Internet-Ökonomie: Grundlagen und Fallbeispiele der digitalen und vernetzten Wirtschaft [4. Aufl. 2019] 978-3-662-59828-3, 978-3-662-59829-0

Dieses Buch zeigt, wie sich Apple, Amazon, Facebook und Google zu den wertvollsten Unternehmen der Welt entwickeln konnt

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German Pages XXII, 363 [377] Year 2019

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Internet-Ökonomie: Grundlagen und Fallbeispiele der digitalen und vernetzten Wirtschaft [4. Aufl. 2019]
 978-3-662-59828-3, 978-3-662-59829-0

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXII
Buchkonzept – didaktische und thematische Einführung (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 1-5
Digitale Märkte im Überblick (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 7-21
Front Matter ....Pages 23-26
Güter in der Internet-Ökonomie (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 27-62
Produktion von digitalen Gütern (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 63-87
Konsum und Zahlungsbereitschaft (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 89-108
Preis- und Erlösstrategien (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 109-152
Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung von Angebot und Nachfrage (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 153-204
Front Matter ....Pages 205-208
Kritische-Masse-Phänomen (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 209-236
Winner-takes-it-all-Phänomen (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 237-259
Mehrseitige Märkte (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 261-278
Crowdsourcing (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 279-288
Kollaborative Märkte (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 289-303
Peer-to-Peer Märkte (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 305-339
Datenmärkte (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 341-350
Front Matter ....Pages 351-351
Epilog (Reiner Clement, Dirk Schreiber, Paul Bossauer, Christina Pakusch)....Pages 353-358
Back Matter ....Pages 359-363

Citation preview

Reiner Clement Dirk Schreiber Paul Bossauer Christina Pakusch

Internet-Ökonomie Grundlagen und Fallbeispiele der digitalen und vernetzten Wirtschaft 4. Auflage

Internet-Ökonomie

Reiner Clement Dirk Schreiber Paul Bossauer Christina Pakusch

Internet-Ökonomie Grundlagen und Fallbeispiele der digitalen und vernetzten Wirtschaft 4., aktualisierte und überarbeitete Auflage

Reiner Clement Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Sankt Augustin, Deutschland

Dirk Schreiber Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Sankt Augustin, Deutschland

Paul Bossauer Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Sankt Augustin, Deutschland

Christina Pakusch Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Sankt Augustin, Deutschland

ISBN 978-3-662-59828-3 ISBN 978-3-662-59829-0  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2010, 2013, 2016, 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Susanne Kramer Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

V

Vorwort Heutzutage nutzen bereits über vier Milliarden Menschen das Internet, mehr als drei Milliarden regelmäßig Social-Media-Plattformen und über 1,8 Mrd. greifen auf E-Commerce-Plattformen zurück, um Verbrauchsgüter wie Kleidung, Elektronikartikel und Spielzeug zu kaufen. Diese Entwicklung betrifft neben den Konsumenten auch Unternehmen, die auf die Kundenbedürfnisse eingehen und neue Angebote schaffen müssen, um am Markt langfristig erfolgreich bestehen zu können. So werden traditionelle Geschäftsmodelle durch diesen Wandel verändert und über Jahrzehnte gewachsene Marktstrukturen teilweise infrage gestellt. Gleichzeitig entstehen durch die Chancen der globalen Vernetzung völlig neue und teils disruptive Geschäftsmodelle. Die vierte Auflage des Buches ist eine konsequente Weiterentwicklung des Modulkonzepts der dritten Auflage. Die Module haben wieder durchgehend den gleichen Aufbau. Die neue Struktur der Module ist geprägt durch die Verzahnung von Grundlagen und Fallbeispielen, um noch stärker Anwendungsbezug und Praxisorientierung zu betonen. Die 14 Kapitel fügen sich mit Vor- und Nachbereitung gut in die Struktur eines Semesters ein. Maßstab ist eine Lehreinheit mit 2 h pro Woche. Rund 200 Abbildungen, 68 Tabellen, 116 Übungsaufgaben und zahlreiche Fallbeispiele erleichtern das Verständnis. Die sachlogische Verknüpfung der Module durch einen Lernpfad hat sich bewährt. So erläutert das Buch in Teil I die Grundlagen, die beim Angebot digitaler Güter, der Nachfrage auf digitalen Märkten und der Intermediation zu beachten sind. Dieser Teil ist im Wesentlichen in die Phasen Produktion, Distribution und Konsum eingeteilt. Teil II wird mit zwei wesentlichen Phänomenen, dem Kritische-Masse-Phänomen und dem Winner-takes-it-all-Phänomen eingeleitet. Insgesamt widmet sich dieser Teil der Plattformökonomie und erklärt neben den genannten Phänomenen die grundsätzlichen Funktionsweisen von zwei- und mehrseitigen Märkten, bevor mit Crowdsourcing, kooperativen Märkten und Peer-to-Peer-Märkten konkrete Anwendungsfelder illustriert werden. Im letzten Kapitel geben wir einen Überblick über Datenmärkte – eine Marktform, die sich vor dem Hintergrund der geforderten Datensouveränität privater Verbraucher derzeit entwickelt. Die Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben sowie die Abbildungen sind als Download auf der Internetseite des Buches unter www.springer.com verfügbar. Zielgruppe des Buches sind Dozenten und Studierende vor allem der Wirtschaftswissenschaften und der Wirtschaftsinformatik. Auch Praktiker, die sich für die vielfältigen Ausprägungen der Internet-Ökonomie interessieren sowie letztendlich alle Nutzer des Internets sind gerne angesprochen. Mit dieser 4. Auflage möchten wir insbesondere die Arbeit unseres leider viel zu früh verstorbenen Kollegen Prof. Dr. Reiner Clement fortführen. Bereits in den Monaten vor seiner Krankheit begannen wir mit unserem geschätzten Freund die Arbeit an der Neuauflage des Buches. Wir erinnern uns gerne an lange und spannende Diskussionen über mehrseitige Märkte und innovative Geschäftsmodelle in der Internet-Ökonomie.

VI

Vorwort

Für die Möglichkeit, dieses Lehrbuch fortzuschreiben, möchten wir uns insbesondere bei seiner Frau Birgit bedanken. Wie immer sind nicht nur die Autoren an der Fertigstellung eines Buches beteiligt. Studierende haben über Semester hinweg wertvolle Informationen und Hinweise zu den Inhalten gegeben. Für konstruktive Kritik und Anregungen möchten wir unseren geschätzten Kollegen Prof. Dr. Andreas Gadatsch und Prof. Dr. Gunnar Stevens herzlich danken. Besonderer Dank gilt unserem Kollegen Thomas Neifer sowie unseren studentischen Mitarbeiterinnen Jana Pahlisch und Anna Zens für ihre Unterstützung bei der redaktionellen Überarbeitung. Frau Susanne Kramer als verantwortliche Lektorin des Verlages danken wir für die offene, unkomplizierte und sachkundige Zusammenarbeit. Letztendlich wollen wir unsere Lebenspartner nicht vergessen, die über Monate hinweg eine deutlich geringere Beteiligung der Autoren an gemeinsamen Freizeitaktivitäten akzeptiert haben. Wir hoffen, dass möglichst viele Leser dazu beitragen, die Konzeption und den Inhalt dieses Buches weiterzuentwickeln. Anmerkungen können direkt per E-Mail an uns gerichtet werden: Dirk Schreiber

[email protected] Paul Bossauer

[email protected] Christina Pakusch

[email protected] Bonn im Juli 2019

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Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2

Buchkonzept – didaktische und thematische Einführung. . . . . . . . . . . . . . . 1 Didaktisches Konzept. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Aufbau der Lehreinheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Digitale Märkte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2.1 Komponenten der Internet-Ökonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Strukturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Preis- und Erlösbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I

7 9 12 15 19 20

Wertschöpfung auf digitalen Märkten

3 Güter in der Internet-Ökonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Grundlagen und Fallbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Digitale Transformation von Volkswirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Digitale Güter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Informationsgüter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Netzwerkgüter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Direkte Netzeffekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Indirekte Netzeffekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Netzwerkgesetze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.8 Webbasierte soziale Netzwerke und Externalitäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.9 Standardisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.10 Wert des Internets. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 28 29 29 33 37 41 42 44 45 49 51 55 58 60

Produktion von digitalen Gütern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Grundlagen und Fallbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Kostenstruktur digitaler Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Originale, Kopien und Raubkopien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Instrumente zur Durchsetzung von Eigentumsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Innovationsanreize für digitale Güter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 64 65 65 72 75 81 85 86

VIII

Inhaltsverzeichnis

5 Konsum und Zahlungsbereitschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Grundlagen und Fallbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Nachfrage nach digitalen Gütern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Einflussfaktoren auf die Zahlungsbereitschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.1 Güterkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2.2 Qualitätsunsicherheiten beim Konsum von Informationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Konsum des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89 90 91 91 93 94 97 100 106 107

Preis- und Erlösstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 6.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Grundlagen und Fallbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Preisbildung auf traditionellen und digitalen Märkten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Preisbildungsmechanismen auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Interaktive Formen der Preisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.4 Preisdifferenzierung und Produktbündelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.5 FreeConomics. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.6 Aufmerksamkeit und Werbung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109 110 111 111 115 118 128 134 139 143 150

7

I ntermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung von Angebot und Nachfrage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

7.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Grundlagen und Fallbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Nutzen der Intermediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Ausgestaltung der Intermediation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.1 Direkte Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.2 Indirekte Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

154 155 155 157 162 174 198 202

II Plattformökonomien: Phänomene und Marktmodelle der digitalen Welt 8 Kritische-Masse-Phänomen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Grundlagen und Fallbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Diffusionsprozesse auf Netzwerkmärkten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Diffusionstheorie nach Rogers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.3 Innovation und Imitation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.4 Kommunikation in sozialen Netzwerken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209 210 211 212 218 224 229 232 235

IX Inhaltsverzeichnis



9 Winner-takes-it-all-Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Grundlagen und Fallbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 „Ringe der Marktmacht“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2 Anwendungsbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2.1 Wettbewerbs- und Markteintrittsstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2.2 Lock-In-Effekte durch Wechselkosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2.3 Pfadabhängigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237 238 239 243 245 245 249 252 257 258

Mehrseitige Märkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 10.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Grundlagen und Fallbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Merkmale zweiseitiger Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Problemstellungen auf mehrseitigen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.3 Struktur mehrseitiger Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.4 Werbefinanzierte Plattformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.5 Webbasierte soziale Netzwerke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

261 262 263 263 265 266 269 272 275 277

Crowdsourcing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 11.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Grundlagen und Fallbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279 280 281 287 288

Kollaborative Märkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 12.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.1 Begriff der Kollaboration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.2 Ausprägungen kollaborativer Märkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2.3 Digitale Gemeingüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289 290 291 291 292 294 301 302

Peer-to-Peer Märkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 13.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.1 P2P-Banking. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.2 Sharing-Plattformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.3 Regeln und Verhaltensmuster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.4 Filesharing digitaler Güter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.5 Digitale Währungen und Blockchain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

305 306 307 307 311 318 322 327 336 337

X

Inhaltsverzeichnis

14 Datenmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Grundlagen und Fallbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Übungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

341 342 343 349 350

III Zusammenfassung 15

Epilog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

Serviceteil Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

XI

Symbol-, Abkürzungsverzeichnis B b B2B B2C B2G BTC

Business, Unternehmen Basisnutzen Business-to-Business Business-to-Customer Business-to-Government Bitcoin

c C C2C

derivativer Nutzen Nachfrager, Konsumenten Customer-to-Customer

DRM

Digital Rights Management

EW EWI

Erwartungswert Erwartungswert vollkommener Information



Grenzerlös

F&E

Forschung und Entwicklung

g(t)

Diffusionskoeffizient

H

Handelsspanne der Intermediäre

I IKT IT

Intermediäre Informations- und Kommunikationstechnologien Information Technology

K kg

Gesamtkosten durchschnittliche Gesamtkosten

K΄ Kf kf

Grenzkosten Fixkosten Fixe Durchschnittskosten

Kv kv

Variable Kosten Variable Durchschnittskosten

n N Nmax N(t)

Einzelperson Nutzer Marksättigung Zahl der bis zum Zeitpunkt t kumulierten Erstkäufe

OSS

Open Source Software

P p P2P

Peers (Gleichberechtigte) Preis Peer-to-Peer

q Q

Imitationskoeffizient Netzeffektfaktor

r

Innovationskoeffizient

t T TK

Zeitindex Transaktionskosten Technologie

U

Nutzen

V

Wert eines Netzwerkgutes

w WWW

Wahrscheinlichkeit WorldWideWeb

x X

Menge eines Gutes Gesamtmenge (Output)

Z

Zahlungsbereitschaft, Wertschätzung

Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1 Abb. 1.2 Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 2.5 Abb. 2.6 Abb. 2.7 Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3 Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 3.6 Abb. 3.7 Abb. 3.8 Abb. 3.9 Abb. 3.10 Abb. 3.11 Abb. 3.12 Abb. 3.13 Abb. 3.14 Abb. 3.15 Abb. 3.16 Abb. 3.17 Abb. 3.18 Abb. 3.19 Abb. 3.20 Abb. 3.21 Abb. 3.22 Abb. 3.23

Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Morphologischer Kasten für digitale Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Aktivitätsraster für digitale Märkte (vgl. Clement und Schreiber 2016, S. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Eignung von Gütern für digitale Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Beziehungsstrukturen auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Ausprägungen nach Zahl der Marktteilnehmer (vgl. Hahne 2002) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Marktplatzarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Zusammenhang zwischen Erlös- und Preismodell . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Marktteilnehmer in der digitalen Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Struktur von Teil I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Kap. 3 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Schichtenmodell. (In Anlehnung an Kollmann 2013, S. 77) . . . . . . . . 30 Auswirkungen von IKT auf Grundannahmen ökonomischer Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Auswirkungen von IKT auf Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Auswirkungen von IKT auf Markttransaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Auswirkungen von IKT auf das Verhalten von Akteuren . . . . . . . . . . 33 Auswirkungen von IKT auf den Charakter von Wissen . . . . . . . . . . . . 34 Einordnung digitaler Güter (vgl. auch Bode 1997, S. 452) . . . . . . . . . 35 Digitalisierungsgrade von Gütern. (In Anlehnung an Choi et al. 1997, S. 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Eigenschaften materieller und digitaler Güter (vgl. Krcmar 2015, S. 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Schichten eines Informationsgutes (vgl. Kaspar 2006, S. 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Daten, Informationen und Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Informationen als Wirtschaftsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Klassifikation von Informationsgütern (vgl. Linde 2008, S. 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Originärer und derivativer Nutzen von Gütern (vgl. Böhm 2004, S. 236) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Direkte Netzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Direkte Netzeffekte und Externalitäten (vgl. Linde und Stock 2011, S. 62) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Indirekte Netzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Netzwerkgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Wachstum von Netzwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Webbasierte soziale Netzwerke und Externalitäten . . . . . . . . . . . . . . . 50 Standardisierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Offenheit eines Standards und Marktanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

XIII Abbildungsverzeichnis

Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 4.3 Abb. 4.4 Abb. 4.5 Abb. 4.6 Abb. 4.7 Abb. 4.8 Abb. 4.9 Abb. 4.10 Abb. 4.11 Abb. 4.12 Abb. 4.13 Abb. 4.14 Abb. 4.15 Abb. 4.16 Abb. 4.17 Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. 5.3 Abb. 5.4 Abb. 5.5 Abb. 5.6 Abb. 5.7 Abb. 5.8 Abb. 5.9 Abb. 5.10 Abb. 5.11 Abb. 5.12 Abb. 6.1 Abb. 6.2 Abb. 6.3 Abb. 6.4 Abb. 6.5 Abb. 6.6 Abb. 6.7 Abb. 6.8 Abb. 6.9 Abb. 6.10 Abb. 6.11



Kap. 4 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Kostenkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Kostenverläufe bei industriell gefertigten Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Kostenverläufe bei digitalen Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Stückkostendegressionen bei PKW und Software . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Kostenverläufe bei industriellen und digitalen Gütern . . . . . . . . . . . . 69 Konsequenzen der Stückkostendegression bei digitalen Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Durchschnittskosten im natürlichen Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Bertrand-Preiswettbewerb im Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Produktionsbedingungen bei Originalen und Kopie . . . . . . . . . . . . . 73 Produktionsbedingungen bei Originalen und Raubkopien . . . . . . . 74 Ansatzpunkte zur Durchsetzung von Eigentumsrechten . . . . . . . . . 76 Digitale Plattform und Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Digital Rights Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Ökonomische Verwertungsmodelle und Eigentumsrechte . . . . . . . 81 Effekte liberaler Nutzungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Besonderheiten bei der Erstellung von Software . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Kap. 5 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Nachfragefunktion für „normale Güter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Individuelle und aggregierte Nachfrage nach einem Informationsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Ausschlussprinzip und Rivalität im Konsum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Produktion und Distribution von Informationsgütern . . . . . . . . . . . . 95 Konsumrivalität und Ausschlussprinzip bei Informationsgütern (vgl. Linde und Stock 2007, S. 68) . . . . . . . . . . . . 96 Gütereigenschaften aus informationsökonomischer Sicht (vgl. Weiber und Adler 1995, S. 59) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Informationsgüter und asymmetrische Informationen (vgl. Linde und Stock 2007, S. 52) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Ökonomische Merkmale des Internets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Überlast des Internets und Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Internetkapazität aus ökonomischer Sicht (vgl. Kruse 2011, S. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Rahmenbedingungen der Internet-Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Kap. 6 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Erwartungen an Preisbildung auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . 111 „Schnäppchen“ auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Preiselastizität auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Abrechnungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Formen der interaktiven Preisbildung (vgl. Skiera et al. 2005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Powershopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Rückwärtsauktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Reverse Pricing (vgl. Spann 2005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Auktionsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Auktionsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 6.12 Abb. 6.13 Abb. 6.14 Abb. 6.15 Abb. 6.16 Abb. 6.17 Abb. 6.18 Abb. 6.19 Abb. 6.20 Abb. 6.21 Abb. 6.22 Abb. 6.23 Abb. 6.24 Abb. 7.1 Abb. 7.2 Abb. 7.3 Abb. 7.4 Abb. 7.5 Abb. 7.6 Abb. 7.7 Abb. 7.8 Abb. 7.9 Abb. 7.10 Abb. 7.11 Abb. 7.12 Abb. 7.13 Abb. 7.14 Abb. 7.15 Abb. 7.16 Abb. 7.17 Abb. 7.18 Abb. 7.19 Abb. 7.20 Abb. 7.21 Abb. 7.22 Abb. 7.23 Abb. 7.24 Abb. 7.25 Abb. 7.26 Abb. 7.27 Abb. 7.28 Abb. 7.29 Abb. 7.30 Abb. 7.31

Bietverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Eigenschaften digitaler Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Preisbestimmung bei Informationsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Preisdifferenzierung auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Versioning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Produktbündelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Kostenlose Abgabe von Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Ausprägungen der FreeConomics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Follow the Free Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Daten- und Informationsflut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Werbung als Ausprägung der Aufmerksamkeitsökonomie . . . . . . . 140 Suchmaschinenwerbung und Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Kap. 7 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Funktionen von Intermediären in Transaktionsphasen . . . . . . . . . . . 155 Nutzen der Intermediation auf Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Nutzen der Intermediation bei Peer-to-Peer-Verbindungen . . . . . . 157 Transaktionskosten und Transaktionsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Transaktionskosten und IKT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Entwicklung von Transaktionskosten auf digitalen Märkten . . . . . . 160 Ausgestaltung von Transaktionsbeziehungen auf Märkten . . . . . . . 161 Szenarien zu Transaktionsbeziehungen auf Märkten . . . . . . . . . . . . . 161 Direkte Beziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager . . . . . . . . . 162 Preise und Güterqualität bei asymmetrischen Informationen . . . . . 166 Markttransparenz auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Informationsasymmetrien auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Qualitäts- und Verhaltensunsicherheit auf Märkten . . . . . . . . . . . . . . 170 Signaling und Screening auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Online-Direktbeziehungen und Disintermediation . . . . . . . . . . . . . . . 173 Disintermediations-Matrix (vgl. Watson et al. 2000) . . . . . . . . . . . . . . 173 Disintermediation am Beispiel von Dell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Struktur des Online-Kaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Online-Intermediation und Reintermediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Typologie von digitalen Suchdiensten (vgl. Peters 2010, S. 90) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Bestimmung des optimalen Suchumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Informationsgüte und Qualität von Suchmaschinen . . . . . . . . . . . . . 180 Such- und Vergleichsprozesse auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . 181 Preisvergleiche auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Bewertungskriterien für Preisvergleichssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Chancen und Risiken von Preisvergleichsdiensten . . . . . . . . . . . . . . . 183 Online-Handel und Transintermediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Empfehlungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Data-Mining (vgl. Kollmann 2019, S. 422 zitiert nach Wietzorek und Henkel 1997, S. 238 ff.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Datenquellen in Transaktionsphasen (vgl. Kaspar und Hagenhoff 2003, S. 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

XV Abbildungsverzeichnis

Abb. 7.32 Abb. 7.33 Abb. 7.34 Abb. 7.35 Abb. 7.36 Abb. 7.37 Abb. 7.38 Abb. 7.39 Abb. 1 Abb. 8.1 Abb. 8.2 Abb. 8.3 Abb. 8.4 Abb. 8.5 Abb. 8.6 Abb. 8.7 Abb. 8.8 Abb. 8.9 Abb. 8.10 Abb. 8.11 Abb. 8.12 Abb. 8.13 Abb. 8.14 Abb. 9.1 Abb. 9.2 Abb. 9.3 Abb. 9.4 Abb. 9.5 Abb. 9.6 Abb. 9.7 Abb. 9.8 Abb. 9.9 Abb. 9.10 Abb. 10.1 Abb. 10.2 Abb. 10.3 Abb. 10.4 Abb. 10.5 Abb. 10.6 Abb. 10.7 Abb. 10.8



Klassifikation von Empfehlungssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Empfehlungssystem von Amazon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Aufbau und Einschränkungen von Empfehlungssystemen . . . . . . . 190 Long Tail-Häufigkeitsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Triebkräfte und Effekte des Long Tail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Modell der Kundentreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Reputationssysteme (vgl. Schaffert et al. 2010, S. 27) . . . . . . . . . . . . . 196 Probleme und Lösungsansätze bei Reputationssystemen . . . . . . . . 197 Übersicht über Anbieter und Empfänger digitaler Leistungen . . . . 207 Kap. 8 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Nachfragefunktion auf Netzwerkmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Multiple Gleichgewichte auf Netzwerkmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Preisstrategie auf Netzwerkmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 S-förmige Entwicklung eines Netzwerkmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 S-förmige Diffusionskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Einflussgrößen der Diffusion nach Rogers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Adoptergruppen und Diffusionskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Bass-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Simulation einer Diffusionskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Diffusion und kritische Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Erfolgloser Diffusionsverlauf und Pinguin-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Eigenschaften webbasierter sozialer Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Tipping-Point einer Botschaft in einem sozialen Netzwerk . . . . . . . . 231 Kap. 9 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Gewinner und Verlierer auf Märkten (vgl. Shapiro und Varian 1999, S. 177) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Konsequenzen der Stückkostendegression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Kreislauf (in-)direkter Netzeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Lock-In-Zyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 „Ringe der Marktmacht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 First-Mover-Vorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Markteintrittsspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Strategien auf Märkten mit Wechselkosten (vgl. Shapiro und Varian 1999, S. 142 ff.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Pfadabhängigkeit (vgl. Schreyögg et al. 2003, S. 286) . . . . . . . . . . . . . 253 Kap. 10 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Ein- und mehrseitiger Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (In-)Stabilität eines digitalen Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Single- und Multihoming auf zweiseitigen Märkten (vgl. Hagemeister 2009, S. 70; Rochet und Tirole 2006, S. 650) . . . . 268 Zweiseitige werbefinanzierte Plattform (vgl. Dewenter 2006) . . . . . 269 Netzeffekte auf einer zweiseitigen werbefinanzierten Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Preisgestaltung auf einer zweiseitigen werbefinanzierten Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Ökonomische Merkmale von webbasierten sozialen Netzwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

XVI

Abbildungsverzeichnis

Abb. 10.9 Abb. 11.1 Abb. 11.2 Abb. 11.3 Abb. 11.4 Abb. 12.1 Abb. 12.2 Abb. 12.3 Abb. 12.4 Abb. 12.5 Abb. 12.6 Abb. 12.7 Abb. 12.8 Abb. 12.9 Abb. 13.1 Abb. 13.2 Abb. 13.3 Abb. 13.4 Abb. 13.5 Abb. 13.6 Abb. 13.7 Abb. 13.8 Abb. 13.9 Abb. 13.10 Abb. 13.11 Abb. 14.1 Abb. 14.2 Abb. 14.3 Abb. 14.4 Abb. 15.1 Abb. 15.2 Abb. 15.3 Abb. 15.4 Abb. 15.5 Abb. 15.6

Webbasiertes soziales Netzwerk als zweiseitiger Markt . . . . . . . . . . . 274 Kap. 11 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Crowdsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Rahmenbedingungen des Crowdsourcings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Paid Crowdsourcing als zweiseitiger Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Kap. 12 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Kooperation und Kollaboration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Ausprägungen der kollaborativen Ökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Kollaborative Ökonomie (vgl. Altimeter Group 2013) . . . . . . . . . . . . . 294 Tragik der Allmende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Erfolgsfaktoren für OSS-Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Erfolgsfaktoren von Wikipedia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Qualitätskriterien zur Beurteilung von Wikipedia . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Motivation in wissensbasierten Kollaborationsprojekten . . . . . . . . . 301 Kap. 13 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 P2P-Netzwerkarchitekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 Ausprägungen des P2P-Bankings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Sharing-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Ausprägungen des gemeinschaftlichen Konsums . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Legales und illegales Angebot von Kopien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Effekte des Filesharing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Digitales Signaturverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Transaktion von Bitcoin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Blockchain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Entwicklung von BTC bis zum Jahre 2140 (vgl. Yermack 2015) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Kap. 14 auf einen Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Datenplattformen als zweiseitiger Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Aufbau eines Datenmarkes am Beispiel der Schufa-Holding . . . . . . 348 Bonitätsprüfung im E-Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Aufbau digitaler Märkte ist realen Märkten nicht unähnlich . . . . . . 354 Nicht alle digitalen Märkte sind perfekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Nicht alle digitalen Märkte sind transparent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Nicht alle digitalen Märkte funktionieren grenzüberschreitend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 FreeConomics ist nicht immer ein erfolgreiches Modell . . . . . . . . . . 356 Auf digitalen Märkten gelten alte und neue Spielregeln . . . . . . . . . . 357

XVII

Tabellenverzeichnis Tab. 2.1 Tab. 2.2 Tab. 2.3 Tab. 2.4 Tab. 2.5 Tab. 3.1 Tab. 3.2 Tab. 3.3 Tab. 3.4 Tab. 3.5 Tab. 4.1 Tab. 4.2 Tab. 4.3 Tab. 4.4 Tab. 4.5 Tab. 4.6 Tab. 4.7 Tab. 5.1 Tab. 6.1 Tab. 6.2 Tab. 6.3 Tab. 6.4 Tab. 6.5 Tab. 6.6 Tab. 6.7 Tab. 7.1 Tab. 7.2 Tab. 7.3 Tab. 7.4 Tab. 7.5 Tab. 7.6 Tab. 7.7 Tab. 7.8 Tab. 8.1 Tab. 8.2 Tab. 8.3 Tab. 8.4 Tab. 9.1 Tab. 9.2

Akteure auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Formen der Preisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Basis-Erlösmodelltypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Kern- und Nebenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Basis-Geschäftsmodelle 4C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Metcalfes Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Eigentumsrechte und Offenheit von Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Offene und geschlossene Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Vorteilhaftigkeit eines geschlossenen Standards . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Vorteilhaftigkeit eines offenen Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Fixkostendegression bei Gütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Kostenverläufe im natürlichen Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Rechtlicher und technischer Schutz von Informationsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Digital Rights Management (vgl. Picot und Fiedler 2008, S. 176) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Vor- und Nachteile von DRM-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Patentschutz und nicht-sequenzielle Innovationen . . . . . . . . . . . . . 82 Patentschutz und sequenzielle Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Zahlungsbereitschaft für Informationsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Instrumente der „Preisverschleierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Ergebnisse zur Preisbildung auf digitalen Märkten (vgl. auch Clement 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Anreizkompatibilität von Auktionsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Strategische Äquivalenz von Auktionsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Merkmale des Versioning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Kostenlose Angebote auf digitalen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Umfeld der Follow-the-Free-Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Markttransparenz und zugängliche Informationen im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Pay-Off-Tabelle für den Wert von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Zahlungsbereitschaft für Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Vor- und Nachteile der Anonymität auf digitalen Märkten . . . . . . . 168 Vertrauen und Online-Risiken (vgl. Dzyek 2005, S. 80) . . . . . . . . . . . 169 Reservationspreis bei der Produktsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Pareto-Verteilung im traditionellen Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Long Tail-Verteilung im Online-Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Zahlenbeispiel zur Nachfrage nach Netzwerkgütern . . . . . . . . . . . . 213 Adoptergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Güterkategorien, Netzeffekte und Nutzen (vgl. Schoder 1995, S. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Zahlenbeispiel zum Bass-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Merkmale von Gewinnermärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 Arten von Lock-In und Wechselkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

XVIII

Tabellenverzeichnis

Tab. 9.3 Tab. 9.4 Tab. 9.5 Tab. 10.1 Tab. 10.2 Tab. 10.3

Nutzenfunktionen zur Pfadabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Lock-In Effekt konkurrierender Technologien (I) . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Lock-In-Effekt konkurrierender Technologien (II) . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Zweiseitige Märkte (vgl. Dewenter und Rösch 2015, S. 116) . . . . . . 264 Preisgestaltung auf zweiseitigen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Wettbewerbsbedingungen auf zweiseitigen Märkten (vgl. Evans und Schmalensee 2007, S. 679) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Tab. 10.4 Netzeffekte auf Werbemärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Tab. 10.5 Indirekte Netzeffekte und Preisgestaltung auf zweiseitigen Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Tab. 11.1 Anwendungsfelder von Crowdsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Tab. 11.2 Paid Crowdsourcing-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Tab. 11.3 Chancen und Risiken von Crowdsourcing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Tab. 12.1 Merkmale von Allmendegütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Tab. 12.2 Verwaltung von Güterkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Tab. 12.3 Softwarekategorien (vgl. Kooths 2004) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Tab. 13.1 Merkmale des P2P-Bankings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Tab. 13.2 Eigentumsbasierte und -ersetzende Nutzungsstrategien . . . . . . . . 313 Tab. 13.3 Beispiele für Rahmenbedingungen von Konzepten des gemeinschaftlichen Konsums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Tab. 13.4 Gefangenendilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Tab. 13.5 Ausbeutungsspiel (David gegen Goliath) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Tab. 13.6 Auszahlungsmatrix bei einem wiederholten Spiel . . . . . . . . . . . . . . . 320 Tab. 13.7 Ergebnisse von Strategien bei wiederholten Spielen . . . . . . . . . . . . 321 Tab. 13.8 Pay-Off bei Erstellung von Open Source Software . . . . . . . . . . . . . . . 322 Tab. 13.9 Nutzen und Verteilungsgerechtigkeit in einem Netzwerk . . . . . . . . 322 Tab. 13.10 Preisgestaltung mit und ohne Kopiererlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Tab. 13.11 Kopien und Kauf von Originalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Tab. 13.12 Anforderungen an digitale Währungen (vgl. Syracom 2014, S. 80) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Tab. 13.3 Bewertung des Bitcoin-Konzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Tab. 14.1 Anwendungsfelder für Datenmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Tab. 14.2 Anwendungsfälle für Interessenten in Datenmärkten . . . . . . . . . . . 346

XIX

Verzeichnis der Übungsaufgaben Kapitel 2: Digitale Märkte im Überblick

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Merkmale von Märkten Sichtbarkeit von digitalen Märkten Eignung von Gütern für den digitalen Handel Potenzielle Vorteile digitaler Märkte Ausrichtung digitaler Märkte Funktionalitäten digitaler Märkte Erlösformen auf digitalen Märkten Geschäftstypologie auf digitalen Märkten Leistungsangebot auf digitalen Märkten

Kapitel 3: Güter in der Internet-Ökonomie

10. Digitalisierungsgrade 11. Eigenschaften digitaler Güter 12. Originärer und derivativer Produktnutzen 13. Netzeffekte 14. Formen der Standardisierung 15. Offene und geschlossene Standardisierung 16. Standardisierungsstrategien 17. Durchsetzung von Standards 18. (Nicht-)Kooperative Standardisierung 19. Größenwachstum von Netzwerken 20. Wert von Netzwerken 21. Wert des Internets Kapitel 4: Produktion von digitalen Gütern

22. 23. 24. 25. 26. 27.

Kostenverläufe digitaler Güter Folgen der Stückkostendegression bei digitalen Gütern Produktionsbedingungen für digitale Güter Eigenschaften digitaler Güter und ihre Folgen Bedeutung von Verwertungsrechten und Kopiertechnologien Bedeutung von Schutzrechten/Patenten

Kapitel 5: Konsum und Zahlungsbereitschaft

28. Nutzenmaximierung bei Informationen 29. Ausschließbarkeit und Rivalität in der Nutzung von Software 30. Informationsparadoxon 31. Eigenschaften und Beurteilung von Informationsgütern 32. Eigentumsrechte und Konsum von digitalen Inhalten 33. Nutzung globaler Güter am Beispiel Internet

XX

Verzeichnis der Übungsaufgaben

Kapitel 6: Preis- und Erlösstrategien

34. Kriterien der Markteffizienz 35. Kundengetriebene Formen der Preisbildung 36. Reverse Pricing 37. Auktionsmerkmale 38. Auktionsformen 39. Grade der Preisdifferenzierung 40. Vorteilhaftigkeit der Preisdifferenzierung 41. Optimale Tarifgestaltung 42. Flatrate 43. Optionstarife 44. Versioning 45. Produktbündelung 46. Optimale Bündelstrategie 47. FreeConomics 48. Verkauf von Aufmerksamkeit Kapitel 7: Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung von Angebot und Nachfrage

49. Bedeutung der Intermediation 50. Transaktionskosten 51. Wert der vollkommenen Information 52. Asymmetrische Information 53. Verhaltens- und Qualitätsunsicherheiten 54. Kaufrisiken im Online-Handel 55. Signaling im Online-Handel 56. Disintermediation 57. Suchverhalten 58. Qualität von Suchmaschinen und Informationsgüte 59. Problematik von Suchmaschinen 60. Bewertung von Suchergebnissen 61. Preisvergleichssysteme 62. Empfehlungssysteme 63. Long Tail im Online-Handel 64. Mundpropaganda im Online-Handel 65. Reputation im Online-Handel Kapitel 8: Kritische-Masse-Phänomen

66. Nachfragefunktion auf Netzwerkmärkten 67. Rohlfs-Nachfragefunktion und kritische Masse 68. Gleichgewichte auf einem Netzwerkmarkt 69. Netzeffekte und Nutzenkategorien 70. Diffusionskurve 71. Diffusionsmodell von Rogers 72. Bass-Modell 73. Mitläufer- und Pinguineffekt 74. Virales Marketing

XXI Verzeichnis der Übungsaufgaben

Kapitel 9: Winner-takes-it-all-Phänomen

75. Winner-takes-it-all 76. Bestreitbarkeit von Märkten 77. First-Mover-Vorteile 78. Markteintrittsspiel 79. Bewertung von Quasi-Monopolisten in der digitalen Welt 80. Lock-In Effekte 81. Wechselkosten 82. Pfadabhängigkeit Kapitel 10: Mehrseitige Märkte

83. 84. 85. 86. 87. 88. 89.

(In-)Stabilität eines Marktes Netzeffekte und zweiseitige Märkte Preisbildung auf zweiseitigen Märkten Suchmaschine als zweiseitiger Markt Eigenschaften webbasierter sozialer Netzwerke Gebührengestaltung auf zweiseitigen Märkten Multihoming auf zweiseitigen Märkten

Kapitel 11: Crowdsourcing

90. Anwendungsfelder Crowdsourcing 91. Crowdsourcing-Aufgaben 92. Crowdsourcing als zweiseitiger Markt 93. Ablauf Crowdsourcing-Projekt 94. Diskutieren Sie die Chancen und Risiken von Crowdsourcing 95. Gig Economy und Uber Kapitel 12: Kollaborative Märkte

96. Formen von kollaborativen Märkten 97. Sharing-Plattformen 98. Allmendegüter 99. Commons und Gemeingüter 100. Open Source Software 101. Open Source Software-Netzwerke 102. Wikipedia als wissensbasiertes Kooperationsnetzwerk Kapitel 13: Peer-to-Peer Märkte

103. 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110.

Kollektivgutcharakter von Tauschbörsen im Internet Lösungsansätze für Kollektivgutprobleme im Internet Filesharing digitaler Güter Idee des Bitcoin-Konzepts Ausgestaltung des Bitcoin-Konzepts Bewertung des Bitcoin-Konzepts Funktionsweise von Hashwerten Angriffsszenarien für den Bitcoin



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Verzeichnis der Übungsaufgaben

Kapitel 14: Datenmärkte

111. Datenmarkt 112. Datenplattform-Betreiber 113. Geschäftsmodelle 114. Anwendungsfelder 115. Datenmärkte und Datenschutz 116. Die Bonitätsprüfung als Datenmarkt Bearbeitungshinweise zu den Aufgaben finden sich auf der Internetseite des Buches unter 7 www.springer.com.

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Buchkonzept – didaktische und thematische Einführung 1.1 Didaktisches Konzept – 2 1.2 Aufbau der Lehreinheit – 2

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0_1

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Kapitel 1 · Buchkonzept – didaktische und thematische Einführung

1.1  Didaktisches Konzept

Die Lehreinheit orientiert sich didaktisch an einem AAA-Konzept (. Abb. 1.1): 5 Aufnehmen: Grundlagen führen kurz und bündig in die Thematik ein. 5 Aneignen: Anhand von Fallbeispielen werden die Grundlagen systematisch vertieft. 5 Anwenden: 116 Übungsaufgaben dienen der selbstständigen Auseinandersetzung mit dem Lernstoff. Bearbeitungshinweise finden sich online. Die nachfolgenden 7 Kap. (3–14) haben die gleiche Struktur: 1. Inhalt und Schlüsselbegriffe, 2. Grundlagen mit Fallbeispielen, 3. Übungen und 4. Literatur. Die Online-Quellen wurden kurz vor Veröffentlichung dieses Buches nochmals auf Gültigkeit geprüft. 1.2  Aufbau der Lehreinheit

Die Lehreinheit besteht aus den Teilen A und B (. Abb. 1.2): z Teil I Wertschöpfung auf digitalen Märkten (7 Kap. 3–7)

Die Wertschöpfung eines Marktes besteht aus den Stufen Produktion, Distribution und Konsum. In diesem Teil wird analysiert, wie Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) diese einzelnen Stufen in der Internet-Ökonomie prägen. Im Mittelpunkt stehen ökonomische Transaktionen vor allem auf B2C-Märkten, partiell werden auch B2B- und C2C-Märkte betrachtet. z Güter, Produktion und Angebot

Auf digitalen Märkten werden u. a. digitale Güter und Netzwerkgüter produziert und angeboten. Ursächlich sind die besonderen Eigenschaften der Produktionsbedingungen, welche in den nachfolgend aufgeführten Kapiteln behandelt werden:

. Abb. 1.1 Konzept

1.2 · Aufbau der Lehreinheit

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. Abb. 1.2 Aufbau

5 7 Kap. 3: Digitale Güter unterscheiden sich in ihren Eigenschaften von traditionellen Gütern. Eine Ausprägung digitaler Güter stellen beispielsweise Netzwerkgüter dar, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass Masse die Knappheit als Wertquelle ­verdrängt. Direkte und indirekte Netzeffekte erhöhen den Wert von Netzwerkgütern. 5 7 Kap. 4: Die Produktion digitaler Güter ist durch Fixkostendominanz, geringe Reproduktions- und Distributionskosten sowie dadurch geprägt, dass sich die Verbreitung der Güter nicht lückenlos kontrollieren lässt. z Konsum und Zahlungsbereitschaft

Der Konsum digitaler (Informations-)Güter und Netzwerkgüter weist im Vergleich zu Sachgütern Besonderheiten auf: 5 7 Kap. 5: Bei fehlender Rivalität im Konsum und einer mangelnden Ausschließbarkeit von Nutzern ist nur eine bedingte Zahlungsbereitschaft vorhanden. Zu klären ist, ob und wie die Eigentumsrechte an digitalen (Informations-)Gütern durchzusetzen sind. 5 7 Kap. 6: Digitale Märkte bieten ein breites Anwendungsfeld für innovative und interaktive Preismodelle (z. B. Auktionen, Preisdifferenzierung, Produktbündelung), mit denen Erlöse generiert werden können. z Distribution und Beziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager

Die Beziehungen zwischen Angebot und Nachfrage können direkt oder indirekt ­ausgestaltet werden: 5 7 Kap. 7: Wenn keine asymmetrischen Informationen vorliegen und die Märkte ­hinreichend transparent sind, ist eine direkte Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern effizient. Teilweise werden reale Intermediäre durch direkte

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Kapitel 1 · Buchkonzept – didaktische und thematische Einführung

elektronische Beziehungen überflüssig (Disintermediation). Indirekte Beziehungen zwischen Angebot und Nachfrage werden durch Intermediäre geprägt. Betrachtet werden Suchmaschinen, Preisvergleichs- und Empfehlungssysteme sowie die Produktvielfalt im Online-Handel. z Teil II Plattformökonomien: Phänomene und Marktmodelle der Internet-­Ökonomie (7 Kap. 8–14)

Aus der Kombination der bisher beschriebenen Strukturmerkmale entstehen Phänomene, die für digitale Märkte charakteristisch sind. Dabei werden Wechselwirkungen zwischen Produktion, Distribution und Konsum sowie veränderte Rollen zwischen den Akteuren berücksichtigt. Teil II betrachtet besagte Phänomene und die Funktionsweisen mehrseitiger Märkte und stellt dann konkrete Marktmodelle vor, die durch die zunehmende Vernetzung der Märkte und der Konsumenten entstanden sind. Sie zeichnen sich im Vergleich zu Geschäftsmodellen auf traditionellen Märkten dadurch aus, dass Intermediäre einen virtuellen Markt für Anbieter und Konsumenten schaffen, ohne dabei selbst Güter zu produzieren oder anzubieten. Diese virtuellen Märkte werden auch als Plattformmärkte betitelt: 5 7 Kap. 8: Um einen Markt zu durchdringen, muss nicht die gesamte Konsumentengruppe von einem Produkt überzeugt werden. Es reicht aus, dass eine bestimmte Anzahl von Konsumenten von dem Gut überzeugt ist und es konsumiert. Ist diese kritische Masse erreicht, setzt sich das gut am Markt selbsttragend durch. Die Existenz von Netzwerkeffekten kann das Erreichen der kritischen Masse beschleunigen. Kenntnisse über den Schwellenwert, ab dem die kritische Masse überschritten wird (Tipping-Point), sind daher von großer Bedeutung für die Preisbildung und ­Vermarktung. 5 7 Kap. 9: Auf digitalen Märkten lässt sich häufig das Winner-takes-it-all-Phänomen beobachten. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass nur ein oder wenige Unternehmen große Teile des Markterfolges auf sich vereinen. Die anderen Marktteilnehmer müssen sich mit unbedeutenden Anteilen zufriedengeben. Beispiele sind etwa Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Online-Händler, bei denen sich jeweils ein Akteur gegenüber seinen Konkurrenten durchgesetzt hat. Ursächlich ist oft ein Zusammenwirken von Skalen-, Netz- und Lock-In-Effekten. ­ eilnehmer 5 7 Kap. 10: Auf mehrseitigen (zweiseitigen) Märkten beeinflussen sich die T der verschiedenen Marktseiten bezogen auf die Nutzung des gesamten M ­ arktes gegenseitig. Die zumindest zwei Nutzergruppen sind zwar nicht direkt, wohl aber indirekt über einen Intermediär miteinander verbunden. Der Intermediär koordiniert und organisiert als Plattform ein Netzwerk. Als Anwendungsfeld ­insbesondere im privaten Umfeld der Konsumenten werden die sozialen Netzwerke dargestellt. 5 7 Kap. 11: Auch im Bereich der Arbeitswelt haben Plattformen Einzug gehalten. Crowdsourcing-Plattformen vermitteln Auftraggeber (Unternehmen, die die Erfüllung einer Aufgabe auslagern wollen) und Crowdworker. Häufig bieten die ­Auftraggeber eine monetäre Bezahlung als Anreiz für die Arbeiter. 5 7 Kap. 12: Plattformen vernetzen auch solche Menschen, die an der gemeinsamen Erarbeitung einer Gesamtaufgabe interessiert sind. Anwendungsfelder auf ­kollaborativen Märkten sind Open Innovation, Sharing sowie digitale Gemeingüter ­(Commons).

1.2 · Aufbau der Lehreinheit

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5 7 Kap. 13: Peer-to-Peer-Märkte (P2P) lassen sich als Teil der kollaborativen Märkte verstehen. Hier gibt es eine Vielzahl von Ausprägungen, die am Beispiel des P2P-Bankings erläutert werden. Auf solchen Märkten herrscht oft ein Mangel an Vertrauen aufgrund asymmetrischer Informationen. Daher müssen die Akteure zumindest indirekt identifiziert werden. 5 7 Kap. 14: Daten bilden den wichtigsten Rohstoff vieler neuer Geschäftsmodelle auf digitalen Märkten. Konsumenten zahlen mit ihren persönlichen Daten und können so Produkte wie z. B. soziale Netzwerke kostenfrei nutzen. Vor dem Hintergrund der Datensouveränität der Verbraucher wird diskutiert, ob Konsumenten eigenständig mit ihren Daten handeln können.

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Digitale Märkte im Überblick 2.1 Komponenten der Internet-Ökonomie – 9 2.2 Strukturen – 12 2.3 Preis- und Erlösbildung – 15 2.4 Übungen – 19 Literatur – 20

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0_2

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Kapitel 2 · Digitale Märkte im Überblick

Die Internet-Ökonomie beschreibt 1. den Anwendungsbereich von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), 2. die über digitale Märke und Netzwerke, 3. der Abwicklung von ökonomischen Transaktionen dienen, um 4. digitale Wertschöpfung zu generieren. Im Vordergrund stehen ökonomische Transaktionen. Davon abzugrenzen ist z. B. der Erlebnisnutzen auf Basis der Nutzung von IKT (z. B. durch Online-Spiele). Märkte werden in der Ökonomie unter sachlichen, zutrittsbezogenen, organisatorischen, räumlichen und zeitlichen Kriterien beschrieben. Bezogen auf digitale Märkte spielen räumliche und zeitliche Kriterien keine Rolle. Aus dem Wegfall der raum-zeitlichen Beschränkungen ergibt sich gegenüber realen Märkteneine Reihe von Vorteilen, wie z. B.: 5 Schnelligkeit in der Abwicklung von Transaktionen. 5 Erschließung von Rationalisierungspotenzialen durch Kostensenkung. 5 Erfüllung von Kundenwünschen durch Individualisierung der Leistungen. 5 Größere Volumen und Reichweite. 5 Effektivere Möglichkeiten der Marktforschung und Ansprache von Kunden. Aus ökonomischer Sicht versprechen diese Vorteile einen höheren Grad an Vollkommenheit von Märkten. Digitale Märkte können dazu führen, dass 5 nahezu vollständige Informationen über Produkte, Unternehmen und Kunden erreichbar sind, welche die Markttransparenz erhöhen. Ineffiziente Marktteilnehmer, die sich bisher verstecken konnten, werden nicht überleben. 5 eine räumliche Unabhängigkeit gegeben ist und damit verbundene Präferenzen entfallen, z. B. bezogen auf örtliche Einkaufsmöglichkeiten. 5 eine Unabhängigkeit von der Zeit eintritt, z. B. durch Online-Käufe rund um die Uhr. 5 sehr kurze Reaktionszeiten möglich sind, z. B. Erledigung von Online-Bankgeschäften. Zwar sind auch digitale Märkte keine vollkommenen Märkte im ökonomischen Sinne, ihr Mehrwert ist jedoch vielfältig (vgl. Picot et al. 2003, S. 340 f.): 5 Kommunikationseffekt: Digitale Märkte ermöglichen eine schnelle und weiträumige Verbreitung größerer Informationsmengen bei gleichzeitiger Senkung der dabei entstehenden Kosten. 5 Maklereffekt: Digitale Märkte ermöglichen es, Anbieter und Nachfrager direkt miteinander zu verknüpfen und so die klassische Funktion der Informationsvermittler durch digitale Medien teilweise zu ersetzen. Beispiel sind elektronische Börsen. 5 Integrationseffekt: Digitale Märkte ermöglichen die Zusammenfassung ursprünglich getrennt ablaufender Teilprozesse in integrierten Abläufen. Beispiel sind digitale Buchungssysteme in der Tourismusbranche. Früher getrennte Buchungsprozesse (z. B. für Flug, Mietwagen und Hotel) sind über digitale Buchungssysteme übergreifend darstellbar.

2.1 · Komponenten der Internet-Ökonomie

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. Abb. 2.1  Morphologischer Kasten für digitale Märkte

Zur Systematisierung der Ausprägungen von digitalen Märkten bietet sich ein morphologischer Kasten an, der sich an den drei Grundfragen orientiert (. Abb. 2.1): „Was?“ wird „Wie?“ „Für wen?“ angeboten (vgl. Samuelson und Nordhaus 2010, S. 27). Zum Teil wird die Frage „Wie wird produziert“ zusätzlich aufgegliedert in „Wo wird produziert?“ und „Wann wird produziert“. Diese Erweiterung ist im vorliegenden Fall entbehrlich, da digitale Märkte die Raum-Zeit-Dimension überbrücken. Der morphologische Kasten untersucht verschiedene Kombinationen und Variationen von digitalen Märkten. Einzelne Marktplätze lassen sich dann in ihrer Ausrichtung gut abbilden. Die Zahl und die Ausprägung der Kriterien kann nach Bedarf angepasst werden. 2.1  Komponenten der Internet-Ökonomie a) Teilnehmer

Digitale Märkte sind ein virtueller Raum. Dennoch sind reale Akteure an der Wertschöpfung beteiligt (. Tab. 2.1). Dazu zählen Unternehmen (B: Business), Haushalte (C: Consumer) oder staatliche Institutionen (A: Administration). Die Akteure haben Beziehungen, die aus Transaktionen bestehen. Sie lassen sich in eine Informations-, Verhandlungs- und Abwicklungsphase zerlegen. Einzelne oder alle

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Kapitel 2 · Digitale Märkte im Überblick

. Tab. 2.1  Akteure auf digitalen Märkten

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Consumer

Business

Administration

Consumer

C2C: Private Auktionen, P2P-Carsharing

C2B: Jobbörsen

C2A: Steuererklärung

Business

B2C: Handel

B2B: Supply-Chain-Management, Beschaffung

B2A: Steuererklärung

Administration

A2C: Kfz-Zulassung

A2B: Ausschreibung

A2A: Abstimmung zwischen Behörden, Datenaustausch

Phasen lassen sich durch IKT unterstützen. Die Aktivitäten der Akteure bilden spezifische Interaktionsmuster, die sich in neun Felder (A, B, C · A, B, C) einteilen lassen. Im Mittelpunkt des Buches stehen die Transaktionsbeziehungen zwischen Anbietern und Konsumenten (B2C) sowie der Konsumenten untereinander (C2C bzw. Peer-to-Peer/P2P), die in der Regel durch Einschaltung von Intermediären (Plattformen) abgewickelt werden. b) Aktivitäten

Je nach Ausrichtung der Aktivitäten lassen sich Formen des digitalen Handels, des digitalen Einkaufs, der digitalen Beschaffung oder ein elektronisch gestütztes Wertschöpfungsmanagement unterscheiden (. Abb. 2.2).

. Abb. 2.2  Aktivitätsraster für digitale Märkte (vgl. Clement und Schreiber 2016, S. 7)

2.1 · Komponenten der Internet-Ökonomie

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. Abb. 2.3  Eignung von Gütern für digitale Märkte

c) Güter

Auf digitalen Märkten müssen die Face-to-Face-Kontakte realer Märkte technologisch nachgebildet werden. Die Informationsphase vor dem Kauf lässt sich durchweg gut darstellen. Für die Kaufphase, in der ein Vertragsabschluss durchgeführt wird, sind nicht alle Güter gleichermaßen gut geeignet. Sinnvoll ist die Unterscheidung der Güter nach Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften (. Abb. 2.3): 5 Im Fall von Sucheigenschaften können die Leistungseigenschaften der Güter vor dem Kauf ohne prohibitiv hohe Kosten eingeschätzt werden. 5 Sind die Leistungseigenschaften vor dem Kauf nur zu hohen Kosten oder gar nicht zu überprüfen, liegen Erfahrungs- oder Vertrauenseigenschaften vor. Gut geeignet für den digitalen Handel sind Güter wie z. B. Software, Musik, Bücher, Zeitschriften und Flugtickets. Sie sind hinreichend exakt zu beschreiben und zu beurteilen. Gleichzeitig besteht oft nur ein geringer Beratungsaufwand. Güter, die sich einer detaillierten Beschreibbarkeit bzw. Beurteilbarkeit weitgehend entziehen und/oder einen hohen Beratungsaufwand mit sich bringen, erscheinen nur bedingt geeignet. Auch Güter mit vergleichsweise geringen Preisen eignen sich für den digitalen Handel. Auch die Art der Kaufentscheidung spielt eine Rolle. So sind extensive Kaufentscheidungen überwiegend kognitiv und gedanklich gesteuert. Dabei sind Vorerfahrungen der Konsumenten mit dem Produkt bzw. der Leistung zu berücksichtigen. Im Fall habitueller Kaufentscheidungen sind kognitive und emotionale Prozesse überwiegend automatisiert (z. B. bei regelmäßigen Käufen). Impulsive Kaufentscheidungen sind oft durch spontane Handlungen gekennzeichnet, die durch reizgesteuerte Prozesse geprägt werden.

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Kapitel 2 · Digitale Märkte im Überblick

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. Abb. 2.4  Beziehungsstrukturen auf digitalen Märkten

2.2  Strukturen a) Koordination

Auf digitalen Märkten werden Angebot und Nachfrage durch unterschiedliche Mechanismen koordiniert (. Abb. 2.4): 5 Wettbewerb im klassischen ökonomischen Sinn liegt vor, wenn sich viele Nachfrager (C, Consumer) und viele Anbieter (B, Business) auf einem dezentralen Markt gegenüberstehen. Eine zentrale Koordinierung findet nicht statt. Solche Koordinationsformen finden sich vor allem zwischen gleichberechtigten Personen im Peer-to-Peer-Kontext (P2P bzw. C2C). 5 Anbieterhierarchien beschreiben inner- oder zwischenbetriebliche Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Akteuren durch Anweisungen oder Über- und Unterordnung. Beispiele sind digitale Lieferabrufsysteme von Automobilherstellern oder Bestellsysteme für Ersatzteile. 5 Zwischen digitalen Märkten und Hierarchien angesiedelt sind Netzwerke und digitale Märkte mit Intermediären. Eine direkte Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern ist auf digitalen Märkten eher als Ausnahme zu betrachten. Die Mehrzahl der Transaktionen wird durch Mittler (Intermediäre) unterstützt. Ursächlich ist, dass sich digitale Märkte physisch nicht betreten lassen: 5 In der Informationsphase können Mittler Angebote bündeln (z. B. für Flug, Unterkunft und Kulturangebot zu einer Reise) oder aus einer Datenbank durch Filtern relevanter Einträge ein Angebot entwickeln (z. B. geordnet nach Preis oder Flugziel). Auch können Mittler durch Metainformationen wie z. B. Test- oder Erfahrungsberichte für einen Mehrwert sorgen.

2.2 · Strukturen

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. Abb. 2.5  Ausprägungen nach Zahl der Marktteilnehmer (vgl. Hahne 2002)

5 In der Vereinbarungsphase können Mittler als unabhängige Dritte (Trust Center oder elektronische Notare) Vertrauen für die Marktpartner aufbauen. b) Betrieb

Die Ausgestaltung der digitalen Koordinationsleistung unterscheidet zwei Formen, die sich häufig überlagern (vgl. Richter und Nohr 2002; Meier und Stormer 2012, S. 35; ­Kollmann 2013): 5 Vertikale Marktplätze konzentrieren sich auf eine Nutzergruppe (z. B. Mitglieder einer Branche). Sie bieten Lösungen (z. B. für Branchen) und decken alle Stufen der Wertschöpfungskette mit digitalen Leistungen ab. 5 Horizontale Marktplätze fokussieren sich auf Produktgruppen, Funktionen und Prozesse, die für mehrere Branchen von Bedeutung sind. Je nach Zahl der Marktteilnehmer lassen sich verschiedene Ausprägungen digitaler Märkte unterscheiden (. Abb. 2.5). Der Betrieb eines Marktplatzes kann dabei von Maklern, Anbietern und Nachfragern übernommen werden: 5 Eine neutrale Plattform (broker, Makler-Modell) bringt viele Nachfrager und viele Anbieter zusammen. Sie wird von einem unabhängigen Dritten (Intermediär) betrieben. Ziele sind für den Anbieter die Bereitstellung eines zusätzlichen Absatzund Vertriebskanals und für die Nachfrager die Schaffung einer größeren Markttransparenz (z. B. eBay). 5 Eine verkaufsseitige Plattform (sell-side) ist dadurch gekennzeichnet, dass einige wenige Anbieter einen Großteil des Angebotes auf sich konzentrieren. Die Anbieter sind oft auch die Betreiber des Marktplatzes. Wesentliche Ziele sind ein verbessertes Kundenbeziehungsmanagement und eine zentrale Auftragsabwicklung (z. B. Amazon).

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Kapitel 2 · Digitale Märkte im Überblick

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. Abb. 2.6 Marktplatzarten

5 Eine einkaufsseitige Plattform (buy-side) wird von wenigen starken Nachfragern betrieben, wobei die Angebotsseite häufig fragmentiert ist. Ziel ist u. a. die Realisierung von Kostenvorteilen durch größere Einkaufsmengen (z. B. in der chemischen Industrie). c) Funktionalität

Die Funktionalität ist die Summe der Leistungen, die der Marktplatz den Marktteilnehmern bietet: 5 Im einfachsten Fall stellt der Marktplatz nur Informationen oder Produktdaten in Form von digitalen Katalogen bereit. Die Möglichkeit, z. B. Waren zu kaufen oder zu verkaufen, besteht nicht. 5 Auktionen und Ausschreibungen erlauben es, dass Marktteilnehmer direkt Kaufverträge abschließen. 5 Die Prozessintegration beschreibt, dass die Marktteilnehmer Beschaffungs- und Kaufprozesse bis hin zur Bezahlung vollständig elektronisch ausführen. d) Zugangsbarrieren

Der Begriff Markt suggeriert einen möglichst freien Zugang der Teilnehmer, da ein breites Spektrum an Anbietern und Nachfragern angesprochen werden soll. Im Fall von Einkaufsplattformen handelt es sich eher um geschlossene (vertikale) Marktplätze, die den Zugang auf Teilnehmer einer Branche oder Gruppe beschränken (z. B. im B2B-Bereich). Im B2C-Bereich dominieren offene Systeme. Auch hier sind allerdings Zugangsbarrieren zu finden: 5 Aus technologischer Sicht sind Sicherheitsbedürfnisse der Nutzer zu erfüllen. Authentizität ist gewährleistet, wenn eine empfangene Nachricht mit Sicherheit auch vom angegebenen Absender stammt. Integrität liegt vor, sofern der Inhalt der Nachricht nicht verändert wurde.

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2.3 · Preis- und Erlösbildung

. Tab. 2.2  Formen der Preisbildung Form der Preisbildung

Beeinflussung der Preisbildung durch …

Statisch

Dynamisch

Anbieter

Katalog

Yield Management

Nachfrager

Preisgrenzen

Auktionen

Anbieter und Nachfrager

Preisabgleich

Börsen, Preisverhandlungen

5 Aus rechtlicher Perspektive sind die Akzeptanz von Geschäftsbedingungen oder bestimmte Beschränkungen des Alters beim Abschluss von Kauftransaktionen zu nennen. 5 Aus finanzieller Sicht können bestimmte Mindestumsätze oder Gebühren als Zugangsbarrieren interpretiert werden. Sind diese Bedingungen erfüllt, kann per se kein Marktteilnehmer vom Zutritt ausgeschlossen werden (. Abb. 2.6). 2.3  Preis- und Erlösbildung a) Preisbildung

Auf digitalen Märkten gibt es statische und dynamische Formen der Preisbildung, deren Beeinflussung durch Anbieter, Nachfrager oder beide Marktseiten möglich ist (. Tab. 2.2). Im Fall von Katalogpreisen handelt es sich um die geordnete und strukturierte Darstellung von digitalen Produktkatalogen, die häufig der Unterstützung des Einkaufs von standardisierten Gütern für spezifische Branchen dienen. Preisverhandlungen finden unmittelbar zwischen Käufer und Verkäufer statt. Gehandelt werden vielfach unregelmäßig bezogene, nicht-standardisierte Güter mit einer höheren Komplexität. Oft sind diese Güter nur bei wenigen Zulieferern erhältlich und bedürfen eines umfassenden Bestellund Verhandlungsvorgangs. Auktionen dienen der Preisermittlung von Gütern über einen Bieter-Prozess. Im Fall von Börsen handeln Käufer und Verkäufer mit Produkten und Dienstleistungen, ohne in direkten Kontakt zu kommen. Ein Internetportal agiert als Mittler zwischen beiden Parteien. Das Yield Management ist eine Form der zeitlichen Preisdifferenzierung, bei der die Preise die Nachfrage steuern und bevorzugt die höchsten Zahlungsbereitschaften befriedigt werden sollen. b) Erlöse

In digitalen Geschäftsmodellen lassen sich Erlös- und Preismodelle voneinander trennen (. Abb. 2.7; vgl. Skiera et al. 2005; Meier und Stormer 2012, S. 57 ff.). Dies ist ein deutlicher Vorteil gegenüber realen Märkten, wo in der Regel die Preisbildung an erster Stelle steht: 5 Bei der Erlösquelle Produkt wird z. B. der Online-Kauf eines Buches bepreist. Die Erlösquelle Kontakt wird genutzt, wenn Unternehmen die Beziehungen zu ihren

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Kapitel 2 · Digitale Märkte im Überblick

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. Abb. 2.7  Zusammenhang zwischen Erlös- und Preismodell

. Tab. 2.3 Basis-Erlösmodelltypen Direkte Erlöse

Indirekte Erlöse

Nutzungsabhängig

Verkaufserlöse Verbindungsgebühren Nutzungsgebühren

Provision

Nutzungsunabhängig

Einrichtungsgebühren Grundgebühren Lizenz

Werbung Data Mining Sponsorship

Kunden nutzen, um Einnahmen z. B. aus Werbung zu generieren. Die Erlösquelle Information kommt zum Einsatz, wenn Unternehmen Einnahmen bspw. aus dem Verkauf von Nutzerprofilen erzielen. Die Erlösquellen können isoliert oder gemeinsam eingesetzt werden. 5 Nach Festlegung der Erlösquelle(n) müssen die Erlöspartner bestimmt werden. Infrage kommen Käufer, Verkäufer oder Dritte (z. B. Werbepartner). Anschließend lässt sich das Preismodell ausgestalten (z. B. dynamisch, statisch; ein-, zweiseitig). Zu unterscheiden sind direkte und indirekte Erlösformen (. Tab. 2.3; vgl. Zerdick et al. 2001; Wirtz 2013, S. 265 ff.). z Direkte Erlöse

5 Nutzungsabhängige direkte Erlöse werden durch Einzeltransaktionen erzielt. Die Zahlung ist z. B. abhängig von der Menge oder der Dauer der in Anspruch genommenen Leistung. Voraussetzung für diese Erlösform sind eine Kundenbeziehung und

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2.3 · Preis- und Erlösbildung

. Tab. 2.4  Kern- und Nebenleistungen Ausprägung

Kernleistung

Nebenleistung

E-Shop

Angebot von Gütern

Trendinformationen

E-Marktplatz

Autohandel

Versicherungen

E-Community

Kommunikation

Werbefläche

E-Procurement

Handel von Bürobedarf

Kundendaten

entsprechende Abrechnungssysteme, die eine Bestandsführung und eine Protokollierung des Kundenverhaltens umfassen. Solche Systeme lohnen sich erst ab einem gewissen Mindestumsatz. Eine nutzungsabhängige Einzelabrechnung ist für viele Kleinbeträge (micropayment; in der Regel Beträge zwischen 1 Cent und 5 €) oft nicht wirtschaftlich. 5 Bei nutzungsunabhängigen direkten Erlösen sind regelmäßige und einmalige Formen zu unterscheiden. Regelmäßige Erlöse entstehen z. B. aus Abonnements. Diese Erlösform ist leicht abzurechnen und Leistungen durch den Nutzer müssen nicht gemessen werden. Auch diese Erlösform erlaubt den Aufbau einer Kundenbeziehung. Einmalige Erlöse können durch Gebühren für die Gewährung eines Zugangs erhoben werden, z. B. eine Anschlussgebühr, eine Zugangssoftware oder ein Empfangsgerät. Derartige Erlöse stehen am Anfang einer Kundenbeziehung, können jedoch auch davon abschrecken, wenn die Kosten zu hoch erscheinen. z Indirekte Erlösformen

Bei den indirekten Erlösformen dominieren die Werbung, das Kommissionsmodell und der Verkauf von Nutzerdaten. Indirekte Erlöse haben auf digitalen Märkten gegenüber anderen Formen eine größere Bedeutung. Ein Grund liegt darin, dass für indirekte Erlösmodelle keine ausgeprägte Kundenbeziehung notwendig ist. Diese ist dann schwierig zu erreichen, wenn Nutzer aufgrund mangelnden Vertrauens oder fehlender Zahlungsbereitschaft vor engen Anbieterkontakten zurückschrecken. Diese Systematik der Erlösmodelle erlaubt zusätzlich die Trennung in Kern- und Nebenleistungen (. Tab. 2.4). Die Haupterlöse entspringen oft aus der Kernleistung. Hier handelt es sich in der Regel um direkte Erlöse. Daneben existieren indirekte Einnahmequellen. Drei Varianten lassen sich unterscheiden (vgl. Kollmann 2019, S. 71 ff.): 5 Singular-Prinzip: Die bezahlte Kernleistung steht im Mittelpunkt (z. B. Verkauf über E-Shop) und eine Nebenleistung ist nicht vorhanden bzw. wird nicht genutzt. 5 Plural-Prinzip: Hier gibt es sowohl eine bezahlte Kernleistung (z. B. Vermittlungsleistung auf einem Marktplatz) als auch vermarktbare Nebenleistungen (z. B. Verkauf von Marktdaten). 5 Symbiose-Prinzip: Ähnlich wie beim Plural-Prinzip gibt es Kern- und Nebenleistungen. Die Kernleistung wird jedoch überwiegend kostenlos angeboten (z. B. Teilnahme an einer Community), um die Informationen für die Nebenleistung (z. B. personalisierte Werbung) zu erhalten. Typische Beispiele sind die Geschäftsmodelle der sozialen Netzwerke oder der Suchmaschinen. Im Extremfall wird die Kernleistung kostenlos angeboten und der Ertrag ausschließlich über die Nebenleistungen erzielt.

2

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Kapitel 2 · Digitale Märkte im Überblick

. Tab. 2.5  Basis-Geschäftsmodelle 4C

2

Content

Commerce

Context

Connection

Inhalt

Sammlung, Selektion, ­Systematisierung, Kompilierung und Bereitstellung von Inhalten

Anbahnung, ­Aushandlung und/ oder Abwicklung von Geschäftstransaktionen

Klassifikation und Systematisierung von verfügbaren Informationen

Herstellung eines Informationsaustausches in Netzen

Ziel

Online-Bereitstellung von konsumentenzentrierten, personalisierten Inhalten

Ergänzung bzw. Substitution ­traditioneller Transaktionsphasen

Komplexitätsreduktion, Navigation

Kommerziellen oder rein kommunikativen Verbindungen in Netzen

Erlöse

Indirekte ­Erlösmodelle (vor allem ­Werbemärkte)

Transaktions-­ abhängige direkte oder indirekte Erlösmodelle

Indirekte ­Erlösmodelle

Direkte und indirekte ­Erlösmodelle

c) Nutzen

Die zuvor dargestellte entwickelte Erlössystematik lässt sich gut auf verschiedene Ausrichtungen des Leistungsangebots anwenden, z. B. auf die 4C-Business-Net-Typologie (. Tab. 2.5; vgl. Wirtz 2013, S. 17 ff.): 5 Content-basierte Angebote beinhalten die Sammlung, Selektion, Systematisierung, Aufbereitung und Bereitstellung von Inhalten für den Endnutzer. Die Inhalte können informierend, unterhaltend, oder bildend (z. B. Web Based Training) sein. Sie müssen für den Nutzer interessant, einfach, bequem und visuell ansprechend aufbereitet werden. Da Interesse und Attraktivität subjektive Kategorien sind, die von der Bedürfnisstruktur des Nutzers abhängen, ist eine Personalisierung bzw. Individualisierung der Angebote sinnvoll. 5 Commerce-basierte Angebote umfassen die Anbahnung, Aushandlung von Kontrakten, die Abwicklung der Bestellung und die Überwachung der Auftragsabwicklung. Bei nicht-physischen Gütern (z. B. Informationen aus Datenbanken, Software, Musiktiteln, Filmen) kann die Distribution digital erfolgen. 5 Context-basierte Angebote (z. B. durch Suchmaschinen) dienen dem Auffinden, der Klassifikation, der Systematisierung und der Aufbereitung von Informationen. Auch hier gibt es indirekte Erlösmodelle wie z. B. Werbung, Sponsoring oder Associate-Partner-Programme (Erlöse durch Provisionen). 5 Connection-basierte Angebote ermöglichen die Kommunikation in Netzwerken, angefangen von der bidirektionalen Kontaktaufnahme (z. B. über E-Mail) bis hin zur virtuellen Community. Dieses Modell bietet neben direkten Erlösformen ebenfalls die Möglichkeit, indirekte Erlöse zu generieren.

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2.4 · Übungen

2.4  Übungen 1. Merkmale von Märkten



Vergleichen Sie Märkte unter den nachfolgenden Merkmalen: Merkmale

Vollkommener Gütermarkt (Modellmarkt)

Realer Markt (z. B. PKW)

Digitaler Markt

Gleichartigkeit der Güter Markttransparenz Reaktionsgeschwindigkeit Raum/ZeitBeschränkungen Präferenzen

2. Sichtbarkeit von digitalen Märkten

a) Welche Produkteigenschaften lassen sich auf digitalen Märkten sinnlich wahrnehmen und bewerten? b) Warum ist die Unterscheidung zwischen dem Erstkontakt einer Internet-Präsenz und dem wiederholten Besuch einer Website wichtig?

3. Eignung von Gütern für den digitalen Handel

a) Welche Güter eignen sich für den Verkauf auf digitalen Märkten? Welche Rolle spielt der Produktpreis? b) Beurteilen Sie die Eignung der folgenden Güterkategorien für den digitalen Handel (Einstufung: 4 = sehr gut geeignet, 3 = gut geeignet, 2 = mit Einschränkungen geeignet, 1 = ungeeignet): Informationsphase

Kaufphase

Auslieferungsphase

Schuhe PKW Finanzinformation Medikament Rechtsberatung Immobilienkauf

c) Diskutieren Sie Vor- und Nachteile des Möbelkaufs auf digitalen Märkten.

4. Potenzielle Vorteile digitaler Märkte



Erläutern Sie mögliche Ansatzpunkte zur Verbesserung von Marktprozessen in einzelnen Marktphasen durch IKT für Anbieter und Nachfrager:

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Kapitel 2 · Digitale Märkte im Überblick

Kriterium

Marktseite

Marktphasen Anbahnung

2

Funktionalität

Vereinbarung

Abwicklung

Nachfrager Anbieter

Transaktionskosten

Nachfrager Anbieter

Bequemlichkeit

Nachfrager Anbieter

5. Ausrichtung digitaler Märkte



Welche Ausrichtung eines Marktplatzes ist bei den folgenden Strukturen zu erwarten? 5 Online-Reiseportal mit Verkauf von Flugtickets 5 Einkaufsplattform für die pharmazeutische Industrie 5 Gebrauchtwagenportal

6. Funktionalitäten digitaler Märkte



Welche Funktionalitäten eines digitalen Marktplatzes lassen sich unterscheiden?



Unterscheiden Sie direkte und indirekte Erlöse. Welcher grundlegende Unterschied besteht in der Generierung von Erlösen zwischen realen und digitalen Märkten?

7. Erlösformen auf digitalen Märkten

8. Geschäftstypologie auf digitalen Märkten



Was besagt die 4C-Net-Typologie? Ordnen Sie Google in diese Typologie ein.



Was besagen das Singular-, Plural- und Symbiose-Prinzip?

9. Leistungsangebot auf digitalen Märkten

Literatur Clement, R., & Schreiber, D. (2016). Internet-Ökonomie. Grundlagen und Fallbeispiele der vernetzten Wirtschaft (3. Aufl.). Berlin: Springer Gabler. Hahne, F. (2002). Internet-Ökonomie. Strukturierung, Potenziale, Forschungsansätze. Vorlesung Universität Hildesheim. 7 https://www.uni-hildes-heim.de/media/fb4/betriebswirtschaft/Kooperationen/ IHK/Treffen_10/bwl_akit_vortrag_hahne_021205.pdf. Kollmann, T. (2013). E-Business. Grundlagen elektronischer Geschäftsprozesse in der Net Economy (5. Aufl.). Wiesbaden. Gabler. Kollmann, T. (2019). E-Business: Grundlagen elektronischer Geschäftsprozesse in der Digitalen Wirtschaft (7. Aufl.). Wiesbaden: Gabler. Meier, A., & Stormer, H. (2012). eBusiness & eCommerce: Management der digitalen Wertschöpfungskette. Berlin: Springer. Picot, A., Reichwald, R., & Wigand, R. T. (2003). Die grenzenlose Unternehmung. Information, Organisation und Managemen (2. Aufl.). Wiesbaden: Gabler. Richter, K., & Nohr, H. (2002). Elektronische Marktplätze, Potenziale, Funktionen und Auswahlstrategien. Aachen: Shaker. Samuelson, P. A., & Nordhaus, W. D. (2010). Volkswirtschaftslehre: Das internationale Standardwerk der Makro- und Mikroökonomie (4. Aufl.). München: mi-Wirt-schaftsbuch.

21 Literatur

Skiera, B., Spann, B., & Walz, U. (2005). Erlösquellen und Preismodelle für den Business-to-Consumer Bereich im Internet. Wirtschaftsinformatik, 47(4), 285–293. Wirtz, B. (2013). Electronic business (4. Aufl.). Wiesbaden: Gabler. Zerdick, A. et al. (2001). Die Internet-Ökonomie – Strategien für die digitale Wirtschaft (3. Aufl.). Berlin: Springer.

2

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Wertschöpfung auf digitalen Märkten Inhaltsverzeichnis Kapitel 3

Güter in der Internet-Ökonomie – 27

Kapitel 4

Produktion von digitalen Gütern – 63

Kapitel 5

Konsum und Zahlungsbereitschaft – 89

Kapitel 6

Preis- und Erlösstrategien – 109

Kapitel 7

Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung von Angebot und Nachfrage – 153

I

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I · Wertschöpfung auf digitalen Märkten

In der mikroökonomischen Theorie wird der Markt als ein Ort bezeichnet, an dem das aggregierte Angebot und die aggregierte Nachfrage für ein Gut zusammentreffen. Der Markt zeichnet sich durch drei Merkmale aus: 1. Der Markt ist ein abstraktes Regelsystem für die Teilnehmer. 2. Der Markt konstituiert sich in den Transaktionsphasen Information, Vereinbarung, Abwicklung und gegebenenfalls Nachvertragsphase (After Sales). 3. Der Markt ist funktionell betrachtet ein Mechanismus zur Bildung von Preisen, die Angebot und Nachfrage koordinieren. Häufig werden die Austauschprozesse zwischen Anbieter (Produktion) und Nachfrager (Konsum) ohne Einbeziehung von Intermediären (Distribution) beschrieben. Diese Sicht ist im Fall digitaler Märkte eher als Ausnahme zu betrachten. Digitale Märkte lassen sich physisch nicht betreten, sodass die Intermediation bzw. Distribution zum Bindeglied zwischen Produktion und Konsum wird. Unter Intermediation werden alle Tätigkeiten verstanden, die Transaktionen zwischen Anbieter und Abnehmer in den Phasen Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung und Kontrolle unterstützen. Die Intermediation hat vor allem folgende Funktionen: – Absicherung von Märkten: Intermediäre dienen zur Erhöhung der Markt-transparenz bzw. zur Reduktion der Marktunvollkommenheiten. – Begründung von Märkten: Intermediäre schaffen überhaupt erst die Möglichkeit, dass Angebot und Nachfrage zusammenfinden (. Abb. 1).

. Abb. 1  Marktteilnehmer in der digitalen Wertschöpfung

25 I · Wertschöpfung auf digitalen Märkten

. Abb. 2  Struktur von Teil I

In Teil I werden die einzelnen Bestandteile der digitalen Wertschöpfung einer getrennten Betrachtung unterzogen (. Abb. 2). – Die Produktionsseite der digitalen Wertschöpfung ist geprägt von der Herstellung und Bereitstellung von digitalen Gütern, die über digitale Netzwerke ausgetauscht werden. Im Vergleich z. B. zur Produktion von industriell gefertigten Gütern weist die Produktion digitaler Güter andere Kostenstrukturen auf. Das verlustfreie Kopieren und der einfache Austausch über Netzwerke führen dazu, dass Anbieter neue Preis- und Vertriebsmodelle entwickeln müssen. – Die Konsumseite ist bezogen auf digitale Güter und auch Netzwerkgüter wie das Internet häufig durch eine geringe Zahlungsbereitschaft gekennzeichnet. Ursächlich sind viele kostenlose Angebote und die mangelnde Ausschließbarkeit potenzieller Nutzer vom Konsum, wenn die Güter verbreitet sind. Traditionelle Formen der Preisbildung, die z. B. die Produktionskosten in den Mittelpunkt stellen, sind auf digitalen Märkten selten anzutreffen. Die digitale Welt erleichtert interaktive Formen der Preisbildung sowie Formen der Preisdifferenzierung und Produktbündelung, mit denen die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten ausgeschöpft werden soll. – Die Distributionsseite betrachtet die Beziehungen von Anbietern und Nachfragern. Nur bei vollkommenen Informationen und hoher Markttransparenz kann auf Intermediäre verzichtet werden. Online-Direktbeziehungen können dazu führen, dass die bis dato gültige Wertschöpfungskette

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I · Wertschöpfung auf digitalen Märkten

verändert wird. So werden Händler überflüssig, wenn PCs direkt beim Hersteller bestellt werden (Disintermediation). Indirekte Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern werden durch Intermediäre geprägt. Die digitale Intermediation führt häufig zu einem Mehrwert. Für Anbieter ergeben sich so z. B. Möglichkeiten der personalisierten Kundenansprache. Nachfrager können sich durch den Einsatz von Suchmaschinen oder Preisportalen schnell einen Marktüberblick verschaffen und aus einer großen Gütervielfalt Käufe tätigen.

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Güter in der Internet-­Ökonomie 3.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe – 28 3.2 Grundlagen und Fallbeispiele – 29 3.2.1 Digitale Transformation von Volkswirtschaften – 29 Digitale Güter – 33 3.2.2 Informationsgüter – 37 3.2.3 Netzwerkgüter – 41 3.2.4 Direkte Netzeffekte – 42 3.2.5 Indirekte Netzeffekte – 44 3.2.6 Netzwerkgesetze – 45 3.2.7 Webbasierte soziale Netzwerke und Externalitäten – 49 3.2.8 Standardisierung – 51 3.2.9 3.2.10 Wert des Internets – 55 3.3 Übungen – 58 Literatur – 60

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0_3

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Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

3.1  Inhalt und Schlüsselbegriffe (. Abb. 3.1)

z Inhalt

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1. Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und -anwendungen bestimmen einen wesentlichen Teil unseres täglichen Lebens. So haben sie die Art und Weise tief greifend verändert, wie wir kommunizieren, einkaufen und unsere Arbeit organisieren. Auch die Funktionsweise von Unternehmen hat sich dadurch drastisch geändert: Die Möglichkeit, Güter und Dienstleistungen zu digitalisieren oder digitale Produkte zu produzieren, hat bestehende Märkte transformiert und neue Märkte geschaffen. Während die Erstellung relativ aufwendig ist, lassen sie sich leicht vervielfältigen und verändern. Digitale Güter sind zugleich Informationsgüter und ein Großteil auch Netzwerkgüter. 2. Digitale Güter sind alle Güter, die in digitaler Form verkauft, geliefert und übertragen werden. Viele der häufigsten Beispiele für digitale Güter sind Informationen wie E-Mails, digitale Nachrichten, Posts auf Webseiten sowie Mediendateien, einschließlich Musik- und Videodateien. 3. Je mehr Nutzer es für ein Netzwerkgut gibt, desto größer ist der Nutzen für den einzelnen Netzwerkteilnehmer (Telefonnetz, virtuelles Netz von Nutzern der gleichen Software). Masse verdrängt in diesem Fall Knappheit als Wertquelle. Zu unterscheiden sind direkte und indirekte Netzeffekte sowie externe Effekte, die zwischen den Nutzern der Netzwerke wirken. 4. Netzeffekte verbreiten sich vor allem bei der Existenz von Standards. Diese lassen sich staatlich setzen (de jure), zwischen Unternehmen verabreden (Kooperation)

. Abb. 3.1  Kap. 3 auf einen Blick

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

29

oder im Wettbewerb entwickeln (de facto). Geschlossene Standards und offene Standards haben jeweils spezifische Vor- und Nachteile. 5. Das Wachstum und die Entwicklung von Netzwerken wird häufig durch „Gesetze“ beschrieben (Metcalfe, Reed). Diese Gesetze überschätzen aber den Wert von Netzwerken, wenn z. B. die Kommunikation der Mitglieder brachliegt oder der Nutzenzuwachs im Fall weiterer Netzteilnehmer sinkt. Am Beispiel des Internets lassen sich Ansätze zur Ermittlung des Wertes von Netzwerken analysieren. z Schlüsselbegriffe

Digitale Transformation, Digitale Güter, Informationsgüter, Netzwerkgüter, originärer/ derivativer Nutzen, reales/virtuelles Netz, direkte/in-direkte Netzeffekte, soziale Netzwerke, positive/negative Externalitäten, offene/geschlossene Standards, One-to-One/ Many-to-Many-Netzwerke, Netzwerkgesetze (Metcalfe/Reed), Wert des Internets. 3.2  Grundlagen und Fallbeispiele 3.2.1  Digitale Transformation von Volkswirtschaften

Digitale Güter und Informationsgüter prägen inzwischen das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben. Vielfach wird von einer Informations- bzw. Wissensgesellschaft gesprochen. Informationen werden inzwischen zusätzlich zu den klassischen volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital als vierter Produktionsfaktor ausgewiesen. Autoren, die sich mit der zunehmenden Bedeutung von Informationen, Wissen und der Digitalisierung beschäftigen, verwenden unterschiedliche Begriffe zur Beschreibung der damit verbundenen Veränderungen. Arthur spricht von knowledge-based industries (1996), Kelly (1998) von der Network Economy, Shapiro und Varian (1999) von information goods, Zerdick et al. (2001) von Medien- und Kommunikations-Sektoren und Kollmann (2019) von der Net Economy. Zur Systematisierung dieser Konzepte kann ein Schichtenmodell dienen, das die Konsequenzen der IKT für ökonomische Sachverhalte verdeutlicht (. Abb. 3.2). 1. IKT verändern Grundannahmen ökonomischer Modelle

Seit Beginn der 1990er Jahre haben IKT einen tief greifenden Wandel in Gesellschaft und Wirtschaft ausgelöst, der als 5. Kondratieff-Zyklus bezeichnet wird. Treiber sind die steigenden Rechnerleistungen, die drastisch zunehmende Verfügbarkeit von Bandbreiten, die Miniaturisierung, die Digitalisierung und die Vernetzung der Computersysteme in Form des globalen Internets (vgl. Weiber 2002). Die Eigenschaften dieser Technologien haben auch für ökonomische Modelle und zentrale Grundannahmen der ökonomischen Theorie Konsequenzen (. Abb. 3.3). Dies soll anhand von vier Beispielen verdeutlicht werden: 5 Viele auf IKT basierende Güter haben im Vergleich zu ihren Fixkosten sehr geringe bzw. keine variablen Kosten und Grenzkosten. Traditionelle U-förmige Kostenverläufe, die bei Sachgütern vorliegen, sind dann nicht mehr zu beobachten. Stattdessen gibt es eine enorme Kostendegression in der Produktion solcher Güter.

3

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Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

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. Abb. 3.2  Schichtenmodell. (In Anlehnung an Kollmann 2013, S. 77)

. Abb. 3.3  Auswirkungen von IKT auf Grundannahmen ökonomischer Modelle

5 Grenzgrößen (z. B. Grenznutzen und Grenzkosten) spielen im Fall von digitalen Gütern eine untergeordnete Rolle. Der für die Mikroökonomie charakteristische Marginalismus kann daher auf digitale Märkte nicht oder nur eingeschränkt angewendet werden.

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

31

5 Physische Güter lassen sich nur in einem begrenzten Rahmen her- und bereitstellen, wodurch sich ihr Wert bei den Nachfragern erhöht. In einer vernetzten und digitalen Welt verdrängt Masse Knappheit als Wertquelle. Zur Erreichung von kritischen Absatzgrößen und einer schnellen Marktdurchdringung werden Güter teilweise sogar kostenlos angeboten. 5 Die genannten Kostenstrukturen und die Bedeutung von Netzeffekten relativieren die Bedeutung der vollkommenen Konkurrenz als Bezugspunkt für die Modellierung ökonomischer Zusammenhänge. Stattdessen kommt es häufig zu Märkten, wo nur wenige Unternehmen den Markterfolg unter sich aufteilen. 2. IKT-Anwendungen verändern Märkte

IKT-Anwendungen überbrücken räumliche und zeitliche Restriktionen, denen reale Märkte unterworfen sind. Nutzer können jederzeit und an jedem Ort auf den virtuellen Marktplatz zugreifen (. Abb. 3.4). Es entsteht ein Online-Vertriebskanal, der Märkte neu strukturiert. Bahnbrechend ist die Entwicklung des WorldWideWeb (WWW; vgl. Berners-Lee 1992). Das Web entstand 1989 als Projekt am CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) bei Genf (Schweiz). Hier handelt es sich um ein über das Internet abrufbares System von elektronischen Hypertext-Dokumenten (Websites). Sie sind durch Hyperlinks untereinander verknüpft und werden im Internet über standardisierte Protokolle (u. a. http) übertragen. Die Websites enthalten Texte, Bilder und grafische Elemente. Häufig sind auch Videos, Tondokumente und Musikstücke eingebettet. Nutzer sind nicht mehr an einen Ort gebunden und müssen keine zeitlichen Abkommen mit Transaktionspartnern treffen. Im Web verschwimmen zudem die Grenzen zwischen Anbietern und Nachfragern. So werden z. B. digitale Inhalte nicht mehr nur zentral erstellt und verbreitet, sondern Nutzer vernetzen sich, liefern und bewerten

. Abb. 3.4  Auswirkungen von IKT auf Märkte

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Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

Informationen. Konsumenten beginnen ihre eigene Musik zu produzieren und über Tauschbörsen miteinander zu teilen, sie produzieren ihre eigenen Videos auf YouTube und veröffentlichen ihr eigenes Wissen auf Wikipedia oder in kostenlosen E-Books im WWW (vgl. Rifkin 2014). Spätestens mit der Einführung des iPhones durch Apple im Jahre 2007 und dem ersten Android-Smartphone durch HTC und T-Mobile im Jahr 2008 ist vernetzte Mobilität zu einem Massenphänomen geworden. Durch die automatisierte Sammlung der durch die mobilen Endgeräte verfügbaren Daten (Ort, Zeit, Tätigkeit, Kontakte, Interesse, Verhalten) können individualisierte Profile erstellt werden. Damit können Muster berechnet werden, welche Datenkombinationen welches weitere Verhalten mit welcher Wahrscheinlichkeit zur Folge haben. Das Verhalten von Netzteilnehmern lässt sich so stochastisch anhand seiner Vergangenheitsdaten prognostizieren (vgl. de Vries 2015, S. 40 f.). 3. IKT verändern ökonomische Transaktionen auf den digitalen Märkten

Durch den Wegfall von zeitlichen und räumlichen Einschränkungen verändern sich ökonomische Transaktionen. Der virtuelle Marktplatz bietet die Möglichkeit, verschiedene Angebote zu vergleichen und unmittelbar das passende Angebot auszusuchen. Such- und Empfehlungstechnologien helfen bei der Orientierung in einer digitalen Welt, die durch eine enorme Produktvielfalt gekennzeichnet ist. Dynamische Formen der Preisfindung halten Einzug und sollen vorhandene Zahlungsbereitschaften der Konsumenten ausschöpfen (. Abb. 3.5). 4. IKT verändern das Verhalten von Akteuren

Digitale Kommunikationsnetze ermöglichen es den Akteuren, Informationen über große Entfernungen auszutauschen und miteinander zu kooperieren (. Abb. 3.6). Folgen sind Veränderungen sowohl auf der Angebotsseite (z. B. von Wertschöpfungsketten) als auch der Nachfrageseite (z. B. Bewertung von Gütern und Händlern in sozialen Netzwerken).

. Abb. 3.5  Auswirkungen von IKT auf Markttransaktionen

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

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. Abb. 3.6  Auswirkungen von IKT auf das Verhalten von Akteuren

Kennzeichnendes Merkmal der sozialen Interaktion sind Netzeffekte und andere externe Effekte, die zwischen den Teilnehmern bestehen. In der Netzökonomie werden die Akteure häufig durch Plattformen verbunden. Es entstehen mehrseitige oder mindestens zweiseitige Märkte. Je mehr Teilnehmer einer Gruppe die Plattform einsetzen, desto attraktiver wird die Plattform für die andere Gruppe und umgekehrt. 5. IKT verändern den Charakter von Wissen

Das informationsbasierte Wissen hat sich zu einem eigenständigen Produktionsfaktor entwickelt, der im Vergleich zu anderen Produktionsfaktoren durch Besonderheiten gekennzeichnet ist (. Abb. 3.7): 5 Wissen liegt überwiegend in digitaler Form vor und lässt sich über Netzwerke losgelöst von Raum und Zeit in einem globalen Kontext austauschen. 5 Wissen nutzt sich nicht ab, sondern vermehrt sich durch Teilung selbst. Große Mengen an Wissen sind frei zugänglich. In diesem Fall stellt Wissen keine knappe Ressource dar. Entscheidend sind die richtige Auswahl sowie der gezielte Einsatz vorhandenen Wissens. 5 Wissen ist nach seiner Verbreitung nur bedingt marktfähig. Es hat dann tendenziell den Charakter eines öffentlichen Gutes. 3.2.2  Digitale Güter

Digitale Güter haben das Potenzial, traditionelle Strukturen radikal zu verändern. Ein einprägsames Beispiel ist die Encyclopedia Britannica. Sie beanspruchte für sich, das menschliche Wissen in möglichst großer Breite zusammenfassend darzustellen. Stetig aktualisiert und erweitert wuchs die Enzyklopädie von 1768 in 15. Auflagen von ursprünglich drei auf dreißig Bände an. Anfang der 90er Jahre kehrte sich der Erfolg in

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Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

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. Abb. 3.7  Auswirkungen von IKT auf den Charakter von Wissen

das Gegenteil um. Innerhalb nur weniger Jahre waren die Verkäufe gedruckter Lexika um über 80 % gesunken. Ursächlich war, dass Microsoft ein drittklassiges Lexikon aufkaufte, urheberrechtlich nicht geschützte Bilder und Tonaufnahmen hinzufügte und auf einer CD-ROM zu rund 60 US$ verkaufte. Fixkosten des Produkts Encarta sind unbekannt, jedoch lagen die Grenzkosten nur bei ca. 1,50 US$ pro CD-ROM. Gegen die mehr als 40 Mio. Einträge der weltbesten Enzyklopädie war die Encarta mit 7 Mio. Einträgen bei minderer Qualität zunächst keine ernstzunehmende Konkurrenz. Abgesehen davon war die Enzyklopädie einfach zu groß, um auf eine CD-ROM zu passen. Aber der Effekt war stark. Monat für Monat gingen die Verkäufe zurück. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Encarta nicht nur verkauft, sondern neuen Geräten kostenlos mitgegeben wurde. Am 13. März 2012 wurde die endgültige Einstellung der gedruckten Britannica und nach 244 Jahren die vollständige Konzentration auf die digitalen Angebote bekannt gegeben. Digitale Güter sind immaterielle Mittel zur Bedürfnisbefriedigung, die aus Binärdaten (0, 1) bestehen und sich mit Hilfe von IKT entwickeln, vertreiben oder anwenden lassen. Digitale Güter sind: 5 digitalisierbare Produkte, z. B. Nachrichten, Zeitschriften, Bücher, Software, Computerspiele, Musik, Videos, Online-Beratungen, E-Learning-Angebote. 5 digitale Duplikate physischer Produkte, z. B. Bankschecks, Konzertkarten und Fotos. 5 digitale Dienstleistungen, z. B. Cloud Computing, Kommunikations-, Informationsdienst- und Vermittlungsleistungen oder digitale Fernsehprogramme. Auch Informationsgüter und immaterielle Güter lassen sich digitalisieren. Insofern sind die Abgrenzungen zwischen verschiedenen Güterkategorien fließend (. Abb. 3.8).

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

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. Abb. 3.8  Einordnung digitaler Güter (vgl. auch Bode 1997, S. 452)

z Digitalisierungsgrade

Digitale Güter lassen sich nach Digitalisierungsgraden unterscheiden (. Abb. 3.9): 5 Güter, die vollständig digital angeboten werden, die also weder einen traditionellen Dienstleistungsanteil noch einen physischen Anteil beinhalten, werden als rein digitale Güter bezeichnet. Diese Güter können vollständig über das Internet oder andere Datennetze angeboten und genutzt werden. 5 Semi-digitale Güter enthalten einen physischen Anteil. Beispiele sind persönliche Beratungen und Schulungen zu Software-Produkten, die eine Anwesenheit des Nutzers erfordern. 5 Semi-physische Güter sind physische Güter, die über das Internet gehandelt werden (z. B. Kauf von physischen Gütern über den Online-Händler Amazon). 5 Physische Güter haben keinen Anteil an digitalen Beschreibungen oder Attributen des Leistungsbündels (z. B. Kauf eines Buches bei einem Buchhändler). z Eigenschaften

Digitale Güter haben im Vergleich zu materiellen Gütern andere Bedingungen in der Produktion und in der Distribution (. Abb. 3.10). Einige Beispiele: 5 Digitale Güter lassen sich aufgrund ihrer Kostenstruktur leicht reproduzieren. Sie lassen sich vervielfältigen und ihr Wert vermindert sich nicht, wenn sie weitergegeben werden. Nutzer haben die Möglichkeit, die Güter mit geringem Aufwand zu kopieren und durch den Vertrieb der Kopien Erlöse zu erzielen. Den rechtmäßigen Produzenten fällt es häufig schwer, die unbefugte Weitergabe der Güter an andere Personen zu unterbinden.

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Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

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. Abb. 3.9  Digitalisierungsgrade von Gütern. (In Anlehnung an Choi et al. 1997, S. 18)

. Abb. 3.10  Eigenschaften materieller und digitaler Güter (vgl. Krcmar 2015, S. 16)

5 Digitale Güter lassen sich leichter verändern als physische Güter. Produzenten haben die Möglichkeit, mit geringem Aufwand verschiedene Varianten digitaler Güter bis hin zur Personalisierung zu entwickeln und anzubieten. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Integrität, d. h. die Vollständigkeit und Unverfälschtheit der Güter, während der Produktion oder während des Vertriebs verletzt wird.

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

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Beispiel für unbeabsichtigte Veränderungen sind Softwarefehler, die während des Entwicklungsprozesses entstehen. Beispiel für böswillige Eingriffe und Veränderungen digitaler Güter sind Software-Anomalien (z. B. Computer-Viren, Computer-Würmer). 5 Im Vergleich zu Sachgütern ist die Preisbildung komplexer, da sich der Wert häufig nur subjektiv bestimmen lässt. Eine Bewertung der verfügbaren Bestände ist insofern schwierig, da die Verbreitung von Kopien kaum zu kontrollieren ist. Der Vertrieb von digitalen Gütern erfordert netzbasierte Medien, wie z. B. das Internet oder Mobilfunknetze. Zudem können viele digitale Güter nur dann angewendet werden, wenn verschiedene komplementäre Güter verfügbar sind. Beispielsweise stiftet ein Betriebssystem einem Anwender keinen Nutzen, wenn er nicht mindestens über kompatible Hardware und Anwendungssoftware verfügt. 3.2.3  Informationsgüter

Alle Güter, die digitalisiert werden können, lassen sich als Informationsgüter betrachten (vgl. Shapiro und Varian 1999, S. 3 f.). Die Informationsgüter müssen nicht bereits zwangsläufig in digitaler Form vorliegen. Es reicht aus, dass sie digitalisiert werden können. Bereits 2007 waren 97 % aller Informationen digital gespeichert und nur noch 3 % im Analogformat vorhanden (vgl. Martin und López 2011). Ausgangspunkt für die Digitalisierung ist die transportierte Nachricht (. Abb. 3.11). Voraussetzung für den Transport ist die Speicherung von Informationen auf einem Medium. Die gespeicherten Informationen können distributionsgerecht verarbeitet

. Abb. 3.11  Schichten eines Informationsgutes (vgl. Kaspar 2006, S. 13)

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Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

werden, indem sie reorganisiert, aktualisiert oder neu dargestellt werden. Die verarbeiteten Informationen werden über entsprechende Transportkanäle verteilt. Damit die transportierte Nachricht an einen Nutzer übermittelt werden kann, muss sie durch das Transportmedium selbst oder durch ein anderes Medium in verständlicher Form präsentiert werden. Informationen basieren auf Daten und führen zu Wissen (. Abb. 3.12): 5 Daten bestehen aus Zeichen, die nach bestimmten Regeln (Syntax) zusammengesetzt sind. 5 Informationen sind Daten, denen Bedeutungsinhalt (Semantik) beigemessen werden kann. 5 Wissen entsteht durch Vernetzung von Informationen zur Erkenntnisgewinnung. Erst wenn Daten eine Bedeutung zugewiesen wird, entstehen Informationen. Werden diese wiederum vernetzt, entsteht Wissen. Wissen ist als Bestandsgröße anzusehen, die durch Informationsaufnahme und -verarbeitung verändert wird. Information ist eine potenzielle Bestandsänderungsgröße. Potenziell deswegen, weil es auf den Empfänger ankommt, Informationen als relevant oder nicht relevant einzustufen. Informationen, die bereits bekannt sind, sind Bestandteil des Wissens. Die Gewinnung und Nutzung entscheidungsrelevanter Erkenntnisse wird durch Big Data unterstützt. Vier Dimensionen sind von Bedeutung (vgl. BITKOM 2015): 5 Datenmenge (Volume): Immer mehr Organisationen und Unternehmen verfügen über enorme Datenmengen. Vor allem personalisierte Daten werden zum „Öl“ der digitalen Wirtschaft. 5 Datenvielfalt (Variety): Unternehmen haben sich mit einer zunehmenden Vielfalt von Datenquellen und -formaten auseinanderzusetzen. Die Daten liegen in

. Abb. 3.12  Daten, Informationen und Wissen

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

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unstrukturierter, semistrukturierter und strukturierter Form vor. Die unternehmensinternen Daten werden zunehmend durch externe Daten ergänzt, z. B. aus sozialen Netzwerken. 5 Geschwindigkeit (Velocity): Die Datenmengen müssen immer schneller ausgewertet werden, nicht selten in Echtzeit. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit hat mit dem Datenwachstum Schritt zu halten. 5 Analysemethoden: Notwendig ist eine möglichst automatisierte Erkennung und Nutzung von Mustern, Zusammenhängen und Bedeutungen. Zum Einsatz kommen u. a. multivariate statistische Verfahren (Data Mining) und Algorithmen künstlicher Intelligenz, um Vorhersagemodelle, Optimierungslösungen sowie Text- und Bildanalytik zu ermöglichen. Aus ökonomischer Sicht sind zur wirtschaftlichen Nutzung von digitalen Informationsgütern folgende Aspekte von Bedeutung (. Abb. 3.13): 1. Übertragbarkeit

Informationsgüter müssen vom Anbieter zu Nachfragern übertragen werden. Dies kann in Form von Individual- und Massenkommunikation geschehen. Einseitige Übertragungsmedien erlauben lediglich die Übertragung vom Sender zum Empfänger. Rückkanalfähige Medien versetzen den Empfänger in die Lage, Informationen zum Sender zurück zu übertragen. Die Rückkanalfähigkeit ist grundlegende Voraussetzung zur Interaktivität.

. Abb. 3.13  Informationen als Wirtschaftsgut

3

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Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

2. Dualer Charakter

3

Das Angebot von digitalen Informationsgütern erfolgt häufig über Datenträger (z. B. CD-ROM, DVD, zentrale Server). Informationsgüter haben dann einen dualen Charakter. Sie sind eine Kombination aus Inhalt und Trägermedium. Inhalte können ohne großen Aufwand auch mehrfach in verschiedenen Medien angeboten werden. Digitale Informationsgüter bedürfen neben dem Trägermedium immer auch noch eines Endgeräts (z. B. DVD-Spieler, MP3-Player), das die Ausgabe ermöglicht. 3. Dekodierung

Die Nutzung eines Informationsgutes erfolgt durch Dekodierung. Dadurch soll das Prinzip der Ausschließbarkeit durch Anbieter umgesetzt werden. Neben technologischen Mechanismen stehen dazu auch Schutzrechte zur Verfügung. In dem Maße, wie ein Informationsgut auch anders als durch Dekodierung einer erworbenen Kopie genutzt werden kann, erlauben es die Verwertungsrechte dem Urheber nicht, die Zahlungsbereitschaft der Kunden maximal in Erlöse zu transformieren. 4. Nützlichkeit

Informationen sind auf den ersten Blick nicht knapp, sondern sie sind vor allem nach ihrer Verbreitung im Überfluss vorhanden. Nutzer können häufig kostenlos auf Informationsgüter zugreifen. Zwar sind nicht die verfügbaren Informationen knapp, sondern der Grad an Nützlichkeit. Informationen zur richtigen Zeit und in der richtigen Form sind jedoch durchaus knapp. Allerdings haben sie für Verbraucher oft einen unterschiedlichen Wert, der sich an ihrer Zahlungsbereitschaft zeigt. Eine wirksame Nachfrage nach Informationsgütern besteht nur, wenn sie für den Konsumenten einen Wert haben und kostenlose Alternativen nicht zur Verfügung stehen (vgl. Linde 2008, S. 9). Dies bedeutet, dass der Empfänger kognitiv zur Umwandlung der Daten in Informationen in der Lage sein muss und die Informationen als wertvoll erachtet. Auch der Anbieter hat ein vitales Interesse, dass der Empfänger zur Verarbeitung der gelieferten Daten in der Lage ist und aus den Informationen einen Nutzen ziehen kann. Werden unverständliche Daten geliefert oder stellt sich ihre Qualität als schlecht heraus, werden Transaktionen unwahrscheinlich. 5. Verbrauch und Gebrauch

Informationen können als Verbrauchs- oder Gebrauchsgüter auftreten (. Abb. 3.14): 5 Informationsinhalte (Content) haben den Status eines Verbrauchsgutes. Streng genommen können Informationen zwar nicht verbraucht werden. Es gibt aber viele Informationsgüter, die nur in begrenztem Umfang genutzt und konsumiert werden (z. B. Filme, Musik, Literatur). Marktinformationen unterliegen beispielsweise einer hohen Veränderungsrate (z. B. Wechselkurse, Börsennotierungen) und werden permanent neu produziert bzw. konsumiert. 5 Informationsgüter wie Software sind Gebrauchsgüter. Solche Güter werden installiert und dann wiederholt genutzt (z. B. Betriebssysteme, Anwendungssoftware).

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

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. Abb. 3.14  Klassifikation von Informationsgütern (vgl. Linde 2008, S. 10)

3.2.4  Netzwerkgüter

Die Netzökonomie unterscheidet zwischen realen und virtuellen Netzwerkgütern: 5 Reales Netz (z. B. Telefonnetz): In diesem Fall sind die Nutzer physisch miteinander verbunden. Je mehr Teilnehmer im Netz enthalten sind, desto größer ist der Nutzen eines einzelnen Teilnehmers. 5 Virtuelles Netz (z. B. Software): In diesem Fall bilden die Besitzer der Software ein virtuelles Netz, da sie nicht physisch, sondern nur logisch miteinander verbunden sind. Je größer die installierte Basis, desto größer sind z. B. die Chancen zum Austausch von Kenntnissen und Daten oder zur Entwicklung von Komplementärgütern. z Originärer und derivativer Nutzen

Ein Telefonnetz wird auch als Systemgut bezeichnet. Software und die komplementäre Hardware sind hingegen ein Netzwerkgut im engeren Sinne. Maßgeblich für die Abgrenzung ist der Unterschied zwischen einem Basisnutzen und einem derivativen Nutzen, der von der Verbreitung des Gutes abhängt (. Abb. 3.15): 5 Singulärgüter: In diesem Fall liegt der Nutzen von Gütern in den jeweiligen Eigenschaften selbst begründet. Die Verbreitung der Güter spielt in der Regel keine Rolle (z. B. Lebensmittel). 5 Netzwerkgüter: Diese Güter können grundsätzlich unabhängig von der Verbreitung des Produkts verwendet werden. Allerdings steigt der Nutzenzuwachs, wenn sich mit zunehmender Verbreitung des Produkts das Angebot komplementärer Produkte erhöht (z. B. Hard-, Software). 5 Systemgüter: Solche Güter sind nur durch einen derivativen Nutzen gekennzeichnet. Der Nutzen basiert auf der Interaktion zwischen Nutzern, die das Gut nutzen (z. B. Telefonnetz, Messenger). Durch jeden neuen Teilnehmer erhöht sich der Gesamtnutzen des Netzwerkes für bestehende und neue Teilnehmer.

3

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Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

3

. Abb. 3.15  Originärer und derivativer Nutzen von Gütern (vgl. Böhm 2004, S. 236)

Der Netzeffektfaktor (Q) beschreibt das Verhältnis zwischen originärem Nutzen (Basisnutzen, b) und dem derivativen Nutzen (c). Je höher Q ist, umso größer ist der derivative Nutzen im Vergleich zum Basisnutzen (vgl. Buxmann et al. 2008, S. 23 f.):  Q = c (c + b), mit 0 < Q < 1 (3.1) Das Vorliegen von direkten und indirekten Netzeffekten (auch als Netzwerkeffekte bezeichnet) verändert bekannte ökonomische Regeln. In diesem Fall verdrängt Masse Knappheit als Wertquelle. 3.2.5  Direkte Netzeffekte

Der Nutzen (U), den eine Person (n) aus einem Netzwerkgut zieht (Un ), hängt nicht nur von den (technischen) Eigenschaften (TK) ab, sondern auch von der Gesamtzahl der Personen, die dieses Gut bereits nutzen (N). Erhöht sich die Teilnehmerzahl um Teilnehmer, die neu hinzukommen, so ergibt sich N*:   .. Un = Un (N, TK) mit Un (N, TK) < Un N∗ , TK fur N < N∗ (3.2) Zwei Netzwerkgüter mit denselben technischen Eigenschaften (TK) stiften also einen unterschiedlichen Nutzen (U), wenn sich ihre Teilnehmerzahlen (N) unterscheiden. Je größer die Teilnehmerzahl eines Netzwerkgutes ist, desto größer ist der Nutzen sowohl für diejenigen, die neu hinzukommen als auch für jene, die das Gut bereits verwenden (. Abb. 3.16).

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

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. Abb. 3.16  Direkte Netzeffekte

Direkte Netzeffekte sind externe Effekte bzw. Externalitäten. Externe Effekte liegen vor, wenn sich Kauf- und Verkaufsentscheidungen von Wirtschaftssubjekten auf die Wohlfahrt unbeteiligter Dritter auswirken und niemand dafür bezahlt bzw. niemand dafür einen Ausgleich erhält. Externe Effekte können sowohl bei der Produktion als auch beim Konsum auftreten und positiver sowie negativer Art sein. Generell führen sie dazu, dass private und soziale Kosten bzw. Nutzen wirtschaftlicher Aktivitäten auseinanderfallen. Das Preissystem spiegelt nur unvollständig die Zahlungsbereitschaften wider. Direkte Netzeffekte sind in der Regel auf der Nachfrageseite verortet. Im Fall realer Netzwerke stehen die unmittelbaren wechselseitigen Vorteile bzw. Nachteile durch eine steigende Nutzerzahl im Vordergrund (. Abb. 3.17): 5 Positive Externalitäten entstehen bei Netzwerkgütern dadurch, dass die Netze durch die Verknüpfung ihrer Elemente einen höheren Nutzen stiften. Ein neu hinzutretender Netzteilnehmer steigert den Nutzen der bereits angeschlossenen ­Teilnehmer und macht gleichzeitig das Netz attraktiver für weitere Teilnehmer.

. Abb. 3.17  Direkte Netzeffekte und Externalitäten (vgl. Linde und Stock 2011, S. 62)

3

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3

Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

Diese Nutzensteigerungen werden nicht oder nur zum Teil abgegolten. Ein Ausgleich wäre z. B. gegeben, wenn jeder neue Netzwerkteilnehmer für die Wertsteigerung, die er bewirkt, durch die bereits vorhandenen und/oder die später hinzukommenden Teilnehmer entschädigt würde. 5 Negative Externalitäten in Netzwerkgütern treten auf, wenn es zu einer Überfüllung oder Überlastung des Netzes kommt. Zum Ausgleich dieser Effekte sind in der Regel keine finanziellen Zahlungen vorgesehen. Auch bei virtuellen Netzwerken lassen sich Externalitäten beobachten: 5 Positive Externalitäten entstehen aufgrund sinkender Koordinationskosten, z. B. bei der gemeinsamen Nutzung von Software. Sie treten vor allem dann auf, wenn ein Standard existiert. Er erleichtert den Austausch von Daten oder die Kommunikation zwischen den einzelnen Netzteilnehmern. 5 Negative Externalitäten treten auf, wenn Softwarekomponenten (z. B. Betriebssysteme oder Browser) durch Viren oder Würmer beeinträchtigt werden. Die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen und für die Wiederherstellung von Systemen müssen von den Nutzern selbst getragen werden. Ein Ausgleich durch die Verursacher erfolgt nicht. 3.2.6  Indirekte Netzeffekte

Indirekte Netzeffekte entstehen, wenn der Nutzen, den ein Gut stiftet, von der Verbreitung komplementärer Güter oder komplementärer Nutzergruppen abhängt. Solche Effekte können vor allem dann auftreten, wenn Güter in Form von Basiselementen und komplementären Anwendungskomponenten angeboten werden (. Abb. 3.18). Ein Beispiel für indirekte Netzeffekte ist die Verbreitung von Smartphones: 5 Die Verbreitung von Smartphones nutzt App-Anbietern und Medienunternehmen.

Je mehr komplementäre Produkte /Anwendungen ein System aufweist… Nutzungskomponenten X1

X2

X

X3

Y1

Y2

Y

1) umso nützlicher ist das System…

2) umso attraktiver ist es, weitere komplementäre Produkte für das System bereitzustellen…

Basiskomponenten 3) umso mehr Konsumenten werden sich für das System entscheiden…

. Abb. 3.18  Indirekte Netzeffekte

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

3

45

5 Die App-Anbieter und Medienunternehmen produzieren eine Vielzahl komplementären Güter wie Apps unterschiedlichster Art – bspw. Spiele-, Videostreaming, oder Nachrichten-Apps. 5 Der Nutzen für die Besitzer von Smartphones steigt. 5 Die Verbreitung von Smartphones profitiert von einem großen App-Store. Indirekte Netzeffekte gehen häufig von der Angebotsseite aus. Es profitieren jedoch Anbieter und Nachfrager gleichermaßen, wenn der Wert des primären Basisgutes durch das Angebot komplementärer Güter erhöht wird: 5 Kunden profitieren von Komplementärgütern, die das Basisgut ergänzen. 5 Für Hersteller der Komplementärgüter ist es attraktiv, ihre Produkte dort zu platzieren, wo viele Kunden vorhanden sind oder die Bündelung mit einem Basisgut viele Kunden erwarten lässt. Hinter indirekten Netzeffekten steht die Annahme, dass Bündelangebote von kombinierbaren Gütern, die untereinander kompatibel sind, mehr Wert schaffen als Einzelgüter. In diesem Fall führen indirekte Netzeffekte zu positiven Externalitäten, die zwischen Marktseiten auftreten. Häufig werden zweiseitige indirekte Netzeffekte über Plattformen vermittelt. Es entstehen zwei- bzw. mehrseitige Märkte, bei denen der Nutzen einer Marktseite von der anderen Marktseite beeinflusst wird. Ein Beispiel sind Online-Medienmärkte, bei denen es für die Werbung positiv ist, wenn es hinreichend viele Nutzer gibt. Im Fall von werbefinanzierten Plattformen können die Effekte aber auch negative Externalitäten mit sich bringen, wenn die Werbung als störend empfunden wird. 3.2.7  Netzwerkgesetze

Der Wert der Nutzung eines Netzwerks hängt direkt von der Anzahl anderer Nutzer ab. Je mehr Teilnehmer hinzukommen, desto stärker ist der Netzeffekt. Die Größe des Netzeffekts hängt u. a. mit dem Typus von Netzwerken zusammen (. Abb. 3.19). 1. One-to-Many-Netzwerke

Das Gesetz von Sarnoff ist auf das Fernsehen übertragbar, dass eine 1:N – Beziehung und ein One-to-Many-Netzwerk beschreibt. In diesem Fall nimmt der Wert eines Netzwerkes proportional zur Anzahl der Nutzer zu. 2. Many-to-Many-Netzwerke

Im Fall von Many-to-Many-Netzwerken wird unterschieden zwischen Netzwerken, in denen Teilnehmer kommunizieren und Netzwerken, in denen Nutzer Gruppen bilden können. a) Kommunikationsnetz

Hat ein Telefonnetz nur einen Teilnehmer (N), ist es nutzlos. Bei vier Teilnehmern entspricht der Wert (V) des Netzwerks der Größe:

4(4 − 1) = 12

(3.3)

46

Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

3

. Abb. 3.19 Netzwerkgesetze

Allgemein: ..

..

V = N(N − 1) = N2 − N oder fur große N naherungsweise

(3.4)

N2

(3.5)

Dieser Sachverhalt ist als Metcalfes Gesetz bekannt (vgl. Metcalfe 1995). Beim Nutzen einer Verbindung von Eins wächst der Wert eines Kommunikationssystems tendenziell mit dem Quadrat der Anzahl der Teilnehmer (. Tab. 3.1). Bei einer geringen Teilnehmerzahl ist dieses Gesetz ungenau, jedoch wird diese Ungenauigkeit mit zunehmender Zahl an Teilnehmern immer unbedeutender. Die Möglichkeiten der Interaktion steigen, da zahlreiche neue Anlaufpunkte hinzukommen. Je mehr Teilnehmer ein System nutzen, umso mehr wächst die Vernetzung unter den Teilnehmern und umso stärker ist der Nutzen des Systems. Das Gesetz von Metcalfe unterstellt einen zunehmenden Durchschnittsnutzen eines Netzwerks bei wachsender Zahl der Teilnehmer. Im Fall eines Telefonnetzes macht es Sinn, auf Zweierverbindungen abzustellen. Bei N Teilnehmern beträgt die Zahl möglicher Zweierverbindungen:

N(N − 1)/2 = (N2 − N)/2

(3.6)

3

47

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 3.1  Metcalfes Gesetz Nutzer (N)

Wert des Netzes V = (N − N)

Durchschnittsnutzen V/N = N − 1

1

0

0

2

2

1

3

6

2

4

12

3

5

20

4

10

90

9

100

9900

99

1000

999.000

999

Wenn z. B. vier Personen ein Telefonnetz nutzen, gilt: (3.7)

4(4 − 1)/2 oder (16 − 4)/2 = 6 Bei acht Personen gilt bereits:

8(8 − 1)/2 oder (64 − 8)/2 = 28

(3.8)

Mit zunehmender Teilnehmerzahl können wir auf Basis einer Limes-Berechnung vereinfacht von N2/2 ausgehen. b) Gruppen-Verbindungen in Netzwerken

Reeds Gesetz beschreibt, wie viele Gruppen-Verbindungen in einem Netzwerk (z. B. bei sozialen Netzwerken, virtuellen Gemeinschaften) möglich sind (vgl. Reed 1999). Bezogen auf vier Teilnehmer (A, B, C, D) sind folgende Gruppenbildungen möglich:

A ↔ B; A ↔ C; A ↔ D; B ↔ C; B ↔ D; C ↔ D

(3.9)

A ↔ B ↔ C; A ↔ B ↔ D; A ↔ C ↔ D; B ↔ C ↔ D

(3.10)

A↔B↔C↔D

(3.11)

Damit gibt es insgesamt elf Möglichkeiten der Gruppen-Verbindung: (3.12)

24 − 4 − 1 = 11 Allgemein: ..

..

2N − N − 1, oder fur große N naherungsweise

(3.13)

2N

(3.14)

z Messung von Netzeffekten

Obwohl Netze überall sichtbar sind, ist die Messung von Netzeffekten schwierig. Objektive Eigenschaften messen die Größe der installierten Basis, Standards oder Nutzungsstatistiken. Subjektive Eigenschaften stützen sich z. B. auf Befragungen von Nutzern oder Zufriedenheitsmessungen und beziehen u. a. Wechselkosten in die

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3

Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

Betrachtung ein. Kritiker verweisen darauf, dass es sich bei Netzwerkgesetzen nicht um direkt empirisch beobachtbare Zusammenhänge, sondern um eher theoretische Formulierungen handelt (vgl. Göldi 2007). Netzwerkgesetze unterstellen in der Regel zunehmende Zuwächse. Die Verbreitung neuer Technologien folgt jedoch häufig eher einem S-förmigen Verlauf: 5 In der Anfangsphase der Verbreitung ist der Zuwachs an neuen Nutzern noch gering und die Verbreitungskurve zeigt einen flachen Verlauf. 5 Erst anschließend erfolgt ein beschleunigtes Wachstum, das dann wieder abflacht. Netzwerkgesetze gehen in der Regel davon aus, dass der Nutzenzuwachs mit der Zahl der schon vorhandenen Teilnehmer steigt. Diese Sicht ist zu hinterfragen: 5 Die Annahme, dass der Nutzen einer Netzverbindung für alle Teilnehmer gleich ist, muss nicht immer zutreffen. Theoretisch steigt zwar die Anzahl möglicher Kommunikationsverbindungen quadratisch an. In der Praxis aber kommuniziert jeder in der Regel nur mit einer kleinen Anzahl anderer Teilnehmer und besucht z. B. nur wenige Websites. 5 Wenn die Knoten gar nicht miteinander kommunizieren, überschätzen die Gesetze von Metcalfe und auch von Reed den Wert des Netzwerks. Entsprechend können die meisten theoretisch verfügbaren Kommunikationskanäle brachliegen (vgl. Hirstein 2006). 5 Es kann nicht ohne weiteres erklärt werden, warum anfangs erfolgreiche Netzwerke sich wieder auflösen. Zudem ist fraglich, warum die Motivation zur Beteiligung an Netzwerken allein durch den Anstieg der Mitgliederzahl wachsen soll. 5 Der Zerfall von Netzwerken kann über das sogenannte k-core-Theorem analysiert werden. Der Wert k definiert dabei die Anzahl von Verknüpfungen der Nutzer eines Netzwerks, wobei der k-core (Kern des Netzwerks) die größte miteinander verbundene Gruppe darstellt. Untersucht wird nun, welchen kritischen Wert k erreichen muss, damit ein Netzwerk unattraktiv wird und zerfällt (Yu et al. 2016). Das Nutzungsverhalten vieler Internetnutzer folgt häufig einer Regel, die vom Linguisten Zipf entwickelt worden ist (Zipfs Gesetz). Danach nimmt die Wichtigkeit bzw. der Wert von E-Mail-Kontakten entlang ihrer Ordnung logarithmisch ab:    1 + 1 2 + 1 3 + · · · + 1 (N − 1) (3.15)

Dies bedeutet, dass Nutzer von ihrem häufigsten E-Mail-Partner etwa doppelt so viele Nachrichten erhalten wie vom zweitwichtigsten und dreimal so viele wie vom drittwichtigsten Absender. Zipfs Gesetz könnte auch für Verbindungen in Kommunikationsnetzen gelten, wenn man sie nach der Häufigkeit ihrer Nutzung ordnet. Ist der Nutzen von Verbindungen nicht gleich, dann werden die Verbindungen mit dem höchsten Nutzen zuerst eingerichtet. Dies bedeutet, dass zwar der Gesamtnutzen des Netzwerkes bei zunehmender Zahl der Teilnehmer zunimmt, der Nutzenzuwachs jedoch mit steigender Teilnehmerzahl abnimmt. Das Wachstum des Netzwerks verlangsamt sich, bevor es seine maximale Ausdehnung erreicht. In Anlehnung an Zipf wird der Wert eines Netzwerkes, das mit der Größe N wächst, daher häufig angegeben mit (. Abb. 3.20; vgl. Briscoe et al. 2006):

N · log (N)

(3.16)

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

49

. Abb. 3.20  Wachstum von Netzwerken

Der Wert steigt in diesem Fall nicht proportional, sondern logarithmisch zur Benutzerzahl, was ein deutlich langsameres Wachstum bedeutet. Ursächlich sind die beschränkte Zahl von Kommunikationspartnern und häufig brachliegende Verbindungen. Der Wert eines Netzwerkes steigt damit noch überproportional, jedoch nicht so schnell wie von anderen Gesetzen prognostiziert. So würde die Vereinigung von zwei Netzen, die je 1 Mio. € wert sind, auf Basis von Metcalfes Gesetz zu einem neuen Wert von 4 Mio. € führen (1 + 1)2. Realistischer erscheint hingegen vielleicht ein Wert von 2,2 Mio. € (vgl. Hirstein 2006). Die folgenden Fallbeispiele und Anwendungen erläutern Voraussetzungen, Größenordnung und die Beurteilung des Wertes bzw. Nutzens von Netzwerkgütern: 5 Standards als Voraussetzung von Netzeffekten. 5 Netzwerkgesetze. 5 Wert und Nutzen von Netzwerkgütern am Beispiel des Internets. 3.2.8  Webbasierte soziale Netzwerke und Externalitäten

Konstitutives Merkmal webbasierter soziale Netzwerke sind Externalitäten. Diese können positiver und/oder negativer Natur sein (vgl. Clement 2014, . Abb. 3.21). 1. Positive Externalitäten a) Netzeffekte

Es gibt steigende Anreize für potenzielle Teilnehmer, sich einem sozialen Netzwerk anzuschließen, je größer es bereits ist. Es liegen positive Netzexternalitäten. Der Nutzenzuwachs hängt nicht von der absoluten Teilnehmerzahl (globale Netzeffekte), sondern von den Teilnehmern aus dem persönlichen Umfeld ab (lokale Netzeffekte; vgl. Linde und Stock 2011, S. 58 f.). Für soziale Netzwerke bedeutet das: Facebook kann global die

3

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Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

3

. Abb. 3.21  Webbasierte soziale Netzwerke und Externalitäten

größte Nutzerzahl haben, wenn jedoch die eigenen Freunde und Bekannten z. B. aus Datenschutzgründen ein anderes, kleineres soziales Netzwerk wie „werkenntwen“ nutzen, ist der Nutzen des kleineren Netzwerks aufgrund der lokalen Netzeffekte größer als der individuelle Nutzen von Facebook. Das persönliche Umfeld eines Individuums ist dabei begrenzt. Der Grenznutzen, der mit jedem weiteren Teilnehmer im sozialen Netzwerk entsteht, ist daher abnehmend (vgl. Clement und Schreiber 2016, S. 62 f.). b) Soziale Interaktion

Auch Inhalte in sozialen Netzwerken, die z. B. informierenden oder unterhaltenden Charakter haben, unterliegen Netzeffekten. So wirken z. B. Kaufempfehlungen und Erfahrungsberichte positiv auf das Kaufverhalten. Kommentare schaffen Orientierung und Informationen beeinflussen die Einstellungen und Meinungen. Allerdings ist die Anzahl der Menschen, mit denen enge kommunikative und soziale Beziehungsmuster aufgebaut werden können, beschränkt. Nach Analysen von Dunbar gibt es kognitive Grenzen für die Anzahl von Menschen, mit denen eine Einzelperson enge soziale Beziehungen unterhalten kann. Die Dunbar-Zahl liegt bei etwa 150 Menschen (vgl. Dunbar 1993). In sozialen Netzwerken wird diese Zahl zum Teil deutlich übertroffen. Soziale Netzwerke eignen sich offenbar durch den relativ einfachen und auf die Bedürfnisse der menschlichen Kommunikation zugeschnittenen Aufbau (z. B. Orientierungs-, Erinnerungshilfen) dafür, die Kapazität des menschlichen Gehirns so zu erweitern, dass mehr Beziehungen organisiert werden können (vgl. Schulmeister 2009). Ob damit jedoch tatsächlich die Fähigkeiten für den Umgang mit sozialen Bindungen erweitert werden, bleibt abzuwarten.

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

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2. Negative Externalitäten a) Ansteckungseffekte

In Anlehnung an die Verbreitung biologischer Viren (z. B. Grippe) lassen sich ähnliche Folgen in Kommunikationssystemen erwarten. Selbst Viren mit einer niedrigen Ausbreitungsgeschwindigkeit können sich weiter ausbreiten. Ursächlich ist die Existenz von Knotenpunkten, da diese viele Verbindungen zu anderen Knoten haben. Malware-Infektionen und die Verbreitung von Viren vollziehen sich häufig über derartige Knoten. Viele Netzwerke verfügen zwar über eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen zufällig auftretende Störungen, sie sind aber anfällig, wenn eine oder mehrere zentrale Knoten Ziel eines viralen und koordinierten Angriffs sind (vgl. Barabási 2003, S. 109 ff.). b) Kommunikationseffekte

Negative externe Effekte entstehen in sozialen Netzwerken vor allem im Kontext der Kommunikation. So können sich bereits wenige negative Beiträge im Zeitablauf zu Empörungswellen (Shitstorms) entwickeln und das Ansehen oder die Reputation eines Unternehmens oder von privaten Nutzern nachhaltig schädigen. Mit dem Wachstum an Mitgliedern nehmen gegebenenfalls auch die ungewollten Kontakte und die störende Kommunikation zu. Ein Zuviel an Vernetzung kann damit den gegenteiligen Effekt bewirken. Dies gilt nicht nur, weil Störer existieren, sondern auch weil Informationen in großer Zahl eine Selektion unumgänglich machen. Zugleich steigt der Zeitaufwand, denn Kontakte wollen gepflegt werden. c) Social Bots

Social Bots sind Roboter, die in sozialen Netzwerken oder Foren durch einen Algorithmus gesteuert automatisiert Nachrichten versenden oder andere Auktionen ausführen. Sie täuschen eine menschliche Identität vor und können mit ihren Nachrichten Diskussionsverläufe steuern und manipulieren. So können sie insbesondere solche Konsumenten beeinflussen, die ihre Meinung noch nicht gefestigt haben. In der Vergangenheit wurden Social Bots von verschiedenen Parteien auch in politischen Wahlkämpfen eingesetzt und stehen in Verdacht, knappe Entscheidungen maßgeblich beeinflusst zu haben (Ferrara et al. 2016). d) Datenmissbrauch

Nutzer sozialer Netzwerke haben in der Regel keine Gewissheit darüber, was mit ihren Daten passiert. Daraus ergeben sich sowohl in der privaten als auch beruflichen Nutzung Gefahren des Datendiebstahls sowie der Verwendung der Daten für andere Identitäten. Die informationelle Selbstbestimmung gerät in Gefahr. Obwohl viele Nutzer sich dieser Möglichkeit bewusst sind, geben sie im Gegenzug für die kostenlose Nutzung oder den kostenlosen Erwerb eines digitalen Gutes ihre Datem preis. In diesem Zusammenhang spricht man vom Privacy Paradox (vgl. Engels und Grunewald 2017). 3.2.9  Standardisierung

Standards sind Konventionen darüber, wie sich wiederholt stellende technische Probleme zu regeln sind. Sie sollen im IKT-Bereich vor allem die Kompatibilität und die Zusammenarbeit von Systemkomponenten sicherstellen. Betrachten wir als Beispiel zwei zunächst inkompatible Telefonnetze mit 4 bzw. 5 Teilnehmern. Der Wert (V) des

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Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

Netzwerks entspricht vereinfacht der Größe, die sich durch die Anzahl von potenziellen Verbindungen ergibt. Sie beträgt: 5 Bei 4 Teilnehmern: 4(4 − 1) = 12 5 Bei 5 Teilnehmern: 5(5 − 1) = 20

3

Werden die zwei konkurrierenden Telefonnetze zusammen geschaltet, d. h. wird Kompatibilität geschaffen, so werden zweiundsiebzig Verbindungen möglich: 5 Bei 9 Teilnehmern: 9(9 − 1) = 72 Durch die Kompatibilität von zwei Netzen steigt der Nutzen also überproportional. 1. Akteure der Standardisierung

Eine Standardisierung kann durch staatliche Eingriffe, freiwillige Einigung oder wettbewerbliche Prozesse erfolgen (vgl. Theuvsen 2007). Das Ergebnis eines Standardisierungsprozesses hängt vereinfacht betrachtet von zwei Faktoren ab: 5 Zum einen von den Anreizen, die Entwickler, Hersteller oder auch Käufer an der Durchsetzung eines einheitlichen Standards haben. 5 Zum anderen von der Stärke des Interesses an der Durchsetzung eines ganz bestimmten Standards (vgl. Katz und Shapiro 1985). Werden diese Faktoren kombiniert, lassen sich vier Fälle unterscheiden (. Abb. 3.22; vgl. Besen und Saloner 1989): 5 Öffentliches Gut: Der individuelle Nutzen ist so gering, dass kein Unternehmen die Kosten der Standardsetzung auf sich nehmen will, obwohl alle Beteiligten prinzipiell ein Interesse an der Standardisierung haben. Der Standard weist dann die Merkmale eines öffentlichen Gutes auf. In der Regel verbleibt nur die Standardisierung durch staatliche Instanzen. Zu solchen De-jure-Standards zählen bspw. Standards im Bereich der Sicherheit von IKT-Systemen. 5 Reine Koordination: Unternehmen haben häufig ein Interesse an der Existenz eines Standards. Oft liegt aber der Nutzen, den sie selbst aus der Standardisierung ziehen, oberhalb der Kosten, die aus der Beteiligung am Standardsetzungsprozess entstehen. In diesem Fall sind kooperative Verfahren der Standardisierung zu erwarten. Diese erfolgt freiwillig und häufig durch Organisationen (z. B. ISO), Branchenverbände sowie Assoziationen, die von Unternehmen getragen werden. Sie münden in Quasi-­ Standards.

. Abb. 3.22 Standardisierungsformen

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3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

5 Privates Gut: In diesem Fall existieren alternative Technologien im Markt, doch sind die Anreize dazu gering, eine Technologie als Standard durchzusetzen. Es gibt mehrere konkurrierende Hersteller, die dauerhaft im Markt überleben können. Die Unternehmen haben kein Interesse an einer Vereinheitlichung und Herstellung von Kompatibilität (z. B. Hersteller von Videospielen, Spielekonsolen). 5 Konflikt: Die wettbewerbliche Standardisierung ist nicht-kooperativ angelegt. Sie erfolgt dadurch, dass sich eine Technologie am Markt durchsetzt. Es kommt zu einem De-facto-Standard (z. B. Betriebssysteme, Internet-Browser). 2. Eigentum und Zugang zu Standards

Die Auswirkungen der Standardisierung sind u. a. davon abhängig, wer die Standards besitzt und wie der Zugang ausgestaltet wird (. Tab. 3.2; vgl. Nappenbach 1998). a) Im Fall eines geschlossenen Unternehmensstandards fließen alle Einnahmen aus damit verbundenen Produkten und Leistungen dem Eigentümer zu. Diese Form entspricht einem proprietären Standard. b) Bei einem eigentumsrechtlich geschützten Standard mit offenem Zugang ist es anderen Unternehmen erlaubt, Zubehör oder kompatible Produkte herzustellen. Sie tragen dadurch zur Verbreitung des Standards bei. Die Entscheidung, ob andere Teilnehmer dazu Lizenzgebühren entrichten müssen, liegt beim Unternehmen selbst. Diese Form lässt sich als halboffene Standardisierung bezeichnen. c) Ein öffentlicher Standard, der frei zugänglich ist, wird offen genannt. Er ist das Ergebnis eines standardübergreifenden Wettbewerbs oder wird durch ein Gremium vorgegeben. Er unterscheidet sich vom halboffenen Standard dadurch, dass die Kontrolle nicht mehr bei einem Unternehmen allein liegt. Der Standard kann zwar von einem Unternehmen begründet worden sein, ist aber nun frei für andere Nutzer. Niemand hat jedoch die Verpflichtung, einen offenen Standard zu pflegen. Beispiele hierfür sind z. B. Open Source Projekte wie Linux. Offene und geschlossene Standards haben unterschiedliche Konsequenzen für die Marktstruktur und die Ertragsaussichten der beteiligten Akteure. Je stärker ein Unternehmen ist, desto eher kann es eine Kontrollstrategie mithilfe proprietärer Systeme durchsetzen. Die Stärke kann auf Marktmacht, technologischer Überlegenheit und/oder Verfügungsrechten wie Patenten basieren. Der Inhaber eines proprietären Standards kontrolliert auch die Entwicklung von Komplementärgütern. Er kann die Dominanz des eigenen Standards als Hebel nutzen, um in Komplementärgütermärkte einzudringen und dort ebenfalls eine überragende Rolle einzunehmen. Beide Standardisierungstypen sind mit Vor- und Nachteilen verbunden (. Tab. 3.3). Im Fall von Standards sind die Marktgröße und die kritische Masse von Bedeutung. Betrachten wir ein Beispiel (vgl. Skiera 2002): Die Unternehmensleitung erwartet im Fall

. Tab. 3.2  Eigentumsrechte und Offenheit von Standards Eigentumsrechte

Zugang beschränkt

Zugang offen

Privat

Geschlossener Unternehmensstandard (a)

Halboffener Unternehmensstandard (b)

Öffentlich (Gemeingüter)



Offener Standard (c)

3

54

Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

. Tab. 3.3  Offene und geschlossene Standards

3

Offener Standard (Open Source)

Geschlossener Standard (proprietär)

Vorteile

Nachteile

Vorteile

Nachteile

Netzeffekte führen zur schnellen Verbreitung und technischen Weiterentwicklung des Standards

Der Standard wird von allen genutzt. Unklar ist, wer ihn weiterentwickelt und darin investiert

Lock-In und Aufbau von Wechselkosten für Kunden erleichtern die alleinige Beanspruchung von Erlösen

Gefahr der Standardkriege mit dem Risiko, leer auszugehen; geringere Flexibilität gegenüber Anforderungen des Marktes

. Tab. 3.4  Vorteilhaftigkeit eines geschlossenen Standards Geschlossen

Offen

Gesamtmarkt

10 Mio. €

100 Mio. €

Marktanteil

100 %

20 %

Umsatz

10 Mio. € · 100 % = 10 Mio. €

100 Mio. €  ·  20 % = 20 Mio. €

Deckungsbeitragssatz

50 %

20 %

Deckungsbeitrag

10 Mio. € · 50 % = 5 Mio. €

20 Mio. €  ·  20 % = 4 Mio. €

. Tab. 3.5  Vorteilhaftigkeit eines offenen Standards Geschlossen

Offen

Gesamtmarkt

10 Mio. €

100 Mio. €

Marktanteil

100 %

20 %

Umsatz

10 Mio. € · 100 % = 10 Mio. €

100 Mio. € · 20 % = 20 Mio. €

+ Complementäre Beratung

10 Mio. € ·50 % = 5 Mio. €

20 Mio. € · 50 % = 10 Mio. €

+ Deckungsbeitrag (30 %)

5 Mio. € · 30 % = 1,5 Mio. €

10 Mio. € · 30 % = 3 Mio. €

Deckungsbeitrag, insgesamt

5 Mio. € + 1,5 Mio. € = 6,5 Mio. €

4 Mio. € + 3 Mio. € = 7 Mio. €

des proprietären Standards ein Marktvolumen aus dem Verkauf eines Gutes von 10 Mio. € im Jahr (. Tab. 3.4). Das Unternehmen kann in diesem Fall den Markt voll abschöpfen und einen Deckungsbeitrag von 50 % erwirtschaften. Im Fall des offenen Standards ist das Marktvolumen mit 100 Mio. € deutlich höher. Der Marktanteil und der Deckungsbeitrag des Unternehmens werden jeweils bei 20 % erwartet. Sinnvoll ist in diesem Fall die Realisierung des geschlossenen Standards, da ein Deckungsbeitrag von 5 Mio. € erzielt werden kann. Nehmen wir nun an, dass mit dem Angebot von komplementären Beratungsdienstleistungen bei beiden Standardisierungsalternativen ein zusätzliches Marktvolumen von 50 % zu erzielen ist. Die Marktanteile bleiben jeweils gleich. Die Umsätze aus den

55

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

Marktanteil des Marktführers in %

100 80 60 40 20 0 Gering

Offenheit von Standards

Hoch

. Abb. 3.23  Offenheit eines Standards und Marktanteile

Beratungsdienstleistungen erwirtschaften einen Deckungsbeitrag von 30 %. In diesem Fall ist ein offener Standard vorteilhaft (. Tab. 3.5). Offene Standards begünstigen den Wettbewerb und haben im Allgemeinen wettbewerbsfördernde Auswirkungen (. Abb. 3.23). Sie erhöhen die Netzeffekte und vermindern die Unsicherheit der Konsumenten, die beim Kauf von Informationsgütern bestehen, da die Systemkomponenten kompatibler sind. Sie reduzieren die Kundenbindung und erhöhen den Preiswettbewerb auf dem Markt für Systemkomponenten. 3.2.10  Wert des Internets

In einer Volkswirtschaft zählen nur Güter zum Einkommen und Bruttoinlandsprodukt (BIP), die einen Preis haben. Der Nutzen, den das Internet und darauf basierende Angebote haben, ist jedoch vielfältig. Vielleicht schrumpft sogar die Ökonomie, weil viele Menschen Zeit im Netz verschwenden. Um den Wert von kostenlosen Web-Diensten zu messen, muss deren Nutzen quantitativ ermittelt werden. Der Wohlstand der Nationen (An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations) ist das 1776 erschienene Hauptwerk des schottischen Ökonomen Adam Smith. Es bildet den Ausgangspunkt der klassischen Nationalökonomie. Rund 250 Jahre später lässt sich in Anlehnung an dieses Werk vom „Wohlstand der Netze“ sprechen und das Internet in den Mittelpunkt rücken. Ökonomen sind es bei der Betrachtung des Wohlstands gewohnt, Nutzen, Werte und Preise von Gütern zu beziffern. Diese Aufgabe ist keineswegs einfach, wie das klassische Wertparadoxon (Wasser-Diamanten-Paradoxon) verdeutlicht. So hat das zum Überleben äußerst wertvolle Wasser in der Regel einen geringen Preis, während Diamanten, die einen vergleichsweise geringen Nutzen für das Überleben aufweisen, einen hohen Preis haben. Aus ökonomischer Sicht lässt sich dieses Paradoxon aufhellen, wenn zwischen Tausch- und Gebrauchswert getrennt wird. Der Gebrauchswert von Wasser

3

56

3

Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

ist hoch und jener von Diamanten gering. Beim Tauschwert verhält es sich hingegen umgekehrt. Diamanten sind eher selten und haben einen hohen Preis. Wie sind nun Nutzen und Wert des Internets zu beurteilen? Zur Beantwortung dieser Frage lassen sich mehrere Perspektiven einnehmen. Die nachfolgenden Kategorien sind nicht überschneidungsfrei. Sie zeigen aber gut die Bedeutung auf, die das Internet und die damit verbundenen IKT gegenwärtig und zukünftig haben (. Abb. 4.15). 1. Internet-Wirtschaft

Die Erfassung der Internet-Wirtschaft (digitalen Wirtschaft) orientiert sich an vorliegenden nationalen und internationalen Systematiken. Damit lässt sich die Internet-Wirtschaft mit anderen Branchen z.  B. anhand von Anteilen am BIP, der Wertschöpfung oder Arbeitsplätzen vergleichen (vgl. BMWI 2014). Enthalten sind darin Außenhandelsanteile (Ex- und Import), B2B- und B2C-Märkte, Datendienste, IKT-Dienstleistungen, Online-Werbung sowie Online-Glücksspiele. Je nach Abgrenzung entfallen auf die digitale Wirtschaft in Deutschland gegenwärtig etwa 3,7 % des BIP (Weber et al. 2018). Die Branche ist damit vergleichbar mit dem Maschinenbau. Allerdings wird mit dieser Betrachtung der Querschnittscharakter von IKT bzw. die Bedeutung von Netzinfrastrukturen nicht hinreichend berücksichtigt. 2. Intelligente Netze

Der Ausbau intelligenter Netze hat bereichsübergreifende und bereichsspezifische Folgen, z. B. für Energie-, Verkehrs-, Gesundheits-, Bildungs- und Verwaltungsinfrastrukturen. Insgesamt lassen sich durch solche Netze Effizienzgewinne (z. B. durch Einsparungen), zusätzliche Wachstumsimpulse und positive Auswirkungen auf die Lebensqualität erzielen (vgl. BITKOM und Fraunhofer-ISI 2012). Durch das Internet of Everything (IoE) werden Objekte, Daten, Prozesse und Menschen miteinander verknüpft. Ein entsprechender Index stellt die damit verbundenen Vorteile für Volkswirtschaften und Branchen dar (vgl. CISCO 2013). Der Begriff Industrie 4.0 beschreibt die Umstellung der Produktion auf digitalisierte und vernetzte Produktionsabläufe. Durch den konsequenten Einsatz von IKT und Internet-Technologien in der Industrie können Arbeitsabläufe anders organisiert werden. Dadurch entstehen neue Produkte, Dienstleistungen und Märkte. Gleichzeitig treten Kosteneinsparungen und Produktivitätsgewinne auf (vgl. BMWi 2015). 3. Digitalisierungsgrad und Anwendungen

Zur Beurteilung des Anwendungsstandes lassen sich u. a. Digitalisierungsgrade von Wirtschaft und Gesellschaft bestimmen. Dazu liegen verschiedene Indizes vor. Zwei Beispiele: 5 Die EU-Kommission berechnet einen Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI, Digital Economy and Society Index, vgl. EU-Kommission 2018). Erfasst werden die Konnektivität (Verfügbarkeit schneller und erschwinglicher Breitbandverbindungen), die Kompetenzen der Internet-Nutzer, das Angebot von privaten Online-Diensten (von Nachrichten bis zu Einkäufen), der Entwicklungsstand der Digitaltechnik (elektronische Rechnungstellung, Cloud-Dienste, elektronischer Geschäftsverkehr) sowie die digitalen öffentlichen Dienste (z. B. Behörden- und Gesundheitsdienste). 5 Die Initiative D21 misst seit 2013 die Entwicklung des Digitalisierungsgrades der deutschen Bevölkerung. Dazu zählen der Zugang, die Kompetenz, die Offenheit sowie die Nutzungsvielfalt bezogen auf digitale Medien und das Internet (vgl. Initiative D21 2019).

3.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

57

Im Kontext der Anwendungen ist es sinnvoll, kostenpflichtige und kostenlose Angebote zu trennen. a) Kostenpflichtige Angebote

Das Internet und die damit verbundenen Technologien haben Auswirkungen auf nahezu alle anderen Wirtschaftsbereiche. In „entwickelten“ Volkswirtschaften entfallen rund 50–60 % der gesamtwirtschaftlichen Wirtschaftsleistung auf Transaktionen, die mit Hilfe von IKT-Technologien unterstützt oder sogar vollständig digital abgewickelt werden. Dazu zählen z. B. interne Arbeitsanweisungen, Schnittstellen zu Lieferanten und Kunden, Marktforschung, Management, Planung oder Kontrolle (vgl. IW und BITKOM 2011). Das Internet ist damit nicht nur zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor, sondern zu einer unverzichtbaren wirtschaftlichen Ressource geworden. Der Wert des Internets lässt sich damit über Zahlungsbereitschaften oder Kompensationszahlungen ermitteln, die von Unternehmen für die (Weiter-)Existenz des Netzwerkes gezahlt würden (Opportunitätskosten-Ansatz). Sofern Geschäftsmodelle nicht mehr realisiert werden können, müssten die volkswirtschaftlichen Kosten der Insolvenz von Unternehmen mitberücksichtigt werden (z. B. Verlust an Arbeitsplätzen, Steuerausfälle für den Staat). b) Kostenlose Angebote

Nicht alle Effekte des Internets schlagen sich in Statistiken nieder (vgl. Handelsblatt 2011). Das Internet wird zunehmend Teil unseres Alltags und prägt unsere Lebenswelt im erheblichen Ausmaß (vgl. Heidkamp und Kergel 2017, S. 153). Gemeinsam ist diesen Effekten, dass damit verbundene Vorteile ohne direkte Gegenleistung bezogen werden: 5 Konsumentenrente: In Statistiken gehen nur die Güter ein, die Preise haben. Viele Güter im Internet sind aber für Nutzer gratis, auch wenn ihre Herstellung Kosten verursacht und z. B. durch Werbung finanziert wird (z. B. Nutzung von Suchmaschinen, Videoportalen, sozialen Netzwerken). Dieser Nutzen lässt die Konsumentenrente steigen. Wenn Anbieter z. B. von Online-Diensten keinen Preis verlangen, fällt die Konsumentenrente entsprechend groß aus. Eine Erhöhung der Konsumentenrente lässt sich auch durch eine höhere Produktvielfalt und im Vergleich zum stationären Handel geringere Preise ableiten (vgl. Brynjolfsson et al. 2003). Das kostenlose Angebot von Gütern bzw. die geringeren Preise für Endprodukte reduzieren demgegenüber die Berechnung des BIP, die allein auf Marktpreisen basiert. 5 Zeit: Nicht berücksichtigt wird die Zeit, die Nutzer freiwillig online verbringen. Aus ökonomischer Sicht lässt sich berechnen, was Nutzer hätten verdienen können, wenn sie stattdessen einer bezahlten Tätigkeit nachgegangen wären. Diese Summe drückt aus, welchen Wert online verbrachte Zeit für die Nutzer hat, die freiwillig auf Einkommen verzichten. Schwierig ist in diesem Zusammenhang die Abgrenzung von Arbeits- und Freizeit, da viele Anwendungen in beide Kategorien hineinreichen. 5 Vernetzung: Digitalisierung und Vernetzung prägen bereits jetzt viele Lebensbereiche. In Deutschland sind Nutzer vor allem im Bereich der Familie und der Freunde vernetzt (vgl. McKinsey & Company, Inc. 2016) Studien zeigen, dass ein vernetzter Lebensstil für viele Menschen den Alltag erleichtert, einen schnelleren Informationsaustausch mit sich bringt, und es einfacher macht, private und berufliche Kontakte zu pflegen. Auch in diesem Kontext lassen sich Zahlungsbereitschaften für den Fall ermitteln, in dem das Internet und damit verbundene Dienste nicht mehr zur Verfügung stehen.

3

58

Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

Der eigentliche Wert des Internets für den Wohlstand einer Ökonomie oder Gesellschaft lässt sich mit solchen Betrachtungen nur näherungsweise und nur in ganzheitlicher Betrachtung beziffern. Das Internet ist mehr als ein ökonomisches Experimentierfeld. Es ist ein kultureller Umbruch, der mit jenem des Buchdrucks vergleichbar ist. Es müssen daher auch mögliche Nachteile dieser Entwicklung bei einer Analyse berücksichtigt werden:

3

» „Das Internet kann heute schon als die am schnellsten verbreitete und rezipierte

Kulturtechnik in der Geschichte der Menschheit verstanden werden. Es ist eine ergänzende Kulturtechnik, die auf den anderen Kulturtechniken aufbaut und auch wieder auf sie zurückführt. Die Vorteile des Mediums sind schnell beschrieben. Sie machen sich fest an Begriffen wie Aktualität, Geschwindigkeit, Nähe, Digitalisierung. Aber auch die Nachteile sind schnell benannt: unübersichtlich, unkontrollierbar, fälschungsunsicher, unüberschaubar, urheberrechtsverletzend. Das eine zu nutzen und das andere zu bedenken gehört zur künftig weiter auszubildenden Kompetenz im Umgang mit dieser Kulturtechnik“ (Mertin 2001)

Rifkin hat die Vision eines Internets der Dinge abgeleitet, die das gesamte Wirtschaftssystem verändern kann (vgl. Rifkin 2014). In einer erweiterten Betrachtung sind aber auch Wertverluste zu berücksichtigen, die sich z. B. aus veränderten Wertschöpfungsketten und Arbeitsplatzverlusten ergeben (u. a. Buch-, Musikhandel; vgl. Keen 2015). 3.3  Übungen 10. Digitalisierungsgrade

Welche Digitalisierungsgrade lassen sich bei digitalen Gütern unterscheiden? Geben Sie für jede Klasse entsprechende Beispiele. 1 1. Eigenschaften digitaler Güter Erläutern Sie Eigenschaften, bei denen sich materielle und digitale Güter unterschieden. 12. Originärer und derivativer Produktnutzen

Erläutern Sie am Beispiel einer Rolex-Uhr und eines Kommunikationsnetzes den Unterschied zwischen originärem und derivativem Nutzen.

13. Netzeffekte

a) Welcher Zusammenhang besteht zwischen Netzwerkeffekten und externen ­Effekten? b) Unterscheiden Sie direkte und indirekte Netzeffekte.

14. Formen der Standardisierung

Erläutern Sie die (drei) Möglichkeiten der Standardisierung im Rahmen der nachfolgenden Tabelle: Anreize zur Durchsetzung eines Standards Gering

Interesse an der Durchsetzung eines bestimmten Standards

Gering Hoch

Hoch

59

3.3 · Ubungen

15. Offene und geschlossene Standardisierung

Beurteilen Sie die möglichen Vor- und Nachteile offener und geschlossener Standards im Rahmen der nachfolgenden Tabelle:

Offener Standard (Open Source) Vorteile Nachteile

Geschlossener Standard (proprietär) Vorteile Nachteile

16. Standardisierungsstrategien

Beurteilen Sie die strategischen Vor- und Nachteile der Vorankündigung eines Produktstandards bzw. der schnellen Markteinführung im Rahmen der nachfolgenden Tabelle:

Vorankündigung (Vaporware) Schnelle Markteinführung Vorteile Nachteile Vorteile Nachteile 17. Durchsetzung von Standards

Nehmen wir an, zwei Unternehmen konkurrieren mit ihren Technologien um die Durchsetzung eines De-facto Standards für digitales Fernsehen. Beide Unternehmen haben F&E-Kosten von 1 Mrd. €. Sie können ihre darauf basierenden Fernsehgeräte zu einem Preis von 1000 € oder 2000 € anbieten. Bei einem Preis von 1000 € können 2 Mio. Geräte verkauft werden. Bei einem Preis von 2000 € reduziert sich der Absatz auf 1 Mio. Geräte. Wenn beide Unternehmen unterschiedliche Preise wählen, verkauft nur das Unternehmen mit dem geringeren Preis. Wählen beide den gleichen Preis, spaltet sich der Markt in zwei gleich große Teile auf und jedes Unternehmen verkauft gleich viel. Übertragen Sie die Situation in eine Auszahlungsmatrix und beurteilen Sie die Situation. Unternehmen B

Auszahlungsmatrix Unternehmen A

1000 €

2000 €

1000 € 2000 €

18. (Nicht-)Kooperative Standardisierung

Diskutieren Sie das Ergebnis der Standardisierung im Rahmen folgender Matrix (4 = bestes, 1 = schlechtestes Ergebnis in Mrd. €). Unternehmen B Kooperative Standardisierung

Auszahlungsmatrix Unternehmen A

Nicht-kooperative Standardisierung

Kooperative Standardisierung

A: 3 B: 3

A: 1 B: 4

Nicht-kooperative Standardisierung

A: 4 B: 1

A: 2 B: 2

3

60

Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

19. Größenwachstum von Netzwerken

Quantifizieren Sie in einem sozialen Netzwerk von 20 Mitgliedern a) den bidirektionalen Nutzen von Kommunikationsbeziehungen, b) das Potenzial zur Bildung von Communities, c) den Nutzen, wenn er sich logarithmisch zur Zahl der Nutzer entwickelt.

3

20. Wert von Netzwerken

a) Sollte der Kaufpreis eines sozialen Netzwerks proportional mit der durchschnittlichen Anzahl an Nutzern steigen? b) Wie beurteilen Sie den Nutzenzuwachs von sozialen Netzwerken, wenn die Zahl der Nutzer steigt? c) Beschreiben Sie am Beispiel von sozialen Netzwerken (z. B. Facebook) positive und negative Externalitäten.

21. Wert des Internets

Wie lässt sich der Wert des Internets bemessen? Unterscheiden Sie in diesem Kontext verschiedene Bewertungsmethoden.

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Kapitel 3 · Güter in der Internet-­Ökonomie

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63

Produktion von digitalen Gütern 4.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe – 64 4.2 Grundlagen und Fallbeispiele – 65 4.2.1 Kostenstruktur digitaler Güter – 65 4.2.2 Originale, Kopien und Raubkopien – 72 4.2.3 Instrumente zur Durchsetzung von Eigentumsrechten – 75 4.2.4 Innovationsanreize für digitale Güter – 81

4.3 Übungen – 85 Literatur – 86

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0_4

4

64

Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

4.1  Inhalt und Schlüsselbegriffe (. Abb. 4.1) z Inhalt

4

Die nachfolgenden Aspekte erläutern ausgewählte Eigenschaften der Produktion von digitalen Gütern sowie die damit verbundenen Konsequenzen. Im Einzelnen: 5 Grenzkosten nahe Null. 5 Original und Kopie. 5 Rechtliche oder technische Schutzmechanismen zur Sicherung von Eigentumsrechten 5 Produktionsanreize für digitale Güter. 1. Digitale Güter sind vergleichsweise teuer zu produzieren, aber relativ günstig zu verteilen (Grenzkosten nahe Null). Ergebnis ist eine enorme Stückkostendegression in der Produktion. Auch der Großteil der Informationsgüter ist digital oder lässt sich digitalisieren. Diese Kostenstruktur führt zu Produktionsbedingungen, die denen von natürlichen Monopolen ähneln. 2. Digitale Güter und Informationsgüter lassen sich differenzieren, aber auch leicht kopieren. Original und Kopie lassen sich nicht immer zweifelsfrei unterscheiden. Anbieter müssen daher immer die Möglichkeit der nicht-kontrollierbaren Kopien berücksichtigen.

. Abb. 4.1  Kap. 4 auf einen Blick

65

4.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

X

Kf

Kv

K

K‘

kf

kv

kg

0

50

0

50

-

-

-

-

1

50

50

100

50

50

50

100

2

50

78

128

28

25

39

64

3

50

98

148

20

16,7

32,7

49,3

4

50

112

162

14

12,5

28

40,5

5

50

130

180

18

10

26

36

6

50

150

200

20

8,3

25

33,3

7

50

175

225

25

7,1

25

32,1

8

50

204

254

29

6,3

25,5

31,8

9

50

242

292

38

5,6

26,9

32,4

10

50

300

350

58

5

30

35

11

50

385

435

85

4,5

35

39,5

. Abb. 4.2 Kostenkategorien

3. Die Durchsetzung von Eigentumsrechten durch rechtliche oder technische Schutzmechanismen liegt nicht immer im Interesse der Anbieter, wenn die digitalen Güter rasch verbreitet werden sollen. Sehr weitgehende Schutzrechte (z. B. Patente) können Innovationen sogar verhindern. Soll die illegale Verbreitung digitaler Güter verhindert werden, können Instrumente des Digital Rights Management eingesetzt werden. z Schlüsselbegriffe

Digitale Transformation, Digitale Güter, Informationsgüter, Stückkostendegression, natürliche Monopole, Kopie/Original, Raubkopien, Schutzrechte, komplementäre/ sequenzielle Innovation, Patentrecht, Digital Rights Management. 4.2  Grundlagen und Fallbeispiele 4.2.1  Kostenstruktur digitaler Güter

Ein wichtiger Bestimmungsfaktor der Produktion sind die anfallenden Kosten. z Kostenstruktur industriell gefertigter Güter

Zur Darstellung geläufiger Kostenbegriffe und -verläufe wählen wir ein Beispiel, das die Produktion vieler industrieller Unternehmen kennzeichnet (. Abb. 4.2; vgl. Pindyck und Rubinfeld 2013: 7 Kap. 5). Die Grenzkosten (K′) sind die zusätzlichen Kosten, die sich aus der Erhöhung des Outputs um eine Einheit ergeben. Da sich die

4

66

Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

4

. Abb. 4.3  Kostenverläufe bei industriell gefertigten Gütern

Fixkosten im Beispiel nicht ändern, entsprechen die Grenzkosten dem Anstieg der variablen Kosten (∆Kv) oder dem Anstieg der Gesamtkosten (∆K) bei einer Erhöhung der Produktion um eine Einheit (∆x):

K′ = �Kv /�x = �K/�x

(4.1)

Im Beispiel gehen die Grenzkosten zunächst zurück, ab einem bestimmten Pro­ duktionsniveau steigen sie jedoch wieder an. Dieser Sachverhalt spiegelt die Existenz abnehmender Grenzerträge der Produktionsfaktoren wider. Die totalen Durchschnittskosten entsprechen den Gesamtkosten des Unternehmens dividiert durch die produzierten Mengeneinheiten. Da die Fixkosten konstant sind, sinken die fixen Durchschnittskosten bei einem Anstieg der Produktion. Die variablen Durchschnittskosten sinken zunächst ebenfalls, sie nehmen aber ab einem bestimmten Punkt wieder zu. Kommt es im Laufe der Produktion zu steigenden variablen Kosten, was spätestens mit Erreichen der Kapazitätsgrenzen zu erwarten ist, wird der Degressionseffekt der Fixkosten überkompensiert und die Durchschnittskosten beginnen zu steigen. Die Grenzkosten, die totalen und die variablen Durchschnittskosten zeigen typischerweise also einen U-förmigen ­Verlauf (. Abb. 4.3). z Kostenstruktur digitaler Güter

Die fixen Kosten der Entwicklung und Forschung (F&E) sowie der Bereitstellung digitaler Güter sind im Vergleich zu den variablen Kosten (z. B. für Reproduktion und Vertrieb) hoch. Im Spezialfall vollständig digitaler Güter sind die variablen Kosten nahezu vernachlässigbar (. Abb. 4.4). Erweisen sich die relativ hohen Investitionen in F&E als erfolglos und sind sie nicht mehr in alternativen Verwendungen einsetzbar, liegen sunk costs (versunkene Kosten) vor. Im Gegensatz zu Sachgütern gibt es

67

4.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Abb. 4.4  Kostenverläufe bei digitalen Gütern

. Tab. 4.1  Fixkostendegression bei Gütern Kf Mio. (€)

kv (€)

kg bei 1 Mio. Einheiten (€)

kg bei 10 Mio. Einheiten (€)

Degression in %

PKW

2500

5000

7500

5250

30

Software auf CD

50

5

55

10

82

Software als Download

50

0,50

50,50

5,5

89

bei der Produktion von digitalen Gütern keine limitierenden Faktoren. Für die erste Kopie fällt ein einmaliger Aufwand an Fixkosten (First Copy Costs) an, der in der digitalen Produktion gut skalierbar ist. Die Grenzkosten der digitalen Reproduktion und ­Verbreitung sind sehr gering und idealerweise Null. z Stückkostendegression

Je höher die Fixkosten im Verhältnis zu den variablen Kosten sind, desto stärker sinken die Stückkosten bei steigender Absatzmenge (. Tab. 4.1; . Abb. 4.5). Auf einzelwirtschaftlicher Ebene ergibt sich eine Stückkostendegression, und zwar umso stärker, je geringer die variablen Kosten im Verhältnis zu den fixen Kosten sind. Wenn bei zunehmender Produktionsmenge die Durchschnittskosten kontinuierlich fallen, liegen steigende Skalenerträge vor. Für den einzelnen Anbieter ist es in diesem Falle erstrebenswert, seine Produktionsmenge möglichst weit auszudehnen. Allerdings gibt es auch digitale Güter, für die die beschriebenen Kostenrelationen nicht gelten. Dazu zählen z. B. digitale Güter, deren Entwicklung, Produktion oder Absatz einen hohen Anteil traditioneller Dienstleistungen umfasst, die nicht in hohen Stückzahlen abgesetzt werden können (z. B. Individualsoftware) oder die nicht standardisiert werden können. In diesen Fällen ist die Stückkostendegression deutlich geringer ausgeprägt.

4

68

Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

4

. Abb. 4.5  Stückkostendegressionen bei PKW und Software

Die beschriebene Kostenstruktur hat Auswirkungen für die Produktionsbedingungen, denen die Anbieter von digitalen Gütern ausgesetzt sind: 1. Kein vollkommener Wettbewerb

Auf einem Wettbewerbsmarkt maximiert ein Unternehmen, das ein privates Gut anbietet, seinen Gewinn durch Befolgung der Grenzerlös-Grenzkosten-Regel. Die Grenzerlöse (E′) sind hier identisch mit den Marktpreisen (p):

K′ = E′ = p

(4.2)

Im Gewinnmaximum entsprechen sich Grenzkosten eines Gutes und die Grenzerlöse, die beim Verkauf einer weiteren Einheit des Gutes erzielt werden. In dieser Marktform ist das Unternehmen ein Mengenanpasser (. Abb. 4.6). Wie bekannt, sind die Grenzkosten bzw. variablen Kosten der Vervielfältigung bei digitalen Gütern oder Informationsgütern nahe Null:

K′ = 0

(4.3)

Unternehmen werden bei der Befolgung der Regel also ihr Angebot zu einem Preis von Null abgeben. Dies ist zwar möglich, jedoch müssen in diesem Fall die Erlöse auf anderen Wegen erzielt werden (z. B. durch indirekte Erlösformen wie Werbung). 2. Große Marktanteile

Die Stückkosten eines Anbieters, der einen dominierenden Marktanteil erreicht, sinken bei steigenden Absatzzahlen schneller als die Stückkosten der Wettbewerber. Diese Entwicklung eröffnet dem dominierenden Anbieter im Vergleich zu den Wettbewerbern die Möglichkeit, entweder höhere Gewinne zu realisieren oder seine Absatzpreise schneller zu senken. Wählt er die Option der Preissenkung, so wird sich sein Marktanteil bei sonst gleichen Bedingungen noch weiter erhöhen (. Abb. 4.7).

69

4.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

Kostenverläufe bei industriellen Gütern

K‘

K‘, kg, kv

kg kv Marktpreis

p*

Kostenverläufe bei Informationsgütern / digitalen Gütern

X

X*

K‘, kg, kv kg

p*

K‘, kv X*

. Abb. 4.6  Kostenverläufe bei industriellen und digitalen Gütern

. Abb. 4.7  Konsequenzen der Stückkostendegression bei digitalen Gütern

Marktpreis X

4

70

Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

. Tab. 4.2  Kostenverläufe im natürlichen Monopol Kf

kv

X

Unter-nehmen

Output je Unternehmen

Kosten je Unternehmen

K

kg

400

1

1000

Zwei

500

900

1800

1,8

400

1

1000

Eins

1000

1400

1400

1,4

4

Fixe Kosten

Zwei Unternehmen

400

500 1,8

400

Ein Unternehmen

Stückkosten

Variable Kosten

500

400

1.000

1,4

. Abb. 4.8  Durchschnittskosten im natürlichen Monopol

Es liegen positive Feedback-Effekte (increasing returns) vor. Die Kostenstruktur digitaler Güter kann also dazu führen, dass ein dominierender Anbieter noch stärker wird und dass unterlegene Wettbewerber weitere Marktanteile verlieren. 3. Natürliche Monopole

Aufgrund der beschriebenen Kostenstruktur für digitale Güter verursachen zusätzliche Nutzer kaum Kosten. Häufig kann sich in einer solchen Situation nur ein Anbieter am Markt behaupten. Es kommt zur Herausbildung eines natürlichen Monopols (vgl. Bernau 2013). Diese Situation beschreibt, dass ein Unternehmen im Bereich sinkender Durchschnittskosten bei gegebenen technologischen Bedingungen effizienter produziert, als wenn die gleiche Ausbringungsmenge von mehreren Unternehmen hergestellt würde (. Tab. 4.2; . Abb. 4.8). Natürliche Monopole basieren auf einer Kostenstruktur der Produktion, die als Subadditivität bezeichnet wird. Eine Kostenfunktion K(X) heißt subadditiv, falls für zwei Produktionsmengen X1 und X2 gilt:

K(X1 + X2) < K(X1) + K(X2)

(4.4)

Es liegen steigende Skalenerträge vor, da mit zunehmender Unternehmensgröße die Produktionskosten langsamer wachsen als die ausgebrachten Mengen. Ursächlich ist die Verteilung der Fixkosten auf eine immer größere Stückzahl.

4

71

4.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

Preis: 6 €

Preiswettbewerb in Richtung Grenzkosten

Grenzkosten: 5€

Keine Gewinne bei 5€ Verluste unterhalb von 5 €

. Abb. 4.9  Bertrand-Preiswettbewerb im Oligopol

4. Preiswettbewerb im Oligopol

Das Bertrand-Modell beschreibt das Marktverhalten von Unternehmen im Oligopol. Zwei identische Unternehmen bieten ein homogenes Produkt für hier 100 Nachfrager an, die jeweils eine Einheit des Produkts kaufen wollen. Das Unternehmen, das den niedrigsten Preis wählt, erhält die gesamte Marktnachfrage. Beide Unternehmen produzieren mit konstanten Grenzkosten, die hier bei 5 € liegen sollen. Jedes Unternehmen kann die gesamte Nachfrage bedienen, d. h. es gibt keine Kapazitätsbeschränkungen. Die Preise können dabei nicht unterhalb der Grenzkosten liegen, da das Unternehmen einen Verlust erzielen würde. Dieser Verlust lässt sich verringern, wenn das Unternehmen einen höheren Preis verlangt. Nehmen wir nun an, dass jedes Unternehmen den Preis bei 6 € ansetzt. Bei diesem Preis, der oberhalb der Grenzkosten liegt, erzielen beide Unternehmen einen Gewinn von (. Abb. 4.9):

50 · 6 C = 300 C

(4.5)

Ein Unternehmen kann jedoch den Gewinn erhöhen, wenn es den Preis senkt und das andere Unternehmen den Preis beibehält. Betrachten wir eine Preissenkung auf 5,99 €. In diesem Fall steigt der Gewinn auf:

100 · 5, 99 C = 599 C

(4.6)

Jedes Unternehmen hat also einen Anreiz, von dem ursprünglichen Preis von 6 € abzuweichen. Dieses Argument gilt für alle Preise, die oberhalb der Grenzkosten von hier 5 € liegen. Das einzige Gleichgewicht bei einem Bertrand Wettbewerb besteht daher darin, dass beide Unternehmen den Preis gleich den Grenzkosten setzen. Nur in diesem Fall hat kein Unternehmen einen Anreiz zum Abweichen. Geringere Preise führen zu einem Verlust, höhere Preise hingegen zu einem Gewinn von Null. Das Ergebnis des Bertrand Wettbewerbs führt damit zum gleichen Resultat wie die vollkommene Konkurrenz.

72

Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

. Tab. 4.3  Rechtlicher und technischer Schutz von Informationsgütern

4

Anbieter von…

Rechtlicher/Technischer Schutz

Begründung

Marktinformationen

Kaum

Schnelle Veralterung der Informationen, rasche ­Verbreitung erwünscht

Technische Informationen

Patente, Lizenzen, ­Nutzungsrechte

Kopien haben hohen Wert

Unterhaltungsinformationen

Rechtliche, technische Mechanismen

Entstehen von Second-HandMärkten/illegalen Märkten soll kanalisiert werden

Software

Gewerbliche Lizenzen, Patente bei proprietärer Software; im Fall von Open Source Software nicht erwünscht

Im Fall proprietärer Software Rückfluss von Forschungsgeldern; im Fall von Open Source Software rasche ­Verbreitung erwünscht

Obwohl es aber hier nur zwei Unternehmen gibt, besitzt keines dieser Unternehmen Marktmacht. Diese Situation wird als Bertrand-Paradoxon bezeichnet. Die Produktionsbedingungen für digitale Güter und Informationsgüter sind häufig wie durch das Bertrand-Modell gekennzeichnet (vgl. Anderson 2009): 5 Die Produktion lässt sich leicht erhöhen, 5 es gibt keine Kapazitätsschranken und 5 die Grenzkosten der Produktion sind konstant. Im Fall digitaler Güter liegen die Grenzkosten jedoch nahe Null. In dieser Situation würde es auf Basis des Bertrand-Preiswettbewerbs zu einem kostenlosen Angebot von digitalen Gütern kommen (vgl. Peters 2010: Kap. 5):

p = K′ = 0

(4.7)

Aus Sicht der Unternehmen ist es daher sinnvoll, einem Preiswettbewerb auszuweichen bzw. andere Erlösmodelle zu wählen. Ansatzpunkte bestehen u. a. in der Differenzierung von Produkten oder in Modellen der FreeConomics. 4.2.2  Originale, Kopien und Raubkopien

Digitale Güter und Informationsgüter lassen sich leicht kopieren. Original und Kopie sind zudem nicht immer eindeutig zu unterscheiden. Es können Second-Hand-Märkte oder gar illegale Märkte entstehen (vgl. Linde 2008, S. 139 ff.). Auf den ersten Blick liegt es daher nahe, die Eigentumsrechte auf Informationsgüter durch rechtliche Schutzrechte oder technische Schutzmechanismen abzusichern. Allerdings ist dies nicht immer im Interesse der Anbieter selbst (. Tab. 4.3): 5 Produzenten von Marktinformationen setzen keine besonderen technischen oder rechtlichen Schutzmaßnahmen ein. Der Grund liegt darin, dass Marktinformationen durch die laufenden Veränderungen schnell entwertet werden. Börsenkurse,

73

4.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

Fixe Kosten

Variable Kosten

Produktion

Stückkosten

Anbieter von Originalen

1.000

1

4.000

1,25

Anbieter von Kopien

200

1

500

1,4

. Abb. 4.10  Produktionsbedingungen bei Originalen und Kopie

Preisinformationen oder Konkurrenzanalysen verlieren so schnell an Wert, dass es sich nicht lohnt, in größerem Stil Kopien des Informationsgutes auf einem SecondHand-Markt anzubieten. Im Gegenteil, es ist sogar im Interesse der Anbieter, ihre Informationen weit zu verbreiten. Der permanente Erneuerungsbedarf und die Kurzlebigkeit dieser Informationsgüter führen dazu, dass sich Informationsdienste auch ohne Schutzrechte am Markt etablieren können. 5 Produzenten von technischen Informationen versuchen ihre Eigentumsrechte durch Patente, Lizenzen oder Nutzungsrechte abzusichern. Ihnen ist bewusst, dass Kopien dieser Informationsgüter einen hohen Wert haben. 5 Ausgeprägt ist der Einsatz von Schutzmechanismen vor allem bei den Anbietern von Unterhaltungsinformationen. Sie setzen rechtliche Instrumente und technische Mittel ein, um die Verbreitung ihres Contents über Second-Hand-Märkte zu unterbinden. z Fall 1: Preisbildung ohne Verwertungsrechte

Aus ökonomischer Sicht ist zunächst der Degressionseffekt der Fixkosten der wichtigste Bestimmungsfaktor für die Marktaufteilung und die Wettbewerbsfähigkeit der Originalangebote. Es kann vor allem bei vernachlässigbaren Fixkosten auf SecondHand-Märkten und nur geringen Unterschieden zwischen Kopie und Original zu einem Preisverfall in Richtung der variablen Kopierkosten kommen (. Abb. 4.10). Existieren keine Verwertungsrechte oder können diese aufgrund hoher Kosten nicht durchgesetzt werden, entscheiden vor allem Kopiertechnologien und die damit verbundenen Kenntnisse über die Aufteilung des Marktes auf verschiedene Gruppen: 5 First-Hand-Markt: Der Originalanbieter genießt in der Regel eine größere Bekanntschaft unter potenziellen Nachfragern. Er kann Alleinstellungsmerkmale aufbauen, hat aber auch die höchsten Fixkosten. 5 Second-Hand-Markt: Gewerbliche Anbieter benötigen Zeit, um sich am Markt zu etablieren und sich bei den Nachfragern bekannt zu machen. Dieser Zeitraum fällt umso geringer aus, je größer die Markttransparenz bei den Nachfragern ist und sich die Angebote preislich und qualitativ vergleichen lassen. Ausschlaggebend ist auch, ob und inwieweit Original und Kopie enge Substitute darstellen.

4

74

Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

Fixe Kosten Anbieter von Originalen

Variable Kosten

Produktion

Stückkosten

1.000

1

4.000

1,25

Anbieter 1 von Raubkopien

200

1

1.000

1,2

Anbieter 2 von Raubkopien

200

1

200

2

4

. Abb. 4.11  Produktionsbedingungen bei Originalen und Raubkopien

5 Private Selbstversorgung: Ist kein Spezialwissen zur Erstellung von Kopien notwendig und fallen nur geringe bzw. gar keine Investitionskosten an, kann jeder Nachfrager Kopien für den Eigenbedarf fertigen. z Fall 2: Preisbildung mit Verwertungsrechten und Raubkopien

Anbieter, die Verwertungsrechte verletzten und Kopien fertigen, verändern die Marktsituation. Im Fall von Raubkopien wird ein Informationsgut in anderer Aufmachung als das Original auf den Markt gebracht. Je umfangreicher Raubkopierer ihr Geschäft entfalten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden. Raubkopierer können nicht in einen offenen Wettbewerb zum Originalanbieter oder legalen Anbietern auf den Second-Hand-Markt treten. Sie müssen überlegen, bis zu welcher Menge sie anbieten wollen. Je kleiner das Angebot, desto geringer ist in der Regel das Risiko der Aufdeckung. Ist diese Menge jedoch relativ gering, liegen die Durchschnittskosten des gewerblichen Raubkopierens über dem Angebotspreis des Originalanbieters (. Abb. 4.11). Erst ab einer bestimmten Menge erreicht der illegale Anbieter Durchschnittskosten, die ihm einen hinreichend hohen Marktanteil sichern. Auch hier entscheidet die Fixkostendegression über die Marktaufteilung. Ein Originalanbieter mit hohen Fixkosten kann bei hohen Absatzzahlen die Fixkosten je Stück deutlich senken. Raubkopierer mit geringeren Fixkosten müssen auf eine gewisse – wenn auch geringere – Menge kommen, bevor die Fixkosten auf ein vergleichbares Niveau fallen. Für die Selbstversorger ist die Situation ähnlich. Auch bei ihnen steigt das Risiko mit der Höhe illegaler Aktivitäten. Beschränken sie sich auf nur wenige Kopien, müssen sie mit steigenden Durchschnittskosten kalkulieren. Sind die Fixkosten gering, besteht ein Anreiz zur Fertigung von Raubkopien. Während die gewerblichen Anbieter von Raubkopien strafrechtlich verfolgt werden, ist das Kopieren unter bestimmten Bedingungen bei Privatpersonen häufig erlaubt. Die Selbstversorgung soll durch die

4.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

75

rechtlichen Regelungen nicht unterbunden, sondern eher begrenzt und kanalisiert werden. Z. B. ist das Kopieren und Weitergeben einer Musik-CD unter sich nahestehenden Personen erlaubt. 4.2.3  Instrumente zur Durchsetzung von Eigentumsrechten

Materielle Eigentumsrechte z. B. an Sachgütern sind eine grundlegende Voraussetzung einer Marktwirtschaft. Auch für den Schutz geistigen Eigentums (intellectual property, IP), z. B. künstlerische Werke, Erfindungen und Ideen, gibt es gute Gründe: 5 Naturrechtstheorie: Dem Urheber oder Schöpfer steht das Eigentum an seinen geistigen Werken zu, weil er es durch seine Arbeit geschaffen hat. Diese Sicht findet sich vor allem in kontinentaleuropäischen Ländern. Sie betrachten geistiges Eigentum als grundlegendes Persönlichkeitsrecht. 5 Anreiztheorie: Die Möglichkeit, aus der Verwertung kreativer Werke einen finanziellen Nutzen zu ziehen, ist ein Anreiz, mit einer oft beschwerlichen Entwicklungsarbeit zu beginnen. Auf diese Weise sichert sich die Gesellschaft ihre Innovationskraft. Der gesellschaftliche Nutzen bzw. Schaden, der beim Diebstahl geistigen Eigentums und der Verletzung von Copyright-Bestimmungen entsteht, wird vor allem im angloamerikanischen Raum erörtert. Immaterielle Güter sind nicht generell rechtlich geschützt, sondern nur dann, wenn die Rechtsordnung einer Person entsprechende Rechte zuweist. Inhaber eines solchen Rechts ist dann z. B. die Person, die ein Patent anmeldet, oder der Schöpfer eines urheberrechtlichen Werks. Das Urheberrecht schützt geistige und künstlerische Leistungen, z. B. Kompositionen, Gemälde, Skulpturen, Texte, Theaterinszenierungen, Fotografien, Filme, Rundfunksendungen, Musik- und Tonaufnahmen. Ein urheberrechtlicher Schutz ist nur dann möglich, wenn die geistige oder künstlerische Leistung eine angemessene Schöpfungshöhe aufweist, also „kreativ“ genug ist. Ist dies nicht der Fall, bleibt das Werk gemeinfrei, d. h. der Urheber hat keinen Anspruch auf einen Schutz. Das Urheberrecht muss nicht angemeldet werden, es entsteht im Moment der Schaffung. Es berücksichtigt die wirtschaftlichen Interessen und die Ideale des Urhebers an seinem Werk, wird aber zur Wahrung der Interessen der Allgemeinheit eingeschränkt. Schranken des Urheberrechts sind z. B. das Zitatrecht und die Privatkopie. In der digitalen Welt sind Nutzer nun aktiv an der Erstellung und Verteilung digitaler Inhalte beteiligt. Diese Situation hat eine breite und intensive Diskussion um die Ausgestaltung von geistigen Eigentumsrechten für digitale Güter ausgelöst (vgl. Nuss 2002). Noch nicht absehbar sind die Konsequenzen, die aus dem Handel mit gebrauchten digitalen Gütern entstehen. Amazon hat im Oktober 2012 einen E-Book-Verleih gestartet und ein Patent erhalten, das den Verkauf von digitalen Objekten wie E-Books, Audio, Video, Computer Apps vorsieht, die vom Nutzer beim Erstverkäufer erworben und in der eigenen Datensammlung gespeichert wurden. Der Verkäufer würde den Artikel dann dem Patent zufolge aus seinem eigenen Datenspeicher löschen. Das Patent beschreibt nicht nur den Verkauf digitaler Gebrauchtwaren, sondern auch die Möglichkeit zur Begrenzung dieser Art der Weitergabe. Dazu könnte ein Object Move Threshold festgesetzt werden, eine Art WeitergabeSchwellenwert. Mit dieser Begrenzung soll die Verknappung im Marktplatz erhalten bleiben.

4

76

Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

4

. Abb. 4.12  Ansatzpunkte zur Durchsetzung von Eigentumsrechten

Die Durchsetzung der Urheberrechte erfolgt durch rechtliche und technische Instrumente. Hinzu kommen ökonomische Verwertungsmodelle. Diese drei Ebenen sollen am Beispiel der digitalen Musik näher betrachtet werden. Dabei wird auch die Möglichkeit des Hochladens von Musik auf digitale Plattformen durch Nutzer berücksichtigt. 1. Rechtliche Dimension

Die rechtliche Durchsetzung von Interessen der Urheber kann verschiedene Rechtskategorien ansprechen (. Abb. 4.12): 5 Persönlichkeitsrechte (Schutz gegen Verfälschung), 5 Nutzungsrechte (zeitliche und inhaltliche Beschränkung der Nutzungsarten für Dritte), 5 Verwertungsrechte (Übertragung der Nutzungsrechte auf Dritte). In der Regel werden für die Verwertung von Musik Lizenzgebühren erhoben, die den Musikern oder Komponisten zufließen. In Deutschland übernimmt die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) die Vertretung der Interessen der Urheber von Musik. Im Internet können Nutzer Musiktitel auf digitale Plattformen hochladen und damit Urheberrechte verletzen. Das deutsche Telemediengesetz (TMG) unterscheidet zwischen Inhalte- und Hosting-Anbietern (. Abb. 4.13). Ein weiteres Interesse liegt in dem Schutz personenbezogener Daten, welches insbesondere durch die neue EU Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) adressiert wird. Mit der der EU-DSGVO besteht weiterhin die Verpflichtung nur Daten zu speichern, die den Prinzipien der Zweckbindung, Richtigkeit und Datenminimierung bzw. Datensparsamkeit folgen. Ein Unterschied zu dem bestehenden Bundesdatenschutzgesetz

4.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

77

. Abb. 4.13  Digitale Plattform und Urheberrecht

(BDSG) sind unter anderem höhere Sanktionen bei Verstößen gegen die EU-DSGVO. Diese Verordnung ist im Mai 2018 in Kraft getreten und fordert Transparenz über die Nutzung personenbezogener Daten, eine Auskunftsmöglichkeit für Nutzer und einen systematischen Löschprozess im Rahmen des Datenmanagements (vgl. Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des 2016; Berning et al. 2017, S. 618). 5 Inhalte-Anbieter sind für „eigene Informationen“ nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Sie können damit zu Maßnahmen verpflichtet werden, die die Verletzung von Rechten verhindern. Gelingt dies nicht, drohen Ordnungsgelder oder Vertragstrafen. Im Fall der Störer-Haftung wird der Anbieter der Inhalte aber nur dann für das Verhalten seiner Nutzer mitverantwortlich gemacht, wenn er von einem Rechteverstoß Kenntnis hat. 5 Hosting-Anbieter, die Speicherplatz für Musikvideos zur Verfügung stellen, sind für die Inhalte Dritter verantwortlich, sobald sie von rechtswidrigen Handlungen erfahren und nicht unverzüglich löschen oder sperren. Eine Täter-Haftung für Hosting-Anbieter würde vorliegen, wenn die Plattform urheberrechtsverletzende Videos selbst einstellt oder sich deren Inhalte zu eigen gemacht hat. 2. Technische Dimension

Die technischen Instrumente zur Durchsetzung von Eigentumsrechten werden unter dem Begriff des Digital Rights Managements diskutiert (vgl. Arlt 2006; . Tab. 4.4). Dazu zählen z. B.: 5 die Verschlüsselung von Informationen z. B. durch Decoder, 5 der Kopierschutz oder die Beschränkung der Zahl von Kopien, 5 die Beschränkung in der Nutzung und Wiedergabe von Werken.

4

78

Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

. Tab. 4.4  Digital Rights Management (vgl. Picot und Fiedler 2008, S. 176) Ziel

Ver- und Entschlüsselung

Authentizität

Rechtedefinition und -zuordnung

Softwarelösung

Symmetrische und asymmetrische kryptografische Schlüssel

Digitale Signatur

Digitale Wasserzeichen/Fingerabdrücke, die Daten zur Zugangs- und Nutzungsberechtigung enthalten

Kombinierte Hardund Softwarelösung

• Eindeutige Hardwarekennung und -identifikation • Smartcard • Biometrische Verfahren

4

Die DRM-Systeme verwirklichen die Idee der zentralen Kontrolle digitaler Inhalte durch kryptografische Verfahren. Realisiert wird dies, indem ein digitaler Inhalt eindeutig an ein Gerät und/oder einen Datenträger auf einzigartige Weise kryptografisch gebunden wird. Ohne den entsprechenden Schlüssel für den digitalen Inhalt vom Rechteinhaber ausgehändigt zu bekommen, kann der Benutzer zwar das Gerät oder den Datenträger erwerben, jedoch nicht auf den Inhalt zugreifen. DRM-Systeme werden zur Wahrung und Durchsetzung von Wünschen eines Rechteinhabers technisch so konzipiert, dass ein Schlüsselaustausch ohne Einflussnahme des Benutzers für jedes einzelne Gerät vorgenommen werden kann. Dies ermöglicht den Rechteinhabern neue Vertriebsformen wie z. B. eine zeitweise Vermietung des Inhalts. In unserem Beispiel könnte die technische Durchsetzung von Urheberrechten z. B. auf folgenden Ansätzen beruhen (. Abb. 4.14): 5 Digitale Plattformen stellen ein Content-ID System bereit, mit dem Rechteinhaber eigene Werke auf der Plattform löschen oder z. B. mit Werbung freigeben können. Dafür müssen sie Referenzdateien hochladen, von denen eine Art digitaler Fingerabdruck erstellt wird. Mit diesem Fingerabdruck überprüft die Plattform alle hochgeladenen Videos. Zu klären bleibt, ob das System alle Versionen eines Werkes findet, z. B. Konzert-Mitschnitte oder Karaoke-Versionen. 5 Denkbar wäre, dass die Beschreibungen der von den Nutzern hochgeladenen Videos mit einer Sperrliste von Namen der Künstler und Musik-Titel abgeglichen werden. Auch lässt sich ein Wortfilter einfügen, der Musikvideos von vornherein aussortiert. Durch die Eingabe der Wörter „Wind“, „Change“ und „Scorpions“, würden dann alle Videos der Rockgruppe geblockt, in denen ihr Song Winds of Change gespielt wird. Aus Sicht von Unternehmen ermöglichen DRM-Technologien Konsumenten, flexible und auf deren Bedürfnisse zugeschnittene Dienste in Anspruch zu nehmen. Die Entwicklung von spezifischen Lösungen für Nutzergruppen ist eher ausgeprägt, wenn die Rechte an solchen Lösungen leichter durchsetzbar sind. Die in einem DRM-System verwendeten Meta-Daten enthalten eine Fülle von Informationen über die Rechteinhaber, den Inhalt des Werkes und den Nutzer. Diese verknüpften Informationen können für die Archivierung von Werken, die Abrechnung mit dem Nutzer und die Erlösbeteiligung der einzelnen Rechteinhaber genutzt werden. DRM gilt daher als Basis

4.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

79

. Abb. 4.14  Digital Rights Management

eines vollautomatisierten, elektronischen Vertriebs- und Abrechnungssystems für digitale Inhalte. Gleichzeitig sind die Systeme ein Instrument gegen die illegale Verbreitung digitaler Inhalte. Kritiker verweisen hingegen darauf, dass eine umfassende Installierung von DRM-Systemen das öffentliche Recht auf die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit zu Informationen zu sehr einschränken könnte. Soweit DRM-Systeme den gesamten Clickstream registrieren und nutzerbezogen analysieren, erzeugen sie sensitive Datenbestände, die Auskunft über Präferenzen der Nutzer geben können. Was aus Sicht von Unternehmen zur Personalisierung von Produkten wünschenswert ist, erzeugt aus Sicht von Daten- und Verbraucherschutz Eingriffe in die Privatsphäre. Die wirkliche Marktmacht, so Kritiker, liegt zudem nicht zwingend bei den Anbietern von Inhalten, sondern bei den Anbietern von DRM-Systemen. Ein effektives DRM-System, das im Markt eine hohe Verbreitung erfährt und zum Standard wird, kann starke Lock-In Effekte und Wechselkosten (siehe 7 Abschn. 9.2) erzeugen (. Tab. 4.5). 3. Ökonomische Dimension

Digitale Musikaufnahmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie unter Nicht-Rivalität konsumiert werden können bzw. dass das Ausschlussprinzip nur schwierig umzusetzen ist. Entgegen der ökonomischen Theorie kommt es jedoch nicht zu einer Unterversorgung mit digitaler Musik. Die Eigenschaften digitaler Güter führen im Gegenteil zu einem großen Angebot. Digitale Kopien der Dateien sind unbegrenzt möglich, d. h. das Angebot von Musikaufnahmen ist nahezu unendlich, Angebots- und Nachfragekurve treffen sich über die Zeit betrachtet bei einem Preis von Null. Vor diesem Hintergrund scheinen folgende ökonomischen Konsequenzen auf der Hand zu liegen, wenn Urheberrechte nicht durchsetzbar und Kopien nicht zu verhindern sind:

4

80

Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

. Tab. 4.5  Vor- und Nachteile von DRM-Systemen

4

Vorteile

Nachteile

Neue Geschäftsmodelle für Anbieter

Verletzung der Privatsphäre durch Eingriffe in Hard- und Software

Jeder zahlt nur für das, was er nutzt (fair use)

Monopolstellung einzelner Anbieter von DRM-Systemen möglich, Lock-In und Wechselkosten

Urheber können selbst Werke vertreiben und über die Nutzung entscheiden

Bei Konkurs der Hersteller keine Abspielmöglichkeit

Urheber kann identifiziert werden

Technologisch noch nicht ausgereift, Umgehungsmöglichkeiten

a) Die Verbreitung von Kopiertechnologien in privaten Haushalten senkt die Nachfrage nach Originalen. b) Die sinkende Nachfrage führt zu fallenden Preisen bei Tonträgern. c) Die Verkaufszahlen und Umsätze der Musikindustrie sinken. Studien zeigen, dass der Sachverhalt allerdings komplizierter ist. Wichtig sind u. a. das Verhältnis von Original und Kopie sowie die Existenz von Netzeffekten, die zu einer unterschiedlichen Zahlungsbereitschaft der Nutzer beitragen. Zudem können mögliche Verluste aus dem Kauf von Originalen digitaler Musik durch andere Erlösquellen geschlossen werden können, so z. B.: 5 Querfinanzierung durch Konzerte oder Merchandising (z. B. T-Shirts). 5 Zugang zu Künstlern: VIP-Zugänge zu den Konzerten; (Online-)Fan-klubmitgliedschaften; Zugänge zu nicht-öffentlichen Foren auf den Websites der Musiker (die Zeit eines Musikers ist ein knappes Gut, nur wenige Fans können in den Genuss eines direkten Kontakts kommen). 5 Streng limitierte, und aufwendig gestaltete Editionen von Musikaufnahmen. Auch im Kontext digitaler Plattformen, die das Hochladen von Musikvideos ermöglichen, werden ökonomische Verwertungsmodelle diskutiert, die zur Wahrung von Eigentumsrechten beitragen können. Ein wirtschaftlicher Abgleich von Interessen setzt Verhandlungen voraus. Denkbar sind u. a. folgende Modelle oder Mischformen davon (. Abb. 4.15): 5 Alternative 1: Die Plattform zahlt einen festen Betrag je Abruf eines Werks (Mindestvergütung). Bei einer Mindestvergütung von 0,006 € je Abruf, einem monatlichen Abruf von 4 Mrd. Videos, von denen 50 % der Autoren durch die GEMA vertreten werden, wären dies Kosten für die Plattform in Höhe von 12 Mio. € im Monat. Diese Summe muss z. B. über ein werbefinanziertes Geschäftsmodell kompensiert werden, wenn Verluste vermieden werden sollen. 5 Alternative 2: Die Plattform zahlt pauschal einen bestimmten Anteil seiner mit Musikvideos erzielten Umsätze (z. B. 10 % der Werbeeinnahmen).

4.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

81

. Abb. 4.15  Ökonomische Verwertungsmodelle und Eigentumsrechte

Liberalere Nutzungsbedingungen (z. B. Erlaubnis des Verleihs oder von Kopien) können durchaus den Absatz reduzieren. Allerdings können der Wert und damit der Preis des Gutes steigen. So gewannen Fachzeitschriften durch Kopiermöglichkeiten an Wert. Aus ökonomischer Sicht ist nicht die maximale Durchsetzung von Eigentumsrechten das Ziel, sondern die Maximierung des Ertrags aus den Eigentumsrechten (. Abb. 4.16). 4.2.4  Innovationsanreize für digitale Güter

Aus ökonomischer Sicht sind Märkte so zu gestalten, dass sie Unternehmen Anreize zur Tätigung von Investitionen in F&E bieten. Nur in diesem Fall ist mit einer hinreichenden Generierung von Innovationen zu rechnen. Dieser Zusammenhang wird häufig am Beispiel des Patentschutzes diskutiert (vgl. Gallini 2002). Das Patent ist ein gewerbliches Schutzrecht für eine Erfindung. Der Inhaber ist berechtigt, anderen Akteuren die Nutzung der Erfindung zu erlauben oder zu untersagen. Untersagt der Inhaber die Nachahmung und Nutzung seiner patentrechtlich geschützten Erfindung, kann er einen monopolähnlichen Preis realisieren, der nicht nur Kosten für F&E einspielt, sondern auch einen Gewinn möglich macht. Patente erhöhen dann die erwarteten Monopolgewinne von Unternehmen und bieten Anreize für Innovationen. Da das Patentrecht die Verwendung der Erfindung durch Dritte einschränkt, steigt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass die Erfindungen veröffentlicht werden und sozialer Nutzen realisiert werden können. Die Veröffentlichung hat dann z. B. den Vorteil, dass die Akteure je nach Interessenlage an den gleichen oder unterschiedlichen Projekten arbeiten können sowie neue Ideen generiert werden.

4

82

Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

4

. Abb. 4.16  Effekte liberaler Nutzungsbedingungen

. Tab. 4.6  Patentschutz und nicht-sequenzielle Innovationen Rahmenbedingung

Periode 1

Periode 2

a) Kein Patentschutz

Keine F&E

Keine Innovationen

b) Patentschutz

F&E

• Monopolgewinn • Innovationen • Lizenzvergabe

z Fall 1: Patentschutz und nicht-sequenzielle Innovationen

In formalen Modellen spielen vor allem die Höhe der F&E-Kosten, der mögliche Monopolgewinn eines Unternehmens, die Erfolgswahrscheinlichkeit und der Wert einer erfolgreichen Innovation, die Kosten einer Imitation und die möglichen Erlöse aus Lizenzvergabe eine wichtige Rolle (. Tab. 4.6) Die Auswertung von Modellen erlaubt folgende Schlussfolgerungen (vgl. Clement und Schreiber 2013, S. 506 ff.): a) Kein Patentschutz: In der Regel liegt der gesellschaftliche Nutzen einer Erfindung oberhalb des privaten Nutzens. Es liegen positive externe Effekte vor. Zu schwache oder gar keine Eigentumsrechte würden dazu führen, dass private Akteure nur unzureichend entlohnt werden. Es ist zu erwarten, dass die F&E-Aufwendungen hinter dem gesamtwirtschaftlich optimalen Niveau zurückbleiben. Aufgrund fehlender Eigentumsrechte sind dann auch in den Folgeperioden wenige oder gar keine Innovationen zu erwarten. b) Patentschutz: Patente sind volkswirtschaftlich sinnvoll, wenn die F&E-Kosten erheblich höher sind als die Kosten, die zur Entwicklung einer Imitation, d. h. der Kopie einer Erfindung anfallen. Diese Kostenstruktur unterscheidet sich zwischen Wirtschaftsbereichen stark. So dauert es z. B. bei Medikamenten häufig

83

4.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

Innovationen in Software bauen aufeinander auf (sequenziell)

Open Source Software schafft durch offene Programmcodes hohes Potential an Innovatoren

Innovationen in Software und Hardware hängen oft zusammen (komplementär)

Innovationen sind dauerhaft notwendig, da sich Software (digitales Gut) nicht abnutzt und Nutzer als Käufer ausscheiden würden

. Abb. 4.17  Besonderheiten bei der Erstellung von Software

bis zu 10 Jahren, bis eine für Menschen verträgliche Kombination an Wirkstoffen gefunden wird. Diese Kombination verbreitet sich durch Markteintritt eines Unternehmens und kann dann z. B. in 6 Monaten mehr oder minder leicht kopiert werden. Die Vergabe von Lizenzen macht dann Sinn, wenn die damit verbundenen Erlöse größer sind als der Monopolgewinn. Starke Patentrechte fördern die Arbeitsteilung zwischen Unternehmen, da sie vor allem die Transaktionskosten bei der Übertragung von Nutzungsrechten reduzieren. z Fall 2: Patentschutz und komplementäre/ sequenzielle Innovationen

Kritische Stimmen bezweifeln die generelle innovationsfördernde Wirkung von zu streng ausgestalteten geistigen Eigentumsrechten. Im Gegenteil, sie können sogar Innovationen verhindern. Vor allem im Kontext von Softwareprodukten findet eine intensive Diskussion zu den Vor- und Nachteilen der Patenterteilung statt. Beispielhaft sei auf ein Modell verwiesen, das den sequenziell und komplementären Charakter von Software hervorhebt (. Abb. 4.17; vgl. Bessen und Maskin 2000): 5 Mit sequenziell ist gemeint, dass jede Innovation auf einer vorangegangenen Generation aufbaut (z. B. Instagram auf Facebook). Die Softwareentwicklung verläuft zudem häufig parallel. Bei der Entwicklung von Software wird in den seltensten Fällen ein komplett neues Programm geschrieben. Neue Programmversionen bauen auf dem Programmcode älterer Versionen auf und werden nur durch Verbesserungen und Erweiterungen ergänzt.

4

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Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

. Tab. 4.7  Patentschutz und sequenzielle Innovationen

4

Rahmenbedingung

Periode 1

Periode 2

a) Kein Patentschutz

F&E, da dies die Wahrscheinlichkeit der Innovation in Folgeperioden erhöht

Gegebene Anreize für Innovationen durch mehrere Unternehmen

b) Patentschutz

F&E, jedoch verzögerte Generierung von Innovationen in den Folgeperioden

• Errichtung eines Patentwalls • Strategische Handhabung von Patenten • Gegenseitige Blockade

5 Mit komplementär wird der Sachverhalt bezeichnet, dass Software z. B. in Hardware oder ergänzende Produkte implementiert ist. Die Schutzwirkung für Software-Komponenten bezieht sich damit auch auf sekundäre Märkte. 5 Auch marktbeherrschende Anbieter müssen Software unabhängig von Schutzrechten kontinuierlich weiterentwickeln. Aufgrund der Nicht-Abnutzbarkeit (digitales Gut) ist der Anbieter gezwungen, ständig inkrementelle Innovationen (Updates) zu produzieren, da ansonsten schnell eine Marktsättigung erreicht würde. In der Regel gibt es keine fehlerfreie Software. Debugging (bug im Sinne von Programmfehler) ist daher eine Wertschöpfungsquelle und schafft Möglichkeiten zu Updates. Die vorhergehenden Schlussfolgerungen zum Zusammenhang von Patentschutz und Innovationen sind in diesem Fall zu relativieren (. Tab. 4.7). a) Kein Patentschutz: In einem dynamischen Markt kann es für innovative ­Unternehmen selbst dann sinnvoll sein, in F&E zu investieren, wenn kein ­Patentschutz vorhanden ist. Zwar reduzieren sich zunächst die Gewinne der Innovatoren durch die Möglichkeiten der Imitation. Gleichzeitig werden aber Spielräume für Folgeinnovationen in den nachfolgenden Perioden für alle Marktteilnehmer möglich. Im Fall von sequenziellen und komplementären Innovationen besteht also ein größerer Anreiz für Unternehmen, nicht zu imitieren, sondern in F&E zu investieren. b) Patentschutz: Ein Patent mit weitgehenden Monopolrechten und einer Laufzeit von z. B. 20 Jahren kann zu einer Verzögerung in der Generierung von Innovationen in den Folgeperioden und zu einer Verminderung des gesellschaftlichen Nutzens führen. Mit Hilfe von Patenten ist es möglich, ausgehend von der originären Innovation einen Patentwall zu errichten. Wenn Wettbewerber Ideen haben, die der Innovator nicht hat, kann die Erteilung von Patenten die Geschwindigkeit von Innovationen reduzieren. Akteure, die nach der ersten Generation weiterhin z. B. in die Forschung von komplementären Gütern investieren wollen, sind davon abhängig, dass die Patentinhaber Nutzungsrechte in Form von Lizenzen vergeben. Dies kann, muss aber nicht der Fall sein. Zu verweisen ist u. a. auf folgende Hindernisse (vgl. Blind et al. 2003): 5 Verhandlungslösungen sind teuer. Die Transaktionskosten steigen mit der Zahl der beteiligten Rechteinhaber.

85

4.3 · Übungen

5 Patente können strategisch eingesetzt werden. Sie werden häufig nicht erworben, um Innovationen zu ermöglichen, sondern um die Innovationen von Konkurrenten zu verteuern. 5 Patentinhaber neigen dazu, den Wert ihrer Patente zu überschätzen und daher zu hohe Nutzungsgebühren zu verlangen. Diese Hindernisse können zur gegenseitigen Blockierung und zur Unternutzung von Ressourcen führen. Diese Situation kann vor allem kleinere Unternehmen beeinträchtigen, weil ihnen die Verhandlungsmacht und auch die finanziellen Ressourcen fehlen, sich in Patent-Pools durch wechselseitige Lizenzen auf vertragliche Weise zu schützen. Bei Patent-Pools räumen sich mehrere Unternehmen individuelle Zugriffsrechte und wechselseitige Lizenzen auf die in den Pool eingebrachten Patente ein. Instrumente wie der Patentschutz sind nicht unbedingt erforderlich, um Innovationsanreize für digitale Güter zu setzen. Sinnvoll erscheint vor diesem Hintergrund ein gemäßigter Schutz geistigen Eigentums z. B. durch das Urheberrecht, um unzulässige Kopien zu verhindern (vgl. Bessen und Maskin 2000). Zu berücksichtigen bleibt auch die innovationsfördernde Kraft von Anbietern bzw. Produzenten digitaler Güter, die bewusst auf die Durchsetzung von Eigentumsrechten verzichten. Beispielhaft sei auf Entwicklungen im Bereich der Open Source Software oder Formen der wissensbasierten Kooperation wie der digitalen Enzyklopädie Wikipedia verwiesen (vgl. Ghosh 2006). 4.3  Übungen 22. Kostenverläufe digitaler Güter

a) Nehmen Sie an, die fixen Produktionskosten eines digitalen Musikstücks liegen bei 10.000 €. Die Vertriebskosten betragen 1 Cent pro Kopie. Weitere Kosten fallen nicht an. Berechnen Sie die Produktionskosten je Stück bei einer digital verkauften Stückzahl von: Stück

Fixkosten

Gesamtkosten

Produktionskosten pro Stück

1 100 1000 10.000 100.000 1.000.000 10.000.000

b) Stellen Sie den Verlauf der Produktionskosten je Stück im Rahmen einer geeigneten Grafik dar und erläutern Sie die Besonderheiten dieser Entwicklung im Vergleich zur Herstellung eines PKW.

4

86

Kapitel 4 · Produktion von digitalen Gütern

23. Folgen der Stückkostendegression bei digitalen Gütern



Welche Konsequenzen resultieren aus der Stückkostendegression für den Anbieter digitaler Güter? Welcher Zusammenhang besteht zu Skaleneffekten?

24. Produktionsbedingungen für digitale Güter



4

Welche der nachfolgenden Marktformen ist am ehesten geeignet, die Produktionsbedingungen für digitale Güter zu kennzeichnen? Begründen Sie Ihre Antwort: 5 Vollkommene Konkurrenz. 5 Natürliches Monopol. 5 Bertrand-Preiswettbewerb im Oligopol.

25. Eigenschaften digitaler Güter und ihre Folgen



Auszug aus einem Lehrbuch: Digitale Güter sind alle Güter, die in digitaler Form verkauft, geliefert und übertragen werden. Viele der häufigsten Beispiele für digitale Güter sind Informationen wie E-Mails, digitale Nachrichten, Posts auf Webseiten sowie Mediendateien, einschließlich Musik- und Videodateien. a) Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus diesem Sachverhalt für Anbieter digitaler Musik? b) Lassen sich digitale Güter „klauen“? c) Warum ist der Weiterverkauf digitaler gebrauchter Güter auf dem Second-Markt umstritten?

26. Bedeutung von Verwertungsrechten und Kopiertechnologien

a) Welche Bedeutung haben Verwertungsrechte und Kopiertechnologien für die Verbreitung von E-Books? b) Erläutern Sie, welchen Einfluss Fixkosten auf die Verbreitung von E-Books durch Raubkopien haben.

27. Bedeutung von Schutzrechten/Patenten





Eric Maskin, der 2007 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, hat in einer Studie festgestellt: „In einer dynamischen Welt dürften Firmen genügend Anreize zur Innovation ohne Patente haben und Patente dürften ergänzende Innovation verhindern.“ Die Möglichkeit, für Software Patentschutz zu bekommen, sei entgegen der Theorie offenkundig kein Anreiz für Innovation. Denn die Forschungsinvestitionen der IT-Branche sind durch das Patentrecht keineswegs beflügelt worden.“ Erläutern Sie diese Auffassung des Autors und gehen Sie dabei auf den Charakter von Innovationen im Softwarebereich ein.

Literatur Anderson, C. (2009). Free: The future of a radical price. New York: Hyperion. Arlt, C. (2006). Digital Rights Management Systeme. Der Einsatz technischer Maßnahmen zum Schutz digitaler Inhalte. München: Beck. Bernau, P. (2013). Gefährliche Internet-Monopole. 7 http://www.faz.net/ak-tuell/wirtschaft/analyse-­ gefaehrliche-internet-monopole-12109725.html. Berning, W., Meyer, K., & Keppeler, L. (2017). Datenschutz-konformes Löschen personenbezogener Daten in betrieblichen Anwendungssystemen-Methodik und Praxisempfehlungen mit Blick auf die EU DS-GVO. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 54(4), 618–631. 7 https://doi.org/10.1365/s40702017-0333-2. Bessen, J., & Maskin, E. (2000). Sequential innovation, patents, and imitation (Working Paper No. 00-01). Cambridge: Department of Economics, Massachusetts Institute of Technology.

87 Literatur

Blind, K. et. al. (2003). Software-Patente. Eine empirische Analyse aus ökonomischer und juristischer Perspektive. Schriftenreihe des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung. Heidelberg: Physica. Clement, R., & Schreiber, D. (2013). Internet-Ökonomie. Grundlagen und Fallbeispiele der vernetzten ­Wirtschaft (2. Aufl.). Berlin: Springer Gabler. Gallini, N. T. (2002). The economics of patents: Lessons from recent U.S. patent reform. Journal of Economic Perspectives, 16(2), 131–154. Ghosh, R.A. (2006). Economic impact of open source software on innovation and the ­competitiveness of the Information and Communication Technologies (ICT) sector in the EU. 7 https://www.­ campussource.de/opensource/docs/FLOSSImpactOnEU.pdf. Linde, F. (2008). Ökonomie der Information (2. Aufl.). Göttingen: Universitätsverlag. Nuss, S. (2002). Download ist Diebstahl? Eigentum in einer digitalen Welt. PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, 32(126), 11–35. Peters, R. (2010). Internet-Ökonomie. Berlin: Springer. Picot, A., & Fiedler, M. (2008). Open Source Software und proprietäre Software – Funktions- und ­Nachahmungsschutz oder Offenheit? In O. Depenheuer & K. N. Peifer (Hrsg.), Geistiges Eigentum: Schutzrecht oder Ausbeutungstitel (S. 165–186). Berlin: Springer. Pindyck, R. S., & Rubinfeld, D. L. (2013). Mikroökonomie (8. Aufl.). München: Pearson. Verordnung (EU). 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). 7 https://eur-lex.europa. eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32016R0679.

4

89

Konsum und Zahlungsbereitschaft 5.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe – 90 5.2 Grundlagen und Fallbeispiele – 91 5.2.1 Nachfrage nach digitalen Gütern – 91 5.2.2 Einflussfaktoren auf die Zahlungsbereitschaft – 93 5.2.3 Konsum des Internets – 100

5.3 Übungen – 106 Literatur – 107

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0_5

5

90

Kapitel 5 · Konsum und Zahlungsbereitschaft

5.1  Inhalt und Schlüsselbegriffe (. Abb. 5.1) z Inhalt

5

1. Das Prinzip der Nutzenmaximierung kann nur bedingt auf digitale (Informations-) Güter übertragen werden. Konsumenten wägen nur Kauf und Nichtkauf gegeneinander ab und fragen nicht mehr als eine Einheit nach. Bei der Marktnachfrage stimmt die Zahl der Konsumenten mit der Zahl der nachgefragten Einheiten an Informationsgütern überein. 2. Digitale (Informations-)Güter sind nur in der Produktionsphase private Güter. Nach ihrer Verbreitung werden sie tendenziell zu öffentlichen Gütern. Die Zahlungsbereitschaft für solche Güter ist gering ausgeprägt. Die Qualität von Informationsgütern lässt sich vor dem Kauf nicht beurteilen, ohne dass man Teile des Gutes selbst kennen lernt (Informationsparadoxon). 3. Der Konsum frei zugänglicher Netzwerkgüter (z. B. Internet) ist dann beschränkt, wenn es zu Kapazitätsproblemen kommt. In diesem Fall sind differenzierte Preise oder eine Priorisierung der Nutzung erforderlich. z Schlüsselbegriffe

Nutzenmaximierung, Ausschlussprinzip, Rivalität der Nutzung, Güterkategorien (privat/öffentlich/Klub/Allmende), Zahlungsbereitschaft, Informationsparadoxon, Such-/ Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften, adverse selection, moral hazard, Digital Rights Management, Regulierung des Internets.

. Abb. 5.1  Kap. 5 auf einen Blick

5.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

5

91

5.2  Grundlagen und Fallbeispiele 5.2.1  Nachfrage nach digitalen Gütern

Die Frage nach dem optimalen und den Nutzen maximierenden Konsumplan, ist Bestandteil der Haushaltstheorie (vgl. Bofinger 2011; 7 Kap. 6). 1. Nachfrage nach „normalen“ Gütern

Betrachten wir einen Studenten, der nach Abzug aller lebensnotwendigen Ausgaben ein freies Budget von 120 € zur Verfügung hat. Ein Glas Bier in der Stammkneipe kostet 3 € und ein Kinobesuch 6 €. Die Anzahl möglicher Konsum-Kombinationen lässt sich durch die Budgetgerade abbilden:

120 C = 3 C · Anzahl Bier + 6 C · Anzahl Kino

(5.1)

Die Kombinationen, die auf der ermittelten Geraden liegen, können realisiert werden (. Abb. 7.6). Kombinationen darüber sind nicht zu bezahlen und zu verwirklichen. Kombinationen darunter sind nicht effizient, da die vorhandenen Konsummöglichkeiten nicht ausgeschöpft werden. Beim gegebenen Budget können maximal 20 Kinobesuche oder 40 Glas Bier konsumiert werden. Für jeden zusätzlichen Kinobesuch muss bei konstantem Einkommen auf zwei Gläser Bier verzichtet werden (Opportunitätskosten). Der optimale Konsumplan wird durch das Preisverhältnis der beiden Güter bestimmt. Im Optimalpunkt ist die Grenzrate der Substitution (Grenznutzenverhältnis) gleich dem negativen Preisverhältnis. Mathematisch exakt lässt sich das Entscheidungsproblem lösen, wenn die genaue Nutzenfunktion bekannt ist. Diese Analyse ist hier nicht von Bedeutung. Das Optimum liegt bei 10 Kinobesuchen und 20 Glas Bier:

120 C = 3 C · Anzahl Bier + 6 C · Anzahl Kino

(5.2)

Wenn der Preis für ein Glas Bier von 3 € auf 4 € steigt, können bei einem unveränderten Budget von 120 € nur noch 30 Glas Bier konsumiert werden. An der Zahl der maximal möglichen Kinobesuche ändert sich nichts. Graphisch drückt sich dieser Sachverhalt in einer Drehung der Budgetgeraden im Uhrzeigersinn bei unverändertem y-Achsenabschnitt aus. Wenn der Preis des Bieres z. B. auf 2 € sinkt, kommt es zu einer Drehung der Budgetgeraden gegen den Uhrzeigersinn. Die Preis-Konsum-Kurve zeigt die nutzenmaximalen Kombinationen von beiden Gütern, die bei den Änderungen des Preises eines Gutes (hier: Bier) realisiert werden können (. Abb. 5.2). Aus dieser Betrachtung lässt sich die individuelle Nachfragekurve nach Bier ableiten. Je höher der Preis ist, desto weniger Glas Bier werden nachfragt und umgekehrt. Beim Prinzip der Nutzenmaximierung geht es also immer darum, Güterbündel gegeneinander abzuwägen, die aus mehreren Gütereinheiten bestehen. 2. Nachfrage nach digitalen (Informations-)Gütern

Im Fall von digitalen Gütern kaufen Konsumenten immer nur eine Einheit. So wird z. B. eine Software gekauft und installiert. Sie werden sich kein zweites Exemplar gleichen Typs kaufen, sondern das Gut gegebenenfalls kopieren. Auch bei digitaler Musik ist nicht zu erwarten, dass eine Person mehr als eine Einheit davon benötigt, da sie dadurch ihren Nutzen nicht weiter steigern kann. Im Gegensatz zu einer klassischen

92

Kapitel 5 · Konsum und Zahlungsbereitschaft

Kino 20

Preis-Konsum-Kurve für Bier Budgetgeraden bei Bierpreisen von 4 €, 3 € und 2 € 30 40

Bier

60

Preis Bier

5

4 3 2 Menge Bier

. Abb. 5.2  Nachfragefunktion für „normale Güter“

negativ geneigten Nachfragefunktion eines Individuums ergibt sich bei Informationsgütern keine Kurve, sondern ein Punkt (vgl. Linde 2008, S. 70 ff.). Für ein digitales Gut besteht für ein Individuum immer nur eine diskrete, auf eine Mengeneinheit beschränkte Nachfrage mit einer bestimmten Zahlungsbereitschaft (pmax). Bezogen auf die Marktnachfrage können wir unterstellen, dass sich diese Zahlungsbereitschaft bei einzelnen Nachfragern unterscheidet (. Tab. 5.1). Würde das Gut zu einem Preis von 19 € angeboten, wären die Nachfrager 1 bis 3 an einem Kauf interessiert, die anderen Nachfrager hingegen nicht. Nachfrager 3 ist der Grenznachfrager. Immer wenn der Kaufpreis kleiner oder gleich der Zahlungsbereitschaft des Nachfragers ist, wird er sich für den Kauf entscheiden. Wird die Nachfrage nach ihrer Zahlungsbereitschaft geordnet, ergibt sich mit entsprechender Glättung die Marktnachfrage (. Abb. 5.3). Diese weist die genannte Besonderheit auf, dass jeder Konsument nur eine Einheit des Informationsgutes nachfragt. Auf der Abszisse können daher gleichlaufend die Anzahl der Konsumenten und die Zahl der verkauften Güter abgetragen werden (n/x). . Tab. 5.1  Zahlungsbereitschaft für Informationsgüter Nachfrager

Zahlungsbereitschaft in €

1

30

2

25

3

20

4

15

5

10

6

5

5.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

93

. Abb. 5.3  Individuelle und aggregierte Nachfrage nach einem Informationsgut

Fazit: Das Prinzip der Nutzenmaximierung stellt auf die Frage ab, wie viele Einheiten eines bestimmten Gutes in einem größeren Güterbündel von einem Individuum nachgefragt werden. Dieses Prinzip kann auf Informationsgüter nicht angewandt werden. Konsumenten wägen nur Kauf und Nichtkauf gegeneinander ab und fragen nicht mehr als eine Einheit nach. Diese Einheit ist auch nicht teilbar. 5.2.2  Einflussfaktoren auf die Zahlungsbereitschaft

Unternehmen möchten erfolgreich am Markt agieren, also Gewinne erzielen. Sie müssen folglich Umsätze erwirtschaften, die ihre Kosten decken. Damit sie diese Ziele erreichen, muss ihrem Angebot nicht nur eine Nachfrage durch die Konsumenten gegenüberstehen, sondern auch eine damit einhergehende positive Zahlungsbereitschaft. Es zeigt sich jedoch, dass die Zahlungsbereitschaft auf digitalen Märkten im Allgemeinen geringer ist als auf traditionellen Märkten. Dies hat verschiedene Ursachen: In der Vergangenheit wurden Dienste im Internet häufig kostenlos angeboten (z. B. Nachrichten, Zeitungsartikel) oder es konnte relativ einfach auf illegale Kopien zugegriffen werden. Lässt sich eine Verbreitung eines Informationsgutes durch seine Eigentümer nicht verhindern und können Konsumenten ohne großen Aufwand diese Güter konsumieren, sind sie i. d. R. nicht bereit kostenpflichtige Alternativen zu erwerben. Hinzu kommt, dass bei digitalen Gütern häufig Qualitätsunsicherheiten bestehen. Je weniger gut Konsumenten die Qualität des nachgefragten Gutes im Vorhinein abschätzen können,

5

94

Kapitel 5 · Konsum und Zahlungsbereitschaft

je höher also das empfundene Risiko ein Gut schlechter bzw. unerwarteter Qualität zu erhalten ist, desto geringer fällt die Zahlungsbereitschaft aus. Aktuell lässt sich ein Trend zu einer steigenden Zahlungsbereitschaft beobachten. Das ist verbunden mit der steigenden Anzahl und Qualität der Dienste auf dem Markt (Ewert und Bastian 2016) und Instrumenten wie z. B. Bewertungssystemen, die dazu dienen Qualitätsunsicherheiten auf der Konsumentenseite zu reduzieren. 5.2.2.1  Güterkategorien

5

Bei der Analyse des Konsums von Gütern ist zu klären, wo die Eigentumsrechte an diesen Gütern liegen. Aus ökonomischer Sicht sind in diesem Zusammenhang das Ausschlussprinzip und die Rivalität der Güternutzung wichtig (vgl. Clement 2012: 7 Kap. 12; . Abb. 5.4): 5 Im Fall privater Güter werden Eigentumsrechte einem Besitzer exklusiv zugeteilt. Denken Sie z. B. an ein Stück Brot, dessen Verzehr Ihnen niemand streitig machen darf und dessen Nutzen aus dem Verzehr nur Ihnen selbst zukommt. Konsumenten können vom Konsum ausgeschlossen werden (z. B. durch einen Preis) und es besteht Konkurrenz im Konsum. Eine Nachfrage geht also i. d. R. mit einer positiven Zahlungsbereitschaft einher, da das Gut ansonsten nicht konsumiert werden kann. 5 Öffentliche Güter: Selbst mit erheblichem technischen Aufwand ist es kaum möglich den Ausschluss von nicht zahlungsbereiten Personen durchzusetzen. Es besteht die Tendenz zum Trittbrettfahrerverhalten. Bei eigennütziger Kalkulation wird der Einzelne im Vertrauen darauf, dass genügend andere das öffentliche Gut finanzieren, seine wahren Wünsche nicht aufdecken und im Zweifel darauf hinweisen, dass ihm der Preis zu hoch ist. Bei öffentlichen Gütern besteht trotz Nachfrage deshalb nur eine geringe oder sogar gar keine Zahlungsbereitschaft. Ist nur eines der beiden Prinzipien – entweder das Ausschluss- oder das Rivalitätsprinzip – anwendbar, entstehen Mischformen.

. Abb. 5.4  Ausschlussprinzip und Rivalität im Konsum

95 5.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

5 Wenn niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden kann, aber eine Rivalität im Konsum besteht, wird von Allmendegütern gesprochen. Das Interesse des einzelnen Nutzers ist auf eine möglichst große Inanspruchnahme gerichtet, da er für die Nutzung direkt nichts zu zahlen hat. In Summe führt dies zu einer Überbeanspruchung der Ressource, wie z. B. an der Überfischung des Allmendegutes „Fischbestand in den Weltmeeren“ zu erkennen ist. 5 Können Nutzer ausgeschlossen werden und liegt keine Rivalität im Konsum vor, wird von Klubgütern gesprochen (z. B. Golfklub). Bei steigender Mitgliederzahl kann allerdings aufgrund von Kapazitätsgrenzen eine Rivalität im Konsum auftreten. Die Gütersystematik soll nun auf Informationsgüter übertragen werden: 1. Ausschlussprinzip

In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, die Phasen der Produktion und der Verbreitung zu unterscheiden (. Abb. 5.5). a) Produktionsphase

5 Ein Ausschluss anderer Personen ist möglich, wenn die Weitergabe der Informationen nicht unkontrolliert erfolgen kann. Dies ist z. B. der Fall, wenn eine Information exklusiv im Besitz einer Person ist (z. B. Erfindung im Kopf des Forschers). 5 Ein Ausschluss ist dadurch möglich, dass die Weitergabe von Informationen verboten ist, z. B. bei kapitalmarktrelevanten Informationen (Insiderwissen) oder bei Geschäftsgeheimnissen. 5 Ein Ausschluss ist dann möglich, wenn Eigentumsrechte existieren, mit deren Hilfe die Nutzung von Informationen von Zahlungen abhängig gemacht werden kann (z. B. im Fall von Software).

. Abb. 5.5  Produktion und Distribution von Informationsgütern

5

96

Kapitel 5 · Konsum und Zahlungsbereitschaft

5 Bei einigen Informationen wird ein Ausschluss dadurch verhindert, dass sich die Informationen eher ungewollt verbreiten. Dies ist z. B. der Fall bei Informationen, die zunächst nur in einem kleinen Kreis bekannt geworden sind (z. B. Wissen über ein neues Forschungsergebnis in einem Unternehmen). 5 Zum Teil ist ein Ausschluss bereits in der Produktionsphase von Informationen gar nicht erwünscht (z. B. Werbung, Fachpublikationen). b) Verbreitungsphase

5

In der Phase der Verbreitung sind Informationen immer einer Mehrheit von Nutzern zugänglich. Sobald Wissen auf eine Mehrzahl von Individuen verteilt ist, kann das Ausschlussprinzip nicht mehr zuverlässig durchgesetzt werden. Die weitere Verwendung lässt sich allenfalls unvollständig kontrollieren. Für die kodifizierte Weitergabe von Informationen auf Datenträgern (z. B. der Nachdruck eines Artikels oder die Kopie einer CD) mag eine Kontrolle noch durchsetzbar sein. Es ist aber nicht möglich, die mündliche Weitergabe von Informationen zu unterbinden. 2. Rivalität im Konsum

Im Fall von Informationsgütern kann Rivalität im Konsum herrschen, z. B. bei Patentinhalten oder Insiderinformationen. Bei der Distribution von Musik oder von Nachrichten in der Tagespresse macht es hingegen keinen Unterschied, wie viele Wirtschaftssubjekte die Information hören oder lesen. Es findet keine gegenseitige Beeinträchtigung statt. Anders verhält es sich bei Informationen, die erst dadurch wertvoll werden, dass sie nicht weit gestreut sind. Fazit: Generell können wir sagen, dass Informationsgüter nur in der Produktionsphase private Güter sein können und auch nur dann, wenn Sie entweder geheim gehalten werden können, die Weitergabe zu kontrollieren ist oder ein rechtlicher Schutz besteht (. Abb. 5.6). Informationsgüter weisen eine Tendenz auf, nach ihrer Verbreitung zu öffentlichen Gütern zu werden. Güter, bei denen entweder das Ausschlussprinzip nicht angewendet werden kann oder bei denen keine Rivalität im Konsum vorliegt, sind Mischgüter. Auch in diesem Fall werden Informationsgüter bei zunehmender Verbreitung tendenziell zu öffentlichen Gütern.

. Abb. 5.6  Konsumrivalität und Ausschlussprinzip bei Informationsgütern (vgl. Linde und Stock 2007, S. 68)

5.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

97

Aus der mangelnden Kontrollierbarkeit der Verbreitung von Informationsgütern resultieren verschiedene Folgen: 5 Unklare Zahlungsbereitschaft für die Güter. Dies gilt vor allem dann, wenn auch kostenlose Alternativen zur Verfügung stehen bzw. illegale Kopien der Güter vorhanden sind. 5 Klärung der Durchsetzbarkeit von Eigentumsrechten. Dazu stehen juristische Instrumente (z. B. Schutzrechte) und technologische Maßnahmen (z. B. Digital Rights Management) zur Verfügung (siehe 7 Abschn. 4.2.3). 5.2.2.2  Qualitätsunsicherheiten beim Konsum von Informationen

Bei einem Güterkauf auf einem traditionellen Markt, z. B. von Kleidung, Lebensmitteln oder elektronischen Geräten, besteht für den Kunden die Möglichkeit das entsprechende Objekt zu inspizieren. Er kann es betrachten, in die Hand nehmen, es gegebenenfalls ausprobieren und seine Funktionen testen. Diese Vorgehensweise ist bei einem Informationsgut nicht möglich. Um seinen Wert einschätzen zu können, muss man zumindest einen Teil des Gutes kennen. Vollständige Information würde bedeuten, dass man das Gut, das man erst noch kaufen will, bereits hat. Es liegt ein Sachverhalt vor, der als Informationsparadoxon bezeichnet wird (vgl. Arrow 1962, S. 615). Beispielsweise kann eine Beratungsleistung erst dann wirtschaftlich bewertet werden kann, wenn sie bekannt ist. Ist sie jedoch bekannt, besteht kein Anreiz mehr, für ihren Erwerb eine Gegenleistung zu entrichten. Informationsgüter haben daher häufig den Charakter von Erfahrungs- und Vertrauensgütern. z Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften von Gütern

In der Informationsökonomie werden Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften von Gütern unterschieden (. Abb. 5.7): 5 Leistungseigenschaften, die vor dem Kauf zu eher geringen Kosten überprüfbar sind, werden als Sucheigenschaften bezeichnet. 5 Sind die Eigenschaften vor dem Kauf nur zu hohen Kosten zu überprüfen, liegen Erfahrungs- oder Vertrauenseigenschaften vor. 5 Reduzieren sich die Beurteilungskosten nach dem Kauf, liegen Erfahrungseigenschaften vor. Werden die Kosten der Beurteilung weiterhin als hoch empfunden, sind diese Eigenschaften den Vertrauenseigenschaften zuzuordnen. 5 Ist die Überprüfung von Eigenschaften für den Nachfrager grundsätzlich gar nicht möglich, haben Beurteilungskosten keine Relevanz. Die Eigenschaften sind dann unmittelbar als Vertrauenseigenschaften zu betrachten. In der Regel verfügt jedes Gut über eine Kombination dieser Eigenschaften. So kann bei einem Fahrzeug die Farbe als Sucheigenschaft, die Lebensdauer als Erfahrungseigenschaft und die umweltfreundliche Herstellung, mit der geworben wird, als Vertrauenseigenschaft beurteilt werden. Am Beispiel des Diesel-Skandals im Jahr 2015 wird die Bedeutung der Vertrauenseigenschaften deutlich: Die Käufer der Fahrzeuge hatten sich aufgrund der Produktbeschreibungen darauf verlassen, dass die ausgewählten Fahrzeuge die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte für Autoabgase einhalten. Der gemeine Kunde hatte weder vor noch nach dem Kauf die Möglichkeit, die Stärke der Emissionen zu prüfen, er musste sich auf die Aussagen der Autohersteller verlassen. Erst durch die Untersuchung der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency (EPA) wurde die Software-Manipulation aufgedeckt.

5

98

Kapitel 5 · Konsum und Zahlungsbereitschaft

5

. Abb. 5.7  Gütereigenschaften aus informationsökonomischer Sicht (vgl. Weiber und Adler 1995, S. 59)

Ob es sich um ein Such-, Erfahrungs- oder Vertrauensgut handelt, hängt von der Dominanz einer Leistungseigenschaft ab, wenn – so die Konvention – ihr Anteil mindestens 50 % beträgt. Anhand des Ausmaßes dieser Eigenschaften lässt sich jedes Gut in einem informationsökonomischen Dreieck positionieren. Wir wollen nun Informationsgüter in Bezug auf diese drei Eigenschaften beurteilen (vgl. Linde 2008, S. 36 ff.): 1. Sucheigenschaften

Sucheigenschaften sind auf den ersten Blick bei Informationsgütern nicht oder kaum vorhanden. Ursächlich ist vor allem das Informationsparadoxon. Dennoch gibt es Beispiele für gut funktionierende Informationsmärkte, bei denen Qualitätsunsicherheiten eher gering ausgeprägt sind. Dazu zählen vor allem Märkte für derivative Informationsgüter, die Informationen über Güter liefern. Betrachten wir zwei Beispiele: a) Preisinformationen Der Umfang der Informationssuche steigt z. B. 5 mit der tatsächlichen oder vermuteten Preisstreuung von Gütern, 5 mit der Anzahl an (geplanten) Wiederholungskäufen, 5 mit der Höhe des Transaktionswerts am Gesamtbudget. Je ausgeprägter diese Bedingungen gegeben sind, desto eher ist mit der Entstehung von Märkten für Preisinformationen zu rechnen. b) Börseninformationen Informationen über aktuelle Börsenkurse sind vor allem für Finanzdienstleister wertvoll. Unabhängig davon, ob wir uns die Versorgung mit aktuellen oder zeitverzögerten Kursinformationen vorstellen, unterliegt auch dieses Informationsgut dem Informationsparadoxon. Es verliert seinen Wert, wenn es vor dem Kauf preisgegeben wird. Trotzdem ist

5.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

99

der Handel mit Börseninformationen aus den folgenden Gründen gut entwickelt und lukrativ: 5 Die Form der Information ist exakt festgelegt. Auch wenn Nachfrager den tatsächlichen Preis oder Aktienkurs erst nach dem Kauf bekommen, wissen sie schon vorher, wie die Information aussehen wird. 5 Der Wert einer Information lässt sich trotz der Unkenntnis des konkreten Inhalts monetär bemessen. Wenn es z. B. darum geht, eine Verkaufsentscheidung für eine Aktie zu fällen, die für 37,50 € gekauft wurde, lässt sich der zu erwartende Gewinn oder Verlust als Differenz zum aktuellen Kurs schnell ermitteln. 5 Die Kosten für die Information sind vorher bekannt. Zweifel über die Qualität der erhaltenen Information lassen sich nach dem Kauf durch einen Vergleich mit anderen Anbietern oder der oftmals kostenlos erhältlichen und zeitversetzten Preis- und Kursinformation schnell ausräumen. Wir können also festhalten, dass es auf Informationsmärkten, die durch einen hohen Grad an Transparenz und Standardisierung gekennzeichnet sind, nur zu geringen Qualitätsunsicherheiten kommt. Beispiele sind Preis- und Börseninformationen. c) Software Wenn ein Konsument eine Standardsoftware oder eine App erwerben möchte, kann er einige Informationen bereits vor dem Kauf zur Beurteilung heranziehen. I. d. R. hat er die Möglichkeit sich beim Anbieter direkt oder auf den Marktplätzen über die Software zu informieren. Sucheigenschaften sind hier etwa der Kaufpreis der Software, der Funktionsumfang laut Beschreibung, der benötigte Speicherplatz oder die Kompatibilität mit dem eigenen Betriebssystem. Im Gegensatz zur Standardsoftware fallen bei individuell in Auftrag gegebener Software die meisten Sucheigenschaften weg. 2. Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften

Müssen Informationen erst noch produziert werden, liegen Erfahrungs- bzw. Vertrauenseigenschaften vor. Betrachten wir wiederum zwei Beispiele. a) Erfahrungseigenschaften von Software Will sich der der Käufer einen möglichst umfassenden Eindruck über die Qualität des Angebots verschaffen, müsste er über die Software verfügen. Nur so kann er die Funktionalitäten testen und prüfen, ob diese seinem Bedarf entsprechen. Müsste der Käufer die Software allein aufgrund ihrer Produktbeschreibung und ihres Preises kaufen, wäre es unmöglich, gute von schlechten Angeboten zu unterscheiden. Aus diesem Grund ist es bei Software sinnvoll, den Kunden zeitlich oder vom Umfang her beschränkte Testversionen zur Verfügung zu stellen. b) Vertrauenseigenschaften von Software Für jene Eigenschaften, die sich erst nach dem Kauf im längeren Betrieb herausstellen, wie z. B. Stabilität, Umgang mit größeren Datenmengen, Verhalten bei Mehrfachzugriff, liegen Vertrauenseigenschaften vor. Es handelt sich auch um Vertrauenseigenschaften, wenn Eigenschaften überhaupt nicht überprüft oder aufgedeckt werden können. So müssen sich z. B. Nutzer von Cloud-basierten Softwarelösungen (Software as a Service) auf die Angaben der Anbieter hinsichtlich des Einhaltens der Service Level Agreements und der Bereitstellung, sowie dem Umgang mit den in der Cloud gespeicherten Daten und die Absicherung der Daten gegenüber Fremdzugriffen ­verlassen.

5

100

5

Kapitel 5 · Konsum und Zahlungsbereitschaft

c) Vertrauenseigenschaften von Marktanalysen Hier ist zu unterscheiden, ob es sich um bereits vorliegende oder um noch durchzuführende Marktanalysen handelt: 5 Liegt die Analyse vor, kann der Käufer in der Regel nicht prüfen, mit welcher Sorgfalt die einzelnen Arbeitsschritte vollzogen wurden. Auch wenn einige dieser Informationen dokumentiert sind, ist deren genaue Bewertung entweder mangels Fachkenntnisse nicht möglich oder aber zu aufwendig. 5 Ist die Analyse noch zu erstellen, steigen die Unsicherheiten. Der Käufer kann zwar ein Leistungspaket definieren. Nach dem Vertragsabschluss treten jedoch selbst nach sorgfältiger Auswahl des Anbieters Verhaltensunsicherheiten auf. Es lässt sich durch den Kunden nicht einschätzen, in welcher Qualität die Analyse tatsächlich ausgeführt wird. Dennoch gibt es einen gut funktionierenden Markt für derartige Analysen. Ursächlich ist, dass vor allem Unternehmen mit Reputation für Marktforschungsaufträge ausgewählt werden. z Fazit

1. Die Qualität von Informationsgütern lässt sich vor dem Kauf nicht beurteilen, ohne dass man Teile des Gutes selbst kennen lernt. Vollständige Information über ein Informationsgut zu haben, würde bedeuten, dass man das Gut, das man eigentlich erst noch kaufen will, bereits hat. Es liegt ein Informationsparadoxon vor. Bei Informationsgütern liegen deshalb häufig Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften vor. 2. Gut funktionierende Informationsmärkte sind durch einen hohen Grad an Transparenz und Standardisierung gekennzeichnet. In diesem Fall überwiegen Sucheigenschaften und es liegen nur geringe Qualitätsunsicherheiten vor. 3. Häufig sind bei Informationsgütern abhängig vom Fachwissen des Nachfragers Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften dominant. In diesem Fall sind Qualitätsunsicherheiten (adverse selection) vor dem Kauf und Verhaltensunsicherheiten (moral hazard) nach dem Kauf nicht auszuschließen (. Abb. 5.8). Nachteile können überhöhte Preise für eine gegebene Leistung oder eine unzureichende Leistung zu einem gegebenen Preis sein. 5.2.3  Konsum des Internets

Das Internet ist als offenes Kommunikationssystem zwischen dezentralen Netzwerken ausgestaltet. Das Netz ist prinzipiell für alle potenziellen Nutzer zugänglich und weist keinen klar abgegrenzten Teilnehmerkreis auf. Ein offenes Kommunikationsnetzwerk wie das Internet bzw. die damit verbundenen Dienste weisen aus ökonomischer Sicht folgende Merkmale auf (. Abb. 5.9; vgl. Clement und Schreiber 2013): 1. Netzeffekte

Das Internet ist ein internationaler Verbund zwischen verschiedenen Teilnetzen. Der Nutzen, den der einzelne Teilnehmer erzielen kann, entsteht neben der

5.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

101

. Abb. 5.8  Informationsgüter und asymmetrische Informationen (vgl. Linde und Stock 2007, S. 52)

. Abb. 5.9  Ökonomische Merkmale des Internets

Informationsübertragung innerhalb des Teilnetzes aus dem Anschluss an das Gesamtnetz und der Nutzung der über diesen Verbund angebotenen Dienste. Es liegen positive externe Effekte vor. Mit jedem zusätzlichen an das Netz angeschlossenen Rechner entstehen für alle bereits angeschlossenen Teilnehmer Vorteile dadurch, dass zusätzliche Wege der Datenübertragung entstehen. Mit steigender Nutzerzahl nimmt auch die Zahl der angebotenen komplementären Systemkomponenten zu. Es liegen also auch indirekte Netzeffekte vor. 2. Geringe Grenzkosten für zusätzliche Netzanschlüsse

Ob das Internet von 3 Mrd. Menschen oder von 3,5 Mrd. Menschen genutzt wird, verursacht keine spürbaren Grenzkosten.

5

102

Kapitel 5 · Konsum und Zahlungsbereitschaft

3. Mischgutcharakter

5

Das Internet ist ein Mischgut, das folgende Formen annehmen kann: 5 Öffentliches Gut: Im Fall des Internets ist eine gleichzeitige Nutzung durch sehr viele Menschen möglich, die über eine entsprechende technische Ausrüstung verfügen. Es besteht eine Nicht-Rivalität. In der Regel soll auch niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden. 5 Klubgut: Die technischen Eigenschaften von Kommunikationsnetzwerken erlauben die Erhebung von Anschluss- oder Nutzungsgebühren. Damit ist ein Ausschluss von Nutzern möglich. Das Internet wird zu einem Klubgut. 5 Allmendegut: Ein Ausschluss ist nicht möglich oder erwünscht. Bei der Überschreitung einer bestimmten Nutzerzahl können jedoch negative Externalitäten in Form der Überfüllung auftreten, die eine Rivalität im Konsum signalisieren. z Netzneutralität

Grundsätzlich besteht der Eindruck, dass Leitungskapazitäten für das Internet kein beschränkender Faktor sind. In diesem Fall kann eine Netzneutralität gewährleistet werden, die die gleichberechtigte (neutrale) Übertragung von Daten im Internet beschreibt. Diese Neutralität kann auf unterschiedlichen Ebenen realisiert werden (vgl. Gersdorf 2011; Franke 2019): 5 Eine völlige Neutralität bedeutet, dass alle Daten in jeder Hinsicht gleichbehandelt werden. In diesem „egalitären Netz“ werden keine Dienste unterschieden oder sonstige Kriterien berücksichtigt (z. B. Plattform, Sender oder Empfänger). 5 Eine weniger strenge Auslegung von Netzneutralität besagt, dass gleiche Dienste gleichbehandelt werden. Damit ist es möglich, dass der Datenverkehr in verschiedene Kategorien unterteilt wird. So benötigen z. B. Telefonate deutlich weniger Datenraten als Videoübertragungen. Das Internet kann hinsichtlich der Nutzung der knappen Ressource Bandbreite die Eigenschaften eines Allmendegutes aufweisen (. Abb. 5.10). Eine Überlast liegt vor, wenn die Menge der an einem Router ankommenden Datenpakete höher ist als dessen Kapazität: 5 Nachfrageinduziert: Ursächlich sind in diesem Fall datenintensive Nutzungen der Anwender (z. B. Streaming-Dienste). 5 Angebotsinduziert: Dies ist der Fall, wenn Übertragungswege ausfallen, zerstört werden oder nur in zu geringem Ausmaß zur Verfügung stehen. Im Fall der Überlast besteht Rivalität bezüglich der schnellen Übertragung von Datenpaketen, aber in der Regel kein vollständiger Ausschluss von der Übertragung. In der Regel verlangsamt sich die Geschwindigkeit der Übertragung. Zur Lösung des Allmendeproblems stehen verschiedene Wege offen: 1. Kapazitätsausbau

Es liegt nahe, der möglichen Überlast durch einen Kapazitätsausbau zu begegnen. In diesem Fall könnten alle Datenpakete unmittelbar, mit hoher Geschwindigkeit und mit der gleichen Qualität transportiert werden (. Abb. 5.11). Das Prinzip der Netzneutralität wäre erfüllt (Best-Effort-Prinzip):

103

5.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

Überlast des Internets (Allmende)

Verdrängungsprobleme zwischen Diensten und Anwendungen

Lösungsansätze

Kapazitätsausbau

Differenzierte Preise

Netzmanagement

. Abb. 5.10  Überlast des Internets und Lösungsansätze

5 Der Totalnutzen erreicht sein Maximum, wenn die Kapazität so groß ist, dass alle Nachfragespitzen staufrei bewältigt werden können. Die Grenznutzenfunktion ist positiv und fallend bis zum Maximum. Danach wird der Grenznutzen negativ. 5 Die Grenzkosten der zusätzlichen Nutzung lassen sich vereinfacht durch einen linearen Verlauf darstellen. Höhere Kapazitäten sind aufgrund von Investitionen in die Infrastruktur mit steigenden Kosten verbunden. Zu klären bleibt, wer diese Kosten trägt. 5 Der Schnittpunkt von Grenznutzen und Grenzkosten bestimmt das Optimum. Bis zu diesem Punkt sind die Kosten einer weiteren Kapazitätseinheit geringer als der volkswirtschaftliche Nutzen. Sofern die Kosten einer Kapazitätserhöhung durchgehend positiv sind, ist die volkswirtschaftliche optimale Kapazität geringer als die maximale Kapazität. Dies bedeutet, dass in Spitzenzeiten weiterhin Überlastprobleme auftreten können. In diesem Fall muss eine Vorsorge so getroffen werden, dass bei einer Überlast die verbliebenen Kapazitäten effizient genutzt werden (Kruse 2007, S. 8; 2010). 2. Differenzierte Preise für die Nutzung

Ein Großteil der Netzbelastung resultiert aus Datenpaketen wie Musik und Videos, die von Nutzern in der Regel über Flatrates abgerechnet werden. Flatrates sind durch Grenzkosten von Null gekennzeichnet. Die Nutzer greifen auf die gleichen Ressourcen (Allmende) zu, wie höherwertige und qualitätssensitive Dienste. Im Extremfall kommt

5

104

Kapitel 5 · Konsum und Zahlungsbereitschaft

Nutzen Grenznutzen Priorisierung der Nutzung Maximum

Gesamtnutzen

5

Grenzkosten Kapazität Optimum

Maximum

. Abb. 5.11  Internetkapazität aus ökonomischer Sicht (vgl. Kruse 2011, S. 6)

es zu Verdrängungseffekten von höherwertigen Diensten durch geringerwertige Dienste. So benötigen z. B. Telefonate nur eine geringe Datenrate mit einer kurzen Laufzeit der Datenpakete. Datei- und Videoübertragungen beanspruchen hingegen eine hohe Datenrate, was bei beschränkten Kapazitäten zu einer Verzögerung der Übertragung führen kann. Es liegt nahe, vor diesem Hintergrund über eine Preisdifferenzierung nachzudenken. Vor allem Anbieter höherwertiger und qualitätssensitiver Dienste werden in der Regel eine höhere Zahlungsbereitschaft ihrer Kunden aufweisen. Durch differenzierte Preise für unterschiedliche Dienste sind also Knappheiten (Stauprobleme) besser zu berücksichtigen. Die damit verbundenen höheren Erlöse können zumindest in den Ausbau der Infrastruktur fließen und allen Nutzern zugutekommen. 3. Priorisierung durch Netzmanagement

Die Anbieter der Datenübertragungswege lehnen in der Regel eine strikte Netzneutralität ab. Sie wollen auf ihren Netzen Daten mit unterschiedlichen Qualitätsgarantien übertragen. Ein effizientes Netzwerkmanagement kann dazu beitragen, Datenstaus zu verhindern und sicherstellen, dass wichtige Daten weiterhin mit einer garantierten Übertragungsqualität übertragen werden. Kritiker befürchten, dass Netzbetreiber ihre Marktstellung für das Angebot eigener Dienste ausnutzen und z. B. frei verfügbare Dienste wie Skype hinsichtlich der Übertragungsqualität bei einer hohen Netzauslastung diskriminieren könnten. Netzwerktechnologien ermöglichen es zudem, in Datenpakete in Echtzeit hineinzuschauen und

5.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

105

. Abb. 5.12  Rahmenbedingungen der Internet-Nutzung

bestimmte Inhalte zu bremsen oder gar zu blockieren (Deep Packet Inspection, DPI). Auf dieser Basis sind eine qualitative oder quantitative Vorzugsbehandlung bei der Datenübertragung, eine Behinderung Dritter bzw. eine Filterung oder gar eine Blockierung nicht erwünschter Datenpakete durchsetzbar. z Rahmenbedingungen der Internet-Nutzung

Das Ringen um die Netzneutralität hat längst die technische Dimension verlassen und stellt u. a. die Frage nach der gesellschaftlichen Bedeutung des Internets, die maßgeblich auf die Vielfalt der Inhalte zurückzuführen ist (. Abb. 5.12). Folgende Aspekte spielen eine Rolle (vgl. Martini 2011): a) Sicherheit der Netznutzung: Hier geht es primär um die sichere Kommunikation in offenen Netzwerken, die sich in Verfügbarkeit, Integrität, Verbindlichkeit und Vertraulichkeit der kommunizierten Inhalte niederschlägt. b) Verwendung von Nutzerdaten: In diesem Zusammenhang ist z. B. die Frage von Bedeutung, ob und inwieweit Nutzer Kenntnis von der Verwendung der Daten erhalten, die u. a. zur Bildung von Nutzerprofilen erhoben werden. c) Zulässigkeit der Inhalte: Das Internet ermöglicht die Übertragung und den Zugang zu Inhalten, die in den meisten Fällen durch nationales Recht verboten sind (z. B. jugendgefährdende Inhalte). Zu klären ist, wie diese Bereitstellung und Nutzung von illegalen und unerwünschten Informationen auch im internationalen Kontext zu verhindern ist (u. a. Selbstverpflichtung oder Haftung von Inhalte-Anbietern, Vorgabe von Mindeststandards durch staatliche Kontrollinstitutionen). d) Das Internet eröffnet neue Möglichkeiten, den Zugang zu Wissensgütern zu lösen und stellt damit das herrschende Paradigma geistiger Eigentumsrechte in Frage (vgl. Hofmann 2006). Einigkeit besteht darin, dass z. B. eine angemessene Vergütung von Kulturschaffenden (z. B. Autoren und Musikern), Kulturverwertern (z. B. Musiklabels) und auch Presseverlagen mit internetkompatiblen Zugangs- und Urheberrechten vereinbar gemacht werden soll. Wie diese Vereinbarkeit realisiert werden könnte, ist jedoch umstritten (vgl. Dobusch und Quack 2011). Diese Vereinbarkeit wird in der Debatte um eine neue Urheberrechtsreform – Artikel 13 – deutlich (Nathaus 2019).

5

106

Kapitel 5 · Konsum und Zahlungsbereitschaft

5.3  Übungen 28. Nutzenmaximierung bei Informationen

a) Warum lässt sich das Prinzip der Nutzenmaximierung nicht auf den Konsum von Informationsgütern anwenden? Begründen Sie Ihre Aussage. b) Eine Umfrage hat ergeben, dass Menschen für die Nutzung von Angeboten von Web-Firmen wie Google, Facebook oder Twitter zwei bis drei Euro im Monat zahlen würden. Dennoch ist die Nutzung dieser Angebote kostenlos. Stellen Sie die Auswirkungen kostenloser Angebote auf die Konsumentenrente in einem Markt-Preis-Diagramm dar. c) Warum erhöhen die Anbieter nicht die Preise, wenn die Zahlungsbereitschaft der Nutzer positiv ist?

5

29. Ausschließbarkeit und Rivalität in der Nutzung von Software



Ordnen Sie proprietäre Software, Spezialsoftware und Open Source Software in nachfolgende Grafik ein. Um welche Art von Gütern handelt es sich?

30. Informationsparadoxon



Was besagt das von Arrow beschriebene Informationsparadoxon für den Verkauf von Informationen? Gilt das Informationsparadoxon auch für den Handel mit persönlichen Daten? Wenn ja, mit welchen Mitteln lässt sich den Auswirkungen des Informationsparadoxons begegnen?

31. Eigenschaften und Beurteilung von Informationsgütern



Vor zwei Jahren wurde dem deutschen Finanzminister eine CD mit Daten von Steuerflüchtlingen angeboten, zu denen auch Kontenverbindungen in Liechtenstein gehörten. Der Preis für den Kauf der CD sollte bei 4,2 Mio. € liegen. a) Ordnen Sie die Steuer-CD in folgende Gütersystematik ein und begründen Sie die Einordnung: Rivalität im Konsum

Keine Rivalität im Konsum

Ausschluss möglich Ausschluss nicht möglich

b) B eurteilen Sie, ob und inwieweit die Steuer-CD Erfahrungs- und/oder Vertrauenseigenschaften aufweist. Gehen Sie dabei von folgender Tabelle aus:

107 Literatur

Beurteilbarkeit der Eigenschaften Vor dem Kauf Beurteilungskosten

Nach dem Kauf

Hoch Gering

32. Eigentumsrechte und Konsum von digitalen Inhalten



Erläutern Sie Ansatzpunkte zur Durchsetzung von Eigentumsrechten an digitalen Inhalten.

33. Nutzung globaler Güter am Beispiel Internet

a) Lässt sich das Internet als Klubgut, öffentliches Gut oder Allmendegut inter-pretieren? b) Wie lassen sich Stauprobleme im Internet durch Marktpreise lösen?

Literatur Arrow, K. J. (1962). Economic welfare and the allocation of resources for invention. In National Bureau of Economic Research (Hrsg.), The rate and direction of inventive activity. Economic and social factors (S. 609–625). Princeton: University Press. Bofinger, P. (2011). Grundzüge der Volkswirtschaftslehre: Eine Einführung in die Wissenschaft von Märkten (3. Aufl.). München: Pearson. Clement, R. (2012). Mikroökonomie. Grundlagen der Wissenschaft von Märkten und Institutionen wirtschaftlichen Handelns. Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag. Clement, R., & Schreiber, D. (2013). Allmendeprobleme beim Internet. WISU – Das Wirtschaftsstudium, 42(8/9), 1121–1126. Dobusch, L., & Quack, S. (2011). Auf dem Weg zu einer Wissensallmende? In Aus Politik und Zeitgeschichte (S. 28–30). 7 http://www.bpb.de/publi-kationen/LN2XAA,0,Auf_dem_Weg_zu_einer_ Wissensallmende.html. Ewert, C., & Bastian, A. (2016). Geschäftsmodelle im Internet – Kernerkenntnisse und Erfolgsfaktoren für kostenpflichtige Dienste. In MarkeZin: Karlsruher Marketing-Fachschrift, Heft 7. 7 https://www. hs-karlsruhe.de/fileadmin/hska/W/allgemein/MarkeZin_Heft7_Web_gesamt.pdf. Francke, F. (2019). Netzneutralität in Europa: Ursprünge-Bausteine-Regulierungen (Bd. 195). Baden-Baden: Nomos. Gersdorf, H. (2011). Netzneutralität: Regulierungsbedarf? Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie. Nr. 15. Hofmann, J. (Hrsg). (2006). Wissen und Eigentum. Geschichte, Recht und Ökonomie stoffloser Güter, Bonn. 7 http://www.bpb.de/files/MJPQ2J.pdf. Kruse, J. (2007). Crowding-Out bei Überlast im Internet (Diskussionspapier Nr. 72). Hamburg: Fachgruppe Economics, Helmut Schmidt Universität. Kruse, J. (2010). Priority and internet quality. In M. Falch & J. Markendahl (Hrsg.), Promoting new telecom infrastructures. Markets, policies and pricing (S. 160–174). Cheltenham: Elgar. Kruse, J. (2011). Ökonomische Grundlagen des Wettbewerbs im Internet. Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie. Nr. 14. Juli. Linde, F. (2008). Ökonomie der Information (2. Aufl.). Göttingen: Universitätsverlag. Linde, F., & Stock, W. G. (2007). Informationsmarkt. Informationen im I-Commerce anbieten und nachfragen.. München: Oldenbourg.

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Kapitel 5 · Konsum und Zahlungsbereitschaft

Martini, M. (2011). Wie viel Gleichheit braucht das Internet? – Netzneutralität zwischen kommunikativer Chancengleichheit und Infrastruktureffizienz. Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften. Speyer. 7 https://www.uni-speyer.de/files/de/Lehrstühle/Martini/PDF%20Dokumente/eigene%20 Texte/2011VerwArchiv_Netzneutralität.pdf. Nathaus, K. (2019). Ökonomie. Neue Pläne Zum Digitalen Urheberrecht. POP, 8(1), 96–101. Weiber, R., & Adler, J. (1995). Informationsökonomisch begründete Typologisierung von Kaufprozessen. Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 47(1), 43–65.

5

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Preis- und Erlösstrategien 6.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe – 110 6.2 Grundlagen und Fallbeispiele – 111 6.2.1 Preisbildung auf traditionellen und digitalen Märkten – 111 6.2.2 Preisbildungsmechanismen auf digitalen Märkten – 115 6.2.3 Interaktive Formen der Preisbildung – 118 6.2.4 Preisdifferenzierung und Produktbündelung – 128 6.2.5 FreeConomics – 134 6.2.6 Aufmerksamkeit und Werbung – 139

6.3 Übungen – 143 Literatur – 150

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0_6

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Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

6.1  Inhalt und Schlüsselbegriffe (. Abb. 6.1) z Inhalt

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1. Zur Beurteilung der Effizienz digitaler Märkte eignen sich Kriterien wie Preishöhe, Preiselastizität, Preisdispersion und die Menükosten der Preisveränderung. IKT-Technologien machen vielfältige Formen der interaktiven Preisbildung möglich, bei denen Verkäufer und Käufer gleichermaßen beteiligt sind (Power Shopping, Reverse Pricing, Reverse Auktionen, Auktionen). 2. Digitale Güter sind im Vergleich zu Sachgütern in der Preisbildung schwieriger zu handhaben. Hohe Fixkosten, die Möglichkeiten des Kopierens und die Erfahrungseigenschaften erschweren traditionelle Formen der Preisbildung. Gleichzeitig erlauben diese Eigenschaften digitaler Güter die Anwendung von Formen der Preisdifferenzierung und Produktbündelung. 3. Digitale Produkte und Dienstleistungen sind zwar nicht kostenlos herstellbar, aber ihre Grenzkosten sind so tief, dass es Möglichkeiten gibt, um sie gratis anzubieten oder sie strategisch zu verschenken. Begriffe wie FreeConomics und Follow the Free kennzeichnen diese Strategie. Gratis bedeutet aber nicht zwangsläufig ohne Gegenleistung. Vor allem die Erzielung von Aufmerksamkeit durch (Suchmaschinen-) Werbung wird in der digitalen Welt zu einer wichtigen Ressource.

. Abb. 6.1  Kap. 6 auf einen Blick

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

111

z Schlüsselbegriffe

Markteffizienz, Preiselastizität, Preisdispersion, Menükosten, Power Shopping, Reverse Pricing, Reverse Auktionen, Auktionen, Preisdifferenzierung, Produktbündelung, FreeConomics, Follow the Free, (Suchmaschinen-)Werbung. 6.2  Grundlagen und Fallbeispiele 6.2.1  Preisbildung auf traditionellen und digitalen Märkten

Der Preis spiegelt den Nutzen bzw. die Zahlungsbereitschaft eines Konsumenten für ein Gut wider. Zur Beurteilung der Markteffizienz digitaler Märkte können im Vergleich zu realen Märkten folgende Arbeitshypothesen aufgestellt werden (. Abb. 6.2; vgl. Brynjolfsson et al. 1999): 1. Preishöhe: Die Preise auf digitalen Märkten liegen vor allem aufgrund gesunkener Suchkosten und einer größeren Markttransparenz unterhalb jener auf realen Märkten. Auch der Wunsch nach rascher Verbreitung vieler Güter begünstigt eher geringe als hohe Preise. 2. Preiselastizität: Die direkte Preiselastizität der Nachfrage, die die Reaktion der Kunden auf Preisveränderungen misst, ist höher. 3. Preisstreuung: Die Preisdispersion, die den Abstand zwischen dem höchsten und niedrigsten Preis eines gleichartigen Produktes zeigt, ist geringer. 4. Preisänderung: Die Menükosten der Preisänderung (Preisanpassungskosten) sind auf digitalen Märkten systematisch geringer als auf realen Märkten. Die Arbeitshypothesen sollen nachfolgend bewertet werden. 1. Preishöhe

Günstige Preise werden auf digitalen Märkten mithilfe entsprechender Suchdienste relativ schnell gefunden, sodass sie sich als idealer Platz zur Umsetzung einer „Schnäppchenjäger-Mentalität“ anbieten. „Schnäppchen“ sind eine Spielart der Verkaufsförder- und Sonderangebotspolitik von Unternehmen, die sich auf den Handel und/oder die Konsumenten ausrichten können (. Abb. 6.3). Die dabei gewählten Instrumente lassen sich grob in eine zeitliche, mengenmäßige und persönliche Komponente einteilen.

. Abb. 6.2  Erwartungen an Preisbildung auf digitalen Märkten

6

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Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

Konsumentengerichtete Verkaufsförderung

ıSchnäppchen„

6

Zeit (z.B. Tag, Woche) Sonderkäufe Produkteinführung Auktionen⁄

Menge Rabatte Sonderverkäufe Restposten⁄

Persönlich Coupons Bonusprogramme Rabatte Gutscheine⁄

. Abb. 6.3  „Schnäppchen“ auf digitalen Märkten

Für die Anbieter ist der Einsatz von Suchhilfen und Shopbots durch die Kunden ambivalent. Einerseits ermöglichen sie die Ausweitung der potenziellen Nachfrage, wenn Anbieter sich solchen Suchprozessen stellen. Andererseits bringen die ständigen Vergleiche mit der Konkurrenz einen hohen Wettbewerbsdruck mit sich. Dies kann vor allem im Fall homogener und relativ preiswerter Güter Preiskämpfe und geringere Gewinne der Anbieter zur Folge haben. In diesem Fall ist zu erwarten, dass betroffene Anbieter Gegenstrategien entwickeln, um die erhöhte Preistransparenz wieder einzuschränken (z. B. durch Produktbündelung, Produktdifferenzierung). Unter Preisverschleierung ist jede Art der Verwirrung zu verstehen, die aktiv dazu beiträgt, sowohl Preis- und Produktvergleiche des Konsumenten über einzelne Angebote als auch sein Lernverhalten diesbezüglich zu erschweren (. Tab. 6.1). Erfolg können Verschleierungsstrategien nur aufweisen, wenn Preisvergleiche nicht optimal funktionieren oder rationale Entscheidungen von Konsumenten erschwert sind (vgl. Gudehus 2015). Die Wirksamkeit und der Einsatz der Instrumente sind u. a. abhängig von der Art der Güter, der Marktdichte und den Strukturen der Anbieterseite. Das Verhalten der Händler und Hersteller auf digitalen Märkten lässt folgende Tendenzaussagen zu: 5 Markenhändler sind in der Regel teurer als weniger bekannte Händler. 5 Händler mit einer Multikanalstrategie sind häufig teurer als reine Online-Händler. 5 Hersteller, die auch über den Onlinekanal verkaufen, weisen fast immer den vollen Herstellerpreis aus, um Konflikte mit Händlern zu umgehen. 5 Weniger bekannte Verkäufer passen ihre Preise schnell an, damit sie sicherstellen können, dass sie bei Preisvergleichen obere Rankings erzielen.

113

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 6.1  Instrumente der „Preisverschleierung“ Instrument

Verschleierung

Versandkosten

Umfangreiche und komplizierte Versandkostenoptionen führen zur Unübersichtlichkeit; Ausgliederung der Versandkosten aus dem Gesamtpreis erschweren Preisvergleiche

Produktbündelung/ -differenzierung

Bündelpreise und differenzierte Produkte lassen sich nur schwer vergleichen; Preisvergleichsdienste sind nicht in der Lage, nach Bündeln zu suchen

Produktbeschreibungen

Komplexe, komplizierte Beschreibungen; Hervorheben von Produkteigenschaften soll vom „Preis ablenken“

Häufige Preisveränderungen

Erschwerter Vergleich; je zahlreicher Preisänderungen stattfinden, desto weniger kann sich bei Konsumenten ein Referenzpreis verfestigen, mit dem sie Produkte vergleichen können

2. Preiselastizität

Die Preiselastizität ist vor allem von der Verfügbarkeit von Informationen über das gewünschte Gut abhängig (. Abb. 6.4). Dazu zählen: 5 Die Zugänglichkeit der Preisinformationen, 5 die Zugänglichkeit der Produktinformationen und 5 die Einfachheit, mit der Nachfrager die unterschiedlichen Güter auf Basis von Informationen vergleichen können. Im Fall von homogenen Gütern und/oder Suchgütern können Preisvergleichsdienste zu einem höheren Wettbewerb und zu einer höheren Preiselastizität führen. Die für den Nachfrager verbesserten Vergleichsmöglichkeiten der Angebote führen jedoch nicht notwendigerweise zu einem höheren Wettbewerb. Dies ist zumindest dann nicht

. Abb. 6.4  Preiselastizität auf digitalen Märkten

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Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

der Fall, wenn die Angebote der Verkäufer differenzierter werden und die Produktinformationen ein größeres Gewicht erhalten (vgl. Lynch und Ariely 2000). Im Fall von differenzierten Gütern benötigen Kunden Produktinformationen, um den Grad der Übereinstimmung mit den persönlichen Präferenzen beurteilen zu können. Kunden sind bei verfügbaren Produktinformationen oft bereit, auch höhere Preise zu zahlen (vgl. Diehl et al. 2003). Anbieter können also ihre strategische Ausrichtung zunehmend auf ein differenzierteres Produktangebot richten. 3. Preisdispersion

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Preisvergleichsdienste bringen im Sinne einer unsichtbaren Hand Angebot und Nachfrage zueinander. Solche Dienste aggregieren Informationen, senken Suchkosten und erhöhen die Markttransparenz. Studien zeigen, dass bei vergleichbaren und eher homogenen Gütern die Preisdispersion häufig gering ist. Bei Existenz von höheren Suchkosten, Präferenzen und mangelnder Marktübersicht lässt sich hingegen auch auf digitalen n Märkten eine Preisstreuung beobachten. 4. Menükosten

Menükosten sind Kosten, die dann entstehen, wenn Händler ihre Preise ändern (z. B. Austausch von Preisetiketten in einem Supermarkt). Bei hohen Menükosten werden die Preise seltener geändert und der Preis spiegelt nicht immer den Gleichgewichtspreis von Angebot und Nachfrage wider. Auf digitalen Märkten sind die Kosten für eine Preisänderung deutlich geringer. Ein Preis kann durch einfachen Eintrag in eine Datenbank geändert werden. Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Preise auf digitalen Märkten häufiger als auf traditionellen Märkten geändert werden. Im Durchschnitt zeigen die Preisänderungen in Richtung einer Preissenkung, kurzfristig sind aber auch Preiserhöhungen anzutreffen. Interessant ist auch die Höhe von Preisänderungen. Vielfach sind Änderungen von wenigen Cent zu beobachten. Aus ökonomischer Sicht sind derart geringe Preisveränderungen zunächst wenig einleuchtend. Dennoch machen selbst marginale Veränderungen einen Sinn, wenn z. B. Shopbots eine Suchanfrage nach dem preiswertesten Anbieter durchführen. Ein Beispiel hierfür sind Mobilfunktarife. Seit Tarifrechner einen kostenlosen Tarifvergleich anbieten, kann eine marginale Preissenkung dazu führen, dass ein Anbieter am häufigsten in Suchanfragen genannt wird. Der stationäre Handel reagiert auf den Wettbewerbsvorteil der digitalen Märkte und entdeckt die Potenziale, die geringe Menükosten bieten. Einzelhändler statten zunehmend ihre Verkaufsregale mit digitalen Preisetiketten aus. „Electronic Shelf Lable“, kurz ESL, ist eine der Technologien, die eine Anpassung des Preises sowie zusätzliche Produkterklärungen oder Sonderangebote mit wenigen Klicks erlaubt. Das spart Personal-, Material- und Druckkosten. Insbesondere für Unternehmen, die sowohl online als auch offline verkaufen, wie z. B. die Elektronikhändler Media Markt und Saturn, bringen die digitalen Preisschilder Vorteile, wenn die sich relativ rasch ändernden Preise im Online-Shop auch im stationären Markt widerspiegeln sollen. Häufige Veränderungen der Preise können jedoch die Markttransparenz verringern und mögliche Einsparungen bei den Suchkosten kompensieren.

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

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. Tab. 6.2  Ergebnisse zur Preisbildung auf digitalen Märkten (vgl. auch Clement 2007) Kategorie

Tendenzaussagen

Preishöhe

– Günstigste Preise werden schnell gefunden – Markenhändler sind in der Regel teurer als weniger bekannte Händler –H  ändler mit einer Multikanalstrategie sind häufig teurer als reine OnlineHändler –H  ersteller, die auch über den Onlinekanal verkaufen, weisen fast immer den vollen Herstellerpreis aus, um Konflikte mit Händlern zu umgehen –W  eniger bekannte Verkäufer passen ihre Preise schnell an, damit sie sicherstellen können, dass sie bei Preisvergleichen obere Rankings erzielen

Preiselastizität

–B  ei homogenen Gütern tendenziell hoch, insbesondere, wenn effiziente Suchdienste verfügbar –B  ei heterogenen Gütern sinkend, u. a. bei zunehmender Bedeutung von Produktinformationen

Preisdispersion

– Geringe Streuung bei homogenen Gütern –B  ei heterogenen Gütern Streuung möglich, u. a. abhängig von der Preisbildung (z. B. Auktion, Shopbot) und der Art des Intermediärs (reiner Internet-Anbieter oder Multi-Channel, Bekanntheitsgrad), Marken-, Vertrauensbildung

Menükosten

– E indeutige Tendenz zu häufigen und zum Teil auch relativ geringen Preisänderungen

z Fazit

Die aufgestellten Arbeitshypothesen können in empirischen Untersuchungen nur teilweise bestätigt werden (. Tab. 6.2). 5 Relativ eindeutig sind die Ergebnisse von Untersuchungen hinsichtlich der Suchkosten bei homogenen, standardisierten und relativ preiswerten Gütern sowie hinsichtlich geringerer Menükosten. Hier ist die Effizienz auf digitalen Märkten höher. 5 Bei der Frage der Preiselastizität ist u. a. das Verhältnis von Preis- und Produktinformationen von Bedeutung. Bei differenzierten Produkten ist tendenziell eine geringere Preiselastizität zu erkennen. Zunehmende Produktinformationen vermindern Preiskämpfe und Kunden können Güter erhalten, die ihren Präferenzen entsprechen. 5 Digitale Märkte liefern nicht immer nur niedrigere Preise. Es kommt u. a. auf die Art des Gutes, die Form der Preisfindung und Strukturmerkmale der Absatzkanäle an (z. B. reiner Online-Handel, Multi-Channel Vertrieb). Auch spielen Faktoren wie Marke, Vertrauen und Bekanntheit eine Rolle. Sie dienen als Hilfe beim Abbau von Unsicherheiten, die durch die räumliche Trennung von Kunden, Anbieter und Produkt entstehen. 6.2.2  Preisbildungsmechanismen auf digitalen Märkten

Studien weisen darauf hin, dass die Zahlungsbereitschaft für digitale Inhalte ursprünglich eher gering ausgeprägt war (Augner 2010; Newman et al. 2018). Mittlerweile nimmt die Zahlungsbereitschaft im Internet aber insbesondere bei den jüngeren Konsumenten zu (DCI Institute 2018). Digitale Märkte stellen bisherige Preisbildungsmodelle von

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Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

. Abb. 6.5 Abrechnungsmodelle

Inhalten aber nicht zwangsläufig infrage, sondern schaffen auch Potenziale für neue, digitale Versionen bekannter Abrechnungsmodelle (. Abb. 6.5). Dazu zählen insbesondere Dynamic Pricing- oder Personal Pricing-Strategien sowie Pay-per-Use- und Pay-per-Unit-Preisstrategien. Als erfolgreiches Preismodell für Mediennutzung hat sich in den letzten Jahren die Preisstrategie der Subscription (Abos, Flatrates etc.) etabliert. Generell ist aber eine steigende Zahlungsbereitschaft für digitale Inhalte zu beobachten (vgl. Sommer 2018) 1. Dynamic Pricing und Personal Pricing

Das Dynamic Pricing ist eine Preisstrategie, bei der Unternehmen die Preise für Produkte oder Dienstleistungen kontinuierlich verändern und den Marktbedingungen anpassen. Auf digitalen Märkten schwanken die Preise besonders stark: Viele OnlineHändler ändern regelmäßig die Preise für Teile ihres Sortiments mit dem Ziel, die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften der Konsumenten bestmöglich auszuschöpfen und so den Absatz und den Umsatz zu maximieren. Das Verhandeln von Preisen gab es schon immer – auf dem Fischmarkt in Hamburg werden noch heute lautstark die Preise zwischen Verkäufer und Interessent verhandelt – in Abhängigkeit von Qualität und Menge des Angebots, der Menge und Dringlichkeit der Nachfrage und dem Wunsch, den Markt am Ende des Tages zu räumen. Auf digitalen Märkten stehen den Konsumenten aber im Gegensatz zum realen Markt keine Verkäufer gegenüber, mit denen sie direkt über einen Preis verhandeln können. Dennoch unterscheiden sich die Preise je nachdem wer wann über welches Gerät und in welcher Menge online nach dem Preis eines Produktes sucht. Dynamic Pricing ist also keinesfalls ein neues Konzept, sondern lediglich eine durch die Digitalisierung ermöglichte, neue Version der Preisdiskriminierung, die sich die Chancen, die Big Data bietet, zunutze macht (vgl. Hosell 2019, S. 19 ff.). Die Unternehmen bedienen sich dabei automatisierter Algorithmen und setzen diese für die Preisgestaltung ein. Diese Algorithmen erlauben es den Unternehmen, vollautomatisiert Preise für ihre Produkte zu berechnen und immer wieder zu ändern; in Abhängigkeit vom Preis konkurrierender Unternehmen, Jahres-, Wochen-, Tages-, und Uhrzeiten, dem Browser oder Betriebssystem des Nutzers, dem bisherigen Suchverhalten des Nutzers und vielen weiteren Faktoren.

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

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Für den Händler ergeben sich unterschiedliche Vorteile: Durch eine verbesserte Ausnutzung der Zahlungsbereitschaft der Kunden ergeben sich größere Umsatzpotenziale und höhere Verkaufsmargen, zudem kann Lagerware schneller abverkauft werden, wenn Preise entsprechend gesenkt werden. Des Weiteren können die Händler flexibel auf die Wettbewerbssituation reagieren. So können selbst kleine Preisanpassungen als Reaktion auf Preisveränderungen der Konkurrenz durchgeführt werden, etwa, um in Preisvergleichsportalen die vorderen Ränge verteidigen zu können, oder in Situationen, wenn Produkte beim Konkurrenten vergriffen sind, sich also aufgrund des geringeren Angebots ein höherer Preis durchsetzen lässt. Der Online-Händler Amazon gilt als einer der Vorreiter und intensivsten Betreiber des Dynamic-Pricing-Prinzips. Amazon ändert die Preise seiner Produkte sogar mehrmals am Tag. Verschiedene Studien kamen zu dem Ergebnis, dass sich der Preis z. B. für Elektronikartikel innerhalb von 24 h bis zu 100 Mal verändert, und zwar um bis zu 60 % (Minderest 2015; ZDF WISO 2016; Verbraucherzentrale Brandenburg 2018). Auch digital vermittelte Flugreisen oder Hotelbuchungen unterliegen starken Preisschwankungen. So wurden beispielsweise Apple-Nutzer bei der Buchung von Hotelzimmern über ein Reiseportal gegenüber Windows-Nutzern diskriminiert: Sie mussten einen teureren Preis zahlen, da ihnen eine höhere Zahlungsbereitschaft unterstellt wird. Hinsichtlich des Einflusses des Endgeräts auf die Preishöhe hat ein Praxistest der deutschen Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gezeigt, dass Preise in Onlineshops an mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Tablets deutlich höher ausfallen können als am Computer. Hier setzen die Online-Händler darauf, dass die Kunden es bei ihrem Kauf eiliger haben und deshalb auf umfassende Preisvergleiche verzichten, sodass sich ein höherer Preis durchsetzen lässt. Das Surf-, Klick- und Suchverhalten der Nutzer wird über Cookies der Webseiten erfasst und ebenfalls für ein dynamisches und persönliches Pricing verwendet. Häufig erhöhen die Online-Händler die Preise, je länger man sucht bzw. je häufiger man das Produkt anklickt. Dieses Vorgehen ist insbesondere bei Flugbuchungen im Internet zu beobachten. Die Webseiten der Fluggesellschaften können über das Auslesen des Kundenverhaltens erkennen, ob ein Kunde Interesse an einem Flug hat. Durch das Anheben der Preise üben sie dann psychologischen Druck auf die Kunden aus, indem sie Angst auslösen, dass der Preis ständig teurer wird. 2. Pay-per-Use

Das Pay-per-Use- oder auch On-demand-Preismodell bedeutet, dass die Nutzer ausschließlich die Ressourcen bezahlen, die sie auch tatsächlich nutzen. Pay-per-Use-Preismodelle werden insbesondere im B2B-Bereich angeboten. Software-Anbieter bieten Unternehmenskunden z. B. Cloud-basierte Software-as-a-Service-Lösungen für Buchhaltung, Fakturierung, Warenwirtschaft, Lagerhaltung, sowie CRM-Systeme, die Vertrieb, Marketing und Service unterstützten. Pay-per-Use eignet sich vor allem für kleine und mittlere Unternehmen oder Start-Ups, die die Entwicklung des eigenen Geschäfts nur schwer prognostizieren können und auf flexible Strukturen angewiesen. Für jeden Nutzungstag wird ein festes Entgelt berechnet, sodass am Ende eines Monats jeder Anwender eine detaillierte Auflistung der zeitlichen Nutzung sämtlicher in Anspruch genommener Services erhält.

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Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

3. Pay-per-Unit

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Pay-per-Unit-Preismodelle beschreiben die einfachste Form der Preisgestaltung auf digitalen Märkten. Der Konsument zahlt für das Gut einmalig einen nutzungsunabhängigen Preis. Für den Konsumenten ergibt sich daraus eine gute Kalkulierbarkeit, je nach Bedarf entrichtet er den Preis, um das Gut nutzen zu können, oder nicht. Anbieter können jedoch im Vergleich zum Subscription-Modell nicht von den Möglichkeiten der Produktbündelung und der langfristigen Bindung und Zahlungsverpflichtung profitieren. Außerdem können Anbieter bei Nutzung des Pay-per-Unit-Preismodells die Preise nicht gemäß personenbezogener, vermuteter Zahlungsbereitschaft differenzieren (vgl. 7 Abschn. 6.2.4). Insbesondere bei großen Softwareherstellern ist ein Trend weg von Pay-per-Unit-Preismodellen und hin zu Subscription-Preismodellen zu beobachten. So wurde z. B. Bürosoftware, Statistik-Software oder Bildbearbeitungssoftware lange Zeit per Unit zu einem Festpreis verkauft und konnte dann vom Konsumenten so intensiv genutzt werden, wie es ihm beliebte. Seit einigen Jahren bieten die Softwareunternehmen ihre Lösungen immer häufiger im Monats- oder Jahresabo an. 4. Subscription

Subscriptions sind nutzungsunabhängige Pauschaltarife, die auch als Flatrates bezeichnet werden. Subscription-Preismodelle nutzen die Vorteile der Aggregation von Gütern aus. Anstelle von einmaligen oder nutzungsabhängigen Preisen, zahlt der Konsument einen regelmäßigen Preis, um ein Güterbündel nutzen zu können. Die Zahlungsbereitschaft von Konsumenten für aggregierte Güterbündel liegt i. d. R. oberhalb der Zahlungsbereitschaft für einzelne Güter, sodass ein höherer Umsatz realisiert werden kann (Skiera und Spann 2002). Der gebündelte Verkauf von Gütern eignet sich für digitale Güter aufgrund ihrer besonderen Kostenstruktur besonders (vgl. 7 Abschn. 4.2.1). Das Subscription-Preismodell hat sich insbesondere bei privaten Käufern für die Nutzung medialer Inhalte etabliert. Noch vor einigen Jahren war es für die Anbieter von Musik, Filmen und digitalen Büchern äußerst schwer, einen Preis auf digitalen Märkten durchzusetzen. Grund dafür war die geringe Zahlungsbereitschaft der Konsumenten, da sie verhältnismäßig leicht an Alternativen oder Raubkopien gelangen konnten. Der Erfolg von Musikanbietern wie Spotify zeigt deutlich, wie sehr sich in dieser Branche nicht nur ein Preismodell, sondern das Besitzdenken im Allgemeinen geändert hat. Analog dem Verkauf von CDs wurden auch Musik-MP3s zunächst verkauft – das klassische Besitzstandsdenken wurde vom traditionellen auf den digitalen Markt übertragen. Die einfache Kopierbarkeit und Verteilbarkeit der rein digitalen Güter begünstigt den Austausch der Musikdateien, sodass sich zunächst kostenpflichtige Musikdownload-Anbieter entwickelten, die ihren Kunden zu einem Pauschaltarif Downloads von Musikdateien anboten, bis mit der ubiquitären Verbreitung des Internets und des Smartphones der Besitz von Liedern an Bedeutung verlor, da eine bedarfsorientierte, jederzeitige Nutzung der Musik möglich wurde. 6.2.3  Interaktive Formen der Preisbildung

IKT-Technologien machen vielfältige Formen der interaktiven Preisbildung möglich, bei denen Verkäufer und Käufer gleichermaßen beteiligt sind (. Abb. 6.6). Bekannte Formen sind Preisverhandlungen und Börsen. Auf digitalen Märkten kommen Modelle

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

119

. Abb. 6.6  Formen der interaktiven Preisbildung (vgl. Skiera et al. 2005)

hinzu, die sich danach unterscheiden, ob jeweils die potenziellen Käufer oder Verkäufer die Höhe des Endpreises bestimmen. Bei (klassischen) Auktionen wird der Endpreis durch die Gebote der Käufer festgelegt. Sie werden aufgrund ihrer Bedeutung und ihrer unterschiedlichen Ausprägungen gesondert dargestellt. 1. Powershopping

In diesem Fall haben die Verkäufer über die Vorgabe der Preisstufen Einfluss auf den Endpreis. Die Käufer reagieren auf dieses Preismodell mit ihrer zu einem bestimmten Preis gewählten Kaufmenge (. Abb. 6.7). Sie bestimmen damit letztendlich, welche Preisstufe erreicht wird. Der Käufer kann sich jeweils entscheiden, ob er auf jeden Fall kauft oder nur zum besten Preis. Er geht hingegen leer aus, wenn sich nicht genügend Interessenten zum Kauf bereit erklären. Kunden können sich auch zu einer Gruppe zusammenschließen (Buyer-Bundling). Sie können dann durch die Bündelung ihrer Nachfrage Mengenrabatte erzielen. Der Einkaufsprozess kann bei Erreichen einer bestimmten Verkaufsmenge oder eines Zeitpunktes beendet werden. 2. Reverse Auctions

In diesem Fall der Rückwärtsauktion bzw. Einkaufsauktion legen Verkäufer mit ihrem Gebot den letztendlich zu zahlenden Preis fest (. Abb. 6.8). Der Käufer kann allerdings analog zur klassischen Auktion die Preisfindung durch die Gestaltung des Auktionsmechanismus mehr oder minder deutlich beeinflussen (z. B. Vorgabe eines maximalen Preises, Zielpreises). Diese Form von Einkaufsauktionen findet sich vor allem im B2B-Bereich. Wie bei einer Ausschreibung ist der Auftrag bzw. das Produkt im Vorfeld vollständig spezifiziert. Dabei spricht der Käufer häufig einen geschlossenen Kreis von Lieferanten an, die gegebenenfalls nach Kriterien wie Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit auditiert werden. Möglich ist auch eine offene Ausschreibung, an der sich jeder mögliche Lieferant beteiligen kann. Durch das Internet

6

120

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

6

. Abb. 6.7 Powershopping

. Abb. 6.8 Rückwärtsauktion

sind auch im B2C-Bereich Marktplätze entstanden, bei denen der Preis über Rückwärtsauktionen festgelegt wird. Beispielsweise können Dienstleistungen wie Umzüge oder Handerkerleistungen über solche Portale zur Ersteigerung angeboten werden: Hier kann der private Kunde einen Auftrag ausschreiben, bei dem er einen Maximalpreis sowie die detaillierte Auftragsbeschreibung veröffentlicht, woraufhin sich die Anbieter der Dienstleistungen gegenseitig unterbieten können, um den Auftrag zu

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

121

bekommen. Der Konsument kann bei dieser Art der Preisfindung zweifach profitieren: Er spart sich die langwierige Suche nach dem geeigneten und günstigsten Handwerker und erhält ggf. eine günstigere Dienstleistung als den Maximalpreis. Anstatt mit jedem Einzelnen zu verhandeln, lässt der Käufer die Lieferanten innerhalb eines vorbestimmten Zeitfensters gegeneinander bieten. Jeder Anbieter sieht entweder den gerade günstigsten Preis oder seine aktuelle Position im Wettbewerbsumfeld und kann dann sein Angebot so lange korrigieren, bis die Zeit abgelaufen ist. Werden in den letzten Minuten des Verfahrens noch Angebote abgegeben, so wird der Angebotszeitraum häufig verlängert. Jeder Teilnehmer hat dann die Möglichkeit, sein letztes Angebot noch einmal sorgfältig zu überdenken. Nach Ablauf der Auktion entscheidet sich der Käufer für eines der Angebote. Dieses muss nicht unbedingt das preisgünstigste Angebot sein, sondern kann auch Faktoren wie Lieferzeit oder Qualität berücksichtigen. Das Beschaffungsverfahren eignet sich gut für standardisierbare Güter, die sich detailliert beschreiben lassen. Einkäufer können durch Reverse Auctions häufig das beste Preis-Leistungs-Verhältnis im Markt identifizieren und Beschaffungszyklen verkürzen. 3. Reverse Pricing

In diesem Fall, der als Name your own price (NYOP) bekannt ist, konkurrieren die Käufer nicht untereinander, sondern lediglich mit der ihnen unbekannten Preisschwelle des Verkäufers (. Abb. 6.9): 5 Es erfolgen Gebote eines Käufers an einen Verkäufer, die der Verkäufer annimmt, falls die Gebotshöhe mindestens einer von ihm festgelegten und geheimen Preisschwelle entspricht. 5 Im Fall der Gebotsannahme bestimmt das Gebot des Käufers den Preis, der in der Regel nicht veröffentlicht wird. 5 Übersteigt die Anzahl der Käufer jene der Güter, so erhalten diejenigen Käufer den Zuschlag, die zuerst die Preisschwelle des Verkäufers überbieten. 5 Beim One Shot Model kann jeder Auktionsteilnehmer nur ein einziges Gebot abgeben. Liegt dieses über dem Mindestpreis des Anbieters, so erwirbt der Bietende das Gut zu dem von ihm gebotenen Preis. Liegt das Gebot unterhalb des Mindestpreises, hat der der Bietende keine Chance mehr, das Gut zu erwerben, da eine nachträgliche Erhöhung des Gebotes bzw. die Abgabe eines neuen Gebotes in diesem

. Abb. 6.9  Reverse Pricing (vgl. Spann 2005)

6

122

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

Modell nicht erlaubt sind. Im Fall eines iterativen Verfahrens können die Bieter mehrere Gebote abgeben. Es besteht daher die Möglichkeit, dass sich die Bieter schrittweise an den Mindestpreis des Anbieters herantasten. Dabei entstehen für den Bieter Opportunitätskosten, da jede Iteration einen zeitlichen Aufwand verursacht. Als interaktiver Preismechanismus ermöglicht das Reverse Pricing sowohl dem Käufer als auch dem Verkäufer eines Produktes Einflussnahme auf den endgültigen Preis einer Transaktion (vgl. Bernhardt et al. 2005). Während der Verkäufer durch eine geheime Preisschwelle einen Mindestpreis für die Transaktion vorgibt, bestimmt ein Käufer die endgültige Höhe des Transaktionspreises durch die Abgabe eines Gebotes. Reverse Pricing eignet sich insbesondere für den Abverkauf einer großen Anzahl identischer Güter, da hierfür lediglich ein einziges Angebot erstellt werden muss.

6

4. Auktionen

Die Auktion dient als Mechanismus zur Preisfindung bei unbekannten Marktpreisen (z. B. bei Kunstgegenständen, Antiquitäten). Sie umfasst einen Bietprozess, bei dem Nachfrager und Anbieter bei einem Intermediär, dem Auktionator, ihre Preisvorstellungen (Gebote) hinterlegen. Zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Kriterien ein Handel abgeschlossen wird, unterliegt den Gestaltungsparametern der Auktion (. Abb. 6.10). Eine Auktion ist einseitig, wenn nur eine Marktseite (Nachfrager oder Anbieter) Gebote abgeben kann. Bei der zweiseitigen Auktion gehen Gebote sowohl von Nachfragern als auch Anbietern aus.

Informationsphase

Anbieter

Nachfrager

Auktionsdesign

Verhandlungsphase

1) 2) 3) 4)

Gebotsabgabe (z.B. offen/verdeckt) Auktionsende (z.B. Zeitpunkt/Countdown) Preisregel (z.B. Erstpreis/Zweitpreis) Zielsetzung (z.B. Maximierung Erlös/Volumen) Zuschlag

Abwicklungsphase

. Abb. 6.10 Auktionsmechanismus

Kauf / Zahlung

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

123

Ziel einer Auktion ist es, denjenigen Preis für ein Gut zu ermitteln, der zur Markträumung führt. Unter Markträumung wird die vollständige Zuteilung aller Güter eines Marktes an die Marktteilnehmer verstanden. Auktionen sind also primär auf die effiziente Allokation von Gütern ausgerichtet. Dazu müssen hinreichend viele Handelspartner teilnehmen, sodass der Markt genügend groß bzw. liquide ist. Als Nachteil gilt, dass überwiegend nur entlang der Dimension Preis gehandelt wird. Andere für die Auswahl eines Gutes relevanten Aspekte, wie z. B. Lieferbedingungen, Menge oder Garantiezeit, bleiben unberücksichtigt bzw. sind unveränderlich (vgl. Klemperer 2004). z Der Wert von Gütern

Die Auktionstheorie unterscheidet zwischen private value (privater Wert) und common value (gemeinsamer Wert)-Auktionen (. Abb. 6.11): 5 Im Fall von private value-Auktionen bewertet jeder Bieter das Auktionsgut individuell. Der private Wert entspricht der persönlichen Zahlungsbereitschaft. Ein Beispiel ist die Versteigerung eines Bildes von einem unbekannten Künstler, das von den einzelnen Bietern unterschiedlich eingeschätzt wird. 5 Im Fall von common value Auktionen hat das Auktionsgut einen objektiven Wert, der für alle Bieter gleich ist. Allerdings bestehen unterschiedliche Informationen bezüglich des wahren Wertes. Beispiel ist die Versteigerung der Förderrechte von Öl. Hier bestimmt das im Ölfeld vorhandene Vorkommen den objektiven Wert des Rechts, der bei gegebenem Ölpreis von allen Bietern als identisch angesehen wird. Zum Versteigerungszeitpunkt kennen die Bieter die Menge des tatsächlichen Öls jedoch nicht. Diese eigene Einschätzung wird durch die Einschätzung der anderen Bieter beeinflusst. Es kann der Fluch des Gewinners (winners curse) auftreten (vgl. Kagel und Levin 1986, 2002). Der Ausdruck des winners curse besagt, dass derjenige Bieter, der das höchste Gebot abgegeben hat, nur deshalb gewinnt, weil er von allen beteiligten Bietern den Wert des Auktionsobjektes am größten überschätzt hat (vgl. Kräkel 1992, S. 82). Der Fluch des Gewinners ist also ein Entscheidungsfehler eines Bieters. Der Bieter zieht statt des Ex-post erwarteten Gewinns fälschlicherweise den Ex-ante erwarteten Gewinn heran. Ein derartiger Fehler im Prozess

. Abb. 6.11 Auktionsformen

6

124

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

der Entscheidungsfindung ist schwierig zu erkennen, da lediglich das Ergebnis des Entscheidungsprozesses in Form des abgegebenen Gebots ermittelbar ist. Aus diesem Grund wird der Fluch des Gewinners in Untersuchungen über die abgegebenen Gebote definiert. Das Eintreten wird dann daran festgemacht, dass die abgegebenen Gebote durchschnittlich den wahren Wert des Auktionsobjektes übersteigen. Studien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und das Ausmaß mit steigendem Grad der Unsicherheit über den Wert des Auktionsgegenstandes und steigender Anzahl der Bieter zunehmen.

6

Im Fall von Mischformen aus private value-Auktionen und common value-Auktionen hängt die individuelle Bewertung eines Gutes sowohl von den individuellen Präferenzen als auch von dem objektiven Referenzwert ab (z. B. dem erwarteten Marktpreis). Beispielhaft seien Antiquitäten genannt, die regelmäßig von Fachleuten geschätzt werden. Sie werden im Bietprozess jedoch häufig über- oder unterboten. Auch erhöht eine hohe Wertschätzung des einen Bieters die Wahrscheinlichkeit, dass andere Bieter das Gut ebenfalls hoch einschätzen (positive Korrelation). z Bietverfahren

In der Literatur werden vor allem offene und verdeckte Gebotsverfahren unterschieden (. Abb. 6.12). Offene Gebotsverfahren sind dabei in der Regel iterativ ausgestaltet, d. h. eine mehrfache Gebotsabgabe ist zulässig. Bei nicht-iterativen Verfahren erfolgt die einmalige Abgabe des Gebotes durch die Teilnehmer sowie das einmalige Versenden von Preisinformationen an die Auktionsteilnehmer vor Räumung der Auktion. Ziel ist die möglichst kostengünstige Durchführung der Auktion durch ein einmaliges Erfassen der Gebote. Von besonderer Bedeutung ist die Anreizkompatibilität. In diesem Fall geben die Auktionsteilnehmer ein Gebot ab, das der tatsächlichen Wertschätzung entspricht. Der Anbieter kann die komplette Konsumentenrente abschöpfen und die Erlöse maximieren. Notwendig ist daher das Setzen von Anreizen zur wahrheitsgemäßen Angabe der Zahlungsbereitschaft. Wir wollen nachfolgend die wichtigsten Auktionsformen

. Abb. 6.12 Bietverfahren

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

125

vorstellen und miteinander vergleichen. Geboten wird im Zahlenbeispiel in Schritten zu 1 €. 1. Englische Auktion (first price open cry)

Ablauf - Ständige und offene Aussprache von höheren Geboten. Die Auktion ist beendet, wenn das aktuelle Höchstgebot nicht mehr überboten wird. Zuschlag - Bieter mit dem höchsten Gebot zum Preis des höchsten Gebots. Strategie - Solange mitbieten, bis die maximale Zahlungsbereitschaft ausgeschöpft ist oder bis kein anderer Bieter das Gebot überbietet. Beispiel - Bieter X habe eine Zahlungsbereitschaft von 10 € und Bieter Y von 7 €. Für Bieter Y ist die Auktion beendet, wenn das Höchstgebot 7 € übersteigt. Das gleiche gilt für Bieter X. Er erhält den Zuschlag zu 8 € und erzielt einen (fiktiven) Gewinn von 2 €. Der Warenwert entspricht ungefähr dem zweithöchsten Gebot von hier 7 €.

Bewertung - Anreizkompatibilität liegt nicht vor. Sie wird nur offenbart, wenn der Unterschied zwischen der höchsten und zweithöchsten Zahlungsbereitschaft nicht größer als die Schrittweite der Gebote ist. Die Zahl der Bieter und der Abstand der Gebote sind also wichtige Erfolgskriterien der englischen Auktion

2. Holländische Auktion

Ablauf - Es handelt sich um eine umgekehrte englische Auktion und ein Bieten gegen die Uhr. Der Höchstpreis wird so lange gesenkt, bis ein Bieter den aktuell genannten Preis akzeptiert. Zuschlag - Bieter, der zuerst den genannten Preis akzeptiert. Strategie - Bestimmen des Reservationspreises der anderen Bieter, bevor der Auktionator diesen Schätzwert erreicht. Beispiel - Bieter X hat eine Zahlungsbereitschaft von 10 € und schätzt den Reservationspreis von Bieter Y bei 7 €. Bieter X gibt in diesem Fall sein Gebot bei 8 € ab, das unter seiner Zahlungsbereitschaft von 10 € liegt, jedoch über der von Bieter Y. Bewertung - Es liegt keine Anreizkompatibilität vor. Je länger ein Käufer wartet, desto günstiger wird der Preis, aber desto mehr steigt auch das Risiko, dass ihm ein Konkurrent zuvorkommt. Wenn die Gebote offen abgegeben werden, haben die Teilnehmer keine Chance, sich an den Konkurrenten zu orientieren. Schließlich weiß keiner, wann der Erste zuschlägt. So verführt die holländische Auktion dazu, schnell zu reagieren und die eigene Preisvorgabe zu überbieten (vgl. Söllner 2008)

3. Verdeckte Höchstpreisauktion (first price sealed bid) Ablauf - Bieter geben ihre Gebote verdeckt ab.

Zuschlag - Höchstes Gebot zum Preis des Gebots. Strategie - Bestimmung des Reservationspreises der anderen Bieter und das eigene Gebot so platzieren, dass es marginal über dem Gebot anderer Bieter liegt. Die Höhe des eigenen Gebots ist damit abhängig von der Einschätzung der Marktteilnehmer. Beispiel - Bieter X habe eine Zahlungsbereitschaft von 10 € und schätzt den Reservationspreis von Bieter Y bei 7 €. Er wird ein Gebot in Höhe von 8 € abgeben, das unter seiner Zahlungsbereitschaft, jedoch über jener von Bieter Y liegt. Bewertung - Verdeckte Höchstpreisauktion und die holländische Auktion sind strategisch äquivalent. Auch hier ist die wahrheitsgemäße Angabe der Zahlungsbereitschaft nicht gewährleistet

4. Verdeckte Zweitpreisauktion (Vickrey-Auktion, second price seales bid)

Ablauf - Bieter geben ihre Gebote verdeckt ab und das höchste Gebot erhält den Zuschlag (vgl. Vickrey

1961).

Zuschlag - Preis entspricht dem zweithöchsten Gebot, d. h. dem ersten abgelehnten Gebot. Strategie - Wahrheitsgemäße Angabe der tatsächlichen Zahlungsbereitschaft. Das eigene Gebot beeinflusst die Gewinnwahrscheinlichkeit, nicht aber den zu zahlenden Preis.

6

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Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

Beispiel - Bieter X habe eine Zahlungsbereitschaft von 10 €. Bieter Y habe hingegen eine Zahlungsbereitschaft von 7 €. Bieter X gibt seine Zahlungsbereitschaft von 10 € wahrheitsgemäß an und erhält den Zuschlag zum Preis von 7 €. Unter- bzw. Überbieten der eigenen Zahlungsbereitschaft lohnt nicht: 5 Unterbieten 5  10: Bieter X riskiert, dass er den Zuschlag zu einem Preis erhält, der über seiner tatsächlichen Zahlungsbereitschaft liegt (höhere Gewinnchance, aber auch höheres Verlustrisiko). Bewertung - Wahrheitsgemäße Angabe der eigenen Zahlungsbereitschaft. Die Auktion ist anreizkompatibel

z Vergleich der Auktionsformen

6

Ein Blick in das Zahlenbeispiel zeigt, dass der Zuschlag unabhängig von der Auktionsform recht nahe beieinanderliegt (. Tab. 6.3). Zwischen den genannten Auktionsformen gibt es strategische Gemeinsamkeiten (. Tab. 6.4): a) Bei der Vickrey-Auktion ist es rational, die eigene Wertschätzung zu nennen. Der Zuschlag erfolgt zum zweithöchsten Gebot. Sind bei der englischen Auktion nur noch zwei Bieter übrig, bekommt der letzte Bieter den Zuschlag und bezahlt in etwa den Ausstiegspreis des Verlierers. Zweitpreisauktion und englische Auktion führen daher beide zum Verkaufspreis, der etwa auf Höhe des zweithöchsten Gebots liegt. b) Im Fall der geheimen Höchstpreisauktion versucht der Bieter ein Gebot abzugeben, dass das Maximum der anderen Gebote gerade so übertrifft, dass es den größtmöglichen Gewinn erbringt. Dieses Gebot entspricht in etwa der erwarteten zweithöchsten Wertschätzung. In der holländischen Auktion wird der Bieter so lange warten, bis er mit einem Gebot eines Konkurrenten rechnet. Je geringer das Gebot, desto kleiner

. Tab. 6.3  Anreizkompatibilität von Auktionsformen Auktionsform

Höchstgebot (€)

Preis (€)

Anreizkompatibel

Englisch

8

8

Nein

Holländisch

8

8

Nein

Verdeckte Höchstpreisauktion

8

8

Nein

Vickrey-Auktion

10

7

Ja

. Tab. 6.4  Strategische Äquivalenz von Auktionsformen Auktionsform

Bietstrategie

Auktionspreis

Englisch

Nur von eigener Zahlungsbereitschaft abhängig

In etwa Höhe des zweithöchsten Gebots

Abhängig von den Erwartungen bezüglich des Verhaltens der anderen Bieter

Erwartungswert in Höhe des zweithöchsten Gebotes

Vickrey Holländisch Höchstpreis

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

127

ist die Wahrscheinlichkeit den Zuschlag zu erhalten, desto größer ist jedoch der Gewinn. Holländische Auktion und verdeckte Höchstpreisauktion führen beide zum Verkaufspreis, der dem Erwartungswert des zweithöchsten Gebots entspricht. Die Analyse zeigt, dass alle Auktionsformen zu dem gleichen erwarteten Zuschlag führen (Erlös-Äquivalenz-Theorem; Vickrey 1961). Die Bieter zahlen in der Regel die Wertschätzung des stärksten Konkurrenten. Dieses Ergebnis ist allerdings nur unter bestimmten Bedingungen zu erwarten: 5 Es besteht Risikoneutralität der Bieter. 5 Es liegt Präferenzunsicherheit vor. Jeder Bieter kennt seine Wertschätzung, die Werte der anderen sind ihm unbekannt. 5 Der Auktionator kennt keinen der Bieterwerte. Die unbekannten Wertschätzungen sind unabhängig identisch und werden als Ziehung einer allgemein bekannten Wahrscheinlichkeitsverteilung betrachtet. 5 Personen nutzen zur Bildung ihrer Wertschätzung eine symmetrische Verteilungsfunktion. Sie machen keine Unterschiede zwischen ihren Konkurrenten und betrachten sie als homogene Bieter. 5 Die Zuteilung hängt nur von den Geboten ab und es bestehen keine Präferenzen. Alle Teilnehmer kennen die Regeln der Auktion und halten sich auch daran. Werden diese Annahmen verändert, sind andere Ergebnisse zu erwarten. z Marktdesign für Auktionen

Interessante Hinweise zur Ausgestaltung von Auktionen liefert die Theorie des Marktdesigns. Beispielhaft sei auf Arbeiten zum Sniping verwiesen (vgl. Ockenfels und Roth 2002). Sniper (Heckenschützen) sind diejenigen Bieter, die ihr Gebot erst kurz vor Ende der Auktion eingeben. Durch Zurückhalten eines Gebots bis kurz vor Ende der Auktion soll die eigene Wertschätzung bzw. Zahlungsbereitschaft vor Konkurrenten verschleiert werden. In der Schlussphase geht es dann häufig hektisch zu und die Preise schnellen in die Höhe. Bieter können bei dem Versuch scheitern, noch rechtzeitig auf späte Gebote zu reagieren. Um dies zu verhindern, bieten Internet-Auktionshäuser wie eBay einen automatischen Stellvertreter an, der die Interessen des Bieters wahrnimmt: 5 Zu Beginn der Auktion wird ein Preisgebot (proxy bid) abgegeben, das im System gespeichert wird. Den weiteren Ablauf übernimmt der Agent. Das System erhöht das Gebot automatisch in Höhe der vorgegebenen Gebotsschritte bis zu dem angegebenen Maximalpreis, sobald ein konkurrierendes, in Echtzeit abgegebenes Gebot von einem anderen Bieter vorliegt. 5 Der Kaufpreis liegt minimal über dem zweithöchsten Angebot und nicht in Höhe des gespeicherten Gebots. Einige Autoren sind der Auffassung, dass es sich bei diesem Design um eine abgewandelte Vickrey-Auktion handelt. Begründet wird dies mit dem Gebotsagenten. Der dem Agenten zugewiesene Maximalwert entspricht der eigenen Zahlungsbereitschaft und kann als Höchstgebot aufgefasst werden. Da der Agent stets nur den mindestmöglichen Betrag (Tick, z. B. 1 €) über dem Konkurrenzgebot bietet, erfolgt der Zuschlag nicht zum Höchstgebot, sondern zu dem Preis, den der stärkste Mitkonkurrent geboten hat. Der Tick wird in dieser Argumentation vernachlässigt und aus der Eigenschaft des proxy bidding wird eine Zweitpreisregel abgeleitet.

6

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6

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

Beim Auktionsverfahren von eBay handelt es sich um eine Auktion mit einem festgelegten Ende (hard close). Daneben gibt es Versteigerungen mit einem offenen Ende (soft close), bei denen sich die Auktion automatisch um eine gewisse Zeit (z. B. 15 min) verlängert, wenn kurz vor dem ursprünglichen Ende noch ein Gebot eingeht. Studien zeigen, dass es im Fall eines offenen Endes keinen entscheidenden Vorteil darstellt, mit dem Gebot bis zum Ende der Auktion zu warten. Obwohl eBay seit 1999 bis heute der größte Anbieter für private Auktionen ist, sind die Zahlen privater Versteigerungen rückläufig. Seit einigen Jahren lässt sich auf Deutschlands größtem Online-Flohmarkt der Trend weg von Auktionen hin zu Festpreis-Angeboten beobachten. Mittlerweile werden (weltweit) mehr als 80 % der Waren zu festen Preisen verkauft, bei über 70 % handelt es sich um Neuware (eBay Inc. 2019). Diese Entwicklung zeigt die Veränderung des der Onlineplattform eBay weg von einer Peer-to-Peer-Plattform hin zu einem Online-Marktplatz für jegliche Marktakteure. 6.2.4  Preisdifferenzierung und Produktbündelung

Digitale Güter verfügen über ökonomische Eigenschaften (siehe 7 Abschn. 3.2), die ihre Wertermittlung erschweren (. Abb. 6.13). Oft werden sie nur unzureichend berücksichtigt, sodass falsche Angebots-, Abrechnungs- und Preisstrategien gewählt werden (vgl. Stahl 2006; Stahl und Heinemann 2006): 5 Digitale Informationen und Inhalte weisen hohe Fixkosten und sehr geringe Vervielfältigungskosten auf. Ist die erste Kopie eines Filmes oder einer Software erstellt, sind insbesondere bei einem digitalen Vertrieb des Produktes die Vervielfältigungskosten nahe Null. 5 Erfahrungseigenschaften digitaler Güter führen dazu, dass zum Kaufzeitpunkt eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen Anbieter und Nachfrager über die Qualität besteht. Vor der Kaufentscheidung ist es für Konsumenten jedoch zwingend notwendig die Qualität des Gutes zu kennen, um die eigene Kauf- und Zahlungsbereitschaft zu ermitteln. 5 Um die hohen Fixkosten digitaler Informationen und Inhalte zu decken, ist es oft notwendig und aufgrund der leichten Veränderbarkeit digitaler Güter auch möglich, gleichzeitig mehrere Produktvarianten in unterschiedlich preissensitiven Kundensegmenten anzubieten.

. Abb. 6.13  Eigenschaften digitaler Güter

129

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

Wir werden dazu nachfolgend die Strategien der Preisdifferenzierung und Produktbündelung betrachten. z Preisdifferenzierung

Der Wert vieler Informationsgüter ist subjektiv. Für einen Börsenhändler haben aktuelle Börsenkurse einen hohen Wert. Die gleiche Information hat für eine Person, die sich nicht mit Geldanlagen beschäftigt, hingegen einen deutlich geringeren und im Extremfall gar keinen Wert. Vor diesem Hintergrund erscheinen unterschiedliche Preise sinnvoll (. Abb. 6.14). Betrachten wir ein Informationsgut mit hohen Fixkosten und geringen Grenzkosten (1 €). Bei einem Preis von z. B. 10 € werden 100 Einheiten eines Gutes verkauft, sodass die Erlöse 1000 € betragen (Fläche C). Liegt der Preis oberhalb der Grenzkosten, werden einige Nachfrager, die das Gut höher als die Grenzkosten bewerten aber nicht den geforderten Preis zahlen wollen, das Gut nicht kaufen. Dem Anbieter entgehen Erlöse (Fläche B). Nachfrager, die einen höheren Preis zahlen wollen, müssen hingegen nur den geringeren Preis zahlen. Auch hier entgehen dem Anbieter Erlöse (Fläche A). Eine Preisdifferenzierung liegt vor, wenn ein Unternehmen für gleiche oder gleichartige Güter unterschiedliche Preise verlangt, die sich nicht oder nicht gänzlich durch Kostenunterschiede begründen lassen. Die Strategie der Preisdifferenzierung setzt Marktmacht auf der Angebotsseite voraus. Außerdem muss die direkte Preiselastizität der Nachfrage für Käufergruppen unterschiedlich sein. Die Preisdifferenzierung muss so erfolgen, dass sie für die Kunden nachvollziehbar ist, um Unzufriedenheit zu vermeiden. Ziel ist die Bildung von Teilmärkten mit spezifischem Nachfrageverhalten, die Reduktion der Transparenz auf Märkten mit hoher Standardisierung sowie die bessere Auslastung freier Kapazitäten (. Abb. 6.15). Da auf die unterschiedlichen Preisvorstellungen der Kunden eingegangen wird, kann ein möglichst großer Teil der Nachfrage abgeschöpft werden. In der Praxis geschieht eine Annäherung an den individuellen Nutzen durch die Einteilung der Kunden in Gruppen mit einer vergleichbaren Preisempfindlichkeit. Die Möglichkeit der Gewinnsteigerung ist dabei umso

Preis

A 10 C

B KÂ

1 100 . Abb. 6.14  Preisbestimmung bei Informationsgütern

Menge

6

130

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

6

. Abb. 6.15 Preisdifferenzierung

größer, je mehr Kundengruppen voneinander abgrenzbar sind (vgl. Skiera und Spann 2002). Je nach Beschaffenheit des Marktes kann der Anbieter unterschiedliche Strategien der Preisdifferenzierung wählen. Sie lassen sich in die Preisdifferenzierung ersten, zweiten und dritten Grades einteilen. 1. Ersten Grades

Eine Preisdifferenzierung ersten Grades (perfekte Preisdifferenzierung) liegt vor, wenn es dem Anbieter gelingt, von jedem Kunden den Reservationspreis zu erhalten. Als Reservationspreis wird die maximale Zahlungsbereitschaft verstanden, also der Preis, den ein Konsument für den Erwerb eines Gutes höchstens zahlen würde. Beispiele auf digitalen Märkten sind Auktionen und Preisverhandlungen. Die Strategie lässt sich nur unter bestimmten Voraussetzungen umsetzen: 5 Die individuelle Zahlungsbereitschaft der Kunden muss bekannt sein. 5 Es sind individuelle Preise durchsetzbar. 5 Der Weiterverkauf der Güter (Arbitrage) kann wirksam unterbunden werden. 2. Zweiten Grades

Im Fall der Preisdifferenzierung zweiten Grades liegt eine Selbstselektion durch die Kunden vor. Die Annahme der Kenntnis der individuellen Zahlungsbereitschaft wird aufgegeben, sodass der Anbieter nicht zwischen einzelnen Kunden oder Kundengruppen hinsichtlich ihrer Präferenzen unterscheiden kann. Dennoch ist der Anbieter mithilfe der Preis-, Mengen- und/oder Produktgestaltung in der Lage, die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten festzustellen und auszureizen, weil sie durch ihre Wahl eigene Präferenzen offenbaren. Im Rahmen dieser Strategie stehen dem Anbieter mehrere Optionen zur Verfügung:

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

131

5 Quantitative Preisdifferenzierung durch Kopplung des Preises an die abgesetzte Menge, um z. B. Großabnehmer zu identifizieren. 5 Qualitative Preisdifferenzierung mit dem Ziel, qualitätssensitive Konsumenten herauszufiltern. 5 Zeitliche Preisdifferenzierung, um z. B. die hohe Zahlungsbereitschaft von frühen Käufern auszunutzen. 3. Dritten Grades

Die Preisdifferenzierung dritten Grades beschreibt eine anbieterseitige Segmentierung der Konsumenten in Gruppen mit unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften. Denkbar ist z. B. die Einteilung in soziale Gruppen, die auf ein unterschiedliches Einkommen schließen lassen (z. B. Studierende, Berufstätige, Rentner). Möglich ist auch eine räumliche Preisdifferenzierung. z Empirische Bedeutung

Auf digitalen Märkten lassen sich vor allem Auktionen und Preisverhandlungen der Preisdifferenzierung ersten Grades zuordnen. Räumliche und gruppenspezifische Einteilungen sind als Preisdifferenzierung dritten Grades auf digitalen Märken hingegen schwieriger durchzuführen. Insgesamt dominiert auf digitalen Märkten die Preisdifferenzierung zweiten Grades (. Abb. 6.16). Im Rahmen einer Selbstselektion entscheidet der Konsument selbst, welches Angebot er zu welchem Preis akzeptiert. Ein Beispiel für die qualitative Differenzierung ist das Versioning. z Mehrfachverwertung (Versioning)

Das Konzept bezeichnet die Produkt- bzw. Preisdifferenzierung für digitale Informationsprodukte (vgl. Spann und Mang 2007). Grundgedanke ist es, Versionen zu gestalten, aus der sich der Konsument selbst das Gut mit dem für ihn höchsten Nutzen auswählt. Beispiele für Ansätze zum Versioning sind die Dimensionen Zeit, Qualität und Quantität eines Gutes (. Tab. 6.5). Aus ökonomischer Sicht stellt sich die Frage, wie diese Mehrfachverwertung ausgestaltet sein muss, um die gesamte Zahlungsbereitschaft der Konsumenten

. Abb. 6.16  Preisdifferenzierung auf digitalen Märkten

6

132

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

. Tab. 6.5  Merkmale des Versioning Dimension

Merkmal

Ausprägungen

Zeit

Aktualität

Verzögerter, sofortiger Zugriff

Dauer der Verfügbarkeit

Kurz, langfristig

Qualität

Quantität

6

Präsentationsform

Durchschnittliches, anspruchsvolles Layout

Lesbarkeit

Geringe, hohe Auflösung

Leistungsumfang

Minimal-, Maximalausstattung

Publikationsumfang

Begrenzt, unbegrenzt; regional, überregional

abzuschöpfen und den maximalen Umsatz erzielen zu können. Betrachten wir als Beispiel eine Online-Zeitschrift, die zwei Marktsegmente (Privatkunden, Unter-nehmen) identifiziert hat (. Abb. 6.17). Die Zeitschrift enthält verschiedene Komponenten (Politik, Wirtschaft, DAX-Werte und Nebenwerte) mit unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften (in Anlehnung an Will 2011). Sofern Kundeninformationen vorliegen, ist eine Preisdifferenzierung ersten und dritten Grades möglich. Ansonsten überwiegt die Preisdifferenzierung zweiten Grades. Vereinfacht unterstellen wir, dass die Marktsegmente gleich groß sind.

. Abb. 6.17 Versioning

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

133

1. Die Erlöse bei einem Einheitspreis betragen:

Bei einem Preis von 400: 2 · 400 C = 800 C. Bei einem Preis von 750: 1 · 750 C = 750 C. 2. Die Erlöse bei einem Gruppenpreis betragen:

1150 C (400 C + 750 C). 3. Die Erlöse bei Preisdifferenzierung (Versioning) betragen: a) Privatkundenversion (Politik, Wirtschaft, DAX) zu einem Preis von 400 € und einer Unternehmensversion (alle Teile) zu einem Preis von 750 €. Kaufen beide Segmente die Privatkundenversion zu 400 € liegt der Erlös bei 800 €. b) Der Preis für Unternehmen wird auf 500 € gesenkt. Jedes Segment kauft das darauf zugeschnittene Produkt. Der Erlös beträgt 900 C (400 C + 500 C). c) Die Privatkundenversion wird reduziert auf die Teile Politik und Wirtschaft, der Preis beträgt 350 €. Der Preis für die Unternehmensversion mit allen Teilen wird bei 600 € festgelegt. Der Erlös liegt dann bei 950 C (350 C + 600 C). z Produktbündelung

Bundling ist eine spezielle Ausprägung der Preisdifferenzierung, bei der mehrere Teilleistungen zu einem Bündel bzw. Paket zusammengefasst und zu einem Gesamtpreis angeboten werden (. Abb. 6.18; vgl. Püttmann 2011): 5 Im Fall der additiven Preisbildung entspricht der Gesamtpreis des Bündels der Summe der Einzelpreise. 5 Die superadditive Preisbildung besagt, dass der Gesamtpreis oberhalb der Summe der Einzelpreise liegt. 5 Im Fall der subadditiven Preisbildung liegt der Gesamtpreis unterhalb der Summe der Einzelpreise. Im Kontext der Produktbündelung sind folgende Ansätze zu unterscheiden: 5 Der Verkauf nur einzelner Güter, der als Entbündelung bezeichnet wird. 5 Die reine Bündelung, die dem ausschließlichen Verkauf der Bündel entspricht.

. Abb. 6.18 Produktbündelung

6

134

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

5 Die gemischte Bündelung, die den Verkauf der Güter im Bündel und den einzelnen Verkauf umfasst.

6

Auf digitalen Märkten sind die Formen des Bundling aufgrund der geringen variablen Kosten digitaler Güter weit verbreitet. Das Bundling verfolgt mehrere Ziele: 5 Das zielgerichtete Abschöpfen unterschiedlicher Preisbereitschaften soll Cross-­ Selling Potenziale nutzen und die Umsätze bzw. Gewinne steigern. 5 Der Anbieter kann sich durch Bündelung der Vergleichbarkeit von Preisen entziehen und im Wettbewerb Markteintrittsbarrieren schaffen. Für Konsumenten ist nicht unmittelbar ersichtlich, wie viel sie im Vergleich zu anderen Gruppen für die Bündel zahlen. 5 Die Bündelung von Gütern reduziert Produktions- und Komplexitätskosten. Diese können in Form von Preisnachlässen an die Kunden weitergeben werden. 5 Die Bündelung von Gütern führt aus Sicht der Kunden dazu, dass Anbieter als Problemlöser und Systemanbieter auftreten. Dies kann die Kundenbindung erhöhen und zu Lock-In Effekten führen. Zur Produktbündelung gibt es verschiedene Optimalitätsbedingungen, die nach der Preisdifferenzierung ersten Grades abgeleitet werden: 5 Die Konsumenten, deren Zahlungsbereitschaft unterhalb der variablen Kosten liegt, sollen vom Kauf ausgeschlossen werden (exclusion). 5 Die Konsumenten, deren Zahlungsbereitschaft oberhalb der variablen Kosten liegt, sollen das Gut kaufen (inclusion). 5 Kein Konsument soll das Gut zu einem Preis kaufen, der unterhalb seiner individuellen Zahlungsbereitschaft liegt. Diese Bedingungen spielen bei digitalen Gütern keine bedeutende Rolle, da die Grenzkosten und variablen Kosten gering sind. Wichtig ist es jedoch, dass nicht perfekt korrelierte Nachfragepräferenzen der Konsumenten vorliegen. Konsument A, der eine hohe Zahlungsbereitschaft für Gut X besitzt, sollte im Vergleich zu Konsument B für Gut Y eine geringere Zahlungsbereitschaft aufweisen und umgekehrt. 6.2.5  FreeConomics

Vielleicht nutzen Sie auch die kostenlosen Angebote, die tagtäglich von Anbietern digitaler Güter im Internet platziert werden. Kostenlose Download-Programme von Browsern und Software, kostenlose Online-Zeitschriften und Inhalte erwecken den Anschein einer Schenkökonomie. Digitale Produkte und Dienstleistungen sind zwar nicht kostenlos herstellbar, aber ihre Grenzkosten sind so tief, dass es Möglichkeiten gibt, um sie gratis anzubieten oder sie „strategisch zu verschenken“. Weil die Grenzkosten im Netz so niedrig sind, ist es möglich, dass wenige zahlende Benutzer eine große Anzahl Gratis-Nutzer quersubventionieren. Inzwischen ist eine Vielzahl von Geschäftsmodellen entstanden zur FreeConomics entstanden (vgl. Anderson 2009). „Free“ bedeutet dabei allerdings nicht zwingend „ohne Gegenleistung“. Häufig basiert die kostenlose Abgabe von Gütern im Netz auf einer Art Reziprozität. Die Gegenleistung besteht in Gütern, die im Internet strategisch wertvoll sind (. Tab. 6.6).

135

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 6.6  Kostenlose Angebote auf digitalen Märkten Kostenlose Angebote von …

Beispiele

Unternehmen

–P  reisvergleiche, Suchmaschinen, Routenplaner, Aktienkurse, Portale, Textverarbeitung, Browser, Kommunikation, Software –Z  usammenfassungen und Auszüge von Romanen, Sachbüchern, Reports, Umfragen

Nicht-kommerziellen ­Einrichtungen

– Wissenschaftliche Artikel, Open Source Software – Nachrichten – Unterhaltung, Kommunikation

Nutzern

– Einträge in Blogs, Chats – Kommunikation – Wissenschaftliche Artikel, Open Source Software

Dazu zählen z. B. die Aufmerksamkeit, die rasche Verbreitung von Gütern oder die Gewinnung von Ansehen (vgl. Riedel 2012; . Abb. 6.19): 5 Unternehmen: In einer Gesellschaft, die der Informationsüberflutung ausgesetzt ist, haben Unternehmen oft keine Möglichkeit, z. B. mit ihrer Website analog zu einer Werbesendung Aufmerksamkeit zu erreichen. Unternehmen versuchen dann, die Aufmerksamkeit über die kostenlose Abgabe von Gütern zu gewinnen. Hier ist der Begriff der Aufmerksamkeitsökonomie entstanden (vgl. Franck 1998). 5 Nicht-kommerzielle Einrichtungen: Fast jedes digitale Gut benutzt und benötigt Netzeffekte zu seiner Verbreitung. Die Verbreitung und Nutzung steigert in der Regel den Wert eines Gutes für die Nutzer. Gleichzeitig erhöht die kostenlose Verbreitung von Gütern die Aufmerksamkeit, die z. B. den Verfassern von wissenschaftlichen Artikeln oder Nachrichten zukommt.

Unternehmen

Nicht-kommerzielle Einrichtungen

Indirekte und direkte Erlösformen

Kostenlose Abgabe von Gütern, Leistungen

Nutzer

ıUnentgeltliche„ Gegenleistung

Aufmerksamkeit

Rasche Verbreitung von Gütern

. Abb. 6.19  Kostenlose Abgabe von Gütern

Reputation, Anerkennung

6

136

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

5 Nutzer: Bei der Verfassung von wissenschaftlichen Artikeln oder bei Einträgen in Blogs bleibt in der Regel der Name des Verfassers erhalten. Die kostenlose Abgabe oder Mitarbeit an Projekten wie Wikipedia oder der Erstellung von Open Source Software kann zum Aufbau von Reputation beitragen.

6

Die Ökonomie der FreeConomics besteht aus hybriden Modellen von kostenlosen und kostenpflichtigen Angeboten (Anderson 2009; . Abb. 6.20): 1. Direkte Quersubvention: Das Modell beschreibt den Einsatz von Werbeartikeln oder Gratisangeboten, die dazu führen sollen, ein anderes, kostenpflichtiges Produkt desselben Anbieters zu kaufen. 2. Zweiseitiger Markt: Ist eine Marktseite wertvoller als die andere, wird diese Marktseite im Sinne einer asymmetrischen Preisgestaltung von der anderen Marktseite subventioniert. Dies kann z. B. durch die Erhebung von Gebühren gegenüber einer Marktseite oder durch Werbefinanzierung erfolgen. 3. Freemium: Dieses Modell ist der direkten Quersubventionierung sehr ähnlich, unterscheidet sich jedoch in einem wesentlichen Merkmal. Eine Basis-Version des Produkts wird kostenlos angeboten, während die umfangreichere Premium-Version kostenpflichtig ist. 4. Nicht-monetäre Märkte: Güter werden unentgeltlich für andere Formen der Entlohnung (z. B. Reputation, Anerkennung) bereitgestellt. Kosten auf diesen nicht-monetären Märkten werden z. B. durch freiwillige Spenden gedeckt.

. Abb. 6.20  Ausprägungen der FreeConomics

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

137

Für kostenlos bereitgestellte Angebote gelten einige Grundregeln (vgl. Anderson 2009, S. 241 ff.): 5 Die Verbreitung kostenloser Angebote lässt sich nicht verhindern. Dies gilt vor allem dann, wenn die (Grenz-)Kosten eines Angebots gegen Null streben. Digitale Inhalte werden daher früher oder später kostenlos angeboten. 5 Es ist möglich, auch mit kostenlosen Angeboten Gewinn zu machen. Das Anbieten kostenloser Leistungen kann einen Markt neu definieren. 5 Kostenlose Produkte machen andere Produkte, die nicht kostenlos angeboten werden, wertvoller. Kostenlose Angebote sind vor allem dort sinnvoll, wo die Ressourcen nicht knapp, sondern unbeschränkt verfügbar sind. 5 Früher oder später werden kostenpflichtige Angebote mit kostenlosen Wettbewerbern in Konkurrenz treten müssen (vgl. Anderson 2008). z Follow the Free

Die schnellste Verbreitung kann ein Gut häufig dadurch erreichen, dass es der Anbieter kostenlos abgibt. Diese Strategie wird als Follow the Free Pricing bezeichnet und ist Teil der FreeConomics (Anderson 2008). Ziel ist die schnelle Marktpenetration, um über zusätzliche Attraktivität und positive Feedback-Effekte eine weitere Marktdurchdringung herbeizuführen (. Abb. 6.21). Das Prinzip, durch kostenlose Abgabe von Gütern neue Märkte zu schaffen, ist keineswegs neu. Von der Kaffeefahrt über die Suchterzeugung durch verschenkte Einstiegsdrogen bis zum vermeintlich kostenlosen Handy ist diese Form der Marktbearbeitung bekannt. Die Grundidee beruht entweder auf einer Gewöhnung, der Weckung von Präferenzen oder auf der Komplementarität von Produkten. Wer Öllampen verschenkt, schafft Nachfrage nach Öl.

. Abb. 6.21  Follow the Free Strategie

6

138

6

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

Follow the Free stellt eine Extremform der Penetrationsstrategie dar, die insbesondere aufgrund der marginalen variablen Kosten bei der Erstellung und dem Vertrieb von Informationsgütern möglich ist. Im ersten Schritt werden durch die kostenlose Abgabe z. B. eines Software-Produkts und dadurch entstehende Netzeffekte rasch eine wachsende Kundenbasis aufgebaut und ein Kundenbindungseffekt (Lock-In Effekt) erzielt. Im zweiten Schritt sollen durch den Verkauf von Komplementärleistungen, von leistungsfähigeren Versionen oder Premium-Versionen Erlöse erzielt werden. Bei vielen kostenlos abgegebenen Informationsgütern erfolgt die Finanzierung über höherwertige Premium-Angebote und vor allem Werbung. Es gibt durchaus Beispiele für den Erfolg der Strategie Follow the Free (z. B. kostenlose Abgabe von Browsern, Online-Spielen). Allerdings müssen einige Voraussetzungen vorliegen, damit die Nullpreisstrategie zum Erfolg führen kann (. Tab. 6.7). Dazu zählen: 5 Niedrige variable Kosten der Reproduktion und Distribution. 5 Charakter eines Erfahrungsgutes, das mit zunehmender Anwendung durch Kunden an Wert zunimmt (Netzeffekte). 5 Ausreichende finanzielle Mittel, um anfängliche Verluste zu kompensieren. z Restriktionen der FreeConomics

Aus Sicht der FreeConomics widersprechen Bezahlangebote für Inhalte (Paid Content ökonomischen Grundsätzen. Da die Grenzkosten der Verbreitung gegen Null gehen, sollten auch die Preise für die Nutzung der Inhalte auf diesem Niveau liegen (vgl. Picot et al. 2009). Entscheidend sind aber nicht die Grenzkosten der Verbreitung, sondern die Grenzkosten der Produktion von Inhalten. Nur wenn es den Anbietern gelingt, die Kosten für Inhalte durch entsprechende Einnahmen zu refinanzieren, ist eine Produktion möglich (vgl. Kooths 2009). Die Werbefinanzierung ist aber nur bedingt eine Alternative zu Bezahlangeboten: zu Bezahlangeboten: 5 Die Werbefinanzierung funktioniert nur für wenige Anbieter, da die Werbebudgets beschränkt sind. 5 Wenn alle Anbieter kostenlose Angebote unterbreiten, kann daraus kein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil entstehen. 5 Kostenlose Angebote können zu einer Free Lunch Mentalität der Nutzer führen und ein „Recht“ auf Gratisangebote suggerieren. Qualitative Aspekte spielen dann nur noch eine untergeordnete Rolle.

. Tab. 6.7  Umfeld der Follow-the-Free-Strategie Follow the Free

Voraussetzungen

1. Phase: Preiswerte/kostenlose Abgabe des Basisproduktes 2. Phase: Generierung von von Einnahmen – Premiumversionen – Querfinanzierung – Upgrades – Zusatzbedarf – spätere Gebührenerhebung

– Niedrige variable Kosten der Reproduktion und Distribution – Charakter eines Erfahrungsgutes, das mit zunehmender Anwendung durch Kunden an Wert zunimmt (Netzeffekte) – Ausreichende finanzielle Ressourcen, um anfängliche Verluste zu kompensieren

139

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

6.2.6  Aufmerksamkeit und Werbung

Mit der zunehmenden Verbreitung von IKT sind Informationen immer leichter und überwiegend auch kostenlos verfügbar. Der tagtägliche multimediale Schwall an Werbung, Nachrichten und Unterhaltung ist darauf ausgerichtet, unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. z Überfluss an Informationen

Die Kapazität der menschlichen Informationsverarbeitung ist beschränkt. Der Begriff des Information Overload beschreibt ein doppeltes Selektionsproblem (. Abb. 6.22): 5 Durch rapide fallende Kosten für die Speicherung von Daten, die Erhöhung von Übertragungsraten und die steigende Zahl von Endgeräten und Online-Anschlüssen ist es technisch kein Problem, gespeicherte Daten zugänglich zu machen. Überlegen Sie einmal, wie viele digitale Daten (z. B. Texte, Fotos, Filme) Sie auf Ihren Datenträgern gespeichert haben. Die Menge verfügbarer Daten erschwert jedoch die Fragen, welche Daten davon überhaupt handlungs- bzw. zweckrelevant sind und einen Informationswert besitzen.

Informationen Daten

Menge

Zeit Menge verfügbarer Daten steigt rapide und erfordert Selektion, was als zweckund handlungsrelevante Information gilt.

Menge an Information wächst und erfordert Selektion, was als handlungsrelevantes Wissen gilt.

IK-Infrastruktur 1) Verfügbarkeit (Zugang) 2) Nutzungsformen 3) Nutzungsumfang Kommunikation Aufmerksamkeit

. Abb. 6.22  Daten- und Informationsflut

6

140

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

5 Menschen sind zunehmend gezwungen, Informationen zu selektieren. Aufmerksamkeit wird zur knappen Ressource und damit zu einem ökonomischen Gut. Die Erzeugung und Erhaltung von Aufmerksamkeit auf digitalen Märkten ist abhängig von der Verfügbarkeit (Zugang), den Nutzungsformen und dem Nutzungsumfang der IKT-Infrastrukturen (Hardware und Software). z Aufmerksamkeit

6

Der Überfluss an Informationen, mit denen auch Konsumprozesse konfrontiert sind, erfordert die Generierung von Aufmerksamkeit. Goldhaber stellt dazu fest: „Attention Shoppers! – The currency of the New Economy won’t be money, but attention“ (Goldhaber 1997). Dieser Sachverhalt lässt sich gut am Beispiel der Werbung darstellen. Das traditionelle „Marktgesetz“, dass das Angebot und die Nachfrage den Preis bestimmen, gilt bezogen auf Werbung im Internet nur bedingt, da viele Nachfrager nichts mehr bezahlen wollen. In der digitalen Welt ist der Werbeplatz zudem fast unbegrenzt. Als Faustregel für die Gestaltung von Werbespots oder auch Druckanzeigen gilt die AIDA-Regel. Beschrieben wird damit der Prozess Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Wunsch) und Action (Kaufabsicht). Diese Regel gilt auf digitalen Plattformen eher in verschärfter Form, da Kunden ohne hohe Transaktionskosten das Angebot von Konkurrenten begutachten können. Der Prozess hat folgenden Ablauf (. Abb. 6.23): 5 Nutzer auf die Webpräsenz aufmerksam machen (Attention/Awareness), 5 Besucher zu einem Angebot führen (Interest), 5 Wünsche des Nutzers wecken (Desire), 5 Nutzer unmittelbar oder später zu einer Aktion bringen (Action).

. Abb. 6.23  Werbung als Ausprägung der Aufmerksamkeitsökonomie

6.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

141

Wichtig ist es, die richtige Zielgruppe im richtigen Moment zu erreichen. Dazu bietet das Internet gute Möglichkeiten, die bis hin zur Personalisierung reichen. z Suchmaschinenwerbung

Die Suchmaschinenwerbung gilt als lukrative Form von Online-Werbung, weil zielgenau eine spezifische Form von Aufmerksamkeit in konkrete Käufe umgewandelt werden kann. Als erfolgreiches Beispiel gilt das Unternehmen Google. Hier stehen drei Elemente im Vordergrund (. Abb. 6.24): 1. PageRank-Algorithmus

Der Suchalgorithmus soll einen zufällig durch das Web surfenden Nutzer nachbilden. Das Verfahren bewertet und gewichtet dazu die Menge verlinkter Dokumente im Web. Je mehr Links auf eine Website verweisen, desto höher ist das Gewicht dieser Seite. Die Links werden entsprechend ihres Gewichts sortiert und bei einer Suchabfrage in eine Reihenfolge gebracht. Links zu wichtigeren Seiten werden in der Ergebnisliste vorne angezeigt. Im Kern bildet der Suchalgorithmus von Google Zitationsindizes nach, wie sie aus wissenschaftlichen Publikationen bekannt sind. 2. AdWords

Hier handelt es sich um Wörter oder Wortgruppen, die sich auf das Unternehmensangebot beziehen. Da sie beschränkt sind und nicht alle den gleichen Wert besitzen, erfolgt die Preisbildung durch eine Auktion. In der Regel legt ein Unternehmen ein Monatsbudget fest und bietet einen Maximalpreis für eine Anzeige. Es wird dann nicht

. Abb. 6.24  Suchmaschinenwerbung und Aufmerksamkeit

6

142

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

für die Werbeeinblendung bezahlt, sondern nur dann, wenn Nutzer auch tatsächlich auf die Anzeige klicken (Cost-per-Click). Ziel ist es, die Werbung innerhalb der inhaltlichen Zusammenhänge der Suchergebnisse zu platzieren. Die Anzeigen sind von der Ergebnisliste getrennt und sind entsprechend gekennzeichnet. Je mehr der Inserent zu zahlen bereit ist, desto weiter oben ist seine Anzeige auf der Seite positioniert. Das Produkt aus Gebot und Klickrate (in Prozent) bestimmt den Rang. Ein Beispiel (vgl. Invanov und Mertgen 2004): Bieter A bietet 15 Cent und erreicht mit seiner Anzeige eine Klickrate von 2,4 %. Seine Anzeige bekommt folgenden Wert:

6

Preis (C) · Klickrate(%) = Rang

(6.1)

0,15 · 2,4 = 0,36

(6.2)

Bieter B bietet 25 Cent, hat aber nur eine Klickrate von 1,0 %. Er erhält damit:

0,25 · 1,0 = 0,25

(6.3)

Bieter A ist mit seiner Anzeige also oberhalb von Bieter B platziert, da er einen besseren Rang hat. Der endgültige Preis orientiert sich an den Geboten der Mitbewerber zur jeweiligen Position. Beispielhaft soll für die vordere Position ein Rang (Zielwert) von 0,4 erreicht werden. Liegt das Gebot eines Bieters bei 1 € und die Klickrate bei 0,5 %, liegt es über dem Wert von 0,4:

1 · 0,5 = 0,5

(6.4)

Es reicht bereits ein Gebot von 0,8 € um den Wert zu erreichen:

0,8 · 0,5= 0,4

(6.5)

Das System enthält damit einen Anreiz, die Werbung bezüglich des Inhalts und den zugehörigen Suchbegriffen möglichst präzise und sachbezogen auszugestalten. Die höhere Relevanz zahlt sich also für ein Unternehmen konkret aus. Die Inserenten werden damit angehalten, sich um zutreffende Suchbegriffe und Anzeigentexte zu kümmern. Die Vorteile dieser kontextbezogenen Werbung sind offensichtlich: 5 Der Besucher einer Website wird nur mit der Werbung konfrontiert, die Bezug zu seinen Interessen hat. 5 Die Streuung von Werbung sowie die damit verbundenen Kosten für den Anbieter werden minimiert. 5 Auf diese Weise wird die kostenlose Suche durch Werbung mit kommerziellen Aspekten verknüpft. 3. AdSense

Werbetreibende können neben dem Platzieren von Anzeigen auf der Google-Homepage auch Werbung auf weiter entfernten Websites schalten. AdSense ist damit die Ausweitung von AdWords. Jeder Homepage-Besitzer kann weltweit diesem Werbenetzwerk beitreten. Ziel ist es, Netzeffekte zu nutzen. Kritiker stellen fest, dass die vermeintlich kostenlose Nutzung von freien Angeboten durch die Hergabe von Nutzerdaten teuer bezahlt wird. Alle Daten, die z. B. im Kontext von Suchanfragen anfallen, werden teils personalisiert oder teils anonymisiert gesammelt und analysiert. Mithilfe dieser Datenökonomie lassen sich neue Geschäftsfelder erschließen, auf denen vor allem Werbung zielgerichtet blühen und gedeihen kann (vgl. Kaumanns und Siegenheim 2007).

6.3 · Übungen

143

Die im digitalen Zeitalter stetig fortschreitende Preisgabe von personenbezogenen Daten ist, so eine These, nur zu stoppen, wenn die Daten nicht mehr kostenlos zur Verfügung gestellt werden (vgl. Lainier 2014, S. 305 ff.). Die Praxis, Unternehmen mit Daten zu füttern und mit ihnen zu „zahlen“, stellt ein asymmetrisches Geschäftsmodell dar. Unternehmen erhalten Daten, ohne dass Nutzer wissen, was mit den Daten geschieht. Nutzer sollten ein Anrecht darauf haben, für ihre Daten eine monetäre Gegenleistung zu erhalten. Erst wenn digitale Informationen wirklich etwas kosten, haben Nutzer gegenüber Daten-Unternehmen so etwas wie Kundenrechte. Diese liegen bisher ausschließlich bei den werbetreibenden Partnern. Aber nicht alle Unternehmen verfolgen wirtschaftliche Gewinnziele. Non-Proft-Organisationen dürfen keine Gewinne erzielen, sondern verfolgen soziale, wissenschaftliche oder kulturelle Ziele. Aber auch für das Erreichen dieser Ziele ist die Erlangung von Aufmerksamtkeit und Bekanntheit von hoher Bedeutung. Vor diesem Hintergrund stellt die Kommunikationsarbeit einen wichtigen Bestandteil des Erfolges von Non-Proft-Organisationen dar. Auch die sozialen Medien spielen in diesem Zusammenhang eine immer größer werdende Rolle, da die Nutzerzahlen stetig steigen und sich so die Chancen auf Steigerung des Bekanntheitsgrades erhöhen. Das Social Web bietet Non-Proft-Organisationen neue Wege mit ihren Mitgliedern zu kommunizieren und sie durch Interaktion in ihre Themen einzubeziehen. Obwohl Non-Proft-Organisationen i. d. R nur durch ein Mindestmaß an formaler Organisation gekennzeichnet sind, lässt sich feststellen, dass die Zahl der Organisationen, die das Social Web für die Kunden- bzw. Mitgliederansprache nutzen, stark zugenommen hat (Vgl. Ernst und Young 2017). Als Beispiel für diese Problematik können Soziallotterien herangezogen werden, die vor der Herausforderung stehen weiterhin Kunden zu erreichen und zu begeistern. Die Los-Käufe sind in den letzten Jahren jedoch stark rückläufig. Ein Grund dafür ist, dass die Lose lange ausschließlich in Bankfilialen zum Kauf angeboten wurden. Seitdem sich das Online-Banking immer weiter durchsetzt, können die Konsumenten über diesen Kanal jedoch nicht mehr so gut wie zuvor erreicht werden. Darüber hinaus nimmt die Anzahl gemeinnütziger Projekte stetig zu, sodass Soziallotterien sich von der zunehmenden Konkurrenz abheben müssen. Auch für sie wird die Online-Kommunikation der Soziallotterien zunehmend wichtiger. Sie müssen durch moderne Kampagnen und Social-Media-Aktivitäten versuchen insbesondere die jüngere Generation anzusprechen. Mittlerweile gehört Social Media auch in Non-Profit-Organisationen zu einem wichtigen Kommunikationsinstrument, die Häufigkeit der Posts und die Stärke der Interaktion mit den Kunden bleibt jedoch häufig noch hinter den Aktivitäten gewinnwirtschaftlich orientierter Unternehmen zurück. Eine Studie von Clement C. (2017) zeigt, dass die Soziallotterien besonders erfolgreich sind, die die einzelnen Social-Media-Kanäle nicht nur zur schnellen Informationsverbreitung nutzen, sondern die multimedialen Möglichkeiten ausschöpfen und dabei einen eher umgangssprachlichen und emotionalen Sprachstil wählen. 6.3  Übungen 34. Kriterien der Markteffizienz

An welchen Kriterien lässt sich die Effizienz eines Marktes beurteilen? Welche Hypothesen lassen sich mit Blick auf die Effizienz digitaler Märkte formulieren?

6

144

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

35. Kundengetriebene Formen der Preisbildung

a) Erläutern Sie das Modell des Powershoppings mit offenen bzw. geschlossenen Preisstufen anhand der folgenden Abbildung und beurteilen Sie die Auswirkungen auf den Erlös. Gehen Sie davon aus, dass sich zum Ende der Ablauffrist neun Teilnehmer gefunden haben. Nennen Sie mögliche Nachteile dieses Verkaufsmodells. b) Das Unternehmen Priceline hat ein Patent für den „Name your own price“ Preisbildungsmechanismus erworben. Erläutern Sie die Besonderheiten dieses Mechanismus.

6

36. Reverse Pricing

Nehmen Sie an, der Reverse-Pricing-Anbieter UPRICE bietet auf seiner Plattform einen Flug von A nach B an. Diesen Flug kann UPRICE bei einer kooperierenden Airline für 250 € bekommen. UPRICE geht davon aus, dass sich die Kunden folgendermaßen verhalten:

Klasse

Anzahl Konsumenten

Gebotener Preis

A

500

240

B

800

260

C

700

280

UPRICE kann nicht nach individuellen Konsumenten identifizieren und legt eine einheitliche Preisschwelle fest. Diese soll für den Flug 270 € betragen. a) Wie viele Flüge werden an welche Konsumenten verkauft und wie hoch ist der Deckungsbeitrag für UPRICE? Klasse

Anzahl Konsumenten

A

500

B

800

C

700

Kaufen (ja/nein)

Gebotener Preis

Kosten

Gesamtdeckungsbeitrag

145

6.3 · Übungen

b) Was ist die optimale Höhe der geheimen Preisschwelle, damit UPRICE den höchstmöglichen Deckungsbeitrag erzielt? Klasse

Anzahl Konsumenten

A

500

B

300

C

700

Kaufen (ja/nein)

Gebotener Preis

Kosten

Gesamtdeckungsbeitrag

c) UPRICE erwägt, die mehrfache Gebotsabgabe von Konsumenten zuzulassen. Aus einer repräsentativen Umfrage weiß UPRCICE, dass 50 % aller Konsumenten ein zweites Gebot und 25 % aller Konsumenten ein drittes Gebot, jedoch keine Konsumenten mehr als drei Gebote abgeben würden. Dabei verringern die Konsumenten ihr erstes Gebot um 10 € (im Vergleich zur einmaligen Gebotsabgabe), erhöhen nachfolgende Gebote aber jeweils um 15 €. Berechnen Sie für jede der Konsumentenklassen das Gebotsverhalten bei mehrfacher Gebotsabgabe (Gebotshöhe des ersten, zweiten und dritten Gebots sowie Anzahl der Bieter). Klasse

Anzahl Konsumenten

A

500

Gebotener Preis

Kaufen (ja/nein)

Kosten

Gesamtdeckungsbeitrag

250 125 B

300 150

C

700

d) Würden Sie UPRICE bei einer geheimen Preisschwelle von € 260 zur Einführung der mehrfachen Gebotsabgabe raten? (vgl. Skiera 2004/2005: Universität Frankfurt am Main. Vorlesung: Electronic Commerce Spezialisierungsstudium. Wintersemester).

37. Auktionsmerkmale

a) Welche Ziele verfolgen Auktionen? Wann sind Auktionen sinnvoll? b) Übertragen Sie folgenden Auktionsverlauf in die Grafik. Was lässt sich aus dem Funktionsverlauf erkennen? Wozu kann er in der Praxis benutzt werden?

6

146

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

6 c) Unterscheiden Sie private value-Auktionen und common value-Auktionen. d) Nehmen Sie an, vier Unternehmen bieten für Öl-Bohrrechte auf einem Stück Land. Ein neutrales Gutachten schätzt den Wert des Ölvorkommens auf 10 Mio. €. Die Unternehmen haben folgende Einschätzungen: A: 5 Mio. €, B: 10 Mio. €, C: 12 Mio. €, D: 15 Mio. €. Erläutern Sie an dieser Situation den „Fluch des Gewinners“.

38. Auktionsformen

a) Als Vorbild für eBay-Auktionen gilt die Vickrey-Auktion. Erläutern Sie die Grundmerkmale und die Besonderheit dieser Auktionsform. Wodurch unterscheidet sich die Vickrey-Auktion von der eBay-Auktionsform? Häufigkeit

Verlauf

Sichtbarkeit

Zuschlag

b) Andere Internet-Auktionshäuser nutzen die holländische Auktion. Erläutern Sie die Grundmerkmale dieser Auktionsform und vergleichen Sie diese Auktion mit der Vickrey-Auktion. Häufigkeit

Verlauf

39. Grade der Preisdifferenzierung

Sichtbarkeit

Zuschlag

Sie arbeiten für eine Sportzeitung (Segelsport), die alle 14 Tage erscheint. Bislang wird ein kostenloses Online-Angebot rund um das Thema „Segeln“ angeboten. Der Inhalt der Zeitschrift selbst ist online noch nicht verfügbar. Gerne möchten Sie den Inhalt nun online als kostenpflichtiges Angebot einführen. Sie denken über eine Preisdifferenzierung nach. a) Was verstehen Sie unter Preisdifferenzierung? b) Warum ist die Preisdifferenzierung für Online-Güter eine besonders geeignete Strategie?

147

6.3 · Übungen

c) Erläutern Sie die unterschiedlichen Grade der Preisdifferenzierung und veranschaulichen Sie diese mit einem konkreten Beispiel für das Online-Angebot zum Segelsport.

40. Vorteilhaftigkeit der Preisdifferenzierung

Einem Monopolanbieter von Softwarelösungen sind aufgrund von elektronisch angelegten Kundenprofilen die folgenden Nachfragefunktionen bekannt: 5 Geschäftskundenx = 260 − 0,4 p 5 Privatkunden: x = 240 − 0,6 p Die Fixkosten pro Monat betragen 10.000 € und die Grenzkosten bzw. variablen Kosten pro Kunde 100 €. Sollte der Anbieter Preisdifferenzierung betreiben oder einen Einheitspreis verlangen? [Hinweis: im Monopolfall gilt die Gewinnmaximierungsregel Grenzerlös = Grenzkosten].

41. Optimale Tarifgestaltung

Ein Konsument hat eine Preisbereitschaft von 10 € für die ersten 10 h Zugriff auf eine Datenbank, 9 € für die nächsten 10 h Zugriff, für weitere 10 h 8 €, dann 7 €, 6 €, 5 €, 4 €, 3 €, 2 €, 1 €. Selbst im Fall eines Preises von 0 € würde er noch einmal weitere 10 h auf die Datenbank zugreifen. Dem Anbieter der Datenbank entstehen variable Kosten von 1 € für 10 h Zugriff auf die Datenbank. a) Was ist der optimale Preis pro 10 h Zugriff, wenn der Anbieter nur den Zugriff selbst bepreisen kann (linearer Tarif)? b) Was ist der optimale zweiteilige Tarif, wenn der Anbieter den Zugriff selbst und das Recht zum Zugriff bepreisen kann? c) Was ist der optimale Pauschaltarif (Flatrate), wenn der Anbieter keinen Pay-perUse bezogenen Tarif anbieten darf? d) Vervollständigen Sie nachfolgende Tabelle. Situation A:

Tarif 1: Grundgebühr 44 € Preis pro 10 h =  €

Tarif 2: Grundgebühr 0 € Preis pro 10 h = 6 €

Tarif 1: Grundgebühr 30 € Preis pro 10 h =  €

Tarif 2: Grundgebühr 0 € Preis pro 10 h = 6 €

Tarif 1: Grundgebühr 46 € Preis pro 10 h = 1 €

Tarif 2: Grundgebühr 56 € Preis pro 10 h = 0 €

Nachgefragte Stunden Konsumentenrente Ausgewählter Tarif Situation B: Nachgefragte Stunden Konsumentenrente Ausgewählter Tarif Situation C: Nachgefragte Stunden Konsumentenrente Ausgewählter Tarif (vgl. Skiera, B. 2002/2003: Universität Frankfurt, Übungsaufgaben zur Vorlesung E-Commerce. Wintersemester)

6

148

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

42. Flatrate

Die Einführung einer Flatrate gilt als erfolgreiche Form der Preisbildung auf digitalen Märkten. Ein Konsument hat für das Surfen im Internet folgende Zahlungsbereitschaft: 5 Erste 20 h (= 1200 min): 10 Cent pro Minute. 5 Zweite 20 h: 5 Cent pro Minute. 5 Dritte 20 h: 3 Cent pro Minute. 5 Vierte 20 h: 1 Cent pro Minute.

6

Wenn er ohne weitere Kosten surfen könnte, würde er noch weitere 50 h im Internet verbringen. Bei einem Internet-Service-Provider (ISP) fallen für eine Minute Surfen variable Kosten in Höhe von 1 Cent pro Minute an. Fixe Kosten werden nicht beeinflusst. a) Wie hoch ist der gewinnmaximale Minutenpreis für den ISP, wenn er nur einen einheitlichen Preis pro Minute verlangt? Preis pro Minute

Erlös

Kosten

Gewinn

b) Wie hoch ist die gewinnmaximale Flatrate für den ISP, wenn der Konsument bis zur Sättigungsgrenze im Netz surft? Intervall

Zahlungsbereitschaft für Intervall

Kosten für Intervall

c) Wie hoch ist der Gewinn, wenn der ISP einen zweiteiligen Tarif anbietet? Der Tarif besteht aus einem Minutenpreis von 1 Cent/min. und einer Grundgebühr, die so hoch ist, dass die komplette Zahlungsbereitschaft des Nutzers abgeschöpft wird. Wie hoch ist die gewinnmaximale Grundgebühr? (vgl. Skiera, B. 2000/2001: Universität Frankfurt am Main: Übungsaufgaben zur Vorlesung Electronic Commerce I: Business to Consumer. Wintersemester).

43. Optionstarife

Auf digitalen Märkten finden Sie häufig Optionstarife. Bei einem Internet-AccessProvider verursacht jede Minute Zugriff zum Internet variable Kosten (Kv) in Höhe von 0,01 €/min. Dieser Provider möchte seine Tarifstruktur optimieren. Die Marktbedingungen sind wie folgt gegeben: 5 Z(x) = 0,1 · x − 0,0001 · x2 + 4 5 p(x) = 0,1 − 0,0002 · x(Preisbereitschaft als 1. Ableitung von Z) 5 x = 500 − 5000 p (Nachfragefunktion mit x = Minuten pro Monat)

149

6.3 · Übungen

a) Wie hoch ist die nutzungsunabhängige Zahlungsbereitschaft? Warum könnte Sie größer als Null sein? b) Wie lautet der optimale zweiteilige Tarif, der aus einem monatlichen Grundpreis und einem nutzungsabhängigen Preis besteht? c) Wie lautet der optimale lineare Tarif, der nur aus einem nutzungsabhängigen Preis besteht? d) Wie sieht der optimale Pauschaltarif aus, der nur aus einem nutzungsunabhängigen Grundpreis besteht? e) Der Anbieter entschließt sich zum Angebot einer der beiden nachfolgend aufgeführten Tarife und überlässt die Wahl dem Kunden. Welchen Tarif würde der Kunde wählen? Tarif 1

Tarif 2

Grundgebühr: 30 €

Grundgebühr: 20 €

Preis pro Minute: 0,02 €

Preis pro Minute: 0,03 €

(vgl. Skiera, B. 2000/2001: Universität Frankfurt am Main. Übungsaufgaben zur Vorlesung Electronic Commerce I: Business to Consumer. Wintersemester).

44. Versioning

a) Ein Newsletter mit Finanzmarktinformationen wird jeden Donnerstag an besonders ungeduldige Leser versandt. Geduldige Leser erhalten den Newsletter am Samstag. Die Grenzkosten sind Null. Die Leserschaft weist bezogen auf die Aktualität folgende unterschiedliche Zahlungsbereitschaften auf: 100 Ungeduldige Leser (€)

1000 Geduldige Leser (€)

Donnerstag

20

6

Samstag

5

5

Erläutern Sie an diesem Beispiel den Grundgedanken des Versioning. b) Wie verändert sich die Situation für folgenden Fall? 1000 Ungeduldige Leser (€)

100 Geduldige Leser (€)

Donnerstag

20

6

Samstag

5

5

(in Anlehnung an Krcmar, H. (o. J.): Universität Hohenheim, Vorlesung Informationswirtschaft, Lehreinheit 5: Information und Internetökonomie.)

45. Produktbündelung

a) Unterscheiden Sie am Beispiel der digitalen Musik die Grundformen der Bündelung. b) Wann ist eine Bündelung vorteilhaft? Berücksichtigen Sie dabei folgende Aspekte: 5 Zahlungsbereitschaft. 5 Verhältnis von fixen und variablen Kosten.

6

150

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

46. Optimale Bündelstrategie

Im Rahmen der Marktforschung haben Sie für die Produkte Informationsarchiv und Newsletter folgende Zahlungsbereitschaften ermittelt:

6

Kundensegement

Informationsarchiv (€)

Newsletter (€)

Gemeinsames Angebot beider Produkte (€)

A

18

3

21

B

16

10

26

C

9

17

26

D

5

18

23

Für beide Produkte entstehen annahmegemäß nur fixe Kosten. a) Wie hoch ist der optimale Preis und der dazugehörige Gewinn für das Produkt Informationsarchiv? b) Wie hoch ist der optimale Preis und der dazugehörige Gewinn für das Produkt Newsletter? c) Wie hoch ist der optimale Preis und der dazugehörige Gewinn für das gemeinsame Produkt Informationsarchiv und Newsletter? d) Erläutern Sie den Einfluss der Höhe der variablen Kosten auf die Vorteilhaftigkeit einer Bündelstrategie. (vgl. Skiera, B. 2003/2004: Universität Frankfurt am Main. Übungsaufgaben zur Vorlesung Electronic Commerce II: Business to Consumer. Wintersemester).

47. FreeConomics

a) Welche Ausprägungen der FreeConomics unterscheidet Anderson? b) Wo sehen Sie Grenzen in der Anwendung von FreeConomics-Ansätzen? c) Sie haben gelesen, dass auf digitalen Märkten die Strategie Follow the Free erfolgreich sein kann. Beschreiben Sie kurz diese Strategie und ordnen Sie die Strategie in Marketing-Preisstrategien ein. d) Welche Erlösformen stehen bei der Strategie Follow the Free zur Verfügung? Mit welchen Problemen sind die einzelnen Erlösformen verbunden?

48. Verkauf von Aufmerksamkeit

a) Was verstehen Sie unter Aufmerksamkeitsökonomie? b) Online-Werbeplattformen wie z. B. Google oder Yahoo verkaufen potenzielle Aufmerksamkeit von Nutzern an Werbetreibende. Damit wird Aufmerksamkeit ein handelbares Gut und müsste somit a) messbar, b) übertragbar und c) knapp sein. Erläutern Sie am Beispiel von Online-Werbung, ob Aufmerksamkeit jede der genannten Eigenschaften besitzt oder nicht.

Literatur Anderson, C. (2008). Why $00 is the future of business. 7 http://www.wired.com/techbiz/it/magazine/16-03/ff_free?currentPage=all. Anderson, C. (2009). Free – Kostenlos: Geschäftsmodelle für die Herausforderungen des Internets. Frankfurt a. M.: Campus. Augner, R. (2010). Paid Content – Die Zahlungsbereitschaft für Informationen im Internet. 7 http://4managers.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/Regina_Augner_-_Paid_Content_2010.pdf.

151 Literatur

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6

152

6

Kapitel 6 · Preis- und Erlösstrategien

Skiera, B. (2003/2004). Universität Frankfurt am Main. Übungsaufgaben zur Vorlesung Electronic Commerce II: Business to Consumer. Wintersemester. O.O. Unveröffentlichtes Manuskript. Skiera (2004/2005). Universität Frankfurt am Main. Vorlesung: Electronic Commerce Spezialisierungsstudium. Wintersemester. O.O. Unveröffentlichtes Manuskript. Skiera, B., & Spann, M. (2002). Preisdifferenzierung im Internet. In M. Schögel, T. Tomczak, & C. Belz (Hrsg.), Roadmap to E-Business – Wie Unternehmen das Internet erfolgreich nutzen (S. 270–284). St. Gallen: Thexis. Skiera, B., Spann, M., & Walz, U. (2005). Erlösquellen und Preismodelle für den Business-to-Consumer-Bereich im Internet. Wirtschaftsinformatik, 47(4), 285–293. Sommer, R. (2018). Paid-Content-Studie: Zahlungsbereitschaft der Deutschen steigt. 7 https://kress.de/ news/detail/beitrag/139524-paid-content-studie-zahlungsbereitschaft-der-deutschen-steigt.html. Söllner, M. (2008). Menschliches Verhalten in elektronischen Märkten. Bayreuther Arbeitspapiere zur Wirtschaftsinformatik 34. 7 http://hdl.handle.net/10419/52618. Spann, M. (2005). Analyse des Gebotsverhaltens im Reverse Pricing. In H. Diller (Hrsg.), Pricing-Forschung in Deutschland (S. 199–212). Nürnberg: GIM. Spann, S., & Mang, S. (2007). Versioning. In S. Albers & A. Hermann (Hrsg.), Handbuch Produktmanagement. Strategieentwicklung – Produktplanung – Organisation – Kontrolle (3. Aufl., S. 681–698). Wiesbaden: Gabler. Stahl, F. (2006). Paid Content. Strategien zur Preisgestaltung beim elektronischen Handel mit digitalen Inhalten. Gabler: Wiesbaden. Stahl, F., & Heitmann, M. (2006). Digitale Produkte richtig verkaufen. Harvard Business Manager, 28(8), 8–12. Verbraucherzentrale Brandenburg. (Hrsg.). (2018). Individualisierte Preisdifferenzierung im deutschen Online-Handel – Eine Untersuchung der Verbraucherzentralen – November 2018. 7 https://www. verbraucherzentrale-brandenburg.de/sites/default/files/2018-11/marktwaechter-untersuchung-individualisierte-preisdifferenzierung.pdf. Vickrey, W. S. (1961). Counterspeculation, auctions, and competitive sealed tenders. The Journal of Finance, 16(1), 8–37. Will, A. (2011). Vorlesung Medienmanagement I. Kapitel 4c. Universität Ilmenau. 7 https://www. tu-ilmenau.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/MM_I_Kapitel_4c_1.pdf. ZDF WISO. (Hrsg.). (2016). Preis € Wert – So dynamisch sind die Preise im Internet. 7 http://module.zdf. de/wiso-dynamische-preise-im-netz/.

153

Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung von Angebot und Nachfrage 7.1  Inhalt und Schlüsselbegriffe – 154 7.2  Grundlagen und Fallbeispiele – 155 7.2.1  Nutzen der Intermediation – 155 7.2.2   Ausgestaltung der Intermediation – 157

7.3  Übungen – 198 Literatur – 202

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0_7

7

154

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

7.1  Inhalt und Schlüsselbegriffe (. Abb. 7.1)

z Inhalt

7

1. Die ökonomischen Transaktionen auf Märkten werden durch Intermediäre (Mittler) geprägt. Sie haben die Funktion, die Transaktionen zwischen Akteuren möglichst zweckmäßig zu gestalten und Transaktionskosten in den einzelnen Phasen zu reduzieren. Zur Beurteilung der Transaktionsbeziehungen lässt sich ein Vergleich von digitalen und realen Märkten unter dem Gesichtspunkt der Transaktionskosten vornehmen. Dadurch ergeben sich vier Szenarien von Transaktionsbeziehungen. 2. Direkte Beziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager sind auf digitalen Märkten nur zu erwarten, wenn eine Markttransparenz gegeben ist und keine Informationsasymmetrien vorliegen. Die Disintermediation verkürzt in einigen Branchen die herkömmliche Wertschöpfungskette, macht einzelne ihrer Teile überflüssig und führt zu direkten Online-Beziehungen zwischen Anbieter bzw. Hersteller und Nachfrager. 3. Grundsätzlich erscheint auf digitalen Märkten eine Intermediation eher wahrscheinlich als eine Disintermediation. Ursächlich ist, dass Anbieter und Nachfrager keinen unmittelbaren Kontakt haben, sondern durch IKT-Technologien verbunden sind. Die Online-Intermediation (Reintermediation) und Online-Marktplätze (Transintermediation) versprechen dabei gegenüber realen Märkten Vorteile, indem sie die Suche nach Preis- und Produktinformationen erheblich erleichtern und umfassende und schnelle Preisvergleiche ermöglichen. 4. Online-Handelsplätze müssen die Stärken realer Handelsplätze erreichen, wenn sie dauerhaft wettbewerbsfähig sein wollen. Einige Aspekte der realen Welt (z. B. persönliche Kontakte) lassen sich nicht herstellen. Mehrwerte basieren aber z. B.

. Abb. 7.1  Kap. 7 auf einen Blick

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

155

auf der Möglichkeit von Produktempfehlungen und der Produktvielfalt (Long Tail). Grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermittlung von Angebot und Nachfrage ist der Aufbau von Vertrauen und Reputation. z Schlüsselbegriffe

(Dis-)Intermediation, Baligh-Richartz-Effekt, Ex-post/Ex-ante Transaktionskosten, Transaktionsphasen/-beziehungen, Markttransparenz, Informationsasymmetrien, Principal-Agent-Theorie, Screening, Signaling, Online-Intermediation, Suchkosten, simultane/sequenzielle Suche, Preisvergleiche, Online-Handelsplätze, Produktempfehlungen, Empfehlungssysteme, Long Tail, Vertrauen, Reputation, Reputationssysteme. 7.2  Grundlagen und Fallbeispiele 7.2.1  Nutzen der Intermediation

Die ökonomischen Transaktionen auf Märkten werden häufig durch Intermediäre (Mittler) geprägt. Sie haben die Funktion, Transaktionen zwischen Wirtschaftsakteuren möglichst zweckmäßig zu gestalten und Transaktionskosten in den einzelnen Phasen zu reduzieren (. Abb. 7.2): 5 Das Zusammenführen von Angebot und Nachfrage an einem zentralen Punkt erhöht die Markttransparenz. 5 Die Bereitstellung vertrauensschaffender Instanzen verhindert ein opportunistisches Verhalten der beiden Marktseiten. 5 Die Verfügbarkeit von Informationen z. B. über Preise und Güterbeschaffenheit senkt die Suchkosten.

. Abb. 7.2  Funktionen von Intermediären in Transaktionsphasen

7

156

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

Intermediäre reduzieren die Transaktionskosten, indem sie die Kontakte zwischen Anbietern (B) und Konsumenten (C) bündeln und reduzieren (vgl. Baligh und Richartz 1964; Baligh-Richartz-Effekt). Die Kontaktkosten des Gesamtmarktes betragen bei einer unterstellten Gleichverteilung von Akteuren auf der Angebots- und Nachfrageseite eines Marktes:

Ohne Intermediation: C · B

(7.1)

Mit Intermediation: C + B

(7.2)

Damit führt die Einschaltung von Intermediären bereits dann zu einer Reduzierung der Kontaktkosten, wenn auf einer Marktseite mehr als zwei Akteure vorhanden sind, z. B. bei 3 Nachfragern und 2 Anbietern:

3·2>3+2

7

(7.3)

Intermediäre schöpfen die Ersparnis an Kontaktkosten des Gesamtmarktes ab (. Abb. 7.3). Die maximal sinnvolle Zahl an Intermediären (I) ist erreicht, wenn die Kontaktkostenersparnis aufgezehrt ist. Verbleibt diese Ersparnis allein bei den Intermediären ist diese Zahl erreicht bei:

I = C · B/(C + B).

(7.4)

Diese Sicht wird differenzierter, wenn zusätzliche Intermediäre in den Markt eintreten und/oder weitere Intermediationsstufen entstehen. Dadurch verändern sich die Kontaktkosten des Marktes und auch die Aufteilung der Ersparnis an Kontaktkosten. Eine Erweiterung lässt sich mit Blick auf netzwerkbasierte Märkte wie Auktionssysteme oder Tauschbörsen vornehmen (vgl. von Walter 2007, S. 73). Hier handelt es

. Abb. 7.3  Nutzen der Intermediation auf Märkten

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

157

. Abb. 7.4  Nutzen der Intermediation bei Peer-to-Peer-Verbindungen

sich um Peer-to-Peer (P2P)-Verbindungen, die eine Kommunikation unter Gleichen (Peers) in einem Netzwerk bezeichnen (. Abb. 7.4). Die Existenz von Peers, die als Anbieter und Nachfrager auftreten, und der dadurch mögliche bidirektionale Austausch führen zu Senkung der Kontaktkosten durch Intermediäre:

Ohne Intermediation : P · (P − 1)

(7.5)

Mit Intermediation : 2 · P

(7.6)

Die Ersparnis an Kontaktkosten beläuft sich auf:

P · (P − 1) − 2 · P = P · (P − 3)

(7.7)

Ungeachtet dieser Vorteilhaftigkeit der Intermediation auf P2P-Märkten sind auch Konstellationen ohne Intermediäre zu beobachten, die zu einer sich selbst organisierenden dezentralen Wirtschaft führen. 7.2.2  Ausgestaltung der Intermediation

Die Intermediation kann 1) bestehende Beziehungen umwandeln oder 2) verbessern sowie 3) neue Beziehungsmuster erschließen. Diese Betrachtung soll im Weiteren präzisiert werden. Dazu nehmen wir einen Vergleich von digitalen und realen Märkten unter dem Gesichtspunkt der Transaktionskosten vor. Transaktionskosten umfassen sowohl Kosten vor als auch nach einer Transaktion (vgl. Clement und Schreiber 2013, S. 206 ff.). Diese lassen sich einzelnen Phasen der Transaktion zuordnen (. Abb. 7.5):

7

158

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

7

. Abb. 7.5  Transaktionskosten und Transaktionsphasen

5 Informationsphase: Anbieter und Nachfrager tauschen Informationen über Produktspezifikationen, Preise und Konditionen aus. Transaktionskosten resultieren aus der Informationsbeschaffung (z. B. über Transaktionspartner) oder der Anbahnung (z. B. Kontaktaufnahme). 5 Vereinbarungsphase: In dieser Phase handeln Nachfrager und Anbieter einen Vertrag aus. Dabei fallen Transaktionskosten für den Verhandlungsaufwand und die Vertragsgestaltung an. 5 Abwicklungsphase: In dieser Phase fallen Kosten der Kontrolle des Vertrages (z. B. Einhaltung von Termin-, Qualitäts-, Mengen-, Preisabsprachen, Abnahme der Lieferung) an. 5 After-Sales-Phase: In dieser Phase resultieren ex-post Kosten z. B. aus Umtausch oder Reklamation. Folgende Hypothesen lassen sich formulieren: z H1: Der Einsatz von IKT-Technologien führt direkt zu einer Senkung von Transaktionskosten, vor allem wenn mehrere Phasen einer Transaktion unterstützt werden

Allein aus der Fülle an Informationen und ihrer Verarbeitung resultieren Transaktionskosten. IKT-Technologien können diese Kosten senken (. Abb. 7.6): 5 Suchkosten sinken, weil potenzielle Transaktionspartner durch Datenbanken gefunden werden. 5 Transportkosten reduzieren sich für digitale Güter durch den Download beinahe vollständig.

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

159

. Abb. 7.6  Transaktionskosten und IKT

5 Anbahnungskosten verringern sich, wenn physische Begegnungen vor Ort durch den Austausch von elektronischen Nachrichten ersetzt werden. 5 Abwicklungskosten sinken, wenn z. B. eine elektronische Vernetzung zwischen Lieferanten und Abnehmern vorliegt und Lagerhaltungssysteme automatisch den Eingang von Lieferungen verfolgen. z H2: Die Transaktionskosten sinken

5 5 5 5

für informationsbasierte Produkte und Dienstleistungen, bei Vorliegen gut funktionierender Such- und Orientierungsdienste, wenn sich Ex-ante Transaktionskosten kontrollieren lassen und wenn bei Kontakten zwischen Käufern und Verkäufern keine Informationsasymmetrien bestehen.

Marktteilnehmer benötigen Informationen über die gehandelten Güter und die Marktkonditionen. Dabei entstehen Transaktionskosten z. B. in Form von Such- und Evaluationskosten. Diese Kosten sinken auf digitalen Märkten für informationsbasierte Güter, bei Existenz gut funktionierender Suchdienste (z. B. für Musik, Bücher) oder wenn keine Informationsasymmetrien zwischen den Marktteilnehmer bestehen. z H3: Transaktionskosten erhöhen sich bei fehlendem Vertrauen oder bei Unsicherheiten im Umgang mit Daten

Für Vertrauensgüter, bei denen bestimmte Produkt- oder Leistungseigenschaften nur durch überdurchschnittlichen Suchaufwand oder überhaupt nicht zu ermitteln sind, muss Reputation aufgebaut werden. Das Entstehen von Reputation ist aber eher außerhalb des Internets zu erwarten. Daher sind bei bestimmten Gütern geringere Ersparnisse an Transaktionskosten zu erwarten. Eine Quelle zusätzlicher Transaktionskosten ist auch die Anonymität des Mediums. Unsicherheiten über die Speicherung und die

7

160

7

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

missbräuchliche Weitergabe von Daten des Nutzungsverhaltens erhöhen die Transaktionskosten. Zwar lassen sich Informationsdefizite z. B. durch Regelungen oder Vereinbarungen reduzieren, doch auch solche Maßnahmen verursachen Transaktionskosten. Insgesamt ist die Aufstellung einer Gesamtbilanz hinsichtlich der Transaktionskosten auf digitalen Märkten allein deshalb schwierig, da sich Transaktionskosten nur schwer messen lassen. Auch hängt diese Bilanz stark von der Art der gehandelten Güter und dem Vorliegen von Informationsasymmetrien ab (. Abb. 7.7). Von Bedeutung sind auch die Internet-Affinität des Nutzers, seine Risikobereitschaft und die Erfahrung, die er z. B. im Umgang mit Informations-Intermediären hat. Zu diskutieren ist, wie sich die Transaktionskosten verändern, wenn die Rolle von Nutzern (User) und Produzenten (Producer) bei der Erstellung von Inhalten verschwimmen. Zu beobachten ist, dass Nutzer u. a. Preise und Leistungsdaten von Gütern auf Plattformen sammeln und ihre Erfahrungen mit Dienstleistern über Portale zur Verfügung stellen. Viele Menschen vertrauen Aussagen von Bekannten oder Kundenwertungen auf Webportalen mehr, als herkömmlichen Formaten der Werbung durch Unternehmen. Auch Einrichtungen, die ihre Daseinsberechtigung aus der Senkung der Informationskosten für Verbraucher ziehen, müssen ihren Mehrwert hinterfragen (vgl. Ullrich 2009). z Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern

Zu klären ist, ob die Beziehung zwischen Anbietern und Nachfrager direkt oder mit Hilfe von Intermediären (Mittlern) ausgestaltet werden soll (. Abb. 7.8). Ein Intermediär ist nur sinnvoll, wenn die Transaktionskosten beim direkten Kontakt zwischen

. Abb. 7.7  Entwicklung von Transaktionskosten auf digitalen Märkten

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

161

. Abb. 7.8  Ausgestaltung von Transaktionsbeziehungen auf Märkten

Angebot und Nachfrage (T1) höher ausfallen als die kumulierten Transaktionskosten zwischen Angebot und Intermediär (T2), zwischen Nachfrager und Intermediär (T3) und der Handelsspanne (H) des Intermediärs. Diese Koordinationsaufgabe wird durch IKT in unterschiedlicher Weise beeinflusst. Es lassen sich vier Fälle von Transaktionsbeziehungen bilden (. Abb. 7.9; vgl. Sarkar et al. 1995):

. Abb. 7.9  Szenarien zu Transaktionsbeziehungen auf Märkten

7

162

7

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

5 Keine Intermediation (Fall 1): Sind die Beziehungen Anbietern und Nachfragern durch vollkommene, gleichverteilte und symmetrische Informationen gekennzeichnet, ist die Einschaltung von Intermediären nicht erforderlich. 5 Disintermediation (Fall 2): Digitale Intermediäre machen zuvor von realen Intermediären wahrgenommene Aktivitäten überflüssig Beispiele sind der Direkthandel von beispielsweise Soft- und Hardware, Musik, Büchern und Spielen, wobei die Produkte weder in Dritt-Portalen noch auf herkömmlichen Wege gehandelt werden. 5 Online-Intermediation (Fall 3): Digitale Intermediäre treten in bestehende Wertschöpfungsketten ein. So können Sie z. B. nach wie vor einen Gebrauchtwagen direkt beim Anbieter bzw. Händler erwerben. Suchmaschinen oder Preisvergleichsportale bieten jedoch häufig einen Mehrwert. Auch reale Händler können auf diese neuen Formen der digitalen Intermediation zurückgreifen und zur Ausweitung ihrer eigenen Handelsbeziehungen nutzen (Reintermediation). 5 Online-Handel (Fall 4): Digitale Intermediäre bieten ein zu realen Intermediären vergleichbares Leistungsangebot an (z. B. Online-Shops; On-line-Makler). Es kommt zu einer Transintermediation, in der digitale und reale Intermediäre konkurrieren. 7.2.2.1  Direkte Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager 7.2.2.1.1 Keine Intermediation

Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager führt dann zu effizienten Ergebnissen, wenn die Märkte hinreichend transparent sind. Dazu müssen vollkommene Informationen vorliegen und es dürfen keine Informationsasymmetrien bestehen (. Abb. 7.10). Nachfolgend werden die oben genannten Rahmenbedingungen der Markttransparenz und der Informationssymmetrie diskutiert, bei denen eine Intermediation entbehrlich ist. z Rahmenbedingung 1: Markttransparenz und vollkommene Information

Studien zeigen, dass ein Großteil von Konsumenten bei der Vorbereitung einer Kaufentscheidung auf die Informationsquelle Internet zurückgreift (. Tab. 7.1). Häufig findet sich

. Abb. 7.10  Direkte Beziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

163

. Tab. 7.1  Markttransparenz und zugängliche Informationen im Internet Informationsmerkmal

Beschreibung

Quelle

Anbieterbezogene Informationsquellen (z. B. Herstellerseiten), neutrale Informationsquellen (Erfahrungsberichte von Nutzern, Testberichte)

Zugänglichkeit

Jederzeit von einem beliebigen Ort, falls Zugriff möglich (Tablet, PC, Smartphone)

Umfang

Sehr umfangreich; simultane Nutzung mehrerer Quellen möglich; Selektion unumgänglich, um nicht überfordert zu werden

Kosten

Überwiegend kostenlos; teilweise eher geringe Gebühren (z. B. redaktionelle Beiträge, Testberichte)

Qualität

Abhängig von der Quelle; Missbrauch und fehlerhafte Informationen nicht auszuschließen; Vielzahl an unterschiedlichen Quellen führt jedoch tendenziell zu einer Selektion zugunsten höherer Transparenz

die These, dass digitale Märkte aufgrund der verfügbaren IKT transparenter geworden seien. Hier sind zwei Sachverhalte zu unterscheiden: 5 Wird die These mit Anwendungen wie z. B. Suchmaschinen oder Preisvergleichsportalen verknüpft, ist zu berücksichtigen, dass diese Anwendungen selbst die Funktion von Intermediären erfüllen. Darauf werden wir in 7 Kap. 5 zu sprechen kommen. 5 Auf digitalen Märkten ist nicht zwangsläufig von einer größeren Transparenz auszugehen. Im Gegenteil: Die Markttransparenz bezeichnet eine Situation, in der Angebot und Nachfrage für die Akteure überschaubar sind und in der sie über alle zur Transaktion notwendigen Informationen verfügen. „Alle“ meint zwar in der Regel die wichtigen Informationen. Auch diese sind aber angesichts der Fülle von Informationen, die das Internet zur Verfügung stellt, ohne Hilfen nur schwer zu selektieren. Nachfolgend soll geklärt werden, wie sich der Wert einer vollkommenen Information ermitteln lässt und welche Folgen sich ergeben, wenn gute nicht von schlechten Qualitäten zu unterscheiden sind. Der Wert der vollkommenen Information lässt sich durch eine apriori-Analyse bestimmen. Dabei werden Handlungsalternativen betrachtet und Wahrscheinlichkeiten für unterschiedliche Umweltzustände berücksichtigt. Betrachten wir als Beispiel ein Unternehmen, das eine Digitalkamera in den Markt einführen will (. Tab. 7.2). Es kann den erzielbaren Marktanteil mit Wahrscheinlichkeiten beziffern (vgl. Berekoven et al. 2009, S. 27 ff.). Bei einer Produkteinführung und einem erzielbaren Marktanteil von 15 % würde das Unternehmen einen Verlust von 50.000 € erzielen, bei 30 % bzw. 45 % Marktanteil einen Gewinn von 100.000 € bzw. 250.000 €. Im vorliegenden Fall sollte das Produkt eingeführt werden, da der Erwartungswert des Gewinns mit 55.000 € oberhalb des Wertes bei Nicht-Einführung liegt:

50.0000 · 0,5 + 100.000 · 0,3 + 250.000 · 0,2 = 55.000 C

(7.8)

Die präposterior-Analyse stellt die Frage, ob zusätzliche Informationen eingeholt werden sollen oder ob es günstiger ist, die Entscheidung auf Basis des vorliegenden Informationsstandes zu fällen. Die Obergrenze der Kosten für die Beschaffung von

7

164

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

. Tab. 7.2  Pay-Off-Tabelle für den Wert von Informationen Handlungsalternative

Marktanteil 15 %

30 %

45 %

0,5

0,3

0,2

Einführung

−50.000

100.000

250.000

+55.000

Nicht-Einführung

0

0

0

0

Wahrscheinlichkeit

7

Informationen wird durch den Erwartungswert der vollkommenen Information gebildet. Hat der Anbieter vollkommene Informationen (Sicherheit), wird er die günstigste Alternative wählen. Wenn er sicher weiß, dass er nur einen Marktanteil von 15 % erreicht, wird er das Produkt nicht einführen. Bei einem sicheren Wissen um einen Marktanteil von 30 % bzw. 45 % wird er das Produkt hingegen auf den Markt bringen. Im Zustand vollkommener Information ergibt sich ein Erwartungswert von 80.000 €:

0 · 0,5 + 100.000 · 0,3 + 250.000 · 0,2 = 80.000 C

(7.9)

Der Erwartungswert vollkommener Information (EVI) beträgt:

EVI = 80.000 C − 55.000 C = 25.000 C

(7.10)

Für die Information sollte der Anbieter also maximal einen Betrag von 25.000 € ausgeben. In der Realität wird dieser Zustand nicht erreicht. Dies gilt auch auf digitalen Märkten. Der Nachweis eins Zuviels oder Zuwenig an Informationen lässt sich nicht herleiten. z Rahmenbedingung 2: Symmetrische Informationsverteilung

Für das Erreichen einer effizienten Allokation auf Wettbewerbsmärkten ist es notwendig, dass jeder Marktteilnehmer dieselben Informationen hat. Dieser Sachverhalt gilt auf realen und digitalen Märkten gleichermaßen. a) Situation bei gegebenen Qualitäten

Grundlegend für die Arbeiten zum Thema asymmetrische Informationsverteilung sind die Analysen von Akerlof (vgl. Akerlof 1970). Eine Folge bestehender Informationsasymmetrien ist, dass gute Qualität durch schlechte Qualität verdrängt werden kann. Betrachten wir als Beispiel den Markt für kompakte Digitalkameras, deren Qualität für risikoneutrale Käufer nicht beobachtbar ist. Konsumenten (C) und Verkäufer (B) haben eine unterschiedliche Wertschätzung (Z) für Digitalkameras einer bestimmten Qualität (. Tab. 7.3). Können die Käufer die Qualitäten nicht erkennen, sind sie nur bereit, einen Durchschnittspreis zu zahlen, der dem Erwartungswert entspricht. Dieser beträgt:  1/5 Z(C) = 300 C (7.11)

165

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 7.3  Zahlungsbereitschaft für Güter Kamera der Qualität

Z(C) in €

Z(B) in €

1

500

400

2

400

300

3

300

200

4

200

160

5

100

80

Zu diesem Preis wird der Verkäufer von Kameras der Qualität 1 sein Angebot zurückziehen. Anschließend sind die Käufer nur noch bereit zu zahlen:  1/4 Z(C) = 250 C (7.12) In diesem Fall wird sich auch der Verkäufer von Kameras der Qualität 2 zurückziehen. Der Prozess setzt sich fort. Es kommt zur unerwünschten Auslese (adverse selection) der Angebote. Die guten Kameras selektieren sich schrittweise aus dem Markt heraus. Letztendlich wird der Markt zerbrechen, wenn keine Vorkehrungen zur Unterscheidung von Qualitäten getroffen werden. b) Situation bei wählbaren Qualitäten

Bisher haben wir unterstellt, dass die Qualität gegeben ist. Wir wollen nun die Situation betrachten, in der sich die Anbieter entscheiden können, welche Qualität sie herstellen (in Anlehnung an Varian 2011, S. 805 ff.). Auf dem Markt für digitale Kompaktkameras bieten einige Anbieter hohe und einige niedrige Qualität an. Die Entscheidung für das Qualitätsniveau ist zunächst keine strategische Entscheidung, sondern das Ergebnis unterschiedlicher Produktionsprozesse. Qualitativ höherwertige Kameras werden von Konsumenten mit 140 € und Kameras minderer Qualität mit 80 € bewertet. Die Erfahrungseigenschaften dominieren, da sich die Qualität der Kameras erst im Gebrauch herausstellt. Die Herstellung der Kameras erfolgt im Wettbewerb und kostet 115 €. Wenn die Nachfrager die Qualität der Kameras nicht einschätzen können, werden sie die Produkte nach der durchschnittlich verkauften Qualität beurteilen. Wenn x der Anteil an qualitativ höherwertigen Kameras im Markt ist, ergibt sich folgende Zahlungsbereitschaft:

p = 140 x + 80 (1 − x)

(7.13)

z Szenario 1: Hochwertige Qualitäten

Gibt es nur hochwertige Qualitäten, beträgt x = 1. Die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten ergibt sich als:

p = 140 · 1 + 80 (1 − 1) = 140

(7.14)

Aufgrund des Wettbewerbs würden die Kameras gemäß der Preis-Grenzkosten-Regel zu 115 € angeboten. Die Käufer erzielen eine Konsumentenrente von 25 €:

7

166

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

(7.15)

140 C − 115 C = 25 C z Szenario 2: Minderwertige Qualitäten

In diesem Fall ist x = 0. Die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten beträgt: (7.16)

p = 140 · 0 + 80 (1 − 0) = 80 Da die Produktionskosten bei 115 € liegen, kommt kein Angebot zustande. z Szenario 3: Hoch- und minderwertige Qualitäten

Wenn die Nachfrager mindestens 115 € zahlen sollen, gilt:

7

140 · x + 80 (1 − x) = 115

(7.17)

60 · x = 35

(7.18)

x = 7/12

(7.19)

Bei einem Mindestanteil von 7/12 an höherwertigen Kameras, wären die Nachfrager also bereit, 115 € zu zahlen. Wir können folgende Marktsituationen unterscheiden: a) Es werden keine Kameras hergestellt, wenn x  7/12. Die Konsumentenrente ist abhängig vom Anteil der guten Qualitäten. Gibt es nur gute Kameras (x = 1), erhalten wir das Marktgleichgewicht wie unter vollständiger Information (. Abb. 7.11). Ausgehend vom Preis von 115 € und einer Menge von 7/12 steigt die Konsumentenrente bis zu einem maximalen Wert von 25 €. In der Regel haben die Anbieter die Möglichkeit, sich für hohe oder niedrige Qualität zu entscheiden. Diese Situation ist auf digitalen Märkten nicht anders als auf

Preis p = 140 x + 80 (1 – x) 140 € Konsumentenrente 115 €

7/12

1

Anteil hoher Qualität

. Abb. 7.11  Preise und Güterqualität bei asymmetrischen Informationen

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

167

. Abb. 7.12  Markttransparenz auf digitalen Märkten

realen Märkten. Auch hier finden wir Situationen, in denen die Markttransparenz durch unvollkommene oder falsche Informationen beeinträchtigt wird (. Abb. 7.12; vgl. Gräfe 2004; Rese und Gräfe 2002): 5 Für Unternehmen mit einem schlechteren Leistungsangebot besteht ein Anreiz zur Gabe falscher Informationen. Ausgehend von einer Situation, in der Unternehmen richtig informieren und unterlegene Unternehmen keine Kunden erhalten, können diese ihre Situation durch falsche Informationen verbessern. 5 Für die Verhaltensweise überlegener Unternehmen gibt es keine allgemeingültige These. Bei hoher Entdeckungswahrscheinlichkeit für falsche Informationen ist die Strategie, richtige Informationen zu geben, sinnvoll. Bei geringer Entdeckungswahrscheinlichkeit für Falschinformationen muss es hingegen nicht gelingen, die Kunden selbst mit richtigen Informationen von der Vorteilhaftigkeit des eigenen Angebots zu überzeugen. 5 Die Annahme des Vertrauensverlusts der Nachfrager bei erkannter Fehlinformation kann zur Selbstheilung des Marktes beitragen, wenn sich das Marktvolumen verkleinert und die Teilnehmer den Markt verlassen. Überlegene Unternehmen sind stärker als unterlegene Unternehmen davon betroffen, wenn Kunden das Informationsmedium Internet verlassen. Unterlegene Unternehmen würden auch bei richtiger Information keine Kunden bekommen und profitieren daher von der Marktintransparenz. Menschen sind immer schon mit einem Überfluss an Informationen konfrontiert worden. Einen nur durch das Internet erzeugten Information Overload gibt es eigentlich nicht. Allerdings gibt es ein Versagen der Filter. Menschen haben nach wie vor im direkten Kontakt nur begrenzte Mittel, alle zur Entscheidung notwendigen Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. In der Konsequenz besteht auch im digitalen Zeitalter eine Informationsüberlastung, die ohne Intermediäre nicht verarbeitet werden kann. Gerade Online-Intermediären fällt hier eine Schlüsselrolle zu. Sie erleichtern es, mit den Daten umzugehen, Informationen zu finden, zu speichern und zu organisieren sowie in nutzbares Wissen umzuwandeln. Beispielhaft sei auf den Umgang mit Finanzinformationen verwiesen. Die Aufgabe eines Finanzmarktakteurs besteht nicht darin, so viele Informationen wie möglich zu sammeln, sondern das auszuwählen, was wichtig ist und Sinn aus dieser Auswahl zu machen. Je mehr Informationen gleichzeitig zur Verfügung stehen, desto größer ist der Vorteil für diejenigen mit überlegenen Auswertungsmethoden (vgl. Beunza und Stark 2004).

7

168

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

. Tab. 7.4  Vor- und Nachteile der Anonymität auf digitalen Märkten Vorteile von Anonymität

Nachteile von Anonymität

Produkt-Geld-Ebene

–K  onsument: Schutz der Privatsphäre –U  nternehmen: Schutz der Informationen vor Wettbewerbern

– Keine personalisierten Produkte möglich – Keine Rückschlüsse auf Qualität des Anbieters oder Bonität des Nachfragers möglich

Meinungs- und Bewertungs-Ebene

–W  ahrheitsgemäße Angabe, da keine Konsequenzen möglich

– Falsche Angabe, da keine Konsequenzen möglich – Eigenbewertung durch Anbieter oder Nachfrager

z Anonymität im Internet

7

Die anonyme Nutzung von internetbasierten Anwendungen ist seit jeher ein kontroverses Thema, da es sowohl auf der Ebene des Kaufs als auch der Meinungsebene Vorund Nachteile gibt (vgl. Spann und Zuber 2003; . Tab. 7.4). Das Internet ist durch unterschiedlich weitgehende Formen der Anonymität gekennzeichnet. Der Privatsphäre-Modus von Internetbrowsern oder Verschleierungsmöglichkeiten der Rechner-IP sollen ein anonymes Verhalten ermöglichen. Pseudonyme (z. B. Buchstaben, Zahlen, nicknames) schützen den persönlichen Bereich des Nutzers. Die Anonymität ist aber insofern eingeschränkt, dass z. B. bei jeder Kommunikation eine IP-Adresse übertragen wird. Auch gibt es eine Reihe von technischen Maßnahmen, mit denen gezielt Informationen über Nutzer und ihr Verhalten gesammelt werden. Ausgehend von der zumindest potenziellen Anonymität auf digitalen Märkten stehen nachfolgend drei Aspekte im Vordergrund: 1. Unsicherheiten und Risiken von Transaktionen, 2. damit verbundene Informationsasymmetrien und 3. mögliche Maßnahmen zur Reduktion der Informationsasymmetrien. 1. Unsicherheiten und Risiken von Transaktionen

Digitale Märkte eröffnen Nachfragern einen leichteren und günstigeren Zugang zu Unternehmens- und Produktinformationen. Es gibt jedoch Faktoren, die im Vergleich zu realen Märkten zu Unsicherheiten führen: 5 Auf digitalen Märkten ist es für Unternehmen mit besserer Produktqualität schwerer, sich von Unternehmen mit minderer Produktqualität unterscheidbar zu machen. Alle Anbieter haben die Möglichkeit, sich mit relativ geringen Kosten zu präsentieren. 5 Auf realen Märkten prägen Äußerlichkeiten (z. B. Gebäude, Lage) das Bild eines Unternehmens beim Kunden und reduzieren Unsicherheiten. Auf digitalen Märkten sind diese Merkmale nur bedingt zu vermitteln, vor allem wenn es sich um anonyme Vertragspartner handelt, deren Seriosität und die Kompetenz nicht einzuschätzen ist. Auf digitalen Märkten ist aufgrund dieser Ausgangssituation eine Vielzahl von Vertrauensebenen angesprochen (. Tab. 7.5). Diese beziehen sich z. B. auf die Ausgestaltung der Informationsbeziehung, die Datensammlung, die Kommunikation oder auf die IKT-Technologien selbst. Auf jeder dieser Ebene sind Nutzer mit Risiken des Vertrauensmissbrauchs konfrontiert. Online-Unternehmen haben aufgrund

169

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 7.5  Vertrauen und Online-Risiken (vgl. Dzyek 2005, S. 80) Vertrauensebene

Beispiele

Risiko (Beispiele)

Informationen

Webseite, Blog, E-Mail, Newsgroup

Enttäuschung, Täuschung, Risiko

Datensammlung

Anmeldungen, Log-In

Weitergabe von Daten, Spam

Finanztransaktionen

Online-Banking, Online-Handel

Finanzieller Verlust, Täuschung

Kommunikation

Chat, E-Mail, Newsgroup

Einflussnahme, Enttäuschung, Belästigung

Technologie

Datensicherheit, Datenschutz

Viren, Trojaner, Verlust an Daten

mangelnder Face-to-Face Kontakte den Nachteil, dass sie im Vergleich zu traditionellen Intermediären unmittelbar kein Vertrauen (z. B. durch persönliche Kontakte) aufbauen können. Vertrauen ist jedoch ein wichtiger Mechanismus zur Reduzierung von Transaktionskosten und eine Voraussetzung, um Verträge abzuschließen und Produkte an Kunden verkaufen zu können. 2. Informationsasymmetrien

Auf realen Märkten ist vorwiegend die unterschiedliche Verfügbarkeit von Information für Asymmetrien verantwortlich. Auf digitalen Märkten resultieren Asymmetrien aus den verschiedenen Möglichkeiten und Fähigkeiten, die relevanten Informationen zu auszuwählen und zu verarbeiten. Die enorme Menge und Vielfalt an Daten und Informationen (Big Data) verschärfen diese Asymmetrien. Im Gegensatz zu den technischen Möglichkeiten, Information herzustellen, zu speichern oder auszutauschen, ist die Fähigkeit des Menschen, diese Information zu verarbeiten, nicht im gleichen Umfang gewachsen (vgl. Thielmann 2013). Auch die digitale Welt ist daher durch Informationsasymmetrien geprägt (. Abb. 7.13). 5 Zwischen Verkäufer und Käufer (z. B., wenn der Verkäufer durch Cookies Datenspuren des Kunden verfolgen und die Kommunikation der Kunden verfolgen kann).

. Abb. 7.13  Informationsasymmetrien auf digitalen Märkten

7

170

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

5 Zwischen Käufer und Verkäufer (z. B., wenn der Verkäufer den Kunden bei digitalen Bestellungen nicht eindeutig identifizieren kann). 5 Zwischen Nutzern und Software (z. B., wenn Nutzer zwar leichter Zugang zu relevanten Informationen erhalten, aber z. B. ein Ranking von Unternehmen in Suchmaschinen nicht nachvollziehen können). 5 Zwischen Nutzern (z. B. im Fall der Anonymisierung von Personen in Chats).

7

Die Folgen einer asymmetrischen Informationsverteilung lassen sich durch die Principal-Agent-Theorie analysieren (. Abb. 7.14; vgl. Clement 2012, S. 128 ff.). Der Prinzipal beschreibt in der Regel die schlechter informierte Marktseite und den Auftraggeber. Der Agent kennzeichnet die besser informierte Marktseite und den Auftragnehmer. Der Prinzipal ist auf die Kooperation mit dem Agenten angewiesen. Der Agent besitzt Wissen, über das der Prinzipal nicht verfügt oder das er nur mit hohem Zeit- und Kostenaufwand erwerben kann. Sofern beide nicht die gleichen Interessen verfolgen, kann die besser informierte Marktseite vorhandene Handlungsspielräume für eigene Ziele einsetzen. Die Agenten sind dann vom Eigeninteresse geleitet. Sie müssen geführt und überwacht werden, damit sie die Interessen des Auftraggebers und nicht ihre eigenen Ziele verfolgen (vgl. Kiener 2013, S. 7 ff.). Auf digitalen Märkten ist der Prinzipal der Kunde. Er kann das Handeln des Anbieters (Agenten) nicht beobachten. Der Anbieter verfügt über einen Handlungsspielraum, den er zulasten des Kunden ausnutzen kann. z Vor Vertragsschluss und Kauf

Der Agent hat Eigenschaften, die nicht den Erwartungen des Prinzipals entsprechen und die dieser vor Beginn der Kooperation nicht erkennt (hidden characteristics). Folge ist eine Qualitätsunsicherheit, die zur Wahl eines unerwünschten Vertragspartners (adverse selection) führt. Beispielsweise weist ein Online-Shop auf Erfahrungen und Qualifikationen hin, die er nicht besitzt. z Nach Vertragsschluss und Kauf

a) Der Agent beabsichtigt, die Zusammenarbeit zu seinen Gunsten und zum Nachteil des Partners auszunutzen (hidden intention). Folge ist eine Ausbeutung (hold up), die sich z. B. in der Ausnutzung von Vertragslücken zeigt.

. Abb. 7.14  Qualitäts- und Verhaltensunsicherheit auf Märkten

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

171

b) Nachträgliche Informationsasymmetrien entstehen dann, wenn der Prinzipal die Anstrengungen des Agenten (hidden action) nicht beobachten oder nicht beurteilen kann (moral hazard). Folge dieser Verhaltensunsicherheit ist z. B. die Nicht-Einhaltung von Zusagen. Ausmaß und Ausprägungen von Informationsasymmetrien sind u. a. abhängig von der betrachteten Transaktionsphase (Informations-, Verhandlungs-, Abwicklungsphase) sowie der Art der gehandelten Güter (Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgüter). 3. Maßnahmen zur Verringerung von Informationsasymmetrien

Anbietern und Nachfragern stehen Maßnahmen zur Verfügung, die zum Abbau von Informationsasymmetrien beitragen können (. Abb. 7.15). z Signaling

Signaling bezeichnet die Übertragung von Informationen, die Vertrauenswürdigkeit versprechen und Unsicherheiten beseitigen. So können Nachfrager dem Anbieter Signale in Form der Bekanntgabe der Zahlungsbereitschaft oder eines Kundenprofils übermitteln. Weitaus häufiger ist das Signaling auf der Angebotsseite anzutreffen. Einige Beispiele: 5 Angabe von Referenzkunden. 5 Informationen, die dem Kunden anzeigen, wo sich das bestellte Gut in der Herstellung oder auf dem Weg zu ihm gerade befindet (Online-Tracking). 5 Freiwillige Selbstbindung des Anbieters an eine Leistung (z. B. Garantieversprechen über die Qualität des Produktes, fristgerechte Lieferung, Versicherungen zur Betrugsprävention). 5 Zusatzinformationen, die vertrauensbildend wirken (z. B. können Finanzinstitute die Besucher ihrer Website regelmäßig mit Informationen über unsichere Anlageformen oder ungünstige Kursentwicklungen versorgen). 5 Demo- und Vorabversionen (z. B. von Software), die Kunden von der Qualität eines Gutes und von der Qualität des Anbieters überzeugen sollen.

. Abb. 7.15  Signaling und Screening auf digitalen Märkten

7

172

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

z Screening

Screening bezeichnet die Informationsbeschaffung durch die schlechter informierte Marktseite. Beispiele: 5 Kunden können sich auf Zertifikate oder die Beurteilung durch Dritte stützen, die eine Beurteilung des Anbieters ermöglichen. Verschiedene Institutionen vergeben dazu Gütesiegel an Online-Shops. 5 Social-Media-Technologien und soziale Netzwerke ermöglichen die Einbeziehung von Nutzern in den Bewertungsprozess von Anbietern. In der digitalen Welt stehen für diesen Informationsaustausch Foren, Chatrooms oder virtuelle Communities zur Verfügung, in denen Kunden gemeinsam ein Screening durchführen.

7

Insgesamt lassen sich Informationsasymmetrien durchaus reduzieren. Das Internet ist jedoch aufgrund der nicht überschaubaren Menge und Vielfalt an Informationen nicht zwangsläufig ein Raum, der ihre Gleichverteilung zwischen Anbietern und Nachfragern begünstigt. Oft sind es gerade Intermediäre, die zu einer Verringerung von Informationsasymmetrien beitragen können. Vor allem für Online-Intermediäre (z. B. Suchmaschinen, Preisvergleichsportale, Reputationssysteme) eröffnet sich ein weites Betätigungsfeld (vgl. Klein et al. 2013). 7.2.2.1.2 Disintermediation

Digitale Märkte erscheinen für traditionelle Intermediäre häufig als Bedrohung. Je größer die Transparenz über vorhandene Produkte und Leistungen ist, desto weniger ist der Kunde bereit, den Handel in Anspruch zu nehmen und ihn durch Handelsmargen zu bezahlen. Auf digitalen Märkten kann sich der Kunde selbst zeit- und ortsunabhängig über Produkte und Konditionen eines oder mehrerer Hersteller informieren, sie direkt vergleichen und sich dann für ein bestimmtes Angebot entscheiden. Die durch Produktsuche und Produktvergleich entstehenden Kosten sind häufig geringer als auf realen Märkten. Dies gilt insbesondere für diejenigen Produkte, bei denen keine zusätzliche Beratung erforderlich ist oder die nicht vor Ort betrachtet und beurteilt werden müssen. In einigen Branchen besteht dann die Gefahr, dass Handelsstufen wegfallen. Diese Entwicklung wird als Disintermediation bezeichnet (. Abb. 7.16). In der Regel betrifft die Disintermediation Zwischenhändler, wenn der Hersteller seine Endabnehmer direkt erreichen kann. Der Handel über digitale Märkte führt dann aufgrund der Ersparnisse an Transaktionskosten zu einer Zunahme des Direktvertriebs vom Hersteller zum Endabnehmer. Hersteller haben die Möglichkeit, z. B. Groß- und Zwischenhändler auszuschalten. Die klassischen Aufgaben des Handels, wie die zeitliche (Lager), räumliche (Filiale), quantitative (bedarfsgerechte Mengen) und qualitative (z. B. breite Auswahl) Bereitstellung der Produkte werden unwichtiger. Fällt der Handel als Zwischenstufe weg, können die Preise niedriger ausfallen. Das gleichzeitige Auftreten von Disintermediation des Handels und von Preissenkungen erhöht den Wettbewerbsdruck innerhalb des Marktes bzw. der Branche. Maßgeblich für Betroffenheit einer Stufe der Wertkette sind u. a. das Volumen physischer Warenströme und die Vielfalt der Informationsflüsse, mit denen dieser Teilnehmer befasst ist (. Abb. 7.17). Für ein Unternehmen, das große Volumina und Warenströme abwickelt und gleichzeitig komplexe Informationen verarbeitet, ist die Gefahr der Disintermediation eher gering. Je spezialisierter die Leistungen eines Unternehmens innerhalb einer Wertkette sind, umso geringer ist die Gefahr, dass diese Leistungen von einem vor- oder nachgelagerten Partner in dieser Wertkette mit übernommen werden. Dennoch gibt

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

173

. Abb. 7.16  Online-Direktbeziehungen und Disintermediation

. Abb. 7.17  Disintermediations-Matrix (vgl. Watson et al. 2000)

es Beispiele, in denen sich Marktstrukturen durch den Einsatz von IKT grundsätzlich wandeln können. Beispiel ist der PC-Hersteller Dell (. Abb. 7.18). Das Geschäftsmodell von Dell weicht in zwei Punkten vom traditionellen Modell der PC-Industrie ab (vgl. Labbé und Mazet 2005): 5 Dell verkauft PCs nur direkt an Kunden und schließt Wiederverkäufer und Einzelhändler vom Kaufprozess aus. 5 Während beim klassischen Modell die Produktion nach Verkaufsprognosen erfolgt und eine Lagerhaltung von ca. 90 Tagen erfordert, produziert Dell erst nach Auftragseingang (Build-to-Order).

7

174

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

7

. Abb. 7.18  Disintermediation am Beispiel von Dell

Dells Veränderungen des Geschäftsmodells betreffen einerseits die Schnittstelle zum Kunden und die Koordination zwischen den Stufen der Wertschöpfung. Dell übernimmt für Kunden auch Aufgaben, die nicht zum klassischen Angebot von PC-Herstellern gehören. Dazu zählen z. B. die kundenspezifische Konfiguration von Software, die Inventarisierung der IT-Infrastruktur beim Kunden, der Betrieb von Computer-Hotlines und des technischen Supports oder die Einrichtung von Bestellmöglichkeiten im Intranet der Kunden. Durch die Disintermediation können also Handelsstufen überflüssig und Transaktionskosten gesenkt werden. Eine vollständige Substitution von Intermediären erscheint jedoch nicht für alle Unternehmen und Branchen gleichermaßen relevant. Am stärksten wirkt die Disintermediation, wenn physische durch digitale Güter ersetzt werden können (z. B. digitale Musik, E-Books). 7.2.2.2  Indirekte Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager

Das Szenario der Disintermediation kann zu dem Schluss führen, dass z. B. keine Banken, keine Buchhandlungen und keine Reisebüros mehr benötigt werden. Im Extrem könnte sich die Wertschöpfungskette auf den direkten Kontakt zwischen Hersteller und Konsumenten reduzieren (first order Effekt). Diese Sicht ist jedoch zu hinterfragen. Wir werden nachfolgend am Beispiel des B2C-Marktsegments verschiedene Möglichkeiten der digitalen Intermediation diskutieren, die einen Mehrwert gegenüber Prozessen auf realen Märkten erbringen können (. Abb. 7.19) 5 Online-Intermediation: Auf vielen Märkten gibt es eine Reintermediation. Vor allem die Vielfalt an Informationen führt zur Notwendigkeit der Einschaltung von

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

175

. Abb. 7.19  Struktur des Online-Kaufs

Intermediären (second order-Effekt). Beispielhaft werden Produktsuche und der Preisvergleich betrachtet. 5 Online-Handelsplätze: In den letzten Jahren lässt sich ein Wachstum von Online-Handelsplätzen gegenüber realen Handelsplätzen beobachten. Online-Handelsplätze müssen dabei die Nachteile, die sie gegenüber realen Handelsplätzen haben, kompensieren (z. B. keine fachliche Beratung). Vorteile entstehen z. B. aus personalisierten Produktempfehlungen oder durch die enorme Vielfalt an Produkten (Long Tail). Notwendig ist und bleibt aber im Online-Handel der Aufbau von Vertrauen und Reputation. 2018 wurden von den 523 Mrd. € Nettoumsatz des Einzelhandels bereits 10,2 % im Onlinehandel umgesetzt (53,6 Mrd. €). Die größten Umsatzzuwächse verzeichneten die Fashion & Accessoires-Branche sowie die Elektrobranche. Bei den Verbrauchern holen die älteren Konsumenten auf: Bei der Generation 60+ ließ sich ein Nachfragewachstum von 44 % beobachten. Bei Bild- und Tonträgern liegt der Onlineanteil sogar bei 72,6 % (vgl. Handelsverband Deutschland (HDE) 2018). Offline-Käufe werden jedoch auch signifikant von Online-Komponenten beeinflusst: 64 % der deutschen Verbraucher recherchieren online und kaufen dann offline (vgl. PwC 2015). Auch die finale Wahl der Kaufstätte variiert von Fall zu Fall, da die Konsumenten zwischen verschiedenen Kanälen wählen können (multioptionales Kaufverhalten). So informieren sich Kunden z. B. online über Produkteigenschaften, vergleichen Preise und lesen Empfehlungen anderer Kunden bevor sie ein Produkt offline kaufen. Zu diskutieren bleibt, ob dieser Mehrwert der digitalen Intermediation Märkte ein Stück weit vollkommener macht: 5 Die Produktsuche wird wesentlich vereinfacht. Preise sind schnell und unmittelbar zu vergleichen. Dies kann die Marktransparenz erhöhen. 5 Die Unterscheidbarkeit von Produkten wird durch Empfehlungssysteme erleichtert. Die große Produktvielfalt wird den verschiedenen Präferenzen der Konsumenten eher gerecht.

7

176

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

7.2.2.2.1 Online-Intermediation

7

In diesem Szenario tritt das Internet als neuer Intermediär in bestehenden Wertschöpfungsketten auf. So können Sie z. B. nach wie vor einen Gebrauchtwagen direkt beim Anbieter bzw. Händler erwerben. Allerdings verfügen diese traditionellen Intermediäre in der Regel nicht über eine umfassende Marktübersicht. Kunden verwenden z. B. Suchmaschinen oder Preisvergleichsportale, um sich über Gebrauchtwagen zu informieren. Diese Situation wird als Reintermediation bezeichnet. Auch traditionelle Händler können auf diese Formen der internetbasierten Intermediation zurückgreifen und zur Ausweitung ihrer Handelsbeziehungen nutzen (. Abb. 7.20). Mittler, die nur in der virtuellen Welt vorhanden sind, werden als Online- oder Cyberintermediäre bezeichnet (z. B. Suchmaschinen, Preisvergleichsportale). Die Rolle des Intermediärs besteht u. a. in folgenden Funktionen: 5 Koordination und Schaffung von Übersicht (Markttransparenz). 5 Wegweiser des Kunden zum Auffinden der für ihn richtigen Produkte. 5 Vertrauenswürdige Instanz, wenn die Qualität und Funktionsfähigkeit von Produkten durch den Kunden nicht im Vorfeld beurteilt werden kann. Durch diese Funktionen tragen Online-Intermediäre dazu bei, bestehende Informationsasymmetrien auf digitalen Märkten zu verringern (vgl. Klein et al. 2013). 1. Suchen und Finden von Gütern

Die digitale Welt verändert die Suche nach Preis- und Produktinformationen erheblich. Die dabei auftretenden Suchkosten sind die direkten oder indirekten Kosten eines Konsumenten, die mit dem Prozess der Informationsgewinnung verbunden sind. z Vorteile der Online-Suche

Die Online-Suche von Gütern weist folgende Vorteile auf: 5 Statt reale Kaufhäuser zu betreten, können Sie von zu Hause aus verschiedene Online-Shops besuchen. Sie können zu jeder Tageszeit einkaufen und sehen eine

. Abb. 7.20  Online-Intermediation und Reintermediation

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

177

große Zahl von Produkten, aus denen Sie wählen können. Dies ist bequem und spart Zeit. 5 Sie können auf Anbieter und (Nischen-)Produkte aufmerksam werden, die Sie in der realen Welt nicht in einen Vergleich einbezogen hätten. 5 Teilweise können Sie sich direkt an einen Hersteller wenden und sich über das Produkt informieren. Vielleicht können Sie das Produkt auch direkt dort bestellen, sodass sogar der Online-Handel überflüssig wird. 5 Sie haben die Möglichkeit, sich mit anderen Konsumenten über Produkterfahrungen auszutauschen. Auf Websites und Portalen können Sie Tests, Empfehlungen und Bewertungen zum gewünschten Produkt lesen. z Gestaltung der Suchprozesse

Zur Angebotsrecherche im Internet muss von Kunden eine immer größere Informationsflut analysiert werden. Nachfrager stoßen angesichts dieser Datenmenge rasch an ihre Grenzen und können nur selten sämtliche Informationen erfassen. Das Internet ist ein Suchraum mit einer unübersehbaren Fülle an Daten und Informationen. Struktur des Suchraums sind IP-Adressen der Informationsanbieter, die nicht oder nur beschränkt Rückschlüsse auf die angebotenen Inhalte haben. Das Informationsangebot ist daher weitestgehend unstrukturiert (Peters 2010, S. 88). Erforderlich sind Suchprozesse, die das Informationsangebot effizient verarbeiten und nutzbar machen. Gestaltungsparameter sind die Suchkosten und die Suchgeschwindigkeit. Darauf aufbauend lassen sich u. a. folgende Gestaltungskonzepte anwenden (. Abb. 7.21): 5 Automatisierung des Suchprozesses durch Delegation an ein Computerprogramm. Mit der Automatisierung können sowohl die Suchkosten gesenkt als auch die Suchgeschwindigkeit erhöht werden. Mit der Automatisierung gehen jedoch in der Regel Qualitätseinbußen einher, da die Bewertung von Informationen nur unvollständig formalisierbar ist. 5 Wiederverwendung von Suchergebnissen durch Speicherung. Bei einer ähnlichen Suchanfrage kann auf das gespeicherte Ergebnis zurückgegriffen werden. Mit einer erfolgreichen Wiederverwendung lassen sich sowohl die Suchkosten reduzieren als auch die Suchgeschwindigkeit erhöhen. 5 Zerlegung der Suche in Teilprozesse mit höherem Wiederverwendungsgrad.

. Abb. 7.21  Typologie von digitalen Suchdiensten (vgl. Peters 2010, S. 90)

7

178

7

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

Die Suche umfasst Datenbankabfragen (vertikale Suche), die Produktsuche (Produktpreise, -beziehungen, -eigenschaften) oder auch eine semantische Suche (Verständnis von Kontext und Bedeutung). Auch auf digitalen Märkten gilt es den optimalen Umfang der Informationssuche zu bestimmen. Dabei sind u. a. folgende Aspekte von Bedeutung: 5 Verfahren: Digitale Suchdienste erlauben die simultane (stichprobenartige) Suche und das gleichzeitige Abarbeiten von Suchanfragen (vgl. Hinz und Eckert 2010). Beispiel sind Preisvergleichsportale. Allerdings gibt es auch auf digitalen Märkten häufig eine sequenzielle Suche, bei der Anfragen nacheinander abgearbeitet werden. Diese Form ist dann optimal, wenn die Suche keine oder nur geringe Kosten mit sich bringt. 5 Suchregeln: Denkbar ist ein fester Suchumfang (z. B. aus einem Kreis von 10 oder 20 Anbietern) oder der unmittelbare Abbruch einer Suche nach Erreichen eines Reservationspreises. 5 Suchinformationen: Die Suche kann sich auf Preise und auf Qualitäten bei einer bekannten oder unbekannten Verteilung der Preise und Anbieter beziehen. z Suche nach Preisen

Vor allem im Fall von vergleichbaren (homogenen) Gütern streben die Nachfrager danach, den Anbieter mit dem günstigsten Preis zu finden. Idealtypisch lassen sich die sequenzielle und simultane Suchstrategie unterscheiden: 5 Verfolgt der Nachfrager eine sequenzielle Suchstrategie, so sucht er so lange, bis die erwartete Verbesserung durch eine erneute Suche kleiner als deren Kosten ist (. Abb. 7.22). Wenn die Zeit für einen Suchschritt z. B. zehn Minuten beträgt und der Kunde eine mit der Suche verbrachte Stunde mit 60 € bewertet, dann entstehen Suchkosten pro Suchschritt in Höhe von 10 €. Modelle zeigen, dass die Grenzersparnisse (Reduzierungen des niedrigsten vorliegenden Angebotspreises)

. Abb. 7.22  Bestimmung des optimalen Suchumfangs

179

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

mit zunehmender Suche sinken. Daraus ergibt sich, dass der Grenzertrag der Suche als Differenz zwischen der Grenzersparnis und den Grenzsuchkosten, mit zunehmendem Suchumfang sinkt. 5 Die simultane Suchstrategie bezeichnet die Möglichkeit, gleichzeitig verschiedene Angebote zu vergleichen (vgl. Stigler 1961). Auf digitalen Märkten ist diese Möglichkeit angesichts von Preisvergleichsseiten plausibel. Während die Grenzkosten der Suche des ersten Preises vergleichsweise hoch sind (Aufruf der Preisvergleichsseite), sind die Grenzkosten der Suche für alle nachfolgenden Preise auf der ersten Seite der Suchmaschine nahe Null. z Suche nach Qualitäten

Die Einflussfaktoren bei der Suche nach qualitativ unterschiedlichen Gütern entsprechen grundsätzlich denen der Preissuche. Je höher die Suchkosten sind, desto geringer fallen die Suchaktivitäten aus. Der Ertrag der Suche hängt aber auch von der Streuung der Qualitäten auf dem Markt ab, die als Maß für die Unsicherheit der Produktqualität zu interpretieren ist (vgl. Bakos 1997). Während bei homogenen Gütern oft Preisinformationen ausreichen, werden bei differenzierten Produkten auch Produktinformationen benötigt, um den Grad der Übereinstimmung mit den persönlichen Präferenzen beurteilen zu können. Kunden entwickeln häufig Vorstellungen über ein Idealprodukt, das den eigenen Präferenzen am nächsten kommt. Abweichungen zum Idealprodukt erscheinen als Nutzenverlust und werden als fit costs bezeichnet. Die Inkaufnahme von Suchkosten soll dann dazu führen, dass diese Abweichungen möglichst gering ausfallen. Ein Kunde sucht dabei in der Regel so lange, bis ein Reservationspreis für ein akzeptables Produkt erreicht ist (. Tab. 7.6). z Qualität von Suchergebnissen

Die verbesserten Suchmöglichkeiten führen nicht zwangsläufig auch zu einer größeren Markttransparenz. Zwei Dimensionen sind zu unterscheiden: 1. Informationsgüte: Wie relevant sind die Informationen und wie ist ihre Qualität zu beurteilen? 2. Technologie: Wie schnell und umfassend finde ich die Informationen z. B. mit Hilfe von Suchmaschinen. Eine Erzeugung von Markttransparenz durch das Internet ist dann möglich, wenn die Informationsgüte gut und die technologische Qualität von Suchmaschinen hoch ist (. Abb. 7.23; vgl. Rese und Gräfe 2002). Aus technologischer Sicht ist die Rangfolge der Suchergebnisse eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale einer Suchmaschine. Wie diese Ergebnisse zustande kommen bzw. nach welchen Maßstäben, Verfahren und Kriterien sie gewichtet werden, bleibt . Tab. 7.6  Reser­vationspreis bei der Produktsuche Wunschprodukt

125

Nutzenverlust durch Abweichungen (fit costs)

20

Suchkosten (Preis-, Produktinformationen)

5

Reservationspreis für akzeptables Produkt

100

7

180

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

. Abb. 7.23  Informationsgüte und Qualität von Suchmaschinen

7

dem Nutzer verborgen. Kommerzielle Suchmaschinenanbieter werden ihre Ranking-Algorithmen aus naheliegenden Gründen kaum veröffentlichen. Die Validität der Suchergebnisse ist daher für Nutzer nicht nachvollziehbar. Die Reihenfolge der Treffer ergibt sich zudem nicht immer aufgrund von qualitativen Merkmalen, sondern auch auf Basis der Preise, die für bestimmte Begriffe gezahlt werden. Suchalgorithmen sind nicht immer in der Lage, den Unterschied zwischen den populärsten und den qualitativ hochwertigsten Websites festzustellen. Daraus ergeben sich Möglichkeiten zur Manipulation von Websites. Das Suchmaschinen-Spamming bezeichnet Handlungen, die dazu führen, dass eine Suchmaschine auf eine Worteingabe auf den vorderen Plätzen Websites ausweist, die für den Nutzer keine relevanten oder dem Suchbegriff entsprechenden Informationen enthalten. Suchmaschinen sind zudem kaum in der Lage, alle verfügbaren Inhalte des WWW vollständig zu erfassen (z. B. wissenschaftliche Datenbanken). Inhalte des Webs, die nicht gelistet werden, sind unter dem Begriff Deep Web bzw. verstecktes Web subsumiert. Diese Inhalte können qualitativ durchaus hochwertiger sein als indexierte Inhalte (Visible Web). Auch kann es nach der Veröffentlichung von Informationen Wochen dauern, bis die Inhalte von den Crawlern der Suchmaschinen gefunden und in den Index übernommen werden. Es ist also nicht sichergestellt, dass alle relevanten Informationen zeitnah zur Verfügung. z Informationsgüte

Die Informationsgüte ist abhängig von der Verfügbarkeit, der Richtigkeit, der Relevanz und der Glaubwürdigkeit der Informationen (vgl. Gräfe 2004, S. 75 ff.). Aus Sicht des Nachfragers ist vor allem die Glaubwürdigkeit von Bedeutung. Sie wirkt wie ein Filter und schützt den Nachfrager vor falschen Informationen. Im Fall von Sucheigenschaften ist diese Gefahr geringer, da der Anbieter die Güter vor dem Kauf beurteilen kann. Im Fall von Vertrauenseigenschaften ist die Gefahr größer. 2. Preisvergleiche

Auf digitalen Märkten haben sich Preis- und Produktvergleichsdienste kontinuierlich weiterentwickelt (. Abb. 7.24): 5 Preisvergleichsdienste, die zu einem intensiven Preiswettbewerb führen (bester Preis für ein gegebenes Produkt). 5 Produktvergleichsdienste, die die Wettbewerbsintensität und die Markttransparenz erhöhen (bestes Produkt). 5 Verbraucherportale, die den Konsumenten mit Zusatzinformationen versorgen (Bewertung des besten Produkts aus Verbrauchersicht).

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

181

. Abb. 7.24  Such- und Vergleichsprozesse auf digitalen Märkten

Viele Anbieter kombinieren Elemente dieser Dienste. Preisvergleichssysteme enthalten auch Produktbewertungen bzw. Vergleichsmöglichkeiten zwischen Produkten und Verbraucherportale stellen Preisvergleiche an. z Preis als Suchkriterium

Digitale Märkte eignen sich gut als Quelle zur Informationsbeschaffung, wenn der Preis der einzige oder wichtigste Wettbewerbsparameter ist. Dies gilt vor allem bei vergleichbaren Gütern und dann, wenn Nachfrager bereits genau wissen, welches Produkt sie kaufen möchten. Das Preisinteresse ist das Bedürfnis von Kunden, nach Preisinformationen zu suchen und diese bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Je höher das Preisinteresse, desto wichtiger ist der Preis bei der Beurteilung des Produkts und desto geringer ist die Bereitschaft, einen höheren Preis zu zahlen. Das Preisinteresse entscheidet also, wie intensiv Kunden überhaupt die Preise unterschiedlicher Anbieter vergleichen. Preisvergleichsdienste sind aus ökonomischer Sicht Intermediäre, die sich als softwaregestützte Agentensysteme darstellen. Sie unterstützen die Nachfrager in der Informations- und Selektionsphase, lokalisieren Angebote und filtern diese nach Kundenwünschen. Die Nachfrager können dabei „günstigste Preise“ wählen, Preisobergrenzen vorgeben oder auch in Preisverhandlungen eintreten. Die Anbieter können aktiv mit den Diensten kooperieren, eine neutrale Haltung einnehmen oder auch die Kooperation verweigern (. Abb. 7.25). z Bewertung von Preisvergleichsdiensten

Preisvergleichsdienste lassen sich anhand verschiedener Kriterien bewerten (. Abb. 7.26; vgl. Brüggemann und Breitner 2003). Im Fall einer länderübergreifenden Suche bleiben Unterschiede der Preisvergleichsdienste in Bezug auf Leistungsumfang,

7

182

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

7 . Abb. 7.25  Preisvergleiche auf digitalen Märkten

. Abb. 7.26  Bewertungskriterien für Preisvergleichssysteme

technische Umsetzung und Ausgestaltung der Erlöskonzepte zu berücksichtigen. Hinzu kommen unterschiedliche Ausgangsbedingungen in den Ländern wie z. B. die Internet-Infrastruktur, das Banken- und Versandsystem, die rechtliche Absicherung des digitalen Handels sowie kulturelle Einflüsse des Anbieter- und Nachfragerverhaltens (vgl. Genath et al. 2004). Die Arbeitsweise von Preisvergleichsdiensten hängt eng mit dem Geschäftsmodell zur Erzielung von Erlösen zusammen. Preisvergleichsdienste als Intermediäre

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

183

vermitteln Leistungen, indem sie Konsumenten auf die Websites von Shops leiten. Anschließende Kauftransaktionen werden direkt zwischen Anbietern und Kunden abgewickelt. Als Erlösquelle für Preisvergleichsdienste kommen Anbieter, Kunden oder Dritte (z. B. Hersteller) infrage (vgl. Kuhlins 2004): 5 Für die Anbieter hängt der Nutzen von Preisvergleichsdiensten davon ab, ob sie ihnen Käufer zuführen. Sie bevorzugen daher eher erfolgsabhängige Provisionen. 5 Für Kunden sind die Preisvergleichsdienste weitgehend kostenlos. Die kundenseitige Erwartung, dass Informationen im Internet kostenlos genutzt werden können, erschwert die Durchsetzung von Preisen. Hinzu kommt, dass die Grenzkosten für den Abruf eines Preisvergleichs vernachlässigbar sind. Die Preisbildung solcher Dienste setzt damit in der Regel voraus, dass ein Zusatznutzen generiert wird (z. B. Verknüpfung mit Produktbewertungen). 5 Im Fall der Zahlung durch Dritte bietet sich u. a. der Verkauf von Nutzerdaten an. Interessant dürfte für Hersteller und Händler z. B. sein, nach welchen Produkten am häufigsten gesucht wird und welche Wunschpreise oder Preisobergrenzen Konsumenten angeben. z Chancen und Risiken

Preisvergleichsdienste sind für beide Marktseiten mit Chancen und Risiken verbunden (. Abb. 7.27). Beginnen wir mit der Nachfrageseite: 5 Chancen: Preisvergleichsdienste führen vor allem bei standardisierten und homogenen Gütern zu einer höheren Markttransparenz. Nachfrager werden auf Güter aufmerksam, die sie sonst nicht finden würden. 5 Risiken: In der Regel hat der Preisvergleichsdienst einen Informationsvorsprung. Er kennt die Preise und Angebote der ihm angeschlossenen Anbieter, kann sie vergleichen und das günstigste Angebot ermitteln. Der Nachfrager erwartet, dass er von diesem Informationsvorsprung profitieren kann und der Dienst das günstigste Angebot aussucht. Dabei ist der Nachfrager mit dem Problem konfrontiert, dass er nicht weiß, welchen Preisvergleichsdienst er zur Recherche nutzen soll. Hier helfen neutrale Bewertungen, Tests oder Erfahrungsberichte anderer Nutzer. Da der Zeitaufwand für die Suche mit einem Preisvergleichsdienst eher gering und für den Nachfrager überwiegend kostenfrei ist, ist es ratsam, mehrere Preisvergleichsdienste zu nutzen.

. Abb. 7.27  Chancen und Risiken von Preisvergleichsdiensten

7

184

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

Betrachten wir die Angebotsseite: 5 Chancen: Online-Händler können mit der Aufnahme ihrer Angebote in Preisvergleichsdienste ihre Verkäufe steigern und Neukunden gewinnen. Kooperieren Anbieter aktiv mit Preisvergleichsdiensten und übertragen diesen gesondert ihre Angebote, eröffnen sich dadurch Spielräume z. B. um „Ladenhüter“ besonders günstig abzustoßen und damit Neukunden zu gewinnen. 5 Risiken: Wenn viele Nachfrager Preisvergleichsdienste nutzen, werden Anbieter faktisch gezwungen, sich bei Preisvergleichsdiensten listen zu lassen. Ansonsten werden sie nicht gefunden. Im Fall homogener Produkte kann dann ein intensiver Preiswettbewerb einsetzen. Anbieter können sich in diesem Fall z. B. mit Preisdifferenzierungen oder dem Angebot von Zusatzleistungen dem Preiswettbewerb entziehen.

7

Auch durch den Einsatz von Preisvergleichssystemen ist aber nicht davon auszugehen, dass der Preis allein über den Verkaufserfolg entscheidet. Ebenso wichtig sind Kriterien wie positive Händlerbewertungen, Servicebewusstsein und Liefertreue. Dies wirkt insgesamt in Richtung Kundenbindung und Kundenpflege. Damit gelten bei vielen digitalen Handelsplattformen mehr oder weniger die gleichen Spielregeln, die auch in der realen Einkaufswelt anzutreffen sind. 7.2.2.2.2 Online-Handel

Im 4. Fall konkurrieren traditionelle und neue Intermediäre. Diese Situation wird als Transintermediation bezeichnet (. Abb. 7.28). Einige Merkmale des realen Handels (englisch: Bricks-and-Mortar; brick = Ziegelstein, mortar = Mörtel) lassen sich in der Online-Welt nicht oder nur bedingt abbilden. Es gibt Ansätze, mit Virtual Reality- oder Augmented Reality-Brillen das Einkaufserlebnis oder den Kontakt zum Mitarbeiter zu digitalisieren, jedoch befinden sich diese noch in einer frühen Entwicklungsphase. Allerdings sind neue Online-Angebote für Leistungen entstanden, die zuvor von anderen

. Abb. 7.28  Online-Handel und Transintermediation

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

185

Intermediären offeriert wurden. Reale Intermediäre (z. B. der Fachhandel) müssen sich dieser Konkurrenz stellen. Strategische Wettbewerbsvorteile für Online-Unternehmen können jedoch nur dann entstehen, wenn sie sich in zentralen Aufgabenfeldern mindestens genauso gut positionieren können wie reale Intermediäre. Folgende Merkmale werden nachfolgend betrachtet: 5 Ein zentraler Vorteil des traditionellen Handels ist die Beratung beim Produktkauf. Zwar lässt sich der persönliche Kontakt elektronisch nicht herstellen, es können aber Produktempfehlungen auf Basis von Algorithmen ausgesprochen werden. 5 Die Produktvielfalt ist aus Kundensicht ein wichtiges Kriterium beim Kauf. Das Sortiment von Online-Unternehmen (z. B. 7 Amazon.com) ist heute nahezu unüberschaubar, aufgrund von Such- und Empfehlungstechnologien jedoch gut zu durchforsten. Traditionelle Intermediäre können u. a. aufgrund von Lagerkosten und Mieten eine solche Produktvielfalt nicht bieten. 5 Online-Unternehmen haben aufgrund mangelnder Face-to-Face Kontakte den vermeintlichen Nachteil, dass sie im Vergleich zu traditionellen Intermediären unmittelbar kein Vertrauen (z. B. durch persönliche Kontakte) aufbauen können. Vertrauen ist jedoch aus ökonomischer Sicht ein wichtiger Mechanismus zur Reduzierung von Transaktionskosten und eine grundlegende Voraussetzung, um Verträge abzuschließen oder Leistungen und Produkte an Kunden zu verkaufen. Ohne Vertrauen und Reputation können auch Online-Händler nicht erfolgreich agieren. z Produktempfehlungen durch Algorithmen

Ein zentraler Vorteil des traditionellen Handels ist die Beratung beim Produktkauf. Zwar lässt sich der persönliche Kontakt elektronisch nicht herstellen, es können aber Produktempfehlungen ausgesprochen werden. Dazu stehen Empfehlungssysteme (Recommender-Systeme) als adaptive Software-Anwendungen zur Verfügung. z Bedeutung von Produktempfehlungen

Die Wurzeln der Empfehlungssysteme liegen in der Erkenntnistheorie, der Approximationstheorie, dem Information Retrieval und den Prognosetheorien. Inzwischen hat sich ein eigenständiges und aktives Forschungsfeld etabliert, das praktische Anwendungen für Online-Shops (z. B. Amazon), Bibliothekskataloge oder Filmdatenbanken umfasst. Ein Großteil der Forschung widmet sich den Algorithmen, aus denen Informationen gefiltert, Empfehlungen abgeleitet und berechnet werden. Sowohl auf Kunden- als auch auf Anbieterseite besteht ein Interesse an solchen Systemen. Betreiber wünschen sich 5 eine eindeutige Identifizierung der Kunden, 5 die Aggregation von Kundendaten zu Kundenpräferenzen, 5 eine Sichtbarmachung von Kaufpotenzialen, 5 Unterstützung beim Aufdecken von Konsumentensegmenten mit homogenem Kaufverhalten, 5 analytische Hilfen in Bezug auf Nachfragetrends. Kunden profitieren, z. B. durch 5 individualisierte Produktempfehlungen, 5 Reduzierung der Informationsflut und Zeiteinsparung bei der Informationssuche, 5 vergleichende Beurteilung von Angeboten.

7

186

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

7

. Abb. 7.29 Empfehlungsprozess

z Empfehlungsprozess

Der Empfehlungssuchende ist mit einem Set an Alternativen konfrontiert, aus dem eine Auswahl zu treffen ist (. Abb. 7.29; vgl. Klahold 2009, S. 1 ff.). Die Elemente können z. B. aus Büchern, Musikstücken, Filmen oder auch Personen bestehen. Eine Empfehlung aus diesen Alternativen kann der Empfehlungssuchende entweder aktiv beim Empfehlungssystem (Recommender) nachfragen oder dieses kann sie proaktiv geben. Dazu müssen die Interessen und Präferenzen des Suchenden bekannt sein. Diese können freiwillig durch den Suchenden bereitgestellt oder durch das Empfehlungssystem nachgefragt werden. Das Empfehlungssystem soll Elemente (T) aus einer Gesamtmenge (M) empfehlen, die den Nutzen für den Empfehlungssuchenden (b) maximiert:

Max (Nutzwert (b, M, T))

(7.20)

Ein Recommender-Algorithmus (RF) bestimmt dazu auf Basis von Informationen (I) approximativ eine Teilmenge (T):

T = RF (b, M, I)

(7.21)

5 Der Empfehlungssuchende (b) wird durch seine Eigenschaften definiert. Sie ergeben das Benutzerprofil, das sich aus expliziten (z. B. Geschlecht, Alter, Interessen) und impliziten (z. B. Besuchshäufigkeit einer Website oder gekaufte Produkte) Informationen zusammensetzt. 5 Jedes Element der Menge M wird definiert durch bestimmte Informationen (bei Dokumenten z. B. Autor, Titel oder Inhalt). 5 Die Menge I umfasst zusätzliche Informationen (z. B. Uhrzeit, Datum oder das benutzte Endgerät).

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

187

. Abb. 7.30  Data-Mining (vgl. Kollmann 2019, S. 422 zitiert nach Wietzorek und Henkel 1997, S. 238 ff.)

z Datengewinnung durch Data-Mining

Empfehlungstechnologien setzen eine hinreichende Menge und Qualität von Daten voraus. Die Datengewinnung ist Gegenstand des Data-Mining (. Abb. 7.30). Bei der Logfile-Analyse werden Statistiken über die Protokolle des Web Servers erstellt. Damit kann anhand von IP-Adressen festgestellt werden, 5 welche die am häufigsten aufgerufenen Webseiten sind, 5 welche Wege auf einer Webseite besonders beliebt sind, 5 mit welchen Suchbegriffen Nutzer auf die Website kommen oder 5 auf welchen Seiten es am häufigsten zum Kaufabbruch kommt. Von der IP-Adresse kann nicht immer auf Kunden geschlossen werden, da große Server-Dienstleister IP-Adressen häufig bei jedem Besuch neu generieren und der Kunde nur dann erkannt werden kann, wenn er von seinem eigenen Rechner aus zugreift. Auch im Fall dynamischer Verfahren, die Logfiles in Echtzeit erhalten, ist der Nutzer nur dann eindeutig zu identifizieren, wenn er sich registriert und in einem Formular mit Benutzernamen und persönlichem Kennwort einloggt. Hier können Transaktionsdaten von Kauf- und Bestellvorgängen gespeichert und besondere Interessengebiete anhand seines Surfverhaltens herausgefunden werden. Dies setzt aus datenschutzrechtlichen Bestimmungen das Einverständnis des Nutzers voraus. Ein weiteres Instrument zur Informationsgewinnung sind Cookies, die entweder nur für den Besuch der Website auf dem Rechner des Nutzers installiert werden oder ständig auf dem Rechner verbleiben. Sofern der Nutzer persistente Cookies nicht löscht, können der Nutzer bzw. Rechner bei Besuch der Website wiedererkannt und eine umfangreiche Historie über das Besuchsverhalten auf der Website gebildet werden. Mit der Zusammenführung von Logfile-Analysen, Benutzerdaten, Transaktionsdaten und Kampagneninformationen lässt sich ein umfassendes Nutzerprofil bilden (. Abb. 7.31). z Klassifikation von Empfehlungssystemen

Empfehlungssysteme lassen sich auf einer ersten Stufe nach Adressaten und auf einer zweiten Stufe nach Techniken unterscheiden (. Abb. 7.32). Nicht-personalisierte Systeme verwenden keine Informationen des Nutzers, sondern geben z. B. Buch- oder Filmempfehlungen auf Basis des Durchschnitts von Kundenbewertungen.

7

188

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

7 . Abb. 7.31  Datenquellen in Transaktionsphasen (vgl. Kaspar und Hagenhoff 2003, S. 12)

. Abb. 7.32  Klassifikation von Empfehlungssystemen

Personalisierte Verfahren generieren auf Basis von Präferenzen individuelle Empfehlungen oder identische Empfehlungen für Mitglieder von Gruppen. Bei den Techniken dominieren inhaltsbasierte und empfehlungsbasierte Verfahren: 5 Inhaltsbasiert (content-based filtering): Analysiert werden Objekteigenschaften und Ähnlichkeiten zwischen Objekten. Wenn sich ein Kunde z. B. für einen PKW des Herstellers Audi mit Allradantrieb interessiert, dann werden ihm auch PKW anderer Hersteller mit Allradantrieb empfohlen. 5 Empfehlungsbasiert (collaborative filtering): Analysiert werden Personeneigenschaften und Ähnlichkeiten zwischen Nutzern (z. B. ermittelt über Logfiles, Profildaten oder aktive Bewertungen). Wenn ein Kunde mit bestimmten Eigenschaften z. B. ein bestimmtes Buch „gut“ bewertet, wird dieses Buch auch Nutzern mit ähnlichen Eigenschaften empfohlen.

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

189

Häufig gibt es hybride Formen, die beide Techniken kombinieren (vgl. Höhfeld und Kwiatkowski 2007). Bekannt ist das Empfehlungssystem von Amazon, das die Bezeichnung Item-to-Item Collaborative Filtering trägt (kooperatives Objekt-zu-Objekt-Filtern; vgl. Linden et al. 2003). Unter der Nummer 20020198.882 des US-Patentamts wird die Funktionsweise erklärt (vgl. Linden et al. 2002). Dabei wird folgender Algorithmus für die Berechnung der Ähnlichkeiten von Produkten verwendet (vgl. Kubek 2005, S. 44): „Für jedes Produkt i im Produktkatalog, für jeden Kunden k, der Produkt i gekauft hat, für jedes weitere Produkt j, das dieser Kunde gekauft hat, speichere, dass ein Kunde die Produkte i und j zusammengekauft hat und berechne die Ähnlichkeit zwischen i und j.“ Mit Blick auf die große Zahl von Kunden und Produkten wird diese Berechnung nicht zum Zeitpunkt der Sitzung durchgeführt (. Abb. 7.33). Damit ist das Verfahren auch für eine große Datenmenge skalierbar. Da viele Kunden in der Regel nur wenige Produkte kaufen, ist die Laufzeit des Algorithmus kurz (vgl. Höhfeld und Kwiatkowski 2007). Durch die Offline-Komponente können Produktempfehlungen während einer Kaufsitzung nahezu in Echtzeit gegeben werden. Beispiele für generierte Empfehlungen: 5 Persönliche Empfehlungen: Jedes Mitglied hat einen persönlichen Shop, mittels dem das System Güter empfiehlt, die den bereits erworbenen Gütern ähnlich sind. 5 Topseller: Es werden Güter aufgelistet, die einen der vorderen Verkaufsränge belegen. 5 „Kaufen Sie x und y zusammen“: Artikel y ist dabei inhaltlich nahezu identisch mit Artikel x und stammt aus der gleichen Produktart (wenn Artikel x ein Buch ist, so ist y auch ein Buch). 5 „Kunden, die Artikel x gekauft haben, haben auch Artikel y gekauft“: Empfohlen werden Artikel der gleichen Produktart und des gleichen Sachgebietes wie der betrachtete Artikel x.

. Abb. 7.33  Empfehlungssystem von Amazon

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Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

5 „Kunden kauften auch diese Produkte“: Die Empfehlungen beschränken sich nicht mehr nur auf Produkte der gleichen Art und des gleichen Inhalts, sondern werden auf andere Produktarten erweitert. Dies bedeutet, dass bei Ansicht einer Digitalkamera auch z. B. Empfehlungen über Smartphones gegeben werden. z Restriktionen von Empfehlungssystemen

7

Empfehlungssysteme sind Beschränkungen unterworfen. Diese sind vor allem abhängig von der Systematik des jeweiligen Algorithmus und seiner Kategorisierung (. Abb. 7.34). Beispielhaft sei auf folgende Aspekte verwiesen: 5 Kaltstart: Beim Aufsetzen eines Empfehlungssystems gibt es zu wenige Informationen über Nutzer. 5 Spärlichkeit: Bei vielen Produkten gibt es zu wenige Benutzer, die die gleichen Produkte gekauft haben. 5 First-Rater: Produkte, die kaum gekauft und bewertet wurden, werden nicht empfohlen. 5 Popularitäts-Bias: Es werden nur populäre Produkte empfohlen. 5 Trittbrettfahrer: Nutzer lassen für sich Empfehlungen generieren, geben aber selbst keine Bewertungen ab. Empfehlungssysteme basieren gegenwärtig primär auf statistischen Auswertungsverfahren. So werden beispielsweise Ähnlichkeiten zwischen Nutzerverhalten oder Produkteigenschaften berechnet. Zukünftig setzen Empfehlungssysteme zunehmend auf semantische Web-Technologien, die in der Lage sind, Hintergrundwissen zu bestimmten Themengebieten zu nutzen, um die errechneten Ähnlichkeiten oder Unterschiede empfohlener Artikel richtig zu interpretieren (vgl. Schirru 2013, S. 35 ff.).

. Abb. 7.34  Aufbau und Einschränkungen von Empfehlungssystemen

191

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 7.7  Pareto-Verteilung im traditionellen Einzelhandel Produkte

20 % (Hits)

80 % (Andere)

Umsatz

80 %

20 %

Gewinne

100 %

0 %

z Long-Tail und Produktvielfalt

Aufgrund der begrenzten Verkaufsflächen und der relativ hohen Fixkosten muss der traditionelle Handel sein Angebot streng nachfrageorientiert gestalten. Das Hauptaugenmerk gilt der Massennachfrage, während alles, was nicht profitabel ist, häufig außen vor bleiben muss. Insofern erscheint eine Konzentration auf die Produkte sinnvoll, die den Großteil des Umsatzes ausmachen. Dieser Sachverhalt orientiert sich am Pareto-Prinzip, wonach für eine relativ kleine Menge von Ereignissen eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit besteht (. Tab. 7.7). Bezogen auf den Umsatz im Musikmarkt würde dies bedeuten, dass 20 % der Produkte 80 % des Umsatzes ausmachen (80:20Regel). Für Nischenprodukte ist in diesem Konzept wenig Platz, da sie Verkaufsflächen binden und nur zu geringen Umsätzen führen. Im Online-Handel gelten andere Bedingungen, die unter dem Begriff des Long Tail beschrieben werden (vgl. Anderson 2004, 2011). Der Begriff Long Tail ist die Bezeichnung für eine Eigenschaft von statistischen Verteilungen. Bezogen auf den Kauf von Produkten bedeutet dies, dass wenige Produkte häufig und viele Produkte jedoch nur sehr selten verkauft werden. Grafisch entsteht eine Kurve, die hoch und schmal ist. Wenn die Produkte anhand ihrer Popularität sortiert und dann die Anzahl der Verkäufe in einem Graphen abtragen wird, ergibt sich eine klassische Power Law-Verteilung. Diese Verteilung zeigt eine fallende Kurve, deren Länge im Vergleich zu ihrer Spitze, die der klassischen Nachfragekurve entspricht, unverhältnismäßig lang und im Prinzip unendlich ist (. Abb. 7.35). Im Online-Handel gelten andere Bedingungen als sie von der 80:20-Regel (Pareto) beschrieben werden. Beispielsweise können auf 2 % der Produkte 25 % des Umsatzes, auf andere 8 % der Produkte ebenfalls 25 % des Umsatzes und auf die restlichen, nur online verfügbaren 90 % der Produkte die andere Hälfte des Umsatzes entfallen (. Tab. 7.8). Der Gedanke des Long Tail sieht das zukünftige Marktpotenzial nicht im Vertrieb und Verkauf von üblichen Mainstream-Produkten (Hits), sondern im Absatz von Nischenprodukten. Diese Bedingungen erfordern auch andere Absatz- und Distributionsstrategien. Die Vielzahl, der in geringer Anzahl verkauften Produkte, stellt in der Summe eine ernsthafte Konkurrenz zu den Hitmärkten dar, auf denen wenige Produkte sehr häufig verkauft werden. Nischen sind absatzpolitisch betrachtet Teilbereiche eines Marktes, der noch nicht vollkommen oder unzureichend abgedeckt ist. Aggregiert ergeben Nischenmärkte einen neuen Markt, dessen Bearbeitung profitabel sein kann. Werden je 10.000 Stück von fünf Bestsellern mit einem Gewinn von 1 € verkauft, so beträgt der Gewinn:

5 · 10.000 · 1 C = 50.000 C

(7.22)

Der Gewinn lässt sich verdoppeln, wenn 200.000 Produkte mit nur einem Gewinn von 50 Cent verkauft werden können (vgl. hessen-it.de 2007, S. 9):

7

192

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

7 . Abb. 7.35  Long Tail-Häufigkeitsverteilung

. Tab. 7.8  Long Tail-Verteilung im Online-Handel Produkte

2 % (Hits)

8 % (Andere)

90 % (Online-Inventar)

Umsatz

25 %

25 %

50 %

Gewinn

33 %

33 %

33 %

200.000 · 0, 5 C = 100.000 C

(7.23)

Der Grundgedanke des Long Tail ist also bestechend einfach. Die Argumentation stützt sich auf folgende Thesen, die Angebots- und Nachfrageseite eines Marktes verknüpfen (. Abb. 7.36; vgl. Anderson 2004, 2011): 1. Kostensenkungen und „Demokratisierung der Produktionsmittel“ führen zur Sortimentsvielfalt (Long Tail wird länger)

Die Lager- und Präsentationskosten pro Produkt sinken im Vergleich zum klassischen Einzelhandel deutlich, da z. B. keine teuren Ladengeschäfte in frequentierten Einkaufsstraßen angemietet werden müssen. Bei digitalen Gütern (z. B. digitale Musik, E-Books) sind die Grenzkosten bzw. variablen Kosten sogar vernachlässigbar gering. Durch die Kostensenkungen ist es Intermediären möglich, ihr Sortiment erheblich zu erweitern. Nutzer sind zudem in der Lage, Güter wie Musik und Videos selbst herzustellen. Durch die Vergrößerung des Angebotes wird der Long Tail länger und facettenreicher.

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

193

. Abb. 7.36  Triebkräfte und Effekte des Long Tail

2. Vergrößerung des Produktangebots zeigt wirkliche Präferenzen auf (Long Tail wird dicker)

Der Long Tail unterstellt, dass Nischenprodukte und die größere Angebotsvielfalt den Präferenzen der Kunden eher entsprechen als Massenprodukte. Aggregatoren und Plattformen wie Amazon und eBay erleichtern den Zugang zu den großen Sortimenten und zu den Nischen. Der Long Tail wird dadurch dicker. 3. Such- und Empfehlungstechnologien (Filter) erleichtern die Auffindbarkeit von Produkten (Verlagerung der Nachfrage in den hinteren Teil des Long Tail)

Große Sortimente sind nutzlos, wenn Kunden die Produkte nicht finden. Der Long Teil funktioniert also nur bei einer hinreichenden Markttransparenz und der Verfügbarkeit von Such- und Empfehlungstechnologien. Sie verknüpfen Angebotsvielfalt und die Nachfragepräferenzen. Notwendig sind daher z. B. ein effizientes Suchmaschinenmarketing oder eine Suchmaschinenoptimierung mit den richtigen Keywords, die potenzielle Kunden auf die Produkte aufmerksam machen (vgl. Hinz et al. 2011). Studien zeigen, dass der Long Tail umfangreichere und genau spezifizierte Suchbegriffe begünstigt, die das Ranking verbessern. Auch kollaborative Instrumente wie persönliche Bewertungen und Empfehlungen dienen als Filter und können die Nachfrage in die Nischen lenken. Das Konzept des Long Tail ist nicht unumstritten. Betrachten wir dazu die drei Effekte des Long Tail: Zu 1): Eine größere Angebotsvielfalt durch Kostensenkungen in der Produktion oder durch Nutzerbeiträge ist nicht bei allen Gütern zu erwarten. Begünstigt werden vor allem digitale oder digitalisierbare Güter mit Sucheigenschaften. Nicht digitalisierte Güter haben andere Kostenstrukturen und deutlich höhere Lager- und Distributionskosten. Auch ist empirisch nicht geklärt, wo konkret die Abgrenzung zwischen Massenmarkt und Nischenprodukten zu ziehen ist. Die Grenzziehung ist sicher dynamisch und variiert zwischen Produkten. Zu klären bleibt schließlich, ob

7

194

7

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

es nicht große qualitative Unterschiede innerhalb der nun größeren Angebotsvielfalt gibt. Vielleicht werden Nischenprodukte deshalb weniger nachgefragt, weil sie von geringerer Qualität sind. Zu 2): Es ist unwahrscheinlich, dass sich die gesamte Nachfrage auf Nischenprodukte hin ausrichtet (vgl. Elberse 2008). Studien zeigen, dass sich der Absatz von Produkten im Online-Handel zum Teil zwar in den rechten Teil der Kurve (Nischenteil) verlagert hat. Allerdings hat sich auch die Zahl der Produkte, die sich gar nicht verkauft haben, erhöht. Die Kurve des Long Tail wird in diesem Fall also nicht länger und dicker, sie wird nur länger. Zu 3): Der Long Tail geht davon aus, dass Konsumenten Produkte aus dem rechten Teil der Nachfragkurve (Nischenmarkt) kaufen, wenn die Markttransparenz hinreichend groß ist. Diese Tendenz kann empirisch bisher nicht nachgewiesen werden. Häufig sind es die Personen, die ohnehin viel konsumieren, die neben den häufig verkauften auch selten verlangte Produkte bestellen. Unbekannte Produkte werden von Verbrauchern ausgewählt, die einen guten Überblick über verschiedene Produktalternativen haben. Konsumenten, die weniger konsumieren, konzentrieren sich dagegen weniger auf Nischenprodukte, sondern kaufen relativ häufiger gängige Massenprodukte. Ein größeres Angebot im Internet muss also nicht zwangsläufig dazu führen, dass mehr Produkte als zuvor nachgefragt werden. z Vertrauen und Reputation

Der Online-Handel ist aufgrund der mangelnden Kontakte zwischen Anbietern und Nachfragern auf die Herstellung von Vertrauen und Reputation angewiesen. 5 Einflussfaktoren der Kundentreue IKT-Systeme müssen das für geschäftliche Transaktionen notwendige Vertrauen zumindest indirekt wiedergeben, da es technologisch allein nicht herstellbar ist. Die Kundentreue ist die abhängige Zielvariable. Sie ist definiert als die Absicht des Kunden, basierend auf bisherigen Erfahrungen und Erwartungen einen Online-Händler erneut zu besuchen und Käufe zu tätigen. Folgende zehn Hypothesen lassen sich formulieren (. Abb. 7.37; vgl. Lee et al. 2000): 1. Umfassende Information stärkt das Vertrauen des Kunden. Der Kunde benötigt ausreichende Informationen, um die Kaufentscheidung treffen zu können (z. B. Preis- und Produktinformationen). 2. Gemeinsame Werte verstärken das Vertrauen. 3. Kommunikation verstärkt das Vertrauen, da Unstimmigkeiten ausgeräumt und Erwartungen angepasst werden können. Die Häufigkeit und Qualität der Kommunikation sind entscheidend. 4. Unsicherheit reduziert Vertrauen, da das Verhalten nicht absehbar ist. 5. Unsicherheit (z. B. bezogen auf die Einschätzung der Güterqualität) erhöht die Transaktionskosten. Unsicherheit wächst in der Regel mit der Komplexität des Gutes. 6. Eine große Anzahl von Wettbewerbern reduziert die Transaktionskosten. Ein Mangel an Wettbewerb erhöht die Wahrscheinlichkeit opportunistischen Verhaltens aufseiten der Anbieter. Eine zu große Zahl an Wettbewerbern, kann allerdings zu einem Suchaufwand führen, der die Vorteile des Wettbewerbs kompensiert. 7. Die Spezifität des Online-Shops erhöht die Transaktionskosten. Mit wachsender Spezifität wird es für den Kunden aufwendiger zu einem anderen Shop zu wech-

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

195

. Abb. 7.37  Modell der Kundentreue

seln, da er seine Kenntnisse nicht weiterverwenden kann. Spezifität erhöht die Wahrscheinlichkeit opportunistischen Verhaltens durch den Anbieter, wenn dieser erkennt, dass Kunden nicht verlustfrei zu anderen Anbieter wechseln können. 8. Vertrauen reduziert Transaktionskosten. Wenn Käufer und Verkäufer sich nicht vertrauen können, müssen sie Vorsichtsmaßnahmen gegen opportunistische Verhaltensweisen der Gegenseite treffen, was Transaktionskosten verursacht. 9. Vertrauen verstärkt die Kundentreue. Ein mangelndes Vertrauen gegenüber einem System, in das viel Zeit und Energie investiert werden muss, führt hingegen zu Unzufriedenheit. 10. Höhere Transaktionskosten verringern die Kundentreue. Kunden tendieren zu dem Angebot, welches die geringsten Transaktionskosten verursacht. Nicht alle Güter eignen sich vor diesem Hintergrund gleichermaßen für den Handel auf digitalen Märkten. Wir hatten dazu die Kategorien der Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgüter kennengelernt. Gut geeignet sind Güter wie z. B. Software, Musik, Bücher, Zeitschriften und Flugtickets. Sie sind hinreichend exakt zu beschreiben und zu beurteilen. Gleichzeitig besteht in der Regel nur ein geringer Beratungsaufwand. Mäßig geeignet sind Güter wie z. B. Versicherungen, Individualreisen, Häuser, Möbel, Nahrungsmittel, Kleidung und Autos. Güter, die sich einer detaillierten Beschreibbarkeit bzw. Beurteilbarkeit weitgehend entziehen und/oder einen hohen Beratungsaufwand mit sich bringen, erscheinen nur gering geeignet. Der Vertrauensbildung und damit dem quantitativen Umfang des Online-Handels sind damit Grenzen gesetzt. Dazu zählen die mangelnde Beurteilbarkeit von Leistungen, notwendige Kompetenzen und Erfahrungen für den Online-Kauf, die fehlende persönliche Beratung und die Funktion des Einkaufs als sozialer Kontakt.

7

196

7

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

5 Reputationssysteme Reputationssysteme sollen Vertrauen herstellen und damit einen Ersatz für persönliche Nähe schaffen, die es in einem lokal verteilten Netz nicht oder nur wenig gibt. Sie sollen Fehlverhalten sichtbar machen und Anreize zum konformen Verhalten ausüben (vgl. Ockenfels 2003; vgl. Peters und Reitzenstein 2008). Reputation ist eine öffentliche Information über die bisherige Vertrauenswürdigkeit eines Akteurs. Frühere Erfahrungen mit einem Transaktionspartner werden dabei in der Regel auch in die Zukunft projiziert. Webbasierte Reputationssysteme basieren auf aggregierten bzw. community-basierten Informationen und auf persönlichen Angaben innerhalb eines Systems (. Abb. 7.38). Unabhängig von der konkreten technologischen Ausgestaltung sammelt und verarbeitet ein Reputationssystem Wertungen, welche es dem Nutzer des Systems in Form von Reputationen zur Verfügung stellt (vgl. Voss 2004): 5 Sammeln: Nutzer des Systems geben ihre Bewertungen beim Sammel-Block ab. 5 Verarbeiten: Vom Sammel-Block werden die Wertungen in den Bestand der Datensammlung aufgenommen und verarbeitet. 5 Verteilen: Die Daten sind in Form von Reputation abrufbar. Reputationssysteme sind nicht frei von Mängeln (vgl. Josang et al. 2007; Peters 2010, S. 173 ff.). Probleme können den zuvor unterschiedenen Ebenen den Aufgabenbereichen Sammlung, Verarbeitung und Verteilung von Bewertungen zugeordnet werden (. Abb. 7.39). 1. Sammlung von Bewertungen

Bei Reputationssystemen ist die Abgabe von Bewertungen oft nicht zwingend vorgeschrieben. Studien zeigen, dass die Nutzer nur etwa in der Hälfte aller Transaktionen

. Abb. 7.38  Reputationssysteme (vgl. Schaffert et al. 2010, S. 27)

7.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

197

. Abb. 7.39  Probleme und Lösungsansätze bei Reputationssystemen

eine Bewertung abgeben. Vor allem neutrale Nutzer verzichten auf Bewertungen. In diesem Fall sind die Bewertungsprofile oft unvollständig und nur begrenzt aussagefähig. Hinzu kommt die Befürchtung vor „Rachebewertungen“ als Reaktion auf selbst abgegebene negative Bewertungen. Vorgeschlagen werden die Belohnung der Bewertungsabgabe und die Sanktion fehlender Bewertungen. Schwierig ist es, Manipulationen zu verhindern, die durch die gezielte Abgabe falscher Bewertungen verursacht werden. Beispiele: a) Ballot-Stuffing: Gute Bewertungen werden zu Scheintransaktionen gesammelt und zum Ausgleich negativer Bewertungen genutzt. b) Bad Mouthing: Konkurrenten werden durch negative Bewertungen benachteiligt. Reduzieren lassen sich solche Manipulationsversuche durch die Begrenzung des Einflusses eines einzelnen Teilnehmers auf die Reputation eines anderen Teilnehmers (z. B. nur Berücksichtigung der jeweils neuesten Bewertung bzw. stärkere Gewichtung neuer gegenüber alten Bewertungen). 2. Verarbeitung von Bewertungen

Reputationssysteme haben eigene Aggregations- und Darstellungstechniken. Manche Systeme verwenden die Nettoreputation (gute abzüglich schlechter Bewertungen), andere verwenden Durchschnittsbewertungen, den Modus (häufigste Bewertungen) oder den Median (mittlere Bewertungen). Zu berücksichtigen ist, dass Wertungen stets subjektiv sind (z. B. bedeutet „gut“ etwas anderes bei der Bewertung von Kinofilmen, Büchern oder Restaurants). Häufig erfolgt keine Differenzierung zwischen Bewertungen von Akteuren mit hoher und niedriger Reputation. Auch der Wert des Gegenstandes der Transaktion wird oft nicht berücksichtigt. Die „Objektivität“ der Einzelbewertungen lässt sich durch detaillierte Bewertungsrichtlinien fördern. Auch kann die Richtigkeit

7

198

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

einer Bewertung von anderen Teilnehmern bewertet werden. Denkbar wäre zudem die Gewichtung jeder Bewertung mit der Erfahrung des Bewertenden, wobei unterstellt wird, dass erfahrene Teilnehmer öfter objektive Bewertungen abgeben. 3. Verteilen der Bewertungen

Reputationssysteme müssen Bewertungen eindeutig bestimmten Akteuren zuordnen, wenn ein realistisches Bild gezeichnet werden soll. Es müssen daher Vorkehrungen gegen einen Identitätswechsel getroffen werden, um z. B. eine wiederholte Anmeldung mit gefälschten Identitäten zu vermeiden. Ansonsten würden würde ein Teilnehmer z. B. beim Whitewashing einen Identitätswechsel vornehmen, um eine schlechte Reputation abzulegen. Vorgeschlagen werden daher eine Authentifizierung durch personengebundene Merkmale oder die Einführung von Kosten, die den Identitätsmissbrauch verteuern (z. B. in Form von Anmeldegebühren).

7

7.3  Übungen 49. Bedeutung der Intermediation

a) Was misst der Baligh-Richartz-Effekt? b) Erläutern Sie mögliche Kosteneinsparungen auf Märkten bzw. Netzwerkmärkten (P2P) durch den Einsatz von Intermediären (I) im Rahmen folgender Tabelle, wenn die Akteure auf beiden Marktseiten gleichverteilt sind:

Akteure

Markt

Netzmarkt (P2P)

Ohne I

Mit I

Effekt

Ohne I

Mit I

Effekt

2 4 6 8 10

50. Transaktionskosten

a) Was verstehen Sie unter Transaktionskosten? b) Beurteilen Sie stichwortartig die Kategorien von Transaktionskosten bei folgenden Einkaufsmöglichkeiten (Quelle: Sadrieh, A. 2011: Übung Struktur und Design digitaler Märkte. Sommersemester. Universität Magdeburg): Informations-, Suchkosten

Physische Marktplätze Physische Ladengeschäfte Digitale Marktplätze

Verhandlungskosten

Kontrollkosten

Vertragsdurchsetzungskosten

199

7.3 · Übungen

51. Wert der vollkommenen Information

a) Welche Informationen sind zur Bestimmung des optimalen Informationswerts erforderlich? b) Ein Unternehmen kann bei verschiedenen Marktanteilen mit zwei Strategien unterschiedliche Umsätze erzielen. Die Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der Situationen sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen (Angaben in Mio. €).

Handlungsalternative

Marktanteil 15 %

5 %

1 %

0,5

0,2

Wahrscheinlichkeit 0,3 Einführung

20

5

−10

Nicht-Einführung

0

0

0



Bestimmen Sie den Wert der vollkommenen Information.

52. Asymmetrische Information

Betrachten Sie einen Markt für Gebrauchtwagen, der wie folgt gekennzeichnet ist:

Klasse

Qualität

Zmax der Nachfrager in €

Mindestforderung der Verkäufer in €

A

Schlecht

6000

5000

B

Mittel

12.000

11.000

C

Gut

16.000

14.000

D

Sehr gut

20.000

17.000

Die PKW sind in jeder Klasse gleichverteilt. Die maximalen Zahlungsbereitschaften (Zmax) der Nachfrager und die Mindestforderungen der Verkäufer sind bekannt (Angaben in €). a) Welche PKW werden zu welchen Preisen verkauft, wenn die Nachfrager und die Verkäufer über die Qualität gleich gut informiert sind? b) Nehmen Sie nun an, dass eine asymmetrische Informationsverteilung zulasten der Nachfrager existiert. Welche Art von Gütern repräsentieren die Gebrauchtwagen in dieser Situation? Gehen Sie außerdem auf eine Abhängigkeit zwischen Güterart und Grad einer Informationsasymmetrie ein. c) Berechnen Sie, welche PKW zu welchen Preisen verkauft werden. Erläutern Sie, welche Problematik auftritt, zu welcher Form des Marktversagens dies führen kann und nennen Sie Möglichkeiten für Marktlösungen, die zur Lösung dieses Marktversagens beitragen können.

53. Verhaltens- und Qualitätsunsicherheiten

Ordnen Sie folgende Begriffe in die nachfolgende Matrix ein und erläutern Sie die Begriffe: adverse selection, hidden action, hidden characteristics, hidden intention, hold up, moral hazard

7

200

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

Verhalten nach Vertragsabschluss durch Prinzipal… …beobachtbar Verhalten bzw. Eigenschaften vor Vertragsabschluss durch Agenten…

…nicht beobachtbar

…nicht beeinflussbar …beeinflussbar

54. Kaufrisiken im Online-Handel a) Beurteilen Sie das wahrgenommene Kaufrisiko beim digitalen Einkauf anhand der nachfolgenden Dimensionen: Dimension

7

Beschreibung

Funktionales Risiko Psychologisches Risiko Übertragungsrisiko Datenrisiko

b) Warum muss Privatsphären- bzw. Datenschutz bisher gesetzlich reguliert werden und kann sich nicht durch den Markt regeln? Unter welchen Voraussetzungen könnte Datenschutz durch den Markt getrieben werden?

55. Signaling im Online-Handel

Im Online-Handel lässt sich häufig die Strategie des anbieterseitigen Signalings beobachten. a) Was verstehen Sie unter Signaling? b) Geben Sie Beispiele für diese Strategie. 5 6. Disintermediation a) In welchem Fall ist eine Disintermediation auf digitalen Märkten aus Sicht der Transaktionskostentheorie zu erwarten? b) In der Immobilienbranche sei folgende Struktur gegeben: Produzent von Immobilien (Bauunternehmen) → Makler (Intermediär) → Käufer/Mieter Halten Sie in diesem Kontext eine Disintermediation für möglich und sinnvoll? c) Welche Chancen und Risiken ergeben sich durch IKT für den Buchhandel? Unterscheiden Sie dazu folgende Akteure: Chancen Autor Verlag Einzelhandel Verbraucher

Risiken

201

7.3 · Übungen

57. Suchverhalten Nehmen Sie an, Sie wollen eine neue Digital-Kamera erwerben und maximal 200 € ausgeben. Erläutern Sie für diesen Fall eine sequenzielle bzw. simultane Produktsuche auf digitalen Märkten. Wie verändert sich das Suchverhalten durch Smartphones? Erläutern Sie in diesem Kontext auch den ROPO-Effekt. 5 8. Qualität von Suchmaschinen und Informationsgüte Beurteilen Sie folgende Situationen im Kontext des Informationsmediums Internet: Qualität von Suchmaschinen Niedrig Informationsgüte im Internet

Hoch

Gut Schlecht

In welcher Situation ist eine Steigerung der Markttransparenz im Internet möglich? Warum ist die Informationsgüte von zentraler Bedeutung? 5 9. Problematik von Suchmaschinen Welche technologischen bzw. qualitativen Probleme können Suchmaschinen aufweisen? Berücksichtigen Sie Rangfolge, Transparenz und Aktualität der Suchkriterien. 6 0. Bewertung von Suchergebnissen Sie wollen eine wissenschaftliche Arbeit verfassen und bedienen sich der Hilfe von Suchmaschinen. Beschreiben Sie nachfolgende Kriterien zur Beurteilung von Informationen aus dem Internet: URL: Autor und Datum: Stil, Aufmachung und Inhalt: Motiv der Veröffentlichung: Literaturhinweise und Referenzen: Kommentare von anderen Nutzern: Verifizierung:

61. Preisvergleichssysteme

a) Was verstehen Sie unter Preisinteresse? b) Welche Möglichkeiten stehen für Preisvergleiche im Online-Handel zur Verfügung? c) Welchen Einfluss haben folgende Faktoren auf das Preisinteresse? 5 Kaufsituation: Suchkosten, Zeitdruck. 5 Produkt: Kaufrisiko, Variety Seeking (Wunsch nach Abwechslung).

62. Empfehlungssysteme

a) Was verstehen Sie unter einem Empfehlungssystem? b) Unterscheiden Sie die Basistechniken Content-Based – und Collaborative Filtering.

7

202

Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

c) Persönliche Daten von Nutzern erlauben die Personalisierung von Informationsgütern durch ihre Anbieter. Erläutern Sie am Beispiel der automatisierten Produktempfehlungen auf der Amazon Website einen Vor- und Nachteil dieser Personalisierung für jeweils einen Amazon Kunden sowie auch für Amazon selbst. 6 3. Long Tail im Online-Handel a) Was verstehen Sie unter einer Long Tail-Häufigkeitsverteilung? b) Der Online-Marktplatz Amazon erzielt laut Studien bis zu 50 % seines Umsatzes mit Produkten aus dem Long Tail. Erläutern Sie die (drei) Triebkräfte des Konzepts und stellen Sie den Zusammenhang grafisch dar. 64. Mundpropaganda im Online-Handel

a) Nehmen Sie an, dass zufriedene Online-Käufer ihre positiven Erfahrungen im Durchschnitt drei weiteren Personen mitteilen, unzufriedene Online-Käufer hingegen ihre negativen Erfahrungen an zehn Personen weitergeben. Beurteilen Sie die Konsequenzen mithilfe der nachfolgenden Tabelle:

7

100 Kunden, davon

Empfehlungen im Internet

70 zufriedene Kunden 30 unzufriedene Kunden

b) Welche Folgen haben Online-Empfehlungen von Kunden für den Kaufprozess?

65. Reputation im Online-Handel

In einer empirischen Untersuchung zum Online-Handel finden Sie folgende Hypothesen: 5 These 1: Verkäufer mit höherer positiver Reputation erzielen einen höheren Preis als solche mit niedrigerer positiver Reputation. 5 These 2: Verkäufer mit höherer negativer Reputation erzielen einen geringeren Preis als solche mit niedrigerer negativer Reputation 5 These 3: Eine negative Reputation hat einen größeren Einfluss auf erzielte Preise als eine positive Reputation. Welche der genannten Thesen lässt sich (eindeutig) bestätigen? Begründen Sie Ihre Aussage.

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204

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Kapitel 7 · Intermediation: Direkte und indirekte Verknüpfung …

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205

Plattformökonomien: Phänomene und Marktmodelle der digitalen Welt Inhaltsverzeichnis Kapitel 8

Kritische-Masse-Phänomen – 209

Kapitel 9

Winner-takes-it-all-Phänomen – 237

Kapitel 10

Mehrseitige Märkte – 261

Kapitel 11

Crowdsourcing – 279

Kapitel 12

Kollaborative Märkte – 289

Kapitel 13

Peer-to-Peer Märkte – 305

Kapitel 14

Datenmärkte – 341

II

206

II · Plattformökonomien: Phänomene und Marktmodelle …

Das Geschäftsmodell der Plattformökonomie hat die B2C-Märkte neu definiert. Unternehmen wie Amazon, Apple und Facebook haben alteingesessene Großkonzerne von den Spitzenplätzen der Liste der erfolgreichsten Unternehmen verdrängt. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung haben die geringen Investitionskosten, die zur Erstellung einer marktfähigen Plattform zu leisten sind. So besitzt der weltweit größte Mobilitätsanbieter Uber keine eigenen Autos. Mittlerweile bietet eine große Zahl an Unternehmen ihre Dienstleistungen und Produkte auf digitalen Plattformen an, die den Konsumenten ein schnelles Auffinden und Vergleichen der Angebote ermöglichen. Der Nutzen einer Plattform ist für eine Marktseite ist umso höher, je mehr Teilnehmer der jeweils komplementären Gegenseite auf der Plattform vorhanden ist. Nur so sind der Wettbewerb und die Auswahl an Transaktionspartnern innerhalb einer Marktseite entsprechend hoch. Die Plattformbetreiber – Intermediäre – gestalten die Plattform deshalb für beide Seiten so attraktiv wie möglich, indem sie Plattform-interne Standards z. B. hinsichtlich der Bezahlung, des Customer Services oder der Kundenbewertungen schaffen. Häufig ist eine Marktseite stärker als die andere. In diesen Fällen subventioniert die stärkere Marktseite die schwächere, sodass nur eine Marktseite eine Nutzungsgebühr zahlt. Für die Konsumenten ist die Nutzung der Plattformen meistens (weitgehend) k­ ostenlos. Gemeinsam haben die Plattformökonomien, dass sie i. d. R. eine reine Vermittlertätigkeit übernehmen und keine eigenen Produkte anbieten. Netzeffekte, Skaleneffekte und Lock-In-Effekte verstärken die Herausbildung von (Quasi-)Monopolen. Dieses Winner-takes-it-all-Phänomen zeigt sich in den verschiedensten Anwendungsgebieten, bei denen sich jeweils eine Plattform als die mit Abstand präferierteste herauskristallisiert hat. In Deutschland sind das im Bereich des Online-Handels Amazon, bei den sozialen Netzwerken Facebook, booking.com wenn es um Hotelreservierungen geht, 7 immobilienscout24.de für die Vermittlung von privaten Immobilien und Google für Informationen aller Art. Obwohl viele Plattformen sich auf die Vermittlung von Geschäften zwischen Unternehmen (Business: B) und Konsumenten (Consumers: C) konzentrieren, gibt es auch weitere Konstellationen, die auf Plattformen aufeinandertreffen: So gibt es B2B-Portale, die einen Austausch von Unternehmen fördern, C2C-Plattformen, die private Konsumenten zusammenbringen, wie man es z. B. vom privaten Carsharing oder eBay Kleinanzeigen kennt. Aber auch der

207 II · Plattformökonomien: Phänomene und Marktmodelle …

. Abb. 1  Übersicht über Anbieter und Empfänger digitaler Leistungen

Staat (Government: G) vernetzt sich mit Unternehmen (B2G) oder Konsumenten (C2G) (. Abb. 1). Die meisten digitalen Plattformen erheben im großen Umfang Daten von ihren Nutzern und analysieren und verwerten sie aus zwei unterschiedlichen Motivationen heraus: Um die eigene Dienstleistung überhaupt zu ermöglichen und um gezielt und nutzerspezifisch zu werben. Aus Anwendersicht sind damit sowohl Chancen als auch Risiken verbunden. Für die Verbraucher ist es jedoch schwierig, den Wert und die „Kosten“ der Datenbereitstellung zu beurteilen. Das bestehende Datenschutzgesetz regelt nicht abschließend, wo die Grenzen der zulässigen Datenverarbeitung im digitalen Raum liegen. Ziel muss es daher sein, den Verbrauchern den Erwerb der digitalen Datenhoheit zu ermöglichen und eine digitale private Autonomie zu schaffen. In Teil II werden zunächst Phänomene wie die kritische Masse und Winnertakes-it-all sowie die Grundzüge von mehrseitigen Märkten im Allgemeinen behandelt, bevor mit Crowdsourcing, kollaborativen Märkten und Peer-toPeer-Märkten konkrete Anwendungsfelder betrachtet werden. Dem Thema Daten und Datensouveränität widmen wir uns im abschließenden 7 Kap. 14. – Kritische-Masse-Phänomen (7 Kap. 8): Um einen Markt zu durchdringen, muss nicht die gesamte Konsumentengruppe von einem Produkt überzeugt werden. Es reicht aus, dass eine bestimmte Anzahl von Konsumenten von dem Gut überzeugt ist und es konsumiert. Ist diese kritische Masse erreicht, setzt sich das gut am Markt selbsttragend durch.

II

208

II · Plattformökonomien: Phänomene und Marktmodelle …

– Winner-takes-it-all-Phänomen (7 Kap. 9): Auf digitalen Märkten lässt sich häufig das Winner-takes-it-all-Phänomen beobachten. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass nur ein oder wenige Unternehmen große Teile des Markterfolges auf sich vereinen. Die anderen Marktteilnehmer müssen sich mit unbedeutenden Anteilen zufriedengeben. Ursächlich ist oft ein Zusammenwirken von Skalen-, Netz- und Lock-In Effekten. – Mehrseitige Märkte (7 Kap. 10): Auf digitalen Märkten vermitteln Plattformen häufig zwischen mindestens zwei Marktseiten. Zwischen diesen Marktseiten bestehen indirekte Netzeffekte, die dazu führen, dass die eine Marktseite in der Entwicklung stark von der anderen Marktseite beeinflusst wird. Die Märkte können monopolähnliche oder wettbewerbliche Marktstrukturen aufweisen. – Crowdsourcing (7 Kap. 11): Das Konzept des Crowdsourcings beschreibt die Auslagerung zur Lösung einer Aufgabe oder eines Problems (Outsourcing) an eine unbestimmte bzw. unbekannte Gruppe (Crowd) in der Regel über eine Internet-Plattform. Unternehmen setzen Crowdsoucring insbesondere für die Gewinnung neuer Ideen und Innovationen ein. Die Gig Economy hat sich das Crowdsourcing (Crowd Labor) zum Prinzip gemacht. – Kollaborative Märkte (7 Kap. 12): Die Digitalisierung führt zu Plattformen, auf denen die Akteure Güter tauschen und teilen können (Sharing). Auf solchen kollaborativen Märkten werden materielle Güter (z. B. PKW, Wohnraum) und immaterielle Güter (z. B. Ideen) getauscht und geteilt. Im Fall digitaler Gemeingüter (Commons) wird Wissen kollektiv produziert und verteilt. Beispiele sind Open Source Software oder Wikipedia. – Peer-to-Peer Märkte (7 Kap. 13): Diese Märkte bezeichnen die direkte Interaktion zwischen Personen (Peers, für die auch „das P“ stehen kann). Beispielsweise lässt sich über digitale Plattformen ein P2P-Banking organisieren, das ohne Banken auskommt. Im Extremfall entsteht eine vollständig dezentral organisierte digitale Wirtschaft, in der zentrale Plattformen und Institutionen komplett entfallen. Beispiele finden sich im Filesharing von digitalen Gütern (z. B. Dateien, Musik, Filmen) oder Konzepten digitaler Alternativwährungen wie Bitcoin. – Datenmärkte (7 Kap. 14): Alleine die Ausbreitung von sozialen Netzwerken und die Verbreitung von Smartphones erzeugen einen großen Teil der Daten, sowohl durch von Nutzern hochgeladenen Daten als auch die durch Plattformen gesammelten Daten, wie z. B. Nutzerprofile und Nutzungshistorien. Seit einiger Zeit werden vor dem Hintergrund der Stärkung der Datensouveränität der Konsumenten unterschiedliche Geschäftsmodelle zum Handel mit den eigenen Daten diskutiert.

209

Kritische-Masse-Phänomen 8.1  Inhalt und Schlüsselbegriffe – 210 8.2  Grundlagen und Fallbeispiele – 211 8.2.1  Diffusionsprozesse auf Netzwerkmärkten – 212 8.2.2  Diffusionstheorie nach Rogers – 218 8.2.3  Innovation und Imitation – 224 8.2.4  Kommunikation in sozialen Netzwerken – 229

8.3  Übungen – 232 Literatur – 235

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0_8

8

210

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

8.1  Inhalt und Schlüsselbegriffe (. Abb. 8.1)

z Inhalt

8

1. Auf digitalen Märkten wird die kritische Masse maßgeblich durch die Anzahl der Personen bestimmt, die ein identisches oder ein kompatibles Produkt nutzen. Kenntnisse über den Schwellenwert, ab dem die kritische Masse überschritten wird (TippingPoint) sind daher von großer Bedeutung für die Preisbildung und Vermarktung. 2. Für die Untersuchung der kritischen Masse bietet sich die Adoptions- und Diffusionstheorie an. Für die Annahme (Adoption) einer Neuerung ist u. a. das Verhältnis der beteiligten Akteure (Innovatoren/Meinungsführer/Nachzügler) von Bedeutung. Diffusionsmodelle beschreiben den Prozess der Ausbreitung einer Innovation innerhalb eines sozialen Systems. Die Diffusion von Gütern folgt in der Regel einem S-förmigen Diffusionsverlauf und ist u. a. stark von Aspekten der Kommunikation geprägt. Im Kontext von Netzwerkgütern sind die S-förmigen Diffusionsverläufe zu relativieren. 3. Auch in sozialen Netzwerken lässt sich bezogen auf die Durchsetzung von Meinungen ein Tipping-Point identifizieren, ab dem eine Idee, eine Botschaft oder ein soziales Verhalten eine Schwelle überschreitet. Der Prozess kippt nach Erreichen der Schwelle um und verbreitet sich nach bestimmten Mustern wie ein Flächenbrand. Werden diese Muster erkannt, lassen sie sich zur gezielten Stimulierung z. B. von viralen Marketing-Strategien einsetzen.

. Abb. 8.1  Kap. 8 auf einen Blick

8.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

211

z Schlüsselbegriffe

Kritische Masse, Rohlfs-Nachfragefunktion, Tipping-Point, Adoption, Diffusion, Diffusionsmodelle, Meinungsführer/Nachzügler, Innovatoren/Imitatoren, soziale Netzwerke, virale Marketing-Strategien. 8.2  Grundlagen und Fallbeispiele

In der Ökonomie bezeichnet die kritische Masse einen Punkt, an dem eine Organisation genügend Eigendynamik entwickelt oder ein Produkt so viel Marktanteile auf sich vereinigt, um sich selbst zu erhalten und weiter an Bedeutung zu gewinnen. Auf digitalen Märkten wird die kritische Masse maßgeblich durch die Anzahl der Personen bestimmt, die ein identisches oder ein kompatibles Produkt nutzen. Als typische Beispiele für kritische Masse-Systeme im Bereich der IKT gelten das Telefon, das Faxgerät, Internet-Dienste (z. B. E-Mail), der Mobilfunk und Videokonferenzsysteme (vgl. Lier 2005, S. 20). Auch Social Media zeichnen sich durch die Notwendigkeit des Erreichens einer kritischen Masse aus. Kenntnisse über den Schwellenwert, ab dem die kritische Masse überschritten wird (Tipping-Point) sind daher von großer Bedeutung für die Vermarktung. Im Mittelpunkt der Analyse eines kritische-Masse-Systems steht die Phase der Markteinführung eines Produkts bzw. einer Leistung als Innovation. Zu diesem Zeitpunkt sind Kenntnisse darüber erforderlich, wie das Produkt oder die Leistung von den potenziellen Nachfragern angenommen wird. Darüber hinaus sind Informationen erforderlich, wie sich das Produkt bzw. die Leistung am Markt durchsetzen wird. Diese beiden Aspekte lassen sich durch die Adoptions- und Diffusionstheorie abbilden: 5 Die Adoptionstheorie analysiert den individuellen Entscheidungsprozess von der Wahrnehmung eines neuen Produkts oder einer Leistung bis zur Übernahme. 5 Die Diffusionstheorie analysiert die zeitliche Entwicklung der Ausbreitung von Innovationen in einem sozialen System. Im Kontext von IKT ist von einem erweiterten Adoptionsbegriff auszugehen (vgl. Lier 2005, S. 32 f.). Hier entsteht die Adoption erst durch die Interaktion mit anderen Nutzern. Drei getrennte Vorgänge lassen sich unterscheiden: 5 Kaufakt: Um mit Individuen agieren zu können, ist der Besitz bzw. zumindest der Zugriff auf ein Endgerät erforderlich (Ja/Nein-Entscheidung). 5 Anschlussakt: Nachfrager müssen angemeldet sein, um über Endgeräte bzw. nachgelagert ein Netz kommunizieren zu können (Ja/Nein-Entscheidung). 5 Nutzungsakt: Hier geht es um die Intensität der Nutzung (variable Menge Entscheidung). Im Fall eines kritische-Masse-Systems, das auf IKT basiert, sind damit auch unterschiedliche Ebenen angesprochen. Beim Kaufakt sind primär die Hersteller der Endgeräte bzw. durch die Zugangsebene die Betreiber von Netzen betroffen. Der Anschluss- und Nutzungsaspekt berührt die Netzebene sowie die Anbieter von Diensten und Inhalten. Erst die dauerhafte Interdependenz zwischen Nachfragern und den genannten Anbietergruppen schafft die Voraussetzung zur Begründung eines kritische-Masse-Systems.

8

212

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

8.2.1  Diffusionsprozesse auf Netzwerkmärkten

Der Zusammenhang zwischen Preis und Absatz wird üblicherweise im Rahmen von Preis-Absatz-Funktionen dargestellt. Dabei handelt es sich um ein Aggregat von Nachfragemengen, die die einzelnen Marktteilnehmer zu einem bestimmten Preis tätigen. Auf Netzwerkmärkten, die als kritische-Masse-Märkte zu betrachten sind, ist diese Überlegung zu relativieren. Hier ist der Nutzen der Konsumenten abhängig a) von dem Preis eines Gutes sowie b) von der Größe des Netzwerkes und damit der Gesamtnachfrage selbst. z Rohlfs-Nachfragefunktion

8

Die Rohlfs-Nachfragekurve betrachtet die Wahlentscheidung, ein Gut bzw. eine Leistung anzunehmen oder nicht. Diese Entscheidung treffen die Konsumenten in Abhängigkeit des Preises und der erwarteten Netzwerkgröße (vgl. Rohlfs 1974). Dabei wird unterstellt, dass die Gesamtnachfrage ex-ante bekannt ist. Zur Verdeutlichung betrachten wir 100 Unternehmen, die an einem Netz von Videokonferenzen teilnehmen können (vgl. Welzel 2012): 5 Die Marktteilnehmer (n) lassen sich nach ihrer Größe absteigend sortieren:

n = 1, 2, . . . , 100

(8.1)

5 Der Wert des Netzes hängt von der Zahl der Teilnehmer ab. Größere Marktteilnehmer haben eine höhere Zahlungsbereitschaft (p(n)) als kleine. 5 Die Zahlungsbereitschaft eines Marktteilnehmers bei einer Zahl von erwarteten Teilnehmern (n′) beträgt:

(100 − n) · n′

(8.2)

5 Wenn die Zahl der erwarteten mit den tatsächlichen Marktteilnehmern übereinstimmt, also n = n′, gilt:

(100 − n) · n.

(8.3)

Daraus ergibt sich eine preisabhängige Nachfrage von:

p(n) = 100 · n − n2

(8.4)

Die Nachfragefunktion zeigt, wie hoch die Zahlungsbereitschaft einer bestimmten Anzahl an Nutzern für ein Netzwerkgut ist (. Tab. 8.1). Anhand des Zahlenbeispiels können wir erkennen, dass die Preis-Absatz-Funktion einen umgekehrten U-förmigen Kurvenverlauf besitzt (. Abb. 8.2): 1. Bei einer niedrigen Zahl der Nutzer sind diejenigen mit der größten Zahlungsbereitschaft im Markt, ihre effektive Zahlungsbereitschaft wird aber durch die geringe Netzgröße reduziert. 2. Mit zunehmender Netzgröße steigt der Wert des Netzes für die Nutzer (Netzeffekt) und damit ihre Zahlungsbereitschaft. Die Nachfragekurve weist einen steigenden Verlauf auf. 3. Dem Netzeffekt wirkt entgegen, dass zunehmend Nutzer in den Markt kommen, deren marginale Zahlungsbereitschaft für das Netzwerkgut abnimmt. Ab einer bestimmten Zahl von Nutzern dominiert dieser Effekt den Effekt der Netzgröße und führt zu einem fallenden Verlauf der Nachfragekurve (vgl. Linde 2008, S. 113 ff.).

213

8.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 8.1  Zahlenbeispiel zur Nachfrage nach Netzwerkgütern 100 · n − n2

Zahl der Unternehmen

p(n)

1

100 · 1 − 1

99

5

100 · 5 − 25

475

10

100 · 10 − 100

900

20

100 · 20 − 400

1600

30

100 · 30 − 900

2100

40

100 · 40 − 1600

2400

50

100 · 50 − 2500

2500

60

100 · 60 − 3600

2400

70

100 · 70 − 4900

2100

75

100 · 75 − 5625

1875

100

100 · 100 − 10.000

0

Preis

0

Nutzer in %

100

⇒ Im linken Segment steigt die Nachfrage aufgrund der zunehmenden Nutzerzahl (Basisnutzen, abgeleiteter Nutzen) ⇒ Im rechten Segment sinkt die Zahlungsbereitschaft neu hinzutretender Nutzer, da das Netz bereits eine gewisse Größe erreicht hat

. Abb. 8.2  Nachfragefunktion auf Netzwerkmärkten

Die Funktion unterstellt, dass der individuelle Nutzen aus der Verbreitung von Netzwerken und die daran gekoppelten Zahlungsbereitschaft begrenzt ist. Mit wachsender Erwartung der Netzwerkgröße steigt diese zwar immer noch an, jedoch mit abnehmenden Beträgen. Dieser Sachverhalt lässt sich äquivalent zum Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen (erstes Gossensches Gesetz) als abnehmende Netzeffektwirkung beschreiben. Die Marktteilnehmer reagieren bei insgesamt niedriger erwarteter Teilnehmerzahl auf eine Vergrößerung der erwarteten Teilnehmerzahl stärker, als wenn sich die erwartete Teilnehmerzahl bereits auf einem hohen Niveau befindet. Zu unterscheiden sind also mehrere Aspekte:

8

214

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

5 Der individuelle Nutzen eines Netzwerks ist aufgrund der Kontaktzahl mit nur einer Teilmenge aller Teilnehmer begrenzt. Dabei werden zunächst Kontakte in der persönlichen Nachbarschaft aufgebaut (vgl. Deckert 2012, S. 27 ff.). 5 Im gesamten Netzwerk gibt es viele solcher Teilmengen. Deshalb addieren sich die individuellen Nutzenfunktionen zu einem Gesamtnutzen, der von außen betrachtet hoch ausfällt. 5 Selbst bei einem stagnierenden individuellen Nutzen kann der Wert des Netzwerks insgesamt noch steigen, sofern positive externe Effekte zwischen den Teilnehmern bestehen. z Marktmodell

8

Wir wollen mögliche Ergebnisse in einem Marktmodell diskutieren. Wir gehen davon aus, dass die Anschlusskosten eines zusätzlichen Unternehmens an das Netz 2100 € betragen. Die Anbieter arbeiten mit hohen Fixkosten und geringen variablen Kosten bzw. Grenzkosten. Die Angebotskurve wird vereinfacht als horizontal verlaufende Durchschnittskostenkurve dargestellt (vgl. Linde 2008, S. 113 ff.). Übertragen in eine Grafik wird deutlich, dass es mehrere charakteristische Punkte gibt (. Abb. 8.3): 5 Punkt C: Es kommt zu einem Abwärtsdruck, wenn der Anteil der Nutzer (hier: 20) mit einer hinreichend hohen Zahlungsbereitschaft nicht ausreicht, um das Netzwerk zu stabilisieren. Die kritische Masse (Tipping-Point), die sich grafisch als Schnittpunkt von Preisgerade bzw. Durchschnittskostenkurve (2100 €) mit der Nachfragekurve darstellt, wird nicht erreicht. 5 Punkt A: Dieser Punkt ist als kritische Masse zu interpretieren. Es handelt sich gleichzeitig um einen instabilen Punkt, denn wird die kritische Masse überschritten, führt der sich selbst verstärkende Effekt der Netzwerkexternalität zu der Marktgröße in Punkt B. 5 Punkt B: Dieser Punkt gilt als ein stabiles Gleichgewicht. Es kommt ausgehend von Punkt A zu einem Aufwärtsdruck, wenn die Zahlungsbereitschaft hinreichend vieler

Preis

Nachfragefunktion

2.100 €

A

B

1.800 € 1.600 €

D C

0 20

30

70 75 Nutzer in %

. Abb. 8.3  Multiple Gleichgewichte auf Netzwerkmärkten

100

215

8.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

Nutzer oberhalb der Preislinie verläuft. Es kommt zu einem Schrumpfen des Netzwerkes in Richtung von Punkt B, wenn die Zahlungsbereitschaft von Nutzern unterhalb der Preislinie anzusiedeln ist (Punkt D). Die Überlegung, dass eine kritische Zahl an Käufern gefunden werden muss, bevor sich ein Produkt mit Netzeffekten am Markt durchsetzen kann, ist plausibel. Unklar ist aber wie groß denn die kritische Masse genau sein muss, damit der Markt sich selbst trägt. Die ökonomische Netzwerktheorie nennt hier eher allgemeine Faktoren wie Art des Gutes sowie die Kosten und Nutzen für den potenziellen Nutzer als wichtige Determinanten. Rogers geht im Kontext von Telekommunikationsdiensten von 10 % der potenziellen Nutzerpopulation aus (Rogers 1995, S. 32). Andere Autoren nennen, bezogen auf massentaugliche mobile Dienste, einen Schwellenwert, der bei ca. 1 Mio. Nutzer liegt (vgl. Dyballa und Kruschwitz 2005, S. 363). Studien sprechen dafür, die Penetrations-Strategie geringer Einstiegspreise zu wählen, um das Start-up-Problem der kritischen Größe zu überwinden und relativ früh ein hohes Maß an Marktdurchdringung zu erreichen (. Abb. 8.4). Dies können sogar Preise unterhalb der Grenzkosten sein. Sobald die Kosten bzw. Preise fallen, verschiebt sich der kritische Punkt nach links. In den Folgeperioden ist es dann möglich, anfängliche Verluste z. B. durch Preiserhöhungen oder den Verkauf komplementärer Güter wieder auszugleichen. Dieser Zusammenhang gilt tendenziell nur bei starken Netzeffekten. Bei schwachen Netzeffekten kann hingegen eine Preispolitik ähnlich wie bei traditionellen Produkten sinnvoll sein. Es ist nicht ohne weiteres vorauszusetzen, dass für jeden zusätzlichen Teilnehmer dauerhaft direkte (positive) Netzeffekte entstehen und der Wert des Netzes permanent steigt. Wenn eine bestimmte Größe oder Ausbreitung erreicht ist, kann es zu einem abnehmenden Wertzuwachs oder sogar zu einem sinkenden Wert des Gesamtnetzes kommen. Netzwerkgüter folgen daher in ihrer Verbreitung einem Muster, das stilisiert

Preis

Nachfragefunktion

2.100 €

A

B

1.800 € 1.600 €

D C

0 20

30

70 75 Nutzer in %

. Abb. 8.4  Preisstrategie auf Netzwerkmärkten

100

8

216

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

Nutzer

Preis Nachfragefunktion

Marktsättigung B

A

B Positive Rückkopplung A

0

8

Nutzer

100

Zeit

. Abb. 8.5  S-förmige Entwicklung eines Netzwerkmarktes

einem S-förmigen Verlauf aufweist: Flach in der Einführungsphase, steil beim Auftreten von Netzeffekten und wieder flacher in der Sättigungs-phase (. Abb. 8.5). Wie zuvor dargestellt, lässt sich die Verbreitung von Netzwerkgütern durch einen S-förmigen Verlauf abbilden. In der Einführungsphase ist ein flacher Verlauf erkennbar, anschließend verläuft die Funktion relativ steil und erreicht eine Sättigungsphase. Der S-förmige Verlauf erscheint plausibel, da die Adoption (Übernahme) eines neuen Produkts üblicherweise mehrheitlich aus dem Informationsaustausch zwischen den potenziellen Kunden und durch persönliche Netzwerke resultiert. Anfänglich sind Unsicherheiten mit neuen Produkten verbunden, die Kunden vom Kauf abhalten können. Mit steigender Anzahl an Kunden sowie durch den Austausch der Kunden reduzieren sich diese Unsicherheiten. Gleichzeitig wird die Informationssuche für Interessenten erleichtert. Ab einem bestimmten Punkt (Take-off) steigt die Anzahl Adoptionen dann rasch und die Innovation wird kumuliert betrachtet von einer Mehrheit übernommen. Dabei bleibt im Fall von Netzgütern zu berücksichtigen, dass der Nutzen nicht nur von den Eigenschaften des Produkts selbst abhängig ist, sondern auch von der Anzahl von Kunden, die das Produkt bereits besitzen (vgl. Liehr 2005, S. 11 ff.). Auf den ersten Blick ähneln solche Verläufe den aus anderen Zusammenhängen bekannten Lebenszyklusmodellen. Allerdings wird in Diffusionsmodellen die Degenerationsphase nicht explizit abgebildet (. Abb. 8.6). Die Höhe der Diffusionskurve zeigt das Ausmaß der Diffusion (Zahl der Nutzer), ihre Form und die Geschwindigkeit an (Monate, Jahre). Die Diffusionskurve weist auf vier wichtige Entscheidungen hin (vgl. Johnson et al. 2011; 7 Abschn. 8.2.2): 5 Positiver Wendepunkt: Die Nachfrage kann anfangs gering sein und nach Erreichen eines positiven Wendepunktes deutlich zunehmen. Dies gilt vor allem dann, wenn Netzeffekte wirken. 5 Plateau: Der Kurvenverlauf macht deutlich, dass es eine Marktsättigung gibt. Ein dauerhaftes Wachstum ist eher unwahrscheinlich.

217

8.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

Nutzer S-Kurve der Diffusion 2

Plateau

3 Wendepunkte (positiv, negativ)

Diffusion 1

Zeit

. Abb. 8.6  S-förmige Diffusionskurve

5 Ausmaß der Diffusion: Die individuelle Übernahme einer Innovation entspricht der Adoption. In der Regel werden aber nicht 100 % aller Nutzer erreicht. 5 Negativer Wendepunkt: Die Nachfrage kann plötzlich zusammenbrechen. Im Fall negativer Netzeffekte kann das Ausbleiben einer vergleichsweise geringen Zahl an Nutzern bereits große Wirkungen entfalten. Eine Diffusion ist daher kein Selbstläufer. Ausgangspunkt für formale Darstellungen des Diffusionsprozesses ist häufig folgende Differenzengleichung:

  dN(t)/dt = g(t) NMax − N(t) ,

mit

(8.5)

NMax = Marktsättigungsgrenze N(t) = Zahl der bis zum Zeitpunkt t kumulierten Erstkäufe NMax − N(t) = Bedarfslücke/unausgeschöpftes Marktpotenzial g(t) = Diffusionskoeffizient dN(t)/dt = Erstnachfrage nach einem Produkt in Zeitpunkt t Ziel der Diffusionsforschung ist die Bestimmung des Diffusionskoeffizienten g(t). Wenn g(t) als Funktion der bisherigen Adopter interpretiert wird, lässt sich folgende Gleichung formulieren:

g(t) = r + q · N(t)

(8.6)

Zur Erklärung des Diffusionsverlaufs wird vor allem der Kommunikationsaspekt herausgestellt. Hier wird zwischen persönlicher und Massenkommunikation unterschieden. Die Wirkung der Kommunikation kommt in den Koeffizienten r und q zum Ausdruck:

r - Massenkommunikation, die von der persönlichen Kommunikation zwischen den Marktteilnehmern nicht beeinflusst wird.

q · N(t) - IndividualkommunikationIndividualkommunikation, d. h. persönliche Beziehungen zwischen

den Marktteilnehmern

8

218

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

Wird (8.6) in (8.5) eingesetzt, lassen sich in Abhängigkeit von r und q, bzw. r oder q, drei verschiedene Grundmodelle entwickeln. z Exponentielles Diffusionsmodell

  dN(t)/dt = r NMax − N(t)

(8.7)

Die Variable r ist ein konstanter Koeffizient, der die von außen auf das soziale System einwirkende unpersönliche Kommunikation bzw. Massenkommunikation abbildet. Der Adoptionsanreiz entsteht damit von außen und geht vor allem von Innovatoren aus. Die Variable r wird als Innovationskoeffizient bezeichnet. z Logistisches Diffusionsmodell

  dN(t)/dt = q · N(t) NMax − N(t)

8

(8.8)

Während das exponentielle Modell von der Annahme ausgeht, dass keine interpersonelle Kommunikation innerhalb des sozialen Systems stattfindet, geht das logistische Modell davon aus, dass der Diffusionsprozess maßgeblich durch die vorhandene Käuferzahl [N(t)] bestimmt wird. Daraus folgt, dass der Adoptionsanreiz nur von Personen ausgeht, die sich innerhalb des sozialen Systems befinden. Es kommt zu Imitationsprozessen. Die Variable q wird daher auch als Imitationskoeffizient bezeichnet. z Semilogistisches Diffusionsmodell

  dN(t)/dt = r + q · N(t) NMax − N(t)

(8.9)

In diesem Modell werden sowohl die Innovatoren als auch die Imitatoren berücksichtigt. Es kann als Grund- oder Standardmodell der Diffusionsforschung bezeichnet werden, da es sowohl das exponentielle (q = 0) als auch das logistische (r = 0) Diffusionsmodell als Spezialfälle enthält. 8.2.2  Diffusionstheorie nach Rogers

Die Diffusionstheorie basiert auf den Arbeiten von Rogers (1962). Von Bedeutung für den Ablauf des Diffusionsprozesses sind die Kommunikationskanäle, der Zeitaspekt und das soziale System, in dem die Diffusion abläuft (vgl. Rogers 1995; . Abb. 8.7). Dieses Modell hat auch in der digitalen Welt seine Berechtigung (vgl. Preuss und Leonhardt 2014). 1. Innovationen Folgende Faktoren üben einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Übernahme (adoptability) einer Innovation aus: 5 Relativer Vorteil: Gemessen in ökonomischen Vorteilen, Sozialprestige und Nutzen ist der relative Vorteil ein Gradmesser für die subjektive Beurteilung der Innovation.

8.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

219

. Abb. 8.7  Einflussgrößen der Diffusion nach Rogers

5 Verträglichkeit: Je höher der Grad der Kompatibilität einer Innovation mit dem Umfeld der Zielgruppe (z. B. Wertvorstellungen, Bedürfnisse), desto zügiger wird die Verbreitung voranschreiten. 5 Komplexität: Die Adoption einfach zu verstehender und zu handhabender Innovationen ist in der Regel höher. 5 Möglichkeit der Probe: Innovationen, die vor der Adoption getestet werden können, verbreiten sich schneller, da der Grad der Unsicherheit bei den Kunden sinkt (Learning by Doing). 5 Beobachtbarkeit: Je leichter eine Innovation bzw. die Ergebnisse einer Innovation visuell zugänglich sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der Adoption. 5 Kommunizierbarkeit ist der Grad, zu dem die Resultate einer Innovation von Anderen wahrnehmbar sind. Zum Beispiel besteht eine technologische Innovation aus einer Hardware- und einer Softwarekomponente. Die Hardwarekomponente ist in der Regel gut zu beobachten, wohingegen die Softwarekomponente schwer zu beobachten ist. Die Kommunizierbarkeit korreliert positiv mit der Adoptionsrate. Die genannten Faktoren werden durch Einflussfaktoren ergänzt, die Risiken aus Anbietersicht beschreiben: 5 Das ökonomische Risiko beschreibt einen möglichen finanziellen Verlust aufgrund einer Fehlentscheidung. Dies kann den Verlust der Investitionssumme oder aber auch die Verfehlung eines Rentabilitätsziels bedeuten. 5 Das technische Risiko besagt, dass die Innovation nicht die erwartete technische Leistung erbringt.

8

220

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

5 Das soziale Risiko besteht darin, dass die Adoption einer Innovation nicht anerkannt wird. Aufgrund von Normen und Werten kann der soziale Status des Adopters sogar sinken. 2. Kommunikationskanäle Für die erfolgreiche Diffusion einer Innovation sind die Weitergabe und der Austausch von Informationen wichtig (Rogers 1995, S. 18). Der Austausch innovationsbezogener Informationen und die damit verbundene Kommunikation implizieren 5 das Vorhandensein einer Innovation, 5 ein Individuum oder ein soziales System mit Wissen über die Innovation, 5 ein Individuum oder soziales System ohne dieses Wissen und schließlich 5 einen Kommunikationskanal, der beide Einheiten miteinander verbindet.

8

Von Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen Massenmedien und interpersonellen Kanälen. Massenmedien beruhen auf sozialer Distanz. Zur eigenen Meinungsbildung tragen sie nur wenig bei. Hier haben interpersonale Kanäle den Vorteil, dass die Akteure sich kennen und intensiv Einfluss aufeinander nehmen (können). Um Informationen zu erhalten, bieten sich daher Kommunikationen mit sozial fernen Personen über (anonyme) Massenmedien an. Um zu einer entscheidungsrelevanten Überzeugung zu kommen, sind hingegen Kommunikationsprozesse mit nahen und direkt zugänglichen Freunden oder Bekannten von Bedeutung. 3. Zeit Im Diffusionsprozess werden mehrere Phasen und Stadien der Meinungsbildung durchlaufen (Rogers 1995, S. 20): 5 Kenntnisnahme, dass es ein Problem oder ein Bedürfnis und eine dazu passende Innovation gibt. 5 Meinungsbildung zu dieser Innovation mit dem Ziel, dass die Übernahme vorteilhaft ist. 5 Entscheidungsphase, die Innovation – zumindest probeweise – einzuführen. 5 Umsetzung und Bestätigung der Innovation. 4. Soziales System Der Diffusionsprozess wird in seinem Verlauf entscheidend von der Persönlichkeitsstruktur und von sozialen Positionen der Schlüsselakteure beeinflusst. In sozialen Systemen gleich welcher Art und Größe haben nicht alle Mitglieder die gleiche Chance auf Einflussnahme bzw. werden nicht alle gleich stark wahrgenommen. Diejenigen, die einen besonders großen Einfluss (in Relation zu anderen) ausüben, werden als Meinungsführer bezeichnet. Einfluss ausüben heißt, auf Einstellungen, Meinungen und dadurch indirekt auch Verhaltensweisen anderer einzuwirken. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Übernahme von Neuerungen lassen sich Innovatoren, frühe Übernehmer, frühe und späte Mehrheit sowie Nachzügler unterscheiden (. Tab. 8.2, . Abb. 8.8). Die Personen, die eine Innovation schnell übernehmen (2,5 %) und diejenigen, die sich nur wenig Zeit lassen (16 %), stellen die Minderheit dar. Die Abnehmergruppen, die eher mittlere Übernahmezeiten akzeptieren und als frühe bzw. späte Mehrheit bezeichnet werden, machen einen Anteil von 68 % aus.

221

8.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 8.2 Adoptergruppen Gruppe

Merkmale

Größe in % ∑

Innovatoren

Sie sind risikobereit. Sie kennen sich untereinander und stehen im persönlichen Kontakt. Sie verfügen über hinreichende finanzielle Mittel und sind in der Lage, den Neuigkeitsgrad von Entwicklungen zu beurteilen. Rückschläge in der Nutzung innovativer Produkte oder Leistungen sind wenig problematisch

2,5

2,5

Frühe Übernehmer

Sie sind stärker im lokalen Umfeld verankert und haben hohes Ansehen. Sie übernehmen häufig die Rolle der Meinungsführer, haben Vorbildfunktion und sind Ratgeber

13,5

16

Frühe Mehrheit

Sie wollen weder die Ersten noch die Letzten sein. Sie suchen oft Rat bei Mitmenschen und nehmen eine Adoption erst an, nachdem sie von den Erfahrungen der Innovatoren und frühen Übernehmer gehört und diese auch abgewogen haben. Sie nehmen im sozialen System keine Führungsrolle ein

34

50

Späte Mehrheit

Hauptmerkmal der Individuen in dieser Kategorie ist die Skepsis. Sie nehmen eine Innovation erst an, wenn sich bereits überdurchschnittlich viele Personen dafür entschieden haben. Denn Mitglieder der späten Mehrheit haben zumeist ein geringeres Einkommen und sind weniger informiert. Oft ist es eine Art Gruppendruck, der sie zur Adoption einer Innovation verleitet

34

84

Nachzügler

Sie sind an Traditionen und an lokalen Gruppen orientiert. Aufgrund der Homophilität ihrer Beziehungen im sozialen System übernehmen sie eine Innovation erst relativ spät. Entscheidungen basieren häufig nur auf bisherigen Erfahrungen

16

100

Die Prozentzahlen, nach denen die Einteilung in die fünf Klassen stattfindet, sind idealtypisch von der Normalverteilung abgeleitet. In der Regel findet Diffusion jedoch nur in seltenen Fällen auf dieser Basis statt. In der Regel reagieren die Adopter zögerlicher, sodass die Funktion linksschief oder rechtssteil verläuft. Die Vorstellung einer normalverteilten Diffusion ergibt sich u. a. aus der Bedeutung der Kommunikation. Die Kommunikation über Innovationen breitet sich zunächst langsam, dann schnell und dann wieder langsamer aus. Am Anfang sind es wenige Menschen, die die Innovation an viele kommunizieren können. Am Ende sind es viele Menschen, die die Innovation nur noch an wenige kommunizieren. 5. Diffusion Die Diffusionskurve, die sich aus der Aggregation der Adoptoren ergibt, ähnelt weitgehend einer der S-Kurve. Die Übergänge zwischen den Adoptergruppen sind fließend, jedoch wird deutlich, dass zu Beginn des Prozesses nur wenige Personen zur Übernahme bereit sind. Entscheidend für einen erfolgreichen Adoptionsprozess ist die Überschreitung einer kritischen Schwelle, die bei 20–25 % der potenziellen Adoptoren als erreicht gilt (Rogers 2003, S. 274).

8

222

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

8

. Abb. 8.8  Adoptergruppen und Diffusionskurve

Jede der Phasen des Adoptionsprozesses lässt sich durch geeignete Maßnahmen unterstützen. So besteht z. B. die Möglichkeit über Meinungsführer die Phasen „Interesse, Meinungsbildung und Entscheidung“ zu unterstützen. Die Meinungsführer kommunizieren anschließend mit ihren Bezugsgruppen und können im günstigsten Fall zur Übernahme der Innovation beitragen. Der Übergang zwischen den ersten beiden Nutzergruppen (Innovatoren und Früheinsteiger) und der frühen und späten Mehrheit ist jedoch diskontinuierlich. Zwischen diesen besteht eine Lücke oder Kluft (chasm), die überwunden werden muss. Zum einen ist dazu ein detailliertes Verständnis der Käufergruppen links und rechts des Spaltes erforderlich. Zum anderen sind gezielte Marketingstrategien für die Überquerung zu entwickeln (vgl. Moore 2014). So sollte ein Unternehmen sich z. B. zunächst in Marktnischen festsetzen, diese ausbauen und von der gesicherten Basis aus den Massenmarkt entwickeln. Steigt das Unternehmen zu früh und zu hastig ein, ist ein Misserfolg möglich. Die Adoptionsgeschwindigkeit, so denkbare Hypothesen, steigt mit 1. zunehmendem relativen Vorteil, zunehmendem Kompatibilitätsgrad, sinkendem Komplexitätsgrad, zunehmender Erprobbarkeit der Innovation. 2. zunehmender Kommunizierbarkeit und abnehmendem Risiko der Innovation.

8.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

223

3. abnehmendem Alter, zunehmendem Bildungsniveau, zunehmendem Einkommen und sinkender Preissensibilität der Adopter. 4. abnehmender Tendenz zur Meinungssuche und abnehmender abwartender Haltung der Adopter. Im Kontext von Netzwerkgütern sind die S-förmigen Diffusionsverläufe zu relativieren (vgl. Wendt et al. 2000; Kretschmer 2008): 5 Besonderheit 1: Die Nutzer sind interdependent. Durch Kommunikation zwischen Nutzern oder Produktion von Komplementärgütern kann sich die Diffusionskurve im Verlauf und in der Steigung verändern. 5 Besonderheit 2: Die Technologien sind interdependent. Diffusionskurven komplementärer Güter sind miteinander verknüpft. Beispielsweise sind die Diffusionspfade von Spielkonsolen und Videospielen stark korreliert und beeinflussen sich gegenseitig. 5 Besonderheit 3: Die Technologiegenerationen sind interdependent. Eine neue (bessere) Generation muss sich gegen die etablierte Technologie mit vielen Nutzern (installierte Basis) und zahlreichen Komplementärgütern durchsetzen. Diffusionskurven hängen dann von der Qualität und Durchdringung der bestehenden Generation ab. Eine typische Diffusionskurve für Netzeffektgüter (komplementäre Güter) ist daher durch Linksschiefheit gekennzeichnet, woraus sich ein verzögerter Verlauf in der Übernahme ergibt. Diese verzögerte Diffusion liegt im Wesentlichen daran, dass die Diffusion von Netzeffektgütern eine kritische Masse erfordert. Ist diese nicht erreicht, befindet sich das System in einer instabilen Phase, die mit einem relativ hohen Grad an Unsicherheit für die potenziellen Adopter einhergeht. Es ist unklar, ob sich ein Netzwerkgut etablieren wird, um den erforderlichen Derivativnutzen voll zu entfalten. Jeder potenzielle Adopter beobachtet deswegen zunächst das Verhalten der anderen potenziellen Adopter und verhält sich selbst mit der eigenen Entscheidung für den Netzbeitritt zögerlich. Nach Überschreiten der kritischen Masse geht der Prozess in die stabile Phase über (vgl. Hagenhoff 2003, S. 20 ff.). Ziel der Diffusionsforschung ist es, die Verbreitung von Innovationen zu erklären. Eine Innovation liegt dann vor, wenn sie aus Sicht des Nachfragers subjektiv als Neuheit erscheint. Gegenstand der Adoptionsforschung ist die Frage, welche Faktoren dazu führen, dass ein Konsument eine Innovation annimmt. Die Diffusion ist die Aggregation der individuellen Entscheidungen der Übernahme einer Innovation vom ersten bis zum (theoretisch) letzten Käufer in einem sozialen System. Die Basismodelle beschreiben eher Singulärgüter. Im Fall von kritische-Masse-Systemen, die auf Systemgütern der IKT beruhen, verläuft die Adoption hingegen in drei Schritten: 5 Im Kaufakt wird ein Endgerät erworben, um Zugriff auf das System zu erhalten. 5 Im Anschlussakt wird sichergestellt, dass eine Kommunikation zwischen den Teilnehmern möglich wird. 5 Im Nutzungsakt entscheidet sich, wie intensiv das System genutzt wird. Ist die Nutzungsintensität gering, können sich Nachfragesynergien nicht entwickeln. In einem solchen Fall wird ein Teilnehmer seinen Anschluss wieder abmelden, d. h. die Adoption ist im Gegensatz z. B. beim Kauf von Singulärgütern reversibel (vgl. Budde 2012, S. 42).

8

224

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

. Tab. 8.3  Güterkategorien, Netzeffekte und Nutzen (vgl. Schoder 1995, S. 6) Merkmale

Netzeffekte

Nutzen

Beispiel

8

Güterkategorien Singulärgüter

Netzgüter i. e. S.

Systemgüter

Indirekt

Nein

Ja

Ja

Direkt

Nein

Nein

Ja

Originär

Ja (Hoch)

Ja

Nein (Gering)

Derivativ

Nein

Ja

Ja (Hoch)

Lebensmittel

Software/Hardware

Telefonnetz

Nutzen ist nicht abhängig vom Verbreitungsgrad, keine Komplementarität

Hohe Komplementarität zu anderen Gütern, hohe derivative Nutzenanteile

Die Aussagen der klassischen Adoptions- und Diffusionstheorie lassen sich daher zwar nicht undifferenziert auf Netzgüter bzw. Systemgüter übertragen, sie führen aber zu einem Grundverständnis zum Ablauf von S-förmig verlaufenden Innovationsprozessen (. Tab. 8.3; vgl. Born und Blattmann 2008). Weitergehende Modelle entwickeln einen allgemeinen formalen Rahmen, der sich auf unterschiedliche Situationen anpassen lässt (z. B. Einprodukt- und Mehrproduktmärkte, Güter mit oder ohne Wiederholungskäufe; vgl. Grishchenko 2007). Nachfolgend stehen drei Aspekte im Vordergrund: 5 9.3.1: Verbreitung von Gütern durch Kommunikation und innerhalb von Rahmenbedingungen des sozialen Systems. 5 9.3.2: Verbreitung von Gütern durch Innovatoren und Imitatoren. 5 9.3.3: Verbreitung von Informationsgütern in sozialen Netzwerken. 8.2.3  Innovation und Imitation

Das erste formale Modell zur Beschreibung des Diffusionsprozesses stammt von Bass. Sein semilogistisches Modell unterscheidet nicht wie Rogers fünf Gruppen, sondern nur die Gruppen der Innovatoren und Imitatoren (vgl. Bass 1969; . Abb. 8.9). Der Unterschied zwischen beiden Gruppen liegt im Zeitpunkt der Adoption und der Form der Kommunikation, nach denen sich die Adoption richtet (vgl. Karnowski 2011, S. 81 ff.; Jacob 2009, S. 190 ff.): 5 Die Innovatoren beziehen ihre Informationen über Innovationen vorrangig aus Massenmedien. Der Innovationskoeffizient (r) beschreibt eine konstante Adoptionsneigung, die unabhängig von der Anzahl jener Konsumenten ist, welche die Innovation vor dem Zeitpunkt (t) angenommen haben. Er lässt sich z. B. durch Werbung beeinflussen. 5 Auch Imitatoren beziehen ihre Informationen aus den Massenmedien, jedoch werden sie stark von den Innovatoren und damit durch die persönliche Kommunikation beeinflusst. Der Imitationskoeffizient (q) repräsentiert das Ausmaß an erfolgreicher Interaktion (z. B. durch Mundpropaganda) zwischen Innovatoren und Imitatoren. Der Effekt personeller Einflüsse durch die Anzahl bestehender Nutzer kann mit dem externen Effekt bei Netzeffektgütern gleichgesetzt werden (vgl. Kölln 2011, S. 4).

8.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

225

. Abb. 8.9 Bass-Modell

Wir nehmen an, der Innovationskoeffizient beträgt 0,03 und der Imitationskoeffizient 0,38. Dies sind Durchschnittswerte aus empirischen Untersuchungen. Bezogen auf die digitale Ökonomie können Imitationseffekte größer als in traditionellen Märkten ausfallen, da die Kommunikationsprozesse kostengünstiger und schneller ablaufen. Auch Innovationseffekte werden tendenziell größer, da z. B. vielfältige Produktinformationen zur Verfügung stehen, die Impulse für neue Ideen geben. In einem Beispiel ausgehend von 10 Mio. potenziellen Nutzern ergeben sich in der ersten Periode 300.000 Innovatoren (. Tab. 8.4). Für Periode 2 gilt:

Innovatoren = 0,03 · 9.700.000 = 291.000

(9.10)

Imitatoren = (0,38 · 300.000 · 9.700.000)/10.000.000 = 110.580

(9.11)

Grafisch ergibt sich ein S-förmiger Verlauf der Diffusionskurve. Nach etwa 15 Perioden ist in unserem Zahlenbeispiel die Marktsättigung erreicht (. Abb. 8.10). Von Bedeutung für den Verlauf der Diffusionskurve ist das Verhältnis der Parameter r und q. Folgende Fälle lassen sich unterscheiden: z Fall 1: r und q relativ groß

In diesem Fall kommt es zu einer raschen Übernahme der Innovation (. Abb. 8.11). Die kritische Masse wird relativ schnell erreicht. Die Diffusionskurve hat dann einen steileren Verlauf. Ursächlich sind folgende Faktoren: 5 Netzeffekte: Der Nutzen für Käufer, ein Gut zu erwerben, ist umso höher, je mehr andere Wirtschaftssubjekte es gibt, die bereits im Besitz dieses Gutes sind. 5 Standards: Die Existenz bzw. die Einführung von Standards beschleunigt die Diffusionsgeschwindigkeit und hilft bei der Überwindung des Start-up-Problems von Netzeffektgütern.

8

226

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

. Tab. 8.4  Zahlenbeispiel zum Bass-Modell Periode

Innovatoren (1)

Imitatoren (2)

Adopter (1) + (2)

Adopter kumuliert

Verbleibendes Potenzial

0

0

0

0

0

10.000.000

1

300.000

0

300.000

300.000

9.700.000

2

291.000

110.580

401.580

701.580

9.298.420

3

278.953

247.896

526.849

1.228.429

8.771.571

4

263.147

409.460

672.607

1.901.036

8.098.964

5

242.969

585.064

828.033

2.729.068

7.270.932













10

92.250

809.188

901.439

7.826.426

2.173.574

10.852

132.492

143.344

9.781.595

218.405

… 15

8

. Abb. 8.10  Simulation einer Diffusionskurve

5 Erwartungen: Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit des Gutes am Markt. 5 Preise: Die kritische Masse an potenziellen Käufern lässt sich durch günstige Einstiegspreise beeinflussen. 5 Mitläufereffekt: Personen kaufen umso mehr von einem Gut, je größer die Menge ist, die andere Personen von dem gleichen Gut kaufen. Ursächlich ist hier der Wunsch nach Nachahmung. z Fall 2: r und q niedrig

In diesem Fall kann sich ein Markt nicht entwickeln (. Abb. 8.12). Ursächlich ist, dass die für einen Take-off relevanten Faktoren nicht greifen, z. B. wenn kein Vertrauen in die Durchsetzung eines Gutes besteht, keine Standards existieren oder falsche Preise gewählt werden. Hinzu kommen Abstimmungsprobleme zwischen Nutzern oder zwischen Anbietern. So könnte der Nutzen aller Marktteilnehmer erhöht werden, wenn diese sich für einen Übergang zu dem neuen Netzwerk oder Standard entschieden. Die Akteure sind jedoch unsicher, ob ein solcher Übergang tatsächlich stattfindet. Die Unsicherheit

8.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

227

. Abb. 8.11  Diffusion und kritische Masse

. Abb. 8.12  Erfolgloser Diffusionsverlauf und Pinguin-Effekt

bezüglich der Reaktion der anderen Marktteilnehmer kann dazu führen, dass die Akteure in ihrem bisherigen Zustand verharren. Dieses Abstimmungsproblem des gegenseitigen Beobachtens wird als PinguinEffekt bezeichnet, wobei der Namensgebung eine Analogie zugrunde liegt. Hungrige Pinguine stehen am Rande einer Eisscholle. Aus Angst vor Raubfischen hoffen sie, dass andere Pinguine zuerst in das Wasser springen, um das damit verbundene Risiko – Opfer eines Raubfisches zu werden – auszuloten. Sobald einige Pinguine den Sprung gewagt haben, hat sich die Gefahr für die anderen Pinguine verringert und die „Trittbrettfahrer-Pinguine“ folgen nach (vgl. Farrell und Saloner 1987). Wenn jedoch keiner springt, verhungern alle.

8

228

8

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

Ursächlich für Widerstände gegen die Diffusion von Netzwerkgütern sind eine Vielzahl von Faktoren (vgl. Lier 2005, S. 33 ff.). Dazu zählen Maßnahmen der Wettbewerber, die die Verbreitung von Netzwerkgütern des konkurrierenden Unternehmens einschränken (z.  B. Aufbau von Mobilitätsbarrieren für Nachfrager), technische Barrieren (z. B. bei Übertragungsgeschwindigkeiten), rechtliche Hemmnisse (z. B. Anforderungen des Datenschutzes) oder auch soziale Umfeldbedingungen (z. B. Kommunikationsgewohnheiten). Im Fall von kritische-Masse-Systemen ist der S-förmige Verlauf der Diffusionskurve zu relativieren. Der Grund liegt darin, dass Teilnehmer, die sich einem solchen System anschließen, darauf vertrauen, dass andere Teilnehmer es ihnen gleichtun (wechselseitige Interdependenz). Die Erwartungshaltung der ersten Anwender bezieht das Adoptions- und Nutzungsverhalten der nachfolgenden Nutzer ein. Stellt sich heraus, dass sich die Nutzungsintensität als zu gering erweist, können sich früher Adopter wieder vom System abmelden. Die Adoption ist daher im Gegensatz zum Erstkauf von Singulärgütern reversibel. Die kann zu einem Rückgang der Diffusion von kritische Masse-Systemen und gegebenenfalls ihre Existenz gefährden. Die Entwicklung von kritische Masse-Systemen muss daher nicht monoton ansteigen, sondern kann sich in Schüben vollziehen (vgl. Hensel und Wirsam 2008, S. 20 ff.). Von zentraler Bedeutung sind daher Nachfragewiderstände. Sie umfassen alle Einflussfaktoren, die den Kauf (Kaufwiderstände) oder die Nutzung (Nutzungswiderstände) der für die Adoption von kritischen Masse-Systemen notwendigen Endgeräte betreffen. Kaufwiderstände können den Hersteller des Endgerätes oder das Endgerät selbst betreffen. Nutzungswiderstände resultieren daraus, dass Nachfrager das Endgerät nicht oder nicht intensiv zur Kommunikation verwenden. Sinnvoll erscheint es, hier eine Segmentierung von Kundengruppen vorzunehmen (z. B. auf Basis der Diffusionstheorie von Rogers). z Fall 3: r  q

In diesem Fall dominiert der Innovationseffekt. Es kommt zu hohen Verkaufszahlen unmittelbar nach der Einführung, danach verläuft der Umsatz rückläufig. Das Modell erlaubt also eine Unterscheidung von Fallgruppen, die Aussagekraft ist allerdings beschränkt: 5 Der Diffusionsprozess wird als eine Funktion in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt. Andere Einflüsse werden ausgeblendet. 5 Die Parameter des Modells (u. a. Zahl der Adopter, Diffusionsparameter) bleiben über die Zeit konstant. 5 Es handelt sich um ein Ein-Gut-Modell (vorrangig langlebige Gebrauchsgüter, keine Wiederholungskäufe). Im Fall komplementärer Güter sind andere Ergebnisse zu erwarten. 5 Die Individuen werden als homogen betrachtet. Soziodemografische Merkmale, die die Adoption beeinflussen, werden nicht einbezogen.

229

8.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

Der Nutzen des Modells besteht in der Identifikation von Einflussgrößen des Diffusionsprozesses (z. B. durch Preisgestaltung, Werbung) sowie in der Betonung der Kommunikation im Rahmen der Produkteinführung. Durch die Weiterentwicklung des Grundmodells lassen sich einige der genannten Einwände relativieren (vgl. Schmidt 2009, S. 52 ff.; Gebauer 2014, S. 40 ff.). In diesem Fall lässt sich das Modell z. B. zur Abschätzung des Marktpotenzials und der Marktentwicklung auch auf Aspekte der digitalen Welt übertragen (vgl. Naseri und Elliott 2009, S. 5). 8.2.4  Kommunikation in sozialen Netzwerken

Soziale Netzwerke und Plattformen haben niedrige Eintrittsbarrieren für die Produktion und die Verbreitung von Informationen. Ihre hohe Reichweite, ihre permanente Verfügbarkeit und die enorme Geschwindigkeit führen dazu, dass traditionelle Medien zunehmend als Informationsquelle bedrängt werden. Ursächlich für diesen Bedeutungszuwachs der sozialen Netzwerke ist u. a. auch ihr struktureller Aufbau. Aus ökonomischer Sicht sind vor allem zwei Aspekte von Bedeutung. 1. Keine Normalverteilung von Verbindungen Bei den Untersuchungen der Struktur des WWW erwarteten Wissenschaftler auch bei sozialen Netzwerken ein Zufallsnetzwerk vorzufinden. Angesichts der großen Anzahl von Personen oder Websites sollte ein Zufallsmuster und eine Normalverteilung (Glockenkurve) zu erkennen sein. Untersuchungen zeigen jedoch, dass das WWW von wenigen großen und verbindungsreichen Knoten zusammengehalten wird (. Abb. 8.13). Die Verteilung der Knoten ist nicht gleich und nicht normalverteilt. Netze dieser Art weisen eine Eigenschaft auf, die skalenfrei (d. h. ohne repräsentatives Mittelmaß) genannt wird. Die Verteilung der Verbindungen nach ihrer Größe folgt einem Potenzgesetz (power law; vgl. Barabási 2003, S. 9 ff.).

Anzahl Knoten mit k-Verbindungen Sehr viele Knoten mit wenigen Verbindungen

Wenige Knoten mit sehr vielen Verbindungen

Anzahl Verbindungen (k) Nachrichten, die jeweils von einem Knoten zu Nachbarknoten weitergereicht werden, erreichen in kurzer Zeit alle Knoten in dem Netzwerk (Kleine-Welt)

. Abb. 8.13  Eigenschaften webbasierter sozialer Netzwerke

8

230

8

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

Skalenfrei ist also ein Netz, wenn die Anzahl der Verbindungen nach einem Potenzgesetz so verteilt ist, dass wenige Knoten sehr viele Verbindungen, die meisten der Knoten aber nur eine geringe Anzahl an Verbindungen aufweisen. Das heißt, es bilden sich wenige, gut vernetzte Zentren heraus, die Hubs genannt werden. Dass sich Netze natürlicherweise skalenfrei organisieren, hat einen ökonomischen Grund: Wenn eine Nachricht von Knoten A zu Knoten B das Netzwerk durchqueren muss, will sie möglichst wenige Verbindungspunkte (Hops) durchlaufen. Das geht besser, wenn es zentrale Mittler (Hubs) gibt, die mit vielen Knoten verbunden sind. Wäre die Anzahl der Verbindungen zwischen den Knoten gleich verteilt, würde die Nachricht viel mehr Hops für ihre Distribution benötigen. Durch diese Konzentration auf (verhältnismäßig) wenige Hubs entstehen die eigentlichen Strukturen in Netzwerken. Skalenfreie Netzwerke sind inzwischen in vielen Bereichen erforscht, z. B. bei der Zitierung von wissenschaftlichen Artikeln, bei Stromnetzen und Flugverbindungen sowie auch bei Beziehungen in sozialen Netzwerken. Es existiert zwar ein Netz, in dem zwar theoretisch jeder mit jedem verknüpft werden kann, jedoch werden durch Präferenzen gerade jene bevorzugt, die bereits viele Verbindungen aufweisen. Diese Verknüpfungsvorliebe begünstigt aus ökonomischer Sicht das Entstehen monopolähnlicher Situationen. 2. Schneller Informationsaustausch Analysen zeigen, dass skalenfreie Netzwerke – und auch soziale Netzwerke – häufig Strukturen haben, die Kleine-Welt-Netzwerken entsprechen. Der Ausdruck basiert auf einem Experiment aus dem Jahre 1967. Darin wurden Probanden aus einer festgelegten Menge an Teilnehmern zufällig ausgewählt, welche Briefe an eine Person in Massachusetts/USA senden sollten. Dies erfolgte nicht auf direktem Weg, sondern vielmehr über den Sendern bekannte Personen, bei der die Wahrscheinlichkeit höher war, die Zielperson zu kennen und zu erreichen. Durch das Weiterleiten der Briefe entstand jeweils eine Netzwerkstruktur, bei der durchschnittlich sechs Akteure genügten, um die Zielperson zu erreichen. So entstand der Ausdruck six degrees of separation (vgl. Travers und Milgrom 1969). Nahezu jeder Knoten des Netzwerkes weist eine gewisse Nähe zu fast jedem anderen Knoten auf, auch wenn diese räumlich weit voneinander entfernt sind. Es reichen durchschnittlich sechs Knoten aus, um eine solche Distanz zu überbrücken. Eine Nachricht, die von einem Knotenpunkt zum Nachbarn weitergegeben wird, kann damit in kurzer Zeit alle Knoten des Netzes erreichen. Obwohl damit zwar jedes Mitglied innerhalb weniger Schritte mit anderen Mitgliedern in Kontakt treten kann, bleiben in der Regel jedoch starke Ballungen erhalten, die die Bedeutung von Meinungsführern in sozialen Netzwerken hervorheben. 3. Tipping-Point Auch in sozialen Netzwerken lässt sich, bezogen auf die Durchsetzung von Meinungen, ein Tipping-Point identifizieren. Dieser lässt sich als kritische Masse, die notwendig ist, damit eine Botschaft oder ein soziales Verhalten eine Schwelle überschreitet (vgl. ­Gladwell 2000). Der Prozess kippt nach Erreichen der Schwelle um und verbreitet sich nach bestimmten Mustern. Werden diese Muster erkannt, lassen sie sich zur gezielten Stimulierung z. B. von viralen Marketing-Strategien einsetzen. Hinweise auf den Ablauf gibt u. a. die Theorie des Schwellenwertes (vgl. ­Granovetter 1978). Das Modell beschränkt sich auf positive oder negative Entscheidungen, deren

8.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

231

Wahl davon abhängt, wie viele andere Individuen sich schon für die eine oder andere Möglichkeit entschieden haben. Die Wahrnehmung der Schwellenwerte ist nicht statisch, sondern lässt sich beeinflussen. Nehmen wir dazu an, dass die Meinungen von Bekannten in einem sozialen Netzwerk einen größeren Einfluss auf die Einstellung einer Person haben als die Meinungen von Fremden. Wir gehen von einem Faktor von Zwei aus. Person A hat einen Schwellenwert von 50 % in einer Menge von 100 Personen. Dieser Punkt soll dem Tipping-Point entsprechen, ab dem ein Mitläufereffekt ausgelöst wird. 48 Personen teilen seine Meinung (Gruppe A) und 52 (Gruppe B) nicht. Person A kennt aus Gruppe A fünfzehn Personen und aus Gruppe B fünf Personen. Aufgrund der gewichteten Verteilung nimmt Person A statt einer Teilnehmerquote von 48 % eine gewichtete Quote von 52,5 % wahr und wird sich der Meinung anschließen (. Abb. 8.14). In diesem Kontext findet sich häufig ein Bezug zum Pareto-Prinzip der 80/20 Regel. Bei einer Informations-Epidemie fällt dieses Verhältnis weitaus extremer aus. Einige wenige Informationsträger werden infiziert und eine Nachricht verbreitet sich massenhaft zunächst ohne erkennbaren Grund. Damit sich eine Information beim Rezipienten einprägt und letztendlich zum Weiterverbreiten motiviert, muss sie jedoch verankert sein. In der aktuellen medialen Reizüberflutung werden viele Botschaften nicht wahrgenommen und unmittelbar verdrängt. Um den Tipping-Point zu erreichen, müssen nach Gladwell drei Regeln beachtet werden (vgl. Gladwell 2000, S. 48 ff.):

. Abb. 8.14  Tipping-Point einer Botschaft in einem sozialen Netzwerk

8

232

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

a) Gesetz der Wenigen (Überträger des Virus): Gladwell unterteilt die Menschen in Gruppen und unterstellt, dass es nur wenigen Menschen vorbehalten ist, zentralen Einfluss auf die Verbreitung einer Botschaft zu nehmen: 5 Vermittler, die über außergewöhnlich viele, eher schwache Verbindungen verfügen, die sie jedoch pflegen. Sie vermitteln Botschaften in sozialen Netzwerken, rufen sie aber nicht selbst ins Leben. Sie sind so etwas wie der soziale Klebstoff der Gesellschaft. 5 Kenner verfügen über das Wissen und die gesellschaftlichen Fähigkeiten, um Botschaften gezielt zu verbreiten. Sie sind die gesellschaftlichen Datenbanken. 5 Verkäufer besitzen die Fähigkeit, andere Personen von einer Botschaft zu überzeugen und sie zum Handeln zu bewegen. b) Verankerungsfaktor (Ansteckungspotenzial): Dieser Faktor charakterisiert die Art der Übertragung und ist wichtig, um die Botschaft bei den Empfängern zu verfestigen (z. B. durch Wiederholungen). c) Macht der Umstände (Nährboden): Der Tipping-Point wird nur erreicht, wenn die Umstände es zulassen. Diese Umstände sind situationsabhängig zu betrachten.

8

8.3  Übungen

66. Nachfragefunktion auf Netzwerkmärkten Beschreiben Sie den Verlauf der Nachfragefunktion auf Netzwerkmärkten. 67. Rohlfs-Nachfragefunktion und kritische Masse Gehen Sie davon aus, dass 100 Unternehmen an einem Netz von Videokonferenzen teilnehmen wollen. Die Nachfrage ist gegeben durch die Funktion: p(n) = 100 n − n2. Die Anschlusskosten eines zusätzlichen Unternehmens an das Videokonferenznetz betragen 2100 €. a) Konstruieren Sie die Rohlfs-Nachfragefunktion. b) Welches Marktergebnis würden Sie erwarten? Berücksichtigen in diesem Kontext auch die kritische Masse. c) Welche Auswirkungen haben fallende Preise bzw. Kosten auf den Tipping-Point? 68. Gleichgewichte auf einem Netzwerkmarkt Die nachfolgende Grafik zeigt Ihnen die Situation auf einem Netzwerkmarkt (vgl. Kist 2012). Die Größe z kennzeichnet die Aversion bezüglich der Nachfrage nach dem Netzwerkgut. Nutzer, deren Aversion nahe 0 liegt, haben eine hohe Nachfragepräferenz und sind bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Nutzer deren Aversion nahe 1 liegt, interessieren sich nicht besonders für das Gut. Sie werden nur dann beitreten, wenn der Preis sehr niedrig ist.

233

8.3 · Übungen

Interpretieren Sie die Situation, wenn der Preis bei p0 bzw. bei p1 liegt. 69. Netzeffekte und Nutzenkategorien a) Beurteilen Sie die Relevanz von Netzeffekten und Nutzenkategorien bei folgenden Güterkategorien (Ja/Nein). Güterkategorien Merkmale Netzeffekte

Singulärgüter

Netzgüter i. e. S.

Systemgüter

Indirekt Direkt

Nutzen

Originär Derivativ

b) Die Kosten von Spielekonsolen liegen in der Regel um ca. 50 % höher als der Verkaufspreis (ca. 250–400 €). Die Konsolenhersteller haben in der Vergangenheit ihre Konsolen subventioniert, indem sie eigene Videospiele herstellten und verkauften, aber auch Gebühren von Spielherstellern einnahmen, die kompatible Spiele produzierten. So kosten manche Konsolenspiele bis zu 60 €. Wie beurteilen Sie diese Preisstrategie der Spielekonsolenhersteller? Diskutieren Sie, welche Gründe die Spielekonsolenhersteller zu solch einer Preisstrategie veranlassen könnten. 70. Diffusionskurve a) Erläutern Sie die Grundannahmen des exponentiellen und des logistischen Diffusionsmodells. b) Auf welche (vier) wichtigen Entscheidungen verweist die Diffusionskurve? c) Wodurch unterscheidet sich die Diffusionskurve vom Produktlebenszyklus? 71. Diffusionsmodell von Rogers a) Welche (fünf) Produktmerkmale haben im Modell von Rogers Einfluss auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Innovation? b) Welche Gruppen unterscheidet Rogers im Kontext der Diffusion?

8

234

8

Kapitel 8 · Kritische-Masse-Phänomen

c) Sie sollen die Diffusion des E-Book Readers Kindle im Rahmen einer empirischen Untersuchung erklären. Welche der nachfolgenden Variablen würden Sie als unabhängige und abhängige Variable formulieren? Werbung, Ausbreitungsgeschwindigkeit, Produktmerkmale, Personenmerkmale, Zahl der erreichten Zielkunden. – Stellen Sie den idealtypischen Verlauf einer Adoptions- und Diffusionskurve nach Rogers in einer geeigneten Grafik dar. Ordnen Sie die Gruppen ­„Innovatoren“ und „Frühe Übernehmer“ in die Grafik ein. – E-Book Reader und E-Books sind aus ökonomischer Sicht komplementäre Güter. Erläutern Sie grafisch und verbal, wie sich die idealtypischen Adoptionsund Diffusionskurven im Fall von komplementären Gütern verändern können. 72. Bass-Modell Das Unternehmen e-smell.com plant den Vertrieb duftender E-Mails über das Internet. Der Geschäftsführer prognostiziert für diese Innovation ein Marktpotenzial von 10 Mio. PC-Nutzern. Grundlage für die Prognose der Absatzmenge ist das Diffusionsmodell von Bass. a) Unterstellt werden ein Innovationskoeffizient (r) von 0,03 und ein Imitationskoeffizient (q) von 0,38. Welche Informationen liefern Ihnen diese beiden Koeffizienten? b) Prognostizieren Sie die Absatzmenge mithilfe des Diffusionsmodells von Bass für die ersten fünf Perioden. Hilfestellung: Innovatoren: r · restliches Potenzial Imitatoren: (q · kumulierte Anzahl Adoptoren · restliches Potenzial)/Marktpotenzial Periode

Innovatoren

Imitatoren

Adoptoren

Adoptoren kumuliert

Verbleibendes Potenzial

0

0

0

0

0

10.000.000

1 2 3 4 5 (in Anlehnung an Skiera, B. 2002: Universität Frankfurt/Main. Vorlesung: Business Pläne und Marktforschung im Internet. Sommersemester).

73. Mitläufer- und Pinguineffekt a) Erläutern Sie die Einteilung der Innovatoren und Imitatoren im Bass – Modell. Welche Bedeutung haben die Begriffe „Marktpotential“ und „restliches Potential“? Wie lässt sich der typische Absatzverlauf im Bass-Modell erklären?

235 Literatur

b) Im Diffusionsmodell von Bass ist die Verbreitung von Innovationen auf Märkten vor allem abhängig vom Verhältnis von Innovationskoeffizient (r) und Imitationskoeffizient (q). Empirisch können folgende Fälle beobachtet werden: – q > r – r und q hoch – r  20). Auf den ersten Blick erscheinen First-Mover-Strategien sinnvoll. Das erste Unternehmen am Markt kann eine installierte Basis aufbauen und Netzeffekte realisieren.

9

246

Kapitel 9 · Winner-takes-it-all-Phänomen

9 . Abb. 9.7 First-Mover-Vorteil

Dadurch können sich Vorteile beim Marktanteil, der Marge und der Marktposition ergeben. Ein dauerhafter Markterfolg ist jedoch nicht gesichert, da die First-Mover-Strategie auch mit Risiken konfrontiert ist (vgl. Busch 2019, S. 21 ff.): 5 Folger können von Investitionen des Pioniers in die Marktentwicklung profitieren, z. B. wenn der Aufbau einer neuen Infrastruktur erforderlich ist. 5 Folger können ablehnende Kundenreaktionen beobachten und Fehler der Pioniere vermeiden. 5 Zunächst erfolgreiche Pioniere können träge werden und davor zurückschrecken, erste erfolgreiche Produktgenerationen rechtzeitig abzulösen. Daraus entsteht für Folger die Chance, frühe Marktführer zu überholen. 2. Markteintrittsspiel Ob sich Gewinnermärkte dauerhaft etablieren können, hängt auch davon ab, inwieweit dominante Unternehmen potenzielle Wettbewerber vom Markteintritt abschrecken können. Dazu muss das etablierte Unternehmen die Konkurrenten glaubhaft davon überzeugen, dass ein Wettbewerb unrentabel ist (vgl. Pindyck und Rubinfeld 2013, S. 657 ff.). Betrachten wir dazu folgende Ausgangssituation (. Abb. 9.8; vgl. Neuser und Stadtmann 2006, S. 706 f.): 5 Auf einem Gewinnermarkt gibt es einen Quasi-Monopolisten (M), der einen Gewinn von 100 Geldeinheiten erzielen kann. 5 Dringt ein Neuling (N) in den Markt ein, verringert sich sein Gewinn. Dabei kann es sich um einen starken oder schwachen Konkurrenten handeln.

9.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

247

. Abb. 9.8 Markteintrittsspiel

5 Beide Formen der Konkurrenz sind gleich wahrscheinlich (w = 0,5). 5 Der Quasi-Monopolist kann sich aggressiv oder friedlich verhalten. Dabei unterstellen wir zunächst, dass das Verhalten der Konkurrenz bekannt ist. Das Ergebnis ist in diesem Fall durch die Methode der Rückwärtsinduktion lösbar (vgl. Berninghaus et al. 2010, S. 111 ff.): 5 Starker Konkurrent: Bei friedlichem Verhalten erhält der Quasi-Monopolist eine Auszahlung von 40 Geldeinheiten und bei einem aggressivem Verhalten eine Auszahlung von −10 Geldeinheiten. Es ist also mit einem friedlichen Verhalten zu rechnen. Da der Neuling dieses Verhalten auf der vorgelagerten Entscheidungsstufe antizipiert, vergleicht er sein Ergebnis bei Markteintritt (40) mit dem Gewinn bei Nicht-Eintritt (0). Er wird sich für den Markteintritt entscheiden, sodass ein Gleichgewicht bei der Situation Eintritt/Friedlich (40/40) erreicht wird. 5 Schwacher Konkurrent: In diesem Fall erzielt der Quasi-Monopolist bei friedlichem Verhalten eine Auszahlung von 40 Geldeinheiten und bei aggressivem Verhalten eine Auszahlung von 50 Geldeinheiten. Es ist ein aggressives Verhalten zu erwarten. Der Konkurrent antizipiert das Verhalten und vergleicht die Auszahlung bei Markteintritt (−10) mit dem Nicht-Eintritt (0). Er entscheidet sich gegen den Eintritt. Das Gleichgewicht liegt bei Fernbleiben/Aggressiv (−10/50).

9

248

Kapitel 9 · Winner-takes-it-all-Phänomen

Die Situation verändert sich, wenn der Quasi-Monopolist nicht abschätzen kann, um welchen Typ von Neuling es sich handelt. Es liegt also eine unvollständige Information vor. In diesem Fall verhält sich der Monopolist dann aggressiv, wenn der erwartete Gewinn aus dieser Handlung den erwarten Gewinn einer friedlichen Handlung übersteigt. Die kritische Wahrscheinlichkeit (w*), bei der dies eintritt, ist:     w∗ · (−10) + 1 − w∗ · 50 = w · 40 + 1 − w∗ · 40 (9.1)

9

−10 w∗ + 50 − 50 w∗ = 40 w∗ + 40 − 40 w∗

(9.2)

−60 w∗ = − 10  w∗ = 1 6

(9.3) (9.4)

Der Monopolist wird sich nur dann aggressiv verhalten, wenn er glaubt, dass die Wahrscheinlichkeit einem starken Konkurrenten gegenüberzustehen kleiner als 1/6 ist. Im anderen Fall wird er sich friedlich verhalten. Der Konkurrent hingegen kann unabhängig davon, ob er schwach oder stark ist, nur dann einen Gewinn erzielen, wenn sich der Monopolist friedlich verhält. Liegt die Einschätzung des Quasi-Monopolisten für starke Konkurrenz z. B. bei 10 % (0,1), würde er sich immer aggressiv verhalten. Auch ein starker potenzieller Konkurrent würde dann nicht in den Markt eintreten. Sofern der Quasi-Monopolist eine gleiche Wahrscheinlichkeit für das Eintreten starker und schwacher Konkurrenten unterstellt (w = 0,5), wird sich ein Neuling hingegen auch dann für einen Eintritt entscheiden, wenn er als schwach gilt (w = 0,5 > w* = 1/6). Entscheidend für das Marktergebnis ist damit vor allem die Einschätzung des Quasi-Monopolisten über die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei potenziellen Konkurrenten um starke oder schwache Unternehmen handelt. z Schlussfolgerungen

Auf digitalen Märkten lässt sich aufgrund von Netzeffekten, Lock-Ins und ausgeprägten Skaleneffekten häufig eine ungleiche Verteilung des Erfolges beobachten. Ergebnis sind quasi-monopolähnliche Marktstrukturen. Sofern die Märkte bestreitbar sind, müssen sich solche Strukturen aber nicht dauerhaft verfestigen. Auch die Eigenschaften von digitalen Gütern (z. B. der Nicht-Abnutzung, beliebige Kopierbarkeit) führen zu einem hohen Innovationsdruck, der sich in kurzen Produktzyklen und einer ständigen Produkterneuerung zeigt. Monopolähnliche Strukturen sind auf digitalen Teilmärkten kurzfristiger als die in anderen Wirtschaftsbereichen, wenn keine physischen Infrastrukturen aufgebaut werden müssen. Beispielsweise besteht die Infrastruktur von sozialen Netzwerken wie Facebook aus Nutzerdaten. Zwar bleiben diese bestehen, wenn sie einmal gesammelt wurden. Wenn jedoch Nutzer abwandern, ist das Netzwerk weniger interessant für Werbekunden. In diesem Fall nützen auch die gespeicherten Daten wenig. Die Verfestigung von Marktstrukturen ist davon abhängig, welche Einschätzung ein Quasi-Monopolist über das wahrscheinliche Auftreten von starken und schwachen Konkurrenten hat. Es kann daher für einen schwachen Konkurrenten von Vorteil sein, in einen Markt einzutreten, wenn der Quasi-Monopolist davon ausgeht, dass er

9.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

249

stark ist. Auch auf digitalen Märkten ist man daher wie im täglichen Leben vor Fehleinschätzungen nicht geschützt. Überraschungseffekte und Erfolge vermeintlich kleiner oder schwacher Unternehmen können dann auf digitalen Märkten auch bisherige Marktführer in Verlegenheit bringen. 9.2.2.2  Lock-In-Effekte durch Wechselkosten

Der Begriff Wechselkosten bezeichnet diejenigen Transaktionskosten, die einem Konsumenten durch den Wechsel des Anbieters entstehen. Sie ergeben sich als Summe der Integrationskosten des neuen Anbieters und den Opportunitätskosten, d. h. den Kosten, die den Nutzen beschreiben, der durch den bestehenden Anbieter entgeht. So stellt sich z. B. die Frage, ob die Nutzer einer Hard- oder Software bereit sind, den Wechsel zu einer neuen Technologie zu vollziehen. z Technologiesprung

Erst ein Technologiesprung z. B. von ISDN zu VoIP bei der Telefonie oder von Videobändern bzw. -kassetten zu DVD bei der Bildspeicherung, trägt häufig dazu bei, dass ein Wechsel erfolgt. Schwierig ist es, vorherzusagen, wie der Übergang von einer bestehenden Technologie (Netzwerk) zu einer technologisch höherwertigen Variante verlaufen wird. Aufgrund von Netzeffekten ist dieser erwartungsgemäß nicht kontinuierlich. Der Wechsel der Nutzer kann zu langsam (excess inertia) oder zu schnell erfolgen (excess momentum): 5 Wenn Nutzer zu lange in einem Netz verharren, kann dies an Lock-In-Effekten liegen. Sie bewerten den Nutzen, der durch die größeren Teilnehmerzahlen in dem bestehenden Netzwerk auftritt, höher als den Nutzen des qualitativ besseren Gutes, das aber – zumindest anfangs – nur geringe Nutzerzahlen hat. Erst wenn die kritische Masse bei dem neuen Netzwerkgut überschritten ist, kommen Netzeffekte zum Tragen, die zu einem sich beschleunigenden Übergang führen. 5 Zu einem zu schnellen Wechsel kommt es, wenn die Nutzer eines bestehenden Netzwerks ein mögliches Lock-In vermeiden wollen. Das kann bedeuten, dass sie entweder vorschnell auf einen neuen Standard wechseln, der z. B. technisch noch gar nicht ausgereift ist, oder das zuerst angebotene Netzwerkgut gar nicht erst annehmen und ihre Kaufentscheidung so lange hinauszögern, bis das vermeintlich bessere Produkt am Markt erhältlich ist. Das zuerst angebotene Netzwerkgut würde nicht einmal die kritische Masse erreichen. Wechselkosten hängen stark von der Kompatibilität und der Nutzung von Standards ab: 5 Aufgrund gemeinsamer technischer Standards ist z. B. ein Wechsel zwischen Mobilfunkanbietern kein Problem, da alle Mobilfunknetze und das Festnetz von jedem Netz aus zu erreichen sind. Die direkten Wechselkosten sind gering. 5 Der Wechsel eines Betriebssystems kann mit erheblichen Wechselkosten verbunden sein. Hier gibt es häufig nicht-kompatible Komplementärprodukte, inkompatible Datenformate und eine Entwertung spezifischen Humankapitals, dass sich der Nutzer erworben hat.

9

250

Kapitel 9 · Winner-takes-it-all-Phänomen

z Strategische Handlungen

a) Investitionen in den Aufbau einer installierten Basis Auf Märkten mit Wechselkosten kommt es darauf an, zunächst in den Aufbau eines Kundenstamms zu investieren (. Abb. 9.9; vgl. Blut 2007, S. 20 ff.). Da später Rückflüsse zu erwarten sind, können zunächst sogar Verluste in Kauf genommen werden. Eine punktuelle Betrachtung ist hier von begrenztem Wert, da im Rahmen einer vorausschauenden und übergreifenden Analyse z. B. folgende Aspekte berücksichtigt erden bleiben: 5 Anfängliche Investitionen, 5 zukünftige Einnahmen, 5 zukünftiges Verhalten der Kunden (z. B. Folgekäufe).

9

Der Aufbau einer installierten Basis lässt sich durch verschiedene Maßnahmen beschleunigen. Dazu zählen die Senkung der Wechselkosten für Kunden anderer Anbieter (z. B. durch Subventionierung, niedrige Preise), die Sicherstellung von Schnittstellen oder die Gewinnung von Referenzkunden. b) Bindung der gewonnenen Kunden Zur Bindung von Kunden stehen eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, z. B. Treue- und Bonusprogramme. Auch wenn Kunden in der Regel vermeiden, sich von einem Anbieter abhängig zu machen, gibt es Anreize, die ihn dazu bewegen, in eine Kundenbeziehung zu investieren und seine eigenen Wechselkosten zu erhöhen. Im Fall von IKT-Technologien erfolgt eine Bindung u.a. durch Hilfestellung bei der Einarbeitung in die Funktionsweise (z. B. Einbindung von Beratungsunternehmen bei der Implementation von Software in die Unternehmensabläufe). Auch die Einbettung zusätzlicher Funktionen in die Anwendung führt zu einer Bindung an IKT-Systeme (z. B. Integration von Empfehlungssystemen in einen Online-Buchshop; Verkauf von E-Book Readern in der Annahme, dass nachfolgend auch E-Books beim gleichen Händler gekauft werden).

Investitionen in den Aufbau eines Kundenstamms (installierte Basis)

Bindung der gewonnen Kunden (u.a. durch intensive Anwendung eines Produkts)

Ausnutzen des aktiven Kundenstamms

. Abb. 9.9  Strategien auf Märkten mit Wechselkosten (vgl. Shapiro und Varian 1999, S. 142 ff.)

251

9.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 9.2  Arten von Lock-In und Wechselkosten. (In Anlehnung an Shapiro und Varian 1999, S. 156) Art des Lock-In

Folgen (Beispiele)

Wechselkosten

Vertragsverpflichtungen

Entschädigungskosten/Schadenersatz bei Auflösung des Vertrages

Künstlich geschaffene Wechselkosten

Langlebige Anschaffungen, Systemkäufe

Ersatz von einzelnen Komponenten oder des gesamten Systems

Transaktionskosten

Prozessintegration

Ersatz von Systemkomponenten, Reorganisation der Geschäftsabläufe

Datenspeicherung

Konvertierung von Daten in ein neues Format

Spezialisierte Anbieter

Auffinden eines neuen Anbieters

Markenspezifische Schulungen

Erlernen des neuen Systems, Summe der direkten Kosten für Schulung und der indirekten Kosten durch Verlust an Produktivität

Lernkosten

c) Ausnutzen des aktiven Kundenstamms In diesem Kontext kommen verschiedene Erlösquellen in Betracht. Erfolg versprechend sind z. B. das Angebot von komplementären Gütern, differenzierte Preise, Produktbündelungen. z Zusammenspiel von Wechselkosten und Lock-In-Effekten

Es gibt verschiedene Arten von Wechselkosten, die aus der Situation des Lock-Ins entstehen können (. Tab. 9.2): 5 Vertragsverpflichtungen: Beispiel ist ein Outsourcing-Vertrag. Der Wechsel des Anbieters bei laufendem Vertrag hat die Zahlung einer Entschädigung zur Folge, wobei die Höhe von der Vertragsgestaltung abhängt. Je kürzer der verbleibende Vertragszeitraum ist, desto stärker sinken die Wechselkosten. 5 Langlebige Anschaffungen oder Systemkäufe: Sie spielen besonders im B2B-Bereich eine Rolle, z. B. beim Kauf von Software und Hardware. Der Kunde kauft nicht nur ein Gerät, sondern tätigt auch Folgegeschäfte oder nimmt Serviceleistungen in Anspruch. Diese Art des Geschäfts entspricht einem Systemkauf. Teilweise werden die Wechselkosten des Kunden zu einem neuen System durch die Anbieter dadurch reduziert, dass sie das Grundprodukt günstig anbieten und dadurch den Kunden zum Kauf ermutigen. Im Gegensatz dazu werden zusätzliche Produkte oder Dienstleistungen, die für den Betrieb des Grundgeräts regelmäßig neu erworben werden müssen, zu einem hohen Preis verkauft. 5 Prozessintegration: Beispiel ist die Einführung eines E-Procurement-Systems im B2B-Umfeld, durch das Mitarbeiter als Bedarfsträger ihre Bestellungen selbst aufgeben und den Wareneingang verbuchen können. Der Geschäftsdatenaustausch erfolgt z. B. nach sechs Monaten Test reibungslos und Bestellungen werden nur noch in Ausnahmefällen falsch angeliefert.

9

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Kapitel 9 · Winner-takes-it-all-Phänomen



9

Da mit der Zeit die organisatorische Verknüpfung zwischen dem digitalen Marktplatz und seinen Kunden immer enger wird, steigen die Wechselkosten und somit die Abhängigkeiten aus dem Lock-In mit der Dauer der Kundenbeziehung an. Wollen Kunden die Geschäftsbeziehung mit diesem digitalen Marktplatz lösen, müssen die aufgebauten Prozesse mit dem nächsten Marktplatz wieder neu justiert werden. Die Wechselkosten können dann je nach der Tiefe der Integration erheblich sein. 5 Datenspeicherung und Personalisierung: Kundenbeziehungen hinterlassen auf digitalen Märkten und Plattformen vielfältige digitale Spuren, die zu Kundenprofilen verdichtet werden. Durch Data-Mining und Personalisierung wird das System auf die Bedürfnisse der Kunden eingestellt. Beim Wechsel zu einem anderen System können diese Daten in der Regel nicht wieder in vollem Umfang verwendet werden, auch wenn die IKT-Systeme miteinander kompatibel sind. Dieser Sachverhalt gilt u. a. für soziale Netzwerke. Hohe Wechselkosten resultieren aus Nutzersicht zum einen aus den Kontakten, die bei einem Wechsel zu einem weniger populären Netzwerk nicht übertragen werden können. Zum anderen gehen bei einem Anbieterwechsel einmal geteilte Informationen verloren, weil z. B. Nachrichten, Kommentare und Fotos nicht einfach zu einem anderen Netzwerk übertragen werden können (vgl. Monopolkommission 2015, S. 109). 5 Markenspezifische Schulungen: Vor allem im B2B-Umfeld enthalten digitale Marktplätze und Beschaffungsplattformen komplexe Funktionen, die markenspezifische Schulungen erfordern. Durch die Integration des IKT-Systems in das organisatorische Umfeld können hohe Wechselkosten entstehen. Diese sollten nicht mit Lernkosten verwechselt werden. Lernkosten hat ein Kunde aufzuwenden, wenn er erstmals ein Produkt kauft (z. B. PC). Wechselkosten entstehen durch die Wahl eines konkurrierenden Produkts. Dies bewirkt eine oft als Vendor-Lock-In bezeichnete Herstellerabhängigkeit. Überlegen Sie selbst, wie hoch Ihre persönlichen Wechselkosten im Kontext von IKT-Anwendungen sind, die Sie seit längerer Zeit nutzen. 9.2.2.3  Pfadabhängigkeit

Anfang der 80er Jahre wandte sich die Wissenschaft Prozessen zu, bei denen sich selbst verstärkende Effekte dazu führen, dass sich Entwicklungen auf eher zufällig ausgewählten Pfaden bewegen und sich Schritte in der anfangs eingeschlagenen Richtung unabhängig von ihrer Qualität verfestigen (. Abb. 9.10). Die Begründer des Konzepts der Pfadabhängigkeit, David (vgl. David 1985, 2001) und Arthur (vgl. Arthur 1989, 1994), betten ökonomische Auswahlprozesse historisch ein und stellen eine Erklärung für die Beharrungstendenzen auch suboptimaler Lösungen zur Verfügung. Auch die Technikentwicklung ist durch ihre Geschichte und durch Zufallselemente charakterisiert. Der Endzustand solcher Prozesse kann nicht vorhergesagt werden. Es muss nicht zu dem in der ökonomischen Theorie unterstellten Wettbewerb konkurrierender Alternativen kommen. So wird an einem Pfad selbst dann festgehalten, wenn sich später herausstellt, dass eine andere Alternative überlegen gewesen wäre. Da der Übergang in eine stabile Phase unabhängig von der Qualität der getroffenen Entscheidung stattfindet, sind pfadabhängige Prozesse nicht selbstkorrigierend, sondern dazu geeignet, Fehler zu verfestigen (vgl. Bach 2008). IKT-Technologien bieten aufgrund ihrer weiten Verbreitung ein interessantes Anwendungsfeld dieses theoretischen Konzeptes. Die Selbstverstärkung hat hier mehrere Ursachen:

9.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

253

. Abb. 9.10  Pfadabhängigkeit (vgl. Schreyögg et al. 2003, S. 286)

5 Netzeffekte: Der individuelle Nutzen einer Technologie steigt mit der Anzahl der Gesamtnutzer (direkte Netzeffekte). Die Anzahl der Nutzer einer Technologie erhöht die Anzahl komplementärer Angebote und vice versa (indirekte Netzeffekte). 5 Lerneffekte: Durch Anschaffung und Schulung wird ein Kunde an ein IKT-System gebunden. Lernerfahrungen der Anwender drängen dazu, die Entwicklung in der anfangs eingeschlagenen Richtung weiter zu führen. Die Wechselkosten steigen und die Bindung des Kunden an das System wird stärker. Es entsteht ein Lock-In-Effekt. 5 Erwartungseffekte: Die wechselseitige Orientierung am vergangenen oder erwarteten Verhalten anderer Akteure führt zu gleichförmigem Verhalten. Kunden haben normalerweise Vorlieben für Güter verschiedener Anbieter. Die Marktanteile im Laufe der Zeit können zwar schwanken, doch es ist unwahrscheinlich, dass z. B. auf dem Markt für Zahnpasten oder PKWs ein Monopol entsteht. Dies ist auf digitalen Märkten anders. Hier haben die Konsumenten nicht nur eine Präferenz für einen bestimmten Anbieter A, B oder C, sondern viele bevorzugen jene Produktvariante, die auch die Mehrheit wählt. Ein Grund dafür ist die Kompatibilität, die erst den Austausch von Informationen möglich macht. Arthur hat vor diesem Hintergrund ein Modell des Technologiewettlaufs konstruiert, das sich im Rahmen einer Excel-gestützten Anwendung nachvollziehen lässt (vgl. Rothen 2010). 1. Bedeutung von Reihenfolge und Zufall Zur Verdeutlichung des Konzepts der Pfadabhängigkeit betrachten wir zwei Typen von Nutzern (in Anlehnung an Latacz-Lohmann et al. 2001): 5 Nutzer A mit einer Präferenz für eine alte Technologie und 5 Nutzer B mit einer Präferenz für eine neue Technologie. Es sei zunächst angenommen, dass alle Nutzer zu einem bestimmten Zeitpunkt (t = 0) die Wahl zwischen beiden Technologien haben. Nutzer, die eine Präferenz für Technologie A haben, entscheiden sich nicht automatisch dazu. Entsprechendes gilt für Nutzer,

9

254

Kapitel 9 · Winner-takes-it-all-Phänomen

. Tab. 9.3  Nutzenfunktionen zur Pfadabhängigkeit Nutzer

Alte Technologie

Neue Technologie

A

U(A)Alt = b(A)Alt + sAlt · NAlt + lAlt · t · NAlt

U(A)Neu = b(A)Neu + sNeu · NNeu + lNeu · t · NNeu

B

U(B)Alt = b(B)Alt + sAlt · NAlt + lAlt · t · NAlt

U(B)Neu = b(B)Neu + sNeu · NNeu + lNeu · t · NNeu

die eine Präferenz für Technologie B aufweisen. Die Wahl hängt jeweils von der relativen Vorteilhaftigkeit der jeweiligen Technologien ab. Die Nutzengleichungen für beide Technologien sind aus Vereinfachungsgründen linear (. Tab. 9.3). Der jeweilige Nutzen (U) setzt sich aus drei Komponenten zusammen: 1. Basisnutzen (b): Dieser ist abhängig ist vom Typ und Form der Technologie. 2. Koordinierungseffekte (s): Der Nutzen erhöht sich mit der Anzahl von Personen, die die jeweilige Technologie nutzen (N). Ursächlich sind direkte positive Netzeffekte. 3. Lerneffekte (l): Diese Effekte stellen eine dynamische Komponente dar. Da Pfadabhängigkeiten erst im Verlauf einer gewissen Zeit eintreten, werden die Jahre (t) für die Nutzung der jeweiligen Technologie berücksichtigt.

9

Um den unterschiedlichen Präferenzen der Akteure Rechnung zu tragen, wird folgende Relation angenommen:

b(A)Alt > b(B)Alt > b(B)Neu > b(A)Alt

(9.5)

Wir unterstellen zudem, dass die Koordinierungskosten der neuen Technologie höher sind als jene der alten Technologie:

sAlt > sNeu

(9.6)

Beide Technologien profitieren in gleicher Weise im Zeitablauf von Lerneffekten:

iAlt = iNeu

(9.7)

Für das folgende Zahlenbeispiel werden folgende Werte gewählt:

b(B)Alt = 9 b(A)Alt = 12 b(B)Neu = 10 b(A)Neu = 7 sneu = 0,5 sAlt = 0,2 iAlt = iNeu = 0,01 Zufallsereignisse in Kombination mit steigenden Skalenerträgen entscheiden nun darüber, welche Technologie sich durchsetzt. Wir nehmen an, dass die ersten 20 % der Nutzer, die vor der Wahl der Technologie stehen, zufällig vom Typ A sind und eine Präferenz für die alte Technologie haben. Diese würden sich rational für die alte Technologie entscheiden, da diese einen höheren Nutzen (12) als die neue Technologie (7) bietet (. Tab. 9.4).

U(A)Alt = 12 + 0,2 · 0 + 0,01 · 0 · 0 = 12

(9.8)

U(A)Neu = 7+ 0,2 · 0 + 0,01 · 0 · 0 = 7

(9.9)

255

9.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 9.4  Lock-In Effekt konkurrierender Technologien (I) Technologie

Alt

Neu

Präferenz-Typ

%-Anteil der Nutzer (N) 0

20

50

80

100

A

12

16

22

28

32

B

9

13

19

25

29

A

7

17

32

47

57

B

10

20

35

50

60

Für die nachfolgenden 20 % der Nutzer ist es von Vorteil, ebenfalls die alte Technologie zu wählen, da der Nutzen hier höher ist (16 und 13) als im Fall der neuen Technologie (7 und 10):

U(A)Alt = 12 + 0,2 · 20 + 0,01 · 0 · 0 = 16

(9.10)

U(B)Alt = 9 + 0,2 · 20 + 0,01 · 0 · 0 = 13

(9.11)

U(A)Neu = 7 + 0,5 · 0 + 1,01 · 0 · 0 = 7

(9.12)

U(B)Neu = 10 + 0,5 · 0 + 0,01 · 0 · 0 = 10

(9.13)

Die alte Technologie setzt sich auch bei den folgenden Nutzergruppen durch. Wären hingegen die ersten 20 % der Nutzer zufällig vom Typ B mit einer Präferenz für eine neue Technologie, dann hätte sich dieser Typ durchgesetzt. Für diese 20 % der Nutzer wäre es rational gewesen, die neue Technologie (Nutzen von 10 gegenüber 9) zu wählen. Alle nachfolgenden Nutzer hätten sich dann, wiederum unabhängig vom Präferenztyp, aufgrund der höheren Nutzenerwartungen (17 und 20 gegenüber 12 und 9) für die neue Technologie entschieden. Die neue Technologie wird zur dominanten Strategie. Die Reihenfolge und der Zufall entscheiden somit über die Durchsetzung einer Technologie. Ökonomisch ist dieser Sachverhalt in zweifacher Hinsicht von Bedeutung: 1. Das Ergebnis des Prozesses lässt sich nicht vorhersagen. Wir wissen ex ante nicht, welche Technologie sich durchsetzen wird, da dies vom Zufallsereignis „Reihenfolge der Entscheidungen“ abhängt. 2. Zweitens ist nicht sichergestellt, dass sich eine (überlegene) neue Technologie durchsetzt. Es stellt sich die Frage, warum nicht alle Nutzer auf die vermutlich bessere Technologie mit den höheren Nutzenerwartungen umstellen. Ein kollektiver Sprung von 100 % alte Technologie auf 100 % neue Technologie würde das Nutzenniveau von 32 und 29 auf 57 und 60 steigern. In einer komparativ–statischen Betrachtung spielen vor allem Koordinationsprobleme eine Rolle. Zu klären ist, wer die Initiative übernimmt und Nutzer davon überzeugt, dass sich die Wahl einer neuen Technologie lohnt. Mit Blick auf Koordinierungskosten und unsichere Nutzenerwartungen könnte hier eine staatliche Lenkung Hilfestellung bieten. Eine andere Erklärung erfordert die Einbeziehung der Dimension Zeit.

9

256

Kapitel 9 · Winner-takes-it-all-Phänomen

. Tab. 9.5  Lock-In-Effekt konkurrierender Technologien (II) Technologie

Präferenz-Typ

0 Jahre Erfahrung

%-Anteil der Nutzer (N) 0

20

50

80

100

12

16

22

28

32

Alt

A B

9

13

19

25

29

Neu

A

7

17

32

47

57

B

10

20

35

50

60

A

12

26

47

68

82

B

9

23

44

65

79

50 Jahre Erfahrung Alt

Neu

9

A

7

27

57

87

107

B

10

30

60

90

110

2. Bedeutung der Zeit Wir nehmen an, dass nach 50 Jahren der Ansammlung von Wissen das Potenzial der alten Technologie wesentlich besser entwickelt als jenes der neuen Technologie. Sie ist nicht bzw. gar nicht verbreitet. Wenn alle Nutzer nach 50 Jahren kollektiv auf die neue Technologie umstellen wollten, würde dies einen Sprung von 100 % alter Technologie mit 50 Jahren Erfahrung auf 100 % neue Technologie mit 0 Jahren Erfahrung bedeuten. Solange ein solcher Sprung mit erheblichen Nutzeneinbußen (im Beispiel von 82 und 79 auf 57 und 60) verbunden ist, besteht kein Anreiz für einen kollektiven Wechsel zur überlegenen Technologie (. Tab. 9.5). Beispielhaft sei der Nutzertyp A betrachtet:

U(A)Alt = 12 + 0,2 · 100 + 0,01 · 50 · 100 = 82

(9.14)

U(A)Neu = 7 + 0,5 · 100 + 0,01 · 0 · 100 = 57

(9.15)

Die inferiore Technologie bleibt „festgefahren“. Nur externe Faktoren oder Anreize können einen Wechsel von der inferioren zur überlegenen Technologie ermöglichen. Die Beurteilung, welche Technologie überlegen ist, ist häufig nicht einwandfrei zu treffen. Das Zahlenbeispiel zeigt lediglich die Möglichkeit auf, dass diese Situation eintreten kann, wenn eine neue Technologie die gleiche Verbreitung und in der Vergangenheit ähnliche Entwicklungsimpulse erfahren hätte wie eine alte Technologie. Die Koeffizienten in den Modellrechnungen sind bewusst so gewählt, dass sich eine neue Technologie mit zunehmender Zahl an Nutzern (N) und im Zeitablauf (t) als überlegen erweist. In diesem Zusammenhang ist die Annahme von Bedeutung, dass steigende Skalenerträge im Fall der neuen Technologie eine wichtigere Rolle spielen als bei der alten Technologie (0,5 > 0,2). Die Wahl der Koeffizienten bewirkt unter Berücksichtigung des Faktors Zeit, dass die neue Technologie mit zunehmender Verbreitung schnell an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der alten und konventionellen Technologie gewinnt. Auch bezogen auf die anderen Werte (z. B. Lerneffekte oder Basisnutzen) lassen sich Einwände formulieren, die das Ergebnis verändern. Das Zahlenbeispiel hat daher

9.3 · Übungen

257

lediglich didaktischen Charakter. Es zeigt aber auf, dass die eigentlich von Nutzern präferierte Lösung sich nicht zwangsläufig durchsetzen muss (vgl. Arthur 1989). Der Wettbewerb zwischen einer neuen und einer alten Technologie ist aber nicht nur Ergebnis von Zufälligkeiten. Katz und Shapiro haben ein Modell entwickelt, das Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, Einfluss auf das Ergebnis eines Technologiewettlaufs zu nehmen (vgl. Katz und Shapiro 1992). Instrumente sind die Preissetzung, der Zeitpunkt des Markteintritts und die Kompatibilität bezüglich konkurrierender Technologien. Ein Technologiewettlauf garantiert also nicht zwangsläufig die Durchsetzung überlegener Alternativen, sondern ist stets auch immer von Zufälligkeiten, vom wechselseitigen Verhalten der Nutzer sowie von Unternehmensstrategien abhängig. Ab einem bestimmten Punkt kommt es zur Selbstverstärkung von Prozessen. Auf Märkten, bei denen Kompatibilität eine wichtige Rolle spielt, führt das freie Spiel des Marktes mit großer Wahrscheinlichkeit dann dazu, dass eine Technologie die anderen über kurz oder lang vom Markt verdrängt bzw. zumindest eine dominante Marktstellung erreicht. Ein Verharren (Lock-In) in nicht-effizienten Zuständen kann überwunden werden durch: 5 Wandel der Präferenzen von Konsumenten. 5 Kollektive Entscheidungen zur Wahl einer Technologie. 5 Technischen Fortschritt, der zu höherem Basisnutzen von Gütern führt. 5 Bildung von offenen Standards, die Kompatibilität fördern. 9.3  Übungen

75. Winner takes it all Wodurch ist ein „The winner takes it all“-Markt gekennzeichnet? Worauf ist das Entstehen von ungleichen Erfolgen auf digitalen Märkten zurückzuführen? 76. Bestreitbarkeit von Märkten Was verstehen Sie unter bestreitbaren Märkten? Sind digitale Märkte bestreitbar? 77. First-Mover-Vorteile Sind First-Mover-Vorteile auf digitalen Märkten häufiger zu beobachten als auf realen Märkten? Begründen Sie Ihre Antwort. 78. Markteintrittsspiel a) Was beschreibt das Markteintrittsspiel? Über welche Reaktionsmöglichkeiten verfügen das alteingesessene Unternehmen bzw. der Neuling? b) Wovon hängt das spieltheoretische Marktergebnis ab, wenn der Quasi-Monopolist nicht beobachten kann, ob es sich um starke oder schwache Newcomer handelt? c) Welche Bedeutung haben technologische Standards für den Markteintritt? 79. Bewertung von Quasi-Monopolisten in der digitalen Welt a) In der Ausgabe der Zeitschrift Chip können Sie lesen, dass das Microsoft-Monopol (Quasi-Monopol) für die Anwender doch etwas Gutes ist. Der Autor begründet dies mit der Fixkostendegression und mit Netzeffekten. Wie kommt der Autor zu diesem Urteil? b) Obwohl es sich um eine monopolähnliche Situation handeln kann, ist Software nicht unverhältnismäßig teuer. Wie lässt sich dieser Sachverhalt erklären? 80. Lock-In-Effekte Erläutern Sie anhand der nachfolgenden Grafik und am Beispiel von Betriebssystemen den Lock-In-Zyklus.

9

258

Kapitel 9 · Winner-takes-it-all-Phänomen

9 81. Wechselkosten Erläutern Sie am Beispiel von IKT mögliche Einflussfaktoren für Wechselentscheidungen. Berücksichtigen Sie folgenden Kostenkategorien: − Transaktionskosten, − sunk costs, − Opportunitätskosten. 82. Pfadabhängigkeit Erläutern Sie am Beispiel von IKT den Begriff der Pfadabhängigkeit und nennen Sie mögliche Ursachen für diese Entwicklung.

Literatur Anderson, C. (2009). Free – Kostenlos: Geschäftsmodelle für die Herausforderungen des Internets. Frankfurt a. M.: Campus. Arthur, W. B. (1989). Competing technologies, increasing returns, and lock-in by historical events. The Economic Journal, 99(394), 116–131. Arthur, W. B. (1994). Increasing returns and path dependence in the economy. Ann Arbor: University of Michigan Press. Aufderheide, D., Lindner, M., & Zimmerlich, A. (2006). Internetökonomie, Wettbewerb und Hybridität bei Essential Facilities. In H. L. Grob & J. vom Brocke (Hrsg.), Internetökonomie, Interdisziplinäre Beiträge zur Erklärung und Gestaltung hybrider Systeme (S. 129–156). München: Vahlen. Bach, T. (2008). Informationsexternalitäten bei der Adoption von DSL- und Kabel-Internetzugängen. Eine informationsökonomische Perspektive der Pfadabhängigkeit auf dem deutschen Breitbandmarkt. Wiesbaden: Gabler. Berninghaus, S., Erhart, K. M., & Güth, W. (2010). Strategische Spiele: Eine Einführung in die Spieltheorie (3. Aufl.). Berlin: Springer.

259 Literatur

Blut, M. (2007). Der Einfluss von Wechselkosten auf die Kundenbindung. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag. Busch, S. (2019). Pionier-Vorteile am Beispiel der Internet-Ökonomie. Eine empirische Untersuchung von Mechanismen des frühen Markteintrittszeitpunkts. Wiesbaden: Springer. Clement, R., & Schreiber, D. (2013). Internet-Ökonomie. Grundlagen und Fallbeispiele der vernetzten Wirtschaft (2. Aufl.). Heidelberg: Springer. David, P. A. (1985). Clio and the economics of QWERTY. American Economic Review, 75(2), 332–337. David, P. A. (2001). Path dependence, its critics and the quest for historical economics. In P. Garrouste & S. Ioannides (Hrsg.), Evolution and path dependence in economic ideas: Past and present (S. 15–41). Cheltenham: Elgar. Dixit, A. K., & Nalebuff, B. J. (1997). Spieltheorie für Einsteiger: Strategisches Know-how für Gewinner. Stuttgart: Schäffer-Poeschl. Katz, M. L., & Shapiro, C. (1992). Product introduction with network externalities. Journal of Industrial Economics, 40(1), 55–83. Knieps, G. (2008). Wettbewerbsökonomie: Regulierungstheorie, Industrie-ökonomie, Wettbewerbspolitik (3. Aufl.). Berlin: Springer. Latacz-Lohmann, U., Recke, G., & Wolff, H. (2001). Die Wettbewerbsfähigkeit des ökologischen Landbaus: Eine Analyse mit dem Konzept der Pfadabhängigkeit. Agrarwirtschaft, 50(7), 433–438. Lutter, M. (2013). Strukturen ungleichen Erfolgs. Winner-take-all-Konzentrationen und ihre sozialen Entstehungskontexte auf flexiblen Arbeitsmärkten. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 65(4), 597–622. Monopolkommission. (2015). Sondergutachten 68. Wettbewerbspolitik. Herausforderung digitale Märkte. 7 http://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/SG68/S68_volltext.pdf. Neuser, C., & Stadtmann, G. (2006). Sequentielles Spiel bei vollständiger und unvollständiger Information. WISU – Das Wirtschaftsstudium, 35(6), 776–777. Pindyck, R. S., & Rubinfeld, D. (2013). Mikroökonomie (8. Aufl.). München: Pearson. PwC, Pricewaterhouse Coopers. (2012). Social Media Deutschland. „The winner takes it all“. 7 http:// on-operations.com/wp-content/uploads/2012/05/Social-Media-Deutschland-2012-final.pdf. Riechmann, T. (2010). Spieltheorie (3. Aufl.). München: Vahlen. Rothen, S. (2010). Simulation von Technologiewettläufen in Excel. 7 http://www.ecotronics.ch/excel/ tech.htm. Schreyögg, G., Sydow, J., & Koch, J. (2003). Organisatorische Pfade. Von der Pfadabhängigkeit zur Pfadkreation? In G. Schreyögg, J. Sydow, & J. Koch (Hrsg.), Strategische Prozesse und Pfade (S. 257–294). Wiesbaden: Gabler. Schweizer, B. (2014). Google – Diktator der Informationen. Think Ordo. Ordnungspolitik neu denken: 7 http://www.think-ordo.de/?p=402. Shapiro, C., & Varian, H. R. (1999). Information rules: A strategic guide to the network economy. Boston: Harvard Business School Press. Stelzer, D. (2000). Digitale Güter und ihre Bedeutung in der Internet-Ökonomie. WISU – Das Wirtschaftsstudium, 29(6), 835–842.

9

261

Mehrseitige Märkte 10.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe – 262 10.2 Grundlagen und Fallbeispiele – 263 10.2.1 Merkmale zweiseitiger Märkte – 263 10.2.2 Problemstellungen auf mehrseitigen Märkten – 265 10.2.3 Struktur mehrseitiger Märkte – 266 10.2.4 Werbefinanzierte Plattformen – 269 10.2.5 Webbasierte soziale Netzwerke – 272

10.3 Übungen – 275 Literatur – 277

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0_10

10

262

Kapitel 10 · Mehrseitige Märkte

10.1  Inhalt und Schlüsselbegriffe (. Abb. 10.1) z Inhalt

10

1. Auf mehrseitigen (zweiseitigen) Märkten beeinflussen sich die Teilnehmer der verschiedenen Marktseiten, bezogen auf die Nutzung des gesamten Marktes, gegenseitig. Die zumindest zwei Nutzergruppen sind zwar nicht direkt, wohl aber indirekt miteinander verbunden. Diese Konstruktion wird wesentlich durch einen Intermediär geformt und entwickelt. Er koordiniert und organisiert als Plattform ein Netzwerk. 2. Wenn eine Marktseite für die Funktionsweise eines digitalen Marktes oft wertvoller als eine andere ist, dann kommt es in der Regel zu einer asymmetrischen Preisgestaltung. Eine Marktseite wird zumeist in Form von geringen Gebühren oder Prämienauszahlungen von der anderen Marktseite subventioniert. Die konkrete Ausgestaltung ist auch davon abhängig, ob die jeweilige Marktseite eine Plattform (Singlehoming) oder mehrere Plattformen (Multihoming) nutzt. 3. Viele der größten und erfolgreichsten Unternehmen zählen als Plattformen zu den zwei- bzw. mehrseitigen Märkten. Sie haben gemein, dass sie eine Plattform betreiben, auf der sie unterschiedliche Anbieter wie etwa Händler im Fall von Amazon oder Alibaba oder werbetreibende Unternehmen wie bei Google mit Konsumenten zusammenbringen. Mehrseitige Märkte haben sich seit ihren Marktzutritten dynamisch weiterentwickelt und sich häufig horizontal wie vertikal integriert.

. Abb. 10.1  Kap. 10 auf einen Blick

10.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

263

z Schlüsselbegriffe

Zweiseitiger Markt, indirekte Netzeffekte, asymmetrische Preisgestaltung, Multi-/Singlehoming, Werbe-/Rezipientenmarkt, soziale Netzwerke. 10.2  Grundlagen und Fallbeispiele 10.2.1  Merkmale zweiseitiger Märkte

Auf einseitigen Märkten ist die individuelle Nachfrage unabhängig von der Nachfrage anderer Akteure. Das Marktergebnis ist abhängig von der Höhe des Preises. Auf zweibzw. mehrseitigen Märkten ist das Marktergebnis hingegen abhängig von der Preisstruktur und von der Interaktion der mindestens zwei Nutzer- bzw. Nachfragegruppen (. Abb. 10.2). Die mindestens zwei Nutzergruppen sind zwar nicht direkt, wohl aber indirekt miteinander verbunden. Diese Konstruktion wird durch einen Intermediär geformt und entwickelt (vgl. Dewenter 2006). Er koordiniert und organisiert als Plattform ein Netzwerk. Der Nutzen der Teilnehmer auf beiden Marktseiten ist positiv oder negativ davon abhängig, wie viele Teilnehmer es auf der jeweils anderen Marktseite gibt. Ein zweiseitiger Markt zeichnet sich durch drei Merkmale aus (vgl. Evans 2003; Rochet und Tirole 2006): 1. Es muss (mindestens) zwei voneinander unabhängige, komplementäre Nutzergruppen geben. Wenn es sich um mehr als zwei Gruppen handelt, liegt ein mehrseitiger Markt vor. 2. Der Nutzen der Mitglieder der einen Gruppe ändert sich mit der Größe der anderen Gruppe. 3. Es bedarf eines Intermediärs, der beide Nutzergruppen zusammenbringt.

. Abb. 10.2  Ein- und mehrseitiger Markt

10

264

Kapitel 10 · Mehrseitige Märkte

Charakteristisch für zweiseitige Märkte sind vor allem indirekte Netzeffekte: 5 Positive indirekte Netzeffekte liegen vor, wenn die Anzahl der Teilnehmer auf der jeweils anderen Marktseite den Nutzen des Netzwerkes mitbestimmt. So bevorzugen Marktakteure (z. B. auf Auktionsplattformen) größere Marktplätze, da potenzielle Käufer davon ausgehen, dass auf einem Marktplatz mit vielen Verkäufern der Wettbewerb intensiver und die Preise niedriger sind. Grundsätzlich wird also unterstellt, dass ein größerer Marktplatz auch zu einer zunehmenden Produktvielfalt führt. 5 Denkbar sind auch negative Netzeffekte, bei denen der Nutzen des Netzwerks für die Teilnehmer sinkt (z. B. Überlastung des Netzwerks). z Ausprägungen

10

Zweiseitige Märkte finden sich in vielen Ausprägungen (vgl. Dewenter und Rösch 2015, S. 130; . Tab. 10.1): 5 Einkaufs-Plattformen: Ziel ist die Vermittlung von mindestens zwei Parteien. Dazu zählen physische Handelsplätze (z. B. Einkaufszentren) und digitale Handelsplätze (z. B. eBay, Amazon). Die Plattform soll die Suche nach einem geeigneten Transaktionspartner und den weiteren Transaktionsprozess erleichtern. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit einen geeigneten Transaktionspartner zu finden umso größer, je höher die Anzahl der Nutzer beider Marktseiten ist. 5 Makler-Plattformen: Beispiele aus dem Online-Bereich sind Immobilien- oder Jobportale. 5 Werbe-Plattformen: Eine Marktseite stellt werbende Unternehmen dar, die andere Marktseite umfasst die Konsumenten des Mediums (z. B. Online-Zeitungen, Suchmaschinen). Die Einnahmen werden zumeist durch Werbung und durch den Verkauf bzw. die Nutzung des Mediums generiert. 5 Zahlungs-Plattformen: Die Plattform hat die Aufgabe, den Zahlungsverkehr in der Abwicklungsphase zwischen den Parteien zu erleichtern. So setzt sich z. B. der zweiseitige Markt der Kreditkarten aus den Besitzern der Karten, den Händlern, welche . Tab. 10.1  Zweiseitige Märkte (vgl. Dewenter und Rösch 2015, S. 116) Intermediär

Netzwerk/Markt 1

Netzwerk/Markt 2

Physisch (z. B. Einkaufszentren)

Pächter/Geschäfte

Kunden

Virtuell (z. B. Auktionen, Shops)

Verkäufer

Käufer

2. Makler-Plattformen

Verkäufer

Käufer

3. Werbe-Plattformen

Werbende

Rezipienten

Kreditkartenunternehmen

Einzelhandel

Kartenbesitzer

Online-Systeme (z. B. PayPal)

Internetportale

Nutzer

App-Store

App-Entwickler

Nutzer

Spielkonsolen

Softwareentwickler

Spieler

Betriebssysteme

Softwareentwickler

Nutzer

1. Einkaufs-Plattformen

4. Zahlungs-Plattformen

5. Software-Plattformen

10.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

265

die Zahlungsweise akzeptieren, und der Kreditkartenorganisation zusammen. Je mehr Käufer dazu bereit sind diese Zahlungsart zu nutzen, umso mehr Verkäufer werden dazu bereit sein, dieses Zahlungssystem zu akzeptieren. 5 Software-Plattformen: Hierzu zählen z. B. Anwendungen für Apps. Die Anwendersoftware wird oftmals nicht von Unternehmen bereitgestellt, sondern von Entwicklern, die eine Marktseite darstellen. Die Nutzer der Apps stellen die andere Marktseite dar. Die Anzahl der Nutzer hängt von der Vielfalt und Qualität der Anwendersoftware ab und umgekehrt. 10.2.2  Problemstellungen auf mehrseitigen Märkten

Auch eine einmal erreichte hohe Teilnehmerzahl ist kein Garant für einen dauerhaften Erfolg, wenn die Nutzer nicht mehr von der Vorteilhaftigkeit eines Marktplatzes überzeugt sind. Es kommt daher darauf an, stets ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Marktseiten herzustellen (vgl. Kollmann 1999, 34; 2013, 501 ff.; 2019, 575 f.). Dazu sind verschiedene Koordinierungsprobleme zu lösen: 1. Chicken-and-Egg-Problem Ist die Anzahl der Anbieter zu gering bzw. die Menge der angebotenen Objekte nicht groß genug, so kommen keine Nachfrager auf den Marktplatz. Ist die Anzahl der Nachfrager bzw. die Zahl der Gesuche zu gering, so kommen keine Anbieter. Der Betreiber muss also den Marktplatz in der Regel mit einer Marktseite entwickeln, darf aber die andere Marktseite nicht vernachlässigen. 2. Kritische-Masse-Problem Die bereits auf dem Marktplatz vorhandene Nutzerzahl (installierte Basis) bestimmt den Nutzen für Neukunden, da sich mit steigender Nutzerzahl auch die Anzahl möglicher Transaktionspartner erhöht. Je größer die installierte Basis, desto größer ist der abgeleitete Nutzen für die Marktplatzteilnehmer. 3. Gleichgewichts-Problem Es besteht ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis der Anzahl von Anbietern und Nachfragern bzw. deren Angeboten und Gesuchen. Der Marktplatzbetreiber muss darauf achten, dass sich diese Zahl entspricht und die Transaktionen zudem qualitativ hochwertig abgewickelt werden. Hohe Verkaufspreise und Absatzerfolge können dann zu einer steigenden Zahl von Anbietern führen, wenn diese erwarten, ebenfalls hohe Verkaufspreise erzielen zu können. Die gestiegene Anbieterzahl kann aber ein Überangebot und einen Preisverfall zur Folge haben. Aus Betreibersicht muss dies nicht zwangsläufig ein Problem darstellen, da die Reduzierung der Angebotspreise zu einer erhöhten Teilnehmerzahl auf der Nachfrageseite führen kann. Lassen sich in der Folge wieder höhere Preise erzielen, steigt die Attraktivität des Marktplatzes für Anbieter und es kommt zu einem stabilen Prozess. Dies kann, muss jedoch nicht der Fall sein (. Abb. 10.3). Es kommt zu einer Instabilität, wenn ein kritisches Niveau bezüglich des Überhangs überschritten wird. Dabei ist es unerheblich, ob dies auf der Angebots- oder Nachfrageseite auftritt (vgl. Kollmann 2013, S. 499 f.). Beispielsweise kann eine deutliche Reduzierung des Angebots bzw. der Angebotspreise die Attraktivität des Marktplatzes so senken, dass trotz der niedrigen Preise keine Nachfrager

10

266

Kapitel 10 · Mehrseitige Märkte

. Abb. 10.3  (In-)Stabilität eines digitalen Marktes

10

auf die Plattform kommen. Das vorzufindende Angebot erscheint den Nachfragern z. B. bezüglich Auswahlmenge und Qualität unvorteilhaft. Es kommt zu einem weiteren Preisverfall und zu einer Abwärtsspirale. Auch ein positiver Effekt des Aufschaukelns ist denkbar. Die möglichen Beziehungskreisläufe stellen hohe Anforderungen an das erfolgreiche Management eines digitalen Marktplatzes. Diese Aufgabe wird deutlich schwieriger, wenn es sich um zwei- und mehrseitige Märkte handelt. Dieser Begriff ist erklärungsbedürftig, besteht doch jeder Markt mit Angebot und Nachfrage aus zwei Seiten. Dieser Sachverhalt ist jedoch nicht gemeint. 10.2.3  Struktur mehrseitiger Märkte

Im Gegensatz zu einseitigen Märkten ist auf zwei- und mehrseitigen Märkten nicht ausschließlich die Höhe des Preises von Bedeutung, sondern die Struktur der Preise auf den Marktseiten. Grundsätzlich hat der Intermediär die Möglichkeit, Transaktionsgebühren und/oder Registrierungsgebühren von den Plattformnutzern zu erheben: 5 Transaktionsgebühren fallen an, wenn eine Transaktion zwischen zwei Parteien abgeschlossen wurde (ex-post). Transaktionsgebühren sind ein Mittel, um die Nutzung des Serviceangebots und die Interaktionen zwischen beiden Marktseiten zu kontrollieren. Da der Intermediär eine Übersicht über die Nutzung seiner Dienste hat, kann er diese bei Bedarf durch die Veränderung der Gebühren steuern. 5 Registrierungsgebühren werden vor einer abgeschlossenen Transaktion erhoben (ex ante) und fallen unabhängig von einer abgeschlossenen Transaktion an. Sie stellen sicher, dass die richtige Zielgruppe die Plattform benutzt. Die Höhe der Registrierungsgebühr lässt für Nutzer Rückschlüsse auf die Exklusivität der Plattform zu. Der Intermediär generiert seine Erlöse vor allem auf der Marktseite mit der geringeren Nachfrageelastizität bzw. auf der Marktseite, die stärker von einem Wachstum der Nutzerzahl auf der anderen Marktseite profitiert. Die Marktseite, die preissensitiver und wertvoller für die andere Marktseite ist, wird typischerweise subventioniert.

267

10.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 10.2  Preisgestaltung auf zweiseitigen Märkten Händler

Kreditkarteninhaber

Registrierung

Minimale Beitrittsgebühren (0)

Jährliche Mitgliedsgebühr (+)

Transaktion

Prozentsatz (+)

Prämien (−)

Die genannten Bedingungen lassen sich am Beispiel eines Kreditkarteninstituts erläutern (. Tab. 10.2). Notwendig für die Funktionsweise sind hinreichend viele Händler und Kreditkarteninhaber. Der Händler zahlt in der Regel keine Registrierungsgebühren, jedoch wird ein bestimmter Prozentsatz des Rechnungsbetrages abgezogen. Die Kreditkarte wird zumeist kostenlos an die Kreditkarteninhaber ausgegeben, jedoch hat der Inhaber eine jährliche Mitgliedsgebühr an das Kreditkarteninstitut zu entrichten. Viele Kreditkarteninstitute belohnen den Kreditkarteninhaber für die Benutzung der Kreditkarte mit Prämien (z. B. Bonuspunkte, Flugmeilen). De facto wird also die Marktseite der Kreditkarteninhaber subventioniert. Der Intermediär kann dementsprechend wählen: 5 positive Gebühren (Teilnehmer zahlen), 5 keine Gebühren (Teilnehmer zahlen nichts, bekommen aber auch keine Prämien oder Anreize), 5 negative Gebühren (Teilnehmer erhalten Prämien oder zusätzliche Anreize). Die für Wettbewerbsmärkte kennzeichnende Regel, dass die Preise den Grenzkosten entsprechen, ist hier nicht unbedingt optimal. Auch kostenlose Angebote sind auf zweiseitigen Märkten aus den Besonderheiten der Preisbildung abzuleiten (vgl. Deventer 2009, S. 659). z Single- und Multihoming

Die Preisbildung ist auch davon abhängig, ob und inwieweit beide Marktseiten mehrere Plattformen parallel nutzen (. Abb. 10.4; vgl. Armstrong und Wright 2007): a) Singlehoming bezeichnet den Sachverhalt, dass eine Marktseite nur eine Plattform nutzt, z. B. Nachfrager nur eine Online-Zeitung lesen oder eine Werbekunde nur eine Werbeplattform bedient. Solche Strukturen begünstigen das Entstehen von Märkten, auf denen nur wenige Unternehmen vorhanden sind. b) Multihoming ist der parallele Einsatz mehrerer Plattformen auf einer der Marktseiten. Hier sind also eher wettbewerbliche Strukturen zu erwarten. Einige Beispiele: 5 Ein Nachfrager, der mehrere Spielkonsolen oder Browser nutzt oder mehrere Online-Zeitungen liest. 5 Ein Softwareentwickler, der für mehrere PC-Betriebssysteme Anwendungen erstellt. 5 Ein Werbekunde, der Werbung in vielen Online-Medien schaltet oder mehrere Werbeplattformen nutzt. c) Märkte, auf denen eine Marktseite Singlehoming betreibt und die andere Marktseite Multihoming, werden als Competitive Bottleneck (Flaschenhals/Engpass) bezeichnet (vgl. Armstrong 2006).

10

268

Kapitel 10 · Mehrseitige Märkte

. Abb. 10.4  Single- und Multihoming auf zweiseitigen Märkten (vgl. Hagemeister 2009, S. 70; Rochet und Tirole 2006, S. 650)

10

Die Wettbewerbsbedingungen auf zweiseitigen Märkten sind von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig (. Tab. 10.3). Indirekte Netzeffekte und die Möglichkeit zur Realisierung von Skaleneffekten führen tendenziell zu einer Konzentration der Plattformen und zu hohen Marktanteilen (vgl. Dewenter und Haucap 2008; vgl. Haucap und Wenzel 2011). Daneben existieren drei Eigenschaften, die einer Plattformkonzentration entgegenwirken (vgl. Monopolkommission 2015, S. 34 f.): 5 Beschränkung der Nutzerzahl für eine Plattformseite: Dies kann durch beschränkte Kapazitäten verursacht werden aber auch durch Maßnahmen des Plattformbetreibers selbst. Beispielsweise ist der Platz für Werbeanzeigen in der Regel beschränkt, da zu viel Werbung den Nutzer stören und so den Wert der Plattform für den Nutzer reduzieren kann. 5 Differenzierung der Plattformen: Je größer die Heterogenität der Nutzer ist und je leichter Plattformen ihr Angebot differenzieren können, desto vielfältiger wird das Angebot sein und desto geringer der Grad der Konzentration.

. Tab. 10.3  Wettbewerbsbedingungen auf zweiseitigen Märkten (vgl. Evans und Schmalensee 2007, S. 679) Ursache

Effekt

Stärke der indirekten Netzeffekte

Verringerung des Wettbewerbs

Ausmaß steigender Skaleneffekte

Verringerung des Wettbewerbs

Überlastungsgefahren, negative externe Effekte

Erhöhung des Wettbewerbs

Differenzierung der Plattformen

Erhöhung des Wettbewerbs

Multihoming

Erhöhung des Wettbewerbs

10.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

269

5 Multihoming: Die Möglichkeiten zum Multihoming hängen unter anderem von den Wechselkosten ab und davon, ob für die Nutzung einer Plattform Fixkosten anfallen. Die Kosten können in Form einer tatsächlichen monetären Zahlung vorliegen (z. B. Gebühr, Flatrate) oder als nicht-monetärer Aufwand, der dem Nutzer beispielsweise dadurch entsteht, dass er sich zunächst mit der Funktionsweise der Plattform befassen muss. Viele Modellergebnisse, die im Zusammenhang mit der Analyse traditioneller Märkte entwickelt worden sind, sind für zweiseitige Märkte nicht undifferenziert anzuwenden. Dies zeigt sich vor allem bei der Preissetzung, der Abgrenzung relevanter Produktmärkte und der kartellrechtlichen Beurteilung von Unternehmen, die auf diesen Märkten agieren. 10.2.4  Werbefinanzierte Plattformen

Werbe-Plattformen werden teilweise auch als Nicht-Transaktionsmärkte bezeichnet, andere Plattformen hingegen als Transaktionsmärkte. So muss eine Einkaufs-Plattform oder Makler-Plattform Käufer und Verkäufer gleichermaßen bedienen. Dies ist bei Werbemärkten anders. Betrachten wir als Beispiel den Markt für OnlineMedien (. Abb. 10.5). So sind Leser von Nachrichten an Inhalten und weniger an Werbung bzw. Werbekunden weniger an den Inhalten als an der Zielgruppe der Leser interessiert. Die Plattform ist nicht unbedingt darauf angewiesen, beide Märkte gleichermaßen zu erreichen. Werbekunden zahlen dann nicht für eine Transaktion, sondern für die Aufmerksamkeit der Rezipienten. Es kommt nicht zu einem direkten Austausch. Auf werbefinanzierten Plattformen werden durch den Intermediär der Werbemarkt und der Rezipientenmarkt miteinander verbunden. Die Vergrößerung der Reichweite auf dem Rezipientenmarkt verursacht nur geringe oder gar keine Kosten, führt aber dazu, dass seine Attraktivität für den Werbemarkt steigt.

. Abb. 10.5  Zweiseitige werbefinanzierte Plattform (vgl. Dewenter 2006)

10

270

Kapitel 10 · Mehrseitige Märkte

z Netzeffekte

Auf einem zweiseitigen Markt gehen von beiden Nutzergruppen indirekte Netzeffekte aus. Der Netzeffekt, der von der Rezipientenseite auf die Werbeseite wirkt, ist in der Regel positiv, da die Werbeindustrie ihre Werbebotschaft an möglichst viele Rezipienten richten möchte. Zu klären bleibt, ob diese Wirkung linear oder über- bzw. unterproportional verläuft. Ob auf der anderen Seite die Rezipienten positiv, negativ oder neutral auf zusätzliche Werbung reagieren, kann nicht pauschal beantwortet werden (vgl. Stüben 2011, S. 7 f.). Diese können positiv, negativ oder neutral sein (. Tab. 10.4; . Abb. 10.6): 5 Bei Stellenanzeigen, Immobilieninseraten und anderen Kleinanzeigen ist durchaus von einer positiven Wertschätzung durch Nutzer auszugehen. 5 Werbung z. B. in Form von Pop-ups kann als störend empfunden werden (negative Wirkung). 5 Bannerwerbung mag viele Nutzer womöglich gar nicht tangieren (neutrale Wirkung). In diesem Fall liegt streng genommen kein zweiseitiger Markt vor. Entscheidend für die Beurteilung ist die betragsmäßige Stärke der indirekten Netzeffekte (vgl. Weyl 2010). In der Regel ist der Nutzen eines zusätzlichen Rezipienten für die Werbeindustrie größer als der negative Nutzen einer zusätzlichen Werbeeinheit für die Rezipienten. In diesem Fall kommen direkte Netzeffekte hinzu, die auf einer Marktseite und nicht zwischen Marktseiten auftreten. Direkte Netzeffekte resultieren

10

. Tab. 10.4  Netzeffekte auf Werbemärkten Netzeffekte

Rezipientenmarkt für Werbende

Werbemarkt für Rezipienten

Indirekt

In der Regel positiv (linear, über-, unterproportional)

Positiv, negativ oder neutral

Direkt

Ja, da größere Reichweite für Werbende

Nein, da zunehmende Konkurrenz der Unternehmen

. Abb. 10.6  Netzeffekte auf einer zweiseitigen werbefinanzierten Plattform

271

10.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

aus einer zunehmenden Zahl von Rezipienten, da sich daraus die Reichweite für die Werbenden erhöht. Eine steigende Anzahl von Werbenden verspricht hingegen keinen unmittelbaren Vorteil. Dies würde vielmehr dazu führen, dass die eigene Werbung unter den anderen Angeboten weniger wahrgenommen wird. z Preisgestaltung

Der Intermediär muss auf zweiseitigen Märkten die Preise in Kenntnis der Netzeffekte und in Abhängigkeit der daraus resultierenden Nachfrage festsetzen (vgl. Gieseking 2009). Analysen erlauben folgende Schlussfolgerungen (. Abb. 10.7; . Tab. 10.5): 5 Die Marktseite mit relativ schwachen Netzeffekten subventioniert die Markt-seite mit stärkeren Netzeffekten (vgl. Haucap und Wenzel 2011). Wenn also Werbekunden aus einer hohen Reichweite einen größeren Nutzen ziehen als Rezipienten aus einer großen Zahl von Werbeanzeigen, d. h. ein relativ stärkerer Netzeffekt vom Rezipientenmarkt ausgeht, so resultiert daraus ein tendenziell geringer oder gar kein Preis für Rezipienten und ein höherer Preis für Werbende und Anzeigenkunden (vgl. Dewenter 2006; Dewenter und Haucap 2008). 5 Ein starker indirekter Netzeffekt auf einer Marktseite kann zu Preisen (unter Grenzkosten) auf der anderen Marktseite führen. Solche Preise sind damit nicht ein Anzeichen für einen Verdrängungswettbewerb (Dumpingpreise), sondern Ergebnis der Marktstruktur. Teilweise werden durch die geringen Preise oder die kostenlose Nutzung auch negative Effekte ausgeglichen, z. B. ein als störend empfundenes Werbevolumen.

. Abb. 10.7  Preisgestaltung auf einer zweiseitigen werbefinanzierten Plattform

. Tab. 10.5  Indirekte Netzeffekte und Preisgestaltung auf zweiseitigen Märkten Werbemarkt

Rezipientenmarkt

Indirekte Netzeffekte

Positiv, geringer als auf Rezipientenmarkt

Positiv, höher als auf Werbemarkt

Preise

Preise > 0 bzw. Grenzkosten

Preise 0,  3 bzw. im Fall der Nicht-Kooperation von B 2 > 1 ist. Wenn A die dominante Strategie der Nicht-Kooperation wählt, ist es für die hier wichtigere Person B rational, einen Beitrag zu leisten (2 > 1). Im Nash-Gleichgewicht erzielt Person A sein bestes, Person B jedoch nur sein zweitschlechtestes Ergebnis. Die unwichtigere Person A wird zum Trittbrettfahrer zu Lasten der wichtigeren Person. In der Spieltheorie wird von der „Ausbeutung der Großen durch die Kleinen“ gesprochen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kollektivgut auch im Alleingang bzw. von mehreren Akteuren erstellt wird, steigt dann, wenn die Bedürfnisse unterschiedlich sind (vgl. Kirsch 2004, S. 172). Weniger wichtige Personen (Kleine) haben eine relativ geringe . Tab. 13.5  Ausbeutungsspiel (David gegen Goliath) Person B – wichtig

Person A – unwichtig

Beitrag Kein Beitrag

(4/2) Nash-Gleichgewicht

Beitrag

Kein Beitrag

A: 3 B: 3

A: 1 B: 4

A: 4 B: 2

A: 2 B: 1

13

320

Kapitel 13 · Peer-to-Peer Märkte

Präferenz für das Kollektivgut, da für sie der erhaltene Nutzen nicht besonders groß ist. Deshalb sind sie nicht oder kaum dazu bereit, einen Teil der entstehenden Kosten zu übernehmen. Durch eine Verweigerung der Kooperation wollen sie ihre erwarteten Kosten minimieren. Wichtigere Personen (Große) hingegen stellen fest, dass der persönliche Gewinn aus dem Kollektivgut die Gesamtkosten der Bereitstellung einer gewissen Menge dieses Kollektivgutes übersteigt. Sie sind daher bereit die Kosten der Bereitstellung des Kollektivgutes notfalls auch allein zu tragen. z Kooperation und Reziprozität

Bisher sind wir davon ausgegangen, dass sich Personen nur einmalig für oder gegen einen Beitrag entscheiden müssen. Auf lange Sicht zahlt sich Kooperation aus. (vgl. Axelrod 1984; . Tab. 13.6). Dazu betrachten wir drei Strategien, die über zehn Runden gespielt werden (vgl. Buch und Mühlenbernd 2014): 1. Spiele immer defekt (Nicht-Kooperation, NK). 2. Starte mit Kooperation und spiele dann die Strategie, die dein Mitspieler eine Runde zuvor spielte (Tit for Tat, TFT). 3. Spiele kooperativ, falls dein Mitspieler mindestens 50 % seiner bisherigen Züge kooperativ gespielt hat (Good Memory, GM), ansonsten defekt (Nicht-Kooperation). Im paarweisen Vergleich zeigen sich folgende Durchschnittswerte für die Strategien (. Tab. 13.7): 5 Defekte Strategie (NK): 2,4 (1,4 + 1) 5 Tit for Tat (TFT): 3,8 (0,9 + 2,9) 5 Good Memory (GM): 3,9 (1 + 2,9)

13

Wenn solche Spiele über deutlich mehr Perioden gespielt werden (z. B. 200 Runden), zeigt sich die Vorteilhaftigkeit vor allem der Strategie Tit for Tat. Folgende Gründe sprechen für diese Strategie: 5 Es ist eine freundliche Strategie, d. h. indem ein Akteur kooperativ beginnt, lädt er seinen Partner ein, ebenfalls kooperativ zu sein. 5 Es enthält ein Element der Vergeltung. Wenn sich ein Akteur unkooperativ verhält, muss er damit rechnen, dass er in der nächsten Runde durch eine unkooperative Reaktion bestraft wird. 5 Schlechtes Verhalten wird vergeben. Ein Akteur kann jederzeit durch kooperatives Verhalten wieder dafür sorgen, dass sich auch der Partner kooperativ verhält. 5 Die Strategie ist einfach zu verstehen.

. Tab. 13.6  Auszahlungsmatrix bei einem wiederholten Spiel Person B

Person A

Kooperation

Keine Kooperation

Kooperation

A:3 B:3

A:0 B:5

Keine Kooperation

A:5 B:0

A:1 B:1

321

13.2 · Grundlagen

. Tab. 13.7  Ergebnisse von Strategien bei wiederholten Spielen Runde

Vergleich

Vergleich

Vergleich

NK

TFT

NK

GM

TFT

GM

1

NK (5)

K (0)

NK (1)

NK (1)

K (0)

NK (5)

2

NK (1)

NK (1)

NK (1)

NK (1)

NK (5)

K (0)

3

NK (1)

NK (1)

NK (1)

NK (1)

K (3)

K (3)

4

NK (1)

NK (1)

NK (1)

NK (1)

K (3)

K (3)

5

NK (1)

NK (1)

NK (1)

NK (1)

K (3)

K (3)

6

NK (1)

NK (1)

NK (1)

NK (1)

K (3)

K (3)

7

NK (1)

NK (1)

NK (1)

NK (1)

K (3)

K (3)

8

NK (1)

NK (1)

NK (1)

NK (1)

K (3)

K (3)

9

NK (1)

NK (1)

NK (1)

NK (1)

K (3)

K (3)

10

NK (1)

NK (1)

NK (1)

NK (1)

K (3)

K (3)

1,4

0,9

1,0

1,0

2,9

2,9

Ø

z Freiwillige Beiträge

Alle Entscheidungssituationen waren bisher durch die Annahme rationalen Handelns und des Eigeninteresses geprägt. Es gibt aber Situationen, in der sich viele Personen gemeinsam und freiwillig an der Erstellung von Gütern beteiligen. Dieses Ergebnis ist u. a. darauf zurückzuführen, dass das Eigeninteresse zurückgestellt wird. Stattdessen dominieren altruistische Orientierungen, moralische Wertvorstellungen, soziale Verpflichtungen und eine soziale (Gruppen-)Identität. Dies kann dazu führen, dass freiwillige Beiträge zur Erstellung eines Kollektivgutes geleistet werden. Betrachten wir als Beispiel ein Open Source Projekt, an dem zwei Entwickler Software erstellen wollen (. Tab. 13.8; vgl. Osterloh et al. 2003). Beide Entwickler sind auch Nutzer der Software. Die Kosten der Erstellung von Software betragen für beide Personen je 60 Geldeinheiten. Bei einer alleinigen Programmierung entsteht ein Nutzen von 40 Geldeinheiten. Im Fall der Zusammenarbeit steigt der Nutzen aufgrund von Spezialisierungsvorteilen auf insgesamt 180 Geldeinheiten. Der Teamoutput wird mit 90 gleichmäßig auf beide Personen verteilt. Eine Person kann sich jedoch noch besserstellen, wenn sie die jeweils andere Person für sich arbeiten lässt und sie selbst nichts zum Teamoutput beiträgt. Einem Nutzen von 40 stehen keine Kosten gegenüber. In unserem Beispiel stellt eine gemeinsame Entwicklungsarbeit beide Personen besser (für eine Person: 90 − 60 = 30 Geldeinheiten). Die Entscheidungssituation wird komplizierter, wenn die Software für eine Vielzahl von Nutzern entwickelt wird, die keine oder nur geringe Beiträge leisten (z. B. privater Anwender, Unternehmen). Viele Softwareprojekte und Austauschbeziehungen werden zudem häufig in Netzwerken organisiert. Hier sind die Analysen komplexer als die bisherigen Zwei-Personen-Situationen (. Tab. 13.9). Die Kooperation in Netzwerken ist vor allem vom anfallenden Nutzen und seiner Verteilung auf die Mitglieder des Netzwerkes abhängig (vgl. Nüttgens und Tesei 2000, S. 20).

13

322

Kapitel 13 · Peer-to-Peer Märkte

. Tab. 13.8  Pay-Off bei Erstellung von Open Source Software Entwickler B

Entwickler A

Leistet Beitrag

Leistet keinen Beitrag

Leistet Beitrag

A: 90 − 60 = 30 B: 90 − 60 = 30

A: 40 − 60 = − 20 B: 40 − 0 = 40

Leistet keinen Beitrag

A: 40 − 0 = 40 B: 40 − 60 = − 20

A: 0 − 0 = 0 B: 0 − 0 = 0

. Tab. 13.9  Nutzen und Verteilungsgerechtigkeit in einem Netzwerk Empfundene Verteilungsgerechtigkeit des Nutzens

Nutzen

Niedrig

Hoch

Hoch

Verteilungskämpfe: Verringerung Nutzen; Abwanderung; Anreize für opportunistisches Verhalten

Netzwerk stabil: Vorteile für alle Beteiligten; Wachstum möglich; Anreize für kooperatives Verhalten

Niedrig

Netzwerk unattraktiv: Netzwerk entsteht nicht; Zerfall des Netzwerks; keine Anreize für kooperatives Verhalten

Netzwerk wenig attraktiv: Keine neuen Investitionen; Entwicklungsstillstand; Suche nach Alternativen; abnehmende Anreize für kooperatives Verhalten; opportunistisches Verhalten

z Fazit

13

5 Trittbrettfahrerverhalten kann zur Instabilität von Internet-Plattformen führen. Im Zweifel können sie gar nicht entstehen. 5 Bei unterschiedlichen Interessen bezogen auf die Bereitstellung von Internet-Plattformen kann es zur „Ausbeutung“ von Großen durch Kleine kommen. Dies entspricht durchaus der Logik kollektiven Handelns. 5 Bei dauerhaften Beziehungen und Austauschvorgängen sind Kooperation und Vertrauen dominante Strategien. 5 Trittbrettfahrerverhalten und Dilemma-Situationen lassen sich durch altruistische Orientierungen, moralische Wertvorstellungen, soziale Verpflichtungen und eine soziale (Gruppen-)Identität auflösen. 5 Die Stabilität von Netzwerken ist abhängig vom anfallenden Nutzen und der Verteilung des Nutzens auf die Mitglieder des Netzwerks. 13.2.4  Filesharing digitaler Güter

Im Mittelalter waren es die Klöster, in denen nur Mönche mit ihrem Spezialwissen Kopien von Büchern erstellen konnten. Im digitalen Zeitalter ist zur Erstellung von Kopien kein Spezialwissen erforderlich. Die legale oder auch illegale Vervielfältigung von digitalen Informationsgütern ist nahezu für jeden Nutzer möglich (vgl. Dörr 2008,

13.2 · Grundlagen

323

S. 128; Schmidt 2019, S. 77 f.). Sind keine exklusiven Verwertungsrechte (z. B. Urheberrechte) verfügbar oder nur mit hohen Kosten durchsetzbar, entsteht ein Nebeneinander von legalen und illegalen Angeboten, das sich aus drei Segmenten zusammensetzt (vgl. Linde und Stock 2011, S. 553 ff.; Schmidt 2019, S. 121 f.): 5 Original-Anbieter von digitalen Informationsgütern. 5 Gewerbliche Raubkopierer bei denen das wirtschaftliche Interesse im Vordergrund steht. Dazu werden Kopien vorrangig als Datenträger hergestellt und an Endkunden verkauft. 5 Selbstversorgung durch Tauschnetzwerke. Diese Möglichkeit ist in der Regel kostenlos, bietet eine große Auswahl und die Beschaffung von Gütern ist mit relativ wenig Aufwand verbunden. z Ökonomische Folgen

Das Filesharing bezeichnet das direkte Weitergeben von Dateien zwischen Nutzern unter Verwendung eines Netzwerks. Im Fall des illegalen Filesharings befinden sich die Dateien normalerweise auf den Computern der Teilnehmer oder Servern, von wo sie an interessierte Nutzer verteilt werden. Beim Streaming sieht die Situation anders aus. Hier wird in der Regel keine dauerhafte Kopie auf der Festplatte des jeweiligen Rechners angefertigt. Die Datei wird nur flüchtig im Arbeitsspeicher hinterlegt. Inzwischen gibt es eine Reihe von Studien, die sich mit den Folgen des illegalen Filesharings auseinandersetzen. Wir wählen als Beispiel die Musikindustrie. Die Studien kommen zu keinen einheitlichen Ergebnissen. Im Gegenteil, die Ergebnisse variieren stark und weisen große Schwankungsbreiten auf. Sie reichen von „statistisch signifikanten (positiv wie negativ)“ bis hin zu „gar keinen Zusammenhängen“. Ursächlich sind folgende Faktoren (vgl. Tschmuck 2009): 5 Die Studien basieren auf methodisch unterschiedlichen Ansätzen. Einige sind theoretischer Natur, andere bauen auf – in der Regel nicht repräsentativen – Umfragen auf. Teilweise ist auch das Datenmaterial alt und lange Zeitreihen von Daten stehen nicht zur Verfügung. Die auf dieser Basis abgeleiteten Schlussfolgerungen können nicht auf das Nutzungsverhalten übertragen werden, das für neu verfügbare Musikplattformen gültig ist. 5 Die Untersuchungsgegenstände sind unterschiedlich: Piraterie, unautorisiertes Kopieren, kostenfreier Musikkonsum oder Downloads sind Begriffe, die nicht unmittelbar vergleichbar sind. Auch die Bezugspunkte sind häufig verschieden: Untersucht werden CD-Alben, Singles und bezahlte Downloads sowie Beziehungen zwischen den genannten Gruppen. Die ökonomischen Folgen des illegalen Filesharings lassen sich nur in einem übergreifenden Modell beurteilen. Die nachfolgenden Ausführungen stellen Effekte vor, die dabei zu berücksichtigen sind. 1. Negative Effekte a) Substitutionseffekt Negative Effekte entstehen vor allem aus der Marktschrumpfung. Dazu zählen Substitutionseffekte für den Tonträgerverkauf bzw. für Bezahlangebote (Huygen et al. 2009). Wichtige Größe in empirischen Untersuchungen ist die Substitutionsrate. Zu klären ist, ob, wann und zu welchem Preis wie viel der illegal heruntergeladenen Musik tatsächlich gekauft worden wäre, wenn es die Möglichkeit der illegalen Beschaffung nicht

13

324

Kapitel 13 · Peer-to-Peer Märkte

gegeben hätte (vgl. Martens et al. 2012, S. 4). Die Substitutionsrate bildet damit den Ausgangspunkt zur Ermittlung des wirtschaftlichen Schadens durch illegales Filesharing (vgl. Oberholzer-Gee und Stumpf 2007, 2009). Die Mehrzahl von Studien beziffert die Substitutionsrate zwischen 10–30 % (vgl. Spindler 2013, S. 38 ff.). b) Wirtschaftlicher Schaden

Die Ermittlung des wirtschaftlichen Schadens muss nicht nur die Substitutionsrate abschätzen, sondern es ist auch zu klären, wie sich der Markt in Originale, Kopien und Raubkopien aufteilt (. Abb. 13.6). Im Fall illegaler Angebote können Umsatzverluste aus entgangenen Neukunden und verlorenen Bestandskunden resultieren. In ökonomischen Modellen wird u. a. danach gefragt, wie hoch eine Strafe anzusetzen ist, damit ein Original-Produzent trotz der Bedrohung durch gewerbliche Raubkopien noch genügend Anreize für die Entwicklung neuer Produkte oder Leistungen hat. Ein möglicher Preisverfall kann zu einer mangelhaften Finanzierung von Künstlern führen und einen Rückgang der künstlerischen Vielfalt zur Folge haben. Die Zahl der Raubkopien hängt dabei von der Strafhöhe und von der Entdeckungswahrscheinlichkeit ab. Sind Originale und Raubkopie perfekte Substitute, gilt vereinfacht folgende Überlegung (vgl. Welzel 2011/2012):

G · F > (1 − F) · x∗ · K, mit

13

. Abb. 13.6  Legales und illegales Angebot von Kopien

(13.1)

325

13.2 · Grundlagen

G  = Geldstrafe

F  = Entdeckungswahrscheinlichkeit x* = Marktanteil der Raubkopien

K  = Entwicklungskosten eines digitalen Gutes

Nehmen wir an, dass ein Hersteller von Raubkopien 2 % der gesamten Stückzahl auf einem Markt verkauft. Beträgt die Entdeckungswahrscheinlichkeit 1 % gilt: (13.2)

G · 0,01 > (1 − 0,01) · 0,02 · K Da in unserem Beispiel (1–0,01) ≈ 1, können wir vereinfachen zu:

(13.3)

G · 0,01 > 1 · 0,02 · K

Die erwartete Geldstrafe muss also mindestens 2 % der Entwicklungskosten des digitalen Gutes betragen. 2. Positive Effekte a) Preiseffekt

Ist Kopieren erlaubt und/oder kann es nicht verhindert werden, kann ein Rechteinhaber für ein Originalerzeugnis einen höheren Preis verlangen (. Tab. 13.10). Es wird unterstellt, dass ein Konsument für diese zusätzliche Nutzungsmöglichkeit eine höhere Zahlungsbereitschaft aufweist (indirect appropriability; vgl. Liebowitz 1985). Nehmen wir an, dass die Zahlungsbereitschaft für ein Original ohne Kopiermöglichkeit bei 10 € liegt. Die Zahl der Kopien sei auf drei begrenzt. Der Wert einer Kopie soll 2 € betragen. In diesem Fall würde ein Käufer bei der Möglichkeit des Fertigens von drei Kopien maximal 16 € für ein Original zahlen. Im Beispiel ist die Zahl der Kopien begrenzt. Bei steigender Nachfrage nach Kopien würde dann auch die Nachfrage nach Originalen zunehmen (vgl. Wurm 2003). Dieser Effekt ist allerdings nur unter restriktiven Voraussetzungen gültig: 5 Der Anbieter kann die Konsumenten, die ihre Originale anderen Nutzern leihen, kopieren oder anderweitig zur Verfügung stellen, ohne größere Kosten identifizieren. 5 Die Anzahl der Kopien, die von einem Original angefertigt werden muss möglichst gering bzw. dem Anbieter zumindest bekannt sein. Der Einfluss unautorisierten Kopierens muss also beherrschbar sein. Zu klären ist, ob mehr oder weniger konsumiert oder gekauft würde, wenn die Nutzung von Tauschbörsen nicht möglich wäre. Denkbar ist, dass es zu einer Verschiebung im Budget kommt, was z. B. für den Konsum von Musik ausgegeben wird. Zusätzliches Einkommen für die Branche wäre z. B. dann zu erwarten, wenn Filesharing in der Folge zu einer höheren Nachfrage nach Livekonzerten führt und – auch aufgrund höherer

. Tab. 13.10  Preisgestaltung mit und ohne Kopiererlaubnis Original

Kopien

Kopier-abgabe

Zahlungsbereitschaft für Original

Ausgangssituation

Kauf

Nicht erlaubt



10 €

Alternative

Kauf

Maximal Drei

6 €

16 €

13

326

Kapitel 13 · Peer-to-Peer Märkte

Eintrittspreise – Effekte rückläufiger Verkäufe aus Tonträgern kompensieren kann. Hier bleiben allerdings Unterschiede zwischen bekannten und weniger bekannten Künstlern zu berücksichtigen. b) Sampling-Effekt Die Anfertigung von Kopien kann den Bekanntheitsgrad von Gütern steigern und die Nachfrage nach Originalen erhöhen. Dieser Effekt ist als Sampling (Testen) bekannt. Sampling kann zu einer besser informierten Kaufentscheidung durch das Herunterladen von Hörproben und eine Erhöhung der Produktvielfalt führen (vgl. Peitz und ­Waelbroeck 2004). Beim Sampling wird davon ausgegangen, dass z. B. illegale Downloads häufig zum Probehören heruntergeladen werden, und im Anschluss bei Gefallen ein legaler Kauf stattfindet. Eine unautorisierte Kopie wäre dann kein Substitut für ein gekauftes Original, sondern ein komplementäres Gut. Allerdings dürften nur musikaffine Personen bereit sein, für ein Musikstück oder ein Album Geld auszugeben, das sie schon als illegale Kopie besitzen. Weniger musikaffine Personen dürften darauf hingegen vor allem dann darauf verzichten, wenn sich die Kopie wenig vom Original unterscheidet. Ein weiteres Argument betont, dass Sampling zur Entdeckung bisher unbekannter Künstler führen und sich positiv auf die Musikverkäufe auswirken kann. In diesem Fall würde eine Marktentwicklung auftreten, die in der Folge zum Kauf von Tonträgern bzw. Bezahlangeboten führt. c) Netzeffekt

13

Auch Künstler wollen aus Prestige-, Status- und Reputationsgründen, dass so viele Tonträger wie möglich gehört werden, selbst wenn dieses teilweise illegal geschieht (vgl. Gayer und Shy 2006). Unterstellen wir dazu vereinfacht, dass sich zunächst 10 Personen zum Kauf eines Originals entscheiden, das 10 € kostet (. Tab. 13.11). Die Käufe führen zu 20 Kopien, die in der Folge einen Netzeffekt von 100 illegalen Kopien zur Folge haben. Entscheiden sich 10 % der Besitzer von illegalen Kopien anschließend für den Kauf des Originals zu einem Preis von 10 €, werden statt ursprünglich 100 € nun 200 € an Erlösen erzielt. Erst in der Gesamtschau der genannten Effekte kann geklärt werden, ob und in welcher Höhe ein Schaden z. B. für Musikproduzenten und -verwerter entsteht (. Abb. 13.7). Neben ökonometrischen Analysen müssen die Nutzer von Musiktauschbörsen dahin gehend untersucht werden, welche Musiktitel sie herunterladen und welche Motive ihres Verhaltens vorliegen. Notwendig sind repräsentative Erhebungen, die bei einem entsprechend langen Beobachtungszeitraum allgemeine Aussagen zulassen. Eine solche Analyse ist eingebettet in den u Strukturwandel, den die Musikbranche durch die Digitalisierung und ein verändertes Nutzerverhalten durchläuft. Hier findet sich u. a. die Idee einer Kulturflatrate, die das illegale Filesharing zurückführt und mögliche Verluste kompensiert, die Urhebern und Verwertern durch den privaten Dateientausch entstehen (vgl. Spindler 2013).

. Tab. 13.11  Kopien und Kauf von Originalen

Preis 10 €

Kauf Original

Kopien

Netzeffekt

Zusätzlicher Kauf Originale

10 · 10 C = 100 C

20

100 Kopien

10 · 10 C = 100 C

13.2 · Grundlagen

327

. Abb. 13.7  Effekte des Filesharing

13.2.5  Digitale Währungen und Blockchain

Digitale Währungen sind ein nicht behördlich reguliertes, virtuelles Zahlungsmittel, welches innerhalb oder auch außerhalb einer Gemeinschaft benutzt und akzeptiert wird. Digitale Währungen gibt es seit den 90er Jahren. Mit der Entwicklung des Internets haben sich bis heute viele Varianten entwickelt (vgl. Syracom 2014). Die nachfolgenden Ausführungen erläutern digitale Währungen am Beispiel der Kryptowährung Bitcoin (BTC). BTC kann zum Kauf von virtuellen und realen Gütern genutzt und in echtes Geld umgetauscht werden. Es gibt Wechselkurse gegenüber realen Währungen, die durch Börsen oder Handelsplattformen ermittelt werden. Digitale Währungen unterliegen nicht der Kontrolle durch eine zentrale Behörde, sondern das Netzwerk selbst überwacht die Zahlungen und stellt die Währung bereit. Finanzinstitute als Intermediäre sind nicht vorgesehen (vgl. ECB 2012). In Deutschland sind BTC nach der Feststellung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Rechnungseinheit (unit of account), die in multilateralen Verrechnungskreisen eingesetzt werden kann. BTC sind damit eine mit Devisen vergleichbare Werteinheit (vgl. Münzer 2013). Aus rechtlicher Sicht gibt es eine Reihe ungeklärter Fragen, die hier nicht im Mittelpunkt stehen (vgl. Schröder 2014). Unter dem Namen Satoshi Nakamoto erschien im Oktober 2008 die erste Veröffentlichung zum BTC-Konzept (Nakamoto 2008). Der Autor kritisiert am herkömmlichen Währungssystem, dass Vertrauen in dritte Parteien benötigt wird, damit es funktioniert. Zu vertrauen ist 5 den Geschäftsbanken bei der Durchführung und Protokollierung von Transaktionen und für die Aufbewahrung der Ersparnisse. 5 den Zentralbanken als Regulierer und Hüter des Währungssystems bezüglich der Geldwertstabilität.

13

328

Kapitel 13 · Peer-to-Peer Märkte

5 dem Staat dahin gehend, dass die Ersparnisse von Bürgern nicht enteignet oder diese Kapitalkontrollen unterzogen werden. Das Ziel besteht in der Schaffung einer Alternativwährung, die unabhängig von Staaten und Notenbanken sowie inflationssicher ist. BTC ähneln vom Konzept her früheren Goldwährungen, die durch begrenzte Vorkommen einer zu hohen Geldproduktion natürliche Grenzen setzten. Der österreichische Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek forderte bereits in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts, das staatliche Geldmonopol durch einen freien Wettbewerb privat produzierter Zahlungsmittel zu ersetzen. Er hatte in die disziplinierende Wirkung des Wettbewerbs mehr Vertrauen als in die Unabhängigkeit von Zentralbanken (Hayek 1977). Durch das Internet wird Hayeks Idee in Form digitaler Währungen ein Stück Realität. 1. Technologie Das BTC-System lässt sich in drei Elemente einteilen, die wechselseitig miteinander verknüpft sind: a) Die Nutzer, die BTC besitzen und Transaktionen tätigen. b) Die Blockchain, die die Transaktionshistorie abbildet und zeigt, welche Adressen über wie viele BTC verfügen. c) Die Miner, die dafür zuständig sind, BTC-Transaktionen zu validieren, an die Blockchain anzufügen und dafür mit neuen BTC belohnt werden. Die Blockchain verbindet die Elemente der Nutzer mit den Minern. Nachfolgend werden die Grundzüge erörtert. a) Nutzer

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Bitcoin-Nutzer kann jeder werden, der Zugriff auf einen Computer mit Internetzugang hat. Der Nutzer kann über einen Computer im Internet ein BTC-Konto erstellen, um dann mit diesem Programm BTC zu erhalten oder zu versenden. Auf ein solches Konto kann über einen Internet-Browser, über einen installierten BTC-Client oder eine Smartphone-App zugegriffen werden. Das eigene BTC-Konto (auch Wallet genannt) enthält einen privaten Schlüssel. Dieser ist vergleichbar mit einem Passwort oder einer PIN. Der private Schlüssel besteht in der Regel aus 64 Zeichen und wird bei der Erstellung eines Wallets in ein Wallet Import Format aus 51 Zeichen überführt, dieses sieht z. B. wie folgt aus: 5JfrgNL8284y9yyo76DtwSccpfucHbFxS3ytmu88XZgyc9rQyNb. Der private Schlüssel für die Wallet sollte kopiert und sicher verwahrt werden. Es gibt Programme, die den kryptografischen Schlüssel in einen QR-Code umwandeln, der sich dann z. B. mit einer Smartphone-Kamera schnell einlesen lässt. Geht der Schlüssel verloren oder kommen Unbefugte in seinen Besitz, ist das Konto nicht mehr sicher. Im offline-wallet (cold storage) können Ersparnisse an einem gesicherten Ort gespeichert werden, der keine Verbindung zum Internet hat. BTC sind unwiederbringlich verloren, wenn der Speicherort des Wallets oder die Passwörter nicht mehr verfügbar sind. Damit das BTC-Netzwerk erkennt, dass eine Überweisung gültig signiert wurde, gibt es einen zweiten Schlüssel, der als öffentlicher Schlüssel bezeichnet wird (. Abb. 13.8). Dieser besteht aus bis zu 66 Zeichen und wurde zu Beginn auch als Wallet-Adresse verwendet. Jedoch wurde diese Zeichenkette im Laufe der Zeit aufgrund der Länge und der damit

13.2 · Grundlagen

329

. Abb. 13.8  Digitales Signaturverfahren

zusammenhängenden Fehleranfälligkeit durch ein Hash-Verfahren verkürzt. Die heutigen BTC-Wallet-Adressen bestehen aus 34 Zeichen, wie z. B.: 12BMgwNJmhkzduSnxDkP2amzbHKNc6uSSP. Im BTC-System ist eine elektronische Münze als eine Kette von digitalen Signaturen definiert. Betrachten wir beispielhaft den Zusammenhang von BTC-Transaktionen (. Abb. 13.9): 5 Ein Hashwert ist eine Prüfsumme von immer gleicher Länge. Es ist nicht möglich, aus dem Hashwert die ihm zugrunde liegenden Daten zu rekonstruieren. Außerdem ist es sehr unwahrscheinlich, zwei unterschiedliche Datensätze zu finden, die den gleichen Hashwert haben. Eine kryptografische Hashfunktion ist z. B. SHA-256

. Abb. 13.9  Transaktion von Bitcoin

13

330

Kapitel 13 · Peer-to-Peer Märkte

(256-Bit Secure Hash Algorithm), welche auch im BTC-System genutzt wird (vgl. Kaulartz 2016, S. 474 ff.) 5 Im Fall von Transaktion B wird dem Besitzer des privaten Schlüssels B ein BTC-Guthaben überwiesen. Will dieser das erhaltene Guthaben an Adresse C von Nutzer C transferieren, entsteht Transaktion C. Dazu wird mithilfe einer kryptografischen Hashfunktion ein Hashwert der empfangenden Adresse C und der Transaktion B gebildet. Diesen Hashwert signiert Nutzer B mit seinem privaten Schlüssel und bestätigt damit, dass sein Guthaben an Nutzer C übergeht. 5 Der Empfänger der Transaktion kann überprüfen, ob die Transaktion valide ist. Mit dem öffentlichen Schlüssel kann er die Signatur der Transaktion verifizieren und so feststellen, dass der Absender auch über diesen bei der Transaktion belasteten öffentlichen Schlüssel verfügen durfte, da er zum Erstellen der validen Signatur den privaten Schlüssel besitzen musste. b) Blockchain

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In einem dezentralen System ohne zentralen Emittenten ist sicherzustellen, dass digitales Geld nicht kopiert und mehrfach verwendet wird (double spending). Dem mehrfachen Belasten einer Bitcoin-Wallet wird im BTC-System dadurch begegnet, dass alle Transaktionen transparent gemacht werden. So kann ein Empfänger die Transaktion als valide betrachten, wenn die Transaktion in die öffentliche Historie aufgenommen worden ist. Die Blockchain ist eine zeitliche Abfolge aller jemals im BTC-System durchgeführten Transaktionen (. Abb. 13.10). Die zeitliche Abfolge der Transaktionen wird durch eine Kette von Hashwerten dargestellt. Neue Transaktionen werden vom BTC-System zu einem Block zusammengefasst, bevor sie an die Blockchain angefügt werden. Jeder Block enthält neben den neu angefallenen Transaktionen auch einen Hashwert des letzten vorher an die Blockchain angefügten Blocks. Dadurch entsteht eine zeitliche Abfolge an Transaktionsblöcken. Darüber hinaus enthält jeder Block eine Nonce. Hierbei handelt es sich um ein Feld in einem BTC-Block, dessen Wert so eingestellt ist, dass der Hash-Block eine Serie von Nullen am Anfang des generierten Hash-Wertes enthält. Das Erstellen eines neuen Blocks erfolgt durch die als Miner bezeichneten Teilnehmer des

. Abb. 13.10 Blockchain

13.2 · Grundlagen

331

BTC-Netzwerks. Die Miner sind damit beschäftigt, neue Transaktionen in valide Blöcke zusammenzufassen und an die Blockchain anzuhängen. c) Miner

Für die Kontrolle der Transaktionen im BTC-Netzwerk sind Miner zuständig. Ein Miner, der einen neuen Block erstellen möchte, tut dies, indem er zufällig neue Noncen für den Block generiert und von diesem Block dann einschließlich der Nonce den Hashwert bildet. Hat er eine Nonce für den Block gefunden, die zu einem Hashwert mit hinreichend vielen Nullen führt, so hat er einen validen Block erzeugt. Dieses Verfahren wird als Proof-of-Work bezeichnet. Der Miner beweist mit dem Bekanntmachen des Blocks mit einer passenden Nonce, dass er Arbeit in Form von Rechenaufwand für das Testen der Noncen aufgewandt hat. Es ist Zufall, wann ein Miner die passende Nonce gefunden hat. Da jedoch tausende Rechner weltweit an der Aufgabe arbeiten, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass einer davon in einem definierten Zeitfenster die Lösung findet. Folgende Aspekte sind von Bedeutung: 5 Wettbewerbliches Verfahren: Werden zwei Blöcke folgend auf den gleichen vorherigen Block nahezu gleichzeitig erzeugt und in das Netzwerk gesendet, so kann es in einem P2P-Netzwerk dazu kommen, dass manche Miner zunächst den ersten Block erhalten, andere Miner jedoch zunächst den zweiten Block. Die Miner arbeiten stets an dem Block weiter, den sie zuerst erhalten. Es entstehen also temporär Gruppen von Minern, die unterschiedliche Transaktionshistorien fortführen. Dieser Zustand wird im Laufe des Minings jedoch aufgelöst. Erhält ein Miner einen weiteren Block, so werden die vorherigen Blöcke verworfen, die nicht von dem jetzt erhaltenen Block fortgesetzt wurden. So ist sichergestellt, dass sich die längste Blockchain durchsetzt, in die der größte Rechenaufwand zum Testen von Noncen investiert wurde. 5 Schwierige Manipulierbarkeit: Sollte eine Person versuchen einen Block in der Kette zu verändern, müsste diese aufgrund des Proof of Work Verfahrens die Noncen und Hashes für jeden nachfolgenden Block erneut berechnen, da sich eine Änderung der Hashkette in allen weiteren Blocks fortsetzt. Nur wenn alle folgenden Blocks valide bleiben, kann die veränderte Blockchain als längste Blockchain von allen anderen akzeptiert werden. Der dazu nötige Rechenaufwand ist dementsprechend hoch und stellt eine Hürde gegenüber missbräuchlicher Änderung der Transaktionshistorie dar. 5 Schwankende Rechnerleistung: Die Dauer zur Erzeugung eines neuen Blocks und zum Testen einer Nonce ist nicht konstant, da neue Nutzer und Rechnerleistung dem System beitreten können. Die Schwierigkeit der Rechenaufgabe wird daher im BTC-System je nach Rechenleistung variiert. Steigt die gesamte Rechenleistung und damit die Anzahl der erzeugten Blöcke, so wird die Schwierigkeit erhöht. Dies geschieht dadurch, dass beim Hashwert der neuen Blöcke mehr Nullen am Anfang des Hash-Wertes gefordert werden, um einen validen Block zu erzeugen. Insgesamt wird die Schaffung von BTC damit durch drei Ressourcen bestimmt: Zeit, Stromverbrauch der Rechner und Komplexität der verfügbaren Schlüssel: 5 Für jeden gefundenen Block gibt es eine Belohnung von gegenwärtig 12,5 BTC (Stand Mai 2019). Im Protokoll ist festgelegt, dass im Mittel alle 10 min ein Block gefunden wird. An jede Transaktion wird eine Gebühr angehängt, die derjenige erhält, der den Block gefunden hat (vgl. Canellis 2019).

13

332

Kapitel 13 · Peer-to-Peer Märkte

5 Die Anzahl der pro Block verteilten BTC halbiert sich alle 210.000 Blöcke. Die nächste Halbierung erfolgt voraussichtlich am 24. Mai 2020. Da BTC nicht entsprechend der Nachfrage, sondern automatisiert und in regelmäßigen Intervallen herausgegeben werden, ist die verfügbare Geldmenge jederzeit berechenbar (vgl. Canellis 2019). Rechnerisch ergibt sich eine Maximalanzahl von 21 Mio. BTC: lim n→∞

n   i=0

50 210.000 × i 2



n  1 = 210.000 × 50 × 2 = 21.000.000 n→∞ 2i

= 210.000 × 50 × lim

i=0

(12.4)

5 Jeden Tag kommen maximal 1800 Einheiten (Bitcoins) dazu (vgl. Blockchain Luxembourg S. A.) Je näher das Limit rückt, desto weniger neue BTC werden geschaffen. Inzwischen ist der Rechenaufwand so hoch, dass sich das Mining mit dem eigenen Rechner nicht mehr lohnt. Spezielle Rechner oder Mining-Pools sind nötig, um die Aufgabe bewältigen zu können (vgl. Sorge und Krohn-Grimberghe 2013). Sollte eine Instanz oder ein Zusammenschluss mehrerer Pools über 50 % der Rechenleistung im Bitcoin Netzwerk erhalten, so könnten Transaktionen gefälscht werden, indem eine neue Wahrheit aufgrund der Mehrheit der Rechenleistung erzeugt wird. Dies ist jedoch nicht im Interesse der Miner, da sonst auch ihre Bitcoins an Wert verlieren würden. 5 Die maximale Anzahl von 21 Mio. BTC wird voraussichtlich 2140 erreicht (. Abb. 13.11). Es gibt jedoch unterschiedliche Schätzungen, da nicht klar ist, wie sich die Rechenleistung in dieser Zeit entwickeln wird. Da BTC auf acht Stellen

13

. Abb. 13.11  Entwicklung von BTC bis zum Jahre 2140 (vgl. Yermack 2015)

333

13.2 · Grundlagen

hinter dem Komma teilbar ist, können letztendlich rund 2,1 Brd. unteilbare BTC-Einheiten existieren (vgl. Sansonetti 2014): 1 Bitcoin = 1 BTC

0,01 BTC = 1 cBTC (1 Centbitcoin oder bitcent) 0,001 BTC = 1 mBTC (1 Millibitcoin oder mbit) 0,000.001 BTC = 1 μBTC (1 microbitcoin μbit)

0,00000.001 BTC = 1 Satoshi.

2. Bewertung Nachfolgend soll das BTC-Konzept anhand ausgewählter Aspekte mit einer klassischen Währung (hier: Euro) verglichen werden. a) Geldfunktionen Digitale Währungen können grundsätzlich die Tausch-, Rechen- und Wertaufbewahrungsfunktionen des Geldes erfüllen. Hinzu kommen weitere Anforderungen an digitales Geld (vgl. Novac 2013, S. 13 f.; . Tab. 13.12). Diese sind bei BTC grundsätzlich gegeben. Allerdings ist der rechtliche Status von BTC in vielen Staaten bisher nicht abschließend geregelt. b) Geldschöpfung Der Euro wird als gesetzliches Zahlungsmittel von der Europäischen Zentralbank herausgegeben. Zur Steuerung der Konjunktur reguliert die Zentralbank die Geldversorgung der Wirtschaft. Im Prinzip ist eine unbegrenzte Ausgabe von Geld möglich, da es sich um eine nicht durch Sachwerte hinterlegte Währung handelt. Grenzen resultieren aus dem Auftrag zur Gewährleistung von Preisniveaustabilität.

. Tab. 13.12  Anforderungen an digitale Währungen (vgl. Syracom 2014, S. 80) Eigenschaften

Beschreibung

Bitcoin

Zuverlässigkeit

Leicht zu handhaben, immer funktionsfähig

Durch die dezentrale Architektur sichergestellt

Fälschungssicherheit

Keine Fälschung möglich

Keine Fälschung bekannt

Universalität

Übertragung von Endgeräten, durch Internetdienste

Vorhanden

Konvertierbarkeit

Tausch von Bargeld in digitale Währung

Über Börsen jederzeit möglich

Unabhängigkeit

Unabhängig vom Emittenten kann die Währung jederzeit getauscht und mir ihr bezahlt werden

BTC hat keinen Emittenten und ist damit unabhängig

Anonymität bei Transaktionen

Kein Bezug zwischen Kunden und Transaktion, keine Erstellung von Kundenprofilen möglich

Transaktionen sind in Form von BTC-Wallet-Adressen pseudonymisiert.

Übertragbarkeit

Währung kann jederzeit an anderen Besitzer übertragen werden

Gegeben

Teilbarkeit

Ausgabe ist in kleineren Teilbeträgen möglich

Gegeben

13

334

Kapitel 13 · Peer-to-Peer Märkte

Das BTC-Konzept verspricht, inflationären Gefahren vorzubeugen. Die Geldschöpfung erfolgt dezentral und ist auf 21 Mio. BTC gedeckelt. Aufgrund von defekten Festplatten, Viren oder allgemeinen Datenverlusten gehen mit den Wallets auch die darin enthaltenen BTC unwiderruflich verloren. Das Konzept kann daher durchaus als inflationssicher und sogar als tendenziell deflationär eingeordnet werden. Eine zunehmende Nachfrage an BTC kann nicht durch Erhöhung der Geldmenge ausgeglichen werden, sondern bewirkt eine Wertsteigerung (Deflation). Damit bleibt zu klären, wer BTC zum Bezahlen herausgibt, wenn es an Wert gewinnt? Wenn die BTC-Kurse steigen, fallen die Preise für Güter in BTC. In diesem Fall besteht die Tendenz, zu sparen und auf steigende Kurse zu setzen. Wenn die maximale Menge an BTC erreicht wird, ist damit zu rechnen, dass konkurrierende digitale Währungen mit ähnlichen Prinzipien entstehen. Bereits jetzt gibt es einen großen Wettbewerb unter digitalen Währungen, dazu gehören z. B. Ethereum, Ripple, Litecoin oder Bitcoin Cash. Spekulativ orientierte Nutzer könnten dann beliebig zwischen verschiedenen Währungen wechseln.

13

c) Geldwertstabilität Bei BTC gibt es keine zentrale Instanz und es liegt kein Status als gesetzliches Zahlungsmittel vor. Da Anbieter fehlen, deren Güter bezogen auf BTC-Preise untersucht werden können, sind Angaben zum Binnenwert schwierig bzw. nicht möglich. Im Prinzip sind BTC Goldkörner, die mit einer Seriennummer versehen sind. Der Kurs ergibt sich aus Angebot und Nachfrage an Tauschbörsen. Bezogen auf den Außenwert kann der BTCKurs gegenüber anderen Währungen analysiert werden. Ein Blick auf Marktplätze zeigt eine hohe Volatilität des BTC-Wechselkurses gegenüber anderen Währungen. Die durch die Spekulation ausgelösten Wertschwankungen untergraben die Funktion von BTC als Handelswährung. Um die Funktion als Geld ausüben zu können, sind auch BTC auf Stabilität angewiesen. Daran sind aber nicht jene interessiert, die in der Währung ein Spekulationsobjekt sehen und auf einen höheren Wert setzen. Als Vermögensanlage eignet sich BTC deshalb eher nicht. Ein innerer Wert als Maßstab wie bei anderen Anlageformen ist nicht zu erkennen. BTC generieren anders als z. B. Aktien oder Anleihen keinen kalkulierbaren Einkommensstrom. Das trifft zwar auch für Papiergeld zu, doch gesetzliche Regelungen und Notenbanken sichern ihre Verwendbarkeit ab. d) Sicherheit Die Einlagensicherung schützt bis zu bestimmten vorgegebenen Grenzen das Geldvermögen. BTC sind hingegen durch Verschlüsselungstechnologien gesichert. Ein Verlust der Wallet z. B. durch einen Schaden der Festplatte oder durch Hackerangriffe ist jedoch nicht auszuschließen. Deswegen ist es wichtig den privaten Schlüssel sicher zu verwahren und ggf. auf Cold-Wallets zurückzugreifen. Der Entwurf des BTC-Protokolls gilt als gelungen. Bislang sind keine schwerwiegenden Fehler bekannt. Allerdings darf kein Angreifer mehr Rechenleistung zur Verfügung haben als alle anderen Teilnehmer zusammen. Ein 51 % Angriff auf die Rechnerleistung könnte dazu führen, dass BTC doppelt und mehrfach ausgegeben würden. Gegenwärtig droht ein solches Szenario zwar nicht, es lässt sich aber nicht vollständig ausschließen.

13.2 · Grundlagen

335

Für einzelne Personen ist das Mining aufgrund der notwendigen Rechnerleistung nicht mehr möglich. Wer BTC nutzen möchte, ist gezwungen, die Währung über eine Handelsplattform zu beziehen und später wieder zu verkaufen. Als Pionier auf diesem Gebiet galt die Online-Handelsplattform MtGox mit Sitz in Japan. Im Februar 2014 musste die Plattform Insolvenz anmelden, nachdem bekannt wurde, dass rund 850.000 BTC verloren gegangen waren. Diese Summe entsprach den kompletten Einlagen des Unternehmens (100.000) und seiner Kunden (750.000). Ursächlich waren Programmierlücken. Die Insolvenz von MtGox weist auf einen wichtigen Aspekt des BTC-Konzepts hin. Im Vergleich zu Einlagen im herkömmlichen Bankensystem kann der Besitzer von BTC jederzeit vollumfänglich darüber verfügen. Auslagerungen von größeren Beträgen auf Dritte bedürfen daher umfassender Sicherungsmaßnahmen und auch einer gewissen Regulierung (vgl. de Vries 2015, S. 96). Eine Regulierung ist auch deshalb erforderlich, da Überweisungen zur Geldwäsche genutzt werden können. Die Nutzer sind daher nicht anonym, sondern pseudonym. Jeder Knoten im Netzwerk ist unter seiner BTC-Adresse bekannt und trägt einen Namen (pseudonym). e) Akzeptanz Eine Währung hat nur dauerhaft Bestand, wenn sie mehrheitlich von Händlern und Kunden akzeptiert wird. Die Erstellung genauer Statistiken zu den Teilnehmerzahlen von BTC ist schwierig, da sich niemand für die Teilnahme am BTC-System registrieren muss. Die Zahl der Konten, die an Transaktionen beteiligt sind, lässt sich zwar ermitteln. Jedoch kann jeder Teilnehmer sich mehrere Konten anlegen. Das BTC-Konzept verspricht kostengünstige Transaktionen, eine schnelle Abwicklung und eine Unabhängigkeit von Banken. Obwohl es keine genauen Untersuchungen darüber gibt, nimmt man allgemein für den Handel mit Bitcoins Transaktionskosten zwischen 0–1 % des Betrags an. Dies ist preiswerter als bei klassischen Online-Bezahlsystemen, bei denen 2–3 % anfallen. Umfragen zeigen, dass vielen Verbrauchern bisher das Konzept nicht oder nur unzureichend bekannt ist. Auf der Anbieterseite liegt der größte Vorteil in den geringen Transaktionskosten bei Zahlungen mit BTC. Aufgrund der relativ hohen Volatilität von BTC ist die Akzeptanz bei Anbietern bisher noch gering. Größere Unternehmen und Handelsplattformen gehen aber vermehrt dazu über, auch BTC und andere digitale Währungen zu akzeptieren. z Fazit

Digitale Währungen wie BTC wollen Schwächen von klassischen Währungen überwinden. Ziel ist es, ein globales Bezahlsystem zu etablieren, das unabhängig von zentralen Instanzen durch die Nutzer organisiert wird. Bei der Durchführung der Transaktionen werden Sicherheit, Schnelligkeit und geringe Kosten versprochen. Zusätzlich sieht das BTC-Konzept einen Algorithmus vor, der die Geldmenge begrenzt und damit inflationäre Entwicklungen verhindern soll. Insgesamt erfüllt das BTC-Konzept nur teilweise die wichtigsten Anforderungen, die an ein Geldsystem gestellt werden (. Tab. 13.13). Digitale Währungssysteme sind daher nur bedingt in der Lage, die vermeintlichen Schwächen klassischer Währungssysteme zu beheben. Ursächlich sind vor allem die mangelnde Wertsicherung und die Volatilität der Währung. Auch eine vollkommene Anonymität ist selbst in einem dezentralen System nicht herstellbar.

13

336

Kapitel 13 · Peer-to-Peer Märkte

. Tab. 13.3  Bewertung des Bitcoin-Konzepts Kriterium

Bewertung

Kommentar

Geld-funktionen

Tendenziell Ja

Die Funktionen des Geldes und digitalen Geldes werden erfüllt, mit Ausnahme der Wertaufbewahrung

Geldschöpfung

Kontrollierte Geldschöpfung

Zu erwarten ist Konkurrenz digitaler Währungen; bei Wertsteigerung ggfs. keine Herausgabe durch Benutzer; deflationäre Entwicklung möglich

Stabilität

Gegenwärtig nein

Bisher starke Volatilität, Tendenz zur Blasenbildung (bisher spekulative Währung)

Sicherheit

Technologisch gegeben durch Verschlüsselung

Persönlicher Verlust möglich; 51 % Angriff nicht auszuschließen; Sicherheit von Handelsplattformen erfordert Regulierung

Akzeptanz

In Teilbereichen

Entwicklungspotenzial, wenn Vertrauen in die Stabilität des Netzwerks hergestellt wird

Digitale Währungssysteme wie BTC haben jedoch das Potenzial zur Weiterentwicklung. Die Idee, dass Individuen in Eigenverantwortung und ohne Staat Geld erzeugen können, fasziniert viele Menschen. Wird sich aber nur noch eine kleine Zahl von Nutzern als Miner beteiligen können, wird der ursprüngliche Charakter von BTC als ein System von gleichberechtigten Nutzern ein Stück weit verlorengehen (vgl. Sorge und Krohn-Grimberghe 2013). 13.3  Übungen

13

103. Kollektivgutcharakter von Tauschbörsen im Internet Werden durch Internettauschbörsen kollektive Güter produziert? Welche Problematik kann aus den ökonomischen Merkmalen einer Internettauschbörse resultieren? 104. Lösungsansätze für Kollektivgutprobleme im Internet Nennen Sie verschiedene Ansätze zur Lösung von Kollektivgutproblemen, die auch für Tauschbörsen im Internet Anwendung finden können. Erläutern Sie in diesem Kontext die Strategie des Tit for Tat. 105. Filesharing digitaler Güter Beurteilen Sie die ökonomischen Folgen des Filesharings am Beispiel der digitalen Musik. Berücksichtigen Sie dabei sowohl negative als auch positive Effekte. 106. Idee des Bitcoin-Konzepts Erläutern Sie das Ziel des Bitcoin-Konzepts. 107. Ausgestaltung des Bitcoin-Konzepts Wie wird die Sicherheit von Überweisungen im BTC-Konzept sichergestellt? Wie wird dabei das Double Spending von Bitcoin verhindert? 108. Bewertung des Bitcoin-Konzepts Welche Kriterien der Geld- und Währungspolitik können zur Bewertung des BTC-Konzepts herangezogen werden? Wie beurteilen Sie das Konzept anhand dieser Kriterien?

337 Literatur

109. Funktion von Hashwerten Erläutern Sie die Funktion eines Hashwertes. Wie wird dieser im Bitcoin eingesetzt und warum? 110. Angriffsszenarien für den Bitcoin Nennen Sie potenzielle Risiken des dezentralen Bitcoin Konzeptes. Diskutieren Sie welche Angriffsszenarien bestehen und welche Auswirkungen das auf ein digitales Währungssystem hätte.

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338

13

Kapitel 13 · Peer-to-Peer Märkte

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13

341

Datenmärkte 14.1 Inhalt und Schlüsselbegriffe – 342 14.2 Grundlagen und Fallbeispiele – 343 14.3 Übungen – 349 Literatur – 350

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0_14

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342

Kapitel 14 · Datenmärkte

14.1  Inhalt und Schlüsselbegriffe (. Abb. 14.1) z Inhalt

1. Die Entwicklung von Technologie in Hinblick auf Rechen- und Speicherkapazitäten sowie neue Möglichkeiten zur Sammlung, Speicherung und Übertragung von großen Datenmengen hat die Welt in den letzten 40 Jahren verändert. Allein die Ausbreitung von sozialen Netzwerken und die Verbreitung von Smartphones erzeugen einen großen Teil der Daten. Dabei sind nicht nur die durch Nutzer hochgeladenen Daten gemeint, sondern auch die durch Plattformen gesammelten Daten, wie z. B. Nutzerprofile und Nutzungshistorien. 2. Gleichzeitig sinken die Kosten für IoT-Hardware, Daten erzeugen, speichern oder verarbeiten, was diese Entwicklung fördert. Vor diesem Hintergrund soll dieses Kapitel einen Überblick über die Vermaktung von Daten, insbesondere personenbezogenen Daten geben. Ebenfalls werden Marktmechanismen diskutiert, die einen Einfluss auf Plattformökonomien und Datenschutz haben. z Schlüsselbegriffe

Daten, Informationen, Datenhandel, Datenmärkte, Personenbezogene Daten, Datenschutz, Datensparsamkeit, Privatsphäre

14

. Abb. 14.1  Kap. 14 auf einen Blick

14.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

343

14.2  Grundlagen und Fallbeispiele

Mithilfe des Internets als Basis-Infrastruktur und der Zunahme von mobilen Endgeräten eröffnet sich ein neuer Markt in der Internet-Ökonomie für die Verwertung von Daten (vgl. Stevens und Bossauer 2017). Eine Studie von IDC Data Age 2025 schätzt das aktuelle Datenvolumen auf ungefähr 33 Zbytes und prognostiziert einen Anstieg des Datenvolumens auf 175 Zbytes bis 2025 (Reinsel et al. 2018). Obwohl dies nur eine Schätzung ist, ist davon auszugehen, dass die Digitalisierung in allen Lebensbereichen fortschreitet und immer mehr Daten gespeichert und verarbeitet werden müssen. Aktuell lässt sich auch eine Veränderung in der Erzeugung von Daten feststellen. Hierbei lassen sich drei Arten von Datenerzeugung unterscheiden: 1) Die manuelle Eingabe von Daten durch einzelne Nutzer (z. B. die Erstellung von Content auf Webseiten durch die Anbieter), 2) Datenerzeugung durch die Crowd (z. B. die Erstellung von Rezensionen durch Nutzer für andere Nutzer) oder 3) Datenerzeugung durch Sensoren (z. B. Apps für Fitness-Tracker). Es lässt sich somit festhalten, dass die hohen Wachstumsraten in Kombination mit den Fortschritten in den Bereichen Data Mining, Business Analytics und Machine Learning den Trend hin zu Datenmärkten ermöglichen und vorantreiben. Aufgrund der sinkenden Kosten für Rechenleistung und Speichervolumen sinken die Eintrittsbarrieren für kleinere Unternehmen eigene Rechenzentren zu betreiben bzw. den Betrieb einzukaufen. Ebenfalls lassen sich durch den Anstieg der Rechenleistung leichter komplexe Mustererkennungs-Verfahren und Deep Learning-Algorithmen einsetzen sowie größere Datenmengen über Computernetzwerke in eine Cloud-Lösung transportieren. Diese technologischen Möglichkeiten sind ein Schlüsselfaktor für das Wachstum von Datenmärkten, welche auf den Verkauf, Kauf und Tausch von Daten als Geschäftsmodell ­setzen. Datenmarktplätze basieren auf dem Prinzip von zwei- bzw. mehrseitigen Märkten und versorgen beispielsweise Daten-Analysten, Business-Anwendungen und Entwickler mit Daten in entsprechenden Datenformaten für eine Weiterverarbeitung (. Abb. 14.2,

. Abb. 14.2  Datenplattformen als zweiseitiger Markt

14

344

Kapitel 14 · Datenmärkte

vgl. Muschalle et al. 2012, S. 130). Im Wesentlichen finden sich auf Datenmärkten folgende Akteure: 5 Datenmarktplatz als Intermediär: Wie auf mehrseitigen Märkten üblich, insbesondere in Plattformökonomien, bedarf es eines Plattform-Betreibers, der Nachfrage und Angebot zusammenbringt. Häufige Geschäftsmodelle für Datenmärkte sind datengetriebene Geschäftsmodelle, wie es zum Beispiel auch soziale Netzwerke sein können. Nutzer bezahlen mit ihren Daten dafür, dass sie eine Plattform kostenfrei nutzen können. Eine weitere Möglichkeit sind finanzielle Anreize zum Teilen von Daten. 5 Daten-Lieferant: Ebenfalls werden Daten-Lieferanten benötigt, die eine Datenplattform mit nützlichen Daten versorgen, für die eine Nachfrage bestehen könnte. Diese Daten können durch die manuelle Eingabe des Daten-Lieferanten (z. B. Angaben zur Person), durch die reine Interaktion mit der Plattform (z. B. Nutzungsverhalten, Verweildauer, Browserhistorien) oder durch mobile Endgeräte wie z. B. Fitness-Armbänder oder Smartphones gesammelt werden. 5 Daten-Konsument: Die Daten-Konsumenten stellen die Nachfrager auf einem Datenmarkt dar. Die Daten-Konsumenten haben z. B. ein Interesse an Daten für gezielte Werbung, um Bedarfe besser zu prognostizieren oder neue Produkte auf Basis von Nutzerdaten zu entwickeln. Daten-Konsumenten können z. B. Versicherungen, Marktforschungsinstitute oder Werbeagenturen sein. Durch die Neuartigkeit der Datenmärkte sind hier überdurchschnittlich viele Start-up-Unternehmen als Daten-Konsumenten aktiv. Datenmärkte finden sich in der Internet-Ökonomie in unterschiedlichen Anwendungsfeldern, in . Tab. 14.1 sind einige Beispiele aufgeführt:

14

1. Daten und Datenschutz als Grundlage für den Datenhandel Wie bereits in 7 Abschn. 3.2.3 in . Abb. 3.12 dargestellt, sind Daten die Grundlage für Informationen und diese wiederum die Grundlage für Wissen. Häufig werden deshalb alle möglichen Arten von Daten gesammelt, um im Nachhinein explorativ im Sinne von Machine Learning zu analysieren welche Informationen und welches Wissen daraus generiert werden kann. Seit dem 25. Mai 2018 ist jedoch die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft getreten, sie soll das obsessive Sammeln von Daten verhindern und die Prinzipien der Datensparsamkeit, Zweckbindung, Datenrichtigkeit, Datensicherheit sowie Privacy by Design-Ansätze fördern, welche im Wesentlichen die Berücksichtigung von Privatsphäre bereits bei der Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Daten fordern (vgl. Pfitzmann und Hansen 2010, S. 6; Verordnung (EU) (2016)/679 des Europäischen Parlaments und des Rates 2016). Jedoch muss bei diesen Prinzipien immer der Trade-Off zwischen Risiko für Datenmissbrauch und der ­potenzielle Nutzen für Kunden durch innovative Daten-basierte Services berücksichtigt werden (vgl. SVRV 2017). So ermöglichte die Einführung von Smart Meter-Systemen in Haushalten nicht nur das Smart Grid-Management, welches das Hauptargument für das nationale Roll-Out war, sondern erlaubte es den Nutzern ein besseres Verständnis für ihren eigenen Stromverbrauch zu bekommen (vgl. Schwartz et al. 2015, S. 554). Somit bringt das expansive Sammeln von Daten zwar mehr Möglichkeiten für Innovationen, birgt aber auch Risiken für Datenmissbrauch. Gleichzeitig stellen Studien häufig ein Privacy Paradoxon fest, welches beschreibt, dass Nutzer ihre Privatsphäre als sehr wichtig

345

14.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

. Tab. 14.1  Anwendungsfelder für Datenmärkte Anwendungsfeld

Ziel

Beispiel

Marketing

Zielgruppenspezifische Werbung

Werbung anhand von Nutzerprofilen auf Facebook

Produktentwicklung

Entwicklung von bedarfsgerechten und nutzerzentrierten Produkten

Entwicklung von Sprachassistenten wie Amazon Alexa

Politik

Zielgruppenspezifische Platzierung von Informationen zu Wahl-Kandidaten

Auswertung von Facebook Daten durch Cambridge Analytica zur Platzierung gezielter Nachrichten zur Wahlbeeinflussung

Geschäftsmodellentwicklung

Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle auf Basis von aggregierten Daten

Nutzung von Fahrzeugdaten zur Fahreranalyse und Verwendung der Fahrerprofile für Versicherungsverträge von z. B. der Allianz

Open Data

Bereitstellung von Daten für die Öffentlichkeit zur Förderung von gesellschaftlichen und sozialen Innovationen

Offenlegung von Daten aus Städten und Kommunen (z. B. open.nrw) zur Förderung der Städteentwicklung und Schaffung von Anreizen für Start-ups

erachten, ihre Daten jedoch sehr leichtfertig für die Nutzung von komfortablen digitalen Dienstleistungen hergeben (vgl. Engels und Grunewald 2017). 2. Aufgaben einer Datenplattform Die Datenplattform bzw. der Datenmarktplatz nimmt die Rolle eines Intermediärs ein. Der Plattform-Betreiber steht also vor der Herausforderung möglichst viele Daten für die Daten-Konsumenten bereitzustellen und gleichzeitig Anreize für Daten-Lieferanten zu schaffen, damit diese ihre Daten auf der Plattform bereitstellen. Des Weiteren erfordert eine Datenplattform eine sichere IT-Infrastruktur, welche eine entsprechende Datensicherheit garantiert und Schnittstellen für den Datenimport- und Datenexport bereitstellt. Eine weitere wichtige Funktion der Plattform ist der Vertrauensaufbau gegenüber den Daten-Lieferanten und der Daten-Konsumenten. Auf der einen Seite müssen die Daten-Lieferanten darauf vertrauen können, dass ihre Daten sicher abgespeichert sind und ein unerlaubter Zugriff ausgeschlossen ist. Auf der anderen Seite müssen die Daten-Konsumenten darauf vertrauen können, dass die vorgehaltenen Daten, seien sie kostenlos oder kostenpflichtig, richtig sind und der Wahrheit entsprechen. 3. Interessen auf Datenmärkten Häufig werden Daten als das neue Öl des 21. Jahrhunderts bezeichnet. In der Tat bringen Datenmärkte eine Vielzahl von Anwendungsfällen mit sich und wecken so das Interesse vieler Wirtschaftsakteure (. Tab. 14.2). So werden z. B. heute schon KFZ-­ Versicherungen in Kombination mit Telematik-Tarifen angeboten, bei dem die Nutzer Daten über ihr Fahrverhalten mit der Versicherung teilen und mit einem vergünstigten

14

346

Kapitel 14 · Datenmärkte

. Tab. 14.2  Anwendungsfälle für Interessenten in Datenmärkten Interessenten

Anwendungsfall

Versicherungsunternehmen

Analyse des Nutzungsverhaltens der versicherten Person und Eingruppierung in eine Risikoklasse

(Markt-)Forschungsinstitut

Analyse von Daten zum Nutzungs- und Kaufverhalten bestimmter Personengruppen zur Prognose von z. B. Marktentwicklungen oder Akzeptanzfaktoren

Werbeagentur

Analyse von Kundenpräferenzen und Kaufhistorien für den Einsatz zielgruppenspezifischer Werbung

Produkthersteller

Analyse des Nutzungsverhaltens bei bestimmten Produkten zur Ableitung von Verbesserungspotential und Verbesserung der Produkte

Start-ups

Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle auf Basis von aggregierten Daten einer Datenplattform, z. B. Analyse von Mobilitätsdaten für das Angebot von eScootern in Städten

Städte und Kommunen

Analyse von z. B. Sensor-Daten für Feinstaubbelastung und Lärm zur Ableitung von städtebaulichen Maßnahmen für eine nachhaltigere Stadtentwicklung

Bevölkerung

Bereitstellung von Daten für die Öffentlichkeit zur Förderung von gesellschaftlichen und sozialen Innovationen

Versicherungstarif entlohnt werden. Viele Dienstleistungen in der heutigen Zeit basieren auf Daten bzw. auf den daraus resultierenden Informationen. In der folgenden Tabelle werden einige Beispiele vorgestellt.

14

4. Interessenten und Geschäftsmodelle für Datenplattformen Oft sind Datenmarkt-Ansätze an konkrete Geschäftsmodelle gekoppelt und adressieren somit konkrete Anwendungsfälle wie z. B. den Datenhandel von Facebook-Nutzerdaten zur Platzierung von auf Nutzer angepassten Inhalten. Es gibt jedoch neben dem Geschäftsmodell für 1) Anwendungsfall-spezifische Datenmärkte auch 2) offene Datenmärkte, welche häufig für öffentliche Daten in Städten und Kommunen eingesetzt werden und 3) allgemeine Datenmärkte mit Fokus auf den Kauf und Verkauf von Personendaten. 5 Anwendungsfall-spezifische Datenmärkte Das ist die wohl bekannteste Form von Datenmärkten. Hierbei handelt es sich oftmals um „kostenlose“ digitale Services, die meist mit der Bereitstellung der eigenen Daten bezahlt werden. Die bekanntesten Beispiele für diese Art von Datenmärkten sind z. B. Facebook und Google. Facebook als Plattformbetreiber bietet einen kostenlosen Dienst für Nutzer und erhält im Gegenzug deren persönliche Daten. Auf der anderen Seite zahlen Unternehmen und Werbeagenturen Geld für die Platzierung ihrer Werbung auf Facebook und erhalten durch die Auswertung der Nutzerprofile auch einen indirekten Zugang zu den Nutzerdaten und können zielgruppenspezifische Werbung schalten. So behält sich z. B. Google das Recht vor, Textanalysen in den E-Mail-Konten seiner Nutzer durchzuführen und kann so auf Basis des

14.2 · Grundlagen und Fallbeispiele

347

E-Mail-Verkehrs passende Produktwerbung schalten und Aktivitäten anbieten. Einen weiteren anwendungsfall-spezifischen Datenmarkt bildet die Bonitätsprüfung im E-Commerce, bei der personenbezogene Daten zur Bewertung der Zahlungsfähigkeit gesammelt und den Shop-Betreibern in Form eines Score-Wertes bereitgestellt werden. 5 Offene Datenmärkte Zu den offenen Datenmärkten gehören vor allem Open Data-Initiativen, die öffentliche Umfragen, Smart City-Sensordaten, Verkehrsdaten, Bevölkerungsstatistiken etc. umfassen. Diese Geschäftsmodelle werden meist von Städten und Kommunen getragen und dienen dem allgemeinen Interesse. Wesentliche Ziele dieser Initiativen sind die Schaffung von Transparenz und die Befähigung von Start-ups und gemeinnütziger Organisationen innovative Projekte auf Basis der zur Verfügung gestellten Daten zu initiieren und die Stadtentwicklung zu fördern. Ein Beispiel dafür ist das Projekt Digitalstadt Darmstadt (vgl. Digitalstadt Darmstadt GmbH 2019). 5 Datenhandel auf Mehrzweck-Datenmärkten Ein aktuell wenig verbreitetes, aber häufig diskutiertes Geschäftsmodell sind auf Datenhandel spezialisierte Datenmärkte, auf denen Daten-Lieferanten nicht mit ihren Daten für einen Service bezahlen, sondern sich für die angebotenen Daten direkt bezahlen lassen können. Dabei können sehr vielfältige Daten für viele Zwecke angeboten sowie nachgefragt werden. In diesem Kontext könnte Blockchain-Technologie eine Schlüsselrolle einnehmen und mit Hilfe von Smart Contracts den Handel mit Zugriffsrechten auf Daten ermöglichen. So planen z. B. Autoteile-Zulieferer die vom Fahrzeug erzeugten Daten in einer Blockchain zu speichern und diese mit dem Autohersteller und anderen Unternehmen zu handeln (vgl. Reichhardt 2019). 5. Bewertung von Daten Für die Bewertung von Daten gibt es keine allgemeingültige Formel, da die Bewertung der Daten von vielen Faktoren abhängt. Eine Studie des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz hat z. B. ermittelt, dass der Preis für einen Adress-Datensatz zwischen 6 und 24 Cent liegt (vgl. BMJV 2017, S. 3). Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. hat 2018 einen Artikel zum Thema Data Economy veröffentlicht in dem eine Beispielrechnung vorgestellt wurde, in der unter anderem die Kosten für die Datenbeschaffung in Verhältnis zur Aktualität, der Fehlerquote und dem Grad der Identifikation gesetzt wurden. Diese Informationen sind jedoch nicht immer zugänglich und lassen sich für viele Datenarten auch nicht feststellen. Einigkeit gibt es jedoch in der Hinsicht, dass der eigentliche Wert der Daten erst durch die Aggregation und Informationsgewinnung sowie Informationsnutzung entsteht (vgl. BVDW 2018, S. 19). z Datenhandel am Beispiel der Bonitätsprüfung

Die wohl verbreitetsten und am häufigsten genutzten Datenmärkte sind Auskunfteien für Bonitätsauskünfte bei Online-Bestellungen. Diese liefern anfragenden Unternehmen bonitätsrelevante Informationen über betroffene Vertragspartner. Zu diesen Auskunfteien gehören unter anderem die Schufa-Holding, Infoscore Consumer Data, Creditreform Boniversum und Bürgel Wirtschaftsinformationen (vgl. BMJV 2017, S. 65). Dort werden personenbezogene Daten genutzt, um einen Risiko-Index bzw.

14

348

Kapitel 14 · Datenmärkte

Score zu ermitten, welcher die Zahlungsfähigkeit bzw. -verlässlichkeit eines Kunden darstellt. Die Schufa-Holding verarbeitet z. B. folgende Daten: 5 Name 5 Anschrift 5 Geburtsdatum 5 Informationen über nicht vertragsgemäße Abwicklung von Geschäften (Daten der Vertragspartner) 5 Daten aus öffentlichen Verzeichnissen (Schuldnerverzeichniseinträge) und amtlichen Bekanntmachungen (z. B. bei Privatinsolvenz) 5 Positive Zahlungserfahrungen Die Schufa agiert in diesem Kontext als Intermediär für bonitätsrelevante Daten, welche von Daten-Lieferanten wie Banken, öffentlichen Verzeichnissen und amtlichen Bekanntmachungen gesammelt und für eine Bonitätsauskunft in Form eines ScoreWertes aufgearbeitet werden. Diese Informationen werden dem Online-Handel gegen Entgelt angeboten, um für diesen das Risiko eines Zahlungsausfalls zu reduzieren und dem Konsumenten seiner Bonität entsprechende Zahlungsmöglichkeiten anzubieten (. Abb. 14.3). Das Scoring erfolgt auf Basis von Prognose-Werten über das zukünftige Zahlungsverhalten bzw. die Kreditfähigkeit der bewerteten Person. Dafür werden bisherige Zahlungsstörungen, vergangene Kreditaktivitäten, Kreditnutzung, Länge der Kredithistorie und allgemeine Daten wie Geburtsdatum, Geschlecht, Anzahl bisherige Anschriften oder Informationen zum Wohnungsumfeld genutzt (vgl. Domurath und Neubeck 2018, S. 10 f.; BMJV 2017, S. 66; . Abb. 14.4). In der Regel bemerkt der Online-Einkäufer nicht, dass während des Kassen-Prozesses eine Bonitätsprüfung stattfindet. Dies geschieht meist zwischen Eingabe der personenbezogenen Daten und der Auswahl einer Bezahloption. Im Hintergrund wird ein Score-Wert ermittelt, die Adressdaten geprüft und die Person verifiziert.

14

. Abb. 14.3  Aufbau eines Datenmarkes am Beispiel der Schufa-Holding

14.3 · Übungen

349

. Abb. 14.4  Bonitätsprüfung im E-Commerce

Anschließend gibt die Software entsprechend des Score-Wertes automatisiert die Bezahloptionen aus. Die Zahlung per Rechnung wird in der Regel nur Kunden mit einem guten Score-Wert angeboten. Das Beispiel der Bonitätsprüfung fällt unter das Geschäftsmodell der anwendungsfallspezifischen Datenmärkte, da die Daten in diesem Fall nur für den einen Zweck der Bonitätsprüfung erhoben, ausgewertet und verkauft werden. Geschäftsmodelle für offene Datenmärkte und Mehrzweck-Datenmärkte sind im Alltag noch nicht so stark verbreitet, werden jedoch im Zuge der Digitalisierung immer häufiger aufgegriffen und im Kontext von Smart-City-Projekten und der digitalisierten Mobilität diskutiert. 14.3  Übungen

111. Datenmarkt Nennen und beschreiben Sie die drei Akteure auf einem Datenmarkt. 112. Datenplattform-Betreiber Erläutern Sie die Aufgaben eines Datenplattform-Betreibers. 113. Geschäftsmodelle Beschreiben Sie drei verschiedene Geschäftsmodelle für einen Datenmarkt und geben Sie jeweils ein Beispiel. 114. Anwendungsfelder Nennen Sie Anwendungsfelder für Datenmärkte und geben Sie Beispiele. 115. Datenmärkte und Datenschutz Welche Rolle spielt Datenschutz und Privacy auf Datenmärkten. Erläutern Sie die Zusammenhänge. 116. Die Bonitätsprüfung als Datenmarkt Ordnen Sie das Fallbeispiel der Bonitätsprüfung in das Thema Datenmärkte ein und skizzieren Sie dieses Fallbeispiel.

14

350

Kapitel 14 · Datenmärkte

Literatur

14

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351

Zusammenfassung Inhaltsverzeichnis Kapitel 15

Epilog – 353

III

353

Epilog

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0_15

15

354

Kapitel 15 · Epilog

Sie haben in diesem Buch die Grundlagen der Internet Ökonomie sowie Fallbeispiele kennengelernt, die ihre Ausprägungen verdeutlichen. Bei der Beurteilung der Inhalte sind vor allem folgende Gesichtspunkte von Bedeutung: 1. Digitale Märkte unterscheiden sich zwar in vielfacher Hinsicht von physischen Märkten, es gibt jedoch grundlegende Gemeinsamkeiten. Auch auf digitalen Märkten gibt es eine Angebots- bzw. Nachfrageseite (. Abb. 15.1). Hinzu kommen wie auf realen Märkten häufig Intermediäre. In diesem Fall rücken Anbieter und Nachfrager näher zusammen. Gleichzeitig entstehen durch den Einsatz von IKT Ansätze der Disintermediation sowie neue Formen der Re- und Online-Intermediation. 2. Digitale Märkte kommen dem Ideal eines vollkommenen Marktes in einigen zentralen Punkten näher. So ist z. B. Markttransparenz vor allem im Fall gut vergleichbarer Güter höher und die Anpassungsgeschwindigkeit an Veränderungen größer. Auch digitale Märkte sind jedoch nicht in allen Punkten perfekt. Preisvergleiche sind zwar durch Suchmaschinen, Empfehlungs- und Preisvergleichssysteme leichter geworden, aber mangelndes Vertrauen und Schwierigkeiten der Beurteilung von Qualitäten können diese Vorteile teilweise sogar überkompensieren (. Abb. 15.2). Nicht in allen Bereichen weisen digitale Märkte daher gegenüber traditionellen Märkten eine größere Effizienz auf. Es kommt auf die Art der Güter (z. B. Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgüter) und die Ausgestaltung der einzelnen Transaktionsphasen an. Zu unterscheiden sind die Informations-, Anbahnungs- und Aushandlungsphase sowie die After-Sales-Phase. 3. Der Kunde kann auf digitalen Märkten vielfach personalisierter angesprochen werden als auf traditionellen Märkten (. Abb. 15.3). Dies gilt zumindest dann, wenn hinreichend aussagefähige Kundenprofile vorliegen. Vor allem hat sich die Rolle der Kunden gewandelt. Sie erstellen und bearbeiten Inhalte quantitativ und qualitativ selbst. Damit werden Inhalte werden nicht mehr nur zentralisiert z. B. von Medienunternehmen erstellt und über das Internet verbreitet, sondern auch von einer Vielzahl von Individuen, die sich mithilfe sozialer Software untereinander vernetzen. Aus ökonomischer Sicht kann von einer zunehmenden

15

. Abb. 15.1  Aufbau digitaler Märkte ist realen Märkten nicht unähnlich

355 15 Epilog

. Abb. 15.2  Nicht alle digitalen Märkte sind perfekt

. Abb. 15.3  Nicht alle digitalen Märkte sind transparent

Konsumentensouveränität gesprochen werden. Doch es gibt auch Entwicklungen, die einer größeren Kundenmacht entgegenwirken. So stellen sich u. a. die Fragen der Glaubwürdigkeit von Informationen und wie mit der Vielfalt an Informationen effizient umzugehen ist. Auch auf digitalen Märkten gibt es Informationsasymmetrien zwischen Anbietern und Nachfragern, die die Gefahr des opportunistischen Verhaltens bergen. Das fehlende Vertrauen der Marktpartner lässt sich aufgrund der technologischen Grundlagen digitaler Märkte nur bedingt herstellen. Da sich Anbieter und Nachfrager nicht physisch treffen, gewinnt die Reputation große Bedeutung. 4. IKT heben raum-zeitliche Beschränkungen auf. Der elektronisch gestützte Handel gewinnt dadurch zusätzliche Freiheitsgrade und wird auch internationaler. Trotzdem gibt es im grenzüberschreitenden Handel nach wie vor Beschränkungen (. Abb. 15.4). Sprachliche und kulturelle Barrieren, Preise in anderen Währungen und nicht immer verständliche Geschäftsbedingungen verhindern bzw. erschweren nicht nur die Abwicklung, sondern bereits die Anbahnung ökonomischer Transaktionen. Kommt es zum Vertragsabschluss, kann sich die Abwicklung langwierig

15

356

Kapitel 15 · Epilog

. Abb. 15.4  Nicht alle digitalen Märkte funktionieren grenzüberschreitend

und im Fall von Reklamationen gegebenenfalls schwierig erweisen. Teilweise unklar ist auch die Zuständigkeit im Fall juristischer Auseinandersetzungen, was zu einer Erhöhung der Transaktionskosten führen kann. Insgesamt fehlt noch ein globales und konsistentes Regelwerk, das von allen beteiligten Akteuren akzeptiert wird. 5. In der Internet-Ökonomie sind Informationen im Überfluss vorhanden. Hingegen gilt die Aufmerksamkeit als knappe Ressource. Vor diesem Hintergrund wird das Modell der FreeConomics postuliert, das das Verschenken von Gütern als Erfolg versprechenden Weg bezeichnet und andere Erlösformen in den Vordergrund treten lässt (z. B. Werbefinanzierung). Diese Strategie kann vor allem bei digitalen Gütern sinnvoll sein, da ihre Grenzkosten nahe Null liegen. Ein solches Geschäftsmodell ist jedoch nicht neu und ist auch mit betriebswirtschaftlichen Risiken verbunden (. Abb. 15.5). 6. Auf digitalen Märkten gelten nicht gänzlich neue ökonomische Spielregeln (. Abb. 15.6). Das traditionelle ökonomische Instrumentarium lässt sich daher gut

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. Abb. 15.5  FreeConomics ist nicht immer ein erfolgreiches Modell

357 15 Epilog

. Abb. 15.6  Auf digitalen Märkten gelten alte und neue Spielregeln

anwenden, muss aber in einen neuen Kontext gerückt werden. Bekannte, bislang aber nicht dominante Regeln werden neu akzentuiert, gewinnen zunehmend an Bedeutung, werden neu kombiniert und treten in neuen Ausprägungen auf: 5 Die für die Mikroökonomie zentrale Regel, dass der Preis gleich den Grenzkosten ist, lässt sich bei digitalen Gütern nicht anwenden. Aufgrund der sehr niedrigen Grenzkosten würden sich bei Anwendung dieser Regel Nullpreise ergeben. 5 Digitale Güter haben Eigenschaften, die typisch für öffentliche Güter sind. Dazu zählen die Nicht-Rivalität im Konsum und die fehlende Möglichkeit zur Anwendung des Ausschlussprinzips. Trotzdem muss es nicht zum Marktversagen kommen. Solche Güter – wie etwa Software – sind in der Regel teuer herzustellen, aber preiswert im Internet zu reproduzieren. Digitale Märkte erlauben es, verschiedene Versionen eines Gutes oder von Leistungen herzustellen und die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft verschiedener Kundengruppen auszunutzen. 5 Im Gegensatz zu sinkenden Grenz- und Skalenerträgen gibt es auf digitalen Märkten häufig steigende Skalenerträge. Damit sind die Entwicklungen nicht wie in der traditionellen Ökonomie vorhersagbar, sondern pfadabhängig. 5 In der klassischen Ökonomie bestimmt die Knappheit den Preis eines Gutes. Die zunehmende Verbreitung eines Gutes führt bei isolierter Nutzung zu einem Wertverlust und zu Preissenkungen (negative Rückkopplung). Auf digitalen Märkten steigt hingegen der Wert eines Gutes mit zunehmender Verbreitung (positive Rückkopplung). Netzeffekte führen dazu, dass kritische Masse Knappheit als Wertquelle verdrängt. Der Aufbau einer kritischen Masse führt zu einer überragenden Bedeutung von IKT-Standards. Eng damit verbunden sind der Aufbau von Wechselkosten und Lock-In-Effekten. In ihrer Gesamtheit führen diese Besonderheiten häufig zum Entstehen von monopolähnlichen Situationen.

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358

Kapitel 15 · Epilog

5 Die digitale Wertschöpfung resultiert ganz wesentlich auf dem Produktionsfaktor Wissen. Im Gegensatz zu anderen Produktionsfaktoren reduziert sich Wissen durch Gebrauch nicht und nutzt sich nicht ab. Wissen vermehrt sich selbst. Das Internet ist mehr als ein ökonomisches Experimentierfeld. Es wird teilweise mit einem kulturellen Umbruch gleichgesetzt, der mit jenem des Buchdrucks verglichen wird. Die Massenverbreitung von Büchern dauerte allerdings Jahrhunderte. Das Internet hat sich in wenigen Jahrzehnten zu einem weltumspannenden Hybridmedium entwickelt, in dem viele andere Medien verschmelzen. Inzwischen zeichnet sich u. a. das Internet der Dinge klarer ab. Der Roboter, der beim Einkaufen unterstützt und der Kühlschrank, der sich meldet, wenn Lebensmittel fehlen – alles gesteuert über das Internet. Die Geschwindigkeit, mit der sich solche Szenarien umsetzen lassen, ist nicht vorhersagbar. Unumstritten ist aber, dass das digitale Zeitalter gerade erst angebrochen ist. Die Internet-Ökonomie wird daher auch zukünftig ein interessantes Lehr- und Forschungsfeld bleiben und seine Auswirkungen werden das zukünftige Leben weiterhin nachhaltig verändern.

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Serviceteil Stichwortverzeichnis – 361

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Clement, D. Schreiber, P. Bossauer, C. Pakusch, Internet-Ökonomie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59829-0

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A–I

Stichwortverzeichnis 4C-Business-Net-Typologie  17

A Abwicklungsphase  158 Adoptergruppen  221 Adoption  216 Adoptionsgeschwindigkeit  222 AdSense  142 Adverse Selection  100, 165, 170 AdWords  141 After-Sales-Phase  158 Agentensystem  181 AIDA-Regel  140 Algorithmen  185, 189 Allmendegut  95, 102, 294 Amazon  189, 193 Anonymität  168 Anreizkompatibilität  124 Anreiztheorie  75 Anschlussakt  211 Aufmerksamkeit  40, 135, 140 Auktion  15, 122 –– englische  125 –– holländische  125 Ausschlussprinzip  94, 273

B B2C  2, 9 Baligh-Richartz-Effekt  156 Basis, installierte  265 Basisnutzen  41, 254 Bass-Modell  224 Bertrand-Modell  71 Bertrand-Paradoxon  72 Bertrand-Preiswettbewerb  240 Best-Effort-Prinzip  102 Bewertungen  196 Big Data  38, 169 Bitcoin  327 Block Chain  330 Bonitätsprüfung  347 Bundling  133

C C2C  9 Chicken-and-Egg-Problem  265 Clickworker  284 Collaborative Filtering  188

Commons  293, 296 Competitive Bottleneck  267 Content-based Filtering  188 Cookies  187 Crowdsourcing  281

D Data-Mining  187 Daten  38 Datenhandel  347 Datenklau  51 Datenmärkte  342, 346 Datenmenge  38 Datenökonomie  142 Datenträger  40 Datenvielfalt  38 De-facto-Standard  53 De-jure-Standard  52 Debugging  84 Dekodierung  40 Dell  173 Diffusionsforschung  217 Diffusionskoeffizient  217 Diffusionskurve  216, 221, 225 Diffusionsmodell  216 Diffusionsprozess  220 Diffusionstheorie  218 Digital Rights Management  77 Digitalisierung  29 Digitalisierungsgrad  35, 56 Disintermediation  162, 172 Distribution  2 Dunbar-Zahl  50

E eBay  127 Effekte, externe  33, 43 Eigentumsrechte  72, 94, 105 Einkaufs-Plattform  264 Empfehlungssystem  185, 190 Encyclopedia Britannica  33 Erfahrungseigenschaften  97 Erlös –– direkter  16 –– indirekter  17 Erlös-Äquivalenz-Theorem  127 Erlösformen  15 Excess –– inertia  249 –– momentum  249

Externalitäten –– negative  44 –– positive  43, 49

F Facebook  239, 248 Feedback-Effekte, positive  70 Filesharing  323 First Copy Costs  67 First-Mover-Vorteile  245 First-order-Effekt  174 Fixkosten  66, 240 Flatrate  103 Fluch des Gewinners  123 Follow the Free Pricing  137, 241 FreeConomics  72, 134 Freemium  136 Funktionalität  13

G Gefangenendilemma  318 Gemeingüter  293 Gewinnermarkt  239 Gewinnmaximum  68 Google  141, 241 Gossensches Gesetz  213 Grenzerträge, abnehmende  66 Grenzgröße  30 Grenzkosten  66, 68, 240, 271 Grenznutzen  50 Güter –– digitale  33, 35 –– immaterielle  75 –– öffentliche  94 –– physische  35 –– private  94 –– semi-digitale  35 –– semi-physische  35

H Hierarchie, elektronische  12 Höchstpreisauktion, verdeckte  125 Hyperlink  31

I Imitation  82 Imitationskoeffizient  225

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Stichwortverzeichnis

Individualkommunikation  217 Industrie 4.0  56 Information  38 –– Overload  139, 167 –– vollkommene  163 Informations-Epidemie  231 Informations- und Kommunikationstechnologien  2 Informationsasymmetrie  159, 164, 169 Informationsgüte  180 Informationsgüter  34, 37, 72 Informationsinhalte  40 Informationsökonomie  97 Informationsparadoxon  97 Informationsphase  12, 158 Initiative D21  56 Innovation  82 Innovationskoeffizient  225 Integrationseffekt  8 Intelligenz, kollektive  281 Intermediäre  25, 156, 266 Intermediation  24, 157 Internet  31, 56, 100 Internet-Ökonomie  8 Internet-Wirtschaft  56 IP-Adresse  168, 177, 187

K Kasten, morphologischer  8 Katalog  15 Kaufakt  211 Kaufentscheidung  11 Kleine-Welt-Netzwerke  230 Klubgüter  95 Knoten  51, 229 Kollaboration  291 Kommunikationseffekt  8 Kompatibilität  51, 249 Kondratieff-Zyklus  29 Konsum  2, 25 –– gemeinschaftlicher  313 Konsumentenrente  57, 166 Kontaktkosten  156 Kooperation  291 Kopie  72 Kopierschutz  77 Kopiertechnologie  80 Kosten –– variable  66 –– versunkene  66 Kostenbegriff  65 Kostendegression  29 Kryptowährung  327

L Leistungseigenschaften  11, 97 Lerneffekt  253 Lizenz  73 Lock-In-Effekt  79, 242 Logfile-Analyse  187 Long Tail  191

M Makler-Plattform  264 Maklereffekt  8 Many-to-Many-Netzwerke  45 Märkte  8 –– bestreitbare  245 –– einseitige  263 –– elektronische  8, 24 –– illegale  72 –– reale  8 –– zweiseitige  33, 45, 263, 264, 274 Markteffizienz  111 Markteintrittsspiel  246 Marktplätze –– horizontale  13 –– vertikale  12 Markttransparenz  163, 179, 193 Marktzutrittsbeschränkungen  239 Masse, kritische  211, 214 Massenkommunikation  217 Meinungsvielfalt  282 Metcalfes Gesetz  46 Microsoft  34 Mining  331 Monopol, natürliches  70, 240 Moral Hazard  100, 171 Multihoming  267

N Nachfragekurve  91 Nash-Gleichgewicht  318 Naturrechtstheorie  75 Netz –– intelligentes  56 –– reales  41 –– virtuelles  41 Netzeffekt  31, 33, 42, 47, 100, 241, 253, 326 –– direkter  43, 270 –– indirekter  44, 264, 270 Netzeffektfaktor  42 Netzneutralität  102 Netzökonomie  41

Netzwerk –– skalenfreies  230 –– soziales  49, 229, 272 Netzwerkgesetze  48 Netzwerkgut  41 Netzwerkmanagement  104 Netzwerkmarkt  212 Nischenprodukt  191 Nutzen  42, 214, 254 –– derivativer  41 Nutzenmaximierung  91 Nutzenzuwachs  49 Nutzerprofil  187 Nützlichkeit  40 Nutzungsakt  211 Nutzungsrechte  73

O Ökonomie, kollaborative  292 One-to-Many-Netzwerk  45 Online-Handel  191, 194 Online-Intermediäre  176 Open-Source-Projekt  321 Open Source Software  297 Opportunitätskosten  57 Original  72

P P2P-Banking  308 P2P-Märkte  293 P2P-System  307 Paid Content  138 Paid Crowdsourcing  283 Pareto-Prinzip  191 Patent  73, 81 Patent-Pools  85 Peer-to-Peer-Märkte  157, 307 Pfadabhängigkeit  252 Pinguin-Effekt  227 Plattform  13, 45, 239, 263 Plattformökonomie  206 Plural-Prinzip  17 Potenzgesetz  229 Powershopping  119 Preis-Absatz-Funktion  212 Preisbildung  15 Preisdifferenzierung  129 –– perfekte  130 Preiselastizität  111, 113 Preishöhe  111 Preisinformation  98, 179 Preisinteresse  181 Preisstreuung  111

363 Stichwortverzeichnis

Preisvergleichsdienste  113, 180 Preisverschleierung  112 Principal-Agent-Theorie  170 Privacy Paradoxon  344 Produktbündelung  133 Produktinformation  179 Produktion  2, 25 Proof-of-Work  331 Prozessintegration  251

Q Quasi-Monopol  244 Quasi-Standard  52

R Raubkopie  74, 324 Rebound-Effekt  316 Reeds Gesetz  47 Registrierungsgebühren  266 Reintermediation  162, 176 Reputation  100, 159 Reputationssystem  196, 312 Reservationspreis  179 Ressourcenschonung  315 Reverse Auctions  119 Reverse Pricing  121 Rezipientenmarkt  269 Rivalitätssprinzip  94 Rohlfs-Nachfragekurve  212 Rückwärtsinduktion  247

S Sampling  326 Schichtenmodell  29 Schlüssel –– öffentlicher  328 –– privater  328 Schutzrechte  72 Schwellenwert  230 Screening  172 Second-Hand-Märkte  72 Selbstbestimmung, ­informationelle  51 Selbstselektion  130 Selbstversorgung  74

Sharing  293 –– Economy  311 –– Plattformen  314 Shitstorm  51 Signaling  171 Signatur, digitale  329 Singlehoming  267 Singular-Prinzip  17 Singulärgüter  41 Skalenerträge, steigende  67, 70 Smart City  347 Sniping  127 Social-Media-Technologie  172 Software  83, 297 Software-Plattform  265 Spieltheorie  245, 318 Standard –– offener  55, 242 –– proprietärer  53 Standardisierung  52 Streaming  323 Stückkostendegression  67 Subadditivität  70 Suchalgorithmus  141, 241 Sucheigenschaften  11 Suchergebnis  179 Suchkosten  158, 176 Suchmaschine  179, 272 Suchmaschinenwerbung  141 Suchprozess  177 Suchregeln  178 Suchstrategie  178 Sunk costs  66, 245 Symbiose-Prinzip  17 Systemgut  41

T Technologiesprung  249 Technologiewettlauf  253 Tipping-Point  211, 230 Tit for Tat  320 Tragik der Allmende  295 Transaktion  32, 155 Transaktionsbeziehungen  161 Transaktionsgebühren  266 Transaktionskosten  156, 157 Transintermediation  184 Trittbrettfahrer  318

I–Z

U Übertragungsmedien  39 Urheberrechte  76

V Vendor-Lock-In  252 Vereinbarungsphase  12, 158 Verfahren, kryptografisches  78 Versioning  131 Vertrauen  169, 194, 312 Vertrauenseigenschaften  11, 90, 97, 99, 100, 106, 180 –– von Marktanalysen  100 –– von Software  99 Vertrauensgüter  159 Verwertungsrechte  73 Vickrey-Auktion  125

W Währung, digitale  327 Wechselkosten  79, 242, 249, 251 Werbe-Plattform  264, 269 Wertschöpfung  2 Wettbewerb  11, 74 Wettbewerbsbedingungen  268 Wettbewerbsmarkt  68 Wikipedia  32, 299 Wissen  33, 38 –– verteiltes  282 Wissensgesellschaft  29 Wohlstand  55 WorldWideWeb  31

Y Yield Management  15

Z Zahlungsbereitschaft  40, 57, 92, 115, 212, 274 Zahlungs-Plattform  264 Zipfs Gesetz  48 Zugangsbarrieren  14 Zweitpreisauktion, verdeckte  125