Preisfrage der Akademie vorausgesetzte »Gewißheit der geom. Beweise« überhaupt beruhe.16 Seine vorläufige Antwort lautet: Sie beruht auf den Schlüssen und der Notwendigkeit ihrer Folge, also auf der Logik (wobei hier die Regeln der Syllogistik gemeint sind), sowie auf der Einfachheit ihrer Begriffe. Geometrische Begriffe werden, so Lambert, durch den sensus internum gewonnen, nämlich durch innere Reflexion (actus reflexus), sie basieren insofern auf »unmittelbare[r] Erfahrung, deren Wirklichkeit man auch im Läugnen zugeben muß«. Wenn nun, so die weitere Argumentation, innerhalb der Metaphysik derselbe Grad an Gewissheit möglich sein soll, so müssten die in ihr verwendeten Begriffe ebenfalls auf unmittelbarer Erfahrung, also auf dem sensus internum, beruhen. Nur dann sei man nämlich gezwungen, »die Begriffe u. Grundsätze zu[zu]geben«, und wenn die »Form der Schlüsse [...] logisch« sei, so sei die Wahrheit der jeweiligen Konklusion »so leicht als in der Geometrie zu prüfen.«17 Anders ausgedrückt: Sofern und nur wenn die jeweils verwendeten Begriffe aus der »bloßen Betrachtung« der eigenen »Gedanken« hergeleitet werden können, darf den Erkenntnissen, die durch ihre Analyse mit Hilfe logischer Schlüsse gewonnen werden, der höchste Grad an Gewissheit zugestanden werden, und zwar sowohl in der Geometrie als auch in der Metaphysik. Nach Lamberts Überzeugung gibt es eine ganze Reihe von Begriffen, die aus der bloßen Betrachtung der eigenen Gedanken deduziert werden können, z. B. »denken, seyn, nicht seyn, wahr, falsch, nothwendig, widerspruch, unmöglich, möglich, groß, Stuffen, Übereinstimmung, Vollkommenheit, Geist«. Wenn in logischen Schlüssen ausschließlich derartige Begriffe gebraucht würden, sei der höchste Grad an Evidenz garantiert; solche Schlüsse lieferten notwendige Wahrheiten, wie z. B. das principium contradictionis. Allerdings gebe es nicht nur Begriffe, die »aus der bloßen Betrachtung« der Gedanken hergeleitet werden können, mithin nicht nur notwendige Wahrheiten, sondern auch solche, »die ab existentibus sind, und folgl. einen Anfang und Ende haben«.18 Die aus Lamberts Sicht für die Metaphysik im Allgemeinen und für die Theologia Naturalis im Speziellen entscheidende Frage ist, ob von den notwendigen Wahrheiten auf die »existentia Entis aeque necessarii« geschlossen werden könne, ob also ausgehend von der Begriffsbildung durch unmittelbare Erfahrung und unter der Anwendung logischer Schlussverfahren z. B. die Notwendigkeit der Existenz Gottes erwiesen werden könne. Ein solcher Nachweis würde seiner Auffassung nach

|| 16 Lambert: Über die Methode (s. Anm. 14), S. 7. 17 Ebd., S. 8. 18 Ebd.: »Z. E. ehe etwas existirt u. nach dem es aufgehört hat zu existiren kann man nicht sagen, daß es existire, und was an einem Orte ist kann nicht gesagt werden, daß es zugl. an einem andren Ort seye etc.«

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die Metaphysik nachhaltig als Wissenschaft etablieren und zugleich enorme Erkenntnisgewinne in Aussicht stellen; endlich würde in der Metaphysik, in der man bislang »nur schwach und öfters gar nichts« sehe, das Licht so »hell und durchdringend wie die Sonne« scheinen, nämlich so hell wie in der Geometrie.19 Die Zersplitterung der Philosophen in »Idealisten u. Materialisten, Zweifler u. Fatalisten« – Aufspaltungen, die es in der Geometrie aufgrund ihrer Gewissheit nie gegeben habe – wären mit einem Male überwunden. Vorrangiges Ziel müsse daher sein, »das wankende in der Metaphysik zu heben«, indem man ihre Grundbegriffe »unumstößlich und einleuchtend« macht, sie der »Abwechslung der Zeiten und Länder« entreißt und auf diese Weise der Metaphysik eine Ordnung gibt, die der Ordnung der Geometrie entspricht.20 Vor allem müssten »die ersten Anfänge der Metaphysic ein für allemal unverrückt gemacht« werden, und das heißt: die Logik.21 Würde es gelingen, die »Vernunftlehre« und insbesondere die »Lehre von den Sätzen, von ihrer Umkehrung und [...] von den Schlußreden« in diesem Sinne auf ein festes Fundament zu stellen, dann würde sie nicht nur denselben »Rum« verdienen wie die »Meßkunst«, sondern ihren Grad an Gewissheit, der ebenso hoch sei wie jener der Geometrie, gewissermaßen auf die Metaphysik übertragen. Lambert ist der Überzeugung, dass die Grundbegriffe der Logik und die aus ihnen gebildeten Grundsätze einer ebenso »unmittelbaren Prüfung« fähig sind wie die der Geometrie. Hier wie dort seien die Grundbegriffe Erfahrungsbegriffe, nämlich Begriffe, die auf unmittelbarer Erfahrung beruhen. Zusammengesetzte Begriffe müssten deshalb, um ihre Evidenz erweisen zu können, auf ihre einfachen Grundbegriffe zurückführbar sein. Daher bilde die Vernunftlehre, d. h. die Logik im seinerzeit üblichen Sinn des Wortes, den Kern aller wissenschaftlichen Gewissheit. Aufgrund dieser Erkenntnis erweist sich »die Frage, ob die Metaphysic mit der Geometrie gleiche Evidenz haben könne«, aus Lamberts Sicht als inadäquat; eigentlich müsste gefragt werden, ob die Mathematik zu »gleicher Evidenz fähig seye, wie die Vernunftlehre«.22 Erst wenn diese Frage zweifelsfrei positiv beantwortet worden ist, dürfe man weiterfragen, ob Metaphysik und Geometrie als »heterogenea« anzusehen seien (oder als homogenea) oder, anders ausgedrückt, ob »die Grundbegriffe der Vernunftlehre an sich schon metaphysische Begriffe« seien. Wenn es gelingen sollte, die Metaphysik auf diese Weise mit der Vernunftlehre zu verbinden, so sei dies »der beträchtlichste Gewinn«. Mit dieser Perspektivenverschiebung geht allerdings eine fundamentale Einschränkung der Metaphysik einher, nämlich eine wesentliche Beschneidung ihres traditionellen Gegenstandsbereichs. Die Homogenität von Vernunftlehre und Meta-

|| 19 Ebd., S. 12. 20 Ebd., S. 13. 21 Ebd., S. 14. 22 Ebd., S. 15.

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physik – Lambert spricht nun nur noch von »Ontologie«23 – soll einerseits auf der Verwendung derselben Begriffe gründen, die in der Vernunftlehre »keinen Anstand finden« und daher »auch in der Ontologie [...] keinen Anstand haben können«.24 Die Vernunftlehre wird so zu einer Art Begriffsfilter und damit zugleich zu einem Prüfinstrument der metaphysischen Hypothesenbildung: Zwar »dehnt sich [die Vernunftlehre] nur auf das Reich der Wahrheit nicht aber auf das Reich der Wirklichkeit aus, welches sie soviel als hypothetisch läßt.« Aber immer gelte: »Was [...] die Vernunftlehre verbannt, muß aus der Metaphysic an sich schon wegbleiben«,25 und sofern in der Vernunftlehre oder in der Metaphysik »die Dinge überhaupt, so ferne sie neml. möglich sind betrachtet werden«, hätten sie »in dieser Absicht gleichen Umfang, weil das Reich der Wahrheit u. der Möglichkeit gleiche Größe haben u. einerley begreifen«. Lambert überführt die Frage nach der Evidenz metaphysischer Erkenntnis damit gewissermaßen in den Bereich der Logik, und zwar der Begriffslogik, die eine adäquate Verwendung von Grundbegriffen in der (auf die Ontologie reduzierten) Metaphysik ermöglichen und garantieren soll. Die Begriffslogik soll verhindern, dass die Begriffe in unzulässiger Weise verändert werden, nämlich ohne den vorhergehenden Beweis, dass eine solche Veränderung erlaubt sei. Das hierfür erforderliche Prüfverfahren soll darin bestehen, die »Herkunft« der Begriffe zu ›erweisen‹, also in einer vollumfänglichen, letztlich sprachpraktisch-empirischen Begriffsanalyse. Nur unter Beibehaltung des begrifflichen Gehaltes dürfe man wagen, einen veränderten Begriff zu verwenden, »wenn man vom hypothetischen zum cathegorischen einen Sprung macht«.26 Allerdings stellt sich die Frage, ob die von Lambert geforderte Beschränkung der Metaphysik auf den Gebrauch »logische[r] Erfahrungsbegriffe« dazu führen kann, dass in der ›neuen‹ Metaphysik gar keine Erkenntnisse mehr gewonnen werden können, denn Logik und Metaphysik erscheinen ja nun, nach der vorgenommenen Eingrenzung der Metaphysik, geradezu als dasselbe, während sonst die Logik zwar als Bestandteil der Metaphysik betrachtet worden war und bis heute betrachtet wird, sich die Metaphysik aber nicht in der Logik erschöpft. Lambert scheint dieses Problem gesehen zu haben; jedenfalls betont er, dass es durchaus »logische Erfahrungsbegriffe« gebe, die – sozusagen ausgehend vom jeweiligen Erkenntnisinteresse – »nicht in die Logic aber in die Metaphysic gehören«. Aber auch für sie gelte, dass wir sie »nicht von äußern Dingen hernehmen« dürfen, denn »die Probe von ihrer Entstehungsart, Möglichkeit und Richtigkeit« soll ja »in uns selbsten« möglich sein. Zu den spezifisch für die Metaphysik interessanten Begriffen || 23 Ebd., S. 16. 24 Nämlich Grundbegriffe wie »idea, diuersum, simplex, compositum, omnis quidam, nullus, esse, non, non esse, possibile, necessarium, determinatum, indeterminatum, totum, pars, verum, falsum, [...] essentia, attributum, contradictio, oppositum, ordo, successio, signum etc.« (ebd.). 25 Ebd., S. 15. 26 Ebd., S. 16.

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zählt Lambert z. B. »Ordnung, Übereinstimmung, Vollständigkeit, requisitum, Vollkommenheit, Grade«. Solange man solche Begriffe in der Metaphysik lediglich als »postulata« verwende, könne man in ihr den »Beyfall als nothwendig bey jedem voraussetzen«.27 Dabei sei es (zumindest vorerst) unerheblich, ob die auf solche Weise auffindbaren Begriffe ermöglichen, eine alle metaphysischen Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfende Metaphysik zu entwickeln; entscheidend sei vielmehr, dass niemals »von äußerl. Dingen abstrahirt« wird, nämlich niemals a posteriori erlangter Kenntnis die Gewissheit apriorischen Wissens zugeschrieben wird. Damit sei selbst dem schärfsten Gegner dieser Disziplin, nämlich dem »Egoiste[n]«, der nichts einräume, »als wovon er in sich Erfahrung haben kann«, beizukommen, da man dessen Forderung ja gerade erfülle.28 In diesem Zusammenhang weist Lambert übrigens selbst ausdrücklich darauf hin, dass Wolff erste Grundbegriffe einer solchen Metaphysik im Ausgang von Descartes’ Argument des Cogito ergo sum bereits hergeleitet habe.29 Lambert macht aber auch deutlich, dass Wolff schon in seiner Erörterung des Satzes vom zureichenden Grund zu weit gegangen sei, indem er diesen Satz als allgemeingültigen Grundsatz proklamiert habe. Dessen Allgemeingültigkeit sei von Wolff nämlich gar nicht bewiesen, d. h. nicht allein aus Grundbegriffen deduziert worden. Nach Lamberts Überzeugung sei das auch gar nicht möglich. Man dürfe diesen Satz deshalb nicht als bewiesenen Grundsatz akzeptieren, sondern ihn lediglich als Postulat betrachten. Wolff hätte sich damit begnügen sollen, »statt des zureichenden Grundes nur das Recht Beweiße zu fordern anzubringen«.30 Die Postulierung des Satzes vom zureichenden Grund sei z. B. folgendermaßen formulierbar: Z. E. Wenn etwas ist, welches nicht ware, so muß ein Grund da seyn, warum es jetzt ist. Denn da es vorhin nicht ware, so hat es entstehen müssen, um jetzt zu seyn. Nun konnte es sich selbst nicht machen. Denn was sich machen solle, muß schon seyn, quod absonum, folgl. hat es durch etwas, das schon ware gemacht werden müssen. Dieses aber enthält den Grund, ergo ... ohne dieses sehe ich zwar, daß es ist, aber nicht warum? aliter. Denn sonst begreife ich nicht, warum es jetzt ist. Ohne dieses Begreifen kann ich es nicht zugeben...31

Wie sich der Fortschritt in der Metaphysik nach der von ihm vorgeschlagenen Methode darstellen könnte, expliziert Lambert am Beispiel der Frage nach den Implikationen, die in der Annahme der Existenz ewiger Wahrheiten enthalten sind. Er unterscheidet in einem ersten Schritt zwischen zwei Arten von Wahrheiten, nämlich

|| 27 Ebd., S. 17. 28 Ebd. 29 Ebd., S. 18; vgl. Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, Halle 111751 (WGW I.2), Cap. 1: Wie wir erkennen, daß wir sind, und was uns diese Erkäntniß nützet (§§ 1–9). 30 Lambert: Über die Methode (s. Anm. 14), S. 19. 31 Ebd.

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zwischen solchen, die »von Zeit u. Ort als von unumgänglichen Bedingungen« abhängen, und solchen, die »weder von Zeit u. Ort abhängen« und »ewig und aller Orten wahr« sind.32 Als Beispiel für eine Wahrheit des ersten Typs (zeit- und ortsabhängig) nennt Lambert das Denken und die Satzbildung, also kognitive Aktivitäten.33 Als Beispiele für Wahrheiten des zweiten Typs (zeit- und ortsunabhängig) verweist er auf »die Geometrischen u. Logischen [Wahrheiten] u. was in der Metaphysic im strengsten Verstande a priori ist«.34 Diese Wahrheiten hätten drei besondere Merkmale: (1.) Sie wären auch dann wahr, wenn es kein denkendes Wesen gäbe oder wenn sie von keinem denkenden Wesen gewusst oder geglaubt würden. (2.) Sie drängten sich uns allein durch ihre Betrachtung unmittelbar auf, seien also unmittelbar evident. (3.) Sie seien sogar dann wahr, wenn »weder Welt, noch Gott kurz nichts wäre«.35 Besonders dieser letzte Punkt mutet radikal an; Lambert scheint aber überzeugt zu sein, die uneingeschränkte Independenz solcher Wahrheiten annehmen zu müssen, weil nur dadurch ein Paralogismus vermieden werden könne, was v. a. für die Theologia Naturalis von größter Bedeutung sei. Jedenfalls proklamiert Lambert die vollständige Unabhängigkeit der Wahrheiten des zweiten Typs von jeglichen Existenzbedingungen. Geometrische, logische und apriorische Wahrheiten bleiben nach Lamberts Auffassung vollkommen unbeeinflusst von der Existenz oder Nichtexistenz denkender Wesen, die sich ihrer als Wahrheiten bewusst sind. Würde man nämlich annehmen, dass raumzeitlich independente Wahrheiten nicht eher wahr sind, als bis sie sich jemand als wahr vorstellt, käme dies der Behauptung gleich, »daß erst die Vorstellung eine Wahrheit zur Wahrheit mache«, und man müsste somit zugestehen, dass diese Wahrheiten geradezu auf die »endlichen Geister« warten, »um wahr zu werden« – aus Lamberts Sicht eine absurde Vorstellung. Wenn geometrische, logische und apriorische Wahrheiten nicht an Existenzbedingungen gebunden sind, stellt sich allerdings die Frage nach ihrem Wesen oder, anders ausgedrückt, nach ihrem ontologischen Status, und zwar umso dringlicher, weil Lambert diesen Wahrheiten letztlich selbst eine ewige und insofern eigenständige Existenz zuschreibt. Die Bestimmung solcher Wahrheiten als von allen Existenzbedingungen unabhängig macht es aus logischen Gründen unmöglich, diese Wahrheiten als Wahrheitsaussagen oder als Wahrheitsurteile zu betrachten, denn Aussagen und Urteile sind niemals unabhängig von allen Existenzbedingungen – es muss ein Subjekt existieren, das aussagt oder urteilt. Insofern muss Lambert geradezu von einem Wahrheitsbegriff ausgehen, der dem einer platonischen Idee zu-

|| 32 Ebd., S. 21. 33 Ebd.: »Ehe ich etwas denke kann ich nicht sagen, daß ich es denke, oder ehe ich einen Satz erfinde, kann ich nicht sagen daß ich ihn erfunden habe etc.« 34 Ebd., S. 21f. 35 Ebd., S. 22.

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mindest nahekommt, nämlich von dem Begriff der Wahrheit als einer ewigen und unveränderlichen Entität, die vollkommen independent, sozusagen absolut, existiert. Die geometrischen, logischen und apriorischen Wahrheiten, die im Grunde alle als apriorisch betrachtet werden dürfen, weisen allerdings die Besonderheit auf, dass sie – im Gegensatz zu den platonischen Ideen – aufgrund ihrer Evidenz vollständig erkannt werden können. Dadurch, dass Lambert als Beispiel einer solchen Wahrheit dennoch einen Satz heranzieht, nämlich den Satz des Pythagoras,36 und damit faktisch doch ein ausgesagtes Urteil, wird deutlich, dass er implizit zwischen der Wahrheit und ihrer Formulierung durch ein urteilendes Subjekt unterscheidet. Ein gedachtes oder geäußertes wahres Urteil erscheint damit vielmehr als Instanziierung einer Wahrheit, die dann allerdings ihrerseits – im Unterschied zu dieser Wahrheit selbst – nicht mehr als independente Wahrheit betrachtet werden kann. Diese Deutung harmoniert durchaus mit dem zweiten von Lambert proklamierten Ansatz, die Existenz raumzeitlich unabhängiger Wahrheiten zu erklären, nämlich durch Verweis auf den göttlichen Verstand als »den Grund der Möglichkeit jeder Wahrheiten«.37 Hier bestehe allerdings die Gefahr eines »Circulum in demonstrando«, denn der Beweis der Existenz Gottes lasse sich, wenn er a priori geführt werden soll – und nur dies ist ja mit den Einschränkungen, die Lambert der Metaphysik auferlegt, gestattet –, ausschließlich auf der Annahme der Existenz raumzeitlich independenter Wahrheiten aufbauen. Deshalb müsse man schon vor dem Gottesbeweis die Existenz raumzeitlich unabhängiger Wahrheiten annehmen, mithin also ihre Existenz als von Gottes Existenz unabhängig zugestehen. Denn der Schluss könne keine andere Form haben als diese: »Dantur veritates necessariae ab aeterno, ergo datur Deus.«38 Gott wird damit selbst als ewige Wahrheit proklamiert, als eine Wahrheit, die unabhängig von ihrer Erkenntnis durch irgendein Denksubjekt und überhaupt unabhängig von der Existenz irgendwelcher anderer Entitäten existiert. Die Existenz Gottes lasse sich somit – anders als Wolff unter Bezug auf den Satz vom zureichenden Grund versucht habe – gerade nicht durch die Behauptung, Gott sei der zureichende Grund für die offensichtliche Existenz ewiger Wahrheiten, beweisen. Ein solcher Beweis müsse, wenn er richtig geführt werden soll, vielmehr zeigen, »daß diese Wahrheiten [...] sämmtl. in einem Verstande, als ihrem gemeinsamen Receptaculo sich befinden müssen«. Und so, wie die Existenz Gottes nur auf Basis einer apriorischen Metaphysik, nämlich aufbauend auf der Erkenntnis ewiger Wahrheiten, erfolgen dürfe, so dürfe auch die »Theorie seiner Eigenschaften und Vollkommenheiten« ausschließlich auf diese Weise entfaltet werden.39

|| 36 Ebd. 37 Ebd., S. 22f. Diesen Ansatz nimmt Lambert von Wolff. 38 Ebd. 39 Ebd., S. 23. Damit verbiete sich übrigens, so Lambert, zugleich die Vorstellung eines körperlichen Gottes (vgl. ebd., S. 24).

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Die von Lambert geforderte neue Metaphysik, die im Unterschied zu all ihren Vorläuferinnen den Ansprüchen einer Wissenschaft gerecht werden soll, ist, wie schon gesagt, restriktiver als ihre Vorgängerinnen; das Feld ihrer Erkenntnis ist auf die Ontologie beschränkt und damit enger gefasst. Sie erfährt aber bei Lambert noch eine weitere Einschränkung, und zwar hinsichtlich ihres potenziellen Erkenntnisbereichs. Man müsse nämlich von der Möglichkeit ausgehen, dass es auch »das für unsere Natur unerforschliche« gibt, also etwas, von dem wir prinzipiell kein metaphysisches Wissen erlangen können, weil uns »gewisse Sinne u. daher Quellen zu Begriffen« fehlen, die zur Erlangung dieses Wissens notwendig wären.40 Der Mensch verfüge aufgrund seiner natürlichen Dispositionen über »viele mögl. sinnliche Begriffe nicht«, dementsprechend auch nicht über die daraus »abstrahirten« Begriffe. Immerhin sei der Mensch aber imstande, die Möglichkeit solcher Begriffe nachzuweisen und damit auch die Möglichkeit einer »Reuelatio immediata«. Lambert vertritt damit ausdrücklich die Auffassung, dass die Möglichkeit einer göttlichen Offenbarung durch die neue Metaphysik nicht bestritten wird, was allerdings nicht verwechselt werden darf mit dem Beweis der Existenz einer göttlichen Offenbarung, ja nicht einmal mit dem Beweis »des Göttl. Willens«.41

3 Lamberts Systematisierung der Metaphysik Vereinfacht kann man die Charakteristik der Metaphysik, wie sie Lambert schon um 1761 vorschwebte, folgendermaßen zusammenfassen: (1.) Als apriorische Wissenschaft darf die Metaphysik niemals »äußere Erfahrungen [...] zu Hülfe« nehmen. (2.) Die in der Metaphysik gewonnenen Erkenntnisse sind »entweder wahr oder falsch«, während sie in der Physik oder der Morallehre auch mehr oder weniger wahrscheinlich sein können. (3.) Metaphysik als apriorische Wissenschaft ist prinzipiell hypothetisch, weil es bei ihr ausschließlich um die »Möglichkeit der ersten Begriffe« geht (d. h. nicht um ihre Wirklichkeit).42 Während der 1760er Jahre hat Lambert das Projekt einer neuen Metaphysik im Ausgang von seinen methodischen Überlegungen weiter verfolgt. Aus ihnen hatte er die Einsicht gewonnen, dass die Metaphysik auf eine nach ›euklidischem‹ Vorbild aufgebaute ›Theorie der Möglichkeit der Begriffe‹ gegründet werden müsse. Dies war daher eines der Kernziele seiner beiden Hauptwerke: des Neue[n] Organon[s] und der Anlage zur Architectonic, oder Theorie des Ersten und des Einfachen in der philosophischen und mathemati-

|| 40 Ebd., S. 24. 41 Auf die Parallele zu Kants Versuch, »Platz zum Glauben« zu schaffen, kann ich hier nicht eingehen. 42 Lambert: Über die Methode (s. Anm. 14), S. 24f.

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schen Erkenntniß, die Lambert zwischen 1762 und 1764 unmittelbar nacheinander verfasst hat.43 Das Neue Organon zielt allerdings, wie schon der Titel verrät, auf mehr als die Erreichung dieses Kernziels. Gleich zu Beginn seiner Vorrede verspricht Lambert, dass das, »was Aristoteles und nach demselben Baco« in ihren ›Organa‹ geboten haben, von ihm »auf eine vollständigere Art« geliefert werde. Damit ordnet Lambert sein Werk einerseits ganz bewusst einem besonders bedeutenden philosophie- und wissenschaftsgeschichtlichen Traditionszusammenhang zu; andererseits deutet er mit seiner Formulierung an, dass er Aristoteles’ und Bacons Werke zur Logik und Wissenschaftstheorie keineswegs als Gegensätze betrachtet und auch sein Organon nicht als einen Bruch mit den Lehren dieser Autoren verstanden wissen will. Lambert stilisiert sich hier durchaus nicht als Neuerer im starken Sinn des Wortes, sondern vielmehr als Verbesserer. Faktisch beschränkt sich der Bereich, in dem die Lehren Aristoteles’, Bacons und Lamberts sich überschneiden, vor allem auf ihre gemeinschaftliche Zielsetzung, während sie sich bekanntlich in wesentlichen Auffassungen darüber, wie diese Ziele zu erreichen seien, stark voneinander unterscheiden. Die Behauptung größerer Vollständigkeit zielt offenbar vor allem auf die angestrebte lückenlosere und daher stabilere Grundlage von Wissenschaft und Erkenntnis im Allgemeinen. Die Grundeinteilung der Wissenschaften, die Lambert in seinem Organon vornimmt, darf als Indiz für die Richtigkeit dieser Deutung gelten. Zu Beginn des Organon geht Lambert von folgenden vier Grundannahmen aus: (1.) Es gibt Wahrheit. (2.) Der Mensch verfügt von Natur aus über mehr oder weniger große Kräfte des Verstandes. (3.) Diese Kräfte sind ihm zu dem Zweck gegeben, sie zu gebrauchen. (4.) Der Mensch versucht von Natur aus, den Irrtum zu vermeiden. All dies sei völlig evident. Trotzdem müsse man konstatieren, dass die Philosophen es bislang nur zu einer Vielzahl einander widersprechender Meinungen, jedoch nicht zur Wahrheitserkenntnis gebracht hätten. Wir finden hier also dieselbe Kritik wieder, die Lambert schon früher in Bezug auf die Metaphysik vorgebracht hatte. Aber woran hapert es in der Philosophie? Lambert möchte dieser Frage systematisch auf den Grund gehen44 und nimmt – durchaus mit dem Anspruch auf Vollständigkeit – vier Dimensionen des Problems durch Teilfragen in den Blick: (1.) Fehlt es dem menschlichen Verstand prinzipiell an hinreichender Kraft zur Wahrheitserkenntnis? (2.) Fehlt es dem menschlichen Verstand insbesondere an der hinreichenden Kraft, zwischen Wahrheit und Irrtum || 43 Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic. 2 Bde. Riga 1771 (LPS 3f.), Vorrede; vgl. Johann Heinrich Lamberts Monatsbuch mit den dazugehörigen Kommentaren, sowie einem Vorwort über den Stand der Lambertforschung. Hg. von Karl Bopp. In: Abhandlungen der Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften. Math.-phys. Klasse. Bd. XXVII, 6. Abh. München 1916, S. 25f. 44 Vgl. zum Folgenden insbesondere Wellmann: Lamberts Begriff eines metaphysischen Systems (s. Anm. 8).

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zu unterscheiden? (3.) Ist (nicht der Verstand, sondern lediglich) die Sprache, in die der menschliche Verstand die Wahrheit »einkleidet«, inadäquat und verhindert dadurch die Wahrheitserkenntnis? (4.) Lässt sich der menschliche Verstand – trotz des prinzipiellen Vermögens zur Wahrheitserkenntnis – potentiell von Schein blenden?45 An diesen Fragen orientiert sich Lamberts Konzeption vier einzelner Wissenschaften, nämlich der Dianoiologie, Alethiologie, Semiotik und Phänomenologie. Die Dianoiologie soll klären, ob es dem Verstand an Kräften zur Wahrheitserkenntnis fehle. Die Alethiologie soll beantworten, ob es dem Verstand an der hinreichenden Kraft mangelt, zwischen Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden. Die Semiotik soll erörtern, ob die Sprache zur ›Einkleidung‹ der Wahrheit inadäquat ist und deshalb die Wahrheitserkenntnis verhindert. Die Phänomenologie soll prüfen, wann, wie und inwieweit sich der Verstand vom Schein blenden lässt. Orientiert an diesen disziplinenspezifischen Aufgaben werden die vier Wissenschaften folgendermaßen definiert: (1.) Die Dianoiologie ist die »Lehre von den Gesetzen, nach welchen sich der Verstand richtet«, und soll die »Wege« bestimmen, die der Verstand »zu gehen hat, wenn er von Wahrheit zu Wahrheit fortschreiten will«. (2.) Die Alethiologie ist die »Lehre von der Wahrheit, sofern sie dem Irrthum entgegengesetzt ist«. Weiter heißt es dazu: »Die Wahrheit muß dem Verstande kenntlich seyn, sowohl weil er dabey anfangen muß, weiter fortzugehen, als auch weil ihm diese Kenntniß selbst im Fortgange zur Probe dient, ob er nicht gestrauchelt habe?«46 Die Dianoiologie und die Alethiologie, die im Wesentlichen als Logiktheorie und als auf die Wahrheitserkenntnis angewandte Logik auftreten, allerdings nicht in traditionell-schulphilosophischer, sondern in einer durch die neue Erkenntnistheorie ›geläuterten‹ Form, würden – so Lambert – zur vollständigen Erkenntnis der Wahrheit ausreichen, wenn der menschliche Verstand fähig wäre, unmittelbar auf die Wahrheit zuzugreifen. Faktisch gebe es aber zwei stets gegebene Umstände, die einen solchen direkten Zugriff auf die Wahrheit verhindern. Einerseits sei der Verstand gezwungen, »seine Erkenntniß [...] an Wörter und Zeichen« zu binden, andererseits zeige sich die Wahrheit dem Menschen »öfters« – also zumindest nicht immer – »unter einem ganz andern Schein« und provoziere daher immer wieder Irrtümer. Deshalb seien die Semiotik und die Phänomenologie zwei weitere notwendige Wissenschaften im Rahmen des Organon. (3.) Die Semiotik wird definiert

|| 45 Lambert: Organon (s. Anm. 12), Vorrede (unpag.): »Betrachtungen von dieser Art veranlassen sehr ungezwungen folgende vier Fragen: 1. Ob es dem menschlichen Verstande an Kräften fehle, ohne vieles Straucheln auf dem Wege der Wahrheit sicher und gewiß zu gehen? 2. Ob demselben die Wahrheit selbst nicht kenntlich genug sey, um sie nicht so leicht mit dem Irrthum zu verwechseln? 3. Ob die Sprache in der er die Wahrheit einkleidet, durch Mißverstand, Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit sie unkenntlicher und zweifelhafter mache, oder andere Hindernisse in Weg lege? 4. Ob sich der Verstand durch den Schein blenden lasse, ohne immer zu dem Wahren durchdringen zu können?« 46 Ebd.

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als die »Lehre von der Bezeichnung der Gedanken und Dinge« und soll »angeben, was die Sprache und andere Zeichen für einen Einfluß in die Erkenntniß der Wahrheit haben, und wie sie dazu dienlich gemacht werden können«. (4.) Die Phänomenologie – ein Begriff, der von Lambert offenbar erstmals in die Philosophie eingeführt wurde – ist die »Lehre von dem Schein«; sie soll »den Schein kenntlich machen, und die Mittel angeben, denselben zu vermeiden, und zu dem Wahren durchzudringen«. Es sei darauf hingewiesen, dass ›Schein‹ nicht verwechselt oder gleichgesetzt werden darf mit ›Irrtum‹. Mit ›Schein‹ ist hier der Unterschied zwischen einem Objekt und dem Modus, in dem dieses Objekt wahrgenommen wird, gemeint, während der Irrtum sich – vereinfacht ausgedrückt – auf ein Fehlurteil des Verstandes zurückführen lässt. Der Irrtum ist deshalb ein Problem der Logik, der Schein ein Problem der Epistemologie. Hier muss auf zwei weitere Aspekte aufmerksam gemacht werden. Zum einen sollte betont werden, dass Lamberts Bestimmung der Aufgaben der vier Instrumentalwissenschaften über die Beantwortung der Fragen, die diese ursprünglich beantworten sollten, deutlich hinausreicht. Die Dianoiologie soll nämlich nicht nur klären, ob der Verstand prinzipiell über ausreichend Kräfte verfügt, die Wahrheit zu erkennen, sondern sie soll auch die Verstandesoperationen, die er bei der Wahrheitserkenntnis verfolgt bzw. verfolgen muss, identifizieren und anwendbar machen. Die Alethiologie soll nicht nur klären, ob der Verstand prinzipiell Wahrheit von Irrtum unterscheiden kann, sondern sie soll auch zeigen, wie er dies könne. Die Semiotik soll nicht nur klären, ob die Sprache die Wahrheitserkenntnis verhindert, sondern sie soll auch zeigen, wie (und welche) Sprache die Wahrheitserkenntnis ermöglicht. Die Phänomenologie soll nicht nur klären, ob der Schein den Verstand prinzipiell an der Wahrheitserkenntnis hindert, sondern sie soll auch zeigen, wie der Schein durchdrungen und die ihm zugrundeliegende Wahrheit erkannt werden kann. Kurz gesagt: Die zunächst ergebnisoffen formulierten Fragen, die durchaus noch negative Antworten ermöglicht hätten und z. B. zu einer tendenziell skeptischen Auffassung hätten führen können, werden bereits hier mit zwei der o. g. Prämissen verknüpft, nämlich dass es Wahrheit gibt und dass die Wahrheit erkannt werden kann. Ferner ist anzumerken, dass Lambert nicht nur auf die fundamentale Verschiedenheit der vier instrumentellen Teildisziplinen hinweist, sondern vor allem auf die unterschiedlichen Untersuchungsbereiche des Wissenschaftspaares Dianoiologie/ Alethiologie einerseits und des Wissenschaftspaares Semiotik/Phänomenologie andererseits. Dem ersten dieser beiden Paare soll zwar eine funktionale Stelle in der Wahrheitserkenntnis zukommen, und es enthält insofern auch einen Bezug auf die vom Verstand unabhängige Wahrheit; es richtet sich aber, nachdem die Unmöglichkeit des direkten Zugriffs des Verstandes auf die Wahrheit festgestellt wurde, im Feld der Analyse vorwiegend auf den Verstand selbst. Insbesondere die Alethiologie scheint dadurch einen prekären Status zu erhalten, denn wie soll der Verstand ein Instrumentarium entwickeln, mit dessen Hilfe er zwischen Wahrheit und Irrtum zu

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unterscheiden vermag, ohne schon über eine klare Vorstellung von Wahrheit und Irrtum zu verfügen? Diese Spannung lässt sich offenbar nur dort auflösen, wo zunächst ausschließlich das, was frei von extramentalen Daten ist, als potentiell wahr angenommen werden kann. Insofern handelt es sich um eine apriorische Vernunftlehre. Hinzu kommt allerdings noch eine weitere Spannung: ›Wahrheit‹ und ›Irrtum‹ sind nämlich selbst schon Begriffe. Ob sie adäquate Begriffe zur Beschreibung dessen sind, was sie bezeichnen sollen, wäre allerdings – nach Lamberts Wissenschaftseinteilung – eine Frage, die von der Semiotik beantwortet werden müsste. Dasselbe gilt für Schein und Wahrheit, deren wechselseitiges Verhältnis in der Phänomenologie untersucht werden soll. Vor dem Hintergrund dieser Erläuterungen wird deutlich, warum Lambert nicht nur die Notwendigkeit aller vier instrumentellen Wissenschaften für die Wahrheitserkenntnis proklamiert, sondern auch gezwungen ist, der Semiotik einen gewissen Vorrang einzuräumen, zumindest dann, wenn er sie als Wissenschaft von den Begriffen in einem fundamentalen Sinne betrachtet, was ganz offenkundig der Fall ist. Lambert scheint dieses Problem allerdings nicht erkannt oder ihm keine größere Bedeutung zugeschrieben zu haben. Er möchte in der Semiotik vor allem »die ganz natürliche Nothwendigkeit der Rede zur Bezeichnung der Gedanken und Dinge« erweisen und in einem zweiten Schritt »das eigene Merkmal wissenschaftlicher Zeichen« angeben. Dieses Merkmal wissenschaftlicher Zeichen bestehe, wie es verkürzt und nicht ohne Spannung heißt, darin, dass die Theorie wissenschaftlicher Zeichen als Substitut für die prinzipiell unverfügbare »Theorie der Sache selbst« diene. Darüber hinaus ist die Semiotik v. a. ein Verfahren der Sprachanalyse, das auf alle Sprachen anwendbar sein soll. Nach Lamberts durchaus zutreffender Einschätzung hat es bereits vor ihm etliche Versuche gegeben, die ›organischen‹ Instrumentalwissenschaften zu entfalten, allerdings in unterschiedlicher Intensität und mit eher geringem Erfolg; vor allem habe man sich bislang auf die Verstandeslehre (also auf einen Teil der Dianoiologie) beschränkt. Lediglich Locke habe im Essay concerning human understanding »die Begriffe«, nämlich die »einfachen oder Grundbegriffe unserer Erkenntniß«, etwas sorgfältiger »anatomirt«, also eine Art provisorische Alethiologie betrieben; aber er habe diese Begriffe eben nur anatomiert und nicht analysiert.47 Eine tatsächliche Begriffsanalyse habe erst Wolff in Verbindung mit seiner Methodenlehre in die Philosophie eingeführt, doch habe er den Aspekt der richtigen Begriffsanwendung unzureichend berücksichtigt. Somit haben nach Lamberts Urteil beide, Locke und Wolff, zwar die richtigen Ansatzpunkte erkannt, aber beide haben versäumt, von ihnen aus konsequent voranzuschreiten. Dies möchte Lambert nachholen: in der

|| 47 An Kant schreibt Lambert am 3. Februar 1766, er trage »kein Bedenken zu sagen, daß Locke auf der wahren Spur gewesen, das einfache in unserer Erkenntniß aufzusuchen. Man muß nur weglassen, was der Sprachgebrauch mit einmengt« usw. (AA X, S. 62 [Brief 37]).

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Dianoiologie, die insofern primär Methodenlehre ist und die an Wolffs Philosophie anknüpfen kann, und in der Alethiologie, in der Lambert auf Lockes Lehren aufbauen kann, indem er dessen Grundbegriffe übernimmt.48 Durch die Anwendung der ›mathematischen Methode‹ auf die Begriffslehre der theoretischen Philosophie möchte er ein stabiles Fundament und ein brauchbares Instrumentarium schaffen und durch die Verwendung dieses nunmehr erstmals adäquaten Instrumentariums die gesamte Philosophie einschließlich der Metaphysik zu einer Wissenschaft erheben. Die neue ›Begriffslogik‹ wird damit faktisch von Lambert zur Grundwissenschaft aller Philosophie erklärt. Allerdings wäre es falsch, in Lamberts Organon bereits seine ausgearbeitete Metaphysik zu suchen. Die wichtigste Leistung dieses Methodenwerks ist weit von einem solchen Anspruch entfernt; es zielt der Absicht nach lediglich auf den Nachweis der »Möglichkeit eines solchen Systems«, in dem »Sachen, Begriffe und Worte« voneinander getrennt und in ein »System« gebracht werden können.49 Lambert glaubt in ihm den Beweis dafür zu erbringen, dass zumindest »einzelne Stücke der Metaphysik wissenschaftlich gemacht werden können«, aber er betont ausdrücklich, dass eine »vollständige Ausführung«, vor der noch eine ganze Reihe von Fragen geklärt werden müssten, immer noch »ihre eigene Schwürigkeiten« hätte, weshalb es »im Ganzen noch nicht angehen« wolle.50 Zu den Fragen, die noch zu beantworten seien, gehören nach Lambert insbesondere die folgenden: [W]o solle man anfangen, wo solle man aufhören zu definiren? Wie kann dabey der grosse und fürchterliche Circul vermieden werden? Geht die gemeine und blos historische Kenntnis der metaphysischen vor oder nach, oder wie ist es damit beschaffen? Hat das Analysiren der Begriffe ein End, oder hat es keines? Und wenn sich immer noch Merkmale von Merkmalen bis ins unendliche entwickeln lassen, wo müssen wir sodann stehen bleiben, und stehen wir dann sicher oder nur hypothetisch? u. s. w.51

Außerdem warnt Lambert in diesem Zusammenhang mit Nachdruck vor Übereilung, nämlich vor einer übermäßigen Begierde zur Errichtung von Systemen, deren nach-

|| 48 Lambert: Organon (s. Anm. 12), Vorrede (unpag.) weist darauf hin, dass er bereits die Hälfte des ersten Hauptteils der Alethiologie geschrieben hatte, bevor er Lockes Essay concerning human understanding gelesen habe. Die Lektüre habe ihn allerdings lediglich zu Kürzungen angeregt. Dieser Hinweis soll offenbar belegen, dass Lambert seine Lehre von den einfachen Begriffen selbst und unabhängig von Locke entwickelt hat und erst zu einem späteren Zeitpunkt entdeckt hat, dass Locke bereits eine im Wesentlichen ähnliche Theorie entfaltet hatte. Allerdings widerspricht Lambert damit seiner eigenen, eingangs erwähnten Behauptung, er habe Lockes Essay bereits in den 1740er Jahren mit großem Gewinn gelesen. 49 Vgl. dazu Wellmann: Lamberts Begriff eines metaphysischen Systems (s. Anm. 8). 50 Brief von Lambert an Holland vom 21. April 1765, LPS 9, S. 21–39, hier S. 21f. 51 Ebd.

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haltig schädliche Folgen sich schon zuvor in der Physik und auch in der Metaphysik gezeigt hätten.52 In der Architectonic bringt Lambert sein Verfahren zur Begriffsbestimmung erstmals zur Anwendung, und zwar im Hinblick auf die Grundbegriffe der Ontologie, die dadurch von dem in der frühen Neuzeit oft formulierten Vorwurf, eine bloße Wortsammlung zu sein, befreit werden soll. Die Ontologie soll nicht mehr nur ein »philosophisches Wörterbuch« sein, sondern auf einer Basis einfacher Begriffe errichtet werden. Allerdings dämpft Lambert die Erfolgserwartungen. Denn mit dem von ihm vorgeschlagenen Verfahren, das vorsieht, den vorhandenen Begriffsschatz auf seine Grundbegriffe zurückzuführen, sieht er sich unvermeidlich einer enormen Menge an Untersuchungsmaterial gegenüber – selbst dann, wenn es ausschließlich um eine Teildisziplin wie die Ontologie geht. Außerdem ist die Analyse der Grundbegriffe offenbar sehr aufwendig, und es gibt vielleicht sogar einige Begriffe, die überhaupt nicht ohne Weiteres adäquat analysiert werden können. So gibt Lambert unumwunden zu, dass er an den Versuchen, die Begriffe des ›Unendlichen‹ und der ›Form‹ in der Architectonic gescheitert sei. Allerdings scheint er dies nicht als ein unüberwindbares Problem, sondern geradezu als ein Charakteristikum der Metaphysik anzusehen, denn: »Die Metaphysik ist [...] eine Wissenschaft, die man sich nicht anheischig machen kann, in einer fürgegebenen Zeit durchaus aufzuklären [...]. Sie wird immer der Nachwelt noch zu thun geben.«53 Lambert betrachtet das Geschäft der Metaphysik offenbar als einen prinzipiell infiniten Prozess. Das mag verwundern, weil die Anzahl der Begriffe begrenzt scheint; Lambert vertritt hier aber offenbar die Auffassung, dass auch Begriffsbildungen immer wieder neu erfolgen können und sich somit die Menge der zu analysierenden Begriffe permanent vergrößern kann. Außerdem hatte er schon in seinen früheren Schriften darauf hingewiesen, dass prinzipiell nicht erkennbar ist, ob man alle möglichen metaphysischen Erkenntnisse gewonnen hat, woraus folgt, dass grundsätzlich nicht festgestellt werden kann, ob die metaphysische Arbeit vollständig abgeschlossen ist. Dasselbe scheint für die Analyse der in der Metaphysik verwendeten Begriffe zu gelten. Jedenfalls plädiert Lambert dafür, schrittweise vorzugehen, nämlich zunächst nur »Materialien zu einem künftigen Lehrgebäude« zu liefern und dabei alles »unbestimmt« zu lassen, »was man zur Zeit noch nicht bestimmen kann«.54 Für ebenso richtig wie diese Zurückhaltung bei Bestimmungsurteilen hält er es, jene Begriffe, die in der Philosophie bereits Verwendung finden, ihrer »wirklichen Anwendung näher zu rücken, und eben dadurch auch die Grundlehre von Seiten ihrer Brauchbarkeit zu zeigen«.55 Damit setzt Lamberts angewandte

|| 52 Ebd. 53 Lambert: Architectonic (s. Anm. 43), Vorrede, S. XVI. 54 Ebd. 55 Ebd., S. XI.

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Philosophie ein mit Begriffskritik, also gewissermaßen mit einer Aufklärung über Begriffe und insofern auch mit einer konstruktiv-kritischen Analyse aller früheren Philosophie. Abschließend sei erwähnt, dass sich Lambert, während er den Lesern seiner Architectonic die Grenzen der Metaphysik überaus deutlich vor Augen zu führen versuchte, gegenüber einem seiner Briefpartner, nämlich Immanuel Kant, wesentlich optimistischer äußerte. An diesen schrieb er, dass das »allgemeine«, das in einer methodisch vorgehenden und »ins reine gebracht[en] Metaphysik« herrschen solle, »gewissermaaßen auf die Allwissenheit, und in so fern über die möglichen Schranken der menschlichen Erkenntniß hinaus« führe.56 Aber noch 1773 – immerhin zwei Jahre nach Erscheinen des zweiten Bandes der Anlage zur Architectonic als Lamberts letztem philosophischen Hauptwerk – war dieses Ziel aus seiner Sicht noch immer nicht erreicht. Lambert stellte nun sogar fest, dass die ›leibnizischwolffische‹ Metaphysik trotz all der schon vor Jahrzehnten von ihm diagnostizierten Mängel noch immer als die beste anzusehen sei.57 Insofern erscheint Lamberts Versuch einer Neubegründung der Metaphysik am Ende seines Schaffens als ein unabgeschlossenes Projekt und damit als ein Zukunftsprojekt.

|| 56 Brief von Lambert an Kant vom 3. Februar 1766. In: Bernoulli: Briefwechsel (s. Anm. 3), Bd. 2, S. 344–351, hier S. 344. 57 Brief von Lambert an Holland vom 9. April 1773. In: ebd., S. 329–332, hier S. 332: »Das viele gute, so in der Leibniz- und Wolfischen Philosophie war, ist durch die eingemengten Hypothesen den meisten Ausländern so viel als ganz unbekannt geblieben, und besseres hatten diese doch wenig oder gar nichts.«

Matteo Favaretti Camposampiero

Lambert on Eternal Truths and the Existence of God As scholars have not failed to notice, Lambert’s philosophical system appears far less theologically oriented than those of most of his German predecessors and contemporaries. In his well-known book of 1980, for instance, Gereon Wolters points to Lambert’s singular lack of attention to all the issues of rational theology that played such a prominent part in eighteenth-century treatises and debates on metaphysics. Wolters stresses the fact that both of Lambert’s major works, the Neues Organon and the Architectonic, devote only a few pages each to discussing traditional rationaltheological topics like the existence and attributes of God. From this unquestionable datum, however, Wolters derives a less obvious consequence; he interprets the quantitative marginalization of rational theology in Lambert’s works as evidence of Lambert’s utter lack of interest in that discipline: Rather, the hint at the necessity of the existence of God as the ›suppositum intelligens‹ appears in the context of other, non-theological doctrines with the function of validating – in a very global or even superficial manner – theses that according to Lambert are apparently not to be validated in another way, but whose validation does not seem to be unconditionally required in Lambert’s view, if this is correctly understood.1

In the paragraphs Wolters refers to, the doctrine of the suppositum intelligens is inextricably linked to one of the most controversial issues of post-Cartesian metaphysics: the doctrine of eternal or necessary truths, which was still intensely debated by eighteenth-century German philosophers. In the wake of Leibniz, Wolff had imposed the existence of necessary truths as a crucial connection between ontology and natural theology or more precisely between the ontology of modalities and the theology of the divine intellect. In Lambert’s work, however, this doctrine appears to be relegated to the margins, along with all other theological concerns. Its rather infrequent mentions in both the Neues Organon and the Architectonic can strike the reader more as residues of earlier debates than serious investigations of a current topic. A first reason to resist this judgment comes from Lambert’s response to the Berlin Academy prize question for 1763,2 the essay Über die Methode die Metaphysik,

|| 1 Gereon Wolters: Basis und Deduktion. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Theorie der axiomatischen Methode bei J. H. Lambert (1728–1777). Berlin, New York 1980, p. 26. Translations are the author’s unless otherwise indicated. 2 The question was proposed in May 1761 and asked whether the truths of metaphysics, natural theology, and morals may attain the same certainty as the truths of mathematics. https://doi.org/10.1515/9783110647761-007

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Theologie und Moral richtiger zu beweisen.3 Lambert composed it in 1762, shortly before writing his major works. In this essay, eternal truths indisputably play a prominent role. Their existence is the pivot of Lambert’s main argument to the effect that even rational theology can attain the degree of perfect certainty that is already enjoyed by geometry and logic. Of course, one may confine this strategy to the unfinished prize essay and claim that the very failure of this early attempt to exploit the traditional resources of metaphysics and rational theology led Lambert to abandon the way of eternal truths, but a conclusion of this sort would be highly misleading. Starting from an analysis of Über die Methode, I argue that the theological implications of the doctrine of eternal truths remain decisive for Lambert even in the Architectonic. In particular, the development of this doctrine provides essential clues to understanding Lambert’s theory of modalities and its radical departure from Wolff’s modal framework.

1 Lambert’s apparent inconsistency The doctrine of eternal truths that Lambert sketches in Über die Methode appears from the outset very different from his subsequent treatment of the topic, not only in length but also in terms of substantive claims. Consider, for instance, the wellknown paragraphs of the Architectonic on the relation between logical truth and metaphysical truth. In this context, Lambert advances an important claim about the fundament of eternal truths: Thus, if we speak of eternal, immutable, absolutely necessary truths and say that they would remain truths even though there was neither God nor world nor anything, through this latter condition we subvert the former statement, since we thereby remove both the subjective ground and the objective real ground of such truths, and we therefore turn these truths not only into an empty dream but into nothing at all.4

This passage echoes the following lines from Über die Methode, which come however to a different conclusion: Furthermore, I observe that the necessary and the eternal in these truths impose on us in such a way that we only need to consider them in order to assent to them, and we find perfect appeasement.

|| 3 Johann Heinrich Lambert: Über die Methode die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen. Ed. by Karl Bopp. Berlin 1918. The manuscript was not sent to the Academy and remained unfinished and unpublished until Bopp’s posthumous edition. 4 Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic, oder Theorie des Einfachen und des Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß. 2 vols. Riga 1771 [repr. Hildesheim 1965], § 299.

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From this, I think I can conclude that even if there were neither world nor God – briefly, nothing – there would nevertheless be truths.5

Both passages evoke a nihilistic scenario, a situation in which nothing exists, including the world or God. However, they point to opposite consequences from this hypothetical state of affairs. In the passage from Über die Methode, the annihilation of all that exists does not affect the eternal truths, since they neither belong to nor depend on the domain of existence. On the contrary, this essay characterizes eternal or necessary truths precisely in terms of their independence from all existing things. Necessary truths are eternal precisely in virtue of their non-existential character: One may distinguish here the necessary truths from those that are ab existentibus and therefore have a beginning and an end. For instance, before something exists and after it has ceased to exist, one cannot say that it exists, and what is in a place cannot be said to be at the same time in another place, etc. Necessary truths are eternal; for instance, the geometrical truths and the principium contradictionis, etc.6

This independence from all existing things is what makes truths survive even in the most radically nihilistic scenario, in which not only the world but also God disappears. Even if every being were annihilated and absolutely nothing existed, it would still remain true that two plus two is four. By contrast, the passage from the Architectonic clearly supports the view that a nihilistic scenario would destroy the eternal truths as well, for it would deprive them of their dual foundation. On the one hand, the non-existence of the world would eliminate the objective ground of truths, thereby reducing them to an empty dream. On the other hand, the non-existence of God would obliterate the subjective ground of truths, thereby effecting their complete annihilation. According to the Architectonic, no truth survives the conjunction of acosmism and atheism. If nothing existed, then nothing would be true either, not even that two plus two is four. Formulated in these terms, Lambert’s two claims appear to be mutually incompatible and irreconcilable. The relatively short temporal distance between the composition of the prize essay (April 1762) and the composition of the Architectonic (March–September 1764) makes this inconsistency all the more surprising.7 Furthermore, there is evidence that in the Neues Organon (written between October 1762 and November 1763) Lambert has already embraced the idea of a theological foun-

|| 5 Johann Heinrich Lambert: Über die Methode (see fn. 3), §§ 51–52. Cf. Paola Basso: Filosofia e geometria: Lambert interprete di Euclide. Milano 1999, p. 131. 6 The passage is taken from Lambert’s preparatory notes: Über die Methode (see fn. 3), Notanda, p. 8. 7 For these and the following dates of composition, see Johann Heinrich Lambert: Monatsbuch. Ed. by Karl Bopp. München 1915, pp. 24–26.

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dation of truths. This choice comes to light in the Second Part of that work or Alethiologie, largely composed in January 1763. Indeed, Lambert’s claim that »God is the principium essendi of truths«8 leaves little doubt as to his (re)considered view. Did Lambert suddenly change his mind in the last months of 1762? Did he abruptly turn from an extreme form of Platonism, according to which truths subsist by themselves and need no external grounding, to a more moderate and Christianized Platonism, according to which truths are real but their reality is necessarily grounded in something else?9

2 Historical background Before Lambert, both extreme and moderate Platonist views on truth had been intensely discussed by the early moderns; Descartes is well known to have rejected both. Against the idea that truth is self-subsistent and its reality independent even of God, Descartes developed his puzzling view that eternal truths are freely created by God. In turn, Descartes’s creationism about truths aroused the reactions of the greatest post-Cartesian metaphysicians: Spinoza, Malebranche, and Leibniz.10 Leibniz’s position is of special interest to our subject, since it is the origin of the moderate Platonism that Lambert eventually embraces. In open opposition to Cartesian creationism, Leibniz maintains that eternal truths are absolutely independent of God’s will. However, he also departs from the extreme position in admitting that eternal truths are nevertheless dependent on God’s intellect. The separation of God’s attributes is therefore crucial to Leibniz’s metaphysics of truth, but so is the doctrine

|| 8 Johann Heinrich Lambert: Alethiologie oder Lehre von der Wahrheit. In: id.: Neues Organon, oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. Erster Band. Leipzig 1764 [repr. Hildesheim 1965], § 234a. 9 In late December 1762, an important work appeared: Immanuel Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes. Königsberg 1763. The core of Kant’s wellknown argument is the proposition that if absolutely nothing exists, then nothing is possible, either. However, although I cannot rule out a Kantian influence, I take Lambert’s final position to be a coherent development of his former reflections (see my reconstruction below). Unfortunately, a detailed comparison between Lambert’s and Kant’s arguments for God’s existence in the early 1760s lies beyond the scope of this paper. 10 See at least Geneviève Rodis-Lewis: Polémiques sur la création des possibles et sur l’impossible dans l’école cartésienne. In: Studia Cartesiana 2 (1981), pp. 105–123; Jean-Luc Marion: De la création des vérités éternelles au principe de raison. Remarques sur l’anti-cartésianisme de Spinoza, Malebranche, Leibniz. In: XVIIe siècle 147 (1985), pp. 143–164; Maria Emanuela Scribano: Da Descartes a Spinoza. Percorsi della teologia razionale nel Seicento. Milano 1988, pp. 83–150; Giuliano Gasparri, Le grand paradoxe de M. Descartes. La teoria cartesiana delle verità eterne nell’Europa del XVII secolo. Firenze 2007; Mogens Lærke: Leibniz lecteur de Spinoza. La genèse d’une opposition complexe. Paris 2008, pp. 857–888.

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of essences. All eternal truths derive from the essences of things in the same way that all geometrical theorems about triangles derive from the essence of the triangle. As the divine intellect is the »source« of essences and possibilities, it has the eternal truths as its own internal object and is therefore the »region« of eternal truths.11 In the paragraph of Neues Organon cited above, Lambert still draws on the traditional metaphor of source to describe the relation between God and truths.12 But there is more; invoking the authority of his former teacher Jakob Thomasius, Leibniz claimed that: one must not say, with some Scotists, that the eternal verities would exist even though there were no understanding, not even that of God. For it is, in my judgement, the divine understanding which gives reality to the eternal verities [...]. All reality must be founded on something existent. [...] It is true that an atheist may be a geometrician: but if there were no God, geometry would have no object. And without God, not only would there be nothing existent, but there would be nothing possible.13

Similar considerations appear in another widely circulated work, Leibniz’s Monadology: It is also true that the source not only of existences but also of essences is in God, insofar as these essences are real or insofar as there is something real in possibility. This is because the understanding of God is the region of eternal truths or of the ideas upon which they depend and because without Him there would be no reality in possibilities – not only nothing existent but also nothing possible.14

If God did not exist, there would be no essence, no genuine idea or possibility, and therefore no truth, for truths are logical relations between those simple items (concepts or possibilia) that populate the divine intellect. This is basically the same position that Lambert endorses in his Architectonic. Far less widely known than the seventeenth-century debates on eternal truths described above is their revival in the early eighteenth century. Especially in the 1720s, the ancient opposition reappears on the scene as part of the conflict between Wolff and the various trends that were hostile to him.15 In my view, these German

|| 11 Gottfried Wilhelm Leibniz: Theodicy. Transl. by E. M. Huggard. La Salle, Ill. 1985, § 7 and § 20; Gottfried Wilhelm Leibniz: Monadology. In: id.: Philosophical Papers and Letters. Transl. by Leroy E. Loemker. Dordrecht 1989, §§ 43–46. 12 Cf. Lambert: Alethiologie (see fn. 8), § 234a. Lambert dwells on the metaphorical meaning of »source« in Anlage zur Architectonic (see fn. 4), §§ 489–490. 13 Leibniz: Theodicy (see fn. 11), § 184. 14 Leibniz: Monadology (see fn. 11), § 43. 15 See my reconstruction of this controversy in Matteo Favaretti Camposampiero: L’origine delle essenze: Wolff, Spinoza e i teologi. In: Essentia actuosa. Riletture dell’Etica di Spinoza. Ed. by Andrea Sangiacomo and Francesco Toto. Milano 2016, pp. 93–116.

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developments of post-Cartesian polemics form the historical background that makes intelligible Lambert’s moves on the chessboard of early modern metaphysics. In the theological chapter of his so-called Deutsche Metaphysik, Wolff aligns himself with Leibniz’s position. He even adopts the Leibnizian metaphor of the »source of essences«: Through His intellect, God represents to Himself every world and thus all that is possible. Therefore God’s intellect is the source of the essence of every being; and His intellect is that which makes something possible (etwas möglich machet), as it produces these representations. Indeed, something is possible precisely because it is represented by God’s intellect. And as we have proved above that the essence of beings is eternal, we now see where the essence of all beings has been from all eternity, namely in God’s intellect.16

The theological doctrine of the divine intellect as the source of essences and truths17 has the function of counterbalancing another pillar of Wolff’s metaphysics, the absolute necessity of possibilities, essences, and consequently eternal truths. Wolff maintains that all that is possible is necessarily possible, so that not even God could alter the range of metaphysical possibilities.18 By claiming that possibilities and truths are nevertheless totally dependent on God’s intellect as their source, Wolff clearly aims to avoid the danger of extreme Platonism. In spite of this caution, Wolff’s adversaries accuse his doctrine of Spinozism and necessitarianism; against him, they try to vindicate Descartes’s and Poiret’s emphasis on God’s absolute power and freedom. More expressly than the original debate on eternal truths, its German revival revolves around the theological foundations of modalities. This sort of modal turn is paramount to Lambert’s later concern with the issue. Thus, in the German philosophy of the early eighteenth century, the debate on eternal truths takes the form of a clash between two main views: on one side is the moderate Platonism of Leibniz and Wolff, and on the other the voluntarism of Descartes and Poiret, recovered by the Halle theologians and their allies as an antiWolffian weapon. The third option, the extreme Platonism of late Scholasticism, is only mentioned as a polemical target; it is the position from which the Leibnizians strive to remain aloof, while their adversaries try to prove that moderate and extreme Platonism are fundamentally the same. If in Über die Methode Lambert really intended to advocate the absolute independence of truths from God, his position

|| 16 Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt [= Deutsche Metaphysik]. Halle 1720, 111751 [WGW I, 2.1 and 2.2], § 975. 17 On the divine origin of all truths, cf. ibid., § 976: it is God’s intellect that »produces truths (bringet er die Wahrheiten hervor)«, for it produces the connection that founds all the world’s beings in one another and thus makes the world metaphysically true. 18 See Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott (see fn. 16), § 38 and Christian Wolff: Philosophia prima, sive Ontologia, methodo scientifica pertractata. Frankfurt a. M., Leipzig 1730 [repr. Hildesheim 1962], § 286, § 299. Cf. Favaretti Camposampiero: L’origine delle essenze (see fn. 15), p. 101.

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would be rather exceptional; moreover, it would mark a radical break with the Leibnizian-Wolffian tradition of rational theology. However, a closer reading shows that this is not his real intention.

3 From necessary truths to the necessary being The first issue to consider is why Lambert draws on the doctrine of eternal truths. In the prize essay of 1762, this doctrine clearly serves to build an a priori argument for the existence of God. Indeed, Lambert aims to give a positive answer to the question raised by the Berlin Academy. In the first part of Über die Methode, he argues that it is possible to make the propositions of metaphysics as evident as the propositions of geometry and logic. The core of his argument is the claim that the fundamental concepts that form the common basis of both logic and metaphysics are accessible through the inner sense, that is, through a sort of immediate perception: I have shown how metaphysics can be built on fundamental concepts (Grundbegriffe) that are as necessary as those of logic, which takes as its basis no other empirical concepts (Erfahrungsbegriffe) than those that even an egoist would admit, and which impose so much that in order to deny them one would have to refuse to think.19

The concepts obtained in this introspective way enjoy an epistemic guarantee that the concepts derived from external perception can never attain. Lambert states as a »universal rule« that »we should not take from external things the concepts that we can derive from our own thoughts«, since introspection provides a much closer and more intimate »proof of their origin (Entstehensart), possibility, and soundness«.20 Following this approach, it would be possible to build a metaphysics without having to presuppose or preliminarily demonstrate the existence of the outside world. Metaphysical propositions would then be immune to the usual objections raised by idealist philosophers (or by their extreme incarnation, the egoists),21 in the same ways as the Cartesian cogito is immune to sceptical doubt. Like the majority of traditional philosophers, Lambert thinks that the epistemic status of a proposition

|| 19 Lambert: Über die Methode (see fn. 3), § 45. Cf. Johann Heinrich Lambert: Abhandlung vom Criterium veritatis. Ed. by Karl Bopp. Berlin 1915, § 80; Fabio Todesco: Riforma della metafisica e sapere scientifico. Saggio su Johann Heinrich Lambert (1728–1777). Milano 1987, pp. 195–200. 20 Lambert: Über die Methode (see fn. 3), § 30. 21 This approach clearly echoes Wolff’s concern to »conceive the fundamental definitions and demonstrations in such a way that not even the idealists could reject them«. Christian Wolff: Ratio praelectionum wolfianarum in mathesin et philosophiam universam. Halle 1718, 21735 [repr. Hildesheim 1972], Sect. 2, Chap. 3, § 14.

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must be related to its modal status.22 In particular, he holds that if something is true a priori – if a truth can be known independently of experience – then it must be a necessary truth, since it does not depend on the existence of the objects of experience. If one does not need to experience that p in order to know that it is the case that p, then ‘p’ expresses an eternal and necessary truth, which would be true even if the world did not exist. In the second part of the essay, Lambert outlines the method that should be adopted in the specific domain of natural theology. His starting point is precisely this epistemically oriented account of necessary truths: I return again to the realm of truths, and I notice two kinds that occur therein. Some truths depend on time and place as indispensable conditions, but others do not. [... T]ruths that depend neither on time nor on place are eternal and true of every place. I can include here the geometrical and logical truths and that which in metaphysics is a priori in the strictest sense.23

Furthermore, necessary eternal truths have such an epistemic privilege that considering them is sufficient to determine our assent to them.24 However, the existence of necessary truths that can be known a priori turns out to be a double-edged sword for natural theology. On the one hand, such self-evident truths provide a solid basis for the demonstration of metaphysical and especially theological propositions. According to Lambert, this is actually its only possible basis. If natural theology is to become as evident and certain as geometry, it must be possible to infer the existence of God from these truths that subsist and are knowable regardless of anything else, for it is not only the idealist who is compelled to admit that there are eternal truths. The atheist is so compelled as well: For, before God’s existence is proved, even an atheist will have to admit eternal truths. And if the proof is to proceed a priori, then it is clear that it cannot be derived from truths other than these eternal truths. Thus, the proof will look like this: Dantur veritates necessariae ab aeterno, ergo datur Deus.25

The direct source of Lambert’s argument is likely to be Leibniz’s Monadology, which had already suggested that the proof for God’s existence from the existence of eternal truths is a priori. Leibniz compares this proof with his favourite a priori argument, from the concept of necessary being: »Thus God alone, or the necessary being, has the privilege of necessarily existing if He is possible. And [...] this fact alone suffices to know the existence of God a priori. So we have proved it through the

|| 22 Cf. Lambert: Abhandlung vom Criterium veritatis (see fn. 19), § 77. 23 Lambert: Über die Methode (see fn. 3), § 49. Note that necessary truths are said to be true of every place, not of every possible world. 24 See the passage quoted above from ibid., § 51. 25 Ibid., § 52.

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reality of eternal truths. But we have also proved it a posteriori, since contingent beings exist«.26 On the other hand, the very independence from actual beings that characterizes necessary truths could hamper the step from the abstract realm of truths to the domain of actual existence. If these truths do not in the least depend on what exists, how can we use them as premises to infer that something (God) exists? In the preparatory notes of Über die Methode, Lambert appears to be aware of this difficulty: Necessary truths are eternal; for instance, the geometrical truths and the principle of contradiction, etc. They are independent of all existents to such an extent that the question still remains of whether the existence of an equally necessary being cannot be deduced from them. If this is admissible, then natural theology is capable of the same certainty (Evidenz) as geometry.27

Lambert envisages two possible avenues for this:28 1) either one infers the existence of a necessary being from the content of some necessary truths, which is the approach taken by the ontological argument, or better, by the two Leibnizian versions of the a priori argument;29 2) or one infers the existence of a necessary being from the very fact that there are necessary truths.30 The latter approach forms the core of the argument from the suppositum intelligens that will be developed in the Architectonic. In the prize essay, however, Lambert still appears uncertain as to whether this alternative is actually viable. The preparatory notes include the following remarks: The inference (Schluß) should be like this: Dantur veritates aeternae et ab aeterno, ergo datur Deus.

|| 26 Leibniz: Monadology (see fn. 11), § 45. 27 Lambert: Über die Methode (see fn. 3), Notanda, p. 8. 28 Note that Lambert does not aim here to provide full-fledged demonstrations. He wants simply to indicate the schemes of reasoning that metaphysicians should adopt: »I have presented these forms of proofs (Formeln von Beweißen) only hypothetically, since metaphysics, which should develop such eternal truths with geometric sharpness, is still currently among the desiderata« (ibid., § 53). 29 Cf. ibid., § 52: »If one can prove from these eternal truths that the concept of a necessarily existing being is a possible concept, then the existence of the absolutely necessary being will follow from this, for its non-existence would contradict these truths. Likewise, if one can prove from these truths that the most perfect being is possible in only one way (unico modo), and what is possible in only one way is necessary, then the necessity of the existence of the most perfect being follows from this«. Lambert also points out that this proof would not depend on the principle of sufficient reason like Wolff’s proof of the ens necessarium, but would proceed on purely logical grounds (cf. ibid.), which means that it would not have to assume that something exists. Cf. Christian Wolff: Theologia naturalis methodo scientifica pertractata. Pars prior. Frankfurt a. M., Leipzig 1736 [repr. Hildesheim 1978], § 24. 30 Cf. the summary of the two ways in Lambert: Über die Methode (see fn. 3), § 147: »Either God exists simply because there are eternal truths. [...] Or God exists because some of these eternal truths are such that it follows from them that God exists«.

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Examination of this consecution (Folge) and the proof: α) If there cannot be truth without a thinking being, truths have been thought from eternity. Thus, the Pythagorean theorem was true before Pythagoras, etc. But it is doubtful whether truth requires a thinking being; hence this consecution appears to be shaky. For truth is truth, even if no one thinks of it, or even if everyone believed that the contrary is true. Hence, truths appear to be eternal even by themselves.31

The inferential step from the eternal character of truths to the existence of a mind that eternally thinks of them is blocked by a realist assumption about truth, which Lambert is unwilling to question: »truth is truth, even if no one thinks of it«. Thus, the suppositum argument is eventually dismissed as inconclusive. Instead, Lambert takes the other path, which proceeds in the wake of the traditional a priori argument by showing that the proposition that the most perfect (or, alternatively, the necessary) being exists is a logical consequence of necessarily true propositions: »Thus, since this argument (ratio) does not conclude anything certain, the existence of God ought to follow from the eternal truths themselves; namely, this truth must be included among the eternal necessary truths and therefore connected with them by a narrow link«.32

4 Paralogism and circle The full-fledged version of the essay develops the same considerations about the mind-independent character of truth: I think I can add that [eternal truths] are true even without a thinking being and would be true even if all thinking beings did not know them or believed the contrary. For instance, the Pythagorean theorem has been true before Pythagoras discovered it and would remain truth even if it had to be immediately forgotten again, or even if it were possible that everyone believed the contrary.33

Then Lambert proceeds to draw the Platonistic conclusion that truths would be there even if nothing existed.34 This time, however, instead of dismissing the suppositum argument, Lambert introduces a distinction that limits the validity of the realist assumption that blocked the argument in the preliminary notes. After concluding that there would be truths even in a nihilistic scenario, Lambert points out that this inference needs some logical warnings in order to avoid a paralogism.35

|| 31 Ibid., Notanda, p. 10. 32 Ibid. 33 Ibid., § 50. 34 Ibid., § 52 (quoted above). 35 Cf. ibid.

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What sort of paralogism might possibly threaten the doctrine of eternal truths? Lambert observes that if one allows that »the necessary and eternal truths are independent of every thinking being«,36 then the inference above is conclusive and the suppositum argument cannot be sound. He thinks, however, that the use of the universal quantifier is questionable, for it is actually based on an imperfect induction: »To show this, I have used above only an induction, from which I inferred that, since e.g. the Pythagorean theorem is true even if no human knew it, so it would also be true even if no other thinking being knew it, and therefore even if there were no infinite spirit«.37 In all likelihood, this is the paralogism that Lambert warns us to avoid. If one assumes that the truths that are independent of human thought are independent of every thinking being, one makes in fact an erroneous induction that overlooks the difference between our finite minds and the infinite mind. Lambert is no longer willing to take it for granted that eternal truths survive even in the hypothesis of radical nihilism: »I think it will be conceded here that if there were neither world nor God nor anything at all, then there would also be no one to represent such truths to himself. But whether they would remain truths despite this, this is another question«.38 This time, the possibility of giving a negative answer to the question is given serious consideration. Lambert also appears perfectly aware of the implications of this possible choice: »If we answer this question negatively, then we must claim that only representation makes a truth a truth and consequently that the Pythagorean theorem, for instance, is not true as long as no one represents it to himself as true«.39 Basically, giving a negative answer to the question of whether truth persists beyond annihilation involves rejecting extreme Platonism. What is thereby renounced is the realist assumption that truth is completely independent of representation – of every representation by any cognitive agent. However, Lambert still has not told us why one should choose the negative answer (instead of being happy with an agnostic position, for instance). The only reason Lambert advances here pertains to the theological doctrine of the divine intellect: »But the major issue in this connection comes from the proposition of natural theology, namely that the divine intellect contains the ground of the possibility of every truth«.40 As we have learned from Leibniz’s case, this doctrine provides an antidote to extreme Platonism, insofar as it is compatible only with a moderate Platonism that acknowledges God as the ultimate ground of every truth – including necessary truths.

|| 36 Ibid. 37 Ibid. 38 Ibid. 39 Ibid. 40 Ibid.

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However, assuming this theological proposition at this stage of the argument raises a serious problem. Remember that Lambert evokes eternal truths in order to prove the existence of God, but now he has to assume a proposition about the divine intellect that clearly presupposes that God exists. Lambert himself warns against the risk of circular reasoning.41 The circle would consist, first, in proving the existence of God from the existence of eternal truths by assuming that these are grounded in the divine intellect. Whereas even atheists admit the existence of eternal truths, they obviously do not feel compelled to accept the proposition about a divine intellect. Rather, the latter proposition should be derived from the former, so as to avoid circularity: If one manages to prove that these truths, which are certainly infinite, must be all located in an intellect as their common receptacle, then the existence of the infinite intellect is thereby proved.42 In order to be admissible, this proof [that God exists because there are eternal truths] must follow merely from the universal concept of eternal truth and the concept of God, for instance, if one manages to prove that these truths are infinite and should be together in an intellect. Ergo, there is an infinite intellect.43

In the Neues Organon’s doctrine of truth, the same risk of circularity is definitively neutralized by means of the distinction between the ground of being and the ground of knowledge, that is, between the ontological and epistemological orders of foundation: Theology demonstrates that the divine intellect is the source of all simple concepts or all the truths that are composed of those concepts. That is to say, there are truths because there is a God and, conversely, there is a God because there are truths. Or to speak metaphysically, God is the principium essendi of truths, and truths are the principium cognoscendi of God’s existence.44

Although God enjoys ontological priority, simple concepts and eternal truths are epistemologically prior insofar as their knowability does not depend on anything else: »In spite of this, simple concepts are nevertheless knowable by themselves, since they require nothing more than conceivability. However, in order for them to be known and thought in actuality, there must be a suppositum intelligens, or a thinking being«.45 With His intellect, God fulfils the function of founding eternal truths insofar as He performs an actual thought of them. By thinking of them, He makes them exist. By this point, Lambert has finally rejected extreme Platonism.

|| 41 Ibid. 42 Ibid. 43 Ibid., § 147. 44 Lambert: Alethiologie (see fn. 8), § 234a. 45 Ibid.

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The actual being of truths, their ontological reality, depends on there always being at least one intellect who actually thinks of them or knows them – an eternal, infinite, necessarily existent intellect, who can thus bestow eternity, infinity, and necessity upon truths themselves.

5 The dual basis of truth The idea that even truths require a principium essendi, an ontological foundation, forms the core of the argument developed in the Architectonic. Here, all hesitation has vanished. The answer to the question that was raised in Über die Methode is now unquestionably negative. If there were no infinite intellect, truths could not continue to be truths, since they would lose their metaphysical truth, their being. Of course, truths are conceivable by themselves, but »conceivability (Gedenkbarkeit) is nothing, as long as metaphysical truth is not superadded, which is to say, as long as no thinking being exists, who thinks of (denke) the conceivable in actuality«.46 It is in this sense that Lambert can say that the concept of metaphysical truth is made »transcendent«47 – in the sense that it is applied to truths themselves, which are therefore understood as entities that exist insofar as they are not merely conceivable or knowable but actually conceived and known. Again, it is a form of moderate Platonism. Although truths have their own reality which is independent of our thought, and although there is a realm of truths that enjoys an eternal and immutable existence, this realm nevertheless does not subsist by itself: [T]he realm of logical truth must have a dual basis or ground, on which it may lie. On the one hand, a thinking being, in order for truth to be thought in actuality; on the other hand, the thing itself, which is the object of the conceivable. The former is the subjective ground, the latter is the objective ground that turns logical truth into metaphysical truth.48

From the existence of eternal truths, one can infer the existence of their dual foundation, which refutes both the hypothesis that there is no world and the hypothesis that there is no God. As for the former hypothesis, the ›egoistic‹ or solipsistic scenario would deprive truths of their objective foundation. As Lambert says, it would turn

|| 46 Lambert: Anlage zur Architectonic (see fn. 4), § 299. A different interpretation of Lambert’s concept of Gedenkbarkeit is offered by Hans Werner Arndt: Der Möglichkeitsbegriff bei Christian Wolff und Johann Heinrich Lambert. Diss. Göttingen 1959, esp. pp. 305–308. 47 Lambert: Anlage zur Architectonic (see fn. 4), § 299. 48 Ibid.

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them into an empty dream.49 They would paradoxically cease to be true, for there would no longer be an actual reality to make them true (or as we would say, there would be no truth-maker).50 As for the latter, the consequence of an atheistic scenario would be even more radical, since truths themselves would be completely annihilated: »Without the metaphysical truth that is in the beings themselves, the realm of logical truth would be an empty dream, and without an existing suppositum intelligens it would be not even a dream, but nothing at all«.51 This application of the distinction between logical and metaphysical truth to truths themselves is certainly an innovation with respect to the previous versions of the argument that were formulated by Leibniz and by Lambert himself. As for the inference from the eternal truths to the suppositum intelligens, however, Lambert’s final argument does not progress much beyond the original Leibnizian version, which can be viewed as the archetype of the proof: »For if there is a reality in the essences or possibilities, or in the eternal truths as well, this reality must be founded on something existent and actual, and therefore in the existence of a necessary being, in whom essence includes existence or in whom it is enough to be possible in order to be actual«.52 Much more innovative is the claim that the foundation of truths must be acknowledged to be dual. There must be not only a subjective foundation in the mind but also an objective foundation in things. Thus, eternal truths are not as independent of the world’s existence as Lambert had previously maintained. At the end of the key paragraph, Lambert explains that if truths are something real, their object cannot be an empty domain: »Thus, the proposition that there are necessary, eternal, and immutable truths entails that there must be a necessary, eternal, and immutable suppositum intelligens, and that the object of these truths, namely the solid and the forces have a necessary possibility of existing«.53 Here, the issue of eternal truths finally intersects Lambert’s most typical subject, the theory of the

|| 49 On Lambert’s reformulation of Wolff’s opposition of truth and dream, see Sonia Carboncini: Transzendentale Wahrheit und Traum. Christian Wolffs Antwort auf die Herausforderung durch den Cartesianischen Zweifel. Stuttgart-Bad Cannstatt 1991, pp. 224–229. 50 At bottom, Lambert is here simply extending to truths his previous claims about concepts. Cf. Lambert: Anlage zur Architectonic (see fn. 4), § 297: »[...] then even the concepts that are in themselves conceivable would be empty, i. e. merely ideal concepts, or empty dreams, if what they represent to the thinking being were not really something«. 51 Ibid., § 299. Cf. ibid. the passage quoted above, in section 1. 52 Leibniz: Monadology (see fn. 11), § 44. Cf. Gottfried Wilhelm Leibniz: Specimen inventorum. In: id.: Philosophical Writings. Transl. by Mary Morris and G. H. R. Parkinson. London 1973, p. 78: »If there were no eternal substance, there would be no eternal truths; so this too affords a proof of God, who is the root of possibility, for His mind is the very region of ideas or truths«. 53 Lambert: Anlage zur Architectonic (see fn. 4), § 299.

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solid and the forces as the basic ingredients of ontology.54 Lambert now makes clear that eternal truths have a specific object that consists in the solid and the forces. Even more puzzling is Lambert’s claim about the modal status of these objects – the claim that if there are eternal truths, then the solid and the forces have a necessary possibility of existing. In the previous paragraphs, Lambert has distinguished between three kinds of possibility: symbolic possibility; conceivability (or mere possibility), which is characterized in terms of logical consistency; and the possibility of existing, which is based on the solid and the forces.55 In section 6, I offer a comparison with Wolff’s theory of modalities to help clarify the distinction between logical and existential possibility, for it is from Wolff’s theory that Lambert aims to distance himself.

6 Wolff’s possibility of existing Wolff’s ontology gives great prominence to the analysis of modal concepts. He notoriously characterizes the possible in purely logical terms as what is free from contradictions: »Possible is that which involves no contradiction; that is, which is not impossible«.56 The relation between possibility and existence is mediated by the treacherous concept of the possibility of existing. On the one hand, Wolff maintains that having the possibility of existing is simply an entailment of being logically possible: »That which is possible can exist«.57 Since what is possible involves no contradiction, if what is possible were to exist, this would not make any contradiction true. Thus, the existence of any possible is itself possible. To put it in set theoretical terms, we could say that the set of all logically possible things is identical to the set of the things that can exist, for the property of being logically possible is extensionally equivalent to the property of being able to exist. In this purely logical sense, to say of a thing that it has the possibility of existing is tantamount to saying that it is not contradictory for it to exist. The property is well known to characterize Wolff’s concept of being, which is therefore coextensional with the concept of possible: »Being (ens) is called that which can exist, and thus that to which existence is not repugnant«.58

|| 54 Cf. Michael Friedman: Kant’s Construction of Nature: A Reading of the Metaphysical Foundations of Nature. Cambridge 2013, pp. 121–125. 55 Cf. Lambert: Anlage zur Architectonic (see fn. 4), § 288. 56 Wolff: Ontologia (see fn. 18), § 85. 57 Ibid., § 133. 58 Ibid., § 134. Cf. Matteo Favaretti Camposampiero: Wolfius in fabula: L’ontologia dei ficta. In: Zwischen Grundsätzen und Gegenständen. Untersuchungen zur Ontologie Christian Wolffs. Ed. by Faustino Fabbianelli, Jean-François Goubet and Oliver-Pierre Rudolph. Hildesheim 2011, pp. 51–63;

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This definition of being (ens in Latin, Ding in German)59 is what Lambert probably has in mind when denouncing the previous failure of ontology. According to him, the characteristic trait of »modern ontologies« (neuere Grundlehren) consists in this, that the concept of being (Ding) »was determined in such a way that it involved the possibility of existing (das existiren können), so that every being had to have metaphysical truth«.60 In turn, metaphysical truth was characterized through the concept of order, which Lambert deems completely inadequate.61 On the other hand, Wolff draws a sharp distinction between this possibility of existing – an intrinsic property of being, one which depends only on the thing’s essence – and the possibility of existing that depends, for any given being, on the existence of causes that can produce that being. Wolff rejects the causal definition of the possible as »that for which there is some cause that is sufficient to produce it«, because that view conflates »the possibility of the thing with the possibility of its actuality or existence«: it conflates the possibility of the thing itself (possibilitas rei) with the possibility that the thing exists (possibilitas existendi).62 This second kind of possibility of existing, which is described in causal terms, is what Wolff also calls extrinsic possibility and identifies with the Aristotelian concept of potentiality. The extrinsic possibility of existing, which »presupposes in the being itself a certain passive potency to receive existence«, is no other than the potentiality of beings (potentialitas entium) and is not to be confused with mere possibility, as those do who adopt the causal definition of possibility.63 Contrary to the intrinsic possibility of existing, which is equivalent to mere logical possibility and belongs therefore to all beings and all possibilia, the extrinsic possibility of existing belongs only to potential beings. The distinction between these two kinds of possibilities reveals its full import in Wolff’s Cosmologia generalis, where these modal notions are interpreted in the light of a Leibnizinspired doctrine of possible worlds. After introducing his version of the doctrine,64 Wolff reformulates the distinction in terms of world membership. A being is extrinsically possible if and only if it belongs to the causal chain that constitutes the actu-

|| id.: Dividing Fiction from Reality: Existence and Nature in Christian Wolff’s Metaphysics. In: Existence and Nature. New Perspectives. Ed. by Matteo Favaretti Camposampiero and Matteo Plebani. Heusenstamm 2012, pp. 65–97, at pp. 66–70. 59 Cf. Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott (see fn. 16), § 16. 60 Lambert: Anlage zur Architectonic (see fn. 4), § 519. 61 See ibid., § 304: order in the connection of beings is a necessary but not sufficient condition for both existence and the possibility of existing. Cf. Carboncini: Transzendentale Wahrheit (see fn. 49), p. 228. 62 Wolff: Ontologia (see fn. 18), § 99n. 63 Ibid., § 175n. 64 Cf. Christian Wolff: Cosmologia generalis, methodo scientifica pertractata. Frankfurt a. M., Leipzig 1731 [repr. Hildesheim 1964], § 101.

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al world: »Intrinsically possible is that which is possible if considered in itself, that is, which involves no contradiction if considered in itself. Extrinsically possible is that which has a determinate cause in the actual world, that is, which is able to exist in it«.65

7 Lambert’s promotion of causal modalities Lambert’s possibility of existing corresponds to Wolff’s extrinsic possibility, not to Wolff’s intrinsic possibility, for it is not equivalent to mere conceivability or purely logical consistency. On the contrary, it is a positive possibility whose real foundation lies in the solid and the forces: in entities that have causal powers. According to Lambert, the possibility of a certain thing to exist requires the existence of efficient causes that are sufficient to produce that thing: In order for the symbolic to be fully conceivable, it is enough that contradictions and gaps are kept away from it. By contrast, if the conceivable has to really represent something, then something positive must be superadded to the mere non-contradictoriness, and this is the possibility of existing (das existiren können). That is to say: insofar as one wants to call even the conceivable possible, it remains possible only with respect to the forces of the intellect; but in themselves, all these possibilities are nothing, or an empty dream, if the possibility of existing (die Möglichkeit zu existiren) is not present. Now, as nothing existing can be conceived without the solid and without the forces, the solid along with the forces is the fundament (Grundlage) of metaphysical truth.66

Thus, Lambert’s move against the tradition of modern ontology consists in reviving the causal notion of possibility. Instead of relegating this notion to a subordinate position, as Wolff does, he promotes it to the top of the modal hierarchy and presents it as the most genuine notion of possibility. His point is that both truths and possibilities need to be based on the actual existence of the solid and the forces with their causal powers. Without this causal grounding, the realm of truth and possibility turns into an empty dream; it is no longer really something. Lambert’s move is not limited to possibility but concerns all modal categories. Even in the case of necessity and contingency, he attempts to reduce the theory of modalities to the theory of forces by analysing these modal concepts in terms of dynamic concepts: Insofar as the necessary is inferred from the impossibility of the contrary, its theory is merely ideal and symbolic. In a more real way, however, the theory of the necessary and the contingent is reduced to the theory of forces, which are the measure of the degrees of contingency. Thus,

|| 65 Ibid., § 111. 66 Lambert: Anlage zur Architectonic (see fn. 4), § 297.

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force is the real basis of division (fundamentum divisionis) between the necessary and the contingent [...].67

So far, however, the disagreement between our two philosophers might simply amount to a difference in emphasis. Of course, Wolff privileges the logical notion of the possible, whereas Lambert privileges the causal notion, but it might appear as though both acknowledge that there are two different notions, each legitimate in its own domain.68 However, the theoretical distance increases considerably when Lambert ascribes to his notion of possibility of existing the same extension that both he and Wolff ascribe to logical possibility or mere conceivability. For, »if everything that is by itself and fully conceivable has to be able to exist, then also the positive possibility that derives from the forces as well as the forces themselves must extend so far as to include everything that is not A and not-A, and that is how we extended it above«.69 A clarification is required concerning the powers at stake here. Lambert is certainly not willing to maintain that the forces that exist in the actual world are sufficient to actualize all the possibilia, which would entail modal plenitude, for no logical possibility would remain forever unrealized. Indeed, the end of the passage refers to § 243, where Lambert specifically acknowledges the gap between the set of logical possibilities and the much narrower set of physical possibilities, which includes all that can exist in virtue of the actually existing forces: However, the most immediate (and both a priori and a posteriori) source of positive possibilities are the forces, since without these nothing can occur. In this respect, everything is impossible in the actual world for which the forces that are really present in the world are not sufficient. For even these forces are determined, like everything else in the world.70

This treatment of physical possibility and impossibility may appear to be in keeping with Wolff’s concept of extrinsic possibility or possibility in the actual world.71 Even Lambert appears to subscribe to the view that physical modalities pertain only to the actual world. Immediately afterwards, however, he shifts to the realm of possibility and broadens the scope of the forces accordingly: »But in the realm of possibility the forces extend to everything that has no absolute [...] contradiction. Thus, || 67 Ibid., § 520. 68 Lambert sketches his criticism of the merely logical characterization of possibility at ibid., § 19. His core objection is that non-contradiction does not provide a sufficient criterion of possibility. 69 Ibid., § 297; ›above‹ refers to § 243. 70 Ibid., § 243. 71 Cf. Wolff: Cosmologia generalis (see fn. 64), § 111: »The extrinsically possibles are also called the possibles of this world, since the other possibles that are their opposites cannot exist in this world and are therefore extrinsically impossible«. In an earlier work, Wolff speaks of »the possible in this world (das Mögliche in dieser Welt)«. See also Christian Wolff: Anmerckungen über die vernünfftigen Gedancken von Gott, der Welt und Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt. Frankfurt a. M. 1724, 41740 [repr. Hildesheim 1983], § 6.

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the limitations of what is possible through forces are already determined by the simple concepts, their axioms, and their postulates«.72 Of course, it is possible to make this passage innocuous by taking it to be about merely possible forces. According to this interpretation, Lambert’s claim would be that, for every x, if x is logically possible then there is a possible force such that, if it existed, would produce x, which is tantamount to saying that any particular thing is possible, provided only that the forces that are sufficient to produce it are themselves possible. Unfortunately, this reading in terms of merely possible forces is incompatible with the final lines of § 297. Here, after extending the range of the forces so as to cover the whole set of logical possibilities (see above), Lambert points out that the modal status of these forces is not the status of mere possibility: Thereby, however, these forces are assumed as pre-existing every other existent. For if it were not so, then everything that could be thereby brought to actuality would remain in nothingness, no matter how conceivable it might be. And generally, if nothing exists, then nothing can exist, since without already existing forces it cannot be brought to existence, just as nothing can come to existence by itself.73

No genuine possibility of existing can be grounded in a merely possible entity. Later in the same work, Lambert explains that in order for a possible to be able to exist, there must be another possible that contains the reason of its possibility of existing and pre-exists that thing.74 But what are these forces that are taken to pre-exist every other existent?

8 Lambert’s crypto-theology Shortly after § 297, Lambert again addresses the question of whether conceivability and the possibility of existing are coextensive concepts: »Here the question arises of whether everything metaphysically true is conceivable, and conversely, whether everything conceivable is metaphysically true, or can exist«.75 This time, Lambert’s solution invokes the absolute simplicity of the concept of force. As a simple concept, force suffers no condition or limitation in its efficacy, which according to Lambert explains its unrestricted scope over the possibles: »The concept of force is absolutely simple, and for this reason what is possible through forces cannot depend on many conditions. In § 243 above, we have therefore extended the forces as such to everything non-contradictory. And in this way the

|| 72 Lambert: Anlage zur Architectonic (see fn. 4), § 243. 73 Ibid., § 297. 74 Cf. ibid., § 471. 75 Ibid., § 302.

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realm of logical truth and the realm of metaphysical truth [...] become of equal extension«.76 This absolutely simple and unconditional force cannot be reduced to the forces that inhabit the actual world, for these are always determined and limited in power. Once again, force appears to transcend the physical domain. As I see it, the only plausible way to put a face on these pre-existing forces is to use the traditional language of theology. In the final analysis, Lambert’s concept of simple force expresses in purely ontological terms what theology calls divine omnipotence77 – in the same way as the suppositum intelligens is the ontological rendition of the divine intellect. Traditionally, it is God’s power that – like Lambert’s forces – extends to all that involves no contradiction, and it is the divine intellect that – like Lambert’s suppositum intelligens – is the ground of conceivability itself. Still referring to § 297, Lambert expressly claims that the forces that are necessary for creation and annihilation are forces that pre-exist even what is conceivable: The transformation of the something, i. e. the actual and the conceivable, into the categorical nothing, or A and not-A at the same time, is absolutely impossible, just as conversely the latter cannot be transformed into something. Thus, this is not the concept of annihilating and creating. By contrast, it is certainly conceivable that a be subtracted from a, so that where a was, there can be a – a = 0, and whatever forces are required for this, they pre-exist the conceivable. (§§ 297ff.)78

After all, the causal characterization of possibility – or at least the version of it that became standard in Germany, also thanks to Wolff’s efforts to refute it – involves an essential reference to God’s causal power. According to this characterization, the possible is that which can be produced by some cause, or by God at least.79 A further mark of the crypto-theological character of these paragraphs of the Architectonic is their role in grounding other claims. In the second volume of the work, Lambert refers to these paragraphs several times, always to support the unitary conception of the first principle. In his intentions, addressing the issue of eternal truths is part of the »genuine and true way to determine the only and first source, || 76 Ibid., § 303. 77 In his review of Meier, Lambert himself claims that »the possibility of existing presupposes the divine omnipotence«. Johann Heinrich Lambert: [Review of] Georg Friedrich Meiers Untersuchung verschiedener Materien aus der Weltweisheit. Erster Theil. Halle, Hemmerde 1768. In: Allgemeine deutsche Bibliothek 11,2 (1770) [repr. in LPS 8.2, pp. 266–269, at 268]. Cf. Otto Baensch: Johann Heinrich Lamberts Philosophie und seine Stellung zu Kant. Tübingen, Leipzig 1902 [repr. Hildesheim 1978], p. 39. 78 Lambert: Anlage zur Architectonic (see fn. 4), § 538. 79 Cf. Wolff: Ontologia (see fn. 18), § 103n: »possibile sit quod ab aliqua causa, saltem a Deo, produci potest«. Although Wolff does not mention it, a plausible source of this formulation is Johann Clauberg: Metaphysica de ente, quae rectius ontosophia. In: id.: Opera omnia philosophica. Amstelodami 1691 [repr. Hildesheim 1968], p. 298.

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fundament and beginning of all the three realms of logical, metaphysical, and moral truths – the three realms of the possible, the real (Realen), and the actual (Wirklichen)«.80 Lambert’s final aim is to unveil the actual identity between the subjective ground and the objective ground of truths. He claims that knowledge, will, and power originate from the same source and can therefore be reduced to the same principle.81 But the most telling passage occurs after the proof of the existence of a self-subsistent being, when the reader is invited to compare the conclusion of the proof with what is said in § 299 »about the necessity of a thinking being that exists by itself«.82 Lambert’s promise is that, by doing so, the reader will find that »there exists a being without which logical and metaphysical truth would be absolutely nothing«.83

9 Conclusion It should now be easier to explain Lambert’s recourse to iterated modalities in characterizing as »necessary« the possibility of existing that he ascribes to the object of eternal truths. Again, a comparison with Wolff’s ontology can shed some light. Wolff’s primary use of iterated modalities consists in ascribing absolute necessity to intrinsic possibility. As discussed above, he claims that all that is possible is necessarily so; he then derives from the absolute necessity of the possible the absolute necessity of essences and eternal truths.84 According to Wolff, metaphysical necessity as a second-order modal property belongs to mere possibility alone. Lambert, by contrast, ascribes necessity even to the possibility of existing, thereby confirming his intention of promoting dynamic modalities – the modalities that are grounded in the forces – to the rank of the only genuine metaphysical modalities. According to the Architectonic, the fact that there are eternal truths entails not only that the set of logical possibilities is absolutely necessary and immutable, but also that the objects of those truths must be able to exist, which Lambert takes in turn to entail that something necessarily exists. This leads to the conclusion that Lambert never abandoned the early project sketched in the prize essay Über die Methode.85 Even the Architectonic still pursues the idea of exploiting the eternal

|| 80 Lambert: Anlage zur Architectonic (see fn. 4), § 498. 81 Cf. ibid., § 497. 82 Ibid., § 473. 83 Ibid. 84 See above, fn. 18. 85 Actually, the argument from the eternal truths was the only one to survive; as far as I can tell, Lambert abandoned the traditional a priori arguments from the concepts of ens perfectissimum and

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truths to produce an ontological (and purely ontological) argument for the existence of God: an argument for deriving existence entirely a priori, independently of experience.

|| ens necessarium. Again, considering Kant’s parallel concern with theological arguments might prove helpful (see above, fn. 9).

Ansgar Lyssy

Kosmodizee Johann Heinrich Lambert über kosmische Ordnung und göttliche Vernunft Das Denken in Systemen wurde zwar nicht erst in der Neuzeit erfunden oder thematisiert, nimmt aber ab dem 17. Jahrhundert eine besonders prominente Stellung ein, da es sowohl im philosophischen als auch wissenschaftlichen Denken als Ausgangspunkt, Leitidee und Methode dient. Philosophische Systementwürfe waren in der frühen Neuzeit derart verbreitet, dass Étienne de Condillac sie in seinem Traité des systèmes (1749) nur noch mit Spott betrachtete. Dennoch dauert es, bis der Begriff des Systems kritisch und philosophisch reflektiert wurde, bis ihm eigene Kapitel oder gar Schriften gewidmet wurden, bis er auf seine epistemologische Geltung und Reichweite hin abgeklopft wurde. Der erste neuzeitliche Wissenschaftler, der eine umfassende philosophische Theorie der Systeme entwickelt hat, wird wohl erst Johann Heinrich Lambert gewesen sein,1 danach dicht gefolgt von Immanuel Kant, auf den er einen nicht unerheblichen Einfluss ausgeübt hatte.2 So ist es ein für sein Werk entscheidender Grundzug, dass einzelne Elemente stets in Bezug auf ein Ganzes betrachtet werden können und dass es in diesem Ganzen Ordnungsstrukturen gibt, die wiederum eine besondere Erkenntnisperspektive auf die einzelnen Elemente ermöglichen. Diese ontologischen oder epistemischen Ordnungsstrukturen werden dabei in den Strukturen der Theorie reflektiert. Kurz, eine mereologische Analyse von Systemen wird als methodischer Ansatz zur Theoriebildung begriffen. Dies gilt auch für seinen Ansatz, das Universum selbst als System und damit als Ganzes zu denken, den Lambert in seinen Cosmologischen Briefen (1761) entwickelt. Dabei handelt es sich um 20 Briefe, die an einen fiktiven, astronomisch vorgebildeten Gesprächspartner gerichtet sind. Die Argumentation führt dabei vom Teil zum Ganzen: Die ersten neun Briefe diskutieren das Sonnensystem und seine Kometen, die Briefe zehn bis fünfzehn die Milchstraße und die Frage nach dem Zentrum des Universums wird in den letzten fünf Briefen diskutiert. Die Briefe waren ein Erfolg und wurden schnell ins Französische, Russische und Englische übersetzt.

|| 1 Siehe dazu Johann Heinrich Lambert: Texte zur Systematologie und zur Theorie der wissenschaftlichen Erkenntnis. Hg. von Geo Siegwart. Hamburg 1988. 2 Siehe dazu etwa die Quellensammlung Kantʼs Critique of Pure Reason. Background Source Materials. Hg. von Eric Watkins. Cambridge 2009. Dazu sei noch angemerkt, dass Lamberts Theorie des Kosmos durchaus der kantischen Theorie ähnelt, die dieser in seiner Allgemeinen Naturgeschichte (1755) vertreten hatte, die Lambert gleichwohl nicht gekannt hat. Kant selbst verweist wohlwollend auf diese Ähnlichkeiten (siehe AA II, S. 69). https://doi.org/10.1515/9783110647761-008

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Im Folgenden sollen die teleologischen Momente dieses auf den Kosmos übertragenen Systemgedankens dargelegt und diskutiert werden. Da die theoriebildende Idee eines Systems hier eine funktionale Mereologie impliziert, in der die Teile ihrer Funktion entsprechend auf ein Ganzes ausgerichtet sind, gehen mit der Übertragung dieser Idee auf das Universum selbst einige wissenschaftsmethodische und ontologische Konsequenzen einher, die keinesfalls trivial sind. Kurz, jede Struktur und jede Art von Entität im Kosmos hat eine Funktion, die sich erst mit Blick auf das Ganze vollständig erschließen lässt. Lambert geht es um nichts weniger als um eine teleologische Rechtfertigung der Imperfektion des Kosmos, d. h. um die Frage nach den Gründen der scheinbar unnötigen Komplexität des Kosmos und seiner Gesetze; und damit auch um die Frage, warum die ideale Regelhaftigkeit, die wir den kosmischen Ereignissen zuschreiben, mit den beobachteten Unregelmäßigkeiten konfligiert. Man kann seine Briefe deshalb durchaus als Kosmodizee bezeichnen, als Rechtfertigung der Imperfektion des Kosmos.3 Entscheidend ist dabei die methodologische Vorannahme, die Lambert dem Systemgedanken zufügt. In der Vorrede finden sich zwei Verweise auf Leibniz und Maupertuis, die als Gewährsmänner für die Validität seiner Methode stehen, sich in der Naturerkenntnis teleologischer Prinzipien zu bedienen. Dieser Abschnitt soll nun aufgrund seiner programmatischen Relevanz in Gänze zitiert werden: Diesen letzteren Nutzen hat der Herr von Leibniz schon angemerkt, und in dem Beweise von dem Gesetze der Strahlenbrechung ein Beispiel davon zu geben gesucht. Der Herr von Maupertuis bemühte sich ebenfalls alle Gesetze der Bewegung aus der Teleologie zu beweisen. Überhaupt ist es unstreitig, dass es in der Welt mehr als ein Maximum und Minimum geben muss. Es ist nur zu bedauern, dass die Untersuchung derselben noch eher eine bloße Glaubenssache ist, dabei jeder sich das Recht vorbehält, seinen Beifall nach seiner Willkür einzurichten, und dass die Besorgnis der Ausnahmen der Allgemeinheit der Teleologischen Sätzen in so ferne Abbruch tut, dass man sie lieber durch die Erfahrung bestätigt wissen, und vor dem Sehen nicht getrost glauben will. Diese Schwierigkeit drückt die meisten Beweise, deren ich mich in diesen Briefen bediene, dass sie nicht wie die Geometrischen, den Beifall abnötigen, sondern es dem Leser überlassen, ob er sie des Beifalls würdig finden werde. Viele Vordersätze, deren ich mich in den Beweisen bedient, sind von den Absichten der Schöpfung hergenommen, und folglich teleologisch.4

Hiermit wird die Kosmologie in den Dienst einer dem Prinzip nach teleologischen Physik gestellt. Leibniz hatte auf Fermats Vorschlag reagiert, für die Gesetze der

|| 3 Der Begriff der ›Kosmodizee‹ wird erstmals gegen Ende des 19. Jahrhunderts gebraucht und an prominenter Stelle von Nietzsche der Theodizee gegenübergestellt – freilich in stark moralisierendem Sinne. Siehe dazu Ludger Oeing-Hanhoff: Art. Kosmodizee. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. von Joachim Richter u. a. Basel 1974, Bd. 4, S. 1143. 4 Zitiert wird dabei immer nach Johann Heinrich Lambert: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg 1761, Vorrede, S. VIII. Die Rechtschreibung wurde dabei zugunsten der Lesbarkeit behutsam modernisiert.

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Lichtbrechung und -reflexion nicht den kürzesten Weg, sondern die kürzeste Zeit anzunehmen, also die am schnellsten durchlaufene Strecke. Fermat suchte damit bereits nach Optimierungsprinzipien, die eine eindeutige Bestimmung des tatsächlichen Lichtweges aus der Menge aller möglichen Lichtwege anhand der Maximierung einer bestimmten Variablen erlaubten und wandte sich damit gegen Descartesʼ rein wirkursächliche Herleitung der Brechungsgesetze. Leibniz hob genau diesen Aspekt, der bei Fermat nur implizit eine Rolle spielt, ins Zentrum seiner Überlegungen: Er argumentierte etwa im Tentamen Anagogicum (1695) dafür, dass das Licht demjenigen Weg folgt, der sich eindeutig bestimmen lässt und dem keine symmetrischen und damit gleichwertigen ›Schwesterkurven‹ zugehören. Dieser Ansatz, heute als Variationsrechnung etabliert, erlaubte eine Formalisierung der verschiedenen möglichen Trajektorien, und Leibniz konnte damit das Gesetz aufstellen, nach dem sich das Licht stets den Weg des insgesamt geringsten Widerstandes sucht. Maupertuis baute auf diesen Überlegungen auf und legte dar, dass solche Optimierungsprinzipien nicht nur für das Licht, sondern alle Arten der Bewegung gelten. Zuerst führte er eine neue physikalische Variable action (meist mit Wirkung übersetzt) ein, die, umgangssprachlich ausgedrückt, den ›Aufwand‹ bemisst, der benötigt wird, um eine Veränderung herbeizuführen und postulierte dann, offenkundig aus einer metaphysischen oder theologischen Motivation heraus, dass diese action in allen Ereignissen notwendigerweise ein Minimum darstellt. Je nach Szenario und Berechnungsweise konnte der Wert gelegentlich auch ein Maximum annehmen – jedenfalls wurde diese Variable wieder dazu benutzt, um das Alleinstellungsmerkmal der tatsächlichen Trajektorie gegenüber allen möglichen Trajektorien herauszustellen. Dieser Grundgedanke ist, in der später von Maupertuis und Euler ausgearbeiteten Version, heute noch als Prinzip der kleinsten Wirkung ein anerkanntes Prinzip der Physik.5 Maupertuis benutzte dies dann, um aufzuzeigen, dass die von René Descartes aufgestellten Bewegungsgesetze, die den Kraftbegriff als f=mv definieren, mit den Leibnizschen Bewegungsgesetzen, die f=mv2 annehmen, kompatibel sind und beide aus dem Prinzip der kleinsten Wirkung hergeleitet werden können. Beide Philosophen, Leibniz und Maupertuis, gehen dabei von der mindestens bis auf Aristoteles zurückgehenden und in der Philosophiegeschichte allgemein verbreiteten Annahme aus, dass das Naturgeschehen prinzipiell ökonomisch verläuft: Nichts wird verschwendet, alle ›Kosten‹ sind gegenüber ihrem ›Nutzen‹ mini-

|| 5 Zur Funktion des Prinzips der kleinsten Wirkung als Prinzip der eindeutigen Bestimmung eines Ereignisses siehe Joseph Petzoldt: Maxima, Minima und Oekonomie. In: Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie 14 (1890), S. 206–239, S. 354–366 und S. 417–442. Zur Herleitung dieses Prinzips aus der Annahme eines ökonomischen Schöpfergottes siehe Ansgar Lyssy: LʼÉconomie de la Nature – Maupertuis et Euler sur le Principe de Moindre Action. In: Philosophiques 42 (2015), S. 31–51. Lambert selbst widmet dem Prinzip der kleinsten Wirkung einen Abschnitt in seinen Beyträgen zum Gebrauch der Mathematik (Berlin 1770, 2. Theil, 2. Abschnitt, S. 543‒555).

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miert, aber es geschieht auch nichts ›umsonst‹. Bei beiden Philosophen ist dies durch die Annahme eines ökonomisch planenden Schöpfergottes motiviert, der seine Schöpfung so justiert hat, dass mit der geringsten Anzahl an Gesetzen die größte Zahl an Geschöpfen möglich wird und es keine für das Ganze überflüssigen Entitäten gibt. Eine unökonomische Natur würde den leibnizschen Satz vom zureichenden Grund verletzen. Dabei ist hier vor allem der Aspekt wichtig, dass diese relativ vage metaphysische Annahme über die Natur als ein optimiertes und funktionales Gebilde bei Leibniz und Maupertuis dazu benutzt wird, formalisierte Naturgesetze aufzustellen, die sich dann in der Erfahrung bewähren. Die Plausibilität der Brechungsgesetze und des Prinzips der kleinsten Wirkung rührt also aus zwei Quellen: Einer spekulativen Grundlage, von der die Gesetze bzw. Prinzipien argumentativ hergeleitet werden und die aufgrund ihres starken Gottesbegriffes (Gott als ein planendes, optimierendes, aktives Wesen) als durchaus problematisch empfunden wird; und einer Erfahrungsgrundlage, in der sich diese Gesetze stets aufs Neue bewähren und induktiv bestätigt werden6 – und genau darauf spielt Lambert an, wenn er von einer »Glaubenssache« spricht, die dann »durch die Erfahrung bestätigt« (s. o.) wird. Das für Leibniz und Maupertuis entscheidende Moment liegt jedoch in der physikalisch verwertbaren Formalisierung; die Transmutation einzelner, beobachtbarer Eigenschaften in der mathematischen Formel erlaubt es uns, Eigenschaften zu postulieren, die gerade nicht in der Beobachtung erfahrbar sind. Der Widerstand, den das Licht auf seinem Weg überwinden muss und den es zu minimieren gilt, ergibt sich nach Leibniz aus der Distanz (i. e. Länge des Weges) multipliziert mit der Dichte des Materials; action ergibt sich in der Optik nach Maupertuis aus Masse mal Geschwindigkeit mal Distanz (I = mvs).7 Die hierbei verwendete Methode und die angestrebte Erklärung, das soll im Folgenden gezeigt werden, sind von dem Projekt Lamberts jedoch in nicht unerheblichem Maße verschieden, auch wenn Lambert sich ausdrücklich darauf beruft. Lambert diskutiert in seinen Briefen nun die Ordnungsstrukturen des Kosmos, die er als sinnvoll und zweckmäßig ausweisen will. Er baut zwar auf der Newtonschen Mechanik auf, bringt aber genau die Art von Hypothesen ins Spiel, nämlich metaphysische Spekulationen, die Newton gerade aus der Physik verbannen wollte. Der Kosmos ist zweckmäßig für den Menschen bzw. das Leben im weiteren Sinne gemacht, so lautet die zentrale These – Sinn und Zweck des Universums ist es, Ge-

|| 6 Siehe dazu auch Helmut Pulte: Das Prinzip der kleinsten Wirkung und die Kraftkonzeptionen der rationalen Mechanik. Stuttgart 1989. 7 Im Falle der Kollision zweier elastischer Körper wird dies jedoch als I = m(v0 – v1)2 + m2(v21 – v20)2 berechnet.

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schöpfe hervorzubringen und zu erhalten.8 Die allgemeinen Gesetze und Eigenschaften des Universums sind so ausgerichtet, dass Leben, vor allem höher entwickeltes Leben, nicht nur möglich ist, sondern auch langfristig erhalten werden kann. Diese in den Briefen mehrfach wiederkehrende Idee, dass der Kosmos auf Unheilsvermeidung feinjustiert ist, soll im Folgenden illustriert und diskutiert werden, wobei hier zuerst die Diskussion der Kometen und dann die der sogenannten Perturbationen – Abweichungen der Planetenbahnen vom mathematischen Modell – betrachtet werden. Lambert diskutiert die Einordnung der Kometen ins Ganze des Sonnensystems in den ersten neun Briefen, also über knapp die erste Hälfte des Textes hinweg. Wie ist dieses Interesse an Kometen historisch zu erklären? Die Feststellung, dass Kometen sich um die Sonne bewegten, meist in zyklischer Wiederkehr, bedeutete, dass sie keinesfalls bloß atmosphärische Erscheinungen waren, sondern zu den Himmelskörpern unseres Sonnensystems gezählt werden mussten. Dies erforderte eine umfassende Neuinterpretation des Sonnensystems.9 Die Periodizität der Kometen war dabei ein wichtiges Thema. Isaac Newton hatte berechnet, dass Kometen sich auf einer Bahn um die Sonne bewegen, die einem Kegelschnitt entspricht, also die Form einer Ellipse, eines Kreises, einer Parabel oder einer Hyperbel haben. Damit war klar, dass das Sonnensystem nicht durch einfache Regelmäßigkeiten und Konzentrizität gekennzeichnet war, wie vormals angenommen. Komplexität wurde aber nun zumeist mit Chaos und Zerstörung assoziiert. Jacob Bernoulli berechnete, dass der »Große Komet von 1680« im Jahre 1718 wiederkehren würde. Er nahm dabei an, dass es zu kataklysmischen Zerstörungen auf der Erde kommen würde. Ähnlich Edmond Halley, der in seiner Astronomiae Cometicae Synopsis (1705) aufgezeigt hatte, dass manche Kometen auf einer elliptischen Bahn mit sehr langen Umlaufzeiten um die Sonne kreisen. Er konnte mit seinen Berechnungen die Wiederkehr von Kometen voraussagen; besonders bekannt wurde die Rückkehr des später nach ihm benannten Halleyschen Kometen. Aus diesem Beweis der Periodizität wurde aber noch eine andere Konsequenz gezogen: Halley sagte voraus, dass eine Kollision der Kometen mit der Erde möglich sei und schlug vor, die biblische Flut durch den Einschlag eines solchen Kometen zu erklären. Dafür wurde er von der Royal Society prompt zensiert. William Whiston gab an, dass einer der Kometen für die Sintflut verantwortlich gewesen sein musste und verursachte im Jahre 1736 eine Massenpanik in London, als er behauptete, dass in diesem Jahr ein Komet auf die Erde treffen würde. Auch Maupertuis verfasste eine kurze Streitschrift, den Lettre sur la Comète || 8 Vgl. bspw.: »Wir sind für die Stelle geschaffen, die die Erde wirklich hat, und sie müßte ewig öde bleiben, oder es müßte eine neue Schöpfung geschehen, wenn sie sollte weggerissen werden« (Dritter Brief, S. 22). 9 Die Quellen der folgenden Ausführungen sind zumeist Hans Blumenberg: Die Genesis der kopernikanischen Welt. Frankfurt a. M. 1975 und Sara Schechner-Genuth: Comets, Popular Culture, and the Birth of Modern Cosmology. Princeton, NJ 1997.

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(1742), in der er der Zerstörung der Erde durch einen Kometeneinschlag eine geringe, aber dennoch reale Wahrscheinlichkeit zumaß. Nicht immer wurde eine solche kosmische Kollision gänzlich negativ aufgefasst: Georges-Louis Leclerc de Buffon schlug in seiner Histoire Naturelle Générale (1749) vor, dass gar die gesamte Masse aller Planeten unseres Sonnensystems durch einen nah an der Sonne vorbeifliegenden Kometen aus dieser herausgerissen worden sei und es so überhaupt erst zur Entstehung der Erde gekommen wäre. Lambert greift solche apokalyptischen Szenarien auf und betitelt sie als »Krieg am Firmamente« (Erster Brief, S. 5). Seine Leitfrage lautet nun: Wenn eine Zerstörung der Welt durch Kometen möglich ist, wie wahrscheinlich mag sie sein? Die Wahrscheinlichkeit einer kosmischen Kollision zwischen Planeten und Kometen hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab, über die Lambert spekuliert: Von der Größe und Form der Umlaufbahn der Kometen, ihrer Geschwindigkeit, der Veränderung der Position der Umlaufbahn relativ zu den Planeten und der Beschaffenheit ihres Schweifes. Den Schweif hält Lambert für eine Atmosphäre, die durch Einwirkung der Sonnenhitze verformt wird.10 Diese Faktoren werden von Lambert diskutiert, und er kommt zu dem Schluss, dass Kollisionen von Kometen mit anderen Himmelskörpern außerordentlich unwahrscheinlich sind. Damit zeigt er nicht nur die Ordnung des Kosmos aus einer ganz abstrakten Perspektive auf – er will, ganz im Sinne des aufklärerischen Habitus, die Furcht vor einem Einschlag nicht nur beschwichtigen, sondern mit Mitteln der Wissenschaft einordnen, messbar machen und als unbegründet aufzeigen. Ein genaueres, wissenschaftlicheres Verständnis der Natur des damit ›entzauberten‹ Kosmos kann direkte Wirkungen auf die Gemütszustände der Leser haben. Diesem vorgeblich neutralen und wissenschaftlichen Zugang wird jedoch noch eine theologische Perspektive auferlegt: Die Kometen haben eine Funktion im Kosmos, der aus der Perspektive eines wohlmeinenden Schöpfergottes ausgerichtet ist. Nicht nur die Naturgesetze, sondern auch die Ausgangspositionen der Himmelskörper sind so ausgerichtet, dass es zu keiner kosmischen Katastrophe kommen wird. So diskutiert Lambert beispielsweise die Tatsache, dass die Bahn der Kometen oftmals elliptisch ist, statt kreisförmig zu sein. Er sieht den Zweck und damit den Grund der Ellipsenbahn darin, dass die Kometen so einander besser ausweichen können, als dies bei rein kreisförmigen Bahnen der Fall wäre (siehe Sechster Brief). Würden alle Kometen sich auf einer kreisförmigen Bahn um die Sonne bewegen, so wäre schon aufgrund der Ausdehnung der Kometen und ihrer gegenseitigen || 10 Zumeist werden allerdings Heinrich W. M. Olbers und Friedrich Wilhelm Bessel die ersten derartigen Erklärungen des Kometenschweifes zugeschrieben: Heinrich W. M. Olbers: Ueber den Schweif des grossen Cometen von 1811. In: Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde 25.3 (1812), S. 3–22; Friedrich Wilhelm Bessel: Beobachtungen über die physische Beschaffenheit des Halleyʼschen Kometen und dadurch veranlasste Bemerkungen. In: Astronomische Nachrichten 13 (1836), No. 300–302, Sp. 185–232.

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gravitationellen Anziehung ihre mögliche Zahl doch sehr begrenzt. Es müsste gewissermaßen ein notwendiger ›Mindestabstand‹ eingehalten werden, um so eine Kollision auszuschließen. Selbst wenn man die Kometenbahnen nicht alle auf einer Ebene situiert, sondern im dreidimensionalen Raum relativ zu den Planetenbahnen ›kippt‹, dann würde es aufgrund der konzentrischen Ausrichtung der Kreisbahnen um die Sonne immer noch notwendigerweise zwei potentielle Berührungspunkte geben, an denen auch die nicht in einer Ebene liegenden Kreisbahnen einander schneiden oder zu nahe beieinander liegen. Lambert scheint dabei anzunehmen, dass die Ellipsenbahn gegenüber der Kreisbahn eine größere Zahl an möglichen Kometen gewährt, weil man aufgrund der unterschiedlichen Formen von Ellipsen und der Tatsache, dass sie über zwei Brennpunkte verfügen, signifikant mehr Kombinationsmöglichkeiten bei gleichzeitigem Ausschluss der Kollisionsgefahr (d. h. bei Beibehaltung eines Mindestabstandes) erhält. Auch wenn er feststellt, dass die Umlaufbahnen der Kometen ebenfalls nicht feststehen, sondern sich gegeneinander leicht verschieben, wird dies in diesem Sinne interpretiert. Lambert thematisiert zudem immer wieder die Abweichungen der beobachteten Bewegungen von einem auf Einfachheit ausgerichteten mathematischen Modell. Solche Abweichungen sind für die damalige Wissenschaft nur schwer im Detail erklärbar, tun aber der ungefähren Treffsicherheit der Newtonschen Formeln in ihrer praktischen Anwendung keinen Abbruch. So sind etwa die Planetenbahnen keine vollkommenen Ellipsen (vgl. Zwölfter Brief), aber diesen hinreichend ähnlich. Das Universum durchläuft also »Veränderungen, dadurch die Weltkörper in ihrer Bahn etwas verrückt werden […]. Diese kleineren Verrückungen sind allerdings Folgen von der Schwere der Planeten und Kometen gegeneinander« (Zweiter Brief, S. 10). Es handelt sich bei den Newtonschen Gesetzen um »allgemeine Gesetze, aber bei jedem derselben [finden sich] tausend kleinere Abwechslungen« (Zweiter Brief, S. 25) und damit Abänderungen der Planetenbahnen. Gemeint sind die sogenannten Bahnstörungen oder Perturbationen der Himmelskörper, also gewissermaßen ›Wackelbewegungen‹, die durch die jeweiligen gravitationellen Wechselwirkungen mehrerer Himmelskörper untereinander erzeugt werden. Diese sind heute unter dem Namen des ›Dreikörperproblems‹ (oder entsprechend als ›Mehrkörperproblem‹) bekannt und wurden zuerst von Newton, aber auch Euler und Lambert berechnet – soweit die damalige Mathematik dazu ausreichte. Besonders Newton hat diese Perturbationen in seiner früheren Schrift De Motu und in seinen Principia analysiert, und er gibt sich resigniert angesichts der unüberschaubaren mathematischen Komplexität, die für eine wirklich präzise Berechnung der Laufbahnen der Himmelskörper notwendig wäre: By reason of this deviation of the Sun from the center of gravity the centripetal force does not always tend to that immobile center, and hence the planets neither move exactly in ellipses nor revolve twice in the same orbit. Each time a planet revolves it traces a fresh orbit, as happens also with the motion of the Moon, and each orbit depends upon the combined motions of all the planets, not to mention their actions upon each other. Unless I am much mistaken, it would

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exceed the force of human wit to consider so many causes of motion at the same time, and to define the motions by exact laws which would allow of an easy calculation.11

Die Perturbationen konnten bei einigen Planeten wie Jupiter und Saturn, aber auch bei unserem Mond direkt beobachtet werden. Newton diskutiert solche Aspekte des Dreikörperproblems, etwa die Irregularitäten der Mondumlaufbahn, in seinen Principia (Buch I, Prop. 66). Die mathematischen Details müssen hier nicht diskutiert werden, immerhin fehlen sie auch in Lamberts Briefen, die ja für ein Laienpublikum geschrieben sind. Der Sache nach ist das Problem leicht zu beschreiben. Nehmen wir ein System an, das aus mehr als nur zwei massehaltigen Körpern besteht – etwa die Sonne und mehrere Planeten oder analog auch ein Planet und mehrere Monde. In ihren Umrundungen des Zentralkörpers werden die Entfernungen der Körper zueinander stark schwanken. Während die Gravitationskraft des Zentralkörpers die Ellipsenbahn der Trabanten bestimmt, verursacht stark schwankende Gravitationskraft der anderen Trabanten eben entsprechende Abweichungen von dieser Ellipsenbahn. Diese ist dann der Form nach insgesamt immer noch grob ellipsenförmig, aber in ihren Streckenabschnitten nicht mehr gleichmäßig, sondern durch unregelmäßiges Oszillieren gekennzeichnet. Nicht nur die Bahn selbst wird unregelmäßig, sondern auch die Geschwindigkeit der Trabanten. Der Mond etwa beschleunigt auf messbare Weise, wenn er sich auf seiner Erdumlaufbahn der Sonne nähert, und er bremst ab, wenn er sich von dieser entfernt. Lambert kannte auch Phänomene der Beschleunigung und des Abbremsens zwischen den Trabanten selbst, wie sie etwa bei der Wechselwirkung von Jupiter und Saturn bei gegenseitiger Annäherung bzw. Entfernung voneinander festgestellt wurden. Bei Newton sind diese Perturbationen schlichtweg mathematisch notwendige Konsequenzen der Gravitationskraft, die eben von jedem massehaltigen Körper ausgeht. Lambert aber sucht nach einer weitergehenden Erklärung. Er vertraut dabei auf die göttliche Perfektion und die damit einhergehende Perfektion der Schöpfung und insistiert darauf, dass alle Abweichungen vom einfachen mathematischen Modell, die oftmals nur schwer berechenbar sind und die tatsächliche Komplexität der Natur widerspiegeln, nicht als ontologisch defizitär oder als Makel der Schöpfung zu begreifen sind. Diese Komplexität erfüllt vielmehr eine konkrete Funktion: Die kleineren Abweichungen von der idealen Kreis- oder Ellipsenbahn garantieren die Möglichkeit, dass »Kometen und Planeten nach der wahren Einrichtung des Weltgebäudes einander, durch ganze Weltalter durch, geschickt ausweichen können« (Zweiter Brief, S. 17). Offenbar nimmt Lambert an, dass einfachere Bahnen eine höhere Kollisionsgefahr bergen als chaotisch-komplexe Bahnen. Letztere können so

|| 11 Aus dem sogenannten Kopernikanischen Scholium. In: Unpublished Scientific Papers of Isaac Newton. Hg. von A. R. Hall und M. B. Hall. Cambridge 1962, S. 280.

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justiert werden, dass die Abweichungen oder Perturbationen eine katastrophische Kollision zweier Himmelskörper vermeiden können, die auf einer einfachen elliptischen Bahn unvermeidlich gewesen wäre. Damit kann die Regelmäßigkeit des kosmischen Geschehens im Groben noch postuliert werden – die Bahnen sind in Annäherung noch als Ellipsen zu begreifen. Er gesteht gleichwohl ein, dass dies nicht streng bewiesen werden kann: »Es ist wahr, wenn ich setze, der Lauf der Weltkörper sei so eingerichtet, dass eben die kleineren Veränderungen, die sie einander verursachen, dazu dienen müssen, dass sie einander immer ausweichen können, so nehme ich etwas an, das sich eben so strenge nicht erweisen läßt« (Dritter Brief, S. 32) – Der Sprung in den Glauben ist anscheinend unvermeidlich. Der Kosmos wird also als Ganzes gedacht, als ein System. Seine partiellen Eigenschaften werden dahingehend interpretiert, ob und inwieweit sie der Erhaltung von Leben insgesamt zuträglich sind bzw. ob sie katastrophische Vernichtungsmomente minimieren. Dadurch will Lambert eine Erklärung der Komplexität des Universums angeben, die ansonsten scheinbar Ockhams Rasiermesser widerspricht – warum sollte Gott ein unnötig unregelmäßiges Universum schaffen bzw. kleinere Abweichungen von einer einfachen Regel zulassen? Die physikalischen Eigenschaften der Himmelskörper und die Beschaffenheit des Sonnensystems werden also auf die Ordnung des Ganzen hin zueinander in Relation gesetzt, wobei Optimierungsprinzipien eine entscheidende Rolle spielen sollen. Lambert greift die Eindeutigkeit der Bestimmung auf, die durch das Prinzip der kleinsten Wirkung formalisierbar wird und betont: »Es ist sehr vermutlich, dass das Gesetz der Schwere, die Bewohnbarkeit des Sonnensystems, die Mannigfaltigkeit und periodischen Abwechslungen in den Weltkugeln in einer solchen Verbindung miteinander stehen, dass sie zusammengenommen ein Maximum ausmachen« (Achter Brief, S. 95f.). Dass die Bewohnbarkeit des Sonnensystems hier als eine physikalische Größe diskutiert wird, die ebenso wie die geometrischen Planetenbahnen und die Gravitationskraft zu den elementaren Größen des Universums gehört, mag auf den ersten Blick erstaunen. Für Lambert rechtfertigt sich dies, weil die Bewohnbarkeit als »Grund«, d. h. als Zweck des Gesetzes der Schwere und der Planetenbahnen gilt, die damit als deren Mittel oder Resultat ausgewiesen werden.12 Dass die Bewohnbarkeit des Sonnensystems aber kaum quantifiziert und formalisiert werden kann und es damit schwierig ist, sie einem Maximum zuzuordnen, das scheint hier keine Rolle zu spielen. Vermutlich hofft Lambert darauf, dass zukünftige mathematische Modelle hier die relevanten Variablen identifizieren können. Er selbst diskutiert dabei die Temperaturen der Planeten, die Dichte an Körpern im Sonnensystem und die Inklination der planetarischen Rotation gegenüber der Sonne als relevante Faktoren. Gleichwohl

|| 12 »Wenn es aber nach aller Strenge sollte bewiesen werden, so vermute ich sehr, die Bewohnbarkeit des Sonnensystems und die Mannigfaltigkeit in dem Laufe würde mit unter die Gründe gehören« (Achter Brief, S. 96).

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scheint er aber der Möglichkeit gegenüber offen zu sein, dass Leben anderswo drastisch anders sein könnte als auf der Erde, denn selbst die Kometen könnten bewohnt sein von Lebewesen, für welche die drastisch schwankende Entfernung von der Sonne besonders günstig ist. Im Gegenteil, wer an der hohen Wahrscheinlichkeit außerirdischen Lebens noch zweifelt, der kennt nur die Sinne als Erkenntnismittel. Ein solcher Zweifler ist mit jemandem zu vergleichen, der sein Heimatdorf nie verlassen hat und folglich davon ausgeht, dass die ganze Welt so aussieht, wie bei ihm zu Hause (Neunter Brief). Da die Eigenschaften, die Leben und Überleben ermöglichen, universell verbreitet zu sein scheinen, liegt folglich die Annahme nahe, dass es auch auf anderen Welten Lebewesen geben wird, die auch vom Schöpfer geliebt und geschont werden. Die mit einer solchen Exotheologie einhergehenden theologischen Probleme (bspw. ist Jesus auch für die Sünden von Außerirdischen gestorben oder haben die je ihren eigenen Heiland?) werden von Lambert allerdings nicht thematisiert. Auch ist er blind für die Schwachstellen seiner eigenen Effizienzerklärungen – wenn Hitze und Licht der Sonne dazu da sind, um auf der Erde Leben zu ermöglichen, wie erklärt sich dann die Tatsache, dass nur ein unglaublich kleiner Bruchteil der ausgestrahlten Energie überhaupt auf der Erde ankommt, während der Rest in den Weiten des Alls verpufft? Insgesamt verwendet Lambert also die von Leibniz und Maupertuis entwickelte Methode der Effizienzerklärung auf eine ganz unwissenschaftliche Weise. Beide Philosophen haben aufgrund ihrer rein theoretischen Überlegungen eine Variable benannt (action), die sich gerade nicht unmittelbar in der Beobachtung zeigt, sondern mit den Ereignissen nur in einer mathematischen Relation steht. Die im Prinzip der kleinsten Wirkung implizierte Teleologie ist – zumindest in dem hier verhandelten Kontext – rein formal, sie bestätigt maximale Effizienz und eindeutige Bestimmtheit als universelle Kriterien für alles Weltgeschehen, ohne hierbei direkt auf konkrete, d. h. gehaltvolle Absichten, Ziele oder Motivationen zurückzugreifen. Lambert dagegen weist ein an der Beobachtung ausgerichtetes, mathematisch formalisierbares Modell nachträglich durch metaphysische Spekulationen als sinnvoll bzw. nützlich aus und macht dieses damit ebenfalls nachträglich zugänglich für einen metaphysischen Begründungswunsch, der weit über das wissenschaftliche Erfassen der Wirklichkeit hinaus und in die Frage nach dem Sinn des Ganzen hineinreicht. Die Eindeutigkeit, nach der die Effizienzprinzipien wie das Prinzip der kleinsten Wirkung die Realität bestimmen, wird dabei auf eine zugrundeliegende Absicht und ein konkretes Ziel hin bezogen. Damit ähnelt Lamberts Ansatz eher der teleologischen Physikotheologie der Scholastik als den Ansätzen von Leibniz und Maupertuis, auf die er sich beruft. Für ein Beispiel einer solchen scholastischen teleologischen Naturinterpretation, die Newton, Leibniz und Maupertuis sicher abgelehnt hätten, sei der Ansatz erwähnt, nach dem der Salzgehalt des Meeres wie folgt erklärt wird: Das Meer dient zwei Zielen, nämlich erstens die Heimat der Fische zu sein und zweitens Seefahrt möglich zu machen, die wiederum Güterverteilung und Handel ermöglicht. Beide Ziele aber werden durch Salz begünstigt, weil Salz

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verhindert, dass das Meer verfault (putrefaction) und zudem die Dichte des Wassers erhöht, so dass das Meer von größeren Schiffen befahren werden kann.13 Leibniz und Maupertuis wären sich da sicher einig gewesen: Selbst wenn man solche Erklärungen aus theologischen Gründen zulassen möchte, so dürfen sie jedoch in einer streng wissenschaftlichen Abhandlung keine Rolle spielen. Lambert fällt also hinter die scharfe Trennung zwischen metaphysischer bzw. theologischer Spekulation auf der einen Seite und wissenschaftlicher, deduktiver Methode auf der anderen Seite zurück, für die seine beiden Gewährsmänner geworben haben. Er kehrt die mathematische Reduktion der Teleologie auf eine formale Teleologie wieder um, indem er sie im Hinblick auf externe bzw. materiale Ziele hin interpretiert. Mit teleologischen Prinzipien soll das Weltgeschehen nicht nur erklärt, sondern auch interpretiert werden. Einzelnen, durch die Physik nicht erklärbaren Prinzipien soll so ein Sinn verliehen werden, der Trost und Zuversicht spendet. Das lambertsche Argumentationsmuster kehrt damit die von Leibniz und Maupertuis ausgewiesene Methode genau um und trivialisiert sie dabei.

|| 13 Entlehnt von Dennis Des Chene: Physiologia: Natural Philosophy in Late Aristotelian and Cartesian Thought. Ithaca 1996, S. 168. Original in: Charles François Abra de Raconis: Tertia pars philosophiae, seu physica. Lyon 21651, S. 384.

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Paola Rumore

Eine »Werkstatt der Seele«? Lambert und die Funktion der Seele

1 Einführung Die Lambertsche Architectonic […] ging in der Tat fast nur damit um, das Ausgemachte auszumachen, und [verschwendete] einen beispiellosen Tiefsinn auf zwecklose dialektische Kunststücke, auf Vermengung der Logik mit der Ontologie, Vervielfältigung unfruchtbarer Maximen, und ein mathematisches Spiel mit den Elementarbegriffen. Lambert, dem die Logik und Mathematik so viel, und die Metaphysik so wenig zu danken hat.1

Mit diesen Worten beschrieb Karl Leonhard Reinhold in seinem Beitrag zur Preisfrage der Berliner Akademie über die Fortschritte der Metaphysik seit Leibniz und Wolff vom Jahr 1796 Lamberts philosophisches Unternehmen. Leider hatte Reinhold den echten Geist von Lamberts Versuch einer neuen Begründung der Philosophie übersehen; er – der selber gegen die beklagte Plage der dialektischen Kunststücke und der Unfruchtbarkeit der Maximen wohl nicht immun war – scheint vielmehr von der verwickelten Prosa von Lamberts Werken sowie von der dort zu findenden Vermengung der Bereiche der Philosophie belästigt. In Reinholds Augen zerstörte Lambert die Ordnung der philosophischen Disziplinen ohne erkennbare Vorteile, eine Ordnung, die selbst die revolutionäre kantische Philosophie als allgemeingültig beurteilt hatte. Nach Reinhold waren eben Lamberts Antworten auf die Hauptfragen der Philosophie ganz und gar misslungen: sein Versuch »die von dem gesunden Verstande der philosophierenden Vernunft von jeher vorgelegten Aufgaben über Freiheit, Gott und Unsterblichkeit auf eine neue Art bejahend und befriedigend zu lösen«. Sein Entwurf, mit Tiefsinn, »weniger Trockenheit der Einkleidung und größerer Einfachheit in Plan und Ausführung ein neues System der reinen Grundbegriffe« einzuführen,2 stellte sich als gescheitert heraus. Die Architectonic, viel mehr als das Neue Organon, gab die Grundbegriffe der klassischen Metaphysik auf, und vernachlässigte damit ihre Grundfragen. Lambert selbst beabsichtigte keineswegs, eine Revolution in der Ordnung der Teile der Philosophie zu leisten, sondern ihr eine neue Grundlegung zu verschaffen:

|| 1 Karl Leonhard Reinhold: Was hat die Metaphysik seit Wolff und Leibnitz gewonnen? In: Johann Christoph Schwab, Karl Leonhard Reinhold, Johann Heinrich Abicht: Preisschriften über die Frage: Welche Fortschritte hat die Metaphysik seit Leibnizens und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht? Berlin 1796 (ND Darmstadt 1971), S. 184. 2 Ebd., S. 185. https://doi.org/10.1515/9783110647761-009

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In der Vorrede zur Architectonic beschreibt er seine Absicht folgendermaßen: »Das ganze Werk [soll] als eine durchaus aufs neue vorgenommene Untersuchung der metaphysischen Grundlehren an[ge]sehen [werden]«, seit in »mehreren Lehrgebäuden der Grundlehre [...] der Unterschied mehr in der Ordnung und der Wahl der Ausdrücke als in der Sache selbst liegt«.3 Eine solche Unzufriedenheit mit den verfügbaren Systemen der Philosophie führte Lambert zur Formulierung der sogenannten genetischen Methode, die sich in den folgenden Stufen artikuliert: 1.

Man muss den zu betrachtenden Begriff aus vielen Beispielen, besonderen Fällen und Redensarten herausziehen;

2.

anschließend muss man das, was in der Klasse, zu der er mit anderen Begriffen gehört, das Einfachste, das Erste, das von dem Übrigen Unabhängigste, hervorsuchen;

3.

man muss die Etymologie zu Rate ziehen: Mit der Ableitung und Bedeutung des Wortes muss man die Herkunft und die erste Entstehungsart des Begriffs finden und verstehen, was davon in den Sprachen geblieben ist oder davon abgewichen ist;

4.

man muss die verschiedenen Stufen aufsuchen, durch welche das Wort immer stärker metaphorisch wurde; und endlich

5.

man muss vorläufige Versuche anstellen, um herauszufinden, welche Anwendbarkeit ein Begriff in der gemeinsamen Sprache hat.4

Das Ziel dieser genetischen Methode bestand darin, von dem üblichen Verfahren der Philosophie Abstand zu nehmen, insbesondere von dem Verfahren des einzigen Texts der Metaphysik, den Lambert – nach seiner eigenen Erzählung – im Jahr 1746 nach Berlin mitgebracht hatte: Baumgartens Metaphysica. Gleichwohl wollte er sich vor allem davon absetzen, was er bei Wolff und den Wolffianern fand. Das kritisierte Verfahren in der Philosophie betraf die Methode, die sich auf die – freilich willkürlichen – nominalen Definitionen beschränkte. Denn solche Definitionen wurden nach Lambert nicht von den innerlichen Merkmalen der zu erörternden Begriffe abgeleitet, sondern von ihren äußerlichen Verhältnissen. Nach Lamberts berühmter Formulierung: Diese Methode mache aus der Ontologie ein »eigentliches Lexicon«, während in seinen eigenen Absichten »ein wissenschaftlicher Vortrag der Grundlehre allerdings mehr als eine bloße Liste von Definitionen enthalten muss«.5

|| 3 Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic. Riga 1771 (ND Hildesheim 1965), Vorrede, S. IIIf. Zu Lamberts und Wolffs Auffassung des Systems vgl. Christian Leduc: Harmonie et dissonance. In: Les Cahiers philosophiques de Strasbourg 44 (2018), S. 77–102 und Henny Blomme: La notion de ›système‹ chez Wolff, Lambert et Kant. In: Estudos Kantianos 3 (2015), S. 105–126. 4 Lambert: Architectonic (s. Anm. 3), Vorrede, S. VIf. 5 Ebd., S. VIII.

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Die Verbesserung dieser Methode verstand Lambert als eine Einrichtung der Begriffe der Ontologie nach dem »gemeinen und ordentlichen Menschenverstand«, was sie zudem im »gemeinen Leben« brauchbar machen sollte.6 Es sei deswegen erforderlich, einen Mittelweg zwischen Wolffs methodischem Verfahren und Lockes Anatomie der Begriffe zu finden: Locke war nämlich zu den einfachen Begriffen gekommen, aber er verfügte über keine angemessene Methode, die ihm erlauben könnte, aus solchen Begriffen etwas Solides zu entwickeln, wie die Geometer mit dem Raum.7 Wolff besaß seinerseits eine solche Methode, die er aber fehlerhaft angewendet hatte. Mit seiner Definitionssucht hatte Wolff nämlich das Einfache übersehen, und seinen Weg zu den sicheren Prinzipien, »die man in der Geometrie Postulaten nennt«, verstellt,8 weil sie eigentlich nur aus den ersten Prinzipien abgeleitet werden können.9 In der Vorrede zur Architectonic drückt Lambert seine Kritik am Zustand der Metaphysik eindeutig aus: Ein wissenschaftlicher Vortrag der Grundlehre muss allerdings mehr als eine bloße Liste von Definitionen enthalten. Daran aber fehlte es lange Zeit, und sieht man genauer nach, so findet man selbst auch in neueren Ontologien, dass kaum irgendein Hauptstück zu der ihm eigenen Absicht eingerichtet, und öfters auch das, wohin es unmittelbar dienen kann und soll, gar nicht angezeiget ist [...]. Viele Definitionen waren Ganz anders als man sie natürlicher Weise, das will hier sagen, wenn man nur die im gemeinen Leben erlangte Begriffe mit sich zur Erlernung der Ontologie bringt, erwarten konnte. Legte man diese aus dem gemeinen Leben mitgebrachte Begriffe ab [...] so war sehr natürlich der Erfolg dieser, dass man die neuerlangten Begriffe im gemeinen Leben nicht brauchen konnte, und dann erst in der Psychologie, Theologie usw. sahe, warum die ontologischen Begriffe eine anfangs so unerwartete Gestalt hatten, und wie sie öfters mehr nach den willkürlichen und erkünstelten Hypothesen der Verfasser, als nach dem gemeinen und ordentlich Menschenverstande eingerichtet waren.10

Zur Formulierung von solchen neubegründeten Bereichen der Metaphysik, insbesondere der Psychologie und der Theologie, wird Lambert jedoch – anders als im Hinblick auf die Kosmologie – niemals kommen. Die Frage, von der man folglich auszugehen hat, lautet: Welches ist das Schicksal der Psychologie in Lamberts reformierter Metaphysik? Oder anders ausgedrückt: In welchem Sinne spricht Lambert noch von dem Geist, von der Seele und insbesondere von ihrem Verhältnis zur körperlichen Welt nach seiner Fundierung der Metaphysik auf einer Ontologie des Einfachen? In der Tat findet man bei Lambert mehrere Stellen, in denen es um einen echten metaphysischen Dualismus der Substanzen geht. Der Dualismus erscheint sogar als || 6 Ebd., S. IX. 7 Ebd., § 10. 8 Ebd., § 11. 9 Ebd., § 23. 10 Ebd., Vorrede, S. VIIIf.

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eine unbestrittene Voraussetzung, die Lambert aus der zeitgenössischen Philosophie übernimmt. Dualistisch war eben Lockes Auffassung der Substanz, obwohl er für eine Art ›metaphysischen Agnostizismus‹ plädierte; dualistisch war auch Wolffs Metaphysik, als Ergebnis seiner Ergänzung von Leibnizʼ Monadologie mit Descartesʼ Trennung der ontologischen Bereiche. Wie gesagt, revidiert Lambert die Grundlagen solch philosophischer Auffassungen, nicht aber die Auffassungen selbst. D. h., man sollte nach Lambert die Ordnung der Begründung der philosophischen Disziplinen ändern, ohne damit ihren Gegenstand zu berücksichtigen. In diesem Sinne kann Lambert als ›Meta-Metaphysiker‹ angesehen werden. Vor dem Hintergrund dieser Skizze werde ich erstens untersuchen, auf welche Grundlage sich der Dualismus stützt, der in Lamberts Werken hier und dort hervorkommt. Das erlaubt uns zu verstehen, was Lambert eigentlich meint, wenn er von der ›Seele‹ bzw. von einem ›denkenden Wesen‹ spricht. Zweitens konzentriere ich mich auf die Art und Weise, wie das denkende Wesen funktioniert, um die Bedeutung von Lamberts berühmter Metapher einer ›Werkstatt der Seele‹ am klarsten herauszuarbeiten.

2 Lamberts Dualismus: Der Begriff der Seele und seine Bedeutung In der Architectonic rekurriert Lambert häufig auf einen Substanzendualismus, den er jeweils als eine Gegenüberstellung von »Körperwelt« und »denkendem Wesen«,11 oder vom »denkenden Wesen« und der »Sache selbst«,12 oder sogar von »Materie« und »Geisterwelt«13 darstellt. Eine Art von metaphysischem Dualismus kann man auch in der bei Lambert üblichen Gegenüberstellung von Körperwelt und Intellectualwelt sehen.14 Die Begründung dieser dualistischen Auffassung ist im dritten Teil der Architectonic zu finden, der dem Realen in der Ontologie gewidmet ist. In diesem Teil des Werkes werden die Dinge und ihre Beziehungen nicht ausschließlich vom idealen Standpunkt betrachtet – d. h. als Gedankengegenstände –, sondern in ihrer konkreten Verwirklichung.15 In diesem Zusammenhang thematisiert Lambert den klassisch metaphysischen Topos der Substanz, und bietet damit dem Leser ein vielsagendes Beispiel der richtigen Anwendung einfacher Begriffe an, wodurch er

|| 11 Ebd., § 285. 12 Ebd., § 299. 13 Ebd., § 90. 14 Ebd., § 29. 15 Ebd., § 372.

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Wolffs Methode mittels Lockes Anatomie der Begriffe tatsächlich verbessert hat. Nach Lambert kommen wir zum Begriff der Substanz nur dadurch, dass wir »anmerken, dass der Veränderungen [der Dinge] unerachtet, etwas fortdauerndes dabei sei und zum Grunde liege, in welchem eigentlich die Veränderungen vorgehen«.16 Das fortdauernde Element bildet das sogenannte Substantiale, ein Ausdruck, der bei Lambert meint, was in der klassischen Ontologie mit dem Wort Hypostasis bezeichnet war, d. h. das, was unter den wesentlichen Attributen und den zufälligen Veränderungen (Akzidenzen) fortwährend bleibt. Das Substantiale ist ein völlig einfacher Begriff, bei dem keine Merkmale zu finden sind, die man mit Klarheit und Deutlichkeit einsehen kann. Auf dieser Grundlage kann man nicht einmal nach einer Definition streben.17 Lamberts Vorwurf ist hier gegen Wolffs Definition der Substanz als ens perdurabile et modificabile gerichtet. Mit seinen Worten: Nun kommt man bei dem Aufsuchen des Substantialen, welcher eigentlich die Substanz zur Substanz macht, allerdings zu etwas Erstem. Man muß aber bei diesem Aufsuchen einerlei Leitfaden folgen, und nicht, wenn man bei diesem Ersten ist, den Leitfaden ändern, und noch etwas Ersteres aufzusuchen. Der Leitfaden bei Aufsuchung des Substantiale war eigentlich [...] man wolle erstlich von den Modificationen, und sodann von den Eigenschaften abstrahieren, bis man auf das komme, was nicht eine bloße Modification oder Eigenschaft, sondern etwas mehr (id quod his substat) ist. Dieses ist nun an sich einfach, und daher hätte es man nicht definieren und noch viel weniger analysieren, sondern nach der Lockischen Anatomie der Begriffe es nur benennen sollen.18

Der neue Leitfaden, dem Wolff gefolgt war, als er – ohne es zu bemerken – zum einfachen Begriff des Substantialen gekommen war, war das principium existendi, d. h. das Prinzip der gegenseitigen Abhängigkeit der Substanzen. Vor diesem Hintergrund konnte er nach Lamberts Meinung allerdings sagen: »Gott sei die erste Substanz, von welcher jede übrigen abhängen, ohne welche diese nicht existieren usw.«, oder, dass »in jeder Substanz das Substantiale dasjenige sei, ohne welches jede Eigenschaften, Modificationen, Bestimmungen usw. die die Substanz hat, nicht existieren würden, und dass diese außer derselben nur ideale Abstracta sind«.19 Lambert bemerkt jedoch, dass solche Beschreibungen durchaus nicht den einfachen Begriff des Substantialen betreffen, sondern seine Beziehungen zu weiteren, ihm fremden Begriffen. Das Inhärenzverhältnis zwischen dem Substantialen und seinen Modifikationen ist ganz anderer Natur als die – auch innerliche – Beziehung zwischen Dingen. Es handelt sich nämlich um ein ›Ankleben‹, das die Einheit bzw. die Einfachheit der Substanz in keiner Weise gefährdet.20 Das Inhärenzprinzip, das das

|| 16 Ebd., § 614. 17 Ebd., § 629. 18 Ebd., § 642. 19 Ebd. 20 Ebd., § 643.

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Verhältnis zwischen Substanz und Modifikationen regelt, gehört demzufolge nach Lambert zu den Grundsätzen der ›wissenschaftlichen Ontologie‹. Dagegen würde die Erwähnung der metaphysischen Abhängigkeit eine Ver-Komplizierung des Begriffs des Substantialen mit sich bringen, und demzufolge die Suche nach einer Definition erfolglos machen. Wie alle einfachen Begriffe kann auch das Substantiale nur empfunden, im Höchstfall benannt, aber nie definiert werden.21 Die Empfindung begründet auch unseren Weg zu den »beiden ersten Arten von Substanzen, nämlich dem Soliden und der Kraft«.22 Bei Lambert bilden Solides (Körper/Materie) und Kräfte die Grundlagen einer echt dualistischen Ontologie. »Ohne Solides und Kräfte, oder überhaupt ohne etwas Substantiales existiert nichts«.23 Überdies schreibt er diesen Substanzen eine Reihe von Beschaffenheiten zu, die es uns ermöglichen, sie als Grundlage des klassischen Dualismus von Ausdehnung und Denken zu verstehen. Dem Soliden eignen wir, als eine wesentliche Eigenschaft, die Undurchdringbarkeit zu, so nämlich, dass es jedes andere Solide von dem Orte ausschleußt, da es ist. [...] Ferner setzen wir dasselbe dergestalt theilbar, daß so weit man es getheilt oder wirklich getrennet ansehen will, es noch ferner in kleinere Theile getheilt oder getrennt werden könne. [...] das Solide an sich ist eine todte und zu eigener Bewegung untaugliche Masse.24 Das Solide ist an sich in Ruhe, oder ohne Bewegung.25

Der Undurchdringlichkeit, Trennbarkeit, Trägheit und Passivität des Soliden stellt Lambert die Beschaffenheiten der Kräfte gegenüber. Diese Kräfte, die auf das Solide wirken, seine Teile in einer Kontinuität zusammenhalten und ihm eine Bewegungsfähigkeit verleihen,26 lassen sich nicht als bloße Eigenschaften des Soliden ansehen. Die Kraft »muss eine von dem Soliden verschiedene Substanz sein«.27 Da bei dem Anstoßen des Soliden an ein anderes, der Druck aus jenem in diesen übergeht, und sich durch das Solide fortpflanzet, dieser Druck aber von den Kräften herrühret, welche die Theile des Soliden in Verbindung erhalten, so ist kein Zweifel, dass nicht die Kräfte sollten Substanzen von der Art sein, welche sich in dem Soliden befinden können, und in welchen hinwiederum das Solide ist, ohne dass eines das andere von dem Orte ausschließe. Dazu wird

|| 21 Zur Beziehung dieser Auffassung Lamberts zu denjenigen seiner Zeitgenossen vgl. Corey W. Dyck: Kant and rational psychology. Oxford 2014, S. 54–60. Vgl. auch Arnaud Pelletier: La profondeur et le fond: des concepts simples chez Lambert. In: Cahiers philosophiques de Strasbourg 44 (2018), S. 55–76. 22 Lambert: Architectonic (s. Anm. 3), § 620. 23 Ebd., § 103. 24 Ebd., § 621f. 25 Ebd., § 94. 26 Ebd., § 622. 27 Ebd., § 621.

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nun eine völlige Ungleichartigkeit erfordert, und wenn das Solide materiell genennet wird, so werden die Kräfte nothwendig immaterielle Substanzen sein.28 Von solchen ungleichartigen Substantialen sind uns vornehmlich nur die Kräfte und das Solide bekannt.29

Wie oben erwähnt, ist die Kraft immateriell; sie ist auch aktiv, tätig, so dass man [...] ohne Mühe den Schluß wird machen können, daß jede wirkende Ursachen Substanzen, und zwar ins besondere und unmittelbar Kräfte sind, und dass hingegen das Solide nur mittelbar wirket, und daher ehender, so fern es wirket, als ein Mittel ansehen werden müsse, weil es an sich keine andere Kraft, als die sogenannte vim inertiae hat, wodurch es, ohne äußerliche Ursache der Veränderung, in seinem Zustande beharret.30

Diese Ungleichartigkeit ist eine Beschaffenheit, die wir unmittelbar empfinden und von der wir demzufolge keinen echten Begriff haben können: Wir haben von den Kräften, welche das Solide in Bewegung setzten, keinen anderen Begriff, als dass wir sagen, wir empfinden, daß wir eine Kraft anwenden müssen, um eine Last zu heben, zu stoßen, zu bewegen usw. [...] Die Empfindung giebt uns die Kraft, als etwas von dem Soliden verschiedenes an, weil wir dieses immer außer uns, die Kraft aber in uns empfinden.31

Lamberts Beispiel betrifft die gleichsam ›materiellen‹ Kräfte, d. h. diejenigen Kräfte, die uns gestatten, einen Körper hochzuheben, ihn zu verschieben oder zu werfen. Der Begriff der Kraft ist aber das, was Lambert einen transzendenten Begriff nennt, und zwar der transzendente Begriff par excellence. Die transzendenten Begriffe schlagen hier eine Brücke zwischen den zwei Domänen der Ontologie: »Soll das Wort transcendent noch einen Abdruck seiner eigentlichen Bedeutung behalten, so werden wir überhaupt einen Begriff transcendent nennen können, wenn wir denselben von seinem Gegenstande hinweg auf einen Gegenstand von ganz verschiedener Art bringen«.32 Konsequent stellt Lambert fest, dass die Benennungen der Dinge der Intellectualwelt […] von den Dingen der Körperwelt hergenommen [sind], so fern sie nach unserer Vorstellungsart eine Ähnlichkeit damit haben, und wenn wir beide mit einerlei Namen benennen, so ist der abstracte Begriff, den wir mit dem Wort verbinden, transcendent. Das Wort Kraft mag zum Beispiele dienen. Ursprünglich ist es von den bewegenden Kräften der Körperwelt hergenommen, so fern etwas dadurch geschehen kann. Wegen der Ähnlichkeit der Vorstellungsart aber eignen wir dem Verstande und dem Willen ebenfalls Kräfte zu, so fern wir sagen, der Verstand könne denken der Wille könne begehren

|| 28 Ebd., § 623. 29 Ebd., § 637. 30 Ebd., § 640. 31 Ebd., § 623. 32 Ebd., § 301. Vgl. Paola Basso: Filosofia e geometria. Lambert interprete di Euclide. Florenz 1999, S. 135–137.

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usw. dadurch wird nun der Begriff Kraft nicht nur allgemeiner, sondern ganz transcendent, weil er bei Dingen vorkommt, die bald nichts mit einander gemein haben.33

In diesem transzendenten Sinn unterscheiden sich die Kräfte des Gemüts – d. h. Verstand und Wille – von den Kräften der körperlichen Welt, mit denen sie bloß ein generelles Können gemein haben. Die Untersuchung solcher Kräfte erlaubt es uns, ein helleres Licht auf den Bereich der immateriellen und tätigen Substanz zu werfen, die nach Lamberts Versprechen der Hauptgegenstand einer nie abgeschlossenen Psychologie sein sollte. »Bei den physischen Kräften mache ich jedesmal den Anfang, und suche das tertium comparationis auf, um sodann aus der Körperwelt desto sicherer und mit desto mehrerer Klarheit in die Geisterwelt hinüber gehen zu können«.34 Anders als in der Tradition Leibnizens und Wolffs, aber auch eines eklektischen Denkers wie Tetens gibt es in Lamberts Auffassung des Gemüts keinen Platz für eine ursprüngliche Grundkraft. Die Grundkräfte sind nämlich zwei: Verstand und Wille. Man könnte sagen, dass die ›Ursprünglichkeit‹ der Kräfte sich auf der idealen und nicht auf der realen Ebene befindet, d. h. sie gehört zu einem abstrakten Niveau, auf dem die Kraft als der einfache Begriff des Substantialen verstanden wird – ein Substantiales, das einer eigenständigen Transzendenz fähig ist, aber das noch nicht in einem körperlichen oder geistigen Sinn bestimmt ist. Lambert legt zudem eine Art von Beschreibung der (nach seiner Terminologie) nicht-körperlichen bzw. nicht-bewegenden Kräfte vor. Was üblicherweise mit ›Verstand‹ gemeint ist, ist eine Kraft, die auf das Wahre gerichtet ist; diese Kraft wirkt in Zusammenarbeit mit dem Bewusstsein (seiner eigenen Vorstellungen) und mit der Aufmerksamkeit (wodurch wir unseren Blick auf eine oder auf die andere Vorstellung richten).35 Was man mit ›Wille‹ meint, ist dagegen eine Kraft, die das Gute zum Gegenstand hat, in der dreifachen Gliederung von Ordnung und Vollkommenheit (dem Guten des Verstandes), vom Angenehmen und Schönen (dem Guten der Empfindung) und vom Leichten oder minder Mühsamen (in Absicht auf die Kräfte überhaupt).36 Aufgrund des tertium comparationis, durch das man die Beschaffenheiten der körperlichen Welt auf die geistigen erstrecken kann, schreibt Lambert den Gedanken (d. h. den abstrakten Begriffen), oder den Vorstellungen des Guten, die den Willen bestimmen, die gleichen Beschaffenheiten zu, die er an den Körpern beobachtet, d. h. »Ausdehnung, Ort, Abstand, Solidität und Dichtigkeit«.37 Überdies teilt er sowohl dem Verstand als auch dem Willen eine vis inertiae zu:

|| 33 Lambert: Architectonic (s. Anm. 3), § 29. 34 Ebd., Vorrede, S. XI. 35 Ebd., § 407. 36 Ebd., § 110. In generale, intelletto:vero=volontà:bene, Aleth, § 105. 37 Ebd., § 409.

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Wir finden, daß wir keinen Satz für wahr halten, es sei denn, daß er entweder aus Gründen oder durch die Erfahrung bewiesen werde, oder uns wenigstens als bewiesen vorkomme. So lange dieses nicht ist, giebt der Verstand keinen Beifall, und in so ferne verhält er sich, wie Körper, die wegen ihrer vis inertiae sich nicht von selbst bewegen, sondern in Bewegung gesetzt werden müssen. [...] Daß wir ohne Beweggründe, die wir uns entweder klar vorstellen, oder dunkel empfinden, nichts wollen, ist ebenfalls eine Erfahrung, die uns zeigt, daß wir auch dem Willen gewissermaßen eine vim inertiae beilegen können.38

Wie man in der Architectonic lesen kann: »Der Wille hat an sich eine Vis inertiae, und wird durch die Vorstellungen des Guten, als durch Kräfte in Bewegung gesetzet, welche ihm gleichsam die Richtung und Geschwindigkeit geben«.39 Das heißt, dass bei Lambert die gleiche Dynamik der Kräfte, die unter den Körpern wirkt, auch im Bereich der Gemütskräfte wirkt.40 Indem er den Mechanismus der körperlichen Welt auf den Bereich der geistigen überträgt, entwickelt er eine mechanisch-naturalistische Psychologie, die die Phänomene der Seele mittels physischer Naturgesetzte erklärt. In der Tat erläutert Lambert zwar den Mechanismus des Geistigen aufgrund der transzendenten Natur der Kräfte und ihrer Gesetze, doch auch aufgrund der engen Verbindung zwischen dem Körperlichen und dem Geistigen, die zu einer echten Physiologie des Denkens und Wollens führt. Lambert war sich jedoch darüber bewusst, dass seinen Untersuchungen eine Art Physiologie des Gemüts zugrunde lag, und in diesem Sinne schreibt er in der Vorrede zur Architectonic: Die Betrachtungen über die sogenannten materiellen Ideen, oder über den mit den abstracten Begriffen harmonierenden Mechanismus des Gehirns finden sich in dem Werk zerstreut, weil sie in jedem Falle besonders gemacht werden, wo es die Betrachtung jedes Begriffes mit sich brachte.41

Dies ist eine Frage, die Lambert schon in der Phänomenologie des Neuen Organon behandelt hatte, insbesondere in der Abteilung über den psychologischen Schein, wo – unter explizitem Verweis auf Bonnets Essai analytique sur les facultés de lʼâme (1760) – der physiologische Mechanismus des Denkens durch die Metapher einer Werkstatt der Seele beschrieben wird. Diese bildet unser letztes Thema.

|| 38 Johann Heinrich Lambert: Neues Organon. Leipzig 1764 (ND Hildesheim 1965), Alethiologie, § 104; vgl. auch Lambert: Architectonic (s. Anm. 3), §§ 409f. 39 Ebd., § 410. 40 Vgl. ebd. 41 Ebd., Vorrede, S. XII.

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3 Die Werkstatt der Seele Diese Metapher war den Zeitgenossen Lamberts relativ gut bekannt: Vermutlich stammt sie aus den materialistisch orientierten Medizinischen Betrachtungen von Michael Alberti, der im Jahr 1740 die Denktätigkeit mittels der Sinnesphysiologie zu erklären versuchte. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erlebt diese Formulierung eine bemerkenswerte Verbreitung: Sie taucht häufig in Werken über die empirische Psychologie auf sowie in Abhandlungen über die Anthropologie. Man findet sie z. B. in Tetens erstem Versuch über die menschliche Natur,42 in Platners Neuer Anthropologie43 und auch in der sogenannten Anthropologie Collins, einer Nachschrift von Kants Anthropologievorlesungen aus den Jahren 1772 bis 1773.44 In der Phänomenologie bedient sich Lambert dieser Metapher, um auf denjenigen Teil des Gehirns zu verweisen, in dem er den Sitz des Denken und des Fühlen annimmt, d. h. denjenigen Ort, »[in dem] sich jede von den Empfindungsnerven herrührende Bewegungen concentrieren, und wo gleichsam die Zügel sich vereinigen, womit der Wille den Leib und jede Glieder in Bewegung setzt, und lenkt«.45 Das Gehirn ist mithin der Sitz der Seele, die Stelle, an der sich die Nerven und die von ihnen übertragenen Informationen vereinigen. Im Einklang mit Bonnet lehnt Lambert das alte Bild der Nerven als kleine Röhren ab, worin die Lebensgeister, die spiritus animales, flössen. Die Nerven versteht er vielmehr als schwingende Fasern, die durch Vibrationen die Bewegung übertragen. Bei der Beschreibung der Genese des abstrakten Denkens betont Lambert, dass sein physiologisches Modell als eine bloße Vermutung verstanden werden sollte: So viel ist gewiß, daß wenn wir diese Structur und Mechanismus des Gehirns durchaus wüßten, die Theorie davon uns in Absicht auf das Gedankenreich und den psychologischen Schein eben den Dienst thun würde, den uns die Anatomie des Auges in der Optik thut. Besonders würde sich die Ähnlichkeit des Eindruckes, den die Gegenstände der verschiedenen Sinnen und sogar auch die Dinge der Intellectualwelt in uns machen, und wodurch wir zu abstracten und transzendenten Begriffe gelangen, und in der Sprache Metaphern einführen, daraus umständlicher entwickeln lassen.46

Unsere mangelhafte Erkenntnis der Struktur und des Mechanismus des Gehirns, d. h. der Arbeitsweise in der ›Werkstatt der Seele‹, hängt teils von den Schranken

|| 42 Vgl. Johann Nikolaus Tetens: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwicklung [1777]. Hg. von Udo Roth und Gideon Stiening. Berlin, Boston 2014, Erster Versuch, S. 105. 43 Ernst Platner: Neue Anthropologie für Ärzte und Weltweise. Leipzig 1790, S. 88. 44 Immanuel Kant: Anthropologie Collins, AA XXV, S. 105. 45 Johann Heinrich Lambert: Neues Organon (s. Anm. 38), Phänomenologie, § 98. 46 Ebd., § 99.

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unserer Erkenntnis,47 teils von der Natur der Sache selbst ab, denn die Nerven und Fibern werden – wie Lambert betont –immer feiner, je näher sie dem Gehirne liegen; im Gehirn selbst verlieren sie sich aus dem Blickfeld.48 Neben diesen ›naturalistischen‹ Bemerkungen über die Entstehungsart des Denkens findet man jedoch bei Lambert erstaunlicherweise keine besondere Bedachtsamkeit, um die metaphysischen Folgen seiner Vermutungen – anders als es z. B. unter den sogenannten vernünftigen Ärzten passiert, die von der gleichen Beobachtung eines gemeinsamen Vorkommens physischer und psychischer Ereignisse absichtlich keine gleichsam ›metaphysische‹ Abhängigkeit der ersten von den letzten (oder umgekehrt) ableiten. Diese Idee einer vermuteten Abhängigkeit zwischen dem Psychischen und dem Physischen rückt dagegen ins Zentrum der Interessen Lamberts: Unterschiedliche Erfahrungen werden von ihm aufgeführt, z. B. physische Schäden im Gehirn, die einen Verlust der Seelenfähigkeiten verursachen oder allzu starkes Nachsinnen, das Kopfschmerzen bewirkt: Diese und mehrere dergleichen Erfahrungen zeigen nicht nur, daß das System der Gedanken von dem physischen Zustande des Gehirns abhängt, sondern auch, daß die feinern Gedanken sich stuffenweise nach den feinern Fibern und Bewegungen in dem Gehirn richten, und mit denselben leiden, so unbekannt uns dessen Structur und Mechanismus und die Gemeinschaft der Seele und des Leibes sein mag.49

Wenn es klar ist, dass Lambert für eine mechanische Erklärung sowohl der Bewegung der Körper als auch der Entstehung der Gedanken plädiert,50 scheint es sehr viel dunkler, seine Idee einer vermutlichen Priorität des einem dieser Bereiche gegenüber dem anderen zu verstehen. Im Neuen Organon scheint er weit entfernt von einer reduktionistischen bzw. materialistischen Sichtweise zu sein; er legt vielmehr eine Art von Dualismus vor, die auf seiner Ontologie beruht. Dort begründet er die Trennung zwischen dem Bereich der Ausdehnung, dem Soliden, und dem Bereich der Kräfte, indem er festhält, dass wir »das Bewußtseyn oder das Denken unter die Postulata setzen [können], weil bei denkenden Wesen ohne dasselbe keine klare Empfindung, Vorstellung, Begriff usw. möglich ist«.51 Als Folge dieser antireduktionistischen Haltung behauptet er sogar, dass die Abhängigkeit zwischen dem Physischen und dem Mentalen nicht nur in eine Richtung verläuft: Es gehen aber solche Bewegungen [sc. der Teile des Gehirns] nicht so schlechthin nur gegen den Sitz der Seele zu, sondern es finden sich andere, die sich von da wiederum ausbreiten. Man

|| 47 Ebd. 48 Ebd., § 98. 49 Ebd. 50 In der Alethiologie (s. Anm. 38), § 47 schreibt Lambert sogar, dass wir unsere Begriffe zusammensetzen, wie die Teile einer Maschine, eines Gebäudes usw. zusammengesetzt sind. 51 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 38), Alethiologie, § 70.

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könnte besonders von den widrigen Empfindungen gedenken, daß sie eine Art Repercussion veranlassen, die, wie es bei dem Schrecken, Entsetzen, Erstaunen, Verabscheuen usw. geschieht, den ganzen Leib starren oder erschüttern macht.52

Andererseits stellt er in der Architectonic fest, dass man die Bewusstseinskräfte vom Ausgangpunkt der Bewegungskräfte, die in den Fibern und in den Nerven wirken, erforschen kann, so dass der Kalkül der ersten sich auf den Kalkül der zweiten reduzieren lässt. Ist vielleicht das Kalkül das einzige reduzierbare Element? Handelt sich vielleicht bloß darum zu behaupten, dass man nur in einer heuristischen Perspektive das Physische dem Mentalen voranstellen darf? Bei Lambert findet man, soweit ich sehe, keine eindeutige Antwort auf diese Fragen. Was aber dennoch eindeutig bleibt – soweit man es ausdrücklich in seinen Schriften finden kann – ist der allgegenwärtige Determinismus, der sich in einer (wie es Lambert ausdrücken würde) transzendenten Weise vom physischen bis auf den psychischen Bereich erstreckt. Die tiefgreifende Reform der Prinzipien und Grundlagen der Hauptbereiche der Philosophie – d. h. der Logik und der Ontologie – scheint demzufolge noch viele unbeantwortete Frage zu hinterlassen. Nicht zuletzt die Fragen nach der Gültigkeit der mechanisch-physiologischen Erklärungen der neuzeitlichen Seelenlehre: das Leib-Seele Problem, die Willensfreiheit, die Unsterblichkeit. Aber solche Fragen gehören vermutlich nicht zu seinem Plan einer neuen Metaphysik. Sie sind aber Themen, die in einer versprochenen Psychologie hätten zusammenfließen sollen, in der man die Früchte der Einrichtung der Begriffe der Ontologie nach dem »gemeinen und ordentlichen Menschenverstand« hätte ernten können. Bedauerlicherweise muss man eingestehen, dass Reinhold – zumindest in dieser Hinsicht – Recht hatte. Mehr noch aber hätte Reinhold recht gehabt, wenn er den allgemeinen Plan von Lamberts Neubegründung der Metaphysik nicht übersehen hätte, was ihn hinderte einzusehen, was aus der Psychologie Wolffs noch bei Lambert gerettet werden konnte.

|| 52 Ebd., Phänomenologie, § 133 und § 136.

Achim Vesper

Lambert über Schein und abstrakte Erkenntnis Mit seinem ersten philosophischen Hauptwerk Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein von 1764 möchte Lambert eine Anleitung für den Gebrauch des Verstandes geben, der zum Ziel der Gewissheit führt. Gegenüber den Vernunftlehren seiner Zeit tritt dabei bereits im Titel eine thematische Neuerung hervor. Wie diesem zu entnehmen ist, soll Wahrheit nicht nur von Irrtum, sondern auch von Schein unterschieden werden. Auch innerhalb des Werkes hebt Lambert hervor, dass er mit der Entwicklung der Phänomenologie als Theorie des Scheins über die Logiken seiner Zeitgenossen hinaus geht. Ausdrücklich erkennt er eine Neuheit darin, den Schein mitsamt seiner täuschenden Qualität in den Gang einer Untersuchung aufzunehmen, die auf die Mittel zum Gewinn von Gewissheit zielt: »Von der Phänomenologie ist bisher in den Vernunftlehren noch wenig vorgekommen, so nothwendig es auch ist, das Wahre von dem Schein zu unterscheiden.«1 Dabei nimmt Lambert die Theorie des Scheins im Bereich des Sichtbaren aus der Optik seiner Zeit auf und überträgt Grundzüge auf andere Bereiche von Wahrnehmung und Erkenntnis.2 Auf diesem Weg liefert er eine Theorie einer in der Abhängigkeit vom Schein begründeten Irrtumsanfälligkeit, die sich von Trugbildern in der sinnlichen Wahrnehmung bis hin zur Bildung leerer abstrakter Begriffe durch die Einbildungskraft erstreckt. Die Quellen des Scheins liegen seiner These zufolge nicht nur in den Sinnen, sondern auch in den unteren Erkenntnisvermögen von Bewusstsein, Gedächtnis und Einbildungskraft. Entsprechend stellt Lambert klar, dass »die Mittel, dieses Täuschwerk zu vermeiden, und durch den Schein zu dem Wahren durchzudringen«, für einen Weltweisen »um desto unentbehrlicher [sind], je mannigfaltiger die Quellen sind, woraus die Blendungen des Scheins fließen«.3 Daher bildet »die Theorie des Scheins und seines Einflusses in die Richtigkeit und Unrichtigkeit der menschlichen Erkenntnis«4 einen der Hauptbausteine seiner Logik.5

|| 1 Johann Heinrich Lambert: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. 2 Bde. Leipzig 1764 (LPS 1 und 2), Bd. 1, Vorrede, unpag. 2 Wie bereits der Werktitel signalisiert, besteht jedoch eine Anlehnung an Bacons Novum organon scientiarum von 1620. Während sich Lamberts Theorie des sinnlichen Scheins mit Bacons Theorie der idola tribus als aus den menschlichen Sinnesorganen resultierender Fehlurteile in Verbindung bringen lässt, besteht zumindest oberflächlich eine Nähe seiner den Sprach- und Zeichengebrauch untersuchenden Semiotic zu Bacons idola fori als Fehlauffassungen aus unsicheren Wortbedeutungen. 3 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 1), Bd. 2, S. 218. 4 Ebd. https://doi.org/10.1515/9783110647761-010

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Wendet man sich der die gesamte Themenstellung des Werkes umreißenden Vorrede zu, so geht diese von der Beobachtung aus, dass über die Antworten auf philosophische Fragen zu verschiedenen Zeiten, aber auch zur gleichen Zeit Uneinigkeit besteht. Da aber die Wahrheit keinem Wandel unterliegt, muss getreu Lamberts Argumentation die Uneinigkeit auf Mängeln in den Versuchen beruhen, die Wahrheit zu erfassen.6 Als mögliche Faktoren für die Uneinigkeit führt er an, dass die Fähigkeit des Verstandes nicht zum Erlangen von Gewissheit ausreicht, die Merkmale von Wahrheit zu undeutlich sind, für die Mitteilung von Gedanken ein Hindernis im Gebrauch von Sprache und Zeichen besteht oder auch ein durch Sinne und untere Erkenntnisvermögen hervorgerufener Schein Irrtum produziert. Das Neue Organon soll diese skeptischen Bedenken der Reihe nach ausräumen und nachweisen, dass der menschliche Verstand Sicherheit über die Wahrheit seiner Urteile zu erlangen imstande ist und auch eine Täuschung des Geistes durch den Schein vermieden werden kann. Die im vierten Teil des Buches ausgeführte Phänomenologie hat dabei zum Ziel, zum einen auf unsere Abhängigkeit vom Schein aufmerksam zu machen und zum anderen zur Überwindung der durch unsere Abhängigkeit vom Schein gegebenen Anfälligkeit für Täuschung zu verhelfen. Mit den Worten Lamberts ist es die Aufgabe der Phänomenologie, die Frage zu beantworten, »[o]b sich der Verstand durch den Schein blenden lasse, ohne immer zu dem Wahren durchdringen zu können?«7 Entsprechend soll die Phänomenologie »den Schein kenntlich machen, und die Mittel angeben, denselben zu vermeiden, und zu dem Wahren durchzudringen«.8 Zusammen mit der Lehre von den Gesetzen des Denkens (der Dianoiologie), der Lehre von der Wahrheit (der Alethiologie), der Lehre von der Bezeichnung der Gedanken und Dinge (der Semiotic) soll die Lehre vom Schein eine der Wissenschaften ausmachen, die »Werkzeuge sind, deren sich der menschliche Verstand in Erforschung der Wahrheit bedienen muß«.9 Schon in der Vorrede stellt Lambert dabei klar, welche Wahrheitsauffassung für seine These der Irrtumsanfälligkeit durch den Schein relevant ist: »Sie [die Phänomenologie, A.V.] geht zwar auch nicht durchaus unmittelbar auf die sogenannte logische, sondern mehr auf die metaphysische Wahrheit, weil der Schein mehren-

|| 5 Lamberts Theorie des Scheins hat nur begrenzt die Aufmerksamkeit der Forschung gefunden. Eingehendere Diskussionen finden sich in Max Eisenring: Johann Heinrich Lambert und die wissenschaftliche Philosophie der Gegenwart. Diss. Zürich 1942, bes. S. 51–75; Werner Schneiders: Irrtum, Schein und Vorurteil. Zu Lamberts Theorie der Scheinerkenntnis. In: Colloque international et interdisciplinaire Jean-Henri Lambert (1728–1777). Hg. vom Centre National de la Recherche Scientifique. Paris 1979, S. 147–152; Rainer Godel: Vorurteil – Anthropologie – Literatur. Der Vorurteilsdiskurs als Modus der Selbstaufklärung im 18. Jahrhundert. Tübingen 2007, bes. S. 179–182. 6 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 1), Bd. 1, Vorrede, unpag. 7 Ebd. 8 Ebd. 9 Ebd.

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teils dem Realen entgegen gesetzt wird.«10 Relevant für Lamberts Auseinandersetzung mit dem Schein ist nicht die logische Wahrheit, die sich auf die Eingliederbarkeit von Begriffen und Urteilen in umfassende logische Beziehungen bezieht, sondern die metaphysische Wahrheit, die in einer Entsprechung von Begriffen und Urteilen mit realen Gegenständen und Sachverhalten besteht. Eine Abweichung vom heute üblichen Gebrauch des Wahrheitsbegriffs liegt jedoch darin vor, dass Lambert nicht nur Urteile, denen gegebene Sachverhalte korrespondieren, sondern auch Begriffe, die sich auf existierende Gegenstände beziehen, zu den Wahrheitsträgern rechnet.11 Nach seinem weiten Verständnis ist der Schein dafür verantwortlich, dass wir Urteilen und Begriffen metaphysische Wahrheit zuerkennen, die ihnen nicht mit Gewissheit zukommt. Unter dem Schein versteht Lambert eine der Sinnesphysiologie wie anderen Aspekten der Psychologie des Subjekts oder auch teilweise objektiven Umständen geschuldete Tendenz, eine falsche Vorstellung von der Beschaffenheit einer Sache zu erwerben. Lamberts Erklärung für die Wirkungsmacht des Scheins ist dabei zweistufig: Erstens sind alle auf den Sinnen und den unteren Erkenntnisvermögen wie Bewusstsein, Gedächtnis und Einbildungskraft basierenden Vorstellungen durch den Schein vermittelt. Zweitens können sich aus dem Schein Täuschungen ergeben, wenn die Abhängigkeit vom Schein nicht durchschaut wird. In der Folge besteht nach Lambert eine Fehlerquelle bereits darin, dass man sich die Abhängigkeit vom Schein in der Wahrnehmung, aber auch im begrifflichen Abstrahieren nicht vergegenwärtigt: »Indessen ist es immer auch ein Irrthum, wenn man das, was eine Sache zu seyn scheint, mit dem verwechselt, was sie wirklich ist: und hinwiederum glaubt man Irrthümer, sofern sie wahr zu seyn scheinen.«12 Zwar kann der Schein unter glücklichen Bedingungen Gegenstände auch korrekt repräsentieren, er kann unter anderen Bedingungen aber auch zu Fehlrepräsentationen führen. In diesem Fall wird Begriffen und Urteilen aufgrund des Scheins fälschlich eine Entsprechung mit den Gegenständen zugeschrieben. Diese Charakterisierung des Scheins findet sich auch in den einleitenden Bemerkungen im ersten Hauptstück der Phänomenologie wieder, in denen Lambert den Schein sogar zu einem Mittelding zwischen Wahrheit und Falschheit erhebt: Wir haben [...] nicht schlechthin das Wahre dem Falschen entgegen zu setzen, sondern es findet sich in unserer Erkenntnis zwischen diesen beyden noch ein Mittelding, welches wir den

|| 10 Ebd. 11 Nach der Argumentation von Thomas Sturm betrachtet Lambert trotz der Mehrdeutigkeit in seiner Verwendung des Wahrheitsbegriffs die Anwendung auf Urteile gegenüber der Anwendung auf Begriffe als primär. Vgl. Thomas Sturm: Lambert and Kant on Truth. In: Kant and his German Contemporaries. Hg. von Corey W. Dyck und Falk Wunderlich. Bd. 1: Logic, Mind, Epistemology, Science and Ethics. Cambridge 2018, S. 113–133. 12 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 1), Bd. 1, Vorrede, unpag.

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Schein nennen, und dieser macht, daß wir uns die Dinge sehr oft unter einer andern Gestalt vorstellen, und leichte das, was sie zu seyn scheinen, für das nehmen, was sie wirklich sind, oder hinwiederum dieses mit jenem verwechseln.13

Ein Mittelding zwischen dem Wahren und dem Falschen stellt der Schein deshalb dar, weil er eine Zwischeninstanz für unsere Bezugnahmen auf reale Gegenstände ausmacht und zu korrekten wie zu fehlerhaften Repräsentationen führt.14 In anderen Worten bildet der Schein ein Hindernis für den Erwerb von wahren Vorstellungen, weil Subjekte, die dem Schein vertrauen, ungeschützt Gefahr laufen, einen falschen Begriff der Gegenstände zu erwerben. Allerdings setzt sich Lambert unter dem übergreifenden Titel des Scheins mit unterschiedlichen Klassen von Vorstellungen auseinander, die oft nur dem Anschein nach wahr sind. Quellen für den Schein, durch den wir einen falschen Begriff von den Sachen erwerben, bilden nach Lambert nicht nur die Sinne, sondern auch das Bewusstsein – etwa in einer ungleichen Aufmerksamkeit auf die einzelnen Teile in der Zusammensetzung eines Gegenstands –, das Gedächtnis, die Einbildungskraft oder auch die Leidenschaften. Während dabei die Sinne die Quelle für den im zweiten Hauptstück diskutierten sinnlichen Schein bilden, und Bewusstsein, Gedächtnis und besonders Einbildungskraft Quellen für den im dritten Hauptstück erörterten psychologischen Schein sind, stellen die Leidenschaften die Quelle für den im vierten Hauptstück behandelten moralischen Schein dar. Im Folgenden gehe ich zunächst auf die allgemeine Charakterisierung des Scheins ein, die Lambert im ersten Hauptstück der Phänomenologie auch im Zusammenhang mit einer Unterteilung von Arten des Scheins gibt (1). Danach beschäftige ich mich mit dem psychologischen Schein und den Fehlerquellen in der Bildung von abstrakten Begriffen, auf die Lambert im dritten Hauptstück eingeht (2).15 Abschließend ziehe ich ein Fazit, nach dem sich Lambert auch dem Schein in der Bildung abstrakter Gedanken in der Absicht zuwendet, skeptische Bedenken auszuräumen (3).

|| 13 Ebd., Bd. 2, S. 217f. 14 Mit Blick auf diese Doppelrolle stellt Schneiders fest, dass Lambert den Schein einerseits »positiv, als enthüllenden Schein, nämlich als Erscheinung oder perspektivisch bedingte Präsentation des Erkenntnisgegenstandes« und andererseits »negativ, als verbergenden Schein, nämlich als leeren oder bloßen und insofern falschen Schein« versteht (Schneiders: Irrtum, Schein und Vorurteil [s. Anm. 4], S. 149). 15 In der Forschung wird in der Regel nur Lamberts Theorie des sinnlichen Scheins mit Aufmerksamkeit bedacht. So behandelt zum Beispiel Arndt in seiner ausführlichen Einleitung zum Neuen Organon nur den sinnlichen Schein (vgl. Hans-Werner Arndt: Einleitung. In: Lambert: Neues Organon [s. Anm. 1], Bd. 1, S. V–XXXVIII). Hinweise zum psychologischen Schein liefern vor allem Eisenring (vgl. Eisenring: Johann Heinrich Lambert [s. Anm. 4]) und Schneiders (vgl. Schneiders: Irrtum, Schein und Vorurteil [s. Anm. 4]).

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1 Der Begriff des Scheins Lambert geht davon aus, dass unser Zugang zu realen Gegenständen nicht direkt erfolgt, sondern durch den Schein vermittelt ist. Eine Ausnahme bilden dabei lediglich einfache Begriffe, die aufgrund der Einfachheit ihrer Merkmale laut Lambert direkt und scheinlos Gegenstandseigenschaften vorstellen.16 Von diesen abgesehen, bildet der Schein ein Bindeglied zwischen dem menschlichen Geist und den Gegenständen und ist auch für Fehlrepräsentationen verantwortlich. So bringt nach Lambert neben der Abhängigkeit vom Sprach- und Zeichengebrauch »die Art, wie wir nach und nach zu Begriffen und Vorstellungen gelangen, […] noch eine andere Verwirrung hervor, die uns die Versicherung von der Richtigkeit und Übereinstimmung der Begriffe mit den Dingen selbst, in vielen Fällen und aus vielfältigen Ursachen schwer macht«.17 Diese Verwirrung geht auf den Schein zurück und lässt sich nur dadurch beheben, dass die Abhängigkeit unseres Geistes vom Schein kritisch in Rechnung gestellt wird. Grundelemente seiner Theorie des Scheins bezieht Lambert aus der Theorie optischer Täuschungen, bei der es um den »Unterschied des Scheins und der wahren Beschaffenheit der sichtbaren Dinge« geht.18 Mit Blick auf den Sehsinn hebt Lambert hervor, dass die äußeren Gegenstände die Sehempfindung nicht direkt durch ihre Einwirkung auf das Sinnesorgan auslösen. Stattdessen übernimmt Lambert aus der zeitgenössischen Optik die Vorstellung, dass die Gegenstände zunächst einen Eindruck auf der Netzhaut bewirken und die Sehempfindung erst aus einer Anschauung der Abbildung auf der Netzhaut resultiert: Man weiß nämlich, daß alles, was man ansieht, sich auf dem Augennetze gleichsam abmalet; daß dieses kleine Gemälde eben so in das Auge fällt, als die Gegenstände selbst, und daß von dem Schein der Gegenstände gelte, was von diesem kleinen Gemälde auf dem Augennetze kann gesagt werden.19

Eine trügerische Qualität kann die Repräsentation von Gegenständen durch den Schein in der Abbildung auf der Netzhaut annehmen, wie Lambert ausführt, da unter bestimmten Bedingungen Gegenstände mit unterschiedlichen Eigenschaften den gleichen Eindruck und Gegenstände mit den gleichen Eigenschaften unter-

|| 16 Einfachen Begriffen kommt nach Lamberts – in einem allgemeinen Sinn auf die Kategorien Kants vorausweisender – These apriorischer Charakter zu, weil sie nicht aus der Erfahrung stammen, dieser aber notwendig zugehören. Lamberts Ausführungen über die Beschaffenheit einfacher Begriffe befinden sich im ersten Hauptstück der Alethiologie (vgl. Lambert: Neues Organon [s. Anm. 1], Bd. 1, S. 453–497). 17 Ebd., Bd. 2, S. 217. 18 Ebd., Bd. 2, S. 219. 19 Ebd.

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schiedliche Eindrücke auf der Netzhaut hinterlassen. Damit bezieht sich Lambert auf alltägliche optische Täuschungen wie die Wahrnehmung von gleich großen Gegenständen in unterschiedlicher Entfernung, bei der uns die Gegenstände in größerer Entfernung kleiner erscheinen. Ein anderes Beispiel bietet die Wahrnehmung einer perspektivischen Zeichnung, bei der in der Fläche gezeichnete Gegenstände räumlich erscheinen.20 In diesem Fall werden wir uns der unterschiedlichen Eigenschaften von flächigen und räumlichen Gegenständen nicht bewusst, da »Dinge einerley scheinen, so fern sie auf einerley Art in das Auge fallen«.21 Optische Fehlwahrnehmungen, für die Lambert noch eine Reihe weiterer Beispiele gibt, klären ihm zufolge darüber auf, dass von der scheinbaren Gestalt eines Gegenstandes nicht direkt auf seine reale Beschaffenheit geschlossen werden darf: Aus solchen und unzähligen andern täglich vorkommenden Fällen, weiß jedermann, daß die scheinbare Gestalt und Ansehen der Dinge von ihrer wahren Gestalt müsse unterschieden werden, und daß man von jener auf diese nicht so schlechthin schließen könne, weil es Fälle giebt, wo ganz verschiedene Dinge sich unsern Augen unter einerley Gestalt zeigen.22

Allerdings erweisen sich optische Täuschungen dieser Art als unproblematisch, wie Lambert hervorhebt, da wir sie aufgrund der alltäglichen Vertrautheit zu durchschauen und den optischen Schein zu korrigieren gelernt haben. Seine Innovation erkennt Lambert darin, dass er den Scheinbegriff verallgemeinert und ihn auf die anderen Sinne und vor allem auch auf die Einbildungskraft ausdehnt.23 Mit besonderem Interesse wendet er sich den Formen des Scheins zu, die wissenschaftlich unerforscht sind und deren trügerische Qualität mitunter schwer feststellbar ist. Daneben ist seine Aufmerksamkeit auf Fälle gerichtet, bei denen Subjekte nicht nur einzelne Eigenschaften von Gegenständen fehlrepräsentieren, sondern auch zu Vorstellungen von nichtexistierenden Gegenständen gelangen. Während im Bereich der Wahrnehmung im Fall des physischen Scheins die Empfindung »durch eine wirklich außer uns vorhandene Sache verursacht wird«, wirkt im Fall des organischen oder pathologischen Scheins »keine solche Sache in || 20 Mit der Perspektive hat sich Lambert bereits in einer älteren Schrift beschäftigt. Vgl. Johann Heinrich Lambert: Die freie Perspektive oder Anweisung jeden perspektivischen Aufriß von freyen Stücken und ohne Grundriß zu verfertigen. Zürich 1759. 21 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 1), Bd. 2, S. 219f. 22 Ebd., Bd. 2, S. 219. 23 Lamberts Diskussion des Scheinbegriffs steht auch in Verbindung zur Vorurteilstheorie, die in der Philosophie der deutschen Aufklärung von unterschiedlichen Autoren verfolgt wird. In der Auseinandersetzung mit Meier macht Lambert jedoch geltend, dass Vorurteile eine engere Bedeutung als aufgrund des Scheins erworbene Irrtümer besitzen. Spezifisch für Vorurteile ist vor allem die Tendenz, diese auch trotz Belehrung beizubehalten. Vgl. Johann Heinrich Lambert: G. F. Meiers Beyträge zu der Lehre von den Vorurtheilen des menschlichen Geschlechts, LPS 7, S. 206–212 sowie Werner Schneiders: Aufklärung und Vorurteilskritik. Studien zur Geschichte der Vorurteilstheorie. Stuttgart-Bad Cannstatt 1983, bes. S. 228–231.

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die Sinnen«.24 Lambert bezieht sich hier darauf, dass unsere Sinnesorgane Vorstellungen von Gegenständen erzeugen können, auch wenn keine äußeren Gegenstände auf diese einwirken. Als Beispiele nennt Lambert neben dem Schwindel und dem Traum auch im Ohr erzeugte Geräusche, bei denen wir fälschlich von außen kommenden Schall zu empfangen glauben.25 Dem täuschenden sinnlichen Schein stellt Lambert den vor allem durch die Einbildungskraft verursachten täuschenden psychologischen Schein an die Seite, der zwei analoge Ausprägungen besitzt: Zum einen ist die Einbildungskraft für die Verfälschung von Erfahrungen verantwortlich, insofern unsere Erfahrungen nicht immer auf unmittelbaren Empfindungen beruhen, sondern in vielen Fällen mit anderen Vorstellungen vermengt sind. Zum anderen bildet die Einbildungskraft »die eigentliche Quelle jeder Hirngespinster, Chimären, leeren Träume und Einbildungen«, wenn sie vorhandene Bilder willkürlich zu neuen zusammensetzt, deren Leere nur dann bemerkt wird, wenn ihre innere Unvollständigkeit und Dissonanz offenkundig ist.26 Lamberts Gebrauch des Scheinbegriffs lädt jedoch zumindest auf allgemeiner Ebene zu kritischen Rückfragen ein. Gelegentlich wird in der Literatur als problematisch betrachtet, dass der Schein Lambert zufolge einerseits unvermeidlich, andererseits aber korrigierbar sein soll.27 Das Problem kommt zustande, wenn es keinen vom Schein unabhängigen Zugang zu den Gegenständen gibt und sich ohne einen vom Schein unabhängigen Zugang zu den Gegenständen nicht feststellen lässt, ob der Schein täuschend ist. Allerdings ist Lambert nicht der Meinung, dass wir dem Schein mit seinem Potential zur Täuschung unvermeidlich zum Opfer fallen, weil wir ihm zufolge zumindest grundsätzlich die Möglichkeit haben, den Schein zu hintergehen und – in den Begriffen Lamberts – die ›Sprache des Scheins‹ in die ›wahre Sprache‹ zu übersetzen. Zusammengefasst kann sich die Übersetzung der Sprache des Scheins in die wahre Sprache gemäß Lambert auf drei Faktoren stützen: Erstens stützt sich die wahre Sprache auf einfache Begriffe, die aufgrund der Einfachheit ihrer Merkmale Gegenständen Eigenschaften wie Solidität, Ausdehnung oder auch Bewegung irrtumsimmun zusprechen.28 Zweitens wird eine Reduktion der || 24 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 1), Bd. 2, S. 229. 25 »So z. E. ist das Läuten in den Ohren jedermann bekannt. Im Schwindel scheint alles sich umzudrehen, und im Traume stellen wir uns Dinge eben so lebhaft vor, als wenn sie vorhanden wären« (ebd., Bd. 2, S. 221f.). 26 Ebd., Bd. 2, S. 226. 27 Eisenring spricht von der Möglichkeit einer »Scheinschwelle, die nicht mehr überschritten werden kann« (Eisenring: Johann Heinrich Lambert [s. Anm. 4], S. 58). 28 Das Neue Organon enthält zwei in Einzelheiten verschiedene Auflistungen einfacher Begriffe (vgl. Lambert: Neues Organon [s. Anm. 1], Bd. 1, S. 477 und S. 498). Irrtumsimmun sind einfache Begriffe nach Lambert, da allen Gegenständen die durch einfache Begriffe bezeichneten Eigenschaften notwendig zukommen. Ein Irrtum kann jedoch darüber bestehen, in welchem Grad einem Gegenstand diese Eigenschaften zukommen (vgl. Eisenring: Johann Heinrich Lambert [s. Anm. 4], S. 62). – Laut Vorrede zum Neuen Organon verbindet Lamberts Erkenntnistheorie Lockes Theorie

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Sprache des Scheins auf die wahre Sprache dadurch ermöglicht, dass die den Schein ausbildenden physiologischen Mechanismen und ihre Fehlfunktionen grundsätzlich entschlüsselbar und in einigen Bereichen bereits entschlüsselt sind. Drittens kommt die Möglichkeit hinzu, durch den Schein produzierte Täuschungen anhand ihrer Abweichung von durch den Schein im Normalfall hervorgerufenen Vorstellungen zu erkennen. Wenigstens in Bezug auf den sinnlichen Schein erlauben diese Umstände, »daß sich von der Empfindung auf die Beschaffenheit der Sache, oder hinwiederum von dieser auf jene schließen läßt«.29 Im Vergleich zu einer Täuschung durch den sinnlichen Schein ist eine Täuschung durch den psychologischen Schein nach Lambert jedoch schwerer feststellbar. Dies liegt ihm zufolge insbesondere daran, dass die Erforschung der materiellen Wirkungsweise des Gehirns sehr viel weniger weit als die Erforschung der Sinnesorgane durch Optik oder Akustik fortgeschritten ist. Während Optik und Akustik über Fehlfunktionen innerhalb des Apparats der sinnlichen Wahrnehmung aufklären, hält Lambert die Gehirnforschung seiner Zeit für nicht weit genug entwickelt, um Fehler in der Bildung abstrakter Gedanken anhand der neuronalen Abläufe im Gehirn zu erfassen. Außerdem lassen sich gegen die von Lambert vorgestellte Theorie des optischen Scheins Einwände vorbringen, die mit dem kritischen Stichwort des Cartesianismus verbunden sind. Der Cartesianismus soll in der Auffassung bestehen, dass sich die Wahrnehmung nicht direkt auf äußere Gegenstände bezieht, sondern der sinnliche Input eine die Möglichkeit von Fehlrepräsentationen eröffnende Schnittstelle innerhalb des Geistes durchläuft.30 Ein Beispiel bietet hier die auch von Lambert befürwortete homonculus-Theorie, nach der die visuelle Wahrnehmung nicht auf die Gegenstände selbst, sondern auf deren Abbildung auf der Netzhaut gerichtet ist.31 In || einfacher Begriffe mit der mathematischen Methode Wolffs. Mit einem solchen Vorhaben steht Lambert nicht allein, die gleichen Ausgangsvoraussetzungen finden sich insbesondere bei Tetens; vgl. Achim Vesper: Tetens und Wolff. In: Johann Nikolaus Tetens (1736–1807). Philosophie in der Tradition des europäischen Empirismus. Hg. von Gideon Stiening und Udo Thiel. Berlin 2014, S. 27– 44, bes. S. 30–35. 29 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 1), Bd. 2, S. 221. Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Schein mehrheitlich täuschend sein sollte, wie Schneiders schreibt: »Der Schein ist trotz seines möglicherweise vorhandenen fundamentum in re in aller Regel täuschender Schein« (Schneiders: Irrtum, Schein und Vorurteil [s. Anm. 4]), S. 149). Dementgegen hebt Lambert hervor, dass die Sinne nicht als generell unzuverlässig gelten dürfen, auch wenn der sinnliche Schein täuschen kann. 30 Die Etikettierung dieser Auffassung als Cartesianismus sowie die Rede von der »interface conception of perception«, nach der die Wahrnehmung auf mentalen Zwischengliedern beruht, geht auf Putnam zurück (vgl. Hilary Putnam: Sense, Nonsense, and the Senses. An Inquiry into the Powers of the Human Mind. In: Journal of Philosophy 91 [1994], S. 445–517). Nach Putnam bildet die Annahme mentaler Zwischenglieder den Grund für die Infragestellung des Realismus, nach dem es eine denkunabhängige Wirklichkeit gibt, auf die wir uns mit unserem Geist beziehen. 31 Das klassische Beispiel für eine homunculus-Theorie der Wahrnehmung bildet der fünfte discours »Des images qui se forment sur le fond de l’œil« in Descartesʼ La Dioptrique von 1637 (vgl. René Descartes: La Dioptrique. In: ders.: Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et

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kritischer Perspektive scheint die Auffassung einer indirekten Repräsentation von Gegenständen durch die Wahrnehmung dafür verantwortlich zu sein, dass ein skeptischer Zweifel an der Zuverlässigkeit unserer Sinneswahrnehmungen überhaupt erst aufkommt.32 Gegenüber kritischen Einwänden dieser Art kann man sich Lamberts Ziele in Erinnerung rufen. In der Übersicht möchte Lambert mit der Behandlung des Scheins aufzeigen, dass unser Zugriff auf Gegenstände unseren Wahrnehmungs- und Erkenntnisbedingungen unterworfen ist und sich aus diesen sowohl korrekturbedürftige als auch korrekturfähige Täuschungen ergeben. Lambert folgt der Absicht, die Zuverlässigkeit unserer Wahrnehmungs- und Erkenntnisbedingungen zu verteidigen, indem Quellen für vermeidbare Fehler identifiziert werden. Damit versucht er nachzuweisen, dass wir nicht epistemisch isoliert sind und durch den Schein hervorgerufene Täuschungen lediglich lokale Phänomene bilden, aus denen sich kein globaler Skeptizismus ableiten lässt. Lambert wendet sich jedoch nicht nur gegen den Skeptizismus, gemäß dem unsere Vermögen nicht befähigt sind, die äußeren Gegenstände zu erreichen, er lehnt auch den Idealismus ab, nach dem es keine von unseren geistigen Hervorbringungen unabhängige Außenwelt gibt.33 Gemäß seiner Darstellung gehen die Idealisten davon aus, dass zwischen Seh- und Traumerlebnissen kein anderer Unterschied als der »zwischen einer zusammenhängenden und nicht zusammenhängenden Einbildung statt hat«.34 Gegen den Idealismus wendet Lambert ein, dass ein widerspruchsfreier Zusammenhang von Vorstellungen nur dann auftritt, wenn diese einen gemeinsamen Bezugspunkt in der realen Körperwelt haben.35 Insgesamt ist der erkenntnistheoretische Realismus Lamberts sowohl gegen den Skeptizismus gerichtet, demzufolge die Außenwelt für unsere Vermögen nicht erreichbar ist, als auch gegen den Idealismus, gemäß dem die Wirklichkeit bloß phänomenal ist.36

|| chercher la vérité dans les sciences. Leiden 1637 [Originalausgabe], S. 35–50). Nach Descartes nimmt der Wahrnehmende – nach dem Modell der camera obscura – ein Bild wahr, das auf die Rückwand des Auges projiziert ist. In einem allgemeineren Sinne werden manchmal alle Theorien, nach denen der Geist nicht auf die Gegenstände, sondern auf ihre Repräsentationen gerichtet ist, als homunculus-Theorien bezeichnet. 32 Die Kritik ist bei Putnam auf alle Theorien gerichtet, nach denen wir von internen Repräsentationen auf die Außenwelt schließen müssen. Sie lassen den skeptischen Zweifel daran aufkommen, dass wir echten kognitiven Kontakt mit äußeren Gegenständen haben. 33 Auch Eisenring hebt im Zusammenhang mit Lamberts Auseinandersetzung mit dem Idealismus hervor, dass »der Glaube an die Wirklichkeit der Dinge dieser Welt« für Lambert eine Grundvoraussetzung darstellt (Eisenring: Johann Heinrich Lambert [s. Anm. 4], S. 53). 34 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 1), Bd. 2, S. 222f. 35 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 223. 36 Für den systematischen Übergang von der skeptischen Position, dass die Wirklichkeit für uns nicht erkennbar ist, zum Idealismus, nach dem die Wirklichkeit denkabhängig ist, vgl. Marcus Willaschek: Der mentale Zugang zur Welt. Realismus, Skeptizismus, Intentionalität. Frankfurt a. M. 2003, bes. S. 89–111.

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2 Der psychologische Schein Lamberts Aufmerksamkeit innerhalb der Phänomenologie gilt, wie gesehen, nicht nur dem die Wahrnehmung begleitenden Schein und den durch ihn hervorgerufenen Täuschungen. Im dritten Hauptstück wendet sich Lambert nach der Erörterung des Scheins auf dem Gebiet der Sinne dem »abstractere[n] Gedankenreich« zu und versucht aufzuzeigen, dass auch die Bildung allgemeiner Gedanken auf einem Schein beruht.37 Er geht davon aus, dass auch die abstrakte Erkenntnis auf der Basis begrifflicher Verallgemeinerungen ähnlich wie die Anwendung von Begriffen auf einzelne Wahrnehmungsvorkommnisse einem täuschungsanfälligen Schein unterworfen ist. Die Diskussion ist dabei an der Frage ausgerichtet, inwiefern dem psychologischen Schein zum Trotz »wahre Verhältnisse bestimmt werden können, und wieferne selbst der Schein uns zu richtigen abstrakten Begriffen« führt.38 Während der sinnliche Schein uns zumindest indirekt an scheinunabhängige Eigenschaften der Gegenstände wie Solidität, Ausdehnung, Figur und Bewegung heranführt, lässt sich nach Lambert die Frage stellen, ob auch dem Schein in der begrifflichen Abstraktion eine positive Qualität zukommt.39 In diesem Zusammenhang fällt auf, dass sich Lambert – anders als im Hauptstück über den sinnlichen Schein – nicht primär den Entstehungsbedingungen des Scheins und seinen musterhaften Ausprägungen, sondern den Methoden seiner Überwindung zuwendet.

2.1 Grenzen der mechanistischen Erklärung Für den Schluss von der scheinbaren auf die scheinunabhängige Beschaffenheit von Gegenständen kommt nach Lambert im Bereich des psychologischen Scheins im Vergleich zum Bereich des sinnlichen Scheins ein Hindernis hinzu, da für die Bildung abstrakter Begriffe keine von der Physiologie ausgehende mechanistische Erklärung verfügbar ist. Dabei stuft Lambert die Erfolgsaussichten einer Reduktion des abstrakten Denkens auf Gehirnvorgänge und -zustände grundsätzlich positiv ein:

|| 37 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 1), Bd. 2, S. 276. 38 Ebd. 39 Ebd., Bd. 2, S. 277.

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So viel ist gewiß, daß, wenn wir diese Structur und den Mechanismus des Gehirns durchaus wüßten, die Theorie davon uns in Absicht auf das Gedankenreich und den psychologischen Schein eben den Dienst thun würde, den uns die Anatomie des Auges in der Optik thut.40

Während die Optik das Zustandekommen korrekter und fehlerhafter visueller Repräsentationen anhand der Funktionsweise des Sinnesorgans erklären kann, ist die komplexe Funktionsweise des Gehirns als »Werkstätte der Seele« laut Lambert noch zu wenig erforscht, um die Entstehungsbedingungen für den täuschenden Schein in der abstrakten Begriffsbildung zu lokalisieren.41 Die Gehirnforschung zum Stand seiner Zeit unterrichtet ihm zufolge lediglich darüber, dass aufgrund der »Communication der Bewegung«42 in den Nervenbahnen »ähnlich vorhin gehabte Empfindungen wiederum zu Sinne kommen«43 und auch eine »unvermutete Einmengung fremder Bilder in die Empfindungen«44 vorkommen kann. Diese Grundlage betrachtet Lambert als zu schmal, um die Entstehung abstrakter Gedanken einschließlich ihrer Fehler analog zur Erklärung der Entstehung von Wahrnehmungen aus der Sinnesphysiologie auf Vorgänge im Gehirn zurückzuführen. Auch wenn »das System der Gedanken von dem physischen Zustande des Gehirns abhängt«, hält er die Gehirnforschung seiner Zeit nicht für befähigt, das mentale Vokabular mit Blick auf abstrakte Gedanken auf das physikalische zu reduzieren.45 Daher wendet er sich »von der Betrachtung des Gehirns, der so genannten inneren Sinnen und ihres Mechanismus, zu den Gedanken selbst«, um »das Gedankenreich nach Anleitung der Erfahrung, folglich statt der Ursachen, die Wirkungen« zu untersuchen.46 Im Vergleich zu seiner Auseinandersetzung mit dem sinnlichen Schein wechselt Lambert damit die Methode und entwickelt von der Art ihrer physischen Verursachung unabhängige Kriterien für die Wahrheit abstrakter Gedanken. Entsprechend widmet sich das dritte Hauptstück aus der Perspektive des Erkenntnistheoretikers und nicht des empirischen Wissenschaftlers den Fragen, »wie wir zu allgemeinen, abstracten und transcendenten Begriffen gelangen«47 und auf welche Weise »das Wahre in den Begriffen«48 bestimmt werden kann. In großen Teilen ist es den Fragen

|| 40 Ebd., Bd. 2, S. 279. Wie auch aus dieser Textstelle hervorgeht, hält Lambert eine Übersetzung des Mentalen in das physikalische Vokabular grundsätzlich für möglich. Er vertritt die Position, dass mentale Zustände und Abläufe mit physikalischen identisch und durch diese erklärbar sind. 41 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 1), Bd. 2, S. 278. 42 Ebd., Bd. 2, S. 279. 43 Ebd., Bd. 2, S. 279f. 44 Ebd., Bd. 2, S. 280. 45 Ebd., Bd. 2, S. 279. 46 Ebd., Bd. 2, S. 280f. 47 Ebd., Bd. 2, S. 281. Unter transzendenten Begriffen versteht Lambert Begriffe, die sich sowohl auf Körperliches als auch auf Geistiges beziehen. 48 Ebd., Bd. 2, S. 282.

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gewidmet, wodurch wir die Wahrheit von abstrakten Begriffen ermitteln und auf welchem Weg wir wahre Begriffe erwerben können.

2.2 Möglichkeit und Realität von Begriffen Gegenüber den im Hauptstück über den sinnlichen Schein diskutierten konkreten Begriffen liegt eine Schwierigkeit bei abstrakten Begriffen darin, dass sich ihre Wahrheit nicht anhand einer – von einer kritischen Reflexion auf die Wahrnehmungsbedingungen begleiteten – Konfrontation mit wahrnehmbaren Einzelgegenständen feststellen lässt. Abstrakte Begriffe betrachtet Lambert als Klassenbegriffe, mit denen wir Gegenstände anhand ihrer Ähnlichkeiten herausgreifen, und durch die wir uns abkürzend auf Gruppen von Gegenständen beziehen können, ohne ihre Benennungen weitläufig aneinander zu reihen: Um diese Weitläufigkeit abzukürzen, wäre es sehr natürlich, daß sich die Urheber der Sprachen nach Aehnlichkeiten umsähen, und ähnliche Dinge, Theile, Modificationen, Handlungen, Verhältnisse etc. mit einerley Namen benennten. So würden die Thiere, Pflanzen, Metalle, Steine etc. nach ihrer Art benennt, ohne daß man sich an den Individualunterschieden und Varietäten aufhielte.49

In Übereinstimmung mit Locke scheint Lambert davon auszugehen, dass selbst die Einordnung von Gegenständen in Arten und Gattungen von uns zur Vereinfachung des Denkens gewählt wird, und diesen keine eigene Ontologie zukommt.50 Seine Untersuchung gilt der Frage, wie wir mit Allgemeinbegriffen gemeinsame Eigenschaften von Gegenständen herausgreifen und keine leeren oder unvollständigen Gruppen von Gegenständen bilden. Eine Gefahr besteht darin, dass wir durch die Einbildungskraft Begriffe assoziativ verbinden und zu abstrakten Begriffen gelangen, die keinen oder keinen klar abgegrenzten Gegenstandsbereich besitzen. Für den Nachweis der Wahrheit von abstrakten Begriffen bedarf es nach Lambert mehrerer Schritte, die sich auf die Möglichkeit und Realität abstrakter Begriffe beziehen. Ein notwendiges Wahrheitskriterium für abstrakte Begriffe besteht darin, »daß sie möglich seyn, und ein sich gedenkbares Ganzes vorstellen«.51 Demnach ist

|| 49 Ebd., Bd. 2, S. 281. 50 Wie Locke spricht Lambert der Ordnung der Gegenstände nach Arten eine lediglich instrumentelle Rolle zu. So schreibt Locke: »General and Universal, belong not to the real existence of Things, but are the Inventions and Creatures of the Understanding, made by it for its own use« (John Locke: An Essay concerning Human Understanding. Hg. von Peter H. Nidditch. Oxford, New York 1975, Book III, Chapter 3, Section 11). Damit lehnt Locke Theorien ab, »nach denen es etwas Allgemeines gibt, das dem Sein nach und nicht bloß der Repräsentation nach allgemein ist« (Rainer Specht: Das Allgemeine bei Locke. Berlin, Boston 2011, S. 291f.). 51 Lambert: Neues Organon (s. Anm. 1), Bd. 2, S. 282.

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für die Wahrheit abstrakter Begriffe notwendig, dass sie (a) in ihren Merkmalen vollständig und nicht lückenhaft sind und damit eine Klasse von Gegenständen von anderen Klassen zu unterscheiden erlauben sowie (b) sich aus ihren Merkmalen kein interner Widerspruch ergibt. Verletzt ein Begriff eine oder beide dieser Bedingungen, so verdankt er sich entweder einer ausschweifenden Einbildungskraft in der Zusammensetzung der Begriffe oder einer mangelhaften Aufmerksamkeit auf die Gegenstände.52 Allerdings reicht die lückenlose Denkbarkeit nicht aus, um uns darüber zu informieren, dass sich ein Begriff auf einen Bereich existierender Gegenstände bezieht. Zwar ist ein Begriff ›an sich richtig‹, insoweit er die beiden Bedingungen von Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit erfüllt, es handelt sich aber nicht notwendig um einen realen Begriff: Ist hingegen der Begriff an sich richtig, aber wir sind weder durch Beweise noch andere Proben davon versichert, so daß wir denselben nur annehmen, weil uns nichts dawider einfällt, so ist es zwar an sich kein leerer Schein, aber wir können ihn noch nicht als real erkennen.53

Wie Lambert ausführt, dürfen Allgemeinbegriffe nur dann auch als real betrachtet werden, wenn sich auch Gegenstände auffinden lassen, die unter den Begriff fallen und Beispiele für seine Anwendbarkeit geben. Demnach ist es zum Nachweis der Wahrheit abstrakter Begriffe notwendig, ihre Vollständigkeit und Nichtwidersprüchlichkeit aufzuzeigen sowie Beispiele für ihre Anwendbarkeit zu geben.54 Lambert räumt allerdings ein, dass sich klare Beispiele für ihre Anwendbarkeit nicht für alle Begriffe geben lassen. Obwohl »der Gebrauch der allgemeinen und abstracten Begriffe« grundsätzlich darin besteht, »daß wir sie und deren Theorie auf einzelne oder besondere Fälle anwenden können«, kann es auch sinnvolle abstrakte Begriffe mit unklaren Anwendungsbedingungen geben.55 Probleme in der Anwendung von abstrakten Begriffen treten in der Anwendung auf Gegenstände auf, die nicht in die Sinne fallen. In einer eklatant auf die parallele Diskussion im ersten Abschnitt von Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten vorausweisenden Passage nennt Lambert die Anwendung des Begriffs der Moralität als Beispiel.56 Der Begriff der Moralität gehört zu den Sonderfällen von Begriffen, bei denen sich die Bedingungen ihrer Anwendung nicht genauer spezifizieren lassen. Damit gesteht

|| 52 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 226 zur inneren Dissonanz der durch einen ungezügelten Gebrauch der Einbildungskraft hervorgebrachten Vorstellungen. 53 Ebd., Bd. 2, S. 282f. 54 An anderer Stelle scheint Lambert jedoch davon auszugehen, dass sich die Realität eines Begriffs aus seiner logisch richtigen Denkbarkeit ableiten lässt. Darauf deutet zumindest die Formulierung aus der Alethiologie hin, nach der »bey einem Begriff die bloße Möglichkeit oder Gedenkbarkeit erfordert wird, um ihn als einen wirklichen und realen Begriff anzusehen« (ebd., Bd. 1, S. 552). 55 Ebd., Bd. 2, S. 284. 56 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 285f.

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Lambert zu, dass es auch Randfälle von Begriffen gibt, die auf Gegenstände referieren, obwohl die Kriterien ihres Gebrauchs nicht eindeutig sind. Sieht man von diesen Sonderfällen ab, so ist das Entstehen von Begriffen auf den täuschenden Schein zurückzuführen, wenn sie nicht der Prüfung auf ihre Möglichkeit und Realität standhalten. Ein zu Täuschungen verleitender und durch das Bewusstsein hervorgerufener Schein besteht zum Beispiel darin, »dass wir geneigt sind, aus dem Mangel des Bewusstseyns auf das nicht seyn zu schließen«.57 Damit bezieht sich Lambert darauf, dass der Fokus unserer bewussten Aufmerksamkeit begrenzt ist und wir zu der Annahme tendieren, wonach außerhalb dieses Fokus keine für die Bestimmung eines Begriffs neuen relevanten Fälle vorkommen. Als ähnlich wichtig stuft Lambert den Fall ein, in dem wir uns auf »Vorurtheile und vorgefasste[] Meinungen«58 stützen, sodass uns Gegenstände nur unter einem Aufmerksamkeit und Scharfsinn lenkenden und von Hintergrundüberzeugungen abhängigen ›Gesichtspunct‹ ins Bewusstsein treten.59

2.3 Abstraktion durch den Verstand Lambert geht jedoch nicht nur darauf ein, wie wir bereits gebildete abstrakte Begriffe auf ihren Sachbezug prüfen können. Daneben wendet er sich der Frage zu, wie wir zu abstrakten Begriffen gelangen können, die sich auf einen Bereich existierender Gegenstände beziehen. Dabei kommt der Vermeidung der Vermischung sowohl von Begriffen als auch von Erfahrungen durch die Einbildungskraft besondere Wichtigkeit zu. In einer längeren, das Hauptstück zum psychologischen Schein abschließenden Passage stellt Lambert die Einbildungskraft als Scheinquelle dem Verstand gegenüber.60 Während die Einbildungskraft einen Schein hervorbringt, sind die höheren Erkenntnisvermögen von Verstand und Vernunft laut Lambert vom Schein frei und befähigen uns zur Überwindung des Scheins: Die höhern Erkenntniskräfte, der Verstand und die Vernunft, sollen uns eigentlich keine Quellen des Scheins geben, weil sie es sind, die durch jedes Blendwerk des Scheins durchdringen, und weil man in der That auch nur in so ferne Verstand und Vernunft hat, in so ferne man genau und richtig denkt und schließt.61

Weil Verstand und Vernunft keinen Schein hervorbringen, setzt sie Lambert der Einbildungskraft entgegen, die »Schein und Wahres ungetrennt« lässt.62 Während || 57 Ebd., Bd. 2, S. 288. 58 Ebd., Bd. 2, S. 291. 59 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 290. 60 Ebd., Bd. 1, S. 294ff. 61 Ebd., Bd. 1, S. 228. 62 Ebd., Bd. 2, S. 294.

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die Einbildungskraft den teilweise täuschenden Schein erzeugt, ist »die Absonderung des Wahren von dem Schein […] das Werk des Verstandes« und »so fern es demselben darinn gelingt, so ferne wird er rein genennt«.63 Nach dieser Vorstellung verhilft uns der Verstand dazu, den für Täuschung anfälligen Schein zu neutralisieren. Lambert problematisiert jedoch, inwieweit wir im Bereich der empirischen Wissenschaften mithilfe des Verstandes tatsächlich zu einer Neutralisierung des Scheins gelangen können. Er stellt die Frage, »wie ferne es uns möglich sey, daß wir uns Wahrheiten ohne sinnliche Bilder [d. h. allein aufgrund des Verstandes; A.V.] deutlich vorstellen können?«64 Zur Diskussion steht, ob in den Erfahrungswissenschaften die Fehlerquellen von sinnlichem und psychologischem Schein durch Abstraktion mithilfe des Verstandes ausgeschaltet werden können. Zumindest in der Physik lassen sich laut Lambert abstrakte Begriffe bilden, die durch den Verstand des sinnlichen Scheins entkleidet sind. Ihm zufolge lässt sich das scheinunabhängige Physische vom scheinbehafteten Optischen trennen, insofern durch den physischen Schein erzeugte Bilder, die »nicht die Sache selbst vorstellen« – wie Farb- oder Schallvorstellungen –, von solchen Bildern unterschieden werden, die »die Sache selbst vorstellen« – wie die Vorstellungen von Ausdehnung, Solidität und Beweglichkeit.65 Zudem besteht ein Beitrag des reinen Verstandes in der Anwendung der Mathematik, wie sie innerhalb von Chronometrie oder Mechanik zum Tragen kommt.66 Das wissenschaftliche Vorgehen ist nach Lambert im Erfolgsfall dadurch ausgezeichnet, dass in einem ersten Schritt scheinunabhängige Eigenschaften von Gegenständen identifiziert und in einem zweiten Schritt vermittels der Mathematik allgemeine Regelmäßigkeiten entwickelt werden. Gegen Ende des dritten Hauptstücks gewinnt ein neues Thema die Oberhand. Lambert richtet seine kritische Aufmerksamkeit nun auf für sachgemäße Erklärungen unbrauchbare Spekulationen, bei denen Begriffe durch Vernunftschlüsse fortschreitend verallgemeinert werden. Dabei verhält sich Lambert kritisch zur Anwendung von Vernunftschlüssen, weil sie aufgrund der Mehrdeutigkeit sprachlicher Ausdrücke zu falschen Schlüssen verleiten. Ihm zufolge können wir durch Schlüsse zu sehr allgemeinen und abstracten Begriffen und deren Verhältnissen gelangen, und sogar uns etwan darinn versteigen, das will sagen, auf abstracte Speculationen gerathen, die entweder gar nicht oder mühsam brauchbar gemacht werden können.67

|| 63 Ebd. 64 Ebd. 65 Ebd., Bd. 2, S. 295. 66 Vgl. ebd., Bd. 2, S. 295f. 67 Ebd., Bd. 2, S. 298.

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Lambert erkennt eine Gefahr darin, dass wir Sätze anhand gemeinsamer Glieder zu Schlüssen verbinden, ohne uns der Bedeutung der Ausdrücke sicher zu sein. Vernunftschlüsse verleiten zur Bildung falscher allgemeiner Urteile, weil sprachliche Ausdrücke anders als mathematische Terme vieldeutig sind. Basieren Vernunftschlüsse auf der Uneindeutigkeit von Begriffen, so liefern sie für die Erklärung des Verhaltens einzelner Gegenstände unbrauchbare Ergebnisse. Während die Abstraktion mithilfe der Mathematik keine internen Fehler erzeugt, läuft die Abstraktion mithilfe von Vernunftschlüssen Gefahr, aufgrund instabiler Wortbedeutungen fehlerhafte Vorstellungen zu produzieren.

2.4 Die Brauchbarkeit von Begriffen Um falsche Abstraktionen und Spekulationen auszuschließen, führt Lambert eine methodische Regel ein, die den Sachbezug der abstrakten Erkenntnis sicherstellen soll. Dieser Regel zufolge soll erstens von den individuellen Bestimmungen einer durch die Einbildungskraft gegebenen Vorstellung abstrahiert, zweitens der daraus resultierende Begriff auf seine Möglichkeit geprüft und drittens die Brauchbarkeit des Begriffs für die Erklärung individueller Sachverhalte getestet werden. In diesem Sinn erklärt er: Daß man […] vermittelst des Abstrahirens und der Schlüsse die abstracte Erkenntniss weit über die Einbildungskraft hinaufschwingen könne, aber auch, um sie brauchbar zu machen, in der Anwendung sie dem Individualen wiederum näherbringen müsse.68

Dem Kriterium der Brauchbarkeit zufolge ist wissenschaftliche Erkenntnis nur dann sicher, wenn sie sich erklärend auf einzelne Fälle zurückbeziehen lässt. Die Methode der Wissenschaften vollzieht sich in den Einzelschritten, von einzelnen Gegebenheiten mithilfe des Verstandes zu abstrahieren, die logische Möglichkeit der erlangten generellen Begriffe zu untersuchen und ihre Erklärungsleistung an Fallbeispielen unter Beweis zu stellen. Während die Abstraktion durch den Verstand durch den Schein hervorgerufene Fehler ausräumen soll, soll das Kriterium der Brauchbarkeit die auf Verhaltenseigenschaften einzelner Gegenstände bezogene erklärende Kraft abstrakter Aussagen sicherstellen. Dabei kommt eine erkenntnisfördernde Leistung der Einbildungskraft darin zum Ausdruck, dass mit ihrer Hilfe abstrakte Begriffe und auf diesen aufbauende Theorien auf Einzelfälle zurückbezogen werden.

|| 68 Ebd., Bd. 2, S. 299.

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3 Schluss Man wird Lamberts Theorie des Scheins am besten gerecht, wenn man sie auf das übergeordnete Ziel des Werks bezieht, Mittel zum Ziel von Gewissheit an die Hand zu geben. In der Phänomenologie thematisiert Lambert die Eigenschaft unseres Geistes, sich anhand von Repräsentationen auf die Welt zu beziehen, im Zusammenhang mit der Irrtumsanfälligkeit, die sich aus der Angewiesenheit auf Repräsentationen ergibt. Die Untersuchung soll Zweifel daran ausräumen, dass wir uns aufgrund der Abhängigkeit von Repräsentationen der Übereinstimmung unserer Vorstellungen mit der Außenwelt nicht sicher sein können. Mit Blick auf abstrakte Begriffe wendet er sich den Fehlerquellen zu, die in einer willkürlich Begriffe zusammensetzenden oder Erfahrungen vermischenden Einbildungskraft und einem die Aufmerksamkeit auf Gegenstände verengenden Bewusstsein liegen. Um diesen Fehlerquellen entgegenzutreten, führt er einerseits eine Prüfung für abstrakte Begriffe und andererseits eine verbesserte Methodologie in den empirischen Wissenschaften ein. Damit möchte Lambert aufzeigen, dass wir auch im Bereich abstrakter Erkenntnis Sicherheit über die Übereinstimmung unserer Vorstellungen mit der Außenwelt gewinnen können.

Paolo Pecere

Lambert, Kant and Solidity: a Matter of Method 1 Introduction: a matter of method Ernst Cassirer pointed out that Lambert had introduced a »peculiar and new point of view in the problem of knowledge«, that is, the idea that we can take empirical concepts and then, without questioning their »psychological origin«, discover in them »certain universal relations« and thus set the basis for a priori knowledge concerning these concepts.1 As Lambert puts it, experience »provides at best an occasion [Veranlassung], in order to see whether and how far one can prove a priori«.2 Gereon Wolters has focused on this topic in his seminal study on Lambert’s theory of scientific knowledge, maintaining that »as far as I can see, Lambert is the first in the history of exact sciences and their methodology to establish the program of a protophysical basis«.3 This program concerns the formulation of definitions and/or postulates concerning the unities of measure in the exact sciences (e. g. extension, duration, mass), leading from the basic sensations corresponding to these magnitudes to the first scientific propositions. For example, Lambert asks »whether the first propositions of mechanics can be proved [erweisen] necessarily and a priori, as Euclid has done with regards to the geometrical propositions.4 This investigation takes place in a section of mechanics that Lambert calls »Dynamics«, starting from the concepts of »solidity« and »force«, and it provides an opportunity to test the limits of Locke’s empiricist methodology. »Solidity«, listed by Lambert among the Grundbegriffe of science, had been already considered by Locke as a simple idea derived from experience. While recognizing the importance of Locke’s analysis, Lambert objected that the latter »had looked for the simple concepts, but he missed

|| 1 Ernst Cassirer: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit. Zweiter Band. In: id.: Gesammelte Werke. Ed. by Birgit Recki. 26 vols. Hamburg 1998–2009, vol. 3, p. 453. 2 Johann Heinrich Lambert: Gedanken über die Grundlehren des Gleichgewichts und der Bewegung. In: id.: Beyträge zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung. Vol. 2.2. Berlin 1770, § 6. On the a priori and a posteriori investigation concerning propositions and properties see Johann Heinrich Lambert: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung von Irrthum und Schein. Leipzig 1764 (LPS 1), Dianoiologie, §§ 634ff. 3 Gereon Wolters: Basis und Deduktion. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Theorie der axiomatischen Methode bei J. H. Lambert. Berlin, New York 1980, p. 85. 4 Lambert: Gedanken über die Grundlehren (see fn. 2), § 1. https://doi.org/10.1515/9783110647761-011

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the application of the method of establishing doctrinal systems [Lehrgebäude]«.5 Locke »proceeds entirely a posteriori« with his »anatomy of concepts«,6 and thus misses the a priori moment in the foundations of empirical science, which can be conceived following the model of geometry: Es scheint ihm an der Methode, oder wenigstens an dem Einfalle gefehlet zu haben, das was die Meßkünstler in Absicht auf den Raum gethan hatten, in Absicht auf die übrigen einfachen ebenfalls zu versuchen.7

Now, it is well known that Lambert’s foundational attempt provided a substantial inspiration for Kant’s analogous investigation on the possibility of a metaphysics of nature at the time of their correspondence, between 1765 and 1771, and beyond. Kant himself would recognize the authority of Lambert for the »claims subsequently presented in the Kritik der reinen Vernunft in their whole context«.8 Alison Laywine has convincingly argued that Lambert’s conception of postulates and their use in the foundations of natural science may have been a model for Kant’s transcendental analytics.9 But if we take the cue from the concepts of solidity and force it makes all the more sense to consider Kant’s own account of »pure physics« in the Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (MAN), published in 1786, as a late assessment of the issues formulated by Lambert. Starting from a puzzling reference to Lambert, I will compare the latter’s and Kant’s accounts of solidity as alternative methodological solutions to the same foundational problem concerning concepts and principles of natural science.

|| 5 Johann Heinrich Lambert: Anlage zu Architectonic oder Theorie des Einfachen und des Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß. Riga 1771, vol. 1 (LPS 3), § 14. 6 Lambert: Neues Organon (see fn. 2), Alethiologie, § 29. 7 Lambert: Anlage zu Architectonic (see fn. 5), § 10 (italics mine). 8 AA X, p. 278. Indeed, Kant was planning to dedicate the Critique to Lambert. See Immanuel Kant: Reflexion 5024, AA XVIII, p. 64: »(zur dedication.) sie haben mich mit ihren Zuschriften beehrt. Die Bemühung, auf Ihr Verlangen einen Begrif von der Methode der reinen Philosophie zu geben, hat eine Reihe von Betrachtungen veranlaßt, den mir noch dunkel liegenden Begrif zu entwikeln, und, indem die Aussichten sich mit dem Fortschritt erweiterten, die Antworten einem unaufhorlichen Aufschub ausgesetzt. Diese Schrift kann statt einer Antwort dienen, was den speculativen Theil betrift. Da sie ihren Aufforderungen und Winken zuzuschreiben ist, so wünschete ich, daß die Ihnen ganz angehörete durch die Bemühung, sie in Ihre Bearbeitung zu nehmen«. 9 Alison Laywine: Kant and Lambert on the geometrical postulates in the reform of metaphysics. In: Discourse on a new method. Reinvigorating the marriage of history and philosophy of science. Ed. by Mary Domski. Chicago 2010, pp. 113–133.

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2 Kant on Lambert and solidity Kant’s critical reference to Lambert’s account of solidity appears in the Remark to Theorem 1 of the »Dynamics« chapter of the Metaphysische Anfangsgründe. Lambert und andere nannten die Eigenschaft der Materie, da sie einen Raum erfüllt, die Solidität (ein ziemlich vieldeutiger Ausdruck), und wollen, man müsse sie an jedem Dinge, was existiert (Substanz), annehmen, wenigstens in der äußeren Sinnenwelt. Nach ihren Begriffen müßte die Anwesenheit von etwas Reellem im Raume, diesen Wiederstand schon durch seinen Begriff, mithin nach dem Satze des Widerspruchs bei sich führen, und es machen, daß nichts anderes in dem Raume der Anwesenheit eines solchen Dinges zugleich sein könne. Allein der Satz des Widerspruchs treibt keine Materie zurück, welche anrückt, um in einen Raum einzudringen, in welchem eine andere anzutreffen ist. Nur alsdann, wenn ich dem, was einen Raum einnimmt, eine Kraft beilege, alles äußere Beweglich, welches sich annähert, zurück zu treiben, verstehe ich, wie es einen Widerspruch enthalte, daß in dem Raum, den ein Ding einnimmt, noch ein anderes von derselben Art eindringe.10

The concluding sentence refers to Kant’s own alternative view, exposed in the theorem. Rather than to »solidity« (an expression that he considers suitable for »rigid« bodies),11 Kant refers to the empirical property of »impenetrability« (Undurchdringlichkeit), manifested by a resistance to penetration (Eindringen). According to the theorem, »matter fills space not by its mere existence, but through a particular moving force«. It is useful to quote Kant’s »proof« (Beweis) of this theorem, as an example of how he moves from the empirical property of impenetrability to dynamics by means of a priori inferences. Das Eindringen in einen Raum (im Anfangsaugenblick heißt solches die Bestrebung einzudringen) ist eine Bewegung. Der Widerstand gegen Bewegung ist die Ursache der Verminderung, oder auch Veränderung derselben in Ruhe. Nun kann mit keiner Bewegung etwas verbunden werden, was sie vermindert oder aufhebt, als eine andere Bewegung. Also ist der Widerstand, den eine Materie in dem Raum, den sie erfüllt, allem Eindringen anderer leistet, eine Ursache der Bewegung der letzteren in entgegengesetzer Richtung (Phoron. Lehrs.). Die Ursache einer Bewegung heißt aber bewegende Kraft. Also erfüllt die Materie ihren Raum durch bewegende Kraft und nicht durch ihre bloße Existenz.12

Given the sensory experience of resistance to penetration (empirical element), Kant applies the phoronomical theorem of the composition of motions (mathematical element),13 thus inferring the need to introduce a cause of this resistance, which

|| 10 Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft. Riga 1786, AA IV, pp. 497f. 11 Ibid., p. 527. 12 Ibid., p. 497. 13 For its proof see ibid., p. 490.

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turns out to be, by definition, a moving force. 14 Kant will successively qualify this force as a fundamental repulsive force. This argumentative context can help us understand why Kant decides to single out Lambert among those who argue for the fundamental solidity of matter. Besides Locke, who was Lambert’s source, these »others« include a large number of mechanistic natural philosophers.15 From the physical point of view, indeed, this conception corresponds to the attribution to matter of an »absolute impenetrability«, which is »nothing more nor less than an occult quality. For one asks what the cause is for the inability of matters to penetrate one another in motion, and one receives the answer: because they are impenetrable«.16 Absolute impenetrability, together with »absolute homogeneity«, forms the basis of the »mechanical philosophy of nature«, which »under the name of atomism, or the corpuscular philosophy, always retained its authority and influence on the principles of natural science, from Democritus of old, to Descartes and even to our time«.17 This philosophy has the advantage of representing empty spaces and vacuum in bodies with mathematical evidence, but pays this advantage with several shortcomings for mathematical physics besides its empty explanation of impenetrability (e. g., it gives too much power to the imagination in positing these empty spaces for the explanation of different densities). Kant’s »dynamical mode of explanation«, on the contrary, is »much more appropriate and conducive to natural philosophy, in that it leads directly to the discovery of matter’s inherent forces and laws«,18 whereby resistance can be traced back to a cause and »estimated in regard to its degrees«.19 The mechanical philosophy with absolutely hard particles, empty spaces and no inherent forces could be attributed to major physicists of the time. In the first Critique, indeed, Kant writes that this is the way »most mathematical and mechanical investigators of nature« explain different densities.20 These scientists include Newton and Euler, who are often discussed in the Remarks of the MAN. After all, one of the objectives of Kant’s MAN was to provide the sketch of a new »metaphysical part« to be included in treatises of mathematical physics.21 It is puzzling, in this regard, that Kant names Lambert in his Remark about solidity. As I will argue, this

|| 14 For a detailed account of Kant’s general methodology in the MAN see Paolo Pecere: La filosofia della natura in Kant. Pagina. Bari 2009, pp. 321–391; Michael Friedman: Kant’s construction of nature. Oxford 2013, pp. 1–33, pp. 564–580. 15 For a list of alternatives see Konstantin Pollok: Kants »Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft«. Ein kritischer Kommentar. Hamburg 2001, pp. 229–231. 16 Kant: Metaphysische Anfangsgründe (see fn. 10), AA IV, p. 502. 17 Ibid., p. 533. 18 Ibid., p. 533. 19 Ibid., p. 503. 20 Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft. Riga 21787, AA III, p. 156. 21 Kant: Metaphysische Anfangsgründe (see fn. 10), AA IV, p. 478.

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suggests that Kant is raising a methodological rather than a physical issue, concerning his new conception of a metaphysics of corporeal nature. In order to introduce this argument let us first consider Lambert’s view.

3 Lambert’s principles of solidity Lambert’s accounts of solidity in the Neues Organon and the Architektonik present an intertwining of empirical and rational elements, which will form the starting point of Kant’s successive rethinking. In the Neues Organon Lambert introduces the empirical concept of matter as follows: Der Begriff der Materie, den wir unmittelbar durch das Gefühl haben, macht, daß wir der Materie eine Solidität und Festigkeit oder Undurchdringlichkeit beylegen.22

He argues that, given simple concepts, which can be thought for themselves, we can immediately deduce a corresponding set of principles (Grundsätze). In this particular case, we get principles of »solidity« and »force«, including the principle stating that »every solid excludes any other solid from the place where it is«.23 This suggests that the latter principle can be derived by a pure logical inference and thus be grounded on the principle of contradiction. A similar and more detailed account can be found in the Architectonic. Here Lambert lists different Grundsätze which can be applied to »material solids« with no contradiction (ohne Widerrede): Der Begriff Solidität gibt uns ebenfalls einige Grundsätze, die bei dem materiellen Soliden ohne Widerrede angewandt werden. 1. Das Solide füllt einen Raum aus, so weit es geht. 2. Das Solide schließt anderes Solides von dem Orte aus, da es ist. 3. Das Solide hat drei Dimensionen des Raumes. 4. Der Raum kann mit Solidem nicht mehr als ausgefüllt sein. 5. Das Solide hat eine absolute Dichtigkeit, und daher ist es eine Einheit, die unveränderlich ist.24

In Lambert’s text we find a principle of impenetrability (n. 2 above) and more striking correspondences with Kant’s later account:

|| 22 Lambert: Neues Organon (see fn. 2), Alethiologie, § 19. 23 Ibid., § 94. 24 Lambert: Architectonic (see fn. 5), § 88.

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These propositions can be derived by »the collection and immediate comparison [Vergleichung] of simple concepts«, and thus merely depend on the principle of contradiction.25 The term »solidity« has a number of different meanings, including metaphysical ones (»Das Wort Solidität ist bereits auf verschiedene Arten metaphorisch und transzendent gemacht«). It can mean »volume« in geometry, »rigidity« in physics and it can also have a metaphorical meaning regarding »scientific« or »grounded« knowledge.26 We can even conceive of a »solidity« of spiritual substances, although we don’t have any simple concept of the latter (remember Kant’s observation that his principle is valid »wenigstens in der äußeren Sinnenwelt«).27 The solid has »absolute density« (principle n. 5 above), a claim that will be thoroughly criticized by Kant (see below § IV).

From these close correspondences we can conclude that Kant was taking Lambert’s texts in close consideration when he was writing his Remark. Hence we can wonder why Kant examines Lambert’s methodological works in the MAN and why, while focusing on method, he spells out his disagreement with Lambert concerning the physical concept of solidity in particular.

4 Solidity from the physical point of view Lambert’s systematic treatment of the fundamental concepts of mechanics is better understood against the background of Newton’s. In the Principia mathematica Newton considers density as an essential property of matter (hence invariable) and derives mass by multiplying density and volume. Force, on the other hand, is a variable quantity and thus no essential property.28 Newton then introduces a cinematic measure of force, which is applied to the study of gravity, leaving open the issue of the cause of force.29 Regarding the resistance to motion (inertial mass) he defines a vis inertiae of matter.30 The ontological relevance of solidity is highlighted in Query 31 of the Opticks (starting from the Latin edition of 1704), where Newton argues that

|| 25 Ibid., § 76. 26 Ibid., §§ 92f. 27 Ibid., § 90. 28 Isaac Newton: Philosophiae naturalis principia mathematica, the third edition (1726) with variant readings. Ed. by Alexandre Koyré and I. Bernhard Cohen. Cambridge 1972, pp. 39f. (Definitiones, I). 29 Ibid., p. 298 (Lib. I, Sect. XI, Prop. LXIX, Scholium). 30 Ibid., p. 40 (Definitiones, III). Compare Isaac Newton: Opticks, based on the fourth edition (1730). New York 1952, p. 397 (Query 28).

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God has created »solid, massy, hard, impenetrable Particles«.31 The connections among density, mass, force and solidity require the discussion of a number of different conjectures about ether and microscopic forces, without leading to a conclusive theory: this problematic legacy would be shared by Newtonian scientists of the 18th century. In this context, Lambert submits an empirical foundation of mechanical concepts, arguing that both density (see above) and force depend on solidity, which is in turn given with the sensation of touch. Hence he adds a number of principles of »Dynamics« to the principles of solidity: Wir haben denselben, so wie den Begriff der Solidität, vom Gefühle, weil wir empfinden, daß wir mehr oder minder Kraft anwenden müssen, einen Körper oder das Solide in Bewegung zu setzen oder die Bewegung desselben zu ändern oder ganz aufzuhalten. Daraus fließen folgende Grundsätze, welche man in der Dynamik angenommen [hat]. 1. Das Solide ist an sich in Ruhe, oder ohne Bewegung. 2. Das Solide wird durch anderes Solides in Bewegung gesetzt. 3. Jede Änderung in der Bewegung des Soliden wird durch anderes Solides verursacht, welches das bewegte Solide unmittelbar berühret. 4. Im freyen Raume behält das einmal in Bewegung gesetzte Solide sein Richtung und Geschwindigkeit. 5. Die Bewegung ist in Verhältniß [mit] der Kraft, womit das Solide in Bewegung gesetzet wird, und folget der Richtung, nach welcher die Kraft angebracht wird.32

To sum up: the sense of touch, by the feeling of impenetrability, is the source of both the concepts of density (and hence mass) and of inertia (the resistance to the impressed motion whose coefficient is mass – our inertial mass). These concepts are sufficient to establish the mathematical analysis of motion, while the first cause of motion is left out of the physical picture. A similar, radically mechanistic system of concepts had been recently defended by Euler: impenetrability is the source of mechanical action in impact or pressure; action is transmitted by impact or pressure according to a coefficient (inertial mass) which can be empirically measured. Force is given by multiplying mass by the impressed acceleration, while the Newtonian expression vis inertiae (for inertial mass) has to be avoided.33 This approach to mechanics, in fact, would be much more successful than the dynamical one entertained by Kant and others. In this perspective, Lambert appears as just one among many mechanistic scientists following Newton and Euler. But Lambert’s account, albeit it does not envisage any repulsive force, shares an element with the Kantian account: Lambert grants that density may have an origi-

|| 31 Ibid., p. 400. 32 Lambert: Architectonic (see fn. 5), § 94. 33 See e. g. Leonhard Euler: Mechanica sive motus scientia analytice exposita. Vol. 1. St. Petersburg 1736, §§ 56–74.

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nally different degree, allowing for the explanation of specific gravity of bodies with no hypothetical dissemination of void in bodies: Eine andere Frage aber, die hiebey vorkömmt, ist diese: Ob ein ganz ausgefüllter Raum nicht noch intensive mehr ausgefüllet, oder das Solide, das ihn ausfüllet, in einen noch kleinern Raum gebracht werden könne, oder ob alles Solide in sich gleich dichte und in dieser Absicht eine absolute und unveränderliche Einheit sey? Diese Fragen betreffen den zweyten, vierten und fünften Grundsatz, welche sich auf den bekannten und auch in der Mechanik angenommenen Begriff der Undurchdringlichkeit der Materie gründen. [...] Wir haben den Begriff der Solidität durch das Gefühl, und dieses giebt uns die innern Unterschiede desselben nicht an. In dem Begriffe den wir davon haben, scheint auch keine Unmöglichkeit zu liegen, daß das Solide nicht verschiedene Grade der innern Dichtigkeit haben könne.34

This alternative theory of density would involve a modification of Lambert’s own principle n. 2, which establishes absolute density. In this perspective Lambert appears closer to Kant than the other mechanistic physicists. Indeed, this openmindedness regarding the explanation of density casts a shadow on Lambert’s claim that his axiomatization of solidity is a »grounding principle of metaphysical truth« and possesses »geometrical necessity«.35 Michael Friedman has argued that this open-mindedness is a reason why Kant singles out Lambert in his defense of the dynamical conception, and points out that »this very open-mindedness exposes deep problems and tensions in Lambert’s overall view« on the a priori principles, concerning in particular »how such explicitly non-analytical or non-definitional a priori judgments are possible«.36 I agree with Friedman’s suggestion that here Kant’s procedure of bringing the concepts of logic »into relation with both pure and empirical intuition« determines the divergence between Kant’s and Lambert’s views.37 Hence, I conclude that the reason for Kant’s choice of Lambert as the first example of a supporter of solidity cannot lie in Lambert’s physical opinions about density. Kant was rather interested in Lambert’s methodological reflection on the intertwining of empirical, metaphysical and mathematical elements of physics. In order to highlight the points of agreement and disagreement regarding method we need to consider Lambert’s and Kant’s approach in more detail.

|| 34 Lambert: Architectonic (see fn. 5), § 91. 35 Ibid., § 298, § 313. 36 Friedman: Kant’s construction of nature (see fn. 14), p. 128. 37 Ibid., p. 129.

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5 Lambert’s method: the possibility of concepts and the role of examples Lambert, in his first letter to Kant (1765), notes the »similarity« between the latter’s views in the Beweisgrund (1763) and his own views in the Neues Organon.38 Then he addresses the issue of the method of metaphysics, arguing that Wolff was mistaken in granting a fundamental role to definitions without investigating the possibility of the corresponding objects. A better model is the method followed by Euclid in geometry, where definitions are just a kind of »nomenclature«, while the possibility of the corresponding objects (geometrical figures) is merely hypothetical and has to be proved »synthetically«: Definitionen sind bei Euclid gleichsam nur die Nomenclatur, und der Ausdruck per definitionem gilt bey ihm nicht mehr als der Ausdruck per hypothesin. Wolf scheint auch nicht genug darauf gemerkt zu haben wie sorgfältig Euclid ist, und wie sehr er selbst die Ordnung des Vortrages dazu einrichtet, die Möglichkeit der Figuren zu beweisen und ihre Gränzen zu bestimmen. Dabey [with metaphysical concepts] muß man wohl nicht anfangen, wenn man sich nicht in einer endlosen Analysi verlieren und verwirren sondern nach Euclidens Art synthetisch gehen will.39

Kant replies that there was indeed »a lucky agreement in our methods«,40 mentioning the similar role played by constructions in mathematics according to the Deutlichkeit. The agreement concerning metaphysics is not clearly spelled out, but Kant mentions his project to write a book on the »proper Method of Metaphysics«: this ambitious project is temporarily shelved because he lacks »examples, of how the correct method should work«, and he has decided to »give precedence to smaller works«. Then he mentions two »ready« writings, the »Metaphysische Anfangsgründe der natürlichen Weltweisheit« and the »metaph. Anf. der praktischen Weltweisheit«, which will present examples of the new method. By this separate exposition »the main work will not be burdened with too many and inadequate examples«.41 || 38 Johann Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel. Ed. by Johann Bernoulli. Berlin 1782 (LPS 9), p. 335. 39 Ibid., p. 338. That Lambert consider Euclid, rather than Wolff, as the »true auctoritas« for realizing his foundational project has been highlighted by Paola Basso: Filosofia e geometria. Lambert interprete di Euclide. Firenze 1999, in part. pp. 1f. For the proximity of Lambert’s project to the Leibnizian idea of the ars characteristica see Enrico Pasini: L’altra faccia dell’uomo della Luna. Leibniz e l’»Erfindungskunst«. In: La misura dell’uomo. Filosofia, teologia, scienza nel dibattito antropologico in Germania (1760–1915). Ed. by Massimo Mori and Stefano Poggi. Bologna 2005, pp. 49–70. 40 Lambert: Briefwechsel (see fn. 38), p. 341. 41 Ibid., p. 342.

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Lambert (December 3, 1766) replies that Kant’s procedure of introducing the new method by the exposition of positive and negative examples is a good one, and that he has followed the same method in the Dianoiologie, e. g. in the illustration of the relation between form and matter of knowledge. While these concepts do not raise issues in their logical meaning, when applied in metaphysics they have led to »controversies and hypotheses«. In this regard, Lambert submits a number of propositions concerning the transition from simple to complex concepts: 1) Die Form giebt Principia, die Materie aber Axiomata und Postulata. 2) Die Form fordert, daß man bey einfachen Begriffen anfange, weil diese für sich, und zwar weil sie einfach sind, keinen innern Widerspruch haben können, oder für sich davon frey und für sich gedenkbar sind. 3) Axiomata und Postulata kommen eigentlich nur bey einfachen Begriffen vor. Denn zusammengesetzte Begriffe sind a priori nicht für sich gedenkbar. Die Möglichkeit der Zusammensetzung muß erst aus den Grundsätzen und Postulatis folgen.42

In the following passage, Lambert explains in more detail this transition and the role played by axioms and postulates: Nach diesen Sätzen trage ich kein Bedenken zu sagen, daß Locke auf der wahren Spur gewesen, das einfache in unserer Erkenntniß aufzusuchen. Man muß nur weglassen, was der Sprachgebrauch mit einmengt. […] Der Begrif Dauer und eben so die Begriffe Existenz, Bewegung, Einheit, Solidität, usw haben etwas einfaches, das denselben eigen ist, und welches sich von den vielen dabey mit vorkommenden Verhältnißbegriffen sehr wohl abgesondert gedenken läßt. Sie geben auch für sich Axiomata und Postulata an, die zur wissenschaftlichen Erkenntniß den Grund legen und durchaus von gleicher Art sind, wie die Euclidischen.43

According to Lambert, metaphysics begins with simple concepts derived from experience. These simple concepts can be listed in any order (»in der Ordnung, wie es mir einfällt«), but it is crucial to separate their different meanings and to exclude those who can find no empirical support and are merely suggested by the corresponding word – as we have seen above with «solidity«.44 Here Lambert follows Locke’s teaching on language and definitions. Given the refined list of simple concepts the corresponding axioms and postulates can be logically derived. Axioms and postulates guide the formulation of propositions from simple concepts and hence they are the »ground« of scientific knowledge, just as it happens in geometry: on this point Lambert departs from Locke and introduces a domain of a priori inference in philosophy. An important difference between philosophy and geometry lies in the potentially misleading form of language with regards to reference: contrary to geometry, in

|| 42 Ibid., p. 348 (italics are mine). 43 Ibid., p. 349. 44 Ibid.

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philosophy we face the risk of formulating judgements with a predicate which is not uniformly applied to the subject, e. g. »the watch is made of gold« when only the watch-case is made of gold. In this regard Lambert hopes that Kant’s contributions will help and will be published soon. He is optimistic concerning the development of this new method of philosophy, underscoring that examples will play a crucial role in this enterprise. He then focuses on the analogy between geometrical figures and philosophical examples, arguing that sich eine ächte Methode am besten und sichersten durch Vorlegung wirklicher Beispielen […] mit allen Individualien zeigen kann, da sie hingegen logisch ausgedrückt leicht zu abstract bleiben würde. [...] Beyspiele thun dabey eben den Dienst, den die Figuren in der Geometrie thun, weil auch diese eigentlich Beyspiele oder speciale Fälle sind.45

The correspondence will reprise after the publication of Kant’s Dissertation in 1770. The new exchange will focus on the reality of time, and, while Lambert will briefly point out that metaphysics can be exposed in merely abstract terms and then applied to phenomena, the role of examples will not be discussed anymore. Yet it is interesting, in this regard, to examine Lambert’s letter to Holland of November 21, 1765. In this letter Lambert comments again on Euclid’s method. Euclid sets forth nominal definitions (as a »nomenclature«) and then, first, he »requires the unconditioned possibility of straight lines and circles of any magnitude and position«, and second, ex concessis postulatis, he shows the »universal and unconditioned possibility of the equilateral triangle«. Lambert concludes by examining the analogous procedure in the case of metaphysics, where terms are abstract and their meaning cannot be »put in front of the eyes«. In den Beweisen braucht Euclid den Ausdruck per definitionem im geringsten nicht anders als den Ausdruck per hypothesin. Denn bis die Möglichkeit des Begrifs nicht erwiesen ist, ist die Definition nur noch eine Hypothesis. Ist es für sich oder auch nur durch ein einziges Beyspiel klar, daß es wenigstens einige solcher Figuren giebt, die die Definition anzeigt, so mag die Definition voraus geschickt werden [...]. Die Bedingungen ihrer Möglichkeit müssen aber aus Grundsätzen und Postulatis folgen. Dies ist der Fall von dem ∆ [...]. Dieses ist nun meines Erachtens die Art wie Euclid mit Definitionen und Begriffen umgeht. Sie solle in der Metaphysik auch angehen. Man kann aber darinn die Sache selbst, welche abstract ist, nicht vor Augen legen, sondern muß sich mehrentheils mit Wort und Begrif begnügen.46

The impact of these conceptions on Kant’s parallel investigation in the 1760s is not easily assessed. In the Deutlichkeit (written in 1762) Kant already maintained that mathematics can show the possibility of its concepts »in concreto« by means of constructions, while philosophy deals with signs and cannot follow this method, thus

|| 45 Ibid., p. 351 (italics are mine). 46 Ibid., p. 30.

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facing the risk of using empty concepts.47 He will hold this view of definitions in philosophy until the Architectonic chapter of the first Critique. However, one wonders what did Kant make of Lambert’s ideas about the synthetic method and the role of examples in metaphysics. These ideas have probably influenced Kant’s development of the unpublished material on the »metaphysical principles«, and he could have given a fresh look at Lambert’s published correspondence before writing the MAN. As matter of fact, Lambert’s ideas are closely connected to the issues addressed in the MAN. Hence we can put forward a number of hypotheses: −



The MAN can be considered as the definitive version of the material announced by Kant in the 1760s as a »metaphysics of natural philosophy«. The book would reformulate physical doctrines which had been already anticipated in previous writings (e. g. the conceptions of fundamental forces and inertia), but first of all it would address the problem of the method of metaphysics and its epistemological importance for natural science, which is the main topic of the Preface. In this regard, the model first provided by Lambert would provide an important background for Kant’s theory. The concept of solidity was the main topic of confrontation with Lambert’s methodological ideas. Indeed, according to Kant, impenetrability offers the first empirical property of any physical object,48 and Lambert similarly associates solidity with »Ding« or »etwas Reales«.49 Moreover, the explanation of impenetrability corresponds to the dynamical theory of matter, which is, since the Monadologia physica, Kant’s favorite example of »metaphysics combined with geometry«.50

In this regard, it is important to mention a major shift in Kant’s thought, occurred around the time of his correspondence with Lambert. In the 1750s and early 1760s Kant grounds natural philosophy on a theory of physical monads as point-like centers of repulsive and attractive forces, and explains the originally variable density of bodies through the interplay of these forces (hence, in Kant’s system of concepts, density is not a primitive magnitude anymore). In the Prize Essay (written in 1762) Kant quotes the analysis of the concept of impenetrability as an example of metaphysical method, that leads with intuitive certainty to the action of force. Later Kant would replace physical monadology with a different dynamical theory, grounded on the representation of matter as a continuum. I cannot address here the details of this

|| 47 Immanuel Kant: Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und Moral (1764), AA II, pp. 278f. 48 Kant: Metaphysische Anfangsgründe (see fn. 10), AA IV, p. 510, quoted below, § VI. 49 Lambert: Architectonic (see fn. 5), § 57. 50 Immanuel Kant: Monadologia physica (1756), AA I, p. 473.

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turn51 (note that Lambert brackets the role of monads in the systems of scientific concepts. This may have provided an important example for Kant52). What matters for our purposes is that Kant, in the MAN, maintains that force (thus also density and mass) cannot be derived by analysis of concepts: the representation of motion in pure intuition involves a synthetic passage in both cases. As a result of Kant’s abandonment of monadology in the 1760s, the dynamical theory – with its methodological background – would need a complete rethinking. Let us now elaborate on these hypotheses, starting from Kant’s methodical framework of the MAN.

6 Metaphysics of nature: from Lambert to Kant Let me review the main steps of Lambert’s scientific method. First, there is an empirical moment, consisting in the collection of simple concepts, derived from sensation (e. g. solidity and force from the sensation of touch). Second, by following Euclid’s model, principles and postulates are derived from simple concepts. These establish the »possibility of composition«, or the »conditions of possibility« of concepts. Third, these principles and postulates are grounds of scientific propositions. E. g., from solidity we get principles of dynamics, such as the law of inertia. This inference is grounded on »logical truths«, which in turn presuppose – in a Wolffian fashion – the »metaphysical truth« of the existence of God, lest that logical truth becomes an »empty dream«. This is the also ultimate ground of the solidity of bodies: Demnach zieht der Satz, daß es nothwendige, ewige, unveränderliche Wahrheiten gebe, die Folge nach sich, daß ein nothwendiges, ewiges, unveränderliches Suppositum intelligens seyn müsse, und daß der Gegenstand dieser Wahrheiten, das will sagen, das Solide und die Kräfte, eine nothwendige Möglichkeit zu existiren haben.53

Of course Kant breaks with this metaphysical approach in criticism.54 Still, he retains much of Lambert’s original insights when introducing his new »metaphysics of nature«, in the MAN. Kant separates a transcendental part of this doctrine from a second more specific part. Sie beschäftigt sich mit einer besonderen Natur dieser oder jener Art Dinge, von denen ein empirischer Begriff gegeben ist, doch so, daß außer dem, was in diesem Begriffe liegt, kein anderes empirisches zur Erkenntnis derselben gebraucht wird (z. B. sie legt den empirischen Begriff

|| 51 For my account see Paolo Pecere: Monadology, materialism and Newtonian forces: the turn in Kant’s theory of matter. In: Quaestio 16 (2016), pp. 167–189. For a broader contextualization also see La filosofia della natura in Kant (see fn. 10), pp. 34–143. 52 Lambert: Architectonic (see fn. 5), § 90. 53 Ibid., § 299. 54 For this transition compare Cassirer: Das Erkenntnisproblem (see fn. 1), vol. 3, p. 457.

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einer Materie, oder eines denkenden Wesens zum Grunde und sucht den Umfang der Erkenntniß, deren die Vernunft über diese Gegenstände a priori fähig ist).55

So far, there is a close analogy with Lambert’s method: Kant starts with empirical concepts – e. g. impenetrability of matter – and then derives knowledge a priori. But here we find an entirely different way of conceiving the role of mathematics, which provides not merely a methodological model, but also a necessary element of the new metaphysics. This change depends on the role of pure intuition for scientific knowledge in general and the thesis that pure rational principles are necessary but insufficient for »proper natural science«, as »there can be only as much proper science as there is mathematics therein«.56 This intuitive component of knowledge is necessary for establishing the possibility of concepts: Also wird, um die Möglichkeit bestimmter Naturdinge, mithin um diese a priori zu erkennen, noch erfordert, daß die dem Begriffe correspondirende Anschauung a priori gegeben werde, d. i. daß der Begriff construirt werde (AA IV, p. 470).

Hence Kant disagrees with Lambert’s way of proving the possibility of concepts through simple empirical concepts and logical inferences. In the light of Kant’s procedure, indeed, some of the principles listed by Lambert turn out to lack apodictic validity. This novel conception requires the construction of these properties in space, but since pure intuition of natural objects is impossible, Kant’s metaphysics of bodily nature establishes the possibility of the mathematical construction of the properties belonging to the concept of matter. Damit aber die Anwendung der Mathematik auf die Körperlehre, die durch sie allein Naturwissenschaft werden kann, möglich werde, so müssen Prinzipien der Konstruktion der Begriffe, welche zur Möglichkeit der Materie überhaupt gehören, vorangeschickt werden; mithin wird [1] eine Vollständige Zergliederung des Begriffs von einer Materie überhaupt zum Grunde gelegt werde müssen, welches ein Geschäfte der reinen Philosophie ist, die zu dieser Absicht sich keiner besonderen Erfahrungen, sondern nur dessen, was sie im abgesonderten (obzwar an sich empirischen) Begriffe selbst antrifft, [2] in Beziehung auf die reinen Anschauungen im Raume und der Zeit ([3] nach Gesetzen, welche schon in dem Begriffe der Natur überhaupt anhängen) bedient, mithin eine wirkliche Metaphysik der körperlichen Natur ist.57

Here Kant summarizes the three elements of his new »metaphysics of bodily nature«, as it is exposed and applied in the MAN:

|| 55 Kant: Metaphysische Anfangsgründe (see fn. 10), AA IV, p. 470. 56 Ibid., p. 470. 57 Ibid., p. 472, my numeration in bold characters.

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1) The analysis of the properties belonging to the empirical concept of matter, as the basis to seek »that sphere of cognition of which reason is capable a priori concerning these objects«.58 2) The schematization of these properties through motion as the »basic determination« of any material object,59 which can be represented a priori in intuition, as a pure synthesis of space and time, thus rendering a mathematical science of nature possible in general. 3) The elaboration of the principles of this construction in a »pure part« of physics corresponding to these properties. This includes the transcendental principles of the intellect, and further metaphysical principles, elaborated by the intellect starting from the empirical concept of matter, »that make the concept of their proper object, namely, matter, a priori suitable for application to outer experience, such as the concept of motion, the filling of space, inertia, and so on«.60 These metaphysical principles include the explanation of the filling of space through the action of a fundamental force. Let me examine in more detail the connection of these three elements with special regard to the example examined above in § 2 (Dynamics, theorem 1). Kant points out that the concept of impenetrability is given »by means of the sense of feeling«, which »provides us with the quantity and figure of something extended, and thus with the concept of a determinate object in space, which forms the basis of everything else one can say about this thing«.61 The transition from the sensation of impenetrability to the concept of the filling of space requires the application of the category of quality, and the corresponding principle of intensive magnitudes (degree): thus we get the representation of the filling of space as a magnitude that can have a determinate degree. The possibility of constructing this concept, in turn, can be examined a priori in pure intuition by schematizing resistance as a motion opposing penetration. The result is one of Kant’s non-pure, a priori synthetic principles of metaphysics: »matter fills space, not through its mere existence, but through a particular moving force«. This is the proposition to which Kant’s remark about Lambert is appended. We can now draw some conclusions about Kant’s remark. First, Kant’s insistence on the ambiguity of the word »solidity«, while evoking Lambert’s views on terminological clarity – originally meant to avoid transcendent meanings –, also implies a number of corrections to the latter’s analysis of the concept. Sense experience of impenetrability, which is a first meaning of »solidity«, is not sufficient to establish a primitive concept of science. Only by the understanding

|| 58 Ibid., p. 470. 59 Ibid., p. 476. 60 Ibid., p. 472. 61 Ibid., p. 510.

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of solidity as the filling of space, as a special case of intensive magnitude, does resistance to penetration become accessible to mathematical analysis. Kant’s account contributes to the issue whether density is originally variable or not – a question that Lambert rightly considered unsolvable on the ground of sensation, but then left open – by developing a model of matter with originally variable density. Thus Kant’s remark can be considered as both a critique and an original development of Lambert’s idea that experience can provide the »occasion« for the »a priori reasoning«, based on the fundamental concept of solidity (see above § 1). But solidity is just an example – albeit a fundamental one, due to the empirical precedence of the corresponding experience. The formation of the concepts of inertia and mass, which Lambert derived as well from the experience of resistance to motion, requires the application of principles of relations in the pure part of mechanics. In the Mechanics chapter Kant first introduces the conditions to represent a material substance as a quantity of matter (mass) which is constant in time and manifests itself in impact and resistance to force. Here the application of the transcendental principle of causality leads to the metaphysical principle that the cause of motion must be external to the moved substance, the lex inertiae. Thus material substance and inertia (as lack of activity), through the combination of metaphysics and mathematics, appear as new concepts derived from the original experience of touch. On the whole, Kant’s new »principles for the construction of the concepts that belong to the possibility of matter«62 ‒ meant to connect a priori sense experience and mathematical physics ‒ can be considered as a rethinking of Lambert’s idea of »principles and postulates« dealing with the »possibility of composition«. The difference is that Lambert thinks to an elaboration of empirical concepts by means of logical inference which is analogous to mathematical construction, but does not require the use of spatial intuition, while Kant, after having defended the idea of an entirely analytical metaphysics in the Deutlichkeit, now introduces synthesis in pure space-time as the procedure that has to connect empirical concepts and metaphysical principles, thus establishing the possibility of mathematical constructions in physics. Kant’s view of the systematical meaning for general metaphysics of these examples concerning bodies also echoes Lambert’s ideas. Remember that Lambert had repeatedly argued that his new principles would provide metaphysics with »examples«, which would play the same role of figures in Euclidean geometry, that is, to establish the possibility of defined objects. In the MAN Kant assigns a strikingly similar role to examples in metaphysics:

|| 62 Ibid., p. 472.

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Die allgemeine Metaphysik in allen Fällen, wo sie Beispiele (Anschauungen) bedarf, um ihren reinen Verstandesbegriffen Bedeutung zu verschaffen, diese jederzeit aus der allgemeinen Körperlehre, mithin von der Form und den Principien der äußeren Anschauung hernehmen müsse und, wenn diese nicht vollendet darliegen, unter lauter sinnleeren Begriffen unstät und schwankend herumptappe. Daher die bekannten Schwierigkeiten, wenigstens die Dunkelheit in den Fragen über die Möglichkeit eines Widerstreits der Realitäten, die der intensiven Größe u. a. m., bei welchen der Verstand nur durch Beispiele aus der körperlichen Natur belehrt wird, welches die Bedingungen sind, unter denen jene Begriffe allein objective Realität, d. i. Bedeutung und Wahrheit haben können. Und so thut eine abgesonderte Metaphysik der körperlichen Natur der allgemeinen vortreffliche und unentbehrliche Dienste, indem sie Beispiele (Fälle in concreto) herbeischafft, die Begriffe und Lehrsätze der letzteren (eigentlich der Transzendentalphilosophie) zu realisiren, d. i. einer bloßen Gedankenform Sinn und Bedeutung unterzulegen.63

This exhibition (exhibitio, Darstellung) of concepts plays a crucial role in critical philosophy in general, as Kant also points out in the new General remark to the Analytic of principles in the second edition of the Critique (AA III, pp. 200‒202).64 Again, mere sensation is a necessary but not sufficient condition of the objective reality of concepts. Therefore critique of transcendent metaphysics and foundation of natural science coincide in the new metaphysics of bodily nature. Concerning the foundational side of the project, Kant points out the epistemological failure of allegedly empiricist accounts of science by mathematical physicists: Alle Naturphilosophen, welche in ihrem Geschäfte mathematisch verfahren wollten, haben sich daher jederzeit (obschon sich selbst unbewußt) metaphysischer Principien bedient und bedienen müssen, wenn sie sich gleich sonst wider allen Anspruch der Metaphysik auf ihre Wissenschaft feierlich verwahrten. Ohne Zweifel verstanden sie unter der letzteren den Wahn, sich Möglichkeiten nach Belieben auszudenken und mit Begriffen zu spielen, die sich in der Anschauung vielleicht gar nicht darstellen lassen [....]. Alle wahre Metaphysik ist aus dem Wesen des Denkungsvermögens selbst genommen und keineswegs darum erdichtet, weil sie nicht von der Erfahrung entlehnt ist, sondern enthält die reinen Handlungen des Denkens, mithin Begriffe und Grundsätze a priori, welche das Mannigfaltige empirischer Vorstellungen allererst in die gesetzmäßige Verbindung bringt, dadurch es empirisches Erkenntnis, d. i. Erfahrung, werden kann. So konnten also jene mathematische Physiker metaphysischer Principien gar nicht entbehren und unter diesen auch nicht solcher, welche den Begriff ihres eigentlichen Gegenstandes, nämlich die Materie, a priori zur Anwendung auf äußere Erfahrung tauglich machen, als des Begriffs des Bewegung, der Erfüllung des Raums, der Trägheit u. s. w. Darüber aber bloß empirische Grundsätze gelten zu lassen, hielten sie mit Recht der apodiktischen Ge-

|| 63 Ibid., p. 478. 64 I provide more details on exhibitio in my La filosofia della natura in Kant (see fn. 14), pp. 185– 202, pp. 208–277, and: The Systematical Role of Kant’s Opus postumum. »Exhibition« of Concepts and the Defense of Transcendental Philosophy. In: Con-textos Kantianos 1 (2015), pp. 156–177.

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wißheit, die sie ihren Naturgesetzen geben wolten, gar nicht gemäß, daher sie solche lieber postulirten, ohne nach ihren Quellen a priori zu forschen.65

This charge of inconsequence is directed – among other possible targets – to Newton’s epistemology in the Principia, and Kant will indeed argue that Newton was »at variance with himself« when he denied that gravity is an essential property of matter (as Kant argues).66 In this perspective, Lambert’s approach appears once more controversial. He submitted an important insight by recognizing the importance of connecting the empirical basis of science with a priori reasoning, but his derivation of principles, lacking any reference to intuition as the source of synthetic judgments, is inadequate (in the quoted passage, indeed, Kant may have been hinting at Lambert’s use of the concept of »postulate«, which corresponds to the content of Kant’s new metaphysical principle). I think that Kant directly refers to this limit of Lambert’s approach in the final passage of the Remark on solidity that we have been examining, where he addresses the »mathematician«: Hier hat der Mathematiker etwas als ein erstes Datum der Construction des Begriffs einer Materie, welches sich nicht weiter construiren lasse, angenommen. Nun kann er zwar von jedem beliebigen Dato seine Construction eines Begriffs anfangen, ohne sich darauf einzulassen, dieses Datum auch wiederum zu erklären; darum aber ist er doch nicht befugt, jenes für etwas aller mathematischen Construction ganz Unfähiges zu erklären, um dadurch das Zurückgehen zu den ersten Principien in der Naturwissenschaft zu hemmen.67

Here is the point of the methodological disagreement with Lambert: the latter considered absolute solidity as a primitive concept, thereby excluding the possibility of its construction (hence absolute impenetrability is an »empty concept«). But this impossibility, in turn, »obstructs« the natural scientist »from going back to first principles«, that is, to infer the activity of force by mathematical construction and thus to establish the objective reality of impenetrability as a consequence of natural laws. From a physical point of view, as we have seen, this produces a number of additional problems, while the dynamic philosophy envisaged by Kant reduces phenomena to laws. From the more fundamental metaphysical point of view, Lambert fails to provide an adequate account of the intertwining of logical, empirical and mathematical elements in natural science, thus also failing to justify the necessity of natural science, and this failure affects his treatment of the most basic empirical concept of natural science, that is, impenetrability of matter.

|| 65 Kant: Metaphysische Anfangsgründe (see fn. 10). AA IV, p. 472. 66 Ibid., p. 515. 67 Ibid., p. 498.

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7 Conclusions My examination of the disagreement between Kant and Lambert on solidity does not end up in a merely negative result. We have seen that Lambert’s methodological writings not only influenced and inspired Kant in the 1760s, but – what has not been sufficiently highlighted – provided a significant legacy for Kant’s methodical elaboration of a metaphysics of nature in criticism, long after the correspondence and Lambert’s death. This slow elaboration is not uncommon in Kant’s writings, especially in his long and uninterrupted work on natural sciences. We can thus confidently conclude that Lambert’s seminal insights about »protophysics« and methodology set the background for Kant’s mature conception of the metaphysics of bodily nature. Among the many points of agreement we have found: the preliminary analysis of the empirical concept of matter, the role of examples against the confusions and illusory references of transcendent metaphysics, the model of Euclid’s mathematical postulates for the establishment of a metaphysics of natural science. In this context, moreover, Lambert also suggests the analogy between geometrical figures and metaphysical examples, which will be developed by Kant in his theory of »principles for the construction« of matter. Although Lambert provides the bricks and the project for the new metaphysical building, as it were, his work appears unaccomplished from Kant’s point of view, because it does not spell out how empirical and a priori elements can form a properly scientific, i. e. mathematical doctrine. Lambert’s conception of solidity, in particular, is an example of the failure to provide a transition from the empirical basis to mathematical physics and hence to justify the latter’s exemplary function for metaphysics. Arguably Kant may have been wrong regarding the alleged heuristic value of dynamism, as the successive history of physics shows that dynamical conceptions of matter have not provided a full reduction of the impenetrability of matter to elementary forces (or fields). Anyway, whatever we may think of Kant’s solution to the problem of solidity and of its greater influence in the history of philosophy of science, it is Lambert who has to be credited for having posited this foundational problem in the framework of post-Newtonian natural sciences, thus introducing the idea of a new methodological connection between empirical, mathematical and metaphysical elements of natural science.

Paola Basso

Lambert and the Notion of »Figürlich«: From Symbols to Graphs I would like to focus on a single notion in Lambert, the specificity of which has been generally disregarded: that of figürlich, a sort of diagrammatic knowledge, made up of lines or other topological signs, such as graphs, notes inside a pentagram, maps, genealogical trees. Lambert’s goal, in fact, was to see »figures transformed into signs«,1 through the metaphorical translation of logical relations into spatial relations, banning the slippery semantic level of words and re-casting concepts on the grounds of what he called »gesetzliche Anordnung«. This was already prefigured in the conclusion to his Dianoiology, a sort of Prolegomena to any future Philosophy: »for if it were so, then we would be no longer so tied to words [nicht so an die Wörter gebunden] and, as in algebra, instead of them, we could admit scientific signs and make all knowledge figurative in a demonstrative way [auf eine demonstrative Art figürlich machen]«.2 Holland, writing to Bernoulli, described Lambert as »he who has geometrically structured the reasoning in logic«,3 as resorting to points and lines in order to solve exposition problems is indeed a very Lambertian gesture. This logic use of geometric figures will run deep, up to be his forma mentis: »Puncta sint ideae. Lineae erunt nexus simplices. Triangulum nexus trium idearum«.4

1 Introduction Since I will deal with »lines« and with Lambert’s inclination toward »figurative« representations, I will start with his use of experimental graphs, and then take a long excursus which will bring me back to those graphs, but with more tools at hand to justify their employ inside his own philosophical project. Lambert pioneered the systematic use of graphs in his writings, a practice that seemed to disappear after his death, only to became a common approach to illustrating scientific concepts

|| 1 Johann Heinrich Lambert: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. 2 vols. Leipzig 1764, vol. 1, Alethiologie, § 885 (hereinafter: Aleth §). 2 Lambert: Neues Organon (see fn. 1), vol. 1, Dianoiologie, § 700 (hereinafter: Dian §). 3 Johann Holland to Johann III Bernoulli, 1 Sept. 1781: »der den Gedankengang der Logik geometrisch konstruierte«. In: Johann Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel. Ed. by Johann Bernoulli. 5 vols. Berlin 1781‒1785, LPS 9, p. 3. 4 Johann Heinrich Lambert: Handschriftlicher Nachlass. Universitäts-Bibliothek Basel, sign. L.I.a, Codex 744 C, p. 33. https://doi.org/10.1515/9783110647761-012

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more than seven decades later.5 Lambert had employed graphs since his Photometrie, whose writing began in August 1757,6 and he introduced them in the Mémoires de l’Académie Royale des Science of Berlin, »the only journal of that time in which graphs of any sort appear«.7 What Laura Tillich and other commentators complained about, however, was the absence in Lambert’s work of a theoretical justification for this graph option,8 and this is exactly what I intend to offer here. I will highlight how graphs and line charts represent the pinnacle of Lambert’s particular point of view, and how it is therefore no wonder that he opted to utilise them rather than more widespread tables or other methods of tabulating data (such as astronomical double entry tables), which were commonplace at that time, while graphs were often viewed as a rudimentary option that could erode the precision of numbers. Lambert, on the contrary, seemed almost keen to discard numerical values for the sake of a line, arriving to declare: »but here a figure does incomparably better service than a table«.9 Not only did Lambert endorse the advantages of curves, which integrated the discontinuity of numerical tables,10 but he also assigned to the graphs the power to unveil the (upward or downward) trend of the values in a table and their small anomalies.

|| 5 Together with another pioneer: William Playfair. In actual fact, others, including Francis Hauksbee, Nicolaus Samuel Cruquius, Halley and Huygens employed graphs, but not sistematically. Line charts did not become popular until the 1830s. Nicola Oresme’s proto-charts are the first to count. 6 Johann Heinrich Lambert: Photometria, sive De mensura et gradibus luminus, colorum et umbrae. Augsburg 1760 [reprint Leipzig 1892]. For matters of dating texts, see Johann Heinrich Lamberts Monatsbuch. Ed. by Karl Bopp. München 1916. 7 Laura Tilling: Early Experimental Graphs. In: The British Journal for the History of Science 8.3 (1975), pp. 193–213, here p. 201. 8 »Although Lambert searched for a universal characteristic for all of science, he did not draw any direct connection between his logical symbols and his experimental graphs« (Thomas L. Hankins, Robert J. Silverman: Instrument and the Imagination. Princeton 1995, p. 121), and they conclude: »Lambert’s failure to describe a connection between his semiotics and his graphs indicates the conceptual difficulty of moving from a taxonomic approach to a functional approach« (p. 124). Campe, instead, reads Lambert’s »vor Augen« as a search for evidence (Rüdiger Campe: Evidenz als Verfahren Skizze eines kulturwissenschftlichen Konzepts. In: Vorträge aus dem Wahburg-Haus. Hg. von Uwe Fleckner, Margit Kern, Birgit Recki and Cornelia Zumbusch. Berlin 2004, vol. 8, pp. 107– 133). 9 »Allein eine Figur thut dabey ungleich bessere dienst als eine Tabelle« (Johann Heinrich Lambert: Theorie der Zuverläßigkeit der Beobachtungen und Versuche. In: ders.: Beyträge zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung. Berlin 1765, pp. 424–488, § 63, p. 476 [hereinafter: TdZ §]). 10 Already Christiaan Huygens, in a letter to his brother (21 Nov. 1669), presented an example of a statistical graph (»ligne de vie«): »Pour cela j’ay supplée la petite table angloise, sans pourtant m’embrasser d’aucun calcul, mais en traçant une ligne courbe.«

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Let us consider Lambert’s figure IV in his Theorie der Zuverläßigkeit der Beobachtungen und Versuche, which represents a graph of the harmonic variation of the magnetic needle over an interval of 200 years.

Fig. 1: Johann Heinrich Lambert: Theorie der Zuverläßigkeit der Beobachtungen und Versuche. In: id.: Beyträge zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung. Vol. 1. Berlin 1765, pp. 424‒ 488, fig. IV.

As we can see, the figure represents what Lambert calls a curva manu ducta (a »von freyer Hand Curve«), i. e. a free-hand curve, insofar as its mathematical law (»die Gesetzte der zu ziehenden Linie«) is unknown, and it is therefore constructed simply by interpolating empirical data. Yet something happens at the point corresponding to the year 1640 (and, although less marked, even to 1670 and 1680): »At most the ordinate for year 1640 falls behind. I think it is better to consider this observation as uncertain, rather than have to give an abnormal twist to line EC.«11 Without shirking the issue, Lambert declares it is worthier to consider an observation as »uncertain« than to have anomalies (an »abnormal twist«) in the curve. In this case, the properties of a geometrical curve (uniform or non-uniform) are more certain than empirical observations. This is why Lambert »reasonably supposes an adjusting curve to be more representative of the empirical data, than a polynomial curve drawn through every given point«.12 What seems to come to the fore is that »the unity of the form weighs more than the empirical datum«.13

|| 11 Lambert: Zuverläßigkeit (see fn. 9), § 63: »Am meisten bleibt die Ordinate des Jahres 1640 zurücke. Ich glaubte besser zu thun, diese Beobachtung für ungewiß anzusehen, als dass ich derselben zu gefallen der Linie EC daselbst eine anomalistische Wendung hätte geben sollen.« 12 Sheynin Oleg: J. H. Lambert’s Work on Probability. In: Archive for History of Exact Sciences 7 (1971), pp. 244–256, here p. 254. 13 Tobias Vogelgsang: Datenvisualisierung und Ästhetik. Johann Heinrich Lamberts Graph und William Hogarths »Analysis of Beauty«. Berlin 2013, p. 66.

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It is hard to believe that he would have sacrificed an empirical result, which until then contained no elements of doubt, for the mere sake of something rough like a free-hand drawing. In fact, the request was different altogether: one must always maintain »the most uniform curvature«; although »there is no lack of methods to trace curves through any given points from a given place«, nevertheless it is better to have the most simple and uniform curve, even by discarding some – however fallible – observational data (TdZ § 66). Was this merely foolish or ground-breaking? To understand the meaning of this Lambertian move, we need to focus on his particular concept of figürlich and trace in his work his reflections on the functional order (completely unlike façade order). In following Lambert’s daring and steady combination of theory and data and his endeavour to find the first principles of »order« we will discover that the real motivation underlying his use of graphs – and in general his appeal to figürlich – was not the effort of representing things in a palpable way, but the search of a topological isomorphism, between the theory of the signs and that of the things, through a very peculiar »metaphor«.

2 The intrinsic metaphorical power of figürlich and its being an alternative to words The notion of figürlich comes to the fore in Lambert’s Neues Organon (in the Dianoiology and Semiotics sections) as well as in his Architectonic.14 The term, stemming from the Latin figura (itself associated also with the concept of ›figure of speech‹ by Cicero and Quintilianus), translates both figuralis and tropicus.15 Following Kant, it was connected also with the Latin speciosus, in the sense of François Viète’s symbolic logistic,16 and this because, in Lambert time, figürlich was already the accustomed translation of symbolicus. As opposed to the anschauende Erkänntniβ, the figürliche Erkänntniβ was in fact intended by Wolff as interchangeable with

|| 14 Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic. Riga 1771, LPS 3‒4 (hereinafter: Arch §). 15 See brothers Grimm’s Deutches Wörterbuch; they suggest bildlich as synonymous. We find exactly these two meanings also in the Wahrig Dictionary: »im übertragenem Sinne gebraucht«; »mit Hilfe einer Figur«. In German, »figürlicher und verblümbter Weise« seems to hint to the way Cicero used to introduce figures of speech as flowers [flores] for their power of illuminating the speech. 16 In the sense of François Viète’s symbolic logistic: logistica speciosa as opposed to a standard logistica numerosa, as Algebra is distinct from Arithmetic. The term specioso seems to stem from the fact that for Viète algebra is supposed to deal with species seu forma: per logisticem sub specie. A similar use is to find in Leibniz: in a »General Speciosa« all the truths of reason would be reduced to a kind of calculus. After Viète, the meaning of speciosus is established: »species are Quantities or Magnitudes, denoted by Letters, signifying Numbers, Lines, Lineats, Figures Geometrical, &c« (see Alexandre Savérien: Dictionnaire Universel de Mathematique et Physique. 2 vols. Paris 1753).

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a word-centered symbolics defined as follows: »words are the basis of a specific form of knowledge which we call figürlich.«17 Despite the consolidated trend of »symbolisch oder figürlich«, I instead wish to stress the specific »figurative/figured«18 meaning of figürlich in order to safeguard an important feature in Lambert’s connotation. In the customary notion, figürlich, as synonymous with symbolics, primarily hints at a non-intuitive form of knowledge that does not acknowledge things in themselves, but only via »words« or other signs, following Wolff’s recurrent hendiadys »words or signs«. Wolff, in fact, considered signs simply as »vocabulorum vicarial«, but to use signs ›instead of words‹ merely meant using a sort of shorthand of natural language, rather than substituting it with a structurally different mechanism. The same wordcentered meaning was adopted by Wolffian scholars, as evidenced for instance by Walch’s Philosophisches Lexicon (Leipzig 1726). Instead, in Lambert figürlich is chiefly used in contrast to »mere words [bloße Wörter]«, or what he calls »empty gimcrack of words [leere Wortkram]« as result of the scholastic Logomachia. Moving away from any word-related notion, he uses figürlich only for visual signs that are completely graphical, such as diagrams, geometric figures, notes inside a pentagram or choreographic sketches. His idea is that the figurative level implies a structured spatial order, mirroring the real order of things, or their logical order, an isomorphism totally absent in the sphere of words. Hence Lambert’s criticism of many sign systems of his era: Kalmar did not handle the question in a characteristic way but has used his signs only on behalf of words [nur statt des Wortes] as subjects and predicates of premises and conclusions.19

Figürlich, in fact ‒ just as characteristic ‒ seems to have the power »to translate the verbal symbols of a syllogism into a problem of topology«.20 Lambert’s connotation of figürlich – as de facto distinct from mere words – is thus at odds with the standard use of his age. This is why we maintain figürlich instead of merging it completely with symbolic. He introduces the term, recognizing its widespread use as a synonym of symbolic, yet still delineating figürlich with a more specific connotation: »symbolic cognition is referred to also as figurative [man nennt die symbolische Erkenntnis || 17 Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt [Deutsche Metaphysik]. Halle 1720, 111751 [WGW I, 2.1 and 2.2], § 316: »Es ist nehmlich zu mercken, dass die Worte der Grund von einer besonderen Art der Erkänntniβ sind, welche wir die figürliche nennen.« 18 In both meanings of »making use of figure of speech« and »depicted as a figure«. 19 Lambert to Holland, 9 May 1768, Lamberts Briefwechsel (see fn. 3), p. 268. 20 What is required ‒ we will see ‒ is a structural isomorphism, i. e. »reducing the theory of the thing to the theory of the sign« (Lambert: Neues Organon [see fn. 1], Bd. 2, Semiotik [hereinafter: Sem §], § 24, see also § 34, § 40, § 49). This is how Martin Gardner describes diagrams in his classic of 1958 (Logic Machines and Diagrams. Chicago 1982, p. 41).

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auch figürlich], especially in so far as the signs, by which it is represented, are visible or figures [sichtbar oder Figuren], such as, for instance, fonts, numbers, musical notes, etc.«. The focus is immediately placed on figures or on exclusively visual signs (on purpose, »Schriften« instead of »Wörter«). The distinction from symbolisch does not end here however, as another important specific aspect of figürlich emerges in the foreground: »moreover, the word figürlich is ambiguous, and it is used in the first place by metaphors or allusive expressions«.21 Figürlich acquires weight in the case of symbols other than letters and numbers; here indeed »symbolic knowledge is figurative in a double way [auf eine gedoppelte art figürlich]«. It is »figurative« not only once, but twice, because it is both: »rendered symbolic« and »made metaphorical«, i. e. with the help of two figures, one rhetoric and the other drawn. A rather similar Latin term is to be found in numerus figuratus,22 i. e. numbers geometrically expressed, be they square or rectangular numbers. Yet, those numbers are no doubt doubly figurated – not only metaphorically, but also in real terms. Lambert refers to them as »figurirte Zahlen«, since here the link to their transformation into a figure is stronger than a simple reference to a metaphoric translation into space by lines and points. We can resume by saying that Lambert’s specific use of figürlich precisely recalls Leibniz’s definition of Geometry as: »Quantity expressed in a figurative way [figürlich dargestellte Quantität]«. Lambert’s penultimate chapter of his Architectonic: Vorstellung der Größen durch Figuren, is an evidence of the key role played by figures and lines for exposition strategies.23 As Lambert explains, what is at stake »in a figurative sense [im figürliche Verstand]« is the intrinsic passage from Intellektualwelt to Körperwelt, which in turn is the hallmark of the metaphor, whose task is to make visible which is not – either because it is abstract or the object of other senses. »In any case«, Lambert explains, »the word figürlich is in general metaphoric«.24 So figürlich refers to space, via metaphorical representation, something which is not spatial. Long before Lakoff and Nŭnes, Lambert had identified the matrix of thought in a spatial metaphor through the »figurative expression [figürliche Ausdrücke]«: »being and not being contained in [in und nicht in einander enthalten seyn]« (Arch § 140). In this case let us consider the notational representation of notes in a score: »That one tone is higher than another is a mere metaphor. In the meantime, however, it renders musical knowledge figurative [macht sie die musikalische Erkenntnis figürlich], and thus the eye judges, as it were, what was purely an object of the

|| 21 Sem § 22. 22 According to tradition, from Pythagoras to Cardano. Lambert refers to them and links to Bernouilli’s Ars conjectandi. 23 Lambert: Anlage zur Architectonic (see fn. 14), Chapter XXXIII, §§ 885‒§ 902. 24 Sem § 22; also Aleth § 46 and Sem § 343.

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ear«.25 This metaphor brings the pitches of the notes, originally at sound level, back to a purely spatial level and, unlike the poetic one, represents the basis of thought: »I speak of metaphors – Lambert specifies, by a first-person narration – not in the sense in which sometimes poets use them« (Sem § 195). Already in his first letter to Kant, Lambert distanced himself from the vague metaphors of poets, painters and musicians,26 while he used to endorse a more scientific use of them, first of all the metaphors of »being-contained« or »non-contained« concerning the ›dictum de omni et nullo‹ in which he came across in Lange’s work. At stake here, there is the appeal to the »grammar of space« in order to allow the deaf to feel sounds or the blind to sense colours: »however the interpretation cannot be pushed to the point of making the blind understand colours or the deaf sounds, despite this almost being the goal of such metaphors.«27 To conclude, Lambert’s notion of figürlich includes both metaphors and geometrical figures (Dian § 194) and excludes non-picture signs such as words. It implies a graphic visualisation made up of topological signs, solely at the level of the syntactic and not semantic relationship, for instance not a list of persons in a family but a genealogical tree. The prerogative of the domain of figürlich is to bring different aspects of knowledge together: visual, symbolic, geometric and metaphoric. The key point is this: figures can be used in two ways, either «scientifically or merely to support imagination» (Arch Vorrede), depending on whether they succeed to be «transformed into signs» (Arch § 885) or simply remain the object of imagination (see infra, § 3). Lambert’s letter to Steinbrüchel, dated 14 April 1768, confirms this strong connotation. In it he reports having once seen in a library in Zurich an old Aristotelian Commentary which has the peculiarity of being a fully »figured [figürlich] book«, deemed such because it contained »figures instead of mere words [Figuren, statt blosse Wörte]«. Therein »demonstrations and explanations are presented not by mere words [nicht blos in Worten vorgestellt], but by real figures in woodcuts, rendered figurative or symbolical [figürlich oder symbolisch gemacht]«. He goes on by profiling an interesting distinction: »here figures had something logical, not geometrical [die Figuren nicht etwann geometrische sondern logische], whereby the abstract was made sensible [sinnlich] in the demonstrations«.28 This distinction seems based on the isomorphic skill, or the lack thereof, of these diagrams toward the

|| 25 Dian § 113. 26 Lambert to Kant, 13 Nov. 1765: »In solchen Metaphern, die keiner weder recht versteht, noch erklärt, noch das tertium comparationis kennt, besteht nun das feine und erhabene dieser Künste« (AA X, p. 52). 27 Ibid.: »So weit aber wird man die Auslegung nicht treiben können, daß man dem Blinden die Farben, dem Tauben die Töne begreiflich mache. Indessen sollte man fast gedenken, daß es die Absicht bey solchen Metaphern wäre.« 28 Lambert to Steinbrüchel, LPS 9, pp. 403–408.

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logical categories: in the logic use we are faced, in fact, with a metaphorical consideration of these figures, which are not considered for themselves, for their own geometrical properties (for instance, their being a triangle or a square), but only for their capability of making intersections and exclusions explicit. Lambert thereafter searched up and down this «figürliches Buch» as an unicum (he even mentioned it in his Architectonic), soliciting his correspondent with: »but you are wondering, if I’m not dreaming«.29 Whereas, following both Wolfian endiadys of »Wörter oder Zeichen«, and »symbolisch oder figürlich«, all books should already be figürlich, as words hint to things. In order to end this terminological exposition, we must acknowledge the use of figürlich in Kant. As already seen, in Kant figürlich is a direct translation of the Latin speciosus. The reference to Viète’s Logistica speciosa and Leibniz’s Speciosa generalis is straightforward: »Logistice numerosa est quae per numeros, Speciosa quae per species seu rerum formas exhibetur«.30 Kant uses this term in the section of the transcendental Schematismus of the Kritik der reinen Vernunft: the »figurative synthesis« (synthesis speciosa) is the synthesis that stems from the imagination, as distinct from the synthesis intellectualis, and as an example he quotes precisely »the drawing of a line«. Here lines play an even more pivotal role than signs. In his unpublished works, Leibniz, singling out the »wellknown Sturmius« as precursor of this lineal diagrams, had already hinted at a sort of »per linearum ductus reasoning«: »sometimes I thought of a demonstration of the logical form by laying out lines [aliquoties cogitavi de Formae Logicae comprobatione per linearum ductus]«.31 William Playfair himself would then recognize that underlying his »invention« of graphs and charts was the teaching of his older brother John (mathematician, reader of Leibniz, according to

|| 29 Ibid. Hard to trace this book back, but, described by Lambert as an old Aristotelian Commentary, it could be Giorgio da Trebisonda’s (Georgius Trapezuntius, 1395‒1473) Book on dialectic, published in Jacob Martini’s Institutione Logicae (Wittenberg 1614), author also of a Logicae Peripateticae, and quoted by Lange as an antecedent of diagrammatic books. Or, more likely, the edition of the Aristotelian Organon, with relative commentary, edited by the Aristotelian scholar Giulio Pace (Julius Pacius de Beriga, 1550‒1602), which seems to have been re-edited many times between 1584 and 1623. »Pace’s commentaries are filled with figures of all types ‒ circles, semi-circles, trees, and triangles« (Deborah Bennett: Origin of the Venn Diagram. In: Research in History and Philosophy of Mathematics. Ed. by Maria Zack and Elaine Landry. Cham 2015, pp. 105‒119, here p. 107). 30 The innovation due to Viète is the denoting of general or indefinite quantities by letters; see François Viète: In Artem Analyticem Isagoge. Turonis 1591. It is however noteworthy that specioso contains »sight«: species, -ei derives from specio (to look) and hints at something that strikes the sight. In this case, we have a cognitio symbolica which is not »blind«. 31 »You carry so many lines one below the other how many terms are [ducantur tot reactae una sub alia quot termini]; the propositions will be expressed by the relations [habitudines] of the lines, since the lines contain the lines.« Gottfried Wilhelm Leibniz: De formae logicae comprobatione per linearum ductus. In: id.: Opuscules et fragments inédits. Ed. by Louis Couturat. Paris 1903, pp. 292–321.

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which »whatever can be expressed in numbers can be represented through lines«).32 This figured language is therefore graphic, purely syntactic, based on diagrammatic reasoning, and consists more of lines than of isolated symbols and, like the analysis situs or Euler’s graphs, exploits topological relationships instead of relationships of magnitude. Lambert, however, maintains the intrinsic non-intuitive and mediated features of figürliche Erkenntiß, in opposition to immediate and intuitive knowledge – in line with the 17th century notion of »cognitio coeca«. It is »blind« knowledge because we see the sign but we do not see the designated thing, in this case the actual relation between concepts or classes. This character of figürlich – visual but not intuitive – is an unicum and identifies a Mittelding, something intermediate which calls into question binary dichotomies that oppose visual vs logical, intuitive vs rational, or physical vs intellectual.

3 Previous occurences of logic diagrams If previous occurrences of such logic diagrams are sought, the circle must be widened beyond the cliché of the Lambert-Euler-Ploucquet triad advocated by Schopenhauer and taken up by Peirce himself.33 In actual fact, one of the first occurences of logical diagrams is found in Johannes Ludovicus Vives’ De Censura Veri (1555), where the mutual relationship of the three terms in Barbara is represented by triangles of different sizes, each included inside the other to express ›insideness‹. Another pioneer was Johann Heinrich Alsted, who in his Logicae Systema Harmonicum (1614) would have anticipated the line-segment diagram proposed by Lambert, although Alsted limits himself to referring to the spatial metaphor, according to which the middle term is just designated as being »below [infra]« the major

|| 32 It is no coincidence that Playfair referred to his own manner of presenting data as »lineal Arithmetic«. 33 In a brief historical introduction, Peirce credits Lambert with having created the first system of logical graphs, in the Neues Organon, which was followed eight years later by Leonard Euler’s similar system. Lambert (Arch, Vorrede, p. XX) quoted also, but more on the side of logical Calculus: Johann Gottlob Krüger: Gedanken von der Algebra. Halle 1746; Johann Heinrich Tönnies: Disputatio de logica ad exemplar artithmeticae instituenda. Leipzig 1763 and his Grammatica universalis (Kiel 1768); Gottfried Ploucquet: Methodus calculandi in logicis. Frankfurt a. M., Leipzig 1763 and Andreas Segner: Specimen Logicae universaliter demonstratae. Jena 1740. Despite Ploucquet in 1763 reserves criticisms for the Inventum novum quadrati Logici Universalis of Johann Christian Lange (Halle 1714), in 1759 he used diagrams. On the history of diagrams in logic, see Gardner: Logic Machines and Diagrams (see fn. 20); Jen Lemanski: Logic Diagrams in the Weigel and Weise Circles. In: History and Philosophy of Logic, History and Philosophy of Logic 39 (2018), pp. 3–28; Peter Bernhard: Euler-Diagramme. Zur Morphologie einer Repräsentationsform in der Logik. Paderborn 2001.

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premise and »above [supra]« the minor, by drawing three lines of equal length, by him called »diagramma«.34 To stick to the 18th century, in addition to the best-known circle around Erhard Weigel in Jena, with the already quoted Sturm and Leibniz, another one, equally aimed at pioneering this diagrams for a logic use, can be identified in Zittau, around Christian Weise. After his teacher death, in 1712 Johann Christian Lange published the Nucleus Logicae Weisianae to describe Weise’s contributions to Logic.35 Despite Weise’s pages result diagrams-free, Lange’s Additamenta, as well his Inventum novum quadrati Logici Universalis, are filled with these figures. Lambert, who studied Lange’s work and his syllogisms illustrated by squares and circles, reports in his Architectonic: I recently saw the Nucleus logicae Weisianae of the former public philosophy teacher Johann Chrstian Lange, in which the whole Syllogistic is portrayed before the eyes [vor Augen] with hand-drawn circles, which are intertwined, or not, as well as with squares and other figurative representations [figürliche Vorstellung] drawn one before the other, or one after the other either one underneath the other. It is uncertain whether or not the text remained unknown to Wolff. (Arch § 170)

What is left to establish is how these previous authors justify their diagrammatic appeal. In actual fact, they saw it as a mere sensitive aid for the thought, just as geometry resorts to figures.36 Sturm, filling the appendix of his Novi modi Syllogizandi with diagrams and schemas, confined himself to «granting them» to those who require a sensitive aid: »Si sensuali quodam diagrammate juvari desideras, aspice adjectam delineationem, in qua circulus C totus est extra B circulum.« We can desume the same purpose from Lange’s subtitle: »per varias schematicas […] ad ocularem evidentiam deducta« and the same pedagogical inspiration in Alsted: »in order to fix precepts in the memory, they must be illustrated with examples and schemes [exemplis & schematibus illustrata]«.37 Euler, the »cyclope mathématique«,

|| 34 See Johann Heinrich Alsted: Logicae Systema Harmonicum. Liber VII. Editio secunda. Herborn 1628, p. 400. 35 Lambert seems to be the first to mention this book. »Lange may have added the drawing to the 1712 edition« (see: Bennett: Origins of the Venn Diagram [see fn. 29], p. 109), i. e., the edition dedicated to the Berlin Academy, where Lambert spent his life. See also Johann Christian Lange: Inventum novum Quadrati logici Universalis, in Trianguli quoque Formarum commode redacti. Gießen 1714. »In Lange’s texts we find tree, triangle, trident, square, cube, bow, wheel and circle diagrams with various functions and on different topics appearing on well over fifty pages« (Lemanski: Logic Diagrams [see fn. 33], p. 12). 36 The pourpose of Venn’s diagrams seems anticipated in his title: John Venn: On the employement of geometrical diagrams for the sensible representation of logical propositions. In: Proceedings of the Cambridge Philosophical Society 4 (1880), pp. 47–59. 37 Johan-Heinrich Alsted: Methodus Admirandurum mathematicorum. Herborn 21623, p. 19. We find in there also several exemples of numerus figuratus.

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followed the same line, in letter the speech:

CIII

(17 february 1761), but expanding the scope of

These circles, or rather these spaces (for it is of no importance what figure they are of) [ces cercles, ou plûtot ces espaces (car n’importe quelle figure on leur donne)], are extremely commodious for facilitating [à faciliter] our reflections on this subject, and for unfolding all the boasted mysteries of logic [découvrir tous les mystères], which that art finds it so difficult to demonstrate; whereas, by means of these signs, the whole is rendered sensible to the eye [tout devient sensible aux yeux]. We may employ then, spaces formed at pleasure [espaces formés à volonté], to represent every general notion.38

Although he speaks of »facilitation« for the mind or »to make sensitive« for the eyes, to a pedagogical aspect, he added clearly an euristic one: the possibility to »unfold logical mysteries«, i. e. aspects otherwise hidden. But the revolutionary feature in itself lies in the simple fact that we can consider general concepts as if they were »spaces«: »on emploie donc des espaces formés à volonté pour représenter chaque notion générale«. Clearly, any closed curve topologically equivalent to a circle can be used.39 The metaphorical and shifted meaning intrinsic to figürlich makes that, in the figürliche Erkenntnis, it is the eye to judge what previously was an object of another sense, »making visible if, how and to what extent a proposition can be derived from given propositions«.40 Looking for a heuristic tool, in the figürlich Lambert did not pursue a sensitive aid: his target is just a minimum anchorage to the syntax of space and its definiteness. His choice to reduce the appearance of a »figure« (let us think to Lange’s circles or squares) to a weaker representation, made up of horizontal straight lines and points, seems to confirm it. Lambert’s well-known symbolic notation (introduced in his Neues Organon) indeed resorts to straight lines of different length (sometimes lengthened with dots, if indefinited) to express the extension of a term. The overlapping of two lines indicates that the corresponding classes coincide and the non-overlapping that they are mutually exclusive. As Gardner remarks: »Lambert’s system of linear diagramming lies on the border line between a highly iconic system such as Venn’s, and a noniconic system of notation. It reminds us that there is no sharp line separating symbolic notation from a diagram«.41 || 38 See letters 103 and 108, written in 1761, and both printed in Leonhard Euler: Lettres a une princesse d’Allemagne sur divers sujets de Physique & de Philosophie. 2 vols. Mietau, Leipzig 1770, vol. 1, pp. 98f. 39 It is noteworthy that »as recent studies prove, Euler already used circle diagrams in his notebook in the late 1730s«; Jens Lemanski: Periods in the Use of Euler-Type Diagrams. In: Acta Baltica 5 (2017), pp. 50-69, here p. 58. 40 Holland to Bernoulli, 1 Sept. 1781, LPS 9, p. 3. 41 Gardner: Logic Machines and Diagrams (see fn. 20), p. 43. »These diagrams occupy less space than Euler's circles. But they seem also to be less intuitively clear and less suggestive«; John Neville Keynes: Studies and Exercises in Formal Logic. London 1884, p. 96. Venn on Lambert’s symbolic:

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4 When meaning is given by »position« As we have seen, Lambert’s detachment from Wolff’s word-centered logic runs deep. He comes to suggest a parallel between geometry and logic – a Vergleichung der Geometrie mit der Vernunftlehre – in which the triad of lines-angles-figures corresponds to that of concepts-propositions-syllogisms. In both, geometry and logic, »we try to express relations«, but while in logic these relationships must necessary be derived, since »in propositions with complex relationship, they are more hidden«, what characterizes figures is that relations »are already there [schon da], because figures are determined«.42 It is precisely in this being »already there [schon dasein]« of the relations, the inner force of the diagrammatic knowledge. Spatial relationships have the specificity of being determined and self-ostensive, without the need of any explicit designation. Therefore, the metaphorical translation of logical relationships into spatial relationships implies saving signs and, particularly, saving chances of mistaking. This parallel hints at a clear isomorphism between logical relations and relations between spaces enclosed by lines.43 In the crucial paragraph 170 of Architectonic, he reaffirms the same concept by placing the emphasis on a sort of »space grammar« included in every figure: From the figurative expressions [figürliche Ausdrücke] ›being and not being contained in each other‹ [in und nicht in einander enthalten seyn] the possibility arises of drawing [zu zeichnen] this comparison and these relationships among concepts. One can easily reach the idea of representing every concept through the space of a figure [jeden Begriff durch den Raum einer Figur vorzustellen] and drawing a figure entirely or not entirely inside the other according to whether the concepts represented in this way are entirely or not entirely contained inside one another. [...] The choice of triangles, squares, circles or other forms for these figures is still indifferent, although it is not indifferent if you want to draw in this way all, or at least many, relationships of each or more of these composed concepts. (Arch § 170)

»Jeden Begriff durch den Raum einer Figur vorzustellen«: here Euler’s letter to the Princess comes to mind. Lambert refers directly to the best-known § 173 of his Dianoiology where he showed how syllogisms »could be figuratively represented

|| »To my thinking, he and Boole stand quite supreme in this subject in the way of originality […]. Though Boole’s productions did not encounter the neglect which befell those of Lambert« (John Venn: Symbolic Logic. London 1881, p. xxxii and p. xxxvi). 42 Johann Heinrich Lambert: Neue Fragmente, 58th Fragm, L.A. II (LPS 7), p. 171. 43 Lambert, who studied the scenographic delineation, was well-aware – as was Leibniz – that, in order to represent something, one does not necessarily have to look for a similarity, but simply structural correspondence.

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and drawn [figürlich vorgestellet und gezeichnet werden können]«.44 This was a refrain for Lambert: knowledge should become figürlich and be transformed into a sort of geometry. He added: »We note here in passing [nur gelegentlich] that the expression ›ein Begriff sei in dem andern enthalten‹ also lays the ground for a figurative representation of concepts [ebenfalls zu einer figürlichen Vorstellung der Begriffe den Grund lege]» (Dian § 194). Hence, we can understand how his project of representing syllogisms through lines was only the beginning of a larger project. Attributing meaning to »position« is primarily a topos of algebra. Underlying this reduction of syllogistic rules to a segment-line representation is actually a very sound project: it gives the space the same logical character that was, up until then, the domain of numbers. Hence Lambert’s astonishment that Pythagoras had not already grasped this intuition: »however, the masterpiece here is to reduce the most difficult calculations to simple place substitutions [die schwersten Rechnungen auf blosse Verwechselungen des Ortes reduziert werden]« (Sem § 55). Such as occurred in Cartesian geometry, where integration of the concept of space within the concept of the number is evident. Lambert touched on the heart of the matter when, in his chapter Vorstellung der Grösse durch Figuren, he spoke of »Figuren gleichsam in Zeichen verwandelt« (Arch § 885) by virtue of the metaphorical shift of logical relations into spatial connections via the fact that »die dabey gezogenen Linien erhalten eine Bedeutung«: Almost all the quantities are represented by figures and this is partly to make them, so to speak, visible and partly because geometric theorems are applicable to them. In this way figures are, so to speak, transformed into signs and lines that are traced receive meaning. For this purpose, curved lines have been chosen, mainly when it is possible to portray, through them, so to speak, before our eyes, the relationship between two variable quantities, because one is represented by the abscissas while the other by the ordinates of a curved line. Now, most often the position of the tangents, sub-tangents, radius of the circle of curvatures, area, etc. receive a meaning which refers to the law of variation of both quantities that are represented by the abscissas and ordinates and sometimes also by space. (Arch § 885)

In this passage Lambert seems to take a new direction: it is no coincidence that he uses »so to speak [gleichsam]« three times to emphasize his cautions. »Die Figuren gleichsam in Zeichen verwandelt«; we came across an account of Lambert’s advocation of graphs in the middle of Architectonic and the magic formula is this: figures »transformed into signs« where the lines »that are traced acquire meaning«. The shift to be made is from the self-ostensive plane of geometric figures to the functional level of signs, points and lines, isomorphically used to express something else

|| 44 Lambert used to see concepts as lines which can either be closed (segments) or open (ending with dots). By this mean he can figuratively represents the relationships that two concepts entertain in the four basic propositions of categorical syllogisms, immediately making all valid conversions. See Gereon Wolters: Basis und Deduktion. Berlin 1980, pp. 129–166.

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(here is why: »transformed into signs«), i. e. to express logic categories or whatever. What is the difference between the drawing of a mountain and a simple line chart?45 In a normal drawing what matters is the single unrepeatable stroke while several traced lines could not acquire an exact meaning of its own; instead in a line chart, graph or score – that is, a spatially-nested syntax with mirroring function – what counts is the position inside a network of relations, and each single traced line »acquires meaning«. The example of musical notation is possibly the most straightforward: since figures are symbols, the eye must ignore particular features of meaningless single elements (for instance, the size of the sign), focusing on the syntax of their reciprocal relationship. The connection between figure and position is so deep-rooted that it can be traced back to the foundations of Aristotelian logic, when the canonical four syllogistic »figures« came to the fore: »by the figure of syllogisms is meant the position of the terms in the premises«.46 While for Sturm and Euler this recourse to figürlich does not undermine the very structure of traditional logic because just a mere method of representation, for Lambert whether to refer to a figured designation or not It is not so irrelevant because, as we have already seen in an example (Dian § 193), these designations show us not only the relationships that we wanted to symbolize, without thinking about other relations, but, at a single glance, also all the others [mit einem Anblicke die übrigen auch] that coexist together in the drawn object. Until now only algebra had this merit.

In Architectonic, § 413, chapter XIV, Die Verhältnisse, Lambert refers again to this grammar of space, thanks to which things are ›inside‹, ›above‹, ›underneath‹, ›in between‹, ›after or before‹: The second class of relationships concerns those that are taken from place, space and position, and that we can generally call geometrical, because indeed geometry considers these relationships by means of which the position, size and distance of things are measured […] since, according to each of the three dimensions of space, one thing comes before or after the others.

|| 45 The locus classicus of comparative study between graphical and linguistic systems is Nelson Goodman’s Languages of Art (Oxford 1968). His cornerstone is to establish what distinguishes a »notational symbol system« from other kinds of symbol system, which represent not in virtue of any notion such as resemblance, but due to their being subject to certain systematic rules of use. We find a hint of this difference in Lambert’s Semiotic: »If the thing that is to be drawn is really a figure, then which does not change anything in the theory is left out of the drawing as superfluous. This is required from the brevity of characters and the avoidance of confusion. The choreography is an examples of this« (Sem § 62). 46 Keynes: Studies and Exercises in formal logic (see fn. 41), p. 182.

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5 Figürlich as a diagrammatic account and not a palpable issue Schopenhauer in § 9 of his World as Will and Representation praises the »felicitous idea«47 of this diagrammatic project of Lambert and Euler and, neglecting the assignment of cognitio coeca, calls these »figures in space« as »intuitive schemes«.48 The claim of visibility led everyone to misunderstand the plan of the diagrammatic vision, which is instead a blind act, and not intuitive:49 figures here are brought into play as »signs« for something else. Although Euler’s »tout devient sensible aux yeux« and William Playfair’s »so that the data could speak to the eyes« seem to echo Lambert’s »vor Augen«,50 it is important to understand what is really at stake here. As Leibniz once wrote: »images excite the senses, characters the thought [imagines sensus excitant, characteres cogitationem]«,51 referring to his »characteristique propre aux lignes«. In fact, he preferred to deal with »lignes tracées«52 rather than with »figures«, too often meant as substratum for the imagination. Despite he looked for an Algebra of Logic he still used espressions as »patet ex designation« or »ex inspectione schematum noto«. We have found the same in Lambert as he noticed how the figures in that old Aristotelian Commentarius »had something logical, not geometrical«.53 Moving to-

|| 47 »The presentation of these spheres by figures in space is an exceedingly happy idea. Gottfried Ploucquet, who had it first, used squares for the purpose. Lambert, after him, made use of simple lines placed one under another. Euler first carried out the idea completely with circles. On what this exact analogy between the relations of concepts and those of figures in space ultimately rests, I am unable to say«; Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. Leipzig 1819, § 9, p. 42; Engl. translation: Arthur Schopenhauer: The World as Will and Representation. Ed. by Christopher Janaway. Cambridge 2010. 48 Arthur Schopenhauer: Philosophische Vorlesungen I. München 1986, p. 289: »For a long time, Aristotelian demonstrations have been set aside by logic; but their complete clarification and substitution through intuitive schemes have not yet been made, as I now set about to do.« 49 Here Polya’s dictum come to the mind: »Geometry is the art of correct reasoning on incorrect figures«, see Polya George: How to solve it. A new Aspect of Mathematical Method. Princeton 1945. 50 »Auf diese Art habe ich in der Dianoiologie die Ausdehnung der Begriffe durch Linien vorgestellet […] und gleichsam vor Augen gemahlet.« 51 Gottfried Wilhelm Leibniz: De Mente, de Universo, de Deo, G 6, pp. 461–465, here p. 463. Text from the Parisian period (December 1675). Lambert always recognized his debt to Leibniz, since his Six essays of an art of the signs in logic (Sechs Versuche einer Zeichenkunst in der Vernunftlehre, in Logische und Philosophische Abhandlungen Berlin 1782; LPS 7), written in 1755 and successively put aside, waiting for his own alphabet of simple and first concepts. 52 Leibniz to Jean Galloys: »le veritable methode nous doit fournir un filum Ariadnes, c’est à dire un certain moyen sensible et grossier qui conduise l’esprit comme sont les lignes tracées de géométrie« (December 1678, G VII, p. 22). 53 Lambert to Steinbrüchel, 14 April 1768. LPS 9, p. 403.

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wards the topological plane in which each line is meaningful by virtue of its position, he shifts from the still ostensive plane of figures to the syntactical-functional level of signs. Lambert mentioned that old book again in the preface to his Architectonic: »an old Scholastic logic with demonstrative figures«, and added, in describing this extraordinary pairing of figure and demonstration:54 »without being able to say if these figures in the book are used scientifically or merely to support imagination [wissenschaftlich oder nur um der Einbildungskraft zu helfen]«.55 In a cryptic manner, Lambert presents here two different uses of a figure. In thus stating Lambert drew the line: the lines involved must possess a denoting function, they should become signs, and not be merely reduced to something the imagination can grasp. A scientific figure just means a layout of lines, while images had a higher iconic level: »In many cases the object can be described with images [Bilder] or represented with a figure« (Dian § 113); in the former case we have hieroglyphs, characterized by resemblance to the denoting thing; in the latter, genealogical tables, where only topological properties count: However, the genealogical tables or their general formulas are what offer us, in a more complete way, an example of adequately developed concepts.56

As noted by Campe, Lambert’s vor Augen – which he evoked each time he spoke about figures and figürlich – is nothing but a translation of the Aristotelian »pro ommaton poiein« which appears in De Anima (427b) where the Euclidean triangle exists before our eyes (pro ommaton) with graphic immediacy and also in the Rhetoric (1411a1), where it appears in reference to a metaphor. Lambert himself refers to this expression in a figurative sense: »gleichsam vor Augen malen kann« (Arch 885). As he later wrote in the Addendum to Chapter XIX: »in the intellectual world the concept of figure partly fails and partly becomes metaphorical«. The role of metaphor is precisely this: making visible what otherwise would not be,57 perhaps simply because it is purely logical. We will see exactly what Lambert wished to bring to mind in the figures. The bottom line in this ardous demarcation between signs and figures is the meaning embedded, or not, in the »position«. »Figures transformed into signs«, || 54 He would agree with Leibniz, for whom: »La force de la démonstration est indépendante de la figure tracée, qui n’est que pour faciliter l’intelligence de ce qu’on veut dire et fixer l’attention«; Nouveaux Essais, book IV, chap. I (G 5, p. 342). 55 »Ohne dass ich sagen kann, ob diese Figuren wissenschaftlich oder nur um der Einbildungskraft zu helfen, in dem Buche gebraucht werden« (Arch, Vorrede, p. XXI). 56 Dian § 113. It is not a coincidence Lull’s fondness for the tree device. The so-called tree of Porphyry, so often found in Medieval and Renaissance logics, is one example of this type of diagram. We find the same reasoning in Leibniz: »Characteres Algebraici potiores sunt characteribus Chemicorum« (G 7, p. 17). 57 »Dadurch beurtheilt gleichsam das Auge was schlechthin ein Gegenstand des Gehörs war.«

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which »had something logical, not geometrical« – to use Lambert’s words – are signs structurally constituted by sequences of points and lines as generative elements, and not the »geometric figures« as concrete representations of abstracta. They are capable to mirror logical relations and they offer an essential topological understanding of them through spatial relationships such as »betweenness«, »same-sideness«, »under- or over-stayness«, »priority« and »posteriority«, diagrammatic conditions that are insensitive to the effects of a range of variations in diagram entries. This is in tune with what Manders explained in his The Euclidean Diagram,58 namely that diagrammatic accounts begin with specific concrete schemes, but the endeavour is abstract from their irrelevant particular (exact) features (e. g. specific lengths of sides and angles) and relies only on their co-exact features.

6 Figürlich as error-detecting Earlier we mentioned the notes in a score (Sem § 25), but Lambert’s list of diagrammatic knowledge is long. Choreography, for instance, seems to offer an even better example: here »the drawing itself [die Zeichnung selbst] has something more geometric, it unveils the mistakes [selbst verrät die Fehler], and ensures they are avoided« (Sem § 26).59 Lambert’s pioneering intuition was the decisive role of figürlich, and in general of all diagrammatic reasoning, in unveiling errors just because spatial syntaxes – what he calls »mitgezeichnet« or »mitgegeben« – immediatley highlight when something does not square. This explains the ease with which Lambert corrected data on the basis of a drawing: the »per constructionem«, which Lambert stole from geometry,60 is precisely the term we find in the lexicon of his Grundlehre, since he justifies the act of correcting the data by its own means. In Architectonic § 865 Lambert acknowledged (such as it were a commentary of his gesture in front of his experimental graphs) that construction may be more powerful not only than observations, but also than calculation: One could be very well content with construction [...] in the cases in which the data for the calculus must be found or drawn from observations and experiments. If, now, it is possible to construct more precisely than to observe, therefore construction is not only rigourous enough

|| 58 See Manders Kenneth: The Euclidean Diagram (1995). In: The Philosophy of Mathematical Practice. Ed. by Paolo Mancosu. Oxford 2008, pp. 80–133. The key observation is that Euclid’s diagrams contribute to proofs only through their co-exact properties: Euclid never inferred an exact property from a diagram unless it followed directly from a co-exact property. 59 Lambert quoted here R. A. Feuillet’s choreography: Choréographie ou l’art d’écrire la Dance par Charactères, Figures et Signes démonstratifs. Paris 1699. 60 See Lambert’s unpublished letter to Sulzer, 24 July 1763, in: Lambert’s Handschriftlicher Nachlass, L.Ia 745, p. 199.

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[Construction ist nicht nur scharf genug], but it usually throws before the eyes [vor Augen] what remains hidden in mere calculation [was in den Rechnungen verſtecket wird].

Here is two points: 1. construction is more precise than observation; 2. constructions or other figurative strategies take to the light or before the eyes [vor Augen] something otherwise hidden [verstecket]. For Lambert, the vor Augen intrinsic to the construction of a figure, does not mean what meets the eye at first glance, but the mastery of its genesis, i. e. a warranty not in an intuitive sense, but ultimately as a topological display of the matching or mismatching of possibilities ensuing from the underlying grammar of space. It is exactly the displaying or arrangement of something into this grammar of insideunderneath-in between, etc., that reveals errors. In his Über die Methode we read: »the certainty of the proof rests on the fact that one cannot easily err in the concepts of figures, since they are simple and lie before the eyes [vor Augen liegen]« (Note 1). Kant also in his Kritik der reinen Vernunft has hinted to this property of mathematics, according to which the act of placing down numbers for calculation »secures all inferences against error by setting each one before the eyes [vor Augen gestellt wird]«.61 This because only an organized space can establish whether or not it is possible to conjoin three sides, excluding such chimeras as a »dreamed« triangle with »equal sides and unequal angles« (Aleth § 135). The notion of space applies whenever it is a matter of combining multiple elements: at its root we find the idea of »syntax«, Σγνταχή, that is nothing but an order of coexistence. We can therefore speak of a preventive axiomatic of space, which prevents absurdities that are impossible to avoid at a purely logical level. Lambert refers to this space-prerogative with the concept of »zugleich bestehen können«. Once two sides of a triangle have been drawn, with the angle in between, the third necessarily follows »per constructionem«.62

|| 61 KrV A 734/B 762. See also Leibniz’ »Calculemus«. 62 All this explains Lambert’s objection to Ploucques’ Methodus calculandi, flawed inasmuch his calculus is unable to avoid, by its own means, »non-valid premises«; therefore, it should not be deemed as a scientific Zeichenkunst. In fact, a scientific »art of signs«, to be such, must be endowed with some device precisely aimed at excluding non-valid premises [untauglich], i. e. premises from which nothing follows. See Lambert to Ploucquet, 1 May 1767: »Prämissen, aus denen nichts folgt, müssen ausgeschlossen werden« (Briefwechsel, LPS 9, p. 392). So, for instance, in the case of two contradictory premises (A and -A), according to a figurative representation we would easily unveil an empty place as conclusion, given that two opposite premises do not produce any real intersection.

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7 Back to graphs: functional vs classificatory This axiomatic error-detecting character of the grammar of space is so alluring that could explain Lambert’s decision to get rid of a given in order to square things.63 To attribute a key semantic role to a syntactical feature like position is the idea behind Cartesian coordinates and graph. Therefore, it is no wonder that Lambert was the first to make deliberate use of charts. This brings us back to graphs again. Lacking a technical term, Lambert refers to his graphs as »Figuren«, implicitly suggesting to a common ground with the domain of figürlich: »but a figure does incomparably better service here than a table« (TdZ § 63, p. 476). Searching for a genealogy of the graphs, it is noteworthy that two techniques, both well-known to Lambert and connected to figurative strategies, would then have inspired William Playfair to invent his charts: Leibniz’s theory of signs and projective mapping.64 Let us now, however, return to Lambert’s gesture (i. e. to sacrifice an empirical given) and let us try to explain it using his philosophical toolbox, in order to keep filling the gap between Lambert’s factual procedure in his Theorie der Zuverläßigkeit der Beobachtung and his philosophical project put in place in the Architectonic. According to the error-detecting property of the graphical strategies, to proceed by construction could be more reliable than by empirical observation: »as soon as one finds by construction [durch die Construction] that the points are not so precisely determined, it is indisputable that such a line would take on all the small deviations from the experiments, and consequently would be unreliable [unzuverläßig]« (TdZ § 66, p. 478f.). Since observations and experiments are imperfect matter, the interpolation of a curve from empirical data is not so straightforward: »The line must therefore be drawn in such a way that it comes closest to its true position and passes through the given points as if through the middle [gleichsam wie Mitten]« (§ 9). The correction of the discrepancies of the previously estimated points is even included in the construction rule which Lambert furnishes at the beginning. The incidental

|| 63 As also Hankins, Silverman: Instrument and the Imagination (see fn. 8), p. 120, confirmed: »Graphs not only display data figuratively, but also, by showing smooth curves averaging the data, they reveal the mathematical regularities in a mass of data, in spite of the errors of observation.«. 64 See Lambert’s Anmerkungen und Zusätze zur Entwerfung der Land und Himmelsarten. The debt of Playfair’s brother to Leibniz is well acknowledged: »this diagram seems almost certain to have derived its inspiration from the logic diagrams of Leibniz and Euler. John Playfair was intimately acquainted with the work of Leibniz and Euler« (Ian Spence: No Humble Pie: The Origins and Usage of a Statistical Chart. In: Journal of Educational and Behavioral Statistics 30 [2005], pp. 353‒368, here p. 359), despite, as Hankins, Silverman: Instrument and the Imagination (see fn. 8) pointed out, graphs are also connected to the first mechanical instruments, which produced graphical records generally translated into tables.

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empirical mistakes65 are restrained by the underlying mathematical law deduced by the hand-drawn curve. But clearly we still need another requisitum to justify Lambert’s claim, otherwise arbitrary. Lambert in fact goes on by hypothesizing another scenario where (see fig. II), once again, something does not add up, and yet, since he ignored the equation (or the »law«) of the curve, while knowing its regularity in advance,66 he could offer the following rule: »As soon as the position of the points A, a, b, c, d, e, f, etc. is clearly a bit unorderly [unordentlich] and does not conform to any rule [sich nach keiner Regel richtet]», it is better to let the line «pass through them and keep the most uniform curvature [die einförmigste Krümmung]« (TdZ § 62). »Since the alterations in the magnetic variation follow a uniform rule, then clearly the end–points of the ordinates should themselves lie on a uniform curved line« (TdZ § 63). This explais the practical rule to always keep the most uniform curvature, rule to be fulfilled as soon as certain symptoms are given, i. e. whenever something disorderly and not conform to rules comes to the fore. This Einförmigkeit brought into play by Lambert as evidence for ruling out some given, is a property strongly tied to the domain of formulas and laws: »so, in fact, one cannot join a spiral to a parabola, since the uniformity of the law [Einförmigkeit des Gesetzes] of its curvature would be completely interrupted and since the equations of each of these lines are of completely different kind« (Arch § 837). From a »local« scenario of given points, we are pushed towards the functional world of »laws«.

Fig. 2: Johann Heinrich Lambert: Theorie der Zuverläßigkeit der Beobachtungen und Versuche. In: id.: Beyträge zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung. Vol. 1. Berlin 1765, pp. 424‒ 488, fig. II.

|| 65 »We know that this variation changes daily, almost hourly, and becomes larger and smaller. Therefore, such a precise attention could not be given to the observations. Thus, it should be no wonder that the line DECF does not pass accurately through the endpoint of each ordinate, but between them« (Lambert: Zuverläßigkeit [see fn. 9]), § 63). 66 Ibid, § 63, p. 477.

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This is the time to introduce a new key concept in Lambert’s latest thinking, exposed in his Essai de Taxéometrie67 and in his Architectonic (especially in the nonstandard sections – the preface and the various supplements – as if it has been introduced in the period between its completion, 1764, and its actual publication, 1771)68. What Lambert aims is a peculiar »legal order«, called in German gesetzliche Anordnung or Ordnung im Zusammenhang and in French ordre légal or ordre de liaison. It is a functional key concept, alluding to an order that is entirely new with respect to the abused »ordre de resemblance« (or »ordre local«) that emerges from Wolff’s definition,69 i. e. a classificatory order based on similarity, such as division by genera and species (§ 181) or symmetry or eurythmy »in which the main focus is on the merely local disposition of the parties [...] regardless of the connection [liaison] that the parties can have among themselves« (§ 5, p. 329). In contrast with Wolff again, Lambert introduces this »gesetzliche Anordnung«, an example of which is the interlinking of clock wheels aimed to mark the exact time, as the vehicle of a »ganz ander Weg« (Arch § 523). According to Lambert, Euclid used to proceed according this order, seen as a geared mechanism where what comes before sets in motion what follows. It is therefore a functional, and not classificatory, arrangement that is only visible through figurative strategies and follows an order that can be safely interchanged with that of reality, just as his Semiotics’ mirroring law prescribed. Mechanisation becomes possible only through an isomorphism which is functional and not by similarity (the number, for instance, does not look like what it stands for). Trying to apply the opposition between this two orders to the alternative »graph vs table«, we have what follows. Graphs, more suited to functional descriptions, based on the legitimacy of matching the parts with a whole, do reveal the »connecting law«, or what Lambert calls gesetzliche Anordnung, while numerical tables, more linked to classification problems, only offer isolated numbers, i. e. locale Ordnung – an extrinsic disposition of single elements without internal connection between parts and whole.

|| 67 Johann Heinrich Lambert: Essai de Taxéométrie ou sur la mesure de l’ordre. In: Nouveaux Mémoires de l’Academie Royale des Sciences 1 (1771) and 2 (1773). Published in 1772 and written, as the Monatsbuch reports, in Januar 1769. For those two orders, see Paola Basso: Filosofia e Geometria. Lambert interprete di Kant. Firenze 1999. 68 Particularly in the Zusatz to chap. IXX, but also in chap. XI, Being before and being after, and chap. XXIX, Uniformity. 69 Wolff: Deutsche Metaphysik (see fn. 17), § 132: »The similarity of the manifold, one after the other«.

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8 Conclusions To conclude, the alternative represented by graphs vs numerical tables does not lie between empiria and theory,70 but between form and chaos, interconnected parts vs isolated data. Had Lambert had recourse to tables instead of graphs, he would not have discovered the underlying law, nor would he have noticed the anomalies, nor corrected them in the name of this gesetzliche Anordnung. So, while Sturm and Euler seemed to allow diagrammatic reasoning only as a didactic expedient to convey logic to »young ladies«, Lambert, instead, resorts to diagrams not because of the primacy of sensitive visibility or evidence, but rather in order to ›unveil‹ and to place before the eyes laws that are otherwise hidden and accessible only on the figurative plane. Only in this way, as he once wrote, it becomes possibile »to uncover the errors [die Fehler verraten]«: in this sense figures are used »scientifically« and not merely »to support imagination«. Lambert resorts to graphs, or more generally to figürlich, because syntactic connections can only emerge as they unfold within the grammar of space. In fact, the legal order, the gesetzliche Anordnung, is not visible in the same easy way such as symmetry or other examples of local order. As Lambert acknowledges in section XI, there are many reasons why one thing logically precedes or follows another, and when these reasons escape us, we inevitably end up talking about chance or chaos. Only a spatial representation of this order of second level, as in coordinate geometry, can reveil its hidden laws by displaying the uniformity, or the lack thereof, of a curve. Instead of being considered an imprecise representation of numerical tables, graphs are introduced by Lambert as a tool capable of revealing mathematical laws and functional order. As such, they can act as a test bench for collected data. Although for Lambert an unachievable endeavor,71 his faith in the figurative strategies is nowadays embodied by the infographic motto: »graphics reveal data«.72

|| 70 »The uniformity of the line is that Mittelding between geometric rigor and empirical inaccuracy« (Vogelgsang: Datenvisualisierung [see fn. 13], p. 67). 71 Lambert to Tönnies: »Should the universal characteristic belong to the same class as the philosopher’s stone or the squaring of the circle, it can at least, just as these, induce other discoveries« (LPS 9, p. 411). The fact that in the public debate of 1766 on logical calculus (see August Friedrich Bök: Sammlung der Schriften, welche den logischen Calcul Herrn Professor Plouquets betreffen. In: AdB 1769, p. 153), Lambert’s diagrams in the Neues Organon underwent severe criticism, did not help this project. Another thorny problem was the fact that a diagrammatical representation is inevitably extensional and not intensional. 72 Edward Rolf Tufte: The visual Display of Quantitative Information. London 1983. To notice the similarity of this title with Lambert’s Achitectonic chapter: Vorstellung der Größen durch Figuren.

Enrico Pasini

Mathematik, Erfindung und experimentelle Kenntnis bei Johann Heinrich Lambert Was ist Lamberts Kennzeichen – sein Charakteristicum als, mindestens, Wissenschaftstheoretiker? Anders gefragt: Wodurch ist sein Unternehmen charakterisiert? Und was für ein Unternehmen ist es schließlich? Gibt es ein Denken, in dem schwergewichtigen philosophiegeschichtlichen Sinn des Wortes? Oder handelt es sich nur um eine eher praktische als theoretische Einstellung, die eher spontan als methodisch Lamberts gesamte Tätigkeitsgebiete als seine kennzeichnende Ansicht färbte? Diese Fragen sind der Ausgangspunkt meines Beitrages, wenn ich sie hier auch nicht beantworten, sondern lediglich werde konturieren können. Als Lambert 1764 nach Berlin kam, wirkte er, obwohl mit wissenschaftlichem Ruhm geschmückt, in Kleidung und Manieren so sonderbar, dass einige ihn »einen Mann aus dem Monde«1 nannten. Der Mond war Lamberts ›Schicksal‹, seit man ihn, den erstgeborenen Sohn eines Schneiders mit kinderreicher Familie, im Alter von zwölf Jahren von der Schule nahm und die Mutter ihm das Öl für die Lampe versagte – so dass er seine Studien bei Mondschein begann. Auch auf philosophischem Gebiet wurde Lambert später fast immer als eine Art Mondmensch betrachtet. Als ich mich zuerst um 2005 mit Lambert beschäftigte, fiel mir auf, dass, nachdem der Mann der philosophiegeschichtlichen Kritik sichtbar geworden war, er sich dem Mond verwandt fand, von dem er kam, d. h., dass er dazu verurteilt war, stets dasselbe Gesicht zu zeigen.2 In einer Gesamtheit von Interpretationen wird die formalistische Seite von Lamberts Opus besonders betont, so dass alles Mathematische und Experimentelle nur in deren Licht gesehen wird. Die analytische Verbindung der Wahrheiten sei die Voraussetzung für Erfindungen, sie bilde gleichsam den Pfeiler der Brücke, die die Erfindung zwischen Bekanntem und Unbekanntem schlägt. Lambert wird dergestalt explizit in die schon bei Leibniz entwickelte Perspektive gerückt, wonach die Erfindungskunst wesentlich aus Techniken der Begriffsanalyse, wohl verknüpft mit kombinatorischen Algorithmen, besteht, die es ermöglichen sollen, von der bloßen Anordnung des Bekannten zur Formulierung des Neuen zu gelangen. Ergänzt wird die Erfindungskunst durch die Beweistheorie. Da sie grund-

|| 1 Matthias Graf: Johann Heinrich Lambert’s Leben. In: Johann Heinrich Lambert nach seinem Leben und Wirken. Hg. von Daniel Huber. Basel 1829, Eigenpaginierung, hier S. 33. 2 Ich nutze hier einige Passagen aus meinem Aufsatz L’altra faccia dell’uomo della Luna. Lambert e l’Erfindungskunst. In: La misura dell’uomo. Filosofia, teologia e scienza nel dibattito antropologico in Germania (1760–1915). Hg. von Massimo Mori und Stefano Poggi. Bologna 2005, S. 49–70. https://doi.org/10.1515/9711830647761-013

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sätzlich algorithmischer Art ist, gehorcht sie einer eigenen Mechanik und funktioniert fast von selbst.3 Schon vor dem Neuen Organon hatte Lambert (in den sogenannten Sechs Versuchen4) versucht, eine deutlich an Leibniz angelehnte ars characteristica zu entwickeln. Diese Untersuchungsrichtung hatte ihn jedoch nicht zufriedengestellt. Im Vorwort zum Neuen Organon legt er nun seine Ziele sowie – für die Nachwelt – die Gründe für die Änderung seines Programmes dar: Es liege in der Natur eines Organons, dass es auf alle Gebiete der Erkenntnis anwendbar sei. Tatsächliche Anwendbarkeit – an der es seinen frühen Abhandlungen wohl noch mangelte – und die Funktion eines Werkzeugs zur Wahrheitssuche sind jedenfalls perfekte Leitlinien für eine Entdeckungsmethode bzw. für eine Theorie, die in erster Linie benutzbar sein will. Die ars inveniendi, die Erfindungskunst, ist eines der tragenden Themen des Neuen Organon. Außerdem ahmt der Titel ausdrücklich denjenigen Bacons nach, und wie es im Neuen Organon heißt: »Inventa beant«. Für Bacon sind Entdeckungen (inventa) gleichsam »neue Schöpfungen« (novae creationes) und »Nachahmung der Werke Gottes« (divinorum operum imitamenta).5 Das Neue Organon ist in vier Teile untergliedert, wie es in der Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts, etwa in L’Art de penser oder im Essay on Human Understanding, recht üblich war. Es werden vier Wissenschaften vorgestellt, die einer, sagen wir, zabarellianischen Tradition zum Trotz gleichzeitig Mittel und Werkzeuge sind, und die dazu dienen, das Wahre zu erkennen, darzulegen und von Irrtum und Schein abzugrenzen. Die Dianoiologie erforscht die Gesetze des Denkens. Wenn wir ein Ding wiedererkennen können, sagt Lambert, so haben wir einen klaren Begriff davon; wenn wir einen klaren Begriff von seinen Merkmalen haben, so ist unser Begriff von dem Ding distinkt. Hier folgt Lambert dem Leibniz der Meditationes de

|| 3 Und als solche ist sie ein Teil der Logik. Leibniz staunte, dass nach Jungius’ Auffassung die ars heuretica, d. h. die Erfindungskunst, nicht in die Logik, sondern in die Philosophie gehöre. Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz: Sämtliche Schriften und Briefe. Leipzig, Berlin 1923ff., Bd. II.2, S. 147; Hans Kangro: Heuretica (Erfindungskunst) und Begriffskalkül. Ist der Inhalt der Leibnizhandschrift Phil. VII C 139r–145r Joachim Jungius zuzuschreiben? In: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften 52 (1968), S. 48–66. Hingegen legte Tschirnhaus die Logik als erste Philosophie und Erfindungskunst in seiner Medicina mentis dar (Walther Ehrenfried von Tschirnhaus: Medicina mentis, sive Artis inveniendi praecepta generalia. Editio nova. Leipzig 1695, Bl. ***2v). 4 Jetzt in LPS 6, S. 3–180. Folgende Abkürzungen werden hier für Lamberts Werke benutzt: NO: Neues Organon, mit evtl. Abkürzung der Sektion; BGMA: Beyträge zum Gebrauch der Mathematik und deren Anwendung. 3 Bde. Berlin 1765–1772; CV: Abhandlung vom Criterium veritatis. Hg. von Karl Bopp. Berlin 1915. 5 Francis Bacon: Novum Organum, I, § 129; Neues Organon. Vorrede. Erstes Buch: LateinischDeutsch. Hg. von Wolfgang Krohn. Frankfurt a. M. 1990, S. 269.

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cognitione, veritate et ideis,6 aber er entfernt sich von ihm, wo er den Unterschied zwischen äußeren und inneren Merkmalen oder Beziehungen, nämlich Beziehungsbegriffe einführt. Er führt dafür ein gelungenes Beispiel an: »So ist z. E. Erfinder ein Verhältnißbegriff, und wenn man sagt, der Erfinder der Luftpumpe, so weis man, daß es Otto Guericke ist, weil er die Luftpumpe erfunden hat.«7 Dem Autor des Neuen Organon liegen Erfindungen und Entdeckungen in der Tat sehr am Herzen: Auf Schritt und Tritt veranschaulicht er die Verfahren seiner Methode unter Bezugnahme auf Guericke, auf die Kugelform der Erde, das Barometer, das Ei des Kolumbus und jedwede andere Äußerung des Erfindungsgeistes, die ihm unter die Feder kommt. Eigentlich gehört die Erfindung traditionellerweise zum Vokabular der Topik und steht eher für das Auffinden der loci communes, die im Bereich der Überredungskunst und der Erkenntnis des Wahrscheinlichen zu benutzen sind. Aber wir sind im 18. Jahrhundert. Wie Jacob Wegelin kaum zehn Jahre später schreibt: »L’esprit de curiosité cherche le neuf indéterminément, l’esprit d’invention le cherche déterminément.«8 Einerseits ging es Lambert allerdings nicht darum, die logische Forschung der Heuristik oder der Topik zu öffnen. Lambert verabscheute Petrus Ramus. Er kannte dessen Lehren womöglich nur über die Animadversiones in Dialectam P. Rami von Piscator. Lambert war dennoch der Ansicht, genug von Ramisten zu wissen: Ramus wollte Euklid in die Methode der Unterteilung nach Arten und Gattungen zwängen, über die Lambert an Holland schrieb, sie sei der Quell der Trockenheit und der Verirrung der Metaphysik.9 »Ausser Euclid«, schreibt er an denselben, »habe ich wenig Bücher gefunden, wo Materie und Form gleich erheblich war. […] [Aber] wo nur von Methode die Rede seyn solte, will man einen Styl haben, und Euclid nach solchen Forderungen beurtheilt, hat keinen Styl, ist ein dürres trockenes Gerippe und verwerflich«.10 Stil und Formgebung, aber auch Literatur im Allgemeinen und sogar Medizin, sind von Lambert als Konkurrenten seiner eigenen Werke angesehen worden: In hiesigen Gegenden werden die belles Lettres beinahe als das einige nothwendige Stück der menschlichen Erkenntniß angesehen, und sind daher auch das einige Augenmerk der Buchhändler. Zu meinen Beiträgen zur Mathematik habe ich einen zweiten Band fertig, den ich […]

|| 6 In: Acta eruditorum, 3 (1684), S. 537–542; Gottfried Wilhelm Leibniz: Allgemeine Schriften und Briefe. Leipzig, Berlin 1923/24, Rh. VI, Bd. 4, S. 585–592. 7 NO, § 12; LPS 1, S. 9. 8 Jacob Daniel Wegelin: Sur la philosophie de l’histoire. Second mémoire. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres (1772), S. 450–516, hier S. 500. 9 Lambert an Holland, 21. April 1765; LPS 9, S. 32–33, S. 36. 10 Lambert an Holland, 27. April 1767; LPS 9, S. 187f.

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herausgeben könnte, in hiesigen Gegenden aber keinem Buchhändler antragen werde, weil sie ausser medicinischen Schriften, Gedichten, Romanen etc. nichts übernehmen.11

Andererseits verachtete Lambert die Topik durchaus nicht. An der Topik schätzte er vor allem den Gebrauch der räumlichen Analogie in ihrer Anwendung »in rebus mere intellectualibus«. Sie erstreckt sich, so Lambert in De topicis schediasma, auf alle Gebiete, auf denen in der geistigen Welt die Vorstellung von Ort und Stellung (»loci situsque«) angewandt werden kann, einschließlich der räumlichen Darstellung der Hierarchie der Wissenschaften ebenso wie ihres Zusammenhangs und ihrer Einteilungen.12 Überdies interessierte die Topik ihn aber im klassischen Sinn der Erfindung bzw. Auffindung von Argumenten, wie Aristoteles und Cicero sie behandelt hatten. Die so verstandene Topik liefert nicht allein deshalb Erkenntnismittel, weil sie die Argumente klassifiziert. Die Topik hat eher eine Erinnerungs- und Gedächtnisfunktion, die nun gerade im Dienst der Erfindung der Theorie steht: Nehmen wir etwa an, die Theorie irgendeines Gegenstandes sei noch nicht entwickelt worden. In einem solchen Fall wären die Bestandteile der besagten Theorie lediglich Fragmente ohne Ordnung. Dennoch können diese Fragmente auf bestimmte Klassen zurückgeführt werden. Die Topik von Lambert präsentiert sich als Inventar oder Repertoire solcher Klassen,13 ein Inventar das einem ähnlichen Zweck dient wie die klassische enumeratio, nämlich zu erkennen, ob die gesammelten Fragmente die gesamte Sache umfassen oder etwas Notwendiges fehlt.

1 Die Terminologie der Erfindungskunst Was die Heuristik im rein logisch-symbolischen Bereich im Allgemeinen angeht, ist die Situation dagegen ungewisser. Baumgarten wird in der Metaphysica angeben, dass von ihr nur im Rahmen der symbolischen Tätigkeit selbst die Rede sein könne: Die scientia signorum, das heißt die Semiotik, die eine Beschreibungskunst bzw. -wissenschaft sei, untergliedere sich in »Heuristica« und »Hermeneutica«; dabei betreffe die Heuristik die Erfindung: »de inveniendis signis tam Primitivis […] quam Derivativis«.14 Im Neuen Organon Lamberts lesen wir am Anfang der Semiotik: »Die Theorie der Sache auf die Theorie der Zeichen reduciren, will sagen, das dunkle Bewusstseyn der Begriffe mit der anschauenden Erkenntniß, mit der Empfindung || 11 Lambert an Brander, 1. Februar 1767. In: Johann Heinrich Lamberts zwölfjähriger Briefwechsel mit Georg Friedrich Brander. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1783, S. 16. 12 Johann Heinrich Lambert. De topicis schediasma. In: Nouveaux mémoires de l’Académe royale des sciences et belles lettres (1765), S. 12–33, hier S. 13f. 13 »[I]starum classium veluti inventarium vel repertorium est« (ebd., S. 18f.). 14 Alexander Gottlieb Baumgarten: Metaphysica. Halle 1739, 71779 [ND Hildesheim 1963], II.1.B.b, c. III, s. VIII, § 349.

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und klaren Vorstellung der Zeichen verwechseln«.15 Es scheint kein guter Boden für die Entwicklung von Heuristiken zu sein, und doch sollen wir uns mit diesem Verhältnis von Sachen, Zeichen, Wörtern und Begriffen beschäftigen. In der Sprache der Dianoiologie entspricht dies der Zurückführung nicht nur der Sachen auf Zeichen, sondern der Erfindung von Aufgaben, mit anderen Worten: der Zurückführung des Erfindungsprozesses auf die Beweislösung eines präzise formulierten logischen Problems. Da gibt es keine Heuristik. Es gibt die Methode, den logisch-syllogistischen Algorithmus, der das Bekannte und das Gesuchte zueinander in Beziehung setzt. Soll das Organon tatsächlich immer anwendbar sein, so muss es nämlich, wie schon für Leibniz, aus Verfahren bestehen, die das anthropologische Element außer Acht lassen bzw. so geartet sind, dass dieses Element nur einen marginalen Unterschied bei seiner Anwendung seitens der philosophischen Geister ausmacht. Die Probleme lassen sich folglich aus der Gemeinsprache, die immer Lamberts beliebtes Anfangsstück ist, in die Sprache der Logik übersetzen, um die logische Lösung daraufhin in die Gemeinsprache zurück zu übersetzen. Dieses komplizierte Prozedere verlangt also eine doppelte Übersetzung: »Erstlich die Übersetzung der Frage aus der gemeinen Sprache in die logische, und sodann die Übersetzung und Anwendung der logischen Auflösung in die gemeine.«16 Nachdem das Problem in ein logisches Problem umgewandelt wurde, liefert die Lösung des letzteren die Methode, um das erstere zu lösen.17 Fraglos war Lambert außerdem bereit, verschiedene heuristische Techniken anzuwenden. Im Neuen Organon sah er beispielsweise die Möglichkeit vor, die behandelte Frage mittels Bildern oder Abbildungen zu umreißen, etwa indem man Segmente zeichnet, die die Prädikate darstellen, und Punkte, die für die unter dem Prädikat versammelten Individuen stehen. Weiterhin können Schemata und Hieroglyphen (das heißt Piktogramme) gezeichnet werden. Solche Mittel, die gerade in jenen Jahren in Gebrauch kamen, sind zwar Teil einer Heuristik, aber sie haben keine auf bloße Vermittlung oder Verbreitung gerichtete Funktion, das heißt, sie sind nicht von der Wissenschaft und dem Erkenntnisweg getrennt. Manche Interpreten – und insbesondere muss man Paola Basso hier erwähnen18 – haben in ihren Arbeiten über Lambert synthetische Verzeichnisse der wichtigsten Wörter von begrifflichem Wert zusammengestellt, denen man in Lamberts Werk begegnet und die gemäß der jeweiligen Interpretationsperspektive ausgewählt wurden. Interessanterweise lässt sich aber feststellen, dass die mit dem Erfindungsbegriff verknüpfte Terminologie in der Regel fehlt. Bei dieser handelt es sich im Übrigen um einen Wortschatz, der selbst in der philosophischen Sprache der Zeit zum

|| 15 NO, Sem., § 24. 16 NO, Dian., § 447. 17 NO, Dian., § 453. 18 Paola Basso: Filosofia e geometria. Lambert interprete di Euclide. Florenz 1999.

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Großteil nur ein geringes Vorkommen aufweist.19 Wir können einige Beispiele aufzählen. Das erste Beispiel ist, selbstverständlich, »Erfindung«. Wie Goethe es später in einem berühmten Passus ausdrücken sollte: »Zum Entdecken gehört Glück, zum Erfinden Geist«.20 Damit wäre Lambert bestimmt nicht einverstanden gewesen: Die Erfindung von Sachen, schreibt er, die man lange vergebens gesucht hat, ist entweder unmöglich, oder einem künftigen glücklichen Zufall reserviert: Ein Beyspiel mag dieses erläutern. Es ist nicht zu zweifeln, daß die alten Phoenicischen, und nach ihnen die Griechischen und Römischen Schiffer ein Mittel gewünscht haben, welches ihnen bey trübem Wetter eben so den Weg des Schiffes zeigte, als ihn bey hellem Wetter die Gestirne zeigten. Wie hätte ihnen in Sinn kommen sollen, daß sie dieses Mittel in dem Magnetsteine zu suchen hätten?21

Als zweites Beispiel kann »Anlass« dienen, d. i. occasio, Gelegenheit. Auf die Überlegungen von Jacob Wegelin zu den Cosmologischen Briefen, der um Erläuterungen zur Verwendung der Analogien bittet,22 erwidert Lambert, dass die Analogie keine bestimmte Wahrheit, sondern den Anlass zur Voraussetzung einer Wahrheit bietet, um die Wahrheit durch zweckmäßige Versuche oder Analyse auszufinden.23 Ein solcher Erfindungsprozess wird im § 113 der Dianoiologie beschrieben: So hat auch in der Tonkunst der einige Einfall, daß sich die verschiedenen Töne mit dem Begriffe der Höhe und Tiefe vergleichen lassen, dazu Anlaß gegeben, die Töne und ihre Unterschiede zu malen, und sie auf den Notenlinien kenntlich vorzustellen.24

Das dritte und in Beziehung zur Erfindungskunst markanteste Schlüsselwort ist »Leitfaden«. Es ist zugleich ein altüberlieferter Ausdruck und ein Neologismus. Im metaphorischen Sinne einer geistigen Richtschnur, in welchem das Wort später von Leibniz sehr häufig verwendet wurde, findet man es bereits bei Boethius.25 Leibniz’ || 19 Vgl. z. B. Ken Aso u. a. (Hg.): Onomasticon philosophicum latinoteutonicum et teutonicolatinum. Tokio 1989, sub voces. 20 »… und beyde können beydes nicht entbehren.« Johann Wolfgang Goethe: Werke. Weimar 1887–1912, Abt. 2, Bd. 11, S. 255. 21 Johann Heinrich Lambert: Vorläufige Kenntnisse für die, so die Quadratur und Rectification des Circuls suchen. In: BGMA 2, S. 140–169, hier § 2, S. 142. 22 In einem Brief Wegelins an Bodmer, 8. Januar 1762; vgl. LPS 9, S. 371f. 23 LPS 9, S. 375. 24 LPS 1, S. 72f. 25 »Quodque Trebatius casu in Aristotelis Topica inciderit, et quod titulum operis admiratus, a M. Tullio inscriptionis sententiam perquisierit. Illud etiam quod ei Cicero se exposuisse commemorat, inveniendorum argumentorum illis libris scientiam contineri, ut sine ullo errore ad argumentorum inventionem via quadam et recto filo atque artificio veniretur, quae res breviter enuntiata, velut intentionem operis monstrat, et docilem perficit auditorem« (Boeth. in Topica Ciceronis, PL 64, c. 1043).

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Gebrauch zur Bezeichnung der Methode und der ars inveniendi ist der Ariadnefaden, der den Verstand insbesondere im Hinblick auf seine Kombinationsfähigkeit leitet.

2 Leitfaden und Mittelweg Genau wie Leibniz führte Lambert seinerseits einen Leitfaden und einen Mittelweg zwischen Analyse und Kombinatorik ein: Es giebt daher zwischen der analytischen Methode […] und der synthetischen, in so ferne diese zu keinem bestimmten Ziele führt, ein[en] Mittelweg, welcher den Schlußsatz, den man eigentlich herausbringen will, gewisser Maassen kenntlich macht, ohne ihn vollends zu bestimmen, und es sodann der synthetischen Methode überläßt, die dazu dienenden Vordersätze aufzusuchen. Das heißt kurz, den Leitfaden angeben, der uns zum Ziele führen, oder wenigstens die Abwege anzeigen sollen.26

Eine Entdeckung präsentiert sich in Form des Möglichkeitsbeweises eines zusammengesetzten Begriffs (z. B. das Barometer), den wir zufällig gefunden haben oder der aus einem Gedankengang bzw. aus einem Verfahren der Aufteilung und Neuzusammensetzung der Merkmale eines oder mehrerer Begriffe hervorgegangen ist. Dafür findet man verschiedene Beispiele in den Werken von Wissenschaftlern, die sich mit völlig neuen Sujets auseinandergesetzt haben, »wo der Verfasser erst noch hat das Eis brechen müssen, das will sagen, wo die ganze Sache, und selbst die Methode, noch erst zu erfinden war, und nicht jede Anlässe dazu dienten, oder wo er besondere Vortheile und Kunstgriffe dazu gebrauchte«.27 Die Absichten, die gewählten Mittel, Schwierigkeiten usw., schreibt Lambert, werden namentlich in den Vorworten beschrieben, aber auch in den Arbeiten selbst. Als Beispiele führt er die Abhandlung, in welcher Otto von Guericke beschreibt, »wie er auf die Erfindung der Luftpumpe und der Federkraft der Luft gekommen«, bzw. das Vorwort zu den Vegetable Staticks von Hales an. Nehmen wir also diese beiden exemplarischen Fälle für das konkrete Vorgehen realer und natürlich ausnehmend bedeutender Wissenschaftler als Vorbilder für die Erfindungskunst unseres Autors. Die Lektüre von Guericke vermittelt den Eindruck, als werde hier vor allem das Unvorhergesehene vorgeführt. Nachdem kosmologische Fragestellungen Guericke dazu bewogen hatten, die Möglichkeit zu erforschen, ein Vakuum in einem Behältnis zu erzeugen, wurde der erste Versuch mit einem Fass unternommen, aus dem Guericke das Wasser herauspumpte. Der Versuch war die ganze Zeit von einem Wassergeräusch begleitet. Nachdem das ganze Wasser herausgepumpt war, hatte

|| 26 NO, Dian., § 330; LPS 1, S. 218. 27 NO, Dian., § 454; LPS 1, S. 292f.

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man das unerwartete Ergebnis: »Loco aquae extractae, aëre repletum esse«.28 Als Guericke den Versuch dann wiederholte, indem er das Fass in ein größeres, seinerseits wassergefülltes Fass stellte, entdeckte er die Porosität des Holzes. Es sei gesagt, dass Lambert der Ansicht war, dass ein gescheitertes und dann neuformuliertes Experiment einem Beweis per absurdum vergleichbar sei.29 Die Erzählung von Stephen Hales führt dagegen den reinen Zufall und seine Wirkung auf die geistigen Prozesse des Wissenschaftlers vor. In seiner Vegetable Staticks erzählt er, vor mehr als fünfzehn Jahren Experimente an Hunden, Pferden usw. vorgenommen zu haben, um den Blutdruck zu messen. Er habe sich gewünscht, ähnliche Experimente an Pflanzen machen zu können: Ich zweifelte aber damahls damit zu Stande zu kommen; und es ist nur ohngefehr sieben Jahr her, daß ich durch blossen Zufall, als ich einsten Proben machte, auf etliche Einfälle kam, durch verschiedene Mittel die Tropfen oder Thränen aus einem alten Weinstrocke der zu späte geschnitten war, aufzuhalten. […] Nach verschiedenen Versuchen […] entschloß ich mich, über den Stock ein Stück Blase zu legen, die ich ringsherum feste band. Und da ward ich in weniger Zeit gewahr, daß des Safts Stärcke die Blase sehr aufgetrieben hatte, woraus ich dann schloß, daß wenn ich an den Weinstock eine lange gläserne Röhre brächte, und zwar auf gleiche Weise, als ich solche vorher an die Arterien vieler lebendigen Thiere gelegt hatte, so stünde dadurch die wahre Stärcke des Safts zu erkennen. Dieses gerieth auch meiner Hoffnung gemäß. Und dadurch bin ich unvermerckt darauf gekommen, daß ich an Pflantzwercke diejenige Erfahrungen und Untersuchungen vorgenommen habe, woraus gegenwärtiges Werck bestehet.30

Dem § 441 der Dianoiologie31 ist nun zu entnehmen, dass die Fragen stets in logische Probleme, in Aufgaben umformbar sind, wenn data und quaesita zur Verfügung stehen; wenn dagegen keine data und quaesita zur Verfügung stehen, wenn also nicht klar ist, was man sucht, dann scheint dies die Umwandlung der gesamten Erfindung in eine Aufgabe zu verhindern. In einem solchen Fall kann man, wie der § 456 lehrt, das Neue, das man ein wenig blindlings sucht, dennoch erhalten, aber dank der naiven Zuhilfenahme einer wahrhaft besonderen Eigenschaft: Es wird speziell dann möglich sein, »auf nicht vorhergesehene neue Begriffe und Sätze zu kommen«, sagt Lambert, »wenn man zu glücklichen Einfällen ein Geschicke hat«.32

|| 28 Anstelle von Wasser war Luft hereingeströmt. Vgl. Otto von Guericke: Experimenta nova (ut vocantur) Magdeburgica de vacuo spatio. Amsterdam 1672, l. 3, c. 2, S. 73: »De primo experimento vacui, per extractionem aquae.« 29 »Denn [Guericke] mußte sich die Sache so vorstellen, weil die Schnellkraft der Luft noch erst zu erfinden war, und er entdeckte sie, weil die Versuche seine Meynung aufs Ungereimte brachten, folglich im eigentlichen Verstande einen apagogischen Beweis angaben« (NO, Dian., § 454; LPS 1, S. 293). 30 Stephen Hales: Statick der Gewächse, oder angestellte Versuche mit dem Saft in Pflantzen und ihrem Wachstum, nebst Proben von der in Körpern befindlichen Luft. Halle 1748, Bl. *C1v. 31 LPS 1, S. 286. 32 LPS 1, S. 294.

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Also noch ein Kunstwort der Erfindungskunst: »Einfall«. Ein solcher Einfall ist zum Beispiel die Idee, die demjenigen kam, der als erster den Schatten eines Stabs benutzte, um die Zeit zu messen.33 Schließlich soll auch »Kunstgriff« genannt werden, oder »artificium«, im Gegensatz zu »Geschick«, das eine Naturgabe ist. Ähnlich zu dem schon erwähnten Passus des § 454 der Dianoiologie über die Unentbehrlichkeit von »Vortheilen und Kunstgriffen«, wenn die Methode selbst noch zu erfinden ist, schreibt Lambert in den Abhandlungen zur Bahnbestimmung der Cometen, »daß jedes schwierige Problem eine ihm eigenthümliche Methode und eine besondere Verbindung von heuristischen Kunstgriffen verlangt; solange diese nicht beisammen sind, bekommt man keine elegante Lösung oder wenigstens nur auf weiten Umwegen«.34 Sicher kann man auf solchen Grundlagen behaupten, dass die Logik auch für Lambert an sich selbst keine echte Erfindungskunst und auch kein Organon der Wahrheit sei, wie Kant seinen Schüler lehren wird: »Die Logik ist also zwar keine allgemeine Erfindungskunst und kein Organon der Wahrheit – keine Algebra, mit deren Hülfe sich verborgene Wahrheiten entdecken ließen«.35 Der Schüler wird sich aber wohl merken: »Lambert hat ein Organon der reinen Vernunft geschrieben«;36 das aber nicht im Sinne einer vollkommenen und produktiven Theorie, sondern nur als eine Propedeutik.

3 Angewandte Mathematik und Beobachtungsirrtümer Es tritt in diesem anti-anthropologischem Kontext auch ein anthropologisches Problem auf; gleichsam ein anthropologischer Rest: Es wäre nämlich schlichtweg unmöglich, auf eine logisch-epistemologisch ideale Weise zu verfahren. In einem höchst wichtigen Text Lamberts, der Eintrittsrede in die Akademie der Wissenschaften zu Berlin, lesen wir: »Avouons, Messieurs, que, quelque grande que puisse être cette perfection d’un homme, il ne sera jamais dans tous les points de vue où il faut être, pour se procurer toutes les données que demande une connnoissance com-

|| 33 BGMA 2, S. 316f, 34 Johann Heinrich Lambert: Abhandlungen zur Bahnbestimmung der Cometen. Hg. von Julius Bauschinger. Leipzig 1902, S. 3: »Problema quodvis intricatius peculiarem sibique propriam requirere methodum, peculiaremque artificiorum heuristicorum combinationem« (Johann Heinrich Lambert: Insigniores orbitae cometarum proprietates. Augsburg 1761, Bl. )(2v). 35 Logik, AA 9, S. 20. 36 AA 24, S. 796f.

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plette de la Nature.«37 Kein einzelner Mann kann alle für die Erforschung der Natur notwendigen Daten sammeln. Schlussfolgerung und Überlegung, obgleich sie uns weiterführen können, sind beträchtlich fragil: Der kleinste Fehler wäre hier tödlich, und allerdings sind wir nicht imstande, uns nicht nur die benötigten Daten, sondern auch deren Kombinationen hinlänglich zu merken: Qu’on y supplée même, autant qu’on veut, par le raisonnement: ce sera sans contredit le moyen d’aller bien loin. On peut se dispenser de voir, à mesure qu’on apprend à penser juste, et à étendre le fil d’un raisonnement exact et bien lié. Mais, outre que dans le raisonnement, de même que dans le calcul, une seule circonstance omise gâte tout le reste, et qu’une seule donnée qui manque, le suspend nécessairement; il s’en faut beaucoup que nous ayons toutes ces données, et que nous nous avisions de nous-mêmes de toutes les combinaisons dont elles sont susceptibles.38

Die Lösung besteht in Experimenten. Experimenta necessaria, wäre für Lambert eine geeignete anti-hippokratische Devise.39 Im Vorwort der Beyträge zum Gebrauch der Mathematik schreibt Lambert: »Die Versuche müssen uns in der Naturlehre fast allemal die Spur zeigen, wie wir zur Theorie gelangen sollen, und wie die Grundsätze, die wir annehmen, beschaffen seyn müssen.«40 Auf den Begriff von ›Spuren‹ werden wir wieder zurückkommen, denn Spuren, Lichter, Symptome und Leitfäden; dieser ganze zum Teil psychologistische, zum Teil anthropologische Wortschatz wird neben der uns schon bekannten Lexik die letzten Arbeiten Lamberts über die Erfindungstheorie charakterisieren. Die planvoll und unter festgesetzten Umständen gemachten Erfahrungen und Versuche sind wie solche Probleme, die wir der Natur unterbreiten, deren Gesetze individuell und unwandelbar sind. Die Antworten, die sie gibt, entsprechen exakt diesen Gesetzen. Die Natur, wie die Algebra, antwortet auf genau das, was wir tatsächlich fragen, nicht auf das, was wir gefragt zu haben glauben. Dies sei die allgemeine Absicht der Beyträge zum Gebrauch der Mathematik, teilt Lambert seinen Lesern mit:

|| 37 Johann Heinrich Lambert: Discours de réception par M. Lambert. In: Histoire de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres (1765), S. 506–514, hier S. 507. 38 Ebd. 39 »Experimentum periculosum« lautet die lateinische Übersetzung des ersten Aphorismus des Hippokrates: »Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang; die Gelegenheit schnell vorübergehend, die Erfahrung mißlich, die Beurtheilung schwierig« (Kurt Sprengel: Apologie des Hippokrates und seiner Grundsätze. Leipzig 1799, S. 141). 40 BGMA 1, S. 41f.

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Ich liefere hier einige Abhandlungen, welche sämmtlich dahin gehen, die mathematische Erkenntniß theils an sich zu erweitern, vornehmlich aber dieselbe sowohl in dem gemeinen Leben, als in der Naturlehre und bey Versuchen anwendbar zu machen.41

Es ist bekannt, dass nach Galilei erst wieder Lambert über Messfehler und Beobachtungsirrtümer gearbeitet und mathematische Methoden für Messverfahren entwickelte.42 Denn Messung und Berechnung sind die Fundamente der naturwissenschaftlichen Untersuchung. Das sei faktisch die spezielle Absicht seiner Abhandlung in den Beyträgen: In der vierten Abhandlung kömmt eine Theorie von der Zuverlässigkeit der Beobachtungen und Versuche vor. Die Beobachtungen und Versuche, wobey etwas auszumessen ist, sind mit so vielen Individualien und Nebenumständen verflochten, daß sie selten oder niemals genau angestellt werden können.43

Beobachtungen und Versuche bringen Messbarkeit mit sich. Nehmen wir Lamberts Pyrometrie: Nach einem ersten Hauptstück über »Vorläufige Grundbegriffe« kommt darin ein zweites Stück, das mit »Das Ausmeßbare bey Feuer und Wärme« betitelt ist. Es fängt wie folgt an: »Das bisher Gesagte ist größtentheils aus der gemeinen Erfahrung, und ohne viele Umstände angeführt. Man sieht aber schon daraus, daß wenn alles genauer bestimmt werden soll, genug dabey auszumessen und zu berechnen vorkömmt«.44 Berechnungen bieten Präzision und Universalität. Die Erfahrung prüft beide und bestätigt, ob irgendwelche Umstände weggelassen oder falsch zugegeben worden sind. Wenn man das Kalkül und die zugrundeliegende Theorie vernachlässigt, macht man wahllose und absichtslose Experimente. Wenn aber die Experimente vernachlässigt werden, sagt Lambert in der Rezeptionsrede, wird die Berechnung selbst schimärisch: Le calcul y fournit la précision et l’universalité. L’expérience vérifie l’une et l’autre, et découvre chaque circonstance omise, ou faussement admise. En négligeant le calcul, et la théorie qui lui sert de base, on fait les expériences sans choix et sans dessein. En négligeant les expériences, on court risque de donner dans la chimere, et de produire des calculs applicables à tout autre Monde, qu’à celui où nous sommes.45

|| 41 BGMA 1, unpag. [Bl. *2v]. 42 Enrico Pasini: Ars experimentandi et conjectandi. Laws of Nature, Material Objects and Contingent Circumstances. In: Contingency and Natural Order in Early Modern Science. Hg. von Rodolfo Garau und Pietro D. Omodeo. Cham 2019, S. 317‒342. 43 BGMA 1, unpag. [Bll. 7r‒v]. 44 Johann Heinrich Lambert: Pyrometrie, oder, Vom Maasse des Feuers und der Wärme. Berlin 1779, S. 7. 45 Lambert: Discours de réception par M. Lambert (s. Anm. 37), S. 509.

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Mathematik und Erfahrung bilden auf diese Weise eine eingängige Polarität der Naturwissenschaft. Es könnte aber hier gefragt werden: Wo haben sich die Metaphysik, Architektonik, Begriffstheorie usw. verborgen? Dies scheint nun der exklusive Schauplatz der Mathematik und der experimentellen Wissenschaften zu sein, die hier alleinig bras dessus, bras dessous geführt werden.

4 Die experimentelle Wissenschaft Überhaupt sind die verschiedenen Wissenschaften lediglich nur eine angewandte Vernunftlehre, genau wie es eine angewandte Mathematik gibt, erklärt Lambert in einem merkwürdigen Abschnitt der Dianoiologie (§ 444).46 Als er, wie schon erwähnt, sich verpflichtet fühlte, ein Loblied auf die zum Zeitpunkt seiner Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften von ihm gewählte Klasse (die Klasse für Experimentelle Physik) anzustimmen und gleichzeitig ein Programm seiner Tätigkeit als Akademiker vorzustellen, präsentierte er sie und den entsprechenden Wissenschaftszweig folgendermaßen: »Il est une Physique expérimentale, que je nommerai naturelle, et qui est fort étendue«. Es gebe eine experimentelle Physik, die man etwas pleonastisch als »natürlich« bezeichnen möge und sehr umfangreich sei. Diese Wissenschaft, wie die Philosophie, beginnt mit der Verwunderung, und Objekt dieser Verwunderung ist alles Neue, alles noch nicht Bekannte, in der natürlichen Welt: En effet, dans notre enfance l’Univers entier nous est tout aussi nouveau, que le fut à M. Richer la retardation du pendule sous l’équateur, à Marius, Galilée, Huyghens, les satellites de Jupiter et de Saturne, à Newton l’attraction ou la gravitation des corps célestes, à Kepler les lois de leurs mouvemens, à Pythagore les différens sons d’une même enclume, à Guericke l’élasticité de l’air, et sa pesanteur à Torricelli; enfin à tant d’autres Physiciens tant d’autres phénomenes et effets de la Nature.47

In unserer Kindheit sei das ganze Universum für uns ebenso neu wie für Galilei und Huyghens die Satelliten von Jupiter und Saturn, für Kepler die Gesetze ihrer Bewegungen, für Pythagoras die verschiedenen Töne desselben Amboss, oder für Guericke die Elastizität der Luft; schließlich für viele andere Physiker viele andere Phänomene und Wirkungen der Natur. Die experimentelle Wissenschaft ist Wissenschaft des Neuen – wir könnten sogar sagen, des ewig Neuen. Und daher setzt Lambert rhetorisch hinzu: Glücklich ist jeder, der imstande ist, wenn er die Gegenstände der physischen Welt betrachtet, immer das Neue daran zu sehen. Dadurch wird man kenntnisreich und argumentationsfähig: || 46 LPS 1, S. 287. 47 Lambert: Discours de réception par M. Lambert (s. Anm. 37), S. 506.

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Heureux quiconque a reçu de la nature une sensibilité telle, qu’en contemplant les objets du Monde physique, il s’apperçoive chaquefois de tout ce qui s’y présente de nouveau, et une mémoire qui lui en reproduise le souvenir toutes les fois qu’il en a besoin! Il sera riche en connoissances; il abondera en tout ce qui en fait la premiere base. Et s’âgit-il de poursuivre un raisonnement long et suivi, il ne manquera jamais de retrouver les liaisons nécessaires pour le conduire au but qu’il se propose.48

Die Physik ist nichtsdestoweniger mit der Philosophie verbunden: »La Physique n’est pas moins liée à la Philosophie«. Der Philosoph benutzt die Physik als die Grundlage seines Wissens und zieht daraus Axiome und Probleme, von denen jeder exakte Gedankengang ausgehen müsse: »Le Philosophe s’en sert, pour faire la base de ses connoissances, et pour en tirer ces axiomes et demandes, dont il faut partir dans le raisonnement qui suit l’ordre et la rigueur géometrique«.49 Wie die Anatomie, so machen sowohl die Physik als auch die Metaphysik anschaulich, was nicht unmittelbar zu sehen ist. Aber die Physik hat in dieser Verbindung die Priorität. Das erhellt Lambert in einem Brief an Holland von 1765: Betrachte ich die Sache historisch, so haben wir es nicht den Metaphysici sondern den neuern Physici zu verdanken, daß wir nunmehr wissen, die Farben z. E. seyn nicht in den Objecten, sondern nur Modificationen der Lichtstrahlen etc. Uebrigens was ein Metaphysiker dazu sagen kann, ist daß die Begriffe selbst in der Seele und nicht in den Dingen sind, und dies ist für sich klar; ob aber das, was diese Begriffe vorstellen, in den Dingen seye, das haben vor der Einführung der Experimentalphysik die Metaphysici geglaubt, bis die Erfahrung zeigte, daß die Begriffe, der Farben, Schall etc. nur Bilder und Zeichen sind, welche durch die Structur der Sache, des Sinnes und die Bewegung veranlaßt werden.50

5 Metaphysici und Physici Die Metaphysik bietet wohl Grundsätze, allgemeingültige, universelle Prinzipien, von denen wir eine große Hilfe erhalten, sagt Lambert, wenn es darum gehe, Experimente zu verknüpfen und der Physik eine wirklich wissenschaftliche Ordnung und Verbindung zu geben. Wenn dennoch der Philosoph nicht hinreichende Grundsätze zur Verfügung stellte, und nur vage Überlegungen und unbestimmte Hypothesen böte, würde die Metaphysik zwar hinter der Physik zurückbleiben: De là ces principes universels, généralement appliquables, que nous doit fournir la Métaphysique, et dont on tire un grand secours, lorsqu’il s’agit de lier les expériences, et de donner à la Physique un ordre et une connection véritablement scientifique. Aussi faut-il dire, qu’elle reste en arriere, à mesure que le Philosophe ne fournit point assez de ces principes uni-

|| 48 Ebd., S. 507. 49 Ebd., S. 510. 50 Lambert an Holland, 27. Mai 1765; LPS 9, S. 55f.

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versels, et qu’il n’y substitue que des raisonnemens vagues, qui tiennent à des simples hypotheses, et à une terminologie vuide de sens.51

In der Tat, doch widerstrebten Lambert die allgemeinen Prinzipien, wie sich an folgendem Passus aus den Gedanken über die Grundlehren des Gleichgewichts und der Bewegung ablesen lässt: »Leibnitz hat vor allen andern Philosophen das Besondere, daß er ungefehr ein dutzend Grundsätze in der menschlichen Erkenntnis auf die Bahn gebracht hat, welche sämtlich zu fast hundertjährigen Streitigkeiten Anlaß gegeben, und worüber, alles zusammengerechnet, viele Zeit verlohren worden.«52 Trotzdem nimmt Lambert Grundsätze (z. E. in der Form allgemeiner Gesetze) wohl in Angriff, wie wir im Vorwort zu seiner Perspektive feststellen können: Allgemeine Regeln gründen sich auf allgemeine Gesetze, und wenn man jene gefunden, ohne diese umständlicher untersucht zu haben, so lohnt es sich der Mühe, die Arbeit vorzunehmen. Man wird mit mittelmässiger Aufmerksamkeit mehr finden, als man anfangs vermuthete, wenn man die Sache in Absicht auf das Verhältnis aller ihrer Theile betrachtet. Ich habe diesen Weg in der Perspektive genommen, und in gegenwärtiges Tractätgen das, so ich dabey gefunden, zusammengebracht.53

Solche Grundsätze sind nur lokal universell, und nur wenn man die Verhältnisse zwischen den Elementen des Objektes in Betracht zieht, kann man Grundsätze formulieren: »Man hat sich damit begnügen müssen, bey Entwerfung zusammengesetzterer Figuren, den Grundriß vorzulegen [on se voioit obligé, d’en tracer un plan géometral], und erst aus diesem den perspektivischen Aufriß zu zeichnen«. Es konnte nur »in den leichteren Fällen« auf den Grundriß verzichtet werden, sonst würde der Zeichner »es auf das Augenmaß ankommen lassen, jeden Theilen ihre behörige scheinbare Größe und Entfernung zu geben«.54 Eine unzulängliche Lösung würde angeboten: Diesem Uebel abzuhelfen, hatte man verschiedene Maschinen ausgedacht [on avoit imaginé plusieurs machines], vermittelst welcher jeder Punkt des Grundrisses so gleich auf den perspektivischen Riß gebracht […]. Aber noch immer bliebe der Grundriß, und die Maschine wurde unnütze, sobald man von freyen Stücken mahlen wollte.55

|| 51 Johann Heinrich Lambert: Discours de réception par M. Lambert (s. Anm. 37), S. 511. 52 BGMA 2, 2, S. 556. 53 Johann Heinrich Lambert: Die freye Perspektive, oder Anweisung, jeden perspektivischen Aufriss von freyen Stücken und ohne Grundriss zu verfertigen. Zürich 1759, Bl. ):(2r‒v; vgl. Johann Heinrich Lambert: La Perspective affranchie de l’embaras du Plan géometral. Zürich 1759, Bl. )(2r‒v. 54 Lambert: Die freye Perspektive (s. Anm. 53), Bl. ):(3r‒v; vgl. Lambert: La Perspective (s. Anm. 53), Bl. )(2v‒)(3r. 55 Lambert: Die freye Perspektive (s. Anm. 53), Bl.):(4r; vgl. Lambert: La Perspective (s. Anm. 53), Bl. )(3r‒v.

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Lambert schreibt, er hätte verschiedene solche Maschinen in diesem Werk beschreiben können, aber es sei seine Absicht gewesen, den Gebrauch des Grundrisses entbehrlich zu machen, »und die ganze Arbeit bey perspektivistischen Verzeichnungen kürzer machen«. So »wurden aus dem ersten Grunde die Maschinen überflüßig, und der letztere forderte vielmehr Instrumente, in so ferne diese den Maschinen entgegen gesetzt sind«.56 Dieser Unterschied zwischen Maschinen und Instrumenten ist auch vom historiographischen Standpunkt aus wichtig. Der Experimentalphysiker Jacob Leupold hatte ihn knapp 35 Jahre zuvor in seinem Theatrum machinarum generale so erörtert: Eine Machine soll von einem Instrument darinnen unterschieden seyn, daß mit der Machine eine vortheilhaffte mechanische Bewegung zu machen ist, so aber durch ein Instrument nicht geschehen kan, dahero nicht nur […] grosse Wercke, sondern auch des Schmidts Zange, des Schneiders Schere, des Holtzackers Axt und Keil, und andere dergleichen Dinge unter die Machinen zu zehlen sind; weil dadurch vortheilhaffte Bewegungen, die in der Mechanic ihr Fundament haben, zu erlangen sind. Hingegen ein Instrument kan seyn bey der Geometrie ein Circkel, Lineal, Transporteur, Winckel-Maaß, Scheiben-Instrument, und dergleichen unzehlige, so wohl bey dieser als allen andern Wissenschaften und Künsten.57

Geräte wie Scheren und Zirkel basierten gleichermaßen auf dem Prinzip des Hebels, und in beiden Fällen wird ein Ergebnis produziert. Aber der Transporteur und das Abrichtlineal machen den Unterschied klar genug. In Leupolds Sinne wären also deduktive Zeichensysteme wie Logik und Algebra eher Maschinen als Instrumente. Und was die besonderen Begriffe betrifft, zwischen denen und solchen »Instrumenten« eine engere Analogie bestehen könnte, kommt die Entstehungsart in Betracht.

6 Entstehungsart und Erfahrung Lambert lobt oft Christian Wolff nur, um die Unzulänglichkeit seines Verfahrens zu betonen. Seine Definitionen seien »zwar in einigen Fällen besser als die scholastischen, sie gehören aber noch immer in ein Lexicon«.58 Wolff habe die Entstehungsart – schon von Leibniz als Element der reellen Definition herausgehoben – wohl in seine Begriffslehre eingeführt, sich allerdings ihrer nicht eigentlich bedient. || 56 Lambert: Die freye Perspektive (s. Anm. 53), Bl.):(4r; vgl. Lambert: La Perspective (s. Anm. 53), Bl. )(3v: »Regardant ce plan comme un embaras moleste, je me proposai d’en affranchir la perspective, & de faciliter la pratique de cet art. De là les Machines devinrent superflues, et la facilité dans l’opération demandoit plutôt des Instrumens«. 57 Jacob Leupold: Theatrum machinarum generale. Schauplatz des Grundes mechanischer Wissenschaften. Leipzig 1724, S. 3. 58 Lambert an Holland, 27. Mai 1765; LPS 9, S. 58.

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Nun sind laut Lamberts Abhandlung vom Criterium veritatis, »die meisten unserer Begriffe Erfahrungsbegriffe«.59 Das heißt letztendlich, dass Prinzipien und Grundbegriffe in der Naturwelt irgendwie durchaus existieren. Es ist hier besonders einfach, die dicke Schicht von Naturalismus unter Lamberts Konstruktivismus zu sehen, und in Übereinstimmung damit erörtet Lambert die Funktion der Entstehungsart wie folgt: »Ein Erfahrungsbegriff kann zum Lehrbegriffe werden, wenn man aus Grundbegriffen oder einfachen Erfahrungsbegriffen seine Entstehungsart zeigt.« Dementsprechend kann ein Lehrbegriff entweder als ein Erfahrungsbegriff betrachtet, oder in einfachere Erfahrungsbegriffe aufgelöst werden: »Thut man dieses, so sind die Erfahrungen, die man darüber anstellt, gleichsam die Probe von der Richtigkeit des fürgegebenen Lehrbegriffes.«60 Wenn Lambert weiter im Text diesen Übergang von Erfahrungsbegriffen zu Lehrbegriffen wie auch die Auflösung von Lehrbegriffen in Erfahrungsbegriffe in kurze Sätze zusammenzieht, stellt er die Rolle der Erfahrungsbegriffe als Grundbegriffen in der folgenden Weise vor: »Hypothetisch kann man jede Erfahrungsbegriffe, so weit die Erfahrung geht, als Grundbegriffe ansehen. […] Zum Unterschiede kann man sie Grundbegriffe a posteriori nennen.«61 Ungewöhnlich für unsere philosophische Konvention könnte die Metaphysik selbst, in Lamberts Meinung, sich auf diesen Weg machen: »Indessen zweifle ich nicht daran, dass die Metaphysic nicht auch a posteriori sollte können ganz und ordentlich aufgeführt werden, ungeacht es auch hier Zeit und Gedult brauchen wird.« Dazu ist es erforderlich, erläutert Lambert mit klassischem Kolorit, aber deutlich unplatonischer Einstellung, »aus dem Schein auf das Wahre« zu schließen. Als Muster gelten erneut die Naturwissenschaften, d. i. die Astronomie und die damit verbundene, spezifische Beziehung von Erfahrung und Lehre: »Der Astronome nimmt den Lauf der Sterne, wie er zu seyn scheint. In so ferne es ein Schein ist, kann man ihn sicher als Schein annehmen. Daraus aber schliesst er auf das Wahre.«62 Schlüsse von dieser Art setzen Bedingungen voraus: »Der Astronome sucht die Fälle auf, wo solche Bedingungen sind, und es gelingt ihm.« Dieser merkwürdige Zirkelschluss des Scheins bietet sowohl dem Idealisten die unerwartete Wahrnehmung eines wahrheitsgetreuen Scheins als auch dem Metaphysiker den Schlüssel der Wandlung a posteriori der Erfahrungsbegriffe: »Da es möglich ist, aus dem Schein auf das Wahre zu schliessen, und die Wirklichkeit daraus herzuleiten (§ 87), so kann auch das Hypothetische in den Erfahrungsbegriffen gehoben werden. […] || 59 CV, § 58, S. 35. 60 CV, § 46, S. 27. Allerdings und gleichsam erwartungsgemäß empfiehlt Lambert, »die richtigere und besonders die zusammengesetztere Erfahrungsbegriffe zu Lehrbegriffen zu machen, weil sie dadurch ungleich klarer, deutlicher, und ausführlicher werden, und weil man dadurch den Grundbegriffen näher kömmt, oder sie wirklich findet« (CV, § 57, S. 34). 61 CV, § 92, S. 56. 62 CV, § 87, S. 52.

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Hiedurch aber werden sie zu ächten Lehrbegriffen.«63 Daraus entstehen, wie es bei Lambert recht üblich ist, »Methoden«. Und unter dieser Sektion tritt die Entstehungsart wieder auf: »Eben so sind Begriffe, die man aus der Entstehensart der Sache herleitet, Erfahrungsbegriffe. Man findet öfters nachher, dass man selbst hätte darauf fallen können. Zeigt man diesen Weg an, und er ist richtig, so wird ein Lehrbegriff daraus.«64 Theorie und Erfahrung, Metaphysik und Physik stehen wie immer dicht gedrängt. Es geht dennoch um einen Zirkelschluss, sei es auch ein circulus virtuosus, und das kann Lambert nicht unbeachtet lassen: Wir müssen aber noch einen logischen Circul bemerken, der dabei unterschleicht, und der sich klarer entdeckt, wenn man die Induction bey der Erklärung a posteriori vollständig machen will. Die Regel dabey fordert, dass man alle Arten und Fälle, wo der Begriff vorkommt, aufsuche, und nichts zurücke lasse. Was wird nun hier als ein Kennzeichen zum Grunde gelegt?65

Zum Beispiel möge ein »Kräuterkenner«, ein Botaniker, den Umfang des Begriffes »Pflanze« durch eine vollständige Erklärung bestimmen: Er kenne die Pflanzen und ihre Merkmale, und er könne irgendein auffälliges Kennzeichen identifizieren. Es gebe aber an der Grenze des Pflanzenreiches sogenannte »Thierpflanzen«, und auch »Auswüchse im Grunde des Wassers, die halb Pflanzen sind«.66 Der Begriff werde insoweit unbestimmt. Jedes mögliche vorgestellte Kennzeichen der Pflanzenartigkeit habe ein Ausmaß, erklärt Lambert, und das Ausmaß werde an den Grenzen des Pflanzenreichs unendlich klein. Zwar sei das Kennzeichen nur verwendbar, wenn es eine gewisse Dimension habe. In ähnlicher Weise stellt man fest, dass »das Thierreich sich allem Ansehen nach mit dem Pflanzenreiche vermengt«. Deswegen sei es immer zuverlässiger, von wirklichen, individuellen Objekten und Erfahrungen als von Definitionen und Erklärungen die Analyse zu beginnen: »Wenn wir von Individuis, die in das Thierreich gehören, sagen, dass sie Thiere sind, so gehen wir richtiger, als wenn wir die Grenzen des Thierreiches bezeichnen wollen.«67

7 Die unvollendete Erfindungskunst Diese Wertschätzung einer irreduziblen, sowohl problematischen als auch profitablen Vielfältigkeit ist durchaus beachtenswert. Darüber hinaus gibt es noch, als ein Spiegelbild dieser methodologischen Herausforderung, auf der Ebene der Erfin-

|| 63 CV, § 92, S. 56. 64 CV, § 95, S. 58. 65 CV, § 68, S. 39. 66 Ebd. 67 CR, § 67, S. 39.

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dungskunst, eine andere irreduzible Varietät, und zwar die der menschlichen Forschungsweisen: »Der Grund, warum jeder Erfinder seine eigen Routine hat, ist vielfach«,68 lesen wir in Lamberts Fragment Gesichtspunct eines Erfinders, der in einer Kollektion von unvollendeten Texten enthalten ist, mit der wir dieses Kapitel zu Ende bringen. Von der Anthropologiefeindlichkeit der immer anwendbaren algorithmischen Verfahren kommt man zu dem um sich greifenden anthropologischen Element einer weniger psychologisierenden denn praktisch-empirischen Methodologie, die fraglos eher pragmatisch als formalistisch ist und in der sich eine wahre Anthropologie der Wissenschaft andeutet. Es scheint, als habe der Mondmensch tatsächlich ein verborgenes Gesicht. Doch die sichtbare Seite des Mondes und der unsichtbare Teil berühren einander an den Rändern. In der Photometrie lesen wir im § 1065: Man weiss aus der Erfahrung, dass der dunkele Theil der Mondscheibe, wenn der Mond der Conjunction nahe ist, noch ein zartes Licht zeigt, welches in den astronomischen Fernröhren sichtbar ist. Es unterliegt aber gar keinem Zweifel, dass dieses Licht von der Erde aus auf den Mond reflectirt wird.69

Was Lambert angeht, gibt es einen Zeitpunkt, zu dem er gewisse Anstrengungen unternahm, um die andere, weniger unmittelbar sichtbare Seite seines Denkens hervortreten zu lassen. Bekanntlich war dieses mehr irdische Projekt einer Erfindungskunst das wichtigste der letzten Jahre in Lamberts Schaffen, ein Projekt, das er nicht bis zur Veröffentlichung brachte. In den veröffentlichten Werken sind verschiedene Fragmente davon erhalten, die von Johann Bernoulli zusammen mit anderen Fragmenten zur Vernunftlehre gesammelt und in seiner Edition der Logischen und philosophischen Abhandlungen Lamberts veröffentlicht wurden.70 Es sind Texte, die über genau die Themen reflektieren, die im Neuen Organon in einem Rahmen gefangen blieben. Seine neuen Themen bzw. die Themen, die endlich ungehindert in den Vordergrund treten, sind: Wie hat man glückliche Einfälle? Was charakterisiert den Augenblick der Erfindung? Und letztlich: was ist der Nutzen der Metaphern, das Vorfinden von Spuren; der Standpunkt des Erfinders, die Glücksfälle, der Leitfaden, die Symptome:

|| 68 LPS 6, S. 407. 69 Ernst Anding (Hg.): Lamberts Photometrie. 3. Theil VI und VII. Leipzig 1892, S. 13. Im Original: »Experientia constat partem lunae deficientem tenui adhuc lumine tubis astonomicis conspicuam esse, cum luna coniunctioni est proxima. Hoc vero lumen a tellure tunc partem a sole collustratam lunae fere totam obvertente in lunam reflecti extra dubitationis aleam positum est« (Johann Heinrich Lambert: Photometria sive de Mensura et gradibus luminis, colorum et umbrae. Augsburg 1760, S. 474). 70 Sie wurden später in den Bänden 6 und 7 der Philosophischen Schriften wiederveröffentlicht.

Mathematik, Erfindung und experimentelle Kenntnis bei Johann Heinrich Lambert | 271

Unerwartete Sätze entspringen entweder von glücklichen Einfällen; oder von Anläßen, dabey uns Obersätze einfallen und gleich den Schlußsatz geben; oder aus Versuchen, die neue Symptome entdecken […]; oder da man ganz anderes suchte und es fahren läßt.71

Der Entwicklungspunkt des wissenschaftlichen Verfahrens, wo Logik und besonders Mathematik imstande sind, für die schwersten methodologischen Probleme ausgeklügelte Lösungen zu bieten, eine experimentelle Naturkunde der Erfindung, ist Lamberts letztes Wort.

|| 71 LPS 6, S. 469.

| 4 Recht, Moral und Theologie

Frank Grunert

»Die Nothwendigkeit der Religion in einem Staate« Zur religiösen Begründung rechtlicher Verbindlichkeit bei Johann Heinrich Lambert

1 Der kleine, gerade einmal elf Druckseiten umfassende Text Die Nothwendigkeit der Religion in einem Staate1 hat bisher – soweit absehbar – noch nicht das wissenschaftliche Interesse der Philosophiegeschichte auf sich ziehen können. Er gehört nicht zu dem Bestand von Themen und Problemen, für deren Bearbeitung und Entfaltung Johann Heinrich Lambert bekannt geworden ist, weswegen sich die bisherige Lambert-Forschung offensichtlich für unzuständig hielt. Aus staatsphilosophischer bzw. naturrechtlicher Perspektive gilt dasselbe: Der tatsächlich ephemere Text ist nicht gewichtig genug, um ihn als spezifische, womöglich sachlich ertragreiche Wortmeldung ernst zu nehmen. Die philosophiehistorische Perspektive dagegen, die die Reihe Werkprofile einnimmt, lässt sich von derlei Rücksichten nicht beeindrucken, im Gegenteil. Auch ein Text, der aus einer systematischen Perspektive kaum Erträge verspricht, kann dennoch in zweierlei Hinsicht lehrreich sein: Zum einen kann er als Wortmeldung in einer bestimmten Diskussion insofern erhellend sein, als er etwa ein Licht auf die Stimmenvielfalt eben dieser Diskussion wirft und/oder Auskunft über den bis dato tatsächlich oder nur vermeintlich erreichten Stand der Dinge gibt. Und zum anderen kann die Beschäftigung mit einem solchen Text auch eine Facette im Werk eines Autors sichtbar machen, die ansonsten unberücksichtigt bliebe, weil sich der fragliche Autor für ganz andere, in seinem Werk gebotene Fragen und Antworten einen Namen erworben hat und daher üblicherweise bisher nur im Horizont bestimmter Themen und Probleme wahrgenommen wurde und wird. Das ist mit Blick auf Lamberts Nothwendigkeit der Religion in einem Staate zweifelsohne der Fall. Denn wenn man Fragen der praktischen Philosophie an das Werk von Johann Heinrich Lambert stellen wollte, dann stehen für mögliche Antworten nicht viele Texte zur Verfügung, und sucht man nach Hinweisen für Lamberts Beschäftigung mit staatstheoretischen Problemen, dann bietet sich nur derjenige Text an, um den es im Folgenden gehen soll.

|| 1 Johann Heinrich Lambert: Die Nothwendigkeit der Religion in einem Staate. In: LPS X,3, S. 989– 1000. https://doi.org/10.1515/9711830647761-014

276 | Frank Grunert

Der Nicht-Wahrnehmung des hier zu behandelnden Textes hat die Tatsache Vorschub geleistet, dass es sich um eine Rede handelt, die aus Lamberts Nachlass stammt und von ihm selbst nicht veröffentlicht wurde. ›Nachlass‹ heißt ganz allgemein, dass der Text nicht mit der Autorisierung seines Verfassers publiziert wurde, was mit Blick auf seine Authentizität wiederum zweierlei bedeuten kann: entweder hat der Autor noch in der letzten Zeit seines Lebens an dem Text gearbeitet und hatte in jedem Fall vor, den Text auch tatsächlich zu publizieren, was allein durch den dann zu früh eingetretenen Tod verhindert wurde. In diesem Fall hat der fragliche Text ein vergleichsweise hohes Maß an autoritativer Authentizität, und man darf seine Aussagen – wenn auch nicht ganz vorbehaltlos – für bare Münze nehmen, d. h. der Text dürfte grosso modo die letzte und zumindest faktisch nicht mehr revidierte Auffassung des Autors zu dem im Text verhandelten Gegenstand wiedergeben. Das ist hier – wie sich noch zeigen wird – nicht der Fall. ›Nachlass‹ kann aber auch heißen, und das macht es dann ungleich schwieriger, dass ein Autor einen Text zu einer bestimmten Zeit seines Lebens für eine bestimmte Gelegenheit verfasst hat und entweder von vornherein nicht beabsichtigte, den Text zu publizieren, oder aber sich dafür entschieden hat, den Text aus welchen Gründen auch immer dem Publikum vorzuenthalten. Entschließt sich also der Verfasser, seinen Text nicht zu verbreiten, gibt er zu erkennen, dass er seinen Text nicht für wert hält, veröffentlicht zu werden, etwa weil er erkennt, dass er selbst nicht oder noch nicht über diejenigen Kompetenzen verfügt bzw. verfügt hat, die es ihm ermöglichten, seinen Gegenstand in einer Weise zu behandeln, die für Dritte irgend interessant sein könnte. Doch wenn der fragliche Autor seinen Text nicht einfach wegwirft, sondern ihn aufbewahrt, so dass er schließlich von Dritten im Nachlass gefunden wird, Vierte ihn veröffentlichen und Fünfte glauben, über ihn reden und schreiben zu müssen, dann hat der Verfasser seinem Text aus Sentimentalität, der guten Ordnung halber, oder weil er ihm einen gewissen Wahrheitsgehalt doch nicht absprechen will, in seinem Leben und in seinem Werk einen Ort zugewiesen, von dem aus er historisch, in diesem Fall philosophiehistorisch, sinnvoll – und das heißt: in angemessenen Relationen – wahrgenommen werden kann. Zu diesen angemessenen Relationen gehören vor allem die werkinternen wie werkexternen Kontexte der Entstehung und der Übermittlung. Der kleine, von Lambert nicht selbst veröffentlichte Text stammt – wie gesagt – aus seinem Nachlass, der zunächst von Johann Georg Sulzer gesichtet und nach dessen Tod von Johann (III) Bernoulli geordnet, bearbeitet und zum Teil herausgegeben wurde. Die Nachlass-Edition kam aber nicht wirklich weit und wurde 1787 abgebrochen. Durch den Tod seines Vaters, Johann (II) Bernoulli, gelangte Johann (III) Bernoulli in den Besitz des Nachlasses seiner berühmteren Vorfahren; er verkaufte die Korrespondenz seines Großvaters, Johann (I) Bernoulli an die Stockholmer Akademie der Wissenschaften und die verbleibenden Bernoulliana an die herzogliche Bibliothek in Gotha, und zwar zusammen mit dem ihm zur Verfügung stehenden Lambert-Nachlass. Nachdem dieser dort so gut wie vergessen war, gelangte er im Zuge der Bernoulli-

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Edition 1937 nach Basel. Gotha hatte die Bernoulli-Papiere verkauft und den Lambert-Nachlass als Teil der Gothaer Bernoulliana mitgegeben. Dort liegt er noch heute.2 In diesem Basler Nachlass befindet sich die Rede Die Nothwendigkeit der Religion in einem Staate, die im Unterschied zu anderen Schriften des Nachlasses von Lambert auch genau so betitelt wurde. Die Rede ist nun Teil des zehnten Bandes der von Hans Werner Arndt und nach dessen Tod von Lothar Kreimendahl edierten Philosophischen Schriften von Johann Heinrich Lambert. Nach Angaben der Bandherausgeber, Armin Emmel und Axel Spree, gehört die Rede zu zwei Codices, die vorwiegend Entwürfe geistlicher Dichtungen und Predigten enthalten. Aus diesen Codices haben sie vier Texte – darunter die fragliche Rede – ausgewählt, die – wie es heißt – »philosophische Themen […] wenigstens berühren oder eine philosophische Herangehensweise […] zeigen«.3 Aufgrund entsprechender Eintragungen in Lamberts Monatsbuch, in dem Lambert seit 1752 zuverlässig seine Arbeit notiert hatte, datieren die Herausgeber den Text und eine dazugehörige weitere, als »Entwurf« bezeichnete Fassung auf Januar bzw. August 1753 und halten zusätzlich fest, dass Lambert in einem im Dezember 1750 an den Mülhausener Pfarrer Peter Rißler gerichteten Schreiben Überlegungen anstellt und dabei Namen nennt, die durchaus zu der späteren Rede passen.4 Der Text – um den es im Folgenden gehen wird – ist also ganz offenkundig das Produkt von Überlegungen, die ein noch vergleichsweise junger Mann, nämlich ein kaum 25-Jähriger, angestellt hat, und fällt in eine Zeit, als Lambert im Hause des Reichsgrafen Peter von Salis im schweizerischen Chur den Dienst eines Hofmeisters der Enkel des Reichsgrafen versah.5

|| 2 Vgl. zur Geschichte von Lamberts Nachlass ausführlich Armin Emmel, Axel Spree: Einleitung. In: LPS X,1, S. IX‒XVIII. 3 Ebd., S. LXXVII. Siehe auch Karl Bopp: Johann Heinrich Lamberts Monatsbuch mit zugehörigen Kommentaren, sowie mit einem Vorwort über den Stand der Lambertforschung (Abhandlungen der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-physikalische Klasse). München 1915, S. 12 sowie Johann Heinrich Lambert: Philosophische Schriften. Supplement. Johann Heinrich Lamberts Monatsbuch. Neu herausgegeben, eingeleitet und mit Verzeichnissen zu Lamberts Schriften, Briefen und nachgelassenen Manuskripten versehen von Niels W. Bokhove und Armin Emmel. 2 Bde. Hildesheim, Zürich, New York 2020 (LPS Suppl.). 4 Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin, Dessau 1782, Bd. 2, S. 9. 5 Vgl. dazu: Matthias Graf: Johann Heinrich Lambert’s Leben. In: Daniel Huber: Johann Heinrich Lambert nach seinem Leben und Wirken aus Anlaß der zu seinem Andenken begangenen Secularfeier in drei Abhandlungen dargestellt. Basel 1829, S. 9–11, zu Lamberts Schülern in Chur siehe S. 51f., sowie Felix Humm: J. H. Lambert in Chur. Chur 1972, S. 22–81.

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2 Der Text gehört demnach in die Lebensphase, bevor Lambert publizistisch in Erscheinung treten sollte. In dieser frühen Zeit hatte sich Lambert – wie Emmel und Spree bemerken – auch mit Fragen der Moral und der Religion befasst, diese allerdings, verwurzelt im »überkommenen Glauben«, entschieden in eine religiöse Perspektive gestellt, die keinen Zweifel daran lässt, »dass eine philosophische Problematisierung der christlichen Lehre ihm geradezu als Irrweg erschien«6. Lamberts Religiosität, die im Hause der Familie von Salis eine pietistische Wendung und Vertiefung erhalten haben soll,7 wird in der Literatur verschiedentlich erwähnt. In dem Lambert betreffenden Artikel des Dictionary of eighteenth-Century German Philosophers ist sogar einigermaßen dramatisch von »two conflicting traits« im Charakter von Lambert die Rede: »[O]n the one hand, the habit of analysing and calculating everything, maintaining strict order in his thoughts and ideas; and on the other, a deep feeling of dependence on God (which he never publicly displayed).«8 Diese tiefe religiöse Bindung war offenbar nicht nur ein frühes Phänomen in Lamberts intellektueller Entwicklung, sondern war auch noch später in Berlin auffällig, ja wurde sogar bisweilen für nicht unproblematisch gehalten. Immerhin zögerte Bernoulli, Schreiben in seine Ausgabe von Lamberts deutschen gelehrten Briefen aufzunehmen, in denen dessen religiöse Empfindungen ungefiltert zum Ausdruck kamen. Weil – so schreibt Bernoulli – die »Denkungsart in Religionssachen […] zu unserer Zeit und besonders bey dem größten Theil derjenigen Menschen, die auf mehrere Aufklärung des Geistes Anspruch machen,« erwarten ließ, dass Lamberts religiöse Bekenntnisse mindestens Unverständnis hervorrufen würden, fürchtete er, »den würdigen Lambert der Verspottung« und sich selbst »dem Tadel auszusetzen«.9 Zur Versicherung seiner selbst und seiner Leser gab er bei Christoph Heinrich Müller ein tatsächlich auch abgedrucktes Gutachten in Auftrag, das Lambert insofern Unbedenklichkeit bescheinigt, als es eine beruhigende Entwicklung nachzeichnet, die von einer frühen pietistischen Frömmigkeit zu einer Art Theismus reiche. Behauptete doch Lambert – nach Auskunft von Müller, der mit Lambert befreundet war und häufiger mit ihm über religiöse Dinge gesprochen hatte –, dass der feste Glaube an ein höchstes Wesen und die Anbetung desselben »einzig seine Religion gewesen [seien], ohne daß er wenigstens in den letzten Jahren seines Lebens es sich zum Geschäfte gemacht, die Eigenschaften dieses höchsten Wesens

|| 6 Emmel, Spree: Einleitung (s. Anm. 2), S. LXXVII. 7 Siehe dazu etwa Graf: Lambert’s Leben (s. Anm. 5), S. 42 sowie Humm: Lambert in Chur (s. Anm. 5), S. 33. 8 Paola Basso: [Art.] Lambert, Johann Heinrich (1720‒1777). In: Dictionary of Eighteenth-Century German Philosophers. Hg. von Heiner F. Klemme und Manfred Kuehn. Bristol 22016, S. 451. 9 Lambert: Briefwechsel (s. Anm. 4), S. IX.

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zu entwickeln und in einen Zusammenhang zu bringen«. Und guten Mutes fügt Müller noch abschließend hinzu: »Vielleicht würde er wie Sulzer es gethan haben, wenn der Tod, den er noch fern glaubte, ihn nicht überrascht hätte«.10 Für den vorliegenden Zusammenhang, d. h. für die Frage nach Lamberts Auffassung von der Bedeutung der Religion für moralische oder rechtliche Fragen während bzw. im Vorfeld der 1753 entstandenen Rede, ist der bereits erwähnte Brief aufschlussreich, den der junge Lambert im Dezember 1750 an den Mülhausener Pfarrer Peter Rißler geschickt hatte, nachdem sich dieser bei Lamberts Mutter nach dessen Studien erkundigt hatte. Lambert verweist in seinem Bericht auf den Nutzen der mathematischen Wissenschaften für die Ausbesserung des Verstandes und behauptet, diese würden auch den »Grund zur Verbesserung des Willens« legen. Doch räumt er sogleich ein, dass zur Verbesserung des Willens, die Kenntnis dessen nötig sei, »was würcklich gut oder böse sey«, damit wir nämlich »nicht Scheingüter für das wahre gute erwählen, und uns durch den Satan, die Welt und unsere eigene Leidenschaften blenden lassen«. Er habe es daher nicht unterlassen, die »Sittenlehre der heiligen Schrift zu betrachten«, und weil er »hernach des Pufendorfs Büchlein von der Pflicht des Menschen und des Bürgers nebst andern philosophischen Moralen« gelesen habe, hatte er Gelegenheit, »den Vorzug der göttlichen Sittenlehre vor den andern deutlich genug einzusehen«, und »sich derselben mit desto mehrerm Ernste zu ergeben«.11 Damit ist das entscheidenden Stichwort, das dann auch in der Rede wiederkehren wird, bereits benannt: In aller Deutlichkeit wird die Dominanz der Religion in Fragen der praktischen Philosophie behauptet, wobei das Verhältnis zu naturrechtlichen Konzepten der Zeit hier noch unklar bleibt. Denn der Hinweis auf Pufendorf kann zweierlei bedeuten: Pufendorfs De officio hominis et civis könnte entweder positiv – etwa mit einem freilich missverständlichem Blick auf die darin ausgeführten »officia erga Deum« und deren normativen Folgen – als Unterstützung für die theoretische Wertschätzung der »göttlichen Sittenlehre« in Anspruch genommen werden, oder aber – negativ, und d. h. mit Rücksicht auf Pufendorfs klare Abweisung moraltheologischer Begründungen – als Beispiel für die Defizite nichtreligiöser Moralen ins Feld geführt werden. Welcher Lesart Lambert folgt, mag an dieser Stelle noch undeutlich sein, doch ist bereits klar, dass ein Naturrecht, das seine Normen aus anderen Quellen als aus der Heiligen Schrift bezieht, geltungstheoretisch nichts zur Sache tut. Indem die Rede – wie schon der Titel nahelegt – die Notwendigkeit der Religion in einem Staat behauptet, darf man erwarten, dass sie nicht nur das Verhältnis von Staat und Religion klärt, sondern auch, und zwar mit Blick auf die Vorgaben Pufendorfs, die theoretische Funktion des Naturrechts ge-

|| 10 Ebd., S. XXI. 11 Ebd., S. 9.

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nauer bestimmt, die diesem bei der Verhältnisbestimmung von Religion und Staat zukommt.

3 Ob Lambert seine Rede 1753 tatsächlich gehalten hat, lässt sich nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge allenfalls vermuten. Weil er während ihrer Entstehungszeit Mitglied der »Gelehrten Gesellschaft« in Chur war, ist es gut möglich, dass Lambert seine Rede eben dieser gelehrten Gesellschaft vorgetragen hat.12 Immerhin weist der Text etwa mit direkten Ansprachen an das Publikum – »meine Herren« (Frauen sind natürlich nicht anwesend) – typische Textsignale einer Rede auf, sie ist gedanklich – zumindest auf den ersten Blick – gut geordnet, sachlich stringent durchgeführt und lässt auch sprachlich erkennen, dass der junge Redner zweifellos über eine besondere Begabung verfügt. Ausgangspunkt für Lamberts Überlegungen sind ein allgemein für evident gehaltener Befund und seine im Einzelnen auszuführenden Zweifel daran. Evident ist, dass sich ein »jeder gegen sich selbst und gegen andere nach gewissen Regeln aufführen müsse, die ihm eine unumgängliche Verbindlichkeit notwendig macht«. Entsprechend werden allgemein die »Güter und Glückseligkeiten, Friede und Gerechtigkeit, Ruhe und Wohlfahrt, Reichtum und Überfluß, Ordnung und Tugend«13 eines Volkes »den Gesetzen und deren strenger Beobachtung« zugeschrieben. Doch genau daran zweifelt Lambert, er will daher demgegenüber zeigen, dass »die Gesetze nur Mittel seien, in einem Staate Vorteile zu erhalten«, die tatsächlich und genaugenommen nicht den Gesetzen selbst, sondern »der Religion ursprünglich zukommen«.14 Bestritten wird der normative Eigenwert der Gesetze und behauptet wird, dass Gesetze »ohne die Religion« weder über »Kraft noch Vorzüge« verfügten. Das damit aufgeworfene Problem ist bekanntlich die entscheidende obligationsthe-

|| 12 Nach Angaben von Felix Humm wurde Lambert in der Frühzeit seines ersten, 1748 beginnenden Aufenthalts in Chur in die »Gelehrte Gesellschaft« aufgenommen. Das Historische Lexikon der Schweiz gibt als Gründungsjahr dieser »Gelehrten Gesellschaft« das Jahr 1749 an, wobei festgehalten wird, dass Lambert als ihr Leiter fungiert habe. Vgl. Emil Erne, Andrea Weibel: »Gelehrte Gesellschaften«. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS). Version vom 12.06.2012. https://hls-dhsdss.ch/de/articles/016423/2012-06-12/ (zuletzt aufgerufen 18.09.2021). Über die Frühzeit dieser Gesellschaft lässt sich – nach den Recherchen von Felix Humm – kaum etwas ermitteln, zwar verschaffen die im Graubündner Tscharner-Archiv verwahrten Manuskripte von Johann Baptista von Tscharner einen Eindruck von ihrer Tätigkeit, doch findet Lamberts Rede Die Nothwendigkeit der Religion in einem Staate dort offenbar keine Erwähnung. Vgl. Humm: Lambert in Chur (s. Anm. 4), S. 50f. 13 Lambert: Die Nothwendigkeit der Religion in einem Staate (s. Anm. 1), S. 990. 14 Ebd.

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oretische Frage des Zeitalters, nämlich die Frage nach dem Grund normativer Verbindlichkeit, verbunden mit der praktischen Frage nach den Voraussetzungen und Bedingungen der Normverwirklichung. Auch wenn Lambert keinen substanziell weiterführenden Beitrag zu dieser Diskussion liefert, so könnte seine Wortmeldung allerdings insofern symptomatisch sein, als sie vorführt, was in bestimmten Kreisen zu einer bestimmten Zeit noch – oder vielleicht auch: wieder – denkbar war. Lambert geht in seiner knappen Untersuchung dem Vorgeben nach in drei Schritten vor, die er in drei vorausgeschickten Sätzen skizziert: I. Werde ich zeigen, daß die geringste unter den Vortrefflichkeiten der Religion darin bestehe, daß sie einem jeden Staate, allen bürgerlichen Gesellschaften unentbehrlich sei; II. daß ohne die Religion in einem Staate die Gesetze sehr wenige, wo nicht gar keine Kraft und Vorzüge haben; III. daß die Gesetze ihren Ursprung, ihre Vollkommenheit und wesentlichsten Vorzüge der Religion zu danken haben.15

Was sich hier als systematisch, d. h. als stringent argumentierend präsentiert, ist es bei näherem Zusehen schon etwas weniger, die sachlichen Überschneidungen der drei Punkte sind mit den Händen zu greifen, und am Ende läuft alles auf nur ein einziges Argument zu, das die Funktion der Religion für die Begründung und die Geltung von Gesetzen behauptet. Jenseits der von Lambert ankündigten drei Schritte, geht die folgende Darstellung ebenfalls in drei Schritten vor, es sind allerdings andere: 1. wird der Kern des obligationstheoretischen Arguments rekonstruiert, 2. die Frage nach der Herkunft der materialen Normen beantwortet und 3. der Begriff und die Funktion des von Lambert eingeführten Naturrechts diskutiert. 1. Die wichtigste Wirkung einer jeden Religion, die immer gegeben ist, wenn die Existenz Gottes – eines, sogar irgendeines Gottes – geglaubt wird und dieser Glaube auch praktiziert wird, sieht Lambert in der innerlichen Bindung des Gewissens. Denn ohne Religion dürfe »man nur nicht hoffen, daß das Gewissen über die Menschen einige Gewalt haben und sie verbinden werde, böse Handlungen zu unterlassen. Treu und Glauben werden weiter nichts als bloße Wirkungen des Zwangs der Gesetze sein und dieses nur alsdenn, wenn man denselben nicht entgehen kann. Und wer« – so fragt Lambert ‒ will sodann den Menschen wahrhafte Geständnisse abdringen, wer will sie zur Beobachtung der feierlichsten Verheißungen bewegen, wenn der sonst so wichtige Eid, der zugleich mit der Religion aufhört, von keiner Kraft mehr ist?«16

Die Bindungswirkung von Nutzen und Strafen ist Kontingenzen unterworfen, die der Wirkung von Gesetzen Abbruch tun. Das auf den Nutzen zielende Gesetz ver-

|| 15 Ebd., S. 990f. 16 Ebd., S. 992.

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pflichtet dann nicht mehr, wenn der Nutzen sich nicht mehr einstellt, Gesetze werden so wie »nützliche Sachen gebraucht, z. E. Wasser zum Waschen, Steine zum Bauen […] usw. Sobald man ihrer nicht mehr bedarf oder selbige gebraucht und abgenützt sind, wirft man sie weg«.17 Die Bindungswirkung von Strafen hängt dabei von zweierlei ab: von der Klugheit des Delinquenten, der schlau genug ist, sich der Strafe zu entziehen, und von der je aktuellen »Macht« des Gesetzgebers, der die Gesetze und ihre Durchsetzung handhaben soll. Lambert zielt demgegenüber auf eine Normtreue, die im Inneren des Normadressaten angelegt ist und ohne permanente Kontrolle von außen wirksam ist. Die Frage ist freilich, wie die Bindungswirkung der Religion tatsächlich zustande kommt. Erstaunlich ist nun, dass abgesehen von Beteuerungen, wie, die Religion bewirke, »daß man die Gesetze als eine geheiligte Sache« ansehe, Lambert keine wirklich theoretischen, nicht einmal theologische Argumente mobilisiert, sondern alles auf ein bloß pragmatisches Argument zulaufen lässt. Und das besteht darin, dass die Lückenhaftigkeit irdischer Justiz durch die Unvermeidlichkeit jenseitiger Verurteilung kompensiert wird. Denn – so sein eher aus der Geschichte bezogenes Argument – die ursprünglich freien Normadressaten der unterschiedlichsten Länder hätten ihre Gesetze nur deswegen angenommen, weil sie klar gesehen hätten, »daß sie« – also die Gesetze – »sich auf die Religion gründen, daß darin befohlen würde, ein Wesen zu fürchten, zu verehren, welches die Übertreter der Gesetze strafen könne und strafen werde«.18 Verfängt die Furcht vor der irdischen Strafe deswegen nicht, weil man ihr durch Geschicklichkeit entgehen kann, so gilt dies für die jenseitige eben nicht: Die Strafe Gottes ist unvermeidlich und die Furcht vor ihr ist daher geradezu notwendig wirksam. Der für die Bindungswirkung unter irdischen Verhältnissen zurückgewiesene Straftopos wird ins Jenseits verschoben und dadurch insofern verschärft, als man der Strafe unter keinen Umständen entgehen kann. Diese Verschärfung als Unausweichlichkeit soll seine Wirksamkeit garantieren. Eine Verpflichtung – das wird an dieser Stelle deutlich – mag zwar vom göttlichen Willen ausgehen, die Wirksamkeit des Gesetzes verdankt sich aber nicht der auferlegten Obligation, sondern letztlich dem Kalkül, nur durch Gesetzestreue straflos zu bleiben. »Was vermögen« – so fragt Lambert rhetorisch – denn »die Gesetze allein über den Menschen, wo es nicht die Furcht vor unvermeidlichen Strafen ist«?19 Und er hält noch einmal bekräftigend fest, dass »aus allem bisher Gesagten« nur der eine richtige Schluss zu ziehen sei, »daß die Gesetze ohne die Religion nicht nur kein Ansehen, keine Kraft, keine Verbindlichkeit haben, daß sie nicht nur alle ihre Stärke, alle ihre Dauerhaftigkeit von der Religion hernehmen müssen, sondern daß sie ohne die Religion keine oder doch wenigstens

|| 17 Ebd., S. 993. 18 Ebd., S. 996. 19 Ebd., S. 999.

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sehr elende Gesetze sein können«.20 Voraussetzung dafür ist freilich der praktizierte Glaube an einen Gott und – das wird von Lambert gar nicht eigens erwähnt, vermutlich hält er es für eine Selbstverständlichkeit – die mit dem Glauben verbundene Überzeugung von der Unsterblichkeit der Seele. Teilt man diese Voraussetzungen nicht, gibt es ein Problem, das Lambert zu lösen versucht, indem er die Voraussetzungen – zumindest vordergründig – von der Bindung an christliche Glaubensinhalte löst und zudem – mit Hilfe eines historischen Arguments – allen Völkern zu allen Zeiten einen Glauben an irgendeinen Gott unterstellt. 2. Damit diese Minimalvoraussetzung für die beschriebene Funktion der Religion im Staat überall und jederzeit gegeben ist, verlangt Lambert nämlich lediglich einen »bloßen« und nicht notwendigerweise den »richtigen« Glauben.21 Indem auf diese Weise auch Völker einbezogen werden können, die außerhalb Europas »in der größten Dummheit leben und sich den Gott, den sie glauben, irrig vorstellen«,22 soll die Gültigkeit und die Funktionstüchtigkeit seiner Auffassung gesichert werden. Diese Toleranz hört sich auf der abstrakten Ebene des Modells zunächst offen und einigermaßen (wert)neutral an, ist es aber bei näherem Zusehen insofern doch nicht, als Lambert nicht nur die Verbindlichkeit der Gesetze mit der Religion verknüpft, sondern auch ihren materialen Gehalt, denn – so stellt er fest – »alle Geschichten erweisen unwidersprechlich, daß in denen Ländern die Gesetze gerechter und vortrefflicher gewesen, wo man von Gott bessere Erkenntnis gehabt«.23 Die »Amerikaner« – also die amerikanischen Ureinwohner – haben nur wenige Gesetze, eigentlich meint Lambert »schlechtere« Gesetze, was darauf zurückzuführen ist, dass sie eben »eine schlechtere Erkenntnis von Gott« haben.24 Indem Lambert schon zwischen irrigem und richtigem Glauben unterschied und sie mit der Differenz zwischen schlechtem und gutem Glauben bekräftigt, etabliert er eine Wertung, die – wie nicht anders zu erwarten war – perspektivisch auf eine Auszeichnung der christlichen Religion als wahre Religion zuläuft. Lambert lässt daran keinen Zweifel, wenn er seinem Auditorium versichert, dass »wir Christen« nicht besorgt sein müssten, von Eigenliebe geblendet zu sein, »wenn wir uns der besten Gesetze zugleich mit der besten Erkenntnis Gottes rühmen«.25 Die auf christlicher Basis erlangte avancierte Erkenntnis der Allmacht, Weisheit, Güte und Liebe, also aller »unendlichen Vollkommenheiten des großen Schöpfers«, lehre einzusehen, »wie dieses unendliche Wesen sich gegen die Menschen gütig, gerecht, liebreich, barmherzig und heilig erweist«.26 Indem dadurch ein Verständnis von »Vollkommenheiten« || 20 Ebd. 21 Ebd., S. 991. 22 Ebd. 23 Ebd., S. 996. 24 Ebd. 25 Ebd. 26 Ebd., S. 997.

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erreicht wird, werden die Menschen in die Lage versetzt, sich entsprechend bessere Regeln und Gesetze zu geben, wodurch sie ihrem »verlorenen Ebenbild dem unendlichen Urbilde, Gott, ihrem Schöpfer und Guttäter wiederum ähnlich« werden und sich damit »vollkommen und glückselig machen können«.27 Die auf diese Weise von Lambert anvisierte Perspektive geht dann doch recht weit; insofern ist nicht ausgeschlossen, dass sein dem Pietismus nahestehender Arbeitgeber diesem ‒ wohl wolffianisch inspirierten ‒ Vollkommenheitsenthusiasmus mit einer gewissen Reserve begegnete. Auch wenn Lambert sich in diesem Zusammenhang verschiedentlich auf Vernunft und Erfahrung bezieht, so sind die damit verbundenen Erkenntnisse tatsächlich immer nur sekundär; primär und damit entscheidend ist dagegen die Erkenntnis, die unmittelbar von Gott kommt. So wird – wie Lambert darlegt – zwar die Auffassung der Christen, ihre Gesetze seien die besten, weil sie die unmittelbare Folge der besten Erkenntnis Gottes darstellten, von der »Vernunft nach den strengsten Regeln« gutgeheißen. Doch ist es nicht diese Bestätigung, die die Christen dazu zu Recht veranlasst, sich der Kombination von besten Gesetzen und bester Gotteserkenntnis zu rühmen, sondern das Wissen, »daß Gott sie [d. h. die Gesetze] uns gegeben hat«. Denn – so hält Lambert noch einmal ausdrücklich fest – »[w]elche Gesetze, welche Erkenntnis kann vortrefflicher sein, als die, so uns der allwissende und weiseste Gott lehrt?« Um Erkenntnis geht es bei Lambert hier allemal, doch beruht diese Erkenntnis nicht auf der Vernunft, sondern auf der unmittelbaren Weisung Gottes, die dem Menschen – wie Lambert kurz darauf unmissverständlich klarstellt – durch die göttliche Offenbarung, d. h. durch die Heilige Schrift zu Teil wird. Wenn Lambert also die Religion für die geltungstheoretische Begründung von Gesetzen in Anspruch nimmt, ist es nicht die vernunftbasierte natürliche Religion, die hier gemeint ist, sondern ganz explizit – und das gilt es festzuhalten – die Offenbarungsreligion. Dies wird auch durch die knappen Ausführungen bestätigt, die Lambert dem Naturrecht widmet. 3. Während der Lektüre des kleinen Textes nimmt man verwundert zur Kenntnis, dass eine diskurstechnisch naheliegende Auseinandersetzung mit der in Lamberts Zeit ausgesprochen lebhaften und in vielerlei Hinsicht dominierenden Naturrechtsdebatte zunächst nicht stattfindet. Als sich Lambert dann doch unvermittelt dem Naturrecht zuwendet, sind die maßgeblichen theoretischen Entscheidungen längst getroffen, so dass die Einbeziehung naturrechtlicher Positionen nur möglich ist, indem er den theoretischen Anspruch eines sich im 18. Jahrhundert mit unterschiedlichen Akzenten und in einzelnen Schüben säkularisierenden Naturrechts durch eine offenbarungstheologische Umdeutung in seine Sichtweise zu integrieren sucht. Naturrecht wird dabei als Mittel der Bestätigung instrumentalisiert: Alles, was er in »Ansehung aller Gesetze erwiesen« habe – so behauptet Lam|| 27 Ebd.

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bert – lasse sich aus der »Geschichte des Naturrechts »unverwerflich erweisen«.28 Lambert konzediert die Bedeutung des Naturrechts durch die Feststellung, dass das Naturrecht allen anderen Gesetzen zu Grunde gelegt werden muss, und er weiß auch, dass in den »neueren Zeiten« das Naturrechtsdenken ganz entschiedene Fortschritte gemacht hat, wobei er – in Übereinstimmung mit der geläufigen Lesart – Hugo Grotius für denjenigen hält, dem »der unsterbliche Ruhm vorbehalten ist«, »dieser trefflichen Wissenschaft […] ihren rechten Glanz verschafft« zu haben.29 Frage man aber nach den Quellen, aus denen Grotius geschöpft habe, so würde er – nach Lamberts Überzeugung – »aus wahrem Eifer für die göttliche Offenbarung, uns auf die Heilige Schrift weisen und uns dieselbe als das göttliche Orakel ansehen machen, welches er bei Verfertigung und Festsetzung der Gründe und unvergleichlichen Lehren seines unschätzbaren Buches Von dem Recht des Krieges und Friedens befragt hatte!«30 Erst die göttlichen Lehren – so Lambert wenig später – hätten Grotius dabei zuverlässig geholfen, aus der sich widersprechenden Vielfalt naturrechtlicher Meinungen ein »vortreffliches Lehrgebäude« zu schaffen. Es liegt auf der Hand, dass diese Überlegungen in keiner Weise mit den theoretischen Annahmen in Einklang zu bringen sind, die Grotius etwa in seinen »Prolegomena« zu De iure belli ac pacis expliziert hat,31 gleichwohl hat es im 17. Jahrhundert häufiger Versuche gegeben, Grotius in den theoretischen Kontext einer theologischen, d. h. christlichen Normbegründung einzubinden und von da aus zu funktionalisieren.32 Nach den Auseinandersetzungen, die Samuel Pufendorf und Christian Thomasius geführt hatten, wurde eine Naturrechtsbegründung auf der Basis der Offenbarungstheologie allenfalls in Ausnahmefällen versucht, wobei klar ist, dass theonome Begründungen im Rahmen einer vernunftbasierten Theologia naturalis – etwa im Anschluss an Pufendorf – selbstverständlich weiterhin Konjunktur hatten. Lamberts explizit formulierte Vorstellung, die »größte Vollkommenheit des Rechts der Natur« sei der »Heiligen Schrift« zuzuschreiben und jeder, der im Naturrecht etwas leisten wolle, müsse »wie Grotius« nicht nur ein trefflicher Jurist, sondern auch ein »großer

|| 28 Ebd., S. 998. 29 Ebd., S. 998. Vgl. dazu Frank Grunert: Von der Morgenröte zum hellen Tag. Zur Rezeption von Hugo Grotius’ De iure belli ac pacis in der deutschen Frühaufklärung. In: Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte 3/4 (2003), S. 204–221. 30 Lambert: Die Nothwendigkeit der Religion in einem Staate (s. Anm. 1), S. 998. 31 Vgl. dazu anstelle der nur noch schwer zu überblickenden Literatur: Christoph Link: Hugo Grotius (1583–1645). In: Politische Theorien des 17. und 18. Jahrhunderts. Staat und Politik in Deutschland. Hg. von Bernd Heidenreich und Gerhard Göhler. Mainz 2011, S. 74f. 32 Vgl. dazu etwa Hans-Peter Schneider: Justitia universalis. Quellenstudien zur Geschichte des »christlichen Naturrechts« bei Gottfried Wilhelm Leibniz. Frankfurt a. M. 1967.

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Theologe«33 sein, hat in der Naturrechtsdiskussion in den 1750er Jahre freilich keinen Rückhalt mehr.34

4 Greift man Lamberts oben erwähnten Hinweis auf seine eigene Pufendorf-Lektüre auf und vergleicht seine Ausführungen mit den entsprechenden Stellen in Pufendorfs 1673 erstmals erschienenem Lehrbuch De officio hominis et civis, dann wird rasch deutlich, dass Lambert in der Tat eine ganze Reihe von Anregungen aufgreift, die er freilich auch bei anderen Autoren hätte finden können. Dazu gehört insbesondere die Vorstellung, von der disziplinierenden Funktion der Religion: Sowohl Pufendorf als auch Lambert sind entschieden der Auffassung, dass erst durch die Einsicht, dass das Gesetz sich letztlich dem Willen Gottes verdankt35 und jede Übertretung spätestens im Jenseits die Strafe Gottes nach sich zieht und insofern disziplinierend wirkt, als dadurch – bei den Bürgern ebenso wie bei der Obrigkeit – ein Gewissen geschaffen wird, das als innerliche Steuerungsinstanz des Menschen fungiert und sein Wohlverhalten von äußerlichen Kontingenzen – wie die lückenlose Realisierung der staatlichen Strafgewalt – unabhängig macht. Nur durch die Religion sieht der Mensch ein, dass keine Normübertretung ungeahndet bleibt, die damit stets aktuelle Furcht vor der sicheren Strafe Gottes soll zuverlässig seine Normentreue motivieren.36 Der entscheidende Unterschied ist freilich, dass Pufendorf ausdrücklich sein Naturrecht auf die Gotteserkenntnis der natürlichen Vernunft basiert und ohne offenbarungstheologische Anleihen auskommt. Im Sinne der von ihm betriebenen ausdrücklichen Separierung des Naturrechts von der Moraltheologie37 ist die Offenbarungstheologie für naturrechtliche Fragen nicht zuständig, ihr

|| 33 Ebd., S. 999. 34 Vgl. zur gesamten Diskussion Diethelm Klippel: Naturrecht / Rechtsphilosophie. In: Handbuch Europäische Aufklärung. Begriffe, Konzepte, Wirkung. Hg. von Heinz Thoma. Stuttgart 2015, S. 371– 384 sowie Gerald Hartung: Die Naturrechtsdebatte. Geschichte der Obligatio vom 17. bis 20. Jahrhundert. Freiburg/Br. 21999. 35 Lambert bezieht dies offenbar direkt auf das positive Gesetz, während Pufendorf die Bindungswirkung des menschlichen Gesetzes mittelbar vom gottgestifteten Naturrecht ableitet, das ausschließlich mit den Mitteln der natürlichen Vernunft einsehbar ist. 36 Vgl. dazu Samuel Pufendorf: Gesammelte Werke. Hg. von Wilhelm Schmidt-Biggemann. Bd. 2: De officio hominis et civis juxta legem naturalem libri duo. Hg. von Gerald Hartung. Berlin 1997, S. 26f. Dt.: Samuel Pufendorf: Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur. Hg. und übers. von Klaus Luig. Frankfurt a. M. 1994, S. 56f. 37 Pufendorf: De officio (s. Anm. 36), S. 5, S. 24, S. 26; Pufendorf: Über die Pflicht (s. Anm. 36), S. 13, S. 56f. Vgl. dazu Simone Zurbuchen: Naturrecht und natürliche Religion. Zur Geschichte des Toleranzbegriffs von Samuel Pufendorf bis Jean-Jacques Rousseau. Würzburg 1991, bes. S. 6–46.

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obliegt die Sorge für das ewige Heil. Diese historisch maßgebliche Unterscheidung wird von Lambert wieder eingezogen. Insofern ist die von Lambert gehaltene Rede in gewisser Weise ein anachronistisches Kuriosum, an dem sich allenfalls ablesen lässt, was in gewissen Kreisen 1753 noch artikuliert werden konnte. Dass aus der Rede publizistisch nichts gefolgt ist, mag darauf hindeuten, dass dem Autor und vielleicht auch seinen Zuhörern der Wert der angestellten Überlegungen am Ende doch zweifelhaft war. Mit Blick auf Lambert selbst und sein Werk mag man noch fragen, ob er, der sich mit diesen Problemen offenbar nicht mehr befasst hat, später über die theoretischen Mittel verfügt hat, die eine sinnvolle, d. h. dem Stand der Diskussion angemessene Revision seiner frühen Überlegungen zugelassen hätten. Der Bericht von Christoph Heinrich Müller über Lamberts Religiosität am Ende von dessen Leben passt noch immer zu seinen frühen Auffassungen; insofern darf man annehmen, dass Lambert kaum geneigt war, von seiner religiösen Begründung für die Geltung und die Wirkung von Gesetzen Abstand zu nehmen. Gleichwohl ist nur allzu verständlich, dass er darauf verzichtete, diese Fingerübung eines begabten jungen Mannes zu veröffentlichen.

Michael Walschots

Lambert über die Moral und den moralischen Schein Es ist nicht zu bestreiten, dass Lamberts Werke sich vor allem auf mathematische Themen konzentrieren und dass seine philosophische Tätigkeit nur einen kleinen Teil seines schöpferischen Lebens ausmacht. Auch in seinen philosophischen Texten findet man eine Tendenz, philosophische Probleme in Verbindung mit mathematischen oder wissenschaftlichen Problemen zu diskutieren. Aus diesem Umstand könnte man schließen, dass Lambert sich schlichtweg gar nicht mit praktischen, d. h. moralischen Fragen beschäftigt habe. Wenn man aber seine philosophischen Texte, vor allem sein Neues Organon, die Architectonic und seine unveröffentlichte Antwort auf die Preisfrage der Berliner Akademie von 1761 ansieht, so ist sofort ersichtlich, dass ein solcher Einseitigkeitsvorwurf ein Fehler wäre. Wie fast jeder Philosoph der Aufklärung beschäftigt sich Lambert mit den verschiedensten philosophischen Fragen, auch wenn er nicht zu allen Themen gleich viel zu sagen hat. In der Forschungsliteratur aber findet sich fast nichts1 zur Moralphilosophie Lamberts. Im Folgenden soll daher dieser vergessene Teils seiner Philosophie ans Licht gebracht werden. Die folgende Darstellung und Erörterung besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil rekonstruiere ich Lamberts Konzeption der Moral im Allgemeinen. In der Moral fokussieren wir uns, Lambert zufolge, auf die Begriffe des Guten und Bösen; ebenso auf die Theorie der moralischen Beurteilung, d. h. wie wir das Gute vom Bösen unterscheiden. Ein wichtiger Teil der lambertschen Philosophie im Allgemeinen aber ist die Lehre vom Schein. Wie wir sehen werden, gibt es eine Art moralischen Scheins, bei der eine Sache nur gut scheint, aber nicht wirklich gut ist. Wenn wir uns mit moralischen Urteilen beschäftigen, dann ist es wichtig, zu bestimmen, ob eine Sache wirklich oder nur scheinbar gut ist. Im zweiten Teil diskutiere ich deswegen Lamberts Begriff des moralischen Scheins und die Mittel, wie wir diesen Schein vermeiden und zudem zuverlässig das Gute vom Bösen unterscheiden können. Hier will ich also die Hauptelemente der Moralphilosophie Lamberts skizzieren und erörtern. Damit soll auch, so meine Hoffnung, eine Lücke in der Historiographie der deutschen Moralphilosophie des 18. Jahrhunderts gefüllt werden.

|| 1 Meines Wissens gibt es nur einen Satz zur Moralphilosophie Lamberts in der Sekundärliteratur, siehe Lewis White Beck: Early German Philosophy. Cambridge 1969, S. 411: »In his ethics, which is a part of »agathology,« or »agathometry« (»the measurement of the good«), Lambert deals with the measurement and summation of pleasures and perfections and makes the beginnings towards a felicific calculus, but he has no place for commands and certainly none for God’s commands.« https://doi.org/10.1515/9711830647761-015

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1 Die Moral, das Gute und das Beste Betrachten wir zuerst Lamberts Konzeption von praktischer Philosophie im Allgemeinen. Die Besonderheiten der lambertschen Position werden dann besonders deutlich, wenn er sie mit der von Wolff vergleicht. Nach Lambert hatte Wolff »den practischen Theil der Weltweisheit nur in Absicht auf die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Vollkommenheiten des Menschen betrachtet«.2 Das Problem besteht hierbei darin, dass »das Objective, was nämlich von den Dingen selbst hergenommen ist, nicht weiter in Betrachtung gezogen wird, als in so fern es unter dem Begriffe des moralischen Guten und Uebels vorkommt.«3 Lamberts Einwand gegen Wolff ist deshalb, dass Wolff die praktische Philosophie zu eng definiert und sie auf die Themen der Moral beschränkt. Lamberts Meinung nach muss die praktische Philosophie jedoch breiter verstanden werden, sie soll nicht nur auf die Moral beschränkt werden: Das Practische geht auf das Finden und Thun, und in so fern steht es mit den Fähigkeiten des Verstandes und des Leibes in ungleich näherer Verbindung, als mit dem Willen, welcher eigentlich der Gegenstand der Moral ist.4

Hier betont er, dass die Moral keine Priorität im Bereich des Praktischen hat. So bietet Lambert eine viel breiter gefasste Definition der praktischen Philosophie an, die all die Themen »der Theorie der Möglichkeiten und Thulichkeiten«5 einschließt. Insofern ist die Moral mit der praktischen Philosophie nicht identisch. Während die Moral bei anderen Philosophen der Hauptbereich der praktischen Philosophie ist, so ist sie nach Lambert nicht notwendigerweise der wichtigste Teil. Wie ich im Folgenden erklären werde, ist die Moral lediglich derjenige Teil der praktischen Philosophie, der mit dem Willen und den Begriffen des Guten und Bösen zu tun hat. Wir finden eine relativ klare Konzeption der Moral in Lamberts handschriftlicher Antwort auf die Preisfrage der Berliner Akademie von 1761: »Sind die metaphysischen Wissenschaften derselben Evidenz fähig wie die mathematischen?« Seine Antwort, »Über die Methode die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen«, wurde posthum veröffentlicht.6 Wie der Titel suggeriert, reflektiert Lambert in diesem Text auf die Natur der Moral, auf die moralische Beurteilung und auf den Grad der Gewissheit in der Moral. Wie in diesem und in anderen Texten klar wird, fokussiert Lambert seine Moraltheorie auf den Begriff des Guten. In seiner Antwort

|| 2 Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic. Erster Band. Riga 1771, § 18. 3 Ebd. 4 Ebd. 5 Ebd., § 19. 6 Johann Heinrich Lambert: Über die Methode die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen. Hg. von Karl Bopp. Berlin 1918, S. 1.

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auf die Preisfrage macht er aber auch deutlich, dass er in der Untersuchung nicht bei den Begriffen anfangen will, sondern eher »bey der Sache selbst.«7 Er bemerkt folgendes: »Wir haben einen Willen und Begierden, und finden sie Gesetzen unterworfen, denen sie ebenso folgen wie der Verstand den seinigen.«8 Aber was sind das für Gesetze? Es handelt sich vor allem um solche Gesetze, die eine Beziehung zum Guten haben: »Das Gute ist für den Willen, was das Wahre für den Verstand ist. Und wie dieses die Vernunftlehre veranlaßt hat, so veranlaßt jenes eine ähnliche Wissenschaft, die wir die Wissenschaft des Guten nennen können.«9 In diesem Text hat diese Wissenschaft »keinen besonderen Namen,«10 aber später, in der Architectonic, nennt Lambert sie bei ihrem griechischen Namen, nämlich die »Agathologie.« Diese »Wissenschaft« hat zwei Teile: »Die Theorie dieser Wissenschaft solle uns lehren, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, u. ihr praktischer Theil solle uns Anleitung geben, Fertigkeiten in der Auswahl u. Begehren des Guten zu erlangen.«11 Lambert konzentriert sich auf das erste Thema, nämlich die Theorie, die uns dabei hilft, eine Unterscheidung zwischen dem moralisch Guten und Bösen zu treffen. Im Folgenden werde ich mich ebenfalls darauf konzentrieren, was man Lamberts Konzeption der moralischen Beurteilung nennen könnte, d. h. wie und warum wir die Begriffe des moralisch Guten und Bösen verwenden und worin solche Beurteilungen bestehen. Es kommt uns in unseren moralischen Beurteilungen zumindest auch und zum Teil auf die Natur des moralisch Guten an. Lambert trifft eine grundlegende Unterscheidung zwischen drei Arten des Guten. Erstens ist das Gute, in Bezug auf den Verstand, nichts anderes als »Ordnung und Vollkommenheit«.12 Zweitens und hinsichtlich der Empfindungen wird das Gute auch als »das Angenehme und Schöne« bezeichnet.13 Schließlich kann in Bezug auf »die Kräfte überhaupt« das Gute »das leichte oder minder Mühsame« heißen.14 Das Gute überhaupt, und deshalb auch jede dieser drei Arten desselben, hat also drei Dimensionen, nämlich »die Größe, die Stärke und die Dauer«.15 Lambert erläutert seinen Begriff des Guten weiterhin, indem er das Gute mit dem Begriff des Wahren kontrastiert: »Der Unterschied zwischen dem Guten u. Wahren besteht darinn, daß das Wahre keine Stufen hat. Es ist entweder wahr oder falsch, u. kann nicht im 2, 3 … grad wahrer sein etc. Durch 100 Beweiße ist der pythagorische Satz nicht wahrer als durch einen einigen.«16 Das

|| 7 Ebd., § 63. 8 Ebd., § 65. 9 Lambert: Architectonic. Erster Band (s. Anm. 2), § 66. 10 Lambert: Über die Methode (s. Anm. 6), § 81. 11 Lambert: Architectonic. Erster Band (s. Anm. 2), § 67. 12 Ebd. § 110. 13 Ebd. 14 Ebd. 15 Ebd., § 111. 16 Lambert: Über die Methode (s. Anm. 6), § 68.

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Wahre ist deswegen eine objektive Sache, die über die Zeit hinweg und zwischen verschiedenen Personen unveränderlich bleibt. Im Neuen Organon erklärt er: »Was an sich wahr ist, ist auch in jeden Umständen und für jeden Menschen wahr.«17 Fernerhin ist diese Eigenschaft des Wahren so zu erklären, dass das Wahre »eine absolute Einheit [ist], und unter allen Wahrheiten ist keine mehr oder minder wahr, als die andere.«18 Das Gute selbst hat diese Eigenschaften nicht. Ganz im Gegenteil: »Das Gute [hat] bis zum Unendl. Stuffen, so wohl an sich als in Vergleichung mit anderem Gute.«19 Im Unterschied zum Wahren ist das Gute also nicht binär, d. h. eine moralische Sache ist nicht einfach gut oder böse, zumindest nicht so, wie ein Urteil wahr oder falsch sein kann. Im Vergleich zum Wahren ist das Gute graduell zu denken, mit unendlich vielen und unendlich feinen Abstufungen.20 Wenn das so ist, dann gibt es kein höchstes Gut: »Das Größte Gute ist unendlich« und ist nach Lambert »bey endlichen Geschöpfen nicht zu finden«.21 Mit anderen Worten: obwohl wir das Wahre prinzipiell kennen bzw. erkennen können, so können endliche Geschöpfe doch ebenso aus prinzipiellen Gründen das größte Gut gerade nicht erkennen, weil die Grade des Guten ins Unendliche gehen. Obwohl wir als endliche Geschöpfe das unendliche größte Gut nicht kennen können, haben wir trotzdem einen Begriff des Besten. Wie Lambert in der Preisschrift sagt: Jeder Mensch hat ein bestimmtes Ziel des Lebens, u. Kräfte von bestimmtem Maaß. Die Summe des Guten dessen er in seinem Leben fähig ist, wird durch ihre Anwendung ebenfalls auf einen bestimmten Grad gebracht. Dieser Grad sollte unter allen der größte seyn. Es giebt hiebey ein maximum.22

Wo also das Wahre interpersonal unveränderlich bleibt, so variiert doch das Beste von Person zu Person. Nicht nur, weil die Lebenszeit jeder Person anders ist, sondern auch, weil unsere Fähigkeiten, unsere Ziele zu erreichen, in verschiedenem Maße entwickelt sind. Die Bestimmung des größten Gutes, das wir im Leben erreichen können, beruht auf unseren »Kräfte[n], Naturgaben und äußerliche[n] Umstände[n],« zumindest im Vergleich »mit der möglichen Dauer des Lebens«.23 So

|| 17 Johann Heinrich Lambert: Neues Organon. Zweyter Band. Leipzig 1764, Phänomenologie, § 131. 18 Lambert: Architectonic. Erster Band (s. Anm. 2), § 112. 19 Lambert: Über die Methode (s. Anm. 6), § 69. 20 Vgl. auch Lambert: Neues Organon. Zweyter Band (s. Anm. 17), § 130 und § 131; siehe auch Lambert: Architectonic. Erster Band (s. Anm. 2), § 112. 21 Lambert: Über die Methode (s. Anm. 6), § 71. 22 Ebd., § 78. 23 Lambert: Neues Organon. Zweyter Band (s. Anm. 17), § 131.

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bestimmt jeder seinen eigenen Begriff des Besten.24 Im Vergleich zum Wahren ist deshalb der Begriff des Besten relativ zur Person. Einerseits ist das Gute in Graden zu denken und kann im Prinzip ins Unendliche gesteigert gedacht werden. Der Begriff des Besten kann auch gesteigert gedacht werden, zudem ist das Beste, wie bereits gesagt, im Hinblick auf die jeweilige Person relativ. Andererseits aber schreibt Lambert, dass es das an sich Gute gibt. So heißt es in der Architectonic: »Das Gute hat irgend einen Anfang, das will sagen, es giebt etwas, welches schlechthin für sich zu begehren ist.«25 Auf diese Weise »ist nämlich das Gute dem Wahren ähnlich, als welches ebenfalls bey dem für sich gedenkbaren anfängt«.26 Es muss etwas Gutes an sich geben, denn sonst könnten wir unser Begehren nicht zufriedenstellend erklären: »Denn wenn A wegen B, B wegen C, C wegen D etc. zu begehren wäre, und dieses unendlich fortgehen sollte, so käme das, was man eigentlich zu begehren hätte, nirgends vor. Demnach muß irgend etwas für sich zu begehren seyn.«27 Wir benötigen diesen Begriff des an sich Guten, um zu erklären, was wir letztlich begehren, und um die sonst prinzipiell unendliche Serie der aufeinander verweisenden Gründe zu einem Abschluss zu bringen. Was gut an sich ist, das ist »die Realität« oder »die innere Güte des Einfachen«.28 Streng genommen beruht jede der drei Arten des Guten auf der Realität. Erstens kann das, was gut an sich ist, »die erste Anlage jeder zusammengesetzten realen Ordnung und Vollkommenheit« sein.29 In Bezug auf die zweite Art des Guten: »In dem Angenehmen und Schönen muß selbst Realität und Dauer seyn […], und das wahre Schöne ist an sich schon nur der sinnlich Abdruck der Vollkommenheit, die dabey zum Grunde liegen muß.«30 Und hinsichtlich der dritten Art des Guten: »Das Leichte oder das weniger Mühsame geht auf die Ersparung der Kräfte und des Soliden, und dieses beydes ist es eigentlich, was die Realität ausmacht.«31 In Bezug auf die dritte Art des Guten wäre der Punkt wie folgt zu verstehen: »Das Müde werden, und die damit verbundene widrige Empfindung, als eine Anzeige anzusehen«, ist eine Anzeige von zwei Arten der Realität. Damit ist erstens die Realität gemeint,

|| 24 Obwohl Lambert fast immer die Idee des Besten aus der Perspektive des Individuums diskutiert, erwähnt er gelegentlich auch die Idee des allgemeinen Besten, d. h. das, was für alle lebenden, denkenden Wesen gut ist. In der Architectonic z. B. schreibt Lambert folgendes: »Die Absicht einer Societät geht auf die Erreichung des allgemeinen oder gemeinsamen Besten«, und er meint auch, dass dieses »ohnehin der Gegenstand des Willens ist« (Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic. Zweyter Band. Riga 1771, § 555). 25 Ebd., § 484. 26 Ebd. 27 Ebd. 28 Ebd. 29 Ebd. 30 Ebd. 31 Ebd.

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»welche wir durch die Anwendung der Kräfte zu erhalten suchen, und [zweitens diejenige,] die wir durch diese Anwendung verlieren.«32 Wenn das Gute also eine solche Beziehung zur Realität hat, dann legt sich Lambert auf eine Art des moralischen Realismus fest: Unsere Begriffe des Guten und Bösen beruhen auf der Realität und sind in gewisser Weise Bezeichnungen von Umständen oder Tatsachen in der Welt. Auch wenn moralische Sätze nicht auf dieselbe Weise wie logische oder metaphysische Sätze objektiv gültig sein können, so können moralische Urteile dennoch auf eine Art ›wahr‹ sein, nämlich indem sie den in der Realität angelegten Grad des Guten zutreffend aufzeigen. Da das moralisch Gute eine Beziehung zur Realität hat, wird klar, dass Lambert die Annahme wohl ablehnen würde, dass moralische Urteile nur subjektive Zustände bezeichnen und nichts mit der äußerlichen Welt zu tun haben. Auch wenn der Begriff des »Besten« relativ zur Person zu definieren ist, muss doch die Realität eben dieser Person unterliegen. Damit legt Lambert sich auf eine fundamentale These des moralischen Realismus fest. Da er in seiner Darstellung der Beziehung zwischen moralischen Urteilen und der Realität stets sehr oberflächlich bleibt, lässt sich darüber nichts weiter sagen, wie die relativistischen und die realistischen Aspekte der Moral zusammengeführt werden könnten. Er fasst jedoch diese Aspekte seiner Moralphilosophie zusammen, wenn er sagt, dass »[o]hne Realität kein positives Gutes [ist]«.33 Zum Thema des Begriffs des Guten ist zudem zu sagen, dass das Gute auch eine besondere Beziehung zum Willen hat. Der Wille ist hier als eine von drei Kräften zu verstehen, über welche das menschliche Wesen verfügt. Neben dem Willen gibt es zudem noch die Kräfte des Verstandes und die bewegenden oder körperlichen Kräfte.34 Wenn Lambert über den Willen spricht, dann benutzt er bisweilen eine physikalische Terminologie, etwa die folgende: »Der Wille hat an sich eine Vis inertiae, und wird durch die Vorstellung des Guten, als durch Kräfte in Bewegung gesetzt, welche ihm gleichsam die Richtung und Geschwindigkeit geben.«35 Am wichtigsten hier ist aber, dass der Wille durch die Vorstellung des Guten in Bewegung gesetzt wird.36 Obwohl es schwierig ist zu bestimmen, was für eine Position Lambert hier konkret zuzuschreiben ist, so scheint er doch Wolffianer zu sein, etwa wenn er behauptet, dass der Wille notwendigerweise durch das bewegt wird, was der Verstand als das Gute versteht.37 In der Architectonic spricht er von einem »moralischen Zusammenhang«,38 der »auf die Kräfte des Willens [referiert], auf welchen die Vorstellung des

|| 32 Ebd. 33 Lambert: Architectonic. Erster Band (s. Anm. 2), § 110. 34 Vgl. auch Lambert: Architectonic. Zweyter Band (s. Anm. 24), § 373. 35 Ebd., § 410. 36 Siehe auch ebd., § 464 und § 560. 37 Siehe Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen. Fünfte Ausgabe. Frankfurt a. M., Leipzig 1733, § 421. 38 Lambert: Architectonic. Zweyter Band (s. Anm. 24), § 464.

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Guten einen Einfluß hat, und welcher sich zu Absichten und Mitteln und deren Gebrauch determinirt«.39 In der Tat ist es aber nicht nur die Vorstellung des Guten, welche den Willen determiniert. Wie Lambert relativ oft wiederholt, strebt der Wille nach dem Besten: »Wie demnach der Verstand schlechthin auf das wahre geht, so geht der Wille auf das beste. Dieses ist wenigstens sein natürliches Gesetz, welches nur in sofern abweicht, soferne das Beste nur eingebildet ist.«40 Ich werde im nächsten Abschnitt die Frage diskutieren, wie unsere Vorstellung des Guten eingebildet sein kann, wenn ich mich dem moralischen Schein zuwende. Hier ist es zuerst jedoch wichtig, hervorzuheben, dass unser Wille sich nur deshalb nach dem Besten ausrichtet, weil das Gute keine absolute Einheit hat, d. h. nur graduell repräsentiert werden kann. Der Wille strebt eigentlich nur nach dem Besten im Sinne von dem ›maximal Guten‹, welches, wie wir schon diskutiert haben, für jeden etwas anderes ist und das als eine Funktion der Dauer des Lebens, der Stärke unsere Kräfte usw. zu verstehen ist.

2 Über den moralischen Schein Wir haben gesehen, dass die Moral nur einen Teil der praktischen Philosophie ausmacht und sich mit den Begriffen des Guten, des Bösen und des Besten beschäftigt. Lamberts Wissenschaft des Guten, die Agathologie, hat aber auch den Zweck, nicht nur die Begriffe des Guten und Bösen zu definieren, sondern uns zudem dabei zu helfen, das Gute vom Bösen zu unterscheiden.41 In diesem Kontext ist es wichtig auszumachen, ob und inwiefern eine Sache nur scheinbar gut ist oder ob sie tatsächlich gut ist. Dieses Thema diskutiert Lambert in seinem Neuen Organon. Der Ausgangspunkt von Lamberts Neuem Organon ist folgender: »Der Verstand selbst beruhigt sich bey Zweifeln und Ungewißheit nicht. Es ist natürlich, daß er suche, Gewißheit zu finden.«42 Wir haben aber eine besondere Aufgabe, sobald wir merken, dass »die Wahrheit sich [dem menschlichen Verstand] […] öfters unter einem ganz andern Schein zeigte, von welchem er sie so wie von dem Irrthum zu unterscheiden hat.«43 Es ist deshalb Lamberts Ziel in der Phänomenologie, d. h. in der Lehre vom Schein, dieses Problem zu behandeln, »den Schein kenntlich [zu] machen, und die Mittel anzugeben, denselben zu vermeiden, und zu dem Wahren durchzudringen«.44 Insofern ist die Phänomenologie, wie jeder Teil des Neuen Orga-

|| 39 Ebd., § 464, meine Hervorhebung. 40 Lambert: Über die Methode (s. Anm. 6), § 69. 41 Lambert: Architectonic. Erster Band (s. Anm. 2), § 67. 42 Johann Heinrich Lambert: Neues Organon. Erster Band. Leipzig 1764, Vorrede. 43 Ebd. 44 Ebd.

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non, »instrumental.« Es gibt dabei viele Werkzeuge, »deren sich der menschliche Verstand in Erforschung der Wahrheit bedienen muß.«45 Unter der hier erwähnten Art des Scheins ist nur die metaphysische Begrifflichkeit zu verstehen. In der Vorrede heißt es, »der Schein [wird] mehrentheils dem Realen entgegen gesetzt«, und daher ist es »immer auch ein Irrthum, wenn man das, was eine Sache zu seyn scheint, mit dem verwechselt, was sie wirklich ist.«46 Der Schein ist deshalb nicht mit der Wahrheit vereinbar und ist auch keine ›Erscheinung‹. Der Schein ist nach der Art und Weise, wie Lambert diesen Begriff verwendet, vielmehr eine Art Täuschung. Es gibt drei Arten des Scheins, die Lambert in der Phänomenologie diskutiert. Neben dem sinnlichen und psychologischen Schein47 gibt es den moralischen Schein. Im Kontext dieses Themas vergleicht Lambert noch einmal das Gute mit dem Wahren und erklärt den moralischen Schein folgendermaßen: »Das Gute kann, eben so wie das Wahre, mit dem Begriffe des Scheins verbunden werden, weil zwischen gut scheinen und gut seyn, ein ähnlicher Unterschied ist.«48 Der Schein kann verhindern, dass wir das Gute und Böse erkennen und voneinander unterscheiden. Zur Verbesserung unserer moralischen Urteilsfähigkeit und um das reale Gute und Böse von dessen Schein zu unterscheiden, versucht Lambert, die Natur und die Ursachen des moralischen Scheins zu identifizieren und die Mittel zu bestimmen, kraft derer wir diesen irreführenden Anschein des Guten vermeiden können. Wir haben schon die Natur des moralischen Scheins diskutiert: Die Sachen können uns als gut erscheinen, auch wenn sie nicht wirklich gut sind. Vermutlich kann so ein Schein mit jeder Art des Guten einhergehen: Die Sachen können mehr oder weniger geordnet und vollkommen, angenehm und schön oder leichter und weniger mühsam erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind. Was aber ist die Ursache dafür, dass die Sachen so erscheinen? Lambert identifiziert die Affekte und Leidenschaften (zwischen welchen er keinen Unterschied anzutreffen scheint) als die Ursache dieser Problematik: »[D]ie Leidenschaften [sind] vielfältige Ursache, daß wir uns die Dinge anders vorstellen, als die sind, und folglich uns durch Blendwerk und Schein täuschen lassen.«49 Viele, wenn nicht sogar alle Affekte und Leidenschaften können diesen Effekt haben und die Sachen als wichtiger präsentieren, als sie sind: »Lust und Unwillen, Liebe und Haß, Verlangen und Furcht etc. bestimmen, ohne daß wir darauf aufmerken, die Seite der Sache, die wir sehen wollen, und stellen sie uns als die einige und wichtigere vor, und zwar gemeiniglich mit einer merklichen

|| 45 Ebd. 46 Ebd. 47 Für eine Diskussion des psychologischen Scheins siehe den Beitrag von Achim Vesper in diesem Band. 48 Lambert: Neues Organon. Zweyter Band (s. Anm. 17), § 30. 49 Ebd., § 17.

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Vergrößerung jeder Theile und Umstände«.50 Das Problem der Affekte und Leidenschaften und des aus ihnen resultierenden Scheins ist, dass sie die Sachen nur teilweise oder aus einer besonderen Perspektive darstellen, da »die Affecte uns die Dinge gewöhnlich nur von einer Seite vorstellen, und das Bewußtseyn der übrigen verdunkeln«.51 Lambert gibt verschiedene Beispiele: »Die Liebe und der Haß, so ferne sie auf Sachen und Personen gerichtet sind, haben in Absicht auf die Erkenntniß den Erfolg, daß man an dem Geliebten die schlechtere, an dem Gehaßten die bessere Seite nicht gern glaubt.«52 Da die Affekte und Leidenschaften diese Wirkung haben, brauchen wir Mittel, ihren Einfluss zu vermindern, um nicht getäuscht zu werden. Lambert schlägt verschiedene Mittel vor, der verführerischen Wirkung des Scheins entgegenzuwirken. Erstens könnten die Affekte selbst geändert werden, so dass die Sachen aus einer anderen Absicht beurteilt werden können: Es ist »auch möglich, mit Aenderung des Affects gleichsam andere Seiten der Sachen herauszukehren oder ins Licht zu bringen, oder sie mit ganz andern Augen anzusehen.«53 Man kann die Affekte selbst verändern, indem man sie mit einer Sache verbindet und ihnen so eine praktisch wahrnehmbare Konsequenz einschreibt: Man verändert die Affekte selbst so »vermittelst willkührlicher Belohnungen und Strafen.«54 Eine zweite, ähnliche Option besteht darin, unsere Beurteilung einer Sache umzudrehen und etwa das zu billigen, was wir in Wirklichkeit missbilligen. Wie Lambert in der Phänomenologie erklärt: »Es giebt fast immer eine Seite, von welcher wir wünschten, daß sie nicht wäre, und diese muß man sich so gut als die angenehmere gefallen lassen, um den Werth und Unwerth der Sache genau zu wissen.«55 Drittens und letztens ist es der beste Weg, die Wirkungen der Affekte und Leidenschaften zu überwinden und den moralischen Schein zu vermeiden, wenn die Sachen mit einem ruhigem Gemüt beurteilt werden: Die Gemüthsruhe ist diejenige Lage der Seele, wobey der von den Affecten herrührende Schein der Dinge am meisten vermieden wird, und gleichsam von selbst wegbleibt, wobey wir den

|| 50 Ebd. 51 Ebd., § 143 und siehe ebd., § 144 und § 147. 52 Ebd., § 147. Ein paar spezifische Beispiele sind folgende: »Wer alles leicht tadelt und für thöricht hält, hat ein von Natur verdrießliches Gemüth, oder eine Gewohnheit, sich jede Sache von der schlimmern Seite vorzustellen, oder es sieht sonst übel in ihm aus. Die Begierde, immer recht zu haben, gehört ebenfalls hieher, weil sie mit einer übertriebenen Eigenliebe und Vertrauen auf seine Kräfte verbunden ist« (ebd., § 139). 53 Ebd., § 143. 54 Ebd. 55 Ebd., § 17.

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Empfindungen und Gedanken Raum geben, die Aufmerksamkeit auf jede Seite der Sache lenken, und die höhern Erkenntnißkräfte frey gebrauchen können.56

Genau dieser Zustand von Gemütsruhe ist wichtig, weil nur so der moralische Schein zu vermeiden ist und wir nur so die schlechten Effekte der Affekte und Leidenschaften bekämpfen können.57 Nach dieser Erklärung des moralischen Scheins können wir uns jetzt dem Thema der moralischen Beurteilung zuwenden. Man kann zwischen zwei Gegenständen des moralischen Urteils unterscheiden. Erstens könnte man urteilen, welche Sachen oder Handlungen gut sind.58 Zweitens könnte man das beurteilen, wofür wir uns entscheiden sollen. Lambert macht diesen Unterschied zwar nicht selbst, aber es hilft für das Verständnis von Lamberts Position, diese Unterscheidung zu berücksichtigen. Insbesondere ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, dass Lambert sich auf die zweite Frage konzentriert. Diese Frage nach der Bedeutung des moralischen Urteils bezieht sich, nach Lambert, auf die Frage der richtigen Entscheidung. Zu erwähnen ist aber auch, dass er den Willen als eine Kraft versteht, die durch die Vorstellung des Guten notwendig determiniert wird. Zwischen diesen beiden Fragen besteht deshalb ein interner Bezug; eine Sache oder Handlung als gut zu beurteilen, bedeutet auch, gleichzeitig zu bestimmen, wofür man sich entscheiden soll, weil die Urteile über das Gute notwendigerweise auch eine bewegende Kraft haben. Der erste Schritt hin zu richtigen moralischen Urteilen, d. h. Entscheidungen, besteht darin, den moralischen Schein zu vermeiden und damit auch den Zustand der Gemütsruhe zu erreichen. Aber wir müssen nicht nur den Einfluss der Affekte und Leidenschaften vermeiden, sondern wir müssen auch versuchen, moralische Einseitigkeit im Allgemeinen zu vermeiden und die Sachen von vielen Seiten zu betrachten und zu bewerten. Wir brauchen von jeder Situation, in der wir moralische Urteile fällen, ein vollständiges Bild, um richtig zu urteilen.59 Dies ist besonders im Fall der moralischen Handlung wichtig, da, wie wir oben diskutiert haben, das Gute keine absolute Einheit hat und wir deshalb keinen absoluten Maßstab haben, mit dem wir die Sachen absolut zuverlässig beurteilen können. Wir können die Sachen nur besser beurteilen. Um moralische Urteile zu fällen, müssen wir auch die Grade des Guten jeder moralischen Option bestimmen und beurteilen, »ob nicht

|| 56 Ebd., § 145. 57 Obwohl ich hier nur den moralischen Schein diskutieren kann, vor allem insofern er unsere Beurteilung des moralischen Guten und Bösen beeinflusst, so scheint Lambert auch zu glauben, dass die Affekte und Leidenschaften zudem noch metaphysische Urteile, die selbst wieder keine moralische Dimension haben, beeinflussen können (siehe Lambert: Neues Organon. Erster Band [s. Anm. 42], § 146). 58 Siehe Lambert: Neues Organon. Zweyter Band (s. Anm. 17), § 130. 59 Ebd.

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statt dessen ein anderes, das besser ist, gewählet werden könne«.60 Andere Faktoren müssen auch kalkuliert werden, z. B. »die Möglichkeit des Erreichens«,61 die Folge jeder möglichen Handlung62 und auch die Ungewissheit der Zukunft.63 Dies wird in folgendem Zitat deutlich: Die Zeit und Kräfte und überhaupt das Gute so man auf die Erreichung eines andern Guten verwenden muß, und anderes, das man dabey versäumet, alles dieses mit der ganzen Summe des Guten so man hat, und zu erreichen gedenket, und öfters selbst auch mit der Lebenszeit verglichen, machet die Rechnung, die hiebey vorzunehmen wäre.64

Hieraus wird klar, dass es eine unpräzise und empirische Sache ist, moralisch zu urteilen, was hier nichts anderes bedeutet, als den Grund, warum wir und für oder gegen etwas entscheiden sollen, zu beurteilen. Lambert bedauert es bisweilen, dass die Wissenschaft des Guten durch diese Unschärfe und den damit einhergehenden Empiriebezug geprägt ist: »Die Ausmessung der Grade des Guten [muß] vorerst auf Gründe gebracht werden […]. Die Agathologie […] bleibt demnach bis dahin nothwendig sehr unvollkommen.«65 Idealerweise würde die Agathologie die Präzision der Naturwissenschaften haben. Dies würde Folgendes bedeuten: Würde man es so weit bringen die einfachern und sodann auch die zusammengesetztern Guten auf Zahlen zu bringen, so hätte diese Wissenschaft unstreitig eine Geometrische Schärfe; u. man kann sagen eine geometrische Gestallt, weil sie einen Theil der Matheseos adplicatae ausmachen würde.66

Aber auch hier würde die Wissenschaft des Guten keine reine, sondern lediglich eine empirische Wissenschaft sein. Lambert schreibt folglich in der Preisfrage: »Ich bemerke noch, daß die Erfahrung das meiste dabey thut, und folgl. diese Wissenschaft in soferne höchstens nur mit den Theilen der Matheseos adplicatae nicht aber mit der Geometria pura wird können verglichen werden, wenn sie auch alle Vollständigkeit hätte.«67 In diesem Sinne ist deshalb die Moral als eine Art Mathematik zu verstehen – nicht als eine reine Geometrie, sondern als angewandte Mathematik. Am Ende wird klar, dass Lambert, wenn er moralische Themen diskutiert, der Wissenschaft und der Mathematik einen epistemischen Vorrang zuspricht.

|| 60 Lambert: Architectonic. Zweyter Band (s. Anm. 24), § 485. 61 Ebd. 62 Lambert: Neues Organon. Zweyter Band (s. Anm. 17), § 13. 63 Lambert: Architectonic. Zweyter Band (s. Anm. 24), § 485. 64 Ebd. 65 Lambert: Neues Organon. Zweyter Band (s. Anm. 17), § 131. 66 Lambert: Über die Methode (s. Anm. 6), § 76. 67 Ebd., § 80.

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3 Schluss In diesem Aufsatz habe ich versucht, einen kurzen Überblick über die wichtigsten Themen und Thesen von Lamberts Moralphilosophie zu geben. Wie wir gesehen haben, ist die praktische Philosophie nach Lambert umfassend angelegt und die Moral nur ein kleiner Teil davon. Wir haben auch gesehen, wie zentral der Begriff des Guten ist und wie das Gute mit dem Begriff des Wahren verglichen wird. Der Wille wird von dem Guten in Bewegung gesetzt, auch wenn unsere Vorstellung des Guten nur ein Schein ist. Also müssen wir versuchen, den moralischen Schein so weit wie möglich durch einen Zugang zur ›moralischen Realität‹ zu ersetzen. Es ist meine Hoffnung, mit dieser Untersuchung die Umrisse von Lamberts Moralphilosophie klar hervortreten zu lassen und dass ich dazu beitragen konnte, dass die Diversität und Reichweite von Lamberts Denken angemessen wertgeschätzt werden.

Stefan Klingner

Natürliche Theologie und christlicher Glaube bei Lambert Das Projekt einer natürlichen Theologie geht in der deutschen Aufklärungsphilosophie mit einer wenigstens impliziten Affirmation christlicher (vorrangig protestantischer) Dogmen einher. Von Wolffs Theologia naturalis bis hin zu Kants Moraltheologie werden Überlegungen zur Existenz Gottes, zu seinen Eigenschaften und zu seinem Verhältnis zur Schöpfung zwar ohne expliziten Rückgriff auf die sogenannte Heilige Schrift und aus mehr oder weniger ›reinen‹ Vernunftgründen dargestellt. Allerdings scheint es dabei völlig selbstverständlich zu sein, dass das in der natürlichen Theologie besprochene ›notwendige‹, ›vollkommenste‹ und ›höchste‹ Wesen mit dem monotheistischen Schöpfergott des (oder: eines) christlichen Bekenntnisses identisch ist. Schon bei Wolff stellen dabei einige wenige, spezifisch christliche Lehren insofern ein Problem dar, als sie nicht aus bloßer oder auch erfahrungsbezogener Vernunft erschlossen werden können und daher ›Geheimnisse‹ (mysteria) genannt werden.1 Es ließe sich darüber streiten, ob es die auf die Trinität Gottes, dessen Menschwerdung oder die Jungfräulichkeit der Mutter seines Sohnes verzichtende natürliche Theologie überhaupt verdiene, noch – oder: bereits – ›christlich‹ genannt zu werden. Sieht man aber von der bloß vereinzelten Beteiligung jüdischer Philosophen am natürlich-theologischen Diskurs der ›deutschen‹ Aufklärung einmal ab, ist es schlichtweg eine historische Tatsache, dass das Projekt einer natürlichen Theologie immerhin christlicher Provenienz ist.2 Natürliche Theologie ist dabei – nicht nur, aber auch – in einer bestimmten Weise eine ›Absicherung‹ christlichen Glaubens vonseiten der Vernunft.3 Und zugleich hat der ›Gott der Philosophen‹ für viele, nicht nur rationalistische Systementwürfe der Philosophie der Neuzeit zudem eine theorieimmanente Bedeutung, was sich in prominenter Weise an der gnoseolo|| 1 Vgl. mit Angabe der relevanten Texte Mario Casula: Die Theologia naturalis von Christian Wolff. Vernunft und Offenbarung. In: Christian Wolff 1679–1754. Interpretationen zu seiner Philosophie und deren Wirkung. Hg. von Werner Schneiders. Hamburg 1983, S. 129–138, bes. S. 133–135. 2 Eine Ausnahme stellt dabei Reimarus’ Darstellung der ›natürlichen Religion‹ dar (vgl. Hermann Samuel Reimarus: Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion in zehn Abhandlungen. Hamburg 1754). Diese ist zwar eindeutig in den Kontext der natürlichen Theologie der ›deutschen‹ Aufklärer zu verorten. Allerdings sind es gerade die aus der sogenannten Heiligen Schrift entnommenen Gehalte, die er bekanntlich mittels seiner eingehenden Bibelkritik in der sog. Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes als unhaltbar auszuweisen versucht und für unhaltbar erklärt. Hier werden also natürliche Theologie und christlicher Glaube – wenigstens dem Anspruch nach – strikt voneinander losgelöst. 3 Selbst Reimarus verdeckt seine Kritik an der christlichen Religion dadurch, dass er die natürliche Religion als »Vormauer und Grundlage des Glaubens« ausgibt (vgl. Reimarus: Die vornehmsten Wahrheiten [s. Anm. 2], S. IV [im Original unpaginiert]). https://doi.org/10.1515/9711830647761-016

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gischen Funktion der Gottesbeweise4 oder am legitimierenden Rekurs auf einen göttlichen Gesetzgeber im Naturrecht5 zeigt. Dies eingangs zu erwähnen, ist insofern angebracht, als es im Folgenden um Lamberts Stellungnahmen zur natürlichen Theologie und zum christlichen Glauben gehen soll – und d. h.: um zwar keinen ausgewiesenen Teilnehmer am natürlichtheologischen Diskurs der Aufklärungsphilosophie, sondern um einen systematischen Denker der metaphysica generalis. Dennoch kann gezeigt werden, dass Lambert in seinem großen Entwurf einer methodisch streng konzipierten Ontologie nicht auf die Existenz des ›Gottes der Philosophen‹ verzichten kann. Diese Behauptung, die im Folgenden verdeutlicht und geprüft werden soll, stellt mit Blick auf die Philosophie der frühen Neuzeit und der Aufklärung in gewisser Hinsicht keine besondere Überraschung dar. Sollte sie bestätigt werden, dürfte Lambert in diesem Punkt bloß zu einer langen Tradition gehören, die bereits mit Descartes ihren maßgebenden Vertreter hat. Allerdings mag die genannte Behauptung mit Blick auf Lamberts Schriften – oder zumindest das heutige, eher unscharfe Bild von ihnen – durchaus eine Überraschung darstellen. Denn Lambert selbst hat keine einzige Schrift veröffentlicht, die sich mit Fragen und Problemen der natürlichen Theologie eigens auseinandersetzt.6 Sein metaphysisches Hauptwerk, die Anlage zur Architectonic, ist als ein eigenständiger und in gewisser Weise innovativer Beitrag zur metaphysica generalis (Ontologie) konzipiert und schneidet Probleme der metaphysica specialis (rationale Psychologie, Kosmologie und Theologie) bestenfalls an. Es kann daher auch nicht verwundern, dass sich keine einzige Arbeit über Lamberts natürliche Theologie finden lässt – es gibt sie augenscheinlich einfach nicht. Sollen also Lamberts Stellungnahmen zur natürlichen Theologie und ihr Verhältnis zum christlichen Glauben in den Blick genommen werden, scheinen vor allem Schriften aus dem Nachlass berücksichtigt werden zu müssen. Und tatsächlich wird man in diesen fündig. So sind aus den 1750er Jahren einige Reden und kürzere Reflexionen überliefert, die nicht nur die ›Vorzüge der Christen‹ preisen, sondern sogar die Trinität Gottes aus systematischen Überlegungen abzuleiten ver-

|| 4 Siehe dazu etwa Reinhard Hiltscher: Gottesbeweise. Darmstadt ²2010 und Wolfgang Röd: Der Gott der reinen Vernunft. Die Auseinandersetzung um den ontologischen Gottesbeweis von Anselm bis Hegel. München 1992. 5 Siehe dazu etwa Bernd Ludwig: Auf dem Wege zu einer säkularen Moralwissenschaft. Von Hugo Grotius’ De Jure Belli ac Pacis zu Thomas Hobbes’ Leviathan. In: Jahrbuch für Recht und Ethik 8 (2000), S. 3–31, ferner Holger Glinka: Zur Genese autonomer Moral. Eine Problemgeschichte des Verhältnisses von Naturrecht und Religion in der frühen Neuzeit und der Aufklärung. Hamburg 2012. 6 Darauf wird in der Forschungsliteratur auch gelegentlich hingewiesen. Vgl. z. B. Anna Holterhoff: Naturwissenschaft vs. Religion? Zum Verhältnis von Theologie und Kosmologie im 18. Jahrhundert. Berlin 2009, S. 17.

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suchen. Aus den 1760ern finden sich wiederum neben dem Manuskript zur ›Preisfrage über die Methoden in der Theologie und der Moral‹ auch einige die natürliche Theologie betreffende Überlegungen Lamberts in den Vorarbeiten zum Organon und zur Architektonik. In diesen Texten gibt Lambert einerseits Bemerkungen zur Stellung der natürlichen Theologie in einem System der Metaphysik und andererseits den eigenartigen ›Gottesbeweis‹, den er dann auch – etwas versteckt – im Organon und in der Architectonic präsentiert. Nimmt man zudem den späten Briefverkehr Lamberts mit Havichorst hinzu, in dem er sich ganz ähnlich wie in den 1760ern zu Stellung und Aufgaben der natürlichen Theologie äußert, entsteht unmerklich der Eindruck, dass er persönlich vielleicht desinteressiert (oder auch bloß verhindert) an der Ausarbeitung einer eigenständigen Darstellung der natürlichen Theologie war, aber ganz und gar nicht an der natürlichen Theologie selbst und deren Relevanz in philosophischen Belangen. Angesichts solcher Textbefunde und der überlieferten, außerordentlichen Frömmigkeit Lamberts darf die genannte Behauptung sogar noch zugespitzt werden. Lambert kann in seiner ausgeführten Ontologie nicht nur nicht auf die Existenz des ›Gottes der Philosophen‹ verzichten, sondern sein philosophischer Theorieentwurf stellt sogar einen paradigmatischen Fall des rationaltheologisch fundierten Rationalismus der Neuzeit dar. Denn gerade die eher beiläufige Behandlung eines wesentlichen natürlich-theologischen Theorems an zentraler Stelle seines ontologischen Hauptwerks in Zusammenhang mit seinem frommen Hintergrund illustrieren sehr gut das für die Aufklärungsphilosophie eigentümliche Verhältnis von prima philosophia, natürlicher Theologie und christlichem Glauben. Dies zu zeigen, ist der rote Faden der folgenden Darstellung von Lamberts Überlegungen zur natürlichen Theologie und zum christlichen Glauben. Sie gliedert sich in vier Abschnitte: Zuerst wird der ›fromme Lambert‹ anhand seiner Nachlasstexte aus den 1750er Jahren und einigen biographischen Berichten vorgestellt (1). Darauf werden Lamberts Bemerkungen zur natürlichen Theologie aus den 60er Jahren und dem späten Briefwechsel ausgewertet, wobei vor allem seine Bestimmung der systematischen Stellung und des Aufbaus der natürlichen Theologie auf den Punkt gebracht werden sollen (2). Im dritten Abschnitt wird schließlich Lamberts Verweis auf den Gottesbegriff in seinen philosophischen Hauptwerken thematisiert, um dessen spezifisch philosophische Funktion im Kontext der Frage nach der Möglichkeit logischer und ontologischer Wahrheiten zu rekonstruieren (3). Abschließend wird ein kurzes Fazit erfolgen, in dem die drei genannten Stellungnahmen Lamberts zur natürlichen Theologie und zum christlichen Glauben als miteinander zusammenhängende Teile einer für die Aufklärungsphilosophie typischen rationaltheologischen Konzeption dargestellt werden (4).

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1 Der fromme Lambert Dass Lambert zeitlebens ein frommer Mann war, wird in Beschreibungen seines Lebens und Charakters immer wieder hervorgehoben. Als Beispiel kann bereits Lichtenbergs Lambert-Biographie angeführt werden. Dort heißt es im Zuge der Darstellung von Lamberts ›vortrefflichem Charakter‹: [T]iefes Gefühl der Abhängigkeit von Gott und der Unvollkommenheit unserer Erkenntniß von diesem höchsten Wesen, und ungeheuchelte Demut und Ehrfurcht gegen dasselbe, erfüllten ihn von seiner ersten Jugend an und blieben […] unverändert, und die Folge davon, ächte, innere, ungestörte Seelen- und Gewissensruhe, heiterte oft sein Gesicht zu einer Art von himmlischer Schönheit auf. Mit Verachtung sah er Werke an, welche die Religion bestritten und mit Entzücken las und empfahl er wohlgeratene Widerlegungen derselben.7

Für eine Erklärung dieser religiösen Gemütslage wird gelegentlich auf Lamberts Herkunft und vor allem auf seinen mehrjährigen Aufenthalt bei der als ebenfalls besonders fromm geltenden Familie von Salis in Chur verwiesen.8 Lambert hatte in deren Haus von 1748 bis 1756 eine Anstellung als Hauslehrer und genau in diesem Zeitraum verfasste er einige Texte, die die behauptete Frömmigkeit gut dokumentieren. Unter ihnen sind neben einer Auslegung des Bibelverses Jakobus 2,109 und einer Rede, die die menschliche Vernunft als göttliche Gabe preist,10 besonders die Rede über die Vorzüge des Christen sowie ein kurzes Fragment, überschrieben mit »Notwendige Wahrheiten und Wirksamkeit Gottes«, hervorzuheben.11 Der erste von beiden Texten (a) verdeutlicht sehr anschaulich Lamberts Einstellung zur christlichen Religion, die vielleicht treffend als pragmatischer Fideismus bezeichnet werden kann. Der zweite Text (b) ist dagegen aufgrund seines theologischen Inhalts bemerkenswert – gerade mit Blick auf die späteren (spärlichen) rationaltheologischen Überlegungen Lamberts.

|| 7 Zitiert nach dem Abdruck in Max Steck: Bibliographica Lambertiana. Ein Führer durch das gedruckte und ungedruckte Schrifttum und den wissenschaftlichen Briefwechsel von Johann Heinrich Lambert 1728–1777. Neudruck Hildesheim 1970, S. XI. 8 Vgl. etwa Matthias Graf: Johann Heinrich Lambert’s Leben. In: Johann Heinrich Lambert nach seinem Leben und Wirken aus Anlaß der zu seinem Andenken begangenen Secularfeier in drei Abhandlungen dargestellt. Hg. von Daniel Huber. Basel 1829, Eigenpaginierung, S. 42f. Zu Lamberts Aufenthalt in Chur siehe Steck: Bibliographica Lambertiana (s. Anm. 7), S. VIII sowie Graf: Lambert’s Leben, S. 8–10. 9 Vgl. Johann Heinrich Lambert: Rede über Jakobus (1752), LPS X,3, S. 974–988. 10 Vgl. Johann Heinrich Lambert: Auf der Vernunft allein beruht alle Gewissheit unserer Erkenntnis (1753), LPS X,3, S. 1153–1156. 11 Vgl. Johann Heinrich Lambert: Rede über die Vorzüge des Christen (1755), LPS X,2, S. 1010– 1034; ders.: Notwendige Wahrheiten und Wirksamkeit Gottes (1750er), ebd., S. 668–673 (zur Datierung siehe das Vorwort der Herausgeber, LPS X,1, S. LXIX).

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(a) In seiner Rede über die Vorzüge des Christen führt Lambert zahlreiche Punkte an, die zeigen sollen, inwiefern der ›Charakter eines Christen‹ dem eines ›ungläubigen Zweiflers‹ überlegen ist. Zuerst sei der Christ in puncto ›Erkenntnis von Gott‹ einem Philosophen nicht nur ebenbürtig, sondern sogar überlegen, indem ihm bestimmte Sätze zur Verfügung stünden, mittels derer Grenzen und Erklärungslücken der natürlichen Theologie beseitigt werden können.12 Daher vermag er es auch, einen deutlichen Zusammenhang in der Erd- und Menschheitsgeschichte zu erkennen, den Gottesdienst zu verstehen, und er weiß, was die Menschen nach ihrem Tod erwartet.13 Zudem verfüge er, seiner ›erhabenen‹ Erkenntnis von Gott entsprechend, über eine vollkommenere Sittenlehre als die Philosophen.14 Denn bereits die bloßen Lehrsätze der Naturrechtslehre, der Tugendlehre und der Lehre von den Pflichten gegen Gott seien der Heiligen Schrift zu entnehmen.15 Hinzu komme, dass ›der Christ‹ ein starkes Motiv für moralisch gutes Handeln habe: Er wisse nämlich, dass das irdische Leben nicht das einzige sei, dass es vielmehr für ihn ein zukünftiges Leben in ›ewiger Seligkeit‹ geben werde.16 Entsprechend biete ihm die christliche Religion im diesseitigen Leben Trost sowie einen ›stärkeren Trieb zur Tugend‹ als anderen Menschen.17 Damit zeichne sich der Christ durch eine besondere Haltung zur Welt aus, die Lambert ›selige Gelassenheit‹ nennt und durch die der ›wahre Christ‹ allen anderen Menschen mit ›unschuldsvollem und heilsamen Erbarmen‹ zu begegnen wisse.18 Bemerkenswert an dieser Rede ist, dass an ihrem Anfang ›der Christ‹ dem Atheisten, dann aber immer mehr den ›Weltweisen‹, also den sich bloß an Vernunft und Erfahrung haltenden – und dabei mitunter zweifelnden – Menschen, gegenübergestellt wird. Dabei zweifelt Lambert selbst nicht an der Wahrheit rationaltheologischer, naturrechtlicher und moralphilosophischer Lehrsätze. Sie sind ihm zufolge aber ungenügend: einerseits, um eine vollständige Erkenntnis in Theologie und Sittenlehre zu erlangen, andererseits, um dem einzelnen Menschen Orientierung für ein moralisch gutes, nicht von Skepsis und Eigennutz geprägtes Leben zu bieten. Insofern die Heilige Schrift dagegen nicht nur die Erkenntnisse der ›Weltweisen‹, sondern auch noch weitere enthalte, ist der Christ nicht nur gegenüber Atheisten, sondern allen Nicht-Christen im Vorteil. Lambert preist ihn am Ende seiner Rede folgendermaßen:

|| 12 Dafür führt Lambert vier Beispiele an: Ewigkeit Gottes vs. Endlichkeit der Welt, Gerechtigkeit Gottes vs. Güte Gottes, Offenbarung der Vollkommenheit Gottes in der Welt, das Alter der Welt. Vgl. Lambert: Vorzüge des Christen (wie Anm. 11), S. 1018–1021. 13 Vgl. ebd., S. 1022f. 14 Vgl. ebd., S. 1023. 15 Vgl. ebd., S. 1023f. 16 Vgl. ebd., S. 1025–1027. 17 Vgl. ebd., S. 1027–1029. 18 Vgl. ebd., S. 1029–1031.

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Nur [der Christ] ist es, der so sich vollkommen nennen, der sein Herz als den Wohnplatz der Liebe Gottes ansehen, der sein Leben eine Glückseligkeit, sein Sterben einen Gewinn und die Ewigkeit sein Eigentum nennen kann! Licht und Erkenntnis herrscht in seinem Verstand, Heiligkeit und Lust zum Guten in seinem Willen! Seine Leidenschaften stehen unter der mächtigen Herrschaft der erleuchteten Vernunft! Sein Leib ist ein Tempel des heiligen Geistes und sein Herz von der Liebe Gottes durchflossen! In ihm findet man den Erfüller seiner Pflichten in allen Ständen. Er geht ungehindert auf dem Weg zur Vollkommenheit fort, er wandelt auf der Straße, die die richtige heißt, denn Gott ist das Licht, das ihn beleuchtet, die Kraft, die ihn stärkt und ihm Leben und Wachstum gibt.19

Die Vernunft bedarf demnach der ›Erleuchtung‹, d. h. der Unterstützung durch die sogenannte Heilige Schrift als eigenständiger Erkenntnisquelle, um vollkommene Erkenntnis erlangen und damit eine bestmögliche Orientierung in puncto Religion und Moral bieten zu können. (b) Auf den zweiten Text, der ebenfalls in den 1750er Jahren verfasst wurde und mit »Notwendige Wahrheiten und die Wirksamkeit Gottes« überschrieben ist, soll hier nur kurz hingewiesen werden. Er darf in zweifacher Hinsicht nicht übergegangen werden: Zum einen zeigt er, dass sich Lambert nicht nur in Form von Reden, sondern auch in systematischen Versuchen an theologischen Themen abgearbeitet hat.20 Außerdem gibt Lambert mit ihm auf gerade einmal fünf Druckseiten einen apriorischen Gottesbeweis sowie sich anschließende Erklärungen der Dreieinigkeit Gottes und dessen Vorsehung. Da der Text selbst eher skizzenhaft ist, kann hier keine Interpretation gegeben werden. Hingewiesen werden soll aber wenigstens auf Lamberts Überlegungen zu dem christlichen Dogma der Dreieinigkeit, das ein typisches Beispiel für ein von der natürlichen Theologie nicht einsehbares mysterium darstellt. Nachdem in den ersten fünf Paragraphen aus dem Umstand, dass es notwendige Wahrheiten gibt, auf Gott als ersten Grund dieser Wahrheiten sowie aller ›wirklichen Dinge‹ geschlossen wird, stellt Lambert die Wirksamkeit Gottes als ewig und mit diesem identisch heraus.21 Insofern das Wesen der Wirkung der ewigen Wirksamkeit Gottes nicht von Gott verschieden sein könne, zeuge Gott in seiner ewigen Wirksamkeit seinen nicht von ihm verschiedenen Sohn, wobei schließlich aus der Wirkung Gottes und der Gegenwirkung seines Sohnes dann noch eine ›neue Kraft‹ folge, der heilige Geist. Dieser in wenigen, sehr kurzen Paragraphen gegebene Schluss muss hier nicht beurteilt werden. Interessanter ist Lamberts direkt folgende, im längsten Paragraphen des ganzen Texts angegebene Einschätzung seiner Trinitätsüberlegung. Denn er stellt sofort klar, dass mit ihr die Dreieinigkeit Gottes »nicht

|| 19 Vgl. ebd., S. 1032f. 20 Siehe zudem Johann Heinrich Lambert: Über den positiven und permissiven Willen Gottes (ca. 1755/56), LPS X,2, S. 677–679 sowie ders.: Notwendigkeit der Religion in einem Staat (1753), LPS X,3, S. 989–1009. Siehe zum zuletzt genannten Text auch den Beitrag von Frank Grunert im vorliegenden Band. 21 Vgl. Lambert: Notwendige Wahrheiten (s. Anm. 11), S. 668f.

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aufgeklärt wird«, sie bleibe vielmehr »immer ein göttliches, ein unauflösliches Geheimnis«.22 Was aber erkannt werden könne, sei die Ewigkeit der Wirksamkeit Gottes und die Existenz eines besonderen aus ihr resultierenden Sachverhalts. Dieser selbst könne zwar nicht mehr deutlich erkannt werden, bilde aber die Stelle, in die das geoffenbarte christliche Dogma genau passen würde. Das Trinitätsdogma23 bietet damit ein passendes Beispiel für Lamberts Bestimmung des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung: Mittels bloßer Vernunft vermag das philosophierende Subjekt zahlreiche theologische Einsichten zu gewinnen, so dass Lambert zufolge »Zweifel und Einwürfe der Ungläubigen entkräftet werden« können – schließlich »[hätten] sie selbst aus den bloßen Gründen der Vernunft so was […] vermuten sollen«.24 Allerdings sind mit solchen rationaltheologischen Einsichten leider neue Fragen verbunden, die zu beantworten die bloße Vernunft gerade nicht imstande ist. Hier sei die Offenbarung zurate zu ziehen, die selbst solche Rätsel aufzulösen vermag. Insofern hiermit ein gemäßigter Naturalismus – also die Behauptung der Möglichkeit sowohl rational- als auch offenbarungstheologischer Erkenntnis – angezeigt ist, scheint Lambert mit seiner Bestimmung des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung lediglich in der Tradition Wolffs zu stehen.25 Nimmt man allerdings die bereits genannte Rede über die Vorzüge des Christen hinzu, scheint es angemessener, in Lambert sogar eine Art gemäßigten Supranaturalisten zu sehen, der zwar nicht die Möglichkeit rationaltheologischer Erkenntnis leugnet, sie aber mit Blick auf ihre Vollständigkeit und Deutlichkeit als durchweg defizitär ansieht. Diese Einschätzung mag wiederum insofern überraschend sein, als Lambert auch schon in den 1750er Jahren die außerordentliche Erkenntnisfähigkeit der menschlichen Vernunft deutlich herausstellt.26 Allerdings betrifft dies ausschließlich Probleme nicht-theologischer Art. Selbstverständlich habe sich Lambert zufolge ein erkennendes Subjekt vor allem seiner Vernunft zu bedienen – wenn es aber um Gott und ein gutes Leben geht, muss es jedoch schon seine ›erleuchtete Vernunft‹ sein, um vollständige und deutliche Erkenntnis zu gewinnen. Auch als Lambert 1765 seine Arbeit an der Berliner Akademie der Wissenschaften aufnahm, war es nicht vorbei mit der Frömmigkeit. Ein Biograph schreibt dazu:

|| 22 Ebd., S. 670 (beide Zitate). 23 In der Darstellung von Lamberts Verhältnis zur Religion, die Christoph Heinrich Müller auf Bitten von Bernoulli verfasste und die dem zweiten Band des Briefwechsels vorangestellt ist, wird erwähnt, dass Lambert gerade am Trinitätsdogma sehr gelegen war. Siehe Johann Bernoulli (Hg.): Joh. Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel. Zweyter Band. Berlin 1782, S. XIX. 24 Lambert: Notwendige Wahrheiten (s. Anm. 11), S. 671 (beide Zitate). 25 Siehe für einen Überblick über Wolffs Position Casula: Die Theologia naturalis von Christian Wolff (s. Anm. 1), wo besonders auch das Problem der mysteria diskutiert wird. 26 Vgl. bes. Lambert: Auf der Vernunft allein beruht alle Gewissheit unserer Erkenntnis (s. Anm. 10), S. 1153–1156, und dazu auch das Vorwort der Herausgeber (s. Anm. 11), S. LXXVIII.

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Bei seiner Erscheinung in Berlin fiel sein fleißiges Kirchengehen und seine andächtige Haltung beim Gottesdienste vortheilhaft auf. Mit dem Communionbuch versehen gieng er öfters zum Abendmahl. Lambert pflegte zu sagen, daß wenn das Christenthum keine Geheimnisse hätte, er daran zweifeln würde, und daß es ein elender Grundsatz sey, nichts glauben zu wollen, als was man begreifen könne, welches man doch in so viel andern Dingen täglich thun müsse.27

Ob Lamberts Frömmigkeit damals im aufgeklärten Berlin ausschließlich ›vorteilhaft‹ aufgefallen ist, mag dahin gestellt bleiben. Sein Fideismus und Supranaturalismus werfen aber die Frage nach einer genaueren Einschätzung der metaphysischen Wissenschaft ›natürliche Theologie‹ auf. Und tatsächlich lassen sich in einigen seiner Texte aus den 1760er Jahren Bemerkungen finden, die für eine Antwort hilfreich sind.

2 Natürliche Theologie Die philosophische Arbeit Lamberts ist in der ersten Hälfte der 1760er Jahre von Überlegungen zur Logik, Erkenntnistheorie und Ontologie bestimmt. Ihr Ergebnis sind bekanntlich das Neue Organon sowie die Anlage zur Architectonic.28 Dabei sind zahlreiche Vor- bzw. Nebenarbeiten entstanden, die Lambert selbst nicht veröffentlicht hat. Während das Organon und die Architectonic – von einer Ausnahme abgesehen – keine ausdrücklichen Bemerkungen zur natürlichen Theologie enthalten, geht Lambert in einigen dieser kleineren Arbeiten wiederholt auf sie ein, besonders im sogenannten Criterium veritatis, in der Methodenpreisschrift sowie in seinen Anmerkungen über die Metaphysik und Ontologie überhaupt.29 Und obwohl alle drei Texte vor allem dem Problem der Ausarbeitung einer ›Grundlehre‹ gewidmet sind und theologische Themen bestenfalls streifen, gibt Lambert in ihnen einige Hinweise, die ein einheitliches Bild der Wissenschaft einer natürlichen Theologie abgeben. Durch wenigstens vier Punkte ist es gekennzeichnet:

|| 27 Graf: Lambert’s Leben (s. Anm. 8), S. 43. 28 Das Neue Organon ist 1764, die Anlage zur Architectonic erst 1771 erschienen, obwohl Lambert die Architectonic bereits kurz nach dem Erscheinen des Organon verfasst hat (vgl. Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic oder Theorie des Einfachen und Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß. Riga 1771, Vorrede, S. XIII). Die bereits 1761 erschienenen Cosmologischen Briefe werden im Folgenden nicht berücksichtigt. Siehe dazu den Beitrag von Gideon Stiening im vorliegenden Band, ferner auch Roberta María Menéndez Fontenla: Johann Heinrich Lamberts ›Cosmologische Briefe‹. Eine wissenschaftsphilosophische Untersuchung. Diss. Bremen 2006. 29 Vgl. Johann Heinrich Lambert: Criterium veritatis (datiert auf 11/1761), LPS X,2, S. 423–492; ders.: Über die Methode, die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen (datiert auf 4/1762), ebd., S. 493–529 (im Folgenden als »Preisschrift«); ders.: Anmerkungen über die Metaphysik und Ontologie überhaupt (datiert auf 6/1762), ebd., S. 751–836.

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1. Natürliche Theologie ist Teil der Metaphysik. In Übereinstimmung mit der zeitgenössischen Schulphilosophie bestimmt Lambert die natürliche Theologie als metaphysica specialis, also als einen eigenständigen Teil der Metaphysik und damit als eine besondere apriorische Wissenschaft.30 In der Preisschrift weist Lambert zudem auf den Aufbau der natürlichen Theologie hin, wobei er die für deren Darstellung gebräuchliche Dreiteilung wiedergibt: Zuerst seien die Existenz Gottes, dann dessen Eigenschaften bzw. Vollkommenheiten, schließlich dessen Verhältnis zur Welt abzuhandeln.31 Dabei stellt er an sie die gleichen Ansprüche wie an alle anderen Teile der Metaphysik, besonders die Ontologie: Alle Lehrsätze seien mit ›geometrischer Strenge‹ durchzuführen, lediglich ›notwendige‹ und ›ewige‹ Wahrheiten, die auch ›Egoisten‹ und ›Idealisten‹ anerkennen würden, dürften vorausgesetzt werden.32 2. Natürliche Theologie ist letzter Teil der Metaphysik. In seinen Anmerkungen über die Metaphysik und Ontologie überhaupt gibt Lambert gleich im ersten Paragraphen, unmittelbar nach der allgemeinen Bestimmung der Metaphysik als ›Wissenschaft der ersten Gründe unserer Erkenntnis‹, deren Teile an: Ontologie, Kosmologie, Psychologie und natürliche Theologie.33 Die Einteilung sowie die Reihung sind durchaus konventionell, sie entsprechen etwa denjenigen in Baumgartens Metaphysica. Sie finden sich auch noch in einem Brief aus dem Jahr 1777 an den Münsteraner Philosophen Aloysius Havichorst, der Lambert sein Logik-Lehrbuch zusandte und ihn um Rat für seine Vorlesungen zur Metaphysik bat.34 Den Grund für Lamberts Bestimmung der natürlichen Theologie als letzter – oder wenigstens zuletzt genannter – Teil der Metaphysik anzugeben, ist nicht einfach. Zwei mögliche Erklärungen sind naheliegend: Entweder orientierte sich Lambert bloß an einem akzeptierten Lehrbuch, oder der natürlichen Theologie kommt eine besondere Funktion bei der Darstellung der Metaphysik zu, etwa als eine Art ›Schlussstein‹. Für die erste Option spricht Lamberts Bemerkung in der »Vorrede« seiner Architectonic, wonach er bei deren Niederschrift 1764 lediglich Baumgartens Lehr-

|| 30 Vgl. z. B. Lambert: Preisschrift (s. Anm. 29), §§ 45ff. sowie ders.: Criterium veritatis (s. Anm. 29), § 80. 31 Vgl. Lambert: Preisschrift (s. Anm. 29), §§ 48–60. 32 Vgl. z. B. ebd., Notanda 12–14, S. 495 sowie auch ders.: Criterium veritatis (s. Anm. 29), § 85, S. 475f. 33 Vgl. Lambert: Anmerkungen (s. Anm. 28), § 1. 34 Vgl. Johann Bernoulli (Hg.): Joh. Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel. Erster Band. Berlin 1781, S. 424–428. Dort führt Lambert zwischen Ontologie und Kosmologie noch die ›Systematologie‹ an, die der Architectonic entsprechend (vgl. Lambert: Architectonic [s. Anm. 28], § 59) noch zur ›Grundlehre‹ gehört und mittels derer aus dem ›Lehrgebäude‹ ein ›System‹ werde (vgl. Bernoulli: Lamberts Briefwechsel, Bd. 1, S. 425). Auch die Andeutungen zum Aufbau der natürlichen Theologie entsprechen denjenigen aus der Preisschrift, nur dass Lambert bei den einzelnen Themen zum Teil auf seine Architectonic bzw. die Cosmologischen Briefe verweist.

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buch zur Hand hatte.35 Es ist nicht abwegig zu vermuten, dass Lambert auch 1762 bevorzugt Baumgartens weit verbreitete Darstellung der Metaphysik benutzte.36 Für die zweite Option spricht ein beiläufig anmutender Hinweis Lamberts in der Preisschrift. Dort lässt er nämlich ausdrücklich offen, ob man »[Egoisten und Idealisten] bis in die Theologie führen müsse, um den Schluß von dem Schein auf das Wahre zu machen«.37 Würde diese Frage bejaht, dann wäre die Folge, dass die natürliche Theologie nicht nur ein spezifisch metaphysisches Wissen bereitstellte, sondern dass sie unerlässlich für eine Begründung der Möglichkeit aller derjenigen Erkenntnisse wäre, die nicht in die reine Mathematik und die ›Grundlehre‹ gehören. Denn reine mathematische, logische und ontologische Wahrheiten würden auch Egoisten und Idealisten anerkennen, allerdings seien ihnen alle Dinge ›außer ihnen nur Schein‹.38 Gründe zu sammeln, die den ›Schluss vom Schein aufs Wahre‹ zulassen, ist Lambert zufolge eine der wesentlichen Aufgaben der Metaphysik – die Frage ist nur, ob bereits mit der Ontologie oder erst mit einer metaphysica specialis und besonders mit der natürlichen Theologie hinreichend viele Gründe für einen solchen Schluss zur Verfügung stehen. Wie das entsprechende rationaltheologische Argument aussehen könnte, gibt Lambert nirgendwo in seinen Schriften explizit an. Auf diese Frage wird aber noch einmal zurückzukommen sein. 3. Bisherige Darstellungen der natürlichen Theologie sind unbefriedigend. Lamberts Überlegungen zur theoretischen Philosophie sind bekanntlich auf das Ziel gerichtet, den Wissenschaften insgesamt, aber besonders der Metaphysik eine sichere methodische Grundlage zu verschaffen. Er bringt daher die Idee einer »Grundlehre« ins Spiel, »deren Gründe zu jeden anderen Wissenschaften gebraucht werden müssen«, die also »allen voran[geht]«.39 Das betrifft auch die natürliche Theologie. Am Ende seiner Skizze von deren Aufbau in der Preisschrift gibt Lambert zu, dass er die Beweise der zentralen Lehrsätze der natürlichen Theologie noch nicht in ›geometrischer Schärfe‹ geben könne. Der Grund sei einfach: Bisher gebe es schlichtweg

|| 35 Vgl. Lambert: Architectonic (s. Anm. 28), Vorrede, S. V. Dass Lambert auch Wolffs (lateinische) Metaphysik kannte, zeigen einige Notizen Lamberts, die als Adnotata in Wolffii Ontologiam latinam p. (LPS X,2, S. 912–916) geführt werden und deren Datierung allerdings unklar ist. 36 Besonders die Ausführungen Lamberts zur Ontologie in den Anmerkungen (s. Anm. 29), §§ 324ff. stützen diese Vermutung, da sie in Aufbau und Terminologie auffallend viele Ähnlichkeiten mit Baumgartens Metaphysik haben. 37 Lambert: Preisschrift (s. Anm 29), § 45, S. 510. 38 Vgl. ebd., § 33, ferner Lambert: Criterium veritatis (s. Anm. 29), § 6 sowie § 80, S. 470. Vgl. auch Lamberts Kennzeichnung der ›Idealisten‹ im letzten Teil des Neuen Organon: »Sie machen zwischen dem, was wir wachend sehen, und dem, was wir im Traume sehen, keinen andern Unterschied, als den, so zwischen einer zusammenhängenden und nicht zusammenhängenden Einbildung statt hat, und sehen folglich die ganze Körperwelt schlechthin als einen bloßen Schein an.« (Johann Heinrich Lambert: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. Leipzig 1764, Bd. 2, Phänomenologie, § 9, S. 222f.). 39 Lambert: Anmerkungen (s. Anm. 29), §§ 10–11, S. 752.

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keine Metaphysik, die in ›geometrischer Schärfe‹ durchgeführt werden könnte, weil es an einer entsprechenden ›Grundlehre‹ mangele.40 Die Idee, eine Metaphysik nach dem Vorbild der euklidischen Geometrie durchzuführen, führt Lambert erstmals im sogenannten Criterium veritatis aus. Motiviert durch die Frage nach einem allgemeinen Kennzeichen der Wahrheit stellt er dort das Methodenideal einer Gewinnung metaphysischer Lehrbegriffe aus Grundbegriffen vor, die keiner weiteren Analyse fähig sind.41 Für eine Metaphysik nach euklidischem Vorbild seien demnach zuerst die relevanten Grundbegriffe anzugeben, die »aus dem sensu interno [hergeleitet]«42 und auch von einem ›Egoisten‹ bzw. ›Idealisten‹ zugestanden würden. Von diesen ließe sich dann zeigen, dass sie auch in der Metaphysik zur Anwendung kommen, so dass diese ein sicheres Fundament erhalte.43 Solange aber eine entsprechende Wissenschaft von den Grundbegriffen fehlt, bleibt die Metaphysik, mithin auch die natürliche Theologie nicht nur fehler- oder lückenhaft, sondern vor allem auch anfällig für die Zweifel an der Wahrheit der in ihrem Rahmen behaupteten Erkenntnisse. 4. Die natürliche Theologie kann für die Ontologie hilfreich sein. Nach den vorangegangenen Bemerkungen ist immerhin so viel klar, dass die natürliche Theologie Lambert zufolge insofern einer ›Grundlehre‹ bedarf, als sie ihre Lehrbegriffe aus der Zusammensetzung von Grundbegriffen gewinnt, die die ›Grundlehre‹ in deutlicher und systematischer Weise angeben soll. Für weitere Hinweise, die das Verhältnis von natürlicher Theologie und ›Grundlehre‹ betreffen, sind von den drei herangezogenen Texten besonders die Anmerkungen über die Metaphysik und Ontologie überhaupt ergiebig. In deren erstem Teil zählt Lambert etliche ›Teile‹ der ›Grundwissenschaft‹ auf, die man in Anlehnung an die Schulphilosophie der ›Vernunftlehre‹ und der metaphysica generalis zuordnen kann.44 Aus diesen ›Teilen‹ ließen sich dann Lambert zufolge durch genaue Begriffsunterscheidungen speziellere Disziplinen herleiten, die sich wiederum teilweise mit den in der Schulphilosophie gebräuchlichen Arten spezieller Metaphysik decken.45 So könnten etwa aus dem Begriff ›compositum substantiale‹ die (rationale) Kosmologie, aus dem Begriff ›ens simplex‹ die (rationale und empirische) Psychologie gewonnen werden.46 Auch die natürliche Theologie führt Lambert hier an, allerdings ohne weiterführenden Hinweis.47 Allein der Rekurs auf die einfachsten zu unterscheidenden Merkmale eines Dinges –

|| 40 Vgl. Lambert: Preisschrift (s. Anm. 29), § 60, S. 515. Vgl. auch ebd., § 15, S. 501, wo Lambert auch auf seine Schrift Criterium veritatis verweist. 41 Vgl. Lambert: Criterium veritatis (s. Anm. 29), bes. § 55, S. 452f. 42 Ebd., § 80, S. 471. 43 Vgl. ebd., §§ 84–86. 44 Vgl. Lambert: Anmerkungen (s. Anm. 29), §§ 16f., S. 753f. 45 Vgl. ebd., §§ 20–58. 46 Vgl. ebd., § 43 und §§ 49–50. 47 Vgl. ebd., § 52.

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›simplex-compositum‹ und ›ideal-substantial‹ – reicht auch offenkundig nicht aus, den Gegenstand der natürlichen Theologie von dem der Psychologie klar zu unterscheiden. Weitere Hinweise gibt Lambert dann viel später im Text, wenn er einen Grundriss des ontologischen Teils der ›Grundlehre‹ gibt. Mit Blick auf die Bestimmung der Natur der ›einfachen Dinge‹ (entia simplices) stellt er heraus, dass »in der Ontologie noch keine theologischen Erkenntnisse können gebraucht werden«,48 und verwirft damit eine Option, die er kurz zuvor erwogen hatte: die apriorische Erklärung der Existenz von Bewusstsein durch den Verweis auf eine vollkommenere Schöpfung.49 Der Grund für diese Ablehnung ist einfach: Es könnten andere Erklärungen gegeben werden. Weniger zuversichtlich ist Lambert einige Paragraphen später mit Blick auf die Frage, inwiefern die Zusammensetzung einfacher Substanzen a priori erklärt werden könne. Hier müsse auf ›Finalursachen‹ verwiesen werden, was allerdings in die natürliche Theologie gehöre und in der Ontologie lediglich ›hypothetisch‹ angenommen werden könne.50 Demnach ist Lambert zwar bestrebt, die Ontologie ohne Rekurs auf natürlich-theologische Theoreme durchzuführen, aber zugleich gewillt, sie im Fall von Schwierigkeiten dennoch heranzuziehen. Schließlich kommt Lambert wiederum wenige Paragraphen später zwar nicht direkt auf natürliche Theologie, aber auf »Gott als ens existens necessario«51 zu sprechen. Er führt die Existenz Gottes dort neben der ›Möglichkeit der Dinge‹ und den ›allgemeinen Wahrheiten‹ als Beispiel für etwas ›absolut Notwendiges‹ an. Bewiesen werden könne etwas absolut Notwendiges, indem das Gegenteil als widersprüchlich erkannt werde,52 womit Lambert nichts anderes als den sogenannten ontologischen Gottesbeweis wenigstens implizit bestätigt. Die vorangegangene Durchsicht zeigt deutlich ein einheitliches Bild von der Wissenschaft ›natürliche Theologie‹ – und zwar ein sehr konventionelles. Gehalt, systematische Stellung und Aufbau der natürlichen Theologie sind – soweit sie den wenigen Bemerkungen zu entnehmen sind – durchweg in Übereinstimmung mit zeitgenössischen schulphilosophischen Darstellungen. In den herangezogenen Vorstudien zu seinen philosophischen Hauptschriften stellt Lambert die Möglichkeit rationaltheologischer Erkenntnis nicht infrage, sondern beschäftigt sich vor allem mit Methoden- bzw. Darstellungsproblemen. Insofern auch in den (wenigen hier relevanten) späten Briefen Lamberts keine Änderungen, sondern bestenfalls Bestätigungen dieses Bildes gegeben werden, kann das Thema ›Lambert und die natürliche Theologie‹ an diesem Punkt als erledigt gelten. Es fehlt allerdings noch der Blick

|| 48 Ebd., § 367, S. 825. 49 Vgl. ebd., § 365, S. 824. 50 Vgl. ebd. 51 Ebd., § 375, S. 827. 52 Im folgenden Paragraphen weist Lambert eigens darauf hin, dass solche Beweise lediglich »Anwendungen aus der Aletheiologie« (ebd., § 376, S. 827) seien.

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in Lamberts philosophische Hauptwerke, besonders seine Darstellung der Ontologie in der Architectonic.

3 Gott in der Ontologie Verfolgt man bei der Lektüre des Neuen Organon und der Anlage zur Architectonic das Ziel, etwas über Themen der natürlichen Theologie oder deren Relevanz für die ›Grundlehre‹ zu erfahren, wird man kaum fündig. So lässt sich etwa der in den Anmerkungen über die Metaphysik und Ontologie überhaupt von Lambert beiläufig angeführte Verweis auf die natürliche Theologie im Kontext des Problems einer apriorischen Erklärung der Zusammensetzung einfacher Substanzen in der Architectonic nicht mehr wiederfinden.53 Und auch einen ausdrücklichen Hinweis darauf, ob und – wenn ja – inwiefern die natürliche Theologie für eine Überführung der ›Egoisten‹ bzw. ›Idealisten‹ notwendig ist, sucht man sowohl im Organon als auch in der Architectonic vergebens. Zwar rügt Lambert im letzten Teil des Organon (Phänomenologie) die Idealisten dafür, dass sie sich nicht über den Status der Begriffe ›Ausdehnung‹, ›Solidität‹ und ›Beweglichkeit‹ als Grundbegriffe im Klaren sind54 und daher deren größere Nähe zu dem, »was das wesentliche der Körper ausmacht«,55 verkennen. Ein Verweis auf Theologoumena fehlt an dieser Stelle aber völlig. Dagegen thematisiert Lambert sowohl im Organon als auch in der Architectonic die Existenz Gottes, indem er jeweils den Gottesbeweis vorstellt, auf den er auch schon in seinen früheren Schriften gelegentlich verwiesen hat.56 Am ausführlichsten ist die entsprechende Stelle im zehnten Hauptteil der Architectonic, wo es heißt: Das Reich der logischen Wahrheit, wäre ohne die metaphysische Wahrheit, die in den Dingen selbst ist, ein leerer Traum, und ohne ein existirendes Suppositum intelligens würde es auch nicht einmal ein Traum, sondern vollends gar nichts seyn. Man kann demnach sagen, daß das Reich der logischen Wahrheit eine gedoppelte Basin oder Grund, worauf es beruhen könne, haben müsse. Einmal ein denkendes Wesen, damit sie in der That gedacht werde; und sodann die Sache selbst, die der Gegenstand des Gedenkbaren ist. Ersteres ist der subjective, letztere der objective Grund, wodurch die logische Wahrheit in die metaphysische verwandelt wird. Wenn wir daher von ewigen, unveränderlichen, absolute nothwendigen Wahrheiten reden,

|| 53 Vgl. bes. das 17. Hauptstück »Das Zusammensetzen« (Lambert: Architectonic [s. Anm. 28], §§ 531ff.). 54 Vgl. Lambert: Organon (s. Anm. 38), Bd. 2, Phänomenologie, §§ 61–62, S. 253f. 55 Ebd. § 72, S. 260. 56 Zudem finden sich in der Architectonic noch zwei Stellen mit eher kosmo- sowie physikotheologischen Überlegungen, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden kann (vgl. Lambert: Architectonic [s. Anm. 28], § 472, mit der Behauptung, es müsse ein notwendiges Seiendes angenommen werden, sonst würde nichts existieren, sowie § 483 mit der Behauptung, der Weltbau sei dem göttlichen Willen gemäß).

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und sagen, daß diese, Wahrheit bleiben würde, wenn auch weder Gott, noch Welt, noch nichts wäre; so stoßen wir durch diese letztere Bedingung die erstere Aussage um, weil wir dadurch sowohl den subjectiven, als den objectiven realen Grund solcher Wahrheiten wegnehmen, und diese folglich nicht etwann nur in einen leeren Traum, sondern vollends in Nichts verwandeln. Demnach zieht der Satz, daß es nothwendige, ewige, unveränderliche Wahrheiten gebe, die Folge nach sich, daß ein nothwendiges, ewiges, unveränderliches Suppositum intelligens seyn müsse, und daß der Gegenstand dieser Wahrheiten, das will sagen, das Solide und die Kräfte, eine nothwendige Möglichkeit zu existiren haben.57

Dass das hier als ›subjektiver realer Grund ewiger Wahrheiten‹ angeführte Suppositum intelligens mit Gott bzw. dessen Verstand zu identifizieren ist, liegt auf der Hand, und Lamberts Bemerkungen zu diesem Beweis in anderen Schriften – in der Methodenpreisschrift, dem Organon und dem bereits erwähnten Brief an Havichorst58 – räumen jeden Zweifel daran aus. Ihn hier ausführlich zu diskutieren, wäre zwar insofern wünschenswert, als Lambert in der Geschichte der Gottesbeweise nicht erwähnt wird.59 Im vorliegenden Kontext werden jedoch einige kurze Hinweise mit Blick auf seine (a) rationaltheologische Originalität, seinen (b) argumentativen Gehalt und seine (c) philosophische Funktion genügen müssen. (a) Originalität. Wie bereits erwähnt, lässt sich dieser Beweis der Existenz Gottes ›aus den ewigen Wahrheiten‹ bereits in der Methodenpreisschrift und auch im Organon finden. Und schon in dem anfangs erwähnten Fragment »Notwendige Wahrheiten und Wirksamkeit Gottes«, das mit der Frage nach dem zureichenden Grund von Wahrheiten beginnt, bestimmt Lambert Gott als ›ersten Grund‹ sowohl ›aller Wahrheiten‹ als auch ›aller wirklichen Dinge‹.60 Damit steht Lambert offenkundig in der Tradition Wolffs.61 In der Methodenpreisschrift skizziert er dann zwar einen ganz ähnlich anmutenden Beweis, der allerdings nicht mehr kosmologisch konnotiert ist, sondern bloß noch die ›ewigen Wahrheiten‹, die auch der »Atheus«62 einräume, im Blick hat. Lambert weist selbst darauf hin, dass »[d]ieser Beweis […] von dem Wolffischen zureichenden Grund independent und bloß auf den logischen gebracht«63

|| 57 Lambert: Architectonic (s. Anm. 28), § 299, S. 289f. 58 Vgl. Lambert: Preisschrift (s. Anm. 29), § 52; ders.: Organon (s. Anm. 38), Bd. 1, Aletheiologie, § 234a; Bernoulli: Lamberts Briefwechsel, Bd. 1 (s. Anm. 34), S. 428. 59 Immerhin findet sich in Cassirers Geschichte der Erkenntnislehre ein Hinweis auf Lamberts Gottesbeweis, den er als »Modifikation des ontologischen Beweisgrundes« (Ernst Cassirer: Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit. Bd. 2. Berlin 31922, S. 545) bezeichnet. Referiert wird der Beweis auch in Otto Baensch: Johann Heinrich Lamberts Philosophie und seine Stellung zu Kant. Magdeburg 1902, S. 38f. 60 Vgl. Lambert: Notwendige Wahrheiten (s. Anm. 11), §§ 1–5, bes. § 5. 61 Vgl. z. B. Christian Wolff: Vernüfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt. Neue Auflage hin und wieder vermehret. Halle 1752, § 940, S. 580; ferner Alexander Gottlieb Baumgarten: Metaphysica. Halle 41757, § 854, S. 348. 62 Lambert: Preisschrift (s. Anm. 29), § 52, S. 513. 63 Ebd.

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werde. Und tatsächlich bringen weder Wolff noch Baumgarten in ihren Darstellungen der Metaphysik einen auch nur ähnlichen Beweis der Existenz Gottes ›aus den ewigen Wahrheiten‹ an.64 Dagegen wird man bei Leibniz fündig, der in der sogenannten Monadologie zwischen seine Darstellung des kosmologischen und die des ontologischen Beweises einen kurzen Beweis der Existenz Gottes »par la realité des verités éternelles« einschiebt.65 Auch er verweist dabei darauf, dass die ›ewigen Wahrheiten‹ den ›göttlichen Verstand‹ ausmachten und dass es ohne diesen noch nicht einmal etwas Mögliches gebe. Genau diesen Aspekt, der nicht wirkliche Dinge und deren Gesetzmäßigkeiten, sondern bloß Denkbares und dessen Gesetzmäßigkeiten betrifft, betont Lambert, baut ihn aus und macht ihn zu einem eigenständigen Beweisgrund.66 (b) Gehalt. Die zentrale Behauptung, die dem Beweis zugrunde liegt, ist offenkundig: Weil es ewige Wahrheiten gibt, existiert Gott. Dabei ist Gott zugleich auch Grund der ewigen Wahrheiten. Lambert bringt dieses Verhältnis zwischen den Begriffen ›(ewige) Wahrheit‹ und ›Gott‹ im Organon auf die folgende Formel: »Gott ist das Principium essendi der Wahrheiten, und die Wahrheiten sind das Principium cognoscendi der Existenz Gottes.«67 Die entscheidende Prämisse, die es erlaubt, von der Voraussetzung, es gebe ewige Wahrheiten, auf die Existenz Gottes zu schließen, gibt Lambert kurz vor der oben zitierten Stelle aus der Architectonic auch ausdrücklich an: »So […] ist die Gedenkbarkeit nichts, daferne nicht die metaphysische Wahrheit mit dazu kömmt, das will sagen, daferne nicht ein denkendes Wesen existirt, welches das Gedenkbare wirklich denke.«68 Demnach ist die logische Wahrheit eines Gedankens nicht hinreichend, um davon zu sprechen, dass er überhaupt ›etwas‹ ist. Erst unter der Voraussetzung, dass es für die Existenz wahrer Gedanken eine notwendige Bedingung ist, auch tatsächlich gedacht zu werden, wird Lamberts

|| 64 Das trifft zumindest auf die Darstellungen der natürlichen Theologie in Wolffs Deutscher Metaphysik und Baumgartens Metaphysica zu. 65 Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz: Die Prinzipien der Philosophie oder die Monadologie. In: ders.: Kleine Schriften zur Metaphysik. Philosophische Schriften. Band 1. Hg. von Hans Heinz Holz. Frankfurt a. M. 1996, S. 439–483, Abschn. 43–44 sowie den Hinweis in Abschn. 45 (dort ist auch das Zitat zu finden). 66 In diesem Punkt ist Lamberts Beweis ganz ähnlich demjenigen, den Kant etwa zur gleichen Zeit als ›einzig möglichen Beweisgrund‹ vorträgt. Denn auch (dem ›vorkritischen‹) Kant zufolge müsse dem bloß Möglichen qua ›Denklichem‹ etwas Wirkliches notwendigerweise zugrunde liegen: »Alle Möglichkeit setzt etwas Wirkliches voraus, worin und wodurch alles Denkliche gegeben ist. Demnach ist eine gewisse Wirklichkeit, deren Aufhebung selbst alle innere Möglichkeit überhaupt aufheben würde. Dasjenige aber, dessen Aufhebung oder Verneinung alle Möglichkeit vertilgt, ist schlechterdings nothwendig. Demnach existirt etwas absolut nothwendiger Weise« (Immanuel Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes [1763], AA II, S. 83). 67 Lambert: Organon (s. Anm. 38), Bd. 1, Aletheiologie, § 234a, S. 572. 68 Lambert: Architectonic (s. Anm. 28), § 299, S. 289.

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Schluss nachvollziehbar – wenn auch nicht überzeugender. An der Gültigkeit des Satzes des Pythagoras ändert sich nichts, wie Lambert selbst hervorhebt, wenn niemals ein Mensch ihn jemals tatsächlich gedacht hätte.69 Es ändert sich an ihr aber auch nichts, so darf hinzugefügt werden, wenn noch nicht einmal ein göttlicher Verstand an ihn denkt. Dagegen hält Lambert daran fest, dass Gedanken nur dann metaphysische Wahrheit zugesprochen werden kann, wenn sowohl das denkende Wesen als auch die gedachte Sache metaphysisch wahr – und d. h. hier: existent – sind. Mit Blick auf die ewigen Wahrheiten bzw. die ihnen zugrunde liegenden Grundbegriffe bedeutet dies zwar nicht, dass sie nur aufgrund der Einsicht in die Existenz Gottes oder mittels göttlichen Beistands erkannt würden. Es zeichnet sie Lambert zufolge vielmehr aus, dass sie ›für sich erkennbar‹ sind, mithin ihren Erkenntnisgrund ›in sich haben‹.70 Allerdings werde, so Lambert im Organon, »[i]n der Theologie […] erwiesen, daß der göttliche Verstand die Quelle aller einfachen Begriffe oder aller daraus zusammengesetzten Wahrheiten sey«71. Das rationaltheologische Lehrstück von der Existenz Gottes stellt also die Antwort auf die Frage dar, warum es überhaupt ewige Wahrheiten bzw. Grundbegriffe gibt. (c) Funktion. Es bleibt schließlich noch die Frage, warum Lambert – obwohl er doch gar keine natürliche Theologie, sondern eine verbesserte Logik und Ontologie vorlegen wollte (und vielleicht auch vorgelegt hat) – überhaupt das skizzierte Argument ›aus den ewigen Wahrheiten‹ strapaziert.72 Für eine Antwort ist zuerst der jeweilige Kontext zu beachten, in den Lambert den Gottesbeweis stellt. Im Organon ist es die Erkennbarkeit der Grundbegriffe, in der Architectonic die metaphysische Wahrheit ›in den Dingen‹. In beiden Fällen stellt der Verweis auf Gott als ›Suppositum intelligens‹ in gewisser Hinsicht einen Zusatz dar. Denn in beiden Kontexten wäre er für die jeweilige Argumentation gar nicht nötig: So sind die Grundbegriffe ohne Angabe weiterer Gründe erkennbar;73 und die metaphysische Wahrheit ›in den Dingen‹ hat ihre Grundlage im ›Soliden‹ und in den ›Kräften‹.74 Dennoch lässt sich Lamberts Platzierung des Gottesbeweises ›aus den ewigen Wahrheiten‹ in genau diesen Kontexten plausibilisieren, wenn noch einmal der ›Egoist‹ und der ›Idealist‹ ins Spiel gebracht werden. Im Unterschied zum ›Idealisten‹, der lediglich das Vorhandensein einer vom denkenden Subjekt unabhängigen Welt leugnet, ist der ›Egoist‹ nicht dazu bereit, überhaupt von etwas anderem als

|| 69 Vgl. z. B. Lambert: Preisschrift (s. Anm. 29), § 50. 70 Vgl. Lambert: Organon (s. Anm. 38), Bd. 1, Aletheiologie, §§ 234a und 234b. 71 Ebd., § 234a. 72 Wolters vermutet, die auffällig wenigen Verweise auf die Existenz Gottes im Organon und in der Architectonic seien als eine bloße ›Absicherung‹ in systematischer Hinsicht zu verstehen. Vgl. Gereon Wolters: Basis und Deduktion. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Theorie der axiomatischen Methode bei J. H. Lambert (1728–1777). Berlin 1980, S. 26. 73 Vgl. Lambert: Organon (s. Anm. 38), Bd. 1, Aletheiologie, § 234a. 74 Vgl. Lambert: Architectonic (s. Anm. 28), § 297, S. 287.

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der Erfahrung seines eigenen Denkens und Vorstellens zu sprechen.75 Immerhin könne er ewige Wahrheiten anerkennen, insofern sie eben nur seine Gedanken betreffen. Dann müsste er aber auch – die Gültigkeit von Lamberts Gottesbeweis einmal vorausgesetzt – die Existenz des ›Suppositum intelligens‹, mithin nicht bloß logische, sondern metaphysische Wahrheit, wenigstens mit Blick auf ewige Wahrheiten einräumen. Damit würde er aber zum ›Idealisten‹ werden, der zwar objektive Wahrheit in Hinsicht auf etwa logische oder mathematische Erkenntnisse einräumt, aber die Bezogenheit seiner Gedanken auf eine materielle Welt bestreitet. Dieser wäre wiederum durch Verweis auf die metaphysische Wahrheit von Grundbegriffen wie ›Ausdehnung‹, ›Solidität‹ und ›Beweglichkeit‹76 von der Unhaltbarkeit des Idealismus zu überzeugen. Als Grundbegriffe sind sie Lambert zufolge nämlich mit Blick auf ihren Gegenstandsbezug apriorische Begriffe, deren bloßes ›Gedenkbarsein‹ bereits metaphysische Wahrheit garantiere.77 Und dass die auf sie gegründeten Sätze, also die ›ewigen Wahrheiten‹, nicht bloß logische, sondern metaphysische Wahrheit haben, ist das, was der Gottesbeweis zeigen soll. Demzufolge müssten in einer strengen Darstellung der Metaphysik der ›Egoist‹ und der ›Idealist‹ tatsächlich, wie es in der Methodenpreisschrift noch hieß, »bis in die Theologie [geführt werden], um den Schluß von dem Schein auf das Wahre zu machen«.78 Jedoch scheint für Lambert mit dem in der Ontologie der Architectonic geführten, anhand der Grundbegriffe ›Solidität‹ und ›Kraft‹ entwickelten Nachweis der ›metaphysischen Wahrheit in den Dingen‹ alles vorhanden zu sein, um ›Egoisten‹, ›Idealisten‹ und natürlich auch ›Atheisten‹ nicht länger auf die Folter spannen zu müssen. Denn bereits das Anerkennen ›ewiger Wahrheiten‹ ziehe die Einsicht in die Existenz Gottes und damit in die Gültigkeit der Grundbegriffe nach sich.79

|| 75 Vgl. zum ›Idealisten‹ nochmals bes. Lambert: Organon (s. Anm. 38), Bd. 2, Phänomenologie, § 9, S. 222f., zum ›Egoisten‹ bes. ders.: Criterium veritatis (s. Anm. 29), § 80, S. 470. 76 Vgl. Lambert: Organon (s. Anm. 38), Bd. 2, Phänomenologie, §§ 61–62, S. 253f. Vgl. auch ders.: Architectonic (s. Anm. 28), § 298, S. 287, wo Lambert ›das Solide‹, ›die Kraft‹, ›die Existenz‹ und ›das Können‹ als Grundbegriffe (dort: ›einfache Begriffe‹) anführt. 77 Siehe für eine Auflistung der relevanten Stellen das Referat in Baensch: Lamberts Philosophie (s. Anm. 59), S. 16–21. 78 Lambert: Preisschrift (s. Anm. 29), § 45, S. 510. 79 Damit expliziert Lambert einen Gedanken, der auch bei Baumgarten angesprochen wird: ›Egoisten‹, ›Idealisten‹ und ›Materialisten‹ können von der Existenz Gottes überzeugt werden, da deren Beweis nur von allgemein anerkannten Wahrheiten abhänge (vgl. Baumgarten: Metaphysica [s. Anm. 61], § 856, S. 348f.). Er arbeitet diesen Gedanken aber zu einem eigenen Beweis um, der nicht mehr auf die Vollkommenheit Gottes oder die Ursache der Welt abstellt, sondern nur noch auf die allgemein anerkannten ›ewigen Wahrheiten‹.

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4 Lambert und die natürliche Theologie der Aufklärung Die vorangegangene Sichtung von Lamberts Stellungnahmen zur natürlichen Theologie und zum christlichen Glauben erlauben deren abschließende Einschätzung mit Blick auf die eingangs vorgestellte These. Dabei mag zugestanden sein, dass Lambert selbst vielleicht kein nennenswertes Interesse an einer eigenen Darstellung der natürlichen Theologie hatte oder etwa durch äußere Umstände daran gehindert wurde, eine solche zu erarbeiten. Nichtsdestotrotz steht fest, dass er das Projekt einer natürlichen Theologie als metaphysica specialis als durchführbar und vor allem auch als notwendig ansah. Die Einschätzung kann in vier Schritten erfolgen: 1. Auch wenn aus der Zeit nach den 1750er Jahren keine weiteren Reden zu religiösen Themen oder Texte ausdrücklich theologischen Inhalts überliefert sind, darf von einer Kontinuität von Lamberts Verbundenheit zum christlichen Glauben und seiner Überzeugung von der Möglichkeit einer teilweise rationalen Durchdringung von dessen eigenartigen Lehren ausgegangen werden. Darauf weisen bereits die bekannten biographischen Berichte hin. Zudem scheint die Formulierung eines von der Annahme ewiger Wahrheiten ausgehenden Gottesbeweises für Lambert ein besonderes Anliegen gewesen zu sein, das sich für nahezu seine ganze philosophische Schaffenszeit nachweisen lässt. 2. Mit Blick auf zeitgenössische Darstellungen der natürlichen Theologie sind Lamberts relevante Bemerkungen als eher gewöhnlich einzuschätzen. Die Einordnung der natürlichen Theologie in das System der metaphysischen Wissenschaften sowie seine Skizze von deren Aufbau lehnen sich stark an die zeitgenössische, besonders die wolffianische Schulphilosophie an. Die wenigen Andeutungen zu den drei Abteilungen der gewöhnlichen Darstellung der natürlichen Theologie bewegen sich durchweg in deren Rahmen, Lamberts eigenständiges Interesse gilt lediglich die gesamte Metaphysik betreffende methodologischen Fragen. 3. Dass der natürlichen Theologie auch für die Begründung metaphysischer Erkenntnis eine herausragende Funktion zukommen könnte, scheint Lambert nicht im Blick zu haben. Während etwa Crusius der natürlichen Theologie eine hervorzuhebende Stellung im System der Metaphysik gerade mit Blick auf die Frage nach der Gültigkeit metaphysischer Erkenntnis einräumt,80 bleibt Lambert auch in dieser Hinsicht eher dem Wolffianismus verpflichtet. Dies ist insofern bemerkenswert, als Lambert selbst den Gottesbegriff an zwei nicht unwesentlichen Stellen seiner philosophischen Hauptwerke ins Spiel bringt. Und insofern diese Stellen die Probleme

|| 80 Vgl. dazu Stefan Klingner: The Systematic Place of Natural Theology in Crusius’ Work. In: Christian August Crusius (1715-1775). Philosophy between Reason and Revelation. Hg. von Frank Grunert, Andree Hahmann und Gideon Stiening. Berlin, Boston 2021, S. 351‒370.

Natürliche Theologie und christlicher Glaube bei Lambert | 319

der Erkennbarkeit der Grundbegriffe sowie den metaphysischen Aspekt der ewigen Wahrheiten, also Probleme der philosophischen Erkenntnis par excellence betreffen, bieten sie besonders in methodologischer Hinsicht Gelegenheit, das Verhältnis von zentralen Themen der natürlichen Theologie und der Rechtfertigung metaphysischen Wissens eigens zu überdenken. 4. Werden die vorangegangenen drei Punkte zusammengenommen, darf die eingangs genannte Behauptung, Lamberts philosophischer Theorieentwurf stelle nichts weniger als einen paradigmatischen Fall des rationaltheologisch fundierten Rationalismus der Schulphilosophie der Aufklärung dar, als bestätigt gelten. Zwar begründet Lambert nicht explizit die Möglichkeit philosophischer Erkenntnis qua apriorischer Vernunfterkenntnis mit einem Verweis auf die natürliche Theologie. An entscheidenden Stellen seiner Logik und Ontologie bedient er sich aber ganz selbstverständlich konventioneller Theologoumena, besonders des Begriffs eines göttlichen Verstands. Diese Selbstverständlichkeit mag mit Blick auf Lamberts biographischen Hintergrund verzeihbar sein. Sie ist aber offenkundig nichts anderes als Ausdruck dessen, was dann ab den 1780ern ›Dogmatismus‹ genannt wird: »d. i. der Anmaßung, mit einer reinen Erkenntniß aus Begriffen (der philosophischen) nach Principien, so wie sie die Vernunft längst im Gebrauch hat, ohne Erkundigung der Art und des Rechts, womit sie dazu gelangt ist, allein fortzukommen«.81

|| 81 Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft (1787), AA III, S. 21 (B XXXV).

Gideon Stiening

Theologisch-teleologische Popularphilosophie Über Lamberts Cosmologische Briefe

1 Zur Einführung: Die Welt als Schöpfung und als Maschine Am 31. Mai 1777 – wenige Wochen vor seinem Tod – schreibt Johann Heinrich Lambert an Aloysius Havichorst, einem seiner bevorzugten Briefpartner: Von der Größe Gottes habe ich in meinen cosmologischen Briefen einige Begriffe gegeben. Auch die civitas dei erhält daraus einige Aufklärung.1

Prima vista sind diese interpretierenden Ausführungen Lamberts zu seinen 1761 erstmals publizierten Cosmologischen Briefen einigermaßen überraschend: Weder nämlich muss in einer seit Christian Wolffs Metaphysik kanonisierten Kosmologie als Teil der Metaphysica specialis eine Referenz auf die Gottesinstanz und deren »Größe« ausgeführt werden noch etwa gar auf die »Civitas Dei«. Drückt sich nach zeitgenössischem Verständnis die Größe Gottes vor allem in seinen Werken aus, so dass dieser Begriff ein schöpfungstheologisches Argument ausführt, so weist die Civitas Dei soteriologische Dimensionen auf; beide Felder der Theologie haben aber an sich in der Kosmologie nichts zu suchen. Denn nach Wolff behandelt die wissenschaftliche Kosmologie die Welt »als eine Maschine«,2 die mithin nach mechanistischen Gesetzen geordnet ist. Diese Grundannahme der metaphysischen Kosmologie Wolffs ebenso wie der mathematischen Naturphilosophie Newtons wird von Lambert allerdings gar nicht bestritten. Im Gegenteil hat er in den Cosmologischen Briefen, die im Folgenden vor allem in Betracht stehen sollen, mit Nachdruck auf Newtons Gravitationsgesetz als einem allgemeinen und notwendigen Grundgesetz der ›Welt‹ Bezug genommen:

|| 1 Johann Heinrich Lambert: Deutscher gelehrter Briefwechsel. Hg. von Johann III Bernoulli. 5 Bde. Berlin 1782–1785, hier Bd. 1, S. 424–428, spez. S. 428 (LPS 9). 2 Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt (Deutsche Metaphysik). Mit einer Einleitung und einem kritischen Apparat von Charles A. Corr. Hildesheim 1983 [WGW I.2.2], S. 336f. (§ 557). https://doi.org/10.1515/9711830647761-017

322 | Gideon Stiening

Denn Sie, mein Herr, hatten diese allmähliche Verrückung aus dem Gesetze der Schwere hergeleitet, weil dieses Gesetz jeder Maße von Materie anhaftet, und daher nicht nur durch die ganze Welt ausgebreitet ist, sondern auch vornehmlich dazu dient, daß es die Welt zu einem zusammenhängenden Ganzen macht.3

Insofern ist auch für Lambert völlig unbestritten, dass »de[r] ganze Weltbau überhaupt als eine sehr zusammengesetzte Maschine« zu betrachten und nur dadurch als ein in sich geschlossenes Ganzes zu erfassen ist.4 Wie aber steht es vor dem Hintergrund dieser Prämisse um die Stellung der »Größe Gottes« und die der »Civitas Dei«? In welchem Verhältnis stehen beide – sich an sich streng ausschließenden – Erklärungsmodelle der Welt zueinander: die Welt als Schöpfung und die Welt als Maschine? Im Folgenden soll dieses Problem, das als eines der zentralen Kontroversfelder des frühneuzeitlichen Welt- bzw. Naturbegriffes5 in den Cosmologischen Briefen einer spezifischen Lösung zugeführt wird, näherhin betrachtet werden. Dafür ist es unerlässlich, die besondere Textgattung, der Lambert sich ausdrücklich und reflektiert bedient, den ›Gelehrten Briefwechsel‹, abschließend in den Blick zu nehmen.

2 Irritierende Beobachtungen: Bewegung der Fixsterne und ein ›Krieg der Sterne‹? Lambert macht schon in der Vorrede seiner Cosmologischen Briefe deutlich, dass es vor allem zwei Phänomene sind, die die neuere Astronomie beobachten konnte, die allerdings aufgrund ihres zugleich prekären empirischen Status einer spezifischen Erläuterung bedürfen, deren Grundlegung in einer besonderen Wissenschaftstheorie und -methode geleistet werden muss. Es sind dies erstens Beobachtungen zu den Fixsternen, die dazu führen, ihnen eine eigentümliche Bewegung zuzuschreiben und die daraus sich ergebenden Erklärungsmodelle. Dazu heißt es im Text: Erinnern Sie sich, mein Herr, daß Sie die Frage gemacht haben, ob nicht aus Vergleichung der alten und neuen Katalogen erwiesen werden könnte, daß die Fixsterne ihren Ort unter einander ändern, und sich nach und nach aus ihrer Stelle verrücken. Sie können diese Frage in Absicht auf viele Sterne als erörtert ansehen. Mein Freund sagte mir, daß sich der Herr Prof. Mayer zu Göttingen, dem wir so viele andere Erfindungen zu verdanken haben, die Mühe gegeben, diese Untersuchungen, die schon vor ihm sein angestellt worden, weiter zu treiben. Er

|| 3 Johann Heinrich Lambert: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg 1761, S. 197f. (LPS 5). 4 Ebd, S. 25. 5 Siehe hierzu u. a. Thomas Leinkauf (Hg.): Der Naturbegriff in der frühen Neuzeit. Semantische Perspektiven zwischen 1500 und 1700. Tübingen 2005.

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habe die Sache zureichend erörtert, und sei auf den Schluß gebracht worden, daß man nicht zu zweifeln habe, man würde nach einer allgemeineren Prüfung finden, daß sich alle Fixsterne mehr oder minder verrückt haben.6

Auf der Grundlage der Erkenntnisse des Oxforder Theologen und Astronomen James Bradley7 und des Göttinger Mathematikers und Astronomen Tobias Mayer8 wird mithin die seit der Antike gültige Annahme der Unbeweglichkeit der Fixsterne in Frage gestellt und anschließend eine Beantwortung der möglichen Gründe für ihre Bewegung erprobt. Zweitens aber war in den Jahren und Jahrzehnten vor 1761 eine große Anzahl von Kometen entdeckt worden, deren Laufbahnen darauf schließen lassen konnte, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit miteinander oder gar mit der Erde kollidieren könnten. Einer der Briefpartner des fiktiven Briefwechsels hält diesen Sachverhalt wie folgt fest: In der Tat, nachdem ich mir alles Ungeheure dabei vorgestellt, so habe ich merklich nachgelassen, die Kometen so freigebig durch den Weltraum auszustreuen, und ich ließ alle die weg, die mit der Zeit Unheil anrichten könnten. Allein damit reiche ich nicht weit, weil ich die Kometen nehmen muß, wie sie wirklich sind, und wenn sie nicht selbst friedsame Bahnen sich machen, so haben wir immer Krieg am Firmament zu besorgen.9

Ein »Krieg am Firmamente« ist die große Sorge der zeitgenössischen Kometenforschung;10 dieser Befürchtung will der Autor der Cosmologischen Briefe entschieden entgegentreten, und er sieht sich dazu auch in der Lage. Lambert wird beiden Problemen, der Frage nach den Gründen für eine Bewegung der Fixsterne und der nach einem möglichen ›Krieg der Sterne‹ auf je eigene Weise begegnen; in der Vorrede weist er auf die Bedeutung beider Beobachtungen für seine Abhandlung hin: Indessen sind nicht alle Gründe die ich gebrauche, bloß teleologisch. Das Gesetz der Schwere, welches ich durch die ganze Welt ausdehne, gibt mir solche an, die auf eine viel noth-

|| 6 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. 197. 7 Siehe hierzu u. a. Allan W. Hirshfeld: [Art.] James Bradley. In: Biographical Encyclopedia of Astronomers. 4 Bde. Hg. von Thomas Hockey. New York u. a. 2014, Bd. 1, S. 162f. 8 Siehe hierzu u. a. Peter Aufgebauer: Die Anfänge der Sternkunde in Göttingen. In: Göttinger Jahrbuch 50 (2002) S. 75–92. 9 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. 5. 10 Siehe hierzu u. a. Rainer Baasner: Aberglaube und Apokalypse. Zur Rezeption von Whistons Kometentheorie in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts. In: Lessing-Yearbook 19 (1987), S. 191–207 sowie Olaf Briese: Die Macht der Metapher. Blitz, Erdbeben und Kometen im Gefüge der Aufklärung. Stuttgart, Weimar 1998, S. 191ff.

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wendigere Art schließen. Der Abstand der Fixsterne von einander in dem 12ten Briefe, und das Ausweichen der Planeten und Kometen in dem 3ten Briefe wird daraus hergeleitet.11

Schon an dieser Stelle lässt sich erkennen, dass Lambert zweierlei unternimmt, indem er zum einen eine ›Logik des Wahrscheinlichen‹ für die empirische Naturforschung entwirft und zum anderen auf eine ›Wiedereinführung‹ der Teleologie in die Naturlehre abzielt. Dabei wird er im Laufe des Briefwechsels deutlich machen, dass der Probabilismus und die Teleologie für bestimmte Bereiche der Naturforschung zusammenstimmen können und müssen – und doch mit der mechanistischen Grundordnung des Kosmos kompatibel bleiben. Daher wird auch schnell erkennbar, dass die Erläuterung der empirischen Problemlagen – Kometen und Fixsterne – letztlich nur Mittel sind, um die naturwissenschaftliche Methodik um eine materiale Wahrscheinlichkeitslehre und teleologische Urteile zu erweitern.

3 Zur Stellung der Teleologie in Lamberts Naturlehre Ebenfalls schon in der Vorrede kommt Lambert auf die Bedeutung der Teleologie für die nachfolgenden Ausführungen, die ausdrücklich einen Beweischarakter haben sollen, zu sprechen: Viele Vordersätze, deren ich mich in den Beweisen bedient, sind von den Absichten der Schöpfung hergenommen, und folglich teleologisch.12

Hier zeigt sich der Grund für Lamberts noch 1777 geäußerte Behauptung, er habe in den Cosmologischen Briefen Begriffe von der ›Größe Gottes‹ entwickelt: Die Begründung der Verwendung teleologischer Urteile in der Naturforschung muss deshalb auf die »Absichten der Schöpfung« Bezug nehmen, weil Zwecke – wie noch für Kant – von einer Intelligenz gesetzt werden müssen und eine zweckmäßige Ordnung der Natur folglich der Gottesinstanz bedarf. Der Autor ist sich allerdings – trotz einer autorisierenden Referenz auf Leibniz und Maupertuis – durchaus darüber im Klaren, dass der Zustand der Teleologie als Wissenschaft noch ungenügend ist: Man kann ihre Allgemeinheit auf eine gedoppelte Art in Zweifel ziehen. Einmal kann man fragen, ob sie nicht nothwendig eine sehr starke Einschränkung leiden, und wenn auch dieses nicht ist, ob es nicht Einzel Fälle gibt, wo andere Absichten eine Ausnahme daran machen. Das Lehrgebäude von den Absichten der Schöpfung ist noch lange nicht so vollständig, daß man jede einzelne Absicht mit den übrigen vergleichen, ihre Subordination veste setzen, die Ein-

|| 11 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. XIII. 12 Ebd., S. VIIIf.

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schränkungen und Ausnahmen bestimmen, und daher auch jede vorkommende Fälle daraus beurtheilen könnte. So lange dieses nicht ist, wird sich jeder Leser ein unumschränktes Recht anmaßen, von teleologischen Beweisen so viel einzuräumen und zu verwerfen, als es ihm gefällt.13

Gleichwohl sieht sich Lambert in der Lage, Grundzüge der »Beschaffenheit einer vollständigen und strenge erwiesenen Teleologie«14 zu liefern. Erkennbar zählt die Referenz auf die Absichten des Schöpfer, der Vorsehung bzw. der Schöpfung zu den häufigsten des gesamten Briefwechsels.15 Lambert beabsichtigt also seine mechanistische Kosmologie in der Nachfolge Newtons mit einer theonomen Teleologie zu verbinden: Der Schöpfer, die ewige Quelle alles Lebens, ist viel zu wirksam, als daß er nicht in jedes Stäubchen Leben und Kräfte und Wirksamkeit geprägt hätte. Wie sollte man denn Ihr Unternehmen als verwegen ansehen, da Sie, mein Herr, weiter nichts thun, als daß Sie zeigen, man müsse die Absicht GOttes, das ganze Weltgebäude bewohnt zu machen, und keinen Theil, keine Seite desselben unbetrachtet zu lassen, in ihrem wahren Umfange zum Grunde legen, um sich von der Welt einen rechten Begriff zu machen.16

Aber die Wirksamkeit und damit Beweiskraft der Gottesinstanz für eine wissenschaftliche Kosmologie ist damit noch nicht abgeschlossen: Den Ausgangspunkt der gesamten kosmologischen Überlegungen bildet jenes anschaulich vermittelte Problem, das oben schon angesprochen wurde, die Kometenkollision: Ein noch unwissender Briefpartner sucht aufgrund der Lektüre einiger astronomischer Bücher nach Rat und Beruhigung bei einem kompetenten Freund. Nachdem man festgestellt hatte, dass die Kometen völlig andere als nur von Planeten abgeleitete Funktionen haben, scheint es so auszusehen, dass der Himmel gleichsam überbevölkert und ungeordnet ist, was zu ständigen Kollisionen der Himmelskörper führen könnte, so dass es zu jenem schon zitierten beständigen »Krieg am Firmamente« kommen müsse. Diesen Befürchtungen hält jedoch der andere Briefpartner, der erkennbar kein Laie, sondern ein Fachmann ist, entgegen: Es gebe zum einen das Erhaltungsgesetz, das neben dem Gesetz der Schwere, das Newton als Universalgesetz unseres Sonnensystems erwiesen habe, gleichursprüngliche Geltung beanspruchen könne. Es wirken im Universum nach dieser Auffassung folglich zwei Gesetze neben- und ineinander: Die mechanischen Gründe beruhen auf dem Gesetz der Schwere, die teleologischen aber auf der Erhaltung und einfachen Ordnung des Ganzen. Das || 13 Ebd., S. IX. 14 Ebd. 15 Siehe ebd., S. IX, S. XVI, S. 5, S. 11, S. 19f., S. 32f., S. 108, S. 201, S. 282 u. ö.; vgl. auch Anna Holterhoff: Naturwissenschaft versus Religion? Zum Verhältnis von Theologe und Kosmologie im 18. Jahrhundert. Berlin 2009, S. 53–89. 16 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. 108.

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Gesetz der Erhaltung, das sich erst allmählich als empirisches Naturgesetz durchsetzte,17 wird an dieser Stelle auf den gesamten Kosmos übertragen. Dieses Erhaltungsgesetz führt im Hinblick auf den Lauf der Planeten, Kometen und Satelliten dazu, dass es im Falle von Kollisionskursen ›Ausweichmanöver‹ geben können soll, die jene befürchtete tausendfache Selbstzerstörungskraft verhindern, welche durch eine ungeordnete, chaotische Bewegung der Kometen entstehen könnte: Ich glaube vielmehr, daß Kometen und Planeten nach der wahren Einrichtung des Weltgebäudes einander, durch ganze Weltalter durch, geschickt ausweichen können, und daß dieses Ausweichen eben durch solche kleinere Verrückungen immer möglich bleibe.18

Die Garantie dieser Ausweichmanöver ist dabei einzig auf die weise »Vorsehung des Schöpfers« zurückzuführen. Denn ein weiser und gütiger Schöpfer kann die Zerstörung seiner Schöpfung nicht zum Zweck seines Willens und damit seiner Absichten mit der Schöpfung gehabt haben, so dass das Gravitationsgesetz in seinem Geltungsumfang durch eine theonome Teleologie eingeschränkt wird. Auf dieser Grundlage werden die Naturgesetze eingebunden in eine teleologische Fundierung, die Lambert wie folgt ausführt: Ich nehme die Weisheit des Schöpfers in ihrem völligen Umfange. Ich setze zugleich, daß die Erhaltung der Weltkörper und ihrer Bewohner eine solche Absicht der Schöpfung gewesen, dabey keine Ausnahme zulässig wäre, die eine völlige Zerstörung einschlösse.19

Im Hintergrund dieser These steht jene allgemeine Teleologie, die Lambert aus dem Feld der natürlichen Dinge der Erde auf den ganzen Kosmos überträgt, um einen Rückgriff der Erklärung für den gesetzmäßigen Lauf der Himmelskörper ohne ständige Kollisionen nicht dem Zufall, der ausdrücklich negiert wird,20 zu überlassen: Denn in der Tat fällt hier Glück und Zufall weg, sobald man die Sache als eine Folge von der Einrichtung der Welt sieht, und es wird eine Absicht des Schöpfers heißen, daß er für die Erhaltung der Erde und der Kometen auf diese Art sorgen wollte. Wir müssen ohnehin notwendig alles, was wirklich geschieht, als Mittel und Absichten sehen, die in den ewigen Rathschlüssen auf die allerweiseste Art unter einander geordnet sind.21

|| 17 Siehe hierzu u. a. Stamatios D. Gerogiorgakis: Spekulation und Physik im 18. Jahrhundert. Lomonossow, Kant und Lavoisier in Sachen Erhaltungsgesetz und Äther. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 28 (2005), S. 255–264. 18 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. 17. 19 Ebd., S. 32. 20 Siehe hierzu ebd., S. 111: »Dieser Unterschied muß seine Gründe haben, weil diese vierfache Ordnung und Uebereinstimmung in den Planeten nothwendig allen Zufall auschleußt«; vgl. auch ebd., S. 46, S. 100 und S. 102. 21 Ebd., S. 33.

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Damit wird die empirische Kosmologie, die nach Newton vor allem nach mechanischen Gesetzen eine Ordnung erhielt, zu einem Anwendungsgebiet jener Teleologie, der Christian Wolff ihr ein für das 18. Jahrhundert konstitutives Gepräge gegeben hatte. Lambert zitiert an dieser Stelle auch nahezu ungekürzt aus der Deutschen Teleologie, denn Wolff hatte schon in deren § 2 festgehalten, dass die Haupt-Absicht der Welt die Offenbahrung der Herrlichkeit GOttes sey, das ist, daß GOtt die Welt deswegen hervorzubringen beschlossen, auch nach seinem Rathschlusse würklich hervorgebracht hat, damit man seine Vollkommenheit daraus erkennen möchte. Ja in diesem Verstande ist wider Spinosam und seine Anhänger bewiesen worden, daß alles, was aus dem Wesen der Dinge folget, Absichten Gottes sind, die er dadurch zu erreichen gesucht, und daß er eben deßwegen dieselben hervor gebracht, damit er sie erreichen möchte, dergestalt daß auch selbst die Glücks- und Unglücksfälle, die in Ansehung Gottes nicht von ohngefähr, sondern sowohl als das übrige nach seinem Rathschlusse erfolgen, mit darunter zu rechnen sind, wie nicht weniger der Nutzen von den Wercken der Kunst als eine Absicht Gottes in der Natur anzusehen ist.22

Im Gegensatz zu Wolff, der hier eine gleichsam dogmatische Ergänzung der mechanistischen Kosmologie aus der Metaphysik liefert,23 geht Lambert ausführlich auf den problematischen Status teleologischer Erkenntnisse ein. In Anbindung an seine Ausführungen in der Vorrede heißt es in Bezug auf die Annahme des situativen Ausweichens der Planeten und Kometen mit großem Nachdruck: Es ist wahr, wenn ich setze, der Lauf der Weltkörper seye so eingerichtet, daß eben die kleinern Veränderungen, die sie einander verursachen, dazu dienen müssen, daß sie einander immer ausweichen können, so nehme ich etwas an, das sich eben so strenge nicht erweisen lässt.24

Der hierdurch veranlasste Rückgriff auf eine allgemeine Teleologie der natürlichen Dinge wird ebenfalls und erneut deutlich in seinem Geltungsstatus eingeschränkt; nach dem oben ausgeführten Rückgriff auf die Weisheit des Schöpfers sowie die Naturgesetze der Erhaltung und Ordnung des Ganzen hält Lambert fest: Läßt man diese Sätze gelten, so ist doch immer mehr eine Bewunderung als ein vollständiger Beweis dabey, und man kann mir immer in Zweifel ziehen, ob eine solche Einrichtung möglich gewesen, gesetzt, daß auch die Erhaltung der Weltkörper und ihrer Bewohner keine Ausnahme hätte leiden können.25

|| 22 Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von den Absichten der natürlichen Dinge (Deutsche Teleologie). Frankfurt a. M., Leipzig 21726, S. 2 (§ 2). 23 Vgl. hierzu u. a. Stefanie Buchenau: Teleologie zwischen Physik und Theologie. In: Aufklärung 23 (2011), S. 163–174. 24 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. 32. 25 Ebd., S. 32f.

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Die Anwendung teleologischer Prinzipien auf die Naturforschung, hier die Astronomie, ist also deutlich restringiert, wie späterhin bei Kant.26 Keineswegs zielt Lambert in diesem Theoriestück folglich auf eine dogmatische Retheologisierung der Naturforschung ab, wie dies beispielsweise zum gleichen Zeitpunkt bei Hermann Samuel Reimarus erfolgt.27 Im Gegenteil wird auch und gerade im Rückgriff auf die wolffschen Begründungsleistungen der Charakter einer sogenannten »Muthmassung« berücksichtigt, der auch dem Status teleologischer Urteile zukäme. Um diese epistemologische Wendung zu verstehen, muss auf das zweite empirische Phänomen, an dem Lambert seine gegenüber Newton modifizierte bzw. erweiterte Naturforschung zu entwickeln sucht, Bezug genommen werden: Die Bewegung der Fixsterne.

4 Die ›Logik des Wahrscheinlichen‹ in der Naturforschung: Zum Begriff der »Muthmassung« Nachdem sich der erste Teil der Cosmologischen Briefe mit der Frage nach den Umlaufbahnen der Kometen und deren Gefährdung für die Erde beschäftigt hatte, geraten im zweiten Teil der Abhandlung Überlegungen zu den Bewegungen der Fixsterne und den daraus abzuleitenden Spekulationen über die Bewegungen der verschiedenen Milchstraßen sowie des gesamten Universums ins Zentrum der Erörterung. Allerdings kommen diese Reflexionen über den Status des Wahrscheinlichen nicht hinaus: »Ich gebe zu, daß das meiste von dem, was ich sage, nur einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit hat.«28 Das prima vista Ungewöhnliche dieser Probabilitätskalkulationen besteht darin, dass sie sich weder auf rein mathematische noch auf rein logische Sachverhalte beziehen, sondern vor allem auf solche, die der empirischen Naturforschung zuzurechnen sind. Allerdings sind theoretische Überlegungen zu einer Unterscheidung zwischen einer formalen und einer materialen Wahrscheinlichkeitslogik seit dem frühen 18. Jahrhundert keineswegs unüblich.29 So machen schon Leibniz und Wolff

|| 26 Vgl. hierzu Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft, § 75f., AA V, S. 397ff. 27 Vgl. hierzu u. a. Gideon Stiening: »Die besonderen Absichten Gottes im Thierreiche«. Theologie und Metaphysik in Reimarusʼ Allgemeinen Betrachtungen über die Triebe der Thiere. In: Hermann Samuel Reimarus (1694–1768). Natürliche Religion und Popularphilosophie. Hg. von Stefan Klingner und Dieter Hüning. Berlin, Boston 2022, S. 243–267. 28 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. Vf.; siehe hierzu und zum Folgenden Oskar B. Sheynin: J. H. Lambert’s work on probability. In: Archive for the History of Exact Science 3 (1971), S. 244–256. 29 Zu den Entwicklungen der Wahrscheinlichkeitslehre im 18. Jahrhundert siehe die exzellente Studie von Giuseppe Motta: Ausgang aus der Metaphysik. Die Wahrscheinlichkeitslehre von Chris-

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auf die wissenschaftliche, aber auch alltagsweltliche Bedeutung der »Kunst, aus Wahrscheinlichkeitsgründen zu urteilen«, aufmerksam,30 nicht ohne darauf hinzuweisen, dass es »noch an einer Vernunfts-Kunst des Wahrscheinlichen fehle«.31 Differenzierter entwickelt die Thomasius-Schule jene oben schon angedeutete Einteilung in formale und materiale Wahrscheinlichkeitslogik, so dass beispielsweise August Friedrich Müller in seiner Einleitung in die philosophischen Wissenschaften aus dem Jahre 1733 nach den Ausführungen zur formalen Wahrscheinlichkeit die folgende Differenzierung vornimmt: Wir gehen nun fort zu den eintheilungen oder unterschiedenen arten der wahrscheinligkeit: daher zugleich etwas eigentlicher erhellen wird, in welcherley materien man an statt demonstrativer gewißheit mit wahrscheinlichen vermuthungen zufrieden seyn müsse. […] Was nun erstlich die existenz derjenigen dinge anlanget, die aus den untrüglichen empfindungen der sinne weder unmittelbar noch mittelbar durch gewiße folgerungen, erhellen, und also nach den regeln der wahrscheinligkeit nur aus der übereinstimmung der umstände zu vermuthen sind, so machen diese die erste art der wahrscheinligkeit, nemlich die historische, aus. Wenn wir hingegen das wesen der dinge nach den regeln der wahrscheinligkeit untersuchen, so sind solche dinge entweder worte, oder sachen. Das wesen der worte eines redenden bestehet in dem eigentlichen verstande derselben. Weil nun dieser nicht allzeit nur einer ist; sondern eine rede, oder ein spruch eines andern, zum öftern zwo oder mehrere mögliche deutungen haben kan, unter denen sonder zweifel die wahrscheinlichste, aus dem grunde ihrer übereinstimmung mit allen den einer rede zu beobachtenden umständen, zu erlesen ist, […]: so entstehet daher die andere art der wahrscheinligkeit, nemlich die hermeneutische. Sind es aber wirkliche sachen, deren wesen wir untersuchen: so können solche in natürliche, und moralische eingetheilet, und beyde wiederum, theils nach dem gegenwärtigen oder bereits existirenden, theils nach dem zukünftigen, betrachtet werden. Die wahrscheinligkeit, durch welche wir das wesen natürlicher bereits existirender dinge erforschen, ist die dritte art derselben, nemlich die physicalische: und die wahrscheinligkeit hingegen, mit welcher wir das wesen moralischer bereits existirender dinge untersuchen, ist die vierte art derselben, nemlich die politische wahrscheinligkeit. Die fünfte und lezte art ist endlich die practische, durch welche wir das zukünftige, das in physicalischen dingen so wohl, als in moralischen, zu vermuthen ist, zum behuf unsers verfahrens, vorherzusehen bemühet sind.32

Schon Müller zeigt also gut 30 Jahre vor Lambert, dass es mindestens fünf verschiedene Bereiche einer materialen Wahrscheinlichkeitslogik gibt, die systematisch zu

|| tian Garve aus dem Jahre 1766. In: Christian Garve: Ausgewählte Werke. Bd. 2: De Nonnullis, quae pertinent ad Logicam probabiliam / Über einiges, was zur Logik des Wahrscheinlichen gehört. Hg. von Giusppe Motta und Mischa von Perger. Berlin, Boston 2022 (WP 15.2), S. 5–28. 30 Gottfried Wilhelm Leibniz: Die Theodizee. Hg. von Arthur Buchenau und Morris Stockhammer. Hamburg 21968, S. 54f. 31 Wolff: Deutsche Metaphysik (s. Anm. 2), S. 245f. (§§ 402f.). 32 August Friedrich Müller: Einleitung in die philosophischen Wissenschaften. Erster Theil, welcher den Eingang, die Logic und die Physic in sich enthält. Leipzig 21733, S. 571f. (§ 14); den Hinweis auf diese wichtige Passage entnehme ich dem Essay von Motta: Ausgang aus der Metaphysik (s. Anm. 29), S. 10f., Anm. 13.

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entwickeln und aufeinander zu beziehen sind. Lambert bewegt sich im Rahmen der dritten hier ausgeführten Variante materialer Wahrscheinlichkeit, der physikalischen, »durch welche wir das wesen natürlicher bereits existirender dinge erforschen«. Vor diesem Hintergrund wird erkennbar, dass der entscheidende Grund dafür, dass Lambert Wahrscheinlichkeitskriterien auf die empirische Naturforschung anwenden muss und will, darin besteht, dass die Phänomene, über die er Aussagen treffen will, nicht vollends sinnlich wahrnehmbar, mithin beobachtbar sind.33 Denn sowohl die Kometen als auch die Fixsterne sind empirisch nicht vollends erkennbar – wir sehen die Weiten des Universums eben nicht, nicht mit den besten Teleskopen. Daher muss deren Erforschung mit anderen Mitteln erfolgen, die sich hypothetisch oder gleichsam tentativ möglichen Erklärungen auf der Grundlage einzelner Beobachtungen (z. B. die unterschiedliche Helle der Fixsterne oder ihre kaum wahrnehmbare Bewegung) nähern. Um den Status dieser Erklärungsannäherungen zu fassen, bedient sich Lambert des Begriffs der »Muthmassung«,34 den er als ›dreistes‹ – und das heißt nicht überkräftiges, sondern zupackendes – ›Wagestück des Denkens‹ näherhin charakterisiert. Als »Muthmassung« in kosmologischer – oder auch meteorologischer35 – Hinsicht gelten Aussagen über empirische Sachverhalte, die zugleich das empirische Vermögen des Menschen übersteigen, wie dies auch Charles Bonnet einige Jahre später in seinen Naturforschungen über die sich jedem Mikroskop entziehenden kleinsten Einheiten der Organismen anstellt.36 Auch Georg Christoph Lichtenberg legitimiert noch Ende der 1770er Jahre das Verfahren regelgeleiteter ›Mutmassungen‹ in der Kosmologie: Muthmaßungen, wenn sie nur nicht ganz außer den Schranken einer vernünftigen Analogie und nicht ohne Zügel gewagt werden, sind in diesem erhabenen Theil der Naturlehre, oft lehrreich meistens angenehm und immer unschädlich. So lang die Einbildungskraft nicht wider die Würde des Gegenstandes sündigt, kann sie sich ungestört erheben: denn das, was uns die Be-

|| 33 Vgl. hierzu auch Hans Blumenberg: Die Genesis der kopernikanischen Welt. Frankfurt a. M. 1975, S. 621, der zu Recht in der für die Kosmologie notwendigen »Kunst der vermutenden Argumentation« die Eigentümlichkeit des lambertschen Briefwechsels erkennt. 34 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. XVI, S. XXIV, S. 17, S. 143 u. ö. 35 Anonymus: [Art.] Meteorologische Muthmassungen. In: Grosses Universal-Lexicon. Hg. von Johann Heinrich Zedler. 64 Bde. Leipzig, Halle 1731–1750, Bd. 20 [Mb – Mh, 1739], Sp. 1282–1287. 36 Vgl. hierzu Charles Bonnet: Palingénésie philosophique. 2 Bde. Genf 1769/70, hier Bd. 1, S. 73ff., wo Bonnet ausdrücklich von »l’Art de conjecturer en Physique« spricht, was Johann Caspar Lavater kurze Zeit später mit der Formel »Muthmassungskunst in der Naturlehre« übersetzt, vgl. Herrn C. Bonnets Philosophische Palingenesie. Oder Gedanken über den vergangenen und künftigen Zustand lebender Wesen. Aus dem Französischen übersetzt und mit Anmerkungen. Hg. von Johann Caspar Lavater. 2 Theile. Zürich 1769/70, Thl. 1, S. 89.

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obachtung von dem Weltbau wirklich lehrt, sichert sie in dem höchsten Flug, den sie mit Anstand thut.37

Und noch Kant wird in den 1780er Jahren im Hinblick auf den Ursprung der Menschheitsgeschichte den Begriff der Mutmaßung auf die Geschichte anwenden.38 ›Muthmassungen‹ sind also aus der Empirie geschlossene Annahmen über empirische Sachverhalte, die sich der empirischen Erkenntnis aber noch oder je schon entziehen. Schon 1739 hatte der Zedler das Vermögen der Mutmaßung sowohl der theoretischen als auch der praktischen Vernunft zugeschrieben und als eine Form von logischer Kunst, hier techné, ausgewiesen: Muthmassung, conjetura, ist im weitersten verstand nichts anders als ein wahrscheinlicher Schluss, da man aus gewissen Umständen, die man unmittelbar empfindet, die Wahrheit eines Satzes mit einer solchen Gewissheit, die noch einige Ausnahme leidet, folgert. In Ansehung der Dinge, von denen man etwas muthmasset, ist sie entweder eine physische, oder eine moralische, und beyde lassen sich wieder in eine theoretische und practische eintheilen. Die physische und zwar theoretische Muthmassung ist, wenn wir die Ursach einer natürlichen Wirkung wahrscheinlich erkennen; die practische aber, wenn wir auch der gegenwärtigen Verknüpfung verschiedener Ursachen einen gewissen Erfolg vermuthen. Die Moralische und zwar theoretische bestehet darinnen, daß wir aus den Reden und Thaten eines Menschen seine GemüthsArt, sowohl in Ansehung des Verstandes, als Willens wahrscheinlich schließen; die practische aber, wenn wir aus den gegenwärtigen Umständen eines Menschen seine künftige Begebenheit, Glück und Unglück muthmassen, welche letztere Art auch schlechterdings und in engerm Verstand die Muthmassung genennet wird. Wer vernünfftig muthmassen will, der muss die Grund-Sätze der Physic und der Moral und aus der Logic die Lehre von der Wahrscheinlichkeit wohl verstehen.39

Es gibt also eine Art, ›vernünftig zu mutmaßen‹, weil es eine Logik des Wahrscheinlichen gibt, die als formale Wissenschaft zugleich auf reale Gegenstände der Natur und der Kultur übertragen werden kann und muss. Schon 1752 bedient sich Georg Friedrich Meier in den Passagen zur Wahrscheinlichkeit im Rahmen seiner Vernunftlehre des seit Fontenelle bekannten und noch von Lambert oder Kant behandelten kosmologischen Beispiels, dass »es wahrscheinlich sey, daß der Mond, samt allen übrigen Planeten ausser dem Erdboden mit vernünftigen Einwohnern bevölkert sey«.40 Es gibt also seit dem frühen 18. Jahrhundert gute Gründe,41 eine Wahr-

|| 37 Georg Christoph Lichtenberg: Über das Weltgebäude. In: Göttinger Taschen Calender 4 (1779), S. 162–193, hier S. 163. 38 Immanuel Kant: Muthmasslicher Anfang der Menschheitsgeschichte. In: AA VIII, S. 107–124; vgl. hierzu auch Gideon Stiening: »Wissen« oder »Muthmassung«? Herders und Kants Streit über Gehalt und Status von Genesis 1‒6. In: Genesis – Poiesis. Der biblische Schöpfungsbericht in Literatur und Kunst. Hg. von Ludger Lieb und Manfred Kern. Heidelberg 2009, S. 133–158. 39 Anonymus: [Art.] Muthmassung. In: Grosses Universal-Lexicon (s. Anm. 35), Bd. 22 [Mu – MZ, 1739], Sp. 1583. 40 Georg Friedrich Meier: Vernunftlehre. Halle 1752, S. 281 (§ 203).

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scheinlichkeitslehre in der Kosmologie zu erproben, um für diesen Zweig der Naturlehre sowie auch für die Konzeptionierung einer angewandten Logik innovative Erkenntnisse zu generieren. Zugleich birgt die Tatsache, dass es sich um eine materiale Wahrscheinlichkeitslehre handelt, vor dem Hintergrund der Voraussetzung, dass das von Menschen nur zu vermutende an sich uneingeschränkt wirklich ist, die Konsequenz, dass kosmologische Mutmaßungen ihren subjektiven Status nicht abstreifen können. Es sind die in ihrer Perspektive eingeschränkten Menschen, die wahrscheinliche Urteile über den Kosmos fällen müssen, aber auch können. Darüber hinaus können der Logik des Wahrscheinlichen durch die Anwendung auf diesen Bereich »der Physic« neue Impulse verschafft werden; Lambert weist schon in der Vorrede der Cosmologischen Briefe auf diese Korrelation ausdrücklich hin: Ich habe mich seit vielen Jahren schon damit beschäftigt, daß ich sowohl von meinen eigenen als anderer ihren Erfindungen, nicht leicht eine vorbey liesse, da ich nicht gesucht hätte, die Kunstgriffe und Regeln, so dabey vorkommen, zu abstrahiren, und mir eine Sammlung davon zu machen, die ich künftig als Anmerkungen und Zusätze zur Vernunftlehre und Erfindungskunst heraus zu geben gedenke. Hierunter gehört auch ein Theil, der den Argumenten gewiedmet ist, in so ferne diese den Demonstrationen, die nach aller Strenge bewiesen, entgegen gesetzt sind, und als unzureichende Beweise angesehen werden können. […] Es ist für sich klar, daß gegenwärtige Briefe, einen ziemlichen Vorrath dazu angegeben. Man hat in Absicht auf die Vernunftlehre des Wahrscheinlichen schon längsten gewünscht, daß die, so viel mit wahrscheinlichen Dingen umgehen, Regeln und Beispiele dazu anschaffen mochten.42

Seine kosmologischen Mutmaßungen enthalten folglich eine Fülle von Beispielen, die es Lambert ermöglichen sollten, »Anmerkungen und Zusätze zur Vernunftlehre und Erfindungskunst« zu verfertigen, um der noch im Aufbau befindlichen materialen Logik des Wahrscheinlichen anschauliche Exempel aus der Naturwelt zu verschaffen, um damit zugleich Leibnizens und Wolffs Forderungen nach der Entwicklung einer solchen Wissenschaft Rechnung zu tragen. Also auch und vor allem bieten kosmologische Mutmaßungen im Hinblick auf eine seit Wolff und Meier geläufige ›praktische‹ Logik vielfältiges Material. Zugleich ist diese Wissenschaft probabilistischer Kosmologie der Fixsterne und damit des gesamten Universums noch nicht weit genug entwickelt, um sie in Form einer wissenschaftlichen Abhandlung oder gar eines Lehrbuchs systematisiert präsentieren zu können.43

|| 41 Vgl. hierzu auch Lorraine Daston: Classical Probability in the Enlightenment. Princeton 1988. 42 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. VIf. 43 Vgl. hierzu ausführlicher Gideon Stiening: Probabilistisch-teleologische Epistolarität. Gattungstheoretische Anmerkungen zu Johann Heinrich Lamberts Cosmologischen Briefen (1761). In: Briefpublizistik der Frühen Neuzeit. Hg. von Christian Meierhofer und Björn Spiekermann. Leiden, Boston 2022 (Daphnis 50), S. 443‒470.

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5 Die »weise Absicht des Schöpfers«: Zum Zusammenhang von Teleologie und Wahrscheinlichkeit Lambert geht es mit seinem populär verfassten Text allerdings keineswegs ausschließlich darum, mithilfe einer materialen Logik des Wahrscheinlichen und teleologischen Urteilen bestimmte, schwer erfassbare Phänomene der Kosmologie einer möglichen, im Geltungsstatus eingeschränkten Erklärung zuzuführen. Vielmehr geht es ihm auch und im Besonderen darum, einen Zusammenhang beider Rationalitätsformen herzustellen, um damit einen ihnen letztlich äußeren Zweck zu erfüllen: Denn probabilistische und teleologische Naturlehre werden präzise aufeinander bezogen.44 Bei allem Probabilismus der teleologischen Argumente in kosmologischen Angelegenheiten, die sie aus dem Status der »bloßen Glaubenssache« befreien sollen,45 geht es Lambert jedoch auch darum zu belegen, dass aufgeklärte Naturforschung mit einer rationalen Gottesinstanz und dem Dogma der Vorsehung vermittelt werden kann, ja muss. Wie schon Bernard le Bovier de Fontenelle oder Hermann Samuel Reimarus zielt auch Lambert darauf ab, den Vorwurf an die Naturlehre der Aufklärung, sie tendiere zu Atheismus, Materialismus und Epikureismus zurückzuweisen;46 und auch dieses wissenschaftspolitische Ziel lässt sich – wie sich zeigen soll – überzeugend in der Form epistolarer Reflexion realisieren. Diese zentrale Absicht lässt sich auch an der eigentlich entscheidenden Frage nach der Ordnung des gesamten Kosmos rekonstruieren, die durch den Nachweis der Bewegung der Fixsterne ins Wanken zu geraten schien. Im 18. und 19. Brief wendet sich Lambert diesem Zentralproblem zu. Weil aber die schon 1728 nachgewiesene Bewegung der Fixsterne47 nicht geradlinig, sondern kurvenartig erfolgt, ist davon auszugehen, dass auch sie sich um ein Kraftzentrum herum bewegen. Diese Erkenntnis verschafft einige Erleichterung, weil immerhin die These im Raume stand, die Bewegung der Fixsterne erfolge regellos, womit es möglich schien, dass die Gravitation als Grundgesetz nur für unser Sonnensystem Geltung habe. Gleichwohl ist diese Ordnung nicht wirklich zu ersehen, sondern einzig zu erschließen, was allererst dazu führen muss anzunehmen, dass es noch viel mehr abgestufte Ordnungssysteme gibt, die sich in sich bewegen und die niedrigerstufigen Systeme

|| 44 Vgl. hierzu u. a. Johannes Lepsius: Johann Heinrich Lambert. Eine Darstellung seiner kosmologischen und philosophischen Leistungen. München 1881. 45 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. VIII, S. XVI, S. XXII. 46 Siehe hierzu auch den Beitrag von Stefan Klingner in diesem Band. 47 Siehe hierzu James Bradley: An Account of a new discovered Motion of the Fix’d Stars. In: Philosophical Transactions 35 (1728), S. 637–661.

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und Milchstraßen um sich herumtreiben. Lamberts Briefschreiber fasst diesen möglichen Befund mit der Formel zusammen, dass »nirgends Ruhe in der Welt« sei.48 Es gibt allerdings zwei Gründe, warum diese scheinbar Unruhe dennoch in eine Ordnung eingebunden ist: Erstens gilt nach Lambert in der Natur das Prinzip der hierarchisierenden Über- und Unterordnung bzw. der Subordination in uneingeschränkter Weise. Eine »Demokratie im Weltbaue«49 ist für die Briefpartner ebenso abstoßend und undenkbar wie der »Krieg am Firmamente«.50 Zweitens aber ist aus diesem Grunde den Absichten des Schöpfers zu entnehmen, dass die allen diversen und möglicherweise auch hundertfach gestuften Systemen zugrundeliegende Ordnung stabil ist und sein muss, um die Bewegung allererst zu ermöglichen: Da die Fixsterne sich nicht in geraden Linien bewegen sollen, so müssen sie davon abgelenkt werden, und ihre Geschwindigkeit muß dieser Ablenkung angemessen sein, damit sie immer ein System ausmachen. Denn diese Subordination läßt sich nicht aufheben, sie ist für die Einrichtung des Weltbaues viel zu notwendig.51

Aber auch diese Annahme bleibt natürlich als ›Mutmaßung‹ in ihrem Geltungsstatus eingeschränkt. Der – wie es Blumenberg nennt – »kopernikanische Komparativ«,52 der die Vertreibung der Erde aus dem Mittelpunkt auf die Vertreibung der Sonne aus demselben erweitert und damit zu Spekulationen über empirische Sachverhalte führen muss, die zugleich empirisch nicht zu verifizieren sind, zwingt keineswegs zu einer unzulässigen Erweiterung der Wirklichkeit. Er führt vielmehr als »Muthmassung« zu Überlegungen über jene Empirie, die uns zugleich entzogen bleibt und womöglich immer entzogen bleiben muss. Ebendiese Bedingung ermöglicht aber zugleich die Reaktualisierung teleologischer Argumente und damit die ›Rettung‹ Gottes für und durch die Naturforschung.53 Dass diese Überlegungen insgesamt wenig überzeugend ausfallen, hat weniger mit den ›Grenzen der Aufklärung‹54 als vielmehr damit zu tun, das die Absichten des Schöpfers mit seiner Schöpfung insgesamt dem menschlichen Denken unbekannt bleiben müssen und so stets nur als Projektionsfläche dienen können.55 Vor allem aber lässt sich an Lamberts Ausführungen zur Stellung der Schöpfungstheologie und Soteriologie in der Naturforschung deutlich ablesen, dass sie nicht schlichte

|| 48 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. 261. 49 Ebd., S. 263. 50 Siehe hierzu auch Blumenberg: Die Genesis der kopernikanischen Welt (s. Anm. 33), S. 636. 51 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. 256. 52 Blumenberg: Die Genesis der kopernikanischen Welt (s. Anm. 33), S. 610ff. 53 Dass dieses Interesse an und in der Naturforschung vor Kants kritischer Wende nicht ganz ungewöhnlich ist, lässt sich nachlesen bei Giovanni B. Sala: Kant und die Frage nach Gott: Gottesbeweise und Gottesbeweiskritik in Kants Schriften. Berlin 1989, spez. S. 15ff. 54 So der Sache nach Blumenberg: Die Genesis der kopernikanischen Welt (s. Anm. 33), S. 636ff. 55 Grundlegend anders dazu ebd., S. 651f.

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Mittel sind, um in Bereichen der Natur arbeiten zu können, die sich der Beobachtung noch oder grundsätzlich entziehen; sie sind auch und vor allem Zweck dieser probabilistisch-teleologischen Mutmaßungen, um sich den Tendenzen einer Säkularisierung der Naturlehre, die sich seit den 1730er Jahren vor allem mit dem Namen Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon, seit den 1770er Jahren u. a. mit Paul-Henri Thiry, Baron dʼHolbach verbanden, abzuwehren. Mit diesem weltanschaulichen Interesse an der Naturforschung ist Lambert allerdings keineswegs isoliert; auch Reimarus wütet schon in den 1750er Jahren vor allem gegen Buffon: Aber vielleicht weis Herr Büffon, welcher keine Theologie aus der Naturgeschichte geprediget haben will, eine kürzere und bessere Erklärung der thierischen Naturtriebe. Denn er verhöhnet die Bewunderer der göttlichen Weisheit und Güte in solchen Dingen, die man vielmehr durch Vernunftschlüsse ergründen sollte.56

Lambert, der sich mit Buffon nicht beschäftigt zu haben scheint, lässt aber 1773 seiner Verachtung für den Materialisten und Atheisten d’Holbach freien Lauf; in einem Brief an Holland vom 9. April 1773 heißt es dazu: Das System de la nature kam mir zufälliger Weise hier zuerst zu Gesichte. Ein Buchhändler zeigte es mir mit einer Mine, die die Hofnung eines starkes Abganges verrieth. […]. Mein Urtheil war kurz folgendes: 1. Der Verfasser kennt nichts weniger als die Naturgesetze. 2. Was er davon sagt ist zusammengerastes Zeug, womit er die so nichts bessers wissen, täuschen kann. 3. Er ist selbst im größten Labyrinthe. 4. Seine Grundsätze sind erbettelt und ohne allen Beweis. 5. Viele von seinen Einwürfen gehen blos die römische Kirche und das Verfahren ihrer Geistlichen an. 6. Ueber den Materialismus, die Atheisterey, sagt er schlechthin nichts, das nicht von andern auf eine viel scheinbarere Art ist gesagt worden. 7. Damit hat er nichts, wobey er besonders widerlegt werden müßte. Zur Widerlegung ist es mehr als hinreichend, wenn man ihn gegen sich selbst hält, und seine Widersprüche und Unwissenheit an den Tag legt; und dieses kann am füglichsten in kurzen Stricturen geschehen.57

Ohne jeden Zweifel ist Buffons streng säkulare Naturforschung nicht atheistisch und damit Reimarusʼ Befürchtungen vor einer weltlichen Wissenschaft der Natur anders gelagert – nämlich grundlegend theologisch58 – als Lamberts Herablassung gegenüber dem Materialismus d’Holbachs, die auf der Selbstverständlichkeit einer metaphysisch fundierten Konzeption von Naturwissenschaft basiert.59 Aber beide Wis|| 56 Hermann Samuel Reimarus: Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion in zehn Abhandlungen. Hamburg 41772, S. 346. 57 LPS 9, S. 329f. 58 Dass auch Reimarus sich mit dem Atheismus als Gefahr für Wissenschaft und Gesellschaft auseinandersetzte, lässt sich nachlesen bei Stefan Klingner: Reimarus über den Nutzen der Religion. In: Hermann Samuel Reimarus (s. Anm. 27), S. 223–242. 59 Worin er sich grundlegend von Kant unterscheidet; vgl. hierzu u. a. Gideon Stiening: Von der mathematischen zur kritischen Metaphysik der Natur. Kant und Lambert. In: Non-Newtonian

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senschaftspolitiker, d. h. Reimarus und Lambert, eint das Interesse am Nachweis der Notwendigkeit einer theonom fundierten Erforschung der Natur. Diese Auseinandersetzung zwischen säkularer und theonomer oder gar theologischer Naturforschung ist aber auch und gerade im Zeitalter der Aufklärung keine marginale Kontroverse, sondern führt ins Zentrum der Frage, wie man denn tatsächlich in ein aufgeklärtes Zeitalter kommen könne oder gar müsse. Für den Zweck des Nachweises der Notwendigkeit, auf Schöpfungstheologie und Soteriologie in der Naturforschung zu referieren, ist Lambert denn auch bereit, sich auf den schwankenden Boden von Wahrscheinlichkeitslogik und Teleologie zu begeben. Anders als Wolff oder Reimarus aber macht er nicht nur diskursiv auf den problematischen Geltungsstatus dieser Rationalitätsformen aufmerksam; er bedient sich auch einer spezifischen Textgattung, die diesen problematischen Sachverhalt erneut reflektiert.

6 Epistolarität als Popularphilosophie? Denn der entscheidende Grund für Lambert, seine noch weitgehend lediglich wahrscheinlichen Überlegungen zur Kosmologie der Kometen und der Fixsterne in einen ›Gelehrten Briefwechsel‹ zu fassen, darzustellen und zu präsentieren, besteht keineswegs primär in der Popularität dieser Gattung im 18. Jahrhundert.60 Lambert macht auch ausdrücklich auf den Sachverhalt aufmerksam, dass seine Konstruktion probabilistisch-teleologischer Epistolarität nicht auf die Ausbildung des gesunden Menschenverstandes abzielt, mithin nicht primär als Popularphilosophie oder -wissenschaft zu verstehen ist, ja nicht einmal verstanden werden kann: Ich befinde mich in dem Falle nicht, daß ich solche geben könnte, die nachgehends im Gemeinen Leben könnten gebraucht werden. Da aber das gemeine Leben den Reichthum der wahrscheinlichen Gründe nicht erschöpft, und viele derselben auch in den Wissenschaften noch zurückbleiben, wo man lauter Gewissheit haben sollte, so geben diese Briefe Stoff zu einer gewissen Gattung derselben an, welche um desto mehr nach aller Schärfe geprüft zu werden verdient, weil die Teleologie uns in der Naturlehre nicht nur die Allgemeinheit der Gesetze der Natur beweisen muß, sondern auch fürnehmlich zu Erfindung derselben dienen sollte.61

|| Sources of Kant’s Metaphysical Foundations of Natural Science. Hg. von Rudolf Meer. [Kantian Journal, Kaliningrad] 2022, S. 42‒67. 60 Vgl. hierzu u. a. Frieder von Ammon: »In einer Reihe von Briefen«. Zu den Funktionen der epistolarischen Form. In: Friedrich Schiller: Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen. [Klassiker Auslegen 69.] Hg. von Gideon Stiening. Berlin, Boston 2019, S. 11–29. 61 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. VIIf.

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Es ist deutlich erkennbar, dass Lambert seine kosmologischen Mutmaßungen allein deshalb nicht für das »Gemeine Leben« und dessen »Wandel durch Vernunft«62 für anwendbar hält, weil eine probabilistische Logik und deren Welt aus wahrscheinlichen Gründen nicht allein für das gemeine Leben, sondern selbst für viele Wissenschaften zu umfangreich und vielfältig ist, als dass sie irgend Einfluss darauf haben könnten oder sollten. Gleiches gilt für die Teleologie, deren szientifische Ausrichtung auf ›allgemeine Gesetze der Natur‹ und deren »Erfindung«, d. h. hier Entdeckung,63 im gemeinen Leben irrelevant ist. Der gesunde Menschenverstand – so Lamberts spezifisch aufklärerisches Argument64 – ist der Welt des Wahrscheinlichen und der streng bewiesenen Teleologie nicht gewachsen. Zugleich kann diesen Rationalitätsformen der Status einer präzisen Wissenschaft der Natur nicht oder noch nicht zugeschrieben werden, weil ihnen eine Grundlegung in exakter Beobachtung mangeln muss. Probabilistisch-teleologische Kosmologie ist mithin weder strenge Wissenschaft noch deren Popularisierung, sondern ein Experimentierfeld für eine zugleich empirische und rationale Naturforschung. Eben deshalb finden ›cosmologische Muthmassungen‹ ihre angemesse Form im Gelehrten Briefwechsel – und damit weder im Essay als der bevorzugten Form der Popularphilosophie65 noch im Traktat oder im Lehrbuch als den Formen exakter Wissenschaft. Es ist dies – vor dem Hintergrund des Forschungsstandes66 – eine sicherlich ungewöhnliche Art der Legitimation für die Wahl der literarisch-fiktiven Gattung des Gelehrtenbriefes; als passioniertem Schreiber tatsächlicher Gelehrtenbriefe67 dürften diese Reflexionen zur Gattungswahl für Lambert aber erfahrungsgesättigt und so selbstverständlich gewesen sein. Gleichwohl hat Lambert, der – wie schon angedeutet – seine Wahl der Gattung des Gelehrten Briefes genau reflektierte, auch seine Adressaten im Blick, die womöglich doch nicht nur in der wissenschaftlichen Welt zu finden sein sollten. Im Rahmen der oben schon zitierten Ausführungen zur Gattungswahl heißt es denn auch:

|| 62 So die überzeugende Formel für das Anliegen und die Grundordnung der Aufklärung bei Georg Schmidt: Wandel durch Vernunft. Deutsche Geschichte im 18. Jahrhundert. München 2009. 63 Siehe hierzu auch Enrico Passini: L’altera faccia dell’oumo della luna. Lambert e l’Erfindungskunst. In: La misura dell’uomo. Hg. von Massiomo Mori und Stefano Poggi. Bologna 2005, S. 49–70. 64 Vgl. hierzu auch Kants kritische Reflexionen zum gesunden Menschenverstand in: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, AA IV, S. 259f. 65 Vgl. hierzu Nina Hahne: Essayistik als Selbsttechnik. Wahrheitspraxis im Zeitalter der Aufklärung. Berlin, Boston 2015. 66 Vgl. hierzu u. a. Thomas Wallnig: Gelehrtenbriefe. In: Handbuch Brief. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. 2 Bde. Hg. von Marie Isabel Matthews-Schlinzig u. a. Berlin, Boston 2020, Bd. 2, S. 471–484. 67 Siehe hierzu Johann Heinrich Lambert: Deutscher gelehrter Briefwechsel. Hg. von Johann Bernoulli. 5 Bde. Berlin 1782–1785.

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Die Briefform erforderte Lobsprüche und Höflichkeiten, die ich allerdings würde weggelassen haben, wenn ich diese Betrachtungen als die meinigen gegeben hätte. Man mag sie als Ruheplätze ansehen, die mühsamere Untersuchungen unterbrechen. Vorzüglich aber habe ich solche ausgesucht, die entweder Pflichten und Eigenschaften wahrer Freunde, und ihre Gedenkensart vorstellen, oder in logischen Anmerkungen über die Vollkommenheiten des Verstandes bestehen, die zwar hier als Lobsprüche verschwendet sind, aber keinem Leser, der sie besitzt, anders als zur Ehre gereichen können, und die ihn als einen Freund liebenswürdig, und als einen Erforscher der Wahrheit verehrenswürdig machen.68

Die Konventionen des Briefes erfordern also »Lobsprüche und Höflichkeiten« zwischen den Briefpartnern, die zwar die wissenschaftliche Sache nicht voranbringen, wohl aber dem Leser eine gewisse Erholung von der Anstrengung der Rekonstruktion jener komplexen und so »mühsamen Untersuchung« gewähren können. Darüber hinaus ermöglicht das epistolare Decorum Ausführungen über die Freundschaft und Anmerkungen über die Vollkommenheiten des menschlichen Verstandes – beides Themen, die den eigentlich wissenschaftlichen Gehalt nicht weiterentwickeln, wohl aber den Leser an das Werk zu binden vermögen. Lambert bedenkt bei der Wahl des Gelehrten Briefwechsels also nicht allein den spezifischen Erkenntnisstatus seiner Ausführungen, er berücksichtigt durchaus auch das Adressieren einer Leserschaft, die nicht oder nicht nur dem akademischen Milieu entstammt.69 Lambert betreibt folglich auch Popularphilosophie. Und dabei geht es ihm offenkundig zunächst und zumeist um die Durchsetzung seiner theonomen Perspektive auf die Natur, die es gegen eine säkulare oder gar atheistische Naturforschung – eine Unterscheidung, die es für den Berliner Akademiker offenkundig nicht gibt70 – zu verteidigen gilt. Der Brief als gelehrter ist für Lambert daher die Ermöglichung einer Reflexionsform, in der er wissenschaftliche Beweisgänge auf wahrscheinliche Gegenstände in teleologischen Urteilen anwenden kann – und dabei die Leserlenkung und -bindung nicht vergessen muss. Physikalische Mutmaßungen auf die unendlichen Weiten des Universums und deren Grundlegung in der Weisheit des Schöpfers drängen nach Lambert zur Darstellung im gelehrten Briefwechsel, weil dieser den Beweis mit der probabilistischen Reflexion, deren teleologischer Grundlegung und damit deren subjektiven Status zu verknüpfen erlaubt. Lamberts Neigung zum Brief in kosmologischen Angelegenheiten ist mithin sowohl methodologisch als auch pragmatisch bzw. theologiepolitisch motiviert. Es sind die »Größe Gottes« und die »Civitas Dei«,

|| 68 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 3), S. XXVIIf. 69 Anders dazu, aber falsch, weil einseitig Stiening: Probabilistisch-teleologische Epistolarität (s. Anm. 43). 70 Zur Notwendigkeit dieser Unterscheidung vgl. u. a. Gideon Stiening: Gott und der gerechte Krieg. Kants kritische Auseinandersetzung mit Achenwalls Ius naturae. In: Auf dem Weg zur kritischen Rechtslehre? Naturrecht, Moralphilosophie und Eigentumstheorie in Kants »NaturrechtFeyerabend«. Hg. von Stefan Klingner und Dieter Hüning. Leiden, Boston 2021, S. 19–47.

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die den ansonsten polemischen Kritiker der schönen Wissenschaften und der popularen Philosophie71 eben deren Instrumente anwenden lässt.

|| 71 Vgl. hierzu u. a. Johann Heinrich Lambert an Immanuel Kant, vom 13. November 1765. AA X, S. 51 sowie LPS 10.2, S. 562–597.

| 5 Sprache, Ästhetik und Dichtung

Oliver Bach

»viel erhabenere Erkenntnisse, als die Dichter in der Regel besitzen« Ästhetik und Dichtungskritik bei Johann Heinrich Lambert Im Jahr 1768 fällt Johann Heinrich Lambert vor der Berliner Akademie in einem Vortrag mit dem Titel Observations sur quelques dimensions du monde intellectuel das folgende Urteil über die Theorie und Praxis der zeitgenössischen Dichtung: [M]uß der Dichter nicht ein hinreichendes Feuer und hinreichende Hilfsmittel in der Einbildungskraft besitzen, um denjenigen unsichtbaren Dingen etwas Körper zu geben, die den Gesellschaftsvertrag und jene verdeckten Triebfedern ausmachen, deren Wirksamkeit die Glückseligkeit der Völker befördert? Vielleicht gehören hierzu weit mehr und weit erhabenere Erkenntnisse, als die Dichter in der Regel besitzen.1

Der Vortrag – 1770 auf Französisch, 1771 in deutscher Übersetzung gedruckt – gipfelt hier in einem Urteil, das nicht nur aus der Argumentation des Vortrages über das Erhabene selbst hervorgeht, sondern auch anknüpft an Überlegungen, die Lambert seit 1764 über Ästhetik, Epistemologie und Dichtungstheorie anstellt. Da das Interesse der literaturgeschichtlichen Forschung zum 18. Jahrhundert nicht zuletzt dem Begriff des Erhabenen, der Genieästhetik oder der Vorgeschichte der Autonomieästhetik gilt, verwundert die breite Missachtung Lamberts2 also umso mehr, als Lambert diese Gegenstände in ein System einbindet – stärker noch zum Beispiel als der von der Literaturgeschichte keinesfalls missachtete Schiller, der selbst kein Systembildner war. Damit kann und sollte Lambert der Literaturgeschichtsschreibung doch wenigstens so viel gelten wie der gleichfalls vernachlässigte Systembildner Alexander Gottlieb Baumgarten, und zwar zumal deswegen, weil

|| 1 Johann Heinrich Lambert: Observations sur quelques dimensions du monde intellectuel. In: LPS 8, S. 373–390, hier S. 389: »[L]e poëte ne doit-il pas avoir assez de feu & assez de ressources dans lʼimagination, pour donner du corps aux choses invisibles, qui constituent le Contrat social & ces ressorts chachés, dont lʼaction fait le bonheur des peuples? Peut-être faut-il pour cela plus connoissances & des connoissances plus sublimes que les poëtes nʼent ordinairement.« Übers. O.B. Auf die 1771er Übersetzung des Enzyklopädisten und Arztes Johann Georg Krüniz wird hier nur verwiesen; sie wird insbesondere wegen terminologischer Mängel umfassend verändert: Johann Heinrich Lambert: Anmerkungen über einige Ausmessungen der Gedanken-(Intellectual-)Welt. In: ebd., S. 391–421, hier S. 419. 2 Als Ausnahme dürfen gelten Hermann Wiegmann: Utopie als Kategorie der Ästhetik. Zur Begriffsgeschichte der Ästhetik und Poetik. Stuttgart 1980, S. 218, der allerdings nur Lamberts Ästhetik berücksichtigt, und vor allem Gesine Lenore Schiewer: Cognitio symbolica. Lamberts semiotische Wissenschaft und ihre Diskussion bei Herder, Jean-Paul und Novalis. Tübingen 1996. https://doi.org/10.1515/9711830647761-018

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Lambert anders als dieser seine Überlegungen über Dichtung nicht vor, sondern nach der Ausformulierung ästhetischer und epistemologischer Grundlagen anstellt.3 Im Folgenden sind daher die groben Linien nachzuzeichnen, die von diesen Grundlagen zu jener zitierten Dichtungskritik führen, vom Neuen Organon 1764 über den Discours de réception 1765/67 und den Secours mutuels 1767 bis hin zu den Observations 1768/70.

1 Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein Die für sein späteres dichtungskritisches Urteil entscheidenden Bestimmungen vollzieht Lambert in der Semiotik oder Lehre von der Bezeichnung der Gedanken und Dinge, nämlich in den §§ 335–345 des Zehnten Hauptstücks Von dem Hypothetischen der Sprache. Kontroversen sind für Lambert eigentlich nur semantische Kontroversen, weshalb zu deren Auflösung eine semantische Analyse der Wörter – insbesondere derjenigen, die Gegenstände des Streites sind – erforderlich und hinreichend ist.4 Dies geht aus dem bestimmten Verhältnis von res und verba, von Bezeichnetem und Zeichen hervor, das Lambert durch eine sprachhistorische These, nämlich mit Blick auf ursprüngliche Akte der Bezeichnung, zu erklären versucht: Die »ersten Urheber der Sprachen« konnten, um sich auf ein Wort zu einigen, noch eben nicht das Wort selbst benutzen, sondern mussten »Wort und Sache zusammen nehmen, und den Vorsatz, daß das Wort die Sache bedeuten solle, durch Geberden und Deutungen anzeigen«.5 Vor dem Hintergrund dieser sprachhistorischen Naturzustandsthese ergeben sich für Lambert die folgenden Konsequenzen zugleich für die Onomasiologie und die Vorstellungskraft: Im Falle derjenigen Dinge, die unmittelbar und ohne weitere Hilfsmittel empfunden werden können, ist die unmittelbare Verbindung von Wort und Sache möglich.6 Deshalb gebe es in der Geometrie keinen Streit.

|| 3 Baumgarten verfasste seine dichtungskritische Dissertation Meditationes philosophicae de nonnullis ad poema pertinentibus 1735; eigens ästhetische Vorlesungen hielt er erstmals 1742: Clemens Schwaiger: Alexander Gottlieb Baumgarten ‒ ein intellektuelles Porträt. Studien zur Metaphysik und Ethik von Kants Leitautor. Stuttgart-Bad Cannstatt 2011, S. 19. Die zwei Bände seiner Aesthetica erschienen erst 1750 und 1758. 4 Johann Heinrich Lambert: Semiotik oder Lehre von der Bezeichnung der Gedanken und Dinge. In: LPS 2, S. 3–214, hier S. 204 (§ 335). 5 Ebd. (§ 336). 6 Ebd., S. 205 (§ 337).

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Die Naturforschung sei ebenso weitgehend frei von Sachkontroversen. Lambert ignoriert damit nicht etwa seine eigene Phänomenologie, die im Organon unmittelbar auf die Semiotik folgt,7 sondern er setzt in bestimmter Weise voraus, dass verfälschende Einflüsse des Scheins kompensiert werden können – dies machen auch seine Überlegungen zur Experimentalphysik deutlich.8 Vor diesem onomasiologischen Hintergrund ergeben sich für Lambert drei Wortklassen: Alle Wörter, die, in ihrem eigentlichen Verstande genommen, ein in die Sinne fallendes Ganzes vorstellen, machen, in Absicht auf das Hypothetische der Sprache, die erste Classe und zugleich die Grundlage zur Bestimmung der Bedeutung jeder übrigen Wörter aus. Die zweyte und nächst darauf folgende Classe gründet sich auf die Aehnlichkeit des Eindruckes, den die Dinge der Intellectual- und Körperwelt in die Seele machen, und welche verursacht, daß zu Benennung von beyden einerley Wörter gebraucht werden, welche in ihrem eigentlichen Verstande Dinge der Körperwelt, in metaphorischem Verstande aber Dinge der Intellectualwelt oder abstracte Begriffe vorstellen.9 Ist aber einmal der Anfang zu solchen Benennungen gemacht, so ist es wohl möglich, solche Begriffe unter sich zu vergleichen, zusammenzusetzen, zu verbinden, etc. und die dadurch veranlaßten oder herausgebrachten neuen Begriffe, mit neuen Namen zu belegen […]. Wir merken nur an, daß solche Wörter schon anfangen, künstlicher zu werden, als daß wir sie noch zur zweyten Classe rechnen könnten. Sie machen auch die Grundlage der abstracten Wissenschaften aus, und wir könnten sie mit dem bereits üblichen Namen von Kunstwörtern, Terminis technicis, benennen.10

Es ist wichtig, zur Kenntnis zu nehmen, dass Lambert tendenziell zwischen Wort und Begriff unterscheidet: Dies macht zum einen die in der Dianoiologie erfolgte Bestimmung von Begriff im Allgemeinen deutlich, der zufolge der Begriff eines Gegenstandes das Wissen um das Wesen und die Gesetzmäßigkeit desselben enthält, während die Wörter erster Klasse, die »ein in die Sinne fallendes Ganzes vorstellen«, von solchem Wissen frei sind. Lambert illustriert diesen Unterschied dort anhand des Eies des Kolumbus, das auf den Kopf zu stellen erst möglich ist, wenn man um die Gesetzmäßigkeit seiner brüchigen Schale weiß; dieses Wissen ist in der Vorstellung des Eis als eines Ganzen und somit in dem Wort ›Ei‹ noch nicht enthalten.11 Der Unterschied zwischen Wort und Begriff bei Lambert wird zum anderen durch seine in der Alethiologie oder Lehre von der Wahrheit vollzogene Bestimmung des einfa-

|| 7 Johann Heinrich Lambert: Phänomenologie oder Lehre von dem Schein. In: LPS 2, S. 215–435. Siehe hierzu den Beitrag von Achim Vesper im vorliegenden Band. 8 Siehe hierzu den Beitrag von Enrico Pasini im vorliegenden Band. 9 Lambert: Semiotik (s. Anm. 4), S. 205f. (§ 338). 10 Ebd., S. 207f. (§ 341). 11 Johann Heinrich Lambert: Dianoiologie oder Lehre von den Gesetzen des Denkens. In: LPS 1, S. 1‒450, hier S. 3–5 (§§ 1–6).

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chen Begriffs im Besonderen deutlich: Einfache Begriffe sind nicht aus anderen Begriffen zusammengesetzt, widerspruchsfrei und nur »für sich möglich« bzw. denkbar.12 Auch einfache Begriffe sind also mit Wörtern der ersten Wortklasse nicht gleichzusetzen: Ob nämlich ein »in die Sinne fallendes Ganzes«, das durch ein Wort der ersten Klasse vorgestellt wird, auf einen oder mehrere Begriffe gebracht werden kann, ist eine andere Frage, die nicht Gegenstand der Semiotik ist. Wenn Lambert daher der zweiten Wortklasse solche Wörter zuordnet, die zwei Dinge – einen aus der Körper-, einen anderen aus der Gedankenwelt – aufgrund bestimmter Ähnlichkeiten vorstellen, besagt dies nun ebenfalls nichts über die Einfachheit oder Zusammengesetztheit der so für die »Intellectualwelt« gewonnenen Begriffe: Denn diese »Dinge der Intellectualwelt« sind zunächst »abstracte Begriffe«; ob ein solcher einfach oder zusammengesetzt ist, bleibt ebenso dahingestellt wie im Falle des in die Sinne fallenden Ganzen, wie es durch Wörter der ersten Klasse vorgestellt wird. Die dritte Klasse besteht mithin aus Wörtern, die ihrerseits aus Wörtern der zweiten Klasse zusammengesetzt sind. Diese Auszüge aus dem Neuen Organon sind deshalb so wichtig, um Lamberts engagierte, ja sogar heftige Metaphernkritik in seinen folgenden Schriften angemessen zuordnen zu können. Da man Gegenstände der Gedankenwelt nämlich nicht zeigen kann, ist es notwendig, sie durch Vergleich vorzustellen: Um dieses mehr ins Licht zu setzen, so merken wir an, daß Gegenstände der äußern Sinnen, eben deswegen, weil sie können empfunden und vorgezeigt werden, jedes für sich mit einem eigenen Namen belegt werden können, und es ist eben nicht unumgänglich nothwendig, den einen mit dem Namen des andern zu belegen. […] Hingegen sind wir fast immer genöthigt, abstracte Begriffe durch Wörter anzuzeigen, die von sinnlichen Dingen hergenommen sind, und einen ähnlichen Eindruck machen, weil wir solche Begriffe nicht vorzeigen können. Ist aber einmal der Anfang zu solchen Benennungen gemacht, so ist es wohl möglich, solche Begriffe unter sich zu vergleichen, zusammenzusetzen, zu verbinden, etc. und die dadurch veranlaßten oder herausgebrachten neuen Begriffe, mit neuen Namen zu belegen, wenn es sich der Mühe lohnet.13

Lambert ist mithin nicht gegen Metaphorisierung und kann dies gar nicht sein, denn Metaphorisierung ist nicht nur unumgänglich, sondern sie ist auch notwendig. Weder allgemeine noch einfache Begriffe sind selbst perzeptibel und insofern nicht unmittelbar zu bezeichnen.14 Der Wortbildungsprozess ist mithin zwar für den Prozess der Begriffsbildung irrelevant; ihn zu rekonstruieren, ist aber für die Verständigung über Begriffe von großer Bedeutung. Wortstreite der ersten Klasse sind für

|| 12 Johann Heinrich Lambert: Alethiologie oder Lehre von der Wahrheit. In: LPS 1, S. 451–592, hier S. 455–457 (§§ 4–10). 13 Lambert: Semiotik (s. Anm. 4), S. 207 (§§ 340f.). 14 Ebd. (§ 340).

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Lambert sehr einfach zu schlichten, weil hierfür die Inaugenscheinnahme des in Rede stehenden Gegenstandes ausreicht. Kontroversen der zweiten Wortklasse sind schwieriger beizulegen, insofern über eine solche Inaugenscheinnahme des körperlichen Gegenstandes hinaus die Verständigung über seine Ähnlichkeit mit dem abstrakten Begriff erforderlich ist – beispielsweise im Falle von Stand im Sinne des Stehens eines physischen Gegenstandes einerseits bzw. des sozialen Status einer Person oder des systematischen Status eines geistigen Gegenstandes andererseits und im Falle von Punkt im Sinne eines geographischen Ortes oder des typographischen Zeichens einerseits bzw. des Moments eines Systems oder einer Argumentation. Wortstreite der dritten Klasse sind schließlich sehr kompliziert zu schlichten: Da nämlich solche Wörter aus Wörtern der zweiten Klasse zusammengesetzt sind, mag zwar die Verbindung zweier im übertragenen Sinne verwendeter Wörter Sinn machen, aber mögliche Kontroversen über diesen Sinn sind kaum dadurch beizulegen, dass man die physischen Gegenstände, denen die Einzelwörter semantisch angelehnt wurden, in Augenschein nimmt:15 Welchen Erkenntnisgewinn kann man sich etwa bei einem Streit über den Terminus ›Standpunkt‹ versprechen, indem man einen stehenden physischen Körper und einen geographischen Punkt betrachtet?

2 Discours de réception Diese Bestimmungen des Neuen Organon baut Lambert 1765/67 im Discours de réception aus, einem am 24. Januar 1765 vor der Akademie der Wissenschaften in Berlin gehaltenen Vortrag. Sein allgemeines Thema ist die Verbindung und mögliche Kooperation der Wissenschaften, vor allem der Beitrag der Experimentalphysik zur Geschichtsschreibung und schönen Literatur. Lamberts Wissenschaftsbegriff setzt nämlich eine solche Verbindung aller Wissenschaften voraus, aufgrund derer auch ihre Erkenntnisse notwendig miteinander verbunden sind: Ich werde mich zu Ihrer Unterhaltung, meine Herren, nicht mit der Verbindung der Erkenntnisse aufhalten, die Gegenstand jeder der vier Klassen dieser Akademie sind. Diese Verbindungen sind jene aller Wissenschaften, und es sind dieselben, welche die Wahrheiten miteinander verketten, damit sie daraus ein Ganzes bilden, das in allen seinen Teilen eng vereint ist.16

|| 15 Ebd., S. 208–211 (§§ 342–344). 16 Johann Heinrich Lambert: Discours de réception. In: LPS 8, S. 317–325, hier S. 317: »Je ne mʼarreterai pas à Vous entretenir, Messieurs, sur la liaison des connoissances, qui font lʼobjet de chacune des quatre Classes de cette Académie. Ces liaisons sont celles de toutes les Sciences, & les mêmes que celles qui enchainent les vérités, de façon quʼelles en font un tout étroitement uni en toutes ses parties.« Übers. O.B.

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Lambert setzt diese epistemologische Einheit bei seinen Zuhörern als be- und anerkannt voraus, weshalb er sich mit einer Diskussion dieser metaphysischen Prämisse »nicht aufzuhalten« zu müssen glaubt. Einerseits erweist Lambert sich damit als Anhänger des Wolffianismus, insofern Christian Wolff sowohl in seiner Deutschen Metaphysik (1719) als auch in seiner Ontologia (1730) einen Vollkommenheitsbegriff entwickelt, der durch »die Übereinstimmung in der Mannigfaltigkeit bzw. die Übereinstimmung mehrerer sich voneinander unterscheidender Gegenstände in Einem« bestimmt ist.17 Auch mit Blick auf die Selbstverständlichkeit, mit der Lambert die Einheit theoretischer und praktischer, von Natur- und Geisteswissenschaften apostrophiert, ist er zunächst ganz Wolffianer. Denn auch Wolff hatte in dem zitierten Paragraphen seiner Ontologia seine Vollkommenheitsdefinition ebenso mit Beispielen aus der praktischen Philosophie wie mit solchen der Naturwissenschaften erläutert: Die freien Handlungen des Menschen gehorchen demselben Vollkommenheitsprinzip wie die Naturgesetze (etwa der Optik),18 weil die perfectio nicht nur Prinzip,

|| 17 Christian Wolff: Philosophia Prima, Sive Ontologia, Methodo Scientifica Pertractata, Qua Omnis Cognitionis Humanae Principia continentur. Frankfurt a. M., Leipzig 1730, S. 390 (§ 503): »Perfectio est consensus in varietate, seu plurium a se invicem differentium in uno.« Hervorhebung im Text; Übers. O.B. Diese Bestimmung bleibt in der überarbeiteten 2. Auflage. Frankfurt a. M., Leipzig 1736, S. 390 (§ 503), unverändert. 18 Ebd., S. 390f. (§ 503): »E. gr. Structura oculi, quemadmodum in Optica & Physica docetur, ita comparata est, ut singula tendant ad delineationem imaginis clarae ac distinctae objecti visibilis in retina, qualis ad visionem claram atque distinctam requiritur. Singula talia deprehenduntur, qualia esse debere intelliguntur, si imago istiusmodi in oculo delineanda. Et propter hunc in structura oculi consensum oculus dicitur perfectus. […] Jungamus exemplo mechanico, quod notionem praesentem egregie illustrat, aliud, quod est alterius prorsus generis, ex moralibus nempe petitum, ut notionis universalitas rectius percipiatur. Vita hominis, quatenus denotat complexum actionum liberarum, dicitur perfecta, si singulae ad communem quendam finem tendant, ad quem tendunt naturales. Inde nimirum oritur actionum liberarum cum inter se, tum cum naturalibus consensus. Atque in hoc consistit vitae humanae perfectio.« / »Zum Beispiel ist die Struktur des Auges, insoweit sie in der Optik und Physik gelehrt wird, so beschaffen, dass einzelne Bilder zur Darstellung eines klaren und deutlichen Bildes eines sichtbaren Gegenstandes auf die Netzhaut treffen, wie es zum klaren und deutlichen Sehen notwendig ist. Es werden solche einzelnen Bilder wahrgenommen, wie sie vernünftiger Weise notwendig da sein müssen, wenn ein Bild dieser Art im Auge dargestellt werden können soll. Und wegen dieser Übereinstimmung in der Struktur des Auges wird das Auge vollkommen genannt. […] Lassen sie uns das Beispiel aus der Mechanik [Wolff hatte die perfectio auch anhand der Uhr erläutert; O.B.], das den gegenwärtigen Begriff der Vollkommenheit herausragend illustriert, mit einem anderen Beispiel verbinden, das von ganz anderer Art ist, da es doch der Moral entnommen ist, um die Allgemeingültigkeit des Begriffs der Vollkommenheit noch besser zu erkennen: Das Leben des Menschen, insofern Leben einen Zusammenhang freier Handlungen bezeichnet, wird dann vollkommen genannt, wenn die einzelnen freien Handlungen auf denselben gemeinsamen Zweck hinstreben, auf den auch die natürlichen Handlungen hinstreben. Daraus entstehen zweifellos eine Übereinstimmung der freien Handlungen untereinander und sodann eine Übereinstimmung der freien mit den natürlichen Handlungen. Und in dieser Übereinstimmung besteht die Vollkommenheit menschlicher Handlungen.«

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sondern zugleich auch Zweck ist.19 Ob dadurch ein »Sollens-Charakter von (theoretischen) Naturgesetzen«20 oder umgekehrt ein Seins-Charakter von praktischen Moralgesetzen begründet wird, mithin ein Primat theoretischer oder praktischer Vernunft wirksam ist, ist eine zwar interessante, hier jedoch nicht zu erörternde Frage. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass Wolff seinen Begriff der Vollkommenheit mit demjenigen der Scholastiker identifiziert, die diese als »transzendentale Güte« bestimmt hätten.21 Entscheidend an dieser Stelle ist, dass Christian Wolff ebenso wie später Lambert ein Einheitsprinzip konzipiert, das dergestalt allgemein ist, dass es nicht nur für die Wissenschaften, sondern auch für die Wissenschaft überhaupt gilt. Damit appelliert Lambert auch in systematischer Absicht an das Selbstbewusstsein der Berliner Akademie, die im Unterschied zu anderen wissenschaftlichen Gesellschaften des 17. und 18. Jahrhunderts eben nicht als Fachgesellschaft, sondern auf Leibnizʼ Betreiben hin mit einem universalistischen Ansatz gegründet worden war.22 Andererseits unterscheidet Lambert sich von der wolffschen Metaphysik in einem wesentlichen Punkt: Für Wolff gründet seine Metaphysik ganz in der Natur der Dinge selbst, ist mithin keineswegs zufällig abhängig von der Ontologie.23 Die ersten Erkenntnisgründe sind von der Möglichkeit und Wirklichkeit der Dinge abhängig, wie Wolff im zweiten Kapitel seiner Deutschen Metaphysik lehrt, ohne über die Erkenntnisbedingungen im erkennenden Subjekt auch nur ein Wort zu verlieren;24 vielmehr sind der Satz vom Widerspruch und der Satz vom zureichenden Grund hinreichend, um sowohl das Sein als auch das Werden eines Dinges zu erkennen und zu begreifen.25 So zeigt sich Wolff auch in der Vorrede zur Ontologia davon

|| 19 Klaus-Gert Lutterbeck: Staat und Gesellschaft bei Christian Thomasius und Christian Wolff. Eine historische Untersuchung in systematischer Absicht. Stuttgart-Bad Cannstatt 2002, S. 174f. 20 So nämlich Gideon Stiening: »Metaphysick aller schönen Wissenschaften und Künste«. Georg Friedrich Meiers ästhetische Theorie. In: Georg Friedrich Meier (1718–1777). Philosophie als »wahre Weltweisheit«. Hg. von Frank Grunert und Gideon Stiening. Berlin, Boston 2015, S. 299–321, hier S. 300. 21 Wolff: Philosophia Prima, Sive Ontologia (s. Anm. 17), S. 390 (§ 503): »Dicitur perfectio a Scholasticis bonitas transcendentalis.« 22 Notker Hammerstein: Innovation und Tradition. Akademien und Universitäten im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. In: Historische Zeitschrift 278 (2004), S. 591–623, hier S. 596. 23 Stiening: »Metaphysick aller schönen Wissenschaften und Künste« (s. Anm. 20), S. 305. 24 Christian von Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt. Halle 1751, S. 6–106 (§§ 10–190). 25 Ebd., S. 37 (§ 77): »Denn so lange eine Sache einen Grund hat, warum sie ist, kann man erkennen, wie sie seyn kan, das ist, man kan sie begreiffen, und indem man es andern sagt, verständlich erklären. So bald man aber etwas setzet, das keinen Grund hat, so erhellet aus dem, was jetzt gesaget worden, daß sie an sich unbegreiflich ist, auch nicht verständlich kan erkläret werden«; ebd., S. 47 (§ 93): »Da man nun hier in der Art und Weise, wie sie entstehen, vieles von einander unterscheiden kan, deren eines in dem andern gegründet ist (§ 29, 30); so ist begreiflich, wie zusammengesetzte Dinge entstehen können (§ 77), und eben darum lässet sich solches verständlich erklären.«

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überzeugt, dass »die allgemeinen Vorschriften der Kunst des Auffindens [von Wahrheiten; O.B.] durch ontologische Begriffe bewiesen werden müssen«.26 So sehr Lamberts zitierte Rede von der Verkettung der Wahrheiten (»enchainent les vérités«) folglich auch einer Formulierung in Wolffs Einleitung in die Deutsche Metaphysik ähnelt,27 so wenig spricht Lambert ontologisch, sondern erkenntnistheoretisch: Er räumt der Experimentalphysik in seiner Akademierede gerade deshalb so große Bedeutung ein, weil er einen erkenntnistheoretischen Ansatz verfolgt: Alle unsere Erkenntnisse haben ihren Ursprung in den Sinnen; und die Repräsentationen in der Seele sind immer direkt mit irgendwelchen Sinneswahrnehmungen verbunden. Wir bezeichnen unsere Erkenntnisse nur insofern als abstrakt, als jene Repräsentationen beginnen, nicht wahrnehmbar zu sein. Ich folgere daraus, dass diese natürliche Experimentalphysik uns die ersten Begriffe liefert und uns zu denselben führt, die erste Basis unserer Erkenntnisse; mit einem Wort: die ersten Daten, von denen wir ausgehen müssen, um bei Folgerungen anzukommen, die von diesen Anfängen weiter entfernt und entlegen sind.28

In einer Reihe von Beispielen nennt Lambert unter anderem Isaac Newtons Formulierung des Gravitationsgesetzes, für den die Anziehung von Gegenständen als Erscheinung zunächst neu war: Letztlich ist uns in unserer Kindheit das gesamte Universum vollkommen neu, so wie […] Newton die Anziehung oder Schwerkraft der Himmelskörper […] und schließlich allen anderen Physikern alle anderen Erscheinungen und Wirkungen der Natur neu waren.29

Unbenommen der Tatsache, dass Newtons Gravitationsgesetz allgemein gilt und somit Notwendigkeit im Sinne der wolffischen Begrifflichkeiten und Ontologie beanspruchen kann, so war es laut Lambert erst die sinnliche Wahrnehmung eines empirischen Phänomens, die Newton zur Erkenntnis des Gravitationsgesetzes ge-

|| 26 Wolff: Philosophia Prima, Sive Ontologia (s. Anm. 17), Bl. b2r (praefatio): »[P]raecepta quoque Artis invendiendi generalia ex notionibus ontologicis demonstranda esse intellexi.« 27 Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen (s. Anm. 24), Bl. )(4r (Vorrede): »Am allermeisten aber habe ich darauf gesehen, daß alle Wahrheiten mit einander zusammen hiengen, und das gantze Werck einer Ketten gleich wäre, da immer ein Glied an dem anderen, und solchergestalt ein jedes mit allen zusammen hänget.« 28 Lambert: Discours de réception (s. Anm. 16), S. 318: »Toutes nos connoissances commencent par les sens; & les représentations de lʼame sont toujours étroitement liées à quelques sensations. Nous nʼappellons les premieres abstraites, que lorsque les dernieres commencent à être imperceptibles. Jʼen conclus, que cette Physique expérimentale naturelle nous fournit & nous occasionne les premieres notions, la premiere base de nos connoissances, en un mot les premieres données, dont nous devons partir, pour parvenir à des conséquences plus reculées & plus éloignées de ces commencemens.« Hervorhebung im Text. 29 Ebd., S. 317f.: »En effet, dans notre enfance lʼUnivers entier nous est tout aussi nouveau, que le fut […] à Newton lʼattraction ou la gravitation des corps célestes […] enfin à tant dʼautres Physiciens tant dʼautres phénomenes & effets de la Nature.« Hervorhebung O.B.

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langen ließ. Weil folglich zwar die Begründung aller Dinge bei deren Ursachen, der Erkenntnisprozess aber bei deren Wirkungen anfängt, gilt für Lambert notwendig ein Schwerpunkt auf der Erkenntnistheorie statt auf der Ontologie. Gleichwohl gilt für Lambert, dass ein Mensch unmöglich alle Daten liefern kann, die für eine vollständige Erkenntnis der Natur notwendig sind: Glücklich ist derjenige, der von der Natur mit einer solchen Sinnlichkeit ausgestattet wurde, dass er, wenn er die Gegenstände der physischen Welt beobachtet, jedes Mal all das Neue wahrnimmt, was sich ihm dort präsentiert, und von der Natur mit einem solchen Erinnerungsvermögen ausgestattet wurde, das ihm die Erinnerung daran immer dann reproduziert, wenn er es benötigt! Er wäre reich an Erkenntnissen und überreich an all dem, was den ersten Grund legt. […] Aber wir müssen eingestehen, meine Herren, dass, so groß diese Vollkommenheit eines Menschen auch sein kann, er sich doch niemals an allen Aussichtspunkten befinden kann, an denen er sich befinden müsste, um sich all die Daten zu beschaffen, die eine vollständige Erkenntnis der Natur erfordert.30

Der Aufklärer Lambert kehrt hier nicht etwa zum Theologem vom status pravitatis des postlapsaren Menschen31 zurück; vielmehr ist auch einem vollkommenen Menschen durch seine Position in Raum und Zeit die vollständige Datenlage unzugänglich, um aus den Erscheinungen unmittelbar ihre Gesetzmäßigkeit ableiten zu können. Die Frage seiner Perfektion bzw. Pravität ist mithin erkenntnistheoretisch indifferent – auch der primordiale Mensch im Paradies könnte durch seine Wahrnehmungen allein nicht alles verstehen. Dieses grundsätzliche Problem lässt sich allerdings auch durch vernünftiges Nachdenken alleine nicht kompensieren: Dass man dies, soweit man möchte, durch Räsonieren ergänzt, ist ohne Zweifel dasjenige Mittel, mit dem man weit kommt. Man kann sich in dem Maße vom Sehen befreien, wie man lernt richtig zu denken und die Schnur exakten und bündigen Räsonierens zu legen. Aber abgesehen davon, dass beim Räsonieren ebenso wie beim Rechnen nur ein einziger vergessener Umstand alles Übrige verdirbt und ein einziges fehlendes Datum das Räsonieren unterbricht, sind

|| 30 Ebd., S. 318: »Hereux quiconque a reçu de la nature une sensibilité telle, quʼen contemplant les objets du Monde physique, il sʼapperçoive chaquefois de tout ce qui sʼy présente de nouveau, & une mémoire qui lui en reproduise le souvenir toutes les fois quʼil en besoin ! Il sera riche en connoissances ; il abondera en tout ce qui en fait la premiere base. […] Mais avouons, Messieurs, que, quelque grande que puisse être cette perfection dʼun homme, il ne sera jamais dans tous les points de vue où il faut être, pour se procurer toutes les données que demande une connoissance complette de la Nature.« 31 Wilhelm Schmidt-Biggemann: Welche Natur wird nachgeahmt? Beobachtungen zur Erscheinung der Natur in der barocken Literatur. In: Künste und Natur in Diskursen der Frühen Neuzeit. Hg. von Hartmut Laufhütte. Wiesbaden 2000, S. 133–156, hier S. 135–138; Hasso Hofmann: Zur Lehre vom Naturzustand in der Rechtsphilosophie der Aufklärung. In: Rechtsphilosophie der Aufkärung. Hg. von Reinhard Brandt. Berlin, New York 1982, S. 12–46, hier S. 16–18.

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wir weit davon entfernt, dass wir alle Daten besäßen und uns gar alle Kombinationen bekannt wären, in denen sie wahrgenommen werden können.32

Lambert teilt mithin nicht die Zuversicht von und die Faszination für Abū Bakr Ibn Ṭufails Philosophus autodidactus,33 der eben einen solchen solitären Erkenntnisgewinn durch Beobachten und Denken für möglich erachtet und in der Aufklärung von Leibniz bis Lessing und Mendelssohn aufmerksam rezipiert wird.34 Lambert beruft sich auf Francis Bacon, dessen Empirismus »den richtigen Weg eröffnet hat, auf dem man weiter und in völliger Sicherheit gehen kann«, denn »dies ist derselbe Weg, auf dem wir uns seit unserer Kindheit befinden und den der Schöpfer uns für ein Alter eröffnet hat, in dem man ohne die Hilfe der Reflexion und des Räsonierens lernen muss«.35 Genau auf diesem Wege kommt der Mensch in ein »reiferes Alter«, in dem »wir mithilfe dieser Seelenvermögen«, mithin durch Reflexion und Räsonieren, »ausgestattet mit gewissen allgemeinen Prinzipien mit größeren und schnelleren Schritten auf diesem Weg voranschreiten können«.36 Allererst dann kann der Mensch die Natur über ihre äußeren Phänomene hinaus beobachten: Ohne uns darauf beschränken zu müssen, die Natur dabei zu beobachten, wie sie durch sich selbst aktiv ist, oder bei den äußeren Erscheinungen stehenzubleiben, die sie uns anbietet, können wir uns mit Instrumenten ausstatten, um den Schleier zu lüften, der ihre Geheimnisse verdeckt, um die Tore zu ihrem Heiligsten zu öffnen, wo sie ihre Rätsel und ewigen Gesetze hütet, die ihre Schritte regulieren. Ohne dabei aufhören zu müssen, nur das zu hören, was sie uns sagt, können wir sie befragen: Ihre Weissagungen sind weder mehrdeutig noch obskur, solan-

|| 32 Lambert: Discours de réception (s. Anm. 16), S. 318: »Quʼon y supplée même, autant quʼon veut, par le raisonnement : ce sera sans contredit le moyen dʼaller bien loin. On peut se dispenser de voir, à mesure quʼon apprend à penser juste, & à étendre le fil dʼun raisonnement exact & bien lié. Mais, outre que dans le raisonnement, de même que dans le calcul, une seule circonstance omise gâte tout le reste, & quʼune seule donnée qui manque, le suspend nécessairement ; il sʼen faut de beaucoup que nous ayons toutes ces données, & que nous nous avisions de nous-mêmes de toutes le combinaisons dont elles sont susceptibles.« 33 Abū Bakr Ibn Ṭufail: Der Philosoph als Autodidakt. Ḥayy ibn Yaqẓān. Ein philosophischer Inselroman. Übers. und hg. von Patric O. Schaerer. Hamburg 2009. 34 Friedrich Vollhardt: Der wilde Weltweise. Die Rezeption des ›Philosophus autodidactus‹ von Ibn Tufail in der Frühen Neuzeit. In: Poetik des Wilden. Festschrift für Wolfgang Riedel. Hg. von Jörg Robert und Friederike Felicitas Günther. Würzburg 2012, S. 179–198. 35 Lambert: Discours de réception (s. Anm. 16), S. 319: »Ce grand homme ouvrit la véritable carriere, où lʼon peut toujours aller plus loin, & en toute sûreté. Car enfin, cʼest le même chemin qui nous conduit dès notre enfance, & que le Créateur nous a ouvert pour un âge où il faut apprendre sans le secours de la réflexion & du raisonnement. Dans un age plus mûr, aidés de ces facultés de lʼame.« 36 Ebd.: »Dans un age plus mûr, aidés de ces facultés de lʼame, & munis de quelques principes universls ; nous pouvons y marcher à plus grands pas, & les accélérer même.«

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ge unsere Fragen wohl durchdacht und vorschriftsmäßig gestellt sind. Und genau das ist die große Aufgabe eines echten Physikers.37

Es ist nicht wirklich eindeutig zu bestimmen, ob Lambert durch diese Skizze Bacon wieder zum Metaphysiker macht, nachdem dieser durch die strenge Scheidung von Final- und Bewegungsursachen erstere in die Metaphysik verwiesen und letztere für die Physik reserviert hatte.38 Sicher ist, dass Lambert selbst nicht von Zweckursachen handelt und seine erkenntnistheoretischen Überlegungen wie gezeigt mit der notwendigen, weil allein möglichen Beobachtung von Wirkungen begonnen hatte. Sicher ist aber auch, dass Lambert die Experimentalphysik baconscher Prägung mit einer bestimmten metaphysischen Prämisse für kompatibel und insofern für leistungsfähig erachtet: Denn mit seiner Rede von den »ewigen Gesetzen« (»loix éternelles«) schließt Lambert an die von Cicero über Augustinus und Thomas von Aquin bis Francisco Suárez reichende Tradition eines lex aeterna-Denkens an, das unter dem Gesichtspunkt eines göttlichen Weltplans theoretische und praktische Aspekte in sich vereinte. Der von Lambert selbst apostrophierte Schöpfergott richtete die Welt mithin sehr wohl nach seinen Zwecken ein, versah dieselbe vor allem im Rahmen der providentia physica mit einer solch unveränderlichen Gesetzmäßigkeit, dass diese Gesetze eben ewig gelten und jedes davon abweichende Wunder nur als göttliche Dispens zu erklären ist.39 Indem Lambert nun auch die Wunder aus der Sphäre möglichen und wirklichen Seins ausklammert, gewinnt er einen lex aeternaBegriff, der als metaphysische Voraussetzung dafür taugt, dass die Experimentalphysik ausschließlich mit Erscheinungen zu tun hat, die einem Gesetz folgen. Es gibt keine Phänomene, die zwar unmöglich, aber wirklich wären wie Wunder, welche die empirische Beobachtung verunsichern und die Rekonstruktion von Gesetzmäßigkeiten erschweren könnten.

|| 37 Ebd.: »Sans nous borner à contempler la Nature agissante par elle-même, ou à ne nous arrêter quʼaux dehors quʼelle nous offre, nous pouvons nous munir dʼinstrumens, pour lever le voile qui cache ses secrets, pour ouvrir les portes de son sanctuaire, où elle garde ses mysteres, & les loix éternelles qui réglent ses pas. Sans nous arrêter à nʼécouter que ce quʼelle dit, nous pouvons lʼinterroger: ses oracles ne sont ni ambigus ni obscurs, dès que nos questions sont bien conçues, & duement proposées. Mais voilà la grande étude dʼun véritable Physicien.« 38 Francis Bacon: De dignitate et augmentis scientiarum (Libri I–VI). In: ders.: The Works. Hg. von James Spedding, Robert Leslie Ellis und Douglas Denon Heath. Bd. 2. New York, Boston 1864, S. 97– 498, hier S. 267 (lib. 3, cap. 4): »Physica est quae inquirit de Efficiente et Materia; Metaphysica quae de Forma et Fine.« Vgl. Manfred Riedel: Kausalität und Finalität in Hobbesʼ Naturphilosophie. In: Kant-Studien 60 (1969), S. 417–435, hier S. 419. 39 Vgl. Thomas Marschler: Verbindungen zwischen Gesetzestraktat und Gotteslehre bei Francisco Suárez im Begriff der ›lex aeterna‹. In: »Auctoritas omnium legum«. Francisco Suárez’ ›De Legibus‹ zwischen Theologie, Philosophie und Rechtsgelehrtheit. Hg. von Oliver Bach, Norbert Brieskorn und Gideon Stiening. Stuttgart-Bad Canstatt 2013, S. 27–52, hier S. 27f. und S. 34f.

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Diese Gesetze können nun in Bacons Sinne nicht mit planloser Erfahrung, sondern mit, wie Lambert es ausdrückte, »wohldurchdachten und vorschriftsmäßig gestellten Fragen« erforscht werden:40 Diese planmäßig und unter ausgewählten Umständen gemachten Erfahrungen enthalten dieselben Fragen, die wir der Natur stellen. Ihre Gesetze sind einzigartig und unveränderlich. Die Antworten, die sie darauf gibt, sind exakt gleichförmig.41

Diese Experimentalphysik bedient sich vor allem der Mathematik, ohne aber derselben einen Vorrang gegenüber der Erfahrung einzuräumen oder sie ihr unterzuordnen, denn [v]ernächlässigt man das Rechnen und die Theorie, die ihm zugrunde liegt, macht man wahlund planlose Erfahrungen. Vernachlässigt man die Erfahrungen, läuft man Gefahr, sich in Hirngespinste zu begeben und Berechnungen anzustellen, die auf jede andere Welt anwendbar wären als auf diejenige, in der wir leben.42

Diese Gleichrangigkeit von Rechnen und Erfahrung, die Immanuel Kant übernehmen und auf das verstandesmäßige Denken und die sinnliche Rezeptivität überhaupt verallgemeinern wird,43 beschränkt sich auch bei Lambert nicht auf den Erkenntnisprozess innerhalb der Physik, sondern gilt auch für das Verhältnis der Physik zur Philosophie: Die Philosophie ist direkt mit der Experimentalphysik verbunden. Die Physik gibt der Philosophie die Materialien, alle ersten Ideen und Kenntnisse. Aber sie erwartet von ihr im Austausch die notwendigen Prinzipien, um systematisch gemacht zu werden und die Form einer demonstrativen Wissenschaft anzunehmen.44

|| 40 Vgl. Wolfgang Röd: Die Philosophie der Neuzeit I. Von Francis Bacon bis Spinoza. 2., verbesserte und ergänzte Aufl. München 1999, S. 33. 41 Lambert: Discours de réception (s. Anm. 16), S. 319: »Ces expériences faites à dessein, & dans des circonstances choisies, sont autant de problemes que nous proposons à la Nature. Ses loix sont individuelles & immuables. Les réponses quʼelle donne, y sont exactement conformes.« 42 Ebd., S. 320: »En négligeant le calcul, & la théorie qui lui fert de base, on fait les expériences sans choix & sans dessein. En négligeant les expériences, on court risque de donner dans la chimere, & de produire des calculs applicables à tout autre Monde, quʼà celui où nous sommes.« 43 Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. Nach der ersten und zweiten Originalausgabe. Hg. von Jens Timmermann. Hamburg 1998, S. 130 (A51/B 75): »Unsre Natur bringt es so mit sich, daß die Anschauung niemals anders als sinnlich sein kann, d. i. nur die Art enthält, wie wir von Gegenständen affiziert werden. Dagegen ist das Vermögen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu denken, der Verstand. Keine dieser Eigenschaften ist der andern vorzuziehen. Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.« 44 Lambert: Discours de réception (s. Anm. 16), S. 322: »Voilà donc la Philosophie étroitement liée à la Physique expérimentale. La Physique donne à la Philosophie les matériaux, toutes les premieres

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Ähnlich, wenn auch umgekehrt, ist das Verhältnis von Physik und Geschichtsschreibung, in dem letztere vor allem in Form der Naturgeschichte der Physik bestimmte Daten liefert, während die Physik wiederum der Geschichte in allen ihren Formen die ordnungsstiftenden Mittel der Zeitmessung zur Verfügung stellt.45 Das Verhältnis der Physik zu den »schönen Wissenschaften« (»Belles-Lettres«) ist im Durchgang von Lamberts Vortrag keineswegs das entfernteste, sondern im Gegenteil in einem bestimmten Moment sogar das denkbar engste: Ich beobachte, dass die Basis aller Sprachen, mit anderen Worten die ursprünglichen und urwüchsigen Sprachen, genau diejenigen Sprachen sind, derer man sich in der oben so genannten natürlichen Experimentalphysik bedient. Die Sprachen fangen nicht bei abstrakten Ideen an; man könnte sie nicht bezeichnen; aber sie fangen bei den Dingen an, die wir von unserer frühen Kindheit an sehen und von denen wir zur gleichen Zeit sowohl die Namen als auch die Ideen beziehen, indem wir die Dinge vor uns anschauen. Diese Verbindung zwischen der Physik und der Theorie der Sprachen ist die engste, die man haben kann.46

Hier verbindet Lambert seinen Discours mit der linguistischen Naturzustandsthese des Neuen Organon: Der Prozess der ersten Erfassung und Ordnung von Erscheinungen durch deren Benennung mit Worten der ersten Wortklasse ist je schon ein physikalisch-linguistisches Gemeinschaftsprojekt. Nichtsdestoweniger bildet die Sprachtheorie mit der Physik nur das engste Verhältnis aus, sie ist aber nicht der schönste Teil der schönen Wissenschaften – diesen stellen in Lamberts Augen die Rhetorik und die Dichtung dar.47 Gleichwohl ist auch hier die Funktion der Physik grundlegend:

|| idées & connoissances. Mais elle en attend en échange les principes nécessaires, pour être rendue systématique, & pour prendre la forme de Science démonstrative.« 45 Ebd., S. 323. 46 Ebd.: »[J]ʼobserverai, que la base de toutes les langues, je veux dire, les paroles primitives & radicales, sont précisément celles dont on se sert dans ce que jʼai appellé ci-dessus la Physique expérimentale naturelle. Les Langues ne commencent pas par des idées abstraites, on ne pourroit les indiquer ; mais par ces choses que nous voyons dès notre premiere enfance, & dont nous acquérons à la fois & les noms & les idées, en voyant les choses devant nous. Cette liaison entre la Physique & la théorie des Langues est la plus ètroite quʼil puisse y avoir«. 47 Ebd., S. 324: »Ce nʼest pas cependant à lʼHistoire & aux Langues que se bornent les BellesLettres. Lʼart de lʼOrateur & la Poësie en sont les plus belles parties.« / »Dabei erschöpfen sich die schönen Wissenschaften nicht in der Geschichte und den Sprachen. Die Redekunst und die Dichtung sind ihre schönsten Teile.«

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Welche Materialien liefert die Physik den Dichtern nicht, wenn immer sie von den Wundern der Natur singen und sich einer weitreichenden Erkenntnis der Dinge des Universums zuwenden wollen, sofern es sich nicht um Wein und das schöne Geschlecht handelt?48

Für eine kohärente Lektüre des Discours wichtiger als Lamberts eigener Einwand gegen die Gegenstandsbereiche »Wein und das schöne Geschlecht« scheint seine Rede von den »Wundern der Natur« zu sein: Lambert hatte schließlich, wie oben gezeigt, Wunder vollständig aus seinem Begriff ewiger Gesetze getilgt, um der Physik überhaupt eine Grundlage zu verschaffen – wenn es unmögliche, aber wirkliche Erscheinungen gäbe, stünde schließlich jede Erfahrung unter dem Verdacht, gelegentlich gesetzlose Phänomene zu beobachten. Allerdings scheint Lambert hier von Wundern nur im übertragenen Sinne zu sprechen, mithin von den oben zitierten »Geheimnissen« und »Rätseln« der Natur, die durchaus, wenn auch schwer, zu verstehen sind.49 Es geht ihm offensichtlich vielmehr um das Erhabene, das im Folgenden noch anhand seiner Observations zu erläutern ist und durch das Lambert die Dichtung nicht etwa von der Physik löst, sondern noch stärker an sie bindet: Allererst eine angemessene Erkenntnis von den Naturgesetzen erlaubt dem Dichter die angemessene poetische Würdigung der Natur. Aber mehr noch: Gerade der Dichter hat die Aufgabe, die Zugehörigkeit der Naturgesetze zu den ewigen Gesetzen Gottes darzustellen: Es sind zu langwierige Studien für den Großteil der Menschen, die eine zu kontinuierliche Aufmerksamkeit erfordern. Es ist daher an den Dichtern, sie aller Welt zugänglich zu machen. Was können sie besseres, was können sie würdigeres aus ihren Talenten, was können sie mit ihrer Kunst wesentlicheres machen als die schöne Natur nachzuahmen und uns Bilder von ihr zu liefern, die unsere Gedanken der unendlichen Vollkommenheit des Schöpfers zuwenden? Die Natur ist ein Gut; sie liefert Schönheiten, an denen die ganze Welt das Recht hat sich zu erfreuen; und deshalb ist es eine der schönsten Pflichten der Dichter, all diejenigen mit diesem Vergnügen zu versorgen, die weder die Zeit noch die Talente besitzen, sie von Grund auf zu studieren. Man erfreut sich der Annehmlichkeiten des Frühlings besser, wenn man sie bei Tompson und Kleist zu schätzen lernt.50

|| 48 Ebd., S. 324: »Mais que de matériaux ne leur fournit pas la Physique, si les Poëtes veulent chanter les merveilles de la Nature, & sʼappliquer à une connoissance plus étendue des objets de lʼUnivers, que ne le sont le vin & la beau sexe!« 49 Ebd., S. 319. 50 Ebd.: »Etudes trop longues pour la plûpart des hommes, & qui demandent une attention trop continue. Cʼest aux Poëtes à les mettre à la portée de tout le monde. Que peuvent-ils faire de mieux, de plus digne de leurs talens, de plus essentiel à leur art, que dʼimiter la belle Nature, de nous en offrir des tableaux, qui élévent nos pensées aux perfections infinies du Créateur? La Nature est un bien; elle offre des beautés, dont tout le monde a le droit de jouir: & dès-là cʼest une des plus belles tâches des Poëtes, de procurer cette jouïssance à tous ceux qui nʼont, ni le tems, ni les talens, pour les étudier à fond. On jouit mieux des agrémens du Printems, quand on a appris à les apprécier dans Tompson & dans Kleist.«

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An dieser Stelle greift Lambert erneut auf das traditionelle Konzept der lex aeterna als eines zugleich theoretischen und praktischen Gesetzes zurück: Denn allererst dadurch ist die Natur ein moralisches Gut, aus dem Lambert für die Dichtung als einziger der Wissenschaftsdisziplinen eben nicht nur einen theoretisch-erkenntnistechnischen, sondern auch einen moralisch-praktischen Imperativ gewinnt. Insofern die Natur nämlich ein Gut ist, besitzt jeder Mensch nicht nur die Möglichkeit, sondern auch das Recht, sie angemessen zu erkennen. Dem Dichter erwächst daraus die Pflicht bzw. »Obliegenheit« (»tâche«), diese angemessene Erkenntnis zu ermöglichen: Denn nur insofern die Natur gut, ist sie auch schön. Durch diese moralische Einhegung des Begriffs des Schönen wird der Dichter von Lambert zugleich nobilitiert und in die Pflicht genommen. Das Schöne ist einzig sein Metier; weil das Naturschöne zugleich gut ist, ist der Dichter sowohl befähigt als auch verpflichtet, es darzustellen. Dies kann er jedoch nur, indem er mithilfe der Erkenntnisse der Physik die Geheimnisse der Natur lüftet und damit den Schöpfungsplan offenlegt. Erst der Dichter legt den Charakter der Naturgesetze als zugleich theoretisch schlüssige und praktisch-gute leges aeternae offen. Als Beispiele einer Dichtung, die diese Pflichten erfüllt, führt Lambert zum einen das Gedicht Spring aus dem Zyklus The Seasons James Thomsons (1726–1730) an, der 1744 von Barthold Heinrich Brockes ins Deutsche übersetzt worden war, und zum anderen Der Frühling Ewald Christian von Kleists (1749): Beide zeichnen sich in der Tat durch eine Naturfrömmigkeit aus, die am Ausgang deistischer und physikotheologischer Konzepte der Aufklärung stehen51 und zugleich naturwissenschaftliche Innovationen verarbeiten.52 Allerdings beschränken sich Lamberts Bestimmungen nicht auf die Naturdichtung, sondern gelten für jedwede Dichtung, die Versinnlichungsprozesse vollzieht, sei es die Versinnlichung bzw. Rück-Versinnlichung solcher Begriffe, die unmittelbar aus der sinnlichen Wahrnehmung gebildet wurden, mithin von Wörtern der ersten Klasse, wie Lambert sie im Organon bestimmt hatte, sei es die Versinnlichung allgemeiner, abstrakter Begriffe, also Wörtern der zweiten und dritten Klasse.

|| 51 Vgl. Philip Connell: Newtonian Physico-Theology and the Varieties of Whiggism in James Thomsonʼs ›The Seasons‹. In: The Huntington Library Quarterly 72 (2009), S. 1–28; Christoph Willmitzer: ›Der Frühling‹ Ewald Christian von Kleists. Themen und Poetologie im Kontext des Gesamtwerks. Berlin, Boston 2017, S. 156–158. 52 Thomas A. Reisner: The Vast Eternal Springs: Ancient and Modern Hydrodynamics in Thomsonʼs ›Autumn‹. In: Mosaic. An Interdisciplinary Critical Journal 10 (1977), S. 97–110. Gerade mit Blick auf Kleist dürfte diese Lesart Lamberts nicht unumstritten sein: Vgl. bspw. Lothar Jordan: Was war neu an Kleists ›Der Frühling‹? In: Ewald von Kleist. Zum 250. Todestag. Hg. von Lothar Jordan. Würzburg 2010, S. 93–108, hier S. 103, für den Naturerlebnis und Literatur »aus der Vormundschaft der Religion und der Philosophie (und im Grunde auch der Politik) entlassen« werden.

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3 Des secours mutuels que peuvent se prêter les sciences solides et les belles-lettres Deshalb ist auch Lamberts Vortrag Über die gegenseitige Hilfe, die sich die soliden und die schönen Wissenschaften leisten können von 1767 zu berücksichtigen. Schon durch den Titel schließt Lambert sichtbar an seine im Discours angestellten Überlegungen zum Verhältnis der Physik und der Belles-Lettres an. Bevor er diese dort noch sehr allgemein gehaltenen Gedanken im Vortrag Des secours mutuels ausbaut, leitet er mit einer Diagnose des empirischen Zustandes dieses Verhältnisses ein, die von dem Lob der systematischen Möglichkeiten desselben im Discours deutlich abweicht: Dieser Gegenstand wird heutzutage interessant. Man sieht die Schöngeister und die Gelehrten im Sturm aufeinander, anstatt sich gegenseitig zu helfen oder sich wenigstens in ihren jeweiligen Schranken zu halten. Erstere werden beschuldigt, oberflächlich zu sein, die Rhetorik und die Dichtung zu missbrauchen, um im Geiste Verwirrung zu stiften und Irrtümer zu verbreiten. Im Gegenzug beschuldigen sie die Philosophen, zu trocken zu sein und ausschließlich für Personen zu arbeiten, die bereits in ihre Geheimnisse eingeweiht sind.53

Eine Kooperation zwischen Natur- und schönen Wissenschaften, wie Lambert sie im Discours als systematisch möglich und notwendig bestimmte, ist in den 1760er Jahren nicht nur mangelhaft realisiert, sondern im Gegenteil finden Kontroversen über die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Gegners statt. Dabei besteht ein für die Aufklärungsbewegung und ihre historische Selbstverortung nicht ganz marginaler Punkt darin, dass Lambert die Streitfrage nach dem Verhältnis von Philosophie und Dichtung für ein Merkmal seiner Gegenwart hält: Dieser Streit scheint mir nicht älteren Datums zu sein. Griechenland hatte Redner, Dichter, abstrakte Philosophen und schöngeistige Philosophen. Aber es scheint, dass sie sich damit zufriedengaben zu sein, was sie jeweils waren.54

|| 53 Johann Heinrich Lambert: Des secours mutuels que peuvent se prêter les sciences solides et les belles-lettres. In: LPS 10.2, S. 562–597, hier S. 562: »Cette matière devient intéressante de nos jours. On voit les beaux esprits et les savants aux prises, au lieu de sʼaider mutuellement, ou de se contenir du moins chacun dans ses bornes. Les premiers sont taxés dʼêtre superficiels, dʼabuser de lʼéloquence et de la poésie pour semer de la confusion dans lʼesprit, pour étendre des erreurs. En échange, ils taxent les philosophes dʼêtre trop secs, de ne travailler que pour des personnes initiées dans leurs mystères.« Übers. O.B. 54 Ebd.: »Cette querelle ne me paraît pas être de fort ancienne date. La Grèce avait des orateurs, des poètes, des philosophes abstraits et des philosophes beaux esprits. Mais il semble quʼils se contentèrent chacun dʼêtre ce quʼil était.«

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Mit dieser wissenschaftsgeschichtlichen These von einer konfliktlosen Ausdifferenzierung der Disziplinen vertritt Lambert ein anderes Griechenlandbild als Johann Joachim Winckelmann vor ihm 1755/56, der sowohl den »Schriften aus Socrates Schule« als auch »dem Schreibe-Griffel des Aristoteles« eine entschieden ästhetisch-künstlerische Qualität zugutehielt,55 und ein vollkommen anderes als Friedrich Schiller nach ihm 1795, der in Über die ästhetische Erziehung des Menschen behaupten wird, im antiken Griechenland habe es im Gegenteil noch überhaupt keine Ausdifferenzierung der Disziplinen gegeben: Damals [...] hatten die Sinne und der Geist noch kein strenge geschiedenes Eigentum; denn noch hatte kein Zwiespalt sie gereizt, miteinander feindselig abzuurteilen und die Markung zu bestimmen. Die Poesie hatte noch nicht mit dem Witze gebuhlt und die Spekulation sich noch nicht durch Spitzfindigkeit geschändet.56

Noch deutlicher wird Schiller dies 1795 in seinen Anmerkungen zu Wilhelm von Humboldts Über das Studium des Altertums und des Griechischen insbesondere (1793) notieren: Sollte nicht von dem Fortschritt der menschlichen Kultur ohngefähr eben das gelten, was wir bei jeder Erfahrung zu bemerken Gelegenheit haben. Hier aber bemerkt man 3 Momente. 1. Der Gegenstand steht ganz vor uns, aber verworren und ineinanderfließend. 2. Wir trennen einzelne Merkmale und unterscheiden. Unsere Erkenntnis ist deutlich, aber vereinzelt und borniert. 3. Wir verbinden das Getrennte, und das Ganze steht abermals vor uns, aber jetzt nicht mehr verworren, sondern von allen Seiten beleuchtet. In der ersten Periode waren die Griechen. In der zweiten wir. Die dritte ist also noch zu hoffen, und dann wird man die Griechen auch nicht mehr zurückwünschen.57

In der griechischen Antike waren laut Schiller die oberen und unteren Erkenntnisvermögen ebenso wenig auseinander getreten wie die mit ihnen befassten Wissenschaften und Künste. Die Konfliktfreiheit des griechischen Geisteslebens, die Lambert feststellt, folgt für Schiller nicht aus disziplinärer Genügsamkeit, sondern aus einer urtümlichen Harmonie der Seelenteile, die gar keine Konflikte zuließ. Nicht nur aber unterscheidet sich Lamberts disziplinengeschichtliche, sondern auch seine disziplinensystematische Position von derjenigen Schillers. Zwar haben

|| 55 Johann Joachim Winckelmann: Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst. In: ders.: Kleine Schriften, Vorreden, Entwürfe. Hg. von Walther Rehm. Berlin, New York 2002, S. 27–59, hier S. 45 und S. 59. 56 Friedrich Schiller: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. In: ders.: Sämtliche Werke. Bd. 5: Erzählungen, Theoretische Schriften. Hg. von Peter-André Alt, Albert Meier und Wolfgang Riedel. München, Wien 2004, S. 570–669, hier S. 582. 57 Friedrich Schiller: [Bemerkungen zu Wilhelm von Humboldt: Über das Studium des Altertums und des Griechischen insbesondere]. In: ders.: Sämtliche Werke, Bd. 5 (s. Anm. 56), S. 1042f., hier S. 1042.

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Philosophen und Dichter viele Gegenstände gemein, und ebenso haben beide in Lamberts Augen das Ziel, die Menschen zu bilden und zu verbessern. Aber müssen sich deshalb auch ihre Formen und Methoden gleichen?58 Mit anderen Worten: »Bis zu welchem Punkt will man, dass der Redner und der Dichter Philosophen seien; und bis zu welchem Punkt muss der Philosoph ein Schöngeist sein?«59 Lambert enthält sich durchaus nicht eines polemischen Tons, und sein Anliegen ist klar: Bei allen herauszuarbeitenden Gemeinsamkeiten geht es darum, den Dichter von einer Position aus in die Schranken zu weisen, die die Philosophie, wenn nicht als Universal-, so doch als Generaldisziplin besetzt. Lamberts empirische, aber durch keinerlei Dokumente oder Erhebungen untermauerte Prämisse lautet dabei: Schöngeister ebenso wie Philosophen seien sich allemal über den Primat der Philosophie einig: Beginnen wir damit, worin sich beide Seiten einig sind. Dies besteht darin, dass die Philosophie alle Aufmerksamkeit verdient, dass sie verdient, kultiviert, gereinigt, bereichert, vervollkommnet und in aller Welt bekannt zu werden, soweit es möglich ist. Der Philosoph stimmt dem insofern zu, als er alle Sorgfalt aufwendet, um zu diesem Zustand zu gelangen. Die Schöngeister stimmen dem insofern zu, als sie dem Philosophen gerade zum Vorwurf machen, dass er ihnen seine Entdeckungen nicht zugänglich macht. Soweit reicht also ihre Übereinstimmung.60

Sind sich die Philosophie und schönen Wissenschaften mithin darüber einig, dass der Philosophie eine übergeordnete Rolle zukommt, so streiten sie trotzdem oder gerade deshalb darüber, wer die Vermittlungsleistung zu erbringen hat. Die Schöngeister nämlich verlangten darüber hinaus, dass es bereits »die Aufgabe des Philosophen ist, seine Philosophie zu verschönern«.61 Das edle Ziel, das sich der Philosoph steckt, »den Menschen daran zu gewöhnen, von den oberen Seelenvermögen || 58 Lambert: Des secours mutuels (s. Anm. 53), S. 563: »Ils traitent plusieurs choses en commun avec les orateurs et les poètes. Ils se proposent les uns et les autres dʼinstruire et de corriger les hommes. Même but, même sujet de part et dʼautre. Mais la façon de sʼy prendre, mais leurs styles doivent-ils se ressembler?« / »Sie [d. i. die Philosophen; O.B.] behandeln mehrere Gegenstände gemeinsam mit den Rednern und Dichtern. Sie nehmen sich die ein und anderen vor, um die Menschen zu unterrichten und zu verbessern. Selbes Ziel, selbes Thema von beiden Seiten. Aber die Form, derer sie sich dabei bedienen, ihre Stile: müssen sie einander gleichen?« 59 Ebd., S. 563f.: »Jusquʼà quel point veut-on que lʼorateur et le poète soient philosophe; et le philosophe jusquʼà quel point doit-il être bel esprit?« 60 Ebd., S. 565: »Commençons par ce en quoi on est dʼaccord de part et dʼautre. Cʼest que la philosophie mérite toute attention, quʼelle mérite dʼêtre cultivée, épurée, enrichie, perfectionnée et connue de tout le monde, autant quʼil sera possible. Cʼest ce que le philosophe accorde, par là même quʼil se donne tous les soins pour y parvenir. Les beaux esprits lʼaccordent, en ce quʼils reprochent au philosophe, quʼil ne mette pas ses découvertes à leur portée. Ainsi, jusque-là les voilà dʼaccord.« 61 Ebd.: »Mais les beaux esprits demandent encore plus. Ils veulent que ce soit au philosophe dʼembellir sa philosophie.« / »Die Schöngeister fordern jedoch noch mehr. Sie wollen, dass es die Aufgabe des Philosophen ist, seine Philosophie zu verschönern.«

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Gebrauch zu machen, damit er aufhört, ein Sklave seiner Sinne und Einbildung zu sein«,62 kann schlechterdings nicht erreicht werden, solange die meisten Leute durch den ausschließlichen Gebrauch der oberen Erkenntnisvermögen ermüdet werden.63 Lambert schließt mithin auch an das aus dem Discours bekannte Problem an, dass die abstrakte Philosophie mit allgemeinen Begriffen arbeitet, die keine Ideen mehr repräsentieren, die aus einer unmittelbaren Metaphorisierung gewonnen wurden. Die gesteigerte Mittelbarkeit abstrakter Philosophie bzw. ihrer Terminologie ist ein Kommunikationsproblem, das zureichende onomasiologische Gründe hat. Um dem Problem nicht nur weiter auf den Grund zu gehen, sondern es auch so zu erläutern, dass es auch für »die ganze Welt« verständlich wird,64 fingiert Lambert einen Dialog zwischen einem Philosophen und einem Schöngeist.65 Dieser Dialog über die Arbeitsteilung zwischen Philosophie und Schöngeisterei stützt sich seinerseits auf einen Vergleich: Einerseits kann ein Mann nicht allein einen Goldring fertigen und dazu schon selbst das Gold schürfen, reinigen, in Barren gießen, den Ring schmücken und ziselieren etc. Insofern gleicht der Philosoph nur demjenigen, der nach dem Gold schürft, es reinigt und in Barren gießt; aber erst der Dichter hat die Funktion des Goldschmiedes, der dem Gold die Form verleiht.66 Andererseits gilt, dass der Goldschmied ein angemessenes Wissen um das Material Gold besitzen muss, um beurteilen zu können, ob das Gold rein ist, die richtige Härte besitzt usw.,

|| 62 Ebd., S. 565f.: »Que répondra le philosophe? […] Je veux lʼaccoutumer à faire usage des facultés supérieures de son âme. Quʼil cesse dʼêtre esclave de ses sens, de son imagination.« / »Was wird der Philosoph antworten? […] Ich will ihn [d. i. den Menschen; O.B.] daran gewöhnen, von den oberen Seelenvermögen Gebrauch zu machen, damit er aufhört, ein Sklave seiner Sinne und Einbildung zu sein.« 63 Ebd., S. 566: »Il pare à des gens, qui au risque de déraisonner, ne veulent avoir que faire des facultés supérieures de lʼâme quʼune attention continue lasse et qui sʼéchappent dès quʼil nʼy a plus dʼimages.« / »Er spricht zu Leuten, die unter dem Risiko, Unsinn zu reden, nicht wissen wollen, was sie mit den oberen Seelenvermögen anstellen sollen, die eine fortwährende Aufmerksamkeit nur ermüdet, und die sich entziehen, sobald es keine Bilder mehr gibt.« 64 Ebd.: »Parlons pour cette fois que tout le monde nous comprenne.« / »Sprechen wir für dieses Mal so, dass uns die ganze Welt versteht.« 65 Ebd., S. 567–572. 66 Ebd., S. 568f.: »Ph[ilosophe]. Si elles valent de lʼor, elles ressembleront donc encore aux mines. Il faudra les creuser, les éruper et vous les livrer en lingots. B[el-Esprit]. Comment en lingots? Qui seront donc ces orfèvres dont vous parliez tantôt et qui doivent donner la façon? Ph. Quelle singulière demande ! Cʼest vous, Messieurs les beaux esprits. Cʼest à vous à façonner lʼor que le philosophe vous livre.« / »Philosoph: Wenn sie [d. i. die tausend Fragen des Schöngeistes; O.B.] Gold wert sind, dann gleichen Eure Fragen noch mehr Minen. Man muss sie ausgraben, aufsprengen und Euch das Gold in Barren liefern. Schöngeist: Wie, in Barren? Wer sind denn dann die Goldschmiede, von denen Ihr eben erst gesprochen habt und die dem Gold die Form verleihen müssen? Philosoph: Welche einzigartige Frage! Das seid Ihr, meine Herren Schöngeister. Es ist an Euch, das Gold zu formen, das der Philosoph Euch liefert.«

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und zwar um seinen Arbeitsschritt angemessen vollziehen zu können. Zwar ist es also die Aufgabe der Schöngeister, das Material in Form zu bringen, das der Philosoph ihnen liefert. Zugleich aber müssen sie gerade dafür zuerst dieses Material kennenlernen, ebenso wie der Goldschmied das Gold kennen muss.67 Lamberts Argumente für eine Arbeitsteilung sind mithin lediglich pragmatischer Natur und von Aspekten inhaltlicher Kompetenz zunächst unabhängig. Dies hat einen guten Grund, denn der Philosoph gibt unumwunden zu, dass es auch schlechte Philosophen gibt, die das Gold, mithin das Wissen, nicht waschen, sondern verunreinigen.68 Sollten dann die Goldschmiede unreine Legierungen verwenden und vergolden, die Dichter mithin falsches Wissen poetisch formen und verbreiten? Dies führte nicht nur zu handwerklichen Fehlern, sondern auch zu Betrug am Kunden. Auch der Einwand, dass mancher Kunde solcherlei Falschgold sogar verlange, ist nicht stichhaltig, weil sich Goldschmied und Dichter damit zwar unabhängig von ihrem Material, aber abhängig von der ökonomischen Nachfrage machten. Die Wucht dieses Arguments liegt auf der Hand: Ein Metall vergoldender Goldschmied wäre kein Goldschmied mehr, ein Unwahrheiten verarbeitender Dichter kein Dichter.69 Es ist wohlgemerkt sowohl der Philosoph, der sich für eine Arbeitsteilung von Philosophen und Schöngeistern ausspricht, weil der Philosoph gar nicht die Zeit und Kompetenz hat, sich um die allgemeinverständliche Formung und Vermittlung des Wissens zu kümmern; als auch ist es der Philosoph, der diese Arbeitsteilung dahingehend eingeschränkt wissen will, dass das Subjekt des einen Arbeitsschritts

|| 67 Ebd., S. 569: »Vous devez commencer par apprendre à le connaître. Vous devez apprendre ensuite à le manier, à le façonner.« / »[Philosoph.] Ihr müsst anfangen, indem Ihr lernt, das Gold zu erkennen. Anschließend müsst Ihr lernen, es zu behandeln, es zu formen.« 68 Ebd., S. 570: »Ce qui plus est, je ne vous nierai pas, quʼil nʼy en ait même quelquefois de mal habiles qui, au lieu de trier et de laver, ne font que mêler, confondre, embourber. Mais dès quʼon les connaît, on les rebute, on les chasse.« / »Darüber hinaus will ich nicht leugnen, dass es manchmal ungeschickte Goldschürfer gibt, die das Gold, anstelle es zu sortieren und zu waschen, vermischen, durcheinanderbringen und schlammverklebt lassen. Aber sobald man sie erkennt, stößt man sie aus und vertreibt sie.« 69 Ebd., S. 572: »[Bel-Esprit.] Et quand lʼor nous manque nous mêlons des métaux ensemble pour faire des vases de bronze. Nous dorons jusqueʼà éblouir. Ph[ilosophe]. […] Est-ce là être bel esprit? Êtes-vous juste? B. Mais le public, quand il ne peut avoir de lʼor, veut du moins des dorures. En outre, il faut servir chacun suivant son goût. Ph. Vous disiez tantôt que cʼétait à vous de régler le goût du public. Que ne le faites-vous donc? Et sʼil vous demande de lʼor fin bien façonné, en avezvous toujours?« / »[Schöngeist] Und wenn es uns an Gold mangelt, mischen wir Metalle zusammen, um Bronzevasen herzustellen. Wir vergolden sie, bis sie glänzen. Philosoph. […] Heißt das, ein Schöngeist sein? Seid Ihr gerecht? Schöngeist. Aber die Öffentlichkeit will, wenn sie kein Gold haben kann, wenigstens Vergoldung haben. Darüber hinaus muss man jeden nach seinem Geschmack bedienen. Philosoph. Ihr sagtet bislang, dass es Eure Aufgabe sei, den Geschmack der Öffentlichkeit zu regeln. Macht Ihr das folglich doch nicht? Und wenn man von euch reines, wohl geformtes Gold fordert, habt Ihr immer welches?«

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nicht vollkommen ahnungslos über die Tätigkeit der anderen Arbeitsschritte sein darf. Der Schöngeist in Lamberts Dialog allerdings – und deshalb darf die Funktion dieses Narrativs für Lamberts Argumentation nicht vernachlässigt werden – reagiert keineswegs geschmeichelt, sondern empört über die ihm und seiner Zunft zugemutete Mehrarbeit. Was Lambert mit seinem Dialog also zugleich auf einer ersten performativen Ebene vorführt, ist, dass der Schöngeist diese durchaus anerkennenswerten Kompetenzen und Aufgaben, die der Philosoph ihm zugesteht, selbst nicht angemessen in sich und an sich erkennen und bestimmen kann. Mag es mithin den empirischen Umstand schlecht arbeitender Philosophen und die hieraus resultierende Notwendigkeit eines philosophisch kompetenten Schöngeistes geben, so ist und bleibt die systematische Einordnung dieses Umstandes, dieser Notwendigkeit in den Zusammenhang der interdisziplinären Kooperation eine philosophische Angelegenheit. Die Korrektur einer fehlerhaften philosophischen Praxis ist zwar auch die Aufgabe philosophisch geschulter schöner Wissenschaften, bleibt aber eine wesentlich philosophische Kompetenz. Lamberts Dialog soll allerdings noch etwas auf einer zweiten performativen Ebene vorführen: Ausgerechnet der Schöngeist, der doch eigentlich von Berufswegen mit Metaphern hantiert, kann die Goldschmiede-Metapher nicht angemessen auslegen. Goldschürfer/Philosoph und Goldschmied/Schöngeist als Wort- bzw. Metaphernbildungen zweiter Klasse im Sinne des Organon vermag er noch zu folgen. Sobald jedoch in die Details der Tätigkeit der Goldschmiede- bzw. Dichtkunst gegangen wird, ist der Schöngeist heillos überfordert; denn hier wirken Metaphorisierungen, die der dritten Wortklasse zuzuordnen sind. Kontroversen über deren Bedeutung sind nur noch sehr kompliziert zu schlichten, konstatierte Lambert ebenfalls im Organon, und in den Secours mutuels führt er dies in Aktion vor: Dass nämlich die Verbindung zweier metaphorisch gebildeter Wörter wie ›ein Unwahrheiten verarbeitender Dichter‹ dasselbe bedeutet wie ›ein Goldschmied, der kein Gold schmiedet‹, leuchtet dem Schöngeist nicht mehr ein. Vergegenwärtigt man sich zusätzlich die Beobachtung des Discours, dass die schönen Wissenschaften im Falle der Sprachtheorie die größte Nähe zur Physik haben, so haben die Belles-Lettres diesen Zweig sträflich vernachlässigt. Denn es wäre zunächst und zumeist an ihnen gewesen – nicht an den Physikern –, Wortbildungsprozesse an die Philosophie zu vermitteln und deren Terminologisierungen zu begleiten. Da sich die schöngeistige Sprachforschung aber offensichtlich nur für urtümliche, aber nicht für abstrakte Wortbildungen interessiert, hat sie den Anschluss zur philosophischen Terminologie und Begrifflichkeit in einem Maße verloren, dass diese nicht einmal unter dem Aufwand von Metaphern einzuholen ist. Der Neuaufnahme philosophisch-schöngeistiger Kooperationen hat mithin eine philosophische Schulung der Schöngeister voranzugehen. Sie kann nicht unmittelbar einsetzen. In einem dem Dialog folgenden Resümee schlussfolgert Lambert zum Verhältnis von Philosophie und Dichtung u. a. erstens: »[D]iejenigen, die mit derlei Sprachbildern reüssieren wollen, müssen nicht nur viel Genie besitzen, sondern darüber

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hinaus exakte, vollständige und detaillierte Kenntnis desjenigen Gegenstandes, den sie erhellen wollen«.70 Aus Lamberts ästhetisch-epistemologischen Bestimmungen folgt mithin ein rein formaler Geniebegriff. Ein Mensch mit Genie hat nur stilistische Inspiration, aber keine inhaltliche; vor dem Hintergrund des Unterschieds zwischen formalem und inhaltlichem bzw. zwischen dispositionellem und propositionellem Genie gesteht Lambert nur ersterem Geltung zu. Einem Geniebegriff wie demjenigen Denis Diderots, der den »esprit observateur« als angeborenen, nicht erlernbaren und weder auf ein rein rationales noch rein instinktartiges Vermögen reduzierbaren Sinn für das Richtige bestimmte,71 erteilt Lambert mithin eine deutliche Absage, denn zwar ist Diderots Geniebegriff immer noch objektiv gebunden – nämlich eben als Sinn für das Richtige und nicht nur als schöpferische Kraft eines beliebig Neuen72 –, aber jeder Kontrolle – wie und wodurch dieser Zugang gelingt – entzogen.73 Lambert ist ebenso noch weit von Immanuel Kants Begriff des poetischen Genies entfernt, für den »[i]m Wissenschaftlichen […] der größte Erfinder vom mühseligsten Nachahmer und Lehrlinge nur dem Grade nach, dagegen von dem, welchen die Natur für die schöne Kunst begabt hat, spezifisch unterschieden« ist:74 Lambert plädiert zumindest auf der Inhaltsebene für die Einhegung des poetischen Genies durch wissenschaftliche Erkenntnis, die dasselbe ebenso nur graduell statt kategorisch vom »Nachahmer und Lehrlinge« unterscheiden. Folglich würde Lambert ebenso Kants Aussage widersprechen, dass »kein Homer aber oder Wieland anzeigen kann, wie sich seine phantasiereichen und doch zugleich gedankenvollen Ideen

|| 70 Ebd., S. 573: »[C]eux qui veulent réussir dans ces sortes dʼimages, non seulement doivent avoir beaucoup de génie, mais encore une connaissance exacte, complète, détaillée du sujet quʼils veulent éclaircir«. 71 Denis Diderot: Sur le génie. In: ders.: Œuvres Complètes. Bd.4. Hg. von Jules Assézat. Paris 1875, S. 26f.; vgl. Bernhard von Fabian, Joachim Ritter, Rainer Warning: Genie. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. von Joachim Ritter, Karlfried Gründer und Gottfried Gabriel. Basel 1971– 2007, Bd. 3 (1974), Sp. 279–309, hier Sp. 280f. 72 Diderot: Sur le génie (s. Anm. 71), S. 27: »Lʼesprit observateur dont je parle sʼexerce sans effort, sans contention; il ne regarde point, il voit ; il sʼinstruit, il sʼétend sans étudier«. / »Der beobachtende Geist, von dem ich spreche, vollzieht sich ohne Mühe und Anstrengung; er betrachtet nicht, er schaut; er unterrichtet und verbreitet sich ohne zu studieren.« Übers. O.B. 73 Vgl. auch die systematischen Überlegungen Klebelsbergs, für den solche Bestimmungen schlechterdings deshalb haltlos sind, »weil nicht selten gerade das Moment des Indiskutablen und die Unmöglichkeit psychologischen Zugriffs oder rationaler Erklärung bereits von vornherein angenommen, wenn nicht gar als Genialitätskriterien vorweggenommen werden«: Dieter von Klebelsberg: Über grundsätzliche Fragen des Genialitätsbegriffes. In: Studium Generale 13 (1960), S. 739– 745, hier S. 740. Vielmehr besteht für Klebelsberg »aus rein begrifflich-logischen Gründen keine Notwendigkeit zu einer derartigen Verselbständigung eines Genialitätsbegriffes, vielmehr läßt er sich unter diesem Gesichtspunkt sicherlich unschwer auf den Oberbegriff der produktiven Tätigkeit zurückführen« (ebd., Hervorhebung im Text). 74 Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. In: ders.: Kritik der Urteilskraft. Hg. von Heiner Klemme. Hamburg 2009, S. 3–429, hier S. 195 (AA V, 1849–12).

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in seinem Kopfe hervor und zusammen finden, darum weil er es selbst nicht weiß, und es also auch keinen anderen lehren kann«:75 Der Dichter kann dies sehr wohl, wenn nur die Wort- und Begriffsbildungsstrukturen im Sinne des Organon angemessen berücksichtigt werden. Damit entspricht Lambert durchaus der Definition des schönen Geistes durch Georg Friedrich Meier, der im ersten Band seiner Anfangsgründe aller schönen Wissenschaften (1748) das poetische Genie zwar als ›alter deus‹ bestimmte, aber dessen »esprit createur« gleichwohl auf den Witz und den Scharfsinn verpflichtet, um sich die Übereinstimmungen und Unterschiede der Dinge vorstellen zu können.76 Lamberts zweite Folgerung zum Verhältnis von Philosophie und Dichtung ist didaktischer Natur: [D]iejenigen, die, anstatt sich in die soliden Wissenschaften einzuführen, anstatt sie in Büchern zu lernen, in denen man sich darauf beschränkt, die Dinge bei ihrem Namen zu nennen, nun nur in Büchern studieren, die statt den Gegenständen an sich nur Bilder von ihnen wiedergeben, irren sich gewaltig, wenn sie meinen, die Gegenstände an ihnen selbst erkannt zu haben. Denn noch sind sie von dem Zustand weit entfernt, beurteilen zu können, ob diese Bilder denn zutreffend sind. Sie entwirren nicht diejenigen Teile der Bilder, die sich auf den Gegenstand beziehen, mit denen sie nichts anzufangen wissen und die ihnen vollkommen fremd sind.77

Für Lambert haben Sprachbilder und uneigentliche Rede mithin höchstens insofern einen didaktischen Wert, als sie eine angemessene Erkenntnis des abstrakten Ge-

|| 75 Ebd. (AA V, 1846–9). 76 Georg Friedrich Meier: Anfangsgründe aller schönen Wissenschaften. [Erster Teil]. Halle an der Saale 1748, S. 512f. (§ 218): »Weil die Erdichtungen Gedanken sind, die wir selbst erfinden und ausdenken, so sind es unsere eigene Creaturen, und wir verhalten uns gegen dieselbe gleichsam als Schöpfer. Man kann also mit vollkommen gutem Grunde sagen, daß ein schöner Geist ein schöpferisches Vermögen (esprit createur) besitzen müsse. […] Wenn wir erdichten, so machen wir, aus den Theilen verschiedener Einbildungen, ein neues Ganze. Folglich kan das Vermögen zu erdichten, ohne Einbildungskraft, nicht stat finden. […] Weil wir im schönen Denken uns unzähligemal die Uebereinstimmungen der Dinge vorstellen müssen, so können noch hundert Ursachen angeführt werden, warum der Witz ein unentbehrliches Stück eines geistreichen Kopfs ist. Die Einbildungen sind nichts anders als Empfindungen, die wir vorher gehabt haben. […] Da nun die Scharfsinnigkeit uns den Unterschied, folglich die Merkmale der Dinge vorstelt, so kan ohne Scharfsinnigkeit kein Gedanke lebhaft und reich werden, folglich mus ein geistreicher Kopf auch scharfsinnig seyn.« Vgl. Stiening: »Metaphysick aller schönen Wissenschaften und Künste« (s. Anm. 20), S. 320f. 77 Lambert: Des secours mutuels (s. Anm. 53), S. 574: »La seconde conséquence est que ceux qui au lieu de sʼinitier dans les sciences solides, au lieu de les apprendre dans des livres, où on se contente de nommer toutes les choses de leur nom, nʼétudient que dans des ouvrages qui au lieu des choses elles-mêmes ne leur présentent que des images, se trompent excessivement quand ils croiront connaître les choses elles-mêmes. Ils seront absolument hors dʼétat de juger, si ces images sont exactes. Ils ne démêleront pas les parties des images qui répondront au sujet, de celles qui nʼy ont que faire, qui [y] sont totalement étrangères.«

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genstandes vorbereitet, aber nicht ersetzt. Das ändert folglich nichts am vorausgegangenen Urteil Lamberts, dass nämlich abstrakte Philosophie dem Laien mithilfe der Dichtung und ihrer sprachlichen Mittel zunächst sinnlich vermittelt werden kann und muss. Lambert verdeutlicht hier lediglich, dass diese Vermittlung nicht einen Primat metaphorischer Sprache bedeutet, sondern einen Primat sinnlicher Erkenntnis und der ihr angemessenen Begriffsbildung: Zum Verständnis abstrakter Philosophie und ihrer allgemeinen Begriffe, zum Verständnis von Wörtern der dritten Klasse gelangt man durch das Verstehen ihrer Abkunft aus Wörtern der ersten und der zweiten Klasse. Sprachbilder taugen nur unter der Bedingung zum didaktischen Mittel, dass ihrem Adressaten bereits bekannt ist, welchen idealen Gegenstand sie ästhetisieren bzw. welchen realen Gegenstand sie re-ästhetisieren. Lamberts Vorbehalte gegen eine vom Wissen vollkommen abgekoppelte, nurmehr in Bildern denkende und aus Bildern schöpfende Dichtung reichen jedoch weiter: Darüber hinaus baut er [d. i. der nicht an den Dingen selbst geschulte Dichter; O.B.] in die Luft und ohne Fundament. Er widerspricht sich von einer Seite zu der anderen. Seine Aufmerksamkeit ist immer gefangen vom gegenwärtigen Bild, er vergisst diejenigen Bilder, die er ihm vorangehen ließ, und er denkt noch nicht an diejenigen Bilder, die er ihm nachfolgen lässt. Er verbindet höchstens die Bilder miteinander, die sich berühren und unmittelbar aufeinander folgen.78

Independente Fiktion ist für Lambert mithin nicht nur mit dem korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff inkompatibel, sondern auch mit dem kohärenztheoretischen Wahrheitsbegriff unvereinbar:79 Ein Denken nämlich, dass sich nur aus (Sprach)Bildern schult, kann keine durchdachten Entwürfe mitsamt Fundament und Folgerichtigkeit aufbauen. Die inwendigen Widersprüche der verwendeten Sprachbilder wären kaum vermeidbar. Den Grund hierfür gibt Lambert zwar etwas beiläufig, aber in seiner Terminologie kaum übersehbar an: (Sprach)Bilder stehen in keinem Kausalnexus zu einander, sie berühren einander höchstens (»touchent«) – mit anderen Worten: Metaphern und Metonymien können miteinander eben nicht metaphorisch oder metonymisch verbunden, sondern nur kontig aneinandergereiht || 78 Ebd., S. 575: »Tout au plus, il bâtit en lʼair et sans fondement. Il se contredit dʼune page à lʼautre. Son attention étant toujours occupée de lʼimage présente, il oublie celles quʼil avait fait précéder, il ne pense point à celles quʼil fera suivre. Il ne lie que tout au plus celles qui se touchent, qui se succèdent immédiatement.« 79 Michael Albrecht: Wahrheitsbegriffe von Descartes bis Kant. In: Die Geschichte des philosophischen Begriffs der Wahrheit. Hg. von Markus Enders und Jan Szaif. Berlin 2006, S. 231–250, hier S. 231: »Gemäß der Kohärenztheorie ist eine Aussage dann wahr, wenn sie das Glied eines umfassenden sinnvollen Zusammenhanges sich wechselseitig stützender gehaltvoller Aussagen ist – im Gegensatz zur Korrespondenztheorie, der zufolge Aussagen dann wahr sind, wenn sie den Sachen entsprechen«; vgl. die literaturtheoretische Anverwandlung dieser Distinktion durch Andreas Kablitz: Kunst des Möglichen. Theorie der Literatur. Freiburg im Breisgau 2013, S. 149–170.

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werden.80 Selbst dort, wo sie unmittelbar aufeinander folgen, ist durch sie selbst noch nichts über ihren Kausalnexus ausgesagt; Lambert fürchtet offensichtlich das Risiko von post hoc ergo propter hoc-Fehlschlüssen. Dass beispielsweise innerhalb der Allegorie der Gerechtigkeit der Kausalnexus zwischen dem Bild der verbundenen Augen, dem Bild der Waage und dem Bild des Schwertes darin besteht, dass das vollstreckende Schwert erst nach einem abwägenden Urteil ohne Ansehen der Person geführt wird, und nicht etwa darin, dass das Schwert blind dreinhaut, wenn nichts in die Waagschale geworfen wird: das geht aus den Bildern an ihnen selbst nicht hervor, sondern ist in hohem Maße konventionalisiert und basiert auf einem Begriff von Gerechtigkeit, nicht auf einem Bild derselben.

4 Observations sur quelques dimensions du monde intellectuel Wenn folglich eine Zusammenarbeit der Dichtung mit der Philosophie, mithin ein Beitrag der Dichtung zur Bildung des Menschen nur möglich ist, wenn sie selbst eine philosophisch angeleitete Metaphernbildung und philosophisch reflektierte Metaphernkritik beherrscht, wie vollzieht sich eine solche Metaphernbildung im Einzelnen? Damit ist abschließend auf die schon eingangs zitierten Observations, auf die Beobachtungen über einige Ausmessungen der Gedanken-Welt, zurückzukommen. Ihr eigentlicher Gegenstand ist der Begriff des Erhabenen. Lambert nutzt seinen Vortrag bzw. Aufsatz zum einen dazu, um anhand dieses Begriffs zu demonstrieren, wie jene jetzt schon so häufig genannte Metaphernbildung, die Übertragung von der sinnlich erfahrbaren »Körper-Welt« in die den Sinnen entzogene »monde intellectuel« vor sich geht bzw. vor sich zu gehen hat. Zum anderen zieht er daraus Schlussfolgerungen über Möglichkeiten und Aufgaben einer Dichtung, die als erhaben gelten kann. In der Körper-Welt – so liegt es nahe – bezeichnet das Erhabene ebenso wie das Nahe, das Entfernte und das Tiefe die Beziehung zu einem räumlichen Ausgangspunkt: Erhaben, Entfernt, Tief. Diese drei Ausdrücke gehen von einem gemeinsamen Punkt aus. Denn, man mag sich erheben, entfernen oder in die Tiefe begeben, man geht von der Stelle aus, wo man sich befunden hat und den man als gegenwärtig oder nahe ansieht. Folglich befindet sich

|| 80 Zur Unterscheidung von Metonymie und Kontiguität, insofern nicht jede Kontiguität schon eine Metonymie ist, siehe Jan-Dirk Müller: Einige Probleme des Begriffs ›Metonymisches Erzählen‹. In: Poetica 45 (2013), S. 19–40, hier S. 25f.

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dasjenige, was man ›nah‹ nennt, in gleicher Weise im Gegensatz zu demjenigen, was man ›erhaben‹, ›entfernt‹ oder ›tief‹ nennt. Es gibt keinen Unterschied als den der Richtung.81

Mit dem Ausgangspunkt des im physischen Sinne Hohen, Entfernten oder Tiefen hat man in Lamberts Augen das tertium comparationis mit dem im intellektuellen Sinne Erhabenen, Entfernten und Tief(sinnigen) gewonnen. Die Gedankenwelt beschränkt sich wohlgemerkt nicht auf die oberen Seelenteile, sondern erstreckt sich auch auf die unteren; sie umfasst nämlich »die verschiedenen Gegenstände der Vermögen der Seele, d. h. des Verstandes und des Willens«.82 Mit Blick auf den Verstand gilt als nah ein Gegenstand der unmittelbaren sinnlichen Erkenntnis, zu dessen geistiger Reproduktion die Einbildungskraft hinreicht, ohne dass es der Aufmerksamkeit oder Nachdenkens bedürfte.83 Wie schon vor ihm Johann Christoph Gottsched und Alexander Gottlieb Baumgarten ordnet Lambert die Vorstellungskraft (imaginatio) den unteren sinnlichen, die Aufmerksamkeit (attentio) und Nachdenken (reflectio) den oberen verstandesmäßigen Erkenntnisvermögen zu.84 Als entfernt gilt ein Gegenstand der mittelbaren sinnlichen Erkenntnis, ein Gegenstand mithin, zu dessen Erkenntnis eine Reihe von vernünftigen Schlussfolgerungen aus sinnlicher Erfahrung erforderlich ist. Mehrere Erfahrungssätze werden mithilfe der Aufmerksamkeit miteinander verglichen und so Vorder- und Untersätze gebildet, die zu Schlussfolgerungen führen, die wiederum als Prämissen nachfol-

|| 81 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 377: »sublime, éloigné, profond. Ces trois termes partent dʼun point commun. Car, soit quʼon sʼéleve, ou quʼon sʼéloinge, ou quʼon sʼenfonce, on part de lʼendroit où on sʼest trouvé, & que lʼon considere comme présent ou proche. Ansi ce quʼon appelle proche se trouve être également en opposition avec ce quʼon appelle sublime, éloigné, profond. Il nʼy a dʼautre différence que celle de la direction.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 398f. 82 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 377: »Remarquons pour cet effet que le monde intéllectuel comprend les différens objets des facultés de lʼame, cʼest à dire ceux de lʼentendement & de la volonté.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 399. 83 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 378: »Ici il est clair que ce quʼon peut appeller proche, cʼest la connoissance commune, jʼentens celle qui est à la portée de tout le monde, qui ne demande pour être acquise, que lʼusage des sens & de lʼimagination, sans quʼil sʼy joigne beaucoup dʼattention ni de réflexion, ni aucune étude particuliere.« / »An dieser Stelle ist es klar, dass das, was man ›nah‹ nennen kann, die gemeine Kenntnis ist, worunter ich diejenige verstehe, die aller Welt zugänglich ist, zu deren Erwerb es nur des Gebrauchs der Sinne und der Einbildungskraft bedarf, ohne dass zu ihnen viel Aufmerksamkeit, Nachdenken oder irgendein spezifischer Unterricht hinzutreten müsste.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 400. 84 Vgl. Dagmar Mirbach: Gottsched und die Entstehung der Ästhetik. In: Johann Christoph Gottsched (1700–1766). Philosophie, Poetik und Wissenschaft. Hg. von Eric Achermann, Nadine Lenuweit und Vincenz Pieper. Berlin 2014, S. 113–127, hier S. 118f. und S. 122.

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gender Syllogismen dienen können. Je länger diese Syllogismenkette wird, desto ›entfernter‹ ist die daraus gewonnene Erkenntnis.85 Entfernte Erkenntnis erfordert mithin Operationen verstandesmäßiger Vermögen im Sinne Gottscheds und Baumgartens wie die Aufmerksamkeit (attentio), das Vergleichen (comparatio) und Nachdenken (reflectio).86 Als tiefe Erkenntnis gilt diejenige, die uns über Wesen und Gehalt eines Gegenstandes informiert. Insofern also zusammengesetzte Begriffe auf der Oberfläche zu lozieren sind, sind diejenigen einfachen Begriffe, aus denen jene sich zusammensetzen, in der Tiefe zu suchen: Man sieht mühelos, dass das, was man ›tief‹ nennen muss, das Innere der Dinge oder ihrer Ideen betrifft, d. h. ihres konstitutiven Teile, ihre Bestandteile, aus denen sie zusammengesetzt sind und von denen uns die Sinne nur eine verworrene Mischung darbieten.87

Wichtig ist dabei, dass einfache Begriffe nicht an ihnen selbst tief sind; tief ist allererst die Erkenntnis eines zusammengesetzten Begriffes durch seine einfachen Begriffe.88 Mit der zitierten Rede von der »verworrenen Mischung« (mêlange confus) führt Lambert einen weiteren wichtigen Terminus der Ästhetik Baumgartens ein, um sodann zu einer Kritik am Begründer der wissenschaftlichen Ästhetik anzuset-

|| 85 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 378: »La connoissance commune nous offre un grand nombre dʼidées & de propositions, dont nous avons une connoissance historique […]. Un peu dʼattention nous fait voir, quʼen comparant ces propositions ensemble, il sʼen trouve qui peuvent se lier en ce quʼelles servent de prémisses dont il découle quelque conclusion. A mesure que ces conclusion se lient à dʼautres prémisses, le fil du raisonnement sʼallonge & on parvient à des conclusions plus éloingées du premier point où on avoit commencé.« / »Die gemeine Kenntnis liefert uns eine große Zahl von Ideen und Sätzen, aus denen wir geschichtliche Erkenntnis gewinnen […]. Ein wenig Aufmerksamkeit lässt uns sehen, dass diese Sätze, indem man sie miteinander vergleicht, dergestalt verbinden lassen, dass sie als Prämissen dienen, aus denen bestimmte Schlussfolgerungen hervorgehen. In dem Maße, wie diese Schlussfolgerungen wiederum mit anderen Prämissen verbinden lassen, wird die Argumentationskette länger und man gelangt zu Schlussfolgerungen, die von dem ersten Punkt weiter entfernt sind, bei dem man angefangen hatte.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 400f. 86 Mirbach: Gottsched und die Entstehung der Ästhetik (s. Anm. 84), S. 122f. 87 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 378: »Et on voit aisément que ce quʼon doit appeler profond concerne lʼintérieur des choses ou de leurs idées, je veux dire, leurs parties constitutives, les ingrédiens dont elles sont composées & dont les sens ne nous présentent que le mêlange confus.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 402. 88 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 378: »Ansi ce nʼest pas dans les idées simples quʼil faut chercher ce qui est profond, mais ces idées elles-mêmes peuvent se trouver fort enfoncées & fort cachées dans dʼautres qui en sont composées.« / »Folglich befindet sich das, was tief ist und gefunden werden muss, nicht in den einfachen Ideen, sondern diese Ideen selbst können sich tief versunken und versteckt in anderen Ideen finden, die aus ihnen zusammengesetzt sind.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 403.

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zen. Baumgarten hat der anschauenden Erkenntnis nämlich jene confusio im Gegenteil zugutegehalten: Sie könne, anders als die verstandesmäßige Erkenntnis, einen Gegenstand in seiner Komplexität simultan vor Augen stellen; dies macht für Baumgarten die »extensive Klarheit« sinnlicher Vorstellungen aus: Wenn in der Vorstellung A mehr vorgestellt wird als in B, C, D usw., und dennoch alle verworren sind, so wird A EXTENSIV KLARER als die übrigen sein. Diese Einschränkung musste hinzugefügt werden, damit man diese Grade der Klarheit von den genügend erkannten unterscheidet, die durch die Deutlichkeit der Merkmale zur Vertiefung der Erkenntnis hinführen, und die eine Vorstellung intensiv klarer als andere machen.89

Zwar will Baumgarten die extensive Klarheit verworrener sinnlicher Vorstellungen ebenso wie Lambert durch ihre mangelnde Tiefe (profunditas) von der deutlichen verstandesmäßigen Erkenntnis unterschieden wissen; gleichwohl muss Baumgartens Bestimmung für Lambert unsinnig sein, weil jene sinnliche verworrene Erkenntnis (connoissance confuse) höchstens äußere Verhältnisse, Komplexionen eines Gegenstandes mit anderen vor Augen führen kann, nicht aber seine Komplexität.90 Jede tiefere Erkenntnis ist der oberflächlichen Erkenntnis aus sinnlicher Erfahrung vorzuziehen. Damit trifft Lambert insofern einen Punkt, als Baumgarten die confusio der Vorstellung eines Gegenstandes erst dann als Problem ansieht, wenn dessen Merkmalsfülle zu groß wird, sodass sie den Betrachter überfordert und eine

|| 89 Alexander Gottlieb Baumgarten: Philosophische Betrachtungen über einige Bedingungen des Gedichtes. Lat.-dt. Übers. und hg. von Heinz Paetzold. Hamburg 1983, S. 16/17 (§ 16): »Si in repraesentatione A plura repraesententur quam in B C D etc., sint tamen omnes confusae, A erit reliquis EXTENSIVE CLARIOR. Addenda fuit restrictio, ut distinguerentur hi claritatis gradus a satis cognitis illis, qui per notarum distinctionem descendunt ad cognitionis profunditatem et unam repraesentationem altera intensive reddunt clariorem.« Übersetzung leicht verändert. Vgl. Schwaiger: Alexander Gottlieb Baumgarten (s. Anm. 3), S. 48f. 90 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 380f.: »Lʼhomme superficiel ne connoit que les noms & les attributs sensibles des choses, il en ignore les liaisons, il ne pénetre pas à lʼessence, il sʼattache aux images, […] il connoit dès rapports sans savoir jusquʼoù ils sʼétendent. Il applique au tout ce qui ne convient quʼà la partie. Il nʼest pas nécessaire de le pénétrer, il suffit de lʼeffleurer. […] Avec tout cela, un système, quoique médiocre, est toujours préférable à cette connoissance confuse à laquelle les personnes non lettrées peuvent parvenir peu à peu & sans dessein prémédité.« / »Der oberflächliche Mensch erkennt nur die Namen und die in die Sinne fallenden Eigenschaften der Dinge; er ignoriert die Verbindungen derselben; er dringt nicht bis zum Wesen durch; er bleibt an den Bildern haften. […] er kennt Verhältnisse, ohne zu wissen, wie weit sie sich erstrecken. Er eignet dem Ganzen zu, was nur dem Teil zukommt. Es ist gar nicht nötig, tief in den Gegenstand zu dringen; es reicht, ihn äußerlich zu berühren. […] Mit Blick auf all dies ist ein selbst noch so mittelmäßiges System dieser verworrenen Erkenntnis immer vorzuziehen, zu der ungebildete Menschen nur nach und nach und ohne gründlichen Plan gelangen können.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 404–406.

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verstandesmäßige Analyse dieser Merkmale notwendig macht.91 Im Unterschied zu dieser graduellen Differenzierung Baumgartens ist für Lambert die sinnliche Erkenntnis kategorisch unfähig, die Merkmalsvielfalt bzw. Komplexität eines Gegenstandes zu erfassen. Als erhaben gilt die Erkenntnis eines Gegenstandes mit Blick auf seine allgemeinen Begriffe. Auch hier gilt: Die Erkenntnis eines allgemeinen Begriffs an ihm selbst ist noch nicht erhaben; erhaben ist die Erkenntnis eines Gegenstandes, eines zusammengesetzten Begriffes mit Blick auf den allgemeinen Begriff, unter den er fällt.92 Gegenstand des Willens sind »das Gute und überhaupt die Schätzung, der Wert und der Preis der Dinge sowie die Regeln, Maximen und Vorschriften, die daraus folgen und Handeln und Verhalten regeln, sei es im Bereich der Moral, sei es im Bereich des Privatlebens, sei es schließlich im Bereich der Funktion einer öffentlichen Person«.93 Lambert legt seinen nachfolgenden Überlegungen mithin eine,

|| 91 Alexander Gottlieb Baumgarten: Ästhetik. 2 Bde. Lat.-dt. Übers. und hg. von Dagmar Mirbach. Hamburg 2009, Bd. 2, S. 640/641 (§ 650): »Quam primum enim de toto certae materiae tot partes, tot varia videas animadvertenda per necessitatem aestheticam, quot in unum confusa, simul in eundem spectatoris obtutum congesta, huius oculos praestringerent, et mole sua vim attendendi obruerent, distincta requiritur argumentorum acies, quae intellectui pulcro sistat totum partium succesivo splendore nitentium.« / »Sobald du nämlich sehen solltest, daß von dem Ganzen eines gewissen Gegenstandes aufgrund ästhetischer Notwendigkeit so viele Teile, so viele Unterschiede wahrgenommen werden müssen, wie sie ins eins verworren und zugleich vor nur einen Blick des Betrachters zusammengehäuft dessen Augen blenden und mit ihrer Masse seine Aufmerksamkeitskraft überladen würden, wird eine deutliche Aufstellung der Argumente erforderlich, die dem schönen Verstand das Ganze der schimmernden Teile in aufeinanderfolgenden Glanzlichtern vor Augen stellt.« Hervorhebungen im Text; Übers. leicht verändert. 92 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 382: »On voit aisément que je parle de la dépendance & de la subordination des idèes, qui fait quʼon regarde une idée comme dʼautant plus élevée, quʼelle est plus générale. De là termes de genre supérieur, dʼespeces inférieures, dʼidées subalternes etc. En montant davantage, nous nous trouverons dans les régions aëriennes, car cʼest ainsi quʼon pourra nommer les idées qui, pour être abstraites, ne paroissent plus avoir de corps.« / »Man sieht mühelos, dass ich von der Abhängigkeit und der Unterordnung der Ideen spreche, die dazu führt, dass man eine Idee als eine desto höhere ansieht, je allgemeiner sie ist. Von daher stammen die Begriffe höhere Gattung, untere Spezies, untergeordnete Ideen etc. Wenn wir weiter nach oben steigen, finden wir uns in luftigen Höhen wieder, denn genau so könnte man diejenigen Ideen bezeichnen, die, weil sie abstrakt sind, keinen Körper mehr zu haben scheinen.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 407. Zum Verhältnis allgemeiner und einfacher Begriffe bei Lambert vgl. den Beitrag von Achim Vesper im vorliegenden Band. 93 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 383: »Ces objets sont le bien, & généralement lʼestimation, la valeur, le prix des choses, & les regles, les maximes, les préceptes qui sʼen déduisent & qui reglent les actions & la conduite, soit pour le moral, soit pour la vie privée, soit enfin pour le rôle dʼun personage public.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 409.

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wenn nicht utilitaristische, so doch teleologische Ethik zugrunde, in der sich Wert und Unwert einer Handlung nach ihrem Zweck, dem Guten, bemessen bzw. in gewisser Weise nach ihrem Erfolg, diesen Zweck zu erreichen. Die Tragweite dieses konsequentialistischen Moments wird im Folgenden ebenfalls zu erläutern sein. Mit Blick auf den Willen gelten dementsprechend als nah all die »gemeinsamen und allgemeinen Güter, welche die Natur allen Menschen zu Teil werden ließ, wie das Leben, die Gesundheit, der Lebensunterhalt, die gemeine Erkenntnis, die Verwandtschaft etc.«.94 Die Besonderheit dieser Güter bzw. der Handlungen, dieselben zu erreichen, besteht für Lambert darin, dass hier die grundsätzlich konsequentialistische Bewertung von Handlungen gewisser Maßen entfällt, ja entfallen muss: Obwohl dasjenige, was ein Gut ist, dies vor allem in seinen Konsequenzen statt an ihm selbst sein muss, muss man im Hinblick auf das, was ›nah‹ genannt werden muss, von diesen Konsequenzen abstrahieren und nur das betrachten, was an sich selbst als ein Gut gelten kann, d. h. ohne zu beachten, ob es in seinen Konsequenzen fortfährt gut zu sein oder ob es im Vergleich zu einem anderen höheren und notwendigeren Gut gut ist.95

Die Bewertung einer Handlung bzw. die Erkenntnis der Güte einer Handlung nach ihren Konsequenzen ist mithin bereits eine entfernte oder erhabene Bewertung bzw. Erkenntnis und insofern nicht nah. Die naheliegende Bewertung einer Handlung wie z. B. der Erhaltung des eigenen Lebens (conservatio sui) als gut schließt mithin nicht aus, dass diese Bewertung aus der Perspektive einer entfernten oder erhabenen Bewertung bzw. Erkenntnis relativiert werden kann. Lambert hebt folglich bei den Gegenständen des Willens deutlicher als bei denjenigen des Verstandes hervor, dass die nahe Erkenntnis nur vorläufig sein kann: Wenn ich nämlich bewerten können soll, ob meine an sich guten Selbsterhaltungsmaßnahmen auch gut sind mit Blick auf ihre Konsequenzen für andere, muss ich von der nahen Erkenntnis zur entfernten und erhabenen fortschreiten. Von diesen Konsequenzen kann ich nur dauerhaft absehen, wenn ich ohne jede Gesellschaft lebe. Im Bereich der Ethik wird die Notwendigkeit einer breiten Bildung der Bevölkerung in einer Gesellschaft besonders deutlich. Sich auf nahe ethische Erkenntnis zu beschränken, kann sich nur der Einsiedler leisten. Möchte man in der naheliegenden Güte von Gegenständen

|| 94 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 383: »Il est clair que ce sont ces biens communs & généraux, que la Nature a donnés en partage à tous les hommes, tels que sont la vie, la santé, la subsistance, la connoissance commune, la parenté.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 409. 95 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 383: »Et quoique ce qui est un bien, doive lʼêtre plutôt dans se conséquences quʼen soi-même, néanmoins, en ne considérant que ce qui doit être appellé proche, il faudra faire abstraction de ces conséquences, & ne considérer que ce qui en soi-même peut être regardé comme un bien, sans faire attention sʼil continue de lʼêtre dans ses conséquences, ou sʼil lʼest en comparaison dʼun autre bien plus grand & plus nécessaire.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 409f.

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und Handlungen mithin den Ansatz eines ethischen Egoismus erblicken, so spricht Lambert diesem folglich nicht jede Ethizität ab, befindet diese aber für zu einfältig, um überhaupt für den status societatis zu taugen. Als entfernt gelten entweder all diejenigen Güter, die aus einer Reihe anderer gegenwärtiger Güter durch Vergleich und anschließende Schlussfolgerungen auszuwählen bzw. vorzuziehen sind; oder all diejenigen Güter, die auch oder erst mit Blick auf ihre Konsequenzen gut sind, bzw. Handlungen, die diese Konsequenzen hervorbringen.96 Als tief gilt ein Gut nur dann, wenn es weniger nur dem äußeren Scheine nach in einem »guten Zustand« ist, als vielmehr seinem inneren Wesen nach gut ist. Das Beispiel, das Lambert zur Illustration wählt, gibt dabei auch Aufschluss über die grundlagentheoretische Ausrichtung der hier wirksamen Ethik: Es verhält sich damit vollkommen anders bei dem, was man ›tief‹ nennen kann. Oft ist das, was sehr gut und in einem sehr guten Zustand zu sein scheint, dies nur dem Anscheine nach. Man muss das Innere betrachten, um beurteilen zu können, ob man darauf vertrauen kann. Es ist wie bei einem frisch geweißelten Haus, das für Jahrhunderte stehen zu können scheint, wohingegen seine Mauern im Inneren durch die zersetzende Luftfeuchtigkeit verschimmelt und einsturzgefährdet sind.97

Zwar werden auch hier die möglichen Konsequenzen eines Gutes bzw. einer Handlung erwogen; gleichwohl werden diese allererst aus dem Wesen des Gutes, d. h. aus seinen inwendigen Eigenschaften geschlussfolgert: Wie gut können die Konsequenzen eines Guts bzw. einer Handlung überhaupt sein, wenn diese an ihnen selbst nur in bestimmter Weise gut bzw. nicht gut sind? Der konsequentialistische Ansatz, der bei den entfernt guten Handlungen wirksam ist, wird hier mithin wertobjektiv eingehegt. Lambert gelingt damit nicht nur eine Kritik pragmatischer Handlungs- und Klugheitslehren; vielmehr eröffnet er eine systematische Hierarchie

|| 96 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 383: »[I]l est clair que ce quʼon peut appeler éloigné, se retrouve encore dans les conséquences, soit quʼil faille faire une combinaison des biens présens afin de fixer son choix pare une suite de conclusions, ou quʼil faille estimer ce qui est bien par les effets quʼil peut produire successivement.« / »Es ist klar, dass das, was man ›entfernt‹ nennen kann, sich in den Konsequenzen findet, sei es, dass man einen Vergleich gegenwärtiger Güter vornehmen muss, um seine Wahl durch eine Reihe von Schlussfolgerungen zu treffen, oder dass man das, was gut ist, durch seine Wirkungen einschätzen muss, die es nacheinander hervorbringen kann.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 410. 97 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 383f.: »Il en est tout autrement de ce quʼon peut appeler profond. Souvent ce qui paroit être très bien & en très bon état, ne lʼest quʼen apparence. Il faut voir lʼintérieur pour juger si on peut sʼy fier. Il en est comme dʼune maison blanchie qui paroit pouvoir subsister pendant des siécles, tandis que ses murs pourris en dedans par lʼhumidité corrosive de lʼair menacent ruine.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 410f.

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ethiktheoretischer Ansätze, in der die konsequentialistische Ethik zwar nicht rundheraus abgelehnt, aber für zu oberflächlich befunden und dem Primat anderer – hier wertobjektiver – Ethiktheorien untergeordnet wird. Bei der Frage, inwiefern ein Gut als erhaben gelten kann, sieht Lambert die Notwendigkeit, einem Missverständnis vorzuschützen: Denn die räumliche Metaphorik der Höhe verleitet dazu, von der Höhe des Werts bzw. des Preises eines Guts in gradueller Hinsicht zu sprechen: So spricht man von einem niedrigen Preis sowie vom Erhöhen und Mindern des Werts oder des Preises einer Sache etc. Wir beobachten hingegen, dass es Dinge gibt, deren Preise nicht nur andersartig und folglich unermesslich sind, insofern diese Dinge ebenso wie ihre Preise der Art nach unterschiedlich sind; vielmehr gibt es unter diesen Arten solche, die gegenüber anderen transzendent sind. Es sind diese transzendenten Preise, in denen man das Erhabene suchen muss.98

Die missverständliche Interpretation von der Höhe eines Guts bzw. einer Handlung erlaubte nur den Vergleich gleichartiger Güter und Handlungen. Sie wäre mithin für den Vergleich wesentlich unterschiedlicher Handlungsoptionen untauglich. Wo ein solcher Vergleich versucht würde, zielte er letztlich nur auf die handlungsökonomische Abwägung des Aufwandes für eine bestimmte Wirkung. Als erhaben gilt ein Gut daher allererst durch einen »transzendenten Preis«. Das Beispiel, anhand dessen Lambert die Erhabenheit von Gütern und Handlungen zugleich illustriert und erläutert, entnimmt er Pierre Corneilles Drama Horace (1640): In dem nach Le Cid berühmtesten Stück des französischen Dramatikers zieht der Römer Horatius im Rahmen des Konflikts zwischen Rom und Alba (7. Jhr. v. Chr.) mit seinen beiden Brüdern in einen Stellvertreterkampf gegen drei Kämpfer Albas. Nachdem seine Brüder gefallen sind, entzieht Horatius sich seinen Feinden durch Flucht. Der Vater Horatius d. Ä. (der noch nicht weiß, dass sein Sohn nicht aus Feigheit, sondern als List geflohen ist, um seine Feinde umso sicherer töten zu können) verurteilt diese Flucht als Akt mangelnder Vaterlandsliebe. Auf die Nachfrage der Römerin Julia, was Horatius denn gegen drei Gegner hätte tun sollen, antwortet der Vater in der von Lambert zitierten Sentenz: »Dass er sterbe!«99 Diese Willensbekundung feiert Lambert als erhaben:

|| 98 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 384: »Cʼest ainsi quʼon dit un bas prix, hausser, baisser la valeur ou le prix dʼune chose etc. Observons cependant quʼil y a des choses, dont les prix non seulement sont dʼune nature hétérogene, & par là même incommensurable, de sorte que ces choses tout comme leurs prix different en espece ; mais que parmi ces especes, il y en a qui sont transcendantes les unes vis-à-vis des autres. Cʼest dans ces prix transcendans quʼil faut chercher la sublime.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 411. 99 Pierre Corneille: Horace. In: ders.: Théâtre complet de Corneille. Texte établi sur l'édition de 1682, avec les principales variantes, une introduction, des notices, des notes et un glossaire. Hg. von

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Man muss sich nur des »Dass er sterbe!« erinnern, das der alte Horatius ausspricht, um zu sehen, wieviel höher er die Liebe für das Vaterland als diejenige ansiedelt, die er für seine drei Söhne hegt. Während er seine Söhne als ein irdisches Gut betrachtet, vergleicht er sein Vaterland mit dem Himmel. Ganz erfüllt von dieser hohen Idee, spricht er, ohne abzuwägen, ohne über diese zwei Güter nachzudenken. Und das ist es, worin das Erhabene dieser gefeierten Passage Corneilles besteht. Horatius erscheint hier als eine dieser erhabenen Seelen, die sich nur mit Ideen und Gütern der höchsten Dimension aufhalten und die keine anderen Maximen besitzen als diejenigen, die sich auf diese höchste Dimension beziehen.100

Die kategorische Unterscheidung irdischer und himmlischer Güter, die eine Hintanstellung irdischer Maximen unter allen Umständen allererst erlaubt, liefert eine ebenso konsequente wie radikale Definition des Erhabenen: Das Erhabene tritt in himmlischen Gütern nicht nur besonders deutlich, sondern ausschließlich in ihnen auf. Während Samuel Gotthold Lange in den Betrachtungen über das Erhabene in der Religion (1748) und Georg Friedrich Meier in der Untersuchung Einiger Ursachen des verdorbenen Geschmacks der Deutschen, in Absicht auf die schönen Wissenschaften (1746) von einer »spezifischen Erhabenheit der Begriffe der Religion« sprechen,101 spricht Lambert von der exklusiven Erhabenheit der Religion. Es ist mithin erst das Erhabene, in dem der Wille sich von konsequentialistischen Momenten vollkommen befreit: Die Wirkungen von Horatiusʼ Handeln sind sowohl als unmittelbarer Zweck als auch als Folgen objektiver irdischer Werte wie Familiarität irrelevant; selbst die Frage seines möglichen Gelingens für das himmlische Gut – den kriegerischen Erfolg des Vaterlands – ist irrelevant für die Entscheidung, ob das Handeln unternommen oder unterlassen werden soll. Erhabener Wille und erhabenes Handeln machen sich von jeder Konsequenz frei. Nach dieser zwar langen, aber notwendigen Hinführung kommt Lambert auf die Frage des Nahen, Entfernten, Tiefen und Erhabenen mit Blick auf die schönen Wissenschaften zu sprechen:

|| Maurice Rat. Paris 1960, Bd. 1, 655‒718, hier S. 696 (3. Akt, 6. Szene, V. 1021): »JULIE. Que vouliezvous qu’il fît contre trois ? LE VIEIL HORACE. Qu’il mourût.« / »JULIA. Was wünschtet Ihr denn, dass er gegen drei mache? DER ALTE HORATIUS. Dass er sterbe.« Übers. O. B. 100 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 384f.: »On nʼa quʼà se souvenir du Quiʼil mourût ! que prononce le vîeil Horace, pour voir de combien il rangeoit plus haut lʼamour de la patrie que celui quʼil avoit pour ses trois fils. Sʼil regarde ses fils comme un bien terrestre, il compare sa patrie au Ciel; & tout rempli de cette haute idée, il prononce sans balancer, sans songer à comparer ces deux biens. Et cʼest là en quoi consiste ce quʼil y a de sublime dans ce célebre passage de Corneille. Horace y paroit comme une de ces ames élevées, qui ne sʼarrêtent quʼaux idées & aux biens de la plus haute dimension, & qui nʼont dʼautres maximes que celles qui sʼy rapportent.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 412. 101 Martin Fritz: Vom Erhabenen. Der Traktat ›Peri Hypsous‹ und seine ästhetisch-religiöse Renaissance im 18. Jahrhundert. Tübingen 2011, S. 313–324, Zitat auf S. 318.

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Jetzt wird es nicht schwer fallen, uns den schönen Wissenschaften zuzuwenden. Zunächst weiß man, dass diese sich fast vollständig auf der Oberfläche aufhalten. Selbst dasjenige, was beim Philosophen nur als entfernt gilt, erschiene beim Dichter noch zu weit hergeholt. Es ist nicht seine Aufgabe, Ausflüge zu unternehmen; es ist notwendig, dass er seine Gegenstände nahe beieinander findet; und wenn er entfernte Gegenstände in die Nähe rückt, muss er es geschickt tun, um den Eindruck bzw. den Fehler zu vermeiden, dass all dies weit hergeholt, heterogen, unnatürlich und teuer erkauft sei usw. Wenn er in das Herz des Menschen vordringt, so bringt er seine Entdeckungen nicht als Philosoph vor, sondern er schildert die in die Sinne fallenden Wirkungen der verborgenen Triebfedern, deren Spiel er erblickt hat. Er verleiht den abstrakten und transzendenten Ideen etwas Körper, um sie der Oberfläche näher zu bringen.102

Was auf den ersten Blick wie ein verheerendes Urteil Lamberts über die belles-lettres aussieht, schlägt unter der Bedingung in ein positives Urteil um, dass ein Dichter seine Gegenstände doch in der Entfernung, in der Tiefe, im Erhabenen sucht, um sie anschließend in die Nähe »zusammenzurücken«. Eben dieses Rücken in die Nähe als dem sinnlich wahrnehmbaren Punkt ist Ästhetisierung bzw. Re-Ästhetisierung. Damit bestimmt Lambert sowohl den Unterschied des Dichters gegenüber dem Philosophen als auch seine spezifische Leistungsfähigkeit: Er kann entfernte, tiefe und erhabene Erkenntnisse – seien diese nun theoretisch-naturwissenschaftlich oder praktisch-moralwissenschaftlich – auch demjenigen Menschen vermitteln, der sich nur schwer von seinem Startpunkt wegbewegen kann und dem aus eigener Kraft nur nahe Erkenntnis möglich ist. Mit dieser Überlegung schließt Lambert einmal mehr an die Ästhetik Georg Friedrich Meiers an, der dem »Aestheticus« in ähnlicher Weise zu gute hielt: Der andere Nutzen, den uns die künstliche Aesthetick verspricht, besteht darin, daß sie uns in den Stand setzt, die Wahrheiten, die wir aus den höhern Wissenschaften gelernt haben, auf eine reitzende und angenehme Art vorzutragen, und dieselben einem iedweden Kopfe faßlich zu machen. Die allerwenigsten Menschen sind so geistig, daß sie eine blosse strenge mathematische Demonstration einsehen könten. Die allermeisten Menschen können ohne sinliche Bilder nichts begreifen, wenigstens finden sie an der nackenden Wahrheit kein Vergnügen. Selbst die allertiefsinnigsten Gelehrten, wenn sie anders nicht der Menschheit zur Schande Schulfüchse sind, vergnügen sich an der Wahrheit stärcker, wenn sie mit einem prächtigen und schimmernden Gewande bekleidet ist. […] Wer kein Aestheticus ist, der kan nur den geringsten Theil der Menschen zur Annehmung der Wahrheit bringen. Da aber nicht leicht ein Mensch zu fin|| 102 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 385: »Maintentant il ne sera pas difficile de nous tourner du côte des Belles-lettres. Dʼabord on sait quʼelles sʼarrêtent presque entierement à la surface. Et encore ce qui chez le philosophe sʼy trouve comme éloigné, paroitroit chez le poët comme trop recherché. Ce nʼest pas à lui à faire des excursions, il faut quʼil trouve ses objets lʼun près de lʼautre; & sʼil les rapproche, il doit le fair avec art pour éviter lʼapparence ou le défaut de tout ce qui seroit recherché, bigarré, guindé, précieux, etc. Sʼil pénetre bien avant dans le cœur de lʼhomme, ce nʼest pas en philosophe quʼil produit ses découvertes, il peint les effets sensibles des ressorts cachés quʼil a vu jouer. Il donne du corps aux idées abstraites & transcendantes, pour les rapprocher de la surface […].« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 412f.

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den, wenn er nur einen algemeinen Menschen Verstand besitzt, der nicht von einer Wahrheit überredet werden könte, wenn man dieselbe Z. E. in eine Fabel einhült; so gibt uns die Aesthetick hunderte Kunstgriffe an die Hand, die Wahrheit unter tausend Gestalten auftreten zu lassen. Wer sie in der einen nicht erkent, der kann sie doch in der andern erkennen. Folglich befördert die Aesthetick die Ausbreitung der Wahrheiten ungemein.103

So sehr sich Meier und Lambert in der Überzeugung von der sinnlichen Vermittelbarkeit nicht- und übersinnlicher Wahrheiten gleichen, so sind gleichwohl deutliche Unterschiede zwischen dem Hallenser und dem Berliner Philosophen zu verzeichnen: Lambert spricht nicht vom Ästhetiker im Allgemeinen, sondern vom Dichter im Besonderen. Er polemisiert nicht wie Meier gegen den »schulfüchsigen« Philosophen: Denn diesem ist die mangelnde sinnliche und insofern breite Vermittlung seiner Erkenntnisse nicht nur nicht vorzuhalten, sondern sie ist auch schlechterdings nicht seine Aufgabe. Eben dies war schließlich Lamberts Standpunkt in den Secours, die kein Plädoyer für den dichtenden Philosophen, sondern für den philosophischen Dichter waren. Schließlich dient Lamberts poetische Ästhetik zwar unübersehbar auch dem Zweck einer breiten Volksaufklärung; gleichwohl spricht Lambert in den Observations weder von diesem Zweck noch von der Ausrichtung der Dichtung auf denselben. Lamberts Überlegungen sind nicht rein rezeptionsästhetischer Natur. So eröffnet seine Ästhetik zwar die Möglichkeit popularphilosophischer104 Volksbildung, beschränkt sich jedoch nicht auf diese. Vielmehr scheint die (Re-)Ästhetisierung von theoretisch- wie praktisch-philosophischen Erkenntnissen einen genuinen Wert beanspruchen zu können, der vom Leser und seiner Vorbildung unabhängig ist. Darüber hinaus argumentiert Lambert im Unterschied zu Meier nicht mit dem gesunden Menschenverstand als rezipientenseitiger Basis der Philosophiedidaxe. Im Gegenteil schreibt Lambert der ›nahen‹ Erkenntnis keine Urteilsform zu, wie sie neun Jahre später Johann Nikolaus Tetens dem »gemeinen Verstand« allemal, wenn auch in non-reflexiver Form, zuschreiben wird.105 Wie oben gezeigt, finden für Lambert Urteile allererst in der ›entfernten‹ Erkenntnis || 103 Meier: Anfangsgründe aller schönen Wissenschaften (s. Anm. 76), S. 22f. (§ 14). Vgl. Stiening: »Metaphysick aller schönen Wissenschaften und Künste« (s. Anm. 20), S. 318. 104 Zu Lamberts popularphilosophischer Stellung vgl. den Beitrag von Gideon Stiening im vorliegenden Band. 105 Johann Nikolaus Tetens: Beziehung der höhern Kenntnisse der raisonnirenden Vernunft, zu den Kenntnissen des gemeinen Menschenverstandes. In: ders.: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Hg. von Udo Roth und Gideon Stiening. Berlin, Boston 2014, S. 299–309, hier S. 299: »Was gemeiner Verstand hier sey, ist vorher deutlich bestimmet worden; nemlich das Vermögen, über die Dinge zu urtheilen, ohne daß es eines deutlichen Raisonnements aus allgemeinen Begriffen und Grundsätzen bedürfe. Dieser wird der höhern und raisonnirenden Vernunft entgegengesetzt; die letztere bedienet sich allgemeiner wissenschaftlicher Theorien, und modificiret nach diesen die Kenntnisse, welche der Verstand ohne sie erlanget hat. Der gemeine Verstand arbeitet ohne Hülfe der Spekulation; die Vernunft spekulirt aus Begriffen, die sie deutlich entwickelt.«

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in Form empirischer Schlussfolgerungen statt. Die Ästhetisierungen des lambertschen Poeten gehen auf einen erkenntnistheoretisch weiter reduzierten Punkt zurück. Damit steigt die Leistungsfähigkeit der Dichtung nochmals deutlich, denn sie kann selbst dort Wissen vermitteln, wo noch keinerlei Urteilsbildung, nicht einmal die des gesunden Menschenverstandes, stattfindet. Lamberts philosophiedidaktischer Ansatz verzichtet auf die Hilfskonstruktion einer angeborenen sinnlichen Urteilskraft, die selbst schon einen Teil dessen bereitstellt, was die Bildung erst noch zu leisten hat. Den nobelsten Gegenstand poetischer Vermittlungsleistung stellt dabei – das deutete das Corneille-Beispiel bereits an – das Erhabene. Es gibt keinen eigenen Status des schönen Erhabenen. Dabei ist das erhabene Schöne nicht nur gegenüber dem verstandesmäßigen Begriff des Erhabenen und gegenüber dem moraltheoretischen Begriff des Erhabenen abkünftig: »Das Erhabene betrifft immer die Art zu denken und zu handeln.«106 Vielmehr lassen sich dem vermögenstheoretischen Primat gemäß auch Klassen erhabener Menschen hierarchisieren. Dabei meint Lambert, in der Dichtungspraxis folgende Hierarchie vorzufinden: Diese Klassen sind: Erstens der Weise, der sich sogar für sich selbst das höchste Gut zum Ziel macht. Zweitens der Gelehrte, der wie Newton die Welt durch seine erhabenen Entdeckungen aufklärt. Drittens der Held, der sein Vaterland unter Preisgabe seiner Ruhe und seines Lebens verteidigt. Viertens der Gesetzgeber, der am Ruder der Staatsgeschäfte stehend das Glück der Völker befördert. Dies sind die vier Klassen, auf die sich das Erhabene in Bezug auf den Menschen beschränkt.107

Mit Blick auf Lamberts zuvor erläuterte Systematik lässt sich diese Hierarchie wie folgt paraphrasieren: Der Weise erkennt und handelt erhaben, vereinigt also das Erhabene in theoretisch-naturwissenschaftlicher und praktisch-moralischer Hinsicht auf sich. Der Gelehrte hat erhabene theoretisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Der Held handelt in praktisch-moralischer Hinsicht erhaben. Mit Blick auf dieses scheinbar schon vollständige Tableau scheint die vierte Klasse, der Gesetzgeber, überflüssig zu sein. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: An der Einstufung des Gesetzgebers in die vierte und damit die dem Helden untergeordnete Klasse stößt Lambert sich, und zwar mit der folgenden Begründung:

|| 106 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 384f.: »Le Sublime regarde toujours la façon de penser & dʼagir.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 415. 107 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 387: »Ces Classes sont : 1°. le Sage, qui se propose, même en son particulier, le souverain bien; 2°. le Savant, qui comme Newton éclaire le monde par les sublimes découvertes; 3°. le Héros, qui défend la Patrie aux prix de son repos & de sa vie; 4°. le Législateur qui, placé au timon des affaires, procure le bonheur des peuples. Cʼest à ces quatre Classes que se borne le sublime qui se rapporte au genre humain.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 416.

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Meiner Meinung nach besingen die Dichter den Held mehr als den Gesetzgeber. Zwar fallen die Handlungen des Helden mehr in die Sinne, wohingegen die Handlungen des Gesetzgebers mehr über die Sinne hinausgehen und größtenteils zur Gedankenwelt gehören.108

Zwar wirkt der Held je schon praktisch, während der Gesetzgeber in der Theorie der Praxis wirkt. Folglich bilden Held und Gesetzgeber eigentlich zusammen die Klasse erhabenen moralischen Handelns, die wiederum nach praktischer Wirklichkeit und praktischer Theorie zu differenzieren ist. In dieser Binnendifferenzierung nimmt jedoch die Theorie der Praxis und mit ihr der Gesetzgeber die höhere Stellung ein. Der Grund hierfür ist mit Blick auf Lamberts Würdigung der gesetzgeberischen »Förderung des Glücks der Völker« offensichtlich: Während der Held lediglich als Einzelner für das Vaterland wirkt, zielt Legislation auf die Optimierung des gemeinschaftlichen Handelns.

5 Schluss Diese Erhabenheit sinnlich erfahrbar zu machen, ist zwar mit Blick auf die Theorielastigkeit der »größtenteils zur Gedankenwelt gehörenden« Gesetzgebung kein einfaches Unterfangen. Gleichwohl zielt auf eben diese poetische Aufgabe Lamberts eingangs zitierte Dichtungskritik: [M]uß der Dichter nicht ein hinreichendes Feuer und hinreichende Hilfsmittel in der Einbildungskraft besitzen, um denjenigen unsichtbaren Dingen etwas Körper zu geben, die den Gesellschaftsvertrag und jene verdeckten Triebfedern ausmachen, deren Wirksamkeit die Glückseligkeit der Völker befördert? Vielleicht gehören hierzu weit mehr und weit erhabenere Erkenntnisse, als die Dichter in der Regel besitzen.109

An der literarischen Präferenz für Heldenstoffe stößt Lambert sich mithin nur zum einen aus dem Grund, dass heroisches Handeln nur sehr eingeschränkt wahre Allgemeinheit für sich beanspruchen kann – dass es also mehr politischer, weniger

|| 108 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 388: »Il me semble aussi que les poëtes chantent le Héros préférablement au Législateur. Il est vrai que les actions du Héros frappent plus le sens, qu lieu que celles du Législateur sont plus transcendantes & appartiennent en grande partie au monde intellectuel.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), Ebd., S. 418f. 109 Lambert: Observations sur quelques dimensions (s. Anm. 1), S. 389: »[L]e poëte ne doit-il pas avoir assez de feu & assez de ressources dans lʼimagination, pour donner du corps aux choses invisibles, qui constituent le Contrat social & ces ressorts chachés, dont lʼaction fait le bonheur des peuples? Peut-être faut-il pour cela plus connoissances & des connoissances plus sublimes que les poëtes nʼent ordinairement.« Vgl. die Übersetzung in ders.: Anmerkungen über einige Ausmessungen (s. Anm. 1), S. 419.

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rechtlicher Natur ist wie das Handeln des Gesetzgebers. Zum anderen stößt Lambert sich an der Heldendichtung als bevorzugtem Genre an dieser Stelle vor allem deshalb, weil Dichtung hier gerade nicht die ihr zugutegehaltene Kompetenz realisiert: nämlich etwas zu ästhetisieren, was selbst nicht sinnenfällig ist. Sie versinnlicht nicht, was es zu versinnlichen gölte und was zu versinnlichen allererst eine anerkennenswerte Leistung wäre, nämlich Motivation und Bande der Gesellschaft. Diese sind eben keine sinnenfälligen Gegenstände, aber sowohl von so verstandesmäßiger Allgemeinheit als auch von so übergeordneter, »himmlischer« Güte und praktischer Relevanz, dass ihre Erhabenheit zum einen außer Frage steht, zum anderen dem erkennenden Subjekt nahezubringen diejenige reizvolle Herausforderung ist, vor die Lambert die Dichtung als Dichtung gestellt sieht. Diese Herausforderung geht aus Lamberts ästhetischen, epistemologischen, semiotischen und erst sodann poetischen Bestimmungen hervor: ästhetisch, insofern alle Erkenntnis mit der sinnlichen Erfahrung beginnt; epistemologisch, insofern sowohl die Vertiefung als auch die Verallgemeinerung dieser Erkenntnisse selbst nicht sinnlich ist; semiotisch, insofern die Wörter, die die so gewonnenen einfachen und allgemeinen Begriffe bezeichnen, mittelbare Metaphern sind; poetisch, insofern die Dichtung diese Metaphorisierungen rückübersetzt in für die Vorstellungskraft sinnlich nachvollziehbare Zusammenhänge. Warum also scheitert die Dichtung an dieser Herausforderung schon dadurch, dass sie diese Herausforderung gar nicht erst wahrnimmt? Bei Lambert kann Poesie ihre genuin poetischen Kompetenzen eben nur unter philosophischen Bedingungen erkennen. Solange Dichtung philosophisch ignorant ist, scheitert sie nicht nur philosophisch, sondern auch und vor allem dichterisch.

Hans-Peter Nowitzki

Lamberts Sprachphilosophie In einer Zeit reger nationalsprachlicher Standardisierungsbestrebungen, die aufbauen konnten auf den bereits im 17. Jahrhundert unternommenen bedeutenden sprachpflegerischen und -wissenschaftlichen Leistungen – man denke etwa an die Sprachgesellschaften mit ihren im Nachgang zu den französischen Vorbildern in Angriff genommenen Grammatik- und Lexikonunternehmungen –, konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf die Herausarbeitung, Fixierung und Kodifizierung allgemeingültiger Normen zur Beurteilung, Bearbeitung und gelegentlich auch Neuschöpfung von Sprachen. Die zum Teil von heftiger Polemik begleitete Diskussion flankierte die philosophische Entwicklung ebenso wie die sprachwissenschaftliche. Während der philosophische Diskurs um Fragen des Sprachenursprunges, des Verhältnisses von Welt, Denken und Sprache kreisten, konzentrierten sich die Sprachwissenschaftler auf die Sammlung und Klassifizierung der Lexik, der Eruierung und Formulierung grammatischer Regeln und der Erforschung der Wortgeschichte sowie der Erörterung stilistischer Phänomene und orthographischer Probleme. Für Lambert hatten das sprachphilosophische Programm der Logiker von PortRoyal mit ihrem Versuch, auf der Grundlage einer grammatischen sprachvergleichenden Deskription natürlicher Sprachen universale grammatische Prinzipien von Sprache abzuleiten, ebenso Vorbildcharakter1 wie die Arbeiten von Descartes, Leibniz, Locke, Malebranche und Wolff. Als Mathematiker und Naturforscher gleichweit entfernt von dogmatischem Rationalismus wie von vereinseitigendem Empirismus, erhoffte er sich eine Reform der Wissenschaften von der Mathematisierung der Wissenschaften,2 der Philosophie inbegriffen. Dazu habe er, wie Kant in einem Brief an Bernoulli schreibt, mit ihm »zur reforme der Metaphysik in enger[] Verbindung« gestanden.3 Dabei räumte er, im Unterschied zu Kant, der Sprache eine exzeptionelle Rolle im Erkenntnisprozess ein und sann darauf, die Umgangssprache für die Wissenschaft und ihrem Bedarf

|| 1 Vgl. u. a. Franziska Schaff: Die Termini compréhension und étendue in der Logique und Grammaire von Port-Royal. In: Vorträge zur Wissenschaftsgeschichte. Hg. von Matthias Kaufmann und Günter Schenk. Halle 1999, S. 115–154. 2 Vgl. Günter Schenk: Die Stellung des »Neuen Organon« im philosophischen Schaffen Lamberts. In: Johann Heinrich Lambert: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. Nach der bei Johann Wendler in Leipzig 1764 erschienenen ersten Auflage unter Mitarbeit von Peter Heyl hg., bearbeitet und mit einem Anhang versehen von Günter Schenk. Appendix. Berlin 1990, S. 1045–1056, hier S. 1045. 3 AA II, S. 259f. Vgl. Jürgen Mittelstraß: Neuzeit und Aufklärung. Studien zur Entstehung der neuzeitlichen Wissenschaft und Philosophie. Berlin, New York 1970, S. 541f. sowie ders.: Leibniz und Kant. Erkenntnistheoretische Studien. Berlin, Boston 2011, S. 2. https://doi.org/10.1515/9711830647761-019

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an präziser Ausdrucksweise im Sinne einer lingua universalis brauchbar zu machen. Hierfür knüpfte er an Leibniz’ ars characteristica an. Im Rahmen seines wissenschaftlichen Reformprogramms erarbeitete er als erster überhaupt eine systematische Darstellung zeichentheoretischer und damit verbundener erkenntnistheoretischer Probleme, den dritten Teil seines Neuen Organons, die Semiotik oder Lehre von der Bezeichnung der Gedanken und Dinge überschrieben.4 Schon mit der Titelgebung Neues Organon gibt Lambert zu erkennen, dass er damit an die von Aristoteles und Bacon begründete Tradition der sogenannten Instrumentalwissenschaften, die den Grund für sämtliche wissenschaftliche Tätigkeiten bilden, anzuknüpfen und sie fortzusetzen gewillt ist.5 Gewöhnlich seien die Instrumentalwissenschaften in den Logiken, den sogenannten Vernunftlehren, abgehandelt worden. Dort hätten sie sich jedoch auf Problemkreise konzentriert, die in das Gebiet der Dianoiologie und Alethiologie, also in die Lehre von den Denkgesetzen und die Lehre von der Wahrheit, fallen. Semiotischen Rücksichten sei dabei kaum Aufmerksamkeit geschenkt worden, sieht man einmal von Leibniz, Locke6

|| 4 Zum Aufbau der Semiotik vgl. die Vorrede. In: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. durch J. H. Lambert. Erster Band. Leipzig 1764, S. A3b, A5b‒A7a [künftig: I, A3b, A5b‒A7a]. Dabei geht es im Kern um eine Fortführung des mentalen Rationalismus qua Korrelation von sinnlichem Datum, sprachlicher, d. h. phonetischer und graphischer Bezeichnung und ideeller Repräsentanz (Mittelstraß: Neuzeit und Aufklärung [s. Anm. 3], S. 417). Es ist eben jener aristotelische Repräsentationalismus (Aristot. int. 16 a 3‒4), wonach die Schrift Zeichen (symbola) der gesprochenen Laute und diese wiederum Zeichen der Seelenzustände (pathemata) seien, wobei sich die Abbilder vom Seelischen hin zum Sprachlichen immer mehr abschwächen. Vgl. Kurt Flasch: Theorie der Philosophiehistorie. Frankfurt a. M. 2005, S. 402 sowie Gereon Wolters: Basis und Deduktion. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Theorie der axiomatischen Methode bei J. H. Lambert (1728–1777). Berlin, New York 1980, S. 18. 5 Vgl. Sven Lohmann: Aufklärerische Raummetaphorik. Studien zu Johann Heinrich Lamberts »Neuem Organon«. Würzburg 2018, S. 85f. 6 Hinsichtlich der ersten Gründe der menschlichen Erkenntnis habe »Locke die menschlichen Begriffe anatomirt, Leibnitz aber dieselben analysirt [...]. Leibnitz nämlich betrachtete sie nach den verschiedenen Stufen der Klarheit, Deutlichkeit und Vollständigkeit, und zeigte, daß sich diese nach der immer mehrern Entwickelung der innern Merkmaale richte, ungefähr, wie man eine Sache um desto deutlicher sieht, je kleinere Theile man derselben unterscheiden kann. Bey dieser Vorstellungsart wird der Begriff mit der Sache, die Merkmaale des Begriffes mit den Theilen der Sache verglichen. Soll diese Vergleichung durchaus angehen, so folget, daß ein Begriff in immer feinere Merkmaale aufgelöset werden könne, und da bleibt die Frage, wie weit man darinn gehen soll, unentschieden, dafern man nicht annimmt, daß die Sprache aus Mangel der Wörter, nothwendig Gränzen setze. Bey dieser Analyse nimmt man die Begriffe, wie man sie findet und kommt, sofern sie nicht ins Unendliche fortgeht, schließlich auf einfache Begriffe« (Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic, oder Theorie des Einfachen und Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß. Erster Band. Riga 1771, S. 5, § 7). Um nun sämtliche einfache Begriffe resp. Merkmale aufzufinden, habe man das gesamte menschliche Begriffsreservoir durchzumustern. Diesen Weg habe Locke eingeschlagen, der den Anatomen nachahmte und die Begriffe sezierte: »Er

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und Wolff ab. »Gebrauch und Mißbrauch der Wörter« haben Locke beschäftigt, die »genauere Analyse der Begriffe und der Methode« Wolff. Beider Arbeiten führt Lambert fort, indem er Wolffs mathematische Methode spezifiziert und mit Lockes einfachen bzw. Grundbegriffen der menschlichen Erkenntnis verbindet (I, A4a). Lambert glaubt eine anthropologische Gegebenheit aufweisen zu können, die sein Neues Organon rechtfertigt, die stete Suche des Menschen nach Wahrheit. Danach sei diese Suche immer schon »einförmig und unveränderlich« (I, A2b) und damit allgemein und notwendig, was aber den vielen unterschiedlichen Lehrgebäuden der Philosophen aller Zeiten in auf- und sinnfälliger Weise kontrastiert. Die bislang nicht glücken wollende Wahrheitssuche könne vier Ursachen haben: Entweder ist (1) der menschliche Verstand zu schwach oder (2) der Wahrheit mangelt es an Kennzeichen, sie vom Irrtum unterscheiden zu können, oder (3) die die Wahrheit ›einkleidende‹ Sprache ist zu missverständlich, unbestimmt und vieldeutig, um sie kenntlich und unzweifelhaft werden zu lassen,7 oder (4) der Schein blendet den Verstand derart, dass es ihm unmöglich wird, zu ihr hindurchzudringen. Die benannten Problemkreise müssen, soll der Wahrheitssuche Erfolg vergönnt sein, von ebenso vielen Wissenschaftsdisziplinen traktiert werden. Sie sollen dem Verstand »Mittel und Werkzeuge« zur Verfügung stellen, das »Wahre als wahr [zu] erkennen, vor[zu]tragen, und von Irrtum und Schein [zu] unterscheiden« (I, A3a). Während die Problemkreise (1), (2) und (4) von der Dianoiologie, der Alethiologie und der Phänomenologie bearbeitet werden, obliegt der Semiotik als Wissenschaft »von der Bezeichnung der Gedanken und Dinge« der dritte Problemkreis, die Untersuchung des Einflusses der Sprache und anderer Zeichen auf die Erkenntnis der Wahrheit. Darüber hinaus ist es ihr aufgegeben, Mittel und Wege auszuforschen, die Sprache für die Wahrheitserkenntnis tauglicher zu machen. Alles dient dem Entwurf der »Theorie der Wahrheit«.8 Grundlegend hierfür ist die Einsicht, dass die menschliche Verstandeserkenntnis »an Wörter und Zeichen« gebunden ist, mithin nicht nur erkenntnistheoretischer, sondern auch logisch-semiotischer Natur ist (I, A3b–A4a).9 || nahm unsere Erkenntniß, so wie sie ist, vor sich, trennete darinn das Abstracte, und eben daher bloß symbolische von dem, was wirklich Begriff und klare Vorstellung heißt, und beobachtete, welchen Sinnen und Empfindungen wir jede Arten von Begriffen zu danken haben, und welche aus vermischten Empfindungen entstehen? Die Einfachen sonderte er von den übrigen aus, und brachte sie in gewisse Classen« (ebd., S. 7 § 9). Vgl. dazu Wolters: Basis und Deduktion (s. Anm. 4), S. 67–76. 7 Dieser Vorwurf trifft u. a. Christian August Crusius: Anleitung über natürliche Begebenheiten ordentlich und vorsichtig nachzudenken (21774) und Christian Gottlieb Selles Urbegriffe von der Beschaffenheit, dem Ursprunge und Endzwecke der Natur (1776); vgl. AdB 27.1 (1775), S. 5–20, hier S. 13 und S. 16, und AdB 28 (1776), S. 497–500. 8 Johann Heinrich Lambert: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. Zweyter Band. Leipzig 1764, S. 27, § 43 [künftig: II, 27, § 43]. 9 Vgl. auch Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architectonic, oder Theorie des Ersten und des Einfachen [sic] in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß. Zweyter Band. Riga 1771,

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»Wir betrachten demnach hier das ganze System aller Begriffe, Sätze und Verhältnisse, die nur immer möglich sind, als bereits in seiner Verbindung und Zusammenhange«, als ›System‹ bzw. ›Reich der Wahrheit‹ (I, 538, § 160). Er appliziert Arithmetik und Algebra auf die natürliche Sprache, um sie repräsentationalistisch zu organisieren, da sie so allein tauglich ist, zur Reformation der Wissenschaften beizutragen. Ihn leitet dabei die logisch-teleologische Überzeugung, dass die Sprache auf diese Weise vor allem ihrer Zweckbestimmung am nächsten komme. Diese selbst sei in der Sprache nur noch in ›Spuren‹ (II, 90, § 155) greifbar, in der Mathematik aber und in den Denkgesetzen trefflich abgespiegelt. Diese ›Spuren‹ zeigen ihren »metaphysischen Grund« (II, 90, § 156) an und weisen darauf hin, dass die Sprachen viel charakteristischer sein könnten und viele Anknüpfungspunkte zu ihrer Vervollkommnung bieten. Letztlich hat er es darauf abgesehen, im Rahmen einer Theorie der Wahrheit eine Semiotik der Art zu stiften, dass die Substituierung der Theorie der Sachen durch die Theorie der Zeichen möglich ist (II, 16, 22, §§ 23f., 34). Lambert eignet ein rationalistisches Sprachverständnis. Danach ist die Sprachlogik dem Sprachgebrauch vorgängig, das Denken konsequenter Weise sprachunabhängig entstanden. Seine sprachvergleichenden Studien im Rahmen der Semiotik verfolgen keine sprachgeschichtlichen Interessen. Sie bestreiten vielmehr die Eigenwertigkeit der Sprache in dem Maße, wie er aus und in ihnen gleichsam (re)konstruktivistisch eine den Denkgesetzen entsprechende Theorie der Sprache, d. h. allgemeine grammatische Regularien zu gewinnen sucht. Er nimmt einen empiristischen Sprachursprung an,10 der am besten mit dem rationalistischen Befund der Unvollkommenheit der Sprachen zu vereinbaren ist, und versucht diesem mit einer rationalistischen Sprachkritik beizukommen. Diese läuft bei ihm allerdings nicht in eine präskriptive Grammatikalisierung, vielmehr in eine generelle Problematisierung aus. Dies gilt es im Folgenden zu zeigen.11

|| S. 300, § 678: »Ein Zeichen ist überhaupt ein Principium cognoscendi [...], und nach dem ordentlichen Lauf der Dinge gehen die Zeichen der wissenschaftlichen Erkenntniß unmittelbar vor.« Vgl. dazu Gesine Lenore Schiewer: Cognitio symbolica. Lamberts semiotische Wissenschaft und ihre Diskussion bei Herder, Jean-Paul und Novalis. Tübingen 1996, S. 41–46 sowie Ernest W. B. HessLüttich, Gesine Lenore Schiewer: Sprache, Zeichen und Erkenntnis. Über das kommunikationstheoretische Interesse am Sprach- und Zeichenbegriff des Johann Heinrich Lambert. In: Kodikas / Code. Ars Semeiotica 36 (2013), 3/4, S. 161–176, hier S. 165–167. 10 Obgleich die natürlichen Sprachen nicht die Regelmäßigkeiten einer gelehrten aufweisen, so sind sie doch nicht so regellos, »daß sie an sich nicht hätten entstehen«, von menschlichen »Urhebern« hervorgebracht werden können (II, 68‒70, §§ 114, 116f.). 11 Vgl. dazu auch Ursula Neemann: Gegensätze und Syntheseversuche im Methodenstreit der Neuzeit. Teil 2: Syntheseversuche. Hildesheim, Zürich, New York 1994, S. 131–155.

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1 Lamberts Sprachbegriff Die Wörter einer Sprache sind Zeichen, mit deren Hilfe sich der Mensch Dinge und Sachverhalte sowie Begriffe vorstellt (II, 4, § 1). Die Sprache besteht aus einer begrenzten Anzahl von linear bzw. syntagmatisch angeordneten Wörtern (II, 32f., § 52.), die in unterschiedlichster Verknüpfung die Möglichkeit eröffnet, Gedanken zu erinnern, auszudrücken und durch Neukombination »neue Wahrheiten zu suchen« (II, 5, § 1). Sie ist insofern nicht nur Behältnis, Begriffs- und Wahrheitsreservoir, sondern zugleich auch Kommunikationsmittel, heuristisches Instrument und Erkenntnisform (II, 44, 131, §§ 70, 220). Der beschränkte Vorrat an Wörtern schreibt der Erkenntnis ihre Grenzen ebenso vor wie sie ihr »Form oder Gestalt« gibt (II, 5, § 1). Als »allgemeine[s] Magazin unserer ganzen Erkenntnis« fassen die Sprachen unterschiedslos »wahres, irriges und scheinbares« (I, A7a). Sie gehen, gleich welcher konkreten Ausformung, stets ihrer wissenschaftlichen Benutzung und Beeinflussung voraus. Das bedeutet, dass sie zu großen Teilen unregelmäßig sind, von Beginn an eine Vielzahl von Ausnahmen aufweisen. Auch noch gegenwärtig seien sie beherrscht vom Tyrannen ›usus‹, dem Sprachgebrauch ihrer Sprecher, gegen den schwer anzukommen ist (I, 21, § 34). Gleichsam ›demokratisch‹ verweist er auf das Bessere, indem er, und nicht die kompetenten Wissenschaftler, entscheidet, was auf-, was angenommen und was abgelehnt und verworfen wird, dabei von allem absehend, was einen Unterschied zwischen ›wahr‹ und ›falsch‹, ›richtig‹ und ›unrichtig‹, ›schicklich‹ und ›ungereimt‹ macht (II, 6, § 1). Der ›missliche‹ Zustand der Sprachen hinsichtlich ihres unsystematischen Aufbaus (II, 6, § 2) kann indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass in ihr gleichwohl »ungemein viel Metaphysisches und Allgemeines« enthalten ist, und das, obwohl die Sprache nicht das Ergebnis einer ›Verabredung‹ ist, also keiner Konvention entspringt. Dieser Umstand lässt vermuten, dass sich in ihr anthropologische Gegebenheiten abspiegeln. Wenn das der Fall ist, und Lambert ist fest davon überzeugt, könnte man untersuchen, was an der Sprache »nothwendig, natürlich12 und willkührlich ist« (II, 7, § 3). Damit knüpft er an die Sprachdiskussion des ausgehenden 17., beginnenden 18. Jahrhunderts an, die u. a. um das Problem ›Arbitrarität oder Konventionalität‹ kreiste. Weiterhin könnte man mutmaßen, dass, obwohl die natürliche Sprache unsystematisch aufgeführt ist, keinen »allgemeinen und einförmigen Regeln« zu folgen scheint, sie dennoch dem Aufbau einer systematischen, »einfachen und durchaus regelmäßigen Sprache« nicht zwingend entgegenstehen muss, vielmehr das Substrat für beides abgeben könnte (II, 6, § 2). Denn dass es bei all den zu konstatierenden Unregelmäßigkeiten der Sprachen dennoch Momente des Regelmäßigen in ihr zu entdecken gibt, ist empirisch hinlänglich belegt. So sei man in der Lage, »ganz

|| 12 Etwa die Wurzelwortbedeutungen.

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unbekannte Sprachen« zu entschlüsseln und zu erlernen. Und das deshalb, weil Sprachen Regularien folgen, so dass man durch den Kontext der Wortverwendung sich in die Lage versetzt sieht, ihre Bedeutung erschließen zu können (II, 7, § 4).

2 Lamberts Semiotik Lambert fasst die ›Sprache‹ als eine spezielle Form der ›symbolischen Erkenntnis‹ auf, und zwar insofern sie Einfluss hat auf die Wahrheitserkenntnis. Deshalb beginnt er damit, die Notwendigkeit der symbolischen Erkenntnis herauszustellen: Sie resultiere aus der Schwierigkeit, sich die durch die äußeren Sinne erlangten klaren Begriffe nicht anders wieder vergegenwärtigen zu können als durch »Erneuerung der Empfindung« (II, 8, § 6). Das Zeichen erinnert an den Begriff, ohne jedoch seine Klarheit zu bewirken, was allein die Empfindung vermag. Es ermöglicht aber die Wiedererkennung bei wiederholter Empfindung (II, 8f., §§ 7f.). Dreierlei Arten von Empfindungen resp. Zeichen, die dem Menschen besonders zu Gebote stehen, gelte es zu unterscheiden: (a) die Gebärden, Bewegungen des Leibes, (b) Zeichnungen und Figuren (Bilder13) und (c) artikulierte Töne. Zeichen der artikulierten Töne sind die Buchstaben; sie sind nur mittelbare Zeichen, primär ist die Rede, der artikulierte Ton als das unmittelbare Zeichen des Begriffs (II, 9f., § 9). Damit nimmt Lambert den leibnizschen Zeichen-Begriff auf, der den sogenannten ›Charakter‹ auf geschriebene, gezeichnete und plastische Zeichen festgelegt hatte.14 Die Zeichen sind daher »unentbehrliche[] Hülfsmittel zum Denken«, denn sie erlauben es, vormals gehabte Empfindungen zu erinnern, d. h. das Zeichen verbindet sich so mit der Empfindung, dass sich die Aufmerksamkeit darauf richten kann. Nächstdem eröffnet das Zeichen die Möglichkeit, Begriffe anderen mitzuteilen (II, 11, § 12f.). Ihr Gebrauch stellt zugleich sicher, dass das »Denken in eine ununterbrochene Reihe von Empfindungen und klaren Vorstellungen verwandelt wird« (II, 12, § 16) Diese Art Empfindungs-Vorstellungskomplex ist das Kennzeichen menschlichen Denkens schlechthin.15 Die Verknüpfung ist konstitutiv für jedwedes Orientierungswissen. Insofern es einmal zu Wissenslücken kommt, die immer dann vorliegen, wenn zu den Vorstellungen die jeweiligen Empfindungen fehlen, etwa bei Abstracta, dann wird die fehlende Empfindung der Sache durch die Empfindung der Zeichen eingeholt. Zeichen können also gleichsam ›empfunden‹ werden (II, 12f., §§ 16f.). Sprachermöglichend ist der Umstand, dass (1) die Objekte der Körper- und der Intellektualwelt, also die von den Sinnen wahrgenommenen und die von dem Ver|| 13 Simulacra, vgl. II, 9, 13, §§ 7, 18. 14 Vgl. G 7, S. 184–227. 15 »[...] die Vorstellung [geht] mit der Empfindung zu Paaren« (I, S. 426f., § 663).

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stand empfundenen Objekte »Eindrücke« machen. Diese Eindrücke sind zugleich die »Grundlage zu unserer symbolischen Erkenntniß« (II, 13, § 18), da unter ihnen Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten vorwalten, zu denen der Mensch ›harmonisierende Zeichen‹ zu nutzen sucht. Diese werde man aber in den gegenwärtigen natürlichen Sprachen schwerlich finden. Zu weit entfernt ist der Zeitpunkt ihres Entstehens: Man müßte zu den allerersten Primitiuis oder Wurzelwörtern zurücke gehen, und ihre ursprüngliche Bedeutung wissen, oder gar den Anlaß kennen, bey welchem sie das erstemal sind gebraucht worden, wenn man sehen wollte, ob der erste Eindruck des Wortes und der Sache etwas ähnliches habe. Verschiedene Interjectionen, z. E. ach! o! he! ey! etc. weil sie Wirkungen, und daher natürliche Zeichen von Affecten sind, scheinen bey dieser Untersuchung sich zuerst anzubieten.16

Da der Weg über die Ermittlung der natürlichen Wurzelwortbedeutungen als »zu weitläuftig« wenig gangbar ist, diese vielfach verschüttet und verändert worden sind (ebd.), wird man, ausgehend vom aktuellen Sprachstand, die Wörter nicht mehr als natürliche, sondern als »willkührliche Zeichen der Sachen und Begriffe« ansehen müssen (II, 14, § 20). Zeichen abwesender wie auch unempfindbarer Dinge kann man sich klar, den dadurch vorgestellten Begriffen oder Sachen aber nur dunkel bewusst sein. Daraus resultiert, dass man von nur dunkel vorgestellten Begriffen, die aber von klaren Wörtern bezeichnet sind, verführt wird, Dinge als wahr aufzufassen, die es nicht sind. Ins System gebracht ergeben diese Wörter und Sätze »leeren Wortkram« (II, 15, § 21). Notwendig ist deshalb stets der Rückgang auf die Empfindung, wodurch man die Sache klar machen kann und sehen, ob »ein realer, wahrer, richtiger Begriff« vorliegt, ob er auf einen Gegenstand verweist (II, 14, § 21). Wenn dem nicht so ist, dann ist die ›Theorie der Sachen bzw. Dinge‹ nicht durch die ›Theorie der Zeichen‹ ersetzbar. Es fehlte an anschauender Erkenntnis; an seiner Statt stünde allein das »dunkle Bewußtseyn der Begriffe« (II, 16, § 24). Davon leitet sich das semiotische Prädikat ›wissenschaftlich‹ ab: Insofern eine figürliche, d. h. semiotische Darstellung »mit der Sache selbst eine durchgängige Ähnlichkeit hat«, ist sie ›wissenschaftlich‹ zu nennen. Verschiedene Zeichensysteme werden von Lambert daraufhin untersucht, in welchem Umfange ihnen das Prädikat ›wissenschaftlich‹ zugesprochen werden kann. Schon weit gediehen stellt sich Lambert in dieser Hinsicht die mit Zahlen rechnende Arithmetik dar; am ›vollkommensten‹ verwirklicht ist die Wissenschaftlichkeit jedoch in der mit Buchstaben, d. h. mit Größen operierenden Algebra: »Sie hat als Zeichenkunst ihre eigene Theorie, die man niemals weit genug wird treiben können« (II, 23, § 35). Wenn es gelänge, Aufgaben anderer Wissenschaften algebra-

|| 16 II, 13f., § 19.

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isch zu reformulieren und zu lösen, brächte das zugleich die Lösung für die jeweilige Wissenschaft. D. h. »Die Algeber ist [...] nicht eine Zeichenkunst der Größen selbst« – das ist die Arithmetik –, »sondern nur ihrer Verwandelungen und Verhältnisse, und die Auflösung jeder algebraischen Aufgabe giebt an, wie man die gegebenen Größen addiren, multipliciren etc. und überhaupt verwandeln solle, damit man eine Größe heraus bringe, die der gesuchten gleich ist« (II, 24f., § 38). Vergleichbar der allgemeinen Zeichenkunst der einzelnen Begriffe ist die Arithmetik, der allgemeinen Verbindungskunst der Zeichen aber die Algebra (II, 25, § 39).17 Solcherart ›Buchstabenrechnung‹ vollzöge sich gleichsam mechanisch (II, 35, § 55). Die gesuchte ›Theorie der Zeichen‹ ist gleichwohl abhängig von der ›Theorie der Sachen‹ auch in der Hinsicht, dass, soll erstere für letztere eintreten können, die ›Theorie der Sachen‹ zuvor bereits »vollständig« entwickelt worden sein muss (II, 28, § 43). Dabei muss das Erfahrungssubstrat ›beschrieben‹, d. h. analytisch zerlegt und bezeichnet werden, bis zu seinen nicht weiter analysierbaren Urbestandteilen. Wenn aber die ›atomaren‹ Begrifflichkeiten (›Grundbegriffe‹) der Wirklichkeit auf empirisch-induktivem Wege analytisch gewonnen sind, dann lässt sich von der Erfahrung gänzlich absehen.18 Nun können diese, nachdem ihre Ordnung und Anzahl festgestellt worden sind, für sich betrachtet werden. Dabei wird offenbar, dass sie eine Vielzahl weiterer Bestimmungen in sich bergen, die sie zueinander in bestimmten a priori-Verhältnissen zeigen.19 Das von den Sachen losgelöste Verfahren hat zur Voraussetzung, dass die Zeichenverwendungen weitgehend ›natürlich‹ und

|| 17 Vgl. Christian Wolff: Psychologia empirica, methodo scientifica pertractata, qua ea, quæ de anima humana indubia experientiæ fide constant, continentur et ad solidam universæ philosophiæ practicæ ac theologiæ naturalis tractationem via sternitur. Editio nova priori emendatior. Frankfurt a. M., Leipzig 1738, S. 210f., § 297 und ders.: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, den Liebhabern der Wahrheit. Neue Auflage hin und wieder vermehret. Halle 1751, S. 179–181, § 324. Zur Zeichenkunst gehören die Orthographie und die Etymologie, zur Verbindungskunst der Zeichen zählt die Wortfügung. 18 Sie haben ihrer Einfachheit wegen keine Teile, so dass sich in ihnen nichts unterscheiden lässt. Ihre Vorstellung ist daher klar. Sie sind ihr eigenes Merkmal und lassen sich daher nur im Verhältnis zu anderen definieren (I, S. 420, § 653). »Die eigentliche Klarheit ist individual, und demnach ist unsere ganze allgemeine Erkenntniß schlechthin symbolisch, ungeachtet die klaren Vorstellungen, und besonders die einfachen Begriffe die Grundlage dazu sind« (Lambert: Architectonic I [s. Anm. 6], S. 7, § 9). 19 Diese apriorischen Begriffsverhältnisse, d. h. die Verhältnisse der einfachen Begriffe untereinander, behandelt im Sinne der Leibnizschen Universalwissenschaft, der mathesis universalis, dann die lambertsche Alethiologie (Lambert: Organon I [s. Anm. 4], S. 453–592, §§ 1–274). Vgl. ebd., S. 420, § 653, auch Lambert: Architectonic I (s. Anm. 6), S. 8, § 10, desgleichen Ernst Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung. Mit einer Einleitung von Gerald Hartung und einer Bibliographie der Rezensionen von Arno Schubbach. Hamburg 1998, S. 175–177 und Pier Bierbach: Der Begriff des Wahren in Lamberts »Neuem Organon«. In: Vorträge zur Wissenschaftsgeschichte. Hg. von Matthias Kaufmann und Günter Schenk. Halle 1999, S. 58–68, hier S. 60f. sowie Hess-Lüttich, Schiewer: Sprache, Zeichen und Erkenntnis (s. Anm. 9), S. 168–170.

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nicht arbiträr, d. h. in hohem Maße determiniert sind (II, 31, § 49).20 Zeichen sind danach umso vollkommener, je vollständiger sie »das Kennzeichen ihrer Bedeutung mit sich führen« (II, 37, § 58). Das Kennzeichen selbst ist nicht so zu deuten, als wäre es etwas schlicht Abbildhaftes: »Ein Zeichen bedeutet schlechthin die dadurch vorgestellte Sache, so fern es willkührlich ist«, d. h. es hat mit »der Sache keine solche Ähnlichkeit [...], daß es ein sinnliches Bild derselben« ist (II, 39, § 61). Das vollkommene Zeichen bedeutet die Sache nicht nur schlechthin, es ist zugleich »eine systematische Abbildung der Sache« (ebd.). Alles zielt darauf ab, den Sprachgebrauch und die ihm zugrundeliegende Sprache ›charakteristische[r]‹, d. h. ›bezeichnender‹ bzw., wie er es in einer Rezension einmal nennt, »bedeutend[er]«21 zu machen, und zwar insofern, als sich dadurch das Verhältnis von Sache, Begriff und Zeichen eindeutiger, weniger willkürlich ausnimmt. Auf diese Weise, und nur auf diese, werde man schließlich einmal dahin kommen, die ›Theorie der Sachen‹ auf die ›Theorie der Zeichen‹ ohne Abstriche reduzieren zu können. Erst dann ließen sich aus den Zeichen für einfache Begriffe Zeichen für zusammengesetzte bilden, die ebenfalls ›charakteristisch‹, also mit ›realen, wahren, richtigen Begriffen‹ verknüpft sind (II, 14f., 25f. §§ 21, 40).

3 Ursprung der Sprache Am Anfang der Sprache standen die Gebärden. Sie wurden zuerst benannt, »sodann die in der Natur und zunächst um den Menschen vorhandenen Arten und Gattungen der Pflanzen und Thiere, und ihre Theile«, zumal »diese Arten und Gattungen nach unveränderlichen Gesetzen bleiben, und sich fortpflanzen« (II, 69f., § 117). Darin drückt sich eine unhistorische Auffassung der Natur aus, die Auffassung von der Konstanz der Arten, die der gewünschten Konstanz der Benennung korreliert (I, 525, § 138; II, 71f., § 121). Wie die gesamte Erkenntnis, so fängt auch die Sprache »bey den

|| 20 Zum Begriff ›natürliches Zeichen‹ vgl. Lambert: Organon II (s. Anm. 8), S. 30, § 47, zum Begriff ›willkürliches Zeichen‹ vgl. ebd., S. 30f., § 48 sowie Lambert: Architectonic II (s. Anm. 9), S. 275– 300, §§ 646–678. 21 Lambert: Rez.: Zobel: Gedanken über die verschiedenen Meynungen der Gelehrten, vom Ursprunge der Sprachen. 1773. In: LPS 2, S. 245f., hier S. 246: »Doch haben wir einige zur Sache gehörende Betrachtungen nicht gefunden. Z. E. daß da die Sprachen immer noch erweitert werden, die Frage auf dieses einige Stück zurück geführt werden kann, ob der Begriff Bedeuten, dem Menschen ganz natürlich habe in den Sinn kommen können. Denn auf diesem Begriffe beruht die Erfindung und Erweiterung der Sprache durchaus und ganz allein. Der Unterschied in dem Gebrauche dieses Begriffes, kommt sodann auf das Natürliche und das willkührliche Bedeuten, an. Letzteres wird ganz ungezwungen da gebraucht, wo man sich, um an etwas wiederum zu gedenken, ein Zeichen macht, und dann wo man andern anzeigt, was man dabey im Sinne hat.«

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Sinnen und Empfindungen an« (II, 70, 150f., §§ 119, 251).22 Die Sprache hebt mit Empfindungseindrücken in den Sinnen an. Hierin gleichen sich Sprachentstehung und Ontogenese (II, 82, 85, 99f., §§ 136, 144, 171). Die Abstrakta, durch Metaphern bezeichnet, die im Laufe der Zeit allerdings verloren gingen und zurückgewonnen werden müssen, orientieren sich an der Ähnlichkeit des metaphorischen Eindrucks (II, 85, § 144). Denn die erste Grundlage bleibt stets die Körperwelt, da die Verhältnisse zwischen abstrakten und Dingen der Intellektualwelt nur im Verweis auf die Ähnlichkeit mit den Dingen der Körperwelt angezeigt werden können (II, 125f., § 215) Zunächst seien einsilbige Wörter zur Bezeichnung vergangener Handlungen und Bewegungen gebildet worden, die sogenannten Wurzelwörter (II, 70, § 119); »wirkliche Empfindung« und »Empfindung des Lautes« – das Lautzeichen wird ja ebenfalls wahrgenommen – entsprachen einander damals derart, dass sie sich »unmittelbar verbinden ließ[en]« (II, 69, § 117). Die Bezeichnungen der Handlungen und Bewegungen waren danach den Bezeichnungen für Gegenstände, Verben den Substantiven vorgängig. Auch begann man nicht mit dem analytisch Einfachen, wie das bei wissenschaftlichen Sprachen der Fall sein müsste, sondern mit ›analytischen Ganzheiten‹: »Sie [i. e. die Spracherfinder] fiengen bey dem Ganzen an« und benannten dieses mit einem willkürlichen (»beliebigen«) Namen (II, 72f., § 123). Der jeweilige Kenntnisstand bedingte den jeweiligen Umfang an Bezeichnungen, ein Umstand, der für Sprachen generell gilt: Sprache und Erkenntnis sind ungefähr gleichumfänglich (II, 73, § 124). Die ›analytischen Ganzheiten‹ als eine Art »von bereits schon vollendeten Ganzen« (II, 73, § 125) bzw. »zusammengesetzte[n] Ganze[n]« (II, 75, § 128) wurden den Urhebern der Sprache als solche gleichsam von der Natur bereitgestellt, die sie dann nur noch mit »einfachsten Zeichen« (Wurzelwörtern, Primitiva, Radices; II, 59, 75, §§ 96a, 128) benannten. Durch grammatische Modifikationen wurden sie zugleich tauglich, viele Veränderungen und Bestimmungen der Dinge mit kenntlich zu machen. Wurzelwörter als die »ersten Wörter oder [...] Grundlage einer Sprache« sind hinsichtlich ihrer Bedeutungen von anderen Wörtern unabhängig; ihre Bedeutung lässt sich allein »durch Vorzeigung der Sache selbst« aufweisen (II, 150, § 250). Bei der Bildung einer neuen Sprache rät Lambert dazu, Wurzelwörter aus allen Wortarten zu nehmen, um aus ihnen die übrigen Wörter abzuleiten und der Sprache jede Vollständigkeit und Ausdrucksmöglichkeit zu geben. Dabei müsse nicht peinlich genau darauf gesehen werden, dass jeder Gedanke auf nur eine Art vorstellbar ist. Im Gegenteil, es sei gut, wenn man mehrere gleichgeltende, d. h. synonyme Ausdrücke und Redensarten hätte, weil man damit Probemöglichkeiten hätte und

|| 22 Vgl. auch XX. Fragment: Formalursachen unserer Erkenntniß. In: LPS 6, S. 350–366, hier S. 351: »Die ersten Keime der menschlichen Begriffe sind Empfindungen. Jede Empfindung für sich betrachtet, giebt das Bewußtseyn und die Vorstellung in die Seele, von dem wir in der Sache wahrnehmen.«

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sich zugleich das Definieren der Wörter und Begriffe erleichtern könnte (II, 148f., § 248). Um die Sprache durch die Aufnahme immer neuer Wurzelwörter allerdings nicht zu weitläufig werden zu lassen, sollten nur einige wenige Wurzelwörter auf »charakteristische« Weise, also durch Kompositabildungen, Derivationen, Abänderungen und Abwandlungen (II, 74, § 126), für die Bildung von Wortfamilien genutzt werden (II, 152, § 253). Obgleich bei weitem nicht so vollständig wie die Wissenschaftssprachen, die charakteristischen Sprachen, so entsprächen die natürlichen Sprachen damit doch schon zur »Hälfte« der rationalen sprachphilosophischen Forderung der Substituierbarkeit der Theorie der Sachen durch die Theorie der Zeichen, d. h. der »reciprocirliche[n] Verwechslung beyder Theorien« (II, 75, § 128).23 Nächst der Möglichkeit der Ersetzbarkeit der Gegenstands- durch die Zeichentheorie gehört zur Vollkommenheit einer Sprache, dass »aus ihren Wurzelwörtern Wörter von jeder beliebigen Bedeutung zusammen[ge]setz[t] und ab[ge]leite[t]« werden können, »dergestalt, daß man aus der Structur des neuen Wortes seine Bedeutung verstehen könne« (II, 76, § 129). Das Griechische habe dieser Bedingung mit umfänglichen Kompositions- und Derivationsmöglichkeiten bereits Genüge getan, das Lateinische weniger. Das Deutsche sei auf gutem Wege und habe bereits angefangen, sich zur gelehrten Sprache zu entwickeln (II, 93, § 161). Und gerade dieser Augenblick, wo es beginnt, sich zur gelehrten Sprache zu entwickeln, sei der rechte, »sie auf ihre einfachsten Regeln zu bringen« (II, 78, 106f., §§ 130, 181). Die Lizenz dazu hätten die klassischen Schriftsteller, und zwar in Lehrbüchern und Gedichten (II, 78, § 130).

4 Reform der Sprache Die Reform der Sprache hat zwei Dimensionen: (1) ihre Arithmetisierung, indem jeder Ausdruck per definitionem zu fixieren ist, was die Aufgabe der Zeichenkunst ist, und (2) ihre Algebraisierung durch die Bestimmung all derjenigen Verbindungen bzw. Zusammensetzungen »der an sich unbedingten Postulaten der Alethiologie (II, 26, § 41). Aufgabe der allgemeinen, d. h. wissenschaftlichen Sprachlehre ist es, in der natürlichen Sprache das Natürliche und Notwendige aufzusuchen und von dem Willkürlichen abzuscheiden. Auf ihrer Grundlage soll mittels Sprachkritik und -konstruktion aus der natürlichen Sprache, ›wie sie ist‹ (II, 171, 214, §§ 287, 351), eine Wissenschaftssprache, eine ›gelehrte Sprache‹ etabliert werden (II, 44–46, §§ 71f.).

|| 23 Der Erfinder einer wissenschaftlichen Sprache müsse darauf achten, das Metaphysische mit dem Charakteristischen »viel allgemeiner und genauer« zu verbinden, »damit die Theorie des Charakteristischen statt der Theorie der Sache dienen möge« (Lambert: Organon II [s. Anm. 8], S. 165, § 273).

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›Wissenschaftlich‹ ist sie, wenn sie regelmäßig ist.24 ›Regelmäßig‹ ist sie, wenn sie natürlich und notwendig ist und die Zeichen nicht nur die Begriffe oder Dinge vorstellen, sondern auch die jeweiligen Verhältnisse mit anzeigen, so dass die Theorie der Zeichen die Theorie der Sache vollständig ersetzen kann (II, 16, § 23). Beides, die Intellektualwelt wie auch die Körperwelt, ist isomorph. Daraus folgt, dass nicht so sehr das Grammatische, sondern das Metaphysische25 der Sprachen im Fokus der Aufmerksamkeit stehen muss. Die Theorie der Sprache, in der der Aufbau der wirklichen Sprachen in grammatischer und metaphysischer Hinsicht untersucht wird, hat eine Theorie der Zeichen zu sein, ein Kalkül, das sowohl Zeichen für Dinge wie für die Verhältnisse der Dinge zueinander enthält. Hierfür muss das Metaphysische charakteristisch gemacht werden, und zwar sind dazu, ausgehend von der lebenden Sprache, all ihre für eine gelehrte Sprache geeigneten Entwicklungsmöglichkeiten zu erfassen und systematisch aufzuweisen. Wenn dies gelungen ist, habe man die »Charakteristische«, d. h. semiotische »Theorie der Sprache« (II, 46, § 72). Erreicht werden soll das durch zielgerichtete Veränderung der Wortstruktur und die Beobachtung »charakteristische[r] Regeln« (II, 91, § 157). Ausgehend von der Deskription der morphologischen, syntaktischen und semantischen Gegebenheiten der wirklichen Sprache werden sprachkritisch Verbesserungsvorschläge herausgearbeitet. Die Sprache wird als ›Datum‹ aufgefasst, deren Teile durch Kombination und probender Rekombination daraufhin untersucht werden, »welcher Theorien und Verwandlungen sie, an sich betrachtet, fähig [sind] [...], und welche Ähnlichkeiten sie mit den Theorien der Dinge hat, die sie bezeichnen kann« (II, 46, § 72).

|| 24 »Die Hauptfrage aber, die hierbey vorkömmt, ist diese: Ob die Körperwelt, aus welcher wir die Wörter nehmen, von gleichem Umfange mit der Intellectualwelt oder mit dem Reiche der abstracten Begriffe sey; so, daß wenn man alles Ähnliche und Verschiedene in der Körperwelt benennt hat, man durch bloße Metaphern alle Begriffe der Intellectualwelt, und überhaupt alle abstracte Begriffe ausdrücken könne? Denn wäre dieses, so ist klar, daß man bey Erfindung einer wissenschaftlichen und durchaus regelmäßigen Sprache sich schlechthin begnügen könnte, alle Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten der Körperwelt zu benennen, und die Ähnlichkeit des Eindruckes sinnlicher und abstracter Dinge, die wir in der Alethiologie (§. 46. seqq.) ausführlicher betrachtet haben, würde gebraucht werden können, die Sprache auf jede abstracte und unempfindbare Begriffe auszudehnen, es sey, daß man sie metaphorisch machte, oder durch gewählte Ableitungstheilchen die Verwandlung in der Bedeutung anzeigte« (ebd., S. 82f., § 137). Vgl. Schiewer: Cognitio symbolica (s. Anm. 9), S. 86–95. 25 Lambert erläutert, wenn auch erst im § 309, die Begriffe ›Grammatisch‹, ›Charakteristisch‹ und ›Metaphysisch‹. Danach bezeichnet das Metaphysische »die bedeuteten Sachen und ihre Natur und allgemeine Verhältnisse [...], das Charakteristische aber dasjenige in den Zeichen [...], was sich durch das Metaphysische bestimmen und auf Regeln bringen läßt«. Das ›Grammatische‹ bezeichnet all das in den wirklichen Sprachen, was »an statt charakteristisch zu sein bloß willkürlich, und weder in der Sache noch in den Zeichen gegründet ist« (Lambert: Organon II [s. Anm. 8], S. 185, § 309). Vgl. Hans-Werner Arndt: Einleitung. In: LPS 1, S. V– XXXVIII, hier S. XXXVIf.

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Erwägend, welche Potentiale das Deutsche zur ›wissenschaftlichen‹ Bezeichnung von Sachen und Begriffen birgt, beginnt Lambert bei den ersten Elementen der Sprache, den einfachen Lauten, die durch Buchstaben bezeichnet werden. In Anbetracht der von ihm auf mindestens 17 angesetzten diskreten Vokallauten ist der Bestand an Vokalbuchstaben zu ihrer Bezeichnung viel zu gering. Wäre der Vokalzeichenbestand umfänglicher, ließen sich auch die Diphthonge »vollständig«, d. h. lautanalytisch abbilden. Nicht nur wäre dann die Orthographie, das Aufschreibebzw. Notationssystem adäquater, es ließe sich dann auch das Phonetische besser ins Graphemische verflößen (II, 48, §§ 75f.). Zeichenmangel, nationalsprachliches Herkommen, lautphysiologische Gegebenheiten und Willkür findet Lambert auch bei der Behandlung des deutschen Konsonantenbestandes. Dies allein seien jedoch keine unübersteiglichen Hindernisse: »Denn wenn man je wissenschaftliche Wörter sollte zu Stande bringen, worinn Buchstaben und Sylben und ihre Ordnung bedeutend wären, so würde diese bedingte Möglichkeit der Aussprache die geringste Hinderniß seyn« (II, 50, § 80). Gleichsam ungebremst schichtet Lambert nun zunächst Vorschlag auf Vorschlag, wie der Bestand an einfachen Lauten und zugehörigen Buchstaben und Buchstabenzeichenkombinationen vermehrt werden kann, hält dann aber doch inne und beschränkt sich wieder auf die von ihm aufgewiesenen 17 einfachen Vokaltöne (II, 47, 53, §§ 74, 85). Diese ergeben 17 einfache Silben (den einfachen Vokalen mit Hinweis auf die lateinischen Präpositionen a und e silbische Qualität zusprechend). Da diese, jede für sich, mit den anderen Vokalen Doppellauter bilden können, ergeben sich rechnerisch 289 Doppellauter, die ebenfalls, wie die deutschen Interjektionen au, je usw. belegen, von silbischer Qualität sind. Mit Blick auf das Italienische erwägt er jetzt die phonetische Möglichkeit von Triphthongen. Und angenommen, es wäre möglich, Tetraphthongen zu artikulieren, dann hätte man über 60.000 Laute mit Silbenqualität, noch »ohne Zuziehung eines Consonanten« wohlgemerkt (II, 54, § 88). So weit geht er dann aber doch nicht, lässt die Tetraphthongen unberücksichtigt und gesellt den Einfach-, Doppel- und Dreifachlautern noch die Konsonanten hinzu, die den Vokalen jeweils vor- und nachgestellt werden können. Hinzu kommen die Doppelkonsonanten und die Kombination aller. Die Anzahl möglicher bezeichnungsfähiger Silben wird dadurch ins Gigantische gesteigert. Eine weitere Aufrechnung versagt er sich, wollte er doch nur zeigen, dass selbst bei der Annahme von nur 17 deutschen Selbst- und 13 Mitlautern eine Vielzahl von einfachen Silben generiert werden könne. Deren Artikulation ließe sich durch frühzeitiges Üben »bis zum Unglaublichen« trainieren (II, 55f., § 90). Ließe man die von Lambert betonte Bindung an die gesprochene Sprache beiseite und bezöge sich allein auf die geschriebene, könnte man diese mittels diakritischer Zeichen ebenfalls beliebig vermehren. In der Zusammensetzung der Silben selbst gebe es keine Einschränkungen mehr; hier stünden der Kombinatorik und Permutatorik (Verschiebung) alle Möglichkeiten offen. Die gleichen Möglichkeiten böten sich in der Silbenanzahl eines Wortes. Natürlich weiß Lambert, der sich selbst während seiner Hauslehrerzeit dichterisch betätigt hat, um die ästhetischen, auch sprach-

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ökonomischen Qualitäten einer Sprache. In der gelehrten Sprache indes räumt er derlei Rücksichten keine Rolle ein. Gleichwohl, merkt er an, müßten wissenschaftliche, charakteristische Zeichen der Dinge und Begriffe möglichst kurz sein. Gleich unentbehrlich wie die einfachen Lautzeichen der Rede sind also auch die einfachen Buchstabenzeichen der Schrift (II, 59, § 96a). Nach der Musterung des Deutschen nach möglichen bezeichnungsfähigen Kandidaten bieten sich Lambert fünf Sprachelemente als bedeutungstragende an: (1) (2) (3) (4) (5)

der Buchstabe, die Ordnung der Buchstaben, die Modifikation der Aussprache durch Akzentuierung u. ä., die Silbe im engeren Sinne und die Verbindung mit anderen Silben und deren Anordnung (II, 64, § 103).

In den natürlichen Sprachen, so Lambert, würden bislang nur die letzten drei als bedeutungstragende Elemente gebraucht. Es gebe aber Fälle, in denen bereits Buchstaben als solche dafür verwandt würden, etwa in den wissenschaftlichen Kunstwörtern zur Bezeichnung der Schlussarten, z. B. Barbara, Celarent etc. Die Gangbarkeit dessen vorausgesetzt, eröffneten sich für die Ausbildung einer gelehrten Sprache dadurch neue Möglichkeiten: Eine solch ›charakteristische‹ Namengebung muss gleichwohl auf die Möglichkeit sehen, ob bestimmte Buchstaben oder Silben geeignet sind, Teile oder Eigenschaften der zu bezeichnenden Sache zugleich mit anzuzeigen. Das bedeutet, dass bei der Erfindung neuer, »durchaus bedeutender Namen« darauf zu achten ist, »die Möglichkeiten und Combination der Bedingungen und Theorie der Sache selbst, mit den Möglichkeiten und Combination der Buchstaben und Sylben [zusammenzuhalten] und jene auf diese [zu] vertheile[n]«. Um diesem gerecht zu werden, ist es wünschenswert, aus einem möglichst großen Bezeichnungsreservoir schöpfen zu können (II, 66, § 109). Grundsätzlich sollte gelten, dass ein einfacher Begriff von jeweils nur einer Silbe angedeutet wird. Das sei das ›Natürlichste‹ (II, 67, § 112). In Anbetracht der unermesslich zahlreich vorhandenen, bezeichnungsrelevanten Dinge und Sachverhalte ist es absehbar, dass das Bezeichnungsreservoir nicht ausreicht. Oder aber man macht von den Erwägungen Lamberts Gebrauch und drängt zu viele Konsonantenzeichen in einer Silbe zusammen und nimmt ellenlange Wörter in Kauf. In diesen Fällen müsste man sich mit Abkürzungen behelfen, wodurch, was er allerdings vermeiden wollte, die Sprache mit Willkürlichkeiten angereichert wird. Eine weitere, sprachliche Vollkommenheit sichernde Grundregel fordert, dass »in den zusammengesetzten oder vielsylbigen Wörtern nicht nur jede Sylbe, sondern auch die Ordnung der Sylben, bedeutend« ist (II, 80, § 133). Sowohl die Zeichen als solche wie auch ihre Abfolge konstituieren Bedeutung. Jede Silbe sollte einen Begriff bezeichnen. Es geht darum, opake Kontexte zu vermindern und zu vermeiden, und zwar durch eindeutige Bezeichnungsrelationen. So etwa sollten die obenhin von

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den Urhebern der Sprachen für diskrete »vollendete[] Ganze« angesehenen Gegenstände analysiert werden, indem Momente an ihnen »mit einzeln Sylben benennt werden« und die in ihnen, den Benennungen, vorkommenden Buchstaben dahingehend »bedeutend gemacht« werden, dass an ihnen bereits, ohne Rückgang auf den Gegenstand, die Merkmale desselben ablesbar sind (II, 80f., § 134). Die uranfänglichen Benennungen der Dinge der Natur als ›Ganze‹ seien wie die benannten Dinge etwas Beständiges, Beharrendes, im Gegensatz zu den Begriffen (II, 115, § 196). Das liegt vor allem darin begründet, dass das Bezeichnete gleichsam immer vor Augen liege. Um diese ›Ganzheiten‹ in ihre Merkmale zu zerlegen, muss man zur »Anatomie, zu chymischen und andern Versuchen schreiten«.26 Bey den Namen der Arten von Thieren, Pflanzen, etc. würde z. E. ein einiger Buchstab zureichen, um kenntlich zu machen, zu welchem Theile des Naturreiches jedes Hauptwort gehöre. Ein anderer Buchstab würde etwan die Hauptclasse anzeigen, und in Absicht auf die Thiere, z. E. die kriechenden, vierfüßigen, Vögel, Fische etc. unterscheiden.27

Lambert schlägt vor, um vormals im Deutschen schon grammatisch realisierte, inzwischen aber verschüttete ›allgemeine Bestimmungen und Verhältnisbegriffe‹ wieder kenntlich zu machen, »den Rückweg zu nehmen« und alte Sprachstufen wieder herzustellen (II, 78f., § 131). Wenn man die Wurzelwörter wieder gangbar machen könnte, sei man in der Lage, die bzw. eine Sprache neu zu konstruieren (II, 93, § 161). Die Wurzelwörter müssten bar aller veränderlichen und zusätzlichen Bestimmungen sein. Sie würden, so sie denn wirklich Wurzelwörter sind, »nur das Allgemeine einer Handlung, einer Veränderung, eines Zustandes etc. vorstellen« (II,

|| 26 Lambert: Organon II (s. Anm. 8), S. 116, § 197. Vgl. Sechs Versuche einer Zeichenkunst in der Vernunftlehre. In: LPS 6, S. 1–180. Zu Lamberts ›chemischer Logik‹, d. i. intensionaler Begriffs- resp. Merkmalslogik vgl. Günter Schenk: Die Stellung des »Neuen Organon« im philosophischen Schaffen Lamberts. In: Lambert: Neues Organon. Appendix (s. Anm. 2), S. 1045–1056, hier S. 1046–1049 sowie Christian Thiel: Zur Merkmalslogik im 18. Jahrhundert. In: Kaufmann, Schenck: Vorträge (s. Anm. 19), S. 101–114, darin S. 106–110 zu den merkmalslogischen Problemen, etwa der Unterscheidung zwischen ›Merkmal‹ als Teil des ›Gegenstandes einer Vorstellung‹ (Merkmal) und als ›Teil des Vorstellungsinhaltes‹ (Kennzeichen), sowie Werner Wolff: Merkmalslogik, SyllogistikTheorie und Negation bei Johann Heinrich Lambert – ein zu Unrecht vergessener Mitstreiter Kants. In: Transzendentalphilosophie und die Kultur der Gegenwart. Festschrift für Wilfried Lehrke. Hg. von Steffen Dietzsch und Udo Tietz. Leipzig 2012, S. 139–165, hier S. 140–145. Neemann weist auf den Umstand hin, dass Logik und Methodologie des 18. Jahrhunderts im Gegensatz zur Naturwissenschaft, die von der qualitativen zur quantitativen Betrachtungsweise überging, mit der strikt intensionalen Logik eine solche der Qualitäten entwickelte (Neemann: Gegensätze 2 [s. Anm. 11], S. 104). Zu Lamberts Logikkalkül vgl. ebd., S. 105–117 sowie Gerhard Stammler: Begriff Urteil Schluß. Untersuchungen über Grundlagen und Aufbau der Logik. Halle 1928, S. 85–119, insb. S. 88– 97. 27 Lambert: Organon II (s. Anm. 8), S. 108, §. 184.

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94, § 162). Je mehr Wörter aus solchen Wurzelwörtern in einer Sprache aus ihnen ableitbar sind, desto vollkommener sei sie (ebd. und II, 101f., § 174). Auch die Zeitwörter sollten mit bestimmteren Bedeutungen versehen werden: »Die Kürze der Zeichnung fordert sie, und die Auslegung der Rede wird dadurch erleichtert« (II, 96, § 166). Dabei gilt prinzipiell zu erwägen: Je bestimmter die Ausdrücke, desto schwieriger ihr Gebrauch. Denn ihr Gebrauch setzt beim Sprachnutzer voraus, dass er die Bedeutung der Ausdrücke ebenso genau kennt wie die Sachen und »beyde zusammen[zu]richten« versteht. Unter pragmatischen Gesichtspunkten sei es daher am besten, in der Sprache unterschiedliche ›Genauigkeitsstufen‹ zu implementieren, damit heterogenen Sprachkompetenzen Rechnung tragend (ebd.). Pragmatische Rücksichten leiten Lambert auch in der Frage der Arbitrarität, d. h. dass »ein Wort vielmehr diese als eine andere Sache bedeute«, von ihm das »Hypothetische« der Sprache genannt. Diese werde man nicht eliminieren können, resultiert sie doch aus dem Sprachgebrauch (II, 201f., § 329f.). Auch mit Wörterbüchern, Glossaren, Vokabularen etc. werde man dieser Willkür nicht Herr werden. Ein gangbarer Weg, solchen semiotischen Unschärfen zu begegnen, wäre ein regelgeleiteter Umgang damit: Lambert fragt sich, wie unter der Bedingung der Arbitrarität eigentlich glückende Kommunikation überhaupt nur denkbar ist. Denn wenn jeder mit Zeichen unterschiedliche Sach- und Begriffszuweisungen vornimmt, müsste sprachliche Kommunikation eigentlich versagen. Nun glückt sie aber doch zumeist, oder ist oft nur ein Wortstreit. Offensichtlich ist es den Sprachnutzern wohl doch möglich, das durch die Arbitrarität gestiftete »Cahos« zu meistern und sich über die einzelnen Begriffe und ihre Verbindungen zu verständigen. Das aber setzt voraus, »daß man sowohl in der Bedeutung jeder einzelnen Worte, als auch jeder Wortfügung, eins seyn müsse«, in Anbetracht der Arbitrarität eigentlich ein Unding. Doch darin genau besteht das Hypothetische jeder zeichenvermittelten Kommunikation, dass von den Kommunizierenden stets erst einmal vorausgesetzt wird, dass das Gegenüber in Wort-, Sach- und Begriffsverstand mit ihm einer Meinung sei. Das findet sich nicht zuletzt in der allenthalben anerkannten hermeneutischen Regel der Billigkeit ausgedrückt. Erst im Verlauf der dann stockenden Kommunikation wird offenbar, dass sich irgendwo ein Missverstand verbirgt, der der Aufklärung bedarf (II, 203, § 334). Unter Hinweis auf das Billigkeitsprinzip legt Lambert den im Streit liegenden Kontrahenten daher ans Herz, sie sollten die Ursache ihrer Meinungsverschiedenheit zunächst nicht in der Sache, sondern in der Wortverwendung suchen. Aufklärung müsste sodann über die Kontrolle der Bedeutungszuweisung gewonnen werden, d. h. es gilt »das Wort unmittelbar mit der Sache [zu] verbinden«, wodurch zugleich der Begriff aus der Empfindung der Sache resultiere (II, 205, § 337).

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5 Zusammenfassung Lamberts Untersuchungen zur Sprache und ihrer Rolle im Erkenntnisprozess, seine Verbindung semiotischer mit erkenntnis- und sprachkritischen Fragestellungen suchen in ihrer methodischen Schärfe und systematischen Einbettung ihresgleichen im 18. Jahrhundert. Es war der Versuch, rationalistische und empiristische Ansätze zu verschwistern und eine Art Einheitswissenschaft zu konstruieren. Immer versuchte er, die empirische Erfahrungsbasis nicht zu verlieren. Kant gegenüber rechtfertigt er sich einmal: »Von der Form allein kommt man zu keiner Materie, und man bleibt im idealen, und in bloßen Terminologien stecken, wenn man sich nicht um das erste und für sich Gedenkbare der Materie oder des obiectiven Stoffes der Erkenntnis umsieht« (AA X, S. 52). Die Grundlage dazu suchte er u. a. in der Semiotik oder Lehre von der Bezeichnung der Gedanken und Dinge zu schaffen. Keinem anderen der Philosophen des 18. Jahrhunderts ist es auch nur im Ansatz gelungen, in dieser grundsätzlichen, theoretisch fundierten Weise, wie sie Lambert eigen war, die Zeichenabhängigkeit des Denkens aufzuweisen.

Udo Roth

Lyrische Kosmologie Johann Heinrich Lamberts Dichtungen In der Vorrede zum zweiten Band von Johann Heinrich Lamberts Deutschem gelehrten Briefwechsel (1782) meldet der Herausgeber Johann (III) Bernoulli (1744‒1807) große Bedenken an, ob er dessen Briefe religiösen Inhalts überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich machen solle. Lamberts »Denkungsart in Religionssachen« sei zu unserer Zeit und besonders bey dem größten Theil derjenigen Menschen[,] die auf mehrere Aufklärung des Geistes Anspruch machen, so beschaffen,

dass er fürchte, Lambert der »Verspottung« und sich selbst »dem Tadel« auszusetzen.1 Vor allem ein undatierter ‒ wohl Anfang der 1750er Jahre verfasster ‒, an einen unbekannten Adressaten gerichteter Brief mit »ganz sonderbare[n] pietistische[n] Äusserungen«2 macht Bernoulli Sorgen: »Hochgeschätztester theurester Freund«, so heißt es da, »[v]ielleicht verstunde ich« in »Ihrer[r] allerliebste[n] Zuschrift« Ihre Sprache nicht, aber ich will Ihnen mit tausend Freuden sagen, daß ich sie mit allen Kräften empfinde. Reden Sie mir immer von dem innern Wallen und Schlagen des Herzens bey der Betrachtung des mit Blute gezeichneten Erlösers am Kreuze, des traurig frohlockenden Gottes auf Golgatha, reden Sie mir davon im Jubeltone der vorerwählten Gerechten, aus Empfindungen des lebendigen Glaubens, so werden Ihre Briefe mich höher rühren als die Briefe der Freunde, und ich werde in gleichem Tone antworten, und die Ströme der Ewigkeiten sollen unsere Sprache vernehmen und widerhallen. […] Mit ihm [Jesus Christus] wollen wir […] zu dem Vater der Seeligkeiten hintreten, und durch ihn, nunmehr wieder Kinder, ihm den süssesten Vaternamen zulallen, und Abba rufen. Lasset uns nicht mehr Flügel der Morgenröthe suchen, um an das äusserste der Welten zu fliegen, Christum zu suchen, oder ihn aus dem Himmel herab holen, oder ihn aus der Tiefe herauf holen, denn er ist nahe bey uns, und umfasset uns mit seiner Gnade, und herzet uns an der Brust seiner Liebe, und tränket uns mit dem Weine seiner Seeligkeiten […]. So durchdringet die Sonne des Frühlings die Auen mit Wärme und holdem Schmucke, so schauet sein holdseeliges Auge auf uns, und seine Gnadenblicke durchströmen unsere Seele mit Seeligkeiten und Wonne des Himmels.3

Lambert habe, so schrieb Christoph Heinrich Müller (auch Myller; 1740‒1807; Professor der Philosophie und Geschichte am Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin), den Bernoulli in diesem Fall um Rat und Stellungnahme gebeten hatte, im Hause des Grafen Peter von Salis (1675‒1749) und dessen Schwiegersohn Anton von || 1 Johann Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel. Hg. von Johann Bernoulli. 5 Bde. Berlin, Dessau 1782–1785, Bd. 2, S. IX. 2 Ebd., S. XXVII. 3 Ebd., S. 81‒83 (2. Abth., Nr. I). https://doi.org/10.1515/9711830647761-020

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Salis (1702‒1765) in Chur, wo er zwischen 1748 und 1759 als Hauslehrer tätig war, den dort »recipirten« »Glaubens- und Lebensregeln derjenigen Religionsparthey […], die man Pietisten nennt«, »nicht widerstehen« können und habe »seine Mühlhäuser [reformierte] Religion gegen den Pietismus« vertauscht. »Es sind noch«, so Müller weiter, »genug Manuscripte vorhanden, welche diese Veränderung beweisen«, der genannte Brief sei ganz im Geist der Brüder aus Herrenhut, der mehr cadenzirte Ton, der Klopstockische Schwung allein unterscheidet ihn.4

Die Verbindung von Sprache und Rhythmik, die eher unreflektierte Emotion statt rationale Zweckbestimmung der Sprache, Klopstock’scher ›Schwung‹ ‒ all dies weist auf ein den vielen der Betätigungsfeldern Lamberts hinzuzufügendes hin ‒ die Lyrik. Wie einem frühen biographischen Abriss ‒ Ende 1777 angefertigt von einem Angehörigen des Hauses von Salis5 ‒ zu entnehmen ist, vervollkommnete Lambert während seiner Zeit als Hofmeister nicht nur seine Kenntnisse in der deutschen, französischen und lateinischen Sprache, sondern erlernte auch Griechisch und Italienisch, so daß er es in diesen Sprachen, die griechische ausgenommen, so weit gebracht hatte, daß er Verse verfertigte.6

Ob er aber, wie ein späterer Biograph, der evangelisch-reformierte Pfarrer im elsässischen Mühlhausen Matthias Graf, 1829 konstatiert, in der Dichtkunst, von der Versuche von ihm ausgewiesen sind, […] keine Lorbeeren erworben

hat,7 ob seine Gedichte gar, wie es an anderer Stelle heißt, sämtlich »ungenießbar« sind,8 ist im Weiteren zu prüfen. Graf scheinen nur wenige, vielleicht gar nur ein Gedicht vorgelegen zu haben (er verweist auf einen »veränderte[n] gedruckte[n]

|| 4 Vgl. ebd., S. XIIf. (der Brief Müllers ist abgedruckt S. XI‒XXI). 5 Beylage zu den zween ersten Briefen, ebd., S. 11‒16. 6 Ebd., S. 12; vgl. dazu auch den Nekrolog im Teutschen Merkur: Im Hause von Salis vertiefte Lambert seine Kenntnisse der »Griechischen, Lateinischen, Französischen, Italiänischen und Teutschen Sprache, (in welchen vier letztern er sogar Verse machte)« (Johann Heinrich Lambert. In: Der Teutsche Merkur 1778, 3. Vierteljahr, S. 259‒278, hier S. 262). 7 Matthias Graf: Johann Heinrich Lambert’s Leben. In: Johann Heinrich Lambert nach seinem Leben und Wirken aus Anlaß der zu seinem Andenken begangenen Secularfeier in drei Abhandlungen dargestellt. Hg. von Daniel Huber. Basel 1829, Eigenpaginierung, S. 1‒87, hier S. 33. 8 Ebd., S. 62.

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Passionsgesang: ›O Mensch, beweine deine Sünd!‹«9), auch deutet einiges auf eine Voreingenommenheit Grafs hin: Lamberts erste Erziehung hatte unauslöschliche Spuren seines ursprünglichen, niedern Standes bei ihm zurückgelassen. Er hatte Geschmack an hohen, ungebrochenen Farben, groben Speisen und süssen, schlechten Weinen.10

Ein solch grober Klotz, der durch »seine Figur und sein Benehmen« in Berlin auffiel, kann gar nicht musisch veranlagt sein, kann keine wohlgestalteten Verse verfertigen, allenfalls in der Prosa mäßig reüssieren: Man habe, so Graf, von ihm die dichterische Beschreibung der Aussicht der Gegenden um Chur, aus dem Lürlibad betrachtet, die nicht ohne Verdienst ist.11

Diese knapp drei Seiten lange Beschreibung, 1781 in Bernoullis Sammlung kurzer Reisebeschreibungen erschienen,12 ist ‒ nun ja, eine Landschaftsbeschreibung. Welches Verdienst Graf hier konstatiert, sei dahingestellt, für den Herausgeber Johann (III) Bernoulli scheint es eher belanglos zu sein: Die Entstehungszeit des Textes »schätz[t]« er auf das Jahr 1752, »gewiß wenig früher oder wenig später; es liegt wenig daran, es genau zu wissen«.13 Vielleicht liegt wenig daran, das konkrete Datum der Textentstehung zu kennen, vielleicht genügt aber schon eine grobe zeitliche Einordnung, um dem Text eine Bedeutung zuzumessen. Die Gegend, heißt es dort im Schlussteil, »entzücke das Aug des Wanderers«. Er beschauet mit säumendem Schritte, die Schätze, so Flora um ihn herum so reichlich verbreitet. O seelige Bewohner! ruft er voller Bewunderung, denen der allmächtige Vater des Schicksals vergönnt, so himmlische Auen, so große Vortrefflichkeiten, so herrliche Schätze, nicht kurze Augenblicke, wie ich, zu betrachten. […] Sehet hier die Hügel, die mit Traubengeländern umhangen; dort Berge, so mit Wäldern umkrönet; hier Wiesen, die mit reifem Getraide bedeckt

|| 9 Graf meint hier wohl eine Bearbeitung des 1530 von Sebald Heyden (1499‒1561) verfassten lutherischen Kirchenliedes O Mensch, bewein’ dein’ Sünde groß, das in der 1648 variierten Fassung von Paul Gerhardt (1607‒1676) als O Mensch, beweine deine Sünd! noch heute im Evangelischen Gesangbuch zu finden ist (EG 76) ‒ eine solche ist für Lambert aber nicht nachweisbar. 10 Graf: Johann Heinrich Lambert’s Leben (s. Anm. 7), S. 34. 11 Ebd., S. 33. 12 Johann Heinrich Lambert: Beschreibung der Aussicht der Gegenden um Chur, aus dem Lürlibad betrachtet, im August. In: Sammlung kurzer Reisebeschreibungen und anderer zur Erweiterung der Länder- und Menschenkenntniß dienender Nachrichten. Hg. von Johann Bernoulli. Bd. 2. Berlin, Altenburg 1781, S. 59‒62. 13 Ebd., S. 59, Anm. **.

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sind. Alles, alles ist in annehmlichster Zierde, in prächtigster Ordnung, schön, treflich, entzückend.14

Duktus und Wortwahl der Zeilen erinnern an den eingangs zitierten Brief ‒ sie ließen sich mit Klopstock’schem ›Schwung‹ auch in Freien Rhythmen realisieren ‒, die in der deutschsprachigen Lyrik aber erst gegen Ende der 1750er Jahre erscheinen, in Klopstocks Dem Allgegenwärtigen (1758) und in der Frühlingsfeier (1759). Der Allgegenwärtige erschien unter dem Titel Ode über die Allgegenwart Gottes zuerst in der von Klopstock und dem Theologen Johann Andreas Cramer (1723‒1788) herausgegebenen ‒ recht kurzlebigen ‒ Wochenschrift Der nordische Aufseher.15 Lessing schrieb im 51. der Briefe, die neueste Litteratur betreffend über dieses »merkwürdige[]« Gedicht, dem das »Klopstockische Siegel« aufgedrückt sei: Es sind Betrachtungen über die Allgegenwart Gottes, oder vielmehr, des Dichters ausgedrückte Empfindungen über dieses große Objekt. Sie scheinen sich von selbst in symmetrische Zeilen geordnet zu haben, die voller Wohlklang sind, ob sie schon kein bestimmtes Sylbenmaß haben. [...] Aber wenn ich Ihnen sagen sollte, was ich denn nun aus dem Folgenden, von der Allgegenwart Gottes mehr gelernt, als ich vorher nicht gewußt; welche von meinen dahin gehörigen Begriffen, der Dichter mir mehr aufgeklärt; in welcher Überzeugung er mich mehr bestärket: so weiß ich freilich nichts darauf zu antworten. Eigentlich ist das auch des Dichters Werk nicht. Genug, daß mich eine schöne, prächtige Tirade, über die andere, angenehm unterhalten hat; genug, daß ich mir, während dem Lesen, seine Begeisterung mit ihm zu teilen, geschienen habe: muß uns denn alles etwas zu denken geben?16

Doch kehren wir zu Lamberts Beschreibung der Aussicht der Gegenden um Chur zurück. Die Beschreibung deutet zumindest in ihrem Schlussteil das teleologische Argument an, das Lambert später seinen Cosmologischen Briefen über die Einrichtung des Weltbaus zugrunde legen wird. Diese aber entstanden in den 1750er Jahren, nachdem er, wie er 1765 an Kant schreibt, Anno Jahr 1749. da ich gleich nach dem Nachtessen, und zwar wider meine damalige Gewohnheit von der Gesellschaft weg, in mein Zimmer gieng.17

Dort saß er an diesem »hellen Abend […] am Fenster, und«, wie Lambert im zwölften der Cosmologischen Briefe ausführt,

|| 14 Ebd., S. 61f. 15 Der nordische Aufseher 1 (1758), 44. Stück, S. 389‒400. 16 LW, Bd. 5, S. 178f. 17 Lambert an Kant, November 1765; Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel (s. Anm. 1), Bd. 1, S. 335‒340, hier S. 336.

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da die Gegenstände auf der Erde allen Reitz zur Aufmerksamkeit für den folgenden Tag aufbehielten, so bliebe mir noch der gestirnte Himmel, als der würdigste unter allen Schauplätzen zur Betrachtung.

In der Folge »diese glänzenden Leuchter in dem Tempel Gottes« betrachtend, nahm er die Flügel des Lichtes und schw[a]ng[] [s]ich durch alle Räume der Himmel durch. Nie komme [er] weit genug und immer wächst die Begierde noch weiter zu gehen.18

Diesen Anlass schrieb Lambert, wie er Kant weiterhin mitteilt, »auf ein Quartblatt«, doch hatte er »Anno 1760, da [er] die cosmologischen Briefe schrieb, noch weiter nichts dazu vorräthig.«19 Dieser Hinweis ‒ kein ›Vorrat‹ ‒ mag stimmen ‒ was astronomische Berechnungen und ähnliches anlangt. Was den Grundgedanken der Cosmologischen Briefe anlangt, hatte Lambert sehr wohl etwas »vorräthig« ‒ wenn auch nicht in einer Form, die den späteren Briefen entspricht: Gedichte. Neben dem von Graf erwähnten »Passionsgesang« (wobei offen bleiben muss, worum es sich konkret handelte) haben sich nicht wenige weitere lyrische Stücke in Lamberts Nachlass erhalten. Diesen erwarb, nachdem Johann Georg Sulzer ihn nach Lamberts Tod gesichtet hatte, zunächst die Berliner Akademie der Wissenschaften, um die noch ungedruckten Schriften und Briefe zu publizieren. Da sich dieses Unterfangen aber als zu aufwendig erwies, verkaufte ihn die Akademie an Johann (III) Bernoulli, der ihn der gelehrten Welt zugänglich zu machen versprach. Von 1781 bis 1787 erschienen dann fünf Bände Korrespondenz20 und zwei Bände Abhandlungen;21 damit endete die Herausgabe. Bernoulli nämlich erbte nach dem Tode seines Vaters dessen sowie den umfangreichen Briefnachlass seines Großvaters, sah sich aber finanziell außer Stande, diese zu edieren. 1797 verkaufte er daher die Handschriften in einer ersten Tranche an die Akademie der Wissenschaften in Stockholm, 1799 in einer zweiten Tranche, der er auch den gesamten Nachlass Lamberts zuschlug, an die herzogliche Bibliothek in Gotha.22 Dort befand er sich bis 1938, als es der Baseler Universitätsbibliothek gelang, den Nachlass zu erwerben.23 1951 sichtete, ordnete

|| 18 Johann Heinrich Lambert: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg 1761 (LPS 5), S. 149. 19 Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel (s. Anm. 1), Bd. 1, S. 336. 20 Vgl. Anm. 1. 21 Johann Heinrich Lamberts logische und philosophische Abhandlungen. Hg. von Johann Bernoulli. 2 Bde. Berlin, Dessau 1782/84. 22 Vgl. hierzu Karl Bopp: Johann Heinrich Lamberts Monatsbuch mit den zugehörigen Kommentaren. München 1916, S. 5; vgl. Johann Heinrich Lamberts Monatsbuch. Neu hg., eingeleitet, kommentiert und mit Verzeichnissen zu Lamberts Schriften, Briefen und nachgelassenen Manuskripten versehen von Niels W. Bokhove und Armin Emmel. 2 Bde. Hildesheim 2020 (LPS Suppl. 1 und 2). 23 Heute unter der Signatur UBH L Ia 733‒748.

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und katalogisierte Max Steck den Nachlass,24 der heute ‒ bis auf wenige Ausnahmen ‒ zumindest seinen Bestandteilen nach detailliert beschrieben ist.25 Eine dieser Ausnahmen bildet der Codex 741,26 dessen Inhalt Bopp als »Curiosa, Gedichte« bezeichnete.27 Diese Bezeichnung findet sich jedoch schon im 18. Jahrhundert, in einem Verzeichnis, das Johann (III) Bernoulli anfertigte und das, wie dessen Titel vermeldet, diejenigen Nachlassteile auflistet, die von ihm »an Herrn Vice-Praecid. Herder überschickt[]« worden waren und die »Curiosa größtentheils Gedichte« enthielten.28 Bernoulli fügt hinzu, dass sich das gesamte Konvolut seit fast einem Jahr in Herders Händen befinde und dieser ihn in der Hoffnung lasse, einiges daraus zu edieren.29 Das Interesse Herders an Lamberts Nachlass bzw. diesem Konvolut, das neben Briefen Lamberts u. a. an Sulzer auch zwischen 1752 und 1769 entstandene »Theologica«, »Rhetorica« sowie »Logica et Philosophica« enthiet,30 steht möglicherweise im Zusammenhang mit dessen Schrift Gott. Einige Gespräche (1787), in der Philolaus, den Theophron zum Verständnis einer reformulierten Philosophie Spinozas bekehren will, u. a. mit Lamberts Organon und dessen Architektonik entgegentritt.31 Doch sei der Blick wieder auf den Codex 741 gewendet. Dieser umfasst insgesamt 126 Blätter, in doppelter Zählung, einmal als ältere Blattzählung (oben rechts), einmal als Seitenzählung (unten links bzw. rechts) ‒ letztere die Stecks bei der Aufnahme, wobei teils aber keinerlei Übereinstimmung herrscht, da Steck thematisch/inhaltlich zu ordnen suchte: so trägt etwa fol. 53r die Seitenzahl 63, fol. 49r die Seitenzahl 65.32 Mehrenteils undatiert ‒ und wohl kaum chronologisch geordnet ‒,

|| 24 Max Steck: Der handschriftliche Nachlass von Johann Heinrich Lambert (1728‒1777). StandortKatalog. Basel 1977; vgl. auch ders.: Bibliographia Lambertiana. Ein Führer durch das gedruckte und ungedruckte Schrifttum und den wissenschaftlichen Briefwechsel von Johann Heinrich Lambert. Hildesheim 1970, S. 47‒54. 25 Vgl. neben der bereits von Bopp: Lamberts Monatsbuch (s. Anm. 22), S. 5‒8 geleisteten Beschreibung und Steck: Bibliographia Lambertiana (s. Anm. 24) jetzt auch LPS Suppl. 1, S. 239ff. 26 Universitätsbibliothek Basel, Sign. UBH L Ia 741; im Folgenden zitiert als Cod. 741. 27 Vgl. Bopp: Lamberts Monatsbuch (s. Anm. 22), S. 7; so auch bei Steck: Bibliographia Lambertiana (s. Anm. 24), S. 49; das sogenannte ›Herder-Inventar‹ ist heute dem Codex UBH L Ia 733 vorgebunden. 28 Vgl. Bopp: Lamberts Monatsbuch (s. Anm. 22), S. 9, wiederabgedruckt in Steck: Bibliographia Lambertiana (s. Anm. 24), S. 50f. (es handelt sich dabei um Codices mit den heutigen Signaturen UBH L Ia 740‒745); vgl. auch Gesine Lenore Schiewer: Cognitio symbolica. Lamberts semiotische Wissenschaft und ihre Diskussion bei Herder, Jean Paul und Novalis. Tübingen 1996, S. 271‒273. 29 Vgl. Bopp: Lamberts Monatsbuch (s. Anm. 22), S. 10. 30 Vgl. ebd., S. 9‒11. 31 Vgl. hierzu etwa Ulrich Gaier: Herders systematologische Theologie. In: Johann Gottfried Herder. Aspekte seines Lebenswerkes. Hg. von Martin Keßler und Volker Leppin. Berlin, New York 2005, S. 204‒218. 32 Dies wird auch ersichtlich aus dem von Steck bearbeiteten Inhaltsverzeichnis, das zu unterscheiden sucht etwa zwischen mit ›Titeln‹ versehenen ›abgeschlossenen Gedichten‹ (S. 63‒68,

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sind neben Taufzetteln, einigen Fabelnachdichtungen und solchen der Psalmen33 insbesondere Dichtungen religiösen Inhalts enthalten, mehrenteils auf Deutsch, teils aber auch auf Italienisch.34 Hinzu kommen Kompositionen zu einigen der deutschen und italienischen Dichtungen. Unter anderem vertonte Lambert leicht abgewandelt35 eine ›Aria‹ aus Barthold Hinrich Brockes Der Winter, das 1721 im ersten Teil des Irdischen Vergnügens in Gott erschien: Aus welcher Quelle kommen Schlossen? Aus wessen Schoosse kömmt das Meer, Aus welchem Born der Schnee geflossen? Wer zäm’t der Winde stürmisch Heer? Wer ist der, welcher, wenn es frieret, Den Reifen zeugt, den Schnee gebieret? Wer mag des Regens Vater seyn? Unendlichs ALL, nur Du allein.36

Lambert besaß nachweislich einen Auszug der vornehmsten Gedichte aus dem […] Irdischen Vergnügen in Gott in einer Ausgabe von 1738,37 der ihm wohl im Januar und Februar 1752 als Vorlage für die Komposition diente.38

|| S. 75‒81) und titellosen ›Entwürfen geistlicher Dichtung‹ (S. 69‒73); im Folgenden werden die Seitenzahlen nach Steck verwendet. 33 S. 93‒108; im Monatsbuch vermerkt Lambert für den September 1762: »Einige Psalmen metrisch construirt« (LPS Suppl. 1, S. 129; im Codex 742, der ›Theologica‹ enthält, finden sich ebenfalls Bearbeitungen der Psalmen, u. a. in französischer Sprache; dass Lambert bereits in den 1750er Jahren Psalmen ›metrisch konstruierte‹, weist der ‒ anonyme ‒ Druck zweier Psalmen aus, vgl. Poetische Uebersezung des VIII. und CXXXVIII Psalms. In: Die neuesten Sammlungen vermischter Schriften 3 (1754), 1. Stück, S. 80‒83, welche mit Cod. 741, S. 41‒43 korrespondieren. 34 Zwei der italienischen Gedichte hat bereits 2006 Roberta María Menéndez Fontenla in ihrer Bremer Dissertation vorgelegt, jedoch ohne weitere Auseinandersetzung hinsichtlich Form und Inhalt, vgl. Johann Heinrich Lamberts ›Cosmologische Briefe‹. Eine wissenschaftsphilosophische Untersuchung. Bremen 2007, http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/dissts/Bremen/Menendez2007.pdf (letzter Aufruf 6. Mai 2021), S. 268f. 35 Lambert duplizierte den vorletzten Vers. 36 Barthold Hinrich Brockes: Irdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten Erster Teil, nebst einem Anhang etlicher übersetzten Fabeln des Herrn de la Motte. Hamburg 1721, 21724, S. 294‒307, hier S. 303f. 37 Auszug der vornehmsten Gedichte aus dem von Herrn Barthold Heinrich Brockes in fünf Theilen herausgegebenen Irdischen Vergnügen in Gott, mit Genehmhaltung des Herrn Verfassers gesammlet und mit verschiedenen Kupfern ans Licht gestellet. Hamburg 1738, hier S. 451. 38 Vgl. LPS Suppl. 1, S. 1f.: »Musicae«; in Lamberts Bibliothek befanden sich zahlreiche Lehrbücher zur Komposition, so etwa Johann Joseph Fux’ Gradus ad Parnassum oder Anführung zur regelmäßigen musikalischen Komposition (in der Ausgabe Leipzig 1742), vgl. Verzeichniß der Bücher und Instrumente, welche der verstorbene Königl. Ober-Baurath und Professor Herr Heinrich Lambert hinterlassen hat, und die den Meistbiethenden sollen verkauft werden. Das Verzeichniß wird von dem französischen Gerichtsdiener Maire ausgegeben. Berlin 1778, Nr. 271, S. 15.

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Über die artifizielle Qualität der eigenen Dichtungen kann man streiten, doch sind sie keinesfalls »ungenießbar«. Ein Beispiel: Verlaß o Seel der Erden Eitelkeiten Die Huld fährt, die Stätte zu bereiten Die er für die erkämpft, zum Vater auf Er geht im Sieg die Herrschaft zu ererben Er fährt hinauf das Heil dir zu erwerben Folg Seelig nach, vollend auch deinen Lauf.39

Ein einfacher, eingängiger Rhythmus, ein einfaches Reimschema, der Form nach sind es Nachdichtungen vor allem protestantischer Kirchenlieder, wie auch das folgende Beispiel zeigt: So ist denn nun ein Jahr von unsrer LebensZeit, Ein schneller Augenblick der ernsten Ewigkeit Unwiederbringlich hin! Wie eilends fliehn die Stunden Kaum sind sie, so sind sie auf ewig hin! Verschwunden! Auf ewig hin! Und Gott will Rechnung von mir haben! Ach wie gebrauchte ich die mir verliehne Gaben.40

Auch die italienischen Gedichte lehnen sich an Vorbilder an, wie etwa das folgende in paargereimten Endecasillabi: Su, lodiam il nostro creatore E cantiam il suo grand honore. La cui bontà di noi si spande Il cui amor verso di noi è grande. Dalle opre sue risplende la sapienza, Guistizia, e bontà e grand clemenza. E con poter quest universo regge E tutto con possente man protegge.41

Die geradezu Schlichtheit der Gedichte lässt sich vor dem Hintergrund der oben erwähnten biographischen Skizze wohl damit begründen, dass sie, auch wenn kaum eines datiert ist, in der Hauslehrer-Zeit in Chur entstanden sein dürften, als Form der ›Vervollkommnung‹ der deutschen oder der italienischen Sprache, vielleicht auch als Übung für den Unterricht der Söhne von Salis. || 39 Cod. 741 (s. Anm. 26), S. 61. 40 Ebd., S. 55. 41 Ebd., S. 114; »Auf, loben wir unseren Schöpfer / Und singen wir zu seiner großen Ehre. / Dessen Güte über uns sich verströme / Dessen Liebe zu uns groß ist. / Aus seinen Werken strahlt die Weisheit, / Gerechtigkeit und Güte und große Gnade. / Und mit Macht regiert er dieses Universum / und alles beschützt er mit mächtigen Händen« (Übers. nach Menéndez Fontenla: Johann Heinrich Lamberts Cosmologische Briefe [s. Anm. 34], S. 269).

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Doch nicht alle Dichtungen weisen diese Schlichtheit auf, so eine ursprünglich siebenstrophige, später mehrfach überarbeitete und um zwei Strophen ›beraubte‹ Ode:42 Wie ein Seraph, O Gott, heilig vor deinem Thron Dein erhabenes Lob, Himmlischen Chören rühmt: Also stimme mein Geist, durch dich, O Gott belebt Deiner Göttlichkeit Loblied an!43

Aufschlussreich ist hier die Form: Nicht nur stellt Lambert den Versen ein Metrum voran, das die sogenannte Zweite asklepiadeische Odenstrophe kennzeichnet ‒ ‒‒‒∪∪–‒∪∪–∪– ‒ ‒ ‒ ∪ ∪ ‒ ∪ ‒44

‒, die in der quantitierenden antiken Lyrik aus drei kleinen Asklepiadeen45 und einem Glykoneus46 realisiert wird. Bereits bei Catull finden sich solche äolischen asklepiadeischen Versmaße, doch vor allem Horaz rühmt sich, diese in die lateinische Dichtung eingeführt zu haben47 ‒ und einzig und allein bei Horaz findet sich die Zweite asklepiadeische Odenstrophe, und dort auch nur sehr vereinzelt.48 In deutschsprachigen Nachbildungen wird, wie etwa bei Klopstock, die zweite Silbe eines jeden Verses meist unbetont rhythmisiert: Welchen König der Gott über die Könige Mit einweihendem Blick, als er geboren ward, Sah vom hohen Olymp, dieser wird Menschenfreund Seyn, und Vater des Vaterlands!49

|| 42 Cod. 741 (s. Anm. 26), S. 53f. 43 Ebd., S. 53. 44 Ebd. 45 Gebildet aus zwei langen Silben, Chorjambus (Trochäus und Jambus), Zäsur, Chorjambus, dem zwei kurze Silben folgen, von denen die letzte aber auch lang sein kann. 46 Lange Silbe, kurze Silbe ‒ aber auch kurz, lang möglich ‒, Chorjambus, kurze Silbe, lange Silbe ‒ die aber auch kurz sein kann. 47 Vgl. etwa Carmina III,30, 10‒14: »Mich nennt Mancher […]: dass ich, aus niederem Hoch, der erste gelenkt Äolerharmonie zum talischen Laut« (Übersetzung von Johann Heinrich Voß). 48 Vgl. etwa die Carmina I,6 und I,33 (insgesamt sind neun Carmina des Horaz in dieser Form rhythmisiert). 49 Friedrich Gottlieb Klopstock: Friedrich der Fünfte [1750]. In: ders.: Oden. Hamburg 1771, S. 92‒94, hier S. 92.

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Dies deutet darauf hin, dass sich Lambert bei seinen lyrischen Versuchen auch an antiken Vorbildern, vor allem Horaz versuchte.50 Aber auch zeitgenössische Variationen horazischer Oden scheint Lambert in den Blick genommen zu haben. So verzeichnet das Monatsbuch für den September 1752 die Lektüre von »Langii odæ«,51 womit aller Wahrscheinlichkeit nach Samuel Gotthold Langes Horazische Oden52 gemeint sind. Auch wenn sich Lambert Lange gegenüber in einer nicht datierten, aber wohl 1754/55 entstandenen Abhandlung von Gleichnissen53 ablehnend äußert,54 scheint er doch mit Langes eigenwilligen Variationen der Sapphischen Odenstrophe ‒ Erweiterung der Silbenzahl vor allem in den ursprünglichen Elfsilbern der ersten drei Verse, teils auch in den abschließenden Fünfsilbern ‒ experimentiert zu haben. Im Codex 741 findet sich eine siebenstrophige Dichtung, die eben diesen Variationen Rechnung trägt: Wenn das Auge des Herrn beym Eingang ins Leben Segnend anschaut dem strömt Vergnügen und Ruhe Von dem Himmel herab. Er findet den eingen Weg zum Segen. […] Aus ihr sprößt ein Geschlecht, das Menschenfreund wünschen Wenn sie um selge Bewohner der Erde Gott flehen. Denn sie w[ä]re bestimmt des Vaterlands Vätern Mutter zu werden.55

Aus dem Korpus der Gedichte sticht jedoch ein Konvolut hervor, das einen ganz eigenen Charakter trägt. Es sind scheinbar freirhythmisch gehaltene, ungereimte, meist unstrophige Dichtungen, die den Duktus der Beschreibung der Gegenden um Chur aufgreifen: Wo sich mein forschender Blick weit um sich hinwendet, da seh ich Werke des Schöpfers! Mein Aug schaut erwachend gen Himmel; Wie prächtig Hebt beym werdenden Tage die Sonne ihr blendendes Antlitz Heldenmüthig empor, vom Morgensterne verkündigt, Der in Glänzendern Stralen den Abdrucke endlichen Lichtes In das entzückte Aug, und Lust in die Seele hinabflößt. Gleich Rubinen, aus denen das Licht in funkelnden Stralen

|| 50 Lambert besaß eine Ausgabe von Horaz’ Opera omnia (Leiden 1566), vgl. Verzeichniß der Bücher und Instrumente (s. Anm. 38), Nr. 948, S. 50. 51 LPS Suppl. 1, S. 9. 52 Samuel Gottlob Lange: Horazische Oden nebst Georg Friedrich Meiers Vorrede vom Werthe der Reime. Halle 1747. 53 Cod. 743, S. 225‒272; vgl. LPS 10,3, S. 1175‒1213. 54 Vgl. etwa ebd., S. 1182f. hinsichtlich der ›Gleichnisse‹. 55 Cod. 741 (s. Anm. 26), S. 79f., hier S. 79; vgl. dazu etwa Lange: Horazische Oden (s. Anm. 52), S. 4ff.: Die Siege Friedrichs.

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Von der Sonne beleuchtet, glühend hervorbricht, So schimmert Der Aurore Gewandt, aus leichtem Gewölke gewirket. Doch ihre Wangen, die Rosen beschämen, verbleichen, wenn endlich Reinere Lüfte, gleich hohen aus Sapphir erbauten Gewölben, Ihren prächtigen Bau, gleich Chören himlischer Tempeln, Unsern Augen sich zeigen; Und dann das Feuer des Sonne Herrlich voll Glanz empor steigt, Und seine Laufbahn eröfnet Um vom Aufgange her biß hin zum Niedergang glänzet. Zu den Tropfen des Thaues, der vorhin in Demrung des Morgens Auf die Blumen und grünende Auen erfrischend herabsank, Malet die Sonn ihr Bildniß. Es blitzt in gefärbeten Stralen Aus jedem Tropfen in kleinrer hervor. Es scheinet der Augen Firmamente zu seyn, von leuchtenden Sternen besäet. Groß und glänzend erhebt sich aus ferner Vertiefung die Sonne Aus der ebenen Fläche des Nahen Teiches. Wie blendend Schimmern aus seinen Gründen vergüldete Stralen! Wie herrlich Weiß der Schöpfer des Himmels dieselben auf Erden zu schildern, Um unsre Augen vom Abdruck der Sonne zur Sonne; von ihro Zu dem Lichte, der Wohnung der Gottheit, entzüket zu wenden!56

Bei näherer Betrachtung lassen sich aber Hexameter feststellen ‒ jedoch nicht nach vermeintlich antikem Vorbild, sondern ›deutsche‹ Hexameter. Diese finden sich zuerst in Klopstocks Messias, der die schon in der Antike vorherrschende, im Laufe der Jahrhunderte aber in Schematismen gepresste Variabilität der quantitierenden Podien Daktylus, Trochäus, aber auch Spondeus aufgreift: Sing, unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung, Die der Meßias auf Erden in seiner Menschheit vollendet Und durch die er Adams Geschlechte die Liebe der Gottheit Mit dem Blute des heiligen Bundes von neuem geschenkt hat.57

Der Messias, dessen drei ersten Gesänge bereits 1748, anonym, in den Bremer Neuen Beyträgen zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes erschienen waren,58 erreichte nicht zuletzt wegen des Versmaßes ungeheure Popularität, polarisierte aber auch stark.59 Lessing äußerte sich 1750 über die »itzo so beliebten reimfreien Hexameter« noch kritisch bis ablehnend: Könne man »etwas höckrichters in einer Sprache hören, als die hexametrische Versart« des Messias und des Noah Johann Jakob

|| 56 Cod. 741 (s. Anm. 26), S. 75‒77. 57 Friedrich Gottlob Klopstock: Der Messias ein Heldengedicht. Halle 1749 [Gesänge I‒III], S. 3. 58 Neuen Beyträgen zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes, Bd. 4 (1748), 4. und 5. Stück, S. 243‒378. 59 Vgl. dazu u. a. Isabel Gunzenhauser: Seraphische Hexameterdichtung. Friedrich Gottlieb Klopstocks Messias und die Ependiskussion im 18. Jahrhundert. Göttingen 2019.

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Bodmers,60 »[b]eleidig[e] wohl die elendeste Prose empfindliche Ohren so sehr, als hier die beständige Verlängerung der kurzen und Verkürzung der langen Sylben?« Wir wollen unser Urteil von dem poetisch-pedantischen Eifer wider die Reime bis auf ein andermal versparen. […] Man lerne also ja bessere Deutsche Hexameter machen, eh man uns diese Versart so mit Gewalt aufdringen will.61

Doch schon kurze Zeit später, 1753 heißt es in dem epigrammatischen Vierzeiler Die Sinngedichten an den Leser: Wer wird nicht einen Klopstock loben? Doch wird ihn jeder lesen? – Nein. Wir wollen weniger erhoben Und fleißiger gelesen sein.62

Im 18. und 19. der Briefe, die neueste Litteratur betreffend kritisiert Lessing 1759 die Rezension des zweiten Bandes des Messias in der Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste63 heftig und nimmt das Werk wie auch die Versform in Schutz.64 Johann Heinrich Voß befand in den 1780er Jahren, dass »[n]icht nur der Plan [des Messias] ein wahres Scheusal, sondern auch die Ausführung im Einzelnen […] oft so verwirrt und dunkel [sei], daß man nicht durchfinden kann.«65 Voß stand mit Klopstock in brieflichem Kontakt, in welchem die Frage nach dem »deutschen‹ Hexameter ‒ für Voß nur ein »freier, dem Hexameter ähnlicher Vers […] für sich genommen, und zum Gebrauch jedes anderen, mangelhaft« ‒ zum (vorübergehenden) Bruch führte.66 Zum ›deutschen‹ Hexameter äußert sich Klopstock zuerst 1756 in einer Art Vorrede zum zweiten Band des Messias (Gesänge VI‒X), Von der Nachahmung des griechischen Silbenmasses im Deutschen:67 »Vielleicht wäre es am besten, das Schicksal || 60 Johann Jakob Bodmer: Noah ein Helden-Gedicht [Gesänge I und II]. Frankfurt a. M., Leipzig 1750; vollständig in »zwölf Gesängen« erschien der Noah Zürich 1752. 61 Rezension von Bodmers Noah in der Berlinischen priviligirten Zeitung, 7. März 1750; LW 3, S. 20f. 62 LW 1, S. 9. 63 Vgl. Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste, Bd. 1 (1757), 2. Stück, S. 297‒331. 64 Vgl. LW 5, S. 73‒83. 65 Voß an Johann Martin Miller, 20. Sept. 1788, in: Der Briefwechsel zwischen Johann Martin Miller und Johann Heinrich Voß. Hg. von Manfred von Stosch. Berlin, Boston 2012, S. 234‒236, hier S. 234. 66 Vgl. Johann Heinrich Voß: Zeitmessung der Deutschen Sprache. Zweite mit Zusätzen und einem Anhange vermehrte Ausgabe. Hg. von Abraham Voß. Königsberg 1831, S. 200‒289, das Zitat aus einem Brief von Voß vom April 1799 S. 253; vgl. dazu etwa auch Emil Linckenheld: Der Hexameter bei Klopstock und Voss. Straßburg 1906. 67 Friedrich Gottlieb Klopstock: Von der Nachahmung des griechischen Silbenmasses im Deutschen. In: ders.: Der Messias. Zweyter Band. Halle 1756, unpag.

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des neuen Sylbenmasses der Entscheidung der Welt so zu überlassen, daß man gar nicht darüber schriebe«, wenn man sich dem »feurigen Klange, dieser Fülle der Harmonie« etwa aus Vergils Beschreibung des Salmoneus68 aber »durch Nachahmung nähern« könne, so begreife ich nicht, warum wir es, besonders in grössern Gedichten, die auch in ieder Nebenausbildung Anstand und Männlichkeit erfordern, nicht thun sollen.69

Noch 1779 verteidigt Klopstock in Über Sprache und Dichtkunst ›seine‹ Hexameter gegen die Kritiker: Ein völlig griechischer Hexameter ist im Deutschen ein Unding. Kein deutscher Dichter hat je solche Hexameter gemacht oder machen wollen.70

Ob und inwieweit Lambert diese Diskussion verfolgte, wird sich wohl kaum aufklären lassen,71 doch war er auch mit Klopstocks früher Lyrik vertraut. In einem Brief an Kant teilte er diesem mit, er habe in den späten 1760er Jahren den Plan verfolgen wollen, »gleichsam eine Privatgesellschaft zu errichten, wo alles was öffentliche Gelehrte Gesellschaften nur allzuleicht verderbt, vermieden würde.« Diese gelehrte Gesellschaft hätte eine Schriftenreihe herausgeben können, in der »die philosophischen Abhandlungen so wie auch die von der Theorie der Sprachen und schönen Wißenschaften« am häufigsten vertreten wären, »physische und mathematische« hätten »allenfalls mitgenommen« werden können, doch hätten sie »von allem heretischen und allzu eigensinnigen oder allzu unerheblichen frey bleiben« müssen. Als Beispiel einer solchen Zeitschrift nennt Lambert die Bremische[n] Beyträge, worinn die dermaligen Originaldichter Gellert, Rabener, Klopstock etc. ihre Versuche bekannt machten und sich gleichsam bildeten.72

|| 68 Vgl. Vergil: Aeneis 6, 585‒594. 69 Klopstock: Von der Nachahmung (s. Anm. 67), unpag. 70 Friedrich Gottlieb Klopstock: Fom deutschen Hexameter. In: ders.: Über Sprache und Dichtkunst. Fragmente. Hamburg 1779, S. 3‒186, hier S. 8. 71 Für den Mai 1752 verzeichnet das Monatsbuch die Lektüre des »Frühling.« (LPS Suppl. 1, S. 5.), womit nur Ewald Christian von Kleists in Hexametern verfasster Der Frühling gemeint sein kann, der, nachdem 1749 eine Ausgabe für Freunde erschienen war, seit 1750 in zahlreichen Auflagen publiziert wurde, vgl. Ewald Christian von Kleist: Der Frühling. Ein Gedicht. Berlin 1749 bzw. ders.: Der Frühling. Ein Gedicht. Berlin 1750; Lambert besaß Kleists Frühling in zwei Auflagen, diejenige von 1750 (ungebunden) und eine weitere anonym 1751 in Zürich erschienene, Der Fryhling. Nebst einem Anhang einiger anderer Gedichte von demselben Verfasser, vgl. Verzeichniß der Bücher und Instrumente (s. Anm. 38), Nr. 16, S. 57 und Nr. 481, S. 28. 72 AA X, S. 103‒111, hier S. 104.

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Dass Lambert mit den Werken Klopstocks und vor allem dem Messias vertraut war, ist wohl kaum in Zweifel zu ziehen. Für den April 1752 findet sich im Monatsbuch der Eintrag »Mess.« ‒ auch wenn dies kein eindeutiger Beweis ist, so lassen weitere Indizien auf Lamberts Kenntnis des Messias bereits 1752 schließen: Im Codex 741 ist die Zeichnung eines Thermometers erhalten,73 die auch im Monatsbuch für den Juli 1752 vermerkt ist.74 Dort heißt es weiter: »vers[us] ad Dm Koch & de laud[e] dei.«75 Die Zeichnung firmierte ursprünglich unter fol. 66v, also die Rückseite eines Blattes ‒ fol. 66r aber zeigt eine vierstrophige, jeweils vierversige Dichtung, die datiert ist »An Herrn Koch, 10./21. Juni 1752« und mit den Versen beginnt: Welch eine Freude Benjamins Angesicht aufklärt, wenn er Dudaim reden höret.76

Die durchaus als Zueignung an den Pfarrer Ulrich Koch (1721‒1756) im nicht weit von Chur entfernt gelegenen Thusis zu verstehenden Verse greifen Figuren auf, die sich auch im ersten Gesang des Messias finden. Darüber hinaus zitiert Lambert in der nicht datierten, aber wohl 1754/55 entstandenen Abhandlung von Gleichnissen77 ausgiebig aus dem III. und IV. Gesang des Messias, der sich auch komplett in seiner Bibliothek befand.78 Des Weiteren finden sich im Codex 741 einige sprachkritische Aufzeichnungen, die sich auf die Lektüre von Bodmers Noah beziehen:79 Die Noachide habe ich schon in ihrer ersten Gestallt und nun mit den gemachten Änderungen zur neuen Auflage nochmals mit Lust und Vergnügen gelesen.80

Die Lektüre der ersten Fassung des Noah fand, wie Lamberts Monatsbuch ausweist, Anfang 1753 statt.81 Hiermit korrespondiert der Eintrag im Monatsbuch zum April 1762: »Anmerkungen über das M[anu]s[cri]pt d[er] Noachide, so mir H[err] Prof. Bodmer communicirt.«82 Lambert war spätestens in der zweiten Jahreshälfte 1761 Bodmers Überarbeitung des Noah bekannt, wie aus einem Brief an Baptista von Salis vom 31. Oktober 1761 hervorgeht: »Monsieur le Prof. Bodmer va réfondre son || 73 Vgl. Cod. 741 (s. Anm. 26), S. 92. 74 Vgl. LPS Suppl. 1, S. 6. 75 Ebd. 76 Vgl. Cod. 741 (s. Anm. 26), S. 91. 77 Cod. 743, S. 225‒272; vgl. LPS 10,3, S. 1175‒1213. 78 Vgl. Verzeichniß der Bücher und Instrumente (s. Anm. 38), Nr. 338, S. 20; im Verzeichniß werden vier Bände unter der Jahreszahl »1751« angegeben, vmtl. hat der Bibliographierende nur die Jahreszahl des ersten Bandes, Der Messias. Erster Band. Halle 1751 angegeben. 79 Vgl. Cod. 741 (wie Anm. 26), S. 5‒10. 80 Ebd., S. 5. 81 Vgl. LPS Suppl. 1, S. 12 (Febr.): »Noach[idis] 8 Libr[i] lect[i].« 82 Vgl. ebd., S. 122.

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Noah«.83 Lambert scheint sich darüber hinaus auch mit Bodmer über den Hexameter ausgetauscht zu haben: Im Nachlass Bodmers in der Zürcher Zentralbibliothek findet sich ein vierseitiges Manuskript, von unbekannter Hand am Ende mit »Lambert 1762, cum Thurici degeret« datiert: Und da das Lesen der Hexameter mir das Ohr aufs Neue ein wenig Hexametrisch gestimmt hat, so werden mir leicht einige Übelgerathene aus der Feder fließen. So weit ich mich der ersten Auflage der Noachide erinnere, wird die zweyte merkliche Änderungen haben. Viele gehen mir wohl ein […]. […] Wenn ich recht scandire, so sind in den 3 ersten dieser Verse die Wörter in, hatte, das lang, und in dem Fall ohne Nachdruck, weil sie in prosa kurz ausgesprochen würden. Im vierten Verse müßte das Wort lang wirkl[ich]. lang seyn, Es ist aber leicht mögl[ich]. daß ich übel scandire ...84

Zurückkommend auf die Dichtungen Lamberts steht in deren Fokus die Allgegenwärtigkeit Gottes ‒ »Wo sich mein forschender Blick weit um sich hinwendet, da seh ich / Werke des Schöpfers!« Das teleologische bzw. physikotheologische Argument, in deutlicher Anlehnung etwa an das Irdische Vergnügen in Gott Barthold Hinrich Brockes tritt hier hervor, wenn auch ohne dessen empirische Dimension. Diese erlangt es erst in den Cosmologischen Briefen. Und noch ein weiteres Moment führt zu diesen. Lambert hält eine Endlichkeit des Universums mit der Unendlichkeit der Allmacht Gottes unvereinbar. Aufgrund des teleologischen Schlusses aber sind Grenzen gesetzt. Dieses Dilemma löst Lambert, indem er die Welt nur der Zeit nach unendlich annimmt, dem Raume nach aber als endlich ansieht. In der Vorrede zu den Briefen heißt es: Eine Hauptschwierigkeit, die den teleologischen Beweisen anhaftet, ist die Endlichkeit der Welt. So groß und ausgedehnt dieselbe auch seyn mag, so wird sie dadurch auf endliche Zahlen eingeschränkt, und von der Unendlichkeit der göttlichen Absichten fällt dadurch die Helfte weg. Ihre Summe kann nur der Zeit nach als unendlich angesehen werden, weil sie sich durch die Unendlichkeit erstrecken, ungeachtet sie es nie erreichen. Dem Raume nach verhält es sich anders. Das Ganze hat hier seine Schranken, welche der Allgemeinheit der teleologischen Sätze in so ferne Abbruch thun, daß man immer die Bedingung hinzusetzen muß: So weit das Weltgebäude reicht.85

Diesem Zusatz aber muss hinzugefügt werden: Das Weltgbäude reicht so weit, so weit wir es überblicken, also empirisch wahrnehmen können. Die »Unendlichkeit der göttlichen Absichten« wird rational niemals erfasst werden können, hier gilt immer das Diktum: »So weit das Weltgebäude reicht, aber mit dem Zusatz: So weit das Welt-

|| 83 Zitiert nach Felix Humm: Lambert in Chur. Chur 1972, S. 98f., hier S. 98 mit den Korrekturen nach dem Manuskript in LPS Suppl. 1, S. 122f., Anm. 568. 84 Zentralbibliothek Zürich, Ms Bodmer 30.1.II, S. 5‒8, hier S. 5. 85 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 18), S. IXf.

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gebäude reicht, ist es bewohnt«,86 was im Umkehrschluss die Unmöglichkeit der Erfassung der Unendlichkeit durch endliche Wesen bedeutet. Auch Lambert konnte daher zwar die »die Flügel des Lichtes« nehmen und sich »durch alle Räume der Himmel« hindurch schwingen, doch war es ihm als endlichem Wesen verwehrt, »weit genug« zu kommen. Die Cosmologischen Briefe zeugen von einer teils inständigen Auseinandersetzung mit der menschlichen Erkenntnisfähigkeit und deren Grenzen. Doch können diese Grenzen, wenn nicht eingerissen, so doch überschritten werden. Im 10. Brief äußert sich Lambert zu den Bewegungen der Fixsterne, wobei er die unterschiedlichen Theorien hierzu betrachtet, hinterfragt und zu dem Schluss kommt: Ich würde die Welt so einrichten, daß die kleinern dunklern Körper, wie z. E. die Planeten um die leuchtenden Sonnen, diese aber wieder um dunkle Körper herum laufen. Denn die Sonnen hätten kein ander Licht nöthig, weil sie selbsten von so starkem Glanze sind, hingegen könnte der dunkle Körper, um welchen sie sich bewegen, von den Sonnen, so zunächst um ihn laufen, noch zureichend erleuchtet werden. Allein von einer solchen Einrichtung kann ich keinen andern Grund als die blosse Möglichkeit angeben. Sie wissen aber, mein Herr, daß die Möglichkeit nur in der Poetischen, nicht aber in der Philosophischen Welt als hinlänglich angesehen wird.87

Diese ›Möglichkeit‹ aber artikuliert er in seinen Dichtungen, und insbesondere denen in Hexametern: […] Und o ihr Menschen! Wolt ihr den[n] jtzo Diesen unendliche Geist, den Himmel und Erde nicht faßet rasend beschränken? O Sterbliche! Wolt ihr dem König der Ehre Einen Raum von Händen beschloßen, zu seiner Bewohnung Einfältig widmen? Schwinget der tiefsinnig denkenden Seele Hohe Gedanken durch das Saphirne Himmels Gewölbe Biß in die Wohnung der Herrlichkeit Gottes. Schaut wie weit sich Die unumschränkte Hoheit[liche]. Unendlichkeit, Weißheit und Güte Gottes unendlich erstrecket. Unwandelbar, ewig, ohn Ende Bleibet der Höchste. Er ist, der er war, und wird der er ist auch ewig verbleiben. Und seine unmeßbare Größe ist Allheit, Güte und Liebe.88

Blickt man auf die Gesamtheit dieser Dichtungen, so sind sie auf den ersten Blick durchaus von »ganz sonderbare[n] pietistischen Äusserungen«89 durchzogen, doch gerade seine pietistische Religiosität ermöglicht es Lambert, diese Unendlichkeit durch die Einbildungskraft emotional zu greifen:

|| 86 Vgl. ebd. 87 Ebd., S. 125f. 88 Cod. 741 (s. Anm. 26), S. 63. 89 Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel (s. Anm. 1), Bd. 2, S. XXVII.

Lyrische Kosmologie | 415

Schwinge dich denn, Unsterbliche Seele zu deines Ursprungs Göttlichkeit auf. Durchdringe die Wolken und geh bey die Lichter, Welche die dunkele Nacht in hellem Glanze durchschimmern, Mit umschauenden Blicken vorbey, und betrachte der Schöpfung Schönheit und Pracht und unmeßbaren Umfang. […]90

Der Mathematiker und Astronom Daniel Huber (1768‒1829), der sich zeitlebens als Schüler Lamberts betrachtete, spekulierte am Ende seines Versuches über die Verdienste Lamberts in den mathematischen und physikalischen Wissenschaften,91 wie Lambert fast 70 Jahre nach Erscheinen der Cosmologischen Briefe angesichts der Fortschritte in der Astronomie wohl auf diese reagieren würde, »welchen Schwung seine Einbildungskraft nehmen! welche hohe Empfindung sein Gemüth begeistern!« würden. Doch bedauren wir nicht, daß er dieses hier in seiner irdischen Existenz nicht erlebt hat! Von den Banden des Körpers befreit sieht nun sein Geist schon die Verknüpfungen vieler Glieder in der Kette der Wesen, sieht den Zusammenhang und die Harmonie der Welten, freut sich des unaufhörlichen Fortschreitens in ungetrübter Erkenntniß der Wahrheit, und anbetend im Anschauen des ewigen unendlichen höchsten Wesens, genießt die reine edle Seele unnennbare Glückseligkeit!92

Angesichts der Dichtungen bleibt die Frage offen, ob Lambert das ›Anschauen‹ des Ewig-Unendlichen wirklich nicht erlebt hat ‒ und es womöglich auch anderen zugänglich machen wollte. Im 17. der Cosmologischen Briefe setzt sich Lambert mit dem »Mittelpunct des ganzen Weltbaues«, »de[m] letzten Körper, der die ganze Schöpfung um sich herum lenkt«, auseinander. Hier finde er »Stoff für [s]eine Einbildungskraft«; der Anblick einer »so prächtigen Stelle« verursache »Entzückung«. Ein Dichter hätte hier einen reizenden Anlaß, sie vollends auszuschmücken, und sie unserer Einbildungskraft bis zur vollkommensten Glaubwürdigkeit vorzumalen, und einnehmend zu machen. Aber philosophisch davon zu reden, so gestehe ich gerne, daß mir die ungeheure Grösse dieser dunkeln Körper ganz im Wege steht. Sie fällt mir ins ungläubliche.93

Vielleich ist das der Grund, dass Lambert, wie er seinem ehemaligen Zögling Baptista von Salis am 31. Oktober 1761 mitteilte, Johann Jakob Bodmer darum bitten wollte, eine Dichtung über die Harmonie des Weltenbaus mit dem Inhalt der Cosmo-

|| 90 Cod. 741 (s. Anm. 26), S. 71. 91 Vgl. Daniel Huber: Versuch über die Verdienste Lamberts in den mathematischen und physikalischen Wissenschaften. In: Johann Heinrich Lambert nach seinem Leben und Wirken (s. Anm. 7), Eigenpaginierung. 92 Ebd., S. 58. 93 Lambert: Cosmologische Briefe (s. Anm. 18), S. 239f.

416 | Udo Roth

logischen Briefe zu verfassen94 ‒ ob Lambert dies tat, ist ungewiß, das Unternehmen nie ausgeführt worden. Doch waren Lamberts Dichtungen sicherlich Ansätze hierzu.

|| 94 Vgl. LSP Suppl. 1, S. 122, Anm. 568.

| 6 Anhang

Zeittafel 26. August 1728

Johann Heinrich Lambert wird als Sohn des Schneiders Lucas Lambert (1699‒1747) und Elisabeth Schmerber (1704‒1754) in Mülhausen im Ober-Elsaß (Schweiz) in armen Verhältnissen geboren

ab 1740

trotz herausragender schulischer Leistungen muss Lambert mit zwölf Jahren die Schule verlassen, um dem Vater in dessen Werkstatt zu helfen; der Antrag des Vaters auf ein Stipendium für ein Theologiestudium des Sohnes wird abgelehnt

1743–1745

Arbeit als Schreiber in der Stadtkanzlei sowie anschließend im Büro eines Eisenwerkes in Seppois bei Montbéliard, das Eigentum des geheimen Kriegsrats George Louis Lalance von Mömpelgard ist

ab 1745

arbeitet Lambert als Sekretär im Dienst des Baseler Ratsherrn, Seidenfabrikanten, Juristen und Herausgebers der Basler Mittwoch- und Samstagzeitung Johann Rudolf Iselin (1705–1779); erstmals Zeit für ausgedehnte Studien; Lambert liest Wolff, Malebranche und Locke

1748–1759

Lambert verdient seinen Unterhalt als Hauslehrer der Kinder im Aristokratenhaus von Peter von Salis (1675– 1749) und dessen Schwiegersohn Anton von Salis (1702– 1765) in Chur; in dieser Zeit auch Versuche in der lyrischen Dichtung (u. a. Poetische Uebersezung des VIII. und CXXXVIII. Psalms, Zürich 1754)

ab 1752

Lambert beginnt und führt bis kurz vor seinem Tode ein Monatsbuch, in dem er Forschungs- und Publikationspläne, aber auch Einfälle und Gedanken festhält; Aufnahme in die Literaturgesellschaft von Chur sowie in die in Basel ansässige Schweizer Société scientifique

1755

Lamberts erster wissenschaftlicher Beitrag, Tentamen de vi caloris, qua corpora dilatat, ejusque dimensione erscheint in den Acta Helvetica

1756–1758

Lambert begleitet seine Zöglinge Anton (1737‒1806) und Baptista (1737‒1819) von Salis auf einer Grand Tour, die sie zunächst an die Universität Göttingen führt; hier wird er zum korrespondierenden Mitglied der Göttinger Aka-

https://doi.org/10.1515/9711830647761-021

420 | Zeittafel

demie der Wissenschaften ernannt; der Einzug des Siebenjährigen Krieges in die Stadt 1757 nötigt Lambert und seine Zöglinge, über Hannover, Utrecht und den Haag nach Rotterdam zu gehen; über Paris (hier Bekanntschaft mit d’Alembert und Messier), Marseille, Nizza, Turin und Mailand kehrt die Reisegruppe nach Chur zurück ab 1759

erscheint Lamberts seit 1752 erarbeitete Studie Die freye Perspektive, oder Anweisung, jeden Perspektivischen Aufriß von freyen Stücken und ohne Grundriß zu verfertigen in zwei Bänden in Zürich; er reist über Zürich und Mühlhausen nach Augsburg, wo er sich um einen Verleger für die Photometria sive de mensura et gradibus luminis, colorum et umbrae bemüht, die tatsächlich 1760 ebenda erscheint; die Studie macht Lambert schlagartig in der akademischen Welt bekannt; Hoffnungen auf eine Professur in Göttingen zerschlagen sich; Aufnahme in die gerade erst gegründete Bayerische Akademie der Wissenschaften

September 1760

Lambert wird als akademischer Professor mit einem Gehalt von 800 Gulden jährlich an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften angestellt

1761

der Vorschlag Leonhard Eulers (1707–1783), Lambert in die Berliner Akademie der Wissenschaften als Mitglied aufzunehmen, wird von Friedrich II. zurückgewiesen, indem er die schon erfolgte Wahl nicht bestätigt; die Cosmologischen Briefe erscheinen in Augsburg

Ende 1762

Lambert bittet wegen Unstimmigkeiten mit dem Direktor der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Peter von Osterwald (1718–1778), um Entlassung aus dem Dienst

1762–Dezember 1763

Aufenthalt in Chur

1764

Lambert reist Anfang des Jahres über Nürnberg, Leipzig, Wittenberg und Halle nach Berlin, wo sich Johann Georg Sulzer (1720–1779) für ihn beim König verwendet; eine Audienz bei Friedrich II. endet wegen Lamberts Unfähigkeit, das höfische Decorum einzuhalten im Desaster; es erscheint eines seiner philosophischen Hauptwerke, das Neue Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein in Leipzig; durch Euler Anbahnungen

Zeittafel | 421

eines ‒ letztlich ausbleibenden ‒ Rufs an die Petersburger Akademie der Wissenschaften 10. Januar 1765

Lambert wird endlich doch – vor allem auf erneutes Betreiben Eulers – in die Berliner Akademie der Wissenschaften aufgenommen und erhält ein jährliches Salär von 550 Gulden; er ist zuständig für das Landkartenwesen, für die Gestaltung des akademischen Kalenders und die Herausgabe der astronomischen Ephemeriden der Akademie

ab 1765

bis zu seinem Tode rege, fast fieberhafte wissenschaftliche Tätigkeit auf den Feldern der Astronomie, der Mathematik, der Physik und der Philosophie; es erscheint der erste Band seiner Beiträge zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung in Berlin (Bd. 2 folgt 1770, Bd. 3 1772); Bekanntschaft mit und Freundschaft zu Mendelssohn, Nicolai, Thiébault und Bode; wegen seines zumeist ungepflegten Äußeren und seines unkonventionellen Verhaltens gilt er in Berlin schnell als »Mann aus dem Monde«; Beginn eines Briefwechsels mit Kant

1770

Ernennung zum Oberbaurat mit einem jährlichen Salär von 1.100 Gulden

1771

erscheint Lamberts zweites philosophisches Hauptwerk, die Anlage zur Architectonic, oder Theorie des Einfachen und des Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß in zwei Bänden in Riga

25. September 1777

Lambert stirbt nach langer Krankheit in Berlin

1781–1785

erscheint Johann Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel, herausgegeben von Johann Bernoulli, in Berlin (5 Bde.), 1782 und 1784, ebenfalls von Bernoulli herausgegeben, Lamberts logische und philosophische Abhandlungen in zwei Bänden

Siglenverzeichnis AA

Kantʼs gesammelte Schriften. Hg. von der Preußischen [später: Deutschen] Akademie der Wissenschaften. Berlin 1900ff. (AA Band, Seitenzahl)

CPH

Christian August Crusius: Die philosophischen Hauptwerke. 4 Bde. Hg. von Sonia Carboncini und Reinhard Finster. Hildesheim 1964‒1987. (CPH Band, Seitenzahl)

FA

Johann Wolfgang von Goethe: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche. Frankfurter Ausgabe. 40 Bde. Hg. von Hendrik Birus u. a. Frankfurt a. M. 1989‒ 2013. (FA Band, Seitenzahl)

G

Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz. 7 Bde. Hg. von Carl Immanuel Gerhardt. Berlin 1875‒1890 [ND Hildesheim 1961]. (G Band, Seitenzahl)

GGS

Christian Fürchtegott Gellert: Gesammelte Schriften. Kritische, kommentierte Ausgabe. Hg. von Bernd Witte. 7 Bde. Berlin, New York 1988‒2008. (GGS Band, Seitenzahl)

GGW

Christian Garve: Gesammelte Werke. 17 in 19 Bden. Hg. von Kurt Wölfel. Hildesheim, Zürich, New York 1985–2000. (GGW Band, Seitenzahl)

HT

David Hume: A Treatise of Human Nature. Ed. by David Fate Norton and Mary J. Norton. Oxford University Press 2000.

HW

Johann Gottfried Herder: Werke. 3 Bde. Hg. von Wolfgang Proß. Darmstadt 1984– 2002. (HW Band, Seitenzahl)

JBW

Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel – Nachlaß – Dokumente. Hg. von Walter Jaeschke und Birgit Sandkaulen. Stuttgart 1981ff. (JBW Band, Seitenzahl)

JWA

Friedrich Heinrich Jacobi: Werke. Gesamtausgabe. Hg. von Klaus Hammacher und Walter Jaeschke. Hamburg, Stuttgart 1998ff. (JWA Band, Seitenzahl)

LPS

Johann Heinrich Lambert: Philosophische Schriften. 10 Bde. Begonnen von Hans Werner Arndt, fortgeführt von Lothar Kreimendahl. Hildesheim 1965–2008 sowie 2 Suppl.-Bde. Hildesheim 2020 [Johann Heinrich Lamberts Monatsbuch. Neu hg., eingel., komment. und mit Verzeichnissen zu Lamberts Schriften, Briefen und nachgelassenen Manuskripten versehen von Niels W. Bokhove und Armin Emmel]. (LPS Band, Seitenzahl bzw. LPS Suppl. Band, Seitenzahl)

LW

Gotthold Ephraim Lessing: Werke in 8 Bänden. Hg. von Herbert G. Göpfert u. a. München 1970‒1979 [Darmstadt 1996]. (LW Band, Seitenzahl)

MGS

Moses Mendelssohn: Gesammelte Schriften. Jubiläumsausgabe. Hg. von Alexander Altmann, Michael Brocke, Eva J. Engel und Daniel Krochmalnik. Stuttgart-Bad Cannstatt 1972ff. (MGS Band, Seitenzahl)

https://doi.org/10.1515/9711830647761-022

424 | Siglenverzeichnis

SSW

Baruch de Spinoza: Sämtliche Werke Lateinisch-deutsch. Hg. von Wolfgang Bartuschat u. a. Hamburg 1982ff. (SSW Band, Seitenzahl)

TAW

Christian Thomasius: Ausgewählte Werke. Nachdruck der Originalausgaben. Hg. von Werner Schneiders und Frank Grunert. Hildesheim, Zürich, New York 1993ff. (TAW Band, Seitenzahl)

WGW

Christian Wolff: Gesammelte Werke. Nachdruck der Originalausgaben. Hg. von Jean Ecole u. a. Hildesheim, Zürich, New York 1965ff. (WGW Abteilung, Band, Seitenzahl)

WOA

Christoph Martin Wieland: Werke. (Oßmannstedter Ausgabe.) Historisch-kritische Ausgabe. Hg. von Klaus Manger, Hans-Peter Nowitzki und Jan Philipp Reemtsma. Berlin, New York 2008ff. (WOA Band, Seitenzahl)

WP

Werkprofile. Philosophen und Literaten des 17. und 18. Jahrhunderts. Hg. von Andree Hahmann, Stefan Klingner, Udo Roth und Gideon Stiening. Berlin, New York 2011ff. (WP Band, Seitenzahl)

Bibliographie 1 Editionen 1.1 Werke und werkbegleitende Notate Système du monde. Hg. von Jean Bernard Mérian. Bouillon 1770. Beschreibung der Aussicht der Gegenden um Chur, aus dem Lürlibad betrachtet, im August. In: Sammlung kurzer Reisebeschreibungen und anderer zur Erweiterung der Länder- und Menschenkenntniß dienender Nachrichten. Band 2. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1781, S. 59–62. Joh. Heinrich Lamberts [...] logische und philosophische Abhandlungen. Band 1. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1782. Système du monde. Par M. Lambert. Hg. von M. Mérian. Berlin, Paris, Genf 21784. Joh. Heinrich Lamberts [...] logische und philosophische Abhandlungen. Band 2. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1787. Photometrie. (Photometria sive De mensura et gradibus luminis, colorum et umbrae. 1760.) Deutsch. Hg. von Ernst Anding. Erstes Heft: Theil I und II. Zweites Heft: Theil III, IV und V. Drittes Heft: Theil VI und VII. Anmerkungen. Leipzig 1892 (= Ostwald’s Klassiker der exakten Wissenschaften 31–33). Anmerkungen und Zusätze zur Entwerfung der Land- und Himmels-Charten (1772). Hg. von Albert Wangerin. Leipzig 1894 (= Ostwald’s Klassiker der exakten Wissenschaften 54). Gedanken über die schönen und soliden Wissenschaften. Ein Auszug aus Herrn Prof. Lamberts hinterlassenen Werken, den jetzigen Schöndenkern gewidmet. Dresden 1794. [Kompilation Lambertscher Äußerungen, vornehmlich dem Briefwechsel entstammend.] Theorie der Parallellinien. In: Die Theorie der Parallellinien von Euklid bis auf Gauss, eine Urkundensammlung zur Vorgeschichte der nichteuklidischen Geometrie. Hg. von Friedrich Engel und Paul Stackel. Leipzig 1895, S. 152–207 (= Bibliotheca Mathematica Teubneriana Series 41). Abhandlungen zur Bahnbestimmung der Cometen. Insigniores orbitae Cometarum proprietates (1761), Observations sur l’Orbite apparente des Comètes (1771), Auszüge aus den Beiträgen zum Gebrauche der Mathematik (1772). Deutsch herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von J. Bauschinger. Leipzig 1902 (= Ostwald’s Klassiker der exakten Wissenschaften 133). Abhandlung vom Criterium veritatis, mit einem erläuternden Vorwort aus dem Manuskript herausgegeben von Karl Bopp. Berlin 1915 (= Kantstudien. Ergänzungshefte 36). Monatsbuch, mit den zugehörigen Kommentaren, sowie mit einem Vorwort über den Stand der Lambertforschung herausgegeben von Karl Bopp. München 1915 (Abhandlungen der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Math.-physik. Klasse 27/6). Über die Methode die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen. Hg. von Karl Bopp. Berlin 1918 (= Kantstudien. Ergänzungshefte 42). Cosmologische Briefe. Im Auszug herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von Friedrich Löwenhaupt. In: Johann Heinrich Lambert: Leistung und Leben. Hg. von Friedrich Löwenhaupt. Mühlhausen 1943, S. 65–108. Schriften zur Perspektive. Hg. von Max Steck. Berlin 1943. Iohannis Henrici Lamberti Opera mathematica. Vol. I: Commentationes arithmeticae, algebraicae et analyticae. Pars prima. Hg. von Andreas Speiser. Turici 1946. Iohannis Henrici Lamberti Opera mathematica. Vol. II. Commentationes arithmeticae, algebraicae et analyticae. Pars altera. Hg. von Andreas Speiser. Turici 1948. https://doi.org/10.1515/9711830647761-023

426 | Biblographie

Drei Abhandlungen zum Systembegriff. In: System und Klassifikation in Wissenschaft und Dokumentation. Vorträge und Diskussionen im April 1967 in Düsseldorf. Hg. von Alwin Diemer. Meisenheim am Glan 1968, S. 161–177 (= Studien zur Wissenschaftstheorie 2). Chemische Jugendschriften des Mathematikers J. H. Lambert (1728–1777). Hg. von Karin Figala und Joachim Fleckenstein. In: Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel 81 (1970), 1, S. 41–54. Cosmological Letters on the Arrangement of the World-Edifice. Translated with an introduction and notes by Stanley L. Jaki. Edinburgh 1976. La Perspective affranchie de l’embaras du Plan géometral. Préface par Henri Pfeiffer. Paris 1977. Essai sur la perspective: août 1752, traduction française de Jeanne Peiffer, présentation et annotations par Roger Laurent, préface de René Taton. Coubron 1981. Gutachten über die Konstruktion eines Blitzableiters, 11. Juli 1777. In: Hugenotten in der Berliner Akademie. Dokumente ihres Wirkens im 18. Jahrhundert. Hg. von Herwart Schumann. Berlin 1986, [unpag.], Nr. 13. Texte zur Systematologie und zur Theorie der wissenschaftlichen Erkenntnis. Hg. von Geo Siegwart. Hamburg 1988 (= Philosophische Bibliothek 406). Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrtum und Schein [1764]. Hg. von Günter Schenk. 3 Bde. Berlin 1990. Photométrie, ou de la mesure et de la gradation de la lumière, des couleurs et de l’ombre 1760. Traduction du latin Jean Boye, Joseph Couty, Michel Saillard. Introduction et notes Michel Saillard. Paris und Montréal 1997 (= La philosophie en commun). Photometry, or, On the measure and gradations of light, colors and shade. Translation from the Latin of »Photometria, sive, De mensura et gradibus luminis, colorum et umbrae«; with introductory monograph and notes by David L. DiLaura. New York 2001. Analysis machinarum characteristica. In: Paola Basso: »Mecanismo e concatenazione. Sull’uso di ›mecanico‹ e ›geometrico‹ nel pensiero settescentesco«; seguito da un inedito di Johann Heinrich Lambert. In: Macchine e vita nel XVII e XVIII secolo. Hg. von Francesca Bonicalzi. Florenz 2006, S. 34f., Einleitung S. 33. Contributions mathématiques à l’étude de la mortalité et de la nuptialité (1765 et 1772). Édition critique, bilingue par Jean-Marc Rohrbasser et Jacques Véron, suivi de »Les équations de Lambert«, par Marc Barbut. Paris 2006 (= Classiques de l’économie et de la population). Dialogus socraticus. In: Paola Bassa: Un inedito dialogo giovanile di Johann Heinrich Lambert (1728–1777). In: Rivista di storia della filosofia 61 (2006), 4, S. 999–1014. Kleinere philosophische Abhandlungen und Rezensionen. Teilbd. 1: Kleinere philosophische Abhandlungen. Hg. von Armin Emmel und Axel Spree. Hildesheim, Zürich, New York 2007. Kleinere philosophische Abhandlungen und Rezensionen. Teilbd. 2: Rezensionen. Hg. von Armin Emmel und Axel Spree. Hildesheim, Zürich, New York 2007. Philosophische Schriften, Entwürfe und Rezensionen aus dem Nachlaß. Teilbde. 1–3. Hg. von Armin Emmel und Axel Spree. Hildesheim, Zürich, New York 2008. Johann Heinrich Lamberts Monatsbuch. Neu hg., eingeleitet, kommentiert und mit Verzeichnissen zu Lamberts Schriften, Briefen und nachgelassenen Manuskripten versehen von Niels W. Bokhove und Armin Emmel. 2 Bde. Hildesheim 2020.

1.2 Briefe [Auszug aus einem Brief an Gregorio Fontana vom 16. März 1776.] In: »Discorso preliminare« von: La dottrina degli azzardi: applicata ai problemi della probabilità della vita, delle pensioni vitalizie, reversioni, tontine, ec. di Abramo Moivre; trasportata dall’ idioma Inglese; arricchita di no-

Bibliographie | 427

te ed aggiunte, e presa per argomento di pubblica esercitazione matematica tenuta nell’aula della Regia università di Pavia dal Padre Don Roberto Gaeta [...] sotto l’assistenza del Padre Don Gregorio Fontana [...]. Milano 1776, S. 56–57. Joh. Heinrich Lamberts [...] deutscher gelehrter Briefwechsel. Bd. 1. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1781. Joh. Heinrich Lamberts [...] deutscher gelehrter Briefwechsel. Bd. 2. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1782. Joh. Heinrich Lamberts [...] deutscher gelehrter Briefwechsel. Bd. 3. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1783. Joh. Heinrich Lamberts gelehrter Briefwechsel mit Joh. Ignaz von Felbiger und Joh. Ephraim Scheibel. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1783. Joh. Heinrich Lamberts [...] zwölfjähriger Briefwechsel mit Georg Friedrich Brander. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1783. Joh. Heinrich Lamberts [...] deutscher gelehrter Briefwechsel. Bd. 4. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1784. Joh. Heinrich Lamberts [...] deutscher gelehrter Briefwechsel. Bd. 5. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1785. Joh. Heinrich Lamberts [...] deutscher gelehrter Briefwechsel. Zusätze und Berichtigungen zu dem ganzen Briefwechsel. Bd 5, Theil 2. Hg. von Johann Bernoulli. Berlin 1787. [Auszüge aus dem Briefwechsel mit Le Sage, 1764–1770.] In: Notice de la vie et des écrits de George-Louis Le Sage de Genève. Rédigée d’après ses notes par Pierre Prevost. Suivi [...] d’extraits de sa correspondance avec divers savans et personnes illustres, telle que [...] Lambert [...]. A Genève [1805], S. 414–457. Wolf, Rudolf: Auszüge aus Briefen an Albrecht von Haller, mit litterarisch-historischen Notizen [Johann Heinrich Lambert (Paris, den 18. August 1758. Chur, den 28. Januar 1759. Augsburg, 7. Oct. 1759. Augsburg, 17. Nov. 1759)]. In: Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern 4 (1846), S. 203–207, 220, 222f. Wolf, Rudolf: Auszüge aus Briefen an Albrecht von Haller, mit litterarisch-historischen Notizen. [Johann Heinrich Lambert, Augsburg, den 6. April 1760.] In: Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern 5 (1847), S. 14. Lambert à Lagrange. 19 janvier 1774. In: Œuvres de Lagrange, publiées par les soins de M. J. A. Serret et de M. Gaston Darboux. Tom. XIV: Correspondance de Lagrange avec Condorcet, Laplace, Euler et divers savants. Publiée et annotée par Ludovic Lalanne. Paris 1892, S. 269. Briefwechsel mit Immanuel Kant. In: Kant’s gesammelte Schriften. Hg. von der Königl. Preußischen Akademie der Wissenschaften. Bd. X. Berlin, Leipzig 21922, S. 51–57, S. 62–67,S. 96–99, S. 103–111. Leonhard Eulers und Johann Heinrich Lamberts Briefwechsel. Hg. von Karl Bopp. Berlin 1924 (= Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Physik.-math. Klasse 2). J. H. Lamberts und A. G. Kästners Briefe. Hg. von Karl Bopp. Berlin und Leipzig 1928 (= Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Math.-naturwiss. Klasse 18). J. H. Lamberts französischer Briefwechsel mit Gräfin Skorzewska. In: Jahrbuch der Elsaß-Lothringischen Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Straßburg 12 (1939), S. 126–136. Ein unbekannter Brief von Johann Heinrich Lambert an Johannes Gessner. Hg. von Max Steck. In: Gesnerus 8 (1951), S. 245–249. Zwei frühe unbekannte Briefe J. H. Lamberts an Johann Rudolf Iselin. Hg. von Max Steck. In: Gesnerus 11 (1954), S. 36–40. [Briefwechsel mit Johann Georg Lori, Peter von Osterwald und Graf Sigmund von Haimhausen, 1759–1761.] In: Electoralis Academiae Scientiarum Boicae Primordia. Briefe aus der Grün-

428 | Biblographie

dungszeit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Hg. von Max Spindler. München 1959. Johann Heinrich Lambert’s Briefe an Albrecht von Haller. Hg. von Max Steck, in: Nova Acta Leopoldina N.F. 27 (1963), S. 7–18. [Auszüge aus italienischen Briefen an Giuseppe Toaldo vom 2. März 1771 und 20. April 1771. Übersetzt von Aldo Godenzi.] In: Felix Humm: J. H. Lambert in Chur, 1748–1763. Chur 1972, S. 130– 132 (= Historia raetica 2). Une lettre inédite (du 22 décembre 1768) de Lambert à J. F. Herrenschwand médecin personnel du Roi de Pologne, sur le projet d’une académie ou ›Société Médico-Économique‹ à Varsovie. In: Roger Jaquel: Le savant et philosophe mulhousien Jean-Henri Lambert (1728–1777). Etudes critiques et documentaires. Paris 1977, S. 155–158. Correspondance entre Daniel Bernoulli et Jean-Henri Lambert [1754–1760]. Annexe aux Actes du Colloque J.-H. Lambert, Univ. de Haute Alsace, Centre de Recherches et d’Études Rhénanes, Association pour la Célébration de J.-H. Lambert. Hg. von Patricia Radelet-de Grave und V. Scheuber. Paris 1979.

2 Monographien Ausführliche Gegenantwort lobl. Stadt Chur auf die sogenandte abgenöthigte Schutzschrift des Betragens Jhro bischöffl. Gnaden zu Chur, worinnen aus hochobrigkeitlichem Befehl zu Benachrichtigung des Publici die gegnerische Schutzschrift gründlich wiederlegt und dann obl. Stadt erste wahrhafte Erzählung erläutern und noch mehrers bekräftigt wird. Chur 1753. Wahrhafte Erzählung und gründliche Rechtfertigung derjenigen Maßregeln, welche eine lobliche Stadt Chur in Ansehung des Betragens Jhro bisschöfflichen Gnaden und Hochgestifts allda zu nehmen bewogen worden. Aus Befehl einer hoch und wohlweisen Obrigkeit lobl. Stadt Chur verfaßt, und zu Wiederlegung der fälschlich ausgestreuten Gerüchte zum Drucke befördert. Chur 1753. [Zus. (?) mit Ulysses von Salis-Marschlins:] Ausführung der Rechtsamen des Gotteshausbunds, über das Hochstift zu Chur. Auf Befehl ermelten löbl. Bundes zum Druck befördert. Chur 1755. Les Propriétés remarquables de la Route de la Lumière, par les airs et en général par plusieurs milieux refringens sphériques et concentriques, avec la solution des Problèmes, qui y ont du rapport, comme sont les réfractions astronomiques et terrestres, et ce qui en depend. Den Haag 1758. Die freye Perspektive, oder Anweisung, jeden Perspektivischen Aufriß von freyen Stücken und ohne Grundriß zu verfertigen. Zürich 1759. La Perspective affranchie de l’embaras du Plan géometral. Zürich 1759. Les Propriétés remarquables de la Route de la Lumière, par les airs et en général par plusieurs milieux refringens sphériques et concentriques, avec la solution des Problèmes, qui y ont du rapport, comme sont les réfractions astronomiques et terrestres, et ce qui en depend. Den Haag 1759. Photometria sive de mensura et gradibus luminis, colorum et umbrae. Augsburg 1760. Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Ausgefertigt von J. H. Lambert. Augsburg 1761. Insigniores orbitae cometarum proprietates. Augsburg 1761. Beschreibung und Gebrauch der logarithmischen Rechenstäbe in Auflösung aller zur Proportion, gemeinen und sphärischen Trigonometrie gehörigen Rechnungen und in Vorstellung unzähli-

Bibliographie | 429

ger mathematischen Tabellen als eine Verbesserung des Scheffeltischen Pes mechanicus und des Bilerischen Universal-Instrumentes. Entworfen von J. H. Lambert. Augsburg 1761. Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. Durch J. H. Lambert. Erster/Zweyter Band. Leipzig 1764. Beschreibung und Gebrauch einer neuen und allgemeinen eccliptischen Tafel, worauf alle Finsternisse des Mondes und der Erde in ihrer natürlichen Gestalt vorgestellt werden, nebst der leichtesten Art dieselbe und die dabey vorkommenden Umstände zu berechnen und zu entwerfen. Berlin 1765. Beyträge zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung. Erster Theil. Berlin 1765. I. Anmerkungen und Zusätze zur practischen Geometrie, S. 1–313. II. Die Visirkunst sowohl ganz als nicht ganz angefüllter liegender Fässer, auf ihre einfachsten Gründe und Regeln gebracht, S. 314–368. III. Anmerkungen und Zusätze zur Trigonometrie, S. 369–424. [IV.] Theorie der Zuverläßgkeit der Beobachtungen und Versuche, S. 424–488. Déscription d’une Table écliptique nouvelle et universelle, formant un tableau vrai de toutes les éclipses tant de la lune que de la terre; avec la manière de se servir de cette table, & une méthode facile pour le calcul & la projection des éclipses & des circonstances dont elles sont accompagnées. Berlin 1765. Anmerkungen über die Gewalt des Schießpulvers und den Widerstand der Luft, auf Veranlassung der von den Hrn. Robins und Hrn. Ritter d’Arcy darüber angestellten Versuchen. Dresden 1766. Kurzgefaßte Regeln zu perspectivischen Zeichnungen vermittelst eines zu deren Ausübung so wie auch zu geometrischen Zeichnungen eingerichteten Proportional-Zirkels. Augsburg 1768. Anmerkungen über die Branderschen Mikrometer von Glase und deren Gebrauch nebst Beylagen die Geschichte und die Vortheile dieser Erfindung betreffend nämlich 1) Tob. Mayers Beschreibung eines neuen Mikrometers. 2) G. F. Branders Beschreibung des neuen dioptrischen Sectors nebst einer zu dessen Gebrauch am Ende beygefügten sehr dienlichen Chordentabelle. 3) Eben desselben Beschreibung einer ganz neu verfertigten Libel oder Nivellir-Wage nebst Kupfern. Augsburg 1769. Beyträge zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung. Zweyter Theil. Erster Abschnitt [und] Zweyter Theil. Zweyter Abschnitt. Berlin 1770. Vorrede [unpag.]. I. Theilung und Theiler der Zahlen, S. 1–41. II. Vorschlag die Theiler der Zahlen in Tabellen zu bringen, S. 42–53. III. Verwandlung der Brüche, S. 54–132. IV. Algebraische Formeln für die Sinus von drey zu drey Graden, S. 133–139. V. Vorläufige Kenntnisse für die, so die Quadratur und Rectification des Cirkuls suchen, S. 140–169. VI. Einige Anmerkungen von Ausmessung der Winkel und Linien auf dem Papier, S. 170–174. VII. Anlage zur Tetragonometrie, S. 175–183. VIII. Anmerkungen über die Verwandlung und Auflösung der Gleichungen, S. 184–249. IX. Quadratur und Rectification der krummen Linien durch geradlinichte Vielecke, welche um dieselben und in denselben beschrieben werden können, S. 250–314. X. Anmerkungen und Zusätze zur Gnomonic, S. 314–362. XI. Gedanken über die Grundlehren des Gleichgewichts und der Bewegung, S. 363–628. XII. Zergliederung und Anwendung der Mayerischen Mondstafeln, S. 629–815. Zusätze zu den logarithmischen und trigonometrischen Tabellen zur Erleichterung und Abkürzung der bey Anwendung der Mathematik vorfallenden Berechnungen. Berlin 1770. Vorrede [unpag.].

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Einleitung, S. 1–10. I. Tafel von den Theilern der Zahlen von 1 biß 102000, die durch 2, 3, 5, nicht theilbar sind, S. 11–18 (Taf. S. 2–69). II. Tafel der Primzahlen von 1 biB 102000, S. 18–27 (Taf. S. 70–120). III. Einige Betrachtungen über die Theiler der Zahlen, S. 27–48. IV. Tafeln zu den hyperbolischen Logarithmen, S. 48–65 (Taf. S. 121–138). V. Tafeln von circulären Functionen, S. 65–70 (Taf. S. 139–160). VI. Tafeln zu Auflösung der Gleichungen, S. 70–83 (Taf. S. 161–183). VII. Tafeln zu Ausziehung der Wurzeln, S. 83–87 (Taf. S. 184–195). VIII. Tafel der figurirten Zahlen, S. 87f. (Taf. S. 196f.). IX. Tafel zum Interpoliren, S. 88–93 (Taf. S. 198f.). X. Tafel der Dignitaten unendlicher Reihen, S. 93–95 (Taf. S. 200f.). XI. Tafel der Dignitaten der Decimaltheile von 0,01 bis 1,00, S. 95–98 (Taf. S. 202–208). Anlage zur Architectonic, oder Theorie des Einfachen und des Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß, durch J. H. Lambert. Erster/Zweyter Band. Riga 1771. Beschreibung einer mit dem Calauschen Wachse ausgemalten Farbenpyramide wo die Mischung jeder Farben aus Weiß und drey Grundfarben angeordnet, dargelegt und derselben Berechnung und vielfacher Gebrauch gewiesen wird. Berlin 1772. Beschreibung und Gebrauch der logarithmischen Rechenstäbe in Auflösung aller zur Proportion, gemeinen und sphärischen Trigonometrie gehörigen Rechnungen und in Vorstellung unzähliger mathematischen Tabellen als eine Verbesserung des Scheffeltischen Pes mechanicus und des Bilerischen Universal-Instruments. Augsburg 1772. Beyträge zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung. Dritter Theil. Berlin 1772. Vorrede [unpag.]. I. Eine besondere Eigenschaft der Tangenten, S. 1–11. II. Zusätze zur Visirkunst, S. 12–34. III. Rectification elliptischer Bögen durch unendliche Reihen, S. 35–55. IV. Verwandlung der Figuren in gleichgroße Rectangel, S. 56–65. V. Anmerkungen über das Einschalten, S. 66–104. VI. Anmerkungen und Zusätze zur Entwerfung der Land- und Himmelscharten, S. 105–199. VII. Von Beobachtung und Berechnung der Cometen, und besonders des Cometen von 1769, S. 200–322. VIII. Anmerkungen über die Baukunst, S. 323–475. IX. Anmerkungen über die Sterblichkeit, Todtenlisten, Geburthen und Ehen, S. 476–569. Kurze Beschreibung eines Systems von Maaßstäben zu Zeichnungen. Erster Beytrag zu der zweyten Auflage des geometrischen Meßtisches nebst einer Kupfertafel von Georg Friderich Brander. Augsburg 1772. Kurzgefaßte Regeln zu perspectivischen Zeichnungen vermittelst eines zu deren Ausübung so wie auch zu geometrischen Zeichnungen eingerichteten Proportionalzirkels. Augsburg 1772. Merkwürdigste Eigenschaften der Bahn des Lichts durch die Luft und überhaupt durch verschiedene sphärische und concentrische Mittel, nebst der Auflösung verschiedener Aufgaben, welche sich darauf beziehen, als die astronomische und Erdstrahlenbrechung und was davon abhängt. Berlin 1772. Merkwürdigste Eigenschaften der Bahn des Lichts durch die Luft und überhaupt durch verschiedene sphärische und concentrische Mittel, nebst der Auflösung verschiedener Aufgaben, welche sich darauf beziehen, als die astronomische und Erdstrahlenbrechung und was davon abhängt. Berlin 1773 [Titelaufl.].

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Vorschläge zu verschiedenen Beobachtungen, welche verdienten, gemacht zu werden, um die Meteorologie der Vollkommenheit näher zu bringen. Übersetzt von Johann Ignaz von Felbinger. Sagan 1773. Herrn Prof. Lamberts Hygrometrie oder Abhandlung von den Hygrometern. Aus dem Französischen übersetzt [von Johann Christoph Thenn]. Augsburg 1774. J. H. Lamberts freye Perspective, oder Anweisung, jeden perspektivischen Aufriß von freyen Stücken und ohne Grundriß zu verfertigen. Zweyte Auflage. Mit Anmerkungen und Zusätzen vermehrt. Zürich 1774. Herrn Prof. Lamberts Fortsetzung der Hygrometrie oder Abhandlung von den Hygrometern. Aus dem Französischen übersetzt [von Johann Christoph Thenn]. Augsburg 1775. Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. I–III. Berlin 1776. Pyrometrie oder vom Maaße des Feuers und der Wärme. Berlin 1779. Beiträge zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung. Erster Theil. Zweite verbesserte Auflage. Berlin 1792 [11765]. J. H. Lamberts Abhandlung über einige akustische Instrumente. Aus dem Französischen übersetzt nebst Zusätzen über das so genannte Horn Alexanders des Großen, über Erfahrungen mit einem elliptischen Sprachrohre und über die Anwendung der Sprachröhre zur Telegraphie. Von Gottfried Huth. Berlin 1796. Sistema mira slawnago Lamberta isdannaja g. Merjanom. […] Perevel s Franzuskago Michajla Rosin. W Sanktpeterburgy 1797. Supplementa tabularum logarithmicarum et trigonometricarum auspiciis Almae Academiae Regiae scientiarum Olisiponensis cum versione introdu[c]tionis germanicae in latinum sermonem, secundum ultima auctoris consilia amplificata. Curante Antonio Felkel. Olisipone 1798. Johann Heinrich Lamberts Grundregeln der Perspectiv aus Betrachtung einer perspectivisch gezeichneten Landschaft abgeleitet. Leipzig 1799. The System of the World. By M. Lambert. Translated from the French by James Jacque. London 1800. Lettres cosmologiques sur l’organisation de l’univers, écrites en 1761, par J. H. Lambert. Traduites de l’allemand par Mr. Darquier. Publiées et augmentées de remarques par J. M. C. d’Utenhove. Amsterdam 1801. Mémoire sur la résistance des fluides avec la solution du problème balistique, par Lambert. Paris 1846.

3 Beiträge in Zeitschriften und Sammelwerken Poetische Übersezung des VIII. und CXXXVIII. Psalms. In: Die Neuesten Sammlungen vermischter Schriften. Band 3. 1. Stück. Zürich 1754, S. 80–83. Tentamen de vi caloris, qua corpora dilatat, ejusque dimensione. In: Acta Helvetica, PhysicoMathematico-Anatomico-Botanico-Medica 2 (1755), S. 172–175. Theoria staterarum ex principiis mechanices universalius exposita. In: Acta Helvetica, PhysicoMathematico-Anatomico-Botanico-Medica 3 (1758), S. 13–22. Observationes variae in mathesin puram. In: Acta Helvetica, Physico-Mathematico-AnatomicoBotanico-Medica 3 (1758), S. 128–168. Observationes meteorologicas Curiae Rhaetorum habitas una cum variis in eas animadversionibus sistit Jo. Henricus Lambert. In: Acta Helvetica, Physico-Mathematico-Anatomico-BotanicoMedica 3 (1758), S. 321–365. Einige Erfahrungen von der Stärke des Lichts. In: GAS (1759), S. 1185.

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De variationibus altitudinum barometricarum a luna pendentibus. In: Acta Helvetica, PhysicoMathematico-Anatomico-Botanico-Medica 4 (1760), S. 315–336. Astronomisch-Physicalischer Calender, Auf das Jahr Nach der Geburth unsers Herrn und Heylandes Jesu Christi MDCCLXII. Zu jedermanns Nutzen, besonders aber den Liebhabern der Sternkunde zum Vergnügen und vollständigern Gebrauche dargeleget, und mit Zusätzen begleitet. Mit Genehmhaltung der Churfürstlich-Bayerischen Akademie der Wissenschaften. München 1761. Abhandlung von dem Gebrauche der Mittagslinie beym Land- und Feldmessen. In: Abhandlungen der Churfürstlich-baierischen Akademie der Wissenschaften 1 (1763), 2. Theil, S. 3–54. De Ichnographica campi vel regionis delineatione independenter ab omni basi perficienda, Schediasma. In: Nova Acta Eruditorum (1763 [1765]), N. IV (mensis Martii), S. 143–154. Ankündigung des Neuen Organon. In: GAS (1764), S. 217–219. Lettres Cosmologiques sur la structure de l’Univers. In: Journal Helvétique (1764), Février, S. 115– 150. Abhandlung von den Barometerhöhen und ihren Veränderungen. In: Abhandlungen der Churfürstlich-baierischen Akademie der Wissenschaften 3 (1765), 2. Theil, S. 75–182. De universaliori calculi idea, disquisitio, una cum adnexo Specimine. In: Nova Acta Eruditorum (1765 [1767]), N. VI (mensis Nov. et Dec.), S. 441–473. Discours de M. Lambert. In: Discours prononcés dans les assemblées publiques, ou solemnelles, de l’Académie Royale des sciences et belles-lettres. Berlin 1765, S. 7–20. Erinnerungen des Herrn Professor Lambert gegen den Anhang der Hollandischen Schrift. In: Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen auf das Jahr MDCCLXV. 1. Teil, Nr. 1, den 3. Januar (1765), S. 2–7. Erinnerungen des Herrn Professor Lambert auf die vorhergehende Untersuchung. In: Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen auf das Jahr MDCCLXV. 2. Teil, Nr. 58, den 22. Juli, und Nr. 59, den 25. Juli (1765), S. 457–465. Genealogischer Calender Auf das Jahr 1766. Mit schönen Kupfern gezieret und mit Genehmhaltung der Königlichen Academie der Wissenschaften zu Berlin herausgegeben. Berlin 1765. Discours de M. Lambert. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin (1767), S. 506–514. In algebram philosophicam cl. Richeri breves adnotationes. In: Nova Acta Eruditorum (1767 [1768]), N. III (mensis Maii et Iun.), S. 334–344. Mémoire sur la résistance des fluides avec la solution du problème balistique. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin (1767), S. 102–188. Analyse de quelques expériences faites sur l’aiman. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1766 (1768), S. 22–48. Sur la courbure du courant magnétique. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1766 (1768), S. 49–77. Beschreibung der von Herrn Georg Friedrich Brander Mitgliede der churbaierischen Akademie der Wissenschaften, und berühmten Mechanico in Augspurg neuerfundenen Glasmicrometer. In: Abhandlungen der Churfürstlich-baierischen Akademie der Wissenschaften 5 (1768 [1769]), S. 413–436. De topicis schediasma. In: Nova Acta Eruditorum (1768), N. I (mensis Ian.), S. 12–33. Mémoire sur quelques propriétés remarquables des quantités transcendentes circulaires et logarithmiques. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin (1768), S. 265–322. Sur le nouvel Organum de M. Lambert. In: Abrégé de toutes les sciences à l’usage des adolescens et de tous ceux qui veulent s’instruire. Hg. von Jean Henri Samuel Formey. Berlin 1768, S. 143– 184.

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Zur Ursprache von Jacques Le Brigant. In: Berlinische Nachrichten von Staats- und Gelehrten Sachen (1768), Nr. 45 (14. April), S. 224, und (1768), Nr. 66 (2. Juni), S. 325. Adnotata quaedam de numeris eorumque Anatomia. In: Nova Acta Eruditorum (1769), N. III (mensis Martii), S. 107–128. Bericht über Lamberts Vorlesung über den Kometen von 1769 in der Akademie am 14. September 1769. In: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen Nr. 111. Sonnabend, den 16. September 1769, S. 511b–512a. Expériences sur le poids du sel et la gravité spécifique des saumures faites et analysées. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1762 (1769), S. 27–65. Sur la méthode du calcul intégral. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belleslettres de Berlin 1762 (1769), S. 441–484. Solutio problematis ad methodum Tangentium inversam pertinentis. In: Nova Acta Eruditorum (1769), 8, S. 356–359. Sur la Figure de l’Océan. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1767 (1769), S. 20–26. Solution générale et absolue du problème de trois corps moyennant des suites infinies. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1767 (1769), S. 353–364. [Avertissement.] In: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (1770), Nr. 116 vom 27. September 1770, S. 600. Beyträge zum Wasserwägen. In: Picards Abhandlung vom Wasserwägen mit neuen Beyträgen von J. H. Lambert. Berlin 1770, S. 187–296. Vorrede des Herrn Lambert (vom 29. September 1769), S. 3f. I. Was das Wasserwägen besonders auf sich hat, S. 189–199. II. Von natürlichen Wasserwagen, in Gegensatz derer die mehr künstlich sind, S. 200–204. III. Von dem Gebrauche des Barometers bey Bestimmung der Höhen, S. 205–215. IV. Von den Wasserwagen, S. 216–225. V. Die Ründung der Erde in Absicht auf das Wasserwägen, S. 226–241. VI. Die Stralenbrechung in Absicht auf das Nivelliren, S. 242–261. VII. Untersuchung der Fehler, so von den Winkeln und der Distanz abhängen, S. 262–289. VIII. Die Brandersche Wasserwage, S. 290–296. Sur quelques instrumens acoustiques. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belleslettres de Berlin 1763 (1770), S. 87–124. Observations sur les équations d’un degré quelconque. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1763 (1770), S. 278–291. Observations sur les diviseurs des équations d’un degré quelconque qui peuvent etre trouvés indépendamment de la solution des équations. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1763 (1770), S. 292–310. Observations sur quelques dimensions du monde intellectuel. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1763 (1770), S. 421–438. Sur la vitesse du son. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1768 (1770), S. 70–79. Mémoire sur la partie photométrique de l’art du peintre. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1768 (1770), S. 80–108. Observations trigonométriques. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1768 (1770), S. 327–354. Versuche über das Gewicht des Salzes und die eigenthümliche Schwere der Solen, [...] übersetzt [...] von D. Jo. Ge. Krünitz. In: Neues Hamburgisches Magazin, oder Fortsetzung gesammleter Schriften, aus der Naturforschung, der allgemeinen Stadt- und Land-Ökonomie und den angenehmen Wissenschaften überhaupt 8 (1770), 48, S. 483–544.

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Anmerkungen über einige Ausmessungen der Gedanken- (Intellectual-) Welt. Übersetzt von D. J. G. Krünitz. In: Neues Hamburgisches Magazin, oder Fortsetzung gesammleter Schriften, aus der Naturforschung, der allgemeinen Stadt- und Land-Ökonomie und den angenehmen Wissenschaften überhaupt 9 (1771), S. 324–354. Abhandlung über die Gestalt des großen Weltmeers. In: Neues Hamburgisches Magazin, oder Fortsetzung gesammleter Schriften, aus der Naturforschung, der allgemeinen Stadt- und LandÖkonomie und den angenehmen Wissenschaften überhaupt 10 (1771), 57, S. 195–207. Avertissement. In: AdB 14 (1771), 1, S. 304f. Essai d’hygrométrie ou sur la mesure de l’humidité. In: Histoire de l’Académie royale des sciences et des belles-lettres de Berlin 1769 (1771), S. 68–127. Versuche über das Gewicht des Salzes und die eigenthümliche Schwere der Solen. In: Beschreibung einer neuen hydrostatischen Wage nebst zweyen hiezu gehörigen Abhandlungen. Hg. von Georg Friederich Brander. Augsburg 1771, S. 1–62. Vorbericht. In: Beschreibung sieben Arten von Ramm-Maschinen, welche den von dem Königl. Preuß. General- Ober- Finanz- Krieges- und Domainen-Directorio, durch die Königl. Academie der Wissenschaften auf das Jahr 1770. ausgesetzten Preis erhalten hat, nebst bemeldten Herrn Haasens nachgeschickten Zusätzen, und noch drey andern Abhandlungen, welche wegen bemeldten Preises eingeschickt, und der Bekanntmachung würdig erachtet worden. Hg. von Johann Wilhelm Haase. Berlin 1771, S. III–XII. [Sur les Cometes de 1769 et de 1770.] In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1770 (1772), S. 45–47. Sur les porte-lumieres appliqués à la Lampe. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1770 (1772), S. 51–57. Observations sur l’Encre & le Papier. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1770 (1772), S. 58–67. Observations analytiques. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belleslettres 1770 (1772), S. 225–244. Essai de taxéométrie ou sur la mesure de l’Ordre. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1770 (1772), S. 327–342. Sur la Langue universelle. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belleslettres 1771 (1773), Histoire de l’Académie, S. 20–22. Exposé de quelques Observations qu’on pourroit faire pour répandre du jour sur la Météorologie. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1771 (1773), S. 60– 65. Observations sur l’influence de la Lune dans le poids de l’Atmosphere. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1771 (1773), S. 66–70. Additions au Mémoire précédent. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1771 (1773), S. 71–73. Sur les lorgnettes achromatiques d’une seule espece de verre. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1771 (1773), S. 338–351. Observations sur l’Orbite apparente des Cometes. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1771 (1773), S. 352–364. Examen d’une espece de Superstition ramenée au calcul des probabilités. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1771 (1773), S. 411–420. Abhandlung über das Maaß des Lichtes in der Mahlerkunst. Übersetzt von [Johann Georg] Krüni[t]z. In: Neues Hamburgisches Magazin, oder Fortsetzung gesammleter Schriften, aus der Naturforschung, der allgemeinen Stadt- und Land-Ökonomie und den angenehmen Wissenschaften überhaupt 13 (1773), 75, S. 135–185.

Bibliographie | 435

Über die Geschwindigkeit des Schalles. Übersetzt von [Johann Georg] Krüni[t]z. In: Neues Hamburgisches Magazin, oder Fortsetzung gesammleter Schriften, aus der Naturforschung, der allgemeinen Stadt- und Land-Ökonomie und den angenehmen Wissenschaften überhaupt 13 (1773), 75, S. 186–202. Beobachtungen über die Dinte und das Papier. Übersetzt von J[ohann] G[eorg] Krüni[t]z. In: Neues Hamburgisches Magazin, oder Fortsetzung gesammleter Schriften, aus der Naturforschung, der allgemeinen Stadt- und Land-Ökonomie und den angenehmen Wissenschaften überhaupt 13 (1773), 76, S. 263–280. [Ohne Titel.] In: Anleitung, jede Art der Witterung genau zu beobachten, in Karten zu verzeichnen, zu vergleichen, und daraus, besonders für die Landwirthschaft, nützliche Folgen zu ziehen. Hg. von Ignaz von Felbiger. Sagan 1773, S. 59–64. Zeit- und Kirchenrechnung auf das Jahr 1776. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. IX–XIV. Ausmessungen des Planetensystems / des Mondlaufs. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S 98–101. VII. Tafel, zum Einschalten. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 125–128. XIII.‒XV. Tafel. Für die Nutation. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 136. XVI. Tafel, für die Abirrung der Planeten und Cometen. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 137. XIX. Tafel, der Sinus in Graden, Minuten und Secunden. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 143. XX. Tafel, für die Lage des Mondaequators. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 144. Über das Einschalten beym Gebrauche der Ephemeriden. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 97–108. Über die Nutation oder Schwankung bey Voraussetzung der elliptischen Bewegung des Weltpols um seinen wahren Mittelpunct. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr

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1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 108–114. Von der Abirrung des Lichtes der Planeten. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 114f. Von der Abirrung des Lichtes der Fixsterne. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 115–126. Von der Parallaxe und dem Durchmesser des Mondes in verschiedenen Höhen, bey Voraussetzung, dass die Erde eine Kugel sey. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 126–129. Von der scheinbaren Gestalt des Ringes des Saturns. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 130–134. Erklärung und Gebrauch der Mondcharte. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 134– 154. Vom Auf- und Untergange des Mondes und dessen Bestimmung für jede Örter der Erdfläche, vermittelst der Ephemeriden. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 154–160. Vom Gebrauche der Ephemeriden bey Monduhren. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 161–164. Anmerkung über vorstehendes Schreiben des Hrn. P. Hallerstein. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 208–212. Von dem Gange der Penduluhren. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1776 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1774), S. 215–223. Beschreibung und Erfolg der mit einigen Feuersprützen angestellten Versuche. In: Georg Simon Klügel: Abhandlung von der besten Einrichtung der Feuersprützen, zum Gebrauch des platten Landes, welche die eine Hälfte des von dem Königl. Preußischen General-Ober-Finanz- Kriegsund Domainendirectorio auf das Jahr 1772 ausgesetzten Preises gewonnen hat, nebst den die

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andere Hälfte des Preises und die nach vorläufig angestellten Versuchen wirklich geschehene Verfertigung einer der Preisfrage gemässen Feuersprütze betreffenden Anzeigen. Berlin 1774, S. 5–14. Sur le frottement entant qu’il rallentit le mouvement. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1772 (1774), S. 9–32. Sur la fluidité du sable, de la terre et d’autres corps mous, rélativement aux loix de l’Hydrodynamique. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1772 (1774), S. 33–64. Suite de l’essai d’hygrométrie. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belleslettres 1772 (1774), S. 65–102. Sur la densité de l’air. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1772 (1774), S. 103–140. Zeit- und Kirchenrechnung auf das Jahr 1777. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), S. IX–XII. Ausmessungen des Planetensystems und des Mondlaufs. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), S. 98–101. VII. Tafel, zum Einschalten. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), S. 125–128. XII.‒XIV. Tafel. Für die Nutation. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), S. 134. XV. Tafel, für die Abirrung der Planeten und Cometen. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), S. 135. XVIII. Tafel, für die Lage des Mondaequators. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), S. 141. XIX. Tafel, Verzeichniss der selenographischen Länge und Breite einiger der kenntlichsten Mondflecken. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), S. 142f. Vom Gebrauche der Mondcharte, wenn der Mond Fixsterne bedeckt oder nahe bey denselben vorbey geht. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 63–69.

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Von der geographischen Länge und Breite der Örter. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 69–73. Von Bestimmung und Berichtigung der Mittagslinie. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 73–78. Über die neuen Versuche, von den Fernröhren in Ansehung des erweiterten Feldes mehreren Vortheil zu ziehen. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 103–108. Des Herrn Praelaten von Felbiger Beobachtung der Mondfinsterniss vom 30sten Sept. 1773, zu Sagan. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 108f. [Mit einer Anmerkung Lamberts S. 109]. Betrachtungen über ersterwähnte Mondfinsterniss vom 30sten Sept. 1773. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 110–114. Von dem Cometen 1773 und 1774. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 127– 137. Betrachtungen über die veränderliche Sichtbarkeit des Saturnringes. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 164–169. Über die scheinbare Lage der Trabanten des Saturns. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 169–177. Nachricht von den Veränderungen, welchen Jupiter und Saturn durch ihre wechselseitige Einwirkung in ihrer Bewegung unterworfen sind. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 177f. Vom Trabanten der Venus. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Be-

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obachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 178–189. Über die Grenzen der Möglichkeit der Sonnenfinsternisse und Bedeckungen der Sterne vom Monde für eine gegebene Polhöhe. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 190– 200. Eine neue Art Sonnenuhren. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1777 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1775), 2. Theil, S. 200– 202. Rapport fait à l’Academie au sujet de six Traités manuscrits, qui lui ont été envoyés d’Opole dans le Palatinat de Lublin par M. de Nax. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1773 (1775), Histoire de l’Académie, S. 19–24. Construction d’une échelle ballistique. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1773 (1775), S. 34–41. Exposé de quelques Observations physiques. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1773 (1775), S. 42–46. Résultat des recherches sur les irrégularités du mouvement de Saturne & de Jupiter. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1773 (1775), S. 216–221. Essai d’une théorie du Satellite de Vénus. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1773 (1775), S. 222–250. Second Essai de Taxéométrie ou sur la Mesure de l’Ordre. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1773 (1775), S. 347–368. Beiträge Lamberts für: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften. I.–III. Band. Berlin 1776. Rapport fait à l’Académie au sujet d’un Mémoire manuscrit du R. P. Knoll. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1774 (1776), S. 24f. Remarques sur le tempérament en Musique. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1774 (1776), S. 55–73. Sur la perspective aërienne. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belleslettres 1774 (1776), S. 74–80. Vorbericht. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 1 (1776), S. III–XVI. Nachtrag zu dem vollständigen Verzeichnisse der Nebelsterne. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 1 (1776), S. XVII. Nachtrag zum Verzeichniss der geographischen Länge und Breite der Örter aus Beobachtungen. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 1 (1776), S. XVIII–XX. Anmerkungen und Verbesserungen. Im I. [‒III.] Bande. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 1 (1776), S. XXIf. Verzeichniss der im ersten Bande vorkommenden Tafeln. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 1 (1776), S. XXIIIf. Sonnensystem, Erd- und Zeitkunde. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 1 (1776), S. 2–80. 1. Vorstellung des Planetensystems nach verschiedenen astronomischen Tafeln, S. 2–11.

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2. System der Trabanten des Jupiters, S. 12f. 3. System der Trabanten des Saturns, S. 14f. 4. Vorstellung des Mondlaufes, S. 14–16. 5. Selenographische Länge und Breite der Mondsflecken, S. 17–22. 6. Verzeichniss der in den Geschichtbüchern angemerkten Cometen, S. 23–35. 7. Bestimmungsstücke der Bahn aller bisher beobachteten Cometen, S. 36–42. 8. Verzeichniss der Örter, deren geographische Länge und Breite durch wirkliche Beobachtungen bestimmt worden, S. 43 -67. 9. Zum Julianischen, Gregorianischen, Jüdischen, Türkischen und Nabonassarischen Calender und Zeitrechnung, S. 68-80. Tafeln für die Zeit der Neu- und Vollmonde. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 2 (1776), S. 97–104. Tafeln für die Zeit des Mondes im Mittagskreise, in beliebigen Stundenkreisen und am Horizonte. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 2 (1776), S. 105–120. Verzeichniss der in den Geschichtsbüchern angemerkten Sonn- und Mondsfinsternisse. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 2 (1776), S. 121–128. Perturbationstafeln für den Saturn zur Verbesserung der elliptischen heliocentrischen Länge. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 2 (1776), S. 269–271. Perturbationstafel für die heliocentrische Länge des Jupiters. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 2 (1776), S. 272f. Verzeichniss der im dritten Bande vorkommenden Tafeln. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), [unpag., 2 S.]. Erklärung und Gebrauch vorstehender zwo Tafeln und Erklärung und Gebrauch nachfolgender Tafel. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 22–24. Nacherinnerung. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 30. [Korrekturen Lamberts in Bodes »Anmerkungen zu den vorhergehenden Tafeln«.] In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 97. Gebrauch vorstehender Tafeln der Trabanten des Jupiters. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 129f. Scheinbare Gestalt und Lage der Bahn des I. [... IV.] Trabanten sowohl von der Erde als aus der Sonne gesehen. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der KöniglichPreussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 131–136. Scheinbare Gestalt des Saturnringes, wie auch der Bahnen der Trabanten, sowohl von der Erde als von der Sonne gesehen. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der KöniglichPreussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 157f. Tafeln für die Nutation oder Schwankung der Erdachse. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 160f. Für die Abirrung des Lichtes der Planeten und Cometen. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 162f. Länge der gemessenen Grade des Mittagskreises in Toisen. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 170.

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Länge des Secundenpenduls in Pariserlinien. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 171. Erklärung und Gebrauch vorstehender Tafel. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 208–210. Gebrauch vorstehender Tafel. In: Sammlung astronomischer Tafeln. Unter Aufsicht der KöniglichPreussischen Akademie der Wissenschaften 3 (1776), S. 225–227. Warum die Calender-Weissagungen sich noch bey vielen in Credit erhalten. In: Hannoverisches Magazin, worin kleine Abhandlungen, einzelne Gedanken, Nachrichten, Vorschläge und Erfahrungen, so die Verbesserungen des Nahrungs-Standes, die Land- und Stadt-Wirthschaft, Handlung, Manufacturen und Künste, die Physik, die Sittenlehre und angenehmen Wissenschaften betreffen, gesammlet und aufbewahret sind 14 (1776), 35, Sp. 551–558. Préface. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. I (1776), S. III–XVI. Supplément du Catalogue des Étoiles fixes. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. I (1776), S. XVII. Suite du Catalogue de la longitude & de la latitude des lieux fixés par les observations. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. I (1776), S. XVIII–XX. Remarques & Corrections. Dans le premier [-troisième] Volume. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. I (1776), S. XXIf. Régistre des tables contenues dans le premier volume. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. I (1776), S. XXIIIf. Systême solaire, Géographie, & Chronologie. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. I (1776), S. 2–80. 1. Représentation ou tableau du Systême planétaire suivant différentes tables astronomiques, S. 2–11. 2. Systême des Satellites de Jupiter, S. 12f. 3. Systême des Sattelites de Saturne, S. 14f. 4. Représentation du mouvement de la Lune, S. 15–16. 5. Longitude & Latitude sélénographique des taches de la Lune, S. 17–22. 6. Catalog. des Cometes dont les histoires font mention, S. 23–35. 7. Élements de l’orbite des Cometes calculées jusqu’à ce jour, S. 36–42. 8. Longitudes & Latitudes géographiques des Lieux fixées par des observations, S. 43–67. 9. Les Calendriers Julien, Grégorien, Juif, Turc, & l’Ere de Nabonassar, S. 68–80. Tables pour le temps du passage de la Lune par le Méridien & par un Cercle horaire quelconque, & où elle se trouve dans l’Horizon. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. II (1776), S. 105–120. Catalogue des Éclipses du Soleil & de la Lune qu’on trouve remarquées dans les histoires. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. II (1776), S. 121–128. Tables des Perturbations de Saturne pour corriger la Longitude héliocentrique & elliptique. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. II (1776), S. 269–271. Tables des Perturbations pour corriger la Longitude héliocentrique & elliptique de Jupiter. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. II (1776), S. 272f.

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Registre des tables contenues dans le troisieme volume. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), [unpag., 2 S.]. Explication & Usage des deux Tables précédentes sowie Explication & Usage de la Table suivante. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), S. 22–24. Remarque. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), S. 30. Korrekturen Lamberts in Bodes ,,Remarques sur les Tables précédentes. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), S. 97. Usage des Tables précédentes. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), S. 129f. Figure & Situation apparente de l’orbite du premier [ ... quatrième] Satellite de Jupiter vues tant du Soleil que de la Terre. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), S. 131–136. Figures apparentes de l’anneau, & des orbites des Satellites de Saturne telles qu’elles paroissent, vues tant du Soleil que de la Terre. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), S. 157f. Table pour la Nutation de l’Axe Terrestre. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), S. 160f. Pour l’Aberration de la lumiere des Planetes & des Cometes. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), S. 162f. Longueur en Toises des dégrés du Méridien qu’on a mesurés. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), S. 170. Longueur du pendule à Secondes, en lignes de Paris. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse Vol. III (1776), S. 171. Explication & Usage de la Table précédente. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), S. 208– 210. Usage de la Table précédente. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. III (1776), S. 225–227. Zeit- und Kirchenrechnung auf das Jahr 1778. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), S. IX–XII. Ausmessungen des Planetensystems. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), S. 98–101. VII. Tafel, zum Einschalten. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), S. 125–128. XII.-XIV. Tafel. Für die Nutation. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden

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Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), S. 134. XV. Tafel, für die Abirrung der Planeten und Cometen. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), S. 135. XVIII. Tafel, für die Lage des Mondäquators. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), S. 141. XIX. Tafel. Verzeichniss der selenographischen Länge und Breite einiger der kenntlichsten Mondflecken. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), S. 142f. Eine neue Art Sonnenfinsternisse zu entwerfen. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), 2. Theil, S. 49–52. Von der scheinbaren Lage der Saturnstrabanten im Jahre 1778. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), 2. Theil, S. 52–54. Über die Anwendung der Äquilibrations- oder Gleichgewichtslinie bey Mauerquadranten. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), 2. Theil, S. 88–90. Herrn Lamberts Nacherinnerung über Hrn. Bernoulli vorstehende Tafel und Abhandlung. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), 2. Theil, S. 119–122. Fortgesetzte Betrachtungen über die veränderliche Sichtbarkeit des Saturnringes. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), 2. Theil, S. 148–152. Vom Trabanten der Venus. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), 2. Theil, S. 186– 191. Des Herrn Messier Beobachtungen des Saturns zur Zeit seines Gegenstandes mit der Sonne in den Jahren 1773, 1774 und 1775. Aus einer Abhandlung gezogen, welche Hr. Messier der Königl. Pr. Academie der Wissenschaften überschickt hat. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden

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für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), 2. Theil, S. 191–193. Einige trigonometrische Anmerkungen. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), 2. Theil, S. 205– 210. Einige Anmerkungen über die Kirchenrechnung. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1778 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1776), 2. Theil, S. 210–226. Vorbericht zu: Christian Ludwig Ziegler: Beantwortung der von dem Königl. Preußischen GeneralOber-Finanz- Kriegs- und Domainen-Directorio ausgesetzten Preisfrage über die Ursachen der Festigkeit alter Römischer und Gothischer Gebäude und die Mittel, gleiche Dauerhaftigkeit bey neuen Mauerwerken zu erhalten. Berlin 1776. Observations sur les Flûtes. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belleslettres 1775 (1777), S. 13–48. Expériences et remarques sur les moulins que l’eau meut par en bas dans une direction horisontale. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1775 (1777), S. 49– 69. Remarques sur les moulins & autres machines dont les roues prennent l’eau à une certaine hauteur. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1775 (1777), S. 70– 81. Remarques sur les moulins & autres machines où l’eau tombe en dessus de la roue. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1775 (1777), S. 82–91. Remarques sur les moulins à vent. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1775 (1777), S. 92–101. Über eben die Sache. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1780 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 22–24. For[t]gesetzte Anmerkungen über den Gang der Wollastonischen Uhr. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1780 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 25f. Bedingungen ganzer Sonnenfinsternisse für eine gegebene Polhöhe. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1780 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 26–38. Anmerkungen und Aufgaben zum Gebrauche des in den Ephemeriden angegebenen Mondlaufes. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1780 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 38–46.

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Betrachtungen über die nahen Zusammenkünfte der Planeten. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1780 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 47–53. Über die grösste Ausweichung der untern Planeten. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1780 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 53–57. Vom Glanze der Venus. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1780 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 58–60. Über die Umwälzung der Sonne um ihre Axe. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1780 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 60–66. Analytische Formeln zum Behufe der astronomischen Rechnungen. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1780 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 67–76. Zusatz zur Lehre vom Einschalten. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1780 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 76–78. Über einen besondern Gebrauch der Ephemeriden. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1780 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 78–81. Tafel, zum Einschalten. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1779 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), S. 140–143. Über die Bedeckung des Jupiter von dem verfinsterten Mond. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1779 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 141–145. Erklärung der magnetischen Abweichungscharte. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1779 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 145–149. Einige Anmerkungen über die Uhren. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1779 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagen-

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den Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 150– 154. Gebrauch der Mondcharte bey der Mondsfinsterniss vom 17 Merz 1764 zu Bestimmung der Länge verschiedener Örter. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1779 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 154– 165. Über die Bestimmung der Laufbahn der Cometen. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1779 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 166–172. Anmerkungen über die Stralenbrechung. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1779 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1777), 2. Theil, S. 172–186. [Von gelehrten Sachen.] Notiz über die Vorlage einer Zeichnung des Nordlichts vom 26. Februar 1777 und einen Bericht darüber durch Lambert in der Akademie der Wissenschaften. In: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen 26 (1777), Nr. 26 vom 1. März 1777, S. 129. Anmerkungen über den Positionswinkel des Mondes. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1781 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1778), 2. Theil, S. 55–58. Beobachtungen über die Dinte und das Papier. In: Chemisches Journal für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunst und Manufacturen. Erster Theil. Hg. von Lorenz Crell. Lemgo 1778, S. 224–229. Lamberts Gedanken über die musikalische Temperatur. In: Historisch-Kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik. Bd. 5. Hg. von Friedrich Wilhelm Marpurg. Berlin 1778, S. 419–450. Tafel der Potenzen aller Wurzeln, so zwischen 0,01 und 1,00 fallen. In: Neue und erweiterte Sammlung logarithmischer, trigonometrischer und anderer zum Gebrauch der Mathematik unentbehrlicher Tafeln / Recueil des Tables logarithmiques, trigonometriques et autres necessaires dans les mathematiques pratiques. Band II. Hg. von Johann Carl Schulze. Berlin 1778, S. 278– 281. Tafel der Quadratzahlen aller Wurzeln von 1 bis 1000. In: Neue und erweiterte Sammlung logarithmischer, trigonometrischer und anderer zum Gebrauch der Mathematik unentbehrlicher Tafeln / Recueil des Tables logarithmiques, trigonometriques et autres necessaires dans les mathematiques pratiques. Bd. II. Hg. von Johann Carl Schulze. Berlin 1778, S. 282f. Tafel der Cubiczahlen aller Wurzeln von 1 bis 1000. In: Neue und erweiterte Sammlung logarithmischer, trigonometrischer und anderer zum Gebrauch der Mathematik unentbehrlicher Tafeln / Recueil des Tables logarithmiques, trigonometriques et autres necessaires dans les mathematiques pratiques. Bd. II. Hg. von Johann Carl Schulze. Berlin 1778, S. 284–287. Tables propres à trouver le temps des nouvelles & des pleines Lunes. In: Recueil de Tables astronomiques, publié sous la direction de l’Académie Royale des Sciences et Belles-Lettres de Prusse, Vol. II (1778), S. 97–104.

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Lamberts Beobachtung über Dinte und Papier, nebst einem einfachen Mittel eine dauerhafte schwarze Dinte zu machen. In: Hannoverisches Magazin, worin kleine Abhandlungen, einzelne Gedanken, Nachrichten, Vorschläge und Erfahrungen, so die Verbesserungen des NahrungsStandes, die Land- und Stadt-Wirthschaft, Handlung, Manufacturen und Künste, die Physik, die Sittenlehre und angenehmen Wissenschaften betreffen, gesammlet und aufbewahret sind 17 (1779), 105. Stück vom 31. Dezember 1779, Sp. 1671–1678. Sur le frottement entant qu’il rallentit le mouvement & s’y oppose. Second mémoire. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1776 (1779), S. 3–18. Sur les forces du corps humain. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1776 (1779), S. 19–72. Sur les observations du vent. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belleslettres 1777 (1779), S. 36–41. Sur les irrégularités du mouvement de Saturne. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1779 (1781), S. 244–292. Sur les irrégularités du mouvement de Jupiter. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1779 (1781), S. 293–300. Aufnahmediplom der Bayerischen Akademie der Wissenschaften nach Lamberts Entwurf, 29. September 1760. In: Geschichte der baierischen Akademie der Wissenschaften, auf Verlangen derselben verfertigt, von Lorenz Westenrieder [...]. Erster Theil von 1759‒1777. München 1784, S. 447f. Entwurf des akademischen Systems in seinen Theilen, und deren Verbindungen; dann eines dreyfachen Tagregisters, vom Profeßor Lambert 1761. In: Geschichte der baierischen Akademie der Wissenschaften, auf Verlangen derselben verfertigt, von Lorenz Westenrieder [...]. Erster Theil von 1759–1777. München 1784, S. 482–531. Lamberts Beobachtung über Dinte und Papier, nebst einem einfachen Mittel eine dauerhafte schwarze Dinte zu machen, in: Hannoverisches Magazin, worin kleine Abhandlungen, einzelne Gedanken, Nachrichten, Vorschläge und Erfahrungen, so die Verbesserungen des NahrungsStandes, die Land- und Stadt-Wirthschaft, Handlung, Manufacturen und Künste, die Physik, die Sittenlehre und angenehmen Wissenschaften betreffen, gesammlet und aufbewahret sind 22 (1784), 60. Stück vom 26. Juli 1784, Sp. 957–962. Sur le quarré de la vitesse dans la Dynamique. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1783 (1785), S. 266–278. Sur les Fluides considérés relativement à l’Hydrodynamique. In: Nouveaux Mémoires de l’Académie royale des sciences et belles-lettres 1784 (1786), S. 299–352. Theorie der Parallellinien. In: Leipziger Magazin für reine und angewandte Mathematik (1786), 2, S. 137–164 und Fortsetzung ebd., (1786), 3, S. 325–358. Anmerkungen über die Bestimmung des körperlichen Raumes jeder Segmente von solchen Körpern, welche durch die Umdrehung einer conischen Section um ihre Achse entstehen. In: Leipziger Magazin für reine und angewandte Mathematik (1786), 4, S. 425–446. Zur Bestimmung der Zeit, wenn zwey Sterne in gleichem Vertikalkreise kommen. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1789 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1786), S. 213f. Sur le son des corps élastiques. In: Nova Acta Helvetica Physico-Mathematico-Anatomico-BotanicoMedica 1 (1787), S. 42–75. Sur les machines qui produisent leur effet au moyen d’une manivelle. In: Nova Acta Helvetica Physico-Mathematico-Anatomico-Botanico-Medica 1 (1787), S. 75–97.

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Über die Mehrheit der Wurzeln höherer Gleichungen. In: Leipziger Magazin für reine und angewandte Mathematik (1787), 1, S. 62–70. J. H. Lamberts fernere Anwendung der Mayerschen Mondtafeln. In: Leipziger Magazin für reine und angewandte Mathematik (1787), 3, S. 257–336. Die Differential- und Integral-Rechnung endlicher Größen. In: Leipziger Magazin für reine und angewandte Mathematik (1788), 1, S. 98–118. Lamberts Tafeln, für die ecliptischen Neu- und Vollmonde. Nach der neuern Londner Ausgabe der Mayerschen Mondstafeln von 1770. verbessert von Ludwig Oberreit. In: Leipziger Magazin für reine und angewandte Mathematik (1788), 2, S. 169–214. Beobachtungen über die Dinte und das Papier, von Herrn Lambert. In: Farbenmaterialien. Eine vollständige Sammlung brauchbarer Abhandlungen und Erfahrungen für Künstler und Fabrikanten die mit Farben zu thun haben. Hg. Johann Hermann Pfingsten. Berlin 1789, S. 270–275. Über die vierrädrigen Wagen. Ein Nachlaß von J. H. Lambert. In: Archiv der reinen und angewandten Mathematik. Hg. von Carl Friedrich Hindenburg. [2. Band (1798)], 5. Heft (1796), S. 51–57. Anmerkungen aus den nachgelassenen Handschriften des seeligen Herrn Prof. Lambert, über den Cometen, welcher 1759 wiedergekommen. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1800 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1797), S. 119–125. Über die Bewegung der Fässer in welchen Kugeln geründet werden. In: Archiv der reinen und angewandten Mathematik. Hg. von Carl Friedrich Hindenburg [2. Band (1798)], 7. Heft (1797), S. 287–295. Die vornehmsten und brauchbarsten Grundsätze der Perspectiv, aus Betrachtung einer perspectivisch gezeichneten Landschaft abgeleitet, von J. H. Lambert; mitgetheilt vom Herm Director Bernoulli zu Berlin. In: Archiv der reinen und angewandten Mathematik. Hg. von Carl Friedrich Hindenburg. 3. Band (1799), 9. Heft, S. 1–21. Optische Betrachtungen von J. H. Lambert, aus dessen hinterlassenen französischen Handschrift übersetzt. In: Archiv der reinen und angewandten Mathematik. Hg. von Carl Friedrich Hindenburg. 3. Band (1799), 9. Heft, S. 61–73. J. H. Lamberts Versuche und Berechnungen über die Blasebälge. In: Archiv der reinen und angewandten Mathematik. Hg. von Carl Friedrich Hindenburg. 3. Band (1799), 10. Heft, S. 109–122. J. H. Lamberts mathematische Ergötzungen über die Glücksspiele. In: Archiv der reinen und angewandten Mathematik. Hg. von Carl Friedrich Hindenburg. 3. Band (1799), 10. Heft, S. 209–222. Über die Kometen, welche der Erde nahe vorbeigehen. Eine vom Hrn. Prof. Lambert hinterlassene Abhandlung. In: Astronomisches Jahrbuch oder Ephemeriden für das Jahr 1802 nebst einer Sammlung der neuesten in die astronomischen Wissenschaften einschlagenden Beobachtungen, Nachrichten, Bemerkungen und Abhandlungen. Unter Aufsicht und mit Genehmhaltung der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1799), S. 154–165. Beobachtungen über die Dinte und das Papier von Herrn Lambert. In: Carl August Friedrich Hochheimer’s Tintenbuch; oder: Anweisung, alle schwarze, bunte und sympathetische Tinten zu verfertigen. Nebst des Herrn Lamberts Beobachtungen über Tinte und Papier, und einem Anhange von einigen mit der Schreiberey verwandten Materien. Leipzig 1802, S. 28–33. Beobachtungen über die Dinte und das Papier, von Lambert. In: Das Neueste und Nützlichste der Erfindungen, Entdeckungen und Beobachtungen, besonders der Engländer, Franzosen und Deutschen, in der Chemie, Fabrikwissenschaft, Apothekerkunst, Ökonomie und Waarenkenntniß, hauptsächlich für Kaufleute, Fabrikanten, Künstler und Handwerker. Erster Band (21808), S. 11–16.

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Wolf, Rudolf: Notizen zur Geschichte der Mathematik in der Schweiz. II. Johann Heinrich Lambert [Eintrag im Stammbuch von Ludwig Oberreit]. In: Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern 54/55 (1845), S. 131. Wolf, Rudolf: Notizen zur Geschichte der Mathematik und Physik in der Schweiz. XVI. Ein verloren geglaubter Brief Lamberts an Johannes Gessner [vom Oktober 1759]. In: Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahre 1851, S. 37–40. Vorläufige Kenntnisse für die, so die Quadratur und Rectification des Circuls suchen. In: Archimedes, Huygens, Lambert, Legendre. Vier Abhandlungen über die Kreismessung. Hg. von Ferdinand Rudio. Leipzig 1892, S. 133–155. [»Rien n’est parfait dans la nature ... « und »Als vormals zu des Ochsen edler Grösse ... «.] In: Georges Rémy: Jean Henri Lambert, sa vie et son œuvre. In: Revue d’Alsace 61 (1910), S. 393–406 und S. 452–468, hier S. 398f., S. 399f.

4 Rezensionen (in Auswahl1) Chmelnitzki, Johann: Gedanken über die Frage: Ob Gott mehr als eine einzige unendliche Grundkraft besitze. s.l. 1769. In: Allgemeine deutsche Bibliothek, Bd. 8 (1769), Stück 2, S. 28–34 [im Folgenden: AdB Band, Stück (Jahr), Seitenzahl]. Meier, Georg Friedrich: Recht der Natur. Halle 1767. In: AdB 8,2 (1769), S. 273f. Reimarus, Hermann Samuel: Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion auf eine begreifliche Art erkläret und gerettet. 3., verbesserte und stark vermehrte Aufl. Hamburg 1766. In: AdB 8,2 (1769), S. 276f. Feder, Johann Georg Heinrich: Grundriß der philosophischen Wissenschaften, nebst der nöthigen Geschichte. Coburg 1767. In: AdB 9,1 (1769), S. 76‒80. Garve. Christian: De nonnullis quae pertinent ad logicam probabilium. Leipzig 1766. In: AdB 9,1 (1769), S. 167–170 [anonym; Wiederabdruck in: Logische und philosophische Abhandlungen. Zum Druck befördert von Johann Bernoulli. Hg. (redigiert) von Christoph Heinrich Müller. Bd. 2. Berlin, Leipzig 1787, S. 212–216 (LPS 6) mit dem Hinweis: »Man hat die Recensionen nicht aus dem Gedruckten, sondern nur aus Lamberts Manuscripten abdrucken lassen« (ebd., S. 204)]. Crusius, Christian August: Anweisung vernünftig zu leben, darinnen nach Erklärung der Natur des menschlichen Willens die natürlichen Pflichten und allgemeinen Klugheitslehren im richtigen Zusammenhange vorgetragen werden. 3., vermehrte Aufl. Leipzig 1767. In: AdB 9,2 (1769), S. 228f. [Lavater, Johann Caspar:] Aussichten in die Ewigkeit, in Briefen an Herrn Joh. George Zimmermann. 1. Bd. Zürich 1768; 2. Bd. Zürich 1769. In: AdB 11,1 (1770), S. 32‒43. [Mayer, Andreas Ulrich:] Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange [von Gerard van Swieten] vom Vampyrismus. Augsburg 1768. In: AdB 11,1 (1770), S. 269‒271. Unzer, Johann August: Grundriß eines Lehrgebäudes von der Sinnlichkeit der thierischen Körper. Lüneburg 1768. In: AdB 11,1 (1770), S. 277‒279. Unzer, Johanna Charlotte: Grundriß einer Weltweisheit für das Frauenzimmer. 2., verbesserte und vermehrte Aufl. Halle 1767. In: AdB 11,1 (1770), S. 280f. Crusius, Christian August: Philosophische Abhandlung von denen Verderbnissen des menschlichen Verstandes, so von dem Willen abhängen. Leipzig 1768. In: AdB 11,2 (1770), S. 265.

|| 1 Vgl. zu den zahlreichen weiteren Rezensionen Lamberts LPS 8.2, S. 751‒763 sowie LPS Suppl. 2, S. 714‒817.

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5 Zeitgenössische Biographica [Anonymus:] Bericht über Lamberts Vorlesung in der Akademie am 5. Juli 1770 über den Kometen von 1770. In: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (1770), Nr. 81 vom 7. Juli 1770, S. 423. Martius, Carl Friedrich Philipp von: Erinnerung an Mitglieder der mathematisch-physikalischen Classe der K. Bayr. Akademie der Wissenschaften. Eine Rede, vorgetragen in der öffentlichen Sitzung zur Feier des akademischen Saecularfestes am 29. März 1859. München 1859. [Darin Fragmente aus dem Schreiben an Herrn Euler wegen der Preisfrage (S. 58-60), Auszug aus Herrn Prof. Euler’s Schreiben (S. 60), Bemerkungen Lambert’s zu vorstehender Antwort (S. 60– 62).]

6 Forschungsliteratur Holland, Georg J.: Abhandlung über die Mathematik, die allgemeine Zeichenkunst und die Verschiedenheit der Rechnungsarten. Nebst einem Anhang, worinnen die von Hrn. Prof. Ploucquet erfundene logicalische Rechnung gegen die Leipziger neue Zeitungen erläutert und mit Hrn. Prof. Lamberts Methode verglichen wird. Tübingen 1764, S. 57–72. Ploucquet, Gottfried: Untersuchung und Abänderung der logicalischen Constructionen des Herrn Professor Lambert nebst einigen Anmerkungen über den logicalischen Calculus. Tübingen 1765. Mendelssohn, Moses: [Rez. von] Neues Organon, oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein durch J. H. Lambert. Erster Band. Leipzig 1764. In: Allgemeine deutsche Bibliothek 3.1 (1766), S. 1–23. Mendelssohn, Moses: [Rez. von] Lamberts neues Organon. Zweiter Band. Leipzig 1764. In: Allgemeine deutsche Bibliothek 4.2 (1767), S. 1–30. Eberhard, Johann August: Über Lamberts Verdienste um die theoretische Philosophie. In: Johann Heinrich Lamberts logische und philosophische Abhandlungen. Zum Druck befördert von Johann Bernoulli. Bd. 2. Berlin 1787, S. 333–346. Weingärtner, Johann Christoph: Lehrbuch der combinatorischen Analysis nach der Theorie der Hrn. Prof. Hindenburg. Leipzig 1800. Huber, Daniel (Hg.): Johann Heinrich Lambert nach seinem Leben und Wirken aus Anlaß der zu seinem Andenken begangenen Secularfeier in drei Abhandlungen dargestellt. Basel 1829. Glaisher, James Whitbread Lee: On Lambert’s proof of the irrationality of Pi and on the irrationality of certain other quantities. In: Report of the British Association for the Advancement of Sciences 1871, S. 12‒16.

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Personenregister Abbt, Thomas 129 Amort, Eusebius 47f. Aristoteles 119, 137, 169, 256, 359, 382 Augustinus von Hippo 353 Bacon, Francis 127, 137, 193, 254, 352–354, 382 Baumgarten, Alexander Gottlieb 16, 107, 182, 256, 309f., 314f., 317, 343f., 368– 372 Bernoulli, Jacob 171 Bernoulli, Johann 4, 35, 37, 39, 67, 231, 241, 270, 276f., 278, 307, 381, 399, 401, 403f. Bodmer, Johann Jakob 28, 258, 410, 412f., 415 Boethius, Anicius Manlius Severinus 258 Bonnet, Charles 189f., 330 Bradley, James 323, 333 Brockes, Barthold Heinrich 357, 405, 413 Brucker, Johann Jacob 48, 52 Buffon, Georges-Louis Leclerc de 172, 335 Catt, Alexandre Henri de 74–76 Catull, Gaius Valerius 407 Cicero, Marcus Tullius 234, 256, 258, 353 Condillac, Étienne de 167 Corneille, Pierre 374f., 378 Cramer, Johann Andreas 402 Crusius, Christian August 89, 100, 318, 383 Descartes, René 127, 133, 148, 150, 169, 184, 200f., 214, 302, 381 Diderot, Denis 364 Dolgoruki, Wladimir Sergejewitsch 73f. Einstein, Albert 30 Euklid (Euclid) 22–24, 27, 96f., 112, 136, 211, 219, 221, 247, 251, 255, 311 Euler, Leonhard 34f., 37, 41f., 45f., 67, 72f., 77, 169, 173, 214, 217, 239–242, 244f., 249, 252 Feder, Johann Georg Heinrich 109f., 125 Fermat, Pierre de 168f. Fontenelle, Bernard le Bovier de 331, 333

https://doi.org/10.1515/9711830647761-024

Frege, Gottlob 108f. Friedrich II. 3, 73f., 76 Galen 17f. Gellert, Christian Fürchtegott 411 Geßner, Salomon 33f., 55 Goethe, Johann Wolfgang von 5, 258 Gottsched, Johann Christoph 2, 368f. Grotius, Hugo 285 Guericke, Otto 255, 259f., 264 Hales, Stephen 259f. Haller, Albrecht von 40f., 54, 58–60, 68 Hartmann, Eduard von 107 Havichorst, Aloysius 303, 309, 314, 321 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 14, 109, 120, 123 Herder, Johann Gottfried 4, 404 Hieber, Gelasius 48 Holbach, Paul-Henri Thiry Baron de 335 Holland, Georg Jonathan von 1, 15, 22f., 25, 28, 141, 143, 221, 231, 235, 241, 255, 265, 267, 335 Homer 364 Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 407f. Hubert, Daniel 415, Humboldt, Wilhelm von 359 Huygens, Christiaan 232 Ickstatt, Johann Adam Freiherr von 50 Iselin, Johann Rudolf 36 Jean Paul (Friedrich Richter) 4 Kästner, Abraham Gotthelf 28, 37, 47, 50, 67 Kandler, Angelus 48 Kant, Immanuel 4, 6, 8, 14, 16f., 19, 21–24, 28f., 94f., 97f., 105, 107–110, 112f., 117, 119, 121f., 127–129, 133, 136, 140, 143, 148, 167, 190, 197, 205, 211–229, 234, 237f., 248, 261, 301, 315, 319, 324, 328, 331, 334f., 337, 354, 364, 381, 397, 402f., 411 Kleist, Ewald Christian von 357, 411

460 | Personenregister

Klopstock, Friedrich Gottlieb 400, 402, 407, 409–412 Knutzen, Martin 121 Koch, Ulrich 412 Lange, Johann Christian 239–241 Lange, Samuel Gotthold 375, 408 Lavater, Johann Caspar 330 Le Clerc, Jahn 100 Leibniz, Gottfried Wilhelm 3, 16, 19, 22, 25, 126, 145, 148–153, 155, 158, 160, 168– 170, 176f., 184, 188, 234, 236, 238, 240, 242, 245f., 248f., 253–255, 257‒259, 267, 315, 324, 328f., 332, 349, 352, 381f., 386, 388 Lessing, Gotthold Ephraim 4, 352, 402, 409f. Leupold, Jacob 267 Lichtenberg, Georg Christoph 35, 304, 330f. Linprun, Johann Georg Dominikus von 42, 45f., 54f. Lipperts, Johann Caspar 48, 70 Locke, John 3, 6, 16, 21, 36, 99, 125–129, 140f., 183–185, 204, 211f., 214, 220, 381–383 Lori, Johann Georg 33f., 41–55, 61 Maimon, Salomon 107, 113, 119f., 123 Malebranche, Nicolas 36, 126–128, 148, 381 Maupertuis, Pierre Louis Morreau de 168– 171, 176f., 324 Mayer, Tobias 323 Meier, Georg Friedrich 2, 16, 67, 89, 107f., 110, 114, 164, 198, 331f., 349, 365, 375– 377, 405 Mendelssohn, Moses 4, 129, 352 Merian, Jean-Bernard 18, 74, 76 Müller, August Friedrich 329 Müller, Christoph Heinrich 35, 278f., 287, 307, 399f. Müller, Gerhard Friedrich 72f. Münchhausen, Gerlach Adolf von 41 Newton, Isaac 30, 37, 170f., 173f., 176, 214, 216f., 223, 228, 264, 321, 325, 327f., 350, 378

Osterwald, Peter von 44, 54 Planta, Martin von 39 Platner, Ernst 3, 190 Platon 122, 148, 150, 154–157 Ploucquet, Gottfried 21f., 28, 67, 239, 245, 248 Poiret, Pierre 150 Pufendorf, Samuel 36, 279, 285f. Pythagoras 135, 154, 243, 264, 316 Quintilian, Marcus Fabritius 234 Rabener, Gottlieb Wilhelm 411 Ramus, Petrus 255 Reber, Johann Heinrich 36 Reimarus, Hermann Samuel 107, 301, 328, 333, 335f. Reinhold, Karl Leonhard 181, 192 Respinger, Johann Heinrich 39f. Rißler, Peter 21, 35f., 126, 277, 279 Russell, Bertrand 118 Salis, Anton von 36, 41, 406 Salis, Baptista von 36, 41, 406, 412 Salis, Peter von 33, 277, 304, 399f. Schiller, Friedrich 343, 359 Spinoza, Baruch de 148, 404 Steinbrüchel, Johann Jacob 237, 245, Suárez, Francisco 353 Sulzer, Johann Georg 17, 24, 28, 34, 42, 45f., 72–74, 76f., 80, 247, 276, 279, 403f. Tetens, Johann Nikolaus 4, 188, 190, 200, 377 Thomas von Aquin 353 Thomasius, Christian 107, 127, 285, 329 Thomasius, Jakob 149 Thomson, James 357 Ulrich, Johann August Heinrich 107f. Viète, François 234, 238 Vives, Johannes Ludovicus 239 Walch, Johann Georg 235 Wegelin, Jakob 255, 258 Weigel, Erhard 240

Personenregister | 461

Weise, Christian 240 Weishaupt, Johann Georg 50 Wieland, Christoph Martin 4, 364 Winckelmann, Johann Joachim 359 Wolff, Christian 6, 9, 14, 16f., 19–25, 29, 36, 50, 89, 95‒97, 100f., 107, 112, 125–129, 133, 135, 140f., 145f., 149–151, 153, 158–162, 164f., 182–185, 188, 192, 200, 219, 223, 234f., 240, 242, 251, 267, 290, 294, 301, 307, 310, 314f., 318, 321, 327–329, 332, 336, 348–350, 381, 383, 388 Zedler, Johann Heinrich 330f.